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German Pages 323 [324] Year 2014
Sandra Oster Das Autorenfoto in Buch und Buchwerbung
Archiv für Geschichte des Buchwesens – Studien
Im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V. Herausgegeben von Ursula Rautenberg und Ute Schneider
Band 11
Sandra Oster
Das Autorenfoto in Buch und Buchwerbung Autorinszenierung und Kanonisierung mit Bildern
Historische Kommission: Ordentliche Mitglieder: Prof. Dr. h. c. mult. Klaus G. Saur (München), Vorsitzender; Prof. Dr. Reinhard Wittmann (Fischbachau), stellvertretender Vorsitzender; Prof. Dr. Ernst Fischer (Mainz); Prof. Dr. Stephan Füssel (Mainz); Prof. Dr. Christine Haug (München); Dr. Roland Jaeger (Hamburg); Prof. Dr. Siegfried Lokatis (Leipzig); Prof. Dr. Wulf D. v. Lucius (Stuttgart); Prof. Thedel v. Wallmoden (Göttingen) Korrespondierende Mitglieder: Prof. Dr. Hans Altenhein (Bickenbach); Dr. Werner Arnold (Wolfenbüttel); Dr. Jan-Pieter Barbian (Duisburg); Prof. Dr. Frédéric Barbier (Paris); Thomas Bez (Bietigheim-Bissingen); Dr. Monika Estermann (Berlin); Prof. Dr. Dr. h. c. Bernhard Fabian (Münster); Dr. Bernhard Fischer (Weimar); Prof. Dr. John L. Flood (Amersham); PD Dr. Wilhelm Haefs (München); Prof. Dr. Murray G. Hall (Wien); Dr. Stephanie Jacobs (Leipzig); Prof. Dr. Georg Jäger (München); Graham Jefcoate (Nimwegen); PD Dr. habil. Thomas Keiderling (Leipzig); Dr. Thekla Kluttig (Leipzig); Dr. Michael Knoche (Weimar); Prof. Dr. Hans-Joachim Koppitz (Mainz); Dr. Mark Lehmstedt (Leipzig); Dr. Christoph Links (Berlin); Prof. Dr. York-Gothart Mix (Marburg); Dr. Helen Müller (Gütersloh); Juniorprofessor Dr. David Oels (Mainz); Bernd Rolle (Jena); Prof. Dr. Patrick Rössler (Erfurt); Prof. Dr. Helmut Rötzsch (Leipzig); Prof. Dr. Walter Rüegg (Villette/Lauvaux); Prof. Dr. Wolfgang Schmitz (Köln); Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider (Leipzig); Prof. Dr. Ute Schneider (Mainz); Dr. Volker Titel (Erlangen); Prof. Dr. Peter Vodosek (Stuttgart); Dr. Tobias Winstel (Freiburg i. Br.) Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 05 Philosophie und Philologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2013 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen.
ISBN 978-3-11-034613-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-034632-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038455-0 ISSN 2197-0351 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverfoto: Bernhard am Rad, Michael Horowitz, Wien Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
„Ich werde mich photographiren lassen, die Rechte in der Fracktasche und die Linke auf die drei Bände gestützt, dann kann ich eigentlich getrost in die Grube fahren.“ Thomas Mann in einem Brief an Heinrich Mann, 13. 11. 1901
Inhalt Abkürzungsverzeichnis xi Abbildungsverzeichnis xii 1 Einleitung 1 1.1 Thomas Bernhard fährt Fahrrad 1 1.2 Forschungsbericht 6 1.2.1 Die Debatte um das Bild: Iconic Turn und Bildwissenschaft 7 1.2.2 Fotografien als historische Quellen und Untersuchungsgegenstand 8 1.2.3 Die Debatte um den Autor: Die Wiederentdeckung des Autors anhand seiner Inszenierung 11 1.2.4 Forschung zum Autorenfoto 16 1.3 Darlegung und Kritik der Quellen 22 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1
Theorie: Autorenfoto und Autorbild 25 Theorie des Autors und seiner Inszenierung 25 Die Positionierung des Autors im literarischen Feld 26 Die Inszenierung des Autors im Paratext 30 Imagologie des Autors 32 Theorie der Fotografie des Autors 34 Zeigen: Die Fotografie des Autors als Bestätigung seiner Präsenz 35 Bedeuten: Die Lesbarkeit der fotografischen Inszenierung des Autors 39 Ebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext 49 Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit – die Entstehung und Verbreitung des Autorenfotos im 19. Jahrhundert 52 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie 52 Die fotografische Porträtkultur im 19. Jahrhundert 62 Die Entwicklung der Porträtfotografie 62 Das private Porträt des Bürgertums: Ikonografie und Gebrauchsweise 65 Das öffentliche Porträt der Prominenz: Ikonografie und Gebrauchsweise 69 Das Autorenfoto als privater und öffentlicher Paratext 74 Die Ikonografie des fotografierten Autors 74
VIII
Inhalt
3.3.2
Widmung und Austausch – die frühen Gebrauchsweisen des Autorenfotos 84 Autor und Autorenfoto 87 Die fotografische Inszenierung des Autors als Romanfigur: Karl May 90 Das Autorenfoto in der öffentlichen Bilderwelt um 1900 100 Illustrierte Massenpresse und Werbung: Die Entstehung der öffentlichen Bilderwelt 100 Prominenz und visuelle Kultur 106 Die fotografische Inszenierung des Autors als Prominenter 109
3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3
Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext 117 Zwischen Vermittlung und Werbung: Der verlegerische Paratext 118 Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext 122 Entwicklungstendenzen des verlegerischen Peritextes im 20. Jahrhundert 122 Das Frontispizporträt als erster Verwendungskontext des Autorenfotos 128 Die Etablierung des Autorenfotos auf dem Schutzumschlag 133 Die Stabilisierung des Autorenfotos im Klappenporträt 139 Die Ausdifferenzierung des Autorenfotos auf dem Cover und Bucheinband 142 Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext 154 Entwicklungstendenzen des verlegerischen Epitextes im 20. Jahrhundert 154 Visuelle Repräsentation des Verlagsprogramms: Das Autorenfoto in Katalogen, Verlagsalmanachen und Porträtsammelbänden 170 Visuelle Repräsentation des Werkes: Das Autorenfoto in Verlagsprospekten und Anzeigen bis 1945 182 Das Kopfbild des Autors als Bildnorm im verlegerischen Epitext nach 1945 192 Bildinszenierung in der Publikumswerbung 199 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung 207 Verlegerische Kanonisierungspraktiken 207 Editorische Kanonisierung mit Bildern: Die Bildbiografie 216 Bildband und Bildbiografie – eine Typologie 216 Dichter-Bildbände als Medien des kulturellen Gedächtnisses: Goethe-Bildbände im 19. und frühen 20. Jahrhundert 218 Inszenierung des Autors als Klassiker: Bildbiografien zu Hermann Hesse bei Suhrkamp und Insel 223
Inhalt
5.2.4 5.2.5 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 6
IX
Auratisierung des Profanen: Bildbiografien zu Franz Kafka von Klaus Wagenbach und Hartmut Binder 243 Fotografische Kanonisierung in der Bildbiografie: Die Bildsprache des Klassikers 258 Symbolische Kanonisierungspraktiken im verlegerischen Paratext 264 Ikonografie des Klassikers 264 Kontextualisierung des Klassiker-Autorenfotos 272 Verdichtung und Reihung als Prinzipien der Bildverwendung 275 Im Angesicht des Lesers – Dimensionen der fotografischen Inszenierung des Autors 280
7 Quellen- und Literaturverzeichnis 287 7.1 Quellen 287 7.1.1 Gedruckte Quellen 287 7.1.2 Ungedruckte Quellen 296 7.1.3 Internet-Quellen 296 7.2 Forschungsliteratur 297 Dank 311
Abkürzungsverzeichnis Al Almanach Az Anzeige C Cover DLA Deutsches Literaturarchiv Marbach es edition suhrkamp F Frontispiz hUK hintere Umschlagklappe (Schutzumschlag) I Inhaltstext it insel taschenbuch KP Klappenporträt ÖNB Österreichische Nationalbibliothek P Prospekt Pl Plakat R Buchrückseite Sch Schuber st suhrkamp taschenbuch stw suhrkamp taschenbuch wissenschaft SU Schutzumschlag VpS1 Verlagsprospekt Sammlung 1 des Deutschen Literaturarchiv Marbach VpS2 Verlagsprospekt Sammlung 2 des Deutschen Literaturarchiv Marbach vUK vordere Umschlagklappe (Schutzumschlag)
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Upton Sinclair in der Literarischen Welt (1925) 111 Abb. 2: Werbeanzeige für Adler-Schreibmachinen mit Carl Zuckmayer (1925). 116 Abb. 3: Frontispiz und Titelseite von Arthur Eloessers Thomas Mann. Sein Leben und sein Werk (1925) 130 Abb. 4: Frontispiz und Titelseite von Peter Altenbergs Fechsung (1921) 132 Abb. 5: Aufgeklebte Coverfotografie zu Hans Paasches Die neun Briefe des Negers Lukanga Mukara (1921) 135 Abb. 7: Doppelseite mit Autorenfotos aus dem Katalog für moderne Litteratur von S. Fischer (1897). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I). 172 Abb. 8: Doppelseite mit Autorenfoto aus dem Verlagskatalog von S. Fischer (1901). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I). 173 Abb. 9: Annette Kolb (unten rechts) im S. Fischer-Verlagsalmanach Das XXV. Jahr (1911) 176 Abb. 10: Thomas Mann (oben rechts) im S. Fischer-Verlagsalamach Das XXV. Jahr (1911) 177 Abb. 11: Bucheinband Das kleine Buch der Dichterbilder (1937) 178 Abb. 12: Doppelseite in Das kleine Buch der Dichterbilder 179 Abb. 13: Cover der Erstauflage von Was sie schreiben – wie sie aussehen (1954) 180 Abb. 14: Cover der Neuauflage (1956) 181 Abb. 15: Beispielseite aus der Erstauflage (1954) 182 Abb. 16: Beispielseite aus der Neuauflage (1956) 183 Abb. 17: Werbeanzeige des Verlags Breitkopf & Härtel für und mit Autorenfoto von Felix Dahn (1912) 185 Abb. 18: Doppelseite aus dem Verlagsprospekt Die neuen Bücher von S. Fischer (1914). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 187 Abb. 19: Das erste Autorenfoto Franz Kafkas in einem Verlagsprospekt des Kurt Wolff Verlags (1927). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 188 Abb. 20: Autorenprospekt aus dem Verlag Albert Langen (ca. 1908). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 190 Abb. 21: Autorenprospekt aus dem Verlag Ernst Rowohlt (1929). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 191 Abb. 22: Titelseite der S. Fischer Korrespondenz zu Hermann Hesses 60. Geburtstag (1937). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 192 Abb. 23: Doppelseite. (DLA Sammlung Verlagsprospekte I) 193 Abb. 24: Titelseite der Suhrkamp Programm-Vorschau (1979). (DLA Sammlung Verlagsprospekte II) 197 Abb. 25: Piper-Sammelprospekt mit Autorenkopfraster (1976). (DLA Sammlung Verlagsprospekte II) 199 Abb. 26: Coverentwurf für den geplanten Hesse-Bildband in Dichten und Trachten (1960) 230 Abb. 27: Endgültiges Cover des Hesse-Bildbandes (1960) 231 Abb. 28: Hermann Hesse, fotografiert von Fret Widmann (Ausschnitt) (1926) © Suhrkamp 238 Abb. 29: Bildverwendung auf dem Cover von Leben und Werk im Bild (1973) 239 Abb. 30: Bildverwendung auf dem Cover von Sein Leben in Bildern und Texten (1979) 240 Anmerkungen zu den Abbildungen allgemein: Die Abbildungen dienen nicht der Illustration sondern sind als Bildzitate angelegt. Aus organisatorischen und finanziellen Gründen musste darauf verzichtet werden, alle untersuchten Bilder im Buch abzubilden. Gezeigt werden vor allem unpublizierte und somit schwer zugängliche Bilder. Online verfügbare Bilder sind über in die Fußnoten eingefügte Links für den interessierten Leser leicht auffindbar.
1 Einleitung 1.1 Thomas Bernhard fährt Fahrrad Über meinem Schreibtisch hängt ein Thomas Bernhard-Plakat. Darauf ist Thomas Bernhard zu sehen, der mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und mit Kniestrümpfen bekleidet auf einem Herrenrad sitzt, das er durch einen hellen Innenraum lenkt.1 Gerade nimmt er eine Kurve. Die Augen sind geschlossen, der Mund ist leicht geöffnet und das schüttere Haar etwas ungeordnet. Das Gesicht wirkt konzentriert und zugleich vergnügt. An der Szene erstaunt zuerst der ungewöhnliche Ort: Ein weiß getünchtes Gewölbe ist kein städtischer Radweg. Mehr noch staunt man darüber, wer sich hier vergnügt: Ein Autor. Autoren sehen auf Fotografien eigentlich anders aus. Dieses Bild stört eine Wahrnehmungsgewohnheit. Als Autor wird Thomas Bernhard auch für den Unkundigen durch den Verlagsnamen »Suhrkamp« erkennbar, der auf dem Plakat in großen Lettern unter dem Namen des Autors zu lesen ist. Für den Leser von Bernhards Texten geht das Staunen noch weiter: Er kennt den Autor als Misanthrop, dessen Übertreibungskunst in endlosen Schimpftiraden – nicht zuletzt auf die Fotografie2 – gipfelt. Hier jedoch wirkt er gelöst und es scheint, als beschere ihm die abwegige Tätigkeit des Radfahrens im Gewölbe eine eigensinnige Freude. Die Faszination an der Fotografie ergibt sich für den Leser aus der Kenntnis des Werkes, Text und Bild verweisen gegenseitig aufeinander. Den Leser von Thomas Bernhards Kindheits-Autobiografie mag die Aufnahme an die Eingangsszene von Ein Kind erinnern. Sie wirkt wie eine nachträgliche Illustration. Dort entwendet der Junge Bernhard das »Steyr-Waffenrad«3 seines Vormundes und beschließt, nach wenigen Runden des Radfahrens sich mächtig wähnend, einen triumphalen Ausflug ins dreißig Kilometer entfernt gelegene Salzburg zu unternehmen. Er scheitert. Mit blutverschmierten Kniestrümpfen schiebt er das demolierte Rad zurück nach Hause. Was ihm immerhin »die größte Erkenntnis meines bisherigen Lebens«4 beschert: »So also begegnet der Radfahrer der Welt: von oben! Er rast dahin, ohne mit seinen Füßen den Erdboden zu berühren, er ist ein Radfahrer, was beinahe so viel bedeutet wie: ich bin der Beherrscher der Welt!«5
1 Vgl. Thomas Bernhard Suhrkamp. Frankfurt a. M.: Suhrkamp [2008] (Pl). Vgl. Abb. auf dem Cover des vorliegenden Buches. 2 Vgl. Thomas Bernhard: Auslöschung. Hrsg. v. Hans Höller (Thomas Bernhard: Werke, hrsg. v. Martin Huber u. Wendelin Schmidt-Dengler, Bd. 9), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008, S. 20–26 u. 188–196. 3 Ders.: Ein Kind. In: Ders.: Die Autobiographie. Hrsg. v. Martin Huber u. Manfred Mittermayer (Thomas Bernhard: Werke, hrsg. v. Martin Huber u. Wendelin Schmidt-Dengler, Bd. 10), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004, S. 407–509, hier: S. 407. 4 Ebd., S. 409. 5 Ebd., S. 409.
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Einleitung
Das Erstaunen des Betrachters, das der Verlag mit dem Einsatz des ungewöhnlichen Fotos als Plakatmotiv erzielt, ist in der Aufnahmesituation begründet. Die Fotografie sagt über diese jedoch nichts aus. Sie bezeugt schlicht: Der Autor fährt Rad im Gewölbe. Dabei ist ihm nicht einmal anzusehen, ob er sich der Anwesenheit des Fotografen bewusst ist. Es könnte sich um einen Schnappschuss handeln; der Fotograf war zufällig anwesend, als der Autor in seinem Gewölbe eine Runde auf dem Rad drehte. Diese Variante wirkt glaubwürdig, weil die Aufnahmesituation ungewöhnlich ist. Auch die geschlossenen Augen des Radfahrers und das Gerümpel, das im Bildhintergrund in einer Ecke zu erkennen ist, sind Zeichen einer Authentizität des Zufalls. Der Schnappschuss gewährt einen seltenen Einblick in das Privatvergnügen des Autors. Möglich ist aber auch, dass der Fotograf die Aufnahme arrangiert hat, indem er Bernhard bat, Rad zu fahren, um eine authentisch wirkende Situation zu inszenieren. Der Autor demonstriert in diesem Fall sein Können als Radfahrer, der Fotograf als Arrangeur. Für den Betrachter ist dieser Unterschied nicht auszumachen. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein gezieltes Posieren des Autors. Er zeigt sich so, wie er gesehen werden will. Der Fotograf Michael Horowitz berichtet, dass es Bernhard gewesen sei, der ihn nach einer langen, nur widerwillig gewährten Porträtsitzung nicht verabschiedete, sondern in den Keller seines Ohlsdorfer Vierkanthofes zum Fahrradfahren lotste.6 Die Anekdote verrät die Selbstinszenierung des Autors. Er hält den Fotografen zum Narren, indem er nicht stillhält, wie es das Posieren eigentlich verlangt. Das Radfahren des Autors ist seine Herrschaft über das Bild. In der selbst gewählten Pose ist er noch einmal »Beherrscher der Welt«7, nämlich der Bilderwelt, in die sein Porträt unweigerlich eingeht. Zugleich handelt es sich um eine Inszenierung des Autors durch den Verlag. Das Plakat erschien 2008, knapp 20 Jahre nach Bernhards Tod, und wurde als Werbemittel im Buchhandel genutzt, um die Aufmerksamkeit auf den Todestag des Autors und die ihn flankierenden Neuerscheinungen zu lenken.8 Für die Auswahl des Plakatmotivs wird vermutlich nicht die Aufnahmesituation entscheidend gewesen sein, sondern allein die Irritation der Wahrnehmungsgewohnheiten. Der Schnappschuss-Effekt der Aufnahme mag zu der Auswahl beigetragen haben, schließlich hat Michael Horowitz eine ganze Serie des Motivs aufgenommen, darunter auch Aufnahmen, die Bernhard
6 Vgl. Michael Horowitz im Interview mit Achtzig. URL: http://www.achtzig.com/archiv/ personen/ Horrowitz/Fuch_mu_01_1023_17_x.pdf, [22.06.2012]. (Offenkundig ist die Aufnahme allerdings nicht in einem Keller entstanden, wie das Tageslichtfenster im Hintergrund nahe legt. Es handelt sich um einen ausgebauten Kuhstall in Bernhards Vierkanthof, wie sich anhand anderer Aufnahmen belegen lässt. Vgl. Erika u. Wieland Schmied: Thomas Bernhard. Leben und Werk in Bildern und Texten, 2. Aufl., Salzburg: Residenz 2009, S. 144–145.) 7 Bernhard: Ein Kind, S. 409. 8 Zur Bedeutung des Autorenfotos im Kontext der Gedenkindustrie siehe: 5 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung.
Thomas Bernhard fährt Fahrrad
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mit geöffneten Augen zeigen.9 Spätestens durch die Auswahl des Verlags wird das Autorenfoto zu einer Inszenierung – unabhängig von der Aufnahmesituation. Daraus ergeben sich zwei Prämissen, die als Wegweiser für die folgende Untersuchung fungieren: Die Fotografie des Autors korrespondiert mit seinem Werk. Und: Die Fotografie des Autors ist eine Inszenierung. Beide rücken das Autorenfoto in einen Zusammenhang mit der Literaturvermittlung. Indem es etwa als Plakat eingesetzt wird, um auf das Werk des Autors aufmerksam zu machen, wird das Autorenfoto zum Medium der Literaturvermittlung. Diese wird hier verstanden als kommunikativer Prozess, der die Rezeption von Texten vorbereitet und steuert. Verlage und Buchhandel, Bibliotheken, Literaturagenturen, Literaturhäuser und die Literaturkritik sind an diesem Prozess professionell beteiligt.10 Sie verbinden wirtschaftliche mit inhaltlichen Interessen, die je nach Akteur unterschiedlich gewichtet sein können. An der inhaltlichen Vermittlung sind außerdem Schulen und Hochschulen beteiligt. Im Prozess der Literaturvermittlung wird zunächst die Aufmerksamkeit potenzieller Leser auf den Text gelenkt.11 Die Literaturvermittlung kann als Literaturmarketing verstanden werden, denn sie bedient sich professioneller Strategien zur Bindung von Aufmerksamkeit, die auch aus dem journalistischen Bereich stammen.12 Die Literaturvermittlung partizipiert dabei an einem weit verbreiteten Kommunikationsphänomen: der Inszenierung. Der Philosoph Martin Seel definiert Inszenierungen als 1. absichtsvoll eingeleitete oder ausgeführte Prozesse, die 2. vor einem Publikum dargeboten werden und zwar 3. so, daß sich eine auffällige spatiale und temporale Anordnung von Elementen ergibt, die auch ganz anders hätte ausfallen können.13
9 Vgl. Dreissinger, Sepp (Hrsg.): Thomas Bernhard. Portraits, Bilder & Texte, Weitra: Bibliothek der Provinz 1992, S. 134–135. 10 Vgl. Gebhard Rusch: Literaturvermittlung. In: Metzlers Lexikon der Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, hrsg. v. Ansgar Nünning, 4. aktualis. u. erw. Aufl., Stuttgart: J.B. Metzler 2008, S. 443. 11 Vgl. zur Aufmerksamkeit: Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München: Carl Hanser 1998. 12 Vgl. Stephan Porombka: „Der Autor schaut direkt in die Kamera (und damit dem Zuschauer in die Augen)“. Über alte und neue Formen der Literaturvermittlung, in: Kulturvermittlung – zwischen kultureller Bildung und Kulturmarketing. Eine Profession mit Zukunft, hrsg. v. Birgit Mandel, Bielefeld: Transcript 2005, S. 205–216, hier: S. 207; Marc Reichwein: Diesseits und jenseits des Skandals. Literaturvermittlung als zunehmende Inszenierung von Paratexten, in: Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen, hrsg. v. Stefan Neuhaus u. Johannes Holzner, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 89–99. 13 Martin Seel: Inszenieren als Erscheinenlassen. Thesen über die Reichweite eines Begriffs, in: Ästhetik der Inszenierung. Dimensionen eines künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Phänomens, hrsg. v. Josef Früchtl u. Jörg Zimmermann (es NF 2196), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001, S. 48–62, hier: S. 49.
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Einleitung
Auch die Inszenierung des Autors im Rahmen der Literaturvermittlung ist eine intentionale Handlung. Dazu müssen nicht auf allen Ebenen Inszenierungsabsichten nachweisbar sein, sie sind jedoch in dem Moment evident, in dem die Inszenierung öffentlich vor einem Publikum erfolgt. Seels Universaldefinition, die sich ebenso auf dramatische wie mediale Inszenierungen beziehen lässt, ist im Hinblick auf mediale Inszenierungen noch um die Komponenten Aufmerksamkeit und Medialität zu erweitern: Die Aufmerksamkeit wird auch hier als zentrale Größe verstanden, die durch die Inszenierung erzielt werden soll. Ferner bedienen sich Inszenierungen verschiedener Medien; Reichwein bezeichnet sie als »medientechnisch determinierte und journalistisch motivierte Formgebung«14. Jedes Medium hat ein spezifisches Inszenierungspotenzial, das sich aus den medialen Eigenschaften ableitet. Die Fotografie, soviel hat die Betrachtung des Bernhard-Fotos bereits gezeigt, ist mit einem Wirklichkeitseffekt ausgestattet, der die Inszenierung als uninszeniert erscheinen lassen kann. Die Literaturvermittlung bedient sich der Inszenierung als Kommunikationsform, um Aufmerksamkeit auf Texte und Autoren zu lenken. Das ist der erste Schritt. Im zweiten wird ein Zugang zum Text gelegt. Die Fotografie des Autors trägt dazu bei, indem sie ein Vorstellungsbild vom Verfasser vermittelt, das auf die Rezeption des Textes einwirkt. In diesem Zusammenhang ist Gérard Genettes Paratext-Begriff hilfreich, um den Fokus von der Aufmerksamkeit auf den Text auf die Annäherung an den Text zu lenken. Der Paratext ist das »Beiwerk, durch das ein Text zum Buch wird und als solches vor die Leser und, allgemeiner, vor die Öffentlichkeit tritt.«15 Er bereitet die Rezeption des Textes vor. Auch die Fotografie des Autors ist ein solcher Paratext.16 Die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die Rolle des Autorenfotos bei der Literaturvermittlung. Welche Veränderungen hat die Wahrnehmung von Literatur durch die Fotografierbarkeit des Autors und die Reproduzierbarkeit der Fotografie des Autors erfahren? Und welchen Stellenwert nimmt das Autorenfoto als Paratext im Rahmen der Literaturvermittlung heute ein? Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse des Autorenfotos im Rahmen der Literaturvermittlung durch Verlage. Die fotografische Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext, also jener Zone des Paratextes, »für die hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) der Verleger oder vielleicht abstrakter der Verlag verantwortlich ist [...]«17, ist der Untersuchungsgegenstand. Im Blickpunkt steht die Entwicklung der Bildverwendung in der Buchwerbung und Buchgestaltung vom späten 19. Jahrhundert, als Fotografien erstmals reproduziert wurden, bis in die Gegenwart. Dabei ist zu klären, warum und wie sich das Autorenfoto zu dem zwar diskreten, aber doch 14 Reichwein: Diesseits und jenseits des Skandals, S. 90. 15 Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, (stw 1510) Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001, S. 10. 16 Zur ausführlicheren Diskussion des Paratext-Konzepts im Hinblick auf die Inszenierung des Autors und die Feldtheorie Pierre Bourdieus siehe: 2.1.2 Die Inszenierung des Autors im Paratext. 17 Genette: Paratexte, S. 22.
Thomas Bernhard fährt Fahrrad
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konstanten Element des verlegerischen Paratextes entwickelt hat, das es heute ist. Das bedeutet, dass einerseits die Zuschreibungen an die Fotografie des Autors und andererseits seine Verwendungsweise berücksichtigt werden sollen. Dabei wird das Inszenierungspotenzial der Fotografie ebenso in den Blick genommen wie Inszenierungsstrategien von Verlagen. Die Bildverwendung im verlegerischen Paratext lässt auf die Funktionen des Autorenfotos in der Literaturvermittlung überhaupt schließen, und damit auch auf die Rolle des Autors in diesem Prozess. Welche Auswirkungen hat die Fotografierbarkeit des Autors und damit seine fotografische Inszenierbarkeit auf die Funktion Autor? Zwei Analyserahmen werden eröffnet, um diese zentralen Fragen zu klären. Der erste Rahmen umfasst die Verwendungskontexte des Autorenfotos im verlegerischen Paratext in ihrer historischen Entwicklung. Die Geschichte der Bildverwendung wird dabei entfaltet. Hier steht die Frage nach den Funktionen des Autorenfotos im verlegerischen Paratext im Vordergrund. Nicht immer und für jeden Autor ist die Fotografie legitim. Welche Autoren überhaupt im Bild gezeigt werden und in welchen Kontexten (ob Werbung oder Würdigung etwa) diese Bilder dann stehen, unterliegt einem Wandlungsprozess, der mit der Entwicklung der Buchwerbung und Buchgestaltung einhergeht, aber auch mit allgemeinen Bilddiskursen korrespondiert. Dieser Wandlungsprozess wird in der Untersuchung rekonstruiert. Dabei stehen fotografische Inszenierungsstrategien von Verlagen im Fokus. Der zweite Untersuchungsrahmen beinhaltet die Bildinszenierung des Klassikers. In der vorliegenden Arbeit werden als ›Klassiker‹ Autoren bezeichnet, die Gegenstand von verlegerischen Kanonisierungspraktiken sind. Autoren also, die von ihren Verlagen als Klassiker inszeniert werden. In dieser Prägung enthält der Begriff keine Referenz auf als klassisch geltende Epochen, beispielsweise die Weimarer Klassik; er unterliegt einer »geschichtlichen Entgrenzung«18, die tendenziell auch in der literaturwissenschaftlichen Verwendung des Begriffs bemerkbar ist. Fotografische Inszenierungsstrategien sind Kanonisierungspraktiken – dieser Annahme geht die Untersuchung nach, indem sie eine spezifische Bildsprache des Klassikers herausarbeitet und in ihrer Entwicklung beleuchtet. Die Bildsprache des Klassikers speist sich aus der jahrhundertelang wirksamen Memorialfunktion von Bildern; Bilder erinnern die Nachwelt an berühmte Zeitgenossen. Die Fotografie verändert diese Bildsprache in ihrer Motivik und in ihrer Verwendung grundlegend. Im verlegerischen Paratext wird aus dem Bild des Autors als Medium des kulturellen Gedächtnisses auch ein Mittel der Literaturvermittlung. Kanonisierung und fotografische Inszenierung verbinden sich in der Bildsprache des Klassikers. Welche Funktionen das Autorenfoto im Rahmen der Kanonisierungspraktiken von Verlagen hat, wird die Analyse ergeben. Verständlich wird die Geschichte und Funktionsweise des Autorenfotos erst durch eine Reihe von Entwicklungen, die im 19. Jahrhundert aufeinander treffen: Die Entwick18 Rainer Rosenberg: Klassiker. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Teil II, hrsg. v. Harald Fricke, 3., neubearb. Aufl., Berlin u. a.: de Gruyter 2000, S. 274–276, hier: S. 274.
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Einleitung
lung der Fotografie und die Geschichte des Autorenporträts, die veränderte Rolle des Autors, der sich auf dem Markt behaupten musste, und die Entwicklung einer modernen Buchwerbung, die an der wachsenden Bedeutung von Bildern in der Öffentlichkeit beteiligt war. Das Zusammentreffen dieser Entwicklungen macht aus dem Autorenfoto einen Paratext. An diesem Zusammentreffen zeigt sich, wie das Autorenfoto die Formen der Literaturvermittlung verändert hat und zugleich, woher der enorme Bedarf des Lesepublikums nach dem Bild des Autors kam, den beispielsweise Karl May zu beklagen hatte: »Meine Leser drängen nach Photographien«19, schrieb er 1896 an seinen Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld. Den beiden Analyserahmen vorangestellt ist daher die Entstehung des Autorenfotos als Paratext im 19. Jahrhundert. Eine Forschungsperspektive, die sich auf die fotografische Inszenierung einzelner Beispielautoren oder auf die Inszenierungsstrategien einzelner Verlage beschränkt, wurde bei der Konzeption der Arbeit bewusst vermieden. Anhand signifikanter Beispiele wird vielmehr das allgemein Verbindende herausgearbeitet.
1.2 Forschungsbericht Das Autorenfoto ist bislang in seiner Funktion als Medium der Literaturvermittlung von der Forschung kaum berücksichtigt worden, wie der folgende Forschungsbericht zeigt. Das Desiderat einer quellenbasierten Untersuchung des Autorenfotos in kommunikativen Zusammenhängen erstaunt umso mehr, da vielerorts von einem Iconic Turn die Rede ist und Bildern aller Art in der interdisziplinären Forschung nicht nur der Rang von Quellen, sondern von Untersuchungsgegenständen eingeräumt wird. Zudem hat sich die Inszenierung des Autors in den letzten Jahren als ein fruchtbares Forschungsfeld im Hinblick auf die Bedeutung des Autors im Rahmen der Literaturvermittlung etabliert. Diese beiden Ansätze verbindet die vorliegende Arbeit, die sich als Beitrag zur buchwissenschaftlichen Forschung zur Literaturvermittlung versteht. Die folgende Darstellung des Autorenfotos als Untersuchungsgegenstand nähert sich der Forschung zum Autorenfoto von den beiden relevanten Forschungsfeldern aus an: Der Debatte um das Bild im Rahmen des Iconic Turn und der Debatte um den Autor und seine Inszenierung. Die ausführliche Darstellung dieser Positionen dient der Verortung der vorliegenden Arbeit innerhalb der aktuellen Forschungsdebatten.
19 Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld. Bd. I, 1891–1906, hrsg. v. Dieter Sudhoff u. Hans-Dieter Steinmetz (Karl May’s Gesammelte Werke und Briefe 91), Bamberg u. Radebeul: Karl-MayVerlag 2007, S. 205.
Forschungsbericht
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1.2.1 Die Debatte um das Bild: Iconic Turn und Bildwissenschaft Das Bild hat Konjunktur. Unter den Schlagworten »Pictorial Turn« und »Iconic Turn« hat sich seit den 1990er Jahren ein Paradigmenwechsel der kulturwissenschaftlichen Forschung vollzogen, der eine Abgrenzung zum Lingusitic Turn und dem Logozentrismus vollzieht und von der Kunstgeschichte ausgeht. W. J. T. Mitchell, der 1992 den Pictorial Turn ausrief und Gottfried Boehm, der 1994 den Begriff des Iconic Turn prägte, stehen für eine neue wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Bild.20 Sie tragen einer gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung, in der Bilder omnipräsent sind.21 Seit einigen Jahren schlägt sich die Diskussion um das Bild jährlich in einer größeren Zahl von Tagungen, Sammelbänden und Monographien sowie inzwischen auch Einführungen nieder.22 Im deutschsprachigen Raum partizipieren neben Gottfried Boehm vor allem Hans Belting und Horst Bredekamp an der Diskussion um den Iconic Turn, indem sie Kunst- und Bildwissenschaft miteinander in Beziehung setzen. Klaus Sachs-Hombach widmet sich dagegen einer semiotischen Bildwissenschaft.23 Die Bezeichnung »Iconic Turn« hat sich im deutschsprachigen Raum inzwischen weitgehend durchgesetzt, wobei auch Mitchells Überlegungen zum Pictorial Turn unter diesen Begriff gefasst werden. »Was ist das Bild?« lautet die ontologische Ausgangsfrage von Boehm und Mitchell. Dabei wird der kunstgeschichtliche Bildbegriff erweitert: Er umfasst nicht nur kanonische Kunstwerke, sondern grundsätzlich alle materiellen und mentalen Bilder. Neben Gemälden und Fotografien beinhaltet er etwa auch Landkarten, Computertomografien sowie Traumbilder, Weltbilder usw. Durch diese Breite verändert sich auch die Stellung des Bildes; das Bild wird als eine Einheit aufgefasst, welche die menschliche Wahrnehmung und letztlich den mensch20 Vgl. Gottfried Boehm: Die Wiederkehr der Bilder. In: Was ist ein Bild? Hrsg. v. dems., München: Wilhelm Fink 1994, S. 11–38; W.J.T. Mitchell: Bildtheorie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008. 21 Vgl. Bernd Stiegler: „Iconic turn“ und gesellschaftliche Reflexion. In: Trivion. Deutsch-französische Zeitschrift für Geistes- und Sozialwissenschaften, Nr. 1, Paris 2008, URL: http://trivium.revues. org/index391.html, [04.03.2011]. 22 Vgl. eine Auswahl neuerer und einführender Titel: Hubert Burda (Hrsg.): In medias res. Zehn Kapitel zum Iconic Turn, Paderborn: Fink 2010; Gustav Frank u. Barbara Lange: Einführung in die Bildwissenschaft. Bilder in der visuellen Kultur, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 2010; Jörg Probst u. Jost Philipp Klenner (Hrsg.): Ideengeschichte der Bildwissenschaft. Siebzehn Porträts (stw 1937), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009; Martin Schulz: Ordnungen der Bilder. Einführung in die Bildwissenschaft, 2. Aufl., München: Wilhelm Fink 2009. 23 Vgl. Hans Belting (Hrsg.): Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch, München: Fink 2007; Ders.: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, 3. Aufl., München: Fink 2006; Ders.: Das echte Bild. Bildfragen als Glaubensfragen, München: C.H. Beck 2005; Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Berlin: Suhrkamp 2010; Klaus Sachs-Hombach: Bildtheorien. Anthropologische und kulturelle Grundlagen des Visualistic Turn (stw 1888), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009; Ders.: Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden (stw 1751), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005; Ders.: Das Bild als kommunikative Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft, Köln: Van Halem 2003.
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lichen Weltzugang prägt – ähnlich der Stellung des Wortes in der Theorie des Linguistic Turns. »Bilder sind unsere Art, einen Zugang zu den Dingen zu bekommen, was auch immer diese sein mögen«24, schreibt Mitchell und prägt damit einen Erkenntnis stiftenden Bildbegriff. Mitchells Pictorial Turn hat die Entwicklung der (Visual) Culture Studies im englischsprachigen Raum befeuert, die sich den durch Bilder evozierten Wahrnehmungsweisen gerade auch im gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang widmen. Boehm konzentrierte sich dagegen auf die »Eigensprachlichkeit wie Eigenlogik des Bildes« und versteht den Iconic Turn dezidiert als Fortsetzung des Linguitic Turns. Das Bild ist als »›Logos‹, als sinnstiftende[r] Akt zu verstehen.«25 Die Kunstwissenschaft als traditionelle Bildwissenschaft tritt dabei immer wieder in die Rolle einer Lieferantin von Methoden. Dabei ist der Rückgriff auf die von Aby Warburg begründete und von Erwin Panofsky weiterentwickelte Ikonographie und Ikonologie besonders populär,26 zumal in vielen Schriften der Warburg-Schule der erweiterte Bildbegriff des Iconic Turns vorweggenommen wird. Ob wir es tatsächlich mit einer dem Lingusitic Turn vergleichbaren Wende zu tun haben, ist zwar umstritten, doch dass die Beschäftigung mit dem Bild in den letzten fünfzehn Jahren in vielen kulturwissenschaftlichen Disziplinen zugenommen hat, steht außer Frage. Die vorliegende Arbeit profitiert von dieser Entwicklung durch die damit verbundene (weitere) Öffnung der geistes- und medienwissenschaftlichen Disziplinen für das Bild. Die bildwissenschaftlichen Reflexionen bilden einen Hintergrund für die Untersuchung des Autorenfotos. Besonders der erweiterte Bildbegriff des Iconic Turn ist in diesem Zusammenhang interessant, und wirft die Frage nach dem Verhältnis von fotografischen und mentalen Autorbildern auf.
1.2.2 Die Fotografie als historische Quelle und Untersuchungsgegenstand Neben den allgemeinen Reflexionen der Bildwissenschaft ist die geschichtswissenschaftliche Debatte um Bilder als Quellen für diese methodische Konzeption der Untersuchung von großer Bedeutung. Rainer Wohlfeil, ein Vertreter der Historischen Bild-
24 W. J. T. Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, München: C.H. Beck 2005, S. 13. 25 Gottfried Boehm: Iconic Turn. Ein Brief, in: Bilderfragen. Die Bildwissenschaften im Aufbruch, hrsg. v. dems., München: Wilhelm Fink 2007, S. 27–36, hier: S. 29. 26 Vgl. Peter Schmidt: Aby M. Warburg und die Ikonologie. Mit einem Anhang unbekannter Quellen zur Geschichte der Internationalen Gesellschaft für Ikonographische Studien von Dieter Wuttke, 2. Aufl., Wiesbaden: Harrassowitz 1993; Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie. Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell, Köln: Dumont 2006; Ders.: Meaning in the visual arts: Papers in and on Art History. New York: Garden City 1955 (Eine deutschsprachige Übersetzung des Titels erschien unter dem Titel Sinn und Deutung in der Bildenden Kunst erstmals 1975 bei DuMont.)
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kunde, betonte bereits in den 1980er Jahren den »historischen Dokumentensinn«27 von Bildern und entwickelte ein methodisches Modell für die Analyse von Bildquellen. Auch Heike Talkenberger machte sich früh für die Quellenarbeit mit Bildern in der Geschichtswissenschaft stark, erfasste jedoch wie auch Wohlfeil das Bild nicht so sehr in seiner medialen Eigenständigkeit, sondern als Äquivalent zur Schrift.28 Der englische Kulturhistoriker Peter Burke formulierte in seinem 2001 erschienenen Standardwerk Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen einen Begriff der Bildquelle als Spur,29 der Einflüsse der Visual Culture Studies im angloamerikanischen Raum aufgreift. Im deutschsprachigen Raum vertritt Gerhard Paul einen Begriff der Bildquelle, der sich gegen die geschichtswissenschaftliche Praxis richtet, in Bildern passive und unmittelbare Repräsentanten zu sehen, »die produziert, selektiert und verbreitet werden, die jedoch kaum einmal selbst Aktivposten der Geschichte sind und als solche befragt werden.«30 Paul plädiert für eine Visual History, der daran gelegen ist, Bilder über ihre zeichenhafte Abbildhaftigkeit hinaus als Medien zu begreifen, die Sehweisen konditionieren, Wahrnehmungsmuster prägen, historische Deutungsweisen transportieren und die ästhetische Beziehung historischer Subjekte zu ihrer sozialen und politischen Wirklichkeit organisieren.31
Aus dem Bild als Quelle wird ein Untersuchungsgegenstand.32 Gerhard Paul bezieht sich dabei auf den Begriff des Bildakts, den der Kunsthistoriker Horst Bredekamp geprägt hat: Reziprok zum Sprechakt liegt die Problemstellung des Bildakts darin, welche Kraft das Bild dazu befähigt, bei Betrachtung oder Berührung aus der Latenz in die Außenwirkung des Fühlens, Denkens und Handelns zu springen. Im Sinne dieser Frage soll unter dem Bildakt eine Wirkung auf das Empfinden, Denken und Handeln verstanden werden, die aus der Kraft des Bildes und der Wechselwirkung mit dem betrachtenden, berührenden und auch hörenden Gegenüber entsteht.33 27 Rainer Wohlfeil: Methodische Reflexionen zur Historischen Bildkunde. In: Zeitschrift für historische Forschung. Vierteljahresschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, 18. Jg. (1991), Beiheft 12, S. 17–36, hier: S. 18. 28 Vgl. Heike Talkenberger: Von der Illustration zur Interpretation: Das Bild als historische Quelle. Methodische Überlegungen zur Historischen Bildkunde, in: Zeitschrift für historische Forschung, 21. Jg (1994), Bd. 21, S. 289–313. 29 Vgl. Peter Burke: Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen (Wagenbachs Taschenbuch 631), Berlin: Klaus Wagenbach 2010, S. 14. 30 Gerhard Paul: Die aktuelle Historische Bildforschung in Deutschland. Themen – Methoden – Probleme – Perspektiven, in: Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um die historische Bildforschung, hrsg. von Jens Jäger u. Martin Knaur, München: Wilhelm Fink 2009, S. 125–148, hier: S. 130. 31 Ebd., S. 137. 32 Vgl. ders.: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History. Eine Einführung, in: Visual History. Ein Studienbuch, hrsg. v. dems., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 7–36. 33 Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts, S. 52.
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Bilder sind demnach nicht nur passive Quellen, die dem nachgeborenen Betrachter ein Dokument der Vergangenheit bieten können, sondern sie prägen Sehweisen. In diesem Zusammenhang verweist Paul auf die bislang nur wenig beachtete Wechselwirkung von äußeren und inneren Bildern; äußere Bilder tragen aktiv zur Prägung innerer, mentaler Bilder bei.34 Der geschichtswissenschaftliche Bildbegriff hat seit der allmählichen Öffnung der Historiker für Bilder als Quellen in den 1980er Jahren eine stetige Erweiterung erfahren, wozu auch die Diskussionen um das Bild im Rahmen des Iconic Turn und der Einfluss der Visual Culture Studies beigetragen haben. Entwickelte Wohlfeil seine Methodik noch für Gemälde, gehört die Fotografie mittlerweile selbstverständlich zu den relevanten Bildquellen und bildlichen Untersuchungsgegenständen. Dabei gehen von der methodischen Reflexion zur Fotografie auch Impulse für den Umgang mit Bildquellen allgemein aus. Der Historiker Jens Jäger bestimmt drei Kategorien, anhand derer das für ein Bildmedium Spezifische ermittelt werden kann: Medialität, Ikonizität und Materialität.35 Die Medialität bezieht sich auf den Beitrag, den ein Medium zur kulturellen Bedeutung der Bilder allgemein leistet. Das Medium gilt ihm nicht als neutraler Träger für ein Bild, es prägt vielmehr seine Erscheinung und Rezeption mit. Die Ikonizität bezeichnet spezifische bildliche Eigenschaften. Die Materialität bezieht sich auf die »Form, in der Fotografien als Objekte präsent sind.«36 Anhand dieser Kriterien gelingt es, die Spezifik der Fotografie als Bild zu berücksichtigen, ohne sich in ihrer Wesensbestimmung festzufahren. Gerade das Zusammenspiel von Medialität, Ikonizität und Materialität der Fotografie zeigt, dass es die eine Fotografie nicht gibt, sondern die Bildwahrnehmung einem historischen Wandlungsprozess unterliegt. Die von Jäger geforderte Historische Bildforschung zielt daher nicht auf die »wesensmäßige Erfassung bestimmter Bildtypen, sondern auf die historischen Bedingtheiten und Bedeutungen der Bilder und ihrer Wahrnehmung. Es geht um deren gesellschaftliche, kulturelle und soziale Rolle in sich wandelnden zeitlichen Konstellationen.«37 Die Stellung der Fotografie als Bild unterliegt einer sich wandelnden Wahrnehmung. Das trifft auch auf die Fotografie des Autors zu: ihre Bedeutungen lassen sich nur unter Berücksichtigung historischer, sozialer und kultureller Entwicklungen erschließen. Das Autorenfoto ist in diesem Sinne Quelle und Untersuchungsgegenstand zugleich. Die vorliegende Arbeit gewichtet das Autorenfoto nicht als eine Quellengattung neben anderen, mit deren Hilfe die Stellung des Autors im Prozess der Literaturvermittlung betrachtet werden kann. Um diese Fragestellung zu bearbeiten, ließen sich außerdem beispielsweise Briefwechsel, Reflexionen des Autors in Aufsätzen, Verlags34 Vgl.: Paul: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History, S. 18. 35 Vgl. Jens Jäger: Fotografie und Geschichte. (Historische Einführungen 7), Frankfurt a. M.: Campus 2009, S. 10. 36 Ebd. (Vgl. ebd. f. d. gesamten Absatz) 37 Ebd., S. 15.
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verträge, Korrespondenzen mit Verlegern, Kritikern, Buchhändlern und Leser usw. heranziehen. Die Aufwertung des Autorenfotos zum Untersuchungsgegenstand soll nicht besagen, dass es im Gegensatz zu den anderen Quellengattungen allein dazu geeignet ist, die Fragestellung zu beantworten. Sie bedeutet aber, sich der Antwort auf einem anderen Weg zu nähern und dabei neue Aussichten auf bereits bekannte Wegmarken zu gewinnen. Als Untersuchungsgegenstand betrachtet, wird das Bild selbst zum Teil der Fragestellung. Es gilt herauszufinden, welche Gebrauchsweisen und Verwendungspraktiken für das Autorenfoto relevant waren und sind. Wer hat warum einen Bedarf nach dem Bild des Autors? Wo wird es eingesetzt und wie rezipiert? In welchen medialen Formen verbreitet es sich? Welche Standards entwickeln sich für die Ikonografie des Autors? Die Zuschreibungen an das Bild des Autors offenbaren dann, welche Stellung es im Prozess der Literaturvermittlung hat – und in welchem Verhältnis sich der Autor und sein Bild dabei befinden.
1.2.3 Die Debatte um den Autor: Die Wiederentdeckung des Autors anhand seiner Inszenierung Der Wiederentdeckung des Autors als eine literaturtheoretische Bezugsgröße in den letzten Jahren ging sein Verschwinden voraus: Die effektvollste und meistzitierte Kritik am Autor gelang Roland Barthes 1968 mit Der Tod des Autors, einem Essay, dessen Titel zur Formel geworden ist.38 Auch Michel Foucaults Was ist ein Autor? (1969) trug wirkungsmächtig zur Verabschiedung der Instanz Autor aus der Literaturtheorie bei.39 Wer sich fortan noch mit dem Autor befasste, sah sich dem Vorwurf »theoretischer Naivität«40 ausgesetzt. Die Autorintention als Zielpunkt der literaturwissenschaftlichen Interpretation wurde durch andere Konzepte abgelöst und ergänzt: Text und Leser wurden zu Bezugspunkten der Interpretation. Während die Literaturtheorie den Autor kritisierte und verabschiedete, wurde er in einem Literaturbetrieb, der der Ökonomie der Aufmerksamkeit unterworfen ist, zu einer immer wichtigeren Figur. Die Literaturwissenschaft hielt indessen zumindest 38 Vgl. Roland Barthes: Der Tod des Autors. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. v. Fotis Jannidis, Matias Martínez u. Simone Winko (Universal Bibliothek 18058), Stuttgart: Reclam 2000, S. 185– 193. (Der französische Originaltext erschien 1968 unter dem Titel La mort de l’auteur in der Zeitschrift Manteia.) 39 Vgl. Michel Foucault: Was ist ein Autor? In: Ebd., S. 198–229. (Der Text beruht auf einem Vortrag, den Foucault 1969 am Collège de France gehalten hat und der erstmals im selben Jahr im Bulletin de la Societé française de Philosophie veröffentlicht wurde.) 40 Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martínez u. Simone Winko: Rede über den Autor an die Gebildeten unter seinen Verächtern. Historische Modelle und systematische Perspektiven, in: Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, hrsg. v. dens. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 71), Tübingen: Max Niemeyer 1999, S. 3–35, hier: S. 3.
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teilweise am Autor fest und bediente sich dabei verschiedener Interpretationstypen – darunter solcher, die den Autor und seine Intention ins Zentrum der Interpretation rücken.41 Aus der Mode gekommen und regelrecht verschrien ist der im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Positivismus eifrig betriebene Biografismus (auch als biografische Methode bezeichnet)42 – eine Methode, die »biographischen Fakten eine überzogene Bedeutung sowohl hinsichtlich der übergreifenden kulturgeschichtlichen Zusammenhänge, in die ein Autor eingebunden ist, als auch hinsichtlich der Interpretation seiner Werke«43 zuweist. Dennoch ist der Autor stets eine wichtige Größe der literaturwissenschaftlichen Interpretation geblieben.44 Die Diskrepanz zwischen Literaturtheorie, Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung zu vermindern, ist ein Anliegen der beiden wichtigsten Sammelbände zur theoretischen Wiederentdeckung des Autors in den vergangenen Jahren: Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs (1999) und Autorschaft. Positionen und Revisionen (2002).45 Beide regen zu einer Auseinandersetzung mit dem Konzept Autor an, indem sie eine Diskursgeschichte des Autors in sich aufnehmen und zugleich diskutieren, welche Konzepte von Autorschaft für die gegenwärtige Literaturwissenschaft relevant sein können. Dabei wird die literatursoziologische Position Pierre Bourdieus als eine versöhnende gewürdigt, die es erlaube, Autor und Text wieder zusammen in Betracht zu ziehen.46 Bedingt durch die literaturtheoretische Wiederentdeckung des Autors und seine anhaltende Bedeutung bei der Literaturvermittlung hat sich die Inszenierung des Autors in den vergangenen Jahren zu einem Forschungsfeld von einiger Popularität entwickelt. Davon zeugen mehrere Sammelbände sowie einige Einzeluntersuchungen. Der Autor wird dabei als Akteur eines Literaturbetriebs verstanden, in dem sich Markt und Medien durchdringen. Der Begriff »Inszenierung« wurde zuerst 1959 durch den US-amerikanischen Soziologen Erving Goffman aus der Dramenanalyse auf die Selbstdarstellung des Einzelnen im sozialen Kontext übertragen.47 Seit dem Ende der 1990er Jahren wurde er zu einem 41 Vgl. Jannidis, Lauer, Martínez u. Winko: Rede über den Autor, S. 22–24. 42 Vgl. Holger Dainat: Biographie2. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt, Klaus Weimar, Bd. I, 3., neubearb. Aufl., Berlin u. a.: De Gruyter 2007, S. 236–238, hier: S. 236. 43 Hans-Martin Kruckis: Positivismus/Biographismus. In: Methodengeschichte der Germanistik. Hrsg. v. Jost Schneider, Berlin u. a.: De Gruyter 2009, S. 573–596, hier: S. 574. 44 Vgl. Boris Tomaševskij: Literatur und Biographie. In: Texte zur Theorie der Autorschaft, hrsg. v. Jannidis, Martínez u. Winko, S. 49–61. 45 Vgl. Heinrich Detering (Hrsg.): Autorschaft. Positionen und Revisionen (Germanistische Berichtsbände 14), Stuttgart u. Weimar: J.B. Metzler 2002. 46 Vgl. Norbert Christian Wolf: Wie viele Leben hat ein Autor? Zur Wiederkehr des empirischen Autorund Werkbegriffs in der neueren Literaturtheorie, in: Ebd., S. 390–405, hier: S. 398. 47 Vgl. Erving Goffman: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, 6. Aufl. (Serie Piper 312), München: Piper 2008. (Der Originaltext erschien 1959 unter dem Titel The Presentation of Self in Everyday Life).
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populären Bestandteil in der Titelgebung literaturwissenschaftlicher Textanalysen.48 Parallel dazu erfuhr die Inszenierung und ihr vermeintliches Gegenstück, die Authentizität, in den Sozialwissenschaften ein verstärktes Forschungsinteresse,49 wobei die mediale Inszenierung von Politikern zu einem Schwerpunkt der Forschung wurde.50 Auf den literarischen Autor wurde der Begriff erstmals 2004 von Dirk Niefanger im Zusammenhang mit der Popliteratur der 1990er Jahre angewendet – und damit auf ein Phänomen, in dem die Verbindung von literarischen Inhalten und ihrer Vermarktung ein neues Ausmaß erreichte.51 Daraus entwickelte sich eine literaturwissenschaftliche Inszenierungsforschung, die Autorschaft und literarisches Werk im Kontext der Medien in den Blick nimmt, so der Untertitel des 2007 von Christine Künzel herausgegebenen Bandes Autorinszenierungen.52 Der Autor ist dabei nicht mehr nur aus einer interpretierenden oder literaturhistorischen Perspektive relevant, sondern seine Positionierung im Literaturbetrieb wird in den Blick genommen. Gunter E. Grimm und Christian Schärf regen in dem gemeinsam von ihnen herausgegebenen Band Schriftsteller-Inszenierungen von 2008 eine Verknüpfung von dichterischem Selbstverständnis und Autorbild bei der Untersuchung der Inszenierung an und nehmen die unterschiedlichen Funktionen in den Blick, die für Autor, Betrieb und Publikum mit der Inszenierung verbunden sein können.53 Dabei geht es auch um eine Reflexion des Autors als öffentliche Figur und die Frage danach, was es
48 Vgl. u. a. Friederike Bettina Emonds: Gattung und Geschlecht. Inszenierung des Weiblichen in Dramen deutschsprachiger Theaterschriftstellerinnen, Ann Arbor: UMI 1998; Karl Hölz: Das Fremde, das Eigene, das Andere. Die Inszenierung kultureller und geschlechtlicher Identität in Lateinamerika, Berlin: Erich Schmidt 1998; Nanda Fischer: Sport als Literatur. Zur Theorie und Praxis einer Inszenierung im 20. Jahrhundert, Traumhelden, Sportgirls und Geschlechterspiele, Eching : F. und B. 1999. 49 Vgl. Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation. Theorieansätze und Analysemethoden (UTB 2414), Konstanz: UKV 2003; Tanjev Schultz: Alles inszeniert und nichts authentisch? Visuelle Kommunikation in den vielschichtigen Kontexten von Inszenierung und Authentizität, in: Authentizität und Inszenierung von Bilderwelten. Hrsg. v. Thomas Knieper u. Marion G. Müller, Köln: Herbert von Halem 2003, S. 10–24. 50 Vgl. Herbert Willems u. Martin Jurga (Hrsg): Inszenierungsgesellschaft. Ein einführendes Handbuch, Wiesbaden u. Opladen: Westdeutscher Verlag 1998. 51 Vgl. Dirk Niefanger: Provokative Posen. Zur Autorinszenierung in der deutschen Popkultur, in: Pop – Pop – Populär. Popliteratur und Jugendkultur, hrsg. v. Johannes Pankau, Bremen und Oldenburg: Aschenbeck und Isensee 2004, S. 85–101; vgl. zur Inszenierung des Autors in der Popliteratur außerdem: Konstanze Maria Kendel: Let me entertain you! Die Inszenierung der Popliteratur im Literaturbetrieb der Gegenwart (Materialien und Ergebnisse aus Forschungsprojekten des Institutes 17), Bremen: Institut für Kulturwissenschaft 2005. 52 Vgl. Christine Künzel u. Jörg Schönert (Hrsg.): Autorinszenierungen. Autorschaft und literarisches Werk im Kontext der Medien, Würzburg: Königshausen & Neumann 2007. 53 Vgl. Gunter E. Grimm u. Christian Schärf (Hrsg.): Schriftsteller-Inszenierungen. Bielefeld: Aisthesis 2008.
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braucht, um als Autor zu gelten54 – eine Fragestellung, in die auch die Fotografierbarkeit des Autors einbezogen werden sollte. Die Herausgeber des 2011 erschienenen bislang dritten Sammelbandes zur Autorinszenierung Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuristische Typologie und Genese, Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser, entwickeln als Erste ein heuristisches Modell für die Untersuchung von Inszenierungspraktiken. Dabei systematisieren sie einzelne Aspekte der Autorinszenierung, die ansonsten eher bei Bedarf berücksichtigt werden.55 Der Inszenierung deutschsprachiger Gegenwarts-Autorinnen ab dem Ende des 20. Jahrhunderts ist der 2006 erschienene Band Zwischen Inszenierung und Botschaft gewidmet.56 Die 2009 erschienene Aufsatzsammlung Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart kontrastiert die kulturökonomische Theorie Bourdieus mit dem Aufmerksamkeits-Konzept Georg Francks und partizipiert dabei an der Debatte um die Inszenierung des Autors, ohne direkt an ihre Begrifflichkeiten anzuknüpfen.57 Die Forschung zur Autorinszenierung nutzt mediale und paratextuelle Zeugnisse und erweitert damit die üblicherweise für die Untersuchung des dichterischen Selbstverständnisses herangezogenen Quellen etwa um Home-Stories in Illustrierten, Lesungen, Fernsehdokumentationen – und um das Autorenfoto. Diese Produkte der medialen Repräsentation des Autors werden in Verbindung zu schriftlichen Selbstdarstellungen gesetzt und eröffnen Spannungsfelder zwischen Selbst- und Fremdinszenierung58 sowie zwischen Text und (audio)visuellen Medien. Die »aktionistische Dimension von Autorschaft«59 wird gemeinhin als ein Phänomen der Moderne aufgefasst. Die Inszenierungsforschung setzt entsprechend bei der Generation von Autoren an, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts geboren wurden und als erste mit den Möglichkeiten medialer und kommerzieller Repräsentation konfrontiert war – Stefan George und Thomas Mann gelten dabei quasi als Grün54 Vgl. Grimm u. Schärf: Einleitung. In: Schriftsteller-Inszenierungen, S. 7–11, hier: S. 8. 55 Vgl. Christoph Jürgensen u. Gerhard Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuristische Typologie und Genese. In: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken. Typologie und Geschichte, hrsg. v. dens., Heidelberg: Winter 2011, S. 9–30. 56 Vgl. Ilse Nagelschmidt (Hrsg.): Zwischen Inszenierung und Botschaft. Zur Literatur deutschsprachiger Autorinnen ab Ende des 20. Jahrhunderts (Literaturwissenschaft 4), Berlin: Nagel & Timme 2006. 57 Vgl. Markus Joch, York-Gothart Mix, Norbert Christian Wolf u. a. (Hrsg.): Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 118), Tübingen: Max Niemeyer 2009; Georg Franck: Autonomie, Markt und Aufmerksamkeit. Zu den aktuellen Medialisierungsstrategien im Literatur- und Kulturbetrieb, in: Ebd., S. 11–21; Ders.: Mentaler Kapitalismus. Eine politische Ökonomie des Geistes, München u. Wien: Carl Hanser 2005; Ders.: Ökonomie der Aufmerksamkeit. 58 Vgl. Ariane Huml: ‚La divina poetessa‘ – eine (menschliche) Dichterin zwischen Fremd- und Selbstdarstellung. In: Autorinszenierungen, hrsg. v. Künzel u. Schönert, S. 129–144. 59 Vgl. Grimm u. Schärf: Einleitung, S. 8.
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dungsväter der deutschsprachigen Autorinszenierung.60 Während die Inszenierung für sie als Wahlmöglichkeit angesehen wird und die Untersuchung der Frage gilt, ob sie sich inszeniert haben bzw. inszeniert wurden, wird bei nachfolgenden Autoren nicht mehr nach dem ob, sondern nach dem wie gefragt.61 Die Inszenierung wird als eine Pflicht des Autors aufgefasst, die ihm der Markt auferlegt. Stephan Porombka führt das unterschiedliche Herangehen an die beiden Autorengruppen auf unterschiedliche Auffassungen von Autorschaft innerhalb der Literaturwissenschaft zurück. Für die effektvolle Entlarvung einer Inszenierung sei eine Vorstellung des Autors als wahrer Künstler und Verfasser wahrer Literatur notwendig. Für die Gruppe der Gegenwartsautoren mit Medienkompetenz diagnostiziert er eine gleichzeitige Neigung zur Selbstinszenierung und zur Kommentierung dieser Selbstinszenierung, ein Produkt der immer komplexeren Literaturvermittlung.62 Die Inszenierung, zunächst als Phänomen der medienaffinen Popliteratur, wurde zu einer Perspektive, unter der sich die Entwicklung des Autors in der Moderne untersuchen lässt. Sie kann an ältere Untersuchungen zur Geschichte des Autors anknüpfen, die auf das Konzept einer Sozialgeschichte der Literatur zurückgehen.63 Bislang setzt sich diese Forschung lediglich aus vielen Einzeluntersuchungen zusammen, ein systematischer Überblick über die Funktion der Autorinszenierung im Literaturbetrieb des 20. Jahrhunderts fehlt jedoch noch. Eine solche Überblicksarbeit müsste das Konzept der Inszenierung kritisch auch für solche Autoren überprüfen, die nicht wie Stefan George oder Christian Kracht für ihren Hang zur Selbstdarstellung berühmt sind, und zwischen Inszenierungstypen unterscheiden, wie es Stephan Porombka bereits angeregt hat. Die vorliegende Arbeit trägt dazu im Hinblick auf die fotografische Inszenierung des Autors bei. Ein weiteres Desiderat der literaturwissenschaftlichen Inszenierungsforschung ist die weitgehende Ausblendung der Inszenierung des Autors durch Verlage. Die Unter60 Vorläufer lassen sich allerdings in den Autoren der Weimarer Klassik finden. 61 Wo genau diese Altersgrenze verläuft, ist unbekannt. Gemeinhin werden aber Autoren der Vorkriegszeit von denen der Nachkriegszeit unterschieden und ein neuerlicher Schub in der teleologischen Inszenierungsgeschichte wird auf die 1980er und 1990er Jahre datiert. 62 Vgl. Stephan Porombka: Clip-Art, literarisch. Erkundungen eines neuen Formats (nebst einiger Gedanken zur sogenannten ‚angewandten Literaturwissenschaft‘), in: Autorinszenierungen, hrsg. v. Künzel u. Schönert, S. 223–244, hier: S. 226–227. 63 Vgl. Ludwig Fertig: „Abends auf den Helikon“. Dichter und ihre Berufe von Lessing bis Kafka, (st 2860) Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998; Gunter E. Grimm (Hrsg.): Metamorphosen des Dichters. Das Selbstverständnis deutscher Schriftsteller von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1992; Hans-Jörg Neuschäfer: Das Autonomiestreben und die Bedingungen des Literaturmarktes. Zur Stellung des „freien Schriftstellers“ im 19. Jahrhundert, in: Literaturwissenschaft und Linguistik. 11. Jg. (1981), Nr. 42, S. 73–92; Britta Scheideler: Zwischen Beruf und Berufung. Zur Sozialgeschichte der deutschen Schriftsteller von 1880 bis 1933, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. 46, Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1997; Rolf Selbmann: Dichterberuf. Zum Selbstverständnis des Schriftstellers von der Aufklärung bis zur Gegenwart, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994.
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suchungen richten sich gemeinhin auf den Autor und seine Selbstinszenierung, wobei Fremdinszenierungen im Rahmen der Literaturvermittlung meist höchstens in Form der Literaturkritik berücksichtigt werden. Allein Jürgensen und Kaiser berücksichtigen Verlage und andere Akteure der Literaturvermittlung bei der Konstruktion von Autorbildern und werfen die Frage nach der Wechselwirkung zwischen der Selbstinszenierung des Autors und »nicht-auktorialen Instanzen«64 zumindest auf. Auf die zentrale Rolle von Verlagen bei der Inszenierung des Autors hinzuweisen und diese anhand der fotografischen Inszenierung nachzuweisen, ist ein zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit. Die Inszenierung des Autors wird gemeinhin als bedingt durch die Entwicklung des literarischen Marktes dargestellt; der Autor muss sein Buch zu Markte tragen und mit dem Einsatz seiner Persönlichkeit zum Verkauf desselben beitragen. Gerade diese Entwicklung lässt sich ohne Berücksichtigung des Buchmarktes kaum erfassen.
1.2.4 Forschung zum Autorenfoto Die Literaturwissenschaft zeigte sich lange verhalten bis borniert angesichts von Autorenporträts, wie Christian Schärf zusammenfasst: Sich mit einer Dichterablichtung auseinanderzusetzen, ist Stoff fürs Feuilleton. Mehr als ein launiger Essay zur eitlen Pose des Selbstdarstellers ist da nicht zu erwarten. Schließlich ist die offensichtliche Banalität des Dichterfotos schnell analysiert. Das Zauberwort heißt Pose, der dahinter liegende Zweck Reklame oder Verfestigung des Images.65
Inzwischen werden in einigen literaturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Inszenierung des Autors Autorenfotos selbstverständlich als Quellen genutzt.66 Dabei kommt es neben der beiläufigen Verwendung von Autorenfotos auch immer wieder zu expliziten Beschäftigungen mit dem Porträt des Autors: Gunter E. Grimm führte in dem 2005 erschienenen Aufsatz Dichterbilder. Strategien literarischer Selbstinszenierung als erster die Möglichkeiten einer Verbindung von Inszenierung und Autorenporträt programmatisch aus.67 Die Selbstinszenierung des Autors manifestiere sich in seinem Porträt und lasse sich in einer Verbindung aus Rezeptionsforschung und literarischer Imagologie des Dichterbildes untersuchen. Dabei unterscheidet er allerdings nicht zwi64 Jürgensen u. Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken, S. 17. 65 Christian Schärf: Belichtungszeit. Zum Verhältnis von dichterischer Imagologie und Fotografie, in: Schriftsteller-Inszenierungen, hrsg. v. Grimm u. dems., S. 45–58, hier: S. 46. 66 Vgl. u. a. Klaus Bartels: Der Körper des Dichters. Stefan Georges Arbeit an seinem öffentlichen Gesicht, in: Autorinszenierungen, hrsg. v. Künzel u. Schönert, S. 25–46; Bernd Hamacher: Thomas Manns Medientheologie, in: Ebd., S. 59–77; Hans-Harald Müller: Fotografie und Lyrik. Beobachtungen zur medialen Selbstinszenierung Bertolt Brechts, in: Ebd., S. 79–91. 67 Vgl. Grimm: Dichterbilder. Strategien literarischer Selbstinszenierung, in: Goethezeitportal. (14.12. 2005), URL: http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/grimm_dichterbilder.pdf, [03.02.2011].
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schen Gemälden und Fotografien. Christian Schärf verfeinerte und erweiterte diesen Ansatz in seinem Aufsatz Belichtungszeit. Zum Verhältnis von dichterischer Imagologie und Fotografie (2008).68 Er ersetzte dabei die Ikonographie des Autors, mit der Grimm Kunst- und Literatur-wissenschaft verband, durch einen medientheoretischen Zugang. Das Autorenfoto lasse sich auf das Verhältnis von Imagologie und Medium hin untersuchen, so Schärf, der dann auf entscheidende mediale Aspekte hinweist, die das fotografische von anderen Porträts des Autors unterscheiden und auf die Literatur selbst zurückwirken.69 Schärfs Überlegungen zum medial vermittelten Verhältnis von Autor und Leser stellen eine wichtige Grundlage für diese Untersuchung dar. Einen Zugang zum Porträt des Autors über die Darstellungstraditionen des Gelehrten in der Bildenden Kunst verfolgt Michael Diers in seinem Beitrag Der Autor ist im Bilde. Idee, Form und Geschichte des Gelehrtenporträts (2007).70 Diers arbeitet Kontinuitäten in der Ikonographie des Autors heraus und weist in aktuellen Autorenfotos Bezugnahmen auf die traditionelle Gelehrtenikonografie der Malerei nach. Die medialen Unterschiede zwischen Malerei und Fotografie werden von ihm nicht berücksichtigt. Bernd Stiegler verbindet in seinem Aufsatz Doppelte Belichtung (2007) die kunstgeschichtliche Perspektive mit der Inszenierung des Autors und medientheoretischen Aspekten.71 Die Bedeutung des Autorenfotos für die Wahrnehmung von Literatur hat Walter Grasskamp unter anderem am Beispiel der Ikonographie Walter Benjamins untersucht.72 Der Frage Wie kommt das Autorenfoto in die Literaturgeschichte? widmet sich Leo Lensing 2005 in einem Aufsatz und nimmt damit erstmals den Prozess der Kanonisierung und das Autorenfoto zugleich in den Blick, ein Ansatz, den die vorliegende Arbeit weiter ausbaut.73 Die bislang einzige Monographie zum Autorenfoto ist die 2010 erschienene Habilitationsschrift des Germanisten Matthias Bickenbach Das Autorenfoto in der Medienevolution. Anachronie einer Norm.74 Bickenbach entwickelt darin einen Ansatz, der 68 Vgl. Schärf: Belichtungszeit, S. 45–58. 69 Vgl. ebd. 70 Vgl. Michael Diers: Der Autor ist im Bilde. Idee, Form und Geschichte des Dichter- und Gelehrtenporträts, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Internationales Organ für neuere deutsche Literatur, hrsg. v. Wilfried Barner, Christine Lubkoll, Ernst Osterkamp u. a., 51. Jg., Göttingen: Wallstein 2007, S. 551–586. 71 Vgl. Bernd Stiegler: Doppelt belichtet. Schriftsteller und ihre Photographien, in: Ebd., S. 587–610. 72 Vgl. Walter Grasskamp: Der Autor als Reproduktion. Benjamin im Porträt, in: Schrift Bilder Denken. Walter Benjamin und die Künste, hrsg. v. Detlev Schöttker, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004, S. 194–207; Ders.: Das verborgene Gesicht. Über Literatur und Fotografie, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 59. Jg. (2005), Nr. 4 April, S. 304–317. 73 Vgl. Leo Lensing: Wie kommt das Autorenfoto in die Literaturgeschichte? In: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 25. Jg. (2005), Nr. 98, S. 65–68; Siehe: 5 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung. 74 Vgl. Matthias Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution. Anachronie einer Norm, München: Wilhelm Fink 2010. (Darin verarbeitet sind einige vorab bereits erschienene Aufsätze des
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Ikonographie und Medientheorie miteinander verbindet, wobei er die Inszenierung des Autors außer Acht lässt. Bickenbach versteht das Autorenfoto als »Exempel der Mediengeschichte«,75 das die geläufige Version von Mediengeschichte in Frage stelle. Bei der theoretischen Beschreibung der Erfolgsgeschichte des Mediums gerät allerdings die Entwicklung des Autorenfotos aus dem Blickfeld. Grundlage seiner Ausführungen sind zwei Fotografien aus der Frühzeit des Mediums; zwischen der 1842 aufgenommenen Daguerrotypie Honoré de Balzacs von Louis-Auguste Bisson und dem um 1856 entstandenen Porträt Charles Baudelaires von Nadar habe sich eine »stabile Norm«76 herausgebildet. Die Ikonographie aller nachfolgenden Autorenfotos sei durch die »ruhende Hand«77 des Autors geprägt und in diesen beiden Bildern bereits vorgezeichnet. An einer systematisch getroffenen größeren Auswahl von Autorenfotos belegt er seine These vom »Autor als Zeitgenossen«78 jedoch nicht. Zwar erklärt er eingangs »keine Stilgeschichte des Autorenfotos« und »keine illustrierte Literaturgeschichte«79 schreiben zu wollen, doch auch und gerade für die von ihm angestrebte Ausrichtung auf den kulturellen »Tauschwert des Porträts als medien- und literaturgeschichtlicher Prozess«80 wäre eine Untersuchung der kulturellen Gebrauchsweisen des Autorenfotos auf der Grundlage einer breiten Materialbasis wünschenswert. Die Funktion des Autorenfotos für die Vermittlung und Wahrnehmung von Literatur wird ebenso pauschal und beiläufig beurteilt wie seine Aussagekraft und Ikonographie: Das Genre ist in seiner Redundanz, eher als in seiner Information, bewunderungswürdig, denn das Bild des Autors gibt grundsätzlich aus seiner reinen Anschauung wenig über Person und Werk preis. Autorenfotos funktionieren als Aufmerksamkeitsverstärker, der nichts mehr verlangt, als einen grundlegenden Teil menschlicher und kultureller Wahrnehmung: Die Gesichtserkennung.81
Autors zum Thema: Matthias Bickenbach: Fotografierte Autorschaft. Die entzogene Hand, in: Manus loquens. Medium der Gesten – Gesten der Medien, hrsg. v. dems., Annina Klappert u. Hedwig Pompe (Mediologie 7), Köln: DuMont 2003, S. 188–209; Ders.: Das Dispositiv des Fotoalbums: Mutation kultureller Erinnerung. Nadar und das Pantheon, in: Medien der Präsenz: Museum, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Jürgen Fohrmann, Andrea Schütte u. Wilhelm Voßkamp (Mediologie 3), Köln: DuMont 2001, S. 87–128; Ders.: Der Chiasmus des Chiasmus: Text und Bild im Angesicht der Photographie. In: Korrespondenzen. Visuelle Kulturen zwischen Früher Neuzeit und Gegenwart, hrsg. v. dems. u. Axel Fliethmann, Köln: DuMont 2002, S. 164–197; Ders.: Fotoalbum. In: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdiziplinäres Lexikon, hrsg. v. Nicolas Pethes u. Jens Ruchatz, (rowohlts enzyklopädie 55636) Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2001, S. 177–178. In der Folge wird aus den Aufsätzen nur zitiert, sofern sie von obigem Titel abweichen.) 75 Ebd., S. 9. 76 Ebd., S. 15. 77 Ebd., S. 295. 78 Ebd., S. 190. 79 Ebd., S. 16. 80 Ebd., S. 12. 81 Ebd., S. 260.
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Der Bedeutung der Inszenierung des Autors als notwendige Positionierung in einem Literaturbetrieb, der von medialen, wirtschaftlichen und eben auch literarischen Strukturen bestimmt wird, wird der Autor nicht gerecht. In der theoretischen Bestimmung des Autorenfotos hat Bickenbach entscheidende Vorarbeit geleistet, indem er kanonische und weniger bekannte Texte der Fototheorie auf das Autorenfoto angewendet hat. Besonders die Reflexion der Fotografie als Medium des kulturellen Gedächtnisses ist für den letzten Teil der vorliegenden Arbeit von großem Interesse. Eine Arbeit, die systematisch und vergleichend die exemplarische fotografische Inszenierung untersucht, fehlte jedoch bislang. Unter den bisherigen Untersuchungen sind einerseits solche, die das Autorenfoto unter kunstgeschichtlichen oder medientheoretischen Aspekten bearbeiten und solche, die sich im weitesten Sinne dem gesellschaftlichen Kontext widmen, in dem die Fotografie des Autors eine Rolle spielt. Dabei ist die Perspektive meist auf den Autor gerichtet: Inwiefern inszeniert er sich im Bild? Wie wird er von Anderen inszeniert? Wie verhält sich seine fotografische Inszenierung zu seiner Positionierung im literarischen Feld? Eine derart autorbezogene Perspektive wird der fotografischen Inszenierung jedoch nicht gerecht. Sie ist ein vermitteltes Phänomen, an dem neben dem Autor auch Fotografen, Verlage und andere Akteure der Literaturvermittlung beteiligt sind. Diese Akteure bringen eigene Interessen in die Inszenierung ein, die einen Einfluss darauf haben, welches Bild sich die Leser vom Autor machen. Die folgende Arbeit leistet eine differenzierte Untersuchung der fotografischen Inszenierung des Autors, bei der die Akteure der Inszenierung zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die buchwissenschaftliche Perspektive auf die spezifischen Inszenierungsstrategien von Verlagen ist insofern eine Perspektive, die es erlaubt, die Stellung des Autors im Literaturbetrieb differenzierter zu erfassen. Die vorliegende Untersuchung des Autorenfotos als verlegerischer Paratext partizipiert dadurch an der buchwissenschaftlichen Forschung und erweitert diese um einen bildtheoretischen Zugang zum Autorenfoto als Paratext. Dafür kann auch auf eine breite buchwissenschaftliche Forschung zum Buchmarkt und seiner Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen werden. Das Thema Buchwerbung wurde bislang aus buch-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive untersucht: Die sprachwissenschaftliche Analyse der textuellen Bestandteile der Buchwerbung, wie sie beispielsweise Sabine Steinkopf vorgenommen hat, spart die Bedeutung von Bildern freilich völlig aus, untersucht dafür die Eigenschaften der Werbesprache für das Buch.82 Sie kann als Grundlage für die Untersuchung genutzt werden, die zwar die Fotografie des Autors in den Vordergrund stellt, jedoch auch ihre Kontextualisierung in einen paratextuellen Rahmen berücksichtigt. Die umfassendste Arbeit, die bislang zur Buchwerbung in Deutschland veröffentlicht wurde, ist die 1983 erschienene Dissertation von Florian TielebierLangenscheidt, die sich auf die Vorarbeiten von Gisela Welsch und Marlies Kuhlmann 82 Vgl. Sabine Steinkopf: Buchwerbung in Prospekten. Bochum: Dr. N. Brockmeyer 1994.
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stützte.83 Langenscheidt versteht seine Arbeit als einen Beitrag zur Theorie und Praxis Literaturvermittlung, so der Untertitel. Gut zwanzig Jahre bevor die Inszenierung des Autors ein beliebtes Forschungsthema wurde, untersuchte er, wie Verlage durch Werbemaßnahmen Autorenimages aufbauen und verstand diesen Prozess als Bestandteil der Literaturvermittlung. Inwiefern er durch Bilder und visuelle Strategien geprägt ist, wird dabei zumindest erwähnt. Die Buchwerbung wird auch in neueren Untersuchungen als Bestandteil der Literaturvermittlung aufgefasst: Stephan Porombka verbindet Literaturmarketing und Literaturvermittlung miteinander und macht so betriebswirtschaftliche Konzepte des Marketing nutzbar für ein Literaturmarketing, das sich nicht in der Steigerung von Verkaufszahlen erschöpft.84 Auch Norbert Bolz betont diese Verbindung.85 Die Untersuchungen beziehen sich im Allgemeinen auf die zeitgenössische Buchwerbung, eine Ausnahme macht hier Thomas Wegmanns Aufsatz zur Debatte um die Buchwerbung in den 1920er Jahren.86 Wegmann thematisiert die kontroversen Positionen, die sich während der ersten Hochphase einer kommerziellen Buchwerbung entwickeln und hinterfragt ihre Funktion für die Literaturvermittlung. Daran knüpft die vorliegende Arbeit an, indem sie die Entwicklung der Buchwerbung im Zusammenhang mit der Prägung von Autorbildern und damit der Literaturvermittlung untersucht. Eine formale Klassifikation der Buchwerbung unter Berücksichtigung ihrer funktionalen Entwicklung und Ausdifferenzierung ist bislang ausgeblieben. Bedenkt man die Ausdifferenzierung von Werbemedien und damit von paratextuellen Elementen, die sich in der Buchwerbung im 20. Jahrhundert entwickelt haben, so ist es wünschenswert diese Entwicklung systematisch zu erfassen, um ihre Funktion im Rahmen von Literaturmarketing als Literaturvermittlung näher zu untersuchen. Unter den verlegerischen Paratext fällt neben der Buchwerbung in Form von Zeitungsanzeigen, Prospekten, Plakaten usw. zu allererst das Buch selbst. Das Autorenfoto ist inzwischen für viele Gattungen ein obligatorisches Element der Buchgestaltung. Die Buchgestaltung wurde von der buchwissenschaftlichen Forschung bereits relativ ausführlich untersucht, wobei neben der Typografie vor allem die Umschlaggestaltung ein besonderes Forschungsinteresse ausgelöst hat. Das Autorenfoto als 83 Vgl. Florian Tielebier-Langenscheidt: Werbung für deutsche Gegenwartsliteratur. Ein Beitrag zur Theorie und Praxis der Literaturvermittlung, Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 1983; Marlis Kuhlmann: Die Werbung für das wissenschaftliche Buch. (Dissertation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln), Köln 1972; Gisela Welsch: Studien zur Werbung für die Dichtung in neuerer Zeit. (Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Universität Köln), Köln: 1947. 84 Vgl. Stephan Porombka: „Der Autor schaut direkt in die Kamera“, S. 207. 85 Norbert Bolz: Literarisches Kulturmarketing. In: Maulhelden und Königskinder. Zur Debatte über die deutschsprachige Gegenwartsliteratur, hrsg. v. Andrea Köhler u. Rainer Moritz, Leipzig: Reclam 1998, S. 245–254. 86 Vgl. Thomas Wegmann: „Kanonendonner legt sich um bedeutend weniger als ein Omlett“. Die Reklame-Debatte in den 1920er Jahren, in: Markt. Literarisch. Hrsg. v. dems. (Publikationen der Zeitschrift für Germanistik Neue Folge 12) Bern u. a.: Peter Lang 2005, S. 133–149.
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ein gewichtiges Element der Umschlaggestaltung wurde in diesem Zusammenhang bislang noch nicht thematisiert, gelegentlich jedoch die Fotografie allgemein.87 Dennoch wurde in der Forschung bislang nur selten eine Perspektive gewählt, bei der die Buchgestaltung als Paratext untersucht und ihre Funktion bei der Literaturvermittlung berücksichtigt wurde, es dominiert eine ästhetische Perspektive. Eine Ausnahme machte Jan Brandt 2005 in einem Aufsatz über die Buchgestaltung der Reihe Junge Deutsche des Reclam Verlags in den 1930er Jahren als Verbindung aus Literaturmarketing und -vermittlung (welcher auch das Autorenfoto berücksichtigt).88 Die Untersuchung der Rolle von Verlagen im Prozess der Literaturvermittlung und der Buchwerbung und -gestaltung als ein Bestandteil desselben ist auch ein Anliegen der vorliegenden Arbeit. Die Bedeutung von Verlagen im Prozess der Literaturvermittlung wird im Rahmen der buchwissenschaftlichen Forschung berücksichtigt. Die Kanonisierung von Autoren und die Bedeutung von Verlagen bei diesem Prozess ist ein weiteres literatur- und buchwissenschaftliches Forschungsfeld, an das angeknüpft werden kann.89 Elisabeth Kampmann untersucht in ihrer 2011 erschienenen Dissertation Kanon und Verlag. Zur Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuch Verlags erstmals die Strategien eines Verlags bei der Kanonisierung.90 Dieser Ansatz wird hier auf die von ihr nur am Rande berücksichtige Rolle des Bildes bei der Kanonisierungspraxis ausgeweitet. Die Auswahl der kanonisierten Autoren und ihrer Bildinszenierung durch Verlage im Zusammenhang mit der Literaturvermittlung legt nahe, auch nach dem Zusammenhang von Bildinszenierung und Kanonisierung zu fragen.
87 Vgl. Rolf Stümpel (Hrsg.): Photographie auf dem deutschen Buchumschlag. (Ausstellungskatalog), Mainz: Gutenberg-Museum 1982. 88 Vgl. Jan Brandt: Springende Fohlen. Die junge Generation um 1930 als Marketingkonzept, in: Markt. Literarisch, hrsg. v. Wegmann, S. 151–169. 89 Vgl. zur Kanonisierung allgemein: Nicolaus Saul (Hrsg.): Literarische Kanonbildung und Wertung. Würzburg: Königshausen und Neumann 2007; Heinz Ludwig Arnold u. Hermann Korte (Hrsg.): Literarische Kanonbildung. München: edition text + kritik 2002; Detlev Schöttker: Ruhm und Rezeption. Unsterblichkeit als Voraussetzung der Literaturwissenschaft, in: Literaturwissenschaft und Wissenschaftsforschung. Hrsg. v. Jörg Schönert (Germanistische Symposien Berichtsbände XXI), Stuttgart: Metzler 2000, S. 472–487; Renate Heydebrand: Kanon Macht Kultur. Theoretische, historische und soziale Aspekte ästhetischer Kanonbildung, Stuttgart u. Weimar: Metzler 1998; Dies. u. Simone Winko: Einführung in die Wertung von Literatur. Systematik – Geschichte – Legitimation (UTB 1953), Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 1996. 90 Vgl. Elisabeth Kampmann: Kanon und Verlag. Zur Kanonisierungspraxis des Deutschen Taschenbuch Verlags (Deutsche Literatur Studien und Quellen 5), Berlin: Akademie 2011.
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1.3 Darlegung und Kritik der Quellen Der verlegerische Paratext lässt sich nach Genette in die Bereiche Peritext und Epitext unterteilen: Der Peritext bezeichnet die »materielle Realisierung«91 des Textes im Buch, der Epitext beinhaltet ergänzend dazu alle Elemente des Paratextes, die sich außerhalb des Buches befinden und vom Verleger bzw. Verlag verantwortet werden. Der Peritext entspricht dem Bereich der Buchgestaltung, der Epitext der Buchwerbung. Im Bereich des verlegerischen Peritextes sind drei Quellengattungen als Verwendungskontexte des Autorenfotos relevant: Erstens Bücher mit Bildern von Autoren, also Bildbände und Bildbiografien. Diese Quellengattung ist bislang gänzlich unbeachtet geblieben – ihre Bedeutung für die fotografische Kanonisierung des Klassikers wird im zweiten Analyserahmen untersucht. Zweitens fotografische Frontispizporträts. Das inzwischen aus der Mode gekommene Frontispiz war einer der ersten Verwendungskontexte, innerhalb derer das Autorenfoto im verlegerischen Paratext überhaupt eingesetzt wurde, bevorzugt bei Werkausgaben von Klassikern. Die Blütezeit des fotografischen Frontispizes liegt zwischen der Mitte des 19. und des 20. Jahrhunderts, danach wurde es deutlich seltener. Die exemplarischen Frontispize, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit behandelt werden, entstammen einer behelfsmäßigen Quellensuche über das Portal des Online-Antiquariats Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB)92, dem größten antiquarischen Verzeichnis auf dem deutschen Buchmarkt. Der Genauigkeit vieler Antiquare ist es zu verdanken, dass in den bibliographischen Angaben zu Büchern häufig Frontispize erwähnt und teilweise auch näher beschrieben werden. Auf diese Angaben stützt sich die Untersuchung mangels Alternativen, wobei die ZVAB-Angaben notwendigerweise an den Buchausgaben überprüft wurden. Nur bedingt lässt sich aus den Trefferlisten des ZVAB allerdings entnehmen, wie häufig (fotografische) Frontispiz-Porträts tatsächlich waren, da dort nur Titel auftauchen, die zum Einen erhalten sind und zum Anderen zufällig zum Verkauf stehen. Zudem werden nicht alle Frontispize darin erwähnt. Dennoch werden auf diese Weise Tendenzen der Frontispizverwendung sichtbar, die an anderer Stelle genauer zu untersuchen wären. Drittens ist der Bucheinband ein relevanter Verwendungskontext des Autorenfotos. Dort kommt das Autorenfoto entweder direkt auf dem Bucheinband oder auf dem Buchumschlag zum Einsatz. Eine Übersicht über die Verwendung des Autorenfotos auf dem Buchumschlag und in der Umschlagklappe konnte mit Hilfe der Buchumschlag-Sammlung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach erstellt werden, die über 56.000 Buchumschläge umfasst. Außerdem sind für den Coverbereich auch einschlägige Bildbände
91 Genette: Paratexte, S. 22. 92 Vgl. Zentrales Verzeichnis antiquarischer Bücher. URL: http://www.zvab.com/ index.do?ref=div_ zvab.de, [13.07.2012].
Darlegung und Kritik der Quellen
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als Grundlage verwendet worden.93 Hilfreich ist außerdem für die aktuelle Bildverwendung auf dem Buchcover das Download-Angebot von Buchcovern, das viele Verlage mittlerweile über ihre Verlagswebseite ermöglichen. Diese Quellenbestände wurden durch gezielte Recherche einzelner Titel in Bibliotheken und Antiquariaten ergänzt. Der Bereich des verlegerischen Epitextes ist vergleichsweise flüchtig. Verlagsprospekte und andere Werbemittel werden selbst von den Verlagen oftmals nicht archiviert, geschweige denn von Bibliotheken und Archiven aufbewahrt; sie fallen aus dem Kanon des Bewahrens oft heraus. Eine Ausnahme bildet die Verlagsprospekt-Sammlung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach. In zwei Einzelsammlungen werden dort Verlagsprospekte seit dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart aufbewahrt. Aus diesem umfangreichen Konvolut, das in mehr als 532 Archivkästen lagert, wurden die gesamten überlieferten Prospekte einzelner Verlage ausgewertet. Dabei handelt es sich um literarische Verlage, die einen Programmschwerpunkt im Bereich der Klassiker setzen. Sie waren oder sind in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg auf dem Buchmarkt präsent; dadurch lässt sich die Entwicklung der Inszenierungsstrategien einzelner Verlage nachvollziehen. Die Auswahl der Verlage unterliegt freilich auch den vorhandenen Quellen. Vor allem die Verlagsprospekt-Sammlung 1 (VpS 1), die vor 1945 datierte Prospekte enthält, ist lückenhaft und nicht repräsentativ im Hinblick auf die tatsächliche Produktion von Werbemitteln in einzelnen Verlagen. So sind für die Verlage Ullstein und Mosse, die schon früh eigene sogenannte Propagandaabteilungen eingerichtet haben, insgesamt nur drei Archivmappen in der Sammlung erhalten, während für die Verlage der sogenannten Kulturverleger umfangreichere Konvolute vorliegen: Aus den Verlagen von Samuel Fischer, Kurt Wolff, Ernst Rowohlt und Albert Langen sind insgesamt 30 Archivmappen erhalten, deren Inhalt vollständig ausgewertet wurde. Daher ist die Untersuchung der Bildverwendung im frühen 20. Jahrhundert schwerpunktmäßig auf die Verlage der Kulturverleger gerichtet, die durch ihre Innovationsfreude und Aufgeschlossenheit der Werbung gegenüber einen entscheidenden Beitrag zur Etablierung einer modernen Buchwerbung geleistet haben. Die Untersuchung wird zeigen, welche Rolle das Autorenfoto dabei spielte. Aus der Verlagsprospekt-Sammlung 2 (VpS 2), die nach 1945 entstandene Prospekte enthält, wurden die Bestände der Verlage S. Fischer, Suhrkamp, Insel, Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch, Piper, Luchterhand und Hanser vollständig ausgewertet, die ins93 Vgl. Renate Stefan, Nina Rothfos u. Wim Westerveld: U1. Vom Schutzumschlag zum Marketinginstrument, Mainz: Verlag Hermann Schmidt 2006; Jürgen Holstein: Blickfang. Bucheinbände und Schutzumschläge Berliner Verlage 1919–1933, Berlin: Holstein 2005; Ders.: Georg Salter. Bucheinbände und Schutzumschläge aus der Berliner Zeit 1922–1934, Berlin: Holstein 2003; Ilse Valerie Cohnen: Buchumschläge. Eine Sammlung herausragender Beispiele, Mainz: Verlag Hermann Schmidt 1999; Barbara Stark: Emil Rudolf Weiss. 1875–1945, Monographie und Katalog seines Werkes, Lahr: Kaufmann 1994; Friedrich Pfäfflin: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886–1986. Buchumschläge, Über Bücher und ihr äußere Gestalt, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1986; Walter Scheffler u. Gertrud Fiege: Buchumschläge 1900–1950. Aus der Sammlung Curt Tillmann, Ausstellungskatalog (Kataloge zu den Sonderausstellungen im Schiller-Nationalmuseum 22), Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1971.
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gesamt 248 Archivmappen umfassen. Auch hier ist die Vollständigkeit der Bestände nicht durchgängig. Das Gros der Bestände machen die Verlagsprospekte zu Fischer (47 Archivmappen) und Suhrkamp (59 Archivmappen) aus, die nahezu lückenlos erhalten sind. Selbst diese annähernde Vollständigkeit ist von Lücken durchsetzt: Archiviert werden vorwiegend Programmvorschauen, Verlagskataloge und Kundenzeitschriften. Flüchtigere Werbemittel wie Lesezeichen, Postkarten, aber auch Plakate und Sonderprospekte sind eher zufällig erhalten. Trotz dieser Lücken bietet die Marbacher Verlagsprospekt-Sammlung eine solide Quellengrundlage für die Rekonstruktion der Verwendungspraxis des Autorenfotos und erlaubt die Beantwortung der zentralen Fragestellungen. Erstmals wird hier auf der Grundlage eines so umfangreichen Quellenkonvoluts systematisch die Verwendungsweise der Fotografie untersucht.94 Zusätzlich zu den Marbacher Beständen wurden die Verlagsalmanache der ausgewählten Verlage ausgewertet, ebenso Anzeigen im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, dem nach wie vor wichtigsten Branchenorgan. Außerdem wurde die Bildverwendung auf Verlagswebseiten ergänzend zu den gedruckten Verwendungskontexten untersucht. Das methodische Prinzip dieser Arbeit ist die immanente Quellenbetrachtung. Um kommunikative Funktionen des Autorenfotos im Rahmen der Literaturvermittlung zu erfassen, ist es von zentraler Bedeutung, die Quellen selbst sprechen zu lassen. Die Funktion der Bildverwendung lässt sich über ihre Wirkung freilegen. Die Frage nach der Bildauswahl wird an das Bild gerichtet, nicht an weitere Quellen. Eine Ausnahme bei diesem Vorgehen bildet die Quellengattung Bildbiografie, die im Zusammenhang mit der Fotografie des Autors als Element der Kanonisierungspraxis von Verlagen untersucht wurde. Aufschluss über die Zielsetzung von Verlag und Autor geben hier insbesondere die in den Bildbiografien enthaltenen Vorworte, Klappentexte und Nachbemerkungen von Herausgebern oder Verlegern. Hinzugezogen wurden dabei auch Briefwechsel, insbesondere der teilweise publizierte Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und Siegfried Unseld. Die Entwicklung der Buchwerbung und Buchgestaltung als Rahmen für die Entwicklung des Autorenfotos wurde mit Hilfe von Fachliteratur rekonstruiert. Die insbesondere im frühen 20. Jahrhundert heftig geführte Debatte um die Legitimität der Buchwerbung wurde auch daraufhin überprüft, welchen Stellenwert das Bild des Autors in ihr einnimmt.95
94 Die einzelnen Archivalien sind nicht durch Eingangs- oder Archivnummern gekennzeichnet. Die Konvolute der einzelnen Verlage sind in der Regel chronologisch geordnet, teilweise jedoch noch nicht feinsortiert. Um die Auffindbarkeit der Quellen zu gewährleisten, wird in den Belegen das Entstehungsjahr und das Verlagskonvolut angegeben. 95 Vgl. zur Debatte um die Buchwerbung: Horst Kliemann: Die Werbung für das Buch. Leitfaden der buchhändlerischen Reklame, 2., verm. Aufl., Stuttgart: C.E. Poeschel 1925; Max Paschke u. Philipp Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels. Bd. I, 6. Aufl., Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler 1922; Alfred Metzner: Reklame im Buchhandel. Beobachtungen und Anre-
2 Theorie: Autorenfoto und Autorbild Im Folgenden wird die fotografische Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext auf eine theoretische Grundlage gestellt. Diese Grundlage besteht aus Bausteinen, die notwendigerweise eklektisch zwei großen Theoriedebatten entnommen werden: Zum Einen aus der Debatte um den Autor und seine Inszenierung. Hier wird das literatursoziologische Feld- und Habituskonzept Pierre Bourdieus als Rahmen eingeführt, mit dessen Hilfe sich die Bedingungen und Mechanismen der Inszenierung des Autors reflektieren lassen. Sie wird mit Georg Francks Theorie der Aufmerksamkeitsökonomie zusammengeführt und diskutiert. In diesem Rahmen wird die Inszenierung des Autors systematisiert und die Imagologie des Autors, wie sie Christian Schärf und Gunther E. Grimm gefordert haben, zum Zielpunkt; die Inszenierung des Autors prägt Autorbilder. Zum Anderen erfolgt die theoretische Annäherung auf dem Gebiet der Fototheorie. Dabei steht die Frage im Vordergrund, was die Fotografie (des Autors) eigentlich zeigt und was sie bedeutet. Die fotografische Inszenierung des Autors im Moment der Aufnahme und die Kontextualisierung der Fotografie in rhetorische Verwendungszusammenhänge werden als Konnotationsverfahren genauer beleuchtet, ebenso die Bedeutung tradierter Posen und Objekte. Hierbei wird vor allem auf die fototheoretischen Schriften von Roland Barthes zurückgegriffen. Zielpunkt des Kapitels ist die Bestimmung des Inszenierungspotenzials der Fotografie des Autors, wie sie sich aus der Theorie ergibt. Die Synthese der Theoriebausteine erlaubt die Ableitung zweier modellhafter Untersuchungsebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext.
2.1 Theorie des Autors und seiner Inszenierung Der Autor ist nicht nur der Produzent des Textes, er ist eine öffentliche Figur, die im Rahmen der Literaturvermittlung präsent ist. Im Hinblick auf die Inszenierung des Autors ist mit Grimm und Schärf danach zu fragen, wie aus dem Verfasser eines Textes ein von der Öffentlichkeit anerkannter Autor wird und welche Bilder von Autorschaft in diesem Prozess konstruiert werden.1 Die literatursoziologische Feld- und Habitustheorie Pierre Bourdieus stellt einen umfassenden Ansatz für die Untersuchung der Autor-Inszenierung dar. Sie erfasst den Autor nicht nur indirekt über seine Werke, sondern auch seine Position in einem spezialisierten literarischen Feld. Bourdieus Theorie bildet den Hintergrund für die Untersuchung der Inszenierung des Autors, die flankiert wird von der impliziten gungen, Berlin: Verlag der Buchhändler-Warte 1909; Karl Friedrich Pfau: Die Reklame des Verlegers. Leipzig: Karl Fr. Pfau 1895. 1 Vgl. Grimm u. Schärf: Einleitung, S. 8.
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
Theoretisierung des Autors, die der französische Literaturwissenschaftler Gérard Genette in seiner Theorie der Paratexte vornimmt. Die Inszenierung des Autors in Paratexten erklärt sich erst durch die Berücksichtigung der Beschaffenheit des literarischen Feldes. Die so konstruierte theoretische Grundlage der Autorinszenierung lässt sich verknüpfen mit der von Gunter E. Grimm und Christian Schärf geforderten »Dichterischen Imagologie«2, die in Anlehnung an die komparatistische Imagologie das Bild des Autors anhand seiner Inszenierung untersuchen soll.
2.1.1 Die Positionierung des Autors im literarischen Feld Die Regeln der Kunst lautet der deutsche Titel von Bourdieus literatursoziologischem Hauptwerk von 1992, in dem er Genese und Struktur des literarischen Feldes untersucht.3 Das literarische Feld ist ein sozialer Raum, der in Frankreich im 19. Jahrhundert eine relative gesellschaftliche Autonomie erreicht hat.4 Es ist von einer »umgekehrten Ökonomie« geprägt, die der »Logik und Beschaffenheit der symbolischen Güter«5 des Feldes entsprechen: Ware und Bedeutung bleiben relativ unabhängig voneinander; der Preis eines Buches sagt für sich genommen nichts über seinen kulturellen Wert aus. Entsprechend differenzieren sich mit der marktkonformen Kulturproduktion und der reinen Kunst zwei ökonomische Logiken heraus, die als Pole das literarische Feld begrenzen und zwischen denen sich die Akteure des Feldes positionieren.6 Akteure sind nicht nur Autoren, die eigentlichen Produzenten, sondern auch die Vertreter des literarischen Marktes. Bourdieu widmet sich insbesondere den Verlagen als »Unternehmen der Kulturproduktion«7 (sowie für den Bereich der Bildenden Kunst auch Galerien).8 Als Akteure lassen sich weiterhin auch Literaturagenten, Literaturkritiker und Organisatoren von Lesungen und Literaturausstellungen betrachten. Die Unternehmen der Kulturproduktion bringen ökonomisches Kapital ein; Verlage investieren Geld und Personalkosten in die Produktion und Distribution 2 Schärf: Belichtungszeit, S. 55; Vgl. Grimm: Dichterbilder. 3 Vgl. Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes (stw 1539), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001. (Die französische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel Les règles de l’art. Genèse et structure du champ literaire bei Editions du Seuil in Paris, die erste deutsche Ausgabe 1999 im Suhrkamp Verlag.) 4 Für Deutschland geht die Forschung einstimmig davon aus, dass mit der Weimarer Klassik bereits ein unabhängiges literarisches Feld in seinen Grundzügen etabliert wurde. Vgl. Markus Joch, YorkGothart Mix u. Norbert Christian Wolf: Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart, Einleitung, in: Mediale Erregungen? Hrsg. v. dens., S. 1–10, hier: S. 2; Jürgensen u. Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken, S. 10–11. 5 Bourdieu: Die Regeln der Kunst, S. 227. 6 Vgl. ebd. 7 Ebd., S. 229. 8 Vgl. ebd., S. 227.
Theorie des Autors und seiner Inszenierung
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von Büchern.9 Das ökonomische Kapital wird dabei nicht nur in das Buch als objektiviertes Kulturkapital umgewandelt, der Verlag kann ferner auch symbolisches Kapital innerhalb des Feldes erwerben – je nachdem, wie viel Ansehen von welcher Seite er durch seine Produktion erhält. Die einzige legitime Akkumulation – für den Autor wie für den Kritiker, für den Gemäldehändler wie für den Verleger – besteht darin, sich einen Namen zu machen, einen bekannten und anerkannten Namen: ein Konsekrationskapital, das die Macht zur Konsekration von Objekten [...] und von Personen [...] beinhaltet, Macht also, Wert zu verleihen und aus dieser Operation Gewinn zu schlagen.10
Verlage nehmen also nicht nur selbst eine Position zwischen den Polen der reinen Kunst und des Kommerzes ein, sondern sie können auch dazu beitragen, einen Autor zu positionieren. Die Akteure im Feld sind durch spezifische »Interessenobjekte«11 miteinander verbunden, im Fall des literarischen Feldes im Kampf um die Definitionsmacht bei der Definition des Schriftstellers und um die Grenzen des Feldes.12 Die Akteure kämpfen miteinander um die Deutungsmacht im Feld, wobei nicht nur Vertreter der reinen Kunst und der kommerziellen Kunst einander gegenüber stehen, sondern auch Neuankömmlinge und etablierte Autoren. Eine Position im literarischen Feld einzunehmen bedeutet immer eine Bezugnahme auf die anderen Positionen im Feld. Dabei findet ein Kampf um das »Monopol der Durchsetzung legitimer Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata zwischen denjenigen, die Epoche gemacht haben und denjenigen, die nun Epoche machen können«13 statt. Bourdieu erhebt damit das Prinzip des Neuen zur Grundlage der Positionierung im Feld.14 Die neue Position, die ein Debütant im literarischen Feld bezieht, ist bei Bourdieu nicht automatisch mit einer Ablehnung etablierter Positionen verbunden; die Bezugnahme auf bestehende Positionen kann auch ein Anknüpfen an diese sein. Mit den unterschiedlichen Positionen im Feld sind auch unterschiedliche Auffassung von Autorschaft verbunden, deren Extreme der Autor als Produzent – der Fabrikschriftsteller, wie es im 19. Jahrhundert hieß, der auf Bestellung gängige Texte produziert und anonym bleibt – und der geniale Dichter sind. Letzterer schreibt nicht für Geld und folgt musischen Eingebungen. 9 Vgl. zum Kapital-Begriff Bourdieus: Ders: Das symbolische Kapital. In: absolute Pierre Bourdieu. Hrsg. v. Joseph Jurt, Freiburg: orange press 2007, S. 210–215; Ders.: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheit. Hrsg. v. Reinhard Kreckel (Soziale Welt Sonderband 2), Göttingen: Otto Schwartz & Co. 1983, S. 183–198. 10 Ders.: Regeln der Kunst, S. 239. 11 Ders.: Über einige Eigenschaften von Feldern. In: absolute Pierre Bourdieu, hrsg. v. Jurt, S. 124–129, hier: S. 124. 12 Vgl. ders.: Die Regeln der Kunst, S. 353. 13 Ebd., S. 253. 14 Vgl. Boris Groys: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, 3. Aufl., Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2004; Peter Bürger: Theorie der Avantgarde. (es 727), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974.
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
Bourdieu erweitert mit seiner Theorie des literarischen Feldes die Grenzen der Literaturgeschichte und der Literaturtheorie, indem er den Autor nicht nur als Produzenten von Inhalten erfasst.15 Der Autor positioniert sich nicht nur durch seine Veröffentlichungen im Feld der Werke, sondern auch durch seine persönliche Präsenz im literarischen Feld, wobei zwischen beiden Positionen eine Verbindung besteht. Er erweitert mit seiner literatursoziologischen Perspektive die Untersuchung der Werke des Autors also um den Autor als Akteur im sozialen Raum und »bricht mit einem auratisierenden Verständnis von Autorschaft [...], um den Autor als relationale, historisch variable und stets umkämpfte Größe umso ernster zu nehmen.«16 Um das Handeln des Akteurs im Feld und damit auch seine Positionierung zu erklären, greift Bourdieu auf die Kategorie des Habitus zurück.17 Der Habitus bezeichnet ein System von »Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata«18, das die Grundlage für die Praxis des Akteurs bildet. Dieses System entsteht durch Erfahrungen des Akteurs. Der Habitus als Kategorie zur Erklärung der Handlungen des Einzelnen determiniert diese jedoch nicht. Dabei funktioniert er als ein »System von Generierungsschemata«,19 das seinem Inhaber nicht bewusst sein muss. Der Akteur geriert sich mit Hilfe seines Habitus selbst: »Philosoph sein heißt beherrschen, was man von der Geschichte der Philosophie beherrschen muss, um sich in einem philosophischen Feld als Philosoph gerieren zu können.«20 Übertragen auf das literarische Feld lässt sich also danach fragen, was der Autor beherrschen muss, um von anderen Autoren und Akteuren des Feldes als Autor wahrgenommen zu werden. Die Generierung eines Akteurs erfolgt im Wechselspiel von Habitus und Feldstruktur: Laufbahn und Werk eines Autors werden »als Objektivation des Verhältnisses von individuellem Habitus und den (historisch variierenden) Kraftlinien des literarischen Feldes«21 beschreibbar. Der Habitus der Akteure bestimmt die Feldstruktur mit, die wiederum darüber bestimmt, welcher Habitus im Rahmen des Feldes möglich oder nötig ist. Für die theoretische Reflexion der Inszenierung des Autors vor dem Hintergrund von Bourdieus Feldstruktur ist Georg Francks Erweiterung des Feld-Modells um den 15 Vgl. Jurt: absolute Pierre Bourdieu, S. 117–118. 16 Markus Joch und Norbert Christian Wolf: Feldtheorie als Provokation der Literaturwissenschaft. Einleitung, in: Text und Feld. Bourdieu und die literaturwissenschaftliche Forschung, hrsg. von dens. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 108), Tübingen: Niemeyer 2005. S. 1–24, hier: S. 14. 17 Vgl. zur Genese des Habitus-Begriffes: Bourdieu: Der Habitus als Vermittlung zwischen Struktur und Praxis. In: Ders.: Zur Soziologie der symbolischen Form. 5. Aufl., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994, S. 125–158; Ders.: Der Tote packt den Lebenden. In: Ders.: Der Tote packt den Lebenden. Schriften zu Politik und Kultur 2, hrsg. von Margarete Steinrücke, Hamburg: VSA 1997, S. 18–59; Ders.: Zur Genese der Begriffe Habitus und Feld. In: Ebd., S. 59–78. 18 Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987, S. 101. 19 Pierre Bourdieu: Über einige Eigenschaften von Feldern, S. 129. 20 Ebd. 21 Wolf: Wie viele Leben hat ein Autor? S. 398.
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von ihm geprägten Aufmerksamkeits-Begriffs sinnvoll:22 Er beschreibt die kulturellen Märkte als Handelsplatz für Informationen, deren Währung die Aufmerksamkeit ist. Diese Ausgangslage erweitert er um den Prozess der Mediatisierung, durch den die öffentliche Aufmerksamkeit durch die Medien organisiert wird. Erst dadurch wird die Aufmerksamkeit zur zentralen Währung.23 Die Aufmerksamkeit grenzt Franck von Bourdieus symbolischem Kapital ab: Jenes sei nur eine Form von »Geltung, die lediglich kapitalartige Züge trägt«; die Aufmerksamkeit als Währung sei dagegen ein »Kapital im wörtlichen Sinne«24, das in Geld konvertierbar ist. Er betont die Übertragbarkeit von Aufmerksamkeit in Geld.25 Auch Bourdieus Modell der Kapitalsorten sieht jedoch eine grundsätzliche Konvertierbarkeit von Kapital vor; ökonomisches Kapital lässt sich beispielsweise in objektiviertes kulturelles Kapital konvertieren, indem es in die Herstellung eines Buches investiert wird. Das symbolische Kapital sieht Bourdieu allerdings selbst weniger als Kapitalsorte an, sondern gewissermaßen als eine Art Glanz, die das Kapital umgibt: Jede Art Kapital [...] tendiert [...] dazu, als symbolisches Kapital zu funktionieren (sodass man vielleicht von den symbolischen Effekten des Kapitals sprechen sollte), wenn es explizite oder praktische Anerkennung erlangt [...]. Das symbolische Kapital ([...] das Prestige des berühmten Schriftstellers usw.) ist nicht eine besondere Art Kapital, sondern das, was aus jeder Art von Kapital wird, das als Kapital [...] anerkannt wird.26
Bourdieu fasst das symbolische Kapital also als eine Art von »Anerkennung«, die an den Besitz anderer Kapitalsorten gebunden ist und sich aus der Struktur des Feldes und dem Habitus seiner Akteure ergibt. Francks Aufmerksamkeits-Konzept ist dagegen weiter gefasst und begrifflich feiner differenziert. Es macht die Aufmerksamkeit zu einer Größe, die das symbolische Kapital als Anerkennungseffekt bei Bourdieu nicht einnimmt. Als Modell ist die Aufmerksamkeit insofern universaler einsetzbar, wenn es um öffentliche (oder auch private) Kommunikationsprozesse geht. Der Begriff des symbolischen Kapitals dagegen ist stärker auf die Akkumulation bezogen, die Aufmerksamkeit kennt jedoch verschiedene Haltbarkeitsstadien, kann aber auch nur flüchtig sein. Das symbolische Kapital bezeichnet das Guthaben an Anerkennung, das ein Akteur sich bereits verdient hat.
22 Vgl. Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. 23 Vgl. ders.: Autonomie, Markt und Aufmerksamkeit, S. 11–13. 24 Ders.: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 120. 25 Vgl. ders.: Autonomie, Markt und Aufmerksamkeit, S. 12. 26 Bourdieu: Symbolisches Kapital, S. 210–211.
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
2.1.2 Die Inszenierung des Autors im Paratext Die mediale Öffentlichkeit ist eine Triebfeder für die Inszenierung des Autors. Mit der steigenden Bedeutung der Literaturkritik im 19. Jahrhundert erreichte die öffentliche Aufmerksamkeit für den Autor eine neue Dimension und Bedeutung. Die Öffentlichkeit verlangt und der Literaturbetrieb erwartet vom Autor, dass er über seine Texte hinaus präsent ist. Präsent ist dabei nicht unbedingt die physische Autorperson, sondern eine konstruierte Autorfigur.27 Beide können miteinander mehr oder weniger verbunden sein. Bei der Konstruktion der öffentlich wirksamen Figur des Autors handelt es sich um eine Inszenierung. Die Autorperson inszeniert sich selbst zur Autorfigur und umgekehrt. In der literaturwissenschaftlichen Forschung der vergangenen Jahre wurde eine Spielart der Inszenierung verstärkt untersucht: die Selbstinszenierung des Autors. Gunter E. Grimm definiert Selbstinszenierung als »Steuerungsstrategien, die aus dem gesellschaftlichen Status des Berufsträgers resultieren.«28 Dabei steht die Konstruktionsleistung des Autors im Vordergrund. Der Begriff »Inszenierung« verweist auf das Theatralische, das Darstellerische und Unauthentische, das mit der Selbstdarstellung verbunden ist – Grimm und Schärf sprechen von der »aktionistischen Dimension der Autorschaft«29. Auch Jürgensen und Kaiser definieren die von ihnen hervorgehobenen »Inszenierungspraktiken« im Hinblick auf den Autor als »jene textuellen, paratextuellen und habituellen Techniken und Aktivitäten von SchriftstellerInnen, in oder mit denen sie öffentlichkeitsbezogen für ihre eigene Person, für ihre Tätigkeit und/oder für ihre Produkte Aufmerksamkeit erzeugen.«30 Dem setzen sie den Begriff vom »Autorbild« entgegen, das sie als Produkt der Fremdinszenierung auffassen, wobei sie durchaus das Spannungsverhältnis zwischen Selbst- und Fremdinszenierung thematisieren.31 Die Selbstinszenierung bedeutet eine Betonung der Aktivität des einzelnen Autors. Bourdieus Kategorie des Habitus’ als ein System von Generierungsschemata entspricht der Selbstinszenierung des Autors insofern, als sie die Handlungsoptionen des einzelnen Akteurs in den Vordergrund rückt. Diese sind jedoch bei Bourdieu zugleich verknüpft mit der Struktur des Feldes, d. h. der Habitus des Einzelnen und die Struktur des Feldes bedingen gemeinsam die Handlungen des Akteurs. Auf die Inszenierung übertragen impliziert dies die Notwendigkeit, neben der Selbstinszenierung auch die von außen kommende Fremdinszenierung zu berücksichtigen. Der Habitus des Autors eröffnet diesem ein Spektrum an Möglichkeiten 27 Vgl. Ludwig Fischer: Der fliegende Robert. Zu Hans Magnus Enzensbergers Ambitionen und Kapriolen. In: Autorinszenierungen. Hrsg. v. Künzel u. Schönert, S. 145–175, hier: S. 147–149. 28 Grimm: Dichterbilder, S. 2. 29 Grimm u. Schärf: Einleitung, S. 8. 30 Jürgensen u. Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken, S. 10–11. 31 Vgl. ebd., S. 11.
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zur Selbstinszenierung, das zugleich durch die Struktur und Beschaffenheit des literarischen Feldes bestimmt wird. Dadurch ist die Positionierung des Autors und seine entsprechende Inszenierung einerseits davon abhängig, welche Feldpositionen bereits vergeben sind, denn er muss als Neuling versuchen, eine neue Position zu besetzen. Andererseits bestimmen die Hierarchisierungsprinzipien innerhalb des Feldes über mögliche Positionierungen32 – in einem Feld, das auch den Gesetzen der Marktwirtschaft unterworfen ist, muss der Autor seine Texte verkaufen. Zudem bestimmt die Struktur des Feldes, wer außer den Autoren noch zum Feld der Literatur gehört. Verleger, Lektoren, Agenten, Kritiker usw. wirken auf die Selbstinszenierung des Autors ein und sind selbst an der Konstruktion der Autorfigur beteiligt. Dass die Inszenierung des Autors nicht nur eine Selbstinszenierung ist, wurde in vielen Beiträgen zu ihrer Untersuchung bislang ignoriert und nicht problematisiert. Dabei sind Selbst- und Fremdinszenierung voneinander so wenig zu trennen wie Habitus und Feldstruktur. Ein Inszenierungsbegriff, der Selbst- und Fremdinszenierung berücksichtigt, sieht sich jedoch dem Problem der mangelnden Trennschärfe ausgesetzt. Die Inszenierung des Autors außerhalb des Textes schlägt sich im Paratext nieder. Auch Genette bezieht seinen Paratext-Begriff vor allem auf den Autor als Akteur: Er ist für Genette auf einer pragmatischen Ebene für den Paratext verantwortlich, »der definitionsgemäß der Absicht des Autors entspricht und von ihm verantwortet wird.«33 Es geht ihm darum, die Elemente zu berücksichtigen, die der Autor dem Leser zusätzlich zu seinem Text zur Verfügung stellt oder die er als Ergänzung des Textes zulässt. Dennoch sind mit dem Paratext nicht nur die Elemente bezeichnet, die der Autor aus eigenem Antrieb und bewusst im Bezug auf einen Text präsentiert, denn die Paratexte entsprechen formal einer »vielgestaltigen Menge von Praktiken und Diskursen«34, die bedingt sind durch historische Entwicklungen und kulturelle Konventionen. Hier trifft die subjektive Präsentation und Konstruktion des Autors wiederum auf äußere Konventionen: Dass ein Buch gemeinhin einen Einband hat und einen Titel, ein Satzbild und ein Autorenfoto ist nicht nur der Inszenierung des Autors geschuldet, sie ist vielmehr ein Effekt dieser Paratexte. Der Autor bedient sich vorhandener Paratexte viel mehr, als dass er neue entwickelt. Dabei ist er an die Gesetzmäßigkeiten des literarischen Marktes gebunden. Bezogen auf die Autorisierung des Paratextes durch den Autor ist daher auch eine indirekte Autorisierung möglich, die durch den Verlag wahrgenommen wird. Der Verlag ist an die Autorisierung des Autors gebunden, wobei es historische Unterschiede in der Art und Weise gibt, in der Autoren an Inhalt und Gestaltung von Paratexten beteiligt werden. Mitunter trifft der durch den Autor beauftragte Verlag daher Entscheidungen, die nicht der Absicht des Autors entsprechen.35 32 Vgl. Bourdieu: Die Regeln der Kunst, S. 345. 33 Genette: Paratexte, S. 11. 34 Ebd., S. 10. 35 Beispielsweise beklagte sich Hermann Hesse heftig bei Samuel Fischer, der ohne die Einwilligung des Autors ein fotografisches Porträt desselben veröffentlicht hatte. Ein aktuelleres Beispiel ist
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
Genette berücksichtigt diese Unterschiede nicht. Ihm geht es darum, dass der Verlag durch den Autor grundsätzlich autorisiert ist, während Rezensionen, Ausstellungen usw. von der Autorisierung des Autors unabhängig sind und daher in seinem Konzept nicht berücksichtigt werden. Die paratextuelle Selbstinszenierung des Autors, von der grundsätzlich dann gesprochen werden kann, wenn er einen Paratext direkt oder indirekt verantwortet, ist durch Konventionen und Vorgaben bedingt, die sich im Zusammenhang mit dem literarischen Feld entwickelt haben. Auch hier steht die Selbstinszenierung des Autors in einem Spannungsverhältnis zur Fremdinszenierung, die aus den Erfordernissen des Marktes abgeleitet wird. Ein erweiterter Inszenierungsbegriff, der das Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Strukturen berücksichtigt, ist nötig, um zu erfassen, unter welchen Bedingungen Autorinszenierungen im Paratext stattfinden.
2.1.3 Imagologie des Autors Im Paratext wird ein Bild des Autors inszeniert. Dabei handelt es sich um ein mentales Bild; eine Vorstellung vom Autor, die ihn mit dem, was ein Autor alles sein kann, in Verbindung bringt. Diese Vorstellung ist ein Produkt der Selbstinszenierung des Autors und seiner Fremdinszenierung, in die das gesamte Wissen über den einzelnen Autor einfließt sowie die Vorstellungen von Autorschaft überhaupt. Sie wird aus dem kulturellen Wissen gespeist. Grimm und Schärf regen eine Imagologie des Dichters an, die sich nach dem Vorbild der literarischen Imagologie mit den Vorstellungen vom Dichter befassen solle:36 Dichterische Imagologie untersucht Dichterbilder und damit Strategien des Literarischen im Horizont einer Epoche. Sie geht davon aus, dass das Bild eines Schriftstellers eine aktive strategische Rolle bei der Erfassung, Deutung und Diskursivierung dessen spielt, was man einen literarischen Text nennt.37
Katharina Hacker, die den Verlagswechsel von Suhrkamp zu Fischer unter anderem damit begründet hat, dass ihr Roman bei Suhrkamp nicht ihren Vorstellungen entsprechend gesetzt worden war. Vgl. Samuel Fischer: Brief an Hermann Hesse vom 3.11.1904. In: Ders. und Hedwig Fischer: Briefwechsel mit den Autoren. Hrsg. v. Dierk Rodewald u. Corinna Fiedler, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1989, S. 621; Felicitas von Lovenberg: Chronik einer Zerrüttung. Katharina Hacker und Suhrkamp, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung. (14.11.2009), URL: http://www.faz.net/ aktuell/feuilleton/buecher/2.1719/katharina-hacker-und-suhrkamp-chronik-einer-zerruettung-1883557.html, [28.10.2012]. 36 Vgl. Grimm: Dichterbilder, S. 1. 37 Schärf: Belichtungszeit, S. 55.
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Die literarische Imagologie definiert Bilder bzw. images als »mental or discursive representation or reputation of a person, group, ethnicity or ›nation‹.«38 Dieser Bildbegriff weist Überschneidungen zu Klischees und Stereotypen auf, die von der literarischen Imagologie ebenfalls untersucht werden. Klischee und Stereotyp bezeichnen kollektive Vorstellungen von Gruppen, die den einzelnen Gruppenmitgliedern verallgemeinernd Eigenschaften zuschreiben. Während das Klischee eher ein Gemeinplatz ist und als weniger wertend gilt, weist das Stereotyp durchaus eine moralische Dimension auf.39 Diese Bilder werden nicht nur als lose Zuschreibungen an eine Nation oder Gruppe verstanden, sondern sie verfestigen sich und prägen die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Auch die Wahrnehmung von Literatur wird durch Autorbilder geprägt. In die Vorstellung vom einzelnen Autor wirken Vorstellungen des Autors an sich mit ein, die sich mit Autor-Klischees überschneiden können. Diesen Vorstellungen ist die Geschichte des Autors ebenso immanent wie die aktuellen Positionen des literarischen Feldes. Autorbilder sind historisch wandelbar. Die Vorstellung vom einzelnen Autor entsteht vor dem Hintergrund der Vorstellungen vom Autor überhaupt. Das ist der Grund, warum die Fotografie Thomas Bernhards als Radfahrer erstaunt; sie steht im Kontrast zu einem klischeehaften Autorbild, das sich an die Genieästhetik anlehnt.40 Autorbilder sind Produkte der Inszenierung des Autors, in die zugleich ein allgemein formuliertes kulturelles Wissen einfließt und die historischen Wandlungsprozessen unterliegen. Während Grimm den Anteil der Selbstinszenierung an Autorbildern betont,41 fassen Jürgensen und Kaiser das Autorbild als »Gegenpol« zu den Inszenierungspraktiken auf und ordnen es der »Legendenbildung bzw. Fremdinszenierung«42 zu, an der Literaturgeschichtsschreibung, Literaturkritik und andere Akteure des Feldes beteiligt sind. Hier wird dagegen eine verbindende Auffassung vertreten: An der Entstehung und Proklamation von Autorbildern als Vorstellungsbilder sind sowohl die Autoren selbst als auch Literaturvermittler beteiligt. Unter welchen Bedingungen die Selbst- und Fremdinszenierung von Autorbildern stattfindet und welche Funktionen damit für die einzelnen Akteure verbunden sind, wird ein Hauptaugenmerk der Untersuchung der fotografischen Inszenierung des Autors sein. Die Relation zwischen fotografischen oder allgemein ikonischen und mentalen Autorbildern ist eine besondere: Bilder sind aktiv an der Prägung von Vorstellungen beteiligt. Sie wirken unmittelbarer als etwa schriftliche Darstellungen. Mentale und 38 Joep Leerssen: Image. In: Imagolgy. The cultural construction and literary representation of national characters. A critical survey, hrsg. von Manfred Beller und Joep Leerssen (Studia Imagologica 13), Amsterdam u. New York: Rodopi 2007, S. 342–344, hier: S. 342. 39 Vgl. Manfred Beller: Cliché. In: Ebd., S. 297–298 u. ders.: Stereotype. In: ebd., S. 429–434. 40 Zur Tradition der Darstellung des Autors im Bild siehe: 3.1 Der Autor im Porträt – Gebrauchsweisen und Darstellungstraditionen vor der Fotografie 41 Vgl. Grimm: Dichterbilder. 42 Jürgensen u. Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken, S. 11.
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
physische Autorbilder korrespondieren miteinander, vor allem dann, wenn sich in Gemälden und Fotografien Vorstellungen verdichten. Die Geschichte der Ikonographie des Autors und Gelehrten ist wie die Porträtgeschichte überhaupt auch eine Geschichte der ikonischen Verdichtung und zeichenhaften Zuschreibung. In symbolischen Motiven ist ein Wissen über die gesellschaftliche Rolle des Autors und seine Individualität enthalten. Die Tendenz zur Verdichtung weist auch das Autorenfoto auf, sofern es der allgemeinen Bilderflut entzogen wird und in einem Verwendungskontext an die Öffentlichkeit gerät. Die Bildauswahl ist der Garant dafür, dass mit dem Bild etwas Konkretes gesagt werden soll. Ehe die Untersuchung zeigt, inwiefern Autorbilder durch die fotografische Inszenierung des Autors geprägt werden sollen und können, gilt es zunächst die medialen Voraussetzungen der Fotografie zu reflektieren um die Korrespondenz mit dem Autorbild genauer bestimmen zu können.
2.2 Theorie der Fotografie des Autors Matthias Bickenbach erteilt der Auffassung, die Fotografie (des Autors) bedeute etwas, eine lapidare Absage: »Das Foto zeigt, was es zeigt, aber es bedeutet nichts.«43 Um diese Einschätzung zu überprüfen und das Bedeutungsvermögen der Fotografie des Autors zu bestimmen, sei noch einmal die Fotografie des Radfahrers Thomas Bernhard bemüht: »Das Foto zeigt, was es zeigt« – diese tautologisch anmutende Regel trifft auch für Michael Horowitz’ Aufnahme von Thomas Bernhard zu. Sie zeigt einen mit Kniestrümpfen, kurzer Hose und Oberhemd bekleideten und gutgelaunten Herrn in den besten Jahren auf einem Fahrrad. Das ist jedoch nicht alles, was sich über diese Fotografie sagen ließe, wie die einleitende Bildbetrachtung gezeigt hat;44 die Fotografie Thomas Bernhards hält eine Fülle an Bedeutungen für den Betrachter bereit. Welche Bedeutungen er auswählt, hängt zum Einen von seinem kulturellen Vorwissen ab. Wer Bernhard auf dem Bild identifizieren kann, mag die Vorstellung des Autors als Querulant darin bestätigt sehen oder auch nicht, wer seine Autobiografie gelesen hat, mag an die Anfangsszene aus Ein Kind denken. Wer Bernhard hingegen nicht erkennt, wird sich über die ungewöhnliche Szene wundern, usw. Dadurch variiert die Bildbedeutung. Hinzu kommt zum Anderen die Bedeutung, die durch die Kontextualisierung der Aufnahme als Verlagsplakat und die damit einher gehende Beschriftung entsteht. Der Herr auf dem Fahrrad ist als »Thomas Bernhard« zu identifizieren und wird durch den Verlagsnamen »Suhrkamp« als Schriftsteller erkennbar. Dadurch wird das Vorwissen des Betrachters in eine bestimmte Richtung aktiviert; Assoziationen zu Thomas Bernhard, dem Suhrkamp Verlag und Schriftstellern allgemein werden damit geweckt. Die Fotografie bedeutet also durchaus etwas. Die Bedeutungen der Fotografie ergeben 43 Jürgensen u. Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken, S. 193. 44 Siehe: 1.1 Thomas Bernhard fährt Fahrrad
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sich jedoch erstens aus dem Vorwissen des Betrachters und zweitens aus den schriftlichen oder auch bildlichen Informationen, die der Betrachter zusätzlich zu der Fotografie erhält. Was zeigt das fotografische Bild? Und was bedeutet das Gezeigte? Diese beiden Leitfragen werden im Folgenden im Hinblick auf das Autorenfoto beantwortet. Das Ziel der Diskussion fototheoretischer Positionen ist eine differenzierte Betrachtung des Autorenfotos, die den medialen und kulturellen Eigenheiten der Fotografie gerecht wird und als Grundlage für die Untersuchung der fotografischen Inszenierung des Autors genutzt werden kann.
2.2.1 Zeigen: Die Fotografie des Autors als Bestätigung seiner Präsenz Was die Fotografie zeigt, ist auf den ersten Blick leicht zu bestimmen; die Fotografie von Thomas Bernhard zeigt Thomas Bernhard. Das Realitäts-Paradigma, das in der Geschichte der Fototheorie ein wichtiges Topos ist, verleitet zu dem naiven Fehlschluss, dass die Fotografie einer Person mit dieser gleichzusetzen ist, indem sie die Realität der Person wiedergibt. Letzteres erhellt sich vor allem im Vergleich zwischen Fotografie und Malerei: Ein Gemälde des Radfahrers Thomas Bernhard würde man leicht als eine Interpretation einer realistischen Szene erkennen. Der Stil des Malers würde den Bildgegenstand Thomas Bernhard verfremden und ihm eine persönliche Note geben. Vielleicht wäre die Person nicht gut getroffen, das heißt nicht wiedererkennbar. Anders die Fotografie, die bei allen Möglichkeiten der Retusche und Bildbearbeitung doch notwendigerweise eine Aufnahme der realen Szene sein muss. Die Fotografie ist zwar nicht das Wirkliche, aber das perfekte Analogon des Wirklichen, schrieb Roland Barthes 1961 in Die Fotografie als Botschaft.45 In dieser Aussage ist das Realitäts-Paradigma eingeschränkt enthalten. Die Fotografie ist ein realistisch wirkendes und als realistisch geltendes Bild der Wirklichkeit. Die Betonung des Realitäts-Effektes der Fotografie ist gerade im Vergleich zu anderen Bildern plausibel, auch wenn er im sozial- und kulturwissenschaftlich geprägten Fotodiskurs der 1970er und 1980er Jahren zur Konstruktion erklärt wurde.46 Die mediale Eigenheit der Fotografie 45 Vgl. Roland Barthes: Die Fotografie als Botschaft. In: Ders: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III (es 1367), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1990, S. 11–27, hier: S. 12–13. 46 Pierre Bourdieu erklärte 1965 den Realitätscharakter der Fotografie zur reinen Konstruktion und wurde zu einem Vordenker der späteren kulturwissenschaftlichen Kritik an der fotografischen Wirklichkeit. Die Fotografie ist für Bourdieu nicht ein Bild der Wirklichkeit, sondern ein Bild, das als Abbild der Wirklichkeit gilt. Für ihn entbehrte die Fotografie spezifischen Eigenschaften, diese galten ihm als das Ergebnis von Zuschreibungsprozessen. Der Konstrukt-Charakter der Fotografie hat durchaus seine Berechtigung und wird für die Frage nach der Bedeutung des fotografischen Bildes noch relevant sein. Auf der Ebene des Zeigens lässt sich jedoch mit Bernd Stiegler eingeschränkt am Realitätscharakter der Fotografie festhalten: „Die Fotografie verdoppelt nicht die Wirklichkeit, sondern konstruiert das Bild der Wirklichkeit.“ Dabei bedient sich die Fotografie eines Realitätseffekts, den
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besteht tatsächlich unter anderem darin, dass sie notwendigerweise etwas Wirkliches zeigt. Eine Fotografie von Thomas Bernhard ist ohne die Anwesenheit von Thomas Bernhard vor der Linse des Fotoapparats nicht denkbar. Genau diesen Gedanken führt Barthes in seinem späten und berühmten Fotobuch Die helle Kammer (1980) weiter:47 Die Besonderheit der Fotografie im Vergleich zu anderen Bildern besteht in dem Verhältnis von Fotografiertem und Bild. Das Fotografierte bezeichnet Barthes als »Photographischen Referenten«48 und meint damit »nicht die möglicherweise [Hervorhebung im Original] reale Sache, auf die ein Bild oder ein Zeichen verweist, sondern die notwendig reale Sache, die vor dem Objektiv platziert war und ohne die es keine Photographie gäbe.«49 Die Referenz ist das fotografische Grundprinzip und die »Beglaubigung von Präsenz [...] das neue Gen, das diese Erfindung in die Familie der Bilder eingeführt hat.«50 Barthes erhebt zudem auf der zeitlichen Ebene die Vergangenheit des fotografierten Augenblicks zu einem Kriterium seiner Bestimmung: Die durch die Fotografie beglaubigte Präsenz ist eine vergangene; die Fotografie ist eine »Emanation des vergangenen Wirklichen.«51 »Esist-so-gewesen«52 lautet seine Formel für die Verbindung von Präsenz und Vergangenheit in der Fotografie. Diese Verbindung fasst er in eine Lichtmetapher: »Von einem realen Objekt, das einmal da war, sind Strahlen ausgegangen, die mich erreichen, der ich hier bin; die Dauer der Übertragung zählt wenig; die Photographie des verschwundenen Wesens berührt mich wie das Licht eines Sterns.«53 Was bedeutet dies für das Autorenfoto? Das Autorenfoto bestätigt die Präsenz des Autors im Augenblick des Fotografiertwerdens. Es liefert einen »Oberflächen zusammenhang«54: Das Bild sagt: Dies ist ein Bild des Autor (bzw. der fotografierten Person). Auf die grundlegende Veränderung, die das Autorenfoto für das Bild des Autors bedeutet, indem es dessen Präsenz beglaubigt, haben bereits Christian Schärf und Matthias Bickenbach hingewiesen.55 Schärf geht von dem fiktiven Dichterbild aus, andere Bilder nicht haben. Vgl. Pierre Bourdieu: Die gesellschaftliche Definition der Photographie. In: Ders., Luc Boltanski, Robert Castel u. a.: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie, Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2006, S. 85–110; Bernd Stiegler: Fotografie und das Reale. Einleitung, in: Texte zur Theorie der Fotografie. Hrsg. v. dems., Stuttgart: Reclam 2010, S. 21–25, hier: S. 23. 47 Vgl. Roland Barthes: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie (st1642), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989. 48 Ebd., S. 86. 49 Ebd. 50 Ebd., S. 97. 51 Ebd., S. 99. 52 Ebd., S. 86. 53 Ebd., S. 90–91. 54 Siegfried Kracuer: Die Photographie. In: Ders.: Das Ornament der Masse. (st 371), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977, S. 21–39, hier: S. 27. 55 Vgl. Schärf: Belichtungszeit; Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution.
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das vor der Präsenz des Autors im Autorenfoto »das Glück der Lektüre«56 bedeutet haben mag: Der einst das Phänomen der Dichtung fundamentierende mythische Grund der Schrift liegt ursächlich in der Abwesenheit dessen, der geschrieben hat, mithin im vollkommen vergangenen Schreibakt. [...] Der Akteur der Schrift und damit das Bild des Autors im Zeitalter der Manuskripte ist ein abwesender Schöpfer. [...] Zugleich wird die Aura des abwesenden Autors von der Textspur unmittelbar erzeugt. Das Glück der Lektüre vor dem Zeitalter der Fotografie mag im Gefühl der Reinszenierung des mythischen Fundaments der Schrift gegründet gewesen sein. Der Name des Autors stand für diese Prozedur und erst in zweiter Linie für sich selbst.57
Die Vorstellung des Autors entstand vor dem Zeitalter der Fotografie aus der Lektüre seines Textes als ein Produkt der Fiktion. Durch das Autorenfoto wurde aus dem abwesenden Schöpfer ein anwesender Schriftsteller. Seine Präsenz wird durch die Fotografie technisch bezeugt. Das fotografische Bild tritt dabei in Konkurrenz mit dem aus dem Text inszenierten Bild. Zu dieser Veränderung ist die Fotografie dadurch befähigt, dass sie die Präsenz des Autors beglaubigen kann. Die Fotografie wird zum Beweisstück für den Autor, wie auch Bickenbach betont.58 Der von Schärf herangezogene Aura-Begriff verweist auf Walter Benjamin, der die Aura als »einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag«59 definiert hat. Die Aura des Kunstwerks resultiert aus dem »Hier und Jetzt des Originals«, das den »Begriff seiner Echtheit«60 ausmacht. Obwohl Benjamin den Verfall der Aura durch die Reproduzierbarkeit des Kunstwerks im Visier hat und die Fotografie als symptomatisch für diese Entwicklung begreift,61 ist gerade die Porträtfotografie ein Bereich, in dem die Aura durch den rituellen Gebrauch des Bildes bestehen bleiben kann: »Im Kult der Erinnerung an die fernen oder die abgestorbenen Lieben hat der Kultwert des Bildes die letzte Zuflucht.«62 Überreste des kultischen Gebrauchs kennzeichnen auch die Funktion des Autorenfotos; ähnlich wie Barthes die Fotografie seiner verstorbenen Mutter als Ausgangspunkt für die Formel »Es-ist-so-gewesen« verwendet,63 zeugt auch die Fotografie des Autors von seiner Präsenz. Sie verweist auf das »Hier und Jetzt« des Originals, nämlich des Autors im Augenblick der Aufnahme. In der Fotografie verbinden sich jedoch Nähe und Ferne; aus der Ferne der Aufnahmesituation
56 Schärf: Belichtungszeit, S. 52. 57 Ebd., S. 53. 58 Vgl. Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 157. 59 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Ders.: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie (es 2424), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003, S. 7–44, hier: S. 15. 60 Ebd., S. 12. 61 Vgl. ders.: Kleine Geschichte der Photographie. In: Ebd., S. 45–64. 62 Benjamin: Kunstwerk, S. 21. 63 Vgl. Barthes: Die helle Kammer, S. 77–81.
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strahlt die Aura in die Gegenwart der Betrachtungssituation und schafft damit eine eigentümliche mediale Nähe. Das kann die Malerei dagegen nicht leisten. Sie liefert eine Ansicht des Autors, die das »Es-ist-so-gewesen« entbehrt. Die Darstellung des Autors vor der Fotografie beinhaltete eine Korrespondenz zwischen Innerem und Äußerem; sie verdichtete das Autorbild und war nicht notwendig an das Hier und Jetzt einer Aufnahmesituation gebunden. Der physiognomisch orientierte Blick des Betrachters zielte darauf, diese Korrespondenz zu erfassen.64 Matthias Bickenbach fokussiert die Störung des physiognomischen Interesses am Autor, die vom Autorenfoto verursacht wird: Von einem an der Identität orientierten Blick führt das Medium Fotografie zur Identifikation, zur Registratur der Person. [...] Wenn Fotografie im Kontext der medialen Entwicklung des 19. Jahrhunderts zu den technischen Medien zählt, [...] dann werden Autoren nicht länger als idealisierte Stellvertreter des individuellen Allgemeinen an sich sichtbar, sondern als Zeitgenossen ›wie du und ich‹.65
Die medialen Eigenschaften des Autorenfotos bewirken also, dass der Autor nicht mehr selbst als Fiktion betrachtet werden kann, sondern »als Zeitgenosse ›wie du und ich‹«66. Die Identifikation löst die Identität als Zielpunkt der Bildbetrachtung ab. Die Fotografie verkehrt die Mechanismen des gemalten Porträts: das Gemälde bedeutet etwas, ist deswegen aber nicht visuelles Faktum, während die Fotografie ein visuelles Faktum ist und zunächst nichts bedeutet. Auf die Tragweite dieser medialen Eigenschaft des Autorenfotos für den literarischen Diskurs hat Christian Schärf hingewiesen und sich dabei auf den Unterschied zwischen einem aus der Schrift, der Lektüre konstruierten und einem fotografischen Dichterbild gestützt. Der Autor ist im Zeitalter des Manuskripts ein abwesender, dessen Aura sich aus dem Text ergibt. Das ändert sich mit der Fotografierbarkeit des Autors: »Mit dem Aufkommen der Fotografie konstituiert sich das Dichterbild nicht mehr imaginär aus dem Prozess der Schrift.«67 Der fotografische Wirklichkeitseffekt, der durch die Beglaubigung der Präsenz des Fotografierten entsteht, eröffnet paradoxerweise erst ihr Inszenierungspotenzial. Was die Fotografie des Autors zeigt, ist zunächst die Präsenz der Autorperson. Autorperson und Autorfigur fallen ineinander; die Fotografie bestätigt die physische Präsenz der Autorfigur, indem sie die Autorperson abbildet. Die Fotografie bestätigt: »Das ist der Autor« und verleiht der Autorinszenierung einen Wirklichkeitseffekt.
64 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt – Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie 65 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 157–158. 66 Ebd. 67 Schärf: Belichtungszeit, S. 53.
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2.2.2 Bedeuten: Die Lesbarkeit der fotografischen Inszenierung des Autors Im Fotodiskurs standen die Auffassungen vom Realitätsgehalt der Fotografie und ihrem Konstruktcharakter einander lange unvereinbar gegenüber: Entweder man behauptete, dass die Fotografie die Realität zeige, oder man betonte den Konstruktcharakter der fotografischen Wirklichkeit. Tatsächlich lassen sich die beiden Positionen miteinander verbinden: »Man kann die Fotografie als Aufzeichnung des Realen betrachten und trotzdem an der Kommentarbedürftigkeit dieser Aufzeichnung festhalten.«68 Die Kommentarbedürftigkeit der Fotografie ergibt sich sogar aus ihrem Realitätscharakter: Die Fotografie ist eine »Botschaft ohne Code«69 gerade weil sie im Gegensatz zu anderen Bildern nicht per se konnotiert ist. Die Fotografie als Analogon des Realen zeigt eben das Reale, oder genauer: eine Ansicht des Realen und sagt nicht aus, was diese Ansicht bedeutet – was Bertolt Brechts viel zitiertem Diktum von der Fotografie des Stahlwerks entspricht.70 Barthes ging in Die Fotografie als Botschaft davon aus, dass die Fotografie zunächst reine Denotation ist. Während andere Bilder eine »denotierte [Botschaft enthalten; S.O.], nämlich das Analogon als solches, und eine konnotierte [Botschaft], nämlich die Weise, auf die eine Gesellschaft gewissermaßen zum Ausdruck bringt, was sie darüber denkt«71, bestehe die Fotografie nur aus der Denotation. Dennoch analysiert Barthes am Beispiel von Fotografien aus Presse und Werbung eine Reihe von Konnotationsverfahren, mit deren Hilfe im fotografischen Bild Botschaften verankert werden können.72 Gerade dieser Teil von Barthes’ fototheoretischem Werk ist die Grundlage für die kulturwissenschaftliche Prämisse: »Was ein fotografisches Bild – oder jedes andere Ding bedeutet, hängt zwangsläufig vom kulturellen Kontext ab.«73 Sie wird gemeinhin mit der Kritik des Denotativen verbunden: In der Realität gibt es kein denotiertes Bild.74 Die Betrachtung ist automatisch mit einer Bedeutungszuweisung verbunden. (So gesehen ist auch die Barthes’sche Aussage, dass die Fotografie die Präsenz bestätigt, bereits eine Konnotation des fotografischen Bildes.) 68 Peter Geimer: Theorien der Fotografie zur Einführung. Hamburg: Junius 2009, S. 80. 69 Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 13. 70 »Die Lage wird dadurch so kompliziert, daß weniger denn je eine einfache ›Wiedergabe der Realität‹ etwas über die Realität aussagt. Eine Photographie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht.« Bertolt Brecht: Der Dreigroschenprozeß. Ein soziologisches Experiment, in: Ders.: Schriften I. Bearb. v. Werner Hecht u. Benno Slupianek (Bertolt Brecht Werke, Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, hrsg. v. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei u. a. 21), Berlin u. Frankfurt a. M.: Aufbau u. Suhrkamp 1991, S. 448–514, hier: S. 469. 71 Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 13. 72 Vgl. Barthes: Die Fotografie als Botschaft; Ders: Die Rhetorik des Bildes. In: Ders: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, S. 2 8–46. 73 Allan Sekulla: Vom Erfinden fotografischer Bedeutung. In: Texte zur Theorie der Fotografie, hrsg. v. Stiegler, S. 302–337, hier: S. 302. 74 Vgl. ebd.; Geimer: Theorien der Fotografie, S. 86.
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Auch wenn die Bedeutungen der Fotografie von den kulturellen Kontexten abhängen: die Bildbetrachtung ruft automatisch Bedeutungen hervor. Das hängt mit der Ikonizität der Fotografie zusammen. Als Bild weist sie eine spezifische Medialität auf und unterscheidet sich von der nicht-ikonischen Wirklichkeit. Dass der Ausschnitt der Wirklichkeit zu einem Bild vom Bild der Wirklichkeit wurde, animiert den Betrachter dazu, im Bild eine Bedeutung zu suchen; »Jedes fotografische Bild ist vor allem ein Zeichen dafür, dass jemand Zeit und Mühe darauf verwendet hat, etwas mitzuteilen [...].«75 Diesen ikonischen Effekt hat Gottfried Boehm als »doppeltes Zeigen«76 bezeichnet; Bilder zeigen etwas und sie zeigen sich selbst als Bilder. Auch die Fotografie ist davon nicht ausgenommen, auch wenn sich die Bildebene, der Bildinhalt von dem anderer Bilder unterscheidet und dadurch der Fotografie als Bild andere Eigenschaften zugeschrieben werden können, nämlich der fotografische Wirklichkeitseffekt. Daraus ergibt sich für die Theorie des Autorenfotos: Die Fotografie hat im Gegensatz zu anderen Bildern einen Wirklichkeitseffekt und bestätigt die Präsenz des Fotografierten. Die Bedeutung des Fotografierten ergibt sich aus ihrem Kontext. Im Folgenden werden die rhetorischen Möglichkeiten des Autorenfotos auf der Grundlage dieser beiden Prämissen erörtert. Das Ziel ist eine theoretische Übersicht über das Inszenierungspotential des Autorenfotos. Anhand zweier Untersuchungsebenen wird überprüft, wie die Fotografie Sinn erzeugen kann: Erstens anhand der Bildebene und zweitens anhand der Kontextebene. Das Vorgehen ist auf das Autorenfoto im verlegerischen Paratext zugeschnitten und erlaubt es, zunächst das Bild an sich zu betrachten und dann seine Verwendung in einem konkreten Verwendungszusammenhang. Auf beiden Ebenen können Bildbedeutungen verankert sein – welche Bedeutungen, das hängt vom kulturellen Kontext ab und wird Gegenstand der Untersuchung sein. Vor den eigentlichen Konnotationsverfahren sei jedoch das Verhältnis zwischen Wirklichkeitseffekt und Inszenierung im Moment der Aufnahme genauer reflektiert.
Bildebene I: Fotografische Inszenierung Was bedeutet das Abgebildete? Es weist zunächst einmal nur darauf hin, dass etwas vor der Linse der Kamera war. Dies sagt aber nichts darüber aus, warum und wie etwas gewesen ist. In Die helle Kammer nähert sich Barthes der Situation des Fotografiertwerdens, indem er sein eigenes Verhalten beim Fotografiertwerden reflektiert. Das Kapitel mit der Überschrift »Der, welcher photographiert wird«77 ist auch als Erfahrungsbericht
75 Sekulla: Vom Erfinden fotografischer Bedeutung, S. 302. 76 Boehm: Wie Bilder Sinn erzeugen, S. 19. 77 Barthes: Die helle Kammer, S. 18–23.
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des fotografierten Autors zu lesen, denn Barthes selbst ist oft fotografiert worden und hat auch mit seinen eigenen Autorenfotos gearbeitet.78 Sobald ich nun das Objektiv auf mich gerichtet fühle, ist alles anders: ich nehme eine ›posierende‹ Haltung ein, schaffe mir auf der Stelle einen anderen Körper, verwandle mich bereits im voraus zum Bild. Diese Umformung ist eine aktive: ich spüre, daß die Photographie meinen Körper erschafft oder ihn abtötet, ganz nach ihrem Belieben.79
Barthes beschreibt hier die eigene Verwandlung in eine Pose. In der Pose wird der Autor zum Schauspieler seiner selbst. Dabei weiß er um die Möglichkeit des Misslingens. Ein gelungenes Bild erschafft die Malerei: »Könnte ich doch auf dem Papier ›gelingen‹ wie auf einem klassischen Ölgemälde, mit edler Miene, versonnen, intelligent und so weiter!«80 Das Gemälde hält eine Idee des Porträtierten fest, die Konnotation tritt offen hervor. Die Fotografie beschränkt die multiplen Facetten eines Porträtierten im Gegensatz zur Malerei: »Mein ›Ich‹ ist’s, das nie mit seinem Bild übereinstimmt, denn schwer, unbeweglich, eigensinnig ist schließlich das Bild (weshalb sich auch die Gesellschaft darauf beruft); leicht, vielteilig, auseinanderstrebend ist mein ›Ich‹ [...].«81 Auf der Grundlage der eigenen Selbstnachahmung bestimmt Barthes das fotografische Porträt als imaginäres Kräftefeld, in dem sich vier Kräfte kreuzen:82 »Vor dem Objektiv bin ich zugleich der, für den ich mich halte, der, für den ich gehalten werden möchte, der, für den der Photograph mich hält, und der, dessen er sich bedient, um sein Können vorzuzeigen.«83 Von diesem Kräftefeld lassen sich Inszenierungsebenen ableiten, die auch bei der Entstehung eines Autorenfotos eine Rolle spielen. Akteure der Inszenierung sind dabei der Autor und der Fotograf.84 Die Selbstinszenierung des Autors bewegt sich zwischen der Autorfigur und der Autorperson. Die Fremdinszenierung des Autors durch den Fotografen ist wiederum eine Verbindung aus der Vorstellung vom Autor und der tatsächlichen Präsenz der Autorperson vor der Linse. Der Autor inszeniert sich selbst und der Fotograf inszeniert den sich selbst inszenierenden Autor. 78 In seiner Autobiographie, die in Frankreich 1977 unter dem Titel Roland Barthes par Roland Barthes erschien, verwendet der Autor auch Fotografien von sich selbst. Vgl. Barthes: Über mich selbst. Berlin: Matthes & Seitz 2009. 79 Barthes: Die helle Kammer, S. 18–19. 80 Ebd., S. 19. 81 Ebd., S. 20. 82 Vgl. ebd., S. 22. 83 Ebd. 84 Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist die hyptothetische Situation, dass Autor und Fotograf einander bewusst begegnen, um eine Fotografie aufzunehmen, die dann in der Öffentlichkeit verbreitet werden kann. Diese Situation liegt aber nicht jeder Bildentstehung zugrunde, es werden vielmehr auch Bilder veröffentlicht, die nicht eigentlich als Autorenfoto gedacht waren. Siehe: 2.3 Ebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext.
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Mit der fotografischen Inszenierung hat sich auch A. D. Coleman 1976 in dem Aufsatz Inszenierende Fotografie befasst.85 Er hinterfragt den Realismus der Fotografie und führt dabei die Unterscheidung zwischen »empfänglicher (responsive)« und »inszenierender (directorial)«86 Fotografie ein. Der Fotograf einer empfänglichen Fotografie hält fest, was sich ihm darbietet. Er bestätigt eine Präsenz, die auch ohne ihn vorhanden wäre. Der inszenierende Fotograf erzeugt dagegen [...] bewusst und intentional Ereignisse aus dem einzigen Grund, davon Bilder zu machen. Dies kann geschehen, indem er in den Verlauf ‚realer’ Ereignisse eingreift oder indem er Tableaus stellt – auf jeden Fall geschieht etwas, das ohne die Beteiligung des Fotografen nicht entstehen würde.87
Die Glaubwürdigkeit der Fotografie wird so auf den Kopf gestellt: Zwar bestätigt sie die Präsenz des Fotografierten, allerdings ist diese von der Situation des Fotografierens abhängig. »Solche Bilder benutzen den Wahrheitsanspruch der Fotografie gegen die Betrachter.«88 Dieser kann nicht wissen, ob es sich um eine inszenierte Fotografie handelt – er weiß lediglich, dass die Fotografie inszeniert sein kann. Wie das Beispiel des Rad fahrenden Thomas Bernhard gezeigt hat, ist auch der Anschein des Nicht-Inszenierten, der sich dort aus der ungewöhnlichen Aufnahmesituation und der schnappschusshaften Nachlässigkeiten ergibt, kein sicheres Indiz für das NichtInszenierte. An diesem Beispiel zeigt sich ein Aspekt, den Coleman nicht berücksichtigt hat: Es ist nicht nur der Fotograf, der das Inszenierungspotenzial der Fotografie im Moment der Aufnahme ausnutzt, es ist auch der Fotografierte. Nimmt man den fotografierten Autor in den Blick, so ist die Bernhard-Fotografie eine inszenierende, im Bezug auf den Fotografen jedoch eine empfängliche, denn er knipst lediglich, was sich ihm darbietet. Bei der Bildentstehung wirken also mehrere Faktoren zusammen: Im Autorenfoto wird die physische Präsenz des Autors zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt. Diese Präsenz, die sich mit der fotografischen Glaubwürdigkeit darbietet, wird inhaltlich im Moment der Bildentstehung aber gewissermaßen ausgehöhlt: Weder vermag die Fotografie zu bestätigen, dass der fotografierte Autor so ist, wie er sich selbst sieht oder wie er tatsächlich ist, noch sagt sie etwas über die Authentizität der Entstehungssituation aus. Die Authentizität des Autorenfotos ist daher fraglich. Zwei Reaktionen sind darauf denkbar: Das Autorenfoto als Quelle zu verwerfen oder es gerade als eine Quelle zu nutzen, die sich durch ein besonders »Kräftefeld« auszeichnet und diesem 85 Vgl. A.D. Coleman: Inszenierende Fotografie. Annäherung an eine Definition, in: Theorie der Fotografie. 1839–1995, hrsg. v. Hubertus von Ameluxen u. Wolfgang Kemp, München: Schirmer Mosel 2006, S. 239–243. 86 Ebd., S. 241. 87 Ebd. 88 Ebd.
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in einer methodischen Verfeinerung gerecht zu werden. Diese Verfeinerung muss auf der Bildebene unterscheiden zwischen dem Fotografierten, also dem Autor, und dem Fotografen. Im Bezug auf den Autor gilt es, seine Fotografie gerade nicht als authentisch aufzufassen, sondern als einen Versuch ein Bild seiner selbst zu vermitteln. Im Moment der Bildaufnahme findet durch den Fotografen eine Selektion statt: Er wählt aus mehreren Ansichten des sich selbst spielenden Autors eine oder mehrere aus. Dabei ist der Fotograf einerseits seiner eigenen Kunst unterworfen; er braucht den Autor, um zu zeigen, was er kann, andererseits repräsentiert er seine Auftraggeber, die in letzter Instanz die Leser sind. Das fotografische Porträt als Kräftefeld erschwert seine Analyse, indem es oft nicht erkennen lässt, welche Kraft an einem Bild welchen Anteil hat. Dennoch sind die vier Kräfte, die sich auch als zwei Ebenen der Inszenierung fassen lassen – die des Autors und die des Fotografen – bei jeder Bildentstehung wirksam. Im Rahmen einer Bildkritik muss zumindest versucht werden, diese Ebenen zu beleuchten, auch wenn sich die Umstände der Bildentstehung häufig nicht rekonstruieren lassen.
Bildebene II: Blick, Pose und Objekt Die Inszenierung auf der Bildebene funktioniert dank eines Repertoires an Posen und Objekten, die zeichenhaft eine Bedeutung übermitteln. Ohne dieses Repertoire zunächst aus der Geschichte der Autorikonografie abzuleiten – dies erfolgt in Kapitel 3.1 –, wird hier auf der Grundlage von Barthes’ semiologischen Schriften die Wirkungsweise der »Rhetorik der Fotografie«89 mit Hilfe von Blick, Pose und Objekt reflektiert. Roland Barthes hat in Die Fotografie als Botschaft die Pressefotografie als »Botschaft ohne Code«90 klassifiziert und betont, dass die Fotografie im Gegensatz zu anderen Bildern nur eine denotierte Seite besitze, die durch ihre Analogie zur Wirklichkeit entstehe. Das »fotografische Paradox« besteht allerdings in der »Koexistenz von zwei Botschaften, einer ohne Code (das wäre das fotografische Analogon) und einer mit Code (das wäre die ‚Kunst’ oder die Bearbeitung oder die ‚Schreibweise’ oder die Rhetorik der Fotografie)«.91 Barthes weist verschiedene Konnotationsverfahren nach, die einen zusätzlichen Sinn in der eigentlichen fotografischen Botschaft verankern. Auf der Bildebene sind in Bezug auf das Autorenfoto zunächst zwei der von ihm vorgeschlagenen sechs Konnotationsverfahren interessant: die Pose des Fotografierten und die Posierung fotografierter Objekte. Diese werden (zusammen mit der Fotomontage) von Barthes zu
89 Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 15. 90 Ebd., S. 13. 91 Ebd., S. 15.
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der Art von Konnotationsverfahren gezählt, die mit der »Modifikation des Wirklichen selbst, das heißt der denotierten Botschaft erzeugt wird«92. Die Pose als Konnotationsverfahren besteht aus einem Vorrat an stereotypen Haltungen [...], die festgelegte Bedeutungselemente bilden (Blick gen Himmel, gefaltete Hände); eine ‚historische Grammatik’ der ikonographischen Konnotationen müsste ihr Material also in der Malerei, im Theater, in den Ideenassoziationen, in den gängigen Metaphern usw. suchen, das heißt eben in der ‚Kultur’.93
In diesem Vorrat lassen sich auch typische Posen für die Darstellung des Autors und Gelehrten ausmachen. Sie konnotieren die fotografische Darstellung und rufen beim Betrachter gängige Assoziationen, eben zur geistigen Tätigkeit der Autorschaft, hervor. Die Pose des fotografierten Autors konnotiert das Autorenfoto. Die Codierung besteht in der Wahl einer bestimmten Pose, die entweder vom Porträtierten selbstständig getroffen wird oder auf den Fotografen zurückzuführen ist. »Der Leser rezipiert als bloße Denotation, was in Wirklichkeit eine denotiert-konnotierte Doppelstruktur ist.«94 Die Rezeption des Lesers bzw. des Betrachters hängt allerdings von seiner Vorbildung ab; kann er die Konnotation entschlüsseln und beispielsweise eine Verbindung zur tradierten Ikonographie des Schriftstellers herstellen, so nimmt er die fotografische Wirklichkeit in ihrer Doppelstruktur wahr. Ist er dagegen mit der ikonographischen Tradition nicht vertraut, rezipiert er die Pose als bloße Denotation. Die Besonderheit des fotografischen Bildes besteht dabei darin, dass durch die denotierte Botschaft zunächst der Anschein erweckt wird, es handele sich um eine natürliche Szene. Der Betrachter nimmt zunächst das »Es-ist-so-gewesen« wahr, ehe er – mit Hilfe seines kulturellen Wissens – die Konnotation erkennt. Da die Konnotation auf der Bildebene ansetzt, wirkt sich zunächst der Wirklichkeitseffekt der Fotografie aus. Indem die Pose als Konnotationsverfahren erkannt wird, muss jedoch auch die Authentizität der Fotografie in Frage gestellt werden. Bickenbach, für den der fotografierte Autor ein Zeitgenosse ist und keine idealisierte Schöpferfigur mehr, sieht die tradierten Posen zwar am Rande als weiterhin relevant an, weist aber den Händen des Schriftstellers und seinem Blick eine besondere und neue Bedeutung zu. Er unterscheidet Blicktypen als Codierung und hebt die Möglichkeit des Autors hervor, durch die Fotografie in Kontakt mit dem Betrachter zu treten, indem er ihn anblickt: »Der Blick zum Betrachter hin kann [...] als Form von Kommunikation gewertet werden, nämlich als Aufmerksamkeitsverstärkung und Annahmeermöglichung. Der souveräne Blick stiftet Nähe, Kontakt und
92 Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 16. 93 Ebd., S. 17. 94 Ebd., S. 18.
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Aufmerksamkeit.«95 Damit wird er der medialen Besonderheit der Fotografie gerecht, den Effekt des Angeblicktwerdens zu simulieren. Als zweites Konnotationsverfahren bestimmt Barthes in Die Fotografie als Botschaft die »Pose der Objekte«: Eine besondere Wichtigkeit muß man hier dem zugestehen, was man als Pose der Objekte bezeichnen könnte, da der konnotierte Sinn dabei den fotografierten Objekten entspringt [...]. Wichtig ist, daß diese Objekte gängige Induktoren von Ideenassoziationen (Bibliothek = intellektuell) oder, auf verborgenere Weise, von richtigen Symbolen sind [...].96
Wie die Pose spielen ikonografisch tradierte Objekte im Autorenfoto eine zentrale Rolle. Der Schreibtisch des Autors ist beispielsweise ein solches Objekt. Ebenso das Buch. Beide Elemente gehen als Attribute des Autors auf die Gehäus-Tradition in der Malerei zurück, die in der Darstellung des Heiligen Hieronymus entstanden ist.97 Auch hier dienen die Elemente eher zur Klassifikation des Gelehrten allgemein als zur Darstellung des Schriftstellers im Besondern. Wie bei der Pose findet auch in Bezug auf die Objekte eine Übernahme aus dem ikonographischen Fundus der Malerei in das Autorenfoto statt. Damit ist keine einfache Kontinuität gemeint, denn eben die Objekte, die in der tradierten Ikonographie eingesetzt wurden, um Ideen zu verdeutlichen und deren physische Präsenz nicht erforderlich ist, werden im Medium der Fotografie als Wirklichkeit denotiert und erhalten somit einen veränderten Status. Zugleich erfahren die Objekte eine Fortschreibung und Weiterentwicklung, sie werden tatsächlich als Symbole des Autors eingesetzt. Zu den zentralen Objekten des Autorenfotos zählen neben Schreibgeräten, Büchern und Möbeln auch Orte, die mit dem Autor assoziiert werden, insbesondere Häuser und Räume, die von ihm bewohnt werden oder wurden. Diese Objekte werden im Autorenfoto aus der Malerei weitergeführt und gewissermaßen zugespitzt: Der leere Stuhl steht ebenso als pars pro toto für den Autor, wie etwa seine Hände.98 Die Möglichkeit zur Zuspitzung des Autorenfotos auf die Darstellung eines Objektes hängt mit der Medialität der Fotografie zusammen. Wo die Malerei durch eine Fülle gekennzeichnet ist, die viele symbolische Objekte in einem Bild vereint, ist die Fotografie ein Ausschnitt, der einzelne Objekte isoliert und in den Vordergrund stellt. Das Experimentieren mit den Möglichkeiten des Ausschnitts beginnt in der Geschichte des Autorenfotos schon früh und entwickelt die Objekt-Darstellung weiter. Die Bedeutung der Objekte ist im Gegensatz zur Bedeutung der Pose in der Forschung nicht unumstritten. Matthias Bickenbach, der das Autorenfoto als Absage an die Physiognomie auffasst und untersucht, wie der Schriftsteller im Autorenfoto 95 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 271. 96 Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 18. 97 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie. 98 Vgl. dazu beispielsweise den Bildband: Peter Krumme (Hrsg.): Der (bisweilen) leere Stuhl. Arbeitsplätze von Schreibenden, Frankfurt a. M.: Ullstein 1986.
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»kulturell kodiert und adressiert wird«99, schränkt jedoch die Bedeutung der Objekte in ihrer Relevanz für das Autorenfoto ein: »Worin die Merkmale des fotografierten Autors bestehen, sind keine signifikanten Attribute mehr, obwohl Bücherwände oder Schreibtisch im erweiterten Fundus der Bilder durchaus noch eine Rolle spielen.«100 Leichtfertig sollten die Objekte als Konnotationsverfahren allerdings nicht in die Peripherie der relevanten Motive für das Autorenfoto abgeschoben werden. Die Untersuchung wird zeigen, inwiefern Posen und Objekte für das Autorenfoto relevant sind und die Fotografie in beiden Fällen eine Verschiebung der ikonographischen Tradition bewirkt. Im Hinblick auf die Konnotation des Autorenfotos bleibt festzuhalten: Beide Konnotationsverfahren tragen dazu bei, das Autorenfoto, das die Präsenz des Autors bestätigt, mit Botschaften aufzuladen und darüber hinaus zu konnotieren. Das Inszenierungspotenzial der Fotografie wird dadurch erweitert.
Kontextebene: Die Einbindung der Fotografie in einen rhetorischen Verwendungszusammenhang Das Inszenierungspotenzial der Fotografie des Autors wird in der Verwendung und Kontextualisierung erweitert und präzisiert. Die mediale Voraussetzung für die Kontextualisierung ist die Reproduzierbarkeit der Fotografie. Walter Benjamin hat sich in Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit nicht zufällig auf die Fotografie (und den Film) bezogen, denn die technische Reproduzierbarkeit des Kunstwerks ist eng mit der Entwicklung der Fotografie verbunden. Das Gemälde war lange eine singuläre und auratische Erscheinung, die sich technisch nicht oder nur in begrenztem Ausmaß reproduzieren ließ. Die Fotografie dagegen war bald darauf angelegt, reproduziert zu werden und in immer neuen Kontexten aufzutauchen. Dadurch prägten sich mediale Wahrnehmungsgewohnheiten aus.101 Die Kontexte, in denen die Fotografie eingesetzt werden kann, sind durch ihre Reproduzierbarkeit nahezu beliebig: So kann dasselbe Autorenfoto ebenso als Klappenporträt verwendet werden, wie als Illustration im Feuilleton, in einem literaturgeschichtlichen Werk oder auf einem Plakat. Auch sind Verwendungskontexte außerhalb des Printbereichs möglich, etwa in audiovisuellen und digitalen Medien oder in Literaturausstellungen. Mit dem Kontext der Fotografie verändert sich jedoch ihre Aussage. Als zentrales Konnotationsverfahren der Pressefotografie bestimmt Barthes die Verbindung von Bild und Text:102 »Der Text bildet eine parasitäre Botschaft, die das Bild konnotieren, das heißt ihm einen Sinn ‚einhauchen’ soll.«103 Die Verknüpfung 99 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 158. 100 Ebd., S. 176. 101 Vgl. Benjamin: Kunstwerk, S. 15. 102 Vgl. Barthes: Die Fotografie als Botschaft, S. 21. 103 Ebd.
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von Text und Bild kann dabei in Form einer »Verankerung«104 erfolgen, das heißt der Text bezieht sich auf einen bestimmten Bereich der Fotografie, den er kommentiert und verstärkt. Dadurch wird der entschlüsselnde Blick des Betrachters auf einen bestimmten Aspekt gelenkt, während andere Bedeutungsnuancen ausgeblendet werden. Das Beispiel des Bernhard-Plakats demonstriert die Verankerung: Die Fotografie als solche wird durch die Kontextualisierung mit den Schriftzügen »Thomas Bernhard« und »Suhrkamp« als Autorenfoto konnotiert, das auf das Werk verweist. Denkbar wäre die Kontextualisierung dieser Aufnahme auch in einem vollkommen anderen Zusammenhang, beispielsweise im Rahmen einer Kampagne für das Radfahren oder für Herrenkniestrümpfe, wobei der die Identität der fotografierten Person keine Rolle spielen müsste. Der Name des Autors ist der wichtigste Anker für die Bedeutung des Autorenfotos. Dieser Umstand erklärt sich im Rückgriff auf Foucaults Reflexionen zur Funktionsweise des Autornamens im Verhältnis von Text und Werk in Was ist ein Autor?. Der Autor erscheint dort als tradierte Größe: »Der Begriff Autor ist der Angelpunkt für die Individualisierung in der Geistes-, Ideen- und Literaturgeschichte, auch in der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte.«105 Der Autorname ermöglicht ein Zuschreibungsverhältnis zwischen Text und Person und erweitert damit die Funktion des Eigennamens. Er kann Diskurse bündeln und sogar initiieren. Foucault betont den Konstrukt-Charakter des Autornamens und sieht in der Zuschreibung eine Funktion des Diskurses, die der tatsächlichen Position des Autors nicht entspricht.106 Die Zuschreibung des Textes zum Namen, die dieser Diskurs ermöglicht, verbindet auch das Autorenfoto mit dem Text: Durch den Namen des Autors wird sein Foto mit seinem Werk verbunden. Der Name des Autors ist konstitutiv für das Autorenfoto, wie auch Bickenbach hervorhebt: »Dass der Autorname unter dem Bild als textuelle Bestimmung dessen steht, wen man sieht, ist nicht nur eine Praxis der Darstellung, sondern gehört zum intermedialen Gesetz der Gattung.«107 Ohne den Namen des Autors ist das Autorenfoto als solches nicht zu identifizieren (zumindest bei Autoren, deren Gesicht noch nicht allgegenwärtig und deren Name bekannt ist). Die Konnotationsverfahren, die bereits auf der Bildebene ansetzen, reichen nicht aus, um den Autor als Autor zu kennzeichnen, da sie im Autorenfoto nicht eingesetzt werden müssen und ebenso in Porträts anderer Berufsgruppen vorkommen können.108 Es muss eine sprachliche Identifikation von Autor und Bild stattfinden, die das Denotat der Fotografie mit einer 104 Ders.: Rhetorik des Bildes, S. 35. 105 Michel Foucault: Was ist ein Autor?, S. 202. 106 Vgl. ebd., S. 198. 107 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 178. 108 Vgl. zur Ikonographie des Wissenschaftlers: Annina Klappert: In den Händen des Wissenschaftlers. Die Pfeife im Bild und als Bild der „Wissenschaft“, in: Manus loquens. Medium der Geste – Gesten der Medien, hrsg. v. Matthias Bickenbach, ders. u. Hedwig Pompe (Mediologie 7), Köln: DuMont 2003, S. 158–187; Vgl. zur politischen Ikonographie: Michael Diers: Schlagbilder. Zur politischen Iko-
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Bedeutung füllt, die »nichts mehr zu sagen scheint als tautologisch das, was das Bild zeigt, hier ist die Person: Das ist x.«109 Durch den Autornamen wird das Autorenfoto mit einem literarischen Diskurs verknüpft, es fungiert als Zuschreibung zu Autor und Text, die durch ihren denotativen Charakter über das hinaus geht, was der Name des Autors allein besagen kann. Bickenbach bezeichnet das Autorenfoto als »intermediale Transkription der Unterschrift (...), die Signatur der Person als ihr Bild.«110 Die angekündigte Verschiebung im Diskurs findet gerade dadurch statt, dass das Autorenfoto mehr konnotiert, als den Namen des Autors, den die Unterschrift bezeugt; er unterschreibt hier mit seiner eigenen physischen Präsenz, die zugleich Gegenstand der Selbstinszenierung sein kann. Der Name des Autors ist der zentrale Textbaustein in der Konnotation des Autorenfotos – jedoch beileibe nicht die einzige Textart, die im Zusammenhang mit dem Autorenfoto eingesetzt wird und als Anker fungiert. Im Hintergrund der vielfältigen Kontextualisierung, die in der Untersuchung genauer herauszuarbeiten sind, leuchtet stets das Werk des Autors auf. Das Autorenfoto wird im Gegensatz zu anderen massenmedial verwendeten Fotografien doppelt konnotiert: Einerseits befindet es sich als Paratext immer im Kontext zum Text des Autors. Andererseits ist – wie auch bei anderen Fotografien im öffentlichen Gebrauch – eine Konnotierung durch die Einbindung in konkrete Verwendungskontexte üblich, wobei das Autorenfoto in Beziehung zu anderen Paratext-Elementen tritt. Nicht nur textuelle Elemente konnotieren die kontextualisierte Fotografie; die Bildbedeutung ergibt sich auch aus dem pragmatischen Verwendungsanlass, aus der Funktion der Fotografie in einem bestimmten Zusammenhang sowie aus dem Kontext an sich; ob eine Fotografie auf einer Plastiktüte oder einer Werkausgabe reproduziert wird, macht einen Unterschied. Zudem korrespondiert sie mit anderen bildlichen Elementen in verschiedenen Verwendungskontexten; für die verwendete Fotografie des Autors im verlegerischen Paratext ist die Betrachtung der Kontext-Ebene also weiter zu fassen als es bei Barthes im Falle der Werbe- und Pressefotografie nötig gewesen sein mag. Mit der Werbefotografie hat es zumindest die Intentionalität gemeinsam;111 die Verwendung der Fotografie in einem Kontext bedeutet, dass sie mit einer Funktion versehen wurde. Darin besteht ein weiterer Aspekt des fotografischen Inszenierungspotenzials: die auf der Reproduzierbarkeit beruhende Kontextualisierbarkeit des fotografischen Bildes und damit die Möglichkeit, Zuschreibungen anzubringen.
nographie der Gegenwart, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1997; Martin Warnke, Uwe Fleckner u. Hendrik Ziegler (Hrsg.): Handbuch der politischen Ikonographie. München: C.H. Beck 2011. 109 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 382. 110 Ebd., S. 383. 111 Vgl. Barthes: Rhetorik des Bildes, S. 2 8–29.
Ebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext
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2.3 Ebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext Für die Untersuchung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext lassen sich methodische Rückschlüsse aus der Theorie des Autors und den Reflexionen zur Inszenierung sowie aus der Fototheorie ableiten. Das Inszenierungspotenzial der Fotografie lässt sich mit Hilfe zweier Untersuchungsebenen differenziert erfassen: Die Selbstinszenierung vorwiegend auf der Bildebene, die Fremdinszenierung auf der Kontextebene. Das kontextualisierte Autorenfoto erweist sich als eine Quelle, die den Zugriff auf die Selbst- und Fremdinszenierung des Autors erlaubt. Ihr spezifisches Inszenierungspotenzial ergibt sich aus der Bestätigung der Präsenz der fotografierten Person im Moment des Fotografiertwerdens. Darauf gründet sich der Wirklichkeitseffekt der Fotografie. Dieser bleibt auch erhalten, wenn die Fotografie ihren medialen Möglichkeiten entsprechend reproduziert und kontextualisiert wird. Die Selbstinszenierung des Autors ist auf der Bildebene greifbar. Sie offenbart den Habitus des Autors in Form seiner körperlichen Erscheinung und der Darstellung dieser Erscheinung. Die Autorperson wird sichtbar und zeigt sich als Autorfigur. In diese Form der Selbstinszenierung wirken Blick, Pose und Objekt als bildimmanente Konnotationsverfahren ein. Die Bildebene hat zudem auch ihren Anteil an der Fremdinszenierung des Autors; es ist der Fotograf, der eine Ansicht auswählt und vielleicht auch inszeniert. Die Selbstinszenierung des Autors bietet sich im Autorenfoto daher niemals eindeutig dar. Die Kontextebene ist dagegen eindeutiger die Ebene der Fremdinszenierung. Die Fotografie des Autors ist im verlegerischen Paratext grundsätzlich mit einer rhetorischen Funktion ausgestattet. Diese ist grundsätzlich das Ergebnis einer Bildauswahl. Das Bild erhält durch die Kontextualisierung eine neue Bedeutung, welche durch die Einbettung in einen Verwendungszusammenhang präzisiert und verankert wird. An dieser Ebene hat der Autor bedingt Anteil, er kann an der Auswahl beteiligt werden. Um die beiden modellhaften Ebenen zu verfeinern, ist der Moment der Aufnahme noch einmal genauer in den Blick zu nehmen, denn von diesem Moment zeugt die Fotografie unabhängig von ihrer späteren Kontextualisierung. Die Fotografie zeichnet sich durch ihre Reproduzierbarkeit und Integrierbarkeit in diverse Kontexte aus und grundsätzlich ist der Fotografierte sich darüber bewusst, dass die Fotografie die Aufnahmesituation verlassen kann oder sogar wird und in Abwesenheit der fotografierten Person von ihrer Anwesenheit im Moment der Aufnahme zeugen wird. Aus der Unkontrollierbarkeit des eigenen Abbilds rührt auch ein Unbehagen vor der Kamera. Im Hinblick auf die Aufnahmesituation ist zwischen implizitem und explizitem Autorenfoto zu unterscheiden: Das explizite Autorenfoto zeigt den Autor als Autor. Sein Entstehungsanlass ist offiziell der Bedarf nach einem Bild des Autors. Die Aufnahme entsteht mit dem Zweck, später als Bild des Autors verbreitet zu werden. Veranlasst werden kann die Entstehung des expliziten Autorenfotos etwa auf Geheiß des Verlags, der für eine Kampagne eine schöne Aufnahme wünscht, auf Initiative des
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Theorie: Autorenfoto und Autorbild
Fotografen, der die Fotografie später Redaktionen und Verlagen anbietet oder auch auf Wunsch des Autors hin. Dabei ist zu beachten, dass die Professionalisierung von Fotografen sowie der Bereich der Buchwerbung und mit ihm spezialisierte Autorenfotografen ein Phänomen sind, das sich etwa seit den 1920er Jahren beobachten lässt. In der Frühzeit der Fotografie ist das explizite Autorenfoto noch nicht auszumachen, auch wenn bereits hier die Fotografien aus konkreten Anlässen entstanden sind und zur Verbreitung bestimmt waren. Das explizite Autorenfoto ist an die Reproduzierbarkeit der Fotografie und die drucktechnischen Reproduktion gebunden, die massenhaft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts möglich war.112 Das explizite Autorenfoto ist ein Dokument der Selbstinszenierung des Autors. Der Autor weiß, dass er fotografiert wird und er weiß, dass die Aufnahme in einem anonymen Publikum zirkulieren wird oder zumindest kann. Mit diesem Wissen posiert er vor der Kamera, so wie Thomas Bernhard auf seinem Fahrrad. Für das explizite Autorenfoto ist es also nicht zwingend erforderlich, dass der Autor am Schreibtisch bei der Arbeit sitzt und die Rolle des Autors gibt – es geht darum, dass der Autor weiß, dass dieses Bild von ihm als Autor zeugen wird. Dann zeigt sich die performative Dimension der Autorschaft: Auch das Radfahren zählt zur Rolle des Autors. Das explizite Autorenfoto macht Rollenbilder sichtbar, in denen sich Vorstellungen des Autors verdichten können. Das implizite Autorenfoto dagegen ist nicht mit dieser performativen Dimension ausgestattet. Es zeigt zwar ebenso die Person des Autors, seine Entstehung ist jedoch nicht durch den öffentlichen Bildbedarf motiviert – auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Bild den Weg in die Öffentlichkeit findet. Das implizite Autorenfoto wird erst durch die Verwendung im Zusammenhang mit der Autorschaft zum Autorenfoto. Ein extremes Beispiel sind Kinderbilder; Aufnahmen, die den Autor vor seiner Autorschaft zeigen. So ist die Atelieraufnahme des etwa vierjährigen Franz Kafka, die schon Walter Benjamin in seiner Kleinen Geschichte der Photographie heranzog,113 ein Autorenfoto erst dadurch, dass sie nachträglich als Porträt des Autors betrachtet wird. Ihre Entstehungssituation hat aber keinerlei Zusammenhang mit der späteren Autorschaft Kafkas. Implizite Autorenfotos sind alle Aufnahmen, die der privaten Gebrauchsweise der Fotografie entsprechen: Urlaubsfotos, Passbilder, Aufnahmen von Familienfeiern und Hochzeitsfotos; Schnappschüsse aller Art. Sie zirkulieren in einem begrenzten sozialen Rahmen und zeigen den Autor nicht in seiner Rolle als Autor, sondern etwa als Familienvater, Staatsbürger und Abiturient. Auch dabei mag eine Selbstinszenierung stattgefunden haben, es ist jedoch nicht die Selbstinszenierung des Autors als Autor. Die fotografische Inszenierung des Autors kommt hier erst mit der Bildauswahl und Kontextualisierung ins Spiel. Dabei, so die Hypothese, ist nicht nur die Verfügbarkeit des impliziten Autorenfotos relevant; es 112 Siehe: 3 Von der Tradition des Autorenporträts zur öffentlichen Bilderwelt – die Entstehung und Verbreitung des Autorenfotos im 19. Jahrhundert. 113 Vgl. Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie, S. 54.
Ebenen der fotografischen Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext
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eignet sich gerade durch die offenkundige Uninszeniertheit für eine Verwendung, die den Autor nahbar macht. Der fotografische Wirklichkeitseffekt, der bei einer offenkundigen Inszenierung stellenweise ausgehebelt wird, potenziert sich bei einer ungestellt wirkenden Aufnahme, der sich der Autor arglos öffnet und erweckt einen privaten Eindruck. Auch ein implizites Autorenfoto kann zu einem expliziten werden, wenn der Autor selbst das Bild aus seinem ursprünglichen Entstehungskontext heraushebt und es in den Zusammenhang mit seiner Autorschaft rückt. Die Grenze zwischen implizit und explizit ist durchlässig und nicht immer trennscharf, was mit der Reproduzierbarkeit und Kontextualisierbarkeit zusammenhängt. So sind beispielsweise die zahlreichen Porträtfotografien, die Erika Schmied im Laufe ihrer jahrzehntelangen Freundschaft von Thomas Bernhard beim Kartenspielen, Spaziergehen und Herumsitzen auf Volksfesten aufgenommen hat, mittlerweile in Bildbänden versammelt und auf den Buchcovern von Suhrkamp-Taschenbüchern abgebildet.114 Entstanden sind sie in einem privaten Rahmen als implizite Autorenfotos. Es wird nun die Aufgabe der Untersuchung sein, herauszuarbeiten, wie das Inszenierungspotenzial der Fotografie im Rahmen der Bildverwendung im verlegerischen Paratext ausgenutzt wird. Die beiden Untersuchungsebenen können dabei herangezogen werden, um die Akteure der fotografischen Inszenierung des Autors und ihre Interessen separiert betrachten zu können. Dabei wird zu klären sein, inwiefern die Fotografie des Autors eingesetzt wird, um ein Autorbild zu prägen und welche Inszenierungsstrategien mit einem solchen Einsatz verbunden sind.
114 Vgl. Erika u. Wieland Schmied: Thomas Bernhard. Leben und Werk in Bildern und Texten; Wieland Schmied: Fotografie als Versuch einer Annäherung. In: Thomas Bernhard. Portraits, Bilder & Texte, hrsg. v. Sepp Dreissinger, Weitra: Bibliothek der Provinz 1992, S. 11–13.
3 Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit – die Entstehung und Verbreitung des Autorenfotos im 19. Jahrhundert Im Hinblick auf die Funktionen des Autorenfotos im Rahmen der Literaturvermittlung des 20. Jahrhunderts ist seine Vorgeschichte äußerst aufschlussreich. Die wichtigsten Entwicklungsstränge dieser Vorgeschichte werden hier zunächst freigelegt und zueinander in Bezug gesetzt. Was braucht es, um die fotografische Inszenierung des Autors im verlegerischen Paratext ab 1900 zu verstehen? Dazu bedarf es zuerst der Vorgeschichte des Autorporträts, die bis in die Antike zurückreicht und deren zentrale Darstellungskonventionen und Funktionsweise dargestellt werden. Wie verändert sich das Porträt des Autors durch die Entwicklung der Fotografie? Welche Auswirkungen haben die neuen medialen Eigenschaften des fotografischen Bildes, die sich aus der Reproduzierbarkeit und Kontextualisierbarkeit und der Präsenzbestätigung ergeben? Das zeigt sich an der bürgerlichen Porträtkultur des 19. Jahrhunderts und ihrem immensen Bedarf an Bildern, der um 1900 zur Herausbildung einer öffentlichen Bilderwelt führt. Die Darstellungsmuster und Gebrauchsweisen des fotografischen Porträts haben die Entwicklung des Autorenfotos unmittelbar und nachhaltig geprägt. Zugleich lässt sich diese Entwicklung nicht ohne die Sozial- und Berufsgeschichte des Autors erklären, dessen Position dem zunehmenden anonymen Massenpublikum gegenüber sich zeitgleich verschob. Diese Entwicklungsstränge verbinden sich um 1900 zu einer öffentlichen Präsenz des Autorenfotos, die dessen Eindringen und Aufgehen in den verlegerischen Paratext als geradezu zwangsläufig erscheinen lässt. Ein symptomatisches Beispiel für diesen Dreh- und Angelpunkt in der Geschichte des Autorenfotos ist die fotografische Inszenierung Karl Mays.
3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie Die fotografische Darstellung des Autors bedient sich bis in die Gegenwart signifikanter Posen und Motive aus der Tradition der Autorikonografie. Die Entwicklung dieser Tradition ist zugleich von der Geschichte des Porträts und der Geschichte des Autors geprägt worden; im Porträt des Autors sind Kunstgeschichte und Literaturgeschichte verwoben. Der Wandel der Darstellungsformen des Porträts und seiner Funktionen lässt sich daran ebenso ablesen wie die sich wandelnde Rolle des Autors im Prozess der Produktion, Distribution und Rezeption von Texten. Die gegenwär-
Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie
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tige »starke Autorschaft«1, das heißt die Bedeutung der individuellen Autorperson in diesem Prozess, kannten frühere Jahrhunderte nicht. Sie lässt sich erst seit dem 18. Jahrhundert – mit der Entwicklung des Urheberrechts – beobachten. Seit der Antike war die Rolle des Autors von der finanziellen Abhängigkeit von Mäzenen und Förderern geprägt, wobei die Individualisierung des Autors, die den Übergang von der schwachen zur starken Autorschaft kennzeichnet, durch die Erfindung des Buchdrucks und den entstehenden literarischen Markt bereits in der Frühen Neuzeit befördert wurde.2 Autorenporträts repräsentieren den Wechsel von Autorschaftskonzepten, die spätestens seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr verbindlich sind, sondern miteinander konkurrieren.3 Im Folgenden werden die wichtigsten Entwicklungen der Tradition des Autorenporträts unter Berücksichtigung der Porträtgeschichte und der Geschichte des Autors dargestellt, wobei Funktionen des Autorenporträts herausgearbeitet werden und ein Fundus relevanter Motive vorgestellt wird. Die Geschichte des Autorenporträts ist eng an die Geschichte des Buches gebunden. In der Buchillustration ging es schon in der Spätantike eine mediale Verbindung mit dem Text ein. Als frühe paratextuelle Darstellung ist es die »älteste bekannte Form der Buchillustration überhaupt«4 und geht zusammen mit dem Text aus der Buchrolle in den Codex über.5 Vier ikonografische Grundtypen der Autorendarstellung waren in der Antike üblich: Der Autor im Brustbild mit Medaillonrahmen, die entweder stehende oder sitzende Ganzfigur des Autors und Darstellungen des Autors in Verbindung mit einer weiteren Figur, oft in allegorischen Szenen. Der Autor wurde bereits hier durch die Beigabe typischer Attribute wie Schriftrollen gekennzeichnet.6 An die Darstellung antiker Schriftsteller und Philosophen knüpften in der Spätantike die Evangelistenbilder an, welche die antike Ikonografie des Autors aufgriffen und weiter entwickelten. Das Evangelistenporträt thematisierte als »christlicher Archetypus für die aktive Isolation«7 das Verhältnis von Autor und Welt als ein distanziertes. 1 Britta Herrmann: „So könnte dies ja am Ende ohne mein Wissen und Glauben Poesie sein?“ – Über „schwache“ und „starke“ Autorschaften. In: Autorschaft, hrsg. v. Detering, S. 479–500. 2 Vgl. Erich Kleinschmidt: Autor. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt, Klaus Weimar, Bd. I, 3., neubearb. Aufl., Berlin u. a.: De Gruyter 2007, S. 176–180, hier: S. 178; Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels. Durchges. u. erw. Aufl. (Beck’sche Reihe 1304), München: C.H. Beck 1999, S. 42–43. 3 Vgl. Grimm (Hrsg.): Metamorphosen des Dichters; Walter Haug u. Burghart Wachinger (Hrsg.): Autorentypen. (fortuna vitrea 6), Tübingen: Niemeyer 1991. 4 Dorothee Klein: Autorenbild. In: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte. Hrsg. von Otto Schmidt, Bd. I, Stuttgart: Metzler 1937, Sp. 1309–1314, hier: Sp. 1309. 5 Vgl. ebd. 6 Vgl. Susanne Skowronek: Autorenbilder. Wort und Bild in den Porträtkupferstichen von Dichtern und Schriftstellern des Barock (Würzburger Beiträge zur Deutschen Philologie 22), Würzburg: Königshausen & Neumann 2000, S. 27–28. 7 Horst Wenzel: Melancholie und Inspiration. Walther von der Vogelweide L. 8,4 ff.. Zur Entwicklung des europäischen Dichterbildes, in: Walther von der Vogelweide. Beiträge zu Leben und Werk, hrsg.
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Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit
Die Bilder erfüllten eine Stellvertreterfunktion: Die Darstellung des Autors bezeugte in effigie seine Urheberschaft – obgleich das Modell der Autorschaft noch wenig mit der Autorisation von Texten zu tun hatte. Die stellvertretende Darstellung belegte die Anwesenheit des Autors, der mit seiner Autorität für die Güte des Werkes bürgte. Bis ins 16. Jahrhundert war die Stellvertreterschaft eine zentrale Funktion des Autorenbildes.8 In der mittelalterlichen Buchmalerei entwickelte sich das Autorenbild zu einer festen Größe. Es wurde als Anfangsinitiale oder Illustration zu Handschriften eingesetzt. Dabei wurde auf die antike Ikonografie des Autors rekurriert, indem Autoren durch Attribute gekennzeichnet und bei der Arbeit gezeigt wurde. Neben dem arbeitenden Autor, der lesend oder schreibend dargestellt wird, finden sich auch Darstellungen repräsentierender, lehrender oder predigender Autoren und von Autoren in der Begegnung mit weiteren Figuren.9 Verbreitet war auch das Dedikationsbild, das die Übergabe des vollendeten Buches an den Auftraggeber zeigte. Die Bandbreite der dargestellten Tätigkeiten des Autors ist erstaunlich, ebenso wie ihre Funktionsweisen, die sich zwischen einzelnen Textgattungen deutlich unterscheiden.10 In der von ca. 1300 bis 1340 entstandenen Großen Heidelberger Liederhandschrift, bekannt als Codex Manesse, die »erstmals auch ein visuelles Archiv deutscher Dichter für den Nachruhm«11 darstellte, sind 137 ganzseitige Miniaturen enthalten, die den Texten der jeweiligen Autoren vorangestellt sind und diese dem Leser im Bild vorstellen. Dabei entstand eine enge paratextuelle Verschränkung zwischen Text und Autorbild. Das Porträt Walthers von der Vogelweide ist die Berühmteste der Miniaturen.12 Es wurde zur »strapazierten Ikone der Darstellung des mittelalterlichen Sänger- und Ritterideals«13. Prägend für die Ikonografie des Autors wurde die Pose des typisier-
von Hans-Dieter Mück (Kulturwissenschaftliche Bibliothek 1), Stuttgart: Stöffler & Schütz 1989, S. 133– 153, hier: S. 142. 8 Vgl. Skowronek: Autorenbilder, S. 14. 9 Vgl. ebd., S. 33–34. 10 Vgl. Ursula Peters: Werkauftrag und Buchübergabe. Textentstehungsgeschichten in Autorbildern volkssprachlicher Handschriften des 12.–15. Jahrhunderts, in: Autorbilder. Zur Medialität literarischer Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Gerald Kapfhammer, Wolf-Dietrich Löhr u. Barbara Nitsche (Tholos Kunsthistorische Studien 2), Münster: Rhema 2007, S. 25–62; Christel Meier: Ecce autor. Beiträge zur Ikonografie literarischer Urheberschaft im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien. 34. Jg. (2000), Nr. 34, S. 338–392; Horst Wenzel: Autorenbilder. Zur Ausdifferenzierung von Autorenfunktionen in mittelalterlichen Miniaturen, in: Autor und Autorschaft im Mittelalter, Kolloquium Meißen 1995, hrsg. von Elizabeth Andersen, Jens Haustein, Anne Simon u. Peter Strohschneider, Tübingen: Niemeyer 1998, S. 1–28. 11 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 10. 12 Vgl. Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg. URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/cpg848/0243, [28.10.2012]. 13 Skowronek: Autorenbilder, S. 35.
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ten Ritterdichters:14 Der geneigte Kopf des sitzenden Autors ruht auf seinem seitlich aufgestützten Arm. Sein Blick ist dazu sinnend zur Seite gerichtet. Diese Pose gilt seit Albrecht Dürers Kupferstich Melencolia I (1514) als »gestus melancholicus«, tatsächlich ist sie jedoch bereits im Mittelalter eine konventionelle Bildformel, deren Tradition in die Antike zurück reicht: In der Bildformel fließen [...] historisch verschiedene Assoziationsbereiche zusammen, vor allem der Trauer- oder Leidformel (Melancholietypus), der Aspekt der Meditation und Nachdenklichkeit (Inspirationstypus) und schließlich der Aspekt der Selbstreflexivität als einer isolierten Tätigkeit, die in der schriftstellerischen Zielsetzung zugleich auf die Gesellschaft bezogen bleibt.15
Die Darstellung Walthers von der Vogelweide verbindet – ebenso wie Dürers Melencolia I – Leidpose und Attribute des Studiums und prägt damit eine Form von Isolation und Einsamkeit, die letztlich im Dienste der Mitwelt steht.16 Das Autorenporträt gibt Auskunft über das Verhältnis von Autor und Welt, das hier überdies eine Zuweisung des Autors zum Adel beinhaltet. Über das individuelle Aussehen des Autors sagt die Miniatur jedoch nichts aus. Das Bild entstammt der ersten Überlieferungsstufe des Textes im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert, seine Entstehung wird bereits auf den Zeitraum zwischen 1198 und 1201 datiert.17 »Walther kann diese Miniatur nicht gekannt haben und seine Zeitgenossen auch nicht. Umgekehrt können auch die Illuminatoren der Handschriften den Dichter Walther nicht gekannt haben, als sie ihn im ‚Porträt’ abbildeten.«18 Sie entwickelten die Darstellung des Dichters mit Hilfe autoreflexiver Textstellen: Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine. dar ûf sazte ich den ellenbogen, ich hete in mîne hant gesmogen mîn kinne und ein mîn wange. dô dâht ich mir vil ange, wes man zer welte sollte leben.19
14 Die Pose findet sich auch in anderen Autorenbildern des Codex Manesse, so im Bildnis Heinrichs von Veldekes. Vgl. Miniatur Heinrichs von Veldeke im Codex Manesse. Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg. URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0055, [28.10.2012]. 15 Wenzel: Melancholie und Inspiration, S. 150–151. 16 Vgl. ebd., S. 141. 17 Ebd., S. 135. 18 Ders.: Autorenbilder, S. 4. 19 Walther von der Vogelweide: Leich, Lieder, Sangsprüche. 14., überarb. Aufl. der Ausgabe Karl Lachmanns, hrsg. von Christoph Cormeau, Berlin u. New York: De Gruyter 1996, L. 8, 4–10.
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Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit
Die Beschreibung der Pose des lyrischen Ichs verband sich in der Vorstellung der Illuminatoren mit der tradierten Bildformel, die zur »textsymmetrischen Ikone«20 wurde. Hier trifft zu, was Christian Schärf für das Bild des Autors vor seiner Fotografierbarkeit feststellt: Es entwickelt sich aus der Fiktion.21 Das Autorenporträt als Paratext war, ebenso wie die Verschriftlichung des Textes selbst, im Mittelalter von der Person des Autors losgelöst.22 Seine Funktion bestand in der Einreihung des Textes in überindividuelle Diskurszusammenhänge, die auch durch das Anknüpfen an tradierte Bildformeln hergestellt wurden. Die typisierten Porträts folgten Darstellungskonventionen, welche nicht auf das Kriterium der Ähnlichkeit ausgerichtet waren, das für das Porträt erst im 16. Jahrhundert relevant wurde. Als erstes authentisches Bildnis eines deutschen Dichters gilt ein Porträt Oswald von Wolkensteins, das in einer 1432 entstandenen Sammelhandschrift seiner Texte enthalten ist. Es weist individuelle Züge des einäugigen Dichters auf und markiert den allmählichen Übergang zu einer Literaturauffassung und einem Dichterverständnis, »das gegen eine anonyme Rolle und Sozialfunktion eine unverwechselbare Identität ausspielt.«23 Beeinflusst durch die Entwicklung des Individualporträts in der italienischen Renaissancemalerei veränderte sich die Ikonografie des Autors im Humanismus: Eine der bis heute wirksamen Bildformeln wurde in der italienischen Renaissance mit dem Motiv des Gelehrten im Gehäus geprägt. Es entwickelte sich aus der mittelalterlichen Ikonografie von Autoren und Kirchenvätern vor allem in Darstellungen des Heiligen Hieronymus und wurde im 14. Jahrhundert mit Francesco Petrarca erstmals auf einen weltlichen Gelehrten angewandt. Ein Beispiel für ein Gehäusbild Petrarcas ist die Miniatur einer italienischen Übersetzung von De viris illustribus, die ein ideales Studierzimmer zeigt. Sie stellt die »Professionalisierung des Literarischen«24 dar; die Textgenese liegt beim Autor selbst und verbindet die Tätigkeiten des Lesens, Schreibens und Nachdenkens miteinander. Albrecht Dürer bediente sich 1526 in einem Grafikporträt Erasmus von Rotterdams im Gehäus bereits einer geprägten Ikonografie. Der Gelehrte wird in der Gehäus-Darstellung in einem Innenraum, in seiner Studierstube bei der Arbeit (also lesend oder schreibend oder nachdenkend) dargestellt. Die differenzierte Schilderung des Ortes steht dabei im Vordergrund, nicht die individuelle Ähnlichkeit des dargestellten Gelehrten. Dabei wird ein Sinnzusammenhang zwischen dem intellektuellen Wesen eines Gelehrten und dem Ort seiner Studien hergestellt:
20 Wenzel: Autorenbilder, S. 6. 21 Vgl. Schärf: Belichtungszeit, S. 53–54. 22 Vgl. Wenzel: Autorenbilder, S. 12. 23 Skowronek: Autorenbilder, S. 36. 24 Wolf-Dietrich Löhr: Non per laudar me stesso. Bernardino Corio und der Gelehrte im Gehäus, in: Autorbilder, hrsg. v. Kapfhammer, Löhr u. Nitsche, S. 201–228, hier: S. 215.
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Unmittelbarer noch als das Handlungsmotiv des Studierens über aufgeschlagenen Büchern bewirkt der angegrenzte Raum, der die Hermetik des Denkaktes mit der attributiv funktionalisierten Raumhülle zum Ausdruck bringt, ein scheinbar unbeabsichtigtes Sich-Zeigen eines isolierten, nur auf sich selbst und das Denken bezogenen Vorgangs.25 Das Denken wird analog dazu als innerweltlicher Vorgang dargestellt. Mit der Schematisierung des Motivs festigte sich auch die Vorstellung vom Gelehrten und seinem Verhältnis zur Welt.26 Zur gleichen Zeit wurde die Ikonografie des Autors um den des Poeta Laureatus erweitert: Die antike Tradition der Dichterkrönung durch einen Herrscher wurde in der italienischen Renaissance mit der Würdigung Francesco Petrarcas 1341 wiederbelebt. Sie genoss insbesondere im Humanismus hohes Ansehen. Zu den Insignien des gekrönten Dichters zählten Barett und Ring, Zepter mit Kaiseradler und kurfürstlichem Wappen, Siegel mit der pictura von Merkur und Apoll und ein umlaufendes Motto. Der Lorbeerkranz, mit dem der Poeta Laureatus gekrönt wurde, bezieht sich auf den antiken Mythos der Daphne und wurde bereits in der griechischen Porträtplastik für Dichter eingesetzt. Als Dichterkranz fungierte er als »Signum des Herausgehobenseins«27 und verband die Ikonografie des gelehrten Autors mit der des Herrschers.28 Porträts gekrönter Dichter, die entweder die Szene der Krönung oder den gekrönten Autor im Individualporträt darstellen, kamen in Fresken, als Holzschnitte in Büchern, in Einblattdrucken und in Form von Medaillen und Epitaphen vor. Neben der Ikonografie des Autors veränderte sich auch die Gebrauchsweise und Verbreitung von Autorenporträts: Conrad Celtis, der 1487 von Kaiser Friedrich III. als erster Deutscher zum Dichter gekrönte wurde, ließ 1507 von Hans Burgkmaier ein eigenes Memorialbild anfertigen und verschickte es selbst. »Daran zeigt sich, wie die in hoher Auflage distribuierbare Porträtgraphik geradezu einer ikonografischen Strategie gleichkam, die den Gelehrten über die eigenen Standesgrenzen hinaus ihre Wichtigkeit in Staat und Gesellschaft dokumentieren sollte.«29 Die Funktion des Memorialporträts, nach dem Tod des Porträtierten an dessen Wirken zu erinnern und somit wie seine Werke in das kulturelle Gedächtnis überzugehen, wurde von Celtis mit seiner zeitgenössischen Verbreitung bereits auf die Gegenwart übertragen. Das Bild wurde zur Nachricht an die Zeitgenossen. Mit der Verbreitung des Buchdrucks entstanden zwei neue Gebrauchsweisen des Autorenporträts: Sie wurden in Bildnisvitenbücher aufgenommen und als Frontispizporträts eingesetzt. Bildnisvitenbücher sind Sammlungen von Porträts berühmter Persönlichkeiten (viri illustri), deren Tradition auf antike Porträtsammlungen und 25 Roland Kanz: Dichter und Denker im Porträt. Spurengänge zur deutschen Porträtkultur des 18. Jahrhunderts (Kunstwissenschaftliche Studien 59), München: Deutscher Kunstverlag 1993, S. 25. 26 Vgl. ebd. 27 Ebd., S. 42. 28 Vgl. ebd., S. 41–42. 29 Ebd.
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mittelalterliche Herrschergalerien zurückgeht. Die Porträts herausragender Persönlichkeiten (Herrscher, Feldherren, Gelehrte) wurden thematisch angeordnet und mit ihrer Vita kombiniert. Porträt und Lebensbeschreibung standen zueinander in Bezug und wurden als zusammengehörig rezipiert. Die Porträtsammlung von viri illustri, die der italienische Gelehrte Paolo Giovio in den 1520er Jahren begann, begründete die Tradition der Bildnisvitenbücher. Giovio beabsichtigte eine Anthologie mit Viten und Bildnissen herauszugeben. Dieses Vorhaben wurde erst durch die zweite Auflage von Giorgio Vasaris Künstlervitenbuch verwirklicht, die 1568 erschien und »den ikonografischen Zweig der Bildnisvitenbücher von Künstlern«30 begründete. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden zahlreiche Bildnisvitenbücher veröffentlicht. 1587 erschien in Straßburg bei Hernhard Jobin die von Nicolaus Reusner herausgegebene Sammlung Icones sive imagines virorum literis illustrium, das erste Sammelwerk von Porträtholzschnitten berühmter deutscher Männer.31 Die Porträtsammlungen erfüllten mehrere Funktionen zugleich: Sie bekräftigten den Ruhm der Dargestellten, boten dem Rezipienten einen Anreiz zur Nacheiferung, dienten als Beispiele für Tugendhaftigkeit und der Festigung des Ansehens.32 Ethische und rhetorische Ziele verbanden sich dabei: »Die moralische und biographische Vorbildlichkeit des Dargestellten soll auf den Betrachter übertragen werden.«33 Zugleich verband sich in den Porträtsammlungen die Funktion der kulturellen Erinnerung und Würdigung historischer Persönlichkeiten mit der Auszeichnung von Zeitgenossen. Typische Titelbestandteile sind »Icones, Imagines, Effigies, Tumuli, Epitaphia, Heroes«34 – was die Funktion und Intention der zugehörigen Bände kennzeichnet. Die Darstellungsformen variieren zwischen autonomen Bildnissen, graphischen Münzbildnissen nach antikem Vorbild und Stichen nach plastischen Vorlagen. Mit dem Übergang von Holz- zu Kupferstichporträts an der Wende zum 17. Jahrhundert wurde es üblich, vorhandene Porträts zu kopieren. Die Ikonografie des Gelehrten im 16. Jahrhundert wurde durch die Porträtgrafiken der Humanisten von Lucas Cranach und Albrecht Dürer geprägt. Die Autoren wurden obligatorisch im Büstenporträt gezeigt. Inschriften auf architektonischen Zierelementen, die den Beginn des Textes sinnbildlich illustrieren, waren ebenfalls üblich. Die Gleichförmigkeit der Darstellungsweise ist augenfällig; zwischen den einzelnen Porträts gibt es nur geringfügige Variationen. Die große Zahl an Bildnisvitenbüchern ist ein Beleg für den Bedarf des Publikums an Informationen zu Autoren und Gelehrten. Das Sammeln graphischer Porträts, welche ab dem 16. Jahrhundert nicht nur in Buchform, sondern auch als lose 30 Ebd., S. 47. 31 Vgl. Skowronek: Autorenbilder, S. 66. 32 Vgl. Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 47. 33 Skowronek: Autorenbilder, S. 67. 34 Ebd., S. 75.
Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie
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Einzelwerke weit verbreitet waren, war noch im 18. Jahrhundert in gebildeten Kreisen üblich, wovon Sigmund Jakob Apins 1728 erschienene Anleitung wie man die Bildnisse berühmter und gelehrter Männer mit Nutzen sammeln und denen dagegen gemachten Einwendungen gründlich begegnen soll zeugt.35 Porträts von Autoren waren nun nicht mehr an Buchausgaben gebunden, sie lösten sich wieder aus dem Peritext des Buches. Im Peritext selbst wurde das Autorenporträt als Frontispiz eingesetzt. Das Frontispizporträt war als Holzschnitt zunächst Teil des Titelblattes, verlagerte sich mit dem Kupferstich im 16. Jahrhundert aber in eine oft ganzseitige Abbildung auf der gegenüberliegenden Seite des Titelblattes.36 Das Frontispiz erfüllt die Funktion, »den Inhalt des Werkes prägnant im Bild vorzustellen.«37 Die Motivpalette setzt sich zusammen aus anfangs dominierenden allegorischen Darstellungen, Porträts des Autors oder von Protagonisten und Auftraggebern, die im 17. und 18. Jahrhundert üblich waren, und Darstellungen des Inhalts. Motivisch beziehen sich die Frontispizporträts von Autoren häufig auf deren eigentlichen Beruf, ihr wissenschaftliches Interesse oder stellen den Autor in seinem Studierzimmer dar.38 Das Frontispiz verbreitete sich im 15. Jahrhundert von Italien ausgehend in Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark und England.39 Peter Burke verweist auf den Zusammenhang zwischen bildlicher Darstellung des Autors und biografischen Informationen im Buch: »The frontispice may be regarded as a kind of preface. The rise of both the biographical preface and the frontispice illustrates the rise of the assumption that information about a writer helps us to understand his or her works.«40 Burke leitet daraus ein Interesse an der Individualität des Autors bereits für das 16. Jahrhundert ab. Dieses Interesse, von dem ebenso die Porträtsammlungen der Bildnisvitenbücher zeugen, betont auch Susanne Skowronek: Gleichzeitig manifestiert sich im Bildnis die reale – sterbliche – Individualität des einzelnen und die Hoffnung auf die – durch das literarische Opus – unvergängliche fama, die das Porträt wiederum selbst initiieren und vermitteln soll. Das Porträt wird zum Denkmal.41
Die Memorialfunktion des Porträts wurde dabei um die Individualität des Porträtierten erweitert.
35 Vgl. Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 49. 36 Vgl.: Helmut Hiller u. Stephan Füssel: Wörterbuch des Buches. 6., überarb. Aufl., Frankfurt: Klostermann 2002, S. 131. 37 Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 56. 38 Vgl. Peter Berghaus: Vorwort. In: Graphische Porträts in Büchern des 15. bis 19. Jahrhunderts. Hrsg. von dems. (Wolfenbütteler Forschungen 63), Wiesbaden: Harrassowitz 1995, S. 7–8, hier: S. 7. 39 Vgl. Peter Burke: Reflections on the Frontispiece Portrait in the Renaissance. In: Bildnis und Image. Das Porträt zwischen Intention und Rezeption, hrsg. v. Andreas Köstler u. Ernst Seidl, Köln u. a.: Böhlau, 1998, S. 151–162, hier: S. 151–152. 40 Ebd., S. 160. 41 Skowronek: Autorenbilder, S. 42.
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Dennoch war die Darstellung der Individualität des Autors, die sich im Autorenporträt des 16. Jahrhunderts von der Stellvertreter-Funktion emanzipierte, noch weit entfernt von dem späteren Interesse am Innenleben des Autors. Im 17. Jahrhundert hatte das Bildnis die Aufgabe, [...] durch die Tatsache des Porträtierens selbst den Autor zu würdigen und hinter den Zügen einzelner Personen die Idee des ›Dichters‹ und ›Gelehrten‹ aufscheinen zu lassen und zu legitimieren. [...] Nicht der Persönlichkeit des einzelnen wird gehuldigt, sondern dem, was er verkörpert bzw. verkörpern soll.42
Entsprechend wurden Autoren des Barock nicht als Autoren, sondern in ihren gesellschaftlichen Rollen und Ämtern porträtiert. Nicht die individuelle Ausprägung der Autorschaft, sondern die Anpassung an soziale und künstlerische Normen steht dabei im Mittelpunkt.43 Das änderte sich im 18. Jahrhundert mit der bürgerlichen Porträtkultur, die den Anspruch auf Porträtähnlichkeit mit einer Einbindung des Porträts in das alltägliche Leben verband. Neben der Ähnlichkeit war die »Seelenhaftigkeit«44 der dargestellten Person seit der Spätaufklärung ein wichtiges Kriterium für ein gelungenes Porträt. Das bürgerliche Publikum sah im Porträt mehr als die Ansicht der Person. Mit ihr wurden Werte verbunden.45 Johann Caspar Lavaters Lehre der Physiognomik, die er vor allem in seinem 1775–1778 erschienenen Hauptwerk Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe entwickelte, prägte das Porträtverständnis mit der Vorstellung, dass sich der Physiognomie einer Person Erkenntnisse über ihren Charakter abgewinnen lassen. Lavater wandte seine Methode auch gern auf Autorenporträts an, was ihm den Spott Georg Christoph Lichtenbergs zuzog: Er sieht auf den Silhouetten und ausgezeichneten Köpfen einiger unsrer Dichter alle die große unüberschwängliche Talente, die bloß Rezensenten-Gunst, gutherziger und falschempfindsamer Unverstand, und hauptsächlich Widerhall aus leeren Köpfen hinein gelegt hat, und wovon keine Spuren oder doch nur sehr zweideutige darin zu finden sind.46
Lavaters Vorgehensweise prägte die bürgerliche Porträtrezeption jedoch stärker als Lichtenbergs Kritik an ihr und trug zu der Bereitschaft des Publikums bei, im Porträt etwas sehen zu wollen. Beim Bürgertum des 18. Jahrhunderts bildete sich ein regelrechter Bedarf nach dem Porträt aus. Verdiente Zeitgenossen, Familienmitglieder und Freunde wollte man 42 Ebd., S. 249. 43 Vgl. ebd., S. 250. 44 Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 59. 45 Vgl. ebd. 46 Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher I. Hrsg. v. Wolfgang Promies, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2005, S. 580–581.
Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie
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im Porträt um sich versammeln. Dabei veränderte sich die Gebrauchsweise des Porträts, die etwa als Freundschaftsporträts in das Leben und Denken ihrer Besitzer einbezogen wurden. Dies zeigt sich auch an der inzwischen aus der Mode gekommenen Buchform der Bildnisvitenbücher: Der um 1760 erschienene Miniaturband Andenken der Gelehrten für das schöne Geschlecht lässt durch sein handliches Format auf ein verändertes Literaturverständnis schließen, das durch die gewünschte Intimität mit dem Porträt zum Ausdruck kommt.47 Das Bedürfnis nach einer eigenen Anschauung des Dichters im Porträt kennzeichnete die literarische Kultur im 18. Jahrhundert. Das Aussehen des Autors hatte nun – mehr noch als im Barockzeitalter – einen festen Platz in der Vorstellungswelt des Publikums. Kaum einer der Aufklärungsliteraten, der Dichter und vor allem auch der Leser mochte noch auf eine handhabbare Gegenwart eines Porträts von diesem oder jenem Autor, dem gerade eine allgemeine oder persönliche Verehrung entgegen gebracht wurde, verzichten.48
Das Porträt des Autors traf damit auf eine veränderte Rezeptionshaltung des Publikums und prägt diese mit. Die Verehrung des Publikums für einen Autor wurde auch an seinem Porträt einstudiert. Die zahlreichen zeitgenössischen Porträtwerke Johann Wolfgang Goethes und Friedrich Schillers sind zugleich Quelle und Ausdruck der Dichterverehrung. Roland Kanz hat am Beispiel von Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Gemälde Goethe in der Campagna di Roma (1786/87) gezeigt, wie sich ein »bildliches Dichterverständnis«49 in diesem ersten lebensgroßen Gemälde eines deutschen Dichters manifestiert. Mit der tradierten Ikonografie des Autors wurde dabei in vielen Gesichtspunkten gebrochen: Goethe wird im Freien gezeigt, als Wanderer und nicht als Gelehrter, seine Haltung ist selbstbewusst und lässig, er ist vom Betrachter abgewandt. Kanz deutet das Gemälde als Auftakt einer »Porträtpropaganda in eigener Sache«50, das den Beginn der Arbeit am eigenen Image markiert. Mit Goethes Selbststilisierung als Klassiker wird die Grundlage für die bürgerliche Idolisierung des Autors gelegt, die zwischen 1800 und Goethes Tod 1832 einen ersten Höhepunkt erreichte.51 Was das Autorenporträt im Laufe seiner langen Tradition kennzeichnet, ist die Tendenz, gemeinsam mit dem Text oder über ihn hinaus von der Person des Autors zu künden. Die Memorialfunktion des Porträts, die es zu einem Medium des kulturel47 Vgl. Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 54. 48 Ebd., S. 12. 49 Ebd., S. 195. 50 Ebd., S. 196. 51 Vgl. Rolf Selbmann: Goethes Denkmäler. Selbstbild und Ikonographietradition, in: SchriftstellerInszenierungen, hrsg. v. Grimm u. Schärf, S. 25–44; Burghard Damerau: Klassischer Starkult vor Ort: Goethe for everybody in Weimar. In: Stars. Annäherung an ein Phänomen, hrsg. von Wolfgang Ullrich u. Sabine Schirdewahn, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2002, S. 266–298.
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len Gedächtnisses werden lässt, festigte sich in den Bildnisvitenbüchern der Frühen Neuzeit. Gleichzeitig kam auch die Gegenwart als Resonanzraum des Autorporträts hinzu; das Bild erhielt einen Nachrichtenwert und stellte den Autor auch den Zeitgenossen als würdige Person vor. Dabei stand die Anpassung an soziale Rollenmuster im Zentrum der Darstellung. Die individuelle Porträtähnlichkeit wurde erst mit Lavaters Physiognomik und der gewandelten Dichterrolle im Rahmen der Genieästhetik relevant und ist Teil einer neuen Dichterverehrung im 18. Jahrhundert, die sich dem Porträt als Kommunikationsmittel und Fetisch zugleich bediente. Bereits vor der Erfindung der Fotografie und der Verbreitung des fotografischen Autorenporträts ist das Bedürfnis des Publikums nach dem Bild des Autors ausgeprägt – um dem Autor die Möglichkeit der Selbstinszenierung im Porträt gegeben.
3.2 Die fotografische Porträtkultur im 19. Jahrhundert 3.2.1 Die Entwicklung der Porträtfotografie Die Porträtkultur veränderte sich mit der Erfindung und Verbreitung der Fotografie grundlegend. Als häufigste fotografische Bildgattung war das Porträt dabei an der Verbreitung der Fotografie beteiligt. Die technischen Voraussetzungen für die Entstehung der fotografischen Porträtkultur, in der sich die Fotografie als Darstellungsmedium für die Person durchsetzte und sich spezifische Gebrauchsweisen entwickelten, waren in den 1850er Jahren durch eine Reihe von Erfindungen gegeben, an die sich weitere Entwicklungen in den folgenden Jahren anschlossen. Den einen Erfinder der Fotografie gibt es nicht. Vielmehr sind mehrere Personen an ihrer Entwicklung beteiligt gewesen.52 Die ersten Entwicklungsstufen sind die fotografischen Experimente von Joseph Nicéphore Nièpce 1826–1827, William Fox Talbots Salzpapierkopie eines fotografischen Bildes 1835 auf Papier (ein Verfahren, das als Kalotypie oder Talbotypie bezeichnet wird) und die von Louis Jaques Mandé Daguerre fixierte Aufnahme auf einer Jodsilberplatte 1837.53 Daguerres Verfahren, die Daguerrotypie, wurde 1839 in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit setzte die Verbreitung der Fotografie ein. Die Daguerrotypie war das Verfahren der ersten Berufsfotografen. Bereits in den 1840er Jahren eröffneten in den europäischen Großstädten die ersten fotografischen Ateliers, darunter 1841 das Atelier von Hermann Biow in Hamburg. Die Daguerrotypie war bereits ein lukratives Geschäft, an dem viele Berufszweige partizipierten.54 Aus heutiger Sicht ist die
52 Vgl. Werner Faulstich: Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter (1830–1900). (Geschichte der Medien 5), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004, S. 86. 53 Vgl. ebd. 54 Vgl. ebd., S. 103.
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Daguerrotypie ein sehr aufwändiges Verfahren, zumal keine Abzüge der Aufnahmen möglich waren. Sie war bis zum Ende der 1850er Jahre gebräuchlich. Die Erfolgsgeschichte der Fotografie ist von Beginn an mit dem fotografischen Porträt als der dominierenden Bildgattung verbunden. Unter den von Jens Jäger ausgewerteten Daguerrotypien aus Deutschland, die zwischen 1840 und 1860 entstanden, sind 92,8 Prozent Porträts von Einzelpersonen. Dazu zählen auch die selteneren Gruppenporträts. Daneben war die Reproduktion von Kunstwerken das zweithäufigste Bildthema. Andere Gattungen, wie Landschaftsfotografie und Stillleben waren dem gegenüber selten.55 Zugleich förderte die Fotografie auch die Verbreitung des grafischen Porträts, indem Porträtdrucke nach der Vorlage von Fotografien das Reproduktionsverfahren vereinfachten und verbilligten.56 Innerhalb der Gesellschaft verbreitete sich die Porträtfotografie sukzessive; der These von der Demokratisierung des Porträts durch die Fotografie, die in der Forschung seit Gisèle Freund immer wieder vertreten wird, kann daher – wenn überhaupt – erst für die Jahrhundertwende zugestimmt werden.57 Zunächst war das fotografische Porträt in Form der Daguerrotypie dem Adel vorbehalten, dem es als Ersatz für das gemalte Porträt diente. In Nachahmung der feudalen Selbstdarstellung nutzte früh auch die großbürgerliche Elite die Porträtfotografie. Beide Gruppen waren bis etwa 1860 die einzigen, deren Vertreter fotografiert wurden, was auch an der aufwändigen und kostspieligen Herstellungsweise der Daguerrotypie lag.58 Die Entwicklung des Kollodiumverfahrens (»Nasses Kollodium«) durch Gustave le Gray und Frederick Scott Archer 1850/51 war ein erster Schritt hin zu einer standardisierten Fotografie, die für immer weitere Bevölkerungskreise erschwinglich war. Das neue Verfahren ermöglichte die Herstellung von Glasnegativen, von denen sich viele Abzüge einer Aufnahme auf Papier anfertigen lassen. Der Aufwand in der Produktion fotografischer Aufnahmen wurde dadurch deutlich verringert, während sich ihre Qualität verbesserte. Außerdem wurden die Herstellungskosten durch das arbeitsteilige Verfahren gesenkt und die Produktionsmenge zugleich erhöht.59 Die Normierung der Formate für die Papierabzüge schloss sich daran als eine weitere Entwicklungsstufe an:60 Die Carte de Visite, in Deutschland Visit(karten)porträt genannt, entwickelte sich Anfang der 1850er Jahre in Frankreich und etablierte sich schnell in ganz Europa, womit sie eine erste Hochphase des fotografischen 55 Vgl. Jens Jäger: Gesellschaft und Photographie. Formen und Funktionen der Photographie in Deutschland und England 1839–1860 (Sozialwissenschaftliche Studien 35), Opladen: Leske und Budrich 1996, S. 144. 56 Vgl. ebd., S. 179. 57 Vgl. Gisèle Freund: Photographie und Gesellschaft. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch 1979. 58 Vgl. Faulstich: Medienwandel, S. 93–94. 59 Vgl. Jean Sagne: Porträts aller Art. Die Entwicklung des Fotoateliers, in: Neue Geschichte der Fotografie. Hrsg. v. Michel Frizot, Köln: Könemann 1998, S. 102–123, hier: S. 104. 60 Vgl. Timm Starl: Sammelfotos und Bildserien. Geschäft, Technik, Vertrieb, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 3. Jg. (1983), Nr. 9, S. 3–20, hier: S. 3.
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Porträts auslöste. Es handelt sich um eine Fotografie im Format von circa 5,4 bis 6,0 mal 8,7 bis 9,7 cm, die auf einen Karton im Format von ca. 6,0 bis 6,7 mal 10,1 bis 10,7 cm aufgezogen wurde.61 Als gängiges Format löste die Carte de Visite das Stereoformat ab, bei dem zwei Abzüge auf einem Karton reproduziert wurden. Nachdem bereits 1851 der französische Fotograf Louis Dodero die Idee zu einer Verbindung von Visitenkarte und fotografischem Porträt hatte,62 entwickelte André Adolphe Disdèri 1854 als erster ein Verfahren für die Herstellung von Porträts im Visitkartenformat, das er patentieren ließ und 1859 durch die Möglichkeit erweiterte, mehrere Negative auf einer Platte zu entwickeln. Die Standardisierung des Formats wirkte sich auf alle Teilschritte des fotografischen Herstellungsprozesses aus; dadurch wurde das Verfahren effektiver und günstiger. Fotografische Porträts wurden für weite Kreise des Bürgertums erschwinglich, was – bedingt mit dem Repräsentationswillen dieser erstarkten Klasse – eine regelrechte Porträtflut auslöste, von der jedoch das Kleinbürgertum und das Proletariat bis zum Ende des Jahrhunderts ausgeschlossen blieben.63 An der Etablierung der fotografischen Porträtkultur sind folglich technische Entwicklungen ebenso beteiligt wie sozialhistorische. Ende der 1860er Jahre löste das Cabinetformat die Visitbilder ab. Fotografien im Cabinetformat, die auch als Cabinetkarten bezeichnet werden, sind zwischen 9,4 und 10,0 cm breit und 13,5 und 15,0 cm hoch und auf einen Karton in der Breite von 10,4 bis 11,5 cm und der Höhe von 15,7 bis 17,5 cm angebracht.64 Damit weisen sie in etwa die Maße der Postkarte auf, die sich später – auch im Kontext mit der Verbreitung der Fotografie – etablierte. Die Verbreitung des Visitporträts erreichte Ende der 1850er Jahren ein flutartiges Ausmaß. Mit dem neuen Format ging die Gründung zahlreicher Ateliers, vor allem in den Großstädten, einher; in London beispielsweise gab es 1851 noch zwölf Porträtateliers, 1855 bereits 55, 1857 dann 155 und 1860 sogar 200.65 Berlin erreichte die von Zeitgenossen als »Portrait-Visitkartomanie«66 bezeichnete Mode Mitte der 1850er Jahre. Mitte der 1860er Jahre gab es dort etwa 130 selbstständige Fotografen.67 Auch in München, Dresden und Frankfurt am Main hatten sich Porträtfotografen etabliert. Die fotografische Porträtkultur der 1850er und 1860er Jahre brachte zwei Arten von Porträts hervor: die private Fotografie, die für den familiären Gebrauch vorge61 Vgl. Starl: Bildbestimmung. Identifizierung und Datierung von Fotografien 1839 bis 1945, Marburg: Jonas 2009, S. 21. 62 Vgl. Jochen Voigt: Faszination Sammeln: Cartes de Visite. Eine Kulturgeschichte der photographischen Visitenkarte, Chemnitz: Edition Mobilis 2006, S. 13. 63 Vgl. Faulstich: Medienwandel, S. 94. 64 Vgl. Starl: Bildbestimmung, S. 21. 65 Vgl. Sagne: Porträts aller Art, S. 105. 66 Voigt: Faszination Sammeln, S. 26 67 Die Angaben der einzelnen Autoren stimmen hier nicht überein: Jochen Voigt zählt für Berlin 1866 fast 150 selbstständige Fotografen, bei Werner Faulstich sind es 1867 nur 123. Vgl. Voigt: Faszination Sammeln, S. 26; Faulstich: Medienwandel, S. 103.
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sehen war, und die Prominentenfotografie, die sich als »Sammelfoto«68 verbreitete. Die Papierfotografie ermöglichte das Zirkulieren der Bilder in einem größeren Kreis. Zugleich trug die Verwendungsweise der Porträts zu ihrer Verbreitung bei. Die parallel verlaufende Entwicklung der beiden Porträt-Arten resultiert in ikonografischen und kontextuellen Gemeinsamkeiten, die sich herausbilden.
3.2.2 Das private Porträt des Bürgertums: Ikonografie und Gebrauchsweise Im Visitporträt setzte sich ein Darstellungsstandard durch, der grundsätzlich sowohl für die private Darstellung des Bürgers als auch für die repräsentative Darstellung von Herrschern und Berühmtheiten galt. Üblich waren Ganzkörperaufnahmen und Bruststücke von Einzelpersonen, seltener auch einer Gruppe von Personen. Damit griffen die Fotografen auf Standards aus der Porträtmalerei zurück, die sich im 18. Jahrhundert durchgesetzt hatten und den technischen Möglichkeiten der frühen Fotografie entsprachen.69 In der Ikonografie des Bürgers im Porträt entwickelten sich mehrere einander ablösende Standards, die aus wenigen Aufnahmesituationen bestand und in ganz Europa Geltung hatte: In den ersten fotografischen Porträts in den 1840er und frühen 1850er Jahren war das Brustbild und das Dreiviertelporträt der sitzenden Person maßgeblich, während Ganzfiguraufnahmen und Kopfstudien selten waren. Ende der 1850er Jahre setzte sich die Ganzfiguraufnahme durch und blieb während der 1860er Jahre die gängige Darstellungsweise. Die porträtierte Person wurde entweder sitzend oder stehend gezeigt, wohingegen Brustbilder für diesen Zeitraum selten sind. Die gängigen Posen wurden nahezu durchgehend eingehalten, Abweichungen finden sich kaum. In den 1870er Jahren dominierten Brustbilder und Kniestücke, Darstellungen im Dreiviertelprofil und Profil wurden häufiger. Erst in den 1880er Jahren verbreitete sich die zwanglosere Haltung in der Porträtfotografie und es gab keine dominierenden Posen mehr.70 Mit dem Bildausschnitt des Porträts ist sein Inszenierungspotenzial verbunden: Das Bruststück legt den Fokus auf das Gesicht und entspricht damit einer Porträtauffassung, die auf die physiognomische Ähnlichkeit rekurriert, wobei der Betrachter einen Eindruck von Nähe zu der porträtierten Person erhält. Die Möglichkeit zur Inszenierung ist hier auf das Gesicht beschränkt. In der Ganzfiguraufnahme ist das Gesicht dagegen weniger prominent. Die äußere Erscheinung der Person spielt jedoch eine größere Rolle, wodurch diese Porträts eine repräsentative Wirkung erzielen. Sie konnten zur Signifikation einer sozialen Zugehörigkeit genutzt werden. Die Kleidung der Porträtierten war dunkel gehalten und entsprach der Bekleidung in privatem Rahmen; Fotografien in Berufskleidung wurden erst im späten 19. Jahrhundert 68 Starl: Sammelfotos und Bildserien, S. 3. (Starl verwendet diese Bezeichnung nachträglich.) 69 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 150–151. 70 Vgl. Starl: Bildbestimmung, S. 100–102.
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häufiger. Männer trugen dunkle Anzüge mit Kragen, Halstuch oder Krawatte, Frauen schlichte Kleider mit spärlichem Ausschnitt, gelegentlich auch Abendgarderobe. Kopfbedeckungen waren sowohl für Männer als auch für Frauen unüblich, obwohl sie in der Öffentlichkeit zur Standardgarderobe zählten, was darauf hinweist, dass die Aufnahmesituation im Atelier ebenso wie die spätere Verwendung der Bilder als eine private Angelegenheit empfunden wurde.71 Bei den Ganzfigur- und Dreiviertelporträts lenken die Requisiten der fotografischen Ateliers von der Person ab: Umgeben ist die Person von Dekorationsstücken wie kleinen Tischen, Draperien, Büchern und Blumen oder von architektonischen Zierelementen wie Säulen und Balustraden – alles Elemente, die entweder auf die traditionelle Porträtmalerei zurückgehen oder auch als Einrichtungsgegenstände in den bürgerlichen Wohnräumen üblich waren.72 Das Buch, das auch zum klassischen Requisitenfundus der Darstellung des Autors zählt, figurierte in dieser Konstellation als Symbol für die Bildung als bürgerliche Tugend. Die Häufigkeit seiner Verwendung im fotografischen Atelier entsprach dabei nicht unbedingt seiner alltäglichen Bedeutung.73 Im Atelier des Fotografen wurde das Buch als Symbol eingesetzt, das jedoch nicht aktiv verwendet wurde, sondern meist zugeschlagen in der Hand gehalten oder auf Ateliermöbeln abgelegt wurde. Als Requisite eignete sich das Buch zum Arrangement einer bevorzugten Szene: »Besonders der ruhige, stille Augenblick wurde inszeniert [...].«74 Im Gegensatz zum Bruststück ermöglichte der größere Bildausschnitt im Kniestück und Ganzfigurbild eine umfassendere Inszenierung der Person im Porträt. »Der Sinn aller dieser Ausdrucksformen ist es, die soziale Bedeutung, Würde und Position des Bürgers zu manifestieren.«75 Obwohl die Fotografien auf den ersten Blick geradezu entindividualisiert wirken, wie Timm Starl betont,76 verbirgt sich in der normierten Darstellungsweise des Porträts das Vermögen der genauen Darstellung der individuellen Physiognomie. Bei genauerer Betrachtung des Fotografiediskurses und der zeitgenössischen Anforderungen an das Porträt zeigt sich jedoch das besondere Wirkungsvermögen der Fotografie gerade in Bezug auf die Darstellung der Individualität sozial verortbarer Personen: Die Fotografie galt im Gegensatz zur Malerei als authentisches Medium, als ein Verfahren zur objektiven Aufzeichnung der sichtbaren Realität. Damit kam sie den zeitgenössischen Ansprüchen an das Porträt entgegen, die sich seit dem 18. Jahr-
71 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 156–157. 72 Vgl. ebd., S. 156. 73 Vgl. Timm Starl: Die Physiognomie des Bürgers. Zur Ästhetik der Atelierporträts, in: Im Prisma des Fortschritts. Zur Fotografie des 19. Jahrhunderts, hrsg. von dems., Marburg: Jonas 1991, S. 25–48, hier: S. 33. 74 Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 155. 75 Freund: Photographie und Gesellschaft, S. 75. 76 Vgl. Starl: Die Physiognomie des Bürgers, S. 27.
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hundert vor allem auf Authentizität und Nähe richteten.77 Sie bediente das Bedürfnis nach physiognomischer Deutung der porträtierten Person, was das verbreitete Unbehagen dem eigenen Porträt gegenüber erklären mag78 – »Das photographische Porträt konnte geradezu zum Prüfstein für intellektuelle Fähigkeiten, moralische Integrität, Respektabilität und Bürgerlichkeit werden.«79 Die Fotografie »stört in paradoxer und überraschender Weise zugleich mit dem Ideal der Genauigkeit der Wiedergabe das erwünschte Echo von Innerem und Äußeren.«80 Dadurch wird der Blick der Betrachters von der »Identität« des Porträtierten ab- und auf die »Identifikation« und »Registratur der Person«81 umgelenkt, wozu die Formate beitragen, deren Bildausschnitt vom Gesicht der Person ablenkt und die ganze Figur inklusive Requisiten sichtbar macht. Insofern erfüllte das fotografische Porträt zwei Funktionen: die Sichtbarmachung der Individualität durch die unverfälschte Wiedergabe der Physiognomie und die Repräsentation vermittelt durch die Signifikate der normativen Posen, Kleidung und Requisiten.82 Das fotografische Porträt sollte die Einhaltung der bürgerlichen Werte »Individualität, Privatheit, Respektabilität und Ausgeglichenheit«83 darstellen. Bereits durch die Teilnahme am fotografischen Verfahren ließ sich die Zugehörigkeit zur bürgerlichen Klasse zum Ausdruck bringen. Bürgertum und Herrschaft verbanden sich in einer gemeinsamen Ikonografie und grenzten sich von kleinbürgerlichen und proletarischen Schichten ab. Zunächst war die Porträtfotografie ein Mittel der Distinktion. Timm Starl hat den Mangel an authentischer Darstellung der bürgerlichen Lebenswelt mehrfach betont: Beide – privates Porträt und Sammelfoto – streiften bestenfalls die Wirklichkeit einer Gesellschaft, deren Nutznießer den Einzelnen als Lohnanteil ansah und als Kaufkraft benötigte – und unter diesem Aspekt sein Bildnis und seine Bilder vermarktete. Beide Bildtypen gerieten selbst zu Attrappen auf den Kommoden der Wohnungen und an den Wänden, die die zunehmende häusliche Vereinsamung umgaben. [...] Die Bildwelt wurde zum verordneten Weltbild.84
In der gleichförmigen Ikonografie von Bürger und Herrscher zeigt sich die verbindende Wirkung der Fotografie: »Wenn jedermann sein Porträt im gleichen Format und in der gleichen Kulisse wie der Staatspräsident, der König oder der Kaiser erhalten kann, dann entsteht eine unmittelbare Beziehung zwischen den Inhabern der Macht 77 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 7; Ursula Peters: Aufklärung, Volksbildung oder Herrschaftsstrategie? Die Prominenz im Sammelfoto, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 3. Jg. (1983), Nr. 9, S. 21–40, hier: S. 27–28. 78 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 153–154. 79 Ebd. 80 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 156. 81 Ebd., S. 157. 82 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 171. 83 Ebd., S. 269. 84 Starl: Sammelfotos und Bildserien, S. 19.
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und ihren Untertanen.«85 Diese identifikatorische Leistung des Herrscherporträts verstärkte sich durch die soziale Gebrauchsweise der Carte de Visite als Sammelobjekt, das sich im bürgerlichen Fotoalbum mit den Familienfotos verband. Die Gebrauchsweise des Porträts veränderte sich durch die Papierfotografie, die eine größere Zirkulation ermöglichte und sich neue Orte schuf. Im Familien- und Freundeskreis wurden Fotografien ausgetauscht und verschenkt, in Alben angeordnet und aufbewahrt.86 Das Visitporträt wurde ein »Faktor neuer sozialer Beziehungen«87. Orte der Aufbewahrung waren die bürgerlichen Repräsentationsräume, wo Fotografien an den Wänden hingen und Alben und Portfolios ausgelegt wurden,88 wovon auch Walter Benjamin in Kleine Geschichte der Photographie berichtet: Das war die Zeit, da die Photographiealben sich zu füllen begannen. An den frostigsten Stellen der Wohnung, auf Konsolen oder Gueridons im Besuchszimmer, fanden sie sich am liebsten: Lederschwarten mit abstoßenden Metallbeschlägen und den fingerdicken goldumrandeten Blättern, auf denen närrisch drapierte oder verschnürte Figuren – Onkel Alex und Tante Riekchen, Trudchen wie sie noch klein war, Papa im ersten Semester – verteilt waren und endlich, um die Schande voll zu machen, wir selbst [...].89
Fotoalben gab es zuerst in Paris. Ab 1860 bildete sich in Deutschland eine eigene Industrie für die Herstellung der Alben aus, deren Zentren Offenbach und Berlin waren, beides Standorte der Lederverarbeitung.90 Die Alben waren zunächst auf das Visitformat ausgelegt, die Fotografien ließen sich darin eingesteckt. Auf einer Seite ließen sich üblicherweise vier Aufnahmen anbringen. Die Anordnung der Bilder war also nicht fixiert, sondern variabel. Bickenbach bestimmt das Fotoalbum treffend als »Mutation, die die Eigenschaften des Buches mit denen der Ausstellungswand rekombiniert und als neue Form erscheint.«91 Das Album ermöglicht die Reihung von Fotografien zu Serien. Das Buchformat des Albums verändert die Rezeptionshaltung, indem sie die Distanz zwischen Porträt und Betrachter räumlich verringert.92 Eine Annäherung zwischen Bürgertum und Herrschern bzw. berühmten Zeitgenossen ermöglichte die Porträtfotografie einerseits durch die einheitliche Ikonografie und andererseits durch die gemeinsame Verwendungspraxis der Bilder in den bürgerlichen Fotoalben.
85 Sagne: Porträts aller Art, S. 117. 86 Als Visitenkarten wurden sie allerdings nicht verwendet, der Name „Carte de Visite“ bezieht sich mehr auf das Format, das dem der Visitenkarte entsprach, als auf die Gebrauchsweise. 87 Sagne: Porträts aller Art, S. 110. 88 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 162. 89 Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie, S. 53–54. 90 Vgl. Faulstich: Medienwandel, S. 104. 91 Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 100. 92 Vgl. ebd.
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3.2.3 Das öffentliche Porträt der Prominenz: Ikonografie und Gebrauchsweise Die Verbreitung von Visitporträts über den privaten Kreis hinaus führte zu einem regelrechten Sammelfieber, das um 1860 in vielen europäischen Ländern seinen Höhepunkt erreichte. Sein Gegenstand waren Visitporträts gesellschaftlicher Größen: Angehörige der Königsfamilien gefolgt von Politikern, Industriellen, Geistlichen, Naturwissenschaftlern und der kulturellen Prominenz; Maler, Schauspieler (deren Porträts sich besonders großer Beliebtheit erfreuten), Gaukler und: Schriftsteller. Fotografien von Herrschern verhalfen dem Visitformat zunächst zu einer größeren Verbreitung. Einige Autoren haben darauf hingewiesen, wie in Frankreich Disdéris Porträtaufnahmen Napoleons III. und seiner Familie im bürgerlich-privaten Habitus einerseits dazu beitrugen, ein Bild des Herrschers zu prägen und gleichzeitig auch die Porträtfotografie zu popularisieren,93 worauf dann das Nebeneinander von Herrscher und Tante Rieckchen im Fotoalbum folgte. Gaben sich die königlichen Herrschaften auf Visitporträts oft betont volksnah – wie etwa die Prinzessin von Wales, die auf einer Aufnahme von 1867 ihre kleine Tochter auf dem Rücken trägt und in die Kamera lächelt, womit sie großen Zuspruch bei ihren Untertanen fand,94 – oder reproduzierten bürgerliche Posen, so trifft die von Jens Jäger konstatierte Gleichförmigkeit in der Ikonografie von Prominenz und Bürger umso weniger zu, je weiter man sich von den gesellschaftlichen Würdenträgern entfernt und die Künstler in den Blick nimmt. Matthias Bickenbach kontrastiert hier zu Recht das »Massenprodukt der Pose« mit dem »Charakterporträt«95, wie es der Prominenz im Sammelfoto zuteil wurde. Die Sammelfotos von Schauspielern und Künstlern belegen eine frühe Form der Selbstinszenierung, die sich von der bürgerlichen Standardikonografie abhebt, ohne dabei lediglich Posen aus der tradierten Ikonografie des Künstlers zu reproduzieren. Die zahlreichen Exponate der von Bodo von Dewitz kuratierten Ausstellung La Bohème. Die Inszenierung des Künstlers in Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts zeigen eine erstaunliche Vielfalt an Bildthemen und Posen für die Darstellung des Künstlers.96 Die Porträts entstammen sowohl privaten als auch öffentlichen Verwendungszusammenhängen und zeigen Künstler in Atelierszenen, auf Reisen, in Verkleidung und bei Festen. Sie machen einen Willen zur Selbstdarstellung sichtbar, der mit der Abweichung von bürgerlichen und tradierten Darstellungskonventionen verbunden ist. Dies begann bereits in den frühen fotografischen Porträts von Künstlern. Von Dewitz betont das selbstbewusste Posieren der Modelle auf den 93 Vgl. Peters: Die Prominenz im Sammelfoto, S. 35; Voigt: Faszination Sammeln, S. 13. 94 Vgl. Voigt: Faszination Sammeln, S. 20. 95 Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 96. 96 Die Ausstellung fand vom 25.09.2010 bis 09.01.2011 im Kölner Museum Ludwig statt. Vgl. Bodo von Dewitz (Hrsg.): La Bohème. Die Inszenierung des Künstlers in Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts (Ausstellungskatalog), Göttingen: Steidl 2010.
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Künstlerfotografien Alois Löcherers, die zwischen 1849 und 1852 entstanden sind und die Künstler im Kontrast zu einem »überkommenen Kanon der Personendarstellung«97 zeigen. Die Abweichungen von der bürgerlichen Porträtnorm lassen sich auf die Faszination der Künstler für die »Ausdrucksqualitäten und Gestaltungsmöglichkeiten der Papierfotografie«98 sowie auf die zunehmende Notwendigkeit zur Selbstvermarktung zurückführen, die zur Selbstinszenierung veranlasste. Mit der zusätzlichen Publizität der Person des Künstlers durch die Fotografie verbanden sich Hoffnungen auf Vorteile gegenüber Konkurrenten, die sich auf dem Kunstmarkt tummelten.99 Das Verhältnis zwischen Künstler und Fotograf war ein ebenbürtiges und unterschied sich von der geschäftlichen Beziehung zwischen Bürger und Fotograf. Viele Fotografen waren selbst Teil der künstlerischen Bohème. Musterbeispiel ist der Pariser Karikaturist und Kritiker Félix Tournachon, der unter dem Namen Nadar 1853 selbst ein Atelier eröffnete und zu den ersten Porträtfotografen seiner Zeit zählt. In Nadars Atelier produzierte ein großer Mitarbeiterstab massenhaft bürgerliche Visitporträts und zugleich entstanden hier herausragende Aufnahmen der Vertreter der Bohème, darunter Charles Baudelaire.100 Die Fotografen hatten damit die Macht und Möglichkeit zu entscheiden, wessen Fotografie im öffentlichen Interesse stehen sollte und konnten Künstler auf diese Weise positionieren. Die Carte de Visite-Porträts verbreiteten sich auf zwei Wegen über den bisherigen privaten Rahmen hinaus: Zum Einen als Sammelfotos, die einzeln oder in Reihen angeboten wurden. Zum Anderen in Form von Porträtsammlungen, in denen sich die Tradition der Bildnisvitenbücher mit den Mitteln der Fotografie fortsetzte. Die Fotografen verhalfen den Porträts bekannter Personen zunächst zu einer begrenzten Öffentlichkeit, indem sie Schaukästen an ihren Ateliers mit Porträts bestückten und wartenden Kunden Alben zur Ansicht vorlegten, deren Aufnahmen auch erworben werden konnten. Damit war zumindest die Betrachtung der Porträts jedem Passanten möglich. Da die öffentlichen Porträts eine große Nachfrage auslösten, machten die Prominentenporträts bald ein Gros der Produktion mancher Ateliers aus.101 Der Vertrieb wurde zunächst von den Fotografen übernommen, bald auch von Fotohändlern, die damit Import und Export betrieben.102 Außerdem waren die fotografischen Porträts in Buch- und Papierhandlungen erhältlich, wo bereits andere Drucke aller Art angeboten wurden.103 Die öffentliche Bekanntheit der prominenten Person vergrößerte sich damit immens. Die Fotografen hatten in diesem Prozess eine zentrale 97 Ders.: Die Münchner Szene um 1850. Die Künstlerporträts des Fotografen Alois Löcherer, in: Ebd., S. 51–52, hier: S. 51. 98 Dirk Halfbrodt: Alois Löcherer (1815–1862). In: Alois Löcherer. Photographien 1845–1855, hrsg. v. Ulrich Pohlmann (Ausstellungskatalog), München u. a.: Schirmer/Mosel 1998, S. 22–125, hier: S. 62. 99 Vgl. Halfbrodt: Alois Löcherer, S. 62. 100 Vgl. Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 214–257. 101 Vgl.: Sagne: Porträts aller Art, S. 105. 102 Vgl. Starl: Sammelfotos und Bildserien, S. 6. 103 Vgl. Sagne: Porträts aller Art, S. 105.
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Position inne; sie produzierten die Aufnahme und übernahmen ihre Vermittlung an die Öffentlichkeit. Der Fotograf wurde auf dem zunehmend anonymen Markt zum entscheidungsmächtigen Vermittler zwischen Künstler und Publikum. Dabei konnten sie die Ikonografie prägen und durch ihre Auswahl entscheiden, welche Porträts zirkulierten. Die Sammelfotos wurden in den privaten Fotoalben neben den Porträts der Familie aufbewahrt und angeordnet; das Album avancierte zum »privaten Medium der Beobachtung öffentlicher Bilder«104. Die kulturelle Erinnerung löste sich dadurch von festen Orten, das Album war neues kulturelles Gedächtnismedium.105 In den 1860er Jahren kamen dann auch spezialisierte Sammelalben für die öffentlichen Porträts auf. Die Sammelmode erfasste alle besseren Kreise – selbst die englische Königin Victoria und die österreichische Kaiserin Elisabeth sammelten Porträts. Die Auflagenhöhe besonders populärer Porträts erreichte 200.000 bis 300.000 Exemplare, etwa das erwähnte Porträt der Prinzessin von Wales.106 Von manchen Aufnahmen wurden in der Hochphase der Visitmode täglich 1.000 Abzüge verkauft.107 Die Identifikation der porträtierten Person erfolgte durch die Verknüpfung von Namen und Ansicht. Diese Verknüpfung war zunächst eine lose; die materielle Kopplung von schriftlichem Personennamen und Porträt, die das Autorenfoto später kennzeichnen wird, war für die Carte de Visite noch unüblich. Erst für die 1870er Jahre finden sich auf dem Karton, der das Porträt trägt, Aufdrucke, die Name oder Amt der porträtierten Person angeben.108 Bei Porträtsammelwerken war dies bereits zuvor gängige Praxis.109 Die Nennung des Fotografen war dagegen bereits Mitte der 1850er Jahre die Regel. Unter Sammlern besonders gesucht waren Visitporträts mit Autografen des Porträtierten.110 Die handschriftliche Unterschrift wies nicht nur der dargestellten Person einen Namen zu, sondern steigerte die Authentizität der seriellen Aufnahme zu einem Unikat. Die Praxis der handschriftlichen Signatur und gegebenenfalls auch Widmung war auch im persönlichen Austausch von Fotografien üblich. Diese Konstellation wurde auch für Verwendungsweise des Autorenfotos bedeutsam. Bereits vor der enormen Verbreitung des Visitporträts als Sammelfoto wurden auch Porträtsammlungen in Buch- oder Mappenform von Fotografen zusammenge104 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 334. 105 Vgl. ders.: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 88. 106 Vgl. Voigt: Faszination Sammeln, S. 20; Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 96. 107 Vgl. Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 96. 108 Vgl. Voigt: Faszination Sammeln, S. 121. 109 So enthält beispielsweise die Porträtsammlung Die Männer des deutschen Volkes von 1848/49 bereits zusätzlich zu den Porträts Namen und faksimilierten Unterschriften der Abgebildeten. Vgl. Detlev Hoffmann u. Ute Wrocklage: Die daguerro-typisierten Männer der Paulskirche. Parlamentarierportraits der ersten deutschen Nationalversammlung in Frankfurt 1848/49, in: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839–1860, hrsg. von Bodo von Dewitz u. Reinhard Matz (Ausstellungskatalog), Köln u. Heidelberg: Edition Braus 1989, S. 404–437, hier: S. 414. 110 Vgl. Voigt: Faszination Sammeln, S. 112.
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stellt und veröffentlicht: Die Porträtsammlungen knüpften an die Tradition der Bildnisvitenbücher berühmter Männer an, die mit der Fotografie jedoch eine entscheidende Verlagerung von der Vorbildfunktion des kulturellen Gedächtnisses hin zur Aktualität erfuhr. Die Porträts der Sammlung Die Männer des deutschen Volkes, die 1848 die Vertreter der Frankfurter Nationalversammlung im Lieferungswerk vorstellte, enthielt noch keine fotografischen Porträts, jedoch Lithografien nach Daguerrotypien des Hamburger Fotopioniers Hermann Biow (1804–1850).111 Dieser war einer der ersten Hamburger Porträtfotografen gewesen und hatte unter dem Titel Deutsche Zeitgenossen 1850 eine Sammlung der Porträts prominenter Gelehrter, Beamter und Künstler veröffentlicht, die auch ein Porträt des preußischen Königs Wilhelm IV. enthielt.112 Außerdem war er Urheber der ersten Fotografie von Hamburg, auf der die Zerstörung der Stadt nach einem Brand 1842 dokumentiert wurde. Biow fotografierte also nicht nur eine Stadtansicht, sondern dokumentierte ein Ereignis. Im Rahmen der Porträtsammlung der Volksvertreter aus der Frankfurter Paulskirche kam dem Bild ebenfalls eine dokumentarische Funktion zu. Die Porträts wurden ergänzend zu den schriftlichen Nachrichten aus der Paulskirche rezipiert. Der Zusatz »Nach Daguerrotypien« in Titelangaben und Werbetexten steigerte die Glaubwürdigkeit der Darstellung.113 In den 1850er Jahren lösten fotografische Porträtsammlungen, ermöglicht durch das Kollodiumverfahren, die Lithografien allmählich ab. Zunächst wurden die Porträts dadurch zwar nicht günstiger, sie galten jedoch als authentischer.114 Der bereits erwähnte Münchner Fotograf Alois Löcherer (1815–1862) porträtierte zwischen 1849 und 1852 Münchner Künstler und Prominente. Nach zeitgenössischen Zeitungsberichten entstanden in seinem Atelier bis 1853 etwa 24.000 Aufnahmen.115 Nach einer ersten Ausstellung der Porträts 1849 im Münchner Kunstverein unter dem Titel Bildnisse bekannter und berühmter Männer und der geplanten Veröffentlichung eines Photographischen Künstler-Albums 1852 erschien 1853 die Sammlung Photographisches Album der Zeitgenossen.116 Hermann Biows Porträtsammlung gilt dafür als Vorbild. Im Gegensatz zu diesem erscheinen die Zeitgenossen hier in fotografischen Porträts, womit Löcherers Werk das erste seiner Art ist. Es wurde in mehreren unregelmäßigen Lieferungen publiziert und umfasste vermutlich 25 Porträts. Die Auswahl der Porträts orientierte sich am »bildungsbürgerlichen Elitemodell«117 und berücksichtigte mehrere Naturwissenschaftler und Schriftsteller, einige Maler, einen Rechtsgelehrten und einen 111 Vgl. Hoffmann u. Wrocklage: Die daguerro-typisierten Männer der Paulskirche, S. 408; Peters: Die Prominenz im Sammelfoto, S. 25. 112 Vgl. Hanno Beck: Galerie prominenter Zeitgenossen. In: Silber und Salz, hrsg. v. von Dewitz, S. 60–61, hier: S. 60. 113 Vgl. Hoffmann u. Wrocklage: Die daguerro-typisierten Männer der Paulskirche, S. 409. 114 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 181. 115 Vgl. Dirk Halfbrodt: Alois Löcherer, S. 32. 116 Vgl. Peters: Die Prominenz im Sammelfoto, S. 25–27. 117 Halfbrodt: Alois Löcherer, S. 102.
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Hofprediger. Dabei gewann die Aktualität der Darstellung an Bedeutung; die Porträtauswahl zeigte an, wer gegenwärtig in der Münchner Gesellschaft wichtig war. Für die Rezipienten war mit dem Besitz der Porträts ein identifikatorisches Moment verbunden, das Gefühl der Zugehörigkeit zu den besseren Kreisen durch den Porträtbesitz oder zumindest die Annäherung daran.118 Die Identifikation wurde durch die schlichten und unprätentiösen Gestaltungsprinzipien der Porträts begünstigt.119 Ebenfalls der Münchner Gesellschaft gewidmet war das Album der Zeitgenossen, das Franz Hanfstaengl (1804–1877) 1860 veröffentlichte.120 Auch dieses Album erschien in mehreren Lieferungen. Brigitte Huber geht von mindestens 62 darin enthaltenen Porträts aus,121 sein genauer Umfang lässt sich jedoch nicht mehr ermitteln, da kein vollständiges Exemplar erhalten ist. Die Auswahl der porträtierten Personen sollte möglichst viele Gesellschaftskreise und Berufe repräsentieren. Kriterium dafür war allerdings, es zu etwas gebracht zu haben; entweder durch Geburt, wie die Angehörigen der Königsfamilie, oder durch eigene Leistung, wie Naturwissenschaftler, Ärzte und Künstler. Letztere verkörperten mit ihren Werken »das Ideal des Jahrhunderts, den ‚genialen Menschen’, der allein kraft seiner Person Großartiges hervorbringt«122. Im Gegensatz zu Löcherers ungezwungen inszenierten Künstlerporträts sind die Porträts Hanfstaengls in ihrer Ikonografie eng an das herrschende Porträtideal des Bürgertums angelehnt. Eine Abweichung von der bürgerlichen Porträtkonvention stellt die Ausschmückung der Personen mit Berufsattributen dar, bei der die Tradition der Porträtmalerei aufgenommen wurde. Die Dargestellten gleichen sich zwar in Pose und Blick, werden jedoch durch die Attribute mit individuellen Merkmalen versehen: Der Maler Carl Spitzweg hält Papier und Stift in der Hand, der Professor der Physik Carl August Steinheil sitzt neben einem technischen Apparat, die Weltreisende Ida Laura Birch-Pfeiffer wird mit einem Globus und Exemplaren ihrer eigenen Veröffentlichungen abgelichtet.123 Die Darstellung der Personen mit ihren eigenen Werken weist auf einen Erinnerungsanspruch der Fotografien hin, die über ihre Aktualität hinaus gehen. Durch das eigene Werk haben sich die Berühmtheiten einen Anspruch darauf erarbeitet, erinnert zu werden. Neben spezialisierten Sammelalben für die Visitporträts von Königsfamilien, Sehenswürdigkeiten und Schriftstellern etablierte sich die fotografische Porträtsammlung in Albenform auf dem Buchmarkt mit Verbreitung der Prominentenfotografie.124 Die Zirkulation der Bilder ersetzte einen singulären Ort der kulturellen Erinnerung; das Fotoalbum erweiterte die Funktion des Pantheon, wie Matthias Bickenbach 118 Vgl. Peters: Die Prominenz im Sammelfoto, S. 27. 119 Vgl. Halfbrodt: Alois Löcherer, S. 104. 120 Vgl. Franz Hanfstaengl: Album der Zeitgenossen. Fotos 1853–1863, München: Heyne 1975. 121 Vgl. Brigitte Huber: Das Portrait als Sammelobjekt. Vom graphischen zum photographischen Mappenwerk, in: Alois Löcherer, hrsg. v. Pohlmann, S. 154–159, hier: S. 159. 122 Ebd., S. 26. 123 Vgl. Franz Hanfstaengl: Album der Zeitgenossen. 124 Vgl. Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 104.
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zutreffend folgert.125 Die Funktion des fotografischen Porträts erschöpft sich jedoch nicht in der Modifikation kultureller Erinnerung; das Porträt wurde zur Nachricht und veränderte die Anforderung an Personen des öffentlichen Lebens nachhaltig: Das Prominentenporträt im Carte de Visite-Format nahm das Starphoto des 20. Jahrhunderts vorweg und markiert damit den Beginn einer ›facialen Gesellschaft‹, in der die Gesichter von Politikern, Generälen, Managern, Sportlern, Künstlern oder eben Produkten zu Markenzeichen und zu publikumswirksamen Logos avancieren.126
Die Porträtfotos wurden dabei nicht schlicht als Mittel des Personenkultes genutzt,127 sondern entwickelten diesen. Die Konzentration auf das Gesicht stellt ein Erbe der physiognomischen Porträtinterpretation dar. Für die Prominenten ergab sich zunehmend der Zwang, sich der anonymen Öffentlichkeit zu stellen. Mit der Verbreitung der Porträts war ein neuer Bekanntheitsgrad möglich geworden.128
3.3 Das Autorenfoto als privater und öffentlicher Paratext 3.3.1 Die Ikonografie des fotografierten Autors Das Autorenfoto als Paratext ist aus dem Kontext der privat zirkulierenden bürgerlichen Fotografie und der öffentlich zirkulierenden Prominentenfotografie hervorgegangen. Beide Verwendungskontexte wirkten bereits auf die Entstehungssituation der Porträts und damit auf die Ikonografie der Bilder ein und sind in vielen Fällen nicht eindeutig voneinander zu trennen. Es kommen von Beginn an sowohl explizite Autorenfotos vor, die auf die Verbreitung angelegt waren (beispielsweise im Rahmen der Porträtsammlungen berühmter Zeitgenossen von Alois Löcherer und Franz Hanfstaengl), als auch implizite Autorenfotos die den Autor in einem privaten Rahmen, etwa im Kreise der Familie, zeigen und für den entsprechenden Verwendungskontext gedacht waren. Der 1976 von Walter Scheffler herausgegebene Bildband Dichter-Portraits in Photographien des 19. Jahrhunderts enthält eine repräsentative Auswahl von insgesamt 48 Porträtfotografien deutschsprachiger Schriftsteller, die zwischen 1848 und den 1880er Jahren entstanden sind und sich heute überwiegend in der Bildsammlung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach befinden.129 Diese Porträts spiegeln das 125 Vgl. Bickenbach: Das Dispositiv des Fotoalbums, S. 115. 126 Voigt: Faszination Sammeln, S. 111–112. 127 Vgl. Jäger: Gesellschaft und Photographie, S. 179. 128 Vgl. ebd., S. 178–182. 129 Walter Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits in Photographien des 19. Jahrhunderts. (Marbacher Schriften 11), Marbach am Neckar: Deutsches Literaturarchiv 1976. (Der Band enthält überwiegend Fotografien aus den Beständen des Deutschen Literaturarchivs Marbach und entsprechend der Samm-
Das Autorenfoto als privater und öffentlicher Paratext
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ganze Spektrum des frühen Autorenfotos, das sich zwischen der Selbstinszenierung des Autors und der bürgerlichen Repräsentation entwickelte. Sie dienen im Folgenden als Materialbasis, um die Frage nach der Ikonografie des Autors im frühen Autorenfoto zu klären. Wie veränderte sich die Ikonografie des Autors in der fotografischen Porträtkultur? Welche Rolle spielte die tradierte Ikonografie des Autors? Sind neue spezifische Darstellungskonventionen zu beobachten? Welchen Anteil haben die Konventionen der frühen Porträtfotografie an der Ikonografie des Autors? Zwei Darstellungsweisen überwiegen darin: die Darstellung der Person im Bruststück und das Ganzfigurporträt. 25 Porträts zeigen Autoren im Bruststück,130 insgesamt 16 Porträts zeigen stehende oder sitzende Autoren in der Ganzfigur oder im Kniestück und entsprechen der typischen Darstellungsweise des Visitporträts.131 Dabei handelt es sich um Aufnahmen aus den Ateliers der Fotografen, auf denen typische Möbel und Requisiten um die fotografierte Person herum angeordnet sind bzw. dieser zu einer stabilen Position verhalfen, damit die lange Belichtungszeit unbewegt überstanden werden konnte. In dieser Darstellungsweise steht die ganze Person im Vordergrund und das Gesicht ist im Gegensatz zum Bruststück weniger deutlich zu erkennen. Dafür ist die Kleidung der Person vollständig sichtbar, ebenso wie die Details der Kulisse, was eine repräsentativere Form der Darstellung ermöglicht. Sowohl die Darstellung des Autors im Bruststück als auch im Ganzfigurporträt weicht formal nicht von der Ikonografie des Bürgers ab, was auf den ersten Blick die These von der Unselbstständigkeit des Autorenfotos bestätigt, die Michael Davidis vertritt: Die Uniformität der Portraitdarstellung, die geringe Variationsbreite der Hintergründe, Staffagen und Accessoires lassen auch den Künstler als Bürger erscheinen. Das Dichterportrait als eigener, gesonderter Typus ist, wenn es als solcher überhaupt jemals existiert hat, in diesem Zeitraum jedenfalls nicht auszumachen.132
Ein Beispiel aus der Gruppe der Brustbilder ist eine 1848 entstandene Daguerrotypie des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, aufgenommen von Hermann Biow.133 Es ist das am frühesten entstandene Bild der Sammlung Dichter-Portraits und leitet diese ein. Schelling ist en face aufgenommen und blickt direkt in die Kamera. Sein Gesichtsausdruck ist neutral und gibt keine Bedeutung vor. Der Betrachter mag lungsgeschichte besonders viele Porträts süddeutscher Schriftsteller. Ergänzt werden die Bestände des Archivs durch weitere Porträtaufnahmen von bedeutenden Autoren sodass ein repräsentativer Querschnitt entstanden ist.) 130 Vgl. ebd., S. 17, 18, 21, 24–25, 27, 29, 31, 37, 39, 40, 42–43, 47–52, 55–58, 60–61. 131 Vgl. ebd., S. 19, 22, 26, 28, 33–35, 38, 41, 44–46, 53–54, 59. 132 Michael Davidis: Freunde und Zeitgenossen Theodor Storms in der Photographischen Sammlung des Schiller-Nationalmuseums in Marbach. In: Dichter und ihre Photographien. Frühe Photos aus der Storm-Familie und aus dem Freundeskreis, hrsg. von Gerd Eversberg (Beiheft zu den Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 48), Heide: Westholsteinische Verlagsanstalt 1999, S. 33–42, hier: S. 32. 133 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 17.
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in den Zügen des alten Mannes lesen wie in einem offenen Buch. Nur der Blick des Autors läuft seinem Ausgesetztsein vor dem Betrachter zuwider: er ist direkt in die Kamera gerichtet. Der Autor blickt zurück. Die Fotografie simuliert einen Blickkontakt zwischen Leser und Autor. Matthias Bickenbach erkennt darin ein Merkmal des Autorenfotos, durch das sich die fotografische Darstellung des Autors von der grafischen unterscheidet: Dass das Auge des Porträtierten einen ansieht, ist in Malerei und Druckgrafik ein zufälliger oder gewählter Effekt, in der Fotografie wird er zur Regel. Autoren sehen dich an. Der souveräne Blick zum Betrachter scheint zur Signifikation des Autors besonders geeignet.134
Der selbstbewusste Blick des Autors wird zum Zeichen von Werkherrschaft.135 Zweifellos ist der direkte Blick zum Betrachter eine Besonderheit der Fotografie, die den Blick aus dem Bild realistischer erscheinen lässt. Allerdings ist er nicht als spezifisches Element des Autorenfotos zu fassen, sondern findet sich – begünstigt durch die Darstellungskonventionen – von Beginn an auch in Porträts anderer Berufsgruppen. Im Autorenfoto ist er, zumindest im 19. Jahrhundert, nicht die Regel. Nur zehn der 48 Autorenfotos aus dem Band Dichter-Portraits weisen den Blick des Autors in die Kamera auf. Der direkte Blick in die Kamera ist eine Kontaktaufnahme mit dem Betrachter der Fotografie.136 Darin bestätigt sich ein Bewusstsein über das Foto grafiertwerden als kommunikativem Akt, der fotografierte Autor beteiligt sich bereitwillig an dieser Form der Kommunikation, bei der die Identität des Gesprächspartners von Beginn an offen ist, denn der Autor kann nicht wissen, wer ihn anblicken wird. Drei typische Beispiele für Autorenporträts im Bruststück aus den 1880er Jahren sind die Aufnahmen von Theodor Storm, Wilhelm Raabe und Theodor Fontane:137 Sie zeichnen sich durch die Schlichtheit der Darstellung aus. Der Hintergrund ist neutral gehalten, ebenso die dunkle bürgerliche Kleidung der Autoren. Storm und Raabe sind nahezu frontal aufgenommen. Beide Autoren blicken jedoch nicht in die Kamera, sondern knapp daran vorbei, ihre Gesichter sind trotz der üppigen Bärte Raabes und Storms deutlich zu erkennen. Beide Herren sind bereits ergraut und tragen freundliche und würdige Gesichter zur Schau. Theodor Fontane ist dagegen im Dreiviertelprofil aufgenommen. Der zur Seite gerichtete Blick lässt das Porträt insgesamt unzugänglicher wirken.138 Das fotografische Porträt im Bruststück scheint sich in diesen späteren Aufnahmen zu einer stabilen Norm entwickelt zu haben. Das Inszenierungspotenzial des Brustporträts bleibt dabei begrenzt. In Kleidung und Pose unterscheiden sich die 134 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 192. 135 Vgl. ebd., S. 269. 136 Vgl. ebd., S. 271. 137 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 48, 57 und 51. 138 Bei dieser Pose scheint es sich um eine vom Autor bevorzugte zu handeln, auch andere Fotografien zeigen ihn in der identischen Haltung, etwa die 1890 von J.C. Schaarwächter aufgenommene.
Das Autorenfoto als privater und öffentlicher Paratext
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Autoren kaum von anderen Berufsgruppen. Eine bildliche Spezifik der Autorschaft lässt sich nicht ausmachen. Unterscheidungen entstehen hier durch den Blick des Autors, der sich dem Betrachter mehr oder weniger öffnet. Eine Variante des Brustbildes, die mehr Spielraum für die Inszenierung bietet, zeigt sich in einer Gruppierungsmontage dreier Porträts von Eduard Mörike, die um 1864 von dem Stuttgarter Fotografen Friedrich Brandseph angefertigt wurde.139 Die Bilder sind in einem Dreieck angeordnet und auf einem Karton reproduziert, wobei eine Aufnahme oben mittig auf dem Trägermedium angeordnet ist und sich zwei weitere darunter befinden. In der oberen Aufnahme ist der Oberkörper des sitzenden Autors freigestellt, während die beiden unteren einen größeren Ausschnitt zeigen, der bis zur Hüfte reicht und die Lehne des Sitzmöbels beinhaltet, an die er sich anlehnt. Der obere Mörike ist im Dreiviertelprofil zu sehen, er blickt zur Seite. Eine Hand verschwindet im Bildrand. Die beiden unteren Varianten zeigen den Autor im Profil. Auf der links angeordneten Aufnahme hält er in den Händen ein zugeschlagenes Buch, rechts dagegen erhebt er dieses auf Kopfhöhe. Er liest. Ob es sich dabei um ein Buch des Autors selbst handelt, lässt sich nur mutmaßen. Die neutrale Pose des Autors im Brustbild wird hier zu einer Inszenierung des Autors als Leser modifiziert. Die Darstellung des Lesens zählt zum tradierten Motivrepertoire des Autors und Gelehrten. In der frühen Porträtfotografie wurden Bücher häufig als Requisiten verwendet, allerdings blieben sie meist verschlossen und lagen entweder auf Möbeln oder wurden in der Hand gehalten. Unser Autor liest jedoch, oder wird zumindest als lesend inszeniert, wodurch das Buch nicht nur eine Attrappe ist, sondern aktiv an der Repräsentation der Person beteiligt wird. Auch in einem weiteren Bild der Dichter-Portraits ist Mörike als Leser abgebildet: Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Porträtsitzung im Atelier, sondern um ein 1865 entstandenes Familienfoto, das den Dichter im Kreise von Verwandten an einem Brunnen unter Bäumen auf einem Gartenstuhl sitzend zeigt.140 Die Gesellschaft hat sich an einem Kaffeetisch niedergelassen und, abgesehen von einem entrückten Mädchen am Brunnenrand, sind ihre Mitglieder entweder mit der Verteilung des Kaffees oder mit dem Fotografen befasst. Durch die Beschäftigung der Akteure wirkt die ganze Szene insgesamt recht natürlich. Eduard Mörike sitzt ausgestreckt auf einem Gartenstuhl etwas abseits der Kaffeetafel und scheint in das aufgeschlagene Buch, das er in seinen Händen hält, vertieft zu sein. Trotz der räumlichen Nähe ist er an der Szene unbeteiligt. Seine Lektüre erscheint im Zusammenhang mit der Szene authentisch (wenn auch nicht besonders höflich seinen Verwandten gegenüber). Hier entfaltet sich ein Inszenierungspotenzial: Der Autor ignoriert den Fotografen scheinbar vollkommen. Das schließt eine Selbstinszenierung allerdings nicht aus, denn um einen Schnappschuss kann es sich hier schon aus technischen Gründen nicht handeln; der Autor weiß, dass er fotografiert wird. Angesichts seiner in anderen Aufnahmen offenkundigen Bereitschaft sich fotografieren zu lassen und dabei für den Fotografen zu posieren, ist die Lektüre des Autors 139 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 31. 140 Vgl. ebd., S. 32.
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wohlmöglich simuliert. Ihr Effekt ist allerdings durch den offenkundigen Kontrast zur Geselligkeit seiner Umwelt ein authentischer. Ist es in Atelieraufnahmen üblich, den stillen Augenblick des Individuums zu inszenieren, zu dem die Lektüre als wirkungsvolles und signifikantes Element zählt, geht es dagegen in dieser Außenaufnahme einer Familie im Sonntagsstaat gerade um die Darstellung bürgerlichen Lebens. Das Buch in den Händen des Autors wird dadurch zu einem individuellen Merkmal, das ihn von der übrigen Gesellschaft abgrenzt und auf seine Profession verweist. Damit wird ein Motiv zum Thema der Darstellung des Autors, das sich als Topos in der Tradition der bildlichen Darstellung von Autoren entwickelt hat: Das Verhältnis von Autor und Welt. Neu ist dabei die Darstellung beider Bereiche in einem Bild, wobei der Autor in einer gesellschaftlich respektierten Sonderrolle gezeigt wird. Die Gruppe der Ganzfigurporträts im Visitformat weist im Vergleich zu den Brustbildern eine größere Gestaltungs- und Inszenierungsfreiheit auf. 1861 posierte der österreichische Schriftsteller, Schauspieler und Sänger Johann Nepomuk Nestroy für den Wiener Hoffotografen Ludwig Angerer.141 Nestroy steht lässig an ein Sitzmöbel gelehnt, aufwändig mit einem pelzbesetzten Mantel gekleidet und einen Zylinder in der rechten Hand haltend, inmitten von Ateliermöbeln. Seine Pose ist entspannt; das linke Bein ist angewinkelt und über das Standbein gelegt. Nestroy ist en face aufgenommen, sein Blick ist direkt in die Kamera gerichtet. Auffällig ist die Gelassenheit seiner ganzen Erscheinung, die sich von seiner Körperhaltung bis zu seinem amüsierten Gesichtsausdruck fortsetzt. Kein ernster Ausdruck und keine steife Pose, wie es in der frühen Porträtfotografie üblich war. Nestroy wirkt souverän und selbstbewusst. Dazu trägt auch seine vornehme Garderobe bei, die nicht der schlichten dunklen uniformen Kleidung gleicht, die für das Visitporträt eigentlich typisch ist. Nestroy trägt eine aufwändige Straßengarderobe, obgleich er den Hut nur in der Hand hält und der Mantel geöffnet ist. Im Gegensatz dazu trug der Bürger beim Fotografen zwar repräsentative Kleidung, die in bester Ordnung zu sein hatte, jedoch eher eine private Situation simulierte, als eine öffentliche. Dieser privaten Ikonografie entsprach die private Verwendungsweise. Nestroy dagegen stellt sich dem anonymen Publikum in offizieller Erscheinung. Eine Serie von Aufnahmen, die 1860 entstanden ist, belegt Nestroys frühe Bereitschaft, die Inszenierungsmöglichkeiten der Fotografie auszunutzen:142 In acht Visitporträts eines unbekannten Fotografen inszenierte sich Nestroy als Schauspieler in verschiedenen Rollen, die aus Stücken anderer Autoren und von ihm selbst stammen und die er auf der Bühne gespielt hatte.143 Darunter sind die des Jupiter in Jacques 141 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 2 8. 142 Die Serie ist in dem Band Dichter-Porträts nicht enthalten und wird hier ergänzend hinzugezogen. Die Abzüge entstammen dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) und sind als Digitalisate online einsehbar. 143 Vgl. Johann Nestroy als Jupiter. ÖNB, Inventar-Nr. NB 609.538-B (Abb.: http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/934/B12884103T12884109.jpg); Johann Nestroy als Knitsch. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/6 (Abb.: http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/858/B9322247T9322253.jpg); Johann Nes-
Das Autorenfoto als privater und öffentlicher Paratext
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Offenbachs Orpheus in der Unterwelt, die des Pan in dessen Daphne und Chloe und die Rolle der Frau Maxl in Alexander Bergens Eine Vorlesung bei der Hausmeisterin. Aus seinen eigenen Stücken stammen die Rollen des Knitsch (Der gebildete Hausknecht), des Sansquartier (Zwölf Mädchen in Uniform), des Knierien (Lumpazivagabunuds), des Specht (Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack) und des Tratschmiedl (Der Tritschtratsch). Die Rollen inszenierte er kostümiert unter Ausnutzung eines reichen gestischen und mimischen Repertoires. Im Vergleich zu den bürgerlichen Porträts und auch zu anderen Prominentenbildern ist die Expressivität seiner Posen bemerkenswert. Wirkt die Pose dort oft steif und arrangiert, so ist der Eindruck hier ein übersteigerter und theatralischer. Die Pose als »bewusst eingenommene Stellung bzw. Haltung des Körpers, die oft als gekünstelt und gestellt empfunden wird«, ist ein »theatralisches Grundelement der inszenierten Fotografie und des Porträts«.144 Sie ist ein bestimmendes Merkmal sowohl der gewöhnlichen Atelierporträts als auch der inszenierten Künstlerfotografie, der Unterschied besteht in der Theatralität, die in den Rollenporträts besonders deutlich zum Vorschein kommt.145 Rollenbilder gehörten zu den populären Genres des Visitporträts. Die Aufnahmen von Schauspielerinnen und Schauspielern in ihren Rollen waren beim Publikum besonders beliebt und erreichten hohe Auflagen, was sich auch damit erklären lässt, dass in der Inszenierung verschiedener Rollen die soziale Mobilität als Wert visualisiert wird. Die Faszination des Rollenspiels verband sich mit der Möglichkeit des Individuums, selbst in einer modernen Gesellschaft verschiedene Rollen einzunehmen.146 Der Realitätseffekt einer dramatischen Inszenierung auf der Bühne wurde dabei in das Medium Fotografie überführt, das selbst einen eigenen Realitätseffekt entfaltete und die Authentizität des Dargestellten bestätigte. Anhand der Fotografien ist nicht erkennbar, ob es sich um Inszenierungen handelt, wodurch sie sich von dem theatralischen Realitätseffekt unterscheiden, der an den Bühnenraum gebunden ist. Interessant an Nestroys Rollenfotografien ist seine doppelte Rolle als Autor und Schauspieler. Indem er sich in einer von ihm selbst erdachten Rolle inszeniert, begibt er sich in eine Grauzone zwischen Inszenierung und Fiktion. Die fiktive Rolle wird in troy als Pan. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/4 (Abb.: http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/858/ B9322240T9322246.jpg); Johann Nestroy als Specht. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/7 (Abb: http://www. bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/858/B9322254T9322260.jpg); Johann Nestroy als Frau Maxl. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/2 (Abb.: http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/858/B9322233T9322239. jpg); Johann Nestroy als Knieriem. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/12 (Abb.: http://www.bildarchivaustria. at/Bildarchiv//BA/858/B9322226T9322232.jpg); Johann Nestroy als Sansquartier. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/10 (Abb. http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv//BA/858/B9322219T9322225.jpg); Johann Nestroy als Tratschmiedl. Ebd., Inventar-Nr. Kor 110/8 (Abb. http://www.bildarchivaustria.at/Bildarchiv// BA/858/B9322261T9322267.jpg). 144 Susanne Holschbach: Vom Ausdruck zur Pose. Theatralität und Weiblichkeit in der Fotografie des 19. Jahrhunderts, Berlin: Reimer 2006, S. 41. 145 Vgl. ebd., S. 14. 146 Vgl. Peters: Die Prominenz im Sammelfoto, S. 33–34.
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der Inszenierung beglaubigt, die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit aufgelöst. Die Rolle des Autors verbindet sich dabei mit der des Schauspielers. Anhand dieser Aufnahmen stellt sich die Frage, wann der Autor eigentlich der Autor ist. Die Autorschaft wird hier zu einer Rolle unter anderen, die Fotografie zu einem Medium, das die einzelnen Rollen beglaubigt. Aufklärung über Rolle und Realität erfolgt erst durch die Titel der Fotografien. Zwei andere Beispiele der Sammlung Dichter-Portraits zeigen Karl Ferdinand Gutzkow und Paul Heyse in vergleichbaren Darstellungen:147 Gutzkow ist ebenfalls als Ganzfigur aufgenommen. Er steht aufrecht neben einem drapierten Vorhang. Sein Körper ist leicht zur Seite gewendet, die linke Hand liegt am Revers, die rechte steckt in der Hosentasche. Die Kleidung ist die Ausgehuniform des Bürgers und damit schlichter als Nestroys elegante Montur in der Aufnahme Angerers. Der Kopf ist leicht angehoben und im Dreiviertelprofil zu sehen, der Blick entsprechend nach oben und in die Ferne gerichtet. Pose und Gesichtsausdruck tragen zu einem selbstbewussten Eindruck beim Betrachter bei, der jedoch nicht wie in anderen Beispielen mit dem der Zugänglichkeit der fotografierten Person einher geht. Gutzkow wirkt vielmehr unzugänglich, was besonders durch die Geste der Hand in der Hosentasche verstärkt wird. Diese Geste kennzeichnet auch die lässige Haltung Charles Baudelaires in einem 1856 entstandenen Porträt von Nadar. Bickenbach, der diese Aufnahme als »Exempel des Autorenfotos«148 anführt, folgert aus ihr seine Bewertung des Porträts: »Die ›antibürgerliche‹ Geste der Hände in den Hosentaschen, welche die lässige Haltung bestimmt, hat nicht nur politische und soziale, sondern auch literarische Valenz als Habitus der Distinktion.«149 Die Distinktion, die das Autorenporträt hier gegenüber der bürgerlichen Ikonografie entwickelt, manifestiert sich in einem gestischen Detail. Gutzkow ist nicht Baudelaire; die antibürgerliche Haltung seiner einen Hand ergibt, gepaart mit der Position der anderen Hand am Revers, eine eigentümliche Mischung aus Pathos und Abwendung, aus künstlerischer Selbstinszenierung und bürgerlicher Repräsentation. Ähnlich repräsentativ ist die Kabinett-Fotografie Paul Heyses, die Franz Hanfstaengl in den 1870er Jahren angefertigt hat. Das Porträt ist ein Kniestück. Heyses Figur ist frontal aufgenommen, sein Gesicht im Dreiviertelprofil. Sein rechter Arm ist auf einer Stuhllehne abgelegt, in der Hand hält er einen Hut. Der linke Arm hängt neben dem Körper. Heyse ist ebenfalls repräsentativ gekleidet, er trägt Anzug und Mantel. Auch hier entsteht ein selbstbewusster Eindruck der porträtierten Person, der sich auch mit seiner angestrebten Rolle als Dichterfürst in Verbindung bringen lässt.150 Obwohl Hanfstaengl in seiner Porträtsammlung Album der Zeitgenossen sehr
147 Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 41 u. 54. 148 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 218. 149 Ebd., S. 236. 150 Vgl. Davidis: Freunde und Zeitgenossen Theodor Storms, S. 40.
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bewusst mit Berufsattributen der porträtierten Personen arbeitete, ist Heyse in dieser Cabinet-Fotografie nicht durch Attribute als Autor gekennzeichnet. Bücher, Papier und Schreibgeräte als Berufsattribute des Autors finden sich in neun der 48 Autorenfotos der Sammlung Dichter-Portraits.151 Meist werden sie von den Autoren aktiv genutzt. Die Tendenz der visuellen Attribuierung des Autors durch sein Werk oder zumindest zur Symbolisierung desselben durch ein Buch bleibt im frühen Autorenfoto erhalten, es überwiegt jedoch das Porträt, bei dem die Darstellung der Person allein durch ihre physische Erscheinung erfolgt. Die Autoren gehen mit den Requisiten unterschiedlich um: Von Ludwig Angerer stammt eine Visitfotografie von Franz Grillparzer, die vermutlich um 1870 entstanden ist.152 Auffällig daran ist die Unzugänglichkeit des fotografierten Autors, die sich sowohl in seiner Körperhaltung als auch in seinem Gesichtsausdruck manifestiert. Grillparzer steht mit vor der Brust verschränkten Armen aufrecht in der Bildmitte, sein Gesicht ist im Viertelprofil zu erkennen, der Blick zur Seite gerichtet, der Gesichtsausdruck ernst und unwillig. Seine dunkle Kleidung ist vornehm, aber nicht extravagant. Weiterhin auffällig ist seine Nichtbeachtung der Requisiten im Atelier. Er steht zwischen einem Sessel und einem kleinen Tisch, auf dem zwei Bücher zu erkennen sind. Er steht jedoch da, als wären diese Requisiten, mit deren Hilfe sich die Arbeitssituation des Schriftstellers inszenieren ließe, gar nicht vorhanden – in vollkommener Ignoranz der Möglichkeiten des Mediums. Im Porträt Adalbert Stifters von 1863 fungieren Bücher und Schreibgeräte als Verweis auf das Werk und weniger zur Simulierung einer Schaffenssituation:153 Stifter, der im Kniestück gezeigt wird, steht aufrecht neben einem Tisch, welcher mit Bücherstapeln und einer Schreibfeder bestückt ist. Eine Hand ruht darauf, in der anderen hält er ein Buch, das er jedoch nicht benutzt. Der Körper des Autors ist zur Kamera gerichtet, sein Kopf jedoch ist erhoben und zur Seite gewendet, sodass eine Ansicht im Halbprofil entsteht. Er wendet sich mit würdigem Ausdruck von den Büchern ab. Die Bücher fungieren hier in Verbindung mit der Pose des Autors als Verweis auf das fertige Werk und rücken den Erinnerungsanspruch von Autor und Werk in den Vordergrund.154 Eine lebhaftere Beschäftigung mit den Attributen und somit auch eine deutlichere Betonung der Autorschaft zeigt sich in dem Porträt Heinrich Laubes, das Oscar Kramer 1864 aufgenommen hat:155 Laube sitzt auf einem Sessel an einem Tisch, vor ihm ein Buch oder Papierbogen, in der Hand ein Schreibgerät. Die Hände ruhen jedoch, sie sind beide auf den Tisch aufgelegt und der Autor hat sich mit einer leichten Drehung des Oberkörpers vom Tisch abgewandt. Der Blick ist an der Kamera 151 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 22, 26, 30–31, 33–36, 45. 152 Vgl. ebd., S. 22. 153 Vgl. ebd., S. 34. 154 Vergleichbar ist dieser Effekt mit der von Bickenbach hervorgehobenen »ruhenden Hand« des Autors im Autorenfoto, die auf das vollbrachte Werk verweist. Vgl. Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 2 87–310. 155 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 35.
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vorbei tendenziell nach oben gerichtet. Es ist offensichtlich, dass der Autor sich für die Kamera ausgerichtet hat. Dargestellt wird die Arbeitssituation des Schriftstellers im Moment der Unterbrechung. Die Authentizität der Situation wird allerdings durchbrochen von ihrer offensichtlichen Inszenierung im Atelier. Die Kleidung des Autors offenbart dies; Laube trägt einen Mantel, auf dem vermeintlichen Arbeitstisch ist ein Zylinder abgelegt. Seine Darstellung changiert zwischen der bürgerlichen Repräsentation, die durch die Kleidung und Haltung des Autors zum Ausdruck kommt, und einer genieästhetischen Inszenierung der Schreibsituation. Das Porträt Albert Zellers zeigt, zumindest auf den ersten Blick, tatsächlich den Autor bei der Arbeit.156 Auch er ist im Atelier an einem Tisch sitzend fotografiert, der ebenfalls mit Büchern und Schreibzeug bestückt ist. Zeller schreibt jedoch. Um genau zu sein, simuliert er das Schreiben, da die Bewegung der Hand bei der langen Belichtungszeit der frühen Porträtfotografie durch Unschärfe erkennbar wäre. Dennoch wirkt die Inszenierung überzeugend, da der Autor in die Tätigkeit vertieft zu sein scheint. Der Oberkörper ist leicht über das Papier gebeugt und der Blick darauf gerichtet. Er sitzt seitlich zum Betrachter, der dadurch eine Profilansicht erhält. Diese vier Beispiele für die Inszenierung des Autors bei der Arbeit zeigen, dass auch in der frühen Fotografie der Autor keineswegs nur als Zeitgenosse gesehen wurde, sondern die Spezifik seiner Tätigkeit durchaus ins Bild gesetzt und thematisiert wurde. Die klassischen Attribute des Autors und Gelehrten wurden dafür übernommen, auch wenn sie inzwischen nicht mehr spezifisch für Autoren verwendet wurden. Der Umgang mit den Requisiten unterscheidet den Autor jedoch von anderen Berufsgruppen. Spezifisch ist sowohl die Lektüre, als auch die Inszenierung von Schreibsituationen mit Hilfe von Requisiten. Insofern lassen sich durchaus ikonografische Eigenheiten des Autorenfotos bestimmen. Der Effekt dieser tradierten Autorschafts-Ikonografie veränderte sich jedoch durch die Bestätigung von Präsenz, die das Medium der Fotografie leistet. Das fotografische Porträt bestätigt die physische Präsenz des Autors in seiner Pose zum Zeitpunkt des Fotografiertwerdens und steigert dabei den Inszenierungseffekt der Darstellung des Autors bei der Arbeit. Auch Gisèle Freund betont die Verwendung von Requisiten für die frühen Visitporträts von Autoren: Dicke Foliobände, die sorgsam auf einem Tischchen aufgestapelt sind, der in seiner gedrechselten Zierlichkeit alles andere als einen Schreibtisch vermuten läßt, an das Stuhlbein gelegte, sorgfältig in Unordnung gebrachte aufgeschlagene Hefte zeugen für einen Schriftsteller oder Wissenschaftler. Er selbst in seiner Haltung, wie er am Tisch mit aufgestütztem linken Arm (noch ein Relikt der langen Belichtungszeit) in scheinbare Nachdenklichkeit versunken ist, in der rechten Hand eine Feder haltend, ist selbst zu einem Requisitenstück des Ateliers geworden.157
156 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 33. 157 Freund: Photographie und Gesellschaft, S. 74.
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Freunds Folgerung den Autor selbst als Requisite zu sehen, lässt jedoch dessen Interesse an einer Selbstinszenierung außer Acht. Die Ikonografie des Autors wird dabei zum Ausdruck des Verhältnisses von Autor und Welt. Der Umgang mit den Requisiten ist in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich. Mörike lesend inmitten seiner Verwandten oder Albert Zeller über den Tisch gebeugt erscheinen als Repräsentanten einer Autorschaft, die eine Sonderposition darstellt. Hier stellt sich, wie bereits bei Walther von der Vogelweide, ein distanziertes Verhältnis von Autor und Welt dar. Die Zurückgezogenheit des Autors auf sich selbst und sein Werk wird in den frühen Autorenfotos ebenso ins Bild gesetzt wie die stolze Repräsentation des Autors, der das Geschaffene mit Würde darstellt, und damit in den Kontext gesellschaftlicher Reputation rückt. Die Ikonografie des Autors im Autorenfoto des 19. Jahrhunderts ist zu vielgestaltig, um sie auf einen Nenner bringen zu können. Insbesondere in den 1860er bis 1880er Jahren, als sich die Porträtfotografie durchsetzte und verbreitete, ist die Abgrenzung des Autors von seinen Zeitgenossen in machen Porträts überdeutlich und in anderen unsichtbar. Entsprechend ist die Inszenierung mal besonders offenkundig, mal lässt sie sich nur vermuten. Die Ikonografie des Autorenfotos in den 1850er bis 1880er Jahren ist durch die Gleichzeitigkeit von öffentlicher und privater Repräsentation, von der Inszenierung des Künstlertums und seiner Ausblendung geprägt. In dieser frühen Phase der Fotografie entstanden die meisten Porträts von Autoren nicht als explizite Autorenfotos, d. h. sie waren meist nicht von vorneherein dazu gedacht, das Bild des Autors in einer anonymen Öffentlichkeit zu verbreiten. Durchaus waren sie aber dazu bestimmt, in einem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis zu zirkulieren und von der Identität der Person zu zeugen. Zugleich war die Möglichkeit ihrer Verbreitung in einem größeren Publikum gegeben. Die Ikonografie des Autors entspricht dem in der Repräsentativität von Pose und Kleidung, die bewusst einem öffentlichen Auftritt gemäß zu sein scheint. Auch der Blick in die Kamera verweist auf das Bewusstsein der fotografierten Autoren, sich mit der Kamera auch einem Zuschauerkreis zu stellen, der bald auf die Leserschaft erweitert werden wird. Die Ikonografie des Autors im frühen Autorenfoto erscheint gemessen an der Vielfalt von Darstellungsweisen, die sie in der Geschichte des Autorenporträts in der Malerei und Grafik bereits hervor gebracht hatte, zunächst eingeschränkt. In den fotografischen Ateliers war die Pose verpflichtend für alle. Bei der Darstellung des Autors wurde dieser enge Rahmen jedoch erweitert; einerseits durch den Rückgriff auf tradierte Darstellungselemente und andererseits durch die Bereitschaft zur Erkundung und Ausnutzung ihres Inszenierungspotenzials. Autoren wussten den Realitätseffekt der Fotografie früh zur Beglaubigung ihrer Selbstinszenierung auszunutzen und bedienten sich ihrer dabei als einem Kommunikationsmittel.
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3.3.2 Widmung und Austausch – die frühen Gebrauchsweisen des Autorenfotos Das frühe Autorenfoto zirkulierte im privaten und im öffentlichen Kontext. Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Autorenfoto lässt sich für viele Fotografien nicht eindeutig vornehmen. Einige Autorenfotos entstanden explizit für die Verbreitung in einem öffentlichen Rahmen, so etwa die Schriftstellerporträts aus den Sammelwerken von Alois Löcherer und Franz Hanfstaengl oder die Rollenporträts Nestroys. Die Mehrzahl der Fotografien ist jedoch offenbar für einen privaten Rahmen entstanden und für die Zirkulation unter Freunden, Bekannten und Kollegen vorgesehen gewesen. Daraus konnte sich jedoch eine größere Publizität entwickeln, deren Reichweite sich dem Porträtierten entzog und Personen einschloss, die ihm nicht persönlich bekannt waren. Die Verwendungsweise des Autorenfotos in einem privaten Kreis lässt sich anhand der Fotografien aus dem Sammelband Dichter-Portraits nachvollziehen: Von einem persönlichen Austausch der Fotografien zeugen die handschriftlichen Widmungen auf einigen Porträts. Die Porträtierten kennzeichneten den Abzug ihrer Fotografie entweder mit ihrem eigenem Namen oder der Angabe von Datum und eventuell dem Ort der Überreichung, wobei Kombinationen freilich vorkommen. Die handschriftliche Widmung findet sich entweder unter dem Bild auf der Vorderseite des Untersatzkartons oder auf der Rückseite desselben. Mit eigenhändigen Unterschriften sind die Porträts von Johann Nepomuk Nestroy, Eduard Mörike, Ferdinand Freiligrath, Friedrich Hebbel und Paul Heyse versehen. Datumsangaben weisen die Porträts von Berthold Auerbach, Paul Heyse, Marie von Ebner-Eschenbach und Wilhelm Hertz auf, teilweise auch mit längeren Widmungstexten.158 Paul Heyse notierte auf der Vorderseite seines Porträts »mit freundlichem Gruß November 1878 Paul Heyse«159, was auf einen persönlichen Austausch hinweist, zum Beispiel im Rahmen einer Korrespondenz. Eine Aufnahme von Justinus Kerner weist eine weitere Spielart der Kombination mit der Handschrift auf: Auf einen Untergrund nebeneinander reproduziert wurden hier eine Porträtfotografie Kerners und eine Fotografie eigenhändiger Verse des Autors.160 Die Handschrift des Autors gehörte von Beginn an zum Verwendungskontext des Autorenfotos. Der Wirklichkeitseffekt der Fotografie, bedingt durch den technischen Herstellungsprozess, der manuelle Einflussnahme nahezu ausschließt, trifft dabei mit der gerade manuellen und individuellen Handschrift zusammen. Diese beiden Elemente, deren jeweilige Wirkung auf den ersten Blick einander entgegengesetzt 158 Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 89–92. 159 Ebd., S. 54. 160 Vgl. ebd., S. 19. (Diese Variante der Kombination von Autorenfoto und Handschrift ist als experimentell zu bewerten. Die undatierte Aufnahme stammt vermutlich aus den 1850er Jahren – Kerner verstarb 1862 – und damit zu einem Zeitpunkt, als die Verwendungsformen des Autorenfotos noch offener waren.)
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zu sein scheint, verbinden sich miteinander zu einer gesteigerten Authentizität. Die Fotografie des Autors wird durch dessen Handschrift autorisiert und beglaubigt. Der Autor verleiht der Fotografie durch seine Unterschrift eine Aura. Die Handschrift des Autors ist visuelles Zeugnis seines individuellen Schöpfertums und verbindet Person und Werk des Autors miteinander. Die Praxis der handschriftlichen Widmung von Büchern, die in der Buchgeschichte eine lange Tradition hat, wird dabei auf die Fotografie übertragen. Mit der Erfindung des Buchdrucks hatte die handschriftliche Zueignung eine neue Bedeutung erhalten, da sie nun innerhalb eines gedruckten Werkes, eines serialisierten Produktes das einzige individuelle Element darstellte.161 Genette sieht in der handschriftlichen Widmung eines Exemplars die »Entschädigung für die Vereinheitlichung des Produkts«162. Wie das gedruckte Buch ist auch die Fotografie ein Medium der Serialität. Die Einzigartigkeit des Kunstwerks, und damit nach Benjamin seine Aura, ist seiner Reproduzierbarkeit gewichen. »Der Bereich der Echtheit entzieht sich der technischen – und natürlich nicht nur der technischen – Reproduzierbarkeit.«163 Von einer Fotografie können ebenso wie von einem gedruckten Buch unzählige Abzüge existieren, ein Original lässt sich darunter nicht mehr ausmachen. Als Ausdruck oder Abdruck des Originals kann aber weiterhin die Handschrift des Autors gelten, dessen Manuskript die »Vorlage für die Vervielfältigung«164 bildet. Mit der handschriftlichen Signatur seines Buches überträgt der Autor die Originalität der Schrift auf den serialisierten und reproduzierten Text, er hebt es aus der Masse gleichartiger Bücher heraus. Gleiches gilt für die Fotografie – sie wird mit einer Aura aufgeladen. Die Praxis der handschriftlichen Widmung und Signierung von Fotografien war zwar auch ansonsten im privaten und öffentlichen Austausch von Bildern üblich, das Besondere an der Handschrift des Autors ist jedoch ihre Verbindung zum Werk. Der Autograf verweist auf die Werkentstehung. Im persönlichen Austausch wird die Fotografie zum Medium der Kommunikation, das den engsten Familien- und Freundeskreis verlässt: Die Sammelalben des Schriftstellers und Literaturhistorikers Wilhelm Hertz zeugen von einer Zirkulation der Bilder auch über den Kreis der persönlichen Bekanntschaft hinaus. Hertz versammelte in ihnen insgesamt 275 Visitporträts von Personen, mit denen er in persönlicher Korrespondenz stand, darunter auch von vielen Schriftstellern.165 Theodor Storm und 161 Vgl. Diana Stört: Form- und Funktionswandel der Widmung. Zur historischen Entwicklung und Typologisierung eines Paratextes, in: »Aus meiner Hand dies Buch...« Zum Phänomen der Widmung, hrsg. von Volker Kaukoreit, Marcel Atze u. Michael Hansel (Sichtungen 8/9), Wien: Turia + Kant 2006, S. 79–112, hier: S. 86. 162 Genette: Paratexte, S. 134. 163 Benjamin: Kunstwerk, S. 12. 164 Hiller u. Füssel: Wörterbuch des Buches, S. 209. 165 Von den Abbildungen des Bandes Dichter-Portraits stammen die Porträtfotografien Karl Mayers, Franz Grillparzers, August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens, Heinrich Laubes, Friedrich Theodor Vischers, Conrad Ferdinand Meyers, Wilhelm Buschs und die von Wilhelm Hertz selbst aus den bei-
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Eduard Mörike tauschten in ihrer Korrespondenz neben eigenen Porträtaufnahmen auch solche von Familienmitgliedern aus, was einer verbreiteten Praxis entsprach.166 Mit der allgemeinen Porträtsammelmode erweiterte sich auch der Zirkulationsrahmen des Autorenfotos auf ein anonymes Publikum. Es verbreitete sich dabei losgelöst von persönlichen Kontakten der Autoren in einem kommerziellen Vertriebsrahmen und erreichte das anonyme Lesepublikum. Fotografien von Schriftstellern zählten zu den beliebtesten Sammelmotiven der Porträtsammelmode. 1861 berichtete H. de Audigier, ein zeitgenössischer Beobachter, aus Paris: Die sentimentalen Leserinnen werden, wenn sie ein Buch bewegt hat, nicht mehr in endlose Träumereien verfallen, denn, anstatt ihrer Einbildung freien Lauf zu lassen, um sich das Aussehen, den Anzug, die Physiognomie des Verfassers vorzustellen, anstatt sich hundert Täuschungen auszusetzen und sich zu fragen: ist er jung? ist er alt? braun oder blond? ist er à la Titus oder à la Jeune-France frisirt? trägt er Brillen? ist er blatternarbig? ist er dick oder mager? werden sie nun zu einem Photographen eilen und wissen, was sie von dem Gegenstande ihrer Träume zu halten haben, und leider werden viele literarische Illusionen in der Wirklichkeit sich täuschen!167
Die Fotografierbarkeit des Autors hat keineswegs nur Auswirkungen auf die Vorstellungswelt schwärmerischer Leserinnen; sie verändert vielmehr das Verhältnis von Autor und Leser fundamental. Der Effekt entspricht der von Christian Schärf beschriebenen Auflösung des fiktiven Autorbildes. H. de Audigier stellt wie Schärf fest, dass das aus der Fiktion des Textes entwickelte Autorbild durch die Verfügbarkeit eines fotografischen Bildes überlagert wird. Als Sammelbild erreicht das Autorenfoto die Publizität eines öffentlichen Paratextes. Das Bild des Autors war zwar spätestens mit der Verbreitung grafischer Porträts in bürgerlichen Porträtsammlungen im 18. Jahrhundert ein öffentlicher Paratext geworden, doch das Autorenfoto wurde weiter verbreitet und bot durch seine medialen Eigenschaften einen authentischen Anschein. Es galt als authentisches Abbild der Wirklichkeit und war mit einer anderen Glaubwürdigkeit ausgestattet als das idealisierte grafische Porträt. Mit der Fotografie wird der Autor zum Zeitgenossen, wie Bickenbach treffend bemerkt.168 Durch die im großen und ganzen gemeinsame Ikonographie für Autor und Bürger werden Unterschiede nivelliert, wobei wie beim Prominentenporträt allgemein der Eindruck von Nähe beim Betrachter entsteht. Der fotografierte Autor wird identifizierbar und zugänglich. Die soziale Gebrauchsweise des Autorenfotos in der Mitte des 19. Jahrhunderts war einerseits vom Umgang mit dem grafischen Porträt und andererseits von der fotografischen Sammelmode des Visitporträts geprägt. Die Fotografie des Autors zirkuden Sammelalben. Vgl. Scheffler (Hrsg.): Dichter-Portraits, S. 89–92 u. Davidis: Freunde und Zeitgenossen Theodor Storms, S. 40. 166 Vgl. Davidis: Freunde und Zeitgenossen Theodor Storms, S. 35. 167 H. de Audigier: Ueber Visitkarten-Portraits (Übersetzung eines Beitrages aus der Zeitschrift ‚Partie‘), in: Photographisches Journal. 8. Jg., Leipzig 1861, S. 15–17, hier: S. 16. 168 Vgl. Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 260.
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lierte in privaten und öffentlichen Kontexten, wobei sie über den Namen des Autors mit seinem Werk verbunden war. Autoren verbreiteten ihre Porträts unter ihren Bekannten und konnten damit selbst steuern, welches Bild diese von ihnen verlangten. Sie verloren diese Kontrolle jedoch zunehmend durch die anonyme öffentliche Verbreitung von Bildern, wie es sich auch bei anderen Prominenten beobachten lässt. Die Handschrift erweiterte die Zuordnungsfunktion des Namens um die Aura. Der Name des Autors war bei den frühen Autorenfotos nicht immer schriftlich an das Bild gebunden. Bei Prominentenporträts im Sammelbild oder in Porträtsammlungen kam es zwar vor, dass der Name der porträtierten Person auf den Bildträger gedruckt war, grundsätzlich begleitete der Name das Porträt jedoch mit einem gewissen räumlichen Abstand durch die mündliche Übertragung. Mit den Kategorien von Genettes Paratext-Theorie ist das frühe Autorenfoto räumlich als Epitext beschreibbar, da es sich nicht im direkten Umfeld des Textes befindet. Durch den Namen des Autors ist es jedoch dem Text zugeordnet. Pragmatisch betrachtet handelt es sich um einen zugleich privaten als auch öffentlichen Paratext. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Autorenfoto zunächst direkt vom Autor verbreitet wird oder von Fotografen als Sammelfoto oder innerhalb von Porträtsammlungen. Das frühe Autorenfoto ist also noch kein verlegerischer Paratext. Eine vermittelnde Rolle hatten die Fotografen inne, insofern könnte man von einem fotografischen Paratext sprechen. Letztlich weist die soziale Gebrauchsweise des Autorenfotos nicht in Bezug auf ihre Zirkulationsweise eine Spezifik auf, sondern dadurch, dass sie auf einen Text verweist; durch ihren paratextuellen Charakter.
3.3.3 Autor und Autorenfoto Die Funktionen des frühen Autorenfotos als öffentlicher und privater Paratext erschließen sich aus der Ikonografie und Gebrauchsweise im Zusammenhang mit der sozialgeschichtlichen Veränderung der Rolle des Autors in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte des Autors im 19. Jahrhundert ist durch zwei Professionalisierungstendenzen geprägt: Die Einbindung des Schriftstellers in den Literaturmarkt und die Verrechtlichung seiner Position gegenüber den Vermittlern von Literatur.169 Autoren wurden in der Folge zunehmend an den finanziellen Erträgen ihrer Veröffentlichungen beteiligt, was sie zu »Marketing-Managern ihrer selbst«170 machte. Auch daher hatten sie ein gesteigertes Interesse an ihrer eigenen Publizität. Der Autonomiestatus 169 Vgl. Rolf Parr u. Jörg Schönert: Autoren. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1871–1918, Teil 3, hrsg. von Georg Jäger (Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert 1), Berlin u. a.: Walter de Gruyter 2010, S. 342–408, hier: S. 345. 170 Ebd., S. 374.
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des freien und professionalisierten Autors war allerdings von einer Dialektik geprägt: Die Unabhängigkeit von Mäzenen und Förderern bedeutete eine neue Abhängigkeit vom Markt der literarischen Güter. Damit veränderte sich die Funktion der Instanzen der Literaturvermittlung. Verlage, Literaturkritik und Theater wurden in der Vermittlung zwischen Autor und Leser immer wichtiger.171 Die Kommunikation zwischen Autoren und Publikum erfolgte nun zunehmend über die Instanzen der Literaturvermittlung, wobei das Autorenfoto als ein Medium dieser Kommunikation betrachtet werden muss. Dieses Medium macht den vom Leser entrückten Autor wieder nahbar. Die Professionalisierung des Autors, seine Einbindung in die Arbeitswelt korrelierte mit dem Selbstverständnis des freien Schriftstellers. Es wurde durch zwei Größen bestimmt, die einander zuwider laufen: »Beruf und Berufung«172. Der Beruf des freien Schriftstellers ermöglichte es (zumindest manchen Autoren) vom Ertrag des Schreibens zu leben. Damit war allerdings häufig eine Einschränkung der Produktion bzw. des Schaffens durch die Vorgaben von Literaturvermittlung und Publikum verbunden. Autoren wurden beauftragt und in Arbeitsprozesse eingebunden und waren nicht (mehr) nur ihren eigenen Eingebungen verpflichtet, wie es einer Berufung entsprechen würde. Sie gingen mit den neuen Anforderungen und Möglichkeiten unterschiedlich um, ein verbindendes Selbstverständnis des Autors gab es in der Moderne nicht mehr. Ihre Selbstwahrnehmung entwickelte sich zwischen den Extremen Beruf und Berufung. Ebenso vielgestaltig ist die Reputation der Autoren, was sich in den vielen Bezeichnungen offenbart, die für unterschiedliche Autortypen im späten 19. Jahrhundert gängig waren: Dem »Dichter«, in dessen Berufsbezeichnung künstlerischer Anspruch und Genius impliziert ist, stehen der »Literaturfabrikant« und der »Literaturproduzent«173 gegenüber, bei denen die Autorschaft als Beruf mit merkantilen Interessen verstanden wird. Für den Autor bedeutete die Expansion des Buchmarktes und der Leserschaft, dass er sich zunehmend einer anonymen Öffentlichkeit gegenüber sah. Er musste sich in dieser neuen Öffentlichkeit gegen seine zahlreichen Konkurrenten durchsetzen. Die Kommunikation und Durchsetzung mit und in dieser Öffentlichkeit fand ebenso in den Werken statt wie mithilfe der Positionierung der Autorfigur im literarischen Feld. Die Inszenierung des Autors im Paratext wurde für den Autor auf dem Massenmarkt zu einem Kommunikationsmittel mit der literarischen Öffentlichkeit. In dieser Situation eröffnete das Autorenfoto einen Raum zur visuellen Inszenierung und mit seiner Verbreitung verband sich die Möglichkeit, die eigene Bekanntheit zu steigern. Die medialen Eigenschaften der Fotografie verliehen der bildlichen Darstellung des Autors Authentizität und Aktualität. Das fiktive und idealisierte 171 Vgl. Neuschäfer: Das Autonomiestreben und die Bedingungen des Literaturmarktes, S. 81. 172 Gunther E. Grimm: Einleitung. Zwischen Beruf und Berufung – Aspekte und Aporien des modernen Dichterbildes, in: Metamorphosen des Dichters. Hrsg. v. dems., S. 7–15; Britta Scheideler: Zwischen Beruf und Berufung. 173 Vgl. Parr u. Schönert: Autoren, S. 356.
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Autorbild wurde abgelöst durch ein Bild, dessen Genauigkeit die Präsenz des Autors als »Es-ist-so-gewesen« bestätigte. »Jede Inszenierung [...] ist eine Inszenierung von Gegenwart.«174 – so auch die fotografische Inszenierung des Autors. Die Aktualität der Darstellung verband sich mit dem Erinnerungsanspruch des Bildmediums. »Aus dem Bild des Nachruhms wird ein zeitgenössisches, eine aktuelle Nachricht.«175 Private Fotoalben und Porträtsammlungen berühmter Zeitgenossen verbanden beide die kulturelle Erinnerung mit dem Nachrichtenwert des aktuellen Porträts, das als Ergänzung zu den Taten berühmter Personen rezipiert wurde. Die Besonderheit des Autorenfotos besteht in seiner Anbindung an das literarische Werk. Durch den Namen des Autors war es lose mit seinem Text verbunden und fungierte als Paratext. Die Inszenierung der Autorschaft wurde genutzt, um die Bekanntheit des Autors in einem anonymen Literaturbetrieb zu steigern. Gleichzeitig ließ sich vor der Linse des Fotografen die Berufung des Autors darstellen, wobei auf Posen und Requisiten aus der tradierten Ikonografie des Autors zurückgegriffen wurde, die im Kontext mit den zeitgenössischen Darstellungskonventionen des Porträts gesehen werden müssen. Das Fotografiertwerden und die Verbreitung der eigenen Fotografie wurden als kommunikative Akte verstanden. Ikonografie und Gebrauchsweise des frühen Autorenfotos zeugen in vielen Fällen von dem Bewusstsein, sich mit dem Objektiv zugleich einer Öffentlichkeit zu stellen, deren Mitglieder auch Unbekannte sein konnten. Dies offenbart sich anhand der repräsentativen Kleidung ebenso wie anhand der eingenommenen Posen. Die Ikonografie des Autors in der frühen Fotografie unterscheidet sich dabei in vielen Punkten nicht von anderen zeitgenössischen Porträts. Posen und Blicke trugen dabei ebenso wie die Kleidung und die vorhandenen Requisiten zu einer sozialen Nivellierung bei, die Unterschiede wurden im Bild aufgehoben. Dadurch steigert sich die Nähe zwischen dem porträtierten Autor und dem anonymen Betrachter, die durch den Effekt des Angeblicktwerdens aus manchen Aufnahmen noch gesteigert wird. Nichtsdestotrotz ermöglichte die Fotografie die Inszenierung des Autors durch Abweichungen von der Porträtnorm, die sich zwischen den normativen Posen erst langsam entwickelten. In der entspannten Haltung Nestroys oder in Gutzkows lässiger Geste der Hand in der Hosentasche zeigen sich Abweichungen von der normativen Darstellung, die noch mit einem bürgerlichen Repräsentationswillen gepaart sind. Im Umgang mit den Requisiten der schriftstellerischen Arbeit, der an die tradierten Elemente der Porträtmalerei anknüpfte und sie in das neue Medium überführte, offenbart sich eine Spezifik des Autors. Die Inszenierung von Schreibsituationen beglaubigte die Autorschaft mit den Mitteln der Fotografie. Die Variationsbreite der Ikonografie des Autors zwischen Bürgerlichkeit und Genieästhetik verbildlicht das dichterische Selbstverständnis. Inwiefern sich Autoren der Kamera öffneten und sich ihr zuwandten, wurde zum Indikator für ihre Bereit174 Seel: Inszenieren als Erscheinenlassen, S. 53. 175 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 181.
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schaft, sich dem Publikum zu zeigen. Die offenkundige Selbstinszenierung der Zugänglichkeit durch den Blick in die Kamera und die Zuwendung zum Betrachter verweist dabei auf ein Selbstverständnis, das eher dem Beruf des Schriftstellers entspricht, während die Inszenierung von würdevollen Darstellungen in scheinbarer Ignoranz der Kamera ebenso wie der aktive Umgang mit den Requisiten des Autors auf dessen Berufung verweisen. Das Autorenfoto entstand als ein Mittel, die eigene Unabhängigkeit und auch den eigenen Genius selbstbewusst zur Schau zu stellen. Zugleich manifestierte es durch seine öffentliche Zirkulation die neue Rolle des Autors in der Öffentlichkeit als Manager seiner selbst. In der Öffentlichkeit des Autorenfotos ist die Ambivalenz von selbstbestimmter Darstellung und fremdbestimmten Anforderungen an eine Rolle bereits eingeschrieben, die Walter Benjamin in seiner Baudelaire-Studie für den Autor als Ware skizzierte: »Baudelaire wußte, wie es um den Literaten in Wahrheit stand: als Flaneur begibt er sich auf den Markt, wie er meint, um in anzusehen, und in Wahrheit doch schon, um einen Käufer zu finden.«176
3.3.4 Die fotografische Inszenierung des Autors als Romanfigur: Karl May Karl May wurde bereits ausgiebig als Sonderfall der Autorinszenierung untersucht.177 Auf diese Forschungsbeiträge sowie die ergiebigen Materialsammlungen zu Leben und Werk des Autors stützen sich die folgenden Überlegungen, die Karl Mays fotografische Inszenierung bei aller Einzigartigkeit nicht als Einzelphänomen, sondern aus den Gebrauchsweisen des Autorenfotos im 19. Jahrhundert heraus verstehen. Der Umgang Karl Mays mit seinen Porträtfotografien verwischt die oben eingeführte Trennung zwischen öffentlicher und privater Kommunikation. An der Verbreitung seiner fotografischen Selbstinszenierungen lassen sich Grenzüberschreitungen in die eine und andere Richtung beobachten. Sie machen Karl May nicht nur zu einem frühen Beispiel der fotografischen Selbstinszenierung, sondern verdeutlichen zudem den Ursprung der fotografischen Inszenierung des Autors in der Porträtkultur des 19. Jahrhunderts sowie in der veränderten Rolle des Autors in der Moderne.
176 Walter Benjamin: Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus, Zwei Fragmente, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1969, S. 34. 177 Vgl. Rolf H. Krauss: Karl May und die Fotografie. Vier Annäherungen, Marburg: Jonas 2011; Helmut Schmiedt: Karl May – ein früher Popstar der deutschen Literatur. In: Schriftsteller-Inszenierungen. Hrsg. v. Grimm u. Schärf, S. 59–70; Sabine Beneke u. Johannes Zeilinger (Hrsg.): Karl May. Imaginäre Reisen (Ausstellungskatalog), Bönen: Kettler 2007; Gerhard Klussmeier u. Hainer Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit. Bilder, Texte, Dokumente, Eine Bildbiografie, Bamberg u. Radebeul: Karl May Verlag 2007.
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Der ungemein erfolgreiche Reiseschriftsteller Karl May178 war einer der ersten Autoren, die die neuen medialen Möglichkeiten zur öffentlichen Inszenierung der eigenen Person systematisch ausnutzten. Neben der Selbstinszenierung in den eigenen Texten und bei öffentlichen Auftritten nutzte Karl May auch die Fotografie, um ein Bild von sich zu vermitteln. Dass er die neuen medialen Möglichkeiten auf theatralische Weise nutzte, ist dabei aus der Zeit heraus auch als ein Ausprobieren und Ausloten sich eröffnender Inszenierungsmöglichkeiten zu verstehen. Was Karl May bis heute zu einem verschroben bis närrisch wirkenden Sonderfall der Autorinszenierung macht, ist die Behauptung: »Ich bin wirklich Old Shatterhand resp. Kara Ben Nemsi und habe erlebt, was ich erzähle.«179 Die Selbstinszenierung des Autors als Romanfigur täuscht den »autobiographischen Pakt«180 zwischen Autor und Leser nur vor, denn die Romane um Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi sind fiktionale Texte, die als autobiografische Reiseerzählungen ausgegeben wurden. Zwischen 1895/96 und 1900 – auf dem Höhepunkt seiner Popularität – trat der Autor auch in der Öffentlichkeit als weit gereister Erzähler auf.181 Die »Old-ShatterhandLegende«182 gründete sich aber nicht allein auf die Selbstinszenierung Karl Mays; auch die Redaktion der katholischen Familienzeitschrift Deutscher Hausschatz, deren Hausautor May war, und der Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld, der Mays Werk ab 1892 betreute, waren daran maßgeblich beteiligt. Bereits 1884 wurden ausbleibende Fortsetzungen von Karl Mays Reiseerzählungen im Deutschen Hausschatz durch die ausgedehnten Reisen des Autors begründet.183 In der Buchausgabe wurden die Reiseromane 1896 Reiserzählungen genannt und damit der Hinweis auf die Fiktionalität getilgt.184 Die Old-Shatterhand-Legende wurde von zahlreichen Bildbeweisen gestützt: Karl May ließ sich wiederholt als Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi kostümiert fotografieren. 101 Aufnahmen hat allein der Linzer Amateur-Fotograf und begeisterte Karl-May-Leser Alois Schießer 1896 von May in Dresden angefertigt.185 Ursprünglich waren Schießers Bilder für die Veröffentlichung in einer Sondernummer im
178 Die 1892 begonnenen Buchaugabe der Sämtlichen Reiseromane (später: Reiseerzählungen) Karl Mays im Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld erreichte bis zur Jahrhundertwende eine Gesamtauflage von 722.000 Bänden, Mitte der 1890er Jahre erhielt der Autor bereits ein Jahreshonorar von 60.000 Mark. Vgl. Gert Ueding u. Klaus Rettner: Karl-May-Handbuch. 2., erw. u. bearb. Aufl., Würzburg: Königshausen & Neumann 2001, S. 94–95. 179 Karl May: Brief an einen Leser vom 15.04.1898. In: Karl May. Imaginäre Reisen, hrsg. v. Beneke u. Zeilinger, S.85. 180 Philippe Lejeune: Der autobiographische Pakt. (es 1896), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994. 181 Vgl. Rolf H. Krauss: Der Schriftsteller als Star. In: Ders.: Karl May und die Fotografie, S. 45–56, hier: S. 46–48. 182 Helmut Schmiedt: Karl May – ein früher Popstar der deutschen Literatur, S. 60. 183 Vgl. Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 213. 184 Krauss: Der Schriftsteller als Star, S. 47. 185 Vgl. Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 2 84.
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Deutschen Hausschatz geplant,186 letztlich wurde das umfangreiche Bildmaterial aber auch darüber hinaus genutzt, wobei neue Verwendungskontexte für das Autorenfoto erst erschlossen wurden. Karl Mays Kostümbilder sind frühe Beispiele für explizite Autorenfotos, die bereits im für die Selbstinszenierung des Autors entscheidenden Moment der Bildentstehung für die öffentliche Verbreitung bestimmt waren. Eine der Old-Shatterhand-Aufnahmen Alois Schießers zeigt Karl May als Ganzfigur in voller Kostümierung:187 In Lederkluft gekleidet steht er aufrecht vor einer gemalten Kulisse, er hält mit der rechten Hand ein Gewehr, die linke ist in die Seite gestützt. Um den Oberkörper ist ein Lasso geschlungen, das Revolverholster am Gürtel vervollständigt die Ausrüstung. Der Leser erkennt in dieser abenteuerlustig anmutenden Erscheinung Old Shatterhand und identifiziert das Gewehr als Winnetous Silberbüchse.188 Die Kostümierung ist mit Details aus den Texten gespickt. Sie erhält dadurch illustrativen Wert. Text und Bild verweisen gegenseitig aufeinander und beglaubigen einander – der fotografische Wirklichkeitseffekt trägt dazu bei. Ebenso funktioniert die Inszenierung des Autors als Kara Ben Nemsi.189 An die Öffentlichkeit gelangten diese und ähnliche Aufnahmen auf zwei Wegen: Als Illustration in Büchern, Zeitschriften und Verlagsprospekten und als handsignierte Sammelkarten. Dabei bewegte sich die Fotografie des Autors über ihren bisherigen öffentlichen Verbreitungsradius hinaus und ging als Paratext auch eine räumlich enge Verbindung mit dem Text ein. Die Gebrauchsweisen der Autorenfotos weisen damit auf den im nächsten Kapitel zu untersuchenden Eingang des Autorenfotos in den verlegerischen Paratext voraus.190 So veröffentlichte der Deutsche Hausschatz 1896 ein Ganzfigurporträt Old Shatterhands auf der Titelseite als Illustration zu Karl Mays Freuden und Leiden eines Vielgelesenen mit der Bildunterschrift »Karl May – Old Shatterhand mit Winnetous Silberbüchse«191 .192 Eine ähnliche Aufnahme von 1896 wurde als Frontispizporträt im dritten Band von Old Surehand bei Fehsenfeld verwendet. Auch hier weist die Bildunterschrift Karl May als Old Shatterhand und das Gewehr als Winnetous Silberbüchse aus.193 Fehsenfeld experimentierte früh mit neuen Verwendungskontexten für die Fotografie des Autors. Der Autor selbst regte ihn dazu an und beteiligte sich 186 Vgl. May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld, S. 203. 187 Vgl. Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 2 85. (Abb.: http://www.karl-maygesellschaft.de/kmg/fotos/kostuem/os2.jpg) 188 Karl May ließ sich 1896 mehrere Gewehre anfertigen, die er als »Bärentöter«, »Silberbüchse« und »Henrystutzen« ausgab. Vgl. Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 2 82–283. 189 Vgl. ebd., S. 2 86. 190 Siehe: 3.4 Das Autorenfoto in der visuellen Öffentlichkeit um 1900 u. 4 Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext. 191 Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 295. 192 Vgl. ebd. (Zuvor waren im Deutschen Hausschatz bereits mehrere Zivilaufnahmen des Autors veröffentlicht worden; vgl. ebd, S. 215.) 193 Vgl. ebd., S. 297. (Siehe: 4.2.2 Das Frontispizporträt als erster Verwendungskontext des Autorenfotos )
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aktiv an der Entstehung, Auswahl und Kontextualisierung der Bilder.194 1897 setzte er eine weitere Old-Shatterhand-Fotografie als Blickfang in einem Werbeprospekt ein, das als Beilage im Deutschen Hausschatz erschien.195 Das Autorenfoto – ein Hüftstück des kostümierten Mannes, der aus leichter Untersicht aufgenommen wurde – bildet den Mittelpunkt der einseitigen Beilage mit der Überschrift »Karl May’s Gesammelte Reiseerzählungen sind Das beste Geschenk für die deutsche Familie«196. Darunter ist die handschriftliche Unterschrift der Doppelperson zu lesen: »Old Shatterhand. / Dr. Karl May.«197. Die handschriftliche Widmung der Fotografie als Element der privaten Gebrauchsweise des fotografischen Porträts wird auch in der Buchwerbung übernommen und die originäre Handschrift des Autors geht in die Reproduktion ein – ohne dabei die Aura der Echtheit und den Effekt der Beglaubigung des Abgebildeten ganz zu verlieren. Die Fotografie repräsentiert den Autor, sie dient hier als sein Stellvertreter. Neben der Fotografie sind die einzelnen Bände von Mays Reiseerzählungen aufgeführt, wodurch diese nicht nur von der doppelten Unterschrift konnotiert wird, sondern auch von den Buchtiteln. Auch in diesem Fall verweist die Fotografie des Autors auf den Text. Die Beispiele veranschaulichen die frühe paratextuelle Verwendung der Autorenfotos. Ihre Kontextualisierung mit den Texten des Autors führt zu einer unmittelbaren Verschränkung des imaginären Autorbildes mit der fotografischen Ansicht und befestigt dabei den autobiografischen Pakt. Auch die Angaben »Reiseerlebnisse von Karl May« und »Mit einem Porträt Old Shatterhands«198 sowie die zweifache Unterschrift des Autors tragen dazu bei. Wie die Bildunterschriften konnotieren diese Informationen die Fotografie und weisen der fotografierten Person die doppelte Identität als Autor und Erzähler zu. Ohne diese Konnotation würden die Bilder schlichtweg als Illustrationen oder als Kostümaufnahmen erscheinen. Neben der noch neuen Verwendung des Autorenfotos in Buch und Zeitschrift wurden Aufnahmen von Karl May in den 1890er Jahren auch in großem Stil über den Buchhandel verbreitet. Diese Form der öffentlichen Verbreitung ist nicht ungewöhnlich für das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts. Neu ist jedoch die Professionalität des Vertriebs. Aus den 101 Aufnahmen von Schießer wurden zwölf für den Vertrieb als signierte Bildpostkarten ausgewählt. Der Interessent konnte die Bilder einzeln erwerben und mit Hilfe von Auflistungen, die in Inseraten enthalten waren, entschei194 Vgl. Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld. Bd. I, 1891–1906, hrsg. v. Dieter Sudhoff u. Hans-Dieter Steinmetz (Karl May’s Gesammelte Werke und Briefe 91), Bamberg u. Radebeul: Karl-May-Verlag 2007, S. 206 u. 231. 195 Vgl. Karl May’s Gesammelte Reiseerzählungen Sind das beste Geschenk für die deutsche Familie. Freiburg i. Br.: Friedrich Ernst Fehsenfeld 1987 (Pr); Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 331. (Siehe zum Autorenfoto in der Buchwerbung: 4.2 Das Autorenfoto im verlegerischen Peritexts) 196 Ebd. 197 Ebd. 198 Ebd.
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den, in welcher Pose und Umgebung er den Autor sehen wollte.199 Sechs der Aufnahmen zeigen Karl May in den »Originalkostümen, die Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi auf seinen gefahrvollen Weltreisen trug«200, wie es in einer Anzeige heißt. Auf den übrigen sechs Aufnahmen ist der bürgerlich gekleidete Karl May in seinen Wohnräumen zu sehen, wahlweise in der Bibliothek oder im Arbeitszimmer, mit und ohne Schreibtisch, »auf dem Sopha lesend«201 und schreibend. Das Arbeitszimmer als Aufnahmeort gemahnt an die Darstellungstradition des Gelehrten im Gehäus, die jedoch in den einzelnen Bildern mit der Inszenierung des Autors als Romanfigur einher geht. Während die Aufnahme Karl Mays in seiner Bibliothek dem klassischen Gehäusbild entspricht und ihn als bürgerlichen Schriftsteller erscheinen lässt,202 dem der (zu Unrecht geführte) Doktortitel gut zu Gesicht steht, erwecken die Aufnahmen des Autors im Arbeitszimmer einen ganz anderen Eindruck. Die Variante »Herr Dr. Karl May in seinem Arbeitszimmer auf dem Sopha lesend ohne Schreibtisch«203 beispielsweise erscheint eher wie eine Interieuraufnahme aus dem Völker- oder Naturkundemuseum als aus dem Arbeitszimmer eines Autors:204 Zwischen ausgelegten Bärenfellen, einem ausgestopften Löwen, dem über der bürgerlichen Blümchentapete an der Wand befestigten Leopardenfell und allerlei Gewehren, Trophäen, Pflanzen und Teppichen ist der lesende Autor am rechten Bildrand kaum auszumachen. Dieses üppige Arbeitszimmer leistet einen geschickten Beitrag zur Doppelinszenierung des Autors als Gelehrter (zurückgezogen liest er auf seinem Sofa) und Weltreisender (die Objekte sind Souvenirs der fingierten Abenteuer). Eines der Bilder hat Karl May selbst erläutert: Über meinem Kopfe Winnetous Silberbüchse, links am Fenster der doppelläufige Bärentödter, am anderen Fenster der kleine Henrystutzen; das sind die 3 berühmtesten Gewehre der Welt. Vom Schreibtisch herunter hängt meine Häuptlingsflagge, ein einziges Stück Baumbast, mit Menschenblut bemalt, jedes Viereck mit dem Blute eines Feindes, den ich im Nahkampf mit dem Messer erlegt habe. Darunter ein von mir nur mit dem Messer genickter wilder Büffel. Links unten ein selbstgeschossener Grizzlybär. Oben der selbsterlegte afrikanische Löwe; über demselben der Fuß des Rhinoceros, auch selbst geschossen; darüber ein Panther, welcher mich während des Schlafes überfiel. Hoch oben über mir der Kopf eines Elks, aus dessen Fell mein Prairie-Anzug gefertigt worden ist.205
199 Vgl. Abbildung einer Anzeige des Fotografen Adolf Nunwarz im Katholischen Litteraturkalender 1896 in: Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 2 84. 200 Ebd. 201 Ebd. 202 Vgl. ebd., S. 291. 203 Ebd., S. 2 84. 204 Vgl. ebd., S. 292. 205 Dieter Sudhoff u. Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik. Bd. I, 1842–1896, Bamberg u. Radebeul: Karl May Verlag 2005, S. 520.
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Die bizarre Schilderung der in Wahrheit zusammengekauften Sammlung zeigt, dass sie nicht nur als Kulisse für Aufnahmen und repräsentative Anlässe diente, sondern dass das Arrangement dieser Objekte für May identitätsstiftend war. Die Konnotation der fotografierten Objekte ist durch den Autor gesteuert, der die dem Leser bekannte fiktive Welt in seiner »Villa Shatterhand« sozusagen nachgebaut hat. Zu der räumlichen Inszenierung kommt die offenkundige Inszenierung im Moment der Bildentstehung, die sich deutlich an der Position des präparierten Löwen zeigt. Diese variiert zwischen den Versionen »Herr Dr. Karl May in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch (hoch)«206 und »auf dem Sopha lesend ohne Schreibtisch«207; einmal steht er auf Augenhöhe mit dem schreibenden Autor neben dem Schreibtisch, das andere Mal neben dem Sofa. Die Auswahl der zwölf Autorenfotos von Alois Schießer wurde von dem ebenfalls in Linz ansässigen Atelierfotografen Adolf Nunwarz ausgearbeitet und vertrieben. Karl May steuerte dazu das Kapital bei und war am Umsatz der Aufnahmen mit beachtlichen 50–75 Prozent beteiligt.208 Nunwarz vertrieb die Abzüge, die sämtlich eigenhändig vom Autor signiert wurden, postalisch. Die Barauslieferung für größere Bestellungen aus dem Sortimentsbuchhandel übergab er an den Linzer Buchhändler Fidelis Steurer, der 1897 im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel inserierte: Hervorragende Neuheit. Bitte zu beachten. Photographieen [sic] von Dr. Carl May, dem berühmten und wohl beliebtesten Reiseschriftsteller der Gegenwart, mit seiner eigenhändigen Unterschrift [Hervorhebung im Original] sind unter Vorbehalt aller Urheberrechte seitens der Verlagsfirma A. Nunwarz, Urfahr-Linz in nachstehenden Ausgaben erschienen [...],209
worauf eben jene Auflistung der Auswahl folgt, die auch Nunwarz in seinen Anzeigen verwendete.210 Die Zusammenarbeit mit Nunwarz und Steurer, an der sich Karl May als Geschäftspartner beteiligte, währte aufgrund von finanziellen Differenzen nur bis 1897. Danach vertrieb der Dresdener Max Welte, der Karl May ebenfalls in Kostümierung ablichtete,211 in einem eigens gegründeten Photographie-Verlag Porträts des Autors. Auch der Verleger Fehsenfeld partizipierte auf mehrfache Anregung Mays hin am Geschäft mit dem Porträt des Autors. Die Herausgabe einer eigenen, aus Illustrationen und Fotografien bestehenden Postkartenserie war das zentrale Thema in der brieflichen Kommunikation zwischen Autor und Verleger zwischen Januar und
206 Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 2 84. 207 Ebd. 208 Vgl. Krauss: „Visitenkarten zu Tausenden“, S. 66–70. 209 Photographieen von Dr. Carl May. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und verwandte Geschäftszweige. Nr. 101 vom 04.05.1897, S. 3279 (Az). 210 Vgl. ebd., S. 284. 211 Vgl. ebd., S. 303.
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August 1898.212 Der Autor tritt auch hier als selbstbewusster Geschäftspartner auf, der den große Bedarf nach Bildern bei den Lesern zu nutzen weiß und dem Verleger Anregungen zu Bildauswahl, Herstellung und Vertrieb erteilt.213 Der Verleger wiederum erkannte den zweifachen Nutzen einer Postkartenserie als Werbung und Geschäft: »In Betreff der Postkarten habe ich einen Plan gefaßt, der hoffentlich ihre Beistimmung finden wird umsomehr, da er eine ungeheure Reklame für unsere Ausgabe macht und gleichzeitig, wie ich bestimmt glaube, einen bedeutenden Nutzen abwerfen wird.«214 Die Postkartenserie Fehsenfelds von 1898 bestand allerdings vornehmlich aus Illustrationen zu den Büchern und enthielt lediglich zwei Porträts des Autors. Den Markt für eigenhändig signierte Porträtaufnahmen verfehlte Fehsenfeld damit.215 Auch wenn der Vertrieb signierter Porträtkarten den finanziellen Hoffnungen Karl Mays und seiner Partner nicht entsprochen haben mag, war die weite Verbreitung derselben, die für die 1890er Jahre auf Tausende von Exemplaren geschätzt wird, sicher maßgeblich an dem frühen Star-Status des Autors beteiligt.216 Die Fotografie erwies sich dabei nicht nur als Medium der Autorpräsenz, sondern sie beglaubigte die Inszenierung des Autors als Romanfigur durch den fotografischen Wirklichkeitseffekt. Dass Karl May überhaupt als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi dargestellt wurde, ist nicht allein auf das finanzielle Kalkül des Autors und seiner Verleger zurückzuführen. Vielmehr ist dieses Kalkül eine Reaktion auf den immer dringender werdenden Wunsch der Leserschaft nach dem fotografischen Porträt des Autors. Die Leser sind die eigentlichen Auftraggeber der Porträts. So ist bereits die Entstehung der 101 Aufnahmen von Alois Schießer 1896 auf den Bildbedarf der Leser zurückzuführen. Karl May berichtete seinem Verleger: »Meine Leser drängen nach Photographien; ich ließ mir darum einen Verehrer (natürlich Photograph) kommen, der 101 Aufnahmen von mir gemacht hat.«217 In Freuden und Leiden eines Vielgelesenen, einer autobiografischen Schrift, die 1896 im Deutschen Hausschatz veröffentlicht wurde (und auch mit mehreren Autorenfotos illustriert war)218 beklagte sich May im selben Jahr öffentlich über das Ausmaß und die finanziellen Folgen der Leseranfragen: 212 Vgl. May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld, S. 241–260. 213 Vgl. ebd., S. 247–248. 214 Ebd., S. 253. 215 Vgl. Kraus: „Visitenkarten zu Tausenden“, S. 70; Klussmeier u. Plaul: Karl May und seine Zeit, S. 332–333. 216 Vgl. ebd., S. 72. 217 May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld, S. 205. 218 Auch die Redaktion von der Deutsche Hausschatz begründete die Illustration des Artikels mit zahlreichen Fotografien des Autors mit dem Wunsch der Leser nach dem Bild des Autors und hebt dabei hervor, worauf sich dieser Wunsch richtet: „Herr Dr. Karl May ist dem Drängen so vieler seiner Verehrer endlich nachgekommen und hat eine Reihe von photographischen Aufnahmen anfertigen lassen, die nicht allein zeigen, „wie er aussieht“ – was so viele Leser und nicht wenige – Leserinnen so brennend gerne gewußt hätten – sondern auch wie er wohnt, liest und schreibt. Die Abbildungen der vorliegenden Nummer zeigen ihn uns als Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi, also in zwei Ge-
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In dieser und ähnlicher Weise bin ich im vorigen Jahre über 900 mal um mein Bild angegangen worden; im laufenden Jahr wird die Zahl der Begehrenden eine noch größere. Das ergibt Tausende von Mark, welche meine Leser in aller Unbefangenheit von mir verlangen. Daß der Photograph Nunwarz in Linz-Urfahr Bilder von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi verkauft, ändert nichts, man will sie umsonst von mir haben.219
Aus den Lesern waren »Begehrende« geworden, heute würde man sagen: Fans. Das entspricht der in der Forschung verbreiteten Auffassung von Karl May als vorzeitigem literarischem Star.220 Die zahlreichen Anfragen, von denen Karl May hier berichtete, haben ihn 1895 und 1896 erreicht, also teilweise vor der Publikation seiner Fotografien. Der Bedarf des Publikums nach der fotografischen Präsenz des Autors ergibt sich aus der Lektüre und geht mit der verbreiteten Bilderlust einher, die Walter Benjamins Diagnose an den Zeitgenossen der 1930er Jahre vorwegzunehmen scheint: Die Dinge sich räumlich und menschlich »näherzubringen« ist ein genau so leidenschaftliches Anliegen der gegenwärtigen Massen wie es ihre Tendenz einer Überwindung des Einmaligen jeder Gegebenheit durch die Aufnahme von deren Reproduktion ist.221
Bereits 1898 war im Deutschen Hausschatz Karl Mays Privatadresse veröffentlicht und die Voraussetzung für eine Flut an Leserbriefen geschaffen worden, die May persönlich und bald auf vorgedruckten Briefbögen beantwortete.222 Die Verbindung zwischen Autor und Leserschaft wurde dadurch eben nicht nur von den Instanzen der Literaturvermittlung organisiert, sie hatte durch den Briefverkehr einen persönlichen, ja privaten Anschein. Dieser wurde durch den sonst zwischen Freunden und Familienmitgliedern üblichen Austausch von Fotografien vollendet. In seinen Antwortbriefen an die Leser war nicht nur die gewünschte Fotografie des Autors enthalten, sondern auch serienmäßig eine »Ergebenste Bitte«: Bei meinen oft sehr lange währenden Reisen, welche mich von der Heimath fern halten, ist es mir unmöglich, die zwar in sehr erfreulicher aber oft auch überwältigender Zahl einlaufenden Sendungen sofort [Hervorhebung im Original] zu erledigen.
stalten, die den Lesern seit Jahren vertraut sind. Das Kostüm ist dasselbe, wie Karl May es auf seinen Reisen getragen hat.“ Das Interesse der Leser zielt neben der Physiognomie des Autors auf sein privates Lebensumfeld und die Authentizität ab. Redaktionelle Anmerkung in: Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. Teil II, in: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild. 23. Jg. (1896/97), Nr. 2, S. 17–31, hier: S. 31. 219 Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. Teil II, S. 19. 220 Vgl. Krauss: Der Schriftsteller als Star; Schmiedt: Karl May – ein früher Popstar der deutschen Literatur. 221 Benjamin: Kunstwerk, S. 15. 222 Vgl. Klussmeier u. Plaul (Hrsg.): Karl May und seine Zeit, S. 237.
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Und bei den innigen Geistes- und auch seelischen Beziehungen, in welche sich meine freundlichen Leserinnen und Leser zu mir gestellt haben, würde es mir sehr lieb sein, wenn ich recht oft durch Beilegung der Photographie für mein Leser-Album erfreut würde.223
Die derart vertraulich von dem verehrten Autor angesprochenen Leser zögerten offenbar nicht, ihre Porträts einzusenden. Karl May bewahrte diese in einem eigens angefertigten Fotoalbum auf und notierte häufig auch Namen und Beruf der Abgebildeten. Das Leseralbum wurde in der Bibliothek der Villa Shatterhand aufbewahrt und Besuchern vorgeführt224 – ganz den bürgerlichen Gewohnheiten der 19. Jahrhunderts entsprechend, wenn auch im Allgemeinen nicht Leser, sondern Familienmitglieder und Berühmtheiten derart vorgezeigt wurden. Die Sammlung der Leserfotografien Karl Mays ist eine Sammlung von Sympathisanten, die in ihren Porträts stellvertretend anwesend waren. Sie erinnert an Gleims Freundschaftstempel in Halberstadt, in dem dieser im 18. Jahrhundert Porträts von Freunden und Gelehrten versammelt hatte, mit denen er Zwiesprache zu halten pflegte.225 Zugleich weist die Sammlung voraus auf die Fanseiten gegenwärtiger Stars im Social Network Facebook.226 Das Leseralbum Karl Mays, das heute mit 464 Porträts überliefert und ediert ist, bietet einen einzigartigen Einblick in die Zusammensetzung der Leserschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts.227 Freilich ist dieser Einblick insofern unvollständig, als sich längst nicht jeder Leser eine Porträtsitzung im Atelier leisten konnte.228 Es sind also vorwiegend die bessergestellten Leser des Erfolgsautors, deren Porträts darin versammelt sind. Die Porträts sind den Konventionen der Zeit entsprechend überwiegend Atelieraufnahmen im Bruststück oder als Ganzfigur. Nicht nur Einzelporträts sind darunter, auch viele Familienaufnahmen und Bilder von verschiedensten Gesellschaften. Die überlieferten und nachträglich rekonstruierten Identitäten der fotografierten Leser weisen die verschiedensten Berufe aus: eine Lehrerin, Professoren, Beamte, Forstmeister, Soldaten, Geistliche, Studenten. Männer finden sich unter den Lesern ebenso wie Frauen, Kinder wie Erwachsene und Greise. Aus dem Gros der Fotografien ragen mehrere Bilder heraus, die eine Inszenierung des Lesers erkennen lassen. Manche Leser ließen sich lesend fotografieren: So bei223 Abbildung des Briefkopfes in: Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld, S. 202. 224 Vgl. Hermann Wiedenroth, Hans Wollschläger, Volker Griese u. a.: Editorischer Bericht. In: Briefe. Bd. VI, Leseralbum, Teil II, hrsg. v. dens. (Karl Mays Werke, Historisch-kritische Ausgabe, hrsg. v. Hermann Wiedenroth u. Hans Wollschläger), Bargfeld: Bücherhaus 1998, S. 997–1018, hier: S. 1012. 225 Vgl. ebd., S. 1011; Kanz: Dichter und Denker im Porträt, S. 200. 226 Die Fanseiten des Socials Networks Facebook hätten Karl May vermutlich gefallen, ermöglichen Sie doch den interaktven Austausch zwischen Autor und Leser bzw. Fan, wozu auch der Austausch von Bildern zählt. Wie zahlreiche verstorbene Autoren ist auch Karl May bei Facebook vertreten. Vgl. Karl May bei Facebook. URL: http://de-de.facebook.com/pages/Karl-May/43713665717, [05.11.2012]. 227 Es ist online einsehbar über die Website der Karl May Gesellschaft: http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/fotos/leser/frame.htm, [05.11.2012]. 228 Vgl. Wiedenroth, Wollschläger, Griese u. Grunert: Editorischer Bericht, S. 1011.
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spielsweise eine Dame mit Hündchen, ein junger Herr, der auf einer Balustrade lehnt und der Fotograf Nunwarz.229 Die Aufnahmen sind nicht zwangsläufig Inszenierungen für das Leseralbum, denn der fotografierte Leser gehört zum Standardrepertoire der festegelegten Porträtposen und es ist davon auszugehen, dass die meisten der eingesandten Bilder nicht eigens für diesen Anlass aufgenommen worden sind. Es gibt jedoch Ausnahmen; so etwa ein junger Mann, der lesend und rauchend vor einer repräsentativen Bücherwand aufgenommen wurde. Im Regal sind die Buchrücken der Gesammelten Reiseerzählungen erkennbar und eine daneben aufgestellte Porträtpostkarte Old Shatterhands.230 Hier spiegeln sich die fotografischen Inszenierungen von Autor und Leser ineinander. Oder die beiden Jungen, die vor der Linse des Fotografen gar eine Art Karl-May-Schaufenster aufgebaut haben, mit einem Bücherregal und zahlreichen aufgestellten und aufgeschlagenen Büchern, deren Illustrationen sichtbar sind. Im Vordergrund auf einem am Boden liegenden Tierfell ein selbstgeschriebenes Plakat mit der Aufschrift »Wir lesen nur Dr. Karl May’s Reiseerzählungen«231. Der eine Junge lehnt stehend am Bücherregal und hat die linke Hand auf ein Buch gelegt, während der andere sitzend in einem aufgeschlagenen Buch blättert. Beide blicken in die Kamera – zum Autor hin. In einigen Leserbildern wird an die Inszenierung des Autors direkt angeknüpft: Ingesamt sieben Aufnahmen zeigen kostümierte Leser wahlweise in Indianer- oder Cowboymontur.232 Etwa zwei Mädchen in Wildwestkleidung, von denen eine ein Gewehr hält, zwei Jungen vor einem Indianerzelt im Freien oder ein junger Old Shatterhand mit Hut und aufgestelltem Gewehr im Atelier. Auch zwei erwachsene Männer sind kostümiert aufgenommen: Ein entschlossen wirkender junger Mann in Lederkluft und ebenfalls mit Gewehr, dessen Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart die Erscheinung zurück ins Kaiserreich holt und ein weiterer junger bewaffneter Herr in ähnlicher Montur. Die Verkleidung der Leser ist eine äußerliche Projektion der eigenen Figur in die fiktive Romanwelt, die dem mentalen Eingehen in diese Welt beim Lesen äußerlich entspricht. Zugleich knüpft die Selbstinszenierung der Leser als Romanfigur an die Inszenierung des Autors als Old Shatterhand an. Die Fotografie eröffnet einen performativen Raum, in dem sich Autor und Leser begegnen. Diesen Effekt nutzen auch andere Leser, deren Fotografien dem Bild des Autors entsprechen: Einige Aufnahmen zeigen Reisende, etwa einen Herrn auf einem Kamel oder einen anderen auf einer Rikscha, die ihre Gemeinsamkeit mit dem weit gereisten Autor demonstrieren.233 Auch die zahlreichen Aufnahmen bewaffneter Jäger weisen die Porträtierten als Abenteurer aus.234 229 Vgl. Wiedenroth, Wollschläger, Griese u. Grunert (Hrsg.): Leseralbum, Teil I, S. 109 u. ebd., Teil II, S. 743 u. 861. 230 Vgl. ebd., Teil II, S. 715. 231 Ebd., S. 521. 232 Vgl. ebd., Teil I, S. 345, 381 u. Teil II, S. 527, 583, 783, 955, 957. 233 Vgl. ebd., Teil II, S. 537 u. 741. 234 Vgl. z. B. ebd., S. 651, 803.
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Die Porträtfotografien Karl Mays zeugen von der Bereitschaft des Autors zur Selbstdarstellung. Zugleich zeigen sie das Inszenierungspotenzial der Fotografie auf, das Karl May wie kein anderer Autor seiner Zeit zu nutzen wusste und dessen geschäftliche Dimension er früh erkannte. An der Zirkulation der Kostüm- und Autorenfotos in den 1890er Jahren zeigt sich noch einmal, wie der private Austausch von Fotografien auch Autor und Leser miteinander verband; das Autorenfoto und das mit ihm korrespondierende Leserfoto sind Medien der Nähe, der Verbindung von Autor und Leser. »Ich will Freund meiner Leser sein, weiter nichts«235, hatte Karl May in Freuden und Leiden eines Vielgelesenen geschrieben und im Austausch von Fotografien eine Möglichkeit erkannt und genutzt, diese Freundschaft zu realisieren. Diese durchaus private Verbindung und der immense Bedarf der Leser nach der Nähe zum Abbild löst sich mit der Kommerzialisierung des Autorenfotos und seiner öffentlichen Verbreitung in Büchern, Zeitschriften und Werbeanzeigen allmählich auf. Übrig bleibt die private Einsicht durch das Bild. Die öffentliche Verbreitung im Zusammenhang mit dem Text, die durch drucktechnische Innovationen erst in den 1890er Jahren möglich geworden war, wie das folgende Kapitel zeigt, findet hier ebenfalls erstmals statt.
3.4 Das Autorenfoto in der visuellen Öffentlichkeit um 1900 3.4.1 Illustrierte Massenpresse und Werbung: Die Entstehung der visuellen Öffentlichkeit Dass findige Verleger wie Friedrich Ernst Fehsenfeld in den 1890er Jahren das Autorenfoto für sich entdeckten und im verlegerischen Paratext einsetzten, ist keine singuläre Entwicklung. Sie ergibt sich unter anderem aus dem steigenden Porträtbedarf der Zeitgenossen. Der Einzug des Autorenfotos in den verlegerischen Paratext ist Teil der Entwicklung einer visuell geprägten Öffentlichkeit um 1900, die vor allem von der illustrierten Presse und der Werbung vorangetrieben wurde. Diese Entwicklung, die parallel zur Aufnahme des Autorenfotos in die Buchwerbung und Buchgestaltung verläuft, wird hier zunächst unter Berücksichtigung der öffentlichen Verbreitung des Autorenfotos skizziert. Die vielbeschworene Bilderflut, die sich im 20. Jahrhundert zur visuellen Kultur verdichtete, bildete eine zweite, »eine visuelle bzw. virtuelle Realität«236. Dadurch veränderte sich die Öffentlichkeit: »das öffentliche Bild hat heute den öffentlichen Raum abgelöst, in dem die soziale Kommunikation stattfand; die Funktion von Straße und 235 Karl May: Freuden und Leiden eines Vielgelesenen. Teil I, in: Deutscher Hausschatz in Wort und Bild. 23. Jg. (1896/97), Nr. 1, S. 1–6, hier: S. 3. 236 Gerhard Paul: Das Jahrhundert der Bilder. Die visuelle Geschichte und der Bildkanon des kulturellen Gedächtnisses, in: Das Jahrhundert der Bilder, Bd. II: 1949 bis heute, hrsg. v. dems. (Schriftenreihe 734), Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2008, S. 14–39, S. 25.
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Marktplatz haben jetzt Bildschirme und elektronische Anzeigen übernommen.«237 Dabei verschob sich die Grenze zwischen Realität und medialer Fiktion. »Längst wirkten die Gesetzmäßigkeiten dieser zweiten Medienwirklichkeit auf die Präsentation von Politik und Warenwelt zurück und bestimmten deren Stil.«238 Die Inszenierung der Wirklichkeit ist das Prinzip der Bildöffentlichkeit. Der Aufwand, der heute bei der Gestaltung von Wahlplakaten, Nachrichtenbildern und Prominentenporträts betrieben wird, belegt ebenso wie die Invasion privater Fotografien in Social Networks, dass wir längst daran gewöhnt sind, mit Bildern zu kommunizieren. Der Beginn dieser neuen Bildwahrnehmung lässt sich auf die Wende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert datieren. Bilder wurden zu einem zentralen Element der sich entwickelnden Massenkommunikation in der Moderne. In der illustrierten Presse entwickelte sich eine Bildkommunikation, die von der Illusion der eigenen Anschauung einer Nachricht oder eines Ereignisses durch die Fotografie getragen wurde. Die Welt wurde fotografiert und die Fotografien wurden reproduziert und konsumiert. Der Bereich der Werbung trug zunächst vor allem dazu bei, dass Bilder an immer mehr Orten zu sehen waren. Insbesondere in der Großstadt wurden die visuellen Eindrücke der Passanten durch Plakate, Schaufenster und Giebelreklamen geprägt. Hinzu kam die sichtbare Ausstellung von Waren; eine »Kultur des Zeigens«239 entstand, bei der sich Geschmackserziehung und Einübung der modernen Lebensart verbanden. Die Innovationen in der Reproduktionstechnik im 19. Jahrhundert hatten dafür die technischen Voraussetzungen geschaffen: Die Reproduktion von Bildern im Druck wurde in größeren Mengen mit gestiegener Qualität möglich und sie wurde günstiger. Die 1798 von Aloys Senefelder erfundene Lithografie war dazu bereits ein erster Schritt gewesen. Erweitert durch die 1837 entwickelten Chromolithografie für den farbigen Druck, ermöglichte die Lithografie die Ausbildung industrieller Bildbranchen, die sich der »Welt der kleinbürgerlichen Wohnzimmer« zuwandten und »zunehmend auch jene Konsumentenkreise [erschlossen; S.O.], die bislang in der Diaspora des Bildgebrauchs, jenseits der großen Kulturgespräche gelebt hatten.«240 Trägermedien der lithografischen Bilder waren Journalbeilagen, Bilderbögen, Kalender und Ansichtskarten. Außerdem das Plakat, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur wichtigsten Gebrauchsgrafik avancierte.241 Diese Bilder kursierten parallel zu den Fotografien, die erst mit der 1882 durch Georg Meisenbach patentierten Autotypie in größerem Ausmaß drucktechnisch reproduziert werden konnten. Das Verfahren verhalf der Fotografie zum Durchbruch als »das zentrale Illustrationsmedium«242; ab 237 Paul Virilio: Das öffentliche Bild. In: Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, hrsg. von Florian Rötzer (es 1599), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1991, S. 343–345, hier: S. 345. 238 Paul: Das Jahrhundert der Bilder, S. 25. 239 Gudrun M. König: Konsumkultur. Inszenierte Warenwelt um 1900, Wien u. a.: Böhlau 2009, S. 29. 240 Ebd., S. 107. 241 Vgl. ebd., S. 101–116. 242 Frank Heidtmann: Wie das Photo ins Buch kam. Der Weg zum photographisch illustrierten Buch anhand einer bibliographischen Skizze der frühen deutschen Publikationen mit Original-Photogra-
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den 1890er Jahren fand sie Eingang in Sachbücher, Zeitungen und Zeitschriften,243 wovon etwa die Bildverwendung der Karl-May-Porträtfotografien 1896/97 zeugt. Die Reproduktionstechnik steigerte die Präsenz von Bildern, die in immer mehr medialen Verbindungen kursierten und an immer mehr Orten anzutreffen waren. Wurden Bilder im 19. Jahrhundert für eine steigende Zahl an Menschen zugänglich, so wurden sie mit der Jahrhundertwende bald unumgänglich. Die bewusste Ausrichtung der Aufmerksamkeit des Rezipienten auf Bilder, die den frühen Gebrauch der Fotografie und den Umgang mit Sammelbildern kennzeichnet und bei der die Rezipienten lernten, Bilder zu lesen, war noch durch den Rezipienten gesteuert; er näherte sich dem Bild. Bald näherten sich die Bilder hingegen dem Rezipienten und beanspruchten seine Aufmerksamkeit ungefragt. Eine Vorstufe der illustrierten Massenkommunikation in der Presse war im 19. Jahrhundert die Familienzeitschrift gewesen. Sie leitete die Entwicklung vom Zeitungswesen zur illustrierten Massenpresse ein. Der entscheidende Sprung in qualitativer und quantitativer Hinsicht war aber mit der Reproduzierbarkeit der Fotografie verbunden, deren mediale Eigenschaften auch die Art der Bildkommunikation grundlegend veränderte. In Deutschland erschien die erste Reproduktion einer Fotografie 1883 in einer Zeitschrift, 1899 auch in einer Tageszeitung. In der Folge bildete sich die illustrierte Presse heraus, die sich von den bisherigen illustrierten Zeitschriften durch die Konzentration auf das Bild unterschied. Ihr Medium war die Illustrierte, die eigenständig oder als Beilage erschien.244 Die Illustrierte war ein bildlastiges Medium, das heißt die Verwendung von Fotografien und Zeichnungen war bedeutungstragend, während der Text als Informationsträger in den Hintergrund rückte. Themen wurden oft nach ihrer Fotografierbarkeit ausgewählt. Die Illustrierte zeichnete sich inhaltlich durch ihre thematische Weitläufigkeit aus,245 die als populäre Unterhaltung aufbereitet wurde. Die Neuartigkeit der Illustrierten bestand darin, dass sie als erste periodisch erscheinende Publikationsform ganz auf die Zugkraft des neuen Illustrationsmediums Fotografie setzte, während andere weiterhin überkommene Illustrationstechniken nutzten, auf Illustrationen ganz verzichteten oder ihnen weniger Raum zubilligten. Die Massenkommunikation bediente einen Bilderhunger, den sie selbst geschaffen hatte. Der damalige Chefredakteur der populären Berliner Illustrirten Zeitung (BIZ), Kurt Korff, erklärte sich 1927 den Erfolg der Illustrierten durch ein neues Bedürfnis nach dem Bild: phien, Photolithographien, Lichtdrucken, Photogravuren, Autotypien und mit Illustrationen in weiteren photomechanischen Reproduktionsverfahren (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Photographie 2), Berlin: Arno Spitz 1984, S. 669. 243 Vgl. ebd., S. 668–669. 244 In Tageszeitungen waren Fotografien dagegen bis in die 1930er Jahre hinein noch selten. 245 Vgl. Wilhelm Marquardt: Die Illustrierte der Weimarer Zeit. Publizistische Funktion, ökonomische Entwicklung und inhaltliche Tendenzen (unter Einschluß einer Bibliographie des Pressetyps in 1818–1931), München: Minerva-Publikation 1982, S. 3.
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Es war die veränderte Einstellung des Publikums zum Leben, die der Entwicklung der »Illustrirten« zugute kam. Die Zeitschriften der früheren Jahrzehnte brachten im wesentlichen mehr oder minder ausführliche Texte, die durch Bilder illustriert wurden. Manchmal war der Weg auch umgekehrt: zu einem vorhandenen Bild wurde ein erläuternder Text geschrieben. Aber erst in einer Zeit, in der das Leben »durch das Auge« eine stärkere Rolle zu spielen anfing, war das Bedürfnis nach visueller Anschauung so stark geworden, daß man dazu übergehen konnte, das Bild selbst als Nachricht zu verwenden.246
Korff führte – wie viele Zeitgenossen – den Bedarf an Bildern auf das steigende Lebenstempo zurück, dem das Bild entgegen käme, weil es sich schneller erfassen lasse als eine schriftliche Nachricht. Zudem befriedige die Fotografie mit Hilfe ihrer objektiven Wirkung auch das Bedürfnis nach eigener Anschauung: »Ohne Bild waren die Dinge, die in der Welt vorgingen, unvollständig wiedergegeben, erschienen oft unglaubwürdig – erst das Bild vermittelte den stärksten und nachhaltigsten Eindruck.«247 Siegfried Kracauer thematisierte in seinem Feuilleton Die Photographie (1927) die Funktion der Fotografie für die Illustrierten und ihr Publikum: »Die Absicht der illustrierten Zeitungen ist die vollständige Wiedergabe der dem photographischen Apparat zugänglichen Welt; sie registrieren den räumlichen Abklatsch der Personen, Zustände und Ereignisse aus allen möglichen Perspektiven.«248 Die Registratur der Wirklichkeit wirkt sich auf die Wahrnehmung der Welt durch das Publikum aus: »In den Illustrierten sieht das Publikum die Welt, an deren Wahrnehmung es die Illustrierten hindern.«249 Die Lektüre der aktuellen Fotografie wurde zum dabei zum Ersatz für die Wahrnehmung der Wirklichkeit, was die Illustrierte für Kracauer zum »mächtigsten Streikmittel gegen die Erkenntnis«250 machte. Das »Photographiergesicht«251 der Wirklichkeit bestimme ihre Wahrnehmung. Der zweite Bereich, von dem die Entwicklung der visuellen Kultur um 1900 getragen wurde, ist die Werbung252. Sie hatte sich in Deutschland bereits zwischen 1850 und 1890 weiterentwickelt; mit der Industrialisierung waren neue Kommunikations246 Kurt Korff: Die „Berliner Illustrirte“. In: 50 Jahre Ullstein 1877–1927. Berlin: Ullstein 1927, S. 279– 302, hier: S. 290. 247 Ebd., S. 291. 248 Kracauer: Die Photographie. In: Ders.: Das Ornament der Masse. (st 371), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977, S. 21–39, hier: S. 33. 249 Ebd., S. 34. 250 Ebd. 251 Ebd. 252 Der Begriff „Reklame“ war bis 1933 der meistgenutzte Begriff, obwohl auch die Bezeichnungen „Werbung“ und „Propaganda“ zur Abgrenzung der allmählich negativ konnotierten Reklame bereits vorkamen. Im Folgenden wird der Begriff „Werbung“ jedoch verwendet, weil es hier um Kontinuitäten zur heutigen Werbung geht. Geht es um die historischen Unterschiede zwischen Werbung, Reklame und Propaganda, so werden diese Begriffe verwendet. Vgl. zur Begriffsklärung: Christine Lamberty: Reklame in Deutschland 1890–1914. Wahrnehmung, Professionalisierung und Kritik der Wirtschaftswerbung (Beiträge zur Verhaltensforschung 38), Berlin: Duncker & Humblot 2000, S. 18–21.
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mittel zwischen den Produzenten und Konsumenten von industriell hergestellten Produkten notwendig geworden. Die Markenartikelindustrie bedurfte neuartiger Mittel, um ihre Produkte in einem anonymen Kundenkreis durchzusetzen.253 Nachdem der sogenannte Intelligenzzwang, der zur erstmaligen Insertion in den staatlichen Intelligenzblättern verpflichtet hatte, 1850 aufgehoben worden war, waren zunächst Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften das wichtigste Werbemittel. Die frühen Anzeigen glichen den Annoncen der Intelligenzblätter, die seit dem 18. Jahrhundert erschienen waren, noch stark. Erst allmählich wurden die reinen Textanzeigen, in denen über die Eigenschaften der beschriebenen Produkte informiert wurde, durch Bildelemente aus dem klassischen Repertoire des Setzkastens ergänzt, um die Aufmerksamkeit zu verstärken. Um 1900 stieg der Bedarf nach innovativen Werbemitteln: Plakatwerbung, Leuchtreklamen, Schaufensterwerbung ergänzten die Anzeigenwerbung, die sich immer mehr zur reinen Bildanzeige wandelte. In den Großstädten stieg die Präsenz von Bildern im öffentlichen Raum rasant. Reklamebilder wurden als effektives Mittel entdeckt, die auf die Massen des anonymen Publikums, der Passanten zu wirken.254 Die Verwendung von Bildern in der Werbung war um 1900 notwendig geworden, um die Aufmerksamkeit der beschleunigten Passanten noch zu erregen: Sie wurden in der Werbung erst dann eingesetzt, als die Menschen von Informationen überflutet waren und zum Hinschauen gezwungen werden mussten, als sich das Leben insgesamt beschleunigte und auch die Anzeigen mit diesem vermehrten Tempo mithalten mussten.255
Die Bildöffentlichkeit ist nicht nur als Reaktion auf die veränderten Rezeptionsbedingungen zu sehen; sie bedingte sie zugleich. Der Durchsetzung von Bildern und insbesondere der Fotografie als Kommunikationsmittel in Werbung und Presse lag die Auffassung zugrunde, dass Bilder schneller zu rezipieren seien als schriftliche Informationen. Hinzu kam das konnotative Potenzial der schnell lesbaren Bilder, das »eine bislang unbekannte Ebene der Zuschreibung von Bedeutung schuf.«256 Das Bild in der Werbung erhielt dabei die Aufgabe, das Produkt zu konnotieren und Zuschreibungen zu treffen – womit der Überzeugung entsprochen wurde, dass das menschliche Bewusstsein bildlich funktioniere.257 Bilder in der Werbung sollten das Produkt nicht nur darstellen, sondern es mit einem bestimmten Lebensstil assoziieren: 253 Vgl. ebd., S. 22; Peter Borscheid: Am Anfang war das Wort. Die Wirtschaftswerbung beginnt mit der Zeitungsannonce, in: Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, hrsg. v. dems. u. Clemens Wischermann (Studien zur Geschichte des Alltags 13), Stuttgart: Franz Steiner 1995, S. 20–43, hier: S. 26. 254 Vgl. Lamberty: Reklame in Deutschland, S. 2 8. 255 Borscheid: Am Anfang war das Wort, S. 35. 256 Stefan Haas: Die neue Welt der Bilder. Werbung und visuelle Kultur der Moderne, in: Bilderwelt des Alltags, hrsg. v. Borscheid u. Wischermann, S. 64–77, hier: S. 66. 257 Vgl. ebd., S. 71.
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Mit dem Aufbau der Werbung als Element der visuellen Kultur der Moderne zielt Werbung auf die vom Menschen selbst geschaffene, kulturelle Umwelt. Im Gegensatz zur Reklame, deren Zweck allein in der Weckung der Aufmerksamkeit durch fettgedruckte Hände lag, spielt die Werbung mit den freiassoziierbaren Zuschreibungen des modernen Menschen zur Dingwelt.258
Die Fotografie bot dabei den Vorteil des Wirklichkeitseffekts. Kurt Wehlau hob 1939 gerade die realistische Darstellung der Fotografie als Grund für ihre Verwendung hervor: »Gibt das Lichtbild auch die Möglichkeit, den Genuß, den eine Ware verursacht, dem Beschauer nicht nur vorzuführen, sondern einwandfrei zu beweisen. Die Lichtbildwerbung ist lebenswahrer und mehr lebensnah als jegliche andere Werbemöglichkeiten.«259 Obwohl bereits 1861 die erste Werbefotografie veröffentlicht wurde, setzten sich fotografisch illustrierte Anzeigen erst in den 1920er und 1930er Jahren durch.260 Kurt Wehlau gibt an, dass 1925/26 noch 25 Prozent aller Bildanzeigen die Fotografie nutzten, 1939 seien es bereits zwischen 60 und 70 Prozent gewesen.261 Das Bild wurde in kommunikativen Zusammenhängen erfolgreich, in denen es galt, eine Masse anzusprechen: »Aber nicht nur die Presse bedient sich [...] des Lichtbildes – sondern wir finden es auch sonst überall da, wo man auf die Volksmenge einen Einfluß gewinnen will«262, schrieb der nationalsozialistische Zeitungswissenschaftler Kurt Wehlau 1939 und formulierte damit eine Erkenntnis, von der die findige Bildpropaganda der Nationalsozialisten längst getragen wurde. Walter Benjamin, dessen berühmter Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936) ja in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Massenkommunikation entstanden ist, erklärte den Verfall der Aura des Kunstwerks mit der »zunehmenden Bedeutung der Massen im heutigen Leben«263 und dem Massenbedürfnis nach einer Anschauung, den das reproduzierte Bild bedient.264 Diese Tendenz hob auch eine 1933 in der Berliner Illustrirten Zeitung erschienene Anzeige für die Markenartikelwerbung mit Fotografien hervor: Die Lust am Schauen treibt die Massen in die Nähe der Ereignisse. Man will dabeigewesen sein. Alle können aber nicht immer überall sein. Deshalb kaufen sich viele Wissensdurstige und Schaulustige die Berliner Illustrirte Zeitung regelmäßig, da sie das Neueste anschaulich im Bilde bringt. [...] Millionen Augen sehen auch die Anzeigen. Diese Bereitschaft der ›B.I.Z‹-Leser, zu schauen und zu lesen, ist die beste Grundlage für erfolgsuchende Werbung.265 258 Clemens Wischermann: Einleitung. Der kulturgeschichtliche Ort der Werbung, in: Bilderwelt des Alltags, hrsg. v. Borscheid u. dems., S. 8–19, hier: S. 14. 259 Kurt Wehlau: Das Lichtbild in der Werbung für Politik, Kultur und Wirtschaft. (Zeitung und Leben 64), Würzburg: Konrad Tritsch 1939, S. 134. 260 Vgl. Kathrin Bonacker: Illustrierte Anzeigenwerbung als kulturhistorisches Quellenmaterial. (Marburger Beiträge zur Kulturforschung 5), Marburg: Jonas 2000, S. 18. 261 Vgl. Wehlau: Das Lichtbild in der Werbung, S. 125 und 130. 262 Ebd., S. 104. 263 Benjamin: Kunstwerk, S. 15. 264 Vgl. ebd. 265 Vgl. Abb. der Anzeige in: Wehlau: Das Lichtbild in der Werbung, S. 105.
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Die steigende Präsenz der Bilder in der Öffentlichkeit, die sich zu einer visuellen Kultur verdichtete, ist der Beschleunigung des Lebens geschuldet. In der illustrierten Presse ebenso wie in der Werbung wurde das Bild eingesetzt, um schnell Aufmerksamkeit zu erregen und unmittelbar auf eine Masse von Betrachtern zu wirken. Dabei wurde ein Bilderhunger genährt, der als Bedürfnis nach dem Bild eine eigene Dynamik entwickelte.
3.4.2 Prominenz und visuelle Kultur Mit der neuen Unterhaltungskultur erweiterte sich der Kreis der Berühmtheiten hin zu Filmschauspielern, Sportlern, Rennfahrern usw. Die mediale Inszenierung öffentlich bekannter Personen veränderte sich zugleich mit den neuen medialen Formen Fotografie, Film, Rundfunk. Diese Entwicklung wirkte sich auf die öffentliche Position des Autors aus, der nun in den neuen Prominenten eine Konkurrenz im öffentlichen Werben um die Aufmerksamkeit von Medien und Publikum erhielt. Der Ruhm stellt innerhalb der Abstufungen des Aufmerksamkeitseinkommens die oberste Liga dar: »Die höchste Form des rentierlichen Reichtums an Beachtung ist der Ruhm. Wer berühmt ist, ist allen bekannt und wird es lange bleiben. [...] Der Ruhm macht unsterblich in dem Sinne, daß der Strom an Beachtung nie versiegt.«266 Der Ruhm des Autors war jahrhundertlang an das Werk gebunden und schloss die Person mit ein. Die Unsterblichkeit des Autors, das Erinnern der Nachwelt ist ein Topos der Literatur und zugleich eine Funktion, die die Tradition des Autorenporträts auszeichnet. Der auf die Nachwelt gerichtet Ruhm sollte als Antriebskraft der künstlerischen Produktion nicht unterschätzt werden.267 Die Ausrichtung auf den Ruhm in der Nachwelt verlagerte sich Ende des 19. Jahrhunderts hin zur Prominenz. Diese ist vergänglicher als der Ruhm und weniger an einen bestimmten Grund, etwa ein Werk oder eine große Tat gebunden.268 Die Prominenz ist »eine aus Kommunikation heraus resultierende, durch Beteiligte vorgenommene Zuschreibung einer Bekanntheit, die bei anderen als bekannt vorausgesetzt werden kann«269. Noch in der Jahrhundertmitte war die Berühmtheit einer Person an ein Werk oder eine Tat gebunden. Die Prominenz im Sammelfoto beschränkte sich auf Personen aus Politik, Wissenschaft und Kultur, wobei letztere Schauspieler, Bildende Künstler und Schriftsteller umfasste. 266 Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 118. 267 Vgl. Detlev Schöttker: Der Autor als Star in der Nachwelt. In: Stars. Annäherung an ein Phänomen, hrsg. v. Wolfgang Ullrich u. Sabine Schirdewahn, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2002, S. 248–265. 268 Vgl. Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 118. 269 Thomas Schierl: Prominenz in den Medien. Eine empirische Studie zu Veränderungen in der Prominenzberichterstattung im Zeitraum 1973 bis 2003, in: Prominenz in den Medien. Zur Genese und Verwertung von Prominenten in Sport, Wirtschaft und Kultur, hrsg. v. dems., Köln: Herbert von Halem 2007, S. 7–41, hier: S. 11–12.
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Mit der massenhaften Verbreitung der neuen Medien Fotografie, Film, Illustrierte im Rahmen der visuell dominierten Unterhaltungskultur, veränderte sich die Prominenz in mehrerer Hinsicht: Das potenzielle Ausmaß an Beachtung für den Prominenten erweiterte sich immens und war durch die Visualität der Inszenierung an das Gesicht, den Körper der Person gebunden. Öffentlich bekannt zu sein bedeutete damit mehr, als einen berühmten Namen zu tragen, der mit einem Werk oder einer Tat verbunden war. Es bedeutet ein öffentlich bekanntes Gesicht zu haben. Damit gewinnen performative Qualitäten eine gesteigerte Bedeutung bei der Bindung von Aufmerksamkeit. Mit der Unterhaltungskultur wurde aus der Berühmtheit, dem »Virtuosen« des Theaters oder dem »Bühnenhelden«270 der Star, das heißt »eine Person [...], die durch ihre körperliche Präsenz, ihr Auftreten, ihre Gestik und Mimik nicht nur eine Rolle glaubhaft verkörpern kann, sondern darüber hinaus auch noch ein Publikum zu faszinieren und auf seine Person zu fixieren weiß.«271 Gerade das Darüberhinaus ist für den Star konstitutiv; die öffentliche Aufmerksamkeit konzentrierte sich nicht mehr allein auf die schauspielerische Leistung des Filmstars, sie richtete sich auf seine Person. Die Inszenierung der öffentlich sichtbaren Person ist das Prinzip des Startums. Wie bei der Inszenierung des Autors gilt auch hier die Unterscheidung zwischen der privaten und öffentlichen Person, zwischen Autorperson und Autorfigur. Der Star verfügt (wie der König) über einen »Doppelkörper«272, der sich aus dem biologischen und dem symbolischen Körper zusammensetzt.273 Nicht die strikte Trennung dieser beiden Körper und Bereiche macht die Faszination des Stars aus, sondern gerade ihr Verwischen.274 Das Durchscheinen des Privaten ist ein zentraler Bestandteil der medialen Inszenierung des Stars, zu deren Formen die Privatisierung und Intimisierung der Berichterstattung zählen.275 Das Auftreten des Filmstars als neuer Modus der Prominenz wird »mit jenem Moment in Verbindung gebracht, in dem das Privatleben der im Film agierenden Personen zum Gegenstand des öffentlichen Interesses wurde.«276 Ab 1914 wurden das künstlerische Schaffen des Filmstars auf der Leinwand und sein Privatleben in der Berichterstattung miteinander verbunden, wobei ein »kontinuier270 Vgl. Knut Hickethier: Vom Theaterstar zum Filmstar. Merkmale des Starwesens um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert, in: Der Star, Geschichte – Rezeption – Bedeutung, hrsg. v. Werner Faulstich u. Helmut Korte, München: Wilhelm Fink 1997, S. 29–47, hier: S. 31. 271 Ebd. 272 Barbara Straumann: Queen, Dandy, Diva – Eine Geschichte der theatralischen Selbstentwürfe vom höfischen Schauspiel bis zur Photographie. In: Die Diva. Eine Geschichte der Bewunderung, hrsg. v. Elisabeth Bronfen u. Barbara Straumann, München: Schirmer/Mosel 2002, S. 69–101, hier: S. 69–70. 273 Vgl. ebd. 274 Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001, S. 223. 275 Vgl. Schierl: Prominenz in den Medien, S. 32–33; Reichwein: Diesseits und jenseits des Skandals, S. 89–90. 276 Werner Faulstich, Helmut Korte, Stephen Lowry u. a.: „Kontinuität“ – zur Imagefundierung des Film- und Fernsehstars. in: Der Star., hrsg. v. Faulstich u. Korte, S. 11–28, hier: S. 12.
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liches Image«277 der prominenten Person aufgebaut werden sollte.278 Dabei wurde das Bedürfnis des Publikums »möglichst viel vom Star zu wissen und zu besitzen«279 von Filmproduzenten und Zeitungsverlegern genutzt, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Konstitutiv für den Star ist ferner die Existenz von Fans, Anhängern und Bewunderern, nach deren Bedürfnissen sich die mediale Inszenierung ausrichtet. Der Werdegang des Stars – idealerweise sein Aufstieg aus bescheidenen bis ärmlichen Verhältnissen – ist ein zentrales narratives Muster der Prominentenberichterstattung. Die Kehrseite der Publikumslust am Aufstieg ist die Lust am Absturz. Im Hinblick auf den Autor lässt sich danach fragen, inwiefern die Eroberung der öffentlichen Aufmerksamkeit durch den Star seine Position verändert. »Wer kann ein Star sein? Der typische Intellektuelle sicher nicht [...]«280, urteilt Hans Ulrich Gumbrecht mit Verweis auf Heinrich und Thomas Mann, die sich von der neuen Unterhaltungskultur in ihrem Status bedroht sahen.281 Er begründet die geringe Eignung des (intellektuellen) Autors für das Stardasein mit der Rolle des Körpers: »Ob man ein Star ist, hängt vom Auftreten ab. Nur im Auftreten kann ein Körper eine Präsenz darstellen, die im Zuschauer den Wunsch aufkommen läßt, dem Vorbild nachzueifern und räumlich nahe zu sein.«282 Der Körper ist tatsächlich an der öffentlichen Wahrnehmung des Autors anders beteiligt, als es etwa bei einem Sportler oder Filmstar der Fall ist. Das Schreiben vollzieht sich im Verborgenen und nicht wie der Auftritt des Schauspielers auf der Bühne oder der des Preisboxers im Ring. Auch Krauss verweist im Zusammenhang mit den Ruhmbildungsstrategien Karl Mays auf diesen Unterschied und betont, dass »der Schriftsteller, will er zum Star avancieren, nach eigenen Schauplätzen suchen [muss], auf denen er seinen zweiten Körper darstellen kann.«283 Derartige Schauplätze bietet – für den Filmschauspieler wie für den Schriftsteller – die mediale Öffentlichkeit und hier insbesondere die visuellen Medien. Prominenz wird »bilddominiert«284 vermittelt. Ihre medialen Orte waren um die Jahrhundertwende die illustrierte Presse und die fotografische Bildpostkarte, die auch Karl May früh als Mittel der Ruhmbildung zu nutzen wusste. Auch die Werbung griff das Prinzip der Personalisierung auf und engagierte bereits früh Prominente.285 Gerade die Fotografie war ein geeignetes Mittel, die für den Star konstitutive Distanz zum Publikum zugleich zu überwinden und aufrecht zu halten; sie lieferte einen 277 Ebd., S. 13. 278 Vgl. ebd. 279 Ebd., S. 17. 280 Gumbrecht: 1926, S. 222. 281 Vgl. ebd., S. 222–223. 282 Ebd., S. 223. 283 Krauss: Der Schriftsteller als Star, S. 48. 284 Julia Wippersberg: Prominenz. Entstehung, Erklärungen, Erwartungen (Forschungsfeld Kommunikation 25), Konstanz: UKV 2007, S. 144. 285 Zur Prominenz in der Werbung vgl. Michael Kriegeskorte: 100 Jahre Werbung im Wandel. Eine Reise durch die deutsche Vergangenheit, Köln: DuMont 1995, S. 214–221.
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»scheinbar objektiven Widerschein« der Person, war aber zugleich »nur ein lebloses Foto«.286 Zudem erlaubt die Fotografie einen privaten Einblick; die Kamera dringt in Bereiche vor, die dem Publikum sonst verschlossen bleiben und gerade deswegen reizvoll erscheinen. Durch die Fotografie werden diese Bereiche in Ausschnitten zugänglich und öffentlich verfügbar. Kracauer beschreibt in Die Photographie die Wirkung der Fotografie einer Diva auf der Titelseite einer Illustrierten: Die aktuelle Photographie, die eine dem gegenwärtigen Bewusstsein vertraute Erscheinung abbildet, gewährt in begrenztem Umfang dem Leben des Originals Einlaß. [...] Der Zeitgenosse glaubt auf der Photographie die Filmdiva selber zu erblicken; nicht ihre Pony-Frisur nur oder die Pose ihres Kopfes. Aus der Photographie allein vermöchte er sie freilich nicht zu ermessen. Aber die Diva weilt zum Glück unter den Lebenden, und die Titelseite der Illustrierten erfüllt die Aufgabe, an ihre leibhafte Wirklichkeit zu erinnern.287
Daraus ergeben sich Anforderungen an das Prominentenporträt: Es soll aktuell und authentisch sein und einen Einblick in die Präsenz der Person vermitteln. Inwiefern diese Anforderungen die fotografische Inszenierung des Autors betreffen und sich auf die Ikonografie und Gebrauchsweise des Autorenfotos auswirken, ist im Folgenden zu klären.
3.4.3 Die fotografische Inszenierung des Autors als Prominenter Mit der visuellen Kultur und der Prominenz veränderten sich auch die Funktionsweisen des Autorenfotos. Das Bild des Autors kam nun neben dem anderer Prominenter in der illustrierten Presse vor und wurde sogar in der Werbung verwendet und zwar nicht nur in der Buchwerbung. Das Autorenfoto erlangte auch in der illustrierten Presse und Werbung eine neue Präsenz – und mit ihm der Autor. Diese Kontexte der Bildverwendung eröffneten sich parallel zum verlegerischen Paratext, sie sind Teile einer visuellen Kultur. Daher soll nun der Blick auf die gängigen Verwendungsweisen des Autorenfotos in der illustrierten Presse und in der Werbung gerichtet werden, ehe im folgenden Kapitel die Bildverwendung im verlegerischen Paratext ausführlich untersucht wird. Die exemplarische Untersuchung der typischen Verwendungskontexte und Gebrauchsweisen stützt sich auf Beispiele aus den 1920er Jahren, in denen sich bereits Muster der Bildverwendung erkennen lassen, die bis in die Gegenwart wirksam sind. Zudem ist nach der Ikonografie des Autors und ihrer möglichen Verschiebung durch die Inszenierungsmechanismen der Prominenz zu fragen. Die beiden wichtigsten Verwendungskontexte des Autorenfotos in der illustrierten Presse waren Texte des Autors und Texte über den Autor. Die Fortsetzungsromane der Berliner Illustrirten Zeitung wurden ebenso wie Veröffentlichungen in literari286 Vgl. Hickethier: Vom Filmstar zum Theaterstar, S. 39. 287 Kracauer: Die Photographie, S. 29.
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schen Zeitschriften zunehmend mit fotografischen Porträts der Autoren illustriert. Das fotografische Autorenporträt wird dabei in der Regel nicht nur durch den Text konnotiert, sondern mit einer gewissermaßen zwischen Text und Bild vermittelnden Bildunterschrift versehen, die der porträtierten Person einen Namen zuweist und mitunter die Aufnahmesituation genauer beschreibt. Häufig bleibt das Inszenierungspotenzial der Fotografie durch die Auswahl von Kopfbildern beschränkt, die nur einen kleinen Ausschnitt der Autorfigur zeigen. Aber auch andere Beispiele sind nicht schwer zu finden: Etwa das Autorenfoto Upton Sinclairs in der Weihnachtsbeilage der Literarischen Welt von 1925.288 Es illustriert die Erzählung Ogi, der Sohn des Og und zeigt den Autor im Kniestück vor Astwerk. Er blickt unmittelbar in die Kamera, eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere hält ein Gartengerät. »Der junge Sinclair auf seiner Farm«289, lautet die Bildunterschrift, die zusammen mit dem Foto und dem Namen des Autors die einzige Information ist, die man über ihn erhält. Der Autor als Farmer? Die mondäne Kleidung legt nahe, dass es sich keineswegs um einen Farmer handelt, insofern befinden sich Bild und Bildunterschrift in einem Spannungsverhältnis, was das Interesse verstärkt. Der Autor wird hier nicht als Autor dargestellt, er ist als solcher weder durch das Bild, noch durch die Bildunterschrift zu erkennen. Gezeigt wird ein junger Mann in seiner Lebenswelt außerhalb der Literatur. Die Bildauswahl und ihre Konnotation bedienten durchaus den Bedarf des Publikums nach Privatheit, der zu den Inszenierungsschemata der Prominenz zählt. Zugleich wird ein Zusammenhang zwischen den literarischen Text und der Lebenswelt des Autors suggeriert. Die Fotografie des Autors eröffnet die Lektüre.
288 Upton Sinclair: Ogi, der Sohn des Og. In: Die literarische Welt. Weihnachtsbeilage. 1. Jg. (1925), Nr. 12/13, S. 3. 289 Ebd.
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Abb. 1: Upton Sinclair in der Literarischen Welt (1925)
Demselben Muster folgt die Darstellung des Erfolgsautors Ludwig Wolff in der BIZ 1925.290 Die großformatige Fotografie illustriert die erste Folge des Fortsetzungsromans Kopf hoch, Charly!. Sie zeigt Wolff am Steuer eines Automobils sitzend, eine Hand am Lenkrad, den Blick erhaben in die Ferne gerichtet. Von der klassischen Ikonografie des Autors im Gehäus ist diese Umgebung ebenso weit entfernt wie Upton Sinclair in seinem Garten; auch hier geht es um die Zuschreibung einer bestimmten Lebenswelt zu Autor und Text, in diesem Fall eine moderne und elegante Welt. Auffällig ist das Bildformat: Die Fotografie des Autors nimmt nahezu eine halbe Seite ein und damit mehr Raum, als der Text, der oberhalb des Bildes in zwei Spalten angeordnet ist. Dies ist nicht nur ein Beleg für die Ausrichtung der Illustrierten auf das Bild, 290 Ludwig Wolff: Kopf hoch, Charly! In: Berliner Illustrirte Zeitung. Jg. 34 (1925) Nr. 43, 25.10.1925, S. 1383. (Vgl. Digitalisat auf der Internetseite der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:66:fuldig-624735)
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Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit
es zeigt sich daran auch eine tendenzielle Überlagerung des Textes durch das Bild. Der Text tritt in den Hintergrund und wird vermittelt durch das Bild des Autors wahrgenommen. Dieser wird durch die Bildunterschrift knapp vorgestellt: »Ludwig Wolff, der Autor des neuen, heute beginnenden Romans ›Kopf hoch, Charly!‹«291, worauf eine Aufzählung von Titeln früher erschienener Fortsetzungsromane des Autors folgt. Als Illustrationsmittel zu Texten über den Autor oder seine Werke, also Rezensionen, Porträts und Interviews, wird das Autorenfoto anders eingesetzt als zu Texten des Autors. Hier lässt sich eine Ausdehnung beobachten, sowohl die Anzahl der verwendeten Bilder betreffend als auch die Motivpalette. Das Kopfbild des Autors, das im Zusammenhang mit seinen Texten überwiegt, kommt dabei seltener vor. Eine Doppelseite in der BIZ zu Hans Christian Andersen aus Anlass seines 50. Todestages weist einige typische Bildelemente der Darstellung des Klassikers auf, die im fünften Teil der Untersuchung genauer in den Blick genommen wird:292 Im Mittelpunkt der linken Seite steht eine großformatige Fotografie des Autors in fortgeschrittenem Alter, der auf einem Stuhl beim Fenster sitzt und aus der bürgerlichen Wohnstube hinausblickt. »Letzte Aufnahme H. Ch. Andersens in seinem Heim in Kopenhagen«293 lautet die Bildunterschrift, den Geboten der privaten und aktuellen Fotografie entsprechend. Auf der rechten Doppelseite sind »Das Haus, in dem Andersen seine Kindheit verbrachte«, »Andersens Jugendliebe, Riborg Voigt«, »Das Andersen-Museum in Odense«294 sowie drei vom Autor selbst angefertigte Zeichnungen abgebildet. Damit ist ein Bildprogramm entworfen, das die Inszenierung des Dichters bis heute prägt und im Zusammenhang mit der Dichterverehrung des 19. Jahrhunderts entstanden ist, wie noch genauer zu klären sein wird.295 Was zunächst auratischer Gegenstand der Verehrung gewesen war – die Wohnung des Dichters, Gegenstände aus seinem Besitz, Personen, die ihm nahe standen –, wurde bereits im 19. Jahrhundert fotografiert und fand nun im Rahmen der allgemeinen Registratur der fotografierbaren Welt Eingang in die Illustrierte.296 Dabei verbanden sich bereits tradierte Schemata der Dichterverehrung mit Prinzipien der Inszenierung von Prominenz, denn die Bildinszenierung vermittelt einen privaten Einblick und aktuellen Anschein. Die narrative Struktur der Bildfolge befriedigt ein biografisches Interesse und gewährt in einzelnen Schlagbildern eine Übersicht über die Vita des Autors.
291 Ebd. 292 Vgl. Josef Melnik: Hans Christian Andersen. Zur großen Andersen-Ausstellung, die die Berliner Staatsbibliothek zum 50. Todestag des großen Märchen-Dichters veranstaltet. In: Berliner Illustrirte Zeitung. Nr. 41 v. 11.10.1925, S. 1309–1310. (Vgl. Digitalisat auf der Internetseite der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:66:fuldig-623991 und http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:66:fuldig-624007) 293 Ebd., S. 1309. 294 Ebd., S. 1310. 295 Siehe: 5 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung 296 Siehe: ebd.
Das Autorenfoto in der visuellen Öffentlichkeit um 1900
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Ein weiteres Motiv, das in diesem Zusammenhang häufig verwendet wurde, sind Grabstätten von Dichtern oder Totenbilder. Die literarische Welt druckte 1925 beispielsweise eine Fotografie von Dostojewskis Grabmal sowie Totenbilder von Moritz Heimann.297 Ergänzt wurde dieses Bildrepertoire durch aktuelle Bilder von Autoren und ihren Angehörigen: Die »Dichterkinder«298 (so die Bildunterschrift) Erika und Klaus Mann und Paula Wedekind wurden beispielsweise auf dem Titelblatt der BIZ gezeigt,299 Stefan Zweigs Beitrag Vom Handschriftensammeln in der Ullstein-Frauenzeitschrift Die Dame von einer Fotografie des Autors mit seiner Gattin in Salzburg illustriert300 und das »Berliner Familienleben« von Klabund und seiner Ehefrau am Frühstückstisch im Uhu in einer großformatigen Fotografie gezeigt.301 Die Fotografien von Autoren mit Angehörigen sind nicht berufsspezifisch, sie unterscheiden sich nicht von den privaten Aufnahmen anderer Prominenter und haben wie diese einen Anschein von Nähe und Authentizität. Zum Bildprogramm des Autors in der illustrierten Presse zählt auch seine Handschrift, die in verschiedenen Zusammenhängen reproduziert wurde und als weiteres Bildelement zur Konstruktion einer Aura des Autors beitrug. In der Literarischen Welt wurden vereinzelt Fotografien mit Widmungen des Autors an die Zeitschrift abgedruckt, was die Gebrauchsweise der Fotografie aus dem 19. Jahrhundert aufgreift und zugleich ein Hinweis darauf ist, dass die Redaktionen sich noch direkt an Autoren wandten, um Fotografien von ihnen zu erhalten.302 Im Uhu erschien 1925 ein Aus der Werkstatt der Dichter betitelter mehrseitiger Artikel, der die Berufung des Autors darstellt, wie aus der Einleitung deutlich wird:303 Die Geburt der geistigen Werke wird immer ein Mysterium bleiben. Aber schon das Auftauchen der künstlerischen Vision, das Wachstum der Form und die individuellen Arbeitsweisen sind so
297 Vgl. Dostojewskis Grabmal. In: Die literarische Welt. 1. Jg. (1925), Nr. 6, S. 3 u. Zur Erinnerung an Moritz Heimann. In: Ebd., Nr. 12/13, S. 2. 298 Dichterkinder. In: Berliner Illustrirte Zeitung. Nr. 44 v. 31.10.1925, Titelblatt. (Vgl. Digitalisat auf der Internetseite der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda unter: http://nbn-resolving.de/urn:nb n:de:hebis:66:fuldig-624996) 299 Vgl. ebd. 300 Vgl. Christian Ferber (Hrsg.): Uhu. Das Monatsmagazin, Berlin: Oktober 1924 bis Oktober 1934, Berlin: Ullstein 1979, S. 213. 301 Vgl. ders. (Hrsg.): Die Dame. Ein deutsches Journal für den verwöhnten Geschmack 1912–1943, Frankfurt a. M.: Ullstein 1980, S. 180. 302 Beispielsweise das Autorenfoto Luigi Pirnadellos mit handschriftlicher Widmung („an ‚Literarische Welt‘ Luigi Pirandello, Berlin 14.X. 1925“), das als Illustration zu Pirandellos Dank an das deutsche Publikum eingesetzt wurde. Luigi Priandello: Pirandellos Dank an das deutsche Publikum. Ein Brief an die „Literarische Welt“, in: Die literarische Welt. 1. Jg. (1925), Nr. 5, S. 1. 303 Vgl. Christian Ferber (Hrsg.): Uhu. Das Monatsmagazin, Berlin: Oktober 1924 bis Oktober 1934, Berlin: Ullstein 1979, S. 273–277.
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Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit
persönlich und verschieden, daß es uns bedeutsam genug erschien, mehrere bekannte Autoren um einen Beitrag zu diesem Thema zu bitten.304
Hier wird auf ein genieästhetisches Dichterbild rekurriert, das nicht mit dem fotografischen Porträt des Autors, sondern vor allem mit der Handschrift im Bild umgesetzt wird. Der Bitte durch die Redaktion entsprachen Thomas Mann, Otto Flake, Carl Sternheim, Max Brod und Gustav Meyrink. Ihre Beiträge wurden teilweise illustriert mit Abbildungen von Manuskriptausschnitten und Porträts der Autoren305. Dabei verschränkt sich die authentische Wirkung von Porträt und Schrift mit dem schriftlichen Werkstattbericht. Das Schöpferische und Originale, das auf diese Weise in Bild und Text bemüht wird, gewinnt bei dieser Literaturwahrnehmung die Überhand. Besonders augenfällig sind die Überschneidungen zwischen der Inszenierung der Prominenz und des Dichters bei den jungen erfolgreichen Autorinnen der Weimarer Republik. Anders als die Ikonografie des Autors ist die der Autorin nicht durch eine lange Tradition vorgeprägt. Sie lehnt sich daher besonders deutlich an die Bildschemata der Prominenz an, wie das Beispiel der Erfolgsautorin Vicki Baum zeigt. Vicki Baum, deren Romane in der BIZ vorabgedruckt wurden, ehe sie bei Ullstein als Buch erschienen, und die als Redakteurin für Uhu und Die Dame schrieb, wurde in der »perfektionierten Vermarktungskette«306 des Ullstein Verlags als Großstadtautorin und Neue Frau inszeniert.307 Der Ullstein-Verlag baute nach amerikanischem Vorbild Autoren als Stars auf. Zu dieser konsequenten Imagebildung zählten auch Vicki Baums »filmstarreife Porträts«308, die Vorabdrucke und Reportagen illustrieren. Die öffentliche Präsenz des Autors im Bild erstreckte sich auch auf den Bereich der Werbung.309 Die Erwähnung von Prominenten als Gewährpersonen für beworbene Produkte kam bereits im 19. Jahrhundert vor.310 In der visuellen Kultur verband sich damit nun auch das Bild. 1912 warb der Mineralwasserhersteller Fachinger mit einer 304 Ebd., S. 273. 305 Von Thomas Mann und Gustav Meyrink erscheint ein fotografisches Kopfbild neben der Handschrift, Max Brod ist in einer Zeichnung dargestellt. 306 Ute Schneider: Der Buchverlag in der perfektionierten Vermarktungskette. In: 125 Jahre Ullstein. Presse- und Verlagsgeschichte im Zeichen der Eule, hrsg. v. Edda Fels u. Erik Lindner, Berlin: Springer 2002, S. 46–53. 307 Vgl. Julia Bertschik: „Ihr Name war ein Begriff wie Melissengeist oder Leibnizkekse“. Vicki Baum und der Berliner Ullstein-Verlag, in: Autorinnen der Weimarer Republik. Hrsg. von Walter Fühnders u. Helga Karrenbrock (Aisthesis Studienbuch 5), Bielefeld: Aisthesis 2003, S. 119–136; Ruth Florack: Prinz Jussuf und die Neue Frau. Else Lasker-Schüler und Vicki Baum im „Uhu“. In: SchriftstellerInszenierungen, hrsg. v. Grimm u. Schärf, S. 45–58. 308 Bertschik: Vicki Baum und der Berliner Ullstein-Verlag, S. 123. 309 Siehe zur Wechselwirkung von Literatur und Werbung in den 1920er Jahren: Thomas Wegmann: „Kanonen-Donner legt sich um bedeutend weniger als ein Omlett.“ Die Reklame-Debatte in den 1920er Jahren, in: Markt, Literarisch. Hrsg. von ders., Bern: Lang 2005 (Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik N.F.; Bd. 12), S. 133–149. 310 Vgl. Kriegeskorte: 100 Jahre Werbung im Wandel, S. 214.
Das Autorenfoto in der visuellen Öffentlichkeit um 1900
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Abb. 2: Werbeanzeige für AdlerSchreibmachinen mit Carl Zuckmayer (1925).311
trinkenden Goethe-Silhouette und kombinierte das Porträt mit einem handschriftlich anmutenden Briefzitat Goethes, in dem er »mit Fachinger-Wasser und weissem Wein vorzüglich begünstigt zu werden«312 wünschte. Die fotografisch bebilderte Werbung mit Prominenten wurde in den 1920er Jahren modern. Dafür wurden auch 311 Vgl. Anzeige für Adler-Schreibmaschinen. In: Die literarische Welt, 4. Jg. (1929), Nr.12, S. 11. 312 Ebd.
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Von der Tradition des Autorenporträts zur visuellen Öffentlichkeit
Schriftsteller gewonnen. Eine Anzeige der Frankfurter Adlerwerke von 1927 zeigt eine elegante Gesellschaft aus drei Filmschauspielerinnen, einem Schriftsteller und einem Zeichner um und in einem Automobil verteilt, der Schriftsteller Frank Arnau fotografiert die restliche Gruppe.313 In der Werbung für Adler-Schreibmaschinen wurde dagegen an die tradierte Ikonografie des Autors angeknüpft: In der Literarischen Welt erschien 1929 eine Anzeige, die auf den ersten Blick als solche gar nicht zu erkennen ist, denn weder der Produktname noch der des Herstellers sind hervorgehoben. Ins Auge fällt zuerst die Fotografie eines Mannes, der lächelnd über eine Schreibmaschine gebeugt sitzt und der handschriftliche Namenszug am unteren Ende, der ihn als Carl Zuckmayer ausweist. Zwischen dem Bild, das an ein modernisiertes Gehäusbild erinnert und der Unterschrift des Autors erstreckt sich ein Text in Schreibmaschinenschrift, der den Hauptteil der Anzeige ausfüllt. Darin berichtet Zuckmayer von den Vorzügen der Adler-Schreibmaschine: »Kurzum: Von den ersten Tantièmen kaufte ich mir eine kleine ›Adler‹. Mit der führe ich seitdem eine zärtliche und untrennbare Ehe.«314 In scherzhaftem Tonfall berichtet er davon, welche Werke er bereits auf seiner Schreibmaschine verfasst habe – »sogar solche, die dann von der Presse verrissen werden, der ›Klein-Adler‹ ist das ganz egal.«315 Durch das Zusammenspiel von Fotografie, Schreibmaschinentext und Unterschrift wird ein Eindruck von Nahbarkeit des Autors erzielt, bei dem nebenbei auch das Produkt beworben wird. Das Bedürfnis nach Nähe zum Autor wird hier bedient und zugleich für die, wenn auch scherzhafte, Bewerbung des Produkts ausgenutzt.316 Die Ikonografie des Autors in der öffentlichen Bilderwelt der 1920er Jahre ist durch die Vielfalt an Dichterbildern gekennzeichnet. Die Inszenierung von Autoren in bürgerlichen und mondänen Lebenswelten ist deutlich von den Inszenierungsmustern der Prominenz geprägt. Zugleich unterscheidet sie sich davon durch den Rückgriff auf tradierte Posen und die konnotative Anbindung der Fotografie an den Text des Autors. An dieser Stelle ist die öffentliche Verbreitung des Autorenfotos weiter fortgeschritten als jemals zuvor. Seine Gebrauchsweisen differenzieren sich nun auch im verlegerischen Paratext weiter aus.
313 Die Anzeige ist abgebildet: Ebd., S. 215. 314 Ebd. 315 Ebd. 316 Vermutlich handelt es sich bei dieser Anzeige um den Teil einer größer angelegten Kampagne; darauf lässt ein Anfang der 1930er Jahre von Lotte Jacobi aufgenommene Fotografie Lotte Jacobis von Alfred Kerr schließen, die im Auftrag der Adler-Werke entstanden ist und ebenfalls Autor und Schreibmaschine in einer Gehäusszene zeigt. Vgl. die Abbildung der Aufnahme in: Ludwig Greve u. Walter Scheffler (Hrsg.): Berlin – New York. Schriftsteller in den 30er Jahren, Fotografiert von Lotte Jacobi, Marbach am Neckar: (Cotta) 1982, S. 16–17.
4 Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext Die Geschichte des Autorenfotos im verlegerischen Paratext setzt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts mit den ersten eingeklebten Frontispizporträts ein. Ermöglicht durch die verbesserten Reproduktionsmöglichkeiten der Fotografie im Druck Ende des 19. Jahrhunderts, eroberte die Fotografie des Autors in den ersten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts immer mehr Raum für sich – sowohl in der visuellen Öffentlichkeit als auch im verlegerischen Paratext. Die Allgegenwart des Autorenfotos in den allermeisten Bereichen des verlegerischen Paratextes, wie sie am Ende des 20. Jahrhunderts üblich war – also beispielsweise auf Verlagsplakaten, Buchumschlägen, Verlagswebseiten, Postkarten und in Programmvorschauen – stellt den Zielpunkt der bisherigen Entwicklung des Autorenfotos als Paratext dar. Wie und warum wurde das Autorenfoto zu einem offenbar derart unverzichtbaren Bestandteil der Buchgestaltung und Buchwerbung? Und wofür steht und stand es? Auf diese Fragen gibt das kommende Kapitel Antworten. Dabei ist auch der Standard des Autorenfotos herauszuarbeiten; die Funktionen des Autorenfotos verdichten sich in seiner typischen Erscheinungsform. Die Einführung und Durchsetzung des Autorenfotos im frühen 20. Jahrhundert ist eine Form der Modernisierung des Paratextes, die zunächst gegen den Widerstand des Buchhandels erfolgte. Dabei galt das Frontispizporträt, das ja eine lange Tradition aufweisen kann, zunächst als legitimer Kontext auch für das fotografische Porträt. Der Buchumschlag dagegen aber nicht. Dieser Beobachtung geht die Untersuchung nach, indem sie die Konjunkturen einzelner Verwendungskontexte nachvollzieht, die als Vehikel für die Entwicklung des Autorenfotos dienen. Diese Vorgehensweise erlaubt den Zugriff auf den Bildbegriff in seiner Entwicklung: Welchen Stellenwert hat die Fotografie als Bild? Welche Zuschreibungen sind mit dem Medium verbunden? Wie wirken sich diese Zuschreibungen auf die Bildbedeutungen aus? Zugleich lässt sich dabei die Entwicklung der Buchwerbung und Buchgestaltung, also des verlegerischen Paratextes im 20. Jahrhundert, aus einer neuen Perspektive betrachten. Zu den oben betrachteten Faktoren, die die Gebrauchsweisen des Autorenfotos beeinflussen, treten hier nun auch die Tendenzen der Buchwerbung und Buchgestaltung im 20. Jahrhundert, die einführend knapp dargestellt werden. Die Funktion des Autorenfotos im verlegerischen Paratext ergibt sich auch aus der Zielsetzung desselben: dem Stellenwert von Werbung und Vermittlung. Das Vorgehen ist ein exemplarisches. Anhand typischer Beispiele wird unter Berücksichtigung der Bild- und Kontextebene herausgearbeitet, welches Inszenierungspotenzial das Autorenfoto im verlegerischen Paratext entwickelt. Dahinter steht auch die Antwort auf die Frage nach der Rolle des Autors im Prozess der Literaturvermittlung. Die kommunikative Einbettung des Autorenfotos variiert zwischen den einzelnen Kontexten und damit variiert die Bedeutung des zuschreibungsbedürfti-
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
gen Autorenfotos. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Konnotationen des Autorenfotos in verschiedenen Bereichen des verlegerischen Paratextes: Welche Textund Bildelemente werden mit der Fotografie des Autors verbunden? Welche Verwendungspraxis wird dabei geprägt und entwickelt? Hier gilt es Textarten herauszuarbeiten und sich ihre Verknüpfung mit der Fotografie näher anzusehen. Bei der Auswahl der Beispiele steht weder ein bestimmter Autor noch ein bestimmter Autorentypus im Vordergrund. Gleichwohl wird die Auswahl von der These begründet, dass sich Autortypen und Inszenierungsformen in der Moderne ausdifferenzieren, dass es also keinen Nenner des Autorbildes mehr gibt. Ausmachen lassen sich jedoch Extreme, die sich durch die Position des Autors im Feld ergeben. So werden junge Autoren im Verlauf der Untersuchung etablierten und kanonisierten gegenübergestellt, Vertreter der reinen Kunst denen der kommerzialisierten Logik des Feldes. Dabei zeigen sich die Extreme der Inszenierungsschemata, zwischen denen sich die fotografische Inszenierung des Autors abspielt. Die Struktur der Untersuchung basiert auf der Unterteilung des Paratextes in Periund Epitext durch Genette. Der exemplarischen Analyse der einzelnen Kontexte ist jeweils eine Übersicht über die Entwicklungstendenzen im Bereich des Peri- und Epitextes vorangestellt. Damit kann zwar das Desiderat einer umfassenden Geschichte der Buchwerbung im 20. Jahrhundert nicht behoben werden, unter Rückgriff auf die Forschungsliteratur lässt sich aber herausarbeiten, wodurch die Entwicklung des Autorenfotos bedingt wird. Aufgrund der strukturgebenden Bedeutung der Begriffe verlegerischer Epitext und Peritext werden diese zunächst reflektiert und mit der Debatte um die Funktionen der Buchgestaltung und Buchwerbung um 1900 in Verbindung gebracht.
4.1 Zwischen Vermittlung und Werbung: Der verlegerische Paratext Der Begriff des verlegerischen Paratextes dient als Grundlage für die Untersuchung, da er eine Fokussierung auf die Literatur vermittelnde Funktion gewährleistet, die hier zu Ungunsten etwa der wirtschaftlichen und ästhetischen Gesichtspunkte im Fokus steht. Gérard Genette unterteilt auch den verlegerischen Paratext in Peritext und Epitext.1 Den verlegerischen Peritext definiert er als »die gesamte Zone des Peritextes, für die hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) der Verleger oder vielleicht abstrakter, aber exakter, der Verlag verantwortlich ist [...].«2 Der Peritext umfasst gewissermaßen alles, was von einem Buch übrig bleibt, wenn man den Text abzieht, seine »materielle Realisierung«3: Format, Einband und Umschlag, Papier, Schrift, Illustrationen – alle 1 Zu Genettes Paratext-Definition siehe: 2.1.2 Theorie des Autors und seiner Inszenierung 2 Genette: Paratexte, S. 22. 3 Ebd.
Zwischen Vermittlung und Werbung: Der verlegerische Paratext
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Elemente also, die zusammen die Ausstattung eines Buches ausmachen.4 Diese wiederum ist ein Resultat der Buchgestaltung. Der verlegerische Epitext beinhaltet ergänzend dazu alle Elemente des Paratextes, die sich außerhalb des Buches befinden, und vom Verleger bzw. Verlag unter grundsätzlicher Einwilligung des Autors verantwortet werden. Genette, der diesen Bereich des Paratextes für wenig interessant erklärt, da er »hauptsächlich werbende und ›verkaufsfördernde‹ Funktion«5 habe, fasst darunter Plakate, Anzeigen, PR-Veröffentlichungen und Prospekte,6 also die Mittel der Buchwerbung. Entgegen Genettes Auffassung hat der gesamte verlegerische Paratext immer zwei Funktionen: eine werbende, die der Verkaufsförderung des Buches dient, und eine vermittelnde, die der inhaltlichen Vorbereitung des Lesers auf den Text dient.7 Beide Funktionen korrelieren mit dem Doppelcharakter des Buches als geistiges und wirtschaftliches Gut. Sie können unterschiedlich gewichtet sein, also mehr der Verkaufsförderung oder mehr der inhaltlichen Vermittlung dienen, sind aber im verlegerischen Paratext voneinander grundsätzlich nicht zu trennen. Sowohl die Verkaufsförderung als auch die inhaltliche Vermittlung sind Kommunikationsstrategien. Beide sind zunächst darauf angewiesen, die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf einen bestimmten Gegenstand zu lenken und diesen damit aus der Masse von Eindrücken herauszuheben. Thomas Wegmann bestimmt Reklame als »all das, womit gezielt und intentional Aufmerksamkeit auf bestimmte Produkte, Personen oder Dienstleistungen gelenkt werden soll, um so ökonomisches oder symbolisches Kapital einzunehmen.«8 Die Motive der Verkaufsförderung und der inhaltlichen Vermittlung fallen dabei ineinander. Der verlegerische Paratext ist ein räumliches Gebilde, das vor dem Text angesiedelt ist und dazu dient, die Aufmerksamkeit des Lesers auf einen Text zu lenken. Dabei wird ein erster Eindruck eines Buches vermittelt, der den Rezipienten dazu bewegen soll, das Buch zu lesen – und zu kaufen –, indem verschiedene Kommunikationsstrategien angewendet werden. Die Personalisierung eines literarischen Textes durch den Autor als Bezugsgröße der Vermittlung ist eine dieser Strategien und das Autorenfoto ihr zentrales Element. Das Marketing als Methode der Verkaufsförderung
4 Vgl. Ursula Rautenberg: Ausstattung. In: Reclams Sachlexikon des Buches. Hrsg. v. ders., 2., verb. Aufl., Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2003, S. 43. 5 Genette: Paratexte, S. 331. 6 Vgl. ebd. 7 Diese Auffassung wurde auch immer wieder in der wissenschaftlichen Forschung zur Buchwerbung vertreten: So fasste Gisela Welsch 1949 unter dem Begriff „Werbung“ alle Aktivitäten zusammen, die „der Dichtung zur Verbreitung und Wirkung verhelfen und fragt nach der „Geschmacksbildung des literarischen Publikums“ durch die Werbung, deren vermittelnde Funktion sie in der Vordergrund stellt. Auch Florian Tielebier-Langenscheidt untersuchte 1983 die Buchwerbung als Bestandteil der Literaturvermittlung. Welsch: Studien zur Werbung für die Dichtung in neuerer Zeit, S. 6–7; Vgl. Tielebier-Langenscheidt: Werbung für deutsche Gegenwartsliteratur. 8 Thomas Wegmann: Dichtung und Warenzeichen. Reklame im literarischen Feld 1850–2000, Wallstein: Göttingen 2011, S. 19.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie ist deswegen »von Anfang an ein Verbündeter der Literatur gewesen.«9 Diese heute selbstverständlich anmutende Verbindung ist allerdings keineswegs immer so aufgefasst worden. Die Öffnung des Buchhandels für die Gesetze des Marketings, die sich sowohl auf die Buchwerbung direkt, als auch auf die Buchgestaltung auswirkte, und in deren Rahmen viele der heute üblichen verlegerischen ParatextElemente sich erst entwickelten, erfolgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur zögerlich und wurde von einer heftig geführten Debatte in Fachzeitschriften und -büchern begleitet. Horst Kliemann hat mit Die Werbung fürs Buch ein Standardwerk vorgelegt, das 1923 erstmals erschien und bis 1950 in mehreren Erweiterungen neu aufgelegt wurde, und hat damit nicht unwesentlich zur Professionalisierung der Buchwerbung beigetragen. 1925 äußerte er Verständnis für die branchentypische Skepsis der Werbung gegenüber: Den allgemein bekannten, bisher rein gefühlsmäßig erfolgten Widerstand des Verlegers gegen eine intensive Reklame ist eine gewisse Berechtigung nicht ohne weiteres abzusprechen. Der Buchhändler sagt sich nicht mit Unrecht, daß Lesen und Bücher die vielleicht individuellste Angelegenheit einer Kultur und eines Menschen ist, daß sich lärmende Reklamekundgebungen nicht mit der Stille der geistigen Arbeitsstube verträgt!10
Im späten 19. Jahrhundert war die Ablehnung der Werbung eine Position, die sich durchaus auch in anderen Branchen nachweisen lässt. Insbesondere Vertreter des Mittelstandes sahen in der Reklame eine »unlautere Methode des Wettbewerbs.«11 Nach 1905 ließ dieser Widerstand jedoch nach und der »reklametreibende Kaufmann« wurde zum »neuen Selbstbild«12 des modernen Handels. Im Buchhandel, wo die moderne Werbung sich erst in den 1890er Jahren und damit im Vergleich zu anderen Branchen verspätet etablierte und wo von einer umfassenden Durchsetzung erst in den 1920er Jahren die Rede sein kann, resultierte die Ablehnung der Werbung zudem aus dem althergebrachten Selbstverständnis der Branche als geistige Größe in der Abgrenzung zum bloßen Handel. Diese Haltung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die entstehende Massenkultur und die damit verbundene Umwertung des Buches zu einem Objekt der Konsumkultur in Frage gestellt. Die viel beklagte Krise des Buches in den 1920er Jahren, zu der sich die wirtschaftliche Absatzkrise in der Inflationszeit mit der ideellen Krise des Buches in der neuen Massenkultur verband,13 machte die Werbung für das Buch unerlässlich 9 Stephan Porombka: Vom Event zum Non-Event und zurück – Über den notwendigen Zusammenhang von Literatur und Marketing. In: Auf kurze Distanz. Die Autorenlesung: O-Töne, Geschichten, Ideen, hrsg. v. Thomas Böhm, Köln: Tropen 2003, S. 125–139, hier: S. 130. 10 Kliemann: Die Werbung fürs Buch. 2. Aufl., S. 6. 11 Lamberty: Reklame in Deutschland, S. 49. 12 Ebd., S. 50. 13 Vgl. Ernst Fischer u. Stephan Füssel: Kultur und Gesellschaft: Signaturen der Epoche. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Die Weimarer Republik 1918–1933,
Zwischen Vermittlung und Werbung: Der verlegerische Paratext
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und bedingte eine Professionalisierung der Buchwerbung.14 Umso größer war das Bedürfnis des Buchhandels, sich von anderen Branchen abzugrenzen. Das Buch galt als geistige Ware, die sich von den kommerziellen Produkten der entstehenden Konsumkultur unterscheiden müsse, wie ein Beitrag im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel von 1900 verdeutlicht: Während uns in Deutschland die Kunst Gutenbergs und ihre Werke noch als eine Art Heiligtum gelten, die vor aufdringlicher Reklame bewahrt werden müssen, damit sie nicht in eine Kategorie mit einer Seife, einem Senf, kräftig wirkenden Pillen oder einem besonders billigen Handschuh gestellt werden, macht in England die Straßenreklame auch vor Büchern nicht halt.15
So forderte Karl Friedrich Pfau, ein früher Verfechter der Buchwerbung, 1895 in Die Reklame des Verlegers, dass [...] alle Veröffentlichungen, die aus der Geisteswerkstatt des Buchhandels hinausgehen, ein litterarisches Gepräge, einen vornehmen Zug der Erhebung über die Massenreklame von Massenartikeln in sich tragen, der urteilsfähige Leser, wie man sie auch den Büchern wünscht, anspricht und fesselt. Schon hierdurch sollte sich der Buchhandel dem Publikum gegenüber als ein geistiger Faktor im litterarischen öffentlichen Leben dokumentieren, nicht bloss als eine Grösse des Marktes, wie etwa Getreidehandel oder Bankwesen [...].16
Diese Debatte, die den Doppelcharakter des Buches auch durch die Buchwerbung nicht entwürdigt sehen wollte und die den Buchhandel noch lange prägte,17 bringt zum Ausdruck, warum sich die Funktion des verlegerischen Paratextes (und insbesondere des Epitextes) nicht auf eine reine Verkaufsförderung beschränken kann, sondern gleichzeitig auch den literarischen Inhalt transportiert und als Paratext dessen Rezeption vorbereitet.
Teil 1, hrsg. v. dens. (Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert 2), München: K.G. Saur 2007, S. 5–28, hier: S. 6–7; Britta Scheideler: Werbung für das Buch. In: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1825–2000. Ein geschichtlicher Aufriss, hrsg. v. Stephan Füssel, Georg Jäger u. Hermann Staub, Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 2000, S. 226–233, hier: S. 226. 14 Vgl. Scheideler: Werbung für das Buch; Franziska Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat. Die Buchwerbung im Verlag Karl Robert Langewiesche 1902–1933 (Magisterarbeit am Institut für Buchwissenschaft der Universität Mainz), Mainz: 2003, S. 33–40. 15 Verlegerreklame in England. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 293 v. 18.12.1900, S. 10143. 16 Pfau: Die Reklame des Verlegers, S. 18–19. 17 Die konservative Zurückhaltung des Buchhandels im Bezug auf die Werbung ist ein Topos, der in der Forschung immer wieder auftaucht: U. a. Panskus hebt 1971 noch die Zurückhaltung der deutschen Verlage gegenüber der Werbung hervor und Sabine Steinkopf verweist in ihrer Untersuchung von 1994 auf den elitären Sprachduktus des Buchwerbung gegenüber der Werbung für andere Produkte. Vgl. Hartmut Panskus: Buchwerbung in Deutschland. In: Literaturbetrieb in Deutschland. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold, Stuttgart: Edition Text + Kritik, S. 78–90; Steinkopf: Buchwerbung in Prospekten.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
Die Entwicklung des verlegerischen Paratextes im 20. Jahrhundert ist von der Spannung zwischen Werk und Ware, zwischen Literaturvermittlung und Marketing geprägt. Im Folgenden wird untersucht, welche kommunikativen Möglichkeiten das Autorenfoto innerhalb dieses Spannungsfeldes entwickelt und wie diese realisiert werden.
4.2 Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext 4.2.1 Entwicklungstendenzen des verlegerischen Peritextes im 20. Jahrhundert Die äußere Ansicht des gedruckten Buches hat sich innerhalb der letzten 120 Jahre stark verändert, auch wenn die Buchform grundsätzlich dieselbe geblieben ist. Die Gestaltung des Buchäußeren wurde immer wichtiger. Das zeigt sich an der Umschlagund Einbandgestaltung von Einzeltiteln und Buchreihen, die sich im Kontext der visuellen Kultur und der Kommerzialisierung der Buchwerbung entwickelte. Der Schutzumschlag18 (oder Buchumschlag genannt) stellt die erste grundlegende Veränderung dar. Buchumschläge hatte es bereits in der Frühdruckzeit gegeben. Bei Broschurausgaben bestanden sie aus einem Karton, in den der Buchblock eingeklebt war, und der bereits im 18. Jahrhundert bedruckt wurde, zunächst nur mit dem Titel. In seiner heutigen Form als abnehmbarer Papierstreifen, der den Bucheinband umhüllt und durch das Einfalten der Umschlagklappen lose am Bucheinband befestigt ist, entstand der Schutzumschlag mit dem industriell gefertigten Verlagseinband im 19. Jahrhundert.19 Schutzumschläge, die über den Aufdruck des Titels und informierender Texte hinaus wie kleine Plakate gestaltet waren, veränderten in Deutschland ab 1895 die äußere Erscheinung des Buches. Albert Langen war der erste Verleger, der dem deutschen Publikum in den 1890er Jahren grafisch gestaltete Broschur-Umschläge präsentierte. Er war geprägt von Eindruck französischer Buchumschläge – Langen hatte seinen Verlag 1892 in Paris gegründet, ehe er nach Deutschland übersiedelte –, die wie Buchplakate von grafischen Künstlern gestaltet wurden.20 Er ließ seine Broschur-Umschläge von Jules Chéret, Max Slevogt und Thomas Theodor Heine gestalten.21 Um die Jahrhundertwende hatte sich eine künst18 „Papierstreifen, der um das Buch gelegt und an den Vorderkanten eingeschlagen wird. Die Höhe des S. entspricht der Buchhöhe.“ Jochen Goerke: Schutzumschlag. In: Reclams Sachlexikon des Buches, S. 461–462, hier: S. 461. 19 Zuvor waren Bücher nicht mit einem standardisierten Einband ausgestattet, sondern der Buchblock wurde vom Buchbinder nach dem Kauf mit einem gewünschten Einband versehen. 20 Auch in England gab es seit Mitte des 19. Jahrhunderts Vorläufer des Schutzumschlags. Inwiefern die Umschlaggestaltung in Deutschland in ihrer Entwicklung mehr von England oder von Frankreich beeinflusst wurde, ist in der Forschung umstritten und kann und muss hier nicht geklärt werden. Vgl. Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 49. 21 Vgl. ebd.
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lerische Umschlaggestaltung auch in den Verlagen S. Fischer, Eugen Diederichs, Insel und Schuster und Loeffler durchgesetzt.22 Gerade die sogenannten Kulturverleger haben sich um die Umschlaggestaltung verdient gemacht; ihr literarisches Sendungsbewusstsein und ihre Verbundenheit mit den Autoren war mit einer Bereitschaft zur Innovation im Bereich der Buchgestaltung und Buchwerbung gepaart – der neuen Literatur wurde auch ein neues Gewand verpasst. Dazu beauftragten sie Gestalter wie Emil Rudolf Weiß oder Fritz Helmuth Ehmke. Sie waren durch die Buchkunstbewegung der Jahrhundertwende beeinflusst und vertraten noch die Auffassung, dass der Buchumschlag als Element der Gestaltung marginal sei; die Typografie sei die Säule der Buchgestaltung und alle weiteren Elemente seien in Harmonie mit ihr zu entwickeln.23 1899 schrieb ein zeitgenössischer Kritiker in der Zeitschrift für Bücherfreunde: Die Auslagen der deutschen Buchhandlungen haben ihr Aussehen in verhältnismäßig kurzer Zeit vollständig verändert. Früher waren sie ernst und düster, jetzt sind sie heiter und farbenfreudig geworden; früher boten sie nur Lesestoff, jetzt gewähren sie den Eindruck einer kleinen Galerie.24
Was sich zunächst, beeinflusst durch die zeitgenössische Plakatgestaltung, verändert hatte, war der optische Eindruck. Der neue Buchumschlag machte durch farbige Lithografien auf sich aufmerksam und hob sich von den traditionell gestalteten Büchern ab. Das Buchäußere konkurrierte damit in der visuellen Kultur neben den Bildern der Werbung und der illustrierten Presse um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Spätestens in der Weimarer Republik wurde der Umschlag zu einem Mittel, um »auf neue Wahrnehmungsmuster und Sehgewohnheiten adäquat zu antworten.«25 Der Ort dieser visualisierten Buchwahrnehmung war das Schaufenster der Buchhandlung. Hier war der Buchumschlag neben dem Plakat das wichtigste Werbemittel:26 Das Schaufenster gehört nicht nur zum ›visuellen Environment‹ der Moderne, seine Inszenierung von Objekten (z. B. Büchern) stellt nicht nur ein ‚Kernstück des Urbanismus’ dar, sondern
22 Vgl. Heinz Kroehl: Der Buchumschlag als Gegenstand kommunikationswissenschaftlicher Untersuchungen. (Dissertation am Fachbereich für Geschichtswissenschaft der Universität Mainz), Mainz: 1980, S. 15–20. 23 Vgl. Wilhelm Haefs: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs in der Weimarer Republik. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 6. Hrsg. v. Mark Lehmstedt u. Lothar Poethe, Wiesbaden: Harraosswitz 1996, S. 353–382, hier: S. 354 u. 361. 24 Walter von zur Westen: Der künstlerische Buchumschlag: Deutschland. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen, 3. Jg. (1899/1900), Nr. 1, S. 1–21, hier: S. 1. 25 Haefs: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs, S. 370. 26 Vgl. Nina Schleif: SchaufensterBücher. Zu einer vergessenen Debatte über Äußerlichkeiten, in: Wissen im Druck. Zur Epistemologie der modernen Buchgestaltung, hrsg. v. Christof Windgätter (Buchwissenschaftliche Beiträge 80), Wiesbaden: Harrassowitz 2010, S. 116–139, hier: S. 124.
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funktioniert auch als ‚Kommunikationserreger’ zwischen Passanten und Waren, Straßen und Läden, Wünschen und Wirklichkeiten.27
Neben Büchern wurden in den Schaufenstern der Buchhandlungen auch »Bilder aller Art [...], plastische Werke [...] sowie Globen, Landkarten, Stadtpläne u.a.m.« ausgestellt, »so dass sich schauen, nicht nur lesen ließ.«28 Die Präsentation von Waren in Schaufenstern machte in der Gestaltung derselben eine gesteigerte Berücksichtigung des Ausstellungswertes im Gegensatz zum Gebrauchswert erforderlich. Georg Simmels Formel von der »Schaufenster-Qualität der Dinge«29 bezeichnet die Notwendigkeit, »den Dingen über ihre Nützlichkeit hinaus noch eine verlockende Außenseite zu geben.«30 Dieser Notwendigkeit entsprach die Umschlaggestaltung durch die vollständige Ausnutzung der Umschlagfläche für die Reklame: Man berechnet dann die Wirkung ganz auf die Absicht, die Aufmerksamkeit des Beschauers zu fesseln, und stattet ihn so auffallend aus, wie man es bei einem Bucheinband aus ästhetischen Gründen nie wagen würde.31
Zu den werbenden Elementen der Umschlaggestaltung der 1890er Jahren zählen Illustrationen zum Buchinhalt, Angaben zum Preis und Hinweise auf weitere Verlagsprodukte.32 Daraus entwickelte sich noch in den 1890er Jahren der abnehmbare Schutzumschlag für gebundene Bücher, der bald um ein Element erweitert wurde, das seine Gestaltung bis heute prägt: Den Klappentext, als dessen Erfinder der Verleger Karl Robert Langewiesche gilt. 1904 versah er die vordere Umschlagklappe einer Ausgabe von Arbeiten und nicht verzweifeln von Thomas Carlyle mit einem informierenden Text zum Inhalt des Buches. Auch die Umschlagseiten 1 und 4 (U1 und U4) nutzte er nicht nur für die Angabe von Titel und Preis, sondern auch für informierende Texte. Bei Langewiesche erschien auch die populäre Buchreihe Die Blauen Bücher. In der Gestaltung dieser Reihe wurde das Prinzip der Einheitlichkeit, das bereits in den Buchreihen des 19. Jahrhunderts angewandt worden war, auch auf die Schutzumschlaggestaltung übertragen. Dadurch wurde die äußerliche Wiedererkennbarkeit 27 Christof Windgätter: Vom „Blattwerk der Signifikanz“ oder: Auf dem Weg zu einer Epistemologie der Buchgestaltung. In: Wissen im Druck, hrsg. v. dems., S. 6–51. 28 Georg Jäger: Der Sortimentsbuchhandel. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich, Teil 3, hrsg. v. dems. (Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert 1), Berlin: De Gruyter 2010, S. 78–176, hier: S. 125. 29 Georg Simmel: Berliner Gewerbe-Ausstellung [25.7.1896]. In: Ders.: Gesamtausgabe. Bd. 17, Miszellen, Glossen, Stellungnahmen, Umfrageantworten, Leserbriefe, Diskussionsbeiträge 1889–1918, hrsg. v. Klaus Christian Köhnke u. a. (Gerorg Simmel: Gesamtausgabe, hrsg. v. Otthein Rammstedt), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004, S. 33–38, hier: S. 36. 30 Ebd., S. 37 31 Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 56. 32 Vgl. Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 50.
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gewährleistet. Die einheitliche Reihengestaltung wurde bald auch von anderen Verlegern übernommen, so von S. Fischer in der Reihe Bibliothek zeitgenössischer Romane oder dem Insel Verlag in der Insel Bücherei.33 Die gestalterischen Bemühungen der Verlage sind »in einem größeren Zusammenhang der Verlagsprofilierung und Imagebildung sowohl in der Öffentlichkeit als auch gegenüber der Konkurrenz«34 zu sehen. Die visuelle Prägung wurde als Mittel der Aufmerksamkeitsbindung entdeckt. Außerdem enthielten Die blauen Bücher – eine der ersten populären Buchreihen, in denen Bildbände erschienen und die für die Verbreitung der Fotografie im Buch große Bedeutung hat35 – als erste Reihe serienmäßig Fotografien auf dem Cover. Aus dem Inhalt des Bildbandes Griechische Bildwerke wurde 1907 erstmals eine besonders ansprechende Aufnahme ausgewählt und ein Abzug derselben wurde auf den Umschlag aufgeklebt. »Langewiesche erkannte, dass sich seine Bücher mit solchen ›Hinguckern‹ von den anderen Büchern abheben würden, und versah alle Bildbände mit passenden Umschlagbildern.«36 1897 war bei S. Fischer bereits die vermutlich erste Fotografie auf einem belletristischen Buchumschlag eingesetzt worden: Peter Altenberg steuerte sie persönlich zur Ausstattung seiner Erzählung Ashantee bei.37 Langewiesche war also nicht der erste Verleger, der Fotografien auf dem Buchumschlag einsetzte. Anfangs mussten die Fotografien noch aufgeklebt werden – ein aufwändiges und kostspieliges Verfahren, das erklärt, warum diese Form der Umschlaggestaltung noch selten vorkam. Erst ab 1920 wurden für Umschläge Papiersorten verwendet, die reißfest genug waren, um das Buch zu schützen und sich zugleich für den Druck von Fotografien eigneten.38 Damit war die fotografische Gestaltung des Schutzumschlags vereinfacht worden, was mit dazu beitrug, dass die Fotografie als Gestaltungselement auch über den Bildband hinaus für andere Buchtypen eingesetzt wurde. Berühmt, wegweisend und unübertroffen sind die Umschlaggestaltungen John Heartfields für den Berliner Malik Verlag in den 1920er und 1930er Jahren, die visuelle Attraktion und politische Agitation miteinander verbanden. Heartfield setzte als erster die Fotomontage als Technik der Gebrauchsgrafik ein und kontrastierte bei seinen Umschlägen mehrere Fotografien miteinander, die zusammen satirische Wirkung erzielten, was Peter Panter alias Kurt Tucholsky zu dem vielzitierten Satz »Wenn ich nicht Peter Panter wäre, möchte ich ein Buchumschlag im Malik-Verlag sein«39 bewegte. Heart-
33 Vgl. Haefs: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs, S. 355. 34 Ebd., S. 356. 35 Vgl. Heidtmann: Wie das Photo ins Buch kam, S. 676–677. 36 Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 52–53. 37 Vgl.: Friedrich Pfäfflin: 100 Jahre S. Fischer Verlag 1886–1986, S. 11. 38 Vgl. Rolf Stümpel: Photographie auf dem deutschen Buchumschlag, S. 6. 39 Kurt Tucholsky: Auf dem Nachttisch. In: Ders.: Gesamtausgabe. Band 15: Texte 1932/1933, hrsg. v. Antje Bornitz (Kurt Tucholsky: Gesamtausgabe, hrsg. v. Antje Bornitz, Dirk Grathoff, Michael Hepp u. a.), Reinbek: Rowohlt 2011, S. 34–40, hier: S. 34.
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field bezog als erster auch die bis dahin ausgelassene Buchrückseite in seine Gestaltung mit ein. Die neue Generation der Buchgestalter, die das Aussehen des Buches in der Weimarer Republik formte, und zu der neben John Heartfield auch Georg Salter, Heinrich Hussmann, Georg A. Mathéy, Rudolf Geyer u. a. zählten, brach mit den tradierten Vorstellungen einer einheitlichen harmonischen Buchgestaltung. Vor allem Salter und Heartfield bekannten »sich zur Autonomie von Einband und Umschlag aus der Erkenntnis heraus, daß dem Äußeren des Buches neue kommunikative Funktionen zugekommen waren.«40 Damit waren alle Ebenen eingeführt, die bis heute zentral für die Umschlaggestaltung sind: Textebene, Bildebene, Verlagsebene und Marketingebene.41 Die Textebene beinhaltet auf dem Cover und dem Buchrücken den Titel sowie den Namen des Autors. Weiterhin den Klappentext, der meist in der vorderen und hinteren Buchklappe über den Inhalt und inzwischen auch über den Autor des Buches informiert. Der Klappentext kann auch auf der Buchrückseite angesiedelt sein, wo er von lobenden Pressezitaten flankiert wird. Die Bildebene kann sich von der U1 über den Buchrücken auf die U4 erstrecken oder auch nur einen Teil dieser Fläche nutzen. Der Bildvorrat hierfür ist in technischer und inhaltlicher Form schier unbegrenzt. Fotografien, Gemälde und Zeichnungen zeigen alle erdenklichen Motive, die einerseits den Inhalt umsetzen und zugleich eine Stimmung übermitteln und ansprechen sollen. Dazu kommt das Klappenporträt des Autors, das sich erst in den 1950er Jahren etablierte. Die Verlagsebene wiederum beinhaltet den Verlagsnamen und das Verlagssignet (das ebenfalls um die Jahrhundertwende wieder eingeführt worden war)42 und die verlagsspezifische Grundgestaltung. Hinzu kommt eine Marketingebene, die Banderolen, Bauchbinden und Buttons mit eindeutig werbendem Inhalt enthält.43 Das hiermit bezeichnete Modell des Schutzumschlags wird freilich nicht bei der Gestaltung eines jeden Umschlags vollständig umgesetzt. Mit dem Taschenbuch, das sich seit seiner Einführung auf dem deutschen Markt 1950 mit den rororo-Taschenbüchern des Rowohlt Verlags in den 1950er und 1960er Jahren ausbreitete, setzte sich eine durchaus auch grundlegende Veränderung im verlegerischen Paratext durch: die Reihengestaltung, für die es u. a. in Langewiesches Blauen Büchern bereits Vorläufer gegeben hatte. Die einheitliche Gestaltung der Taschenbuchreihen war anfangs bei vielen Verlagen fest an bestimmte Grafiker gebunden. Das Erscheinungsbild der dtv-Bücher prägte Celestino Piatti, Werner Rebhuhn das der rororo-Taschenbücher, Willy Fleckhaus gestaltete die edition suhr40 Haefs: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs, S. 370. 41 Vgl. Stefan, Rothfos u. Westerveld: U1, S. 2 86–287. 42 Siehe: 4.3 Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext 43 Vgl. für den gesamten Absatz: Max Mönnich u. Nina Rothfos: Kommunikation und Rahmenbedingungen. In: Stefan, Rothfos u. Westerveld: U1, S. 279–289, hier: S. 2 86–287; Genette: Paratexte, S. 29–36.
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kamp (es), das suhrkamp taschenbuch (st) und das Insel Taschenbuch (it). Die Gestaltung vieler Taschenbuchreihen prägte einen Zeichencharakter und hat die Wahrnehmung von Buchumschlägen insofern verändert, als sie Codierungen für bestimmte Programmbereiche einführte, die sich inzwischen auch zu einer Codierung von Genres verfestigt haben. Zunächst entwickelte sich in der Gestaltung der Buchreihen eine Bildsprache, die durch das jeweilige Markendesgin entsteht, zum Beispiel die edition suhrkamp mit ihren regenbogenfarbigen Einbänden und der schlichten Typografie, die die Covergestaltung ausmacht.44 »Als Imagologie betreibt das Drucksachendesign die optische Konditionierung ihrer Leser.«45 Das bedeutet, eine bestimmte Gestaltung wird mit einem inhaltlichen Genre oder einer Richtung verbunden: »Regenbogen + Garamond = ›Kritische Theorie‹«46 Der erste Blick auf das Buch ist von einem inhaltlichen Erfassen der Äußerlichkeit erfüllt, der sich vom hermeneutisch entziffernden Lesen unterscheidet.47 Zu dieser reihenspezifischen Wahrnehmung tritt auch eine codierte Wahrnehmung von Genres über die Reihengestaltung hinaus.48 Kriminalromane sind beispielsweise oft erkennbar durch eine schwarze Hintergrundgestaltung, auf der eine rote Schrift prangt, die mit einem Bild verbunden ist. Biografien enthalten ein Porträt der betreffenden Person auf dem Cover, die Umschläge von Frauenromanen sind häufig pink gehalten usw. Der Schutzumschlag und der gestaltete Taschenbucheinband erfüllen mehrere Grundfunktionen: die »Orientierungsfunktion«, die »Werbefunktion«, »ästhetische Funktion« und »Schutzfunktion«49. In der Forschung war man sich schon früh über den Doppelcharakter auch des Schutzumschlages einig. Ehmke sprach 1951 vom »Durchdringen des Propagandawirksamen mit dem geistigen Gehalt«50 als der Besonderheit des modernen Umschlags, Scheffler und Fiege schrieben 1971: Der Buchumschlag hat eine Doppelfunktion von Schutz und Werbung. In der werbenden Eigenschaft vermittelt er zwischen Literatur (im weitesten Sinne) und dem Konsumenten. Deshalb wird seine Erscheinung einerseits durch den Buchinhalt, andererseits durch die Erfordernisse der Werbewirksamkeit bestimmt.51
44 Windgätter: Vom „Blattwerk der Siginifikanz“, S. 26. 45 Ebd., S. 27. 46 Ebd. 47 Vgl. ebd., S. 29. 48 Vgl. Stefan, Rothfos u. Westerveld: Einführung. In: U1, hrsg. v. dens., S. 17–32, hier: 26–32. 49 Kroehl: Der Buchumschlag, S. 77. 50 F. E. Ehmke: Broschur und Schutzumschlag am deutschen Buch der neueren Zeit. (Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft 47), Mainz: Gutenberg-Gesellschaft 1951. 51 Walter Scheffler u. Getrud Fiege: Buchumschläge 1900–1950. Aus der Sammlung Curt Tillmann (Kataloge zu Sonderausstellungen des Schiller-Nationalmuseums 22), München: Kösel 1971.
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Um 1930 verlagerte sich die Funktion des Schutzumschlages von der inhaltlichen zur werbenden Vermittlung. »Die zielbewusste, werbende Repräsentation der jüngsten Phase«, so Kurt Georg Schauer 1962, [...] unterscheidet sich grundsätzlich von der vorausgegangenen Auffassung, bei der Individuation und Übereinstimmung mit dem Sachgehalt voranstanden. [...] Der Schutzumschlag wurde zum wichtigsten Werbemittel für das Buch am Buch – Anrufplakat, Informationsbild, Verkaufshilfe für Buchhändler in Wort und Bild.52
Die Gewichtung verschob sich von der ästhetischen zur werbenden Funktion unter Einfluss der Professionalisierung der Werbung.53 »Heute ist der Schutzumschlag, wie bei Umschlägen für Broschuren auch, vornehmlich ein Marketinginstrument.«54 Dabei ist die ursprünglich schützende Funktion längst in den Hintergrund gerückt und wird von Plastikfolien erfüllt, in die das Buch mitsamt Umschlag zur Auslieferung an den Buchhandel eingeschweißt wird.
4.2.2 Das Frontispizporträt als erster Verwendungskontext des Autorenfotos Das Frontispiz ist historisch betrachtet der erste Verwendungskontext des Autorenfotos im verlegerischen Peritext. Innerhalb der möglichen Verwendungskontexte befindet es sich in der größtmöglichen Nähe zum Text – es leitet den Text bildlich gegenüber des Titelblattes ein.55 Es handelt sich beim Frontispiz um einen tradierten Verwendungskontext des Autorenporträts, der seit der frühen Neuzeit vorkommt.56 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts reihte sich das Autorenfoto in diesen Kontext ein, ohne andere Porträttechniken dabei vollständig zu verdrängen. Das Frontispiz war im 19. und frühen 20. Jahrhundert durchaus üblich. Aus dem Motivrepertoire des klassischen Frontispizes, zu dem auch allegorische Darstellungen des Inhalts zählten, hatte sich das Porträt durchgesetzt, andere Motive finden sich im 19. und 20. Jahrhundert nur noch sehr selten. Fotografische Porträts waren unter den Porträts insgesamt in der Minderheit. Entsprechend der drucktechnischen Entwicklung war die Reproduktion von 52 Kurt Georg Schauer: Kleine Geschichte des deutschen Buchumschlages im 20. Jahrhundert. Königstein: Karl Robert Langewiesche Nachf. Hans Köster 1962, S. 36. 53 Vgl. Tom Erben: Cover. In: BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen, hrsg. v. Erhard Schütz, Silke Bittkow, David Oels u. a. (Rowohlts Enzyklopädie 55672), Reinbek: Rowohlt 2005, S. 97–100, hier: S. 98. 54 Jochen Goerke: Schutzumschlag. In: Reclams Sachlexikon des Buches, hrsg. v. Rautenberg, S. 462. 55 Einen interessanten Sonderfall stellen Autorenfotos innerhalb des Textes dar, beispielsweise in Roland Barthes’ Autobiografie Über mich selbst oder in W.G. Sebalds Die Ringe des Saturn. Vgl. Barthes: Über mich selbst; W.G. Sebald: Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt, Frankurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1997, S. 313. 56 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie.
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Fotografien im Druck bis in die 1890er Jahre zu teuer.57 Bei den vorher verwendeten Fotografien, die sich ab den 1870er Jahren nachweisen lassen, handelt es sich überwiegend um eingeklebte, also montierte Originalabzüge.58 Mit der Erfindung der Autotypie nimmt der Anteil der fotografischen Frontispiz-Porträts ab den 1890er Jahren zu. Die gedruckte Fotografie diente als Reproduktionstechnik für Zeichnungen und Gemälde; neben dem Porträt gehörte die Kunstreproduktion zu den frühen Aufgaben des Mediums. Diese Reproduktionen sollen hier aber unberücksichtigt bleiben – was interessiert, sind fotografische Porträts.
Abb. 3: Frontispiz und Titelseite von Arthur Eloessers Thomas Mann. Sein Leben und sein Werk (1925)
Das Frontispizporträt war bestimmten Genres vorbehalten: Neben biografischen Titeln (Autobiografien, Biografien, Erinnerungen, Anekdoten, Porträts, Briefwechseln) und Festschriften fand es sich vor allem in Werkausgaben literarischer und philosophischer Klassiker. Daneben war das Frontispiz im späten 19. und frühen 20. 57 Siehe: 3.4.1 Illustrierte Massenpresse und Werbung: Die Entstehung der visuellen Öffentlichkeit 58 Vgl. Heinriko Starke: Die psychologische Posaune. Humoristisch-satyrische Blätter zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib, Königsberg: Braun und Weber 1870 (F); Wilhelm Wackernagel: Gedichte. Auswahl, Basel: Schweighauserische Verlags-Buchhandlung 1873 (F).
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Jahrhundert aber auch bei belletristischen Titeln, vor allem bei Lyrikbänden und Reiseberichten, verbreitet. In der Ausstattung biografischer Titel um 1900 war das Frontispiz ein bildliches Element neben anderen. Arthur Eloessers Biografie Thomas Mann. Sein Leben und sein Werk beispielsweise, die 1925 zu dessem 50. Geburtstag im S. Fischer Verlag erschien, enthält neben zahlreichen Fotografien und anderen Abbildungen, die auf Tafeln in den Textteil eingebunden sind, auch ein fotografisches Frontispiz Thomas Manns.59 Es handelt sich um ein großformatiges, nahezu seitenfüllendes Brustbild des Autors. Sein Kopf ist leicht geneigt ist und sein Blick geht an der Kamera vorbei. Unter dem Bild befindet sich die faksimilierte Unterschrift Thomas Manns. Der Aufbau der Doppelseite gleicht der von Frontispiz und Titelblatt des ersten Bandes von Gerhart Hauptmanns Gesammelte Werke in acht Bänden, die 1922 ebenfalls als Jubiläumsausgabe zum Geburtstag des Autors und ebenfalls bei S. Fischer erschienen war.60 Wie bei Werkausgaben üblich, enthält nur der erste Band ein Frontispizporträt. Auch Hauptmanns Fotografie befindet sich gegenüber der Titelseite und darunter ist seine faksimilierte Unterschrift zu sehen. Ein Unterschied besteht allerdings in der Haltung des Autors, der direkt in die Kamera blickt, wodurch ein Blickkontakt mit dem Betrachter entsteht, eine Kontaktaufnahme des Autors mit dem Leser. Mit der Publikation der Biografie und der Werkausgabe gehen in beiden Fällen die Würdigung der Autoren und ihre Kennzeichnung als arrivierte Autoren einher. Beide erschienen zu runden Geburtstagen der Autoren und sind typische Bestandteile der verlegerischen Kanonisierung.61 In diesem Rahmen wirken auch beide Frontispize als Elemente der Würdigung der Autoren, als Bestandteile einer sorgfältigen und hochwertigen Buchausstattung zu Ehren der Verfasser. Als Eröffnung des Textes weisen die beiden Frontispize unterschiedliche Effekte auf: Im Fall der Biografie vermischt sich die Würdigung mit der Beglaubigung des Inhalts, der ja nicht von dem hier abgebildeten Autor verfasst wurde. Die Zustimmung des Autors wird suggeriert. Im Fall der Werkausgabe ist das Frontispizporträt zwar ein ebenso typisches Element wie bei der Biografie; während dort der Rekurs auf die Person des Autors aber selbstverständlich die Zielsetzung des Werkes ist und darum fotografische Zugaben nicht allzu abwegig erscheinen, ist die offenkundige Selbstverständlichkeit des Frontispizes als Eröffnung literarischer Texte eigentlich fragwürdig. Wozu dient das Bild des Autors hier? Auch hier wird die Autorperson gebraucht; die Texte der achtbändigen Hauptmann-Ausgabe sind unter seinem Namen organisiert. Der Rekurs auf die Person des Autors erscheint damit auch als Rekurs auf seine Werkherrschaft; im Frontispiz zu sehen ist der Autor, der die Texte der acht Bände verfasst hat. Mit 59 Vgl. Arthur Eloesser: Thomas Mann. Sein Leben und sein Werk, Berlin: S. Fischer 1925 (F). 60 Vgl. Gerhart Hauptmann: Gesammelte Werke in acht Bänden. Bd. I, Berlin: S. Fischer 1922 (F). 61 Zur Bedeutung von Gedenktagen im Zusammenhang mit den Kanonisierungspraktiken von Verlagen siehe: 5.1 Verlegerische Kanonisierungspraktiken
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Hilfe der fotografischen Präsenz begleitet der Autor die Lektüre stellvertretend im Porträt. Der Blick in die Kamera wirkt als Kontaktaufnahme, die Unterschrift fungiert als Beglaubigung. Sie lädt die technische Serialität der Fotografie mit der Aura des Einzigartigen der Handschrift auf.
Abb. 4: Frontispiz und Titelseite von Peter Altenbergs Fechsung (1921)
In belletristischen Einzelausgaben waren Frontispiz-Porträts seltener enthalten als in Werkausgaben. Bei S. Fischer erschienen einige Werke Peter Altenbergs mit Frontispiz-Fotografien. Das Autorenfoto-Frontispiz in Fechsung von 1921 entspricht im Aufbau den beiden anderen Beispielen.62 Die Fotografie des Autors ist mit seiner Handschrift zu einem Frontispiz kombiniert. Der handschriftliche Text besteht hier nicht nur aus der Unterschrift, sondern aus einer indirekten Botschaft an die Leser: Was für Leser ich mir wünsche?! Die, die sagen: ›Ich kann mir nicht helfen, ich kann den Kerl nicht aussteh’n, aber das ganze Buch strotzt [Hervorhebung im Original] von Geist, Seele, und Humor!‹ Peter Altenberg63
62 Vgl. Peter Altenberg: Fechsung. Berlin: S. Fischer 1921 (F). 63 Ebd.
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Der Text erzielt zusammen mit der Porträtfotografie, die den nachlässig gekleideten Altenberg sitzend im Bruststück zeigt, eine irritierende Wirkung: Die kommunikative Funktion des Autorenfotos, die durch den handschriftlichen Text verstärkt wird, der an eine Widmung und damit an die private Gebrauchsweise der Fotografie im 19. Jahrhundert gemahnt, wird durch den Inhalt des Textes konterkariert. Das Bild setzt den Autor dem Blick seines Lesers aus, der hier ein einseitiger ist, denn der Blick des Porträtierten richtet sich aus dem Bild hinaus am Betrachter vorbei. Altenbergs Notiz lenkt den Blick des Lesers von der Person des Autors auf den Text um; nicht der Autor soll dem Leser gefallen, sondern sein Werk. Altenbergs Text negiert die Bedeutung des Autorenfotos und der Autorperson überhaupt für den Leser und inszeniert sich als Autor, der die Sympathie des Lesers ablehnt – indem er sich der Aufmerksamkeit des Lesers aussetzt und sein Interesse am Autor bedient. Neben der kommunikativen Funktion erfüllt das Autorenfoto-Frontispiz auch bei belletristischen Titeln die Funktion einer Würdigung und Hervorhebung von Autor und Werk, indem es den einzelnen Titel unter anderen hervorhebt und als Ausstattungselement an die Werkausgabe des Klassikers gemahnt. Trotz dieser kommunikativen Möglichkeiten verlagerte sich die Position des Autorenfotos mit der Entwicklung der Buchgestaltung als einer Dominanz des Äußeren in andere paratextuelle Kontexte, wie die nachfolgenden Kapitel zeigen werden. In den 1950er Jahren ging die Verwendung von Frontispizen deutlich zurück, nachdem dem Bild des Autors in anderen Bereichen des verlegerischen Paratexts neue Kontexte geschaffen wurden und werden. Gelegentlich wurden Frontispiz-Porträts weiterhin in Biografien, Werkausgaben und Festschriften verwendet. Aus belletristischen Einzelausgaben sind sie so gut wie verschwunden – mit einzelnen Ausnahmen im Reihen- und Taschenbuch, wo es in manchen Reihen zu einem unregelmäßigen Ausstattungselement wurde. Bereits in den 1950er Jahren wurden einzelne Frontispizporträts im Rowohlt Taschenbuch eingesetzt, später auch in Taschenbüchern von dtv, Diogenes, Insel und Fischer. In der Neuen Folge der edition suhrkamp wurden ab den 1980er Jahren gelegentlich ganzseitige Frontispizporträts der Autoren verwendet,64 was angesichts der Zurückhaltung, mit der die Bücher der Reihe Informationen über ihre Autoren geben (nämlich meist nur zweizeilig mit Nennung von Geburtsort und evtl. dem Beruf), erstaunt. Auch wenn darin ein bewusstes Anknüpfen an die Frontispiz-Tradition gesehen werden darf, sind es wohl daneben pragmatische Gründe, die das Autorenfoto ins Taschenbuch-Innere führen: das Klappenporträt als Ort, an dem sich das Autorenfoto im Buch durchgesetzt hat – wie das folgende Kapitel veranschaulichen wird – , kommt hier nicht in Frage, da Taschenbücher meist keine Buchumschläge haben. Element der Einbandgestaltung ist es in den Taschenbuchreihen meist auch nicht, daher musste ein anderer Platz für das Autorenfoto gefunden werden. 64 Einzelne Beispiel finden sich allerdings schon früher, z. B.: Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats. (es 68) Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1966 (F).
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Die medialen Eigenschaften der Fotografie, ihre Präzision und technische Genauigkeit, sind Ursache dafür, dass sie sich nicht passgenau in den tradierten Kontext einer eher allegorischen Autordarstellung im Frontispiz einfügt. Die Fotografie des Autors ist in ihrer physiognomischen Genauigkeit eigentlich zu sperrig für diesen Kontext. Darin besteht eine Ursache für die Verlagerung des Autorenfotos in andere peritextuelle Kontexte.
4.2.3 Die Etablierung des Autorenfotos auf dem Schutzumschlag An der Erprobung des Autorenfotos auf dem Schutzumschlag in den 1920er und 30er Jahren waren die Buchgestalter Georg Salter, Emil Rudolf Weiss und John Heartfield maßgeblich beteiligt. Sie entwarfen während der Weimarer Republik einzelne Umschläge unter Verwendung von Autorenfotos. Bei Heartfield stellt das Autorenfoto eine Variante des fotografischen Materials dar, das er üblicherweise für seine Umschlagmontagen benutzte, Salter und Weiss nutzten die Fotografie ansonsten nur gelegentlich. Innerhalb der Umschlaggestaltung blieb dies – wie die Verwendung von Fotografien überhaupt – allerdings noch bis in die 1950er Jahre eine seltene Ausnahme. Die Umschläge waren vorwiegend reine Schriftgestaltungen oder enthielten Illustrationen, die sich auf den Inhalt bezogen. Der Anteil an Fotografien war dabei marginal. Rolf Stümpel beziffert den Anteil von Fotografien auf Schutzumschlägen auf nur 4 Prozent bis 1945, während er zwischen 1945 und 1960 elf Prozent und bis 1980 immerhin bereits 22 Prozent betrug.65 Aufgeklebte Autorenfotos auf Broschureinbänden sind unmittelbare Vorläufer der aufgedruckten Porträts auf Schutzumschlägen. 1921 veröffentlichte der Hamburger Jugendbewegungsverlag Junge Menschen beispielsweise zwei Bände von Hans Paasche.66 Im Mittelpunkt der Cover beider Bände, die abgesehen vom Titel identisch sind, ist eine Porträtfotografie Hans Paasches aufgeklebt. Der Umschlag ist davon abgesehen sehr schlicht gehalten und weist als einzige Gestaltungselemente neben dem Titel und Verlagsnamen zwei Rahmen auf. Die Gestaltung ist nicht auf der Höhe der Zeit, die kommunikativen Möglichkeiten des Buchumschlags und Einbandes werden nicht ausgenutzt. Die Fotografie des Autors erscheint daher weniger als Instrument der Aufmerksamkeitslenkung. Sie erfüllt vielmehr eine Memorialfunktion, der verstorbene Autor ist in der Fotografie präsent. Zudem erinnert die Fotografie an
65 Stümpels Auswertung bezieht sich allerdings nur auf die Umschlagsammlung des Mainzer Gutenberg-Museums, die ca. 50.000 Umschläge umfasst. Vgl. Stümpel: Einführung, S. 5. 66 Vgl. Hans Paasche: Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland. Geschildert in Briefen Lukanga Mukaras an den König Ruoma von Kitara, hrsg. v. Franziskus Hähnel, Hamburg: Verlag Junge Menschen 1921 (C); O. Wanderer (Hrsg.): Paasche-Buch. Hamburg: Verlag Junge Menschen 1921 (C).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
die Funktionen des Frontispizporträts; sie erscheint als nach außen verlagertes Frontispiz, das die Autorperson vor die Lektüre rückt.
Abb. 5: Aufgeklebte Coverfotografie zu Hans Paasches Die neun Briefe des Negers Lukanga Mukara (1921)
Auf dem Schutzumschlag wurde die werbende Funktion des Autorenfotos wichtiger. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kam es vermehrt bei der Umschlaggestaltung biografischer und belletristischer Titel zum Einsatz. Zu den frühesten Beispielen zählt die Umschlaggestaltung zweier belletristischen Buchreihen: Die Reihe Die Romane des XX. Jahrhunderts im Verlag Die Schmiede, deren Gestaltung Georg Salter besorgt hatte, und die Reihe Junge Deutsche im Reclam Verlag, die von Emil Rudolf Weiss gestaltet wurde. In der Reihe Die Romane des XX. Jahrhunderts weisen zumindest zwei Titel von 1927 eine Umschlaggestaltung mit Autorenfoto auf: Verwünschtes Gold von Martin Richard Möbius und Das Grenzenlose von Hans Kafka.67 Die zuvor seit 1924 erschiene67 Vgl. Martin Richard Möbius: Verwünschtes Gold. Berlin: Verlag Die Schmiede 1927 (C); Hans Kafka: Das Grenzenlose. Berlin: Verlag Die Schmiede 1927 (C). Vgl. Abbildung in: Jürgen Holstein: Bilckfang. Bucheinbände und Schutzumschläge Berliner Verlage 1919-1933, Berlin: Holstein 2005, S. 48.
Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext
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nen Titel der Reihe, die 1927 eingestellt wurde, waren zwar ebenfalls von Salter gestaltet worden, jedoch nur mit grafischen Gestaltungsmitteln;68 von einer einheitlichen Reihengestaltung lässt sich also nur bedingt sprechen. Die Umschläge der beiden Titel von 1927 zumindest sind einheitlich gestaltet: die Grundfläche ist schwarz, wovon sich auf dem Buchrücken und der U1 in weißer Schrift der Reihentitel (am oberen Seitenrand), darunter der Name des Autors und auf dem unteren Seitendrittel der Titel in einer größeren Type abheben. Darunter befinden sich eine aufgedruckte gelbe Bauchbinde, die einen Klappentext enthält, und der Verlagsname am unteren Seitenrand. Das Autorenfoto stellt den Mittelpunkt des Covers dar. Es ist mittig zwischen Autornamen und Titel angeordnet und nimmt etwa ein Viertel der Gesamtfläche ein. Beide Fotografien sind Kopfbilder, die die Autoren im Halbprofil zeigen. Die zwischen 1927 und 1929 erschienenen Bücher der Reihe Junge Deutsche des Reclam Verlags zeigen ebenfalls Kopfbilder der Autoren auf dem Cover.69 Die Reihengestaltung nach Entwürfen von Emil Rudolf Weiss weist (in einem für das Werk des am Jugendstil geschulten Buchgestalters verblüffenden Maß) Elemente der Neuen Sachlichkeit und Bauhaus-Ästhetik auf. Von der weißen Grundfläche heben sich zwei farbige Balken ab. Die Antiqua-Schrift, von der durchgängig nur Versalien verwendet werden, unterstützt die Klarheit der Gestaltung. Auch hier steht das Autorenfoto im Mittelpunkt des Seitenaufbaus, es ist sogar noch größer als im vorherigen Beispiel und füllt, rechtsbündig angeordnet, etwa die Hälfte der Fläche aus. Der Bildausschnitt bleibt auch hier auf den Kopf beschränkt. Der weiße Hintergrund wirkt wie ein Rahmen für die Fotografie, von dem sich oberhalb der Reihentitel auf einem farbigen Streifen abhebt und unterhalb der Name des Autors, gleichsam auf einem farbig hervorgehobenen Streifen. Darunter der Titel. Insgesamt erinnert die Gestaltung stark an die beiden Paasche-Titel aus dem Verlag Junge Menschen von 1921, eine Analogie lässt sich auch in der Ausrichtung auf die Jugend erkennen. Erstaunlich ist an beiden Buchreihen, dass sie keineswegs etablierte Autoren präsentierten, deren Fotografie auf dem Cover für den Leser deswegen von Interesse sein könnte, weil sie eine Zugabe zu den bereits bekannten Texten darstellt, wie im Fall der Frontispizfotografien in Werkausgaben und Biografien. Beide Buchreihen waren Instrumente zur Durchsetzung junger Autoren, »deren Chancen, von der literarischen Kritik wahrgenommen zu werden, [...] sich durch die Publikation im Kontext einer neuen Reihe [erhöhten].«70 Die jungen Autoren wurden im Bild vorgestellt; der erste Eindruck, den der Leser von ihnen anhand des Buchco68 Darunter sind auch die Erstausgaben von Franz Kafkas Ein Hungerkünstler (1924) und Der Prozess (1925). 69 Ebenfalls in gleicher Ausstattung erschienen 1927 die Titel Fall Vehme Holzdorf von Wolfgang Hellmert, Die Verirrten von Manfred Hausmann und Die Reise nach Isterburg von David Luschat.1929 verließ Sander, der als Lektor die Reihe initiiert hatte, den Reclam Verlag und unter neuer Leitung wurde die Gestaltung der Reihe verändert. Vgl. Brandt: Springende Fohlen., S. 159–162. 70 Ute Schneider: Der unsichtbare Zweite. Die Berufsgeschichte des Lektors im literarischen Verlag, Göttingen: Wallstein 2005, S. 142; vgl. Brandt: Springende Fohlen.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
vers erhalten konnte, war ein visueller. Das Interesse an der Person des Autors bzw. an der Generation der jungen Deutschen ging dem Text voraus. Die Cover der Reihe Junge Deutsche leisten durch den Reihentitel oberhalb der Fotografie zunächst eine Zuordnung des Porträts zu einer altersbedingten Gruppe und stellen den einzelnen Autor als Repräsentanten einer Generation vor. Die neuen Autoren wurden mit neuen buchgestalterischen Mitteln vorgestellt.
Abb. 6: Buchcover zu Ernst Penzoldts Der Zwerg (1927)
Der zeitgenössische Kritiker Wolfgang von Einsiedel beschrieb in der Zeitschrift Die schöne Literatur 1928 die ungewöhnliche Wirkung der Bände: Die erste Empfindung, die der Anblick der (bisher vorliegenden) neun Bändchen wachruft, ist, gelinde gesagt, eine gewisse Verwunderung: auf jedem Umschlag prangt, im Paßbildformat, nein, noch etwas größer, der Kopf des Autors. Ich lasse dahingestellt, ob diese Köpfe in der Mehrzahl wirklich imstande sind, Reklame für ihre Produkte zu machen. Was in Verwunderung setzt, ist vielmehr dies: daß eine Generation, die sich so neu und anders und einzigartig dünkt, eine der dümmsten und geschmacklosesten literarischen Unsitten unserer Zeit gutheißt und mitmacht. Die Photographie des Autors auf dem Buchumschlag bedeutet: man kaufe dieses Buch
Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext
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nicht, weil es gut ist, sondern weil sein Autor so neckisch frisiert ist oder so fabelhaft dämonisch dreinschaut. Nein, meine Herren Verleger: diese Photographien gehören bestenfalls in Ihre Prospekte.71
Hier wird deutlich, wie irritierend die Fotografie des Autors auf dem Cover wirken musste. Einen legitimen Rahmen für das Autorenfoto boten illustrierte Presse und Werbeprospekte des Verlags, also der verlegerische Epitext, nicht aber der Buchumschlag. Dies galt vornehmlich für die fotografische Präsentation unbekannter Autoren: Im besonderen wäre zu sagen, daß bei einem bereits bekannten Autor (dem ja die Hochflut illustrierter Blätter und Beilagen ohnehin sein Inkognito nicht lange gönnen mag) eine solche Eindrucksstörung viel weniger zu befürchten ist als bei Anfängern. Wenn ein junger Autor damit beginnt, daß er sich persönlich vorstellt, statt einfach sein Werk sprechen zu lassen, so wird man, wider Willen mißtrauisch.72
Hier tritt erstmals die Person des Autors vor sein Werk. Die Mechanismen der Aufmerksamkeitserregung der visuellen Kultur wurden auf den verlegerischen Paratext angewendet. Dabei wird sowohl eine werbende Wirkung entfaltet – die der Rezensent allerdings in Frage stellt – als auch eine inhaltlich vermittelnde, die mit der Sammelfunktion der Buchreihe einhergeht. Ähnlich wie die Anthologie,73 stellt die thematisch konzipierte Buchreihe eine Interpretationshilfe für Leser und Kritiker dar, die nahe legt, die in der Reihe versammelten Texte als Ausdruck einer Generation junger Deutscher zu lesen. Das Autorenfoto unterstützt diese Zuordnungsfunktion der Reihe, indem es die Zugehörigkeit des einzelnen Autors zu der betreffenden Generation demonstriert. Auch außerhalb der Buchreihengestaltung wurde das Autorenfoto in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren auf dem Buchumschlag erprobt, wobei das Verhältnis werbender und inhaltlich vermittelnder Funktionen austariert wurde. Die werbende Funktion steht beispielsweise im Vordergrund von Georg Salters Umschlags zu Anna Seghers’ Aufstand der Fischer von St. Barbara, erschienen bei Gustav Kiepenheuer 1928:74 Er stellte die Autorin im Bild vor, der 1928 der renommierte Kleist-Preis verliehen wurde.75 Erst im Zuge der Preisverleihung wurde bekannt, dass es sich bei dem Pseudonym »Seghers« nicht um einen männlichen Autor handelte, wie Verlag und Öffentlichkeit vermutet hatten. Nach der Verleihung des Kleist-Preises konnte der Verlag »die nicht mehr so Unbekannte auf dem Umschlag des Erfolgsbuches mit einem Porträtphoto der Leserwelt vorstellen.«76 Die Authentizität der Fotografie war 71 Wolfgang von Einsiedel: Junge Deutsche. In: Die schöne Literatur. (1928), Nr. 4, S. 179–184, hier: S. 179–180; vgl. auch Brandt: Springende Fohlen, S. 151–152. 72 Einsiedel: Junge Deutsche, S. 180. 73 Vgl. Schneider: Der unsichtbare Zweite, S. 148. 74 Vgl. Abbildung in: Holstein: Blickfang, S. 47. 75 Vgl. [Anna] Seghers: Aufstand der Fischer von St. Barbara. 4.–6. Aufl., Potsdam: Gustav Kiepenheuer 1928 (C). 76 Ebd.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
dazu besser geeignet als etwa die Subjektivität einer Zeichnung. Dabei wurde das Buchcover zur Präsentationsfläche für eine Autorin, der mediale Aufmerksamkeit als Preisträgerin zuteil geworden war, und entsprach damit dem Gebot der Aktualität, das auch die Bildberichterstattung in der Illustrierten kennzeichnet. Der Bildbeweis sollte die Identität der Autorin eindeutig klären und eventuell auch an eine bereits bestehende Bildpopularität anknüpfen. Über dem mittig positionierten Kopfbild der Autorin ist in Großbuchstaben »Kleistpreis 1928« zu lesen, darunter der Nachname Seghers und der Titel des Buches sowie Auflage und Verlagsname. Der Verweis auf den Kleist-Preis an einer zentralen Stelle des Umschlags trägt einerseits zur Würdigung des Textes bei und nutzt zugleich die bestehende mediale Aufmerksamkeit für die Preisträgerin aus. Ein Beispiel für eine eher inhaltsbezogene Konnotation des Autorenfotos auf dem Buchumschlag stellt das Porträt des Schriftstellers René Schickele auf dem Cover seiner Essay-Sammlung Die Grenze dar, die 1932 bei Ernst Rowohlt erschien und deren Umschlaggestaltung von Emil Rudolf Weiss stammt.77 Die Aufnahme, die mittig auf dem Cover abgebildet ist, zeigt Schickele auf der Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg. Er ist unmittelbar unter einem Grenzschild postiert, auf dem zweisprachig zu lesen ist »Limite de Souveraineté Deutsches Reich | Republique Française Hoheitsgrenze«. Er lehnt in entspannter Haltung an einem Geländer. Im Hintergrund ist die Rheinlandschaft zu erkennen. Der Bildausschnitt ist im Gegensatz zu den bisher betrachteten Kopf- und Brustbildern großzügig und zeigt die ganze Figur des Dichters mitsamt dem Hintergrund, wodurch sich ein ungleich größeres Inszenierungspotenzial eröffnet, das hier voll ausgenutzt wird. Es gebe keine Aufnahme, die charakteristischer für Schickele sei, schreibt Dieter Lamping:78 »Sie verweist auf das zentrale Motiv seiner Biografie: das Zu-Hause-Sein an der Grenze, aber nicht bloß auf einer Seite, sondern auf beiden.«79 Im kommunikativen Rahmen der Umschlaggestaltung verbindet die Fotografie den Namen des Autors, der oberhalb schräg gesetzt ist, mit dem unterhalb stehenden Titel. Die Fotografie ist auf einer schräg über den Buchrücken und die U1 verlaufenden Linie situiert, die das Thema der Grenze visualisiert, indem sie die Umschlagfläche in zwei Bereiche unterteilt. Das Bild des Autors befindet sich genau auf dieser Grenze und entspricht damit der räumlichen Position des Autors zwischen Deutschland und Frankreich. Die Person des Autors verstellt hier nicht den Blick auf das Werk, die Fotografie leistet eine ikonische Verbindung des Autors mit seinem Thema, sie belegt seine Erfahrung.
77 Vgl. René Schickele: Die Grenze. Berlin: Rowohlt 1932 (C). Vgl. Abb. in: Holstein: Blickfang, S. 47. 78 Vgl. Dieter Lamping: Über Grenzen. Eine literarische Topographie, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, S. 37. 79 Ebd., S. 38.
Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext
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4.2.4 Die Stabilisierung des Autorenfotos im Klappenporträt Zu einer festen Größe der Umschlaggestaltung wurde das Autorenfoto erst ab den 1950er Jahren. Damit war die Ausdifferenzierung seiner Verwendungskontexte und Gebrauchsweisen verbunden. Erst als Klappenporträt wurde es auf dem Buchumschlag obligatorisch und damit zugleich vom Buchcover in die Umschlagklappe verdrängt. Diese Entwicklung geht mit der Emanzipation des Umschlags und insbesondere des Covers vom Buchinhalt zugunsten der werbenden Wirkung einher. Dem Autor wurde offenbar – zumindest in der Belletristik – nicht mehr die Werbewirksamkeit zugebilligt, derer es bei den Elementen der Covergestaltung bedurfte, sein Bild etablierte sich im Hintergrund. Die Umschlagklappen waren bereits um die Jahrhundertwende für schriftliche Informationen über den Text genutzt worden. Neben dem Klappentext, der den Leser vorab über den Text informiert und ihn zum Kauf des Buches bewegen sollte,80 enthielten die Umschlagklappen zunächst Hinweise auf weitere Titel des Autors oder aus dem Verlagsprogramm. Ab den 1950er Jahren enthielten Umschlagklappen zunehmend auch ein Porträt des Autors – das Klappenporträt.81 Das Klappenporträt ist in der Regel eine Schwarz-Weiß-Fotografie des Autors, die auf den Kopfausschnitt begrenzt ist und in etwa das Format eines Passfotos hat. Es befindet sich gelegentlich auf der vorderen, meist aber der hinteren Umschlagklappe. Zugleich differenzierte sich aus dem Klappentext die Vita des Autors als eigene Textgattung aus. Diese beiden neuen Elemente, die heute obligatorisch auf der hinteren Umschlagklappe angesiedelt sind, waren anfangs noch nicht fest an die Umschlagklappe gebunden. Bis in die 1980er Jahre hinein waren das Autorenfoto und die Vita des Autors mitunter auch auf der Buchrückseite angeordnet, die heute meist für eine Kurzfassung des Klappentextes und werbende Zitate von Autoren und Literaturkritikern genutzt wird. Da sich sowohl Form als auch Funktion des Autorenfotos auf der Buchrückseite nicht wesentlich von der des Klappenporträts unterscheiden, sondern eher eine Variante davon darstellen – ähnlich wie auch der Klappentext auf der Buchrückseite oder dem Cover vorkommt82 – wird es hier gemeinsam mit dem Klappenporträt untersucht. Mit der Etablierung des Klappenporträts wurde das Bild des Autors zwar zu einer festen Größe der Buchgestaltung, allerdings zu einer eher marginalen, denn abseits der Covergestaltung zählt es zu den Elementen, die nicht den ersten visuellen Eindruck des Buches bestimmen. Die »schnelle Ansprache«83 des Kunden in der Buchhandlung übernimmt das Cover. Ist die Aufmerksamkeit erregt und das Interesse 80 Vgl. Gollhardt: Studien zum Klappentext. 81 Diese Entwicklung ist auch auf den Einfluss der US-amerikanischen Buchgestaltung auf den Buchmarkt der Nachkriegzeit zurückzuführen; dort hatte sich das Klappenporträt bereits in den 1930er und 40er Jahren etabliert. 82 Vgl. Gollhardt: Studien zum Klappentext, S. 2103. 83 Erben: Cover, S. 98.
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geweckt, so wendet der Kunde das Buch und findet auf der Umschlagseite 4 weitere (werbende) Informationen. Diese wiederum können durch den Klappentext und das Klappenporträt mit der Vita vertieft werden – häufig erst nach dem Kauf des Buches und seiner Befreiung aus der Zellophanumhüllung durch den Leser. Die Elemente der hinteren Umschlagklappe erfüllen durchaus noch werbende Funktionen und können dazu beitragen, den Kunden zum Kauf eines Buches zu bewegen, sie richten sich aber auch an den Leser und bereiten die Lektüre des Textes vor, was der Funktion inhaltlicher Vermittlung entspricht. Das Klappenporträt kann sogar die Lektüre begleiten, wenn der Leser die Umschlagklappe als Lesezeichen nutzt. Dann steht das Bild des Autors an Beginn und Ende jeder Lektüre und der Autor bleibt präsent. Klappenporträt und Vita verbinden sich zu einer kommunikativen Foto-TextEinheit und entwerfen eine Vorstellung vom Autor. Die Vita lenkt den Blick auf das Klappenporträt wie der Klappentext den Blick auf den Text. Ein frühes Beispiel für diese Verbindung stellt der Umschlag der Erstausgabe von Thomas Bernhards Frost im Insel-Verlag von 1963 dar.84 Frost war Bernhards erster Roman und zugleich sein erstes Buch im Insel Verlag, hier wurde also ein junger und unbekannter Autor vorgestellt. Das Klappenporträt befindet sich hier auf der Umschlagseite 4 und ist relativ großformatig in der oberen Seitenhälfte abgebildet. Lutz Kleinhans hat das Bild aufgenommen, das Bernhard im Brustausschnitt zeigt. Sein geneigter Kopf ist im Profil zu sehen, der Blick aus den verengten Augen nach unten gerichtet, wodurch ein Eindruck von Innerlichkeit entsteht. Eine Kontaktaufnahme mit dem Leser findet nicht statt. Die untere Hälfte der Buchrückseite füllt eine ausführliche Vita des Autors aus, in der nach der Nennung von Geburtstag und -ort, die wie üblich die Vita des Autors einleitet, Herkunft und Berufe der Vorfahren genannt werden: »Seine Vorfahren waren Bauern, Roßhändler, Gastwirte und Fleischhauer in Salzburg und Oberösterreich. Aus dieser in ihren Grundzügen noch archaischen Welt baut er Szenerien seiner leidenschaftlichen Prosa.«85 Die Herkunft des Autors wird dabei etwas einseitig zum Archaischen hin stilisiert, indem Johannes Freumbichler, der Schriftsteller und Großvater Bernhards, der ja für eine intellektuelle Herkunft stehen könnte, keine Erwähnung erfährt. Die stilisierte Herkunft wird genutzt, eine Vorstellung von der Prosa des Autors zu wecken, d. h. hier wird der Text aus der Herkunft erklärt. Auf Angaben zu seinen Reisen folgt eine Darstellung der beruflichen Laufbahn Bernhards: Vier Jahre arbeitete er als Gerichtssaalberichterstatter, später als Bibliothekar an einem Kulturinstitut in London. Er studierte in Wien und Salzburg Musik und absolvierte 1957 mit einer vergleichenden Arbeit über Bertolt Brecht und Antonin Artaud seine Dramaturgie- und Regiestudien an der Akademie ›Mozarteum‹. Er lebt jetzt als freier Schriftsteller und schreibt an einem neuen Roman.86
84 Vgl. Thomas Bernhard: Frost. Frankfurt a. M.: Insel 1963 (R). 85 Ebd. 86 Ebd.
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Hier wendet sich die Darstellung der Entwicklung der Intellektualität zu, die von den Stationen »Kulturinstitut in London«, Musik in Salzburg, »Bertolt Brecht und Antonin Artaud« und Mozarteum markiert wird. Diese verleihen dem jungen Autor auch in den Augen der eher bildungsbürgerlichen Insel-Leserschaft die nötige Weihe und sollen durch den Gegensatz mit der archaischen Herkunft einen eigenen Reiz entfalten. Als Zielpunkt dieser Stationen erscheint im letzten Satz die Existenz als freier Schriftsteller. Der erwähnte neue Roman, an dem der Autor bereits arbeitet, weist ihn als vielversprechenden Nachwuchsautor aus und deutet ein entstehendes Werk an, dessen Genese der Leser verfolgen kann. Die Verbindung von Autorenfoto und Vita ist zunächst eine räumliche; sie stehen untereinander und werden nacheinander wahrgenommen. Das Bild, das den Autor zwar zeigt, aber zunächst nicht viel über ihn verrät, wird dabei ergänzt durch die Informationen der Vita. Der Text konnotiert die Fotografie, die zugleich dessen Aussagen verankert und bestätigt. Die im Text beschriebenen Eigenschaften des Autors werden dem Bild zugeschrieben bzw. lassen sich in ihm suchen. Die Einfachheit der Herkunft und die Intellektualität der Entwicklung des Autors finden sich im Bild in der Schlichtheit seiner Kleidung und der Innerlichkeit der Pose wieder. In der Verbindung von Bild und Text entsteht ein Autorbild. Die Konnotation des Autorenfotos und die Konstruktion des Autorbildes durch die Vita folgt einem inhaltlichen Schema. Die Vita kann enthalten: Aussagen zu Geburtstag und -ort des Autors, Familie und Herkunft, Ausbildung und berufliche Laufbahn, frühere Werke, Literaturpreise und Publikumserfolge und schließlich gegebenenfalls das Todesdatum. Abgesehen von den obligatorischen Lebensdaten sind nicht immer alle Elemente enthalten. In der Vita werden einzelne Elemente entsprechend der tatsächlichen oder angestrebten Position des Autors im literarischen Feld besonders hervorgehoben, wodurch sie zu einem Instrument der Inszenierung wird. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Inszenierung des erfolgreichen Unterhaltungsschriftstellers Johannes Mario Simmel auf der Umschlagklappe des 1996 bei Droemer erschienen Romans Träum den unmöglichen Traum:87 Johannes Mario Simmel, geboren 1924 in Wien, wurde 1948 durch sein Romandebüt »Mich wundert, daß ich so fröhlich bin« bekannt. Mit seinen brillant erzählten zeit- und gesellschaftskritisch engagierten Romanen und Kinderbüchern – sie erscheinen in 35 Ländern und haben eine Auflage von weit über 72 Millionen erreicht – gehört Simmel zu den international erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Der Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse wurde 1991 von den Vereinten Nationen mit dem Award of Excellence der Society of Writers ausgezeichnet.88
87 Vgl. Johannes Mario Simmel: Träum den unmöglichen Traum. München: Droemer Knaur 1996 (hUK). 88 Ebd.
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Der Text rekurriert zunächst deutlich auf die spektakulären Erfolge des Schriftstellers, die entsprechend der Logik der marktkonformen Kulturproduktion in der Zahl der Übersetzungen und der Auflagenhöhe ausgedrückt werden. Die Auszeichnungen des Autors und das lobende Zitat Marcel Reich-Ranickis89 unterhalb der Vita weisen dem Autor darüber hinaus zumindest tendenziell einen kulturellen Wert im Sinne der Logik der reinen Kunst zu. Diese Vita wird begleitet von einem Autorenfoto, das nicht erst im Vergleich zu Thomas Bernhards Porträt aufgeschlossen wirkt. Auf dem Brustbild oberhalb des Textes ist Simmel zu sehen. Er trägt einen Anzug und hat einen Arm angewinkelt im Bildvordergrund abgelegt, eine Körperhaltung, die zwanglos wirkt. Simmel blickt direkt in die Kamera, ein Blickkontakt mit dem Leser kann entstehen. Die Inszenierung des Autors als publikumsnaher Erfolgsschriftsteller wird von seiner Zugänglichkeit getragen. Der Rekurs auf das Werk und dessen Charakterisierung, die bei Frost noch in der Vita des Autors enthalten war, ist inzwischen unüblich geworden. Die meisten Klappentexte tendieren zu sachlich gehaltenen Lebensläufen, wie das Beispiel der Vita Stephan Thomes in der hinteren Umschlagklappe seines 2009 erschienenen Debüts Grenzgang zeigt.90 Damit dominiert die werbende Funktion der kommunikative Einheit Klappenporträt und Vita. Sie trägt weniger offensichtlich zur inhaltlichen Vermittlung und zur Bindung der Autorfigur an das Werk bei. Dennoch begleitet diese Einheit als Paratext die Lektüre des Lesers und kann gewissermaßen in einem zweiten Rezeptionsschritt mit dem Text in Verbindung gebracht werden – so verleitet beispielsweise die Herkunft Stephan Thomes aus der hessischen Provinz zu einer autobiografischen Lesart des Romans Grenzgang, der in dem fiktiven hessischen Ort Bergenstadt spielt. Die weiteren Stationen der Karriere des Autors (Studium in Berlin, Lehrtätigkeit in China, Japan und Taiwan, wo der Autor nun auch »lebt und arbeitet«91) wecken in Verbindung mit der Romanhandlung um einen gescheiterten Wissenschaftler, der aus Berlin in die Provinz zurückkehrt, durch die Gegensätzlichkeit das Interesse am Autor. Das zugehörige Autorenfoto, das Thome im Kopfbild von Jerry Bauer in einer nichtssagenden Frontalansicht zeigt, mit leicht erhobenen Blick und gewissermaßen hingehaltenem Gesicht, zeigt den Autor zugänglich und bedarf der Auslegung durch die Vita.
4.2.5 Die Ausdifferenzierung des Autorenfotos auf dem Cover und Bucheinband Obwohl das Autorenfoto im verlegerischen Peritext belletristischer Einzeltitel seit den 1950er Jahren vom Buchcover auf die Umschlagklappe verdrängt wurde und damit im 89 Ebd. 90 Vgl. Stephan Thome: Grenzgang. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009 (hUK). 91 Ebd.
Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext
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Allgemeinen anderen Motiven der Covergestaltung Raum geschaffen hat, bewährte es sich in einigen Genres auf dem Cover. Bei Biografien und im Bereich des privaten Epitextes92 – Briefwechsel, Autobiografien, Tagebücher – ist das Porträt des Autors bzw. der dargestellten Person eine feste Größe der Covergestaltung, wobei die Funktionen des Frontispizporträts übernommen wurden. Außerdem werden Autorenfotos häufig bei Anthologien, die eine Auswahl aus dem Werk des Autors präsentieren, sowie gelegentlich bei Werkausgaben als Gestaltungselemente des Covers verwendet. Im Taschenbuch hat sich das Autorenfoto in einigen belletristischen Reihen über die Genregrenzen hinweg als durchgängiges Element der Umschlaggestaltung durchgesetzt, im Gegensatz zur Umschlaggestaltung des Hardcovers. Bei den Porträts handelt es sich nicht immer um Fotografien, obwohl sie meistens genutzt werden, sofern der Autor im Zeitalter der Fotografie gelebt hat und Fotografien von ihm vorhanden sind. Nicht nur für Biografien gilt, dass der Kopf der Person, der das Buch gewidmet ist [dominiert; S. O.][...]. Hauptsache ist, die Person ist prägnant und gut erkennbar abgebildet. Ist das gewährleistet, funktionieren auch Verfremdungen oder gewagte, ungewöhnliche Bildanschnitte.93
Die Erkennbarkeit der Person unterscheidet Cover von Biografien von denen anderer Buchgenres, in denen ebenfalls Porträts verwendet werden, die jedoch gerade keine erkennbare Person zeigen, indem die Gesichter ausgespart werden, wie es in der Belletristik häufig vorkommt. Trotz der genannten Gemeinsamkeiten erfüllen die Autorenfotos in den einzelnen Genres unterschiedliche Funktionen: Die Besonderheit der Bildverwendung bei Biografien besteht darin, dass nicht der Verfasser abgebildet wird, sondern die Person, die im Text dargestellt wird. Porträts der Verfasser sind mitunter zusätzlich auf der Umschlagklappe angebracht. Auf diese Weise wird der Wiedererkennungseffekt einer bekannten Person durch ihr Porträt auf dem Cover ausgenutzt. Bei Biografien von Prominenten ist dies besonders augenfällig. Die Porträts von Politikern, Fußballprofis und Schauspielerinnen zieren längst stapelweise Buchcover von entsprechenden (auto)biografischen Titeln. Sie sind aus der visuellen Öffentlichkeit hinlänglich bekannt und werden auf dem Buchcover wiedererkannt wie Kracauers Filmdiva auf dem Titel der Illustrierten. Je nach dem Grad der Prominenz trifft dies auch für Schriftsteller zu; zumindest in ihrem Leserkreis, der für gewöhnlich zuvor in Berührung mit dem Bild des Autors gekommen ist. Über die Wiedererkennung hinaus vermittelt ein (erkennbares) Porträt auf dem Cover in Verbindung mit dem Namen der Person als Titel eine inhaltliche Vorstellung; das bildliche Porträt fungiert als Zeichen für das schriftliche Porträt einer Person.
92 Vgl. Genette: Paratexte, S. 354–384. 93 Stefan, Rothfos u. Westerveld: U1, S. 76.
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Biografie Eine Auswahl von sieben biografischen Titeln über Franz Kafka, die alle zwischen 2001 und 2009 erschienen sind, vermag verschiedene Spielarten des Autorenfotos auf dem Buchcover zu veranschaulichen94: Auf allen acht Buchcovern ist Kafkas Gesicht zu sehen, auf dem Cover von Louis Begleys Kafka-Biografie allerdings in einem stark begrenzten Ausschnitt, der nur Augen, Stirn und Haaransatz zeigt. Meist ist die Person im Brustbild abgebildet, wovon Klaus Wagenbachs Franz Kafka. Biographie seiner Jugend abweicht, indem hier der Autor im Hüftbild mit vor der Brust verschränkten Armen abgebildet ist, während die Rowohlt Monographie desselben Autors ebenfalls einen größeren Bildausschnitt zeigt. Das Cover zu Alena Wagnerovás Die Familie Kafka aus Prag ist im Einklang mit dem Titel mit einer Fotografie ausgestattet, die Franz Kafka als Jungen mit seinen Schwestern Valli und Elli zeigt. Von diesen abgesehen zeigen alle Cover Aufnahmen des erwachsenen Autors. Auffällig ist, dass die Fotografien in allen Fällen angeschnitten sind, womit die Konzentration auf das Gesicht des Autors befördert wird. Wagenbachs Monographie zeigt zwar einen relativ großen Bildausschnitt, der den sitzenden Autor bis zum Knie und sogar einen unscharf zu erkennenden Hund umfasst, der neben dem Autor sitzt. Diese Aufnahme, die zu den am häufigsten verwendeten Autorenfotos Kafkas zählt, wird meist in einem noch kleineren Ausschnitt verwendet. Aber auch bei Wagenbach ist die zweite Person auf dem Bild, die sich auf der anderen Seite des Hundes befindet, weggeschnitten.95 Nur auf der Hälfte der Beispiel-Cover wird zu der Figur des Autors auch der Hintergrund gezeigt, wobei außer bei Wagenbachs Monographie nirgends mehr als ein flächiger Hintergrund zu erkennen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch die Coverfotografie zu Auf der Schwelle zum Glück. Die Lebensgeschichte des Franz Kafka von Alois Prinz, bei der es sich um ein Passfoto handelt, wie anhand der Stempelspuren an den Bildrändern und der Unterschrift Kafkas zu erkennen ist, die auf der Fotografie erhalten sind und den ursprünglichen Verwendungskontext des Originalfotos in einen neuen übernehmen. Hier wird das dokumentarisch-authentische Potenzial der Fotografie genutzt, die zwar eindeutig die Figur des Autors zeigt, zudem aber auch Spuren der Geschichte dieser Person enthält. Die beiden Bände von Reiner Stach und Klaus Wagenbachs Jugend-Biografie Kafkas zeigen dagegen die freige94 Vgl. Louis Begley: Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2008 (C); Klaus Wagenbach: Franz Kafka. Eine Biographie seiner Jugend 1883–1912, Berlin: Wagenbach 2006 (C); Ders.: Franz Kafka. überarb. Neuausg., 36. Aufl. (Rowohlts Monographien 50649), Reinbek: Rowohlt 2001 (C); Alena K. Wagnerová: Die Familie Kafka aus Prag. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2001 (C); Alois Prinz: Auf der Schwelle zum Glück. Die Lebensgeschichte des Franz Kafka (st 3894), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007 (C); Rainer Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidung, Frankfurt a. M.: S. Fischer 2002 (C); Ders.: Kafka. Die Jahre der Erkenntnis, Frankfurt a. M.: S. Fischer 2008 (C). 95 Vgl. die Abbildung der vollständigen Fotografie, die auch die Kellnerin Hansi Julie Szokoll zeigt in: Klaus Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, 3., erw. u. veränderte Auflage, Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 2008, S. 61.
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stellte und angeschnittene Figur des Autors. Daran zeigt sich, dass die Erkennbarkeit der Person bei der Bildverwendung wichtiger ist als ihre Inszenierung; wenn der Hintergrund und große Teile der Person ausgespart werden, fällt entsprechend viel Inszenierungspotenzial weg und es geht tatsächlich vor allem um die »Registratur der Person«96. Wobei es sich gerade bei Franz Kafka um einen Autor handelt, dessen Physiognomie äußerst sprechend ist und die mehr vermittelt, als manche opulente Inszenierung mit Hintergrund und Pose von anderen Autoren. Außerdem sind alle hier verwendeten Fotografien des Autors gute Beispiele für die kommunikative Funktion der Bildverwendung, da der Autor immer in die Kamera blickt und dadurch ein zugänglicher Eindruck beim Leser entsteht. Dies nutzt die Covergestaltung von Begleys Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe durch den ungewöhnlichen Bildausschnitt ebenso aus wie die Bekanntheit von Kafkas Autorenfotos. Wenn wie im Fall Kafkas die begrenzte Anzahl vorhandener Porträts so häufig in den verschiedensten Kontexten reproduziert wurde, ist die Physiognomie der Person so geläufig, dass auch ein solch knapper Ausschnitt eine Wiedererkennbarkeit erlaubt; die Augen des Autors werden hier zum Zeichen, die Ikonografie verknappt sich auf Details. Dabei entsteht ein Blickfang, denn das Cover hebt sich von der üblichen Verwendungspraxis – der unter 5 näher untersuchten Bildsprache des Klassikers – ab und irritiert.
Briefausgabe Auch im Bereich des privaten Epitextes werden Autorenfotos häufig auf dem Cover eingesetzt. Briefwechsel und Tagebücher oder Notizbücher werden im Gegensatz zu Biografien mit Aufnahmen der Verfasser ausgestattet. Dies trifft auch auf Autobiografien zu, die nach Genette nicht zum privaten Epitext zählen, da sie sich von vorneherein an das Publikum richten und nicht an einen anderen primären Adressaten, der bei Briefen der Briefpartner und bei Tagebüchern der Autor selbst ist (selbst wenn die spätere Veröffentlichung und damit das Publikum als Adressat oft nicht ausgeschlossen wird).97 Bei der Covergestaltung von Briefwechseln hat sich die Verwendung von Porträtfotografien beider Briefpartner bzw. des Verfassers und des Adressaten als zeichenhaftes Ausstattungsmerkmal durchgesetzt. Dabei können zwei Arten unterschieden werden: Gruppenporträts, die beide Personen zeigen, und Einzelporträts der Akteure. Ein frühes Beispiel für die erste Kategorie ist die Covergestaltung von Willy Fleckhaus für den Briefwechsel zwischen Hermann Hesse und Peter Suhrkamp von 1972:98 Die Gestaltung des Umschlags ist ausgesprochen schlicht und wirkt auf den 96 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 157. 97 Vgl. Genette: Paratexte, S. 354. 98 Vgl. Hermann Hesse u. Peter Suhrkamp: Briefwechsel. Hrsg. v. Siegfried Unseld, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1969 (C).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
ersten Blick wie eine reine Schriftlösung. Die Titeldaten sind in der von Fleckhaus bevorzugten Times blockartig in vier Zeilen im oberen Drittel der Seite gesetzt, die sie vollständig ausfüllen. Die schwarz gedruckten Namen der beiden Autoren erstrecken sich je über die erste und zweite Zeile. Der Titel Briefwechsel darunter ist durch die blaue Schriftfarbe hervorgehoben. Links neben dem Titel befinden sich zwei briefmarkengroße schwarzweiße Kopfbilder von Hermann Hesse und Peter Suhrkamp. Beide Porträts füllen genau den Raum einer Schrifttype aus und fügen sich deswegen diskret in das Gesamtbild. Auf den zweiten Blick entsteht eine Spannung zwischen den Schriftzeichen und den beiden Fotografien, die den Lesefluss unterbrechen und eine andere Betrachtung erfordern als die Buchstaben. Dieser Betrachtung wird allerdings wenig Raum gelassen, die Bilder werden marginalisiert. Sie stehen als Zeichen für die Autoren, ohne dabei plakativ zu wirken. Interessant ist, dass beide Autoren gleichberechtigt behandelt werden – der Schriftsteller Hesse und sein Verleger Suhrkamp erhalten auf dem Umschlag exakt den gleichen Raum, der Briefwechsel wird dadurch nicht nur als paratextuelles Beiwerk für Hesse-Leser, sondern zugleich und ebenbürtig als Dokument der Verlagsgeschichte dargestellt. Beide Briefpartner sind auch auf dem Umschlag des 2008 ebenfalls bei Suhrkamp erschienen Briefwechsels zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan abgebildet.99 Im Vergleich zu dem Umschlag von 1972 ergibt sich ein zentraler Unterschied: Die Kopfbilder der beiden Autoren dominieren hier die gesamte Umschlaggestaltung und fungieren als Blickfang. Beide Bilder sind zwar ebenfalls gleich groß reproduziert, allerdings befindet sich das Porträt Ingeborg Bachmanns auf dem Cover, dessen Fläche es vollständig ausfüllt, während sich die Fotografie Paul Celans auf der Rückseite des Buchumschlags erstreckt. Die räumliche Ausdehnung des Autorenfotos geht mit seiner gestiegenen Bedeutung bei der paratextuellen Vermittlungsfunktion des Buchumschlags einher. Ingeborg Bachmanns Porträt kommt auf dem Cover die größere Aufmerksamkeit zu. Der Umschlagtitel und die Namen der Autoren sind auf beiden Seiten in gleicher Position und Größe angeordnet, sie weichen jedoch in der Reihenfolge der Farbgebung voneinander ab; Bachmanns Name hebt sich auf dem Cover durch die weiße Schriftfarbe ab, und Celans Name ebenso auf der Buchrückseite. Namen und Titel sind jeweils im oberen Seitendrittel angeordnet, sodass von den Gesichtern der Autoren nur die Stirn von der Schrift bedeckt wird. Durch diese Gleichrangigkeit besteht der Umschlag im Prinzip aus zwei Covern – einem auf der Vorder- und einem auf der Rückseite des Buches. Sie können wahlweise präsentiert und bei der Anordnung mehrerer Exemplare nebeneinander arrangiert werden. Das große Format der beiden Porträts und die Konzentration auf die Gesichter der Autoren erzeugen beim Betrachter einen Eindruck von Nähe, der das Lektüreerlebnis eines intimen Briefwechsels andeutungsweise vorweg nimmt.
99 Vgl. Ingeborg Bachmann u. Paul Celan: Herzzeit. Der Briefwechsel, hrsg. v. Pertrand Nadiou, Hans Höller, Andrea Stoll u. a., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008 (SU).
Das Autorenfoto im verlegerischen Peritext
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Neben der Exponierung der Briefpartner entwickeln die Porträts auf dem Doppelcover im Zusammenspiel mit dem Titel Herzzeit eine eigene Dramaturgie. Der Titel verweist darauf, dass es sich bei diesem Briefwechsel (so der Untertitel) nicht nur um den intellektuellen Austausch zweier Schriftsteller handelt, denn er impliziert eine amouröse Verbindung zwischen ihnen und greift dadurch auf den Inhalt vor. Die Porträts werden indes als Porträts zweier Liebender konnotiert, die im Zusammenspiel eine Spannung entfalten: Die (ungewöhnlich) strahlende Ingeborg Bachmann, die offenherzig in die Kamera lächelt. Paul Celan wirkt dagegen (wie auf eigentlich allen Fotografien) nachdenklich und in sich selbst gekehrt. Sein Kopf ist leicht geneigt, die Stirn in Falten gelegt und der Blick nach links gewendet, wodurch er gewissermaßen hinüber zu Ingeborg Bachmann auf das Cover zu blicken scheint. Sein Gesichtsausdruck wirkt durchaus sanft, der Mund deutet ein leichtes Lächeln an. Die augenfälligen Unterschiede im Ausdruck der Gesichter lassen einen spannungsreichen Briefwechsel erwarten. Der Klappentext greift die Tendenzen der Umschlaggestaltung auf: Die »Liebesbeziehung zwischen den beiden bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern nach 1945« wird darin als »Gespräch einer Liebe nach Auschwitz, mit allen symptomatischen Störungen und Krisen aufgrund der so konträren Herkunft der beiden und ihrer schwer zu vereinbarenden Lebensentwürfe«100 vorgestellt. Die Beziehung zweier Briefpartner wird in der Covergestaltung vieler Briefausgaben durch eine Fotografie von beiden Personen visualisiert. Solche Doppelporträts fungieren zusätzlich als Dokument, bestätigen sie doch die tatsächliche Begegnung der beiden Personen und wirken – auch im Hinblick auf ihre Beziehung – authentischer als die eher formelhaften Kopfbilder. Hier kommt die mediale Eigenschaft der Wirklichkeitsbestätigung durch die Fotografie zum Tragen, indem sie das tatsächliche Zusammentreffen der Personen dokumentiert und so mit der Präsenz beider Autoren zugleich ihre Beziehung bestätigt. Die 2003 erschienene Taschenbuchausgabe des Briefwechsels von Hermann Hesse und Thomas Mann veranschaulicht dies exemplarisch:101 Die relativ kleinformatige Fotografie der beiden Autoren ist auf der weißen Grundfläche des Covers unterhalb des Titels linksbündig angeordnet. Zwei ältere Herren sind darauf zu sehen, die vielleicht während eines gemeinsamen Spaziergangs fotografiert wurden, denn im Hintergrund sind ein Baum und eine Hauswand zu erkennen, und beide Herren sind in Mäntel gekleidet und tragen Kopfbedeckungen. Links im Bild steht Hermann Hesse. Er wendet sich dem neben ihm stehenden Thomas Mann zu, der sich wiederum der Kamera gegenüber öffnet. Beide lächeln und vermitteln einen heiteren Eindruck. Für ein Autorenfoto im verlegerischen Paratext ist die Unkenntlichkeit der Gesichter erstaunlich. Hesses Augen werden durch seine Brille verdeckt, 100 Ebd (vUK). 101 Vgl. Hermann Hesse u. Thomas Mann: Briefwechsel. Hrsg. v. Anni Carlsson u. Volker Michels, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2003 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.fischerverlage.de/buch/ briefwechsel/9783596156726.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
Thomas Manns Augen scheinen geschlossen zu sein, zudem ist der Bildausschnitt recht groß und damit nicht auf die Gesichter konzentriert. Dennoch ist sie gerade für den Kontext des Briefwechsels gut geeignet, da sie die Freundlichkeit offenbart, mit der beide Autoren einander zugetan sind. Von den beiden Spaziergängern geht zudem ein Eindruck von Privatheit aus, der gerade durch das Abweichen von der tradierten Ikonografie des Autors gestützt wird. Über beide Autoren und ihr Verhältnis, so suggeriert die Fotografie auf dem Cover, wird der vorliegende Briefwechsel Neues zutage bringen. Das Bild, das die Texte der Autoren im Leser geformt haben, wird mit der Lektüre des paratextuellen Briefwechsels erweitert. Den dokumentarischen Charakter der Fotografie hebt dagegen die Covergestaltung der Taschenbuchausgabe von Franz Kafkas Briefe an Felice von 2003 stärker hervor 102. Die golden gerahmte Fotografie von Kafka und seiner Verlobten Felice Bauer liegt auf einem Stapel aus handschriftlich beschriebenen Seiten, das Autorenfoto ist ein Bild im Bild und verweist auf die Insignien der Dichterverehrung, die als Medien der Erinnerung arrangiert sind. Der Titel legt nahe, dass es sich hier um einige der Briefe an Felice handelt und auch, dass die Handschrift von Kafka stammt. Zu sehen ist also die Fotografie einer Fotografie in Verbindung mit anderen Dokumenten, die das tatsächliche Zusammentreffen und die Beziehung zwischen beiden Personen belegen. Die Handschrift des Autors knüpft ikonografisch an sein Werk an, das durch diese Briefe erweitert wird. Die Fotografie zeigt Kafka gemeinsam mit Felice. Sie sitzt neben dem stehenden Kafka – eine Komposition, die im 19. Jahrhundert bereits bei Verlobungsaufnahmen und Fotografien von Ehepaaren üblich war. Im Rahmen des privaten Epitextes, der hier exemplarisch anhand der Gattung Briefwechsel vorgestellt wurde, ist das Autorenfoto im Gegensatz zu den gewissermaßen primären Texten der Autoren, ihrer literarischen, fiktionalen Produktion, zentral auf dem Buchcover durchaus üblich. Damit wird die Person des Autors auch im Bild in den Vordergrund gerückt. Eine biografische Lesart ist hier legitim und bildet den Anlass für die Edition der ursprünglich privaten Texte, die in Ergänzung zum Werk gelesen werden sollen.
Werkausgabe und Werkauswahl Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen das Autorenfoto auch auf dem Cover belletristischer Titel legitim ist: Dabei erfüllt der Autor eine Ordnungsfunktion oder er wird als Vermittlungsfigur für den Zugang zum Text eingesetzt. Die Ordnungsfunktion des Autors kommt besonders dann zum Tragen, wenn seine Texte unselbstständig erscheinen. Werkausgaben, die mehrere Texte des Autors enthalten oder Einzelbände, die eine Auswahl aus dem Werk beinhalten und gelegentlich als Lesebücher 102 Vgl. Franz Kafka: Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit. Hrsg. v. Erich Heller u. Jürgen Born, 10. Aufl., Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2003 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.fischerverlage.de/buch/briefe_an_felice/9783596216970.
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betitelt werden, sind dadurch homogen, dass der Name des Autors seine Texte miteinander verbindet. In Werkausgaben, in denen das Autorenfoto traditionell als Frontispizporträt verwendet wurde, ist es als Element der Covergestaltung relativ selten.103 In der Regel kommen die Umschläge ohne bildliche Elemente aus und sind durch eine schlichte Schriftgestaltung geprägt, wodurch sie sich äußerlich von der literarischen Alltagsware abheben. Werden ausnahmsweise doch Autorenfotos eingesetzt, so lassen sich dabei zwei Prinzipien ausmachen: Die durchgängige Verwendung eines einzelnen Porträts auf den Covern mehrerer Bände, wie in der Gestaltung der siebenbändigen Frankfurter Ausgabe der Werke von James Joyce, die zwischen 1969 und 1974 bei Suhrkamp erschienen und von Fleckhaus gestaltet wurde.104 Dabei wird ein einheitlicher Eindruck der verschiedenen Bände erreicht und die klassifikatorische Funktion des Autors in der Verbindung von Name und Bild unterstützt. Der damalige SuhrkampVerleger Siegfried Unseld hat darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Autorenfotos auch vor Nachahmern schützen sollte: 1968 brachte Fleckhaus eine neue Nuance in seine Umschlaggestaltung ein. Er verwandte zum ersten Mal 1969 beim Umschlag für die Frankfurter Ausgabe der Werke von James Joyce ein Autorenfoto im ›Briefmarken‹-Format. Diese ›neue Erfindung‹ hatte Gründe. Unser Umschlagtypus wurde mehr und mehr nachgeahmt, was jedoch nicht nachzuahmen war, waren die Porträts der Autoren. So erschienen von nun an Umschläge mit kleinen Autorenfotos.105
Als Element der Umschlaggestaltung ist die Aufgabe des Autorenfotos die Distinktion. Das Buch soll auffallen und sich von denen der Konkurrenz abheben. Dazu dient die unverwechselbare Physiognomie des Autors. Die Einführung des Autorenfotos auf dem Buchumschlag der Werkausgabe, die tatsächlich eine gestalterische Innovation darstellt (wenn auch eine nahe liegende), ist hier der Werbung geschuldet, nicht der inhaltlichen Vermittlung. Die Reproduzierbarkeit der Fotografie machte sie allerdings – entgegen Unselds Überlegungen – zu einem idealen Mittel der Nachahmung, wie das Beispiel der vierbändigen Werkausgabe Ingeborg Bachmanns zeigt, die 1978 bei Piper erschien.106 Hier wurde jedoch die zweite Variante gewählt, bei der verschiedene Porträtaufnahmen eingesetzt wurden. 103 Häufiger wird es dagegen bei der Gestaltung von Schubern eingesetzt, in denen die Bände der Werkausgabe erscheinen. Diese Verfahren findet jedoch eher bei Werkausgaben im Taschenbuch Anwendung, weshalb es im Zusammenhang mit dem Autorenfoto im Taschenbuch untersucht wird. Siehe: 4.3.5 Bildinszenierung in der Publikumswerbung u. 5.3.2 Kontextualisierung des KlassikerAutorenfotos. 104 James Joyce: Werke. Frankfurter Ausgabe, hrsg. v. Klaus Reichert u. Fritz Senn (7 Bd.), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1969–1974 (C). 105 Siegfried Unseld: Der Marienbader Korb. Über die Buchgestaltung im Suhrkamp Verlag, Willy Fleckhaus zu Ehren, Hamburg: Maximilian-Gessellschaft 1976, S. 55. 106 Vgl. Ingeborg Bachmann: Werke. Hrsg. v. Christine Koschel (4. Bd.), München u. Zürich: Piper 1978 (C).
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Wie im ersten Beispiel ist der Raum des Autorenfotos ein begrenzter: eingesetzt werden in beiden Fällen kleinformatige Kopfbilder, die sich linksbündig im oberen Seitendrittel unterhalb des Haupttitels und des Autornamens befinden. In beiden Beispielen werden die Fotografien zurückhaltend eingesetzt und fügen sich diskret in die Schriftgestaltung ein. Die Einheitlichkeit der Joyce-Cover wird durch ihre Farblosigkeit unterstützt; die Schriftfarbe ist schwarz, das Autorenfoto schwarzweiß. Bei der Bachmann-Werkausgabe, die diesem Gestaltungsprinzip zu folgen scheint, sind die einzelnen Bandtitel durch blaue Schriftfarbe hervorgehoben und werden von variierenden Kopfbildern der Autorin ergänzt, wodurch die unterschiedlichen Inhalte der Einzelbände betont werden. Die zweite Variante findet auch bei der Covergestaltung der vierbändigen Werkausgabe von Nelly Sachs Anwendung, die zwischen 2010 und 2011 bei Suhrkamp erschienen ist; auch hier wurde auf jedem Cover ein anderes Bild eingesetzt.107 Die ersten beiden Bände (Gedichte 1940–1950 und Gedichte 1951–1970) stellen einen Zusammenhang zur Biografie der Autorin in diesen beiden Schaffenszeiträumen her. Das Cover von Band 1 ist mit einem Passfoto ausgestattet, das eine noch relativ junge Frau zeigt.108 Unter der Fotografie ist der Aufdruck »KADEWE BERLIN« zu lesen. Nelly Sachs musste 1940 nach Schweden emigrieren, die Fotografie muss also bereits vorher entstanden sein. Sie weist auf die Berliner Herkunft der Autorin hin. Das Coverfoto des zweiten Bandes zeigt Nelly Sachs dagegen als ältere Frau und ist vermutlich wie die Gedichte zwischen 1951 und 1970 entstanden.109 Durch die Aufeinanderfolge wird die Chronologie der Gedichtentstehung mit der Biografie der Autorin parallelisiert. Die Gedichte werden dadurch in den Kontext der Biografie gerückt und eine autobiografische Lesart suggeriert – ein Verfahren, das auch Genette anhand einer Ausgabe von Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit beschreibt.110 Das Autorenfoto kann auf Werkausgaben als Dokument der Biografie des Autors eingesetzt werden. Es unterstützt die Ordnung der Texte unter dem Namen des Autors und bringt sie mit seiner Person in Verbindung. Diese Funktion erfüllt es auch auf dem Cover von Einzelbänden, die eine Auswahl aus dem Werk enthalten. Diese Lesebücher prägen oft einen Zugang zum Text, der zweifach über die Person des Autors verläuft. Unter dem Namen des Autors wird eine Auswahl aus dem Werk verbunden, die einzelnen Texte werden nicht thematisch vermittelt (wie es bei einer Anthologie der Fall wäre), sondern personell: Das große Erich Kästner Lesebuch ist hier in der bei
107 Vgl. Nelly Sachs: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, hrsg. v. Aris Fioretos, Berlin: Suhrkamp 2010–2011 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/werkausgabe/werke_kommentierte_ausgabe_in_vier_baenden_188.html. 108 Vgl. ebd., Bd. I, Gedichte 1940–1950, hrsg. v. Matthias Weichelt, Berlin: Suhrkamp 2010 (C). 109 Vgl. ebd., Bd. II, Gedichte 1951–1970, hrsg. v. Ariane Huml u. Matthias Weichelt, Berlin: Suhrkamp 2010 (C). 110 Vgl. Genette: Paratexte, S. 35–36.
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dtv erschienenen Taschenbuchausgabe von 1999 ein Beispiel.111 Das Autorenfoto auf dem Cover ist (entsprechend der dtv-Reihengestaltung) relativ großformatig und füllt die untere Hälfte des Covers aus. Darüber ist der Titel auf gelbem Untergrund angeordnet. Die Funktion des Autorenfotos geht mit der des Buches einher; der Autor soll vorgestellt werden, wie im Inhaltstext deutlich wird: »Es gibt nichts Gutes außer: man tut es.« lautete Erich Kästners berühmter kategorischer Imperativ. Dieses Lesebuch tut es: Mit vielen Texten von und über ihn stellt es den unklassischen Klassiker und sarkastischen Moralisten in seiner ungeheuren Vielfalt vor.112
Das Autorenfoto bildet ein Element des Werkzugangs. Die Vermittlung richtet sich nicht an gestandene Kästner-Leser, sondern bildet eine Hilfestellung für neue Leser. Der erhobene Zeigefinger des fotografierten Autors und sein nachdenklich-amüsierter Gesichtsausdruck interagieren mit der Bezeichnung Kästners als einem »sarkastischen Moralisten«. Das Bild beglaubigt die Klassifikation des Klappentextes.
Taschenbuch Die Verwendung des Autorenfotos im Taschenbuch ist schon früh mit einem Vermittlungsgedanken verbunden, der Inhalte nicht für sich allein stehen lässt, sondern sie aufbereitet und für den Leser verdaulich macht. Hans Magnus Enzensberger hat dieses Phänomen 1959 in seinem Essay Bildung als Konsumgut beschrieben: Der gängige Weg führt über die Person zum Werk; er ist mit Illustrationen gepflastert. Jedes Foto legt sich dabei den Titel eines »Dokumentes« bei; Literatur oder Malerei überhaupt wird als »Dokumentation« verstanden, ohne daß einzusehen wäre, welcher Beweis damit angetreten werden soll.113
Enzensberger bezieht sich auf die 1958 gegründete Reihe der rororo-Monographien, in der Verlagsangaben zufolge bis heute mehr als 20 Millionen Exemplare erschienen sind.114 Die Reihe ist die erfolgreichste im Bereich der Monographie und wurde oft imitiert. Sie soll eine »Enzyklopädie der großen Geister«115 bilden und enthält entsprechend Titel über Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft, Kultur und Geschichte. Die schmalen Bände beinhalten eine Darstellung von Leben und Werk der Person und sind mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet. Das Cover ist von Anfang an mit 111 Vgl. Erich Kästner: Das große Erich-Kästner-Lesebuch. Hrsg. v. Sylvia List, München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1999 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.dtv.de/buecher/das_grosse_erich_kaestner_lesebuch_12618.html. 112 Ebd. (R). 113 Hans Magnus Enzensberger: Bildung als Kosumgut. Analyse der Taschenbuch-Produktion, in: Ders.: Einzelheiten I, 8. Aufl. (es 63), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1973, S. 134–166, hier: S. 150. 114 Vgl. rororo-Monographien, Homepage. URL: http://www.monographien.de/start, [21.09.2012]. 115 Ebd.
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einem Porträt der Person, meist einer Fotografie versehen gewesen. Das Autorenfoto wird dabei zu einem zentralen Gestaltungsmittel der inhaltlichen Vermittlung und Aufbereitung. Als solches wurde und wird das Autorenfoto auch in einigen andern Taschenbuchreihen eingesetzt. In vielen Taschenbuchreihen werden Autorenfotos gelegentlich auf dem Cover eingesetzt; meist handelt es sich dann um Autoren, die bereits eine gewisse Bekanntheit oder den Status des Klassikers erreicht haben. Die Bekanntheit des Autors wird dann ausgenutzt, um Interesse für den Einzeltitel zu wecken. In einigen Taschenbuchreihen stellt das Autorenfoto dagegen von Beginn an ein wiederkehrendes Element der Reihengestaltung dar, so in der 1970 gegründeten Reihe Sammlung Luchterhand und der 1971 gegründeten Taschenbuchreihe des Suhrkamp Verlags. Die Gestaltung beider Reihen sah auf dem Cover einen Bereich vor, der für Abbildungen genutzt wurde. In der Sammlung Luchterhand war dafür eine quadratische Fläche reserviert, die das untere Umschlagdrittel bis auf einen schmalen Rand ausfüllte. Bei Suhrkamp waren die Abbildungen zunächst kleiner und befanden sich in der Mitte der unteren Umschlaghälfte. Neben Autorenfotos kamen von Beginn an aber auch andere Abbildungen vor, die sich eher auf den Inhalt bezogen. 1971 erschienen die ersten zehn Titel im suhrkamp taschenbuch erschienen. Vier davon waren mit Fotografien der Verfasser ausgestattet: Samuel Becketts Warten auf Godot (st 1), Thomas Bernhards Gehen (st 5), Martin Walsers Gesammelte Stücke (st 6) und Hermann Hesses Lektüre für Minuten (st 7).116 Die übrigen Titel enthalten entweder keine oder andere Abbildungen auf dem Cover. Die Autorenfotos sind alle kleinformatig und quadratisch zugeschnittene Kopfbilder. Bis auf Thomas Bernhard, der im Profil zu sehen ist, handelt es sich durchweg um Frontalaufnahmen. Die Fotografien sind entsprechend der jeweiligen Bandfarbe getönt – in der Reihengestaltung wurden zwölf Grundfarben variiert, wobei Umschlag- und Schriftfarbe Ton in Ton gehalten waren. Die dunklen Tonwerte der Fotografien wurden im Farbton der Schriftfarbe eingefärbt. Dadurch wurde die Abbildung in die typografische Gestaltung integriert und eine Einheit entwickelt, in der das Bild nicht dominiert. Siegfried Unseld beurteilte die Taschenbuch-Gestaltung von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt als »neu und original«117. Neu sei nicht nur die große Times-Titelschrift, sondern auch das »Bild des Autors oder ein graphisches Element auf der unteren Umschlaghälfte«118 und die Farbgebung. Die neue Gestaltung war auf ein neues Lesepublikum und dessen Bedürfnisse gemünzt. »Die ›suhrkamp taschenbücher‹ – st – antworten auf die veränderte Lesegewohnheit junger Leute; diese gebrauchen 116 Vgl. Samuel Beckett: Warten auf Godot. (st 1), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1971 (C); Thomas Bernhard: Gehen. (st 5), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1971 (C); Martin Walser: Gesammelte Stücke. (st 6), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1971 (C); Hermann Hesse: Lektüre für Minuten. (st 7), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1971 (C). 117 Unseld: Der Marienbader Korb, S. 50. 118 Ebd., S. 51.
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in wachsendem Maße Bücher in kleinem Format und zu niedrigem Preis«119, so die Ankündigung des Verlags. Die Adressaten des Taschenbuchs unterschieden sich also zumindest anfangs von denen der gebundenen Einzelausgaben und Werkausgaben; das Taschenbuch richtete sich an junge Leute und damit an Erstleser. Das Autorenfoto wurde gerade für diese Leser als ideales Gestaltungs- und Vermittlungselement an der Schwelle zum Text eingesetzt.120 Im Rahmen des Taschenbuches erlangte das Bild des Autors auf dem Cover eine Legitimität, die im Bereich der belletristischen Hardcover und der Werkausgaben nie erreicht wurde. Im 2004 neu gestalteten suhrkamp taschenbuch ist das Autorenfoto nach wie vor ein Element der Covergestaltung, wenn auch kein durchgängig verwendetes. Die Autorenfotos, die zunächst nur als Kopfbilder und später in den 1980er und 1990er Jahren dann meist als schwarzweiße freigestellte Brustbilder verwendet wurden, nehmen in der neuen Covergestaltung eine Fläche von einem bis zu zwei Dritteln des Covers im unteren Seitenbereich ein. Die Bildausschnitte beschränken sich nicht mehr auf den Kopf des Autors, sondern lassen Raum für die Inszenierung seiner ganzen Person, die teilweise in Verbindung mit dem Titel erfolgt: Thomas Bernhard wird beispielsweise auf dem Cover zu Gehen als barfuß gehende Ganzfigur auf einer Wiese gezeigt, Peter Handke ist auf Versuch über die Müdigkeit mit geschlossenen Augen auf einer Treppe liegend dargestellt.121 Autorenfotos, die den Titel zu interpretieren scheinen und den Text damit deutlich in eine autobiografische Richtung konnotieren, stellen zwar nicht die Regel innerhalb der Reihengestaltung dar, das Autorenfoto wird aber insgesamt in der neuen Gestaltung aufgewertet. Das Cover erweist sich dabei allerdings nicht immer als legitimer Verwendungskontext für das Porträt, sondern bleibt für gewöhnlich den Autoren vorbehalten, deren Werk ausschließlich und über einen langen Zeitraum bei Suhrkamp erschienen ist. Neben den Taschenbuchausgaben der Texte von Thomas Bernhard und Peter Handke zählen dazu beispielsweise die von Samuel Beckett, Wolfgang Koeppen, Ingeborg Bachmann, Christa Wolf und Jurek Becker. Einige der meistverkauften Suhrkamp-Autoren, wie Hermann Hesse und Max Frisch, sind jedoch nicht darunter. Deutlich seltener werden Porträts von weniger etablierten Autoren verwendet. Das Autorenfoto ist auch hier ein Element der inhaltlichen Vermittlung, das im Kontext der Taschenbuch-Cover nur dann zum Einsatz kommt, wenn tatsächlich nicht nur vereinzelte Bücher, sondern das gesamte Werk eines Autors verlegt wird. Denn mit dem Autorenfoto wird der Werkzugang über die Person des Autors forciert, wie die Untersuchung der bildlichen Kanonisierung noch näher zeigen wird. 119 Unseld: Der Marienbader Korb, S. 50. 120 Die Tendenz, gerade junge Leser mit der Person und auch dem Bild des Autors anzusprechen und für die Lektüre des Textes zu finden, lässt sich auch in anderen Bereichen des verlegerischen Paratextes nachweisen; siehe: 4.2 Das Autorenfoto im verlegerischen Paratext. 121 Vgl. Thomas Bernhard: Gehen. [17. Aufl.] (st 5), Frankfurt a. M.: Suhrkamp [2004] (C); Peter Handke: Versuch über die Müdigkeit. [4. Aufl.] (st 2146), Frankfurt a. M.: Suhrkamp [2007] (C). Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/cover/pdf/36505_Bernhard.pdf.
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4.3 Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext 4.3.1 Entwicklungstendenzen des verlegerischen Epitextes im 20. Jahrhundert Der verlegerische Epitext hat im Laufe des 20. Jahrhunderts trotz der Zurückhaltung des Buchhandels gegenüber der Werbung eine erstaunliche Entwicklung vollzogen. Obschon die Buchwerbung bis in die Gegenwart ihre Besonderheit gegenüber herkömmlicher Produktwerbung betont, hat auch hier eine Professionalisierung stattgefunden, die sich als zunehmende Annäherung der Buchwerbung an die allgemeinen Gesetze des Marketings gestaltet. Diese Entwicklung wird in der folgenden Übersicht anhand der wichtigsten Werbemittel dargestellt. Dabei ist zu klären, wodurch die Entwicklung neuer Werbemittel motiviert war und welche Funktionen diese erfüllten. Die Innovationen im Bereich der Buchwerbung verdichten sich in zwei Professionalisierungsphasen zwischen 1890 und den 1930er Jahren und in den 1960er bis 1970er Jahren, weshalb diese Phasen den Schwerpunkt der Darstellung bilden.
Professionalisierung I: 1890–1930er In der ersten Phase moderner Buchwerbung, die in Deutschland etwa 1890 einsetzte und bis in die späten 1930er Jahre reichte, entwickelte sich die Buchwerbung in der Abgrenzung zur allgemeinen Wirtschaftswerbung und der visuellen und populären Kultur. Sie ist gekennzeichnet durch das steigende Ausmaß von Werbeaktivitäten und die Ausdifferenzierung der Werbemittel, verbunden mit einer ersten Professionalisierung der Buchwerbung. Um die Jahrhundertwende war die Buchwerbung eine Aufgabe, die dem Verleger selbst vorbehalten blieb. Eugen Diederichs beispielsweise beklagte sich noch 1911 darüber, für die Werbung allein zuständig zu sein und wünschte sich dabei die Unterstützung eines Lektors.122 In vielen Verlagen zählte das Verfassen von Werbetexten bald zu den Aufgaben des neu entstandenen Berufsbildes Lektor.123 In den 1920er Jahren intensivierten sich infolge der Krise des Buches und der problematischen wirtschaftlichen Lage die Bemühungen um die Buchwerbung auf Branchenebene. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler gründete eine Werbestelle, die als »Reklamegehirn«124 moderne Werbemethoden im Buchhandel verbreiten und gemeinschaftliche Werbung für das Buch anregen sollte.125 Die Werbestelle gab unter anderem eine Schriftenreihe zur Buchwerbung heraus sowie die Kundenzeitschrift Nimm und lies. Horst Kliemann legte mit seinem Lehrbuch Werbung fürs Buch, das erstmals 1923 erschien, die Grund122 Vgl. Schneider: Der unsichtbare Zweite, S. 51/52. 123 Vgl. ebd., S. 72. 124 Kliemann: Von unserer Werbestelle und anderen Werbedingen. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und verwandte Geschäftszweige. Nr. 79 vom 02.04.1924, S. 4495–4498. 125 Vgl. Scheideler: Werbung für das Buch, S. 226.
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lage für eine Fachkunde. Hintergrund dieser Professionalisierungstendenzen war auch die viel beklagte Ideenlosigkeit der Buchwerbung: Meist erschöpfte sich die Werbung des Durchschnittsverlages in der Nachahmung der Formen, die, von ihrem ideellen Ausgangspunkt losgelöst, viel von ihrer Stoßkraft einbüßten und oft ein wucherndes Eigenleben führten, das den ursprünglichen Erfolg auf die Dauer in Frage stellte.126
Die Zunahme der Buchwerbung erforderte die professionellere Auseinandersetzung mit ihren Mitteln und Methoden, wenn sie wirksam sein sollte. Gisela Welsch bewertete 1947 die Entwicklung der Buchwerbung bis 1910 als »ziellos«: »Man braucht nur einen Bruchteil der Anpreisungen jener Jahre durchzusehen, um die Sinnlosigkeit dieser Reklamemanöver zu erkennen und zu begreifen, welche Gefahr dem guten Buch hier erwuchs.«127 Diese Gefahr sah sie vor allem in der Quantität der Werbung – ähnlich wie die Verleger Eugen Diederichs, Samuel Fischer, Albert Langen und Georg Müller, die mit einem gemeinsamen Weihnachtskatalog 1910 der »Verzettelung und Verwirrung in der allzu großen Vielfältigkeit des Anzeigenbetriebs«128 entgegenzuwirken suchten. Neben dem zunehmenden Ausmaß kennzeichnet die Ausdifferenzierung herkömmlicher und die Entwicklung neuer Werbemittel diese Phase. Die wichtigsten und am weitesten verbreiteten Werbemittel im Buchhandel waren das Inserat und der Prospekt. Beide waren bereits im 19. Jahrhundert eingesetzt worden und veränderten sich nun unter dem Einfluss der visuellen Kultur und der allgemeinen Entwicklung der Reklame sowie der zunehmenden Notwendigkeit von Werbung für das Buch in der Weimarer Republik.
Inserat Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel erschienen 1925 insgesamt 35.000 Einzelanzeigen auf 16.000 Seiten.129 Neben der Branchenwerbung, deren Tradition bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht,130 wurden neuerdings auch Anzeigen in der Publikumspresse aufgegeben. Da die Preise für Inserate in auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften für den Buchhandel meist zu hoch waren, wurden Literaturzeitschriften und Zeitungen und Zeitschriften bevorzugt, die aus thematischen Gründen besonders geeignet waren, etwa Literaturbeilagen von Tageszeitungen.131 Die Anzeigen veränderten sich inhaltlich und formal; aus den informierenden Inseraten, die noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts üblich waren, wurden Anzeigen, die mit typografischen 126 Welsch: Studien zur Werbung für die Dichtung, S. 78. 127 Beide Zitate: Ebd., S. 46. 128 Zitiert nach: Edb., S. 48. 129 Vgl. Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 37. 130 Vgl. Borscheid: Am Anfang war das Wort, S. 2 8. 131 Vgl. Kliemann: Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 92–94.
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und bildlichen Mitteln die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen suchten. Diese Entwicklung lässt sich auch bei der Anzeigengestaltung in anderen Wirtschaftszweigen beobachten.132 In der Buchwerbung setzte sie verzögert ein. Die Entwicklung der Anzeige hin zu einem reinen Medium der Aufmerksamkeitsbindung wurde von der Verwaltung des Börsenblattes allerdings unterbunden – und damit der buchhändlerische Anspruch gewahrt, sich durch eine geistig geprägte Reklame von der Werbung für Konsumgüter abzugrenzen. Bei der Gestaltung von Börsenblatt-Anzeigen waren strenge Bestimmungen des Vorstandes zu beachten: Marktschreierische Satzanordnung sowie übertrieben auffällige Verzierungen und Umrahmungen sind unzulässig. Gestattet ist die Aufnahme von Verlagszeichen (Signeten). Unverständliche Anzeigen, die zum Zwecke der bloßen Erregung von Aufmerksamkeit beispielsweise nur einen Namen oder Titel ankündigen, ohne die Bezugsquelle anzugeben, sind zurückzuweisen (§ 9).133
Die Anzeigen im Börsenblatt sollten weiterhin vorwiegend informativen Charakter haben. Illustrationen waren bis 1913 nur auf dem Umschlag enthalten. Im Anzeigenteil wurden dann auch Strichätzungen zugelassen und es gab einen Sonderteil, in dem andere Reproduktionsverfahren etwa für Bildproben zu aufwändigen Bildbänden eingesetzt werden konnten. Damit partizipierte das Verlagsinserat verspätet an der Entwicklung hin zur Bildanzeige, von der die Inserate anderer Wirtschaftszweige bereits geprägt waren.
Katalog und Almanach Als ideale Werbemittel für das Buch galten solche, »die am eindringlichsten und ausführlichsten zum Leser sprechen«134, so Franz Ehrenwirth 1937. Mit dieser verbreiteten Einschätzung bezog er sich auf das Buch als »geistiges Erzeugnis«, das ja »keine Ware«135 sei und deswegen einer ausführlichen Ansprache des Lesers bedürfe. Den Anspruch, den Leser ausführlich über ein Buch zu informieren, erfüllt unter allen Werbemitteln am meisten der Prospekt. Er galt als das dem Buch adäquate Werbemittel. [...][D]enn nur im Prospekt können wir ein Werk in seiner Fülle mit ganzer Eindringlichkeit ausbreiten, den Leser ausführlich über die literarische und geistige Substanz, über die Thematik und über die Diktion einer Veröffentlichung wie auch über die eigentliche Auffassung des Verfassers aufklären. [...] In der Begriffswelt des Lesers stimmt der Prospekt in viel höherem Maße mit dem Buch überein als irgendein anderes Werbemittel.136
132 Siehe: 3.4 Das Autorenfoto in der visuellen Öffentlichkeit um 1900 133 Paschke u. Rath: Lehrbuch des Deutschen Buchhandels., 6. Aufl., S. 295. 134 Franz Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen. In: Horst Kliemann: Die Werbung fürs Buch. 3., vollst. neubearb. Aufl., Stuttgart: C.E. Poeschel 1937, S. 142–194, hier: S. 143. 135 Ebd. 136 Claus Marx: Werbung im Buchverlag. Düsseldorf: Verlag der Jungbuchhandel 1962, S. 74.
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Die Anforderungen an die Ausführlichkeit der Buchwerbung und die mediale Verwandtschaft von Buch und Prospekt erklären die enorme Ausdifferenzierung von Prospekten und anderen Druckerzeugnissen innerhalb der Buchwerbung. Am Beginn dieser Ausdifferenzierung standen zwei gedruckte Werbemittel in Buchform: Verlagskatalog und Verlagsalmanach. Der Verlagskatalog als Nachschlagewerk für den Buchhandel, in dem die gesamte Produktion eines Verlags verzeichnet ist, hatte im Buchhandel bereits eine lange Tradition, die auf die Messkataloge der frühen Neuzeit zurückgeht. Hinzu kam um die Jahrhundertwende der Verlagsalmanach. Er hat mit dem Verlagskatalog das Verzeichnis der Titelproduktion gemeinsam und ist nicht immer eindeutig von ihm und anderen Publikationsformen – Jahrbüchern und Anthologien – zu unterscheiden. Verlagsalmanache enthalten außerdem Originalbeiträge von Verlagsautoren sowie Abbildungen, anfangs meist auch ein Kalendarium, teilweise zudem Pressestimmen und Anzeigen. Sie wurden über den Buchhandel vertrieben und für einen vergleichsweise niedrigen Preis an Kunden abgegeben, gelegentlich auch von Buchhändlern verschenkt. Der Verlagsalmanach geht auf die Buchform Almanach zurück, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert in Form von Musen-Almanachen beliebt war, in der Jahrhundertmitte infolge der zunehmenden Verbreitung von Familienzeitschriften und anderen periodischen Druckerzeugnissen jedoch vom Buchmarkt verschwand. Die ersten Verlagsalmanache stellen inhaltlich eine Wiederbelebung dieser Buchgattung in Verbindung mit der Konzentration auf ein Verlagsprogramm dar, wobei der Almanach um eine werbende Zielsetzung erweitert wurde. Sie waren häufig Mischformen mit anderen Werbemitteln und Buchformen und entstanden aus dem Bedarf nach einem neuen Werbemittel heraus, weshalb die Bezeichnung »Almanach« und das eindeutige Anknüpfen an die Tradition der Buchgattung im Titel oft vermieden wurde.137 Der Verlagsalmanach entwickelte sich aus dem Bedarf der neuen spezialisierten Verlage der Kulturverleger nach einem neuen Werbemittel, mit dem sie dem erweiterten Lesepublikum, das im 19. entstanden war, ihre Verlagsproduktion näher bringen konnten.138 Er ermöglichte es, die »Geschlossenheit und Einheit des Verlags«139, die von Samuel Fischer in seinem programmatischen Aufsatz Der Verleger und der Büchermarkt von 1911 als verlegerisches Ziel postuliert worden war, in Form eines Buches zu präsentieren – »Der Verlags-Almanach wurde zum ›Missionshelfer‹ des Verlags.«140
137 Vgl. Heinz Sarkowski: Almanache und buchhändlerische Werbekataloge 1871–1914. Anmerkungen zu einem hybriden Buchtyp, in: Aus dem Antiquariat. Nr. 6 v. 1983, S. A193–A210, hier: S. A200. 138 Vgl. ebd., S. A197. 139 Samuel Fischer: Der Verleger und der Büchermarkt. In: Das XXV. Jahr. 1886–1911, Berlin: S. Fischer 1911, S. 24–34, hier: S. 26. 140 Sarkowski: Almanache und buchhändlerische Werbekataloge, S. A198.
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Im Gegensatz zu anderen Mitteln der Buchwerbung steht im Verlagsalmanach der Text selbst im Vordergrund und nicht die Darstellung des Textes oder des Autors. Dadurch ist sein werbender sowie sein vermittelnder Wert auf den ersten Blick relativ gering. Verlagsalmanache bieten Lesern die Gelegenheit, sich selbst ein Urteil über die Verlagsproduktion zu bilden. Sie erschienen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch in unregelmäßigen Abständen und häufig zu bestimmten Anlässen wie Verlagsjubiläen.141 Ausnahme ist der 1905 begründete Insel-Almanach, der von Beginn an jährlich erschien und dessen Verleger Anton Kippenberg an der Etablierung des Verlagsalmanachs allgemein entscheidend beteiligt war.142 In anderen Verlagen sorgte erst der Verkaufserfolg des Almanachs für ein regelmäßigeres Erscheinen, so bei S. Fischer, der den als einmaliges Werbemittel zum 25. Verlagsjubiläum gedachten Verlagsalmanach Das XXV. Jahr von 1911 gegenüber Arthur Schnitzler als »starkes Propagandamittel«143 bezeichnete und sich an eine regelmäßige Fortsetzung des Almanachs machte. Den Erfolg des neuen Werbemittels nutzten nicht nur Kulturverlage aus. In den 1920er Jahren war der Almanach ein verbreitetes Werbemittel. Sein Erfolg erklärt sich unter anderem aus der Ähnlichkeit zum Buch und dem zurückhaltenden Einsatz werbender Elemente. Dadurch waren Almanache auch im Buchhandel gut durchzusetzende Werbemittel, die dem Buch als Kulturgut entsprachen. Durch dieses Werbemittel unterschied sich die Buchwerbung von der Werbung für andere Gebrauchsgüter.
Verlagsprospekte Der Bedarf an neuen Werbemitteln war damit aber keineswegs gedeckt. Hinzu kamen verschiedenste Verlagsprospekte und andere Druckerzeugnisse, die sich an Buchhändler und Leser zugleich richteten und in denen Neuerscheinungen und lieferbare Titel vorgestellt wurden. Die Prospekte untergliederten sich in Sammel- und Einzelprospekte, in denen entweder einzelne Titel beworben wurden oder mehrere Titel eines Autors, einer Reihe oder eines Verlags zusammengefasst waren.144 Die Prospektarten differenzierten sich insgesamt seit der Jahrhundertwende aus, womit nicht nur neue Arten von Prospekten entstanden, sondern sich einzelne Prospektarten auch zu einer festen, regelmäßig erscheinenden Einrichtung entwickelten. Neben den umfangreichen Verlagskatalogen, die häufig die Form eines Buches hatten und jährlich oder in größeren zeitlichen Abständen erschienen, etablierten sich kleinere, jährlich erscheinende Verlagsprospekte, die Novitäten präsentierten und auch Titel aus der Backlist des Verlagsprogramms enthielten. Auch hier waren die Kulturverleger federführend. 141 Vgl. ebd. 142 Vgl. ebd., S. A201. 143 Ebd., S. A202. 144 Vgl. Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen, S. 162–164.
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Bei S. Fischer zum Beispiel wurde 1903 erstmals ein Prospekt mit dem Titel Neuigkeiten veröffentlicht, zwischen 1913 und 1917 erschienen jährlich Die neuen Bücher, in den 1920er Jahren erhielt der Prospekt den Titel Neuerscheinungen bei S. Fischer, ab 1930 wurde auch die Jahreszahl in den Titel aufgenommen. Bei Albert Langen wurde 1913 ein Prospekt mit dem Titel Albert Langen Verlag München Literaturbericht 1913 und ältere gute Werke konzipiert. Die fusionierten Verlage Albert Langen und Georg Müller informierten in den 1930er Jahren jährlich über Neue Bücher und die wichtigsten früherer Jahre (1932–1939) und gleichzeitig über Neuerscheinungen aus dem Verlag Albert Langen - Georg Müller (1934–1941). Bei Rowohlt warb man zwischen 1931 und 1940 jährlich mit dem Prospekt Neue Rowohlt Bücher. Die häufige Umbenennung der Prospekte, die Vorläufer der heutigen Programmvorschauen darstellen, sowie der Umstand, dass durchaus mehrere derartige Prospekte parallel erschienen, verdeutlichen, dass sich die Buchwerbung noch in einer Phase des Ausprobierens befand. In den 1930er Jahren kam es im Bereich der Novitätenprospekte aber zu einer Stabilisierung; sie erschienen nun regelmäßig. Gleichbleibend war in etwa das Format (meist ungefähr A5) und der Umfang (zwischen 10 und 20 Seiten) dieser Prospekte sowie deren inhaltliche Bestandteile. So enthielten Prospekte zu den einzelnen beworbenen Büchern neben den bibliografischen Angaben immer einen Werbetext, der auf den Inhalt des Buches und gelegentlich auf den Verfasser einging. Er wurde ergänzt und teilweise auch ersetzt durch lobende Erwähnungen in der Presse, die gelegentlich umfassend wiedergegeben wurden – Horst Kliemann riet dazu, auch bei Anzeigen den Werbetext möglichst durch Auszüge aus Besprechungen zu ersetzen, da diese neutraler wirkten und gleichzeitig belegten, dass das Buch in der Presse Aufsehen erregt habe.145 Der Prospekt war außerdem ein legitimer Kontext für Abbildungen aller Art, was in der bereits zitierten Kritik an der Umschlaggestaltung der Reihe Junge Deutsche im Reclam Verlag bereits anklang: das Autorenfoto sei im Prospekt akzeptabel, nicht aber auf dem Umschlag.146 Karl Friedrich Pfau empfahl bereits 1895 die »Wiedergabe von Illustrationen, die dann Anschaulichkeit im eigentlichsten Sinne des Wortes herbeiführen, [...] um zu packen und zu gewinnen«147. Auch Kliemann hob den Wert von Bildern als Blickfang hervor und betonte ihre »unterstützende Wirkung«148. Zu den verwendeten Bildern zählen neben Illustrationen auch Porträts der Autoren. Die Durchsetzung des Bildes allgemein und der Fotografie insbesondere als kommunikatives Werbemittel lässt sich also auch in der Buchwerbung beobachten, trotz aller Abgrenzungsbemühungen des Buchhandels zur Werbung allgemein.
145 Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 40. 146 Vgl. Einsiedel: Junge Deutsche, S. 180 u. siehe: 4.2.3 Die Etablierung des Autorenfotos auf dem Schutzumschlag. 147 Pfau: Die Reklame des Verlegers, S.18. 148 Kliemann: Die Werbung fürs Buch, S. 43.
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Im Gegensatz zu den heutigen Programmvorschauen richteten sich die Prospekte nicht ausschließlich an den Sortimentsbuchhandel, sondern auch an die Leser.149 Spezielle Prospekte für Buchhändler gab es nicht, was zu brancheninternen Diskussionen darüber führte, wie Informationen, die ausschließlich für den Buchhandel bestimmt waren (etwa über Rabatte oder Bezugsbedingungen), in den Prospekten unterzubringen seien. Der Vertrieb von Prospekten erfolgte vorwiegend über den Sortimentsbuchhandel, wo sie an den Kunden weitergegeben wurden. Zusätzlich wurden Prospekte auch als Beilagen in Zeitungen und Zeitschriften vertrieben und direkt an gesammelte Kundenadressen versandt.150 Einzelprospekte, die einem Autor gewidmet waren und mehrere seiner Werke oder Werkausgaben vorstellten, ergänzten die Sammelprospekte. Seltener als solche Autorenprospekte waren Einzelprospekte, die nur einem Titel gewidmet waren, der in der Regel dann besonders erfolgreich gewesen war. Der Autorenprospekt stellt ein ideales Werbemittel zur Unterstützung des kulturverlegerischen Anspruches dar, nicht nur einzelne Titel sondern den ganzen Autor zu verlegen, und wurde dem entsprechend in den Verlagen S. Fischer, Kurt Wolff, Ernst Rowohlt und Langen-Müller häufig eingesetzt. Die Verlage nutzten verschiedene Anlässe für die Herausgabe von Autorenprospekten: runde Geburtstage waren beispielsweise der Anlass für Zum 50. Geburtstag von Thomas Mann bei S. Fischer 1925 oder Knut Hamsun 75 Jahre, Das Lebenswerk des großen nordischen Dichters im Verlag Albert Langen/Georg Müller 1934. Auch Literaturpreise wurden als Anlass genutzt: 1930 erschienen etwa bei Ernst Rowohlt ein Prospekt zu Sinclair Lewis, dem der Nobelpreis für Literatur zugesprochen worden war, oder zu Erich Weinheber, der mit dem Mozartpreis der Goethestiftung ausgezeichnet worden war, 1934 bei Albert Langen/Georg Müller. Die Verlage nutzten dabei geschickt die bestehende Aufmerksamkeit für einen Autor aus oder trugen dazu bei, dem Autor und seinem Werk durch eine simulierte Gedenk- und Würdigungssituation besondere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Autorenprospekte waren für gewöhnlich kleinformatig, ihr Umfang betrug zwischen vier und zehn Seiten. Darin wurden die Autoren und die einzelnen Titel vorgestellt, wobei verstärkt auch Bilder zum Einsatz kamen: »Der Autorenprospekt wird natürlich Bild und Lebenslauf des Dichters, vielleicht sogar von ihm selbst erzählt, enthalten und darüber hinaus die (vielleicht zeitlich) geordnete Aufzählung aller Werke mit Urteilen.«151 Im Kaiserreich waren solche Prospekte vermutlich noch selten – zumindest lassen die wenigen überlieferten Exemplare diesen Schluss zu. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren setzte sich der Autorenprospekt jedoch als Werbemittel durch, was unter anderem daran zu erkennen ist, dass er nun auch ohne konkreten Anlass erschien.
149 Vgl. ebd., S. 16. 150 Vgl. ebd., S. 68. 151 Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen, S. 164.
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Kunden- und Hauszeitschriften Ein weiteres wichtiges Mittel der Kundenwerbung entwickelten die Verleger mit den Kundenzeitschriften und Hauszeitschriften. Literarische Zeitschriften wie Die neue Rundschau im Verlag von Samuel Fischer oder die bei Eugen Diederichs erscheinende Die Tat waren den Autoren des Verlagsprogramms gewidmet und boten Vorabdrucke und Rezensionen sowie Beiträge zu literarischen Themen. Sie banden die Leser an das jeweilige Verlagsprogramm. Die Hauszeitschriften mögen als Reklamemittel gedacht worden sein, wie Kliemann mutmaßte,152 tatsächlich erfüllte sich jedoch primär die Funktion der inhaltlichen Vermittlung, während der werbende Charakter zurücktrat. Ein anderes Verhältnis zwischen Vermittlung und Werbung zeichnet die kostenlosen Kundenzeitschriften wie das 1919 erschienene Insel-Schiff des Insel Verlags und S. Fischers Mitteilungen über neuere Literatur aus, die 1914 in nur einer Ausgabe erschien und der ab 1930 die S. Fischer Korrespondenz nachfolgte. Die kostenlose Hauszeitschrift als Mittel der Kundenbindung, das den modernen Kommunikationsgewohnheiten entspricht und das bis in die Gegenwart von Verlagen genutzt wird, etablierte sich nach ersten Versuchen in den 1930er Jahren. Franz Ehrenwirth nennt 1937 neben dem Inselschiff eine Reihe von Titeln: Der Piperbote aus dem Piper Verlag, die Literarischen Flugblätter von Engelhorn, Die Vorschau von Kösel und Pustet, Neuordnung und Tradition von Paul List und der Bücherbrief der Hanseatischen Verlagsanstalt.153 Die Kundenzeitschriften richteten sich direkt an die Leser und waren als Zeitschriften aufgemachte Werbeprospekte, in denen mehr Raum für Texte zum Inhalt, Leseproben und Illustrationen genutzt wurde als in herkömmlichen, offensichtlicher werbenden Prospekten. S. Fischers Mitteilungen über neuere Literatur enthielt einen ausgelagerten Werbeteil mit Anzeigen am Ende des Heftes. Die Leser der S. Fischer Korrespondenz wurden zumindest einmal direkt in einem beigelegten Brief angesprochen, wobei die Zielsetzung der Zeitschrift verdeutlicht wurde: Wichtiger Hinweis für die Leserinnen und Leser der S. Fischer Korrespondenz Wir wenden uns zum ersten Mal in dieser Form an Sie. Nur selten werden wir es tun und nur in besonderen Fällen. Es gibt Bücher, die erst spät in die Kreise dringen, für die sie bestimmt sind. [...] Der Sinn dieser Briefe soll es sein, den Kreis der künstlerisch und literarisch interessierten Menschen, die wir durch unsere Korrespondenz zusammenzuschließen versuchen, mit besonderem Nachdruck auf die Werke jener noch wenig bekannten modernen Autoren hinzuweisen, deren innerer Wert und die Beachtung aller geistig Interessierten zu verdienen scheint. Wir machen Sie auf den Iren Liam O’Flaberty aufmerksam [...]. Lesen Sie dieses Buch, und schreiben Sie uns, ob auch Sie es besonderer Beachtung wert halten. Mit vorzüglicher Hochachtung S. Fischer Verlag A.G.154
152 Vgl. Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 96. 153 Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen, S. 185. 154 Wichtiger Hinweis für die Leserinnen und Leser der S. Fischer Korrespondenz Brief an die Leser der S. Fischer Korrespondenz (DLA, VpS I, S. Fischer). (Welcher Ausgabe der S. Fischer Korrespondenz
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Interessant ist daran die angestrebte Verbindung zwischen Lesern und Verlag zur gemeinsamen Beförderung von »wertvoller Dichtung« – die Begriffe Reklame oder Werbung werden vermieden. Nebenbei bemerkt wirkt die Aufforderung an den Leser, sich selbst zum Buch zu äußern und in einen Austausch mit dem Verlag zu treten, wie ein Vorgriff auf die heutigen Marketingaktivitäten von Verlagen im Social MediaKontext.
Plakat und Schaufenster Die Plakatwerbung sowie die Ausstattung der Schaufenster stellen einen wichtigen Kontext der Buchwerbung dar, der sie an der Ausbildung einer visuellen Öffentlichkeit partizipieren ließ. Waren Prospekte und Anzeigen trotz der steigenden Bildverwendung zum Lesen gedacht und wurde der Prospekt gerade wegen seiner Verwandtschaft mit dem Buch als Werbemittel geschätzt, so war die Plakatwerbung und die Schaufenstergestaltung insgesamt darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit des Passanten zu erregen. Dazu war eine quantitative Beschränkung des Textes und die Konzentration auf das Bild vonnöten. Plakate für Bücher kamen in diversen Formaten und an unterschiedlichen Orten vor: Öffentliche Plakatwerbung an Litfaßsäulen, wie in der Werbung für andere Produkte, wurden auch für das Buch erprobt. Bereits 1898 hatte Eugen Diederichs mit Plakaten, deren Gestaltung sich an die Umschlagzeichnungen anlehnte, für Hans Blums Die deutsche Revolution 1848/49 geworben und damit offenbar großes Aufsehen erregt; in Naumburg sollen die Plakate sogar verboten worden sein.155 An Litfaßsäulen plakatierte auch der Kurt Wolff Verlag für einzelne Titel. Insgesamt waren die Preise für diese Form der Werbung aber so hoch und dabei mit einer so großen Streuung im Publikum verbunden, dass die öffentliche Plakatwerbung für Bücher nur für große Verlage rentabel war, z. B. für den UllsteinKonzern. Häufiger als in der Öffentlichkeit kam das Plakat in den Buchhandlungen vor, wobei die Sortimenter ihm zunächst durchaus ablehnend gegenüberstanden.156 Sie wurden entweder im Ladenraum oder als Element der Schaufenstergestaltung eingesetzt. Karl Robert Langewiesche entwickelte das kleinformatige Scheibenplakat als erfolgreiches Werbemittel, das vom Buchhändler auf Augenhöhe im Schaufenster befestigt werden sollte.157 Verlage unterstützten die Schaufensterwerbung des Sortimentsbuchhandels auch, indem sie Abbildungen zur Verfügung stellten. »Für Schaufenster und Ausstellungen sind oftmals Autorenbilder und andere Photos erwünscht«158, so Ehrenwirth. er ursprünglich beigelegt war, lässt sich heute nicht mehr nachweisen, da der Brief nicht datiert ist. Vermutlich handelt es sich um die erste Ausgabe der Zeitschrift von 1930.) 155 Vgl. Welsch: Studien zur Werbung für die Dichtung, S. 65. 156 Vgl. Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen S. 183; Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 25–26. 157 Schiebe: Klappentext und Scheibenplakat, S. 87–92. 158 Ehrenwirth: Werbedrucksachen und Anzeigen, S. 185.
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Trotz der Vielfalt der Werbemittel, die sich in der ersten Phase der modernen Buchwerbung ausdifferenzierten, waren die Verlage um ein einheitliches Erscheinungsbild bemüht, das sich durchaus im Sinne des modernen Marketing als ein Corporate Design verstehen lässt, welches die Corporate Identity eines Unternehmens gestalterisch zum Ausdruck bringt. Dabei galt – wie schon bei der Ausstattung des Gebrauchsbuches – die »Verlagsprofilierung und Imagebildung sowohl in der Öffentlichkeit als auch gegenüber der Konkurrenz«159 als übergeordnetes Interesse, das einzelne Verlage auf dem unübersichtlich gewordenen Buchmarkt verfolgten. Ein wichtiges Element dieser Bemühungen war das Verlagssignet, das Samuel Fischer 1895 in Anlehnung an die Druckermarken als erster Verleger einführte.160 Die Anforderung an das Verlagssignet bestand in der symbolischen Repräsentation des ganzen Verlages: Es muß suggestiv und einfühlsam sein, daß es als Grundlage für die gesamte Werbung des Verlagshauses dienen kann. Es muß nicht nur im Buchinneren [...] einprägsam für geistige Werte werden und so tief ins Bewußtsein des Buchkäufers eindringen, daß es der Nennung des Verlagsnamens gar nicht mehr bedarf.161
Das Verlagssignet wurde zunächst auf den Schmutztitel oder den Titel gedruckt und bald auch in die Umschlaggestaltung aufgenommen, wo es sich heute in vielen Verlagen zu einem durchgängigen Element stabilisiert hat. Auch im Bereich des verlegerischen Epitextes war es auf Prospekten, Plakaten, Briefköpfen usw. einsetzbar. S. Fischers Beispiel folgten rasch weitere Kulturverleger in der Verwendung eines Signets; 1899 der Insel Verlag, 1914 Kurt Wolff. Das einheitliche Erscheinungsbild eines Verlages war auch ein Prinzip der Anzeigengestaltung, das von vielen Verlagen nach einem stabilen Muster entwickelt und immer wieder aufgegriffen wurde.162 In einigen Fällen wurden die Gestalter der Buchumschläge auch für die Gestaltung von Werbemitteln eingesetzt, so Georg Salter für den Verlag Gustav Kiepenheuer.
Professionalisierung II: 1960er – 1970er Jahre Nach der kriegsbedingten Unterbrechung der Buchwerbung liefen die Bemühungen der Verlage in der Nachkriegszeit langsam wieder an. Bis in die 1950er Jahre orientierten sie sich an der Buchwerbung der Vorkriegszeit. Erst in den 1960er und 1970er Jahren setzte eine zweite Professionalisierungsphase ein. Diese Phase war geprägt durch eine weitere Ausdifferenzierung der Werbemittel, bei der Händler- und Publikumswerbung deutlicher voneinander differenziert wurden. 159 Haefs: Ästhetische Aspekte des Gebrauchsbuchs, S. 356. 160 Peter de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1970, S. 229. 161 Ebd. 162 Vgl. Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 39.
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Ein Element der Professionalisierung ist die Entstehung von Werbeabteilungen in den Verlagen. Florian Tielebier-Langenscheidt befragte für seine 1983 erschienene Dissertation zur Werbung für deutsche Gegenwartsliteratur die Werbeabteilungen einiger Literaturverlage und stellte fest, dass durchweg Werbeabteilungen vorhanden waren, die mit bis zu neun Personen fest besetzt waren, deren Professionalität er jedoch als »relativ gering«163 bewertete. Die Werbeabteilungen kooperierten eng mit den Lektoraten, in denen Grundtexte zu einzelnen Titeln verfasst wurden, die dann für die Werbung bearbeitet wurden. Außerdem seien sie für die »visuelle Gestaltung der Werbemittel und die Auswahl von Rezensionszitaten zuständig.«164 Die systematische Planung der Werbemaßnahmen, die bereits in der ersten Phase moderner Buchwerbung immer wieder gefordert worden war,165 setzte sich in den 1970er Jahren in Form eines jährlichen Werbeplans durch. Die Verlagskalkulation sah für die Werbung durchschnittlich 5 bis 11 Prozent des Geschäftsumsatzes vor – Tielebier-Langescheidt errechnete einen Anteil von 6 bis 11,5 Prozent bei Hardcover-Titeln, Klaus-W. Bramann bezifferte den Anteil 2008 auf 7 bis 10 Prozent, womit eine leichte Steigerung verbunden ist.166 Wie Bramann anmerkte, bedeutet das jedoch nicht, dass dieser Prozentsatz tatsächlich für jeden Titel in Werbung investiert wurde. Vielmehr konzentrierte sich die Buchwerbung seit den 1960er Jahren auf einzelne Spitzentitel. Zwar wurde auch das Gesamtprogramm beworben, vor allem in den Programmvorschauen und Anzeigen in Fachzeitschriften sowie im Online-Marketing, doch hoben sich Kampagnen für erfolgsträchtige Titel in Aufwand und Kosten davon deutlich ab. Hermann Panskus staunte 1971 mit der gesamten Buchbranche über die Werbekampagne, die der Verlag von Fritz Molden für Hildegard Knefs Autobiografie Der geschenkte Gaul lancierte – sie kostete 250.000 Mark.167 Werbekampagnen, bei denen alle Mittel der Buchwerbung von der Anzeige in der Branchenpresse bis zum Verkaufsdisplay in der Buchhandlung für die Vermarktung eines Titels eingesetzt wurden, wurden immer häufiger und bedienten sich zunehmend neuer Mittel. Diese, auch als »Amerikanisierung des Literaturgeschäfts«168 bezeichnete oder vielmehr beklagte Entwicklung kennzeichnet vor allem den Bereich der Unterhaltungsliteratur, also der marktkonformen Kulturproduktion nach Bourdieu. Ein Anzeichen dafür ist die Werbung mit der Werbung; so verkündete bereits Molden die Kosten seiner Kampagne in der Fachpresse, um damit zu suggerieren, dass der betreffende Titel Aufmerksamkeit erregen werde. Dieses Phänomen lässt sich gegenwärtig in der Händlerwerbung allerorten 163 Tielebier-Langenscheidt: Werbung für deutschsprachige Gegenwartsliteratur, Sp. 83–84. 164 Ebd., Sp. 83. 165 Vgl. Cornelia Schultze-Gisevius: Buchwerbung in der Weimarer Republik. (Magisterarbeit am Institut für Buchwissenschaft der Universität Mainz), Mainz: 1995, S. 8. 166 Vgl. ebd., Sp. 87–88; Hans-Helmut Röhrig: Wie ein Buch entsteht. Einführung in den modernen Buchverlag, vollst. überarbeitet und aktualisiert v. Klaus-W. Bramann, 8., überarb. Aufl., Darmstadt: Primus 2008, S. 133. 167 Vgl. Panskus: Buchwerbung in Deutschland, S. 79. 168 Tielebier-Langenscheidt: Werbung für deutsche Gegenwartsliteratur, S. 82.
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feststellen, in Börsenblatt-Anzeigen und Programmvorschauen wird damit geworben, welche Werbung Verlage für einzelne Titel geplant haben. Die Konzentration auf Einzeltitel in der Buchwerbung, die zunächst im Bereich der marktkonformen Kulturproduktion üblich wurde, inzwischen aber durchaus auch die Werbestrategien literarischer Verlage prägt, ist auch dadurch bedingt, dass das verfügbare Werbebudget für den einzelnen Titel zu niedrig ist, um große Aufmerksamkeit zu erregen. Panskus führte 1971 das Beispiel einer Werbegemeinschaft für Großstadtbuchhandlungen an, die für die Aufnahme eines Titels inklusive Cover-Abbildungen über 2 000 DM verlange und damit den gesamten Werbeetat für ein Buch erschöpfe.169 Daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil: Weder finanziell noch bezogen auf die Aufmerksamkeitsökonomie ist es möglich, für jeden Titel alle Register des Marketings zu ziehen. Die Werbemittel differenzierten sich weiter aus, ohne dabei gänzlich neue Kontexte zu entwickeln. Die Anzeige und der Prospekt blieben auch auf dem bundesrepublikanischen Buchmarkt die wichtigsten Werbemittel. Neue Formen wie die Fernsehwerbung spielten für den Buchmarkt keine Rolle. Erst das Internet veränderte die medialen Grenzen der Buchwerbung seit der Mitte der 1990er Jahre. Innerhalb der erprobten Grenzen der Buchwerbung veränderte sich jedoch mit der Professionalisierung das Ausmaß der Buchwerbung: Prospekte erscheinen regelmäßig nicht nur zu Neuerscheinungen und als Kataloge des Gesamtverzeichnisses, sondern zusätzlich auch für verschiedene Programmbereiche und Zielgruppen. Insgesamt hat der Werbeaufwand deutlich zugenommen und längst den Anschein des Improvisierten abgelegt, der die Buchwerbung zu Beginn des Jahrhunderts noch kennzeichnete. Die Ausdifferenzierung der Buchwerbung schließt die Trennung von Fach- und Publikumswerbung mit ein. Die Branchenwerbung richtet sich an den Zwischenund Sortimentsbuchhandel und soll dort für viele Bestellungen sorgen. Bereits vor Erscheinen eines Titels soll sie den Buchhändler von seiner Erfolgsträchtigkeit überzeugen und damit bewirken, dass der Buchhändler den Titel überhaupt in sein Sortiment aufnimmt.170
Programmvorschau Die Programmvorschau ist mittlerweile das wichtigste Instrument der Händlerwerbung. Dabei handelt es sich um einen zunächst jährlich, dann halbjährlich erscheinenden Prospekt, der über die Novitäten des Verlags informiert. Neben dem Handel zählen auch Pressevertreter und Lizenzpartner zu den Empfängern. Jeder neue Titel wird in der Programmvorschau für gewöhnlich auf einer einzelnen Seite vorgestellt, manche Titel auch auf zwei oder inzwischen sogar auf mehreren Seiten. 169 Panskus: Buchwerbung in Deutschland, S. 88. 170 Vgl. Röhring: Wie ein Buch entsteht, S. 134; Susanne Malling: Werbung. In: BuchMarktBuch, hrsg. v. Schütz u. a., S. 393–399, hier: S. 395.
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Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte es spezielle Novitäten-Prospekte gegeben, sie erschienen seit den 1920er Jahren regelmäßig. Diese Prospektarten wurde in den 1950er Jahren wieder aufgegriffen, mit Titeln wie Neue Bücher bei S. Fischer oder Piper. Diese Prospekte sind die eigentlichen Vorläufer der Programmvorschau, die sich in den 1960ern entwickelte. Zunächst unterschieden sich die Vorschauen vor allem in ihrem größeren Format und dem ausgedehnten Umfang von den früheren Novitäten-Prospekten. Grundsätzlich war darin für jeden Titel eine Seite reserviert. Darin schlugen sich die Expansion der Titelproduktion und die Ausdehnung vieler Verlagsprogramme im verlegerischen Epitext nieder. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Prospekten richteten sich die Vorschauen ausschließlich an ein Fachpublikum. Titel wie Hanser-Information (seit 1958) und Information (Kiepenheuer und Witsch, seit 1968) lassen sich als Abgrenzung von einer Werbung verstehen, der es ausschließlich darum geht, Aufmerksamkeit zu erregen. Der informative Anspruch prägte zunächst auch den Inhalt: Beim Blick in die Programmvorschauen der 1960er Jahre fällt der hohe Textanteil auf. Die schlicht gestalteten Prospekte, die teilweise (zum Beispiel bei Hanser und Kiepenheuer und Witsch) nur zusammengeheftete Einzelblätter waren, waren zwar meist mit einem einfarbigen Umschlag oder Titel ausgestattet, der Innenteil kam jedoch ohne Farbe und meist ohne Abbildungen aus. Die Vorschautexte waren oft lang und ausführlich und erstreckten sich über mehrere Absätze. Noch 1994 konstatierte Sabine Steinkopf in ihrer Untersuchung der Buchwerbung: Für die Buchwerbung ist die Notwendigkeit kennzeichnend, mittels Sprache über ein sprachliches Erzeugnis berichten zu müssen. Für übliche Werbung kann zutreffen, daß der Bildteil gegenüber dem Textteil dominieren kann, bei Buchwerbung ist dies fast undenkbar.171
Heute dagegen sind die Programmvorschauen vieler Verlage abwechslungsreich gestaltete Prospekte, in denen der Bildanteil dominiert. Die Entwicklung dieser wichtigsten Prospektgattung seit den 1960er Jahren ist formal durch eine immer aufwändigere Gestaltung gekennzeichnet. Damit geht der Rückgang des Textes gegenüber dem Bild einher. Entsprechend den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie untergliedert sich der Vorschautext heute in einen (optisch hervorgehobenen) Kurztext, der rasch gelesen werden kann, sowie einen Langtext, der eine detaillierte Darstellung gibt. Durch griffige Überschriften (headlines) wird dem Leser eine allererste Orientierung über die Bedeutung oder Ausrichtung des Buchs gegeben.172
171 Steinkopf: Buchwerbung in Prospekten, S. 30. 172 Sabine Kahl: Programmvorschau. In: BuchMarktBuch, hrsg. v. Schütz u. a., S. 310–312, hier: S. 308.
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Zusammen mit den häufig großformatigen Abbildungen von Werk und/oder Autor haben die knappen Texte den Effekt, die Aufmerksamkeit der Lesers gezielt auf einzelne Verkaufsargumente zu lenken – die anfangs noch zentrale ausführliche Information des Buchhändlers über den Inhalt des Buches tritt dabei in den Hintergrund. Dazu zählt auch die Gewichtung des Einzeltitels innerhalb des Verlagsprogramms: Wie viele Seiten ein Titel in der Vorschau erhält sowie an welcher Stelle der Titel platziert wird – die vorderen Seiten und die Heftmitte sind besonders aufmerksamkeitsträchtig –, hat für den Rezipienten eine Signalwirkung. So werden Programmschwerpunkte angezeigt.173 Neben Programmvorschauen sind nach wie vor Anzeigen in der Fachpresse ein wichtiges Element der Branchenwerbung, die durch Werbegeschenke und Folder ergänzt werden. Der Hinweis auf die Publikumswerbung ist ein wichtiges Argument: »Wir werben in:« ist eine Überschrift, die man heute in jeder beliebigen Programmvorschau eines Publikumsverlags findet. Darunter folgt die Ankündigung geplanter Werbeanzeigen und Werbemittel, die der Buchhandel bestellen kann. Auch in Anzeigen in der Branchenpresse, die vor dem Erscheinen des Titels eingesetzt werden, sind Hinweise auf Marketingpläne enthalten. Die erwartete Aufmerksamkeit des Publikums soll den Buchhandel davon überzeugen, rechtzeitig zu bestellen. Die Publikumswerbung ist in den letzten Jahren wichtiger geworden, was sich in einer Verlagerung des Werbebudgets von der Fach- zur Publikumswerbung ausdrückt. Ursache dafür ist unter anderem ein verändertes Bestellverhalten des Buchhandels, der zunehmend weniger Titel selbstständig bestellt, sondern erst auf die Kundennachfrage reagiert.174 Die Verlage nutzen und befördern diese Entwicklung durch verstärktes Pull-Marketing, d. h. der Kunde soll durch »gezielte Werbe- und Public-Relations-Maßnahmen [...] in die Buchhandlung ›gezogen‹«175 werden. Das Push-Marketing setzt im Gegensatz dazu beim Sortimentsbuchhandel an, dem die Vermittlung an den Kunden (mit Unterstützung) überlassen wird.176 Die Publikumswerbung als Pull-Marketing findet gleichzeitig mit dem Erscheinen des Titels statt, dem eine große Anfangsaufmerksamkeit gesichert werden soll. Im Gegensatz zu dieser Einführungswerbung ist Erinnerungswerbung selten und wird zum Beispiel genutzt, wenn sich die mediale Aufmerksamkeit durch Literaturpreise ohnehin auf einen Autor beziehungsweise Titel richtet.
173 Ebd., S. 309. 174 Erben: Marketing, S. 265. 175 Dirk Wetzel: Pull-Marketing. In: Reclams Sachlexikon des Buches, hrsg. v. Rautenberg, S. 414– 415, hier: S. 414. 176 Vgl. ebd., S. 415.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
Anzeige Als wichtiges Werbemittel der Publikumswerbung hat sich die Anzeige in der überregionalen Presse etabliert, sofern für den Titel mit einer breiten Zielgruppe gerechnet werden kann. Neben der überregionalen Tagespresse sind auch Zeitschriften wie Der Spiegel und Brigitte beliebte Werbeträger. Literaturzeitschriften, die insgesamt eine deutlich geringere Auflage aufweisen – Röhring gibt für 2008 eine Gesamtauflage von 30.000 bis 40.000 Exemplaren an177 – eignen sich eher für Titel, bei denen ein Nischenpublikum erreicht werden soll.
Prospekt Auch der Prospekt ist weiterhin ein wichtiges Mittel der Publikumswerbung: Neben Sammelprospekten zu Neuerscheinungen oder speziellen Themen wie Geschenkbücher, Liebesromane oder Klassiker werden auch Autorenprospekte weiterhin eingesetzt. Auch hier lässt sich von einer Ausdifferenzierung sprechen; es erscheinen mehr Titel in verschiedenen Formaten. Während die Zeit der Verlagsalmanache in den 1960er Jahren endete,178 wurde die Kundenzeitschrift das adäquate Medium zur Information von Lesern über das Verlagsprogramm. Der Verlagsalmanach, in dem sich Autoren durch Texte vorstellten, wurde damit abgelöst von einem Medium, das stark an die Illustrierte erinnert und statt Texten den Autor in Bild und Text in den Vordergrund rückt. Die Ablösung des Almanachs durch die Kundenzeitschrift vollzog sich in den 1960er Jahren zunächst durch eine Zwischenform, die teilweise noch Originaltexte enthielt und mit Bildmaterial und anderen Textbeiträgen ausgestattet war. Titel wie die LIT3 Das Literatur Magazin im Verlag Kiepenheuer und Witsch (1969), Ex libiris Hanser (1963–1967) und die suhrkamp information (1970–1980) sind Beispiele für diese Zwischenform, die im Gegensatz zum Almanach kostenlos an Kunden in Buchhandlungen abgegeben wurde. Die Kundenzeitschriften der 1980er und 1990er Jahre, erfolgreichster Titel ist die seit 1984 erscheinende Rowohlt Revue, sind durch eine abwechslungsreiche Gestaltung und Beiträge über Bücher und Autoren geprägt, die auf längere Textauszüge verzichten. Die Vermittlung erfolgt hier mehr über die mediale Aufbereitung von Person und Inhalt, der Text selbst wird dafür nicht mehr gebraucht. Andere Beispiele sind das Suhrkamp Taschenbuch Journal (1994–2001, bis 2004: Suhrkamp Journal). Die Kundenzeitschrift hat trotz der Verlagerung der Publikumswerbung auf das Internet im neuen Jahrtausend nicht als Werbemittel ausgedient, wie die Neugründung des Diogenes Magazins 2009 zeigt. 177 Vgl. Röhring: Wie ein Buch entsteht, S. 140. 178 Ulrike Erber-Bader weist in ihrer Bibliographie der Verlagsalamanche nach, dass es nach dem Bedeutungsverlust des Almanachs in den 1960er Jahren in den 1980er Jahren zu einer Wiederbelebung dieses Werbemittels kam. Diese Entwicklung steht durchaus nicht im Widerspruch zu der hier konstatierten Tendenzverlagerung in der Buchwerbung, sondern kann vielmehr als Dagegensteuern gesehen werden. Vgl. Ulrike Erber-Bader: Deutschsprachige Verlagsalmanache des 20. Jahrhunderts. Eine Bibliographie, Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 2001, S. 7.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Internet Das Internet als neues Leitmedium hat selbstverständlich auch auf den Bereich des verlegerischen Paratextes verändert. Verlage betreiben Internetseiten, auf denen sich alle Interessenten über das Verlagsprogramm informieren können und nutzen die veränderten Kommunikationsgewohnheiten indem sie Social Media-Marketing betreiben. Das Online-Marketing ist mittlerweile für viele Verlage obligatorisch. Die Trennung zwischen Fach- und Publikumswerbung ist dabei weitgehend aufgehoben, auch wenn eigene Bereiche auf den Verlagsseiten sich speziell an den Buchhandel richten. Prospekte wie Programmvorschauen und Kundenzeitschriften stehen mittlerweile auf vielen Verlagsseiten zum Download zur Verfügung, der britische Verlag Penguin Books hat sogar bereits 2004 die gedruckte Programmvorschau durch eine Online-Ausgabe ersetzt.179 Die Internetangebote der Verlage nutzen die Möglichkeit zur medialen Verknüpfung: Üblich sind inzwischen Leseproben, Buchclips, in denen Autoren aus ihren Texten lesen oder Bücher medial inszeniert werden, oder auch Interviews mit Autoren. Die Mediathek der Internetseite des Suhrkamp Verlags enthält neben Buchtrailern und Audio-Beiträgen beispielsweise auch eine Rubrik »Aktuelle Bildergalerien«180, in der sich in digitalen Fotoalben blättern lässt.181 Neben Text- und Bildformaten kommen auch Audio- und visuelle Formate zum Einsatz. Videos lesender Autoren sind dabei nicht unbedingt ein Werbemittel, das Verlage erfunden haben. Der große Anklang, den Vorleseseiten wie das Portal zehnseiten.de bei den Nutzern gefunden haben,182 führte vielmehr dazu, dass auch die Buchverlage an dieser Form der medialen Verarbeitung literarischer Texte partizipieren und sie in ihren Marketingplan einbinden – zumal damit ein relativ geringer Kostenaufwand verbunden ist. Die Kommunikation mit den Lesern steht beim Social Media-Marketing im Vordergrund. Verlage nutzen wie andere Unternehmen auch die digitale Kommunikationskultur, um die Aufmerksamkeit auf ihr Programm zu lenken und Austausch mit den Lesern bzw. Nutzern zu pflegen. Das Bild des Autors erweist sich auch in diesem Kontext als leicht integrierbar und übernimmt kommunikative Funktionen. Mit den Verlagshomepages verbunden sind teilweise auch von den Verlagen betreute Autorenseiten, die – im Gegensatz zu ebenfalls verbreiteten Seiten, die Autoren selbst pflegen oder Internetseiten von Lesern zu Autoren – allerdings eher für Klassiker genutzt werden, wie etwa die von den S. Fischer Verlagen betriebene Seite zu Thomas Mann183, die aus Anlass der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe der Werke Thomas Manns eingerichtet wurde. Der Carl Hanser Verlag 179 Vgl. Erben: Marketing, S. 245. 180 Mediathek auf der Homepage des Suhrkamp Verlags. URL: http://www.suhrkamp.de /mediathek _111.html, [15.08.2011]. 181 Vgl. ebd. 182 Vgl. Vorleseportal zehnseiten.de. URL: http://www.zehnseiten.de/, [06.11.2012]. 183 Autorenhomepage zu Thomas Mann, S. Fischer. URL: http://www.thomasmann.de, [15.08.2011].
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
betreibt beispielweise eine Seite zu Roberto Bolaño184 und unterstützt damit Aktivitäten zur Durchsetzung des Autors auf dem deutschen Markt auch online. Gemeinsam ist diesen Seiten, dass erst ein Blick ins Impressum anzeigt, dass sie von Verlagen verantwortet werden. Dem Nutzer, der sich für den Autor oder sein Werk interessiert, erscheinen diese Angebote zunächst als unabhängige Informationen und nicht als Werbung. Die hier skizzierte Entwicklung des verlegerischen Paratextes seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist durch eine stetige Professionalisierung gekennzeichnet, bei der die Buchwerbung sich zunehmend für die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie geöffnet hat. So ist der Anteil informierender Texte im Laufe der Entwicklung immer weiter zurückgegangen und es wurde verstärkt mit Bildern operiert, die auch in anderen medialen Zusammenhängen und der Werbung anderer Branchen längst üblich geworden sind. Trotz dieser tendenziellen Angleichung der Buchwerbung an die allgemeinen Gesetze des Marketing zeigt sich an den Aktivitäten der Verlage gegenwärtig auch, dass nach wie vor die inhaltliche Vermittlung ein wichtiges Anliegen ist. Welchen Stellenwert das Autorenfoto dabei einnimmt, ergibt nun die Untersuchung.
4.3.2 Visuelle Repräsentation des Verlagsprogramms: Das Autorenfoto in Katalogen, Verlagsalmanachen und Porträtsammelbänden Der Katalog für Moderne Litteratur 1897 aus dem Verlage von S. Fischer war der erste Verlagskatalog des 1886 gegründeten S. Fischer Verlags. Samuel Fischer legte damit zugleich als erster deutscher Verleger einen Katalog vor, der Autorenfotos enthielt.185 Die sechzehnseitige Broschüre enthält auf zwölf Seiten eine alphabetisch nach Autorennamen sortierte Auflistung des Verlagsprogramms. Genannt sind jeweils Autor, Titel, Gattung sowie die Preise der angebotenen Ausgaben. Neben dem Titel finden sich insgesamt sechzehn Porträts von ausgewählten Verlagsautoren.186 Die Porträts – abgesehen von einem allesamt Fotografien – sind paarweise auf die einzelnen Seite verteilt und untereinander am rechten Seitenrand abgebildet. Jede Fotografie wird durch den Namen des abgebildeten Autors ergänzt. Daneben steht die Auflistung der Titel des jeweiligen Autors. Bei den Porträts handelt es sich um konventionelle zeitgenössische Aufnahmen. Die Autoren sind im Bruststück abgebildet und blicken meist zur Seite. Nur Gerhart Hauptmann und Gabriele Reuter sind in der Frontalansicht zu 184 Autorenhomepage zu Roberto Bolaño, Hanser. URL: http://www.roberto-bolano.de, [15.08.2011]. 185 Vgl. Katalog für Moderne Litteratur 1897 aus dem Verlage von S. Fischer. Berlin: S. Fischer 1897 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer). 186 Abgebildet werden Porträts von: Gabriele d’Annunzio, Hermann Bahr, Arne Garborg, Adine Gemberg, Otto Heinrich Hartleben, Gerhart Hauptmann, Georg Hirschfeld, Felix Hollaender, Henrik Ibsen, Hans Land, John Henry Mackay, Peter Nansen, Gabriele Reuter, Ernst Rosmer, Arthur Schnitzler und Julius Stettenheim. Vgl. ebd.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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sehen. Die Aufnahmen enthalten keinerlei Attribute des Autors, im Mittelpunkt steht das Gesicht und daneben ist ein Blick auf die Kleidung möglich. Die Autorschaft wird im Bild nicht inszeniert, sie geht aus der nebenstehenden Titelnennung hervor.
Abb. 7: Doppelseite mit Autorenfotos aus dem Katalog für moderne Litteratur von S. Fischer (1897). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I).
Die abgebildeten Autoren werden gegenüber den nichtabgebildeten hervorgehoben. Offenbar geht damit aber keine Auszeichnung durch den Verlag einher, sondern pragmatische Gründe liefern die Ursache für die ungleichmäßige Präsentation der Verlagsautoren. Wie Peter de Mendelssohn nachweist, ging dem Erscheinen des Katalogs eine schriftliche Anfragen des Verlegers an seine Autoren im Jahr 1894 voraus: »Ich ersuche Sie höflichst um Überlassung Ihres Portraits. Ich bereite einen Katalog vor, der in großer Auflage verbreitet wird und alle Portraits meiner Autoren (vervielfältigt) enthalten soll«187, schrieb der Verleger an mehrere Adressaten. Ob der Anfrage nicht alle Autoren nachgekommen sind oder andere Ursachen zu der Porträtauswahl führten, lässt sich nicht mehr klären. Sie verrät jedoch, dass anfangs die Autoren 187 Zitiert nach: de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 226.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
selbst an der Auswahl, Verwendung und Verbreitung ihrer Fotografien aktiv beteiligt waren. Die frühe Verwendungspraxis des Autorenfotos im Verlag ähnelt damit noch deutlich der sozialen Gebrauchsweise der Fotografie im 19. Jahrhundert als einem privaten und öffentlichen Austausch von Bildern.
Abb. 8: Doppelseite mit Autorenfoto aus dem Verlagskatalog von S. Fischer (1901). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I).
Die innovative Ausstattung des Katalogs mit Autorenfotos brachte dem Verlag einige Aufmerksamkeit ein; die Konkurrenz arbeitete noch allein mit typografischen Mitteln. In der Börsenblatt-Rubrik »Neue Verlagskataloge« hieß es: »Durch Porträts sind sechzehn der hervorragenden Autoren des Verlags im Katalog vertreten [...]. Die Ausschmückung des Kataloges mit Porträts macht ihn besonders interessant.«188 Der Verlag wertete den Katalog und die Ausstattung mit Autorenporträts als Erfolg; der »Porträtkatalog«189 wurde weiter entwickelt. Der zweite Verlagskatalog von 1901 enthält erneut Fotografien der Autoren.190 Nun war für die insgesamt 21 Fotografien jeweils eine eigene Seite reserviert, in deren Mitte sie großformatig reproduziert wurden. In die Fotografie hinein montiert wurde die Unterschrift des Autors und 188 Neue Verlagskataloge. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 200 vom 30.08.1898, S. 6290–6292, hier: S. 6291. 189 de Mendelssohn: S. Fischer und sein Verlag, S. 227. 190 Vgl. Verlagskatalog 1901 von S. Fischer Verlag. Berlin: S. Fischer 1901 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer).
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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damit ein visuelles Element der auratischen Autorbetrachtung, das anknüpft an die Widmungspraxis. Ergänzt wurde diese bildliche und bildschriftliche Präsentation des Autors durch einen kurzen Text, der Autor und Werk vorstellte und der auf der gegenüber liegenden Seite abgedruckt wurde. Auch Albert Langen nutzte Porträts seiner Autoren bereits früh in Verlagskatalogen: der Katalog von 1898 war Heinz Sarkowski zufolge reich illustriert und enthielt Porträtfotografien und Abbildungen der Buchcover.191 Das Buchäußere erschien damit erstmals als Abbildungselement im verlegerischen Epitext. Neben dem Autorenfoto entwickelte es sich, wie noch zu zeigen sein wird,192 zu der wichtigsten Abbildung neben dem Autorenfoto im Rahmen der verlegerischen Visualisierung von Büchern. In dieser frühen Phase der Buchwerbung war es allerdings noch unüblich, eigentlich kam es erst in den 1920er Jahren vor. Albert Langens Verlagskatalog 1894– 1904 ist anstelle von Autorenfotos mit Karikaturen der Autoren versehen – es wurde durchaus auch mit anderen Abbildungstechniken experimentiert.193 Die Fotografie überwog bereits um die Jahrhundertwende eindeutig, was wohl auch an ihrem Neuheitsfaktor liegt. Im Druck ließen sich Fotografien erst seit 1896 massenhaft reproduzieren. Die jungen Kulturverleger nutzten diese Gelegenheit unmittelbar, die neue Literatur wurde mit neuen Mitteln beworben. Das Bedürfnis des Lesepublikums nach dem Bild des Autors hatte sich bereits bei der öffentlichen Verbreitung von Fotografien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gezeigt. Nun griffen erstmals Verleger diese Praxis auf und überführten es in Kataloge und Bücher. Das Autorenfoto unterstützte als Ausstattungselement im Verlagskatalog die Präsentation der gesamten Produktion und Ausrichtung eines Verlags und seiner Autoren. Es wurde eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu binden und war zugleich eine Zugabe an das Publikum, das den Wunsch nach einer Anschauung des Autors hegte. Die Autoren wurden zunächst durch ihr Porträt und die Titel ihrer Bücher präsentiert. Rasch wurde die Präsentation durch die Handschrift des Autors und durch Texte zu Leben und Werk ergänzt, wodurch die Aussagekraft der Fotografien aufgeladen wurde. Die Verwendungspraxis in den Verlagskatalogen der Jahrhundertwende, aus denen sich die Verlagsalmanache entwickelten, ist gekennzeichnet durch eine möglichst vollständige Abbildung aller Verlagsautoren. Die Porträts fungieren dabei nicht allein als Blickfang, sondern regen eine genauere Betrachtung an. Die Bereitschaft des Publikums, die Porträts genau zu studieren, wurde dabei offenbar einkalkuliert. In der Funktion, die Autoren des Verlags persönlich zu präsentieren, wurde das Autorenfoto auch als Gestaltungselement im Verlagsalmanach eingesetzt bzw. aus dem Verlagskatalog übernommen. Der erste Verlagsalmanach des S. Fischer Verlags, 191 Vgl. Sarkowski: Almanache und buchhändlerische Werbekataloge, S. A198. 192 Siehe: 4.3.4 Das Kopfbild des Autors als Bildnorm im verlegerischen Epitext nach 1945 u. 4.3.5 Bildinszenierung in der Publikumswerbung. 193 Vgl. Albert Langens Verlagskatalog 1894–1904. München: Albert Langen 1904 (P) (DLA, VpS 1, Albert Langen).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
der unter dem Titel Das XXV. Jahr zum Verlagsjubiläum 1911 erschien, enthält eine eigene Rubrik mit dem Titel »Porträte« im hinteren Teil des Buches.194 In diesem 31 Seiten umfassenden Abbildungsteil sind 124 Porträts enthalten, jeweils vier auf einer Seite. Nicht alle der abgebildeten Autoren sind auch mit einem Text im vorderen Teil des Almanachs vertreten. Eingereiht unter die Verlagsautoren sind auch Porträts von Samuel Fischer, dem Lektor Moritz Heimann und dem Buchgestalter E. R. Weiß.195 Alle Porträts sind alphabetisch nach den Namen der Personen angeordnet und haben dasselbe Format. Jede Fotografie ist mit einer handschriftlichen Signatur versehen. Durch diese einheitliche und neutrale Struktur wird kein Verlagsautor hervorgehoben. Gleichberechtigt neben den Autoren stehen auch die Porträts von Verleger, Lektor und Gestalter, wodurch diese als ebenso beteiligt an der Verlagsproduktion erscheinen wie die Autoren und auch das ebenbürtige und freundschaftliche Verhältnis zwischen Verlag und Autor zum Ausdruck kommt. Die Fotografien unterscheiden sich formal kaum; es handelt sich nahezu ausschließlich um Porträts im Brustbild-Ausschnitt. Die Porträtierten ähneln einander in ihrer neutralen bis strengen Mimik und ihrer Kleidung. Ihre Posen zeugen jedoch von einer Auflösung der starren Bildnormen des 19. Jahrhunderts, Frontalansichten sind ebenso wie Profilansichten vertreten. Auf einigen Bildern spielt auch die Hand des Autors eine Rolle, entweder in der Melancholie-Haltung oder sie wird in anderer Position ins Bild gesetzt. Inszenierungen von Autorschaft stellen diese Aufnahmen überwiegend nicht dar. Posen und Attribute kommen bis auf wenige Ausnahmen in dieser personalisierten Abbildung eines Verlagsprogramms nicht vor, auch bedingt durch das kleine Bildformat und den Bildausschnitt, der das Gesicht der porträtierten Person hervorhebt. Ihm gilt das Interesse des Betrachters; die Bilder legen eine physiognomisch orientierte Betrachtung nahe. Ausnahmen bilden die Porträts von Egon Fridell, Annette Kolb und Thomas Mann. Fridell ist als einziger Autor in einem größeren Bildausschnitt zu sehen. Er sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Sessel und blickt lässig in die Kamera.196 Annette Kolb und Thomas Mann inszenieren sich als Leser und heben sich dadurch deutlich von den sie umgebenden Porträts ab.197 Annette Kolb ist sitzend im Profil aufgenommen. Sie ruht auf der Armlehne eines Stuhls, ihre Arme sind auf der Rückenlehne abgelegt und sie blickt in der Abwendung von Fotograf und Betrachter in das Buch, das ihre Hände halten und das im Bild nur teilweise zu sehen ist. Der vertiefte und abgewandte Eindruck des Porträts der Autorin wird durch die Aufgeschlossenheit der drei anderen Autoren, mit denen sie sich eine Seite teilt, noch verstärkt. Dem ähnelt Thomas Manns Porträt: Er sitzt in melancholischer Haltung über einem aufgeschlagenen Buch und blickt verträumt in eine Ferne. 194 Vgl. Das XXV. Jahr. S. Fischer Verlag 1886–1911. Berlin: S. Fischer 1911, S. I–XXXI (Al). 195 Vgl. ebd., S. IX, XII u. XXX. 196 Vgl. ebd., S. X. 197 Vgl. ebd., S. XVII u. XXI.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Abb. 9: Annette Kolb (unten rechts) im S. Fischer-Verlagsalmanach Das XXV. Jahr (1911)
Diese Ausnahmen sind erste Ansätze einer Ausnutzung des Inszenierungspotenzials der Fotografie auch im verlegerischen Epitext. Mit der Etablierung der Fotografie als Gestaltungselement des Verlagsalmanachs finden sich solche Ansätze häufiger. Damit geht einher, dass den Autorenfotos mehr Raum gewährt wird und der Anspruch der umfassenden Abbildung aller Autoren aufgegeben bzw. auf andere Werbemittel übertragen wird – so im Porträtsammelband.198 Als Porträtsammelband wird hier eine Buchform bezeichnet, in der fotografische Porträts um die Viten der Porträtierten ergänzt werden. Die Buchform rekur198 Die Verlagsalmanache von S. Fischer aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahren enthalten bereits deutlich weniger Fotografien: Der Jubiläumsalmanach Das 40. Jahr von 1926 enthält noch zwölf Porträts, der Almanach 1928 16 und der Almanach 1929 acht Bildnisse. Den einzelnen Porträts wurde nun aber zum Teil auf ganzseitigen Bildtafeln mehr Platz eingeräumt. Vgl. Das vierzigste Jahr. 1886–1926, Berlin: S. Fischer 1926 (Al); Almanach 1928. Berlin: S. Fischer 1927 (Al); Almanach 1929. Berlin: S. Fischer 1928 (Al).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
riert auf die seit der Renaissance vorkommenden Bildnisvitenbücher.199 Auch hier verbinden sich Porträt und Vita zu einer Bild-Text-Einheit. Bereits in den 1860er Jahren war unter dem Titel Deutsches Dichteralbum eine Anthologie erschienen, die insgesamt sechs eingeklebte Autorenfotos enthielt. Bei diesem Buch handelt es sich um eines der allerersten, das mit Autorenfotos ausgestattet war und um einen Vorläufer des Porträtsammelbandes.200 Während die Porträts hier als Illustrationen zu den Texten der Autoren eingesetzt wurden, wie auch im Verlagsalmanach, sind im Porträtsammelband keine literarischen Texte enthalten. Das Bild wird hier durch die Vita des Autors ergänzt und konnotiert, ein Aufbau, der an die Bildnisvitenbücher der Frühen Neuzeit erinnert.
Abb. 10: Thomas Mann (oben rechts) im S. Fischer-Verlagsalamach Das XXV. Jahr (1911)
199 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie. 200 Vgl. Ludwig Seeger (Hrsg.): Deutsches Dichteralbum. Mit epischen, lyrischen und dramatischen Beiträgen, Stuttgart: Vogler & Beinhauer [1860].
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Ein Beispiel für den Porträtsammelband ist Das kleine Buch der Dichterbilder. Es erschien 1937 als Sonderband in der Buchreihe Die kleine Bücherei bei Albert Langen/ Georg Müller.201 Dem Titel wird der Band durch die in der ersten Auflage enthaltenen 56 Autorenfotos gerecht. Die darin vorgestellten Autoren hatten allesamt bereits in der Kleinen Bücherei publiziert und wurden in alphabetischer Anordnung vorgestellt, wobei für jeden Autor eine Seite aufgewendet wurde. Die obere Seitenhälfte ist jeweils mit einem fotografischen Kopfbild des Autors gefüllt, darunter findet sich der faksimilierte Namenszug und ein kurzer Text zu Leben und Werk, der mit der Nennung des Titels oder der Titel, die in der Buchreihe erschienen sind, abgeschlossen wird. Der Abbildung von Autor und Schrift wurde damit ein Text beigegeben, der dem Leser Orientierung bietet. Die Bilder sollten nicht mehr für sich sprechen, sondern die Irritation des physiognomischen Blicks wurde durch die Erweiterung der Fotografie um Informationen zum Autor vermieden.
Abb. 11: Bucheinband Das kleine Buch der Dichterbilder (1937)
Ein beidseitig bedruckter Prospekt, der das Erscheinen des Bändchens ankündigte, gibt Aufschluss über dessen Zielsetzung: 201 Vgl. Das kleine Buch der Dichterbilder. München: Albert Langen/Georg Müller 1937.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
Für alle deutschen Bücherleser, insbesondere für den Freund und Kenner unserer »kleinen Bücherei« [...] wird dieses »Kleine Buch der Dichterbilder« eine freudige Überraschung sein. Denn der heutige Leser will ja nicht nur den Namen des Dichters wissen, der ihn mit seinem Werk beschenkt, er möchte ihn von Angesicht kennen und etwas von seiner Herkunft und seinem Lebensweg erfahren. – Das Büchlein mit den 56 Dichterbildern, den Namenszügen und Lebensberichten wird dem Leser diesen Wunsch nach einem persönlicheren Verhältnis zum Dichter erfüllen, ihm nebenbei aber auch den Reichtum an deutscher und nordischer Dichtung unserer Zeit vor Augen führen, den unsere erst fünf Jahre alte »kleine Bücherei« in ihren rund 80 Bändchen vereint.202
Abb. 12: Doppelseite in Das kleine Buch der Dichterbilder
Das kleine Buch der Dichterbilder sollte die Aufmerksamkeit des Lesepublikums auf die Buchreihe des Verlags Albert Langen/Georg Müller lenken. Dabei bediente es sich einem offenkundigen Bedürfnis des Publikums nach »einem persönlicheren Verhältnis zum Dichter«, das mit Hilfe von Fotografie, Handschrift und Vita medial hergestellt werden sollte. Die Fotografie des Autors erlaubte eine persönliche Anschauung 202 Die kleine Bücherei des Verlags Albert Langen - Georg Müller München. München: Albert Langen - Georg Müller [1937] (P) (DLA, VpS 1, Langen-Müller).
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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seiner physischen Präsenz und, mehr noch, eine Verbindung von Autor und Leser durch den Blick, den zumindest einige der abgebildeten Autoren unmittelbar in die Kamera und damit auf den Leser gerichtet haben.203 Das Autorenfoto wurde im Prozess der Literaturvermittlung bewusst eingesetzt, um eine Verbindung zwischen Autor und Publikum zu knüpfen, die über den Text hinaus geht und die Person bzw. Figur des Autors zum Angelpunkt der Wahrnehmung literarischer Texte erhebt. Dass es sich bei diesem Publikumsbedürfnis nach einer Nähe zu den Autoren nicht nur um ein vermutetes handelte, legt der Erfolg des Bandes nahe: Bis 1941 erschienen in fünf Auflagen laut Verlagsangaben insgesamt 65.000 Exemplare.204
Abb. 13: Cover der Erstauflage von Was sie schreiben – wie sie aussehen (1954)
Abb. 14: Cover der Neuauflage (1956)
In den 1950er Jahren nutzte auch der Rowohlt Verlag den Porträtsammelband zur Kundenbindung an eine Reihe. 1954 erschien als Jubiläumsband zum 100. Band der rororo203 Vgl. die Porträts von Elsa Bernewitz, Gertrud von le Fort, Josef Hofmiller, Carl Oskar Jatho, Hanns Johst, Heinrich Ringleb, Ludwig Thoma, Franz Tumler und Ernst Wiechert, in: Das kleine Buch der Dichterbilder, S. 7, 13, 22, 25, 26, 48, 55, 56, 60. 204 Vgl. Das kleine Buch der Dichterbilder. 5. Aufl., München: Albert Langen/Georg Müller 1941.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
Taschenbücher der Titel Was sie schreiben – Wie sie aussehen, der gratis abgegeben wurde.205 1956, als bereits der 200. Band innerhalb der Reihe erschien, wurde er in erweiterter Form und veränderter Gestaltung neu aufgelegt.206 Bereits die äußere Aufmachung beider Auflagen markiert den Unterschied zum Kleinen Buch der Dichterbilder mit seinem vornehm und würdevoll wirkenden, goldgeprägten Einband. Im Einklang mit der appeltativen Coverästhetik der Taschenbuchreihe sind die Einbände von Was sie schreiben – Wie sie aussehen in einer leuchtenden Farbe grundiert. Schon in das Cover sind mehrere Autorenfotos integriert, die nunmehr zeichenhaft für den Inhalt stehen.
Abb. 15: Beispielseite aus der Erstauflage (1954)
Abb. 16: Beispielseite aus der Neuauflage (1956)
Die Ausgabe von 1954 enthält 76 Porträts von rororo-Autoren, die auch hier in der neutralen alphabetischen Reihenfolge angeordnet sind. Jedem Autor wurde eine Seite gewidmet. Das fotografische Kopfbild des Autors ist jeweils im oberen Seitendrittel 205 Vgl. Was sie schreiben – Wie sie aussehen. [Hrsg. anläßlich des 100. Bandes der rororo Taschenbücher], Hamburg: Rowohlt 1954. 206 Was sie schreiben – Wie sie aussehen. [Hrsg. anläßlich des 200. Bandes der rororo Taschenbücher]), Hamburg: Rowohlt 1956.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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am äußeren Rand platziert, die restliche Seite ist von einem Text zu Leben und Werk des Autors ausgefüllt, der im Gegensatz zu den früheren Beispielen den Bildanteil der Seite übertrifft. Auf handschriftliche Namenszüge wurde dagegen verzichtet. Die erweiterte Ausgabe von 1956 enthält 132 Autorenporträts. Nun wurden jeweils zwei Autoren pro Seite abgehandelt und die Kopfbilder entsprechend verkleinert. Der Inhaltstext, der in beiden Ausgaben identisch ist, leitet den Leser in der Lektüre des Buches an und liefert dabei eine Charakterisierung der anvisierten Taschenbuch-Leser: Bücher sind das beste Mittel, Menschen kennen zu lernen. Aber der Leser eines Buches sucht in diesem nicht nur die Menschen kennen zu lernen, die es beschreibt, sondern auch den Autor, der sie beschreibt. Sicherlich genügt es dem Kenner der Literatur, ein Gedicht von Goethe oder eine Seite seiner Prosa zu lesen, um sich über den Charakter Goethes im Klaren zu sein. [...] Aber die rororo-Taschenbücher-Serie ist nicht für die Kenner der Literatur gedacht, sondern gerade für alle diejenigen, welche wünschen, sie kennen zu lernen. [...] Den Eindruck abzurunden, den der Leser dieser Bücher von den Autoren gewonnen hat, soll er nun erfahren, »wie sie aussehen und was sie (sonst noch) schrieben«. Sie seien hiermit dem Leser vorgestellt.207
Die Fotografie des Autors gilt auch hier als probates Mittel, um dem Leser einen persönlichen Eindruck des Autors zu ermöglichen. Der damit verbundene biografische Werkzugang wird hier ausdrücklich als adäquate Form der Vermittlung betrachtet, die sich nicht an den Kenner der Literatur richtet, sondern an ein neues und ungeübtes Lesepublikum. Dem entspricht auch die lebensnahe Darstellung der Autoren in der Vita; der Inhaltstext betont, dass sich die Autoren »auf allen möglichen Schlachtfeldern des Lebens getummelt« haben, ehe sie in der Literatur »zu hohen Rängen und Würden«208 aufgestiegen seien. Die Rede ist hier von einem »Fünklein der Begabung«209, das im Gegensatz zum dichterischen Genius bescheiden anmutet. Der Autor gilt als normaler Mensch – dadurch wird er zugänglich für den unbedarften Leser, der dann in seinem Bildnis und seiner Vita nach Anlässen für die Genese zum Autor suchen darf. In diesem Zusammenhang ist auch das Fehlen von Handschriftenproben bei den Autorenporträts als ein Verzicht auf eine auratisierende Darstellung des Autors zu werten. Für den Taschenbuchleser gilt die personalisierte Darstellung des Autors, die auf Nähe angelegt ist, folglich schon früh als geeignetes Vermittlungsschema. Dabei wird das Mittel des Porträtbandes jedoch nicht weiter verwendet, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass auch für die Präsentation von Autorengruppen andere Mittel entwickelt und bevorzugt werden. Die auf das Fotoalbum des 19. Jahrhunderts zurückgehende Sammlung von Autorenporträts, an die in diesen Beispielen noch angeknüpft wurde, ging medial auf den Bildband sowie auf Prospekte und Kataloge über. Eine anachronistische Ausnahme bildet das 1996 erschienene Dioge-
207 „Zu diesem Buche“. In: Was sie schreiben – Wie sie aussehen (1956). (I). 208 Ebd. 209 Ebd.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
nes Autoren Album, das Porträts der Diogenes-Verlagsautoren in Bild und Text enthält und an die genannten Beispiele erinnert.210
4.3.3 Visuelle Repräsentation des Werkes: Das Autorenfoto in Verlagsprospekten und Anzeigen bis 1945 Mit der Anzeige und dem Prospekt eröffneten sich bereits in der ersten Professionalisierungsphase der Buchwerbung neue Verwendungszusammenhänge für das Autorenfoto. Dabei löste es sich aus den Kontexten der Würdigung des Autors im Rahmen von Verlagsalmanachen, -katalogen und Porträtsammelbänden sowie dem traditionellen Kontext des Porträtfrontispizes im Buch heraus und integrierte sich in die entstehenden neuen Werbemittel. Der Bedarf des Publikums nach einer fotografischen Anschauung des Autors wurde von Verlegern erkannt und für die Buchwerbung genutzt. Auf dieses Bedürfnis des Publikums lässt eine der ersten Anzeigen schließen, die innerhalb des Börsenblattes 1913 mit einem Autorenfoto ausgestattet waren. Der Verlag Breitkopf & Härtel kündigte darin die Veröffentlichung einer Fotografie des 1912 verstorbenen Schriftstellers Felix Dahn an, die neben dem Anzeigentext auch abgebildet ist:
Abb. 17: Werbeanzeige des Verlags Breitkopf & Härtel für und mit Autorenfoto von Felix Dahn (1912) 210 Vgl. Daniel Kampa u. Armin C. Kälin (Hrsg.): Diogenes Autoren Album. (Diogenes Taschenbuch 22900), Zürich: Diogenes 1996.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Im Wunsch nach einer Fotografie des Autors verbanden sich hier das Bedürfnis nach einer aktuellen Anschauung (in Form einer Fotografie aus den letzten Lebensjahren) mit dem nach Erinnerung an den verstorbenen Autor und seiner Würdigung, die auf das Bild übertragen wurde. Auch wenn ein Anzeigentext kein handfester Beleg dafür sein kann, dass das Publikum tatsächlich nach einem Bildnis des Autors begehrte, sollte er doch das Sortiment dazu anregen, dieses Bild zu bestellen – der Bedarf des Publikums wird zumindest vorausgesetzt. Ihn nutzten die Verleger aus, indem sie nicht nur wie in diesem Fall (oder in dem von Karl May) Bildnisse der Autoren vertrieben, sondern auch ihre Werbemittel damit ausstatteten. Damit wurden die Werbemittel aufgewertet und erhielten einen Mehrwert für die Rezipienten. Dies wirkte sich vor allem auf die Verlagsprospekte aus, die Raum für unterschiedliche Verwendungspraktiken der Fotografie boten. In Anzeigen wurden Fotografien dagegen nur sehr zurückhaltend eingesetzt, auch wenn hier Ende der 1920er Jahre eine allmähliche Etablierung zu beobachten ist. Dabei war die Fotografie besonders dazu geeignet, Aufmerksamkeit zu erregen, da sie sich schneller rezipieren lässt als Text, weshalb in anderen Branchen schon sehr viel früher eine Wende hin zur Bildanzeige stattgefunden hat. Der Prospekt war aus mehreren Gründen für den Buchhandel das am besten geeignete Werbemittel: seine Rezeption war im besten Fall weniger flüchtig und kurzweilig als die der Anzeige, galt er doch als legitimes Mittel, um ausführlich zu Leser und Buchhändler zu sprechen und sie zu informieren. Im Gegensatz zur Anzeige, die auf die kurzfristige Erregung von Aufmerksamkeit angelegt war und auf Neuigkeiten hinweisen sollte, hatte der Prospekt eine längere Haltbarkeit. Zudem war die Reproduktion von Abbildungen in Anzeigen kostspielig. In Verlagsprospekten war das Autorenfoto die dominierende Form der Abbildung. Während in Anzeigen in den 1920er Jahren zunehmend auch das Buchäußere abgebildet wurde, das inzwischen die Aufgabe übernommen hatte, die Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen und zu gefallen, oder Illustrationen zum Inhalt eingesetzt wurden, spielt dieses Element in den Verlagsprospekten noch kaum eine Rolle. In Sammelprospekten, die über Novitäten und bereits erschienene Werke informierten, wurde die Bildverwendung ebenso zum Standard wie in Autorenprospekten. S. Fischer verwendete bereits 1903 in dem Sammelprospekt Neuigkeiten mehrere Autorenfotos, bei Albert Langen erschien 1908 ein Autorenprospekt zu Selma Lagerlöf mit einer Fotografie der Autorin auf der Vorderseite.211 Regelmäßig wurde die Bildverwendung mit dem vermehrten Erscheinen der Prospekte aber erst in den 1920er Jahren. Darin schlägt sich vor allem anfangs noch der oben zitierte Leitsatz nieder, dass der Prospekt als einziges Werbemittel erlaube, ausführlich zum Leser zu sprechen. Im Gegensatz zu Anzeigen und Plakaten, bei denen Kürze und Prägnanz geboten waren und in der Fachpresse regelmäßig angemahnt wurden, sind die frühen Prospekte förmlich überladen mit Informationen – neben den bibliografischen Angaben und 211 Vgl. S. Fischer Neuigkeiten. Berlin: S. Fischer 1903 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer); Selma Lagerlöf. München: Albert Langen [1908] (P) (DLA, VpS 1, Albert Langen).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
ausführlichen Pressezitaten auch Inhaltstexte zu den vorgestellten Titeln. Informationen zum Autor waren dagegen im Sammelprospekt unüblich, sodass das Autorenfoto auch nicht durch weitere Angaben zum Autor konnotiert wurde, sondern das Werk visualisierte. Typisch für die frühe Verwendung des Autorenfotos im Verlagsprospekt ist seine geringe inhaltliche Einbindung.
Abb. 18: Doppelseite aus dem Verlagsprospekt Die neuen Bücher von S. Fischer (1914). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
Auffällig ist die Bemühung um objektiv wirkende Informationen: Anstelle von Verlagstexten enthalten Prospekte oft ausschließlich Pressezitate, denen die Vermittlung eines inhaltlichen Eindruckes gänzlich überlassen wird. Dieses Verfahren entspricht der oben diskutierten Position innerhalb der Debatte um die Buchwerbung, dass reißerische Werbetexte für das Buch zu vermeiden seien und Pressezitate objektiver wirkten als Verlagstexte. Ein Beispiel dafür ist der 1914 erschienene Prospekt Die neuen Bücher im S. Fischer Verlag, der neun Seiten umfasst und insgesamt 18 Titel präsentiert.212 Die Autoren der Titel werden im Bild vorgestellt, wobei meist drei Titel auf einer Seite untereinander in kleinen Kästchen angeordnet sind – damit ist der Prospekt ungewöhnlich reich mit Fotografien ausgestattet. Neben dem Autorenporträt sind der Name des Autors, Titel und 212 Vgl. Die neuen Bücher 1914. Berlin: S. Fischer 1914 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer).
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Abb. 19: Das erste Autorenfoto Franz Kafkas in einem Verlagsprospekt des Kurt Wolff Verlags (1927). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
Untertitel oder Angaben zu Ausstattung und Preis hervorgehoben. Darunter finden sich in kleiner Schriftgröße zwei bis drei Sätze zum Inhalt der Werke, die überwie-
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
gend aus Presserezensionen entnommen sind oder auf andere Autoren zurückgeführt werden. Die Fotografie des Autors ergänzt diese objektiv anmutenden Informationen durch die ihr eigene technische Präzision und die Objektivität, die ihr zugeschrieben wird und vor allem wurde: »Es ist wohl eines der am weitesten verbreiteten Vorurteile gegenüber der Photographie, daß sie imstande sei, ein objektives Bild der sichtbaren Wirklichkeit aufzuzeichnen.«213 Dieses Vorurteil prägte die Bildverwendung gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch deswegen fügte sich die Fotografie besonders gut in die neu entstehenden Mittel der Buchwerbung, die grundsätzlich darum bemüht waren, zu informieren und den werbenden Aspekt zu reduzieren. Als einzige Abbildung und als einzige Information über den Autor fungierte das Autorenfoto als Visualisierung von Werk und Autor. Das Kopfbild wurde dabei zu einer Norm und fand bei vielen Verlagen standardmäßig Verwendung. Damit wurde die Fotografie des Autors alltäglich und verlor zunehmend ihre Funktion als Element der Würdigung des Autors, die sie bei der Verwendung im Frontispiz und im Almanach noch aufwies. Allerdings waren nicht alle Verlage an dieser Etablierung der Fotografie beteiligt. Bei Kurt Wolff beispielsweise wurden Fotografien so gut wie überhaupt nicht verwendet. Das fotografische Porträt Franz Kafkas, das 1927 in einem 16-seitigen Sammelprospekt erschien, ist nicht nur das erste fotografische Porträt Kafkas, das überhaupt im verlegerischen Paratext verwendet wurde und bezeichnenderweise erst nach Kafkas Tod erschien, sondern auch innerhalb der Verlagswerbung bei Kurt Wolff ungewöhnlich.214 Es erfüllt hier die Funktion der Würdigung des 1924 verstorbenen Autors, den hier Hermann Hesse als »einen heimlichen Meister und König der deutschen Sprache« darstellt.215 Das Kopfbild des Autors verfestigte sich in den Verlagsalmanachen, Katalogen und Prospekten zu einer Norm der Autorendarstellung. Im Mittelpunkt steht bei dieser Bildverwendung das Gesicht des Autors. Der begrenzte Bildausschnitt, der maximal bis zur Brust des Porträtierten reicht, erlaubte die Erfüllung von Minimal-Anforderungen an das Bild des Autors. Auf knappem Raum wurde seine unverwechselbare Physiognomie offenbart, seine Präsenz bestätigt und durch den Blick des Autors in die Kamera eine medial vermittelte Kontaktaufnahme zum Leser bzw. Betrachter ermöglicht. Dieser Bildausschnitt schließt die tradierten Elemente der Autorikonografie und die Attribute des Autors aus. Das Kopfbild ist jedoch keineswegs eine spezifische Darstellungsweise für den Autor, vielmehr entspricht sie der behördlichen Registratur der Person im Passbild. Durch die Wahl dieses Bildausschnittes, die wohl vor allem pragmatischen Gründen geschuldet war, wird die Ikonografie des Autors eine alltägliche und demokratische; im Bild wird der Unterschied zwischen Autor und Leser aufgehoben. Darin besteht eine Abkehr von der ikonografischen Darstellungstradition 213 Bernd Stiegler: Bilder der Photographie. Ein Album photographischer Metaphern (es 2461), Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2007, S. 151. 214 Vgl. Kurt Wolff Verlag München 1927. München: Kurt Wolff 1927 (P) (DLA, VpS 1, Kurt Wolff ). 215 Ebd.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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des Autors; der Autor wird im Kopfbild nicht mehr als solcher gekennzeichnet und herausgehoben aus dem Kreis seiner Zeitgenossen. Parallel zur Standardisierung des Kopfbildes lässt sich die Entwicklung einer zweiten Verwendungspraxis beobachten, bei der sich das Inszenierungspotenzial der Fotografie entfaltet. In Autorenprospekten und Hauszeitschriften lässt sich bereits für das frühe 20. Jahrhundert eine Bildverwendung nachweisen, die an die Darstellung des Autors in der Illustrierten erinnert. Beide Kontexte wurden genutzt, um Autoren und ihre Werke ausführlicher dem Publikum vorzustellen. Obwohl es in der Buchwerbung noch keine strikte Trennung zwischen Werbemitteln für die Branchen- und für die Publikumswerbung gab, entstanden in den 1920er Jahren erstmals spezielle Werbemittel, die sich direkt und ausschließlich an den Leser richteten. Darin wurde der Autor zu einer Größe der Literaturvermittlung. Dabei wurden ergänzend zu unterschiedlichen Textgattungen auch Fotografien des Autors genutzt. Die Bildverwendung unterschied sich in der Wahl der Bildausschnitte, der Größe der Bilder und ihrer Anzahl im Bezug auf einen Autor gegenüber den Sammelprospekten, woraus sich andere Inszenierungsmöglichkeiten ergeben.
Abb. 20: Autorenprospekt aus dem Verlag Albert Langen (ca. 1908). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
Ein frühes Beispiel für die fotografische Inszenierung des Autors ist ein circa 1908 veröffentlichter Einzelprospekt des Albert Langen Verlags zu seiner Autorin Selma Lagerlöf, der auf den ersten Blick eher einer Bildpostkarte gleicht als einem Werbe-
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
prospekt.216 Die Titelseite wird nahezu vollständig von einer Fotografie der Autorin ausgefüllt, die sie sitzend im Hüftstück zeigt. Der ungewöhnlich große Bildausschnitt offenbart nicht nur das Gesicht der Autorin, sondern auch ihre Kleidung, unterscheidet sich allerdings nicht von konventionellen Porträtfotografien. Oberhalb der Abbildung ist der Name der Autorin in großen Lettern gedruckt, darunter etwas kleiner ihr Geburtsdatum – 20. November 1858 – was darauf schließen lässt, dass der 50. Geburtstag der Autorin den Entstehungsanlass für den Prospekt und den Verwendungsanlass für die Fotografie darstellt. Unter der Fotografie befindet sich klein gedruckt der Hinweis auf den Verlag, der sämtliche Werke der Autorin im deutschen Sprachraum anbiete. Die Präsentation der Autorin und ihre Würdigung und Heraushebung steht hier eindeutig im Vordergrund. Auf der Rückseite findet sich eine Auflistung ihrer Bücher, womit der werbende Charakter zum Vorschein kommt. Auch wenn die Fotografie in diesem frühen Beispiel im Vordergrund steht, ist die Bildinszenierung hier noch sehr zurückhaltend. Dies trifft auf die Bildebene, die durch die Konventionalität des Porträts gekennzeichnet ist, ebenso zu wie auf die Kontextebene, wo die Einbindung und Konnotation der Fotografie lediglich durch den Namen und das Geburtsdatum der Autorin erfolgt.
216 Vgl. Selma Lagerlöf, Albert Langen (P).
Abb. 21: Autorenprospekt aus dem Verlag Ernst Rowohlt (1929). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Im Vergleich dazu weist der 1929 erschienene Einzelprospekt zu Arnolt Bronnens Roman O.S. aus dem Ernst Rowohlt Verlag eine geschicktere Bildauswahl und inhaltliche Einbindung der Fotografie auf:217 Auch hier bildet das Autorenfoto das dominierende Gestaltungselement. Ein Brustbild des Autors ist im oberen Drittel der Vorderseite abgebildet. Bronnen wird im Profil mit Pfeife, Monokel und ernstem Blick gezeigt. Das Porträt wird auf beiden Seiten eingerahmt von drei unterschiedlich starken Linien, die das Bild zusätzlich hervorheben. Darunter ist ein Zitat aus dem Mannheimer Tageblatt zu lesen, das sich auf das Bild zu beziehen scheint: Das ist der Bronnen, dem nichts wichtig ist außer der Gegenwart und nichts bedeutsamer als die Geschichte des eigenen, unseres Landes. Das ist der Dichter, der so nah und tief an die Politik, wie sie sich vor unseren Augen gebärdet, heranwagt und diese leicht missverständliche Berührung nicht scheut.218
Das offenkundig gekürzte Zitat aus der Rezension fügt sich ideal zu der Fotografie des Autors. Das Demonstrativpronomen »das« erscheint nun als Hinweis auf den fotografierten Autor. Das Bild wird durch den nachfolgenden Text konnotiert, der den Porträtierten als »Dichter«219 ausweist und ihn als politisch und historisch interessierten Autor vorstellt. Der strenge Blick des Autors erscheint gleichsam als Ausdruck des Nachdenkens über die Lage »unseres Landes«220 und stiftet eine Verbindung zum Leser. Der anfangs unbedarfte Einsatz von Autorenfotos als eine Attraktion, nach der das Publikum verlangte, wurde nun professionell zur Prägung eines Autorbildes eingesetzt. Hauszeitschriften, die kostenlos an Kunden abgegeben wurden, wurden ebenfalls ab den späten 1920er Jahren als Rahmen für die fotografische Inszenierung des Autors genutzt. Die Zeitschriften waren weniger an den Zweck gebunden, auf relativ begrenztem Raum möglichst viele Titel vorzustellen, hier konnten Autoren hervorgehoben und im Detail vorgestellt werden. Die S. Fischer Korrespondenz von 1937 ist beispielsweise Hermann Hesse zu seinem 60. Geburtstag gewidmet und enthält neben einem Auszug aus einem autobiografischen Text mit dem Titel Ernstes Spiel auch mehrere Fotografien, die den Autor in seinem Lebensumfeld zeigen.221 Auf der Titelseite des Prospekts prangt ein Brustbild Hesses, aufgenommen von seinem Sohn Martin Hesse, das erstmals in der Hesse-Darstellung das Bild des dichtenden Gärtners prägt: Hesse trägt einen Strohhut und eher nachlässig wirkende Kleidung. Durch seine Nickelbrille blickt er konzentriert und freundlich in die Kamera. Im Vergleich zu den monotonen Kopfbildern wird hier ein alternatives Dichterbild vorgestellt. Der autobiografische Text, der unterhalb der Titelfotografie beginnt und im Innenteil der Korrespondenz auf zwei Seiten fortgesetzt wird, wird durch drei weitere Aufnahmen 217 Vgl. Arnold Bronnen O.S.. Berlin: Ernst Rowohlt [1929] (P) (DLA, VpS 1, Rowohlt). 218 Ebd. 219 Ebd. 220 Ebd. 221 Vgl. S. Fischer Korrespondenz. Berlin: S. Fischer 1937, S. 1–3 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
illustriert, die Hesse laut Bildunterschrift »Im Garten«, »In der Bibliothek« und »Am Schreibtisch« zeigen und damit teilweise auf ein tradiertes Motivrepertoire der Dichterdarstellung rekurrieren.222 Durch diese Motivauswahl, verbunden mit dem selbstverfassten Lebenslauf, wird eine Privatheit und Nähe zum Autor suggeriert. Dabei tritt der werbende Effekt in den Hintergrund.
Abb. 22: Titelseite der S. Fischer Korrespondenz zu Hermann Hesses 60. Geburtstag (1937). (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
222 Vgl. S. Fischer Korrespondenz, S. 2–3.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Abb. 23: Doppelseite ebenda. (DLA Sammlung Verlagsprospekte I)
Die hier skizzierte Ausdifferenzierung zweier Verwendungspraktiken des Autorenfotos und die damit angedeutete Stabilisierung als Element des verlegerischen Epitextes widerlegt Horst Kliemanns abwehrende Haltung gegenüber dem Autorenporträt. Er räumte in der 1925 erschienenen zweiten Auflage von Die Werbung fürs Buch zwar ein, dass Bilder der Personen besonderes Interesse erwecken, »schaffen sie doch eine Art persönlicheren Zusammenhangs mit dem Leser«223, die großzügige Ausstattung von Verlagsprospekten mit Autorenporträts wie sie in den angelsächsischen Ländern üblich sei, galt ihm jedoch als überspannter »Personenkultus«224. »Bei uns erregen höchstens Bilder ganz bekannter Personen oder markante Gesichter das Interesse, nicht aber jeder Verfasser jeder Abhandlung.«225 In der Praxis hatte die Verlagswerbung aber längst das Autorenfoto als Mittel nicht nur der Aufmerksamkeitsbindung, sondern auch der Inszenierung des Autors für sich entdeckt.
223 Kliemann: Die Werbung fürs Buch, 2. Aufl., S. 24. 224 Ebd., S. 31. 225 Ebd.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
4.3.4 Das Kopfbild des Autors als Bildnorm im verlegerischen Epitext nach 1945 Das Kopfbild des Autors ist die häufigste Form des Autorenfotos auch in der zweiten Phase der Buchwerbung im 20. Jahrhundert. Ebenso wie im Klappenporträt wurde es auch in vielen Zusammenhängen des verlegerischen Epitextes zu einer stabilen Größe – in Programmvorschauen und Anzeigen, Sonderprospekten und auf Internetseiten. Die Beständigkeit dieser Minimalform des Autorenfotos erstaunt, wenn man bedenkt, wie eingeschränkt die Möglichkeiten der fotografischen Inszenierung hier im Vergleich zu anderen sind. Worin bestehen die Gründe für diese Stabilität? Bickenbach beschreibt Autorenfotos als »Aufmerksamkeitsverstärker, der nichts mehr verlangt, als einen grundlegenden Teil menschlicher und kultureller Wahrnehmung: Die Gesichtserkennung.«226 Diese Funktionsweise erscheint für das Kopfbild am ehesten plausibel, aber beschränkt sich seine Wirkungsweise tatsächlich auf die Erregung und Verstärkung von Aufmerksamkeit? Das Kopfbild, das ja nicht nur in der Autorikonografie Züge einer Porträtnorm aufweist, sondern eine ikonische Form der Personalisierung von Medieninhalten darstellt und daher in vielen medialen Kontexten üblich ist, ist eine zurückhaltende Bildform, die wenig Platz für sich beansprucht und sich daher mühelos integrieren lässt. Die Gesichtserkennung funktioniert auch im Briefmarkenformat. Das fotografische Porträt wird dabei marginalisiert. Durch den Einsatz eines Kopfbildes wird die Entstehung einer bildlichen Leerstelle vermieden; das Bild des Autors ist obligatorisch. Gemessen am Inszenierungspotenzial des Autorenfotos erscheint das Ausfüllen dieser Lücke aber eher notdürftig. Das zeigt sich an der regelrechten Hartnäckigkeit, mit der ein Bild immer wieder in verschiedenen Kontexten eingesetzt wird, beispielsweise in der Kontextualisierung einer Porträtfotografie Friederike Mayröckers von Brigitte Friederichs:227 Die gleiche Aufnahme wird als Klappenporträt zu Und ich schüttelte einen Liebling (2005), als Vorschau-Foto in größerem Ausschnitt zur Taschenbuch-Ausgabe des Buches 2006 und als Klappenporträt für Paloma 2008 verwendet. Außerdem wird es als Autorenfoto auf der Suhrkamp-Verlagshomepage eingesetzt und 2009 erneut als Vorschau-Foto zu dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif.228 Das Bild ist mustergültig für die Mayröcker-Ikonografie in der Verlagswerbung: Mayröcker gibt hier die Gedankenvolle und befindet sich damit in bester Tradition; der Blick ist in die Ferne gerichtet, das strenge Gesicht der Autorin bildet in seiner Blässlichkeit und im Kontrast zu den dunklen 226 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 260. 227 Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/autoren/friederike_mayroecker_3170.html. 228 Vgl. Friederike Mayröcker: Und ich schüttelte einen Liebling. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (KP); Suhrkamp Taschenbuch Programmvorschau Oktober 2006 – März 2007. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 15 (P), Dies.: Paloma. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008 (KP); Autorenfoto von Friederike Mayröcker auf der Suhrkamp Verlagshomepage. URL: http://www.suhrkamp.de/autoren/ friederike_mayroecker_ 3170.html, [15.10.2012]; Suhrkamp im 2. Halbjahr 2009. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009, S. 21 (P); .
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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Haaren, die mit dem Hintergrund verschwimmen, den Mittelpunkt des Bildes. Das Bild ist schwarz-weiß, wodurch die Kontraste noch verstärkt werden. Das Foto stammt aus dem Jahr 1997, präsentiert hier also keineswegs eine aktuelle Ansicht der Autorin. Es zeigt gar nicht die Autorin der Werke, in deren Kontext sie gezeigt wird, sondern eine rund zehn Jahre jüngere Autorin, was der gängigen Verwendungspraxis entspricht und doch im Kontrast dazu steht, dass Autorenfotos als authentische Ansichten der Verfasser eingesetzt werden. Die geringe Variation der Autorenfotos ist in vielen Verlagen üblich. Zum einen hat dies pragmatische Gründe, denn die Bildrecherche entfällt und es werden Kosten eingespart. Auch bieten viele Bildagenturen günstigere Konditionen für die langfristige Nutzung eines Bildes (im Gegensatz zur einmaligen Verwendung). Zum anderen hat die Wiederholung einen Verdichtungseffekt in der Wahrnehmung des Lesers bzw. Betrachters zur Folge. Die Wiederholung einer einzigen Ansicht führt im für das Marketing günstigsten Fall zu einer Identifikation des Vorstellungsbildes vom Autor und dem wiederholten Bild.229 Die Tendenz zum Kopfbild des Autors als Bildnorm kennzeichnet die Verlagerung des Autorenfotos in den Hintergrund der paratextuellen Elemente. Das Buchcover wurde nach 1945 zunehmend anstelle des Autorenfotos dazu eingesetzt, ein Buch visuell zu repräsentieren. War in der ersten Phase professioneller Buchwerbung in Deutschland das Autorenfoto in Prospekten und Anzeigen das einzige ikonische Element gewesen, so wurde es nun von der Coverabbildung verdängt. Diese Verlagerung hatte sich bereits in den ausgehenden 1920er Jahren angekündigt, dann nämlich war der Buchumschlag oder das Buchcover ein wichtiges Element der Gestaltung geworden. In den 1960er und 1970er Jahren vollzog sich diese Verlagerung innerhalb des verlegerischen Paratextes eindeutig. Der Bildanteil in der Gestaltung von Prospekten und Anzeigen war zuvor bereits gestiegen, wobei zunächst weiterhin das Bild des Autors die dominierende Visualisierung des Buches abgab. Später wurde es von großflächigen Abbildungen des Buchäußeren in den Hintergrund gerückt – ohne dabei jedoch ganz zu verschwinden. Diese Entwicklung entspricht der Verschiebung des Autorenfotos auf dem Buchumschlag vom Buchcover in die hintere Umschlagklappe. In beiden Fällen ist das Kopfbild die geeignete Form, um den vorgegebenen Rahmen zu füllen.230 Die Konzentration auf das Buchcover ist aus verkaufsstrategischen Gründen naheliegend, ermöglicht sie doch bei breiter Streuung das Einprägen und Wiedererkennen des Buches in der Buchhandlung. Als Element der Anzeigengestaltung eingesetzt, ist die aufmerksamkeitsbindende Funktion des Autorenfotos im Kopfbildausschnitt offensichtlich. Nachvollziehbar ist dies beispielsweise anhand einer vierseitigen Börsenblatt-Anzeige des Luchterhand Verlags von 1969, die vier »Verkaufserfolge ’69« aus dem Verlagsprogramm präsen229 Dieser Effekt der Verdichtung lässt sich insbesondere bei der fotografische Inszenierung des Klassikers beobachten, siehe: 5.3.3 Verdichtung und Reihung als Prinzipien der Bildverwendung. 230 Die hier beschriebene Entwicklung ist freilich tendenziell, es finden sich weiterhin auch großformatige Abbildungen von Autorenfotos und nicht immer dominiert die Abbildung des Buches.
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tiert.231 Jedem der vier Titel ist eine ganze Seite gewidmet, wodurch ohnehin schon Aufmerksamkeit erregt wird. Im Mittelpunkt der Seitengestaltung steht ein Kopfbild des Autors, das sich in einem breiten Streifen über die ganze Horizontale erstreckt und etwa die Hälfte der Seite ausfüllt. Darüber die Überschrift »Luchterhand Verkaufserfolge ’69«232, darunter in ebenso großen Lettern der Name des Autors und der Titel des Buches, bibliografische Angaben zu Gattung, Umfang, Ausstattung und Preis sind in kleinerer Schriftgröße am unteren Seitenrand angebracht. Die großflächigen SchwarzWeiß-Fotografien von Günter Grass, Peter Bichsel, Michail Bulgakow und Christa Wolf erregen vordergründig Aufmerksamkeit, vermitteln durch ihre Bildgröße aber auch einen persönlichen Eindruck. Dies gilt insbesondere für die Fotografie Christa Wolfs, die als einzige direkt in die Kamera blickt und dabei den Betrachter mit einem nachdenklichen Lächeln zu fixieren scheint.233 Die Bilder unterscheiden sich ausreichend voneinander, um nicht eintönig zu erscheinen und im Zusammenspiel mit dem jeweiligen Autornamen und Titeln einen konnotierten Eindruck von Autor und Buch zu erzeugen: Günter Grass im Profil, die Aufnahme in einer geringen Auflösung reproduziert, daneben der aufgeschlossen wirkende Peter Bichsel in einer Außenaufnahme, dem Michail Bulgakow mit Sonnenbrille und Pelz folgt, sowie die freundliche Christa Wolf. Die Individualität des Autors steht hier im Mittelpunkt, es wird gezielt ein bestimmter Eindruck der Person aufgebaut. Diesem Prinzip aus Aufmerksamkeitserregung und Vermittlung eines persönlichen Eindrucks entspricht auch die Bildverwendung in aktuellen Anzeigen, bei denen zusätzlich meist das Buchcover abgebildet wird. In den Programmvorschauen literarischer Verlage zählt das Autorenfoto zu den festen inhaltlichen Bestandteilen. Das Kopfbild ist auch hier die Regel. Spätestens in den 1970er Jahren hatten so gut wie alle Verlage eine eigene Programmvorschau eingeführt, in der regelmäßig auch Autorenfotos eingesetzt wurden.234 Vorangegangen waren diesem Werbemittel in den 1950er Jahren bereits kleinformatige Novitätenprospekte, die regelmäßig erschienen und nach dem Vorbild der Sammelprospekte aus der Vorkriegszeit – inklusive Autorenfotos – ausgestattet waren. Die weitere Entwicklung der Bildverwendung in den Programmvorschauen der Literaturverlage lässt sich exemplarisch am Beispiel zweier Programmvorschauen aus dem Suhrkamp Verlag von 1979 und 2009 nachvollziehen:235 Schon die Titelseiten der beiden Programmvorschauen unterscheiden sich im Hinblick auf die Bildverwendung deutlich von einander. Während die Gestaltung der Titelseite von 1979 231 Vgl. Luchterhand Verkaufserfolge ’69. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurter Ausgabe, Nr. 90 vom 11.11.1969, S. 7032–7035 (Az). 232 Ebd. 233 Vgl. ebd., S. 7035. 234 Bei S. Fischer wurden Autorenfotos zunächst in Novitätenprospekten, dann ab 1958 auch in Programmvorschauen eingesetzt, bei Hanser ab 1962, bei Suhrkamp ab 1972, bei Rowohlt ab 1953, bei Piper ab 1965, bei Kiepenheuer und Witsch ab 1968. 235 Vgl. Suhrkamp Programmvorschau 2. Halbjahr 1979. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1979 (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp); Suhrkamp im 2. Halbjahr 2009. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009 (P).
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von einem Raster aus zwölf Autorenkopfbildern beherrscht wird, ist die Titelseite von 2009 nur mit typografischen Mitteln gestaltet.236 In beiden Fällen enthält die Titelseite des weiteren eine Auflistung der Autorennamen, deren neue Titel in der Vorschau angezeigt werden: 1979 ist sie in einer Spalte neben den Autorenporträts angeordnet, 2009 erstreckt sich die Auflistung in einem linksbündigen Streifen über die gesamte Seite, unterbrochen nur durch den Schriftzug des Verlagsnamens, der sich in blauer Schriftfarbe mittig über die ganze Breite der Seite ausdehnt. Ergänzt werden die Autorennamen durch die Seitenzahl, auf der die entsprechenden Titel vorgestellt werden. Die Titel selbst werden gar nicht genannt. Dieser Umstand ist programmatisch zu werten; es geht um die ganzen Autoren und nicht um einzelne Werke.
Abb. 24: Titelseite der Suhrkamp Programm-Vorschau (1979). (DLA Sammlung Verlagsprospekte II)
236 Vgl. ebd., (C).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
In diesen Kontext ist auch das nebenstehende Raster der Autorenporträts auf dem Titel der Programmvorschau im 2. Halbjahr 1979 einzuordnen. Die zwölf Verlagsautoren, deren Schwarz-Weiß-Kopfbilder hier in alphabetischer Anordnung von Jürgen Becker bis Ulrich Plenzdorf reproduziert werden, repräsentieren das Verlagsprogramm und bilden stellvertretend die für den Suhrkamp Verlag maßgebliche »Gesellschaft der Autoren«237 ab. Junge Autoren stehen dabei neben etablierten Kollegen, Philosophen neben Dramatikern, deutschsprachige neben fremdsprachigen Autoren – die Darstellung ist somit repräsentativ gewählt und verweist auf Vielfalt und Niveau des Programms. Ein Nebeneffekt dieser demokratischen Darstellungsweise ist die Aufwertung unbekannter Autoren durch bekannte. Die Autorenköpfe werden zu visuellen Zeichen für das Verlagsprogramm. Diese Effekte, erweiterbar durch die Unmittelbarkeit, mit der die Anordnung von Gesichtern die Aufmerksamkeit des Betrachters erregt und codierbare Informationen übermittelt (hier erweitert durch die Namen der Autoren, die unter den Porträts jeweils angegeben werden), erklären die auffällige Popularität dieser Darstellungsform im Rahmen des verlegerischen Paratextes bis in die Gegenwart. Auch andere Verlage nutzten und nutzen sie für die Gestaltung von Prospekten und Plakaten, beispielsweise in den 1970er Jahren Luchterhand und Piper – der letztgenannte Verlag entwickelte sogar den dazu passenden Slogan »ein Verlag mit Köpfen«238, wie ein Sammelprospekt von 1976 zeigt. Das Autorenkopfraster wird auch bei der Gestaltung von Messeständen und Verlagshomepages eingesetzt. Bei Suhrkamp ist dieses Muster besonders häufig zu erkennen; sogar am Verlagseingang des 2010 aufgegebenen Verlagsgebäudes in der Frankfurter Lindenstraße wurde der Besucher durch ein Raster von 24 Schwarz-WeißPorträts von Verlagsautoren begrüßt.239 Auch der Messestand des Verlags wird von riesigen Kopfbildern illustriert. Daher überrascht es nicht, dass auch in der Herbstvorschau des Suhrkamp Verlags aus dem Jahr 2009 auf das Gestaltungsmittel des Autorenkopfrasters zurückgegriffen wird, allerdings erst auf Seite 2.240 17 Verlagsautoren werden hier im Kopfbild gezeigt, wobei das demokratische Nebeneinander durch eine Fotografie aufgebrochen wird, die die vierfache Größe der übrigen Bilder hat. Es handelt sich um ein Porträt von Stephan Thome, dessen Debüt Grenzgang in dieser Vorschau angekündigt wird. Daneben eine Bildunterschrift, durch die der Autor knapp als Debütant vorgestellt wird: »Grenzgang von Stephan Thome: ein furioses Romandebüt, eine Topogra-
237 Siegfried Unseld: Die Aufgaben des literarischen Verlegers. In: Ders.: Der Autor und sein Verleger. (st 1204), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1978, S. 9–64, hier: S. 41. 238 Piper – ein Verlag mit Köpfen. München: Piper 1976 (P) (DLA, VpS 2, Piper). 239 Autorenfotos im Eingangsbereich des Suhrkamp-Verlagsgebäudes in der Frankfurter Lindenstraße. Fotografie auf der Homepage von Bodo Kirchhoff, URL: http:// bodokirchhoff.de/biografie3.html, [11.11.2011]. 240 Vgl. Suhrkamp im 2. Halbjahr 2009, S. 2.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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phie des Glücks«241 Die übrigen Autorenfotos werden nur durch die Autorennamen konnotiert. Es handelt sich bei ihnen um etablierte Verlagsautoren (darunter Hans Magnus Enzensberger, Rainald Goetz, Alexander Kluge und Friederike Mayröcker), durchsetzt mit unbekannteren und aufstrebenden Autoren (wie Dietmar Dath aber auch Serij Zhadan), in deren Gemeinschaft der Debütant Thome hier als überragendes Neumitglied eingerückt wird – die gestandenen Autoren bürgen damit gewissermaßen im Bild für die Güte des Neulings, sie halten ihren Kopf hin.
241 Ebd.
Abb. 25: Piper-Sammelprospekt mit Autorenkopfraster (1976). (DLA Sammlung Verlagsprospekte II)
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Die Autoren stehen nach wie vor für den Verlag und werden durch ihre Kopfbilder zu Zeichen für ein Verlagsprogramm. Das Kopfbild des Autors erweist sich auch im Innenteil der beiden Vorschauen als ein durchgängig verwendetes Element der Gestaltung und der Darstellung des Autors. Nahezu jeder vorgestellte Titel ist mit einem Kopfbild des Autors versehen, das in der Regel nur einen kleinen Anteil an der Seitenfläche hat; 1979 sind es insgesamt 55, 2009 noch 32.242 Verändert hat sich dagegen das Verhältnis von Text und Bild insgesamt und auch die Kontextualisierung der Bilder. 1979 überwiegt der Textanteil deutlich; das Seitenlayout ist durchgängig in drei Spalten aufgeteilt, die eng mit kleingedruckten Texten zu den vorgestellten Büchern ausgefüllt sind, wobei Einzeltitel je nach Gewichtung innerhalb des Verlagsprogramms zwischen einer und drei Spalten ausfüllen. Die Autorenfotos sind in das Spaltenlayout eingepasst und erstrecken sich in der Länge etwa auf ein Drittel einer Spalte. Sie sind die dominierende Form der Abbildung, lediglich bei fünf Titeln aus dem literarischen Programm werden auch die Buchcover abgebildet sowie ein mehrbändiges Werk, das als Ganzes im Schuber gezeigt wird.243 Die Abbildungen sind durchgängig in Schwarz-Weiß gehalten. 2009 dagegen ist der Gesamteindruck bildlastiger. Die Vorschautexte zu den einzelnen Titeln sind auf einen Absatz verknappt, der sich in einen fett gedruckten Kurztext mit den wichtigsten Informationen und ausführlicheren Angaben für den besonders interessierten Leser untergliedert. Die Autorenfotos haben sich von allen Elementen der Vorschau am wenigsten verändert: es sind weiterhin kleinformatige Kopfbilder, die zu jedem Titel eingesetzt werden. Sechs Autorenfotos werden jedoch ganzseitig reproduziert.244 Hinzu kommen farbige Abbildungen der Buchcover, die in der Regel etwas größer als die Autorenporträts sind. Durch den Farbdruck fallen sie direkt auf. Zehn Buchcover werden ganzseitig reproduziert.245 Die ganzseitige Abbildung von Autorenporträts oder Buchcovern wird dabei nur auf Spitzentitel angewendet, die innerhalb des Programms besonders gefördert werden. An der Verteilung und dem Verhältnis der Abbildungen zeigt sich, dass das Autorenfoto seinen Status als einzige legitime ikonische Begleitung des Buches zugunsten der Coverabbildung verloren hat. Der Autor und seine Person rückten damit in den Hintergrund, während das Buchäußere nicht nur für die Ansprache des Kunden in der Buchhandlung eingesetzt wird, sondern dem Sortimenter bereits in der Vorschau als Visualisierung des Buches präsentiert wird – theoretisch kann er das Buch also nach optischen Gesichtspunkten auswählen. Die ganzseitigen Autorenfotos zeugen davon, dass auch der Autor nach wie vor eine tragende Rolle bei der Vermittlung auch an den Buchhandel spielt. Beide Abbildungsarten erfüllen offenbar die Funktion, die Aufmerksamkeit des Lesers auf den zugehörigen Titel zu lenken und zugleich einen 242 Vgl. Suhrkamp Programmvorschau 2. Halbjahr 1979; Suhrkamp im 2. Halbjahr 2009. 243 Vgl. Suhrkamp Programmvorschau 2. Halbjahr 1979, S. 2–3, S. 6–8, 19. 244 Vgl. ebd., S. 6, 11, 26, 40, 50, 58. 245 Vgl. ebd., S. 4, 8, 24, 30, 42, 46, 42, 52, 60, 64.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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ersten Eindruck von Buch oder Autor zu vermitteln. Die Bildausschnitte der ganzseitigen Autorenporträts sind großzügig. Alle sechs ganzseitigen Autorenporträts gleichen einander: es handelt sich durchweg um Frontalaufnahmen, teilweise im Brustbildausschnitt und teilweise im Hüftstück. Auch die im Bezug auf Geschlecht, Alter, Status und Programmbereich so heterogenen Autoren gleichen sich merkwürdigerweise: sie alle blicken direkt in die Kamera. Der Gesichtsausdruck changiert zwischen Freundlichkeit und Nachdenklichkeit (als letztem Überrest einer tradierten Ikonografie des Autors). Diese Autoren werden hier allesamt sympathisch und zugänglich porträtiert – hier deutet sich eine neue ikonografische Norm an. Die Fotografie des Autors hat hier die Funktion der persönlichen Ansprache. Sie vermittelt einen Eindruck von der Person des Autors, der vor allem in der Branchenwerbung aber nicht weiter ausgebaut wird, indem er durch weitere Angaben ergänzt wird. Die Fotografie wird nicht durch Informationen konnotiert, die einen deutlicheren Eindruck der Person geben und damit als literaturbezogene Autorvermittlung ausgelegt werden können: So werden in der Programmvorschau von 2009 knappe Informationen zum Autor in einer schmalen Spalte aufgeführt, die auch die bibliografischen Daten des Titels und den Barcode enthält. Die Vita des Autors wird hier verknappt auf Lebensdaten und Literaturpreise, mehr Raum nehmen andere Titel des Autors unter der Überschrift »Zuletzt erschienen« ein. Neu ist außerdem der Hinweis auf Lesereisen, teilweise mit dem Namen eines Ansprechpartners im Verlag. An dieser Stelle wird auch auf weitere Werbemaßnahmen hingewiesen und auf die Möglichkeit, Leseexemplare zu beziehen.246 Es geht hier also nicht mehr darum, den Autor als Instanz der Werkherrschaft zu präsentieren und daraus eine inhaltliche Vermittlung abzuleiten, sondern der Autor ist nunmehr in die Maßnahmen des Marketings eingereiht. Die werbende Funktion auch des Autors wird in den Programmvorschauen immer wichtiger. Die inhaltliche Vermittlung, die sich neben dem Bild des Autors zudem auf Informationen über die Person und das Werk stützt, findet in den Vorschauen weniger statt. Das trifft selbst auf Autorenverlage wie Suhrkamp zu. Mit dem Kopfbild des Autors ist also eine Marginalisierung der kommunikativen Aufgaben des Autorenfotos verbunden. Der Autor wird gezeigt und ein persönlicher Eindruck vermittelt. Dabei geht es jedoch weniger darum, den Autor als Person und Urheber von Werken vorzustellen. Es wird eine Leerstelle ausgefüllt. Diese Entwicklung ist vor allem in der Händlerwerbung zu beobachten.
4.3.5 Bildinszenierung in der Publikumswerbung Im Gegensatz zur brancheninternen Buchwerbung ist die fotografische Inszenierung des Autors in der Publikumswerbung eine zentrale Vermittlungsform. Während 246 Vgl. etwa Suhrkamp Programmvorschau 2. Halbjahr 1979, S. 9.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
dort die Verkäuflichkeit des Titels dargestellt wird, wobei der Rekurs auf den Autor zu einem Argument neben anderen herabsinkt, ist der Autor hier nach wie vor eine wichtige Größe der Literaturvermittlung. Dies trifft insbesondere auf die Inszenierung von kanonisierten Autoren und von Debütanten zu. Die etablierten und kanonisierten Autoren haben bereits ein umfangreiches Werk vorzuweisen, das als Ganzes beworben werden kann. Die Bildinszenierung stützt sich bei dieser Autorengruppe auf Anlässe wie Jubiläumsjahre und Preisverleihungen und setzt die Fotografie des Autors als Medium der Würdigung ein, wie es der Verwendungspraxis des Autorenfotos im Frontispiz entsprach. 247 Zum anderen werden auch junge Autoren und Debütanten im Bild inszeniert. Ein Beispiel dafür ist der 1975 von Suhrkamp herausgegebene Sammelprospekt Bilder von Autoren, in dem zwölf nach 1932 geborene Suhrkamp-Autoren vorgestellt werden.248 Diese Autoren, deren Kopfbilder auf der Titelseite des Prospekts zu einem Raster angeordnet sind, wurden von dem renommierten Pressefotografen Andrej Reiser fotografiert, dessen Name auf der Titelseite genannt wird.249 Der Eindruck, dass die Fotografie hier als ernst zu nehmende Kunst betrachtet wird, bestätigt sich im Inneren des Prospekts im Zeitungsformat durch das Ausmaß und die Qualität der verwendeten Porträtfotografien. Die insgesamt 48 Einzelseiten des Prospekts sind nicht gebunden; jede der zwölf beidseitig bedruckten Doppelseiten im DIN-A-2-Format ist einem Autor gewidmet und einzeln herausnehmbar. Die hintere Doppelseite wird jeweils vollständig von einer Porträtfotografie ausgefüllt (außer in einem Fall: die großformatige Fotografie eines Spiral-Notizbuches von Gerhard Roth)250, die sich herausgenommen als Plakat verwenden lässt, während die vordere Doppelseite in zwei Einzelseiten unterteilt ist. Die rechte Seite (die im zusammengefalteten Zustand des Heftes beim Durchblättern zuerst sichtbar wird) wird vom Namen des Autors in einer serifenlosen fetten Schrift eröffnet und enthält ein großformatiges Porträtfoto des Autors, das die Seite nahezu ausfüllt. Auch auf der zweiten Einzelseite ist eine großformatige Fotografie abgebildet. Ein Text, der entweder den Autor vorstellt (zum Beispiel bei Jürgen Becker und Beate Klöckner)251 oder aus einem Werk des Autors entnommen ist (zum Beispiel bei Thomas Bernhard und Herbert Achternbusch)252 erstreckt sich in mehreren Spalten über beide Seiten und endet mit einer stichpunktartigen Vita. Der Gesamteindruck des Prospekts wird von den Bildern bestimmt, die flächenmäßig überwiegen. Der Text ist zurückhaltend gesetzt. Das motivische Programm, aus dem sich die Präsentation der Autoren zusammensetzt, ist relativ homogen – ohne dass dadurch homogen wirkende Bilder erzeugt 247 Die Bildsprache, der sich Verlage dabei bedienen und die sie zugleich prägen, wird im nächsten Kapitel ausführlich untersucht, siehe: 5 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung. 248 Vgl. Bilder von Autoren. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1975 (P) (DLA, VpS2, Suhrkamp). 249 Vgl. ebd., Titelseite. 250 Vgl. ebd., [Doppelseite Gerhard Roth]. 251 Vgl. ebd., [Jürgen Becker und Beate Klöckner]. 252 Vgl. ebd., [Thomas Bernhard u. Herbert Achternbusch].
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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würden. Von jedem Autor gibt es eine Nahaufnahme des Gesichts.253 Meist befindet sich diese auf der Doppelseite, also im DIN-A-2-Format, wodurch ein intimer Eindruck entsteht. Der Bildausschnitt wird von Augen und Mund begrenzt, wodurch das Gesicht angeschnitten ist und eine Nähe-Wirkung erzeugt wird, die dadurch noch verstärkt wird, dass die Gesichter frontal aufgenommen sind und sich der Blick direkt in die Kamera richtet. Nur Thomas Bernhard und Karin Struck sind im Halb- bzw. Dreiviertelprofil fotografiert und haben den Blick zur Seite gerichtet.254 Die Gesichter haben einen entspannten Ausdruck. Beate Klöckner lächelt als einzige. Den Eindruck von Nahbarkeit und Privatheit erzeugen auch die anderen Aufnahmen, die sich in zwei Motivgruppen aufteilen lassen: Der Autor am Fenster und der Autor in seiner Lebenswelt. Das Fenster-Motiv ist in sieben Porträts offenkundig.255 Nur Peter Handke wurde von außen durch ein geöffnetes Fenster fotografiert, alle anderen Aufnahmen sind bei Gegenlicht in Innenräumen entstanden, wobei kontrastreiche Bilder entstanden sind. Die Autoren blicken teilweise gedankenvoll aus dem Fenster (beispielsweise Gertrud Leutenegger) oder haben sich dem Fotografen zugewandt (beispielsweise Jürgen Becker und Karin Struck). Das Fenster-Motiv entstammt dem Repertoire der Bildenden Kunst und dient häufig dazu, eine Schwelle zu markieren, die auf eine Trennung zwischen Innen und Außen hinweist. In der Autorikonografie ist das Motiv vor allem durch Johann Heinrich Tischbeins Aquarell Goethe am Fenster der römischen Wohnung am Corso von 1787 prominent geworden. Goethe lehnt darin an dem geöffneten Fenster und wendet dem Betrachter den Rücken zu. Seine Haltung ist entspannt und wirkt für die Zeit der Entstehung ungewöhnlich ungekünstelt, wodurch ein privater Eindruck entsteht, der sicher viel zu der bis in die Gegenwart anhaltenden Popularität des Bildes beigetragen hat. Das Motiv eignet sich vordergründig dazu, einen privaten Eindruck vom Autor aufzubauen und verweist dabei hintergründig auf die Trennung zwischen Dichter und Außenwelt, die auch im Gehäus-Motiv immer wieder verarbeitet wurde. Der Dichter befindet sich in einer von der Außenwelt abgesonderten Position, die er beobachtet, ohne an ihr teil zu haben.256 Hieran knüpfen die Porträts der Autoren an und positionieren diese dabei in unterschiedlichen Haltungen zwischen Literatur und Wirklichkeit. Die alltägliche und private Wirkung der Aufnahmen wird durch ihre motivgeschichtliche Dimension erweitert und rückt die Autoren dabei in einen ikonografischen Kontext. Der Einblick in die Lebenswelt des Autors wird durch weitere Aufnahmen erweitert: Karin Struck, Getrud Leutenegger und Adolf Muschg sind zusammen mit Kindern
253 Vgl. ebd. 254 Vgl. ebd., [Thomas Bernhard und Karin Struck]. 255 Um genau zu sein in Porträts von Gerhard Roth, Karin Struck, Peter Handke, Gertrud Leutenegger, Adolf Muschg, E.Y. Meyer und Jürgen Becker. Auch das Porträt Thomas Bernhards, der mit verschränkten Armen in einem Türrahmen lehnt, lässt sich dieser Gruppe zuordnen. 256 Vgl. auch die literarische Bearbeitung dieses Motivs in E.T.A Hoffmanns Erzählung Des Vetters Eckfenster.
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
zu sehen.257 Die Bilder wirken wie aus dem Leben gegriffen. Muschg beispielsweise geht mit gesenktem Kopf und gefolgt von einem kleinen Jungen am Rand eines Kornfeldes entlang und auf einen anderen Jungen zu, die Kamera wird von keiner der drei Personen beachtet. Jürgen Becker dagegen ist in einem Garten stehend zu sehen. Die Aufnahme erfolgte von oben und gibt den Blick auf eine Gartenlandschaft mit Beet und Liegestuhl preis.258 Am unteren Bildrand steht der Autor, die Hände in den Hosentaschen, den Blick aus dem Bild hinaus gerichtet. Dabei wird ein alltäglicher Moment des Innehaltens und der Nachdenklichkeit herausgehoben. Beate Klöckner dagegen steht halb versteckt an einer mit Aushängen über und über bedeckten Bushaltestelle.259 Thomas Bernhard sitzt an einem Küchentisch, den Kopf an die Wand hinter ihm gelehnt, die Hand am Kinn.260 Vor ihm, auf der Tischplatte, die den Bildmittelpunkt ausmacht, eine Kaffeetasse nebst Löffel. Diese Bilder vermitteln den Eindruck von zufällig sich bietenden Einblicken in Leben und Alltag der Autoren. Andrej Reiser wählte dabei ebenso Momente der Reflexion aus, wie Momente, in denen Autoren alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Für den Betrachter laden gerade diese Bilder zur Identifikation mit dem Autor ein. Die Autoren werden damit im Leben verankert, sie partizipieren daran; aber sie partizipieren als Autoren daran. Dieser Eindruck bleibt selbst dort erhalten, wo die Autoren ihrer Arbeit nachgehen. Zwar wird keiner der Autoren schreibend gezeigt, als Leser erscheinen jedoch Peter Handke, Dieter Kühn und Getrud Leutenegger.261 Dieter Kühn liegt seitlich auf seinen Ellenbogen gestützt auf einem Sofa, im Hintergrund eine Bücherwand – die Haltung macht trotz der ungemütlich wirkenden Lederschuhe, die der Autor trägt, einen bequemen Eindruck.262 Der Autor studiert nicht, sondern er wirkt unerhört entspannt; aus dem Gelehrten im Gehäus, der über seine Bücher gebeugt sitzt, ist der herumlümmelnde Sofaleser geworden. Autor und Leser unterscheiden sich immer weniger. Weder die Produktion noch die Rezeption von Texten verlangt noch Weltabgewandtheit und Alltagsferne. Im Gegensatz dazu erinnert die Darstellung Peter Handkes noch an die klassische Gelehrtenikonografie: er sitzt an einem Tisch voller Papiere und Bücher und bietet das Bild eines konzentrierten Studiums.263 Diese Einzelansicht fügt sich hier als ein Element in eine übergeordnete Vorstellung vom Alltagsleben des Autors. Der Eindruck von Nahbarkeit, den diese Bilder vermitteln, wird mit Hilfe der durchgehenden Schwarz-Weiß-Farbgebung allerdings mit einer gewissen Ferne unterlegt. Das Schwarz-Weiße, das überhaupt zu den Kennzeichen des Autorenfotos
257 Vgl. 4 Bilder von Autoren, [Karin Struck, Getrud Leutenegger und Adolf Muschg]. 258 Vgl. ebd., [Jürgen Becker]. 259 Vgl. ebd., [Beate Klöckner]. 260 Vgl. ebd., [Thomas Bernhard]. 261 Vgl. ebd., [Peter Handke, Dieter Kühn u. Getrud Leutenegger]. 262 Vgl. ebd., [Dieter Kühn]. 263 Vgl. ebd., [Peter Handke].
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auch im Zeitalter der Farbfotografie zählt, entrückt den porträtierten Autor aus der alltäglichen Wahrnehmung und wirkt zugleich klassisch. Ein Beispiel für die Bildinszenierung etablierter Autoren in der Publikumswerbung ist ein Autorenprospekt mit dem ebenso schlichten wie monumentalen Titel Handke. Das Werk, den Suhrkamp 2008 veröffentlichte.264 23 Jahre nach dem Erscheinen des Prospekts Bilder von Autoren, in dem Handkes Bildinszenierung als vergleichsweise konservativ und bezogen auf ein tradiertes Dichterbild aufgefallen war, wird nun der gesamte Autor mit seinem Werk vorgestellt. Dass damit auch eine Würdigung des Autors mit den Mitteln des verlegerischen Epitextes verbunden ist, wird bereits durch die Gestaltung des Prospekts deutlich. Das Papier ist hochwertig, der Einband aus einem schlichten Karton gefertigt und nur mit dem rot gedruckten Nachnamen des Autors und dem Untertitel Das Werk sowie dem Verlagsnamen bedruckt, die Rückseite enthält ein ebenfalls durch die rote Druckfarbe hervorgehobenes Zitat des Autors zum Akt des Schreibens, was an dieser Stelle an die Zitate auf der Buchrückseite erinnert. Das quadratische Format ist ungewöhnlich und mag den Eindruck erwecken, dass hier mit besonderer Sorgfalt an einem Prospekt für einen besonderen Autor gearbeitet wurde. Der Umfang von 52 Seiten und die Ausstattung erwecken den Eindruck eines Katalogs, der aufbewahrt werden soll und nicht als flüchtiges Werbemittel gedacht ist. Dem entspricht auch der Inhalt, der aus einer chronologisch strukturierten Darstellung von Autor und Werk besteht, die sich über 52 Seiten erstreckt. Die Chronologie setzt mit dem Jahr 1966 ein – dem Jahr in dem Handkes erster Roman Die Hornissen erschien, das Theaterstück Publikumsbeschimpfungen uraufgeführt wurde und sich der Autor durch sein skandalöses Auftreten bei der Tagung der Gruppe 47 in Princeton die öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern wusste – und endet 2008. Jedem Jahr sind ein bis zwei Seiten gewidmet, die Jahreszahlen laufen als Kolumnentitel auf den Seiten fort. Verbunden sind die Einzelseiten durch einen fortlaufenden Text, der die Biografie des Autors mit dem Erscheinen seiner Werke verknüpft und durch die vielen Zitate von Kritikern und dem Autor selbst einen sachlichen Eindruck erweckt. Mit Lob und Superlativen wird ein zurückhaltender Umgang gepflegt, wodurch scheinbar abermals Distanz zur vordringlichen Werbung und Vermarktung gewahrt wird. Zahlreiche Abbildungen begleiten die textuelle Dokumentation der Biografie des Autors, wobei sie häufig nicht nur illustrativen Charakter haben, sondern den Eindruck vom Autor erweitern. Sie setzen sich aus Autorenfotos, Abbildungen von Büchern, Manuskripten und Fotografien, die von Handke selbst stammen, zusammen. Den größten Anteil an den Abbildungen haben die Buchcover: 53 Titel werden gezeigt, oft mehrere auf einer Seite. Schon die Anzahl der Titel verdeutlicht die Kontinuität des Schaffens, die Peter Handkes Werk kennzeichnet und deren Darstellung Anliegen des Prospekts ist. Dabei dominiert der visuelle Eindruck der Bücher 264 Vgl. Handke. Das Werk, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008, S. 1 (P). Vgl. PDF-Version des Prospekts unter: http://www.suhrkamp.de/download/Prospekte/Peter_Handke.pdf (28.05.2014).
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
jedoch nicht, da sie relativ kleinformatig reproduziert werden. Die Abbildungen sind farbig und stellen neben den hervorgehobenen rot gedruckten Zitaten des Autors, die nahezu auf jeder Seite enthalten sind, bis auf wenige Ausnahmen die einzigen farbigen Gestaltungselemente dar, ohne dabei störend zu wirken oder die gesamte Aufmerksamkeit zu absorbieren. Die 13 Autorenfotos sind fast ausschließlich in Schwarz-Weiß gehalten und in einem großen Format reproduziert, teilweise auch ganzseitig.265 Sie stammen aus den jeweiligen Jahren und Schaffensphasen des Autors und zeigen damit insgesamt die Entwicklung der Autorfigur im Bild anhand seiner Erscheinung, woraus auf die Entwicklung des Werkes geschlossen werden kann – und soll. Die Bilder des Autors stammen aus unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen und bieten zusammengenommen auch ungewöhnliche Einblicke. Eröffnet wird der Prospekt mit der Reproduktion eines Ausweisdokuments von Peter Handke aus dem Jahr 1961 mitsamt dem »Bildnis des Inhabers«266, das einen Jungen mit Brille zeigt. Das nebenstehende und rot gedruckte Zitat »Das Ziel war, Schriftsteller zu werden und zu sein.«267 eröffnet den biografischen Text und gibt die Blickrichtung auf die Fotografie als die eines werdenden Autors vor. Dass der Autor hier vor dem Beginn seiner Autorschaft fotografiert wurde und es sich damit um ein implizites Autorenfoto handelt, wird explizit hervorgehoben, und die Bildgeschichte der Autorwerdung wird dabei eröffnet. Außerdem sind viele Aufnahmen professioneller Autorenfotografen enthalten (darunter solche von Isolde Ohlbaum und Lilian Birnbaum), die teilweise auch auf Buchcovern eingesetzt wurden. Hinzu kommen private Fotografien des Autors, bei denen es sich teilweise um Farbfotografien handelt, wodurch die private und nichtinszenierte Entstehung der Bilder betont wird, zum Beispiel eine amateurhafte Aufnahme, die den langhaarigen Handke neben einem anderen Mann (beide sind im Gegenlicht nur ungenau zu erkennen) beim Betreten oder Verlassen eines Flugzeuges unter tiefblauem Himmel zeigt.268 Beide lächeln in die Kamera. Farbig ist auch ein Automatenporträt, das dem Jahr 1998 zugeordnet ist und dessen Vorder- und Rückseite abgebildet sind.269 Die Rückseite ist mit einer handschriftlichen Notiz versehen: »31. Oktober 1996 am Tag nach dem Ende der Apothekergeschichte (Fotoautomat rue de Jony)«270. Die äußere Ansicht des Autors, seine physiognomische Entwicklung, wird hier von ihm selbst in Zusammenhang mit der Werkgenese gesetzt. Diese Parallelisierung legt die Bildverwendung des Prospekts insgesamt nahe. Die Vielfalt der Bilder, die nicht nur durch die zeitliche Entwicklung, das Älterwerden und Autorwer265 Vgl. Handke. Das Werk. 266 Vgl. ebd., S. 1. 267 Ebd. 268 Vgl. ebd., S. 13. 269 Vgl. ebd., S. 39. 270 Ebd.
Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext
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den und -sein des Autors entsteht, sondern auch durch die unterschiedlichen Aufnahmesituationen der Fotografien, wirkt wie eine Spiegelung verschiedener Autorbilder, die sich zu einem authentisch wirkenden Bild verbinden. Auffällig ist das allmähliche Klassischwerden des Autors auch in der Ikonografie der Autorenporträts: Der junge Autor fällt vor allem durch das Abweichen von Darstellungsnormen auf, das sich im Habitus des pilzköpfigen Hornbrillenträgers manifestiert. Zu den Insignien des jungen Autors zählen neben dem Cordanzug die getönte Brille, mit der er selbst in Innenräumen sitzend posiert und die den typischen Blick des Autors in die Kamera und damit zum Leser verstellt.271 Dabei entsteht ein Eindruck nach außen gekehrter Innerlichkeit, der auch von späteren Bildern noch erweckt wird, die Handke klassisch am Schreibtisch zeigen und auf denen er sich für die Kamera zwar öffnet, indem er seinen Blick zunehmend in die Kamera richtet, dabei aber einen vollkommenen Anschein von Nachdenklichkeit bewahrt.272 Die Autorenfotos stehen für sich und lassen sich unter Ausschluss des Textes, eventuell flankiert und konnotiert von den herausgehobenen nebenstehenden Zitaten, als bildliche Lebens- und Schaffensgeschichte lesen.273 Ergänzt werden sie außerdem von den abgebildeten Manuskripten und Notizbüchern, die das Bild des Autors mit seiner Handschrift verbinden und an die Praktiken der Verbindung von Bild und Handschrift erinnern – auch wenn diese hier eher lose, d. h. räumlich separiert erfolgt, wenn entweder der Autor oder sein Text gezeigt wird. Mit Hilfe von Bildern und Texten wird Peter Handke in diesem Prospekt der Status eines Klassikers zu Lebzeiten verliehen, indem an ein ikonografisches Programm angeknüpft wird, das als Bestandteil der Kanonisierungsbestrebungen von Verlagen angesehen werden kann, wie das folgende Kapitel zeigen wird. Am Ende dieser Übersicht über die Entwicklung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext zeigt sich, warum das Autorenfoto ein unverzichtbares Element des Paratextes geworden ist. Seine Durchsetzungsfähigkeit liegt in seiner Kontextualisierbarkeit in alle relevanten Kontexte der Buchgestaltung und Buchwerbung. Die Fotografie des Autors ist reproduzierbar und fügt sich ebenso mühelos in einen Verlagskatalog wie auf eine Autorenhomepage. Dabei entscheiden Kontextualisierung und Konnotation über Aussage und Funktion des Bildes; sie werden immer wieder 271 Vgl. ebd., S. 14. 272 Vgl. ebd., S. 42. 273 Diesem Prinzip folgt auch das Fotoalbum zu Peter Handke, das Porträtaufnahmen aus unterschiedlichen Schaffensphasen in der Mediathek des Suhrkamp-Internetauftritts vereint. Dabei handelt es sich um das einzige Fotoalbum auf dieser Seite, die ansonsten vor allem Video-Clips lesender Autoren anbietet. Ein weiteres Fotoalbum zeigt Handkes Manuskripte und überträgt damit das ikonografische Programm, bestehend aus Porträt und Handschrift in digitale Form. Vgl. Fotoalbum Peter Handke auf der Verlagshomepage von Suhrkamp. URL: http://www. suhrkamp.de/mediathek/fotoalbum_peter_handke_26.html#Bild=12, [11.12.2011]; Fotoalbum mit Notizbüchern und Manuskripten Peter Handkes auf der Verlagshomepage von Suhrkamp. URL: http://www.suhrkamp.de/mediathek/ peter_handke_notizbuecher_und_manuskripte_25.html, [11.12.2011].
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Die Kontextualisierung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext
neu zugeschrieben. Gemeinsam ist den verschiedenen Funktionen zwischen Kontaktaufnahme und Rezeptionsvorbereitung, dass sie die Präsenz des Autors bestätigen. Ein Blick auf die Bildnorm des Kopfbildes offenbart, wodurch sich das Autorenfoto durchgesetzt und behauptet hat: Das Kennzeichen der Bildnorm ist die Fokussierung auf das Gesicht des Autors. Der Blick zum Leser ist ein Standard, der den Autor als Dienstleister am Leser erscheinen lässt – das Klappenporträt unterscheidet sich erst in der Verbindung mit der Vita eines Autors von den Mitarbeiterporträts der Sachbearbeiter auf dem Internetseiten von Versicherungsfilialen unter der Überschrift »Wir sind für Sie da«. Diese Angleichung der Ikonografie ist eine Tendenz in den Entwicklung des Autorenfotos. Noch unterscheiden sich Autoren durch den ernsten Gesichtausdruck von den Kundenbetreuern der Marketingwelt. Auch das Schwarz-Weiße als Porträtstandard trägt zu einer ikonischen Differenz zu diesem verbreiteten Standard bei. Es schafft Distanz zum Betrachter – das Autorenfoto ist eine Verbindung aus Nähe und Distanz. Im Kopfbild ist die offensichtliche Inszenierung durch die authentisch wirkende Registratur der Person ersetzt. Indem darauf verzichtet wird, das Inszenierungspotenzial der Fotografie auszunutzen, kann der Verdacht der Inszenierung nicht aufkommen, der auch in der »Inszenierungsgesellschaft«274 noch für Empörung sorgt, wie beispielsweise die aufgeregte Debatte um ein gestelltes Coverfoto auf dem Buchumschlag des Gesprächsbandes Zug um Zug von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück im Herbst 2011 gezeigt hat.275 Der Rezipient des Autorenfotos ist sich der Inszenierungsmöglichkeiten längst bewusst und dadurch weniger erreichbar für die fotografische Bildprägung. Der Bedarf des Lesers nach dem Bild des Autors hatte dazu geführt, dass es um 1900 in die Buchwerbung und Buchgestaltung aufgenommen wurde und dort auch dafür sorgte, die dem Buch unwürdige Werbung aufzuwerten und von der anderer Wirtschaftszweige zu unterscheiden. Heute sind Bilder auch von Autoren allgegenwärtig und leicht verfügbar. Dennoch ist der Bedarf nach dem Bild des Autors beim Publikum ungebrochen: Sich die Person über ihr Porträt zu erschließen, ist eine verbreitete Rezeptionstechnik, wie die Inszenierung des Autors in Autorenprospekten, aber auch Bildbänden und in Ausstellungen belegt. Als solche ist sie nicht nur im verlegerischen Paratext auch nachweisbar, vielmehr ist sie dort mit entwickelt worden. Inhaltliche Vermittlung und Werbung wurden dabei verbunden.
274 Vgl. Willems u. Jurga (Hrsg): Inszenierungsgesellschaft. 275 Vgl. Rainer Grünberg: Schmidt, Steinbrück und die Fotoblamage. In: Hamburger Abendblatt Online. (26.10.2011), URL: http://www.abendblatt.de/politik/article2071640/Schmidt-Steinbrueck-unddie-Foto-Blamage.html, [15.10.2012]; Peer Steinbrück: Vorwort zur Taschenbuchausgabe. In: Helmut Schmidt u. ders.: Zug um Zug. Berlin: Ullstein 2012, S. 7–14.
5 Fotografische Inszenierung und Kanonisierung Der zweite Untersuchungsteil ist der fotografischen Inszenierung des Klassikers gewidmet. Wie der erste Untersuchungsteil bereits gezeigt hat, gibt es Inszenierungspraktiken, die kanonisierten Autoren vorbehalten sind. Die fotografische Inszenierung des Klassikers bedient sich mit dem Autorenprospekt oder dem Frontispiz eigenen Kontexten und ist durch eine großzügigere Bildverwendung gekennzeichnet. Diese und weitere spezifische Kennzeichen werden nun genauer untersucht. Wie werden Klassiker im Bild inszeniert? Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine ausgedehnte Untersuchungsperspektive auf die Bildsprache des Klassikers. Sie bildet ein tradiertes Repertoire an Bildmotiven und -medien, zu denen auch das fotografische Porträt des Autors zählt. Die Bildsprache des Klassikers erlaubt die Kennzeichnung eines Autors als Klassiker und spiegelt insofern nicht einfach den Kanonstatus wider; sie kann auch zur symbolischen Zuweisung eines Autors genutzt werden. Daraus ergeben sich zwei Untersuchungsrichtungen: Zum Einen ist die Verbindung von kulturellem Gedächtnis und Bildsprache nachzuvollziehen; so wird nachweisbar, woher die Bildsprache des Klassikers stammt und wie sie sich im Verhältnis zu anderen Formen des kulturellen Gedächtnisses entwickelt hat. Zum Anderen ist die Prägung und Verwendung dieser Bildsprache im verlegerischen Paratext Gegenstand der Untersuchung. Ihr Ziel ist es zu klären, welche Funktionen das Autorenfoto im Prozess der Kanonisierung erfüllt. Ein Kanon, so denkt man, besteht eigentlich aus Werken. Welche Funktion hat jedoch der Autor im Prozess der Kanonisierung? Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass er für die Literaturvermittlung eine zentrale Bezugsgröße ist. Der Weg zum Werk führt immer wieder über den Autor – und er führt insbesondere über die Fotografie des Autors. Inwiefern dies auch für den Prozess der Kanonisierung zutrifft, wird das nachfolgende Kapitel zeigen. Dabei wird auch die Rolle der Verlage näher untersucht.
5.1 Verlegerische Kanonisierungspraktiken Die Untersuchung bleibt auch hier auf den verlegerischen Paratext begrenzt und muss sich vorab der heiklen Frage widmen, welchen Anteil Verlage überhaupt an der Kanonbildung haben. Heikel ist sie insofern, als ein Kanon eine Summe von Wertungshandlungen darstellt, die mehrere Kanoninstanzen vollziehen. Nur im Zusammenspiel von Literaturkritikern, Literaturwissenschaftlern, Verlegern, Lehrern und Lesern ist die Aufnahme in den Kanon zu erreichen. Dass Verlage den Kanon nicht alleine machen, wird in der folgenden Begriffsklärung genauer reflektiert. Eine pragmatische Herangehensweise an das heikle Thema ergibt sich jedoch, wenn man die spezifischen Kanonisierungspraktiken untersucht, die Verlage ihren Klassikern widmen. Dieser Ansatz wird im Anschluss an die Begriffsklärung verfolgt.
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Fotografische Inszenierung und Kanonisierung
In diesen Rahmen lassen sich dann auch die spezifischen Formen der fotografischen Kanonisierungspraktiken einordnen. Nicht das Ergebnis – also die Kanonzugehörigkeit, d. h. ob ein bestimmtes Werk als Resultat dieser Praktiken tatsächlich in den Kanon aufgenommen wird – ist das Interessante, sondern die Motivation und die sich aus ihr ergebenden Praktiken.
Begriffsklärung: Kanon – Kanonisierung – Kanoninstanz Was ist ein literarischer Kanon? Eine Minimaldefinition, die der »ewigen Debatte«1 um die Existenz eines Kanons zum Trotz, ihre Gültigkeit behauptet hat, stammt von Simone Winko:2 Mit K[anon] wird gewöhnlich ein Korpus literar[ischer] Texte bezeichnet, die eine Trägergruppe, z. B. eine ganze Kultur oder eine subkulturelle Gruppierung, für wertvoll hält, autorisiert und an deren Überlieferung sie interessiert ist [...].3
Der Inhalt eines Kanons, also das enthaltene Textkorpus, ist jedoch keineswegs eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Texte. Die Einzelwerke sind vielmehr durch eine lose Ordnung miteinander verbunden. Ordnungsgrößen sind beispielsweise Epochen, Autorengruppen oder Gattungen.4 Und auch der Name des Autors ist als Ordnungsgröße relevant, denn einzelne Texte gelangen nur ausnahmsweise in den Kanon. Meist wird der ›ganze Autor‹ kanonisiert, d. h. seine gesamten Werke, wobei der Grad der Kanonzugehörigkeit zwischen einzelnen Werken variieren kann.5 Im Kanon bleiben die Texte auf diese Weise mit ihrem Autor verbunden. Umgekehrt bedeutet das, dass der Autor neben seinem Werk tradiert wird. Seine Biografie, aber auch Erinnerungsmedien wie Bilder und Orte werden zusammen mit seinen Werken in das kulturelle Gedächtnis aufgenommen. Die Kanonisierung verläuft also nicht losgelöst vom Autor. Der Kanon ist »das historisch und kulturell variable Ergebnis komplizierter Wertungs- und Deutungsprozesse, in denen inner- und außerliterar[ische] (z. B. soziale, politische) Faktoren eine Rolle spielen.«6 Kanones dienen soziokulturellen Gruppen 1 Hermann Korte: K wie Kanon und Kultur. Kleines Kanonglossar in 25 Stichwörtern, in: Literarische Kanonbildung. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold u. dems. (text + kritik Sonderband IX/02), München: edition text + kritik 2002, S. 25–38, hier: S. 29. 2 Vgl. zur Debatte um den Kanon: Arnold u. Korte (Hrsg.): Literarische Kanonbildung; von Heydebrand (Hrsg.): Kanon Macht Kultur. 3 Simone Winko: Kanon. In: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturwissenschaft, hrsg. v. Nünning, S. 344–345, hier: S. 344. 4 Vgl. Siegfried J. Schmidt u. Peter Vorderer: Kanonisierung in Mediengesellschaften. In: Literaturkanon – Medienereignis – kultureller Text. Formen interkultureller Kommunikation und Übersetzung, hrsg. v. Andreas Poltermann, Berlin: Erich Schmidt 1995, S. 144–159, hier: S. 145. 5 Vgl. von Heydebrand u. Winko: Einführung in die Wertung von Literatur, S. 223. 6 Winko: Kanon, S. 344.
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zur Identitätsstiftung und Legitimierung – von der Subkultur bis zur Nationalkultur. Sie bieten Handlungsorientierung und Kommunikationssicherung.7 Die Orientierungsfunktion ist auch für die Literaturvermittlung wichtig: Kanones strukturieren das ausufernden Angebot an literarischen Texten. Dadurch werden sie zu Instrumenten für die Literaturvermittlung, was sich an universitären Leselisten ebenso zeigt wie an den von Marcel Reich-Ranicki herausgegebenen Bänden Der Kanon. Die deutsche Literatur oder dem Kanon der europäischen Literatur des 20. Jahrhunderts, den Die Zeit im Sommer 2012 vorstellte.8 Als relevante Wertungshandlungen, die zur Aufnahme eines Textes in den literarischen Kanon beitragen, haben Heydebrand und Winko bestimmt: –– dauerhafte Präsenz im Druck, am Markt; Aufnahme in Klassikerreihen Gesamtausgabe(n), insbesondere kritische Ausgaben, –– anhaltende Pflege in literaturvermittelnden Institutionen (Schule, Universität, Literaturkritik, literarische Gesellschaften u. a.), –– regelmäßige und ausführliche Behandlung in Literaturgeschichten, Lexika u. a. wiederholte Verarbeitung durch nachfolgende Autoren.9 Aus diesen Wertungshandlungen besteht die Kanonisierung, also der Wertungsprozess, der zur Aufnahme von Werken in den Kanon führt. Hermann Korte verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff »Kanonisierungspraxis«. Darunter versteht er »sowohl die symbolische Repräsentation [der ausgewählten Werke; S. O.] als auch die (philologische, kulturwissenschaftliche) Arbeit am Kanon selbst.«10 Am Prozess der Kanonisierung sind »Kanoninstanz[en]«11 beteiligt, die unterschiedliche Kanonisierungspraktiken betreiben.12 Dazu zählen Schulen und Universitäten, Literaturkritik, Theater, Buchmarkt und Bibliotheken13 – letztlich also die Instanzen der Literaturvermittlung. Der Buchmarkt umfasst selbst bereits verschiedene Akteure: Verlage, Zwischen- und Sortimentsbuchhandel usw., die unterschiedliche Kanonisierungspraktiken pflegen. Als eine grundlegende Kanonisierungspraxis führt Korte die Sicherung von Textmaterial in Form von Buchausgaben an, auf der alle weiteren literarischen Selektionsprozesse gründen.14 Sie ist eine Aufgabe der Kanoninstanz Verlag. Daran beteiligt ist auch die Literaturwissenschaft, insbesondere die 7 vgl. ebd. 8 Vgl. Dieter Lamping u. Frank Zipfel: Was sollen Komparatisten lesen? Berlin: Erich Schmidt 2005; Marcel Reich-Ranicki: Der Kanon. Die deutsche Literatur [mehrbd. Werk], Frankfurt a. M. u. Leipzig: Insel 2002–2006; Iris Radisch: Europas Weltliteratur. In: Die Zeit. (12.7.1012), URL: http://www. zeit. de/2012/29/Literatur-Kanon-Essay, [12.7.2002]. 9 Heydebrand u. Winko: Einführung in die Wertung von Literatur, S. 222–223. 10 Korte: K wie Kanon und Kultur, S. 32. 11 Ebd. S. 31. 12 Ebd. 13 Vgl. ebd. 14 Vgl. ebd.
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Editionsphilologie, die sich der Suche nach dem authentischen Text verschrieben hat. Aber erst der Verlag überführt den Text auf einen materiellen Träger und besorgt seine Verbreitung. Verlage sind Wirtschaftsunternehmen und Kulturvermittler zugleich. Dadurch ergeben sich spezifische Interessen der Kanoninstanz Verlag, die unter Rückgriff auf Bourdieus literarisches Feld erklärbar werden: An der langfristigen Durchsetzung von Autoren, also der Kanonisierung, zu arbeiten ist für Literaturverlage eine wirtschaftlich notwendige Strategie. Lange Produktionszyklen gelten nach Bourdieu als Kennzeichen für Verlagsprogramme, die sich weniger an der aktuellen Nachfrage des Marktes als an der Zukunft orientieren und darauf angewiesen sind, eine langfristige Nachfrage für Backlist-Titel zu schaffen.15 Die Kanonzugehörigkeit seiner Autoren bringt dem Verlag symbolisches Kapital ein, das er für die gegenwärtige Produktion einsetzen kann.16 Damit untrennbar verbunden ist jedoch auch die Notwendigkeit finanzielles Kapital durch die Konvertierung von symbolischem bzw. kulturellem Kapital zu gewinnen, um den wirtschaftlichen Fortbestand des Verlagsprogramms zu sichern: Das »ökonomische« Kapital kann die vom Feld offerierten spezifischen Profite [...] nur gewährleisten, wenn es in symbolisches Kapital umgewandelt wird. Die einzige legitime Akkumulation [...] besteht darin, sich einen Namen zu machen, einen bekannten und anerkannten Namen: ein Konsekrationskapital, das die Macht zur Konsekration von Objekten [...] und von Personen [...] beinhaltet, Macht also, Wert zu verleihen und aus dieser Operation Gewinn zu schlagen.17
Die Konsekration von Autoren und Texten ist das Ziel der Kanonisierungspraktiken. Kulturelle und wirtschaftliche Verlagsinteressen fallen dabei ineinander, wie sich am Beispiel der Kanonisierungspraktiken besonders deutlich zeigt.18 Auch wenn im Folgenden die Kanonisierungspraktiken von Verlagen im Zusammenhang mit dem Autorenfoto untersucht werden und andere Kanoninstanzen weitgehend unberücksichtigt bleiben, soll damit nicht behauptet werden, dass Verlage etwa alleine am Kanon arbeiteten. Welche Bedeutung dem Buchmarkt insgesamt und seinen einzelnen Akteuren in Relation zu anderen Kanoninstanzen zukommt, lässt sich nur schwerlich bestimmen. Daher soll es bei der folgenden Untersuchung von fotografischen Inszenierungsstrategien als Bestandteil von Kanonisierungspraktiken nicht darum gehen nachzuweisen, dass etwa eine bestimmte Art der Bildverwendung oder andere verlegerische Kanonisierungspraktiken zur unmittelbaren Aufnahme des Autors in den Kanon führen. Eine erfolgreiche Kanonisierung bedarf der Interaktion zumindest mehrerer Kanoninstanzen. Es kann also weniger um eine Untersuchung des Erfolgs von verlegerischen Kano15 Vgl. Bourdieu: Die Regeln der Kunst, S. 229. 16 Dieses Prinzip entspricht der Aufwertung neuer Autoren durch das Nebeneinander im Verlagsprogramm mit etablierten und kanonisierten Autoren, wie es sich am Beispiel der Autorenfoto-Raster (vor allem in der Suhrkamp-Programmvorschau) gezeigt hat (Siehe: 4.3.4 Das Kopfbild des Autors als Bildnorm im verlegerischen Epitext nach 1945). 17 Bourdieu: Die Regeln der Kunst, S. 239. 18 Vgl. zur Kritik an der Forschung auch: Kampmann: Kanon und Verlag, S. 8–9.
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nisierungspraktiken gehen, als vielmehr darum, diese Praktiken in ihrer Funktionsweise genauer zu untersuchen. Im Fokus der Untersuchung steht das offenkundige Bestreben, Autoren und Werke als kanonwürdig zu kennzeichnen – ohne dass damit zwangsläufig ein bewusster Beitrag zur Kanonisierung derselben geleistet wird.
Editorische und symbolische Kanonisierungspraktiken Die Kanonisierungspraktiken von Verlagen lassen sich in editorische und symbolische unterteilen. Unter die editorischen Kanonisierungspraktiken fällt das langfristige Verfügbarmachen und -halten von literarischen Texten in gedruckter Form. Diese Kanonisierungspraxis ist eine grundlegende Voraussetzung für alle weiteren Kanonisierungspraktiken. Die symbolischen Kanonisierungspraktiken umfassen Vermittlungsakte, wie beispielweise die Kennzeichnung von Texten und Autoren als Klassiker und der Bildung von Programmschwerpunkten zu bestimmten Anlässen. In einer überfliegenden Gesamtschau der Kanonisierungspraktiken des Verlagswesens mit schwerpunktmäßiger Berücksichtigung von Belletristikverlagen werden nun beide Ebenen systematisch aufgefächert. Zu den editorischen Kanonisierungspraktiken zählt die dauerhafte Bereitstellung der Texte des Autors in verschiedenen Ausgaben durch den Verlag. Die Sammlung der (als relevant geltenden) Texte eines Autors in Gesamt- oder Werkausgaben bildet dabei die grundlegende Form. Sie zählen zu den von Heydebrand und Winko aufgelisteten Wertungshandlungen, die Bestandteil der Kanonisierung sind. In Gesamtausgaben sind einzelne »Werke eines Verfassers mit dem Ziel der Vollständigkeit«19 zusammengestellt. Die Literaturwissenschaft spricht von Editionen eines Textes, für deren Formen sich je nach Anspruch eigene Termini herausgebildet haben. Die anspruchsvollste Form der Edition ist die historisch-kritische Ausgabe, die eine vollständige Textdokumentation enthält und »die (bzw. eine) historische Gestalt des Textes als verbindliches Faktum respektiert und andererseits die Geschichte des Textes (seine Genese und Überlieferung) nach Möglichkeit mit abbildet«20. Weitere unverbindliche Abstufungen sind die kritische Ausgabe, Studienausgabe und Werkausgabe.21 Die Zahl der Ausgaben ist zumindest ein Indiz für den Kanonisierungsgrad eines Autors. Im Laufe von Rezeptionsgeschichten ist es nicht ungewöhnlich, wenn immer neue Editionsprojekte einander ablösen und die Editionsphilologie auf ihre Weise das Werk präsent hält. Zu Recht gelten Werkausgaben als wichtiger Indikator für die Kanonisierung und der Werkpflege – für die Verbreitung kanonischer Texte beim Lesepublikum sind sie
19 Hiller u. Füssel: Wörterbuch des Buches, S. 138 20 Klaus Grubmüller u. Klaus Weimar: Edition. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Bd. I, S. 414–418, hier: S. 414. 21 Vgl. ebd.
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allerdings im Vergleich zu preiswerten Leseausgaben eher zweitrangig.22 Die Werke kanonisierter Autoren sind deswegen meist in auffällig vielen Ausgaben erhältlich, insbesondere wenn die Texte bereits gemeinfrei sind: Franz Kafkas Der Proceß beispielsweise – ein Text, der dem literaturwissenschaftlichen und schulischen Kernkanon zugerechnet werden kann23 – ist gegenwärtig in 58 verschiedenen Ausgaben lieferbar, darunter sieben E-Book-Ausgaben.24 In einfacher Ausstattung und ohne Anmerkungen ist der seit 1995 gemeinfreie Text in Ausgaben von Anaconda zum Preis von 2,95 Euro, als Hamburger Leseheft für 3,10 Euro oder in Reclams Universal-Bibliothek für 5,00 Euro erhältlich. An dieses untere Preissegment schließen sich Taschenbuchausgaben in unterschiedlicher Ausstattung (mit Anmerkungen, Nachworten etc.) und verschiedenen Textfassungen an. Darauf folgen Hardcover-Ausgaben und Werkausgaben in Einzelbänden sowie zwei Faksimile-Ausgaben der Erstausgabe. An der Spitze der Preisskala liegt mit 199,80 Euro derzeit die im Rahmen der Franz Kafka Ausgabe des Stroemfeld Verlags erschienene Faksimile-Edition der Handschriften. Die Segmentierung der angebotenen Ausgaben ist enorm, die pragmatische Verfügbarkeit des Textes lückenlos – für jeden Lesertyp und -anspruch gibt es mehr als eine passende Ausgabe des Textes. Die Kanonisierungspraxis der beteiligten Verlage ist durch eine Diversifizierung des Angebots gekennzeichnet. Die Marktpräsenz des Textes ist umfassend. An die Verfügbarmachung und -haltung des Textes ist ein ganzer Publikationsapparat angeschlossen, der den editorischen Kanonisierungspraktiken von Verlagen zugerechnet werden kann. Er besteht zum Einen aus Titeln, die den Text betreffen, zum Anderen aus solchen, die auf den Autor bezogen sind. Die den Text betreffenden Titel setzen sich aus literaturwissenschaftlichen Untersuchungen zum Text und Lektürehilfen zusammen. Erstere fallen als Produkte wissenschaftlicher Untersuchungen in den Bereich der wissenschaftlichen Verlage und erscheinen damit in der Regel separiert von den Textausgaben. Nutzbar werden sie für diese allerdings in Form von Kommentaren und Nachworten. Die Lektürehilfen dagegen, die in Schulbuchverlagen erscheinen oder in Verlagen, die auf die Publikation von günstigen Textausgaben für den Unterricht spezialisiert sind, unterstützen die Kanonisierungspraxis des Bil-
22 Vgl. zur Bedeutung des Taschenbuchs als Medium der Kanonisierung: Kampmann: Kanon und Verlag. 23 Was sich u. a. daran erkennen lässt, dass er in vielen deutschen Bundesländern auf dem Lehrplan für den Deutschunterricht steht, in Lektürelisten germanistischer Seminare genannt wird und in literarischen Nachschlagewerken grundsätzlich enthalten ist. 24 Die Angaben beziehen sich auf die Ausgaben des Titel, die im Katalog des Online-Buchhändlers Amazon als lieferbar verzeichnet werden. Es handelt sich dabei allerdings nur um eine Stichprobe und nicht um ein verbindliche Angaben, da nicht alle lieferbaren Ausgaben auch bei Amazon gelistet sein müssen. Vgl. Buchausgaben von Franz Kafka Der Proceß bei amazon.de. URL: http://www.amazon.de/s/ref =nb_ sb_ss_c_0_23?__mk_de_DE=%C5M%C5Z%D5%D1&url=search-alias%3Dstripbooks&field-keywords=fra nz+kafka+der+prozess&sprefix=franz+kafka+der+prozess%2Caps%2C222, [15.10.2012].
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dungssystems.25 Sie richten sich an Schüler und Studenten, denen sie bei der Lektüre des Textes Unterstützung in Form von Inhaltsangaben, Erläuterungen, biografischen Hintergrundwissen und Interpretationen anbieten (und dabei wiederum die wissenschaftliche Forschung aufbereiten). In den Bereich der belletristischen Verlage fallen die den Autor betreffenden Publikationen. Dazu zählen zum Einen jene Texte des Autors, die Genette dem Epitext zuordnet, und die für gewöhnlich die Kanonisierung der Texte eines Autors begleiten: Tagebücher, Briefwechsel, Notizen. Sie erscheinen im Rahmen von Werkausgaben oder einzeln. Zum anderen besteht dieses Segment aus dem gesamten Bereich des Biografischen. Das Zentrum dieses Bereichs ist die Biografie, die »künstlerischliterarische bzw. wissenschaftliche Darstellung eines fremden Lebenslaufes, wobei meist an eine umfassende, das ganze Leben umfassende Darstellung gedacht wird«26. Neben klassischen Biografien als Lebenserzählungen besteht dieser Bereich aus biografischen Titeln, die sich mit einzelnen Aspekten und Episoden von Leben und Werk befassen. Bildbände und Bildbiografien zum Autor, die sein Leben anhand von Fotografien und Dokumenten visualisieren, zählen auch dazu. Hieran schließt sich mehr oder minder Kurioses an, wobei der Autorbezug in andere Genres übertragen wird – Reisen mit Kafka verspricht der Reiseführer Kafkas Prag, Essen und Trinken mit Goethe bieten Titel wie Goethes erotische Liebesspeisen. Ein literarisches Kochbuch und »Da hab ich mich ja umsonst besoffen« Goethe und der Wein.27 Die symbolische Ebene umfasst zuächst Kanonisierungspraktiken, die Elisabeth Kampmann in ihrer Studie zur Kanonisierungspraxis im Deutschen Taschenbuch Verlag in Anlehnung an Bourdieus Begriff des symbolischen Kapitals als »symbolisches Marketing«28 bezeichnet. Kampmann definiert symbolisches Marketing als Positionierung der Verlagsprodukte des dtv im Bezug auf das literarische Feld als Markt der symbolischen Güter. Titel und Autoren werden in der Verlags- und Produktkommunikation inszeniert, indem sie an kulturelle Deutungsmuster angekoppelt werden. Eine Einschreibung in den Kanondiskurs kann auch hier sowohl explizit, mit einem Verweis auf die Kanonizität oder durch das Label »Kanon« oder »Weltliteratur«, vollzogen werden als auch durch die Orientierung an visuellen oder verbalen Diskurselementen.29
25 Beispiele sind die Buchreihen Lektürehilfen (Ernst Klett Verlag), Schroedel Interpretationen (Schroedel) oder die innerhalb der Universal Bibliothek erscheinenden Lektüreschlüssel für Schüler (Reclam). 26 Helmut Scheuer: Biographie2. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. I, hrsg. v. Weimar u. a., S. 233–236, hier: S. 233. 27 Vgl. Klaus Wagenbach: Kafkas Prag. Ein Reiselesebuch (Salto 42), Berlin: Klaus Wagenbach 1993; Frank Buchholz u. Werner Bockolt: Goethes erotische Liebesspeisen. Ein literarisches Kochbuch, Warendorf: Schnell 1997; Werner Bockolt: „Da hab ich mich ja umsonst besoffen...“. Goethe und der Wein, Warendorf: Schnell 1999. 28 Kampmann: Kanon und Verlag, S. 2 86–289. 29 Ebd., S. 286.
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Sie fasst darunter beispielsweise die Namensgebung von Buchreihen oder die Buchgestaltung.30 Es handelt sich genau genommen um paratextuelle symbolische Kanonisierungspraktiken. Durch Reihentitel wie Manesse Bibliothek der Weltliteratur, S. Fischer Jahrhundertwerke, Fischer Klassik oder auch Verlagsnamen wie Deutscher Klassiker Verlag, werden die alle in diesem Kontext erscheinenden Titel als Klassiker und damit als kanonisiert gekennzeichnet.31 Auch entsprechende Verweise im Klappentext, in Form von Pressezitaten und Werbetexten in Prospekten und auf AutorenSeiten im Internet fallen darunter. Ferner zählen dazu die faktischen Elemente der Ausstattung eines Buches. Hochwertige Ausstattungselemente, die an Prachtexemplare gemahnen, wie Dünndruckpapier, Goldschnitt, aufwändige Illustrationen oder die Verwendung von Frontispizporträts, Schuber usw. kennzeichnen Texte als besonders wertvoll. Die Ausstattung steht für den Wert des Inhalts. Welche Rolle dabei speziell das Autorenfoto übernimmt und inwiefern damit an die von Kampmann erwähnten, jedoch nicht weiter ausgeführten »visuellen Diskurselemente« angeknüpft wird, wird die Untersuchung zeigen. Darüber hinaus gibt es eine organisatorische Kategorie der symbolischen Kanonisierungspraktiken, die in programmpolitischen Schwerpunktsetzungen besteht. Diese sind an bestimmte Anlässe gebunden und sollen eine »okkassionelle Rezeptionsblüte«32 anregen. Anlässe bieten runde Geburts- und Todestage von Autoren, die teilweise ein ganzes Jahr lang als Gedenkjahr begangen werden, wie zuletzt beispielsweise das Kleist-Jahr 2011 anlässlich des 200. Todestages Heinrich von Kleists am 21. November. In kleinerem Umfang werden teilweise auch die Jahrestage der Erstveröffentlichung eines Textes begangen. Jahrestage erwecken den »Anschein einer mathematisch fundierten Wiederkehr«33 und sind durch die Terminierung des kulturellen Gedächtnisses gesellschaftlich legitimiert. Sie werden nicht allein von Verlagen begangen , sondern – und darin liegt ihr entscheidender Vorteil bei der Bindung von Aufmerksamkeit – auch von anderen Kanoninstanzen bzw. Instanzen der Literaturvermittlung. Aufmerksamkeit wird gebündelt auf einen Autor gelenkt, wenn ihm anlässlich von Jubiläumsjahren Sonderseiten in den Feuilletons eingeräumt werden, sein Leben verfilmt wird, seine Stücke auf den Theaterspielplänen stehen und Literaturhäuser zu Lesungen aus seinem Werk einladen. Zudem wird die Aufmerksamkeit verstärkt durch die Konzeption von Ausstellungen, die Organisation wissenschaftlicher Tagungen, Talkshowauftritte von Biografen. In diesem Umfeld des Gedenkens positionieren Verlage neue Editionen und preiswerte Sonderausgaben und unterstützen die Auf-
30 Vgl. ebd., S. 17. 31 Vgl. zur Verwendung der Bezeichnung »Klassiker« als nicht-normative Formulierung für gemeinfreie Autoren im Verlagswesen: Kampmann: Kanon und Verlag, S. 203. 32 Vgl. das gleichnamige Kapitel in: Ebd., S. 267–270. 33 Heinz Schlaffer: Gedenktage. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 43. Jg. (1989), Nr. 479, S. 81–84, hier: S. 82.
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merksamkeitslenkung durch alle Mittel des verlegerischen Paratextes von der Postkarte und dem Jubiläumsprospekt bis zur Autorenhomepage zum Gedenktag.34 Die Aufzählung der einzelnen Gedenkakte des Gedenkjahres als »verabredeter Erinnerungsmechanismus«35 verweist auf die enge Verknüpfung von Markt und Medien mit dem kulturellen Gedächtnis, deren eigentliches Gedenkvermögen gelegentlich hart kritisiert wurde: »Der Grundlosigkeit des Gedenkens entspricht seine Folgenlosigkeit. Es ist ein Gedenken ohne Gedächtnis.«36 Die Kulturwissenschaftlerin und Gedächtnisforscherin Aleida Assmann stellt dieser Kritik Heinz Schlaffers das Aktivierungspotenzial entgegen, das Jahrestage als »Denkmäler in der Zeit«37 für das kulturelle Gedächtnis darstellten. Sie weist Jahrestagen drei wichtige Funktionen zu: Sie bieten Anlässe für die Interaktion und Partizipation, wobei es zu einer »WiederHolung« des Erinnerten kommt, sie bieten Gelegenheit zur »Wir-Inszenierung« und festigen dadurch kollektive Identitäten und geben Anstoß zur Reflexion.38 Im Hinblick auf die Kanonisierungspraktiken von Verlagen sind diese Funktionen insofern von Bedeutung, als sie das symbolische Kapital erhöhen. Verlage können, indem sie an allgemeine Erinnerungsdaten anknüpfen nicht nur »planen ohne die Planung begründen zu müssen«39. Sie können auch das eigene symbolische Kapital steigern, indem sie sich selbst mit dem Ereignis in Verbindung bringen und die eigenen Leistungen betonen – was in umgekehrter Form auch auf Verlagsjubiläen zutrifft. Die Partizipation an Jubiläen begünstigt die Wahrnehmung von Verlagen als Literaturvermittler und lässt die merkantile Dimension jeder Verlagshandlung in den Hintergrund rücken. Daran ändert auch die drohende Banalisierung der sich ballenden Gedenkanlässe in der Gegenwart nichts, die mit den Dichterfeiern des 19. Jahrhunderts als nationalen Ereignissen nur noch wenig gemein haben.40 Aus dem hier entwickelten Kontext der verlegerischen Kanonisierungspraxis werden im Folgenden spezifische Formen der Bildverwendung herausgegriffen und hinterfragt. Dabei stehen zunächst Bildbände und Bildbiografien als spezifische Formen der editorischen Kanonisierung mit Bildern im Vordergrund. Die darin sich entwickelnde Bildsprache des Klassikers bildet anschließend den Ausgangspunkt für
34 Ein ähnlicher Effekt der Aufmerksamkeitsbündelung kann auch aus Anlass der Verfilmung von Texten erreicht werden. Er entbehrt jedoch der gesellschaftlichen Legitimation durch die Zeit, sofern es sich nicht um eine Verfilmung aus Anlass eines Jahrestages handelt. 35 Ebd. 36 Ebd., S. 83. 37 Aleida Assmann: Jahrestage – Denkmäler in der Zeit. In: Jubiläum, Jubiläum... Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung. Hrsg. v. Paul Münch, Essen: Klartext 2005, S. 305–314, hier: S. 313. 38 Vgl. ebd., S. 311–313; Beate Binder: Jahrestag. In: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäre Lexikon, hrsg. v. Nicolas Pethes (Rowohlts Enzyklopädie 55636), Reinbek: Rowohlt Taschenbuch 2001, S. 290–291. 39 Schlaffer: Gedenktage, S. 82. 40 Vgl. dazu: Rainer Noltenius: Dichterfeiern in Deutschland. Rezeptionsgeschichte als Sozialgeschichte am Beispiel der Schiller- und Freiligrath-Feiern, München: Fink 1984.
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die Untersuchung der symbolischen Formen der Kanonisierung im verlegerischen Paratext.
5.2 Editorische Kanonisierung mit Bildern: Die Bildbiografie 5.2.1 Bildband und Bildbiografie – eine Typologie Der Buchtyp Bildbiografie ist eine Verbindung aus Biografie und Bildband. Die Biografie ist die »Lebensbeschreibung, meist einer bekannten Persönlichkeit«41 in Textform, der Bildband dagegen ein »Buch, das überwiegend großformatige Bilder [...] enthält und in dem der Text nur erläuternde Funktion hat.«42 Als Verbindung dieser beiden Buchtypen enthält die Bildbiografie in der Regel überwiegend Bilder, die jedoch durch Texte erläutert werden. Text- und Bildteil können dabei nacheinander angeordnet oder miteinander kombiniert sein. Bei den Texten handelt es sich um biografische Texte, die für sich stehen oder das Bildmaterial erläutern, oder – und dies ist eine Besonderheit der Autoren-Bildbiografie43 – um Texte des Autors, die entweder autobiografischer Art sind oder aus seinem fiktionalen Werk stammen. Die Bezeichnung Bildbiografie, deren begriffliche Bestimmung hier erstmals vorgenommen wird, wurde als Bestandteil von entsprechenden Buchtiteln seit den 1950er Jahren verwendet. Erstmals und regelmäßig kam sie im Untertitel der Buchreihe Kindlers klassische Bildbiographien vor, die in den 1950er und 1960er Jahren bei Kindler erschien. Porträtiert wurden hier Bildende Künstler, Schriftsteller und Komponisten.44 Andere Verlage kennzeichnen ihre Bildbiografien durch die Titelbestandteile »Leben und Werk im Bild« oder »Leben und Werk in Bildern und Texten«.45 Während Autoren-Bildbiografien den Anspruch haben, Leben und Werk eines Autors in Bildern und Texten zu präsentieren, sind Autoren-Bildbände weniger auf die Kontextualisierung des Bildmaterials ausgerichtet. Diese Gruppe besteht aus Port41 Hiller u. Füssel: Wörterbuch des Buches, S. 53. 42 Ebd., S. 51–52. 43 Neben Autoren-Bildbiografien, die hier ausschließlich interessieren, kommen auch Bildbiografien zu anderen Gruppen prominenter Persönlichkeiten, vor allem aber zu Bildenden Künstlern und Musikern sowie Schauspielern, vor. 44 Vgl. zum Beispiel: Kurt Fassmann: Brecht. Eine Bildbiographie (Kindlers Klassische Bildbiographien), München: Kindler 1958; Walter Abendroth: Bruckner. Eine Bildbiographie, (Kindlers Klassische Bildbiographien), München: Kindler 1958; Jean de Beucker: Cézanne. Eine Bildbiographie (Kindlers Klassische Bildbiographien), München: Kindler 1960. 45 Im Insel Verlag ist dieser Titelbestandteil besonders häufig verwendet worden: Seit den späten 1950er Jahren sind dort über 35 Bildbiografien mit entsprechenden Untertiteln erschienen, beginnend mit Rilkes Leben und Werk im Bild von 1958 bis hin zu Joseph Conrad. Leben und Werk in Texten und Bildern von 2007. Vgl. Ingeborg Schnack: Rilkes Leben und Werk im Bild. Wiesbaden: Insel 1956; Renate Wiggershaus (Hrsg.): Jospeh Conrad. Leben und Werk in Texten und Bildern (it 3296), Frankfurt a. M.: Insel 2007 u. a.
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rät-Bildbänden und Werk-Bildbänden.46 Porträt-Bildbände stellen die häufigere Form dar. Sie enthalten gelegentlich nicht nur Porträts der Autorperson, sondern auch seiner privaten Umgebung und sind häufig das Werk eines Fotografen, beispielsweise Lilian Birnbaums Bildband zu Peter Handke oder die Porträts Thomas Bernhards und seiner Häuser von Erika und Wieland Schmied.47 Die Person des Autors steht dabei im Vordergrund. Werk-Bildbände sind dagegen weniger der Person des Autors gewidmet als vielmehr den Schauplätzen seines Werkes, beispielsweise Augustin Baumgartners Auf den Spuren von Thomas Bernhard und Erika und Wieland Schmieds Thomas Bernhards Österreich. Schauplätze seiner Romane.48 Die Grenzen zwischen Bildbiografie, Bildband und Biografie sind unscharf, was nicht verwundert, da sich die Bildbiografie aus den beiden angrenzenden Buchgenres entwickelt hat. Diese Entwicklung ist technisch an die Verbesserung der Reproduktionsverfahren für den Druck von Bildern im späten 19. Jahrhundert gebunden. Mit der Autotypie war es möglich geworden, Texte und Bilder günstig und in guter Qualität zu drucken. Bildbände wurden dadurch zu einem wachsenden Segment auf dem Buchmarkt, beispielsweise die bereits erwähnte Buchreihe Die blauen Bücher aus dem Verlag Karl Robert Langewiesche. Zugleich wurden auch Biografien häufiger mit Bildmaterial ausgestattet, wie es bis heute üblich ist: Die 1923 bei S. Fischer erschienene Thomas Mann-Biografie von Arthur Eloesser enthält beispielsweise einen Bildteil mit 21 Abbildungen, Hugo Balls Hermann Hesse. Sein Leben und sein Werk von 1927 ist mit sieben Bildtafeln ausgestattet.49 Für die Entwicklung der vorwiegend fotografischen Autoren-Bildbiografien als Medium der Kanonisierung ist die Publikation von Bildbänden im Rahmen der bildungsbürgerlichen Klassikerverehrung im 19. Jahrhundert als Vorstufe von großer Bedeutung. In diesen Bildbänden wird bereits eine Bildsprache des Klassikers entwickelt – wenn auch weitgehend ohne Fotografien. Diese Vorstufe wird am Beispiel von Goethe-Bildbänden im Hinblick auf ihre Rolle im Rahmen eines kulturellen DichterGedächtnisses und die Funktion der – überwiegend auf Gemälden und Zeichnungen basierenden – Abbildungen hin untersucht.
46 Die unter 4.2.2 eingeführten Porträtsammelbände, in denen Bilder mehrerer Autoren versammelt werden, spielen im Zusammenhang mit der Kanonisierung einzelner Autoren keine zentrale Rolle, weshalb sie hier ausgespart werden. 47 Vgl. Lilian Birnbaum: Peter Handke. Porträt des Dichters in seiner Abwesenheit. Salzburg: Müry Salzmann 2011; Erika u.Wieland Schmied: Thomas Bernhards Häuser. Salzburg: Residenz 2001; Dies.: Thomas Bernhard. Leben und Werk in Bildern und Texten 48 Vgl. Augustin Baumgartner: Auf den Spuren von Thomas Bernhard. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992; Wieland Schmied: Thomas Bernhards Österreich. Schauplätze seiner Romane, Salzburg: Residenz 2001. 49 Vgl. Arthur Eloesser: Thomas Mann. Sein Leben und sein Werk, Berlin: S. Fischer 1923; Hugo Ball: Hermann Hesse. Sein Leben und sein Werk, Berlin: S. Fischer 1927.
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5.2.2 Dichter-Bildbände als Medien des kulturellen Gedächtnisses: Goethe-Bildbände im 19. und frühen 20. Jahrhundert Bereits im 19. Jahrhundert erschienen im Zeichen der Dichterverehrung Bildbände zu einzelnen Autoren – es handelt sich dabei um Klassiker, die für das kulturelle Selbstverständnis des deutschen Bildungsbürgertums eine verbindende Wirkung hatten, namentlich Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe.50 Die Dichterverehrung bediente sich daneben auch anderer Formen und Medien des kulturellen Gedächtnisses. Das kulturelle Gedächtnis bindet sich an objektivierte Träger; es wird in archivalischen Medien, symbolische Formen und Praktiken ausgelagert, »das kulturelle Gedächtnis wird in der Kultur objektiviert.«51 Dabei kommen so unterschiedliche Medien des Erinnerns wie die Schrift, das Ritual, die Architektur, Archive und Bibliotheken, Denkmäler und Gedenkstätten, Erinnerungsorte usw. zum Einsatz und eben auch Bilder, die im Folgenden im Kontext dieser Medien genauer eingeordnet werden.52 Zu den Medien und Formen der literarischen Abteilung des kulturellen Gedächtnisses, die im 19. Jahrhundert im Zuge der Entwicklung einer deutschen Nationalkultur entstanden sind, zählen öffentliche Dichter-Denkmäler, die in der Mitte des Jahrhunderts vielerorts errichtet wurden.53 Ebenso dazu zählen Dichterfeiern anlässlich von Gedenktagen, beispielsweise die an vielen Orten Deutschlands ausgiebig begangenen Feierlichkeiten zu Schillers 100. Geburtstag 1859 – »die größte Dichterfeier in der Menschheitsgeschichte«54. Ebenso die Gründung literarischer Gesellschaften, die sich den Werken eines Autors widmeten. Ferner zählt dazu auch die Musealisierung erster Dichter-Wohnhäuser als Gedenkstätten, darunter das Weimarer Wohnhaus Schillers 1847 und das Frankfurter Goethehaus 1859. Denkmäler und Gedenkstätten wurden zu Elementen einer »neuen Erinnerungskultur [...], die die Dichterverehrung und mit ihr die Bewahrung der literarischen Überlieferung nun als patriotische Pflicht verstand [...].«55 Diese öffentlichen Akte der Wertung und Würdigung richteten sich auf bereits kanonisierte Autoren und trugen zugleich dazu bei, deren Kanon-Relevanz zu unter50 Vgl. Rosenberg: Klassiker, S. 275. 51 Daniel Levy: Das kulturelle Gedächtnis. In: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, hrsg. v. Christian Gudehus, Ariane Eichenberg u. Harald Welzer, Stuttgart: J.B. Metzler 2010, S. 93–101, hier: S. 93; vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, 5., durchges. Aufl., München: C.H. Beck 2010. 52 Vgl. zu den Medien des kulturellen Gedächtnisses: Gudehus, Eichenberg, Welzer (Hrsg.): Gedächtnis und Erinnerung, S. 127–146. 53 Vgl. Schöttker: Ruhm und Rezeption, S. 477. 54 Rüdiger von Bruch: Jubilare und Jubiläen in Kunst und Wissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In: Jubiläum, Jubiläum... Hrsg. v. Münch, S. 171–204, hier: S. 172; vgl. Noltenius: Dichter feiern in Deutschland. 55 Bodo Plachta: Dichterhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (Reclam Taschenbuch 20239), Stuttgart: Reclam 2011, S. 12.
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mauern. In diesem Sinne wurden auch Bilder als Erinnerungsmedien eingesetzt, wobei es sich zunächst naturgemäß nicht um Fotografien oder Autorenfotos, sondern allenfalls um fotografisch reproduzierte Bilder handelte – Goethe und Schiller erlebten bekanntlich das Zeitalter der Fotografie nicht mehr. Die Publikationsgeschichte der Goethe-Bildbände ist mit anderen Medien des kulturellen Gedächtnisses eng verknüpft: Die 1846 erschienenen Gedenkblätter an Goethe,56 die der Frankfurter Verlagsbuchhändler Johann Keßler herausgab, folgten auf eine Ausstellung, die Keßler im Oktober 1844 anlässlich der Enthüllung des Frankfurter Goethe-Denkmals in seiner Buchhandlung veranstaltet hatte.57 Diese Ausstellung richtete sich an »Freunde und Verehrer des großen Dichters«, denen sie anhand von Porträts von Goethe und seiner Familie sowie durch Handschriften »ein vollständiges Bild seiner Persönlichkeit, so wie seiner literarischen Wirksamkeit und ihrer Fortentwicklung und Bedeutung«58 präsentieren sollte. Der Bildband differenzierte sich als eigene mediale Form aus einem allgemeinen Klima der Erinnerung und Würdigung des Autors heraus, das von Gedenkakten und verschiedenen Medien des kulturellen Gedächtnisses getragen wurde. Der Zusammenhang von kulturellem Dichter-Gedächtnis und Bildband zeigte sich auch 1932; das Goethe-Gedenkjahr anlässlich des 100. Todestages bot als allgemein begangenes Jubiläum Anlass für die Herausgabe mehrerer Bildbände: Im Verlag von Günther Schulz erschien Goethe. Ein Bilderbuch, bei Orell Füssli Goethe und Goethestätten und im Insel Verlag Goethe und seine Welt sowie unter dem gleichen Titel ein schmales Bändchen, das durch eine Goethe-Ausstellung in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin führte, zu der Insel-Verleger Anton Kippenberg seine Goethe-Sammlung beigesteuert hatte.59 Die Vielzahl der Veröffentlichungen von 1932 ist zum Einen auf die gestiegene Anerkennung Goethes als Nationalautor60 und zum Anderen auf die Verbesserung der Herstellungsbedingungen für Bildbände zurückzuführen. Die verschiedenen Formen des kulturellen Gedächtnisse stellten gewissermaßen den Nährboden für die Entwicklung des Bildbandes als eigenes GedächtnisMedium dar. Bilder waren außerdem in weiteren Zusammenhängen als Gedächtnismedien verbreitet: Sie wurden als Exponate ausgestellt und verbreiteten sich darüber hinaus 56 Vgl. Johann Keßler: Vorwort. In: Gedenkblätter an Goethe. Hrsg. v. dems., Frankfurt a. M.: Johann Keßler 1846, [ohne Paginierung]. 57 Vgl. ebd. 58 Ebd. 59 Vgl. Rudolf Payer-Thurn (Hrsg.): Goethe. Ein Bildbuch, Sein Leben und Schaffen in 444 Bildern, Leipzig: Günther Schulz 1932; Emil Schaeffer (Hrsg.): Goethe und Goethestätten. 88 Bilder eingeleitet von Dr. Rud. Rechel (Schaubücher 32), Zürich und Leipzig: Orell Füssli 1932; Hans Wahl u. Anton Kippenberg (Hrsg.): Goethe und seine Welt. Unter Mitwirkung von Ernst Beutler, 580 Abbildungen, Leipzig: Insel 1932; Goethe und seine Welt. Sammlung Kippenberg (Ausstellungskatalog), Berlin: Frisch 1932. 60 Vgl. von Bruch: Jubilare und Jubiläen, S. 197–200.
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in Form von Postkarten und Sammelbildern.61 Dabei entstand eine Bildsprache des Klassikers, die sich neben dem Porträt des Autors und Porträts anderer biografisch relevanter Personen vor allem auch der Handschrift des Autors bediente. Der Autograf wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts auch losgelöst von den anderen Motiven zum Gegenstand der Verehrung: »In der Wüste, die sich zwischen Bildnis und Werk auftut, sprudelt die Quelle des Autographs.«62 Zwei wesentliche Funktionen schrieb man der Handschrift zu: Zum Einen künde sie vom Charakter des Schreibers und zum Anderen konserviere sie das Andenken an seine Person. Eben diese Funktionen kennzeichnen auch den Umgang mit dem Porträt des Autors. Für Adolf Henze, den Verfasser der Bandes Die Handschriften der deutschen Dichter und Dichterinnen von 1855, ist die Handschrift zum Einen Ausdruck der Persönlichkeit und Dokument seines Schaffens: [...] die Handschrift allein ist das sichtbare Zeichen, das unmittelbar von dem Menschen ausgeht und als Original auch nach dessen Tode stets sichtbar bleibt! Hält man Portraits in Ehren, sammelt man sie mit großen Opfern, schätzt man in ihnen die Verdienste des Mannes, des Aeußeres sie uns ins Gedächtniß rufen, so verdienen diese Pietät nicht minder die Handschriften.63
Die Handschrift gilt hier – vor der Verbreitung des Autorenfotos – als auratisches Dokument, das die Existenz des Autors bestätigt und konserviert. Das erklärt auch die Verbindung von Handschrift und Fotografie in der Gebrauchsweise des 19. Jahrhunderts; in der handschriftlich gewidmeten Fotografie ergänzen sich die Physiognomien von Schrift und Körper. Diese Korrespondenz zwischen Schrift und Charakter geht, wie die zwischen äußerem Antlitz und Charakter, mit auf Johann Caspar Lavater zurück, dessen physiognomische Methode auch Handschriften mit einbezog. Im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert wurde die als »Graphologie« oder »Chirogrammatophonie« bezeichnete Deutung der Handschrift durchaus mit wissenschaftlichem Anspruch betrieben.64 Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Handschrift ebenso wie das Porträt des Autors reproduziert und verbreitet wurde und ein wichtiges Element der Bildsprache des Klassikers wurde.
61 Vgl. Georg Jäger u. Jutta Assel: Dokumentation von Goethe-Postkarten unter goethezeitportal. de. URL: http://www.goethezeitportal.de/wissen/ illustrationen/johann-wolfgang-von-goethe.html, [09.02.2012]. 62 Ulrich Raulff: Wie Wolken über einem Wasser. Der Zauber der Handschrift und die Schaulust am Text, in: Denkbilder und Schaustücke. Das Literaturmuseum der Moderne, hrsg. vom Deutschen Literaturarchiv Marbach (marbacher katalog 60), Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft 2006, S. 41–50, hier: S. 45. 63 Adolf Henze: Die Handschriften der deutschen Dichter und Dichterinnen mit 305 Facsimile’s, kurzen Biographien und Schrift-Charakteristiken, Leipzig: Bernhard Schlicke 1855, S. V. 64 Vgl. Eugen Schwiedland: Die Graphologie. Geschichte, Theorie und Begründung der Handschriftendeutung, 2. Aufl., Berlin: Schorer 1883; Ludwig Klages: Handschrift und Charakter. Gemeinverständlicher Abriss der graphologischen Technik, Leipzig: Barth 1917.
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Die Medialität des Buches bot für die Bildsprache einen vortrefflichen Entwicklungsrahmen. Im Gegensatz zu diesen eher flüchtigen Verwendungskontexten für Autorenbilder bietet der Bildband in Buchform die Möglichkeit zu dauerhafter Aufbewahrung der Bilder. Der Anspruch auf Dauerhaftigkeit in Verbindung mit der Würdigung des Autors zeigt sich auch in der gehobenen Ausstattung einiger der Bände: Keßlers Gedenkblätter erschienen im opulenten Folio-Format, der Titel ist in goldener Farbe in den roten Einband geprägt, der Band enthält ein prachtvolles Titelkupfer, die einzelnen Seiten sind durch Zierleisten geschmückt und die Abbildungen durch Seidenhemdchen geschützt. Auch Franz Neuberts Goethe-Bilderbuch für das deutsche Volk enthält Ausstattungselemente einer Prachtausgabe, etwa den Goldprägedruck und das Großformat.65 Diese paratextuelle Kanonisierungspraxis lässt sich jedoch bei den Bänden des frühen 20. Jahrhunderts schon nicht mehr nachweisen, sie gleichen Gebrauchsbüchern und richten sich an weite Kreise der Bevölkerung. Die Vorworte der Bildbände geben meist Aufschluss über die Motivation der Herausgeber und die Funktion der Bilder: Rudolf Payer-Thurn, der sich als Herausgeber von Goethe. Ein Bilderbuch ausdrücklich an die Allgemeinheit wendet, betont das kommunikative Vermögen von Bildern: Ein Buch, das sich mit den einfachsten Mitteln – und welches Mittel wäre an Einfachheit der auf unmittelbare Anschauung beruhenden bildlichen Darstellung überlegen? – anstatt an Fachleute an die breiten Schichten der Leserschaft wendet und anstatt des Goethe, den sich jede Generation mehr oder minder nach ihrem Ebenbilde neuschafft, jenen Goethe zeigt, der als Mensch unter Menschen, von Zeitgenossen gesehen, mit Griffel und Pinsel festgehalten, die Lichtbahn des Lebens durchlief.66
Nicht nur die unmittelbare Wirkung von Bildern schätzt der Herausgeber; in den zeitgenössischen Bildern ist ihm offenbar eine Nähe zu Goethes Person konserviert. Payer-Thurn möchte ein »Gegenwartsbuch«67 über Goethe verbreiten, wobei das Bild als Mittel der Vergegenwärtigung dient. Nähe durch Bildbetrachtung, dieses Programm führt Rudolf Pechel in seinem Vorwort zu dem Band Goethe und Goethestätten noch weiter: »Die nachfolgenden Bilder sind so ausgewählt, daß nach Möglichkeit mit seinen, Goethes Augen, gesehen werden soll, um so lebhafteste Verbindung mit ihm und seinem Erleben zu finden.«68 Das Bild als Erinnerungsmedium erlaubt so die reinszenierende Vergegenwärtigung einer vergangenen Wirklichkeit und macht die Aura der Person wieder erfahrbar. Es geht schon hier – lange vor der fotografischen Bildbiografie – darum, Nähe zwischen Betrachter (Leser) und Bild (Autor) herzustellen und auf diese Weise die Erinnerung an den Autor lebendig zu halten, wobei die 65 Vgl. Franz Neubert (Hrsg.): Goethe-Bilderbuch für das deutsche Volk. Leipzig: Schulze [1900]. 66 [Payer-Thurn]: Zum Geleit. In: Goethe. Ein Bilderbuch, hrsg. v. dems., [ohne Paginierung]. 67 Ebd. 68 Rudolf Pechel: Goethe und Goethestätten. In: Goethe und Goethestätten, hrsg. v. Emil Schaeffer, S. 4–6, hier: S. 6.
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unmittelbare Wirkung des Bildes dafür nicht einmal eine Kennerschaft erfordert und so geeignet ist über den kleineren Kreis der »Goethegemeinde«69 hinaus auch weniger Gebildete zu erreichen. Dieses Erinnerungsprogramm sollte ein »vollständiges Bild seiner Persönlichkeit«70 ergeben und Goethe »in seiner beispiellosen Ganzheit als Mensch und Dichter zeigen«71. Die Verbindung von Leben und Werk war dabei ein Kompositionsprinzip, das allen Bänden zugrunde lag. Insofern handelt es sich bei diesen Bildbänden durchaus um frühe Bildbiografien, auch wenn sich die Verbindung von biografischen Texten und Bildern als durchgängiges Prinzip erst später entwickelte; der Textanteil in diesen frühen Bänden war noch gering und anfangs auch räumlich von den Bildern separiert. Umgesetzt wurde dieses Erinnerungsprogramm mit Hilfe einer breiten Motivpalette, die Grundlage für die Bildsprache des Klassikers ist. Sie enthält Porträts von Goethe, von seiner Familie und weiterer Personen aus seinem Umfeld. Außerdem finden sich Landschafts- und Stadtansichten von Orten, die für Goethes Biografie relevant sind, dazu zählen beispielsweise Stadtansichten von Frankfurt am Main,72 die zeitgenössische Ansichten der Orte darstellen, aber auch Bilder von »Goethestätten«, etwa Interieur-Aufnahmen aus dem Inneren des Weimarer Goethehauses73 – die einzigen Fotografien, die innerhalb dieser Bände verwendet werden. Dabei wurden die Dichter-Gedenkstätten selbst Teil des Bildprogramms zur Erinnerung an den Dichter. Außerdem finden sich beispielsweise in Goethe und seine Welt über 40 reproduzierte Zeichnungen, die von Goethe angefertigt wurden und besonders dazu einzuladen scheinen, mit Goethes Augen zu sehen. Einige Bildbände enthalten außerdem Faksimiles von Goethe-Handschriften, wodurch das Werk selbst zum Gegenstand der Abbildungen wird. Daneben sind (zeitgenössische) Illustrationen zu Goethes Werken regelmäßig vorkommende Bestandteile der Bildsammlungen. Aus diesen Motiven setzt sich eine Bildsprache des Klassikers zusammen, die auf die Auratisierung des Autors und seine Vergegenwärtigung gerichtet ist und für die nachfolgenden Bildbiografien eine Vorlage darstellt – insofern ist die Bildsprache des Klassikers ihrerseits klassisch. Die Durchsetzung der Fotografie als Bildverfahren auch in der Bildbiografie bringt allerdings grundlegende Veränderungen in der Wirkungsweise der Bildsprache mit sich.
69 [Franz Neubert]: Vorwort. In: Goethe-Bilderbuch für das deutsche Volk, hrsg. v. dems., [ohne Paginierung]. 70 Keßler: Vorwort, [ohne Paginierung]. 71 Goethe und seine Welt. Sammlung Kippenberg, S. 7. 72 Vgl. Wahl u. Kippenberg (Hrsg.): Goethe und seine Welt, S. 10–11. 73 Vgl. Neubert (Hrsg.): Goethe-Bilderbuch für das deutsche Volk, S. 140–141.
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5.2.3 Inszenierung des Autors als Klassiker: Bildbiografien zu Hermann Hesse bei Suhrkamp und Insel Vier Bildbiografien zu Hermann Hesse erschienen zwischen 1960 und 2007 bei den Verlagen Suhrkamp und Insel, in deren Backlist auch die Werke des Autors in diversen Ausgaben ein solides Fundament bilden.74 Diese Anzahl ist bemerkenswert, denn zu kaum einem anderen Autor lassen sich bei einem einzelnen Verlag so viele Bildbiografien nachweisen. Die Vielzahl der Bände – von denen die beiden in den 1970er Jahren erstmals erschienen Titel Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (1973) und Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten (1979) bis in die Gegenwart neu aufgelegt werden – ist auch deshalb erstaunlich, weil es sich bei Hermann Hesse um einen Autor handelt, dessen Position im literarischen Kanon nicht eben der eines Goethe entspricht. Hesse erhielt zwar als einer der wenigen deutschsprachigen Autoren den Nobelpreis für Literatur und zählt zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren, sein Ansehen bei der Literaturwissenschaft und Literaturkritik ist jedoch vergleichsweise gering. Die Kanonisierungspraktiken des Suhrkamp Verlags im Bezug auf Hermann Hesse stehen deswegen häufig im Kontrast zu Wertungshandlungen anderer Kanoninstanzen und sind damit besonders gut geeignet, um die Kanonisierungspraktiken von Verlagen zu hinterfragen. Der Bildbiografie als Publikationsform scheint dabei eine wichtige Rolle zuzukommen, wie die Zahl der Bände nahe legt.
Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern (1960) Die erste Bildbiografie Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern erschien 1960 noch zu Lebzeiten des Autors, der an ihrer Entstehung selbst beteiligt war. Sie bildet den Grundstein für die lange Reihe der fotografischen Bildbiografien bei Suhrkamp (und später Insel), denn sie ist dort der erste Titel, der sich Leben und Werk eines Autors mit Hilfe von Bildern und Texten annähert. Mit dieser Chronik in Bildern begann die konsequente Entwicklung und Nutzung der Bildbiografie als Medium der Kanonisierung, weshalb ihre Entstehung ausführlicher betrachtet wird als die der nachfolgenden Beispiele. Bereits 1957 hatte Bernhard Zeller, der Herausgeber der Bildbiografie und spätere Gründungsdirektor des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, eine Ausstellung zu Hermann Hesses 80. Geburtstag unter dem Titel Hermann Hesse – Werk und Persönlichkeit im Marbacher Schiller-Nationalmuseum kuratiert. Die Ausstellung stellte 74 Vgl. Bernhard Zeller (Hrsg.): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1960; Volker Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (it 36), Frankfurt a. M.: Insel 1973; Ders. (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1979; Hermann Hesse: Vom Wert des Alters. Mit Fotografien des Dichters von Martin Hesse u. a., hrsg. v. Volker Michels, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007.
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einen Versuch dar, »an Hand von zahlreichen Werkmanuskripten, Briefen, Erstausgaben, Bildnissen, Aquarellen und Dokumenten der verschiedensten Art das Leben und den geistigen Entwicklungsgang Hesses nachzuzeichnen [...].«75 Hesse wurde schon zu Lebzeiten Gegenstand einer Dichter-Erinnerungspraxis, die sich im 19. Jahrhundert für die posthume Dichterverehrung entwickelt hatte. Parallel dazu gab Zeller gemeinsam mit Jan Thorbecke den Bildband Besuch bei Hermann Hesse. Bilder aus Montagnola von Martin Hesse im Konstanzer Rosengarten Verlag heraus.76 Zeller sah den Bildband als eine Ergänzung der Ausstellung an. In seinem Nachwort grenzt er die Funktion des Bildbandes von der der Ausstellung ab; im Gegensatz zu jener beanspruche der Bildband nicht, »eine Biographie in Bildern zu sein.«77 Vielmehr sollten die Fotografien, die mehrheitlich von Martin Hesse, Sohn des Autors und Berufsfotograf, stammen, einen anderen Blick auf die Lebenswelt des Dichters gewähren, der den medialen Möglichkeiten der Fotografie gerecht wird: Diese Welt und den Dichter in ihr spiegelt nun in ganz anderer Weise das Lichtbild. [...] In seinen [Martin Hesses; S.O.] meisterlichen Aufnahmen wird mehr sichtbar als äußere Wirklichkeit. Das Bild des Vaters, sei es bei der Arbeit am Schreibtisch, im Garten oder beim Gespräch, die geistige Atmosphäre des Hauses und der Landschaft sind mit großer Kunst festgehalten und werden dem Betrachter mit ergreifender Eindringlichkeit spürbar.78
Durch die Fotografie hat sich die mediale Wirkung von Dichterbildern verändert. Im Gegensatz zu dem Bildrepertoire der Goethe-Bildbände repräsentiert sie mit technischer Präzision die äußere Wirklichkeit und ermöglicht dabei private Einblicke in das Dichterleben. Die Fotografie vermittelt dem Betrachter den Eindruck von einem Besuch bei Hermann Hesse, wie es im Titel des Bandes so treffend heißt – ein Besuch in Anwesenheit des Autors. Sie hält die Präsenz des Autors fest und ermöglicht dadurch einen Eindruck von Nähe. Einen solchen Eindruck erzeugen dagegen die nachträglichen Zusammenstellungen der Abbildungen von Personen und Orten aus Goethes Lebenswelt höchstens auf indirekte Weise – ein Besuch in Abwesenheit des Autors. Dieser Bildband ist dem besonderen Darstellungspotenzial der Fotografie gewidmet, die im Rahmen der Ausstellung nur eine Form von Dokumenten neben anderen war. Auf deren Abbildung wurde darin bewusst verzichtet. Ausstellung und Bildband stellen beide Akte der Würdigung des Autors dar und sind Vorarbeiten für die Bildbiografie Chronik in Bildern von 1960, in der sich Fotografien des Autors mit Texten und anderen Dokumenten verbinden.
75 Bernhard Zeller: [Nachwort]. In: Besuch bei Hermann Hesse. Bilder aus Montagnola von Martin Hesse, hrsg. v. Jan Thorbecke u. dems., Konstanz: Rosengarten 1957, S. 29. 76 Vgl. Jan Thorbecke u. Bernhard Zeller (Hrsg.): Besuch bei Hermann Hesse. Bilder aus Montagnola von Martin Hesse, Konstanz: Rosengarten 1957. 77 Ebd. 78 Ebd.
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Vorlage für die Chronik in Bildern war Anton Kippenbergs Goethe-Bildband von 1932, wie Siegfried Unseld betonte: Der geplante Hesse-Bildband sollte einem Bild- und Lesebuch entsprechen, das in meinem eigenen Dasein so etwas wie Geschichte gemacht hat, und das für meine Arbeit bis zum heutigen Tag immer wieder Folgen schuf: »Goethe und seine Welt« 1932 im Insel-Verlag von Anton Kippenberg veröffentlicht und von ihm mit herausgegeben.79
Unseld knüpfte bewusst an die Form des Autoren-Bildbandes an. Hesse, der als Autor im Suhrkamp Verlag eine besondere Stellung innehatte,80 wurde dabei gewissermaßen zu Unselds Goethe. Unseld war der verantwortliche Verleger für die Realisierung des Bildbandes, dessen Gestaltung übrigens Willy Fleckhaus’ erste Arbeit für den Suhrkamp Verlag darstellt. Der Plan zu dem Buch stammte jedoch Unseld zufolge noch von dem 1960 verstorbenen Suhrkamp-Verlagsgründer Peter Suhrkamp: »Nach mehreren Gesprächen war es Peter Suhrkamp gelungen, Hesse einen Bildband abzuringen, der zum ersten Mal Hesses Leben und Werk in Fotos dokumentieren sollte.«81 Hesse ließ sich zwar gern fotografieren und verteilte seine Porträtaufnahmen auch regelmäßig zusammen mit seinen Büchern unter Freunden, Bekannten und Kollegen, wehrte sich jedoch zeitlebens nach Möglichkeit gegen die Publikation seiner Fotografien im verlegerischen Paratext.82 Bereits 1904 hatte Samuel Fischer ohne Hesses Einwilligung, ein Porträt des Autors in einem Prospekt veröffentlicht und damit dessen Unwillen erregt.83 Noch 1907 hatte er Samuel Fischers Nachfrage nach 79 Unseld: Der Marienbader Korb, S. 7; vgl. auch: Ders.: Nachbemerkung des Verlegers. In: Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, hrsg. v. Michels, S. 354–355, hier: S. 354. 80 Vgl. Regine Bucher u. Wolfgang Schopf (Hrsg.): „Im Dienste der gemeinsamen Sache“. Hermann Hesse und der Suhrkamp Verlag. (st 3784), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006; Stephan Füssel: Hermann Hesse und seine Verleger. In: Andreas Solbach (Hrsg.): Hermann Hesse und die literarische Moderne, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004, S. 434–453; Barbara Heß: Hermann Hesse und seine Verleger. Die Beziehung des Autors zu den Verlagen E. Diederichs, S. Fischer, A. Langen und Suhrkamp (Buchwissenschaftliche Beiträge 65), Wiesbaden: Harrassowitz 2000. 81 Unseld: Nachbemerkung des Verlegers, S. 354. 82 Vgl. Volker Michels: Nachbemerkung des Herausgebers. In: Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, hrsg. v. dems., S. 351–353, hier: S. 352; Roland Stark: Bild und Abbild. Hermann Hesse in Freundschaft mit Fritz und Gret Widmann, Gaienhofen: Hermann-Hesse-Höri-Museum 2008. Von Hesses privatem Umgang mit der Fotografie zeugen auch seine im Deutschen Literaturarchiv in Marbach verwahrten Fotoalben; vgl. Heike Gfrereis (Hrsg.): Hermann Hesses erstes Fotoalbum 1903 bis 1916 (Marbacher Magazin 139), Marbach a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 2012. 83 Im Verlagsprospekt S. Fischer, Verlag von 1904 wird Hermann Hesses Roman Peter Camenzind halbseitig mit einem Kopfbild des Autors beworben. Samuel Fischer argumentiert in seiner Entschuldigung an Hesse damit, dass Autoren in der Regel den Abdruck des Porträts begrüßten und sich andernfalls zurückgesetzt fühlten, daher habe er Hesses Porträt ungefragt reproduziert. Daran zeigt sich, dass das Autorenfoto für den Verlag grundsätzlich auch ein Mittel zur Beziehungspflege darstellte. Vgl. S. Fischer, Verlag. Berlin: S. Fischer [1904], S. 4 (P) (DLA, VpS 1, S. Fischer); Samuel Fischer u. Hedwig Fischer: Briefwechsel mit den Autoren. Hrsg. v. Dierk Rodewald u. Corinna Fiedler, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1989, S. 621.
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einem fotografischen Porträt zur Verwendung in Katalogen und Prospekten abschlägig beschieden: Mit dem Porträt bin ich noch der alten Ansicht, daß mein Gesicht die Leser nichts angeht. Das Publikum ist ohnehin so anspruchsvoll gegen seine »Lieblinge« und sucht sie so zu tyrannisieren, dass man nichts unnötig preisgeben sollte, auch nicht seine Visage.84
Es muss Samuel Fischer jedoch gelungen sein, seinen Autor zur Einwilligung in die Publikation von Bildern zu bewegen, wovon die Bildverwendungen in den Prospekten und Katalogen des S. Fischer Verlags ebenso zeugen wie der fotografisch illustrierte Sonderprospekt zu Hesses 50. Geburtstag 1927 und die zugleich erschienene Biografie des Autors von Hugo Ball, die mit sieben Bildtafeln ausgestattet ist.85 Auch der Chronik in Bildern stand Hesse offenbar zunächst ablehnend gegenüber. Er habe sich »diese Chronik zu Lebzeiten nicht gewünscht«86, schrieb er an Richard Benz. Die Formulierung legt nahe, dass Hesse eine posthume Bildverwendung akzeptiert hätte. Tatsächlich ist die anthume Veröffentlichung einer Bildbiografie ungewöhnlich. Im Hinblick auf das kulturelle Dichter-Gedächtnis erscheint der Plan als eine Vorwegnahme, ein Erinnern in Anwesenheit des Erinnerten. Diese Überschreitung mag symbolische Effekte haben; indem der Autor bereits zu Lebzeiten als Klassiker dargestellt wird, suggeriert der Verlag seine besondere Stellung. Offenbar ließ er sich von Peter Suhrkamp umstimmen, weil man befürchtete, dass ein anderer Verlag eine unautorisierte Bildbiografie herausgeben würde.87 Bei Suhrkamp war Hesse an der Entstehung des Bandes insofern beteiligt, als er das Bildmaterial (Fotografien, Handschriften und Dokumente) zur Verfügung stellte und mit Bernhard Zeller gemeinsam auswählte. Auf diese Weise wird die Bildbiografie zu einem Akt der Selbstinszenierung des Autors – was für die meist posthum erscheinenden Bände ungewöhnlich ist. Die Bildauswahl lässt sich daraufhin befragen, wie der Autor gesehen werden wollte. Hesse nahm zudem auf die Gestaltung des Buchumschlags Einfluss: Ein Umschlagentwurf, der im Frühjahr 1960 im Verlagsalmanach Dichten und Trachten abgebildet wurde,88 war nach Hesses Ansicht »geschmacklos und knallig«89 – ein Urteil, das heute übertrieben erscheint. Der Entwurf enthält in der Mitte des Covers 84 Zitiert nach: Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, S. 90. 85 Vgl. Ball: Hermann Hesse. 86 Zitiert nach: Michels: Nachbemerkung des Herausgebers, S. 352. 87 Um welchen Verlag es sich handelt bleibt offen. Erschienen ist in den 1950er und 1960er Jahren außer dem Bildband Besuch bei Hermann Hesse und der Bildbiografie Chronik in Bildern nur noch 1963 eine ebenfalls von Bernhard Zeller bearbeitete Rowohlt-Monographie zu Hesse. Vgl. Bernhard Zeller: Hermann Hesse in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. (rowohlts monographien 85), Reinbek: Rowohlt 1963. 88 Vgl. Dichten und Trachten. Jahresschau des Suhrkamp Verlages, XV, Frankfurt a. M. u. Berlin: Suhrkamp 1960, S. 33 (Al). 89 Hermann Hesse: Brief an Siegfried Unseld vom 21. Mai 1960 (DLA, Siegfried Unseld-Archiv).
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zwei Fotografien des Autors, die nebeneinander angeordnet sind. Das linke Bild ist eine Aufnahme von Gret Widmann, die den jungen Hesse in galanter Kleidung im Profil mit Zigarre zeigt, rechts daneben ein Altersbild, aufgenommen von Martin Hesse, das Hesse gestikulierend darstellt, der Bildausschnitt ist auf Gesicht und Hand beschränkt. Hesse war mit beiden Bilder des »abscheulichen Umschlag[es]«90 nicht einverstanden. Seine Ehefrau Nino Hesse, die ebenfalls in die Umschlagdiskussion mit dem Verlag involviert war, störte an dem Jugendbild Unseld zufolge der unmodische Kragen: Zum Jugendbild schrieb mir Ihre Frau, es gefiele ihr nicht, weil Sie darauf mit diesem großen und steifen Kragen erschienen, der heute lächerlich wirke. Diese Meinung kann ich nicht teilen, denn zu dieser Zeit trug man eben solche Kragen. Jedermann wird ein solches Bild historisch sehen und eben das ist meine Absicht. Ich will ja schon von außen her die »Chronik« anzeigen.91
Der Anspruch des Verlegers Chronik in Bildern ist ein historisierender; Hesse soll als historischer Zeitgenosse erscheinen. Sein Leben wird in der Vergangenheit verortet. Das Cover entspricht dieser Zielsetzung durch die Auswahl zweier Fotografien aus unterschiedlichen Lebensaltern des Autors.
Abb. 26: Coverentwurf für den geplanten Hesse-Bildband in Dichten und Trachten (1960)
90 Ebd. 91 Siegfried Unseld: Brief an Hermann Hesse vom 25. Mai 1960 (DLA, Siegfried Unseld-Archiv).
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Auch das Altersbild lehnt Hesse ab: »Daß Sie ein frühes und ein spätes Bild von mir wählten, stört uns nicht, aber daß das späte Bild ein schlechtes, karikierendes ist [...] – das hätte durchgekämpft werden müssen [...].«92 Was mag Hesse daran als karikierend empfunden haben? Die erhobene Hand des Autors mit dem ausgestreckten Zeigefinger im Vordergrund in Verbindung mit seinem konzentrierten Gesicht im Hintergrund wirkt rechthaberisch. Hesse erscheint als Führerfigur, als jemand der die Richtung vorgibt.
Abb. 27: Endgültiges Cover des Hesse-Bildbandes (1960)
Unseld und Fleckhaus wechselten beide Coverfotos aus und setzten an ihre Stelle zwei Porträts, die einen deutlich sanfteren Eindruck machen.93 Links der milde lächelnde junge Mann, der mit verschränkten Armen an einer schlichten Bretterwand lehnt und den Kopf zur Seite richtet, rechts der freundliche Greis im Dreiviertelprofil, in dessen Brillengläsern sich das sanfte Licht spiegelt. Die Hände des Autors, die in den vorherigen Aufnahmen eine zentrale Rolle übernommen haben, sind nun nicht mehr 92 Hesse: Brief an Unseld vom 21. Mai 1960. 93 Vgl. Zeller (Hrsg.): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern, (C).
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zu sehen. Der Bildeindruck wird von den beiden einander zugewandten lächelnden Gesichtern des Autors dominiert. Beide Bilder des von Hesse abgelehnten Umschlagentwurfs finden sich auch nicht in der endgültigen Bildauswahl des Bandes wieder. Der Herausgeber erklärte in seiner Einführung die Chronik in Bildern zu einem »Beitrag zur Biographie Hesses«94 und formulierte dabei das Programm eines biografischen Werkzugangs, allen Vorbehalten gegenüber einer Gleichsetzung von Leben und Werk zum Trotz: Aber dennoch bleibt das Interesse für das Biographische zu recht bestehen und es wird stets eine legitime und wichtige (der Aufmerksamkeit würdige) Aufgabe bleiben, dem Zusammenhang zwischen Leben und Werk in all seinen geheimnisvollen Wechselwirkungen nachzugehen und den Dichter als Menschen im Spannungsfeld zwischen Zeit und Umwelt zu betrachten. Erhöhte Bedeutung erhält die Biographie bei einem Dichter, der nicht nur durch seine Dichtung, sondern auch durch seine menschliche Erscheinung starke Ausstrahlungskraft gewonnnen hat.95
Dieser Ansatz wird in der Konzeption des Bandes konsequent umgesetzt, indem die Abbildungen durch Auszüge aus Hesses Texten ergänzt werden. Unseld hebt diese Verfahren zu Recht als Besonderheit des Bandes hervor,96 denn bislang waren begleitende Texte in Dichterbildbänden biografische Erläuterungen gewesen. In der Kombination sollten die Texte des Autors mit den Bildern seines Lebens eine Einheit ergeben.97 Aufgabe der Bilder ist dabei die Dokumentation: Das Bild, das hier nur in seiner Eigenart als Dokument, nicht als künstlerisches Erzeugnis eigener Prägung aufgefasst werden will, hat einen ganz bestimmten Quellenwert und besitzt eine selbstständige, besondere Funktion. Die photographische Aufnahme ist sachlicher und genauer, nicht selten auch enthüllender als die schriftliche oder mündliche Aussage und vermag in ihrer Weise Zusammenhang und Wandlung zu erhellen, Begegnungen, Ereignisse, die Atmosphäre der Zeit und die landschaftliche Umwelt festzuhalten.98
Die technische Präzision ist für Zeller ein entscheidendes Merkmal der Fotografie und begründet ihren Quellenwert. Die Fotografie bestätigt die Präsenz des Fotografierten und konserviert sie durch die äußere Ansicht – das Festhalten von Ereignissen und Landschaften kann hier durchaus als ein Festhalten für die künftige Rezeption gewertet werden. Das Inszenierungspotenzial der Fotografie wird unterschlagen und gerade dadurch verstärkt, dass eine kritische Betrachtungsweise der Fotografie als
94 Bernhard Zeller: [Einführung]. In: Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern, hrsg. v. dems., S. IX– XXIV, hier: S. X. 95 Ebd. 96 Vgl. Unseld: Nachbemerkung des Verlegers, S. 354. 97 Vgl. Zeller: [Einführung], S. XI. 98 Ebd., S. X.
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Quelle ausgeschlossen wird. Gleichzeitig bedeutet die Betonung des dokumentarischen Wertes der Fotografie ihre Missachtung als Kunstwerk. Das biografisch motivierte Bildprogramm wird in der Struktur der Chronik in Bildern durch eine chronologisch-topographische Anordnung der Bilder zu einer Erzählfolge umgesetzt. In sechs Kapiteln wird Hesses Leben beginnend in »Calw Basel Maulbronn 1877–1895« und endend in »Montagnola seit 1919« anhand der Wohnorte des Autors in biografisch-topografische Phasen eingeteilt.99 Die Datierung erfolgt ausschließlich nach biografischen Ereignissen – die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt sich darin nicht wider, was insofern relevant ist, als Hesse gern als unpolitischer und weltabgewandter Autor dargestellt wurde – ein Autorbild, dem dieser Bildband durchaus noch entspricht. Den 344 Abbildungen der Chronik in Bildern liegen überwiegend Fotografien zugrunde: 214 Fotografien werden ergänzt durch 44 Reproduktionen von Gemälden, Zeichnungen und Scherenschnitten (darunter acht Aquarelle und Zeichnungen von Hesse selbst, die als einzige Abbildungen teilweise mehrfarbig gedruckt sind). 35 Abbildungen sind faksimilierte Handschriften und 51 zeigen die Titelseiten von Büchern und Zeitschriften (vorwiegend solche, in denen Hesse publiziert hat). Verglichen mit den Goethe-Bildbänden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in denen Fotografien nur vereinzelt eingesetzt wurden und die Abbildungen mehrheitlich aus reproduzierten Gemälden, Zeichnungen, Stichen usw. bestanden, hat sich die Fotografie als Bildverfahren durchgesetzt. Erklärbar ist das dadurch, dass Hesse zu der ersten (Autoren-)Generation zählt, deren Lebenszeit vollständig in das Zeitalter der Fotografierbarkeit der Welt fällt. Damit ist – bei gleichzeitiger Kontinuität des Motivrepertoires – ein veränderte Wirkung und Aussagekraft der Abbildungen verbunden. Wie bei den Goethe-Bildbänden lassen sich die Motive in Porträts und Ansichten von Landschaften, Städten und Gebäuden einteilen. Porträts von Hesse allein oder in Gruppen sind aus allen Lebensphasen enthalten. Porträtiert werden außer dem Autor seine Angehörigen, Vorbilder, Schriftsteller-Kollegen und Freunde. Orte werden durch Landschaftsaufnahmen, Straßenansichten und Aufnahmen von Gebäuden und Räumen, in denen Hesse lebte oder arbeitete dokumentiert. Beide Motivbereiche sind miteinander verbunden, wenn Hesse in Montagnola oder in seinem Gaienhofener Haus gezeigt wird – auch dies eine Besonderheit der fotografischen Porträts, die zwangsläufig die Präsenz einer fotografierten Person an einem fotografierten Ort bestätigen. Eine derartige Belegkraft weisen Gemälde wie Goethe in der Campagna di Roma oder Zeichnungen wie Goethe am Fenster der römischen Wohnung am Corso nicht auf. Durch die technische Präzision der Fotografie entsteht der Eindruck von Authentizität. Dagegen wirken die reproduzierten Gemälde, Stiche und Zeichnungen der Goethe-Bildbände eher wie ikonische Vorschläge, die eine Annäherung an die Wirklichkeit erlauben; dem fotografischen Es-ist-so-gewesen steht dort ein Eskönnte-so-gewesen-sein entgegen. 99 Vgl. Zeller (Hrsg.): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern, S. 4–25 u. 92–200.
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Die Fotografierbarkeit des Autors wirkt sich auf seine Ikonografie aus. Durch den Schnappschuss und die Gelegenheitsaufnahme, für die sich unter dem Bildmaterial mindestens ebenso viele Beispiele finden lassen wie für offizielle Entstehungssituationen, verändert sich das Bild des Autors. Zwar enthält der Band zahlreiche Porträtaufnahmen, die zusammengenommen eine ikonografische Geschichte im »Antlitz des Dichters«100 visualisieren, wie Zeller bemerkt, es überwiegen jedoch Aufnahmen, die ihn bei alltäglichen Verrichtungen und feiertäglichen Vergnügungen zeigen: Hesse beim Rudern auf dem Bodensee, mit nacktem Oberkörper beim Chianti in Fiesole, beim Bergsteigen mit einem seiner Söhne, beim Aquarellieren, beim Skilaufen in St. Moritz mit Thomas Mann, beim Kaffeetrinken mit Gästen in seiner Bibliothek oder gar beim Tomatenanbinden und beim Spiel mit seiner Katze101. Mit den tradierten Darstellungsformen des Autors und Gelehrten haben diese Motive nichts gemein – obgleich auch einige Gehäusbilder Hesses enthalten sind – , vielmehr handelt es sich um einen folgenreichen Traditionsbruch, durch den der Autor für den Betrachter in seiner alltäglichen Lebensweise greifbar wird. Die Privatheit vieler Aufnahmen inszeniert eine Nähe zur Person und Lebenswelt des Autors und offeriert dem Betrachter identifikatorische Anknüpfungspunkte. Besonders hervorgehoben – und dabei durchaus als eigenständige Kunstwerke gewürdigt – werden die Aufnahmen des greisen Autors von Martin Hesse. Das erste und letzte Bild des Abbildungsteils ist jeweils eine ganzseitiges Kopfbild aus Martin Hesses Repertoire.102 Diese Rahmung durch das Altersgesicht des Autors trägt mit dazu bei, dass dieses als ein ikonografischer Zielpunkt wirkt. Das Eröffnungsfoto, das in seiner Funktion an das Frontispizporträt gemahnt, stellt das Gesicht des gealterten Autors der chronologischen Anordnung der folgenden Abbildungen und Texte voran und bildet dabei eine Richtung, in welche die Lebensbilder gelesen werden sollen. Martin Hesses Aufnahmen von Hesse sind teilweise doppel- oder ganzseitig reproduziert, während die Abbildungsgröße ansonsten deutlich kleiner ist. Das Bild des Autors verdichtete sich durch diese fotografischen Inszenierungstechniken zu dem eines freundlichen älteren Herren, der ein friedliches und bescheidenes Leben im Einklang mit der Natur führt, es ist das Bild von Hesse als Gärtner.
Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (1973) Die zweite Bildbiografie zu Hermann Hesse erschien elf Jahre nach seinem Tod unter dem Titel Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild 1973 im insel taschenbuch. Als Herausgeber trat nun Volker Michels auf, der seit 1969 als Lektor bei Suhrkamp angestellt war und zahlreiche Publikationen von und zu Hesse betreute, zuletzt als Herausge-
100 Zeller (Hrsg.): Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern, S. X. 101 Vgl. ebd., S. 63, 73, 100, 135, 148, 158, 195. 102 Vgl. ebd., S. 3 u. 200.
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ber der ersten Gesamtausgabe von Hesses Werken, die 2007 abgeschlossen wurde.103 Durch die Personalunion des Herausgebers von Bildband und Werkausgabe rückt die Publikation dieser Bildbiografie in den Kontext der editorischen Kanonisierungspraxis, die das Werk direkt betrifft. Die Bildbiografie erscheint als Ergänzung zur Werkausgabe. Leben und Werk im Bild ist die erste von zwei Bildbiografien zu Hesse, die Volker Michels herausgegeben hat und die beide (in erweiterten Fassungen) bis in die Gegenwart neu aufgelegt werden. Dieser erste Band basiert auf Bernhard Zellers Chronik in Bildern, wie der Inhaltstext ausführt, wobei die Motivation für die Herausgabe eines neuen Bandes deutlich wird: Konnte diese umfassende Chronik die autobiographischen Ursprünge und Verflechtungen der Werke Hesses in allen Details nachzeichnen, so mußte sich die vorliegende knappere Dokumentation auf die Schwerpunkte beschränken. Andererseits bietet sie eine Fülle von unbekanntem, erst nach dem Tode Hesses im Nachlaß aufgefundenem, bzw. neu zusammengetragenem Bildund Textmaterial, das – neben der Darstellung der Werkgeschichte und der wichtigsten biographischen Stationen – Hesses Stellung innerhalb seiner Zeit und sein Verhältnis zu den wenigen, ihm an politischem Spürsinn und menschlicher Integrität vergleichbaren Kollegen und Zeitgenossen anschaulich macht.104
Nach dem Tod des Autors, der zu Lebzeiten auf sein öffentliches Bild eingewirkt hatte, wurde vormals zurückgehaltenes Material verfügbar. Darin liegt ein Anlass für die neue Publikation. Ein anderer und damit verbundener ist die Revision eines HesseBildes, das durch die zurückgezogene Lebensweise des Autors dominiert wird. Ein Beispiel für die publizistische Formung dieses Autorbildes soll hier angeführt werden, um zumindest anzudeuten, welches Bild von Hesse außerhalb des verlegerischen Paratextes geprägt wurde: Der Spiegel stellte Hesse 1958 in einer Titelgeschichte als dichtenden Gärtner vor.105 Augenfällig wird die Darstellung schon auf dem Cover der Zeitschrift. Seitenfüllend ist hier eine Schwarz-Weiß-Fotografie des Autors mit Strohhut und Nickelbrille reproduziert.106 Das Kopfbild zeigt einen gealterten Autor im Halbprofil, der kritisch in die Kamera blickt. Diese Aufnahme hat eine eindringliche Wirkung auf den Betrachter. Die Bildunterschrift »In der Gartenlaube« gibt die Blickrichtung auf die Fotografie vor. Der kritische und hellwache Gesichtsausdruck wird ignoriert, die Bildunterschrift konnotiert die Kleidung des Autors als Zeichen seiner weltabgewandten Naturverbundenheit. Das Titelbild ist eine ikonografische Verdichtung eines Hesse-Bildes, das sich mit den Attributen weise, menschenscheu, esoterisch, weltfremd umreißen lässt und dessen Symbol der
103 Vgl. Hermann Hesse: Sämtliche Werke. Hrsg. v. Volker Michels, 21 Bd., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001–2007. 104 Volker Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (I). 105 Hermann Hesse. Im Gemüsegarten, in: Der Spiegel. Nr. 28 vom 9.7.1958, S. 42–48. 106 Vgl. ebd., Titelseite.
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Strohhut wird.107 Der zugehörige Artikel beginnt mit einer Schilderung von Hesses »Kleingärtnerfreuden«108, die mit seiner »Abwendung« von weltlichen Dingen und seiner Weigerung eine politische Position zu beziehen kontrastiert wird. Der Popularität von Hesses Werk bei den Lesern wird die Ablehnung bei namhaften Kritikern und Schriftstellern entgegengesetzt.109 Gegen dieses klischeehafte Bild des Autors, das die Chronik in Bildern durchaus noch gestützt hatte, wandte sich die Darstellung des Autors in Leben und Werk im Bild, die Hesse programmatisch mit seiner Zeit in Verbindung brachte. Das Buch Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild erschien im Taschenbuch und war kleinformatig – der Band von 1960 ist eine Leinen-Ausgabe mit Goldprägedruck auf dem Rücken, deren Ausstattung in reduzierter Form durchaus noch an die Bildbände zu Goethe erinnert. Mit dem Wechsel zum Taschenbuch löste sich diese Kontinuität zum Album auf, die Bildbiografie wurde zu einem Gebrauchsbuch. Die Dokumentation von Hesses Lebensumständen, die der Inhaltstext als Aufgabe des Bandes angibt,110 überlagert die Erinnerung an den Autor als übliche Funktion der Autoren-Bildbände. Leben und Werk im Bild ist der Ankündigung entsprechend als »knappere Dokumentation«111 konzipiert. Knapper fallen vor allem die Texte aus, mit denen die insgesamt 218 Abbildungen versehen sind. Zu jedem Bild gibt es einen kurzen Kommentar, der sachlich über Zeitpunkt und Ort der Aufnahme informiert. Gelegentlich wird in diesen Kommentaren auch aus Briefen oder anderen Texten zitiert. Als Einführung enthält das Buch einen autobiografischen Text Hesses, der dem Bildteil des Bandes vorangestellt ist und dadurch wiederum eine Blickrichtung auf die Bilder vorgibt.112 Die Bilder stehen im Mittelpunkt des Bandes. Das Layout ist einförmiger als in der durchkomponierten Chronik in Bildern. Pro Seite ist meist eine Abbildung enthalten. Der Kolumnenstrich fungiert als durchgängiges Gestaltungselement, das sich auf jeder Seite wiederholt und an das die Bilder unmittelbar anschließen. Viele Porträts nehmen eine halbe oder ganze Seite ein. Das dezimierte Bildmaterial – der Vorgänger hatte es noch auf 344 Abbildungen gebracht – ist auf Porträts und Ortsaufnahmen konzentriert und besteht fast ausschließlich aus Fotografien. Eine weitere Abbildungsgruppe bilden Ansichten von Büchern und Zeitschriften. Handschriften und Aquarelle oder Zeichnungen fehlen dagegen fast ganz.
107 Die »strohhuthafte Heiligkeit« des Autors sieht auch der Literaturkritiker Volker Weidermann im Fokus von Hesses Kritikern und Spöttern. Volker Weidermann: Jedem Foxtrott wohnt ein Zauber inne. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 74 vom 27.03.2012, S. 29. 108 Hermann Hesse, Im Gemüsegarten, S. 46 109 Vgl. ebd. 110 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (I). 111 Ebd. 112 Vgl. Hermann Hesse: Kurzgefaßter Lebenslauf. In: Ebd., S. 8–25.
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Auffällig ist die große Anzahl von Porträts anderer intellektueller Größen, die mit Hesse in Bezug gesetzt werden. Insgesamt 46 Porträts zeigen Schriftsteller, Maler, Komponisten, Politiker, Wissenschaftler und Verleger. Die Größe des Bildformats variiert je nach Bedeutung der Persönlichkeit, fast alle derartigen Porträts sind Kopfbilder. Grundlage für diese Abbildungsstrategie bildet teilweise nur eine vage biografische Verbindung Hesses zu der jeweiligen abgebildeten Person. Mit Thomas Mann und Hugo Ball beispielsweise war Hesse persönlich bekannt und befreundet, weshalb auch Gruppenporträts mit diesen Autoren zum Bildrepertoire zählen. Aufgenommen wurden aber auch Kopfbilder von Autoren, mit denen Hesse lediglich einige Briefe gewechselt hat, zum Beispiel Kurt Tucholsky oder C. G. Jung, und Autoren, deren Werke er rezensiert hat, beispielsweise Robert Walser und Franz Kafka113. Mit Hilfe dieser Abbildungen wird Hesse zu wichtigen Persönlichkeiten seiner Zeit in Beziehung gesetzt und dabei aus seiner Gartenlaube herausgeholt. Zu einer Einbindung von Hesses Leben und Werk in seine Zeit trägt auch die Kommentierung von Hesses Porträts bei: Eine Aufnahme, die den Autor mit sorgenvollem Blick zeigt, kommentiert Michels: »Hermann Hesse kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.«114 Der Kommentar konnotiert die Mimik des Autors und seinen sorgenvollen Eindruck mit dem drohenden Kriegsbeginn. Hesses pazifistisches Engagement wird auf den folgenden Seiten dargestellt und verstärkt gemeinsam mit dem Porträt die Auffassung, dass es sich hier um einen politisch engagierten Autor handle. Eine physiognomische Lesart der Porträts wird durch den Bildausschnitt und die Konnotation befördert. Der Bildausschnitt ist häufig auf das Gesicht begrenzt, die Kommentare verknüpfen das Gesicht mit der politischen und persönlichen Lage und stellen auch Zusammenhänge zur Werkentstehung her – etwa in »Hesse zur Zeit der Niederschrift des ›Steppenwolf‹«115. Unter den Porträts überwiegen die Darstellungen des nachdenklichen Autors, wozu teilweise neben der Mimik des Autors auch tradierte Berufsattribute beitragen: Sieben der 26 Einzelporträts Hesses zeigen ihn als Autor, gekennzeichnet durch das Buch als Attribut. Darunter sind Porträts des lesenden Autors116 sowie ein Gehäusbild.117 Letzteres zeigt Hesse lesend (in einem Brief oder Manuskript) an seinem Schreibtisch, welcher von Papieren übersäht ist, auf denen auch drei seiner signifikanten Nickelbrillen herumliegen. Im Hintergrund verweisen Bücherwände auf die Belesenheit des Autors. Zwei geschickt gewählte Briefzitate, von denen eines ausführlicher zitiert sei, rücken die abgeschiedene Tätigkeit des Autors in einen Zusammenhang mit der Außenwelt:
113 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild, S. 102–103, 120–121, 116–117. 114 Vgl. ebd., S. 111. 115 Vgl. ebd., S. 156. 116 Vgl. ebd., S. 71, 94, 132, 160. 117 Ebd., S. 204.
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Der Künstler bezahlt etwaige Mängel des sozialen Verhaltens durch sein Werk. Was er dem Werk zum Opfer bringt, und das ist meistens unendlich viel mehr, als was der brave Durchschnittsbürger zu opfern fähig wäre, das kommt allen zugute.118
Die Kombination von Zitat und Fotografie rückt die Autorschaft Hesses in eine lange Tradition der weltabgewandten geistigen Tätigkeit, die dennoch auf die Welt gerichtet bleibt, an deren Anfang Walther von der Vogelweide auf einem Stein sitzt. Hesse wird durch dieses Bildprogramm, das nur noch vereinzelte Familien- und Gartenbilder enthält, als intellektueller Autor inszeniert. Dabei verliert sich der private Eindruck durch die Fotografien weitgehend, den die beiden Bände von Zeller vermittelt haben. Verdichtet wird dieses Hesse-Bild durch das Coverfoto des Bandes, das in der paratextuellen Verwendung zu dem einen Hesse-Bild schlechthin bei Suhrkamp eine ikonographische Karriere machen sollte:119
Abb. 28: Hermann Hesse, fotografiert von Gret Widmann (Ausschnitt) (1926) © Suhrkamp
Die Aufnahme stammt aus einer Serie von Porträtaufnahmen der mit Hesse bekannten Berufsfotografin Gret Widmann aus dem Jahr 1926.120 Es zeigt Hesse im Brustbild, der Kopf im Viertelprofil ist dem Betrachter zugewandt, die Augen sind weit geöffnet und direkt auf die Kamera gerichtet. Hesse sieht ebenso ernst wie würdig aus. Die 118 Ebd. 119 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild (C). 120 Vgl. Stark: Bild und Abbild.
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aufrechte Körperhaltung verbindet sich mit der Strenge des Blicks. Die offiziell wirkende bürgerliche Kleidung des Autors unterstützt die würdevolle Anmutung seiner Erscheinung. In diesem Bild verdichtet sich die Intellektualität des Autors.
Abb. 29: Bildverwendung auf dem Cover von Leben und Werk im Bild (1973)
Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten (1979) 1979 gab Michels im Suhrkamp Verlag die bislang umfassendste Bildbiografie zu Hermann Hesse heraus, die mit insgesamt 543 Abbildungen auf 348 Seiten die Vorgänger bei weitem übertrifft. Der Band Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten war als »illustrierte Autobiographie«121 konzipiert, die nach erprobtem Muster
121 Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten (I).
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– allerdings in neuer Ausführlichkeit – Bilder zu Hesses Leben mit Auszügen aus Briefen und literarischen Werken verband.122
Abb. 30: Bildverwendung auf dem Cover von Sein Leben in Bildern und Texten (1979)
Das Cover des Buches ist erneut mit der Porträtaufnahme von Gret Widmann versehen.123 Die Fotografie und der Name des Autors in Versalien sind in einem Rahmen angeordnet und füllen etwa zwei Drittel der Coverfläche aus. Darunter sind in kleinere Schriftgröße weitere Titelangaben angeordnet. Die plakative Verwendung des Namens ist ein Indiz für die Kanonisierung des Autors. Insbesondere der Nachname steht zeichenhaft für die Bedeutung von Person und Werk und ist ein gängiges Merkmal der
122 Vorlage für den Aufbau und die Gestaltung des Bandes war die 1976 bei Suhrkamp erschienene Bildbiografie Sigmund Freud. Sein Leben in Bildern und Texten, die Ernst Freud herausgegeben und Willy Fleckhaus gestaltet hatte. 123 Ebd., (C).
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Fotografische Inszenierung und Kanonisierung
Kanonisierung.124 Genette bezeichnet die plakative Verwendung des Autornamens auf dem Buchcover als »Werbung magischen Typs«; der Verleger »kommt dem Ruhm zuvor, indem er dessen Auswirkungen vortäuscht.«125 Sie ist ein Element der symbolischen Kanonisierungspraxis. Der verdichtete Name des Autors steht auf dem Cover dieser Hesse-Bildbiografie in Verbindung mit einem verdichtenden Porträt, in dem sich die Elemente der Autorinszenierung bündeln. Das Vorwort von Hans Mayer lässt ebenso wenig wie die Nachbemerkungen von Volker Michels und Siegfried Unseld Zweifel daran, dass es sich bei Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten um eine Fortführung der Verortung Hesses in seiner Zeit handelt. »Diese Bilder reichen weit hinaus über den Bereich eines, selbst literarischen, Familienalbums. Sie bedeuten Kulturgeschichte, und damit auch Zeitgeschichte im weitesten Verstande: deutsche wie außerdeutsche.«126 Mayer entwirft ein Bild von Hesse nicht als »Einsiedler« und »Spätromantiker«, sondern als »spezifisch moderner Schriftsteller«127. Im Ringen um das richtige Hesse-Bild misst Mayer den Abbildungen des Bandes die Schiedsrichter-Rolle zu: »Bilder von Hermann Hesse: das meint schließlich auch jene Bilder, die der Betrachtende von Hermann Hesse gehabt hat oder zu haben glaubte. Hier kann er sie mit einer objektiven Bilderwelt vergleichen.«128 In bemerkenswertem Positivismus werden die versammelten Bilder aus Hesses Leben mit der Wirklichkeit gleichgesetzt – durch die Bilder werde also nicht ein mögliches Hesse-Bild unter vielen konstruiert, sondern das einzig mögliche. Dieser Anspruch, der bereits von den Herausgebern der Goethe-Bildbände formuliert worden war, hat sich durch die Fotografie als dominierendes Bildmedium noch gefestigt. Untermauert wird er von der schieren Lückenlosigkeit des verwendeten Bildmaterials. Aus privaten Fotoalben und öffentlichen Archiven wurde neues Material zu Hesse ausgewählt, ausgewertet und mit dem bereits bekannten verbunden.129 Eine neue Motivgruppen bilden offizielle Dokumente zu Hesses Leben, etwa die Abbildung der Eintragung seines Namens in das Taufbuch von Calw oder Hesses Einbürgerungsantrag in die Schweiz.130 Ergänzt werden diese Dokumente durch weitere Quellen, die 124 Das Cover der 1987 erschienenen Taschenbuchausgabe der Bildbiografie enthält nur noch den Nachnamen »HESSE« in Versalien. Darin spitzt sich die Symbolik des Nachnamens nach einmal zu. Dieses Prinzip ist typisch für die Covergestaltung der Bildbiografien bei Insel und findet sich etwa auch bei der Goethe-Bildbiografie von 1982 und bei der Brecht-Bildbiografie von 1988. Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten (it 1111), Frankfurt a. M.: Insel 1987 (C); Christoph Michel (Hrsg.): Goethe. Sein Leben in Bildern und Texten, Frankfurt a. M.: Insel 1982 (C); Werner Hecht (Hrsg.): Bertolt Brecht. Sein Leben in Bildern und Texten (it 1122), Frankfurt a. M.: Insel 1988 (C). 125 Genette: Paratexte, S. 43. 126 Hans Mayer: Bilder von Hermann Hesse. In: Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, hrsg. v. Michels, S. 6–9, hier: S. 7. 127 Ebd., S. 7–8. 128 Ebd., S. 9. 129 Vgl. ebd. S. 365. 130 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, S. 18–19 u. 211.
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zu einer allgemeinen Dokumentation der Zeitläufte herangezogen werden, beispielsweise Porträts von Adolf Hitler und Josef Stalin.131 Diese wurden in Kommentaren mit Zitaten Hesses zu den politischen Entwicklungen seiner Zeit verbunden. Damit gelang die Anbindung Hesses an seine Zeit. Neues Material erweitert auch die Motivgruppen, die bereits in den vorangegangenen Bänden eine zentrale Rolle gespielt haben: die Porträts von Hesse, seinen Angehörigen, Freunden und Bekannten, die historischen Aufnahmen von Orten, Landschaften und Häusern, die Abbildungen von Manuskripten, Büchern, Zeitschriften. Hinzu kommen nun Dokumente aus der Rezeptionsgeschichte des Autors, selbst das Spiegel-Cover von 1958 »In der Gartenlaube« ist enthalten.132 Mit der Aufnahme von Zeugnissen der kritischen Rezeption wurde darauf verzichtet, ein idealisiertes Hesse-Bild zu zeichnen. Auch einige Aquarelle Hesses sind wieder aufgenommen worden und stellen – wie schon in der Chronik in Bildern – die einzige farbig reproduzierte Motive dar. Erstmals sind die Bilder und Texte nicht mehr anhand von biografisch relevanten Orten gegliedert; die politische Geschichte dient zumindest als Orientierungsrahmen für Kapitelüberschriften wie »Wahlheimat Schweiz und Erster Weltkrieg« und »Zwischen den Fronten«.133 Davon werden in einem eigenen Kapitel »Bilder aus dem Privatleben«134 abgegrenzt. Darin sind die bekannten Gartenbilder und Privataufnahen Martin Hesses enthalten. Durch die separierte Anordnung dieser Aufnahmen wird eine private Dimension eröffnet, die neben der zeit- und kulturgeschichtlichen besteht, diese also keineswegs ausschließt. Indem alle verfügbaren Arten von Porträts Aufnahme in den Band fanden, wurde die physiognomische Entwicklung der Autorperson ebenso umfassend dokumentiert wie die Stationen seines Lebens. Darunter ist die seinerzeit von Hesse zurückgehaltene Aufnahme des Décadents mit Zigarre ebenso wie Fotografien des Familienvaters Hesse beim Nacktbaden mit seinem Sohn135. Auch Bilder, die den Autor beim Nacktklettern im Gebirge zeigen, wurden nicht ausgespart. Zwei solcher Aufnahmen sind auf einer Doppelseite mit einem Auszug aus In den Felsen. Notizen eines Naturmenschen kommentiert, in denen es heißt »Ich lebe nackt und aufmerksam wie ein Hirsch.«136 Der esoterische Eindruck wird von einer weiteren Abbildung auf derselben Doppelseite kontrastiert: ein Porträt des Autors aus Kürschners Literaturkalender, das einen vollständig bekleideten Hermann Hesse im bürgerlichen Anzug zeigt, der ernst in die Kamera blickt. Auf diese Weise werden die Facetten der Autorfigur nebenein-
131 Vgl. ebd. S. 252 132 Vgl. ebd., S. 338. 133 Vgl. ebd., S. 5. 134 Vgl. ebd., S. 288–309. 135 Vgl. ebd., S. 95 u. 86–87. 136 Ebd., S. 111.
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andergestellt, ohne dass eine allein zur Konstruktion des Autorbildes herangezogen würde. Diese wurde damit vielmehr zur Aufgabe des Betrachters. Unter den Bildern des Autors finden sich ferner auch solche, die ihn bei der Gartenarbeit zeigen sowie solche, die für seine Intellektualität stehen. Auf einer Doppelseite sind Fotografien des rauchenden Autors angeordnet,137 die dem erweiterten Fundus der Autorikonografie zugerechnet werden können. Der genüsslich rauchende Autor wird hier erstmals gezeigt, was einen Bruch mit dem Bild des asketischen Eremiten bedeutet und für die Inszenierung Hesses im verlegerischen Paratext noch bedeutsam sein wird.138 Eine neue Motivgruppe sind Fotografien von Objekten aus dem Besitz des Autors: Die Schreibmaschine Hesses beispielsweise wird auf einer Doppelseite prominent ins Bild gesetzt und unter anderem mit einem Vierzeiler des Autors kommentiert: Unter andern herrlichen Trophäen In des Volksmuseums Heiligtum Sieht man seine Schreibmaschine stehen, Sonntags viel bestaunt vom Publikum.139
Die von Hesse anlässlich seiner Wahl in die Preußische Akademie der Künste vorab ironisierte Verehrung des Autors durch die Aura von Objekten, die zu Devotionalien werden, findet hier Eingang in das Bildprogramm zur Erinnerung an den Autor. Derartige Objekte sind auch eine Brille aus dem Besitz des Autors, sein Aquarellfarbkasten und sein Malstühlchen.140 Sie symbolisieren Hesses Künstlertum und verdichten die Aura des Autors in einer materiellen Form. Durch die intensive Benutzung, die ihnen teilweise anzusehen ist, werden aus diesen seriell produzierten Gebrauchsgegenständen Originale, die vom Schöpfertum ihres einstigen Besitzers zeugen. Damit wird nicht nur am Bild Hesses als intellektueller und moderner Autor gearbeitet, diese Verknappung der Autorikonografie auf Objekte prägt auch die Darstellung des Autors als Klassiker – ähnlich wie die Verknappung des Autornamens auf dem Buchcover im Titel. Hesses Objekte werden als Relikte inszeniert, was auf den Autor zurückwirkt und eine bildliche Kanonisierungsstrategie darstellt. Damit vergleichbar ist auch die Funktion der Interieur-Aufnahmen. Erstmals sind hier nicht nur Aufnahmen von Hesse in seinen Wohnräumen enthalten, die Privaträume des Autors werden auch in seiner Abwesenheit gezeigt.141 Dahinter steht zumindest die Frage nach dem genius loci, nach der Fassbarkeit des künstlerischen Genius am Ort seines Wirkens. Absolut ist die physische Abwesenheit des Autors in einer Aufnahme mit der Bildunterschrift »Das Schlaf- und Sterbezimmer Hermann 137 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, S. 305–307. 138 Siehe: 5.3.1 Ikonografie des Klassikers 139 Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, S. 301. 140 Vgl. ebd., S. 194–195 u. 335. 141 Vgl. ebd., S. 267, 296, 310.
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Hesses, aufgenommen nach seinem Tode.«142 Dieses Motiv ist auch in den GoetheBildbänden regelmäßig enthalten und zählt zum erweiterten Motivrepertoire des kanonisierten Autors. Die Gedenkorte werden musealisiert und fotografiert, wobei die Aura des Ortes freilich zur Medialität der Fotografie in ein sonderbares Kontrastverhältnis gerät, indem die Aura des Gedenkortes in der Reproduzierbarkeit des technischen Mediums aufgeht. In der Kombination der verschiedenen Motive und Dokumente entsteht ein umfassendes Bild des Autors. Im Gegensatz zu den zuvor erschienen Bildbiografien enthält sich dieser Band der Inszenierung eines eindeutigen Autorbildes gerade durch den Versuch, alle Facetten abzubilden.
Hermann Hesse. Vom Wert des Alters (2007) Als »Themenband«143 bezeichnet der Herausgeber Volker Michels in seinem Nachwort den 2007 erschienen Titel Hermann Hesse. Vom Wert des Alters. Als Bildbiografie ist der Band insofern nicht zu werten, als er nicht der üblichen biografischen Erzählfolge entsprechend mit der Herkunft oder Kindheit des Autors einsetzt, sondern nur Bilder und Texte Hesses ab 1931 bis zu seinem Tod enthält. Thema des Bandes ist das Alter des Autors, eine Lebensphase von dreißig Jahren, die mit Montagnola als Lebensort verbunden ist, denn sie setzt ein mit dem Bezug eines eigenen Hauses in dem Tessiner Bergdorf.144 Dennoch ist Vom Wert des Alters als thematisch begrenzte Bildbiografie zu verstehen, die nach gewohntem Prinzip Bilder und autobiografische, aber auch fiktionale Texte, miteinander kombiniert, um eine biografische Lesart der Texte des Autors zu befördern – im Klappentext heißt es: »Die Übereinstimmung von Bildern und Texten belegt einmal mehr die überzeugende Entsprechung von Hesses Leben und Werk.«145 Einerseits ist der Band als literarische Auseinandersetzung mit dem Alter an sich zu verstehen, andererseits wird der letzte Lebensabschnitt dieses Autors dabei dokumentiert, wobei ein spezifisches Autorbild geprägt wird. Anspruch des Bandes ist es durchaus auch, einen Beitrag zur Erinnerung an den Autor zu leisten: »Dem Erinnern und Bewahren im Bild dient auch dieser Band.«146 Der Herausgeber hebt in seinem Nachwort den »unschätzbaren dokumentarischen Wert«147 der Aufnahmen hervor: »Denn sie vergegenwärtigen das Authentische, das mittlerweile verlorengegangen und unzugänglich geworden ist.«148 142 Vgl. ebd., S. 334. 143 Volker Michels: Nachwort. In: Hermann Hesse: Vom Wert des Alters. Mit Fotografien des Dichters von Martin Hesse u. a., hrsg. v. dems., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007, S. 265–277, hier: S. 267. 144 Vgl. ebd., S. 270. 145 Hesse: Vom Wert des Alters. (vUK). 146 Michels: Nachwort, S. 277. 147 Ebd., S. 275. 148 Ebd.
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Das Verhältnis von Text und Bild unterscheidet sich von den vorangegangenen Bildbiografien deutlich: Auf 277 Seiten sind nur 149 Fotografien enthalten. Text und Bild sind nicht mehr so eng miteinander verschränkt, sie wechseln sich ab und verbinden sich zu einer Annäherung an das Thema Alter aus ikonischer und literarischer Perspektive. Der Eindruck einer Gleichwertigkeit von Text und Bild wird auch mit Hilfe des Layouts erzeugt, denn die Texte sind erstmals in einer Lesetypographie gesetzt. Die Bilder sind teilweise ganzseitig zwischen den Texten – wobei mitunter auch mehrere aufeinander folgende Seiten reine Bildseiten sind –, teilweise am Seitenrand angeordnet. Der Band macht insgesamt einen weniger überladenen Eindruck, wodurch Bilder und Texte besser zur Geltung kommen. Im Gegensatz zu den bisherigen Bildbiografien zu Hermann Hesse enthält Vom Wert des Alters bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich Fotografien von Martin Hesse, der als »Poet der Kamera«149 im Klappentext vorgestellt wird. Dokumentarisches Material fehlt darin ebenso wie Porträts von anderen Personen. Ergänzt werden die Fotografien durch einzelne Handschriften und Zeichnungen. Die Bildsprache des Klassikers wird dabei auf Porträtaufnahmen des Autors sowie Landschafts- und Interieuraufnahmen begrenzt. Drei Autorfiguren zeigen die Porträts: Hesse als Schriftsteller in den Aufnahmen des lesenden, nachdenkenden und schreibenden Autors, die meist in seinen Arbeitsräumen entstanden sind, Hesse als Familienmensch mit Frau, Kindern und Enkeln und Hesse als Gärtner bei verschiedensten Gartenarbeiten. Das Nebeneinander dieser Rollen wird zum Lebensprinzip des Autors erklärt. Durch die Privatheit der Aufnahmen ähnelt der Band Bernhard Zellers Besuch bei Hermann Hesse von 1957. Die Bildinszenierung des Autors basiert auf der Intimität und Ungestelltheit der Aufnahmen von Hesses Sohn. Das betont auch der Herausgeber in seinem Nachwort: »Das Klima des Vertrauens zu seinen Angehörigen und Freunden erlaubte auch dem Auge der Kamera zwanglose und ungestellte Einblicke, sowohl in den Alltag Hermann Hesses, als auch die unterschiedlichsten Stimmungslagen [...].«150 Die Entstehungssituation der Bilder wird nachträglich zum Garant des Uninszenierten stilisiert. Anstelle der offiziellen Aufnahmen Hesses, bei denen die Selbstinszenierung des Autors offensichtlicher ist, wird das posthume Bild des Autors aus ungezwungenen Aufnahmen konstruiert, wobei Hesse allerdings bereits zu Lebzeiten in die Publikation einiger Aufnahmen von Martin Hesse eingewilligt hatte und damit diese Aufnahmen zumindest als nachträgliche Selbstinszenierung gelten können. Drei Autorenfotos auf dem Cover von Vom Wert des Alters repräsentieren diese ikonische Verdichtung des Autorbildes:151 Im Mittelpunkt des Covers sind drei Fotografien nebeneinander angeordnet, die zusammen etwa die Hälfte des Covers bedecken. Links im Bild ist Hesse im Hüftstück, entspannt auf einem Sofa sitzend im 149 Vgl. Hesse: Vom Wert des Alters. (vUK). 150 Michels: Nachwort, S. 274. 151 Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/cover/pdf/41945_Hesse_Foto_U1.pdf (29.05.2014).
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Dreiviertelprofil zu erkennen, daneben eine kleinere Aufnahme des Autors mit seiner Enkelin und ein Kopfbild, das sein Gesicht frontal zeigt. Immer lächelt er ein mildes Alterslächeln und immer ist sein Blick an der Kamera vorbei gerichtet, als sei sie dem Autor nicht gegenwärtig gewesen. Das Autorbild, das auf diese Weise konstruiert wird, ist das des weisen alten Dichters. Als solches ist es auch programmatisch für die Bildverwendung im verlegerischen Paratext, in dem Bilder des alten Autors bevorzugt werden. Die Publikationsgeschichte der Bildbiografien Hermann Hesses bei Suhrkamp und Insel zeugt von der Inszenierung des Autors als Klassiker. Die Bildbiografien erscheinen in der Nachfolge der Goethe-Bildbände, insbesondere in der von Kippenbergs Goethe und seine Welt von 1932, und knüpfen damit an die Formen der Bildverwendung im Rahmen des kulturellen (Dichter-)Gedächtnisses an, wobei die (umstrittene) Kanonizität des Autors suggeriert wird. Die vorwiegend fotografischen Abbildungen der Bände verändern jedoch die medientheoretischen Implikationen der Bildsprache des Klassikers hin zu einer Inszenierung von Präsenz. Dadurch ermöglichen die Bildbiografien auch eine Inszenierung des oft belächelten Autors als politischen Zeitgenossen und intellektuelle Größe, die dem klischeehaften Bild von Hesse als Gärtner geschickt entgegen gesetzt wird. Die authentisch anmutende Darstellung mehrerer Facetten eines Autorbildes nebeneinander macht die Bildbiografie zu einem wertvollen Mittel der Inszenierung des Autors, das zugleich als Medium des kulturellen Gedächtnisses als Beitrag zu Kanonisierung eingesetzt wird.
5.2.4 Auratisierung des Profanen: Bildbiografien zu Franz Kafka von Klaus Wagenbach und Hartmut Binder Franz Kafkas Platz im Kanon ist unbestritten und wird von allen Kanoninstanzen gestützt – im Gegensatz zu dem Hermann Hesses. Die Bildbiografien zu Franz Kafka stehen deswegen weniger in dem Verdacht, eine symbolische Zuweisung des Autors in den Kreis der Klassiker vornehmen zu wollen. Die beiden wichtigsten Bildbiografien zu Franz Kafka erschienen nicht in dem Verlag, der seine Werke bis zu deren Gemeinfreiwerden allein verlegte, nämlich dem S. Fischer Verlag, und rücken damit aus dem Kontext der editorischen Kanonisierungspraktiken heraus. Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben von Klaus Wagenbach (erstmals 1983 erschienen) und Kafkas Welt. Eine Lebenschronik in Bildern von Hartmut Binder (2008) sind als unabhängige Publikationen zu Kafka zu werten, auch wenn beide Autoren bereits mit zahlreichen Titeln zu Franz Kafka in Erscheinung getreten sind, darunter eine gemeinsame Edition der Briefe an Ottla und die Familie von Franz Kafka.152 Dahinter, so darf vermutet werden, steht ein anderes Interesse an den Bildern des Autors. 152 Vgl. Franz Kafka: Briefe an Ottla und die Familie. Hrsg. v. Hartmut Binder und Klaus Wagenbach, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1974.
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Kafkas Bildbiografien unterscheiden sich von denen anderer Autoren durch das zugrunde liegende Bildmaterial, denn von Kafka sind keine expliziten Autorenfotos bekannt und überliefert. Zu Lebzeiten erschien keine einzige Fotografie des Autors im öffentlichen Paratext. Die erste Fotografie Kafkas in einem Verlagsprospekt wurde erst 1927 verwendet, drei Jahre nach seinem Tod.153 Die nicht eben zahlreichen überlieferten Porträtfotografien des Autors verbindet, dass sie allesamt keine Inszenierung des Autors für ein anonymes Lesepublikum beinhalten: Es handelt sich um mehr oder minder offizielle Aufnahmen, wie Passbilder und Familienfotos, die zu repräsentativen Anlässen in Prager Ateliers angefertigt wurden. Daneben sind auch private Amateuraufnahmen und Schnappschüsse, die häufig auf Reisen entstanden sind, erhalten. Durch diese Quellenlage unterscheiden sich die Kafka-Bildbiografien grundlegend von denen der anderen Beispielautoren, weshalb zu klären ist, wie sich diese Voraussetzungen auf die Bildsprache des Autors und ihre Funktionsweise auswirken.
Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben (2008) Der Verleger und Autor Klaus Wagenbach bezeichnet sich als »Kafkas dienstälteste lebende Witwe«154 und führt diesen Titel mit der Berechtigung eines Sammlers in Sachen Kafka, dessen Passion bereits in den 1950er Jahren begann. Daraus sind bis heute mehrere biografische Titel zu Kafka hervorgegangen sowie eine Bildbiografie, die inzwischen in der dritten, erweiterten Auflage vorliegt.155 Wagenbachs Sammlung von Kafka-Fotografien und Dokumenten kann zugleich als Ausgangspunkt für die Zirkulation vieler Bilder Kafkas in verschiedensten Kontexten gelten. Für die Verwaltung der Bildrechte des Klaus Wagenbach Archivs wurde inzwischen eine eigene Webseite eingerichtet.156 Im Vorwort zur dritten Auflage von Bilder aus seinem Leben schildert Wagenbach den Beginn seiner Sammlung und den Impuls dazu: Mit dieser Sammlung von Fotos zu Kafkas Leben habe ich etwa 1950 begonnen, aus Unzufriedenheit mit der Fülle der Interpretationen, die sich um so spekulativer gebärden konnten, je unbekannter die historischen, sprachlichen und persönlichen Umstände blieben, unter denen Kafkas Werk entstand.157 153 Siehe: 4.3.3 Das Bild des Autors als Visualisierung des Werkes – Verwendungspraxis in Verlagsprospekten und Anzeigen bis 1945 154 Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben (hUK). 155 Vgl. Klaus Wagenbach: Franz Kafka. Eine Biographie seiner Jugend 1883–1912, Bern: Francke 1958; Ders.: Franz Kafka in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. (rowohlts monographien 91), Reinbek: Rowohlt 1964; Ders.: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, Berlin: Klaus Wagenbach 1983; Ders.: Kafkas Prag. Ein Reiselesebuch (Salto 42), Berlin: Klaus Wagenbach 1993. (Genannt sind jeweils die Erstauflagen, alle Titel werden bis in die Gegenwart in überarbeiteten Fassungen neu aufgelegt.) 156 Vgl. Klaus Wagenbach Archiv, Homepage. URL: http://www.kafka-bilder.de, [29.03.2012]. 157 Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 7.
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Ausgangspunkt bildet also die Suche nach der ›richtigen‹ Interpretation, gepaart mit dem Ärger über vermeintlich falsche Interpretationen. Der Impuls geht von den Texten des Autors aus, deren Offenheit für Interpretationen aller Art Wagenbach nach den realistischen Hintergründen ihrer Entstehung suchen lässt. Er möchte den Autor räumlich und zeitlich verorten.158 Das Prinzip ist die biografische Methode. Gegen ihn sperrt sich jedoch die Tatsache, dass Kafkas Texte (anders etwa als die Hermann Hesses) häufig nicht eindeutig auf persönliche Erlebnisse des Autors zurückgeführt werden können. Dadurch erscheint es umso fraglicher, dass die richtige Interpretation in den Bildern des Autors zu finden sein sollte. Öffentlich präsentierte Wagenbach seine Sammlung erstmals 1966 im Rahmen einer Kafka-Ausstellung an der Berliner Akademie der Künste, die parallel zu einem Kafka-Kolloquium stattfand. Die Ausstellung ist durch einen Katalog dokumentiert, der zugleich den ersten Kafka-Bildband darstellt und eine Auswahl der Exponate in biografischer Anordnung beinhaltet.159 Dieser erste Bildband entstammt durch die Ausstellung unmittelbar dem Kontext der Medien des kulturellen Gedächtnisses. Auch hier geht die Ausstellung der Bilder (und anderer Dokumente) als Form der Erinnerung und Würdigung des Autors ihrer Publikation im Rahmen von Bildbänden und Bildbiografien voraus. Der Band enthält 115 Abbildungen, die sich aus fotografischen (und einzelnen gezeichneten) Porträts von Kafka und seiner Familie sowie Aufnahmen von Schauplätzen seines Lebens und Reproduktionen offizieller Dokumente zusammensetzen. Der Textanteil ist gering. Im Bildteil bestehen die Texte lediglich aus knapp formulierten Bildkommentaren, die Ort und teilweise Zeitpunkt der Aufnahme identifizieren und häufig eine Verknüpfung mit Kafkas Biografie herstellen. So werden etwa Außenansichten der Wohnhäuser des Autors mit der Entstehung von Texten verbunden: »Haus in der Bilekgasse; hier entstand (1914) der ›Prozeß‹«160. Durch dieses Konnotationsverfahren wird die an sich nichtssagende Fassade eines Stadthauses mit dem Wissen um Autor und Text konnotiert und erhält dabei Relevanz für die Genese des Werkes und die Biografie seines Autors. Der interpretatorische Eifer Wagenbachs ist hier deutlicher zu erkennen als bei den nachfolgenden Bildbiographien, wenn er etwa meint, in dem böhmischen Dorf Wossek »topographisches und atmosphärisches Material zum Roman ›Das Schloß‹«161 gefunden zu haben und mehrere Fotografien des dortigen Schlosses zeigt.162 Die 1983 erstmals erschienene Bildbiografie Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben veranschaulicht das Anwachsen von Wagenbachs Kafka-Sammlung eindrücklich und 158 Vgl. ebd. 159 Akademie der Künste (Hrsg.): Franz Kafka 1883–1924. Manuskripte Erstdrucke Dokumente Photographien, mit Texten von Klaus Wagenbach (Ausstellungskatalog), Berlin: Akademie der Künste 1966. 160 Ebd., S. 71–72. 161 Ebd., S. 96. 162 Vgl. ebd. S. 96–98.
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liefert dabei eine Antwort auf die Frage, was sich vom Leben eines Autors zeigen lässt, der erst posthum zum Gegenstand öffentlichen Interesses wurde. In der erweiterten dritten Auflage von 2008, die für die Untersuchung herangezogen wird, enthält das Buch 696 Abbildungen – etwa sechsmal so viele wie der Ausstellungs-Bildband von 1966. Nur ansatzweise ist das Anwachsen der Bilder durch weitere Funde von Autorenfotos oder Dokumenten zu erklären, die dem engeren Motivkreis der Bildsprache des Klassikers entstammen. Zwar sind einige weitere Porträts des Autors und seiner Angehörigen sowie seiner Weggefährten enthalten, daneben auch Dokumente, die vom Leben Kafkas zeugen, Handschriften und Bücher, einige Zeichnungen sowie Abbildungen von Objekten aus Kafkas Besitz. Das Gros der Bilder besteht jedoch aus vorwiegend zeitgenössischen Ansichten von Orten, die Kafka nachweislich gekannt hat. Dadurch entsteht eine atmosphärische Rekonstruktion seiner Lebenswelt, welche die Bilder aus seinem Leben ergänzt. Wagenbach erklärt im Vorwort das »Prinzip der Zeitgleichheit«163 zum entscheidenden Kriterium bei der Auswahl des Bildmaterials: Es mußte also versucht werden, Ort und Zeit miteinander in Übereinstimmung zu bringen: Abbildungen von Häusern in der Zeit, in der Kafka in ihnen wohnte; Aufnahmen von Personen in dem Alter, in dem sie Kafka begegneten; Fotos von Orten aus den Jahren, in denen Kafka sie besuchte.164
Damit verbunden ist eine »Erweiterung des üblichen literaturhistorischen Blickwinkels auf das sogenannte Alltägliche«165, die sich in der akribischen Rekonstruktion von Alltagsdetails niederschlägt. Die Biografie des Autors strukturiert die Anordnung des Bildmaterials. Die literarischen Texte, deren Interpretation den Ausgangspunkt von Wagenbachs Interesse bildete, rücken nun in den Hintergrund. Wagenbach formuliert zwei Lesarten der Bildbiografie: »Als Aneignung der (optisch fassbaren) Einzelheiten aus dem Leben eines bedeutenden Prager Schriftstellers zwischen den Jahren 1883 und 1924. Oder als Blick auf die Distanz zwischen materialem Hintergrund und literarischer Formulierung.«166 Das schließt eine Gleichsetzung von äußerer Ansicht des Autorlebens und literarischem Text aus und rückt erlebte und erzählte Welt in ein Spannungsverhältnis. Der Chronologie des Lebenslaufs folgt die Kapiteleinteilung weitgehend; sie beginnt mit »Kindheit, Familie« und endet mit »Die letzten Jahre«.167 Die teils ausführlichen Texte lenken den Bildzugang über die Biografie des Autors. Auf eine dreiseitige Auflistung von »Lebensdaten« zu Beginn des Buches168 folgen insgesamt neun Kapitel, die jeweils von einem biografischen Text eingeleitet werden, dem meist eine 163 Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 7. 164 Ebd. 165 Ebd. 166 Ebd. 167 Vgl. ebd., S. 15–34 u. 221–249. 168 Vgl. ebd., S. 12–14.
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Porträtaufnahme des Autors aus der entsprechenden Phase auf der dem Text gegenüberliegenden Seite ganzseitig vorangestellt ist. Die Bildunterschriften sind knapp und in sachlichem Ton gehalten. Direkte Zitate aus Werken und Briefen sind selten, häufig wird jedoch auf sie verwiesen, wodurch der Text im Hintergrund präsent bleibt. 353 der insgesamt 696 Abbildungen sind Ortsansichten: Wohnhäuser, Straßenzüge, Fabriken, Sehenswürdigkeiten, Sanatorien, Büros, Kaffeehäuser und Produktionshallen, die Franz Kafka gekannt hat. Manche von ihnen hat er jahrelang täglich gesehen, was auf die Aufnahmen von Kafkas Heimatstadt Prag zutrifft, denen ein eigenes Kapitel gewidmet ist.169 Andere besuchte er auf Ausflügen und Reisen oder zu Kuraufenthalten. All diese Orte, seien sie mit Kafkas beruflichem oder privatem Leben verbunden, erscheinen als Schauplätze des zeitgenössischen Lebens. Dies ermöglicht die Fotografie, indem sie Ansichten des Lebens einfängt und konserviert. So sind diese Ortsansichten häufig bevölkert von Spaziergängern, Marktfrauen, Limonadenverkäufern, Automobilisten, Sommerfrischlern, Telefonistinnen, Fabrikarbeitern und Nacktturnern und geben damit einen anschaulichen Eindruck alltäglicher Szenen. Im Gegensatz dazu sind die Ortsansichten der Goethebildbände oft menschenleer und bieten nur eine räumliche Wiedergabe. Die Fotografie verknüpft den Ort mit der Gegenwart des Geschehens und liefert damit einen fassbaren Eindruck der Zeit, die Kafka gekannt hat. Die Abbildungen sind nahezu ausschließlich – dem Prinzip der Zeitgleichheit entsprechend – zeitgenössische Fotografien. Gelegentlich handelt es sich um fotografische Ansichtskarten; die Bildpostkarte war zu Kafkas Lebzeit ein verbreitetes und beliebtes Kommunikationsmedium.170 Auch Kafka selbst machte von ihr rege Gebrauch, wovon die insgesamt 20 in dem Band enthaltenen Ansichtskarten zeugen, die er an Angehörige und Freunde verschickte. Als Bilddokumente haben sie den besonderen Effekt der Authentizitätssteigerung. Sie fungieren als Belege für die tatsächliche Verbindung Kafkas mit den abgebildeten Orten und zeigen eine von ihm selbst ausgewählte Ansicht des Ortes. Eine Ansicht, die ihm zumindest in der fotografischen Reproduktion bekannt war, was von den nachträglich ausgewählten zeitgenössischen Fotografien nicht immer belegt werden kann. Gesteigert wird dieser Effekt in den Fällen, wo der Autor auch die Vorderseite der Postkarten als Schreibfläche ausnutzte – damals eine verbreitete Praxis. Die serialisierte Postkartenansicht wird dann durch die Handschrift des Autors auratisiert. Die Text-Bruchstücke – der Text auf der Vorderseite ist meist die Fortsetzung der Rückseite, die für gewöhnlich nicht abgebildet oder zitiert wird – erscheinen als Fragmente aus Kafkas Wahrnehmungen, Erlebnissen und Befindlichkeiten an den abgebildeten Orten und zeigen, da sie sich nicht auf die abgebildete Ansicht direkt beziehen, gleichzeitig die Distanz 169 Vgl. ebd., S. 67–104. 170 Vgl. Faulstich: Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter, S. 167–182; Ludwig Hoerner: Zur Geschichte der fotografischen Ansichtskarte. In: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, 7. Jg. (1987), Nr. 26, S, 29–44.
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zwischen (literarischem) Text und äußerer Lebenswirklichkeit auf. Zum Beispiel eine Ansichtskarte vom 25. Februar 1911, die an Kafkas Schwester Ottla adressiert ist und den Marktplatz der Stadt Kratzau zeigt, die Kafka dienstlich besuchte. Im Bildhimmel über der Stadtansicht ist in Kafkas Handschrift zu lesen: verschweinert. Dann setzte sich die Kellnerin zu mir und wir sprachen von des »Meeres und der Liebe Wellen« zu denen abends wir zu gehn unabhängig von einander uns entschlossen hatten. Es ist ein trauriges Stück.171
Eine Verbindung zu den abgebildeten Häusern weisen diese Zeilen nicht auf, im Gegensatz zu ihnen gewähren sie jedoch einen flüchtigen Einblick in Kafkas Reisealltag – ein kurzes Aufflackern der Nähe zum Autor in einer von äußeren Ansichten dominierten Bildauswahl. Diese Nähe zum Autor, die das Bildprogramm meist eher indirekt herstellt, wird natürlich auch von seinen Porträts evoziert. Insgesamt nur 35 Porträtaufnahmen Franz Kafkas enthält die Bildbiografie Bilder aus seinem Leben. Auch wenn sie die einzelnen Kapitel wie erwähnt einleiten und häufig ganzseitig oder zumindest großformatig reproduziert werden, verschwinden sie insgesamt beinahe in der Vielzahl von Stadtansichten, Verwandtenporträts und Dokumenten. Trotz des eher marginalen Eindrucks, den die Porträts im Rahmen der Bildbiografie leisten, werden sie im Folgenden näher untersucht. Dabei wird der Entstehungskontext der Aufnahmen herausgearbeitet, die zusammengenommen die Grundlage der Kafka-Ikonografie bilden, welche für den verlegerischen Paratext noch einmal von Belang sein wird. Die 35 Porträts von Franz Kafka lassen sich, ihren Entstehungssituationen gemäß, in zwei Gruppen einteilen: Offizielle und private Porträts. Im Hinblick auf die Ikonographie des Autors unterscheiden sich beide Gruppen gravierend voneinander, was zur Konstruktion unterschiedlicher Autorbilder führt. Zu den offiziellen Aufnahmen zählen repräsentative Kinderbilder im Atelier172 sowie eine Reihe von Passfotos, die Kafka für seine Personalunterlagen bei der Arbeiter-Unfall-Versicherung oder seinen Reisepass anfertigen ließ. Dazu zählt ferner das in Budapest entstandene sogenannten Verlobungsbild mit Felice Bauer, je eine Porträtaufnahme zur Zeit des Abiturs (Abiturbild) und der Promotion sowie das sogenannte Berliner Bild – das letzte Porträt von Kafka, entstanden 1923 im Atelier des Berliner Kaufhauses Wertheim. Viele Aufnahmen dieser Kategorie sind weit verbreitet und haben an einem klischeehaften Kafka-Bild mitgewirkt. Sie sind auf
171 Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 149. (Vgl. den vollständigen Text der Postkarte in: Franz Kafka: Briefe an Ottla und die Familie. Hrsg. v. Hartmut Binder u. Klaus Wagenbach, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2011, S. 14–15.) 172 Vgl. zu den Kinderbildern Franz Kafkas: Benjamin: Kleine Geschichte der Photographie, S. 54– 55; Stiegler: Doppelt belichtet, S. 605.
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Buchumschlägen,173 Plakaten, in Schulbüchern und literaturgeschichtlichen Werken, auf Postkarten und T-Shirts reproduziert worden. Beispielhaft für diese erste Gruppe mögen das Promotionsbild und das Berliner Porträt stehen:174 Das erstgenannte entstand laut Bildunterschrift etwa zur Zeit der Promotion, 1906.175 Kafka war damals circa dreiundzwanzig Jahre alt. Das Bild ist ein Kniestück, das die stehende Figur des jungen Mannes vermutlich in einem Atelier zeigt. Die Arme sind vor der Brust verschränkt. Er trägt einen einfachen Anzug, dazu ein Hemd mit hohem Stehkragen. Die Frisur ist akribisch gescheitelt und das Haar eng an den Kopf angelegt – Indizien der Anpassung an bürgerliche Normen. Der Eindruck des Gesichts wird von den großen, weit geöffneten Augen bestimmt, deren Blick nicht in die Kamera gerichtet ist, sondern darüber hinaus. Der Gesichtsausdruck ist neutral und verrät keine Emotion. Das Berliner Porträt von 1923 zeigt Kafka im Alter von etwa vierzig Jahren. Es ist ein Brustbild, das Anzug und Krawatte in den Bildausschnitt mit einschließt. Das Haar ist wieder zurückgekämmt und liegt eng am Kopf an. Das Gesicht des Autors wirkt weniger gealtert als vielmehr eingefallen und strahlt eine ungläubige Verlorenheit aus. Dieser Eindruck wird indirekt konnotiert durch die Lebensdaten des Autors; Kafka starb im Frühjahr 1924, ein halbes Jahr nach der Aufnahme dieses letzten Porträts. Auch hier geht die Bildwirkung von den Augen des Autors aus, deren Blick dieses Mal direkt in die Kamera gerichtet ist und sorgenvoller und eindringlicher wirkt. Beide Porträts können Zeugnisse der bürgerlichen Angepasstheit Kafkas abgeben (auch wenn Wagenbach darauf hinweist, dass Kafkas relativ früher Verzicht auf den sogenannten Vatermörder – den hohen Stehkragen – sich als modische Abweichung deuten lasse, die Kafkas Verzicht auf eine bürgerliche Karriere visualisierte176). Kleidung und Frisur machen einen konventionellen Eindruck und wirken keineswegs exzentrisch. Was abweicht und sich als punctum im Sinne Barthes’ geriert, ist der verlorene Ausdruck, der allein von den Augen des Autors ausgeht. Der Blick und die äußere Erscheinung wollen einander nicht entsprechen. Konnotiert wird dieser Eindruck durch das Wissen des Lesers um die Zerrissenheit des Autors zwischen seiner bürgerlichen Existenz als Angestellter der Arbeiter-Unfall-Versicherung und seiner nächtlichen Autorschaft. Der Schriftsteller Wilhelm Genazino geht gar so weit, in Kafkas Scheitelfrisur eine Spaltung seiner Persönlichkeit erkennen zu wollen.177 Was er als Kennzeichen der meisten Kafka-Porträts bezeichnet ist »[...]das Erschreckte, das Panische, das fledermausartig In-die-Enge-Gedrückte«178. Diese Kenn173 Stichprobe: Die sieben Autorenfotos von Kafka auf den Covers biografischer Titel, die in 4.1.5 untersucht wurden, gehören allesamt dieser Gruppe an. 174 Vgl. Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 64 u. 247. 175 Vgl. ebd., S. 64. 176 Ebd., S. 9. 177 Vgl. Wilhelm Genazino: Das Bild des Autors ist der Roman des Lesers. Münster: Kleinheinrich 1994, S. 12. 178 Ebd., S. 11.
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zeichen lassen sich an den beiden Beispielbilden ebenso feststellen wie an den übrigen offiziell-repräsentativen Porträts. Tatsächlich ist damit ein Stereotyp bezeichnet, das unter anderem von beiden Bildern getragen wird. Der Kafka-Biograf Rainer Stach bestimmt dieses Stereotyp als das Bild »einer Art Alien [...]: weltfremd, neurotisch, introvertiert, krank, ein Mann, der unheimlich ist und Unheimliches hervorbringt.«179 Die Konstruktion des Kafka-Stereotyps geht auf die Verwendung bestimmter Bilder des Autors zurück, die sich mit biographischem Wissen und Halbwissen vermengt. Unter den Porträtfotografien weist Klaus Wagenbach dem Berliner Porträt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Er berichtet davon, dass er dieses Bild als Geschenk des S. Fischer-Herstellers Fritz Hirschmann erhielt: »Es kam aus der Werbeabteilung, die es zuvor für einen Prospekt aufgeblasen und zu einem glutäugigen Prophetenporträt umgespritzt hatte, als das es dann (Welt-)Karriere machte.«180 Die zweite Gruppe von Porträts zeigt den unbekannteren Kafka. Hier finden sich private Amateur-Aufnahmen, die auf Reisen und im Familienkreis entstanden sind. Auch professionelle Aufnahmen sind darunter, etwa eine Scherzaufnahme aus dem Wiener Prater, die Kafka in Gesellschaft dreier Personen in einer Flugzeugkulisse zeigt.181 Meist ist Kafka in Gesellschaft abgelichtet, begleitet von zufälligen Reisebekanntschaften, Freunden, seiner Schwester Ottla oder im Kreis von SanatoriumsPatienten. Im Gegensatz zu den Porträts der ersten Gruppe, die entweder zur sozialen Repräsentation oder zu behördlichen Zwecken angefertigt wurden, sind die Aufnahmen der zweiten Gruppe private Erinnerungsaufnahmen, die das Zusammentreffen bestimmter Personen an bestimmten Orten festhalten. Exemplarisch für die privaten Porträts stehen zwei Aufnahmen, die den vermeintlich einsamen Autor in Gesellschaft zeigen: Die erste Aufnahme zeigt Kafka am Strand.182 Neben einem weiteren Badegast sitzt er im Schneidersitz im Sand. Bekleidet sind beide Herren lediglich mit Badehosen. Im Hintergrund ist das Gebäude eines Seebades zu erkennen. Wagenbachs Bildkommentar zufolge entstand das Bild 1914 im dänischen Seebad Marielyst.183 Das erstaunliche daran ist: Kafka lächelt! Und zwar 179 Rainer Stach: Ist das Kafka? 99 Fundstücke, Frankfurt a. M.: S. Fischer 2012, S. 14. 180 Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 8. (Wagenbach spielt damit auf die Bildbearbeitung des Porträts im Fischer Verlag an; Kafkas Silhouette wurde dabei mit einer Art Heiligenschein umrandet. Die kontrastreiche Bearbeitung wurde lange im verlegerischen Paratext des Fischer Verlags eingesetzt, beispielsweise auf dem Cover der Programmvorschau S. Fischer Frühjahr 1990. Vgl. S. Fischer. Frühjahr 1990, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1989, (C) (DLA, VpS 2, S. Fischer)). 181 Vgl. ebd., S. 198. 182 Vgl. ebd., S. 208. 183 Hartmut Binder widerspricht Wagenbachs Rekonstruktion der Entstehungssituation sowohl im Bezug auf die Datierung als auch auf den Ort der Aufnahme: Das Bild sei vermutlich am 14. Juli 1914 in Travemünde entstanden und zeige Kafka neben einem Unbekannten. Wagenbach identifiziert die zweite Person als den mit Kafka befreundeten Schriftsteller Ernst Weiß. Kafka hatte Ernst Weiß jedoch erst am 15. Juli 1914 in Marielyst getroffen, wo es allerdings kein derartiges Seebad gegeben habe, so Binder. Vgl. Hartmut Binder: Kafkas Welt. Eine Lebenschronik in Bildern, Reinbek: Rowohlt 2008, S. 417; Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 208.
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kein schüchtern angedeutetes Mona-Lisa-Lächeln, er lächelt breit in die Kamera, wenn auch ein wenig neckisch. Im Gegensatz zu seinem ebenfalls lächelnden Begleiter, der aufgerichtet und selbstbewusst aus dem Sand ragt, ist Kafkas Körperhaltung allerdings eher kraftlos. Seine Hände umklammern einen Fuß und aus der Untersicht des Fotografen macht die Haltung ein wenig den Eindruck, als wolle er sich verstecken. Er wirkt dadurch unsicherer als sein Begleiter, einen gelösten und freundlichen Eindruck machen jedoch beide miteinander. Vielleicht ist der Anflug von Unsicherheit auf das Fotografiertwerden, zumal in derart leichter Bekleidung, zurückzuführen. Es handelt sich hier gewiss um eine mehr oder minder gestellte Momentaufnahme, die beiden Fotografierten sind sich jedenfalls des Fotografiertwerdens bewusst, denn sie blicken in die Kamera und scheinen mit ihrem Lächeln ihr Einverständnis zu signalisieren. Das zweite Bild entstand im Sommer 1921, als Franz Kafka Patient des Sanatoriums Matliary (Matlarenau) in der Hohen Tatra war.184 Auch dieses ist eine Gruppenaufnahme.185 Sie zeigt eine Gesellschaft von zehn Personen – Gäste und Angestellte des Sanatoriums, die der Bildkommentar teilweise identifiziert.186 Die Gesellschaft hat sich am Rand eines Weges auf einer Wiese teilweise niedergelassen, teilweise aufgestellt. Im Hintergrund ist eine Gebirgslandschaft zu sehen. Kafka sitzt im Bildvordergrund an einen Stein gelehnt zwischen zwei Damen. Diejenige zu seiner Rechten scheint gerade das Wort an ihn zu richten, ihr Gesicht ist ihm zugewandt. Kafka selbst lächelt jedoch unbeirrt in die Kamera. Auch die anderen Teilnehmer der Gesellschaft sind der Kamera zugewandt und haben ihren Blick auf sie gerichtet. Wie auch die anderen beiden Herren auf dem Bild trägt Kafka einen Anzug, die Damen sind in mehr oder weniger eleganter Garderobe zu sehen, nur eine trägt eine Tracht, zu der ein Kopftuch gehört. Sie machen zusammen den Eindruck einer wohlsituierten Ausflugsgesellschaft. Von derselben Gesellschaft existiert noch eine weitere Aufnahme, die offenbar gleichzeitig entstanden ist.187 Beide wurden als Ansichtskarten reproduziert und konnten von den Gästen des Sanatoriums erworben werden, diese Form der Reisefotografie war bereits seit dem späten 19. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet. Im Juni 1921 sendete Kafka die Postkarte seinen Eltern. Der Text ist aufschlussreich im Bezug auf die Entstehungssituation und Verwendungspraxis dieser Ansichtskarte: Liebste Eltern, wie Ihr aus dem Bild seht, bin ich schon, wenigstens auf der rechten Wange, ziemlich dick. Herrn Glauber werdet Ihr wohl erkennen, sonst kennt Ihr aus Briefen nur Frau Galgon (Hutreparatur!) im Kopftuch, aber eine richtige Vorstellung von ihr bekommt Ihr nach dem Bild leider nicht. Herzlichste Grüße auch für Onkel und Tante. Euer F. Habt Ihr Euch in Franzensbad nicht auch photographieren lassen?188 184 Zur Datierung: Kafka hielt sich von Dezember 1920 bis August 1921 in Matliary auf. Die Vegetation lässt eindeutig erkennen, dass die Aufnahme im Sommer entstanden ist. Kafka schickte sie im Juni 1921 an seine Eltern. 185 Vgl. Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 236. 186 Vgl. ebd. 187 Vgl. ebd. 188 Kafka: Briefe an Ottla und die Familie, S. 129.
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Das Postskriptum hat Kafka auf die Bildseite der Karte geschrieben.189 Das Bild ist eine Nachricht. Einerseits soll sie den Angehörigen der Patienten einen objektiven und äußerlichen Eindruck von deren Genesung vermitteln, was Kafka in der für ihn typischen wenig auskunftsfreudigen Art im Bezug auf seine Gesundheit durch den Hinweis auf seine rechte Wange ironisiert. Die besondere Situation der Gäste des Sanatoriums ist jedoch nur eine Spielart der gängigen Kommunikationsform durch Reisefotografien, die in der privaten Korrespondenz zu Trägern oder Beigaben werden – Kafka fragt nach einer Fotografie der Eltern aus deren Urlaubsort Franzensbad. Diese beiden beispielhaften Privatporträts zeigen einen Kafka, der dem Stereotyp nicht recht entsprechen will. Er wirkt gesellig, sogar gelöst und entspannt, er lächelt und erweckt nicht den Eindruck eines innerlich zerrissenen Einzelgängers. Nicht einmal besonders vergeistigt wirkt er. Insofern gehört es zu den erstaunlichen Einsichten, die Wagenbachs Bildbiografie Bilder seines Lebens vermittelt, dass sie einen Blick auf Kafka als Privatperson gewähren, der das Stereotyp des Autors nachhaltig irritieren kann.
Kafkas Welt. Eine Lebenschronik in Bildern (2008) Hartmut Binder ist wie Klaus Wagenbach ein Urgestein der Kafka-Forschung. Seine 2008 erschienene Bildbiografie Kafkas Welt. Eine Lebenschronik in Bildern reiht sich in eine lange Publikationsliste ihres Autors zu Kafka ein, die biografische Titel ebenso wie Kommentarbände zu Kafkas Erzählungen und ein Kafka-Handbuch umfasst.190 Als thematisch begrenzte Vorläufer von Kafkas Welt können Binders Reise-Bildbände zu Kafka gelten: Mit Kafka in den Süden (2007), Kafka in Paris (1999) und Wo Kafka und seine Freunde zu Gast waren (2000), eine Publikation, die durch die Ausstellung Prag – auf den Spuren von Franz Kafka von 1991 vorbereitet worden war.191 Mehr noch als Wagenbach ist Binder als Autor und Herausgeber der literaturwissenschaftlichen Erforschung von Kafkas Leben und Werk verbunden, es ist also auch hier ein Experte in Sachen Kafka, der sich seiner Bildbiografie annimmt, wodurch diese in den Kontext der wissenschaftlichen Kanonisierungspraktiken gerückt wird. Zugleich handelt es sich bei dieser Bildbiografie ebenso wie bei Wagenbachs Bilder aus seinem Leben um eine Form der verlegerischen editorischen Kanonisierungspraxis. Kafkas Welt macht bereits durch Format und Umfang einen monumentalen Eindruck; das Buch erscheint im Quart-Format und bringt es mit seinen 687 Seiten auf
189 Dies zeigt die Abbildung der Postkarte in: Kafka: Briefe an Ottla und die Familie, S. 129. 190 Vgl. Binder: Kafkas Welt; Ders. (Hrsg.): Kafka-Handbuch in zwei Bänden. Stuttgart: Körner 1979; Ders. (Hrsg.): Kafka-Kommentar zu sämtlichen Erzählungen. München: Winkler 1975. 191 Vgl. ders.: Mit Kafka in den Süden. Eine historische Bilderreise in die Schweiz und zu den oberitalienischen Seen, Furth im Wald: Vitalis 2007; Ders.: Wo Kafka und seine Freunde zu Gast waren. Prager Kaffeehäuser in historischen Bilddokumenten, Furth im Wald: Vitalis 2000; Ders.: Kafka in Paris. Historische Spaziergänge mit alten Photographie, München: Langen-Müller 1999.
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mehrere Kilogramm Gewicht. Der Klappentext gibt anstelle eines Vorwortes Aufschluss über die Konzeption des Bandes: In dieser opulent gestalteten Bildbiographie zu Kafkas Leben und Werk dokumentiert Hartmut Binder erstmals umfassend alle Lebensphasen des Prager Autors mit über 1200 fast ausschließlich historischen und großenteils unveröffentlichten Fotografien, die ausführlich erläutert werden.192
Der Band übertrifft dieser Ankündigung zufolge also Wagenbachs Bilder aus seinem Leben. Er enthält nahezu doppelt so viele Abbildungen – 1214, um genau zu sein – und verspricht »erstmals umfassend alle Lebensphasen« zu dokumentieren. Die Struktur entspricht im Wesentlichen der biografisch-räumlichen Anordnung, die auch Wagenbach gewählt hat. Binder unterteilt seine Bildbiografie in 22 Kapitel, die teilweise in weitere Unterkapitel separiert sind – beispielsweise ist das vierte Kapitel »Weg zum Büro«193 in die Unterkapitel »Hinweg« und »Rückweg« aufgeteilt. Diese Einteilung zeugt bereits von dem minutiösen Vorgehen Binders, das die Ausdehnung von Kafkas kurzem Leben auf 1214 Bilder erklärt. Der Leser wird in die einzelnen Kapitel durch einen mehrseitigen Text eingeführt, der vorab Kafkas Lebensumstände darlegt. Motivische Schwerpunkte sind wie bei Wagenbach Orte, »die er zu besuchen pflegte« und »Menschen, mit denen Kafka Kontakt hatte«194. Binder will neues dokumentarisches Material aufgetan und damit »eine neue Grundlage für das Verständnis zahlreicher Tagebuch- und Briefstellen«195 geschaffen haben. Die Besonderheit von Binders Bildbiografie besteht laut Klappentext in seinem minutiösen Vorgehen: »in kleinschrittigen Bildsequenzen [werden Orte; S. O.] vorgestellt, die nach Motiv, Zeitstellung und Perspektive möglichst genau auf die Tagebuch- und Briefstellen Bezug nehmen, in denen von solchen Unternehmungen die Rede ist.«196 Man darf sich den Band als Illustration zu Kafkas sämtlichen Tagebüchern und Briefen vorstellen. Den Ausgangspunkt der bildlichen Annäherung an das Leben des Autors bildet der Bereich des privaten Paratextes, nicht wie bei Wagenbach der fiktionale Bereich des Werkes, nach dessen Entstehungskontext die Bilder befragt werden. Anstelle des bei Wagenbach als Hintergrund fungierenden literarischen Werkes hält bei Binder das private Werk direkten Einzug in die Bildbiografie. Die Verbindung der Briefe und Tagebücher mit dem Bildmaterial wird in dessen Kontextualisierung realisiert. Die einzelnen Abbildungen sind mit ausführlichen Bildkommentaren versehen, die sich teilweise über mehrere Seiten erstrecken. Dadurch ist der Eindruck dieser Bildbiografie insgesamt relativ textlastig. Häufig nehmen die kleingedruckten Bildkommentare im Seitenlayout mehr Fläche ein als die Abbildun192 Binder: Kafkas Welt (vUK). 193 Vgl. Binder: Kafkas Welt, S. 124–152. 194 Ebd. 195 Ebd. 196 Ebd.
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gen, auf die sie sich beziehen. Ganzseitige Abbildungen kommen nicht vor. Meist sind mehrere Abbildungen am oberen Seitenrand nebeneinander angeordnet und die Bildkommentare in Spalten darunter. Es gibt zwei Arten von Kommentaren: In grauer Schriftfarbe gedruckt wird im ersten Teil der Bildgegenstand identifiziert, zum Beispiel: »Der junge Hermann Kafka (1852–1931)« oder »Das Haus Plattnergasse Nr. 13, in dem Hermann Kafka bis zu seiner Heirat mit Julie Löwy lebte [...].«197. Darunter erscheinen in schwarzer Schriftfarbe gesetzte Hintergrundinformationen zu Kafkas Biographie und / oder in kursiver Schrift Zitate aus Briefen und Tagebüchern von Kafka, aber auch von anderen Autoren, die sich auf den Bildgegenstand beziehen, zum Beispiel ein Zitat aus dem Brief an den Vater unter der oben genannten Aufnahme von Hermann Kafka: »So hast Du mir z. B. vor Kurzem gesagt: ›ich habe Dich immer gern gehabt, wenn ich auch äußerlich nicht so zu Dir war wie andere Väter zu sein pflegen, eben deshalb, weil ich mich nicht verstellen kann, wie andere.‹«198 Auf diese Weise entsteht ein engmaschiges Netz aus Bild, Kommentar und Zitat, das eine möglichst exakte Rekonstruktion der Lebenswirklichkeit des Autors mit allen verfügbaren Quellen bildet. Auch wenn das Beispiel der Fotografie von Hermann Kafka bereits die Schwachstellen dieses Konnotationsverfahren offenbart, denn die Aufnahme zeigt Kafkas Vater als jungen Mann und nicht als Adressaten des berühmten Briefes seines später gezeugten Sohnes, der die Fotografie ausschnitthaft konnotiert. Am Beispiel der fotografischen Porträts Franz Kafkas, die hier mehr noch als bei Wagenbach zwischen den vielzähligen Abbildungen von Orten und Personen zu verschwinden drohen, wird die Zielsetzung der Kommentare und ihre Auswirkung auf die Konnotation des Bildes deutlich. Im Fall einer Porträtfotografie von 1910, die Kafka in einem Brief vom 2./3. Dezember 1912 an seine Verlobte Felice Bauer schickte, zitiert Binder im Kommentar ausführlich aus dem Brief, in dem Kafka selbst die Fotografie kommentiert: Um Dir jedes Bedenken zu nehmen (nicht um Dir gar welche Bedenken zu verursachen) schicke ich Dir eine Blitzlichtaufnahme von mir. Sie ist recht widerlich, sie war aber auch nicht für Dich bestimmt, sondern für meine Kontrollsvollmacht für Anstaltszwecke und ist beiläufig 2–3 Jahre alt. Ein verdrehtes Gesicht habe ich in Wirklichkeit nicht, den visionären Blick habe ich nur bei Blitzlicht, hohe Krägen trage ich längst nicht mehr. [...]199
Dies ist die einzige bekannte ausführlichere Stellungnahme Kafkas zu einem eigenen Porträtfoto, abgesehen von einem Kinderbild, das er ebenfalls 1912 an Felice Bauer schickte und in seinem Brief kommentierte.200 Kafka zeigt sich hier unzufrieden mit seiner fotografierten Ansicht und korrigiert sie gewissermaßen schriftlich. Zugleich 197 Binder: Kafkas Welt, S. 14. 198 Ebd. 199 Ebd., S. 192. 200 Vgl. ebd., S. 17.
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erlaubt der Brief Rückschlüsse auf die Entstehungssituation der Aufnahme und ihre neue Kontextualisierung als bildliches Kommunikationsmittel im Rahmen des Briefwechsels.201 Aus diesem privaten Rahmen wird die Fotografie im Rahmen des Bildbandes herausgehoben und in einen öffentlichen Rahmen der Autorschaft gerückt. Dabei macht Binder die ursprünglichen Kontexte für den Betrachter transparent. Andere Porträts werden mit Tagebuch- und Briefzitaten des Autors kommentiert, die sich teilweise auf seine Selbstwahrnehmung beziehen – etwa eine Tagebuchstelle, in der Kafka den eigenen Anblick im Spiegel beschreibt.202 Mehrfach werden auch Freunde und Bekannte Kafkas zitiert, die sein Äußeres beschreiben, zum Beispiel Max Brod im Kommentar zu dem oben untersuchten Berliner Porträt Kafkas: Ich will hier nochmals die Gestalt meines Freundes heraufbeschwören: Schlank, groß, etwas vorgebeugt – die Augen kühn, blitzend-grau, die Gesichtsfarbe bräunlich, der Haarbusch hoch und pechschwarz, – schöne Zähne, ein freundliches höfliches Lächeln, wenn nicht bisweilen ein geistesabwesend trüber Ausdruck das schöne scharfgeschnittene Gesicht verdüsterte.203
Die Beschreibung erweitert die Fotografie und ergänzt sie durch einen größeren Ausschnitt, der die ganze Gestalt Kafkas beinhaltet, während ihn Porträt nur im Schulterstück zeigt. Außerdem ergänzt es die Schwarz-Weiß-Fotografie um farbliche Eindrücke, so die umstrittene Augenfarbe Kafkas.204 Das Bild des Autors entsteht auf diese Weise als Vorstellungsbild, das sich aus der Fotografie und der anekdotischen Beschreibung zusammensetzt – die Fotografie des Autors sagt alleine noch nichts über ihn aus. Neben den Zitaten sind viele Bildkommentare Binders auch Rekonstruktionen der Aufnahmesituation, beispielsweise weist er nach, dass eine Aufnahme von Franz Kafka und Otto Brod nicht in Riva, sondern im Castel Toblino entstanden ist,205 oder dass die Aufnahme von Kafka am Strand nicht in Marielyst aufgenommen worden sein kann (wie Klaus Wagenbach annimmt).206 Durch Binders Kommentierungsverfahren entsteht eine möglichst lückenlose Rekonstruktion aller Bilder aus Kafkas Lebenswelt in Verbindung mit allen Informationen, die zu ihrer Einordnung notwendig sind. Das kleinschrittige Verfahren, das Binder in Kafkas Welt anwendet, lässt eine nahezu lückenlose Chronik jeden Tages aus Kafkas Leben entstehen, deren Relevanz im einzelnen oft fraglich erscheint; was sagt die Ansicht eines Bahnhofes aus, an dem Kafka am 26. April 1915 einen Zug bestieg, um über Budapest nach Prag zu
201 Vgl. zum Porträtaustausch im Rahmen des Briefwechsels von Kafka und Felice Bauer: Michael Neumann: Eine Literaturgeschichte der Photographie. Dresden: Thelem 2006, S. 159–186. 202 Vgl. Binder: Kafkas Welt, S. 406. 203 Ebd., S. 661. 204 Vgl. dazu: Stach: Ist das Kafka? S. 52–53. 205 Vgl. Binder: Kafkas Welt, S. 173. 206 Vgl. ebd., S. 417; Wagenbach: Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben, S. 208–209.
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reisen?207 Was gewinnt der Leser, indem er erfährt, dass sich Kafka »nachweislich«208 auf seinen sommerlichen Spaziergängen durch Prag mit einem Glas Sauermilch erfrischte? Solche Details bewirken die Auratisierung des Profanen. Die winzigste Kleinigkeit aus Kafkas Welt erhält das Gewicht einer förmlich sakralen Bedeutung; der Bahnhof von Nagymihály ist bedeutsam, weil Kafka hier einen Zug bestiegen hat, ebenso der abgebildete Sauermilchstand. Dabei entsteht eine fotografische Gedenkstätte – ähnlich den verbreiteten Gedenktafeln etwa, die allerorten darauf hinweisen, dass und wann Goethe diesen Ort besuchte. Das Prinzip dieser Gedenktafeln, die Vergangenheit in die Gegenwart eines Ortes zu integrieren, was insbesondere auch für Gedenkstätten zutrifft,209 wird in Kafkas Welt auf die Fotografien übertragen. Wie bei der Gedenkstätte ist die Authentizität des Ortes in Form von historischen Aufnahmen Teil von Binders (und auch Wagenbachs Bildprogramm): »Der monumentale Band vermittelt ein authentisches Bild vom Lebensraum des Prager Autors, das seine Welt wieder lebendig werden lässt.«210 Zu einer interessanten Spiegelung von räumlicher und fotografischer Gedenkstätte in der Bildbiografie kommt es angesichts von Kafkas Besuch in Weimar: Vom 29. Juli 1912 bis zum 6. August 1912 hielt er sich dort gemeinsam mit Max Brod auf, »wo sie eine Woche Urlaub machen und die Gedenkstätten der deutschen Klassiker besuchen wollten, auf die sie durch jahrelanges Goethestudium vorbereitet waren.«211 Binder dokumentiert diesen Besuch in einem eigenen Unterkapitel auf 27 Seiten, die 57 Abbildungen enthalten.212 Abbildungen und Kommentare vergegenwärtigen minutiös die Besichtigung der Weimarer Gedenkstätten durch die beiden Schriftsteller, aber auch Ausflüge in die Umgebung, Besuche bei Schriftstellern und die Begegnungen Kafkas mit Margarete Kirchner, der Tochter des Goethehaus-Hausmeisters, mit der er anzubandeln suchte. Zwei Erinnerungsebenen werden dabei miteinander verbunden: Die Gegenwart Kafkas und Brods in Weimar 1912 und die erinnerte Gegenwart der Weimarer Klassik. Die ersten beiden Abbildungen des Weimar-Kapitels veranschaulichen den Effekt dieser beiden Ebenen bereits.213 Beide sind Straßenansichten. Die obere Ansicht zeigt links im Bild das Hotel Chemnitius, in dem die beiden Reisenden untergekommen waren, die untere das Goethehaus am Frauenplan. Auf der Bildebene findet eine Verschränkung zwischen dem fotografischen Gedenken an Kafkas Reise und der fotografierten Goethe-Gedenkstätte statt – hier Kafkas Gegenwart, dort das Goethehaus 207 Vgl. Binder: Kafkas Welt, S. 459. 208 Ebd., S. 493. 209 Vgl. Cornelia Siebeck: Denkmale und Gedenkstätten. In: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, hrsg. v. Christian Gudehus, Ariane Eichenberg u. Harald Welzer, Stuttgart: J.B. Metzler 2010, S. 177–183, hier: S. 177. 210 Binder: Kafkas Welt (vUK). 211 Binder: Kafkas Welt, S. 321. 212 Vgl. ebd., S. 321–348. 213 Vgl. ebd., S. 323.
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zu Kafkas Zeit, das als Gedenkstätte auf die Vergangenheit der Weimarer Klassik verweist. Die Anordnung der Abbildungen folgt der Chronologie des ersten Weimartages von Kafka und Brod, wie sie durch Kafkas Aufzeichnungen überliefert sind; man bezieht das Hotel und bricht auf zu einem nächtlichen Erkundungsspaziergang. Die entsprechende Tagebuch-Notiz Kafkas wird im Bildkommentar zitiert: Gang in der Nacht zum Goethehaus. Sofortiges Erkennen. Gelbbraune Farbe des Ganzen. Fühlbare Beteiligung unseres ganzen Vorlebens an dem augenblicklichen Eindruck. Das Dunkel der Fenster der unbewohnten Zimmer. Die helle Junobüste. Anrühren der Mauer. [...]214
Das Erkennen des Goethehauses ist vermutlich Kafkas Vertrautheit mit Goethe-Bildern geschuldet, in deren Motivkreis auch das Wohnhaus am Frauenplan gehört.215 Das »Anrühren der Mauer« zeugt von einer ehrfurchtsvollen ersten Begegnung mit der Goethestätte, von deren Realität sich der Autor hier überzeugt. Leider wurde er dabei nicht fotografiert. Die bild-schriftliche Chronik des Weimarbesuches der beiden Prager folgt weiterhin den schriftlichen Zeugnissen, die Kafka und Brod hinterlassen haben. Das Weimar von 1912 wird anhand zeitgenössischer Fotografien rekonstruiert, die illustrieren, was Kafka nachweislich auffiel: So eine lithografierte Ansicht des Schillerhauses anlässlich von Schillers 100. Geburtstag, die den Besucher des Schillerhauses von 1912 im Treppenhaus erwartete. Oder das Empfangszimmer des Schillerhauses, in dem Porträts des Autors ausgestellt waren und zu dem Kafka im Tagebuch notierte »Die verschiedensten Schillerköpfe«216. Die Gedenkstätten besuchte Kafka als GedächtnisTourist und als Schriftsteller, der an der Verbindung von Leben und Schreiben interessiert ist. So notierte er zum Schillerhaus »Gute Anlage einer Schriftstellerwohnung. Wartezimmer, Empfangszimmer, Schreibzimmer, Schlafalkoven.«217 In Goethes Gartenhaus, das auch in einer Zeichnung Kafkas abgebildet wird, beeindruckte ihn offenbar das Kofferbett des Dichters, von dem er eine Ansichtskarte erwarb, die er erst nach jahrelangem Aufbewahren in seinem eigenen Schreibtisch 1918 an seine Schwester Ottla schickte.218 Damit wurden die Devotionalien des Dichter-Gedenkens in die eigene Schreibumgebung integriert. 214 Ebd. 215 Der 1910 erschienene Goethe-Bildband Die Bildnisse Goethes von Ernst Schulte-Strathaus war Kafka und Brod wohlbekannt; Brod hatte den Band rezensiert. Bei der ersten Begegnung von Kafka mit Felice Bauer im Hause Brod wurde der Band von dessen Vater Adolf Brod mit der Ankündigung, er werde Goethe in Unterhosen zeigen, herumgereicht. Vgl. Franz Kafka: Briefe an Felice und andere Korrespondenzen aus der Verlobungszeit. Hrsg. v. Erich Heller u. Jürgen Born, 10. Aufl., Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2003, S. 59; Binder: Kafkas Welt, S. 365; Ernst Schulte-Strathaus: Die Bildnisse Goethes. (Propyläen-Ausgabe von Goethes Sämtlichen Werken, Supplement I), München: Georg Müller 1910. 216 Ebd., S. 326. 217 Ebd., S. 328. 218 Vgl. ebd., S. 335.
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Als eigenes Kapitel in Kafkas Bildbiografie spiegelt der Weimar-Besuch ein doppeltes Erinnern: eingebettet in das Erinnern an Kafkas Welt ist das Erinnern an die Welt der Weimarer Klassik. Beide Ebenen werden in der Fotografie konserviert und in die Gegenwart des Betrachters reflektiert. Kafkas Welt ist von der Prägung eines bestimmten Autorbildes so weit wie möglich entfernt: Zum einen dadurch, dass alle visualisierbaren Details aus seinem Leben anhand von Abbildungen und Textauszügen rekonstruiert werden und dabei eine Welt entworfen wird, in der der Leser sieht, was Kafka gesehen hat oder gesehen haben könnte. Zum anderen durch die untergeordnete Rolle der Porträts Kafkas unter den Abbildungen. Durch die nahezu vollständige Rekonstruktion von Kafkas Welt wird jedes Detail potenziell zum Motiv des Erinnerns. Als eine Form der fotografischen Kanonisierung des Autors konstruieren die beiden Bildbiografien zu Franz Kafka fotografische Gedenkstätten, zu deren Bau selbst kuriose Details aus seiner Lebenswelt herangezogen werden. Dabei wird nicht ein bestimmtes Autorbild inszeniert, es werden vielmehr Facetten desselben nebeneinander gestellt. Zugrunde liegt das gesamte erhaltene Bildmaterial mit Bezug zu Franz Kafka, um dessen Vollständigkeit Klaus Wagenbach und Hartmut Binder einen stillschweigenden Wettstreit austragen. Im Gegensatz dazu wird die Inszenierung Hermann Hesses auch durch die Notwendigkeit begünstigt, aus einem äußerst umfangreichen Konvolut an Bildern eine Auswahl zu treffen. Die ausführliche Einbindung von Texten aus dem Bereich des privaten Paratextes führt insbesondere bei Kafkas Welt indessen durch die detaillierte Konnotation des Bildmaterials zu einem Erinnerungsakt von ungemein authentischer Wirkung. Die Inszenierung des Autors wird zu einer nahezu filmischen wirkenden Reinszenierung seiner Lebenswelt.
5.2.5 Fotografische Kanonisierung in der Bildbiografie: Die Bildsprache des Klassikers Die Bildsprache des Klassikers ist eine Verbindung von Motiven, die sich aus den Formen der Bildverwendung des kulturellen (Dichter-)Gedächtnisses in der Bildbiografie entwickelt hat. Dort wird sie zur Erinnerung und Vermittlung eingesetzt – Bilder und Texte eröffnen einen biografischen Zugang zum literarischen Werk und fungieren zugleich als symbolische Markierung des Autors als Klassiker. Die exemplarisch untersuchten Bildbiografien offenbaren die Elemente dieser Bildsprache: –– Porträts des Autors aus allen Lebensphasen (implizite und explizite Autorenfotos), –– Porträts von Personen, die mit dem Autor in Verbindung standen, –– Orte, an denen der Autor lebte und die er besuchte, –– Objekte aus seinem Besitz,
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–– das Werk des Autors (Bücher, vor allem Erstausgaben, Manuskripte) – häufig bildlich repräsentiert durch die Handschrift des Autors. Diese Motivgruppen der Bildsprache des Klassikers korrespondieren mit den Medien des kulturellen Dichter-Gedächtnisses. Sie umfassen, was sich nachträglich zeigen lässt vom Leben und Schaffen eines Autors. Die Elemente der Bildsprache des Klassikers sind deswegen nicht nur in Bildbiografien anzutreffen, sondern auch als Exponate in Literaturausstellungen. Das museale Erinnern an den Autor, das auch eine Form der Literaturvermittlung und Kanonisierung ist, ist an ebendiese Elemente als Medien gebunden. Die Dichterverehrung des 19. Jahrhunderts institutionalisierte das Erinnern an den Autor durch die Einrichtung von Gedenkstätten, Museen und Archiven. Gleichzeitig wurde dieses kulturelle Dichtergedächtnis zunächst im Bild reproduzierbar, später dann auch fotografierbar. Die Verbindung zwischen der Bildsprache des Klassikers und den Medien des kulturellen Gedächtnisses ist nicht nur inhaltlicher, sondern auch organisatorischer Natur. Die 1846 erschienenen Gedenkblätter an Goethe sind aus einer Ausstellung zu Leben und Werk des Autors hervorgegangen, ebenso Bernhard Zellers Hermann Hesse. Eine Chronik in Bildern von 1960 und Klaus Wagenbachs Kafka-Bildbiografie. Bis in die Gegenwart sind Ausstellungen zu Autoren immer wieder mit dem Entstehen von Bildbänden verbunden.219 Die schwärmerische Verehrung und das sentimentale Gedenken, das im 19. Jahrhundert vielerorts das Dichtergedenken kennzeichnete und beispielsweise auch den Herausgeber der Gedenkblätter an Goethe prägte, ist jedoch weitgehend durch eine wissenschaftliche Annäherung an das Werk des Autors mit Hilfe der Zeugnisse seines Lebens gewichen. Dadurch ergibt sich ein biografistischer Werkzugang, der im Rahmen der Literaturvermittlung genutzt werden kann. Nach wie vor ist die Bildbiografie (ebenso wie die Ausstellung) ein Medium des Erinnerns und Gedenkens, zugleich jedoch ist sie Medium der wissenschaftlichen Erschließung des Werkes für die Leserschaft – dafür mag Klaus Wagenbachs Suche nach der richtigen Interpretation als Antrieb bei der Suche nach Bildern des Autors beispielhaft stehen. Die Fotografie hat die visuelle Spur des Dichterlebens verändert. Mit der Fotografierbarkeit des Autors steigt die Zahl der Bilder, die vom Leben des Autors zeugen können, an – 3.500 Fotografien, die mit Thomas Mann zu tun haben, bewahrt allein das Thomas-Mann-Archiv in Zürich auf.220 Gegenwartsautoren dürften noch weitaus mehr Bilder hinterlassen, denn nicht nur die private Bildproduktion ist durch die Digitalfotografie immens angestiegen, auch der Bedarf an öffentlichen Bildern des 219 Zum Beispiel die von Aris Fioretos (dem Herausgeber der Werkausgabe von Nelly Sachs bei Suhrkamp) kuratierte Ausstellung Flucht und Verwandlung und die Bildbiografie, die unter dem gleichen Titel bei Suhrkamp 2010 erschien. Vgl. Aris Fioretos: Flucht und Verwandlung. Nelly Sachs, Schriftstellerin, Berlin/Stockholm, Eine Bildbiographie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2010. 220 Vgl. Hans Wysling: Zu diesem Band. In: Thomas Mann. Ein Leben in Bildern, hrsg. v. dems. u. Yvonne Schmidlin, Zürich: Artemis 1994, S. 491.
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Fotografische Inszenierung und Kanonisierung
Autors hat sich längst gefestigt und gesteigert. Neben der Quantität ist es vor allem die mediale Qualität der Bilder des Autors, die sich durch die Fotografie verändert. Die Fotografie zeugt von der Präsenz des Autors und wird als Dokument eingesetzt. Auch Ulrich Raulff, gegenwärtiger Direktor des Deutschen Literaturarchivs, betont die immense Auswirkung der Fotografie in diesem Zusammenhang: Ihre Bedeutung für die Rekonstruktion von Lebensgeschichten dürfte kaum zu überschätzen sein. Nach Daguerre und den großen Porträtisten [...] sollte die Biographik nicht mehr dieselbe sein wie zuvor. Das Leben lagerte sich in der Erinnerung anders ab, es organisierte sich in anderen Sinnfiguren, seit es nicht mehr allein erzählerisch oder malerisch porträtiert wurde, sondern als »Selbstabdruck« seine Spur in Brom und Silber hinterließ.221
Von der gesteigerten Bedeutung des Bildes als biografische Quelle zeugt die Vielzahl der fotografischen Bildbiografien. Die fotografischen Ansichten aus dem Leben des Autors zeugen von seiner Anwesenheit und ermöglichen die Inszenierung einer Nähe zum Autor. Der Abglanz der dichterischen Präsenz in Gegenständen, Räumen und Personen, wie sie am Beispiel Kafkas en detail ausgebaut wird, verbindet die Elemente der Bildsprache des Klassikers. Befördert wird der Eindruck von Nähe gerade durch die Nachträglichkeit der Anordnung. In der Bildsprache des Klassikers nimmt das implizite einen selbstverständlichen Platz neben dem expliziten Autorenfoto ein. Überhaupt sind es nicht nur bei Kafka, der keine expliziten Autorenfotos hinterließ, häufig zufällige Ansichten und Zeugnisse, die in Bildbiografien zu einem Bild des Autors und einer Rekonstruktion seines Lebens zusammengefügt werden. Oft sind die Aufnahmen im Gegensatz zu offiziellen Porträts, die zu Lebzeiten des Autors mit dessen Einverständnis als bildliche Paratexte zirkulierten, in anderen Kontexten entstanden und entbehren dadurch einer Inszenierung auf der Bildebene. Stattdessen werden mehr oder minder intime Anblicke geboten, die das etablierte Bild des Autors erweitern und infrage stellen können. Der lächelnde Kafka in Badehose wirkt ebenso irritierend wie beispielsweise jene Aufnahmen, die Erika Schmied von Thomas Bernhard als gutgelauntem Volksfestbesucher und Trachtenträger in Ohlsdorf aufgenommen hat.222 Nicht nur die medialen Eigenschaften der Fotografie verändern Inhalt und Funktion der Bildsprache des Klassikers. Auch die Medialität des Buches wirkt auf sie ein, denn erst im Buch – in der Bildbiografie – formiert sich die Bildsprache des Klassikers. Angesichts der vielen Kontexte des kulturellen Erinnerns, in denen das Bild des Autors eingesetzt wird, lässt sich nach der Relevanz des Buches fragen. Sie ergibt sich zunächst aus der buchgeschichtlichen Tradition der Bildnisvitenbücher und 221 Raulff: Wenn ich Schriftsteller wäre und tot...Vorläufige Gedanken über Biographik und Existenz, in: Literatur- und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle, hrsg. v. Hartmut Böhme u. Klaus R. Scherpe (rowohlts enzyklopädie), Reinbek: Rowohlt 1996, S. 187–204, hier: S. 190. 222 Vgl. Erika u. Wieland Schmied: Thomas Bernhard. Leben und Werk in Bildern und Texten, S. 146– 149.
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Porträtsammelwerke; das Buch ist ein tradierter Kontext für die Verbreitung von Porträts.223 Die Bildbiografie steht einerseits in dieser Tradition, andererseits ist sie mit dem Fotoalbum verbunden, das im 19. Jahrhundert mit der Fotografie das kulturelle Bildgedächtnis veränderte. Im Album werden Ansichten nach persönlichen Vorlieben angeordnet, die Privatheit hält Einzug. Die Bildbiografie trägt dieser Entwicklung durch die Bildsprache des Klassikers Rechnung, die einer privaten Bildsprache gleicht und nicht dem offiziellen Erinnern – so schreibt Ulrich Greiner in der Zeit zu Binders Kafka-Band: »[...] wäre Kafka, was er sich in manchen Augenblicken zum Ziel setzte, ein Familienvater geworden, so würde er sich über dieses Album freuen.«224 Durch ihre Motive erinnern die Bildbiografien durchaus an thematisch gebundene Fotoalben. Wie Fotoalben sind Bildbiografien Medien, in denen sich das Bildgedächtnis organisiert. Der Übergang der Bildsprache des Klassikers von flüchtigen Kontexten, wie Ausstellungen oder Serien von Ansichtskarten, in das Medium Buch erklärt sich gerade auch durch dessen Stabilität. Dem entspricht die besonders im 19. Jahrhundert verbreitete Auffassung, dass die Bilder des Autors, die in einem Bildband oder einer Bildbiografie arrangiert werden, auf diese Weise dem Vergessen entrissen werden können. Das Medium Buch steht dabei für Dauerhaftigkeit und Überlieferung. Im Gegensatz zum Fotoalbum ist die Bildbiografie jedoch mit einer festen Ordnung verbunden, die den medialen Gesetzmäßigkeiten des Mediums Buch entspricht. Das Buch erfordert eine feste Anordnung der Bilder in eine Reihenfolge, dadurch entsteht eine narrative Struktur. Diese ist im Fall der Bildbiografien in der Regel eine biografisch-chronologische Ordnung. Verbunden werden die einzelnen Bilder dabei durch die kommentierenden Texte. Bildbiografien befördern eine Form der Erinnerung an den Autor, die Historisierung und Vergegenwärtigung miteinander vereint. Einerseits wird der Autor in seiner Zeit, die eine vergangene ist, verortet. Dies geschieht durch die Datierung von Bildern und ihre Verbindung zur Biografie des Autors, aber auch durch das in den Fotografien vorherrschende Schwarz-Weiße. Die Verortung des Autors in »seiner Zeit« oder »seiner Welt« als Prinzip ist vielen Titeln ablesbar oder wird zumindest in den Vorworten proklamiert. Die Vergegenwärtigung des Autors als Effekt der Historisierung wird vor allem durch die Fotografie getragen. Zwar wurden beispielsweise Goethes Zeichnungen ebenfalls eingesetzt, um die Perspektive des Autors für den Leser erfahrbar zu machen, tatsächlich gelingt dies aber erst durch die Fotografie. Erst durch sie ist die Rekonstruktion der Vergangenheit des Autors mit dem Es-ist-so-gewesen versehen. Was im Fall der minutiösen Rekonstruktion von Kafkas Lebenswelt im Bild gar
223 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie 224 Ulrich Greiner: Kafka ganz nah. In: Die Zeit. (3.7.2012), URL: www.zeit.de/ 2008/28/L-Kafka, [3.7.2008].
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Fotografische Inszenierung und Kanonisierung
zu der Ankündigung führt, dass seine Welt bei der Betrachtung von Hartmut Binders Kafkas Welt »wieder lebendig«225 werde. Die Bildsprache des Klassikers entwickelt sich folglich aus den Formen des kulturellen Dichter-Gedächtnisses heraus, wobei die medialen Eigenschaften des Buches ihre Entwicklung in der Bildbiografie prägen. Das Bild des Autors und die mit ihm zu einer Bildsprache verbundenen Motive offenbaren sich in diesem Prozess als eine Form der Kanonisierung, die keineswegs nur von der Kanoninstanz Verlag genutzt wird. Im Gegenteil ist die Verankerung der Bildsprache im kulturellen Gedächtnis, die von diversen Kanoninstanzen vollzogen wird, eine grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung dieser Bildsprache im verlegerischen Paratext, die sich an das Buch als Medium und die Bildbiografie als spezifische mediale Form bindet. Auch an der Entstehung der Bildbiografien selbst sind neben Verlagen stets weitere Akteure beteiligt, die sich als Träger von Kanonisierungsprozessen beschreiben lassen: Auf institutioneller Ebene sind dies Archive und Forschungseinrichtungen, Literaturhäuser und literarische Museen, die nicht nur das Bildmaterial aufbewahren und damit eine Grundlage für das Erinnern im Bild schaffen. Zudem ermöglichen sie Ausstellungen, die häufig eine Vorarbeit zur Publikation von Bildbänden darstellen. Auf personeller Ebene sind als Herausgeber und Autoren Wissenschaftler beteiligt. Sie verbinden die Zusammenstellung von Bildern des Autors mit einem wissenschaftlichen Interesse an seinen Texten (zum Beispiel Klaus Wagenbach im Bezug auf Franz Kafka), der biografischen Erforschung des Autors (zum Beispiel Hartmut Binder, der zugleich auch wissenschaftliche Texte zu Kafka publiziert) oder sie sind als Herausgeber von Werkausgaben mit der Edition befasst (zum Beispiel Volker Michels als Herausgeber der Werke Hermann Hesses). Sowohl die literaturwissenschaftliche Forschung als auch die biografische Rekonstruktion und die Edition von Werkausgaben sind jeweils eigene Kanonisierungspraktiken, die auf diese Weise mit der Entstehung von Bildbiografien verbunden sind. Zugleich ist die Bildbiografie eine Form der editorischen Kanonisierungspraxis. Verlage greifen durch die Publikation von Bildbiografien das Erinnerungspotenzial der Bildsprache des Klassikers auf und entwickeln in damit ein spezifisches bildliches Medium der Kanonisierung und Inszenierung des Autors. Wie die Werkausgabe oder die kommentierte Schullektüre ist die Bildbiografie Bestandteil der editorischen Kanonisierungspraxis. Ihre Kanonisierungs-Relevanz zeigt sich auch daran, dass sie im Zusammenhang mit Werkausgaben erscheint. Teilweise wurden Bildbände zunächst sogar im Rahmen von Werkausgaben publiziert; als Supplement zur Propyläen-Ausgabe von Goethes Sämtlichen Werken im Georg Müller Verlag erschien beispielsweise 1910 der Band Die Bildnisse Goethes.226 Das Beispiel zeigt die ursprüng-
225 Binder: Kafkas Welt, (vUK). 226 Ernst Schulte-Strathaus: Die Bildnisse Goethes. (Propyläen-Ausgabe von Goethes Sämtlichen Werken, Supplement I), München: Georg Müller 1910.
Editorische Kanonisierung mit Bildern: Die Bildbiografie
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liche Nähe beider Publikationsformen. Allerdings ist die Bildbiografie inzwischen üblicherweise eine eigenständige Publikation. Die Bildbiografie vervollständigt die Maßnahmen der editorischen Kanonisierung – sie kennzeichnet den kanonisierten oder zu kanonisierenden Autor ebenso wie die Werkausgabe. Wie die Werkausgabe und die Biografie ist auch die Bildbiografie eine Publikationsform, die zur Würdigung des Autors eingesetzt wird; sie zählt wie diese zu dem editorischen Arsenal, das von Verlagen bevorzugt zu Gedenkanlässen aufgefahren wird.227 Die Bildbiografie ist auch ein Geschenk des Verlags an den Autor. Das suggeriert wiederum die Bedeutung dieser editorischen Kanonisierungsformen, denn durch sie werden Anwärter auf den Kanon von etablierten Autoren und Debütanten separiert und hervorgehoben. Die Bildbiografie fungiert in diesem Zusammenhang also als symbolischer Verweis auf die Bedeutung des Autors, sie kennzeichnet den Klassiker – wobei das Beispiel Hesse gezeigt hat, dass diese Kennzeichnung auch zur Inszenierung eines etablierten Autors als Klassiker genutzt werden kann. Diese Kennzeichnung funktioniert mit Hilfe der Historisierung des Autors in der Bildsprache des Klassikers. »Jedermann wird ein solches Bild historisch sehen und eben das ist meine Absicht«228, schrieb Unseld an Hesse und brachte damit zum Ausdruck, dass es gerade die Verbindung von Lebens- und Zeitgeschichte ist, die mit historischen Bilddokumenten belegt zur Kennzeichnung des Autors genutzt wird. Mit der Rückverweisung des Autors in die Vergangenheit ist eben seine Kennzeichnung als bewahrenswert verbunden. Von diesem Anspruch zeugt auch die Kennzeichnung von Binders Kafka-Bildbiografie als »monumentale[r] Band«229 im Klappentext des Buches. Das Bild übernimmt dabei die Rolle einerseits in einer rückwärtsgewandten Bewegung von der Historizität zu zeugen, andererseits jedoch dem nachgeborenen Betrachter eine gegenwärtige Anschauung zu vermitteln, wie bereits Rudolf PayerThurn in seinem Vorwort zu Goethe. Ein Bilderbuch von 1932 betonte.230 Die Bildsprache des Klassikers ist beides: Form der editorischen wie der symbolischen Kanonisierung. Ihre Entwicklung in der Bildbiografie schafft außerdem eine treffliche Ausgangslage für die Verwendung von Autorenfotos im Rahmen der symbolischen Kanonisierung im verlegerischen Paratext. Die Bildbiografie des Autors ist 227 Wagenbachs und Binders Kafka-Bildbiografien erschienen 2008, als sich der Geburtstag Kafkas zum 125. Mal jährte. Unzählige weitere Beispiele für die Veröffentlichung von Bildbiografien aus Anlass von Gedenktagen lassen sich finden: 2011 veröffentlichte beispielsweise der Suhrkamp Verlag zum 100. Geburtstag von Max Frisch Max Frisch. Sein Leben in Bildern und Texten, in der Edition Olms erschien zum 50. Todestag Ernest Hemingways der Titel Ernest Hemingway. Sein Leben in Bildern und Dokumenten. Vgl. Volker Hage (Hrsg.): Max Frisch. Sein Leben in Bildern und Texten, Berlin: Suhrkamp 2011; Mariel Hemingway: Ernest Hemingway. Sein Leben in Bildern und Dokumenten, Oetwil am See: Edition Olms 2011. 228 Siegfried Unseld: Brief an Hermann Hesse vom 25. Mai 1960. 229 Binder: Kafkas Welt (vUK). 230 Siehe: 5.2.2 Goethe-Bildbände als Medien des kulturellen Gedächtnisses im 19. und frühen 20. Jahrhundert
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eine Fundgrube für Autorenfotos, die im Rahmen von Büchern, Prospekten und Plakaten eingesetzt werden können.
5.3 Symbolische Kanonisierungspraktiken im verlegerischen Paratext Vor dem Hintergrund der Bildsprache des Klassikers lässt sich ein neuer Blick auf die fotografische Inszenierung des Klassikers im verlegerischen Paratext außerhalb der Bildbiografie werfen. Dabei sind die hier geltenden anderen Bedingungen zu berücksichtigen: Buchwerbung und Buchgestaltung sind zugleich der Werbung und der Vermittlung verpflichtet. Wie wird die Bildsprache des Klassikers unter diesen Bedingungen eingesetzt? Um die Prinzipien der symbolischen Kennzeichnung des Klassikers mit Hilfe der Bildsprache herauszuarbeiten, werden erneut die beiden Untersuchungsebenen aufgegriffen: die ikonografische Kennzeichnung des Autors auf der Bildebene und die Kontextualisierung von Bildern in spezifischen Paratext-Rahmen. Davon ausgehend lassen sich Prinzipien der symbolischen Bildverwendung bestimmen. Die Untersuchung führt damit die Ergebnisse der Kapitel 4 und 5.2 zusammen und erweitert sie unter der Berücksichtigung zusätzlicher Quellen. Im Gegensatz zur Bildbiografie, die dem Bild des Autors Raum zur Ausdehnung gewährt und daher ja das zentrale Medium für die Entwicklung der Bildsprache war, bietet der verlegerische Paratext nur begrenzt Raum für die Darstellung des Autors und die Verwendung von Bildern. Im Mittelpunkt stehen hier erst einmal die zu verkaufenden Bücher des Autors. Die Darstellung und Inszenierung der Autorfigur ist nur eine der kommunikativen Vermittlungsstrategien, auf die dabei zurückgegriffen wird. Dabei kommt es zu einer Konzentration auf wenige Bilder. Diese notwendige Verknappung führt zu einer Verdichtung von Autobildern auf wenige Fotografien. Die wichtigste Motivgruppe ist dabei das Porträt des Autors, das in der Bildbiografie einen vergleichsweise marginalen Anteil hat. Porträts von anderen für die Biografie des Autors relevanten Personen werden dagegen so gut wie gar nicht verwendet, außer gelegentlich Gruppenporträts. Dafür steht das Buch naturgemäß viel mehr im Mittelpunkt: Die Abbildung von Buchcovern oder auch dem ganzen Buchkörper begleitet das Autorenfoto, was nicht nur die Bildverwendung des Klassikers betrifft, sondern auf den verlegerischen Paratext insgesamt zutrifft.
5.3.1 Ikonografie des Klassikers Gibt es eine Ikonografie des Klassikers? Angesichts der vielfältigen Bildmotive des Autorenfotos, dessen Variationsreichtum durch die Fotografie potenziert wurde, kann von einer formelhaften Bildnorm keine Rede sein. Aber es gibt Muster in der
Symbolische Kanonisierungspraktiken im verlegerischen Paratext
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Ikonografie des Klassikers, die bei der Durchsicht von Buchumschlägen und Verlagsprospekten immer wieder auffallen. Diese ikonografischen Muster resultieren aus der tradierten Autor- und Gelehrtenikonografie,231 die durch die Fotografie um neue Motive erweitert wurde. Am Beispiel Thomas Manns lässt sich die Kontinuität gelehrter Posen und Motive nachweisen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass Thomas Mann ein ausgeprägtes Bewusstsein nicht nur für die eigene Selbstinszenierung hatte,232 sondern auch für die Bedeutung der tradierten Ikonografie. Wie eng das Fotografiertwerden in einschlägigen Posen für ihn mit der Autorschaft verbunden war, zeigt sich bereits in einem Brief an Heinrich Mann vom 13. Februar 1901, in dem er die geplante Veröffentlichung der Buddenbrooks im Herbst desselben Jahres in drei Bänden bei S. Fischer ankündigt und fortfährt: »Ich werde mich photographiren lassen, die Rechte in der Frackweste und die Linke auf die drei Bände gestützt; dann kann ich eigentlich getrost in die Grube fahren.«233 Darin klingt an, dass die Fotografie des Autors neben seinem Werk überdauert – ein Überdauern, das der Autor offenbar nicht dem Zufall überlassen wollte, wie die unzähligen inszenierten Autorenfotos Thomas Manns zeigen.234 Die Coverfotografien dreier Taschenbuchausgaben von Werken Thomas Manns im S. Fischer Verlag sind Beispiele für die Verwendung von Autorenfotos im verlegerischen Paratext, die sich an die klassische Autorikonografie anlehnen: Das Autorenfoto auf dem Cover von Über mich selbst (1994) ist ein Gehäusbild, das Thomas Mann seitlich aufgenommen an seinem Schreibtisch sitzend zeigt.235 Über Papiere gebeugt, das Schreibgerät in der rechten, die Zigarre in der linken Hand, das Gesicht konzentriert, gibt er die Vorstellung des geistigen Arbeiters ab. Der Autor ist von allerlei Gegenständen umgeben, die seinen Schreibtisch bedecken. Im Hintergrund ist die Landschaft des kalifornischen Exils mit ihrer Palmenvegetation erkennbar. Eine Taschenbuchausgabe der Betrachtungen eines Unpolitischen (1995) inszeniert Thomas Mann als Leser.236 Das Cover ist mit einer Fotografie des jugendlichen Autors ausgestattet, der in Melancholiepose über einem aufgeschlagenen Buch thront und dessen 231 Siehe: 3.1 Der Autor im Porträt: Darstellungskonventionen und Gebrauchsweisen vor der Fotografie 232 Vgl. Hamacher: Thomas Manns Medientheologie; Walter Delamar: Der Autor als Repräsentant. Thomas Mann als Star, Aufstieg und Niedergang der öffentlichen Funktion des Autors im 20. Jahrhundert, in: Schriftsteller-Inszenierungen, hrsg. v. Grimm u. Schärf, S. 87–102. 233 Thomas Mann u. Heinrich Mann: Briefwechsel. Hrsg. v. Hans Wysling, 2. Aufl., Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2005, S. 71. 234 Vgl. Eva-Monika Turck: Thomas Mann. Fotografie wird Literatur, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2004, S. 40–48. 235 Vgl. Thomas Mann: Über mich selbst. Autobiographische Schriften, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 1994 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.fischerverlage.de/buch/ueber_mich_ selbst/9783596123896 (29.05.2014) 236 Vgl. Ders.: Betrachtungen eines Unpolitischen. 13.–14. Tsd., Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1995 (C). Vgl. Abb unter: http://www.fischerverlage.de/buch/betrachtungen_eines_unpolitischen/9783596150526 (29.05.2014)
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Blick träumerisch in die Ferne gerichtet ist – es ist übrigens dieselbe Fotografie, mit welcher der Autor 1911 im S. Fischer-Jubiläumsalmanach vorgestellt wurde.237 Eine klassische Melancholiepose ist auch auf dem Cover des Erzählungsbandes Die vertauschten Köpfe (2010) zu sehen.238 Hier ist es wiederum der gealterte Autor, dessen Kopf auf der aufgestützten Linken ruht, während der Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet ist. Diese Beispiele stehen für die Übernahme tradierter Darstellungsschemata in die fotografische Ikonografie des Autors. Durch die Anwendung klassisch zu nennender Darstellungsformen auf den fotografierten Autor kann dieser als Klassiker gekennzeichnet werden. Der Übergang des Autorenporträts in das Bildmedium Fotografie ist jedoch mit einer Ausdifferenzierung der Darstellungsweisen und Motivschemata verbunden, von der die Bildsprache des Klassikers zeugt. Einzige Voraussetzung ist nicht mehr die Repräsentativität der Pose, sondern ihre Fotografierbarkeit – sei es in einer inszenierten oder in einer nicht-inszenierten Aufnahmesituation. Damit kann praktisch jede fotografierbare Pose in die Ikonografie des Autors aufgenommen werden: Es existieren neben den auch für jeden beliebigen Zeitgenossen üblichen Familienfotos, Hochzeitsbildern und Urlaubsfotos, Bewerbungs- und Passbildern Fotografien des Autors, die ihn bei Tätigkeiten zeigen, die dem Berufsbild vorbehalten sind oder die zumindest als typisch angesehen werden können. Dazu zählt das Rauchen. Zigarette, Zigarre und Pfeife sind Attribute des Autors im Zeitalter seiner Fotografierbarkeit. Das Bild des Autors als Raucher ist das Bild des Autors als Denker. Es verweist auf das Rauchen als eine das Denken stimulierende Kulturtechnik und ist als »Arbeitsdroge«239 auch kennzeichnend für die Ikonografie des Wissenschaftlers.240 Die Zigarette verbindet sich mit dem Gebärdenschatz der klassischen Ikonografie des Autors, denn sie fügt sich bequem in den gestus melancholicus oder die Gehäusszenerie. Walter Grasskamp bewertet die Verbindung von Melancholiegeste und Zigarette in Germaine Krulls Porträt Walter Benjamins als »eine Kombination aus einem klassischen Attribut gelehrter Melancholie mit einem modernen.«241 Dahinter verbirgt sich jedoch nicht zwangsläufig eine inszenierte Darstellung der Melancholie; die Zigarette ist ebenso wie die aufgestützte Hand ein Hilfsmittel beim Fotografiertwerden, dem der Autor mit leeren Händen gegenüber steht: »Man sieht bedeutsam aus, weil man an nichts mehr denken muss.«242 Auch 237 Siehe: 4.3.2 Die visuelle Repräsentation des Verlagsprogramms: Das Autorenfoto in Katalogen, Verlagsalmanachen und Porträtsammelbänden 238 Vgl. Ders.: Die vertauschten Köpfe und andere Erzählungen. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2010 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.fischerverlage.de/buch/die_vertauschten_koepfe_und_ andere_erzaehlungen/9783596511389 239 Klappert: In den Händen des Wissenschaftlers, S. 166. 240 Vgl. ebd. 241 Grasskamp: Der Autor als Reproduktion, S. 206. 242 Heike Gfrereis: Schwere. In: Dies., Ulrich Raulff u. Ellen Strittmatter: In der Geisterfalle. Ein deutsches Pantheon, Fotos aus dem Archiv aus drei Jahrhunderten (Marbacher Magazin 115/116), Marbach
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Bickenbach sieht in der Zigarette ein ideales »Supplement der ruhenden Hand«243 des fotografierten Autors. Bestandteil einer Ikonografie des Klassikers ist das Rauchen allerdings erst, seitdem sich der rauchende Autor in den 1990er Jahren aus der Öffentlichkeit auch des verlegerischen Paratextes zurückgezogen hat bzw. aus ihm hinausgewiesen wurde im Zuge der gesamtgesellschaftlichen Stigmatisierung des Rauchens. Von den 1950er bis 1980er Jahren war der rauchende Autor auch in Verlagsprospekten ein Standard. Er war eine Selbstverständlichkeit und mitunter sogar eine Notwendigkeit. In aktuellen Verlagsprospekten sucht man nach rauchenden Autoren meist vergebens, zu der adretten und sympathischen Inszenierung des zeitgenössischen Autors scheint die inzwischen tabuisierte Zigarette ebenso wenig zu passen wie Zigarre und Pfeife. Ein Reservat des rauchenden Autors ist jedoch auch in der Gegenwart die Ikonografie die Klassikers. Die Tendenz dazu ist nicht ganz neu, wie ein Sonderprospekt des S. Fischer Verlags mit dem Titel 100 Jahre S. Fischer. Das klassische Programm von 1986 zeigt:244 Der zwanzigseitige Prospekt in Leporelloform ist einem Sonderprogramm mit dem Titel Das klassische Programm gewidmet – worin bereits eine symbolische Kanonisierung mit sprachlichen Mitteln zu sehen ist –, in dem zum 100. Verlagsjubiläum 35 Titel in einheitlich gestalteten Sonderausgaben erschienen. 26 Schwarz-WeißAutorenfotos enthält der kleine Prospekt. Sechs Autoren werden rauchend gezeigt: Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Walther Rathenau, Hermann Hesse, Tibor Déry und Golo Mann. Die beiden Letztgenannten sind zudem am Schreibtisch aufgenommen worden. Der Bildausschnitt ist den Konventionen des verlegerischen Paratextes entsprechend der des Kopfbildes, einige Autoren werden jedoch auch im Brust- oder Hüftausschnitt gezeigt. Die Bilder sind offenkundig beschnitten, es ist also möglich, dass weitere Autoren rauchen. Das Rauchen selbst steht hier nicht im Vordergrund, es ist ein Zusatz, dem nicht unbedingt gezielt viel Aufmerksamkeit zuteil wird. Plakativere Beispiele lassen sich Büchern und Sonderprospekten entnehmen: Der Sonderprospekt, der 2011 zum 100. Geburtstag Max Frischs bei Suhrkamp erschien, titelt mit einem seitenfüllenden Schwarz-Weiß-Porträt des Pfeifenrauchers, der mit halbgeöffneten Augenlidern abschätzig in die Kamera blickt;245 oder Bertolt Brecht mit der obligatorischen Zigarre als cooler Typ auf dem Cover des Insel-Taschenbuchs Lektüre für Minuten sowie Hermann Hesse, ebenfalls auf einem Insel-Taschenbuch
a. N.: Deutsche Schillergesellschaft 2006, S. 61–63, hier: S. 61–62. 243 Bickenbach: Fotografierte Autorschaft: Die entzogene Hand, S. 203. 244 Vgl. 100 Jahre S. Fischer. Das Klassische Programm, Frankfurt a. M.: S. Fischer 1986 (P) (DLA, VpS 2, Fischer). 245 Vgl. Autorenprospekt Max Frisch. Berlin: Suhrkamp 2011. (P) (Download von der Homepage des Suhrkamp Verlags. URL: http://www.suhrkamp.de/download/Prospekte/Max-Frisch_Prospekt.pdf, [19.10.2012].)
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mit dem Titel Eigensinn macht Spaß, als genüsslich schmunzelnder Zigarrenraucher, wobei der Titel die Zigarre als Attribut des Eigensinns konnotiert.246 Hermann Hesse ist auch der Gegenstand eines der populärsten Beispiele des rauchenden Autors: Andy Warhols Siebdruck Hermann Hesse, der unter Verwendung einer Fotografie von Martin Hesse entstanden ist und 1984 vom Suhrkamp Verlag in Auftrag gegeben wurde, zählt zu den meistverwendeten Raucher-Autorenfotos im verlegerischen Paratext.247 Auch hier raucht Hesse genüsslich: Den Kopf in den Nacken gelegt und den Blick nach oben gerichtet, lässt der Autor den Rauch, der in Warhols Porträt durch die gelbe Färbung zum Blickpunkt geriert, schmunzelnd aus seinem Mund strömen. Die ganze Pose erweckt den Eindruck konzentrierten Rauchens, der Autor scheint ganz darin versunken – eine Versunkenheit, die im Gegensatz zum Blick in die Kamera steht, der den Standard des Autorenfotos ausmacht. Gerade durch die Verschlossenheit des Rauchers eignet sich das Porträt dennoch zur Inszenierung der Abwendung, die zum Identifikationsmoment des jugendlichen Lesers wird. Die ikonischen »Zeichen jugendlicher Dissidenz«248 – neben dem Rauch, der auf die erste Zigarette und andere Einstiegsdrogen verweise, die an John Lennon gemahnende Nickelbrille – haben die Aufnahme des Porträt in Plakatform in das »klassische [...] Bildprogramm des deutschen Teenager-Zimmers«249 befördert und Hesse zur Ikone gemacht.250 Der Suhrkamp Verlag verwertete das Warhol-Porträt jahrelang in allen sich anbietenden paratextuellen Zusammenhängen: Zum 100. Geburtstag Hesses 1987 wurde es erstmals als Plakat angeboten, außerdem als heraustrennbares Poster in der Heftmitte der Hesse-Jubiläumszeitung und in sechsfacher Ausführung auf den Covers von Jubiläums-Lesebüchern sowie auf dem Schuber einer Werkausgabe im Taschenbuch.251 Auch später wurde auf dieses Porträt immer wieder zurückgegriffen, beispielweise wurde das Plakat im DIN-A1-Format im Hesse-Jubiläumsjahr 2002 gegen eine Schutzgebühr von 14,80 Euro angeboten, nicht zuletzt findet sich das Bild auch auf dem Cover einer Hesse-Biografie im Suhrkamp-Taschenbuch wieder.252
246 Vgl. Bertolt Brecht: Lektüre für Minuten. Gedanken aus seinen Stücken, Schriften und autobiografischen Texten, ausgew. v. Günter Berg (it 2864), Frankfurt a. M.: Insel 2002 (C); Hermann Hesse: Eigensinn macht Spaß. Individuation und Anpassung, ausgew. v. Volker Michels (it 2373), Frankfurt a. M.: Insel 2002 (C). 247 Kolja Mensing: Happy Birthday, Ikone. In: Die Tageszeitung. (02.07.2002), URL: http://www.taz. de /1/archiv/archiv/?dig=2002/07/02/a0151, [15.5.2012]. 248 Ebd. 249 Ebd. 250 Vgl. ebd. 251 Vgl. Hermann Hesse starb vor 25 Jahren. Sein Werk ist so lebendig wie nie zuvor, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987 (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp). 252 Vgl. Abb. des Plakats in: Hermann Hesse. Autor der Jugend und Zukunft: lebendig wie nie zuvor, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003 (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp); Alois Prinz: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Die Lebensgeschichte des Hermann Hesse (st3742), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (C).
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Jedoch nicht als Fotografie, sondern als Warhol-Druck erfuhr das Bild des rauchenden Hesse die größte Verbreitung, wobei das Porträt auf beispiellose Weise aktualisiert und an aktuelle Zeitgeistströmungen angepasst wurde – »Mit dem WarholPoster erhielt Hesses Werk die Weihen der Popkultur.«253 Diese verleibte sich Warhols ironische Auseinandersetzung mit der Reproduktion medialer Ikonen mühelos ein. Die Aktualisierung der Fotografie des Autors durch den Siebdruck ist auch deswegen ein interessantes Beispiel, weil sie der Historisierung des Autorenfotos in der Bildsprache des Klassikers scheinbar zuwider läuft. Das Pars pro Toto ist ein weiteres Muster der Ikonografie des Klassikers. Gemeint ist damit nicht das allgemein übliche beschnitte (Kopf-)Bild des Autors, sondern die Konzentration auf bestimmte Ausschnitte und Motive, die als Pars pro Toto für den Autor eingesetzt werden. Als Ausschnitt aus dem Autorenfoto stehen dabei die Hände des Autors im Mittelpunkt, sie sind eine fotografische Bildformel. Bickenbach beschreibt das »Porträt des Autors als [Hervorhebung im Original] seine Hand«254 am Beispiel von Gisèle Freunds Fotografie Die Hände von Joyce von 1938:255»Der Fokus auf die Hände von James Joyce zeigt diese nach den Regeln der Fotografie: ruhend. Demonstrativ ruhen sie auf einem Gehstock. Sie sind denkbar weit von jeder schriftstellerischen Tätigkeit entfernt.«256 Das Ruhen der Hand wird ihm zum Inbegriff der Nachträglichkeit des Autorenfotos, das den Dichter nach getaner Arbeit zeigt. Aus dem fotografischen Arsenal der Autorendarstellung verschwinde die ehemals »schreibende, dozierende oder zeigende Hand«257 als Attribut von Autorschaft und Gelehrsamkeit. Dies trifft zumindest auf die Ikonografie des Klassikers im verlegerischen Paratext nicht zu, denn hier hat sich das Motiv der schreibenden Hand zu einer festen Bildformel entwickelt. Sie wird zum Beispiel auf dem Cover der Erzählungen Heinrich Bölls von 2006 aufgegriffen oder in Form der Hände Thomas Manns auf einer Vorschaudoppelseite des S. Fischer Verlags von 2001 (mit der übrigens dort die Abteilung »Moderne Klassiker« eingeleitet wird, auch wieder eine rhetorische Form der Zuweisung zum Kanon).258 Die dort abgebildeten Handpaare Heinrich Bölls und Thomas Manns schreiben; genauer: beide richten ein Schreibgerät in Schreibposition aus und halten im Schreiben inne. Somit entsprechen auch sie letzthin dem Gesetz der ruhenden Hand. Die Position des Füllfederhalters von Thomas Mann weist verdächtig auf eine inszenierte Schreibsituation hin, denn die Feder richtet sich auf die Mitte eines bereits beschrifteten Bogens Papier, was höchstens als Redigieren erklärt 253 Mensing: Happy Birthday, Ikone. 254 Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution, S. 297. 255 Vgl. ebd., S. 295–298. 256 Ebd., S. 296. 257 Ebd., S. 287. 258 Vgl. Heinrich Böll: Erzählungen. Hrsg. v. Jochen Schubert, Köln: Kiepenheuer und Witsch 2006 (C); S. Fischer Programmvorschau Herbst 2001. Frankfurt a. M.: S. Fischer 2001, S. 44–45 (P) (DLA, VpS 2, S. Fischer).
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werden könnte. Jedenfalls nicht als genuine Schreibszene. Im Vergleich dazu wirkt die Böllsche Schreibszene realistischer, hier setzt der Stift an, eine unbeschriebene Notizbuchseite zu füllen, während die linke Hand beiläufig eine Zigarette hält und damit noch einmal demonstriert, wie diskret sich das Attribut des rauchenden Autors in die Bildsprache einzufügen vermag. Abgesehen von dieser Kritik der Bildinszenierung: beide Handpaare verdichten die Darstellung in einem Pars pro Toto. In dieser Verdichtung liegt ein Abweichen von dem eigentlich im Fokus des Autorenfotos stehenden Gesicht. Dabei wird die schreibende Hand zum Zeichen für die Größe des Autors, denn sie vermittelt einen symbolisch überhöhten Eindruck, der auch dadurch entsteht, dass die schreibende Hand an die Tradition der Autorikonografie anknüpft. Vergleichbar mit der Verdichtung der Autorfigur in bestimmten Bildausschnitten ist die symbolische Inszenierung von Objekten an Stelle des Autors. Die auratische Inszenierung von Objekten stammt aus dem Bildprogramm des Erinnerns. Im verlegerischen Paratext werden die teilweise allein stehenden Objekte aus dem Kontext des Erinnerns herausgelöst und als symbolische Markierungen des Autors eingesetzt, ohne dabei vollständig den sakralen Zug zu verlieren, der ihnen in der Bildbiografie anhaftet. Ein besonders exponiertes Beispiel bietet die Covergestaltung einer 2011 erschienene Gedichtauswahl Hermann Hesses.259 Die gesamte Coverfläche des Taschenbuchs wird von der formatgleichen Fotografie eines Notizbuches ausgefüllt, wodurch der Anschein erweckt wird, dass es sich bei diesem Taschenbuch um eine abgegriffene Kladde handelt. Unterhalb des hervorgehobenen Titels liegt diagonal angeordnet das Gestell einer Nickelbrille – ein Symbol für Hermann Hesse, das bereits aus Volker Michels Bildbiografie von 1979 bekannt ist.260 Die symbolische Darstellung des Autors ist insofern diskret, als ihre Entschlüsselung die Vertrautheit des Betrachters mit der Ikonografie Hermann Hesses erfordert. Blendet man dieses Wissen aus, dominiert ein historischer Eindruck des Covers, der durch die offensichtlich antiquierte Brille und die Patina der Unterlage erzeugt wird. Dasselbe Konzept liegt auch der Covergestaltung einer Taschenbuchausgabe von Liebesgeschichten Wolfgang Koeppens zugrunde, die bei Suhrkamp 2006 erschien.261 Die für Koeppen typische Hornbrille liegt in gleicher Position hier auf einem handschriftlichen Manuskript und verbindet die Darstellung von Autor und Werk zu einem Stillleben aus dem Arbeitsalltag des Schriftstellers, ohne dass dieser dazu gezeigt werden müsste. Mehr auf die Werkentstehung verweist die symbolische Darstellung von Schreibgeräten und anderen Objekten, die mit dem Prozess des Schreibens zu tun haben: Die Werkausgabe von Wolfgang Koeppen bei Suhrkamp exponiert auf den Covers der Ein259 Vgl. Hermann Hesse: Stufen. Ausgewählte Gedichte (it 4047), Berlin: Insel 2011 (C). Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/cover/pdf/35747_Hesse.pdf (29.05.2014). 260 Vgl. Michels (Hrsg.): Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten, S. 194–195. 261 Vgl. Wolfgang Koeppen: Liebesgeschichten. Hrsg. v. Hans-Ulrich Treichel (st3761), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006 (C).
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zelbände eine frontal aufgenommene Fotografie der Schreibmaschine des Autors, die mittig am unteren Coverrand platziert und von der Bandnummer und dem Verlagsnamen eingerahmt ist.262 Das Motiv der mechanischen Schreibmaschine ist hier auch als Historisierung zu verstehen; sie erscheint im Zeitalter der elektronischen Textverarbeitung als Relikt der Vergangenheit – wenn auch einer nicht allzu fernen Vergangenheit. Dieser historisierende Effekt lässt sich auf die Werke des Autors zurück übertragen; das Überdauernde der Werke Koeppens, für das die Werkausgabe als editorische Kanonisierungspraxis steht, wird damit in der bildlichen Verdichtung betont zu einer symbolischen Kanonisierung. Eine verbindliche Ikonografie des Klassikers gibt es in der Fotografie schon aufgrund ihrer Reproduzierbarkeit in variablen Kontexten nicht – schließlich stehen Posen und Objekte einem jeden Autor offen. Spezifisch ist jedoch die Inszenierung von Objekten und Bildausschnitten anstelle eines Autorporträts, sie findet sich im verlegerischen Paratext nur bei den Klassikern. Mehr noch als durch spezifische Posen und Objekte ist die Ikonografie des Klassikers durch das Prinzip der Historisierung gekennzeichnet. Eine Form der Historisierung des Autorenfotos ist die oben untersuchte Kontinuität tradierter Posen, eine andere die Inszenierung des Autors als Raucher, indem sie im Kontrast zur fotografischen Inszenierung zeitgenössischer Autoren steht. Die schwarz-weiße Farbgebung der allermeisten Autorenfotos im verlegerischen Paratext ist ebenfalls eine Form der Historisierung, die jedoch aus ästhetischen Gründen auch für die Darstellung lebender Autoren üblich ist. Doch auch wo jene immer häufiger in Farbe gezeigt werden, bleibt die Fotografie des Klassikers schwarz-weiß. Deutlich wird dieses Prinzip besonders dann, wenn Fotografien nicht bearbeitet als vollständiges historisches Dokument abgebildet werden, wie beispielsweise ein Kinderfoto Franz Kafkas in einer Programmvorschau des S. Fischer Verlags von 1994.263 Die Reproduktion zeigt den originalen Bildträger, auf dem der Name des Fotografen und die Ortsnamen Prag und Teplice zu lesen sind und weist die Aufnahme, auch durch ihr Arrangement mit einer Büroklammer vor dem Hintergrund einer Prager Stadtansicht, als historisches Dokument aus. Die Ikonografie des Autors kann diesen nur bedingt als Klassiker kennzeichnen. Zwar lassen sich diese Kennzeichen der Ikonografie des Klassikers bei der Bildverwendung im Zusammenhang mit kanonisierten und zu kanonisierenden Autoren im verlegerischen Paratext nachweisen und durch ihre Wiederholung auch zum Inszenierungsprinzip erklären, eine Kennzeichnung des Autors als Klassiker wird jedoch hier nie allein durch die Ikonografie geleistet, sondern immer auch von der Kontextualisierung des Autorenfotos mit getragen. 262 Vgl. Wolfgang Koeppen: Eine unglückliche Liebe. Hrsg. v. Jörg Döring (Wolfgang Koeppen: Werke, hrsg. v. Hans-Ulrich Treichel, Bd. I), Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2007 (C). Vgl. Abb. unter: http://www. suhrkamp.de/cover/pdf/35747_Hesse.pdf (29.05.2014). 263 Vgl. Programmvorschau S. Fischer, Herbst 1994. Frankfurt a. M.: S. Fischer 1994, S. 39 (P) (DLA, VpS 2, S. Fischer).
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5.3.2 Kontextualisierung des Klassiker-Autorenfotos Autograf und Zitat sind typische Elemente im näheren Umfeld der Fotografie des Klassikers und tragen weiter dazu bei, dass sich das Bild des kanonisierten Autors im verlegerischen Paratext von dem des ›sterblichen‹ Autors abhebt. Der Autograf, der in der Bildsprache des Klassikers ein selbstständiges ikonisches Element ist, kommt hier hauptsächlich in Form des handschriftlichen Namenszuges vor. Die Unterschrift des Autors verweist nicht nur auf die Star-Autogrammkarte und wirkt dadurch als Kennzeichen von Prominenz, vor allem ist sie als fragmentarischer Überrest der verbreiteten Widmungspraxis von Fotografien im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu sehen. Diese hat den Einzug des Autorenfotos in den verlegerischen Paratext (vor allem im Frontispizporträt) zunächst begleitet und im frühen 20. Jahrhundert keineswegs nur die Fotografien von Klassikern konnotiert.264 Die Verbindung von handschriftlicher Unterschrift und fotografischem Porträt zieht sich als Muster durch die Bildverwendung des Klassikers im verlegerischen Paratext. Allein für Hermann Hesse finden sich in den Prospekten des Suhrkamp Verlags zahllose Beispiele, bei denen Fotografie und Unterschrift zusammenspielen.265 Auch das Plakat auf der Grundlage von Andy Warhols Hesse-Porträt ist mit einer Unterschrift des Autors versehen.266 Der handschriftliche Namenszug erfüllt mehrere Funktionen: Er identifiziert zunächst einmal die fotografierte Person. Darüber hinaus gehen die medialen Implikationen des Autografen, indem sie die fotografische Bestätigung der Präsenz verdoppelten und beglaubigten. Auch die Handschrift bezeugt die Präsenz des Autors. Kulturhistorisch betrachtet rückt die handschriftliche Unterschrift das Bild des Autors in den Kontext der Klassikerverehrung, dem die Bildsprache des Klassikers entstammt. Am Autografen entzündete sich die Verehrung des Autors im 19. Jahrhundert, denn die Handschrift legt eine auratische Spur zum schöpferischen Schreibakt aus. Diese Spur hat sich bis in die Verlagsprospekte des 21. Jahrhunderts erhalten, wo reproduzierte Autografen nicht nur in enger Verbindung zum Autorenfoto, sondern auch als für sich stehende Motivgruppe in Autorenprospekten verbreitet sind. Insbesondere der handschriftliche Namenszug ist auch ohne die Fotografie des Autors ein gängiges Element der Klassikerinszenierung, das auch in der Gestaltung von Werkausgaben aufgegriffen wurde; die Umschlaggestaltung der Hesse-Werkausgabe bei Suhrkamp beispielsweise bedient sich der Unterschrift des Autors als einem auratischen Element, ebenso die Gestaltung der Werkausgabe Thomas Bernhards, ebenfalls bei 264 Siehe: 3.3 Das Autorenfoto als öffentlicher und privater Paratext u. 4.2.2 Das Frontispizporträt als erster Verwendungskontext des Autorenfotos 265 Vgl. Das Werk von Hermann Hesse im Suhrkamp Verlag. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980, Cover (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp); Suhrkamp Programmvorschau 1987/2. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 198, Cover7 (DLA, VpS 2, Suhrkamp); Die schönsten Geschenkbücher Suhrkamp/Insel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Insel 1984, S. 26 (DLA, VpS 2, Suhrkamp). 266 Vgl. Hermann Hesse (Andy Warhol). Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987 (Pl).
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Suhrkamp.267 Innovativ erscheint im Vergleich die Gestaltung der Werke Franz Kafkas in zwölf Einzelausgaben im Fischer Taschenbuch.268 Die Cover der einzelnen Bände sind von stark vergrößerten Buchstaben in Kafkas Handschrift illustriert, die für sich genommen grafische Qualität haben. Erst nebeneinander gelegt offenbaren die zwölf Bände den vollständigen handschriftlichen Namenszug des Autors. Die Gestaltung setzt das Fragmentarische von Kafkas Werken ebenso geschickt um, wie den mit der Ausgabe verbundenen editorischen Anspruch, die Fassung der Handschriften zu versammeln. Dem Status der Handschrift als ikonischem Zeichen des kanonisierten Autors tut auch der Wandel der Schreibmedien vorläufig keinen Abbruch. Obwohl das handschriftliche Manuskript im Laufe des 20. Jahrhunderts im Rahmen der »Technisierung des Schreibens«269 zur Ausnahme geworden ist, ist es zumindest als Motiv der Bildsprache des Klassikers bislang erhalten geblieben. Auch Autoren, die sich der Schreibmaschine oder des Computers als Schreibgerät bedienen, produzieren weiterhin Autografen, die als Grundlage für Abbildungen verwendet werden können. In dem bereits herangezogenen Autorenprospekt Handke. Das Werk von 2008 ist beispielsweise eine Abbildung handschriftlich beschrifteter Notizbücher des Autors enthalten270 sowie die ganzseitige Reproduktion eine handschriftlich überarbeiteten Typoskripts271. Der auratische Mehrwert der individuellen Handschrift des Autors kann auf diese Weise auf das Typoskript übertragen werden. Das Zitat gestaltet sich als weniger komplexes, aber ebenso konstantes Element der Kontextualisierung des Klassiker-Autorenfotos. Ähnlich wie die Unterschrift des Autors werden Zitate sowohl lose als auch in Verbindung mit Autorenfotos in Autorenprospekten, Programmvorschauen und auf Plakaten eingesetzt. Sie repräsentieren das Werk und verknüpfen es mit dem Bild des Autors. Das Zitat ist die kleinste tradierbare Werkeinheit. Es findet Eingang in Zitatsammlungen und kann in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, wie beispielsweise viele Zitate Goethes und Schillers. Der symbolische Effekt des Zitats besteht darin, dass es das Werk des Autors als zitierwürdig ausweist; es suggeriert, dass es der Überlieferung würdig ist. Das Zitieren von Dichtern war auch im Rahmen der Dichterverehrung des 19. Jahrhunderts eine zentrale kulturelle Praxis.272 Davon zeugt der Erfolg von Georg Büchmanns 267 Vgl. Hermann Hesse: Sämtliche Werke in 20 Bänden. Hrsg. v. Volker Michels, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2001–2007 (C); Thomas Bernhard: Werke. Hrsg. v. Martin Huber u. Wendelin SchmidtDengler, Frankfurt a. M. u. Berlin: Suhrkamp 2007 f. (C). Vgl. Abb. unter: http://www.suhrkamp.de/ cover/pdf/41501_Bernhard.pdf (29.05.2014) 268 Vgl. Franz Kafka: Gesammelte Werke. Nach der kritischen Ausgabe hrsg. v. Hans-Gerd Koch, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2008 (C). 269 Ursula Rautenberg: Typoskript. In: Reclams Sachlexikon des Buches, hrsg. v. ders., S. 500. 270 Vgl. Handke. Das Werk, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008, S. 17. (siehe: 4) 271 Vgl. ebd., S. 18. 272 Vgl. Julia Encke: Kopierwerke. Bürgerliche Zitierkultur in den späten Romanen Fontanes und Flauberts (Münchener Studien zur literarischen Kultur in Deutschland 29), Frankfurt a. M. u. a.: Lang 1998, S. 17–38.
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1864 erstmals aufgelegter Zitatensammlung Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des deutschen Volks, die 1887 bereits in der 15. Auflage vorlag und bis in die Gegenwart immer neu aufgelegt wird.273 Die Relevanz des Zitierens für den Prozess der Kanonbildung liegt nahe und bildet einen kulturellen Bezugsrahmen für die Verwendung von Zitaten im verlegerischen Epitext. Die Verbindung von Autorenfoto und Zitat ist also die Verbindung zweier Elemente der Kanonisierung. Insbesondere Autorenprospekte bieten offenbar den geeigneten Rahmen für diese Verbindung: Der Autorenprospekt Thomas Bernhard von 2009 enthält auf 40 Seiten acht ganzseitige Fotografien und 40 Abbildungen von Buchcovern (die hier stellvertretend als Autorenfotos angesehen werden können, da es sich überwiegend um Taschenbuch-Cover mit einem fotografischen Porträt des Autors handelt).274 Der Text besteht ausschließlich aus Zitaten und Textauszügen, insgesamt sind 24 hervorgehobene Bernhard-Zitate in roter Schriftfarbe enthalten. Die ausführlicheren Textauszüge finden sich meist darunter. Eine direkte Konnotation von Fotografie und Zitat liegt hier zwar nicht vor, jedoch dienen beide der Konstruktion eines Autorbildes. Die Fotografien ergänzen den Einblick in das Werk, den die Zitate gewähren, um eine persönliche, nahbare Darstellung der Autorfigur, die übrigens von den ikonografischen Mustern der Klassiker-Darstellung abweicht. Zitate und Fotografien werden in einem Prospekt zur Werkausgabe Heinrich Bölls bei Kiepenheuer & Witsch von 2002 miteinander verknüpft:275 Als illustrierendes Beiwerk mit Kanon-Effekt sind Einheiten aus Autorenfoto und Zitat neben einem mittig gesetzten Text zur Werkausgabe positioniert, als Kolumnentitel dient die faksimilierte Unterschrift des Autors. Die Porträtaufnahmen Bölls illustrieren die Zitate teilweise als Zeitdokumente; so ist unter einem an die Mutter des Autors gerichteten Briefzitat vom 19. Juli 1942 eine briefmarkengroße Aufnahme Bölls in WehrmachtsUniform abgebildet. Der fotografierten Autorfigur wird das Zitat förmlich in den Mund gelegt und dadurch beglaubigt. Zusammengenommen ergeben die fünf FotoText-Einheiten eine kurzgefasste Biografie des Autors. Handschriftliche Zitate sind eine Sonderform der Verquickung dieser beiden Komponenten der Inszenierung des Klassikers. Sie lassen sich auch mit dem Autorenfoto kontextualisieren. Die Fotografie eines Kopfbildes von Hermann Hesse in der Suhrkamp Programmvorschau von 1987 ist mit der Unterschrift des Autors und einem handschriftlichen Zitat des Autors verbunden.276 Diese Verschränkung, die in sich den Verweis auf die Originalität des Autors als Schöpfer mit der fotografischen 273 Vgl. Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des deutschen Volks, Berlin: Haude & Spener 1864; Ders.: Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des deutschen Volks, fortgesetzt v. Walter Robert-Tornow, 15., verb. u. verm. Aufl., Berlin: Haude & Spener 1887. 274 Vgl. Thomas Bernhard. Suhrkamp, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2008 (P). Vgl. PDF des Prospekts unter: http://www.suhrkamp.de/download/Prospekte/Bernhard_Prospekt.pdf (29.05.2014). 275 Vgl. Heinrich Böll, Werke 1–27 Kölner Ausgabe, Verlag Kiepenheuer & Witsch [2002] (P) (DLA, VpS 2, Kiepenheuer & Witsch). 276 Vgl. Suhrkamp Programmvorschau 1987/2, [letzte Seite] (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp).
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Beglaubigung seiner Präsenz und den Zeichen der Kanonizität verbindet, wird in die Würdigung des Autors zu seinem 25. Todestag eingebettet.
5.3.3 Verdichtung und Reihung als Prinzipien der Bildverwendung Über die Spezifik der Ikonografie und ihre Kontextualisierung durch Zitat und Autograf hinaus offenbart die Bildverwendung zu kanonisierten oder zu kanonisierenden Autoren im verlegerischen Paratexten zwei spezifische Prinzipien: Das erste Prinzip ist das der symbolischen Verdichtung eines Autorbildes durch die wiederholte Verwendung ein und derselben Fotografie, die am Beispiel des Berliner Porträts Franz Kafkas und Gret Widmanns Aufnahme von Hermann Hesse bereits angedeutet wurde.277 Obwohl die wiederholte Verwendung des immerselben Autorenfotos im verlegerischen Paratext keine Ausnahme ist, was sich teils pragmatisch durch den geringen Aufwand der Recherche und des Rechteerwerbs, teils auch aufmerksamkeitsökonomisch durch die Einprägsamkeit und den Wiedererkennungseffekt erklären lässt,278 unterscheidet sich die Wiederholung von Klassiker-Autorenfotos doch von dieser allgemein üblichen Praxis. Das liegt an der Exponiertheit dieser Bilder im Rahmen von paratextuellen Verwendungskontexten, die dem kanonisierten Autor vorbehalten bleiben, wie beispielsweise das Plakat, der Autorenprospekt und die Jubiläumszeitschrift. Gret Widmanns Hermann Hesse-Porträt von 1929, das auch als Coverfoto der beiden ersten Hesse-Bildbiografien von Volker Michels eingesetzt wurde,279 war über Jahrzehnte hinweg das Zentrum der fotografischen Inszenierung und Kanonisierung dieses Autors bei Suhrkamp und Insel. Seit den frühen 1970er Jahren wurde es als Titelbild auf Autorenprospekten zu Hermann Hesse verwendet; zunächst in schmalen Leporello-Broschüren, später auch in großformatige Jubiläumszeitungen, die aus Anlass der Hesse-Gedenkjahre 1987 und 2002 erschienen.280 Auch auf der Verlagshomepage wird dieses Bild als zentrales Autorenfoto eingesetzt.281 Zum 125. Geburtstag Hesses 2002 zierte es neben der Jubiläumszeitung und einem Leporelloprospekt auch eine Sondervorschau zu Hermann Hesse, einen Sonderprospekt zur Werkaus277 Siehe: 5.2 Editorische Kanonisierung mit Bildern: Die Bildbiografie. 278 Siehe: 4.3 Das Autorenfoto im verlegerischen Epitext. 279 Siehe: 5.2.3 Inszenierung des Autors als Klassiker: Bildbiografien zu Hermann Hesse bei Suhrkamp und Insel. 280 Vgl. Hermann Hesse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1973 (P); Hermann Hesse 100. Geburtstag 1877– 1977. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1977 (P); Hermann Hesse Suhrkamp Insel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Insel 2002 (P); Hermann Hesse starb vor 25 Jahren. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987 (P); Autor der Jugend und der Zukunft: lebendig wie nie zuvor. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003 (P) (Alle Prospekte in: DLA, VpS 2, Suhrkamp). 281 Vgl. Autorenfoto Hermann Hesses auf der Verlagshomepage von Suhrkamp. URL: http://www. suhrkamp.de/autoren/hermann_hesse_1947.html, [02.05.2012].
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gabe, ein Verkaufsdisplay für den Buchhandel, eine Plastiktüte und ein Plakat.282 Obgleich die Kontextualisierung variiert und die Fotografie später farblich verändert wurde, bleibt sie sich immer gleich und wird im Prinzip wiederholt. In dieser jahrzehntelangen Wiederholung ist der Versuch der Ikonisierung des Autors klar erkennbar. Ein Bild wird geprägt. Der Bildausschnitt variiert in den einzelnen Verwendungskontexten zwischen Kopf- und Brustbild, der originale Bildausschnitt der Aufnahme wird jedoch nicht reproduziert, das Bild immer beschnitten. Die 1929 im Rahmen ihrer dritten Porträtserie des Autors entstandene Aufnahme der Fotografin Gret Widmann ist im Original ein Brustbild des sitzenden Autors, der eine Zigarre in der unscharf getroffenen Hand hält.283 Dass die rauchende Hand des Autors aus dem prägenden Bild entfernt wurde,284 ist nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen, dass der Autor nicht rauchend gezeigt werden sollte – schließlich handelt es sich bei der gleichzeitig vom Verlag verbreiteten Warhol-Grafik um das Bild des Autors als Raucher par excellence. Eine Erklärung bietet die Unschärfe der Hand, die dem Bild einen technischen Mangel verleiht. Mehr noch ist die Begrenzung des Bildausschnitts jedoch als Anpassung an die Erfordernisse des Autorenfotos im verlegerischen Paratext zu werten – das Kopfbild ist hier die Bildnorm, die eine unmittelbare Ansprache des Betrachters erlaubt.285 Die Ansprache und damit eine inszenierte Nähe verdankt sich dem Blick des Autors, der starr in die Kamera gerichtet ist und den Betrachter zu fixieren scheint. Die Aufnahme verbindet die Merkmale des Autorenfotos als ikonische Inszenierung von Nähe mit einem würdigen und ernsten Anschein, der in die Inszenierung Hesses als intellektueller Autor passt und wird durch diese Verbindung zum idealen Autorenfoto. Die Intellektualität wird hier neben der Brille als einem weiteren Attribut des Autors und Gelehrten von der aufrechten Körperhaltung Hesses und seinem ernsthaften und wissenden Gesichtsausdruck getragen. Ergänzt durch die bürgerliche Kleidung erscheint der Autor hier als seriöser Mann, der eine gewisse Würde ausstrahlt. Naturliebhaber, Nudist und Gärtner sind ihm nicht anzusehen – erkennbar ist eher ein freigeistiger Schulmeister. Neben diesen Aspekten der Bildprägung, die aus dem Gesichtspunkt der Buchwerbung und Rezeptionsförderung die Bildauswahl erklären, ist die Bildverwendung zugleich von symbolischen Kanonisierungseffekten getragen, die sich aus der Kontextualisierung ergeben: Dazu zählt die Verbindung der Fotografie mit der hand-
282 Vgl. Abbildung der Werbemittel in: 125. Geburtstag 2002 Hermann Hesse, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Insel 2001, S. 13–15 (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp). 283 Vgl. Reproduktion der Aufnahme in: Stark: Bild und Abbild, S. 71. 284 Eine Ausnahme ist die Verwendung der Aufnahme in einer Taschenbuch Programmvorschau 2002, die zwar auch beschnitten ist, aber die Zigarre in den Bildausschnitt einbegreift. Als Coverbild zu Prospekten und Büchern ist diese Version jedoch nicht verwendet worden. Vgl. Suhrkamp Taschenbuch Programmvorschau Mai-Oktober 2002, S. 27 (P) (DLA, VpS 2, Suhrkamp). 285 Siehe: 4.2.4 Die Stabilisierung des Autorenfotos im Klappenporträt.
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schriftlichen Signatur des Autors,286 der Hinweis auf den »100. Geburtstag«287 oder »25. Todestag«288, die die Inszenierung des Autors in einen allgemeinen Zusammenhang des Gedenkens rücken und der Slogan »Autor der Jugend und Zukunft: lebendig wie nie zuvor«289, der Hesses Beliebtheit bei jungen Lesern mit dem Anspruch auf Überlieferung seines Werkes verbindet. Das zweite Prinzip ist das der Reihung mehrerer Fotografien zu einer biografischen Erzählfolge. Dabei wird das biografische Ordnungsprinzip der Bildbiografie auf den verlegerischen Paratext übertragen, wobei der begrenzte Raum zwangsläufig eine Beschränkung auf wenige Bilder erfordert. Die Reihung von Bildern ist an die Möglichkeit zur Ausdehnung gebunden und schon deswegen eine Praxis, die der Inszenierung kanonisierter Autoren vorbehalten bleibt. Für die übrigen Autoren steht weniger Raum zur fotografischen Inszenierung zur Verfügung als für den Klassiker, insbesondere in Autorenprospekten, aufgeboten wird. Daher findet das Prinzip der Reihung immer dort Anwendung, wo der paratextuelle Kontext die Kanonisierung anzeigt, neben dem Autorenprospekt beispielsweise auf dem Schuber von Werkausgaben, wie im Fall der Kritischen Ausgabe der 2002 erschienenen Werke Franz Kafkas im Fischer Taschenbuchverlag.290 Der Rücken des 15 Bände umfassenden Schubers ist in zwei Flächen unterteilt, die obere ist blau grundiert und enthält ein Kafka-Zitat, die untere besteht aus einem Band von insgesamt sechs Kopfbildern Kafkas, die nach dem Zeitpunkt ihres Entstehens angeordnet sind und einen physiognomischen Lebenslauf bilden. Dadurch wird nicht nur eine biografische Lesart von Kafkas Texten vermittelt, sondern auch eine Vollständigkeit suggeriert, die sich von den Fotografien auf die Texte überträgt; hier wird sozusagen der ganze Kafka geboten. Das Zitat »Ich suche immerfort etwas Nicht-Mitteilbares mitzuteilen, etwas Unerklärliches zu erklären...«291 spricht den Leser indirekt an; ihm soll etwas mitgeteilt und erklärt werden, auch wenn es sich dabei um Unerklärliches und Nicht-Mitteilbares handelt. Diese Ansprache wird durch die Fotografien ergänzt und verstärkt, abgesehen von einer Aufnahme zeichnen sich alle durch den Blick des Autors zum Leser aus, der durch die Reihung der Porträts gewissermaßen fünffach angesehen wird. Auch hier verbinden sich ikonische Kanonisierungsformel mit den aufmerksamkeitsökonomischen Regeln der Buchgestaltung – wobei der Schuberrücken nicht gerade
286 Vgl. Hermann Hesse, 1973 (P); Hermann Hesse Suhrkamp Insel, 2002 (P); Hesse-Zeitung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1987 (P); Hermann Hesse, Autor der Jugend und Zukunft: lebendig wie nie zuvor, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003 (P) (alle vier Prospekte: DLA, VpS 2, Suhrkamp). 287 Hermann Hesse 100. Geburtstag, 1977 (P). 288 Suhrkamp Programmvorschau 1987/1, [letzte Seite]. 289 Hesse-Zeitung 2003. 290 Vgl. Franz Kafka: Kritische Ausgabe in 15 Bänden. Schriften und Tagebücher, hrsg. v. Jürgen Born, Gerhard Neumann, Malcom Pasley u. Jost Schillemeit, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2002 (Sch). 291 Ebd.
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die exponierteste Werbefläche ist, auch wenn der Verlag, wie die Abbildung zeigt, die Präsentation des Schubers als Werbemittel vorschlägt. Die Hesse-Jubiläumszeitung, die regelmäßig zu Gedenkjahren mit kleinen Abweichungen neu aufgelegt wurde, veranschaulicht die biografistische Grundlage der Reihung noch deutlicher:292 Der mit zahlreichen Abbildungen versehene Prospekt – die Fassung von 2002 enthält auf 14 Seiten 75 Abbildungen – bietet eine Auswahl von Motiven aus Hesses Bildbiografie in chronologischer Anordnung, darunter neben Porträtfotografien Hesses auch reproduzierte Manuskriptseiten und Abbildungen von Erstausgaben.293 Auf sechs Seiten werden sechs Lebensphasen Hesses vorgestellt, wobei die großformatigen Abbildungen den Eindruck bestimmen und der biografische Text eher ergänzend wirkt. Die Darstellung beginnt mit »Kindheit und Jugend«, illustriert von entsprechenden Kinder- und Familienbildern des Autors, und endet mit vier freigestellten Aufnahmen des alten Mannes auf einer Doppelseite, die zu einer Art Fächer angeordnet sind. Die Muster der Ikonografie des Klassikers sowie die spezifischen Formen der Kontextualisierung und Bildverwendung weisen den Klassiker im Bild aus und sind daher ikonische Formen der symbolischen Kanonisierungspraxis im verlegerischen Paratext. Durch das Anknüpfen an überlieferte und die Entwicklung neuer Bildformeln und die einschlägige Verbindung mit Autograf und Zitat sowie die Verwendungsprinzipien der Konzentration und Reihung werden spezifische Verwendungsweisen des Klassiker-Autorenfotos geprägt. Die Bildverwendung nach diesem Muster kennzeichnet dann zeichenhaft den Klassiker und ist insofern eine symbolische Kanonisierungspraxis, die sich auf Autoren übertragen lässt, welche erst als Klassiker gekennzeichnet werden sollen. Die Anlehnung an die vielfältigen Formen des kulturellen Dichtergedächtnisses – sei es durch Handschrift und Zitat, die Einbettung in offizielle, numerisch bedingte Gedenkanlässe und die Verwendung des Motivrepertoires der Bildsprache des Klassikers – machen die Bildverwendung im verlegerischen Paratext zu einem Teil der Gedenkkultur. Diese verbindet sich hier jedoch mit der wirtschaftlichen Notwendigkeit der Buchwerbung, was besonders da deutlich wird, 292 Zum aktuellen Hesse-Gedenkjahr 2012 änderte sich die Inszenierungsstrategie des Verlags. Die bewährten Autorenfotos wurden teilweise durch grafische Porträts in lebhaften Farben ersetzt. Die Motive der Porträts sind Fotografien entnommen. Der Wechsel vom erwartbaren Fotoporträt zur Porträtgrafik sichert Aufmerksamkeit und suggeriert durch die Irritation der Wahrnehmungs- gewohnheiten zugleich, dass es sich um einen besonderen Autor handelt, für den besondere Mittel aufgewendet werden. Dieser Wechsel ist ein Trend in der Inszenierung des Autors, der sich seit einigen Jahren beobachten lässt. Der Verlag Matthes & Seitz beispielsweise setzt auf seiner Homepage ausschließlich grafische Autorenporträts ein. Vgl. Cover des Autorenprospekts: Hermann Hesse. Jubiläum am 9. August 2012, Suhrkamp Insel, Berlin: Suhrkamp u. Insel 2012, Cover (P) (Download von der Homepage des Suhrkamp-Verlags http://www.suhrkamp.de/_livebooks/Hesse_Jubilaeum_2012/index.html [19.10.2012]); Hermann Hesse: Hermann Hesse antwortet ... auf Facebook. Berlin: Suhrkamp 2012 (C), Autorenporträts auf der Verlagshomepage von Matthes & Seitz. URL: http://www.matthes-seitz-berlin.de/ autoren.html, [19.10.2012]. 293 Hesse-Zeitung 2003, (S. 1–2, 5–6, 7–8) (P).
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wo die Bildverwendung an die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie angepasst ist, etwa in der Anpassung an die Kopfbild-Norm und die Auswahl von Porträts, die dem Blick des Lesers begegnen. Die fotografische Inszenierung des Autors ist ein wichtiges Element der Kanonisierungspraktiken von Verlagen. Die Autorfigur wird in diesem Rahmen außerordentlich präsent gehalten. Die Fotografie wird als Medium des Erinnerns und der Vergegenwärtigung eingesetzt und zugleich zur Prägung eines Autorbildes. Sie dient als Medium der Popularisierung – der Weg zum Werk führt auch hier über die Fotografie des Autors.
6 Im Angesicht des Lesers – Dimensionen der fotografischen Inszenierung des Autors Das typische Autorenfoto zeigt den Autor nicht beim Radfahren. Die Norm ist das Kopfbild. In Schwarz-Weiß gehalten fügt es sich diskret und unauffällig in die Umschlagklappe, die Programmvorschau und die Verlagshomepage ein. Es zeigt einen Autor, der als solcher erst durch die Kontextualisierung erkennbar wird. Die Vita, der Buchtitel, der Name des Autors konnotieren das Bild, aus dem dem Betrachter ein Mann oder eine Frau neutral bis freundlich entgegenblickt. Die Bildnorm des Kopfbildes zeugt von der Annäherung der Ikonografie des Autors an die Darstellungsmuster der personalisierten Medienöffentlichkeit. Mit dieser Annäherung entfernt sich das Autorenfoto von der über Jahrhunderte üblichen Darstellung der Autorschaft als weltabgewandte Geistestätigkeit. Und dennoch: Es gibt eine spezifische Bildsprache des Autors. Nicht ein Darstellungsmuster oder eine formelhafte Ikonografie ist typisch für den Autor im Bild; vielmehr ist es ein Arsenal aus Blicken, Posen und Objekten, das den Autor kennzeichnet. Die Fotografie hat die Autorikonografie um nahezu jede beliebige fotografierbare Situation erweitert – und doch gibt es ikonografische Muster. Dazu zählen tradierte Darstellungsformen wie die des lesenden, denkenden und schreibenden Autors. Dazu zählt der rauchende Autor. Und dazu zählen ferner die Schreibmaschine, das Sterbebett, die Geliebte, der Verleger, die Heimatstadt und das Feriendomizil. Zudem das Buch, die Notizbuchseite, die Unterschrift als Repräsentation des Werkes. Der fotografierte Autor zeigt sich bereits in seinen Händen, seinen Besitztümern, seinen Orten. Die Fotografie bringt das Auratische in die Ikonografie des Autors ein: Die Fotografie des Goethehauses ist die Ikonisierung der Aura des Ortes. Sie kündet, ihrer Reproduzierbarkeit zum Trotz, von der Originalität des Ortes. Ausgerechnet die technisch reproduzierbare Fotografie hat die Bildsprache des Autors um die Aura erweitert; die Auratisierung des Autors ist ein fotografischer Effekt. Für die Visualisierung von Literatur als Notwendigkeit der Literaturvermittlung ist die Erweiterung der Bildsprache des Autors durch die Fotografie folgenreich gewesen, indem die Repräsentation des Autors, die personalisierende Darstellung, sich gegenüber der Repräsentation des Textes behauptet hat. Wenn Literatur gezeigt werden soll, so wird zumeist der Autor gezeigt. Und danach der Text (in Buchform oder als Manuskript). Der Weg zum Text führt über das Bild des Autors. Er ist gesäumt von Texten aller Art. Die Fotografie spricht nicht alleine für sich. Erst durch ihre Kontextualisierung lassen sich ihr konkrete Bedeutungen zuweisen. Die erste Phase der Bildverwendung im verlegerischen Paratext fällt auch deshalb mit der Entwicklung neuer Textformen der Buchwerbung zusammen und begleitet ihre Entwicklung. Der verlegerische Paratext ist nicht der einzige Bereich der Literaturvermittlung, in dem sich die vermittelnde Bildverwendung untersuchen lässt. Er steht exemplarisch für die Bedeutung des Autorenfotos als Verbildlichung des literarischen Textes,
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die sich beispielsweise auch in der journalistischen Literaturkritik und in Literaturausstellungen nachweisen lässt. Der verlegerische Paratext als Vereinigung von Buchgestaltung und Buchwerbung ist allerdings der einzige Bereich der Literaturvermittlung, in dem inhaltliche Vermittlung und Werbung unmittelbar ineinander fallen. Hier gelten besondere Regeln. Die Bildverwendung im verlegerischen Paratext ist dementsprechend von einer doppelten Logik – wie das literarische Feld insgesamt – gekennzeichnet. Die Untersuchung der Bildverwendung im 20. Jahrhundert hat gezeigt, dass das Autorenfoto im Rahmen der Literaturvermittlung eine wichtige Rolle spielt. Diese Bedeutsamkeit des Autorenfotos ergibt sich aus den drei zentralen Funktionen der Bildverwendung: Erstens der Aufmerksamkeitsbindung, zweitens der Bildprägung und drittens der Inszenierung von Nähe. Diese Funktionen eröffnen jeweils eine Dimension der Inszenierung, die einzelnen Dimensionen sind miteinander verbunden. Die Aufmerksamkeitsbildung als erste Inszenierungsdimension stellt den Ausgangspunkt dar, von dem aus die weiteren Inszenierungsdimensionen überhaupt erst zu erreichen sind. Zum Einen schließt die Inszenierung von Autorbildern daran an. Der Betrachter entnimmt der Fotografie des Autors und ihrem Kontext die Identität des Autors und die ikonografischen und kontextuellen Zuschreibungen an die Autorperson. Dazu ist ein eher distanziert-analytischer Blick auf das Bild erforderlich, der in der Inszenierung von Nähe zwischen Autor und Leser gebrochen wird, die auf der dritten Inszenierungsebene angesiedelt ist. Das Bild blickt zurück und erlaubt dem Betrachter, in eine Zwiesprache mit dem Autor zu treten. Aus dieser ikonischen Verbindung lässt sich ein personalisierter Zugang zum Text ableiten. Die Aufmerksamkeitsbindung ist die notwendige Voraussetzung der fotografischen Inszenierung. Das bedeutet, dass sich die Funktion des Autorenfotos keineswegs in der Bindung von Aufmerksamkeit erschöpft. Erst dem aufmerksamen Betrachter eröffnen sich die beiden Dimensionen der Inszenierung – Bildprägung und Inszenierung von Nähe –, die in jedem Autorenfoto verankert sind. Dass der oberflächliche Blick des Betrachters beim Durchblättern von Prospekten an der Fotografie des Autors überhaupt hängen bleibt, ist der Gesichtserkennung geschuldet. Sie ist eine Konstante der menschlichen Wahrnehmung. Diesen Effekt auszunutzen bedeutet, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Bild zu lenken. Das Ausmaß an Aufmerksamkeit variiert abhängig von Motiven, Bildausschnitten und Formaten. Das Kopfbild als Bildnorm kann den Effekt haben, den Autor im Zeigen unsichtbar werden zu lassen. Es wird allerorten und in den verschiedensten Zusammenhängen eingesetzt, nicht nur als Bildnorm des Autorenfotos, sondern in der personalisierten Medienberichterstattung überhaupt. Die sich daraus ergebende Homogenität der Gesichter überwindet nur der Interessierte im genaueren Hinsehen. Die Gewöhnung an das Kopfbildporträt, ja an das Bild des Autors insgesamt, ist ein Ergebnis der ikonischen Übersättigung der Rezipienten. Dass das Autorenfoto überhaupt in den verlegerischen Paratext aufgenommen wurde, liegt daran, dass das Porträt des Autors beim bildhungrigen Publikum um
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1900 sehr wohl ein hohes Maß an Aufmerksamkeit garantierte. Dies resultierte aus der Porträtkultur des 19. Jahrhunderts, die einen Bedarf an aktuellen Aufnahmen öffentlicher Persönlichkeiten geweckt hatte. Diesem Bedarf entsprach die visuelle Öffentlickeit und zugleich schuf sie ihn mit. Dank der verbesserten Reproduktionstechniken eroberten Bilder immer mehr öffentlichen Raum für sich, neue Wahrnehmungsweisen prägten sich aus. Die Entwicklung des Autorenfotos im verlegerischen Paratext ist von einem Kampf um die Aufmerksamkeit begleitet. Die Bildformate wurden immer größer und die Motive ausgefallener, der Bildanteil steigerte sich bis in die 1980er Jahre stetig, weil das Autorenfoto in der Bilderflut bestehen sollte. Auf die Gewöhnung des Publikums an Motive und Verwendungsweisen folgt die Suche nach neuen Motiven und Verwendungsweisen. Ist das vorhandene Bildmaterial allzu bekannt, hilft mitunter nur die Wahl eines ungewöhnlichen Bildausschnitts, wie die vergrößerten Augen Kafkas auf dem Buchcover von Die ungeheure Welt, die ich im Kopfe habe. Die Suche nach Motiven, welche die Wahrnehmungsgewohnheiten irritieren, führt mitunter zu einer Abkehr von der Fotografie: Immer öfter ersetzen farbige Porträtgrafiken das Autorenfoto, beispielsweise in Werbeanzeigen des Hanser Verlags für Roberto Bolaño und Umberto Eco. Und selbst die Paratext-Kollektion des Suhrkamp Verlags zum Hermann Hesse-Gedenkjahr 2012 verzichtet auf die Fotografie zugunsten einer Porträtgrafik. Die Prägung eines Autorbildes als zweite Inszenierungsebene resultiert aus der Ikonografie und ihrer Kontextualisierung. Hier finden Zuschreibungen an die Autorfigur statt: der Autor als Intellektueller, als Geschäftsmann, als Abenteurer, als Star. An der Bildprägung sind Ikonografie und Kontextualisierung unterschiedlich stark beteiligt. Spricht die Ikonografie nicht von selbst – etwa durch den Rekurs auf Darstellungstraditionen –, so leisten Überschriften und Bildkommentare eine ergänzende Zuschreibung. Die Vita unter dem Klappenporträt positioniert den Autor in einer wechselseitigen Bestätigung zwischen der im Bild dokumentierten Identität des Autors und den Zuschreibungen des Textes. Das Inszenierungspotenzial der Fotografie hat aber gerade nicht zur Folge, dass die fotografische Inszenierung im verlegerischen Paratext etwa bis zum Äußersten getrieben würde. Im Gegenteil ist die Entwicklung der Bildverwendung im verlegerischen Paratext von der Tendenz zum vermeintlich Nicht-Inszenierten geprägt. Das offenkundige Inszenierungspotenzial wird vordergründig durch die Auswahl von Fotografien eliminiert, die einen Anschein von Privatheit und Improvisation aufweisen. Handke im Fotoautomaten, Bernhard in der Hängematte, Bachmann beim Kuchenessen – das implizite Autorenfoto gewährt unerwartete Einblicke und wirkt dadurch authentisch. Auf diese Weise trägt die Bildverwendung einem Fotografiediskurs Rechnung, der nicht erst seit der Digitalfotografie mit ihren unbegrenzten Manipulationsmöglichkeiten den objektiven und authentischen Anschein des fotografischen Bildes in Frage stellt. Und damit die inszenierte Authentizität der Autorbilder. Zunächst einmal bestätigt die fotografische Inszenierung nämlich nicht nur die Präsenz des Autors, sondern seine Inszenierung gleich dazu. Wird der anfangs
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emphatisch postulierte Wirklichkeitseffekt der Fotografie aber in Frage gestellt, wie bei Siegfried Kracauer und Walter Benjamin schon in den 1930er Jahren, so wird die Authentizität einer jeden Aufnahme fraglich. Deswegen vermeidet man bei der Bildauswahl tendenziell die offenkundigen Inszenierungen auf der Bildebene und bevorzugt ungestellt wirkende Aufnahmen, die dann nachträglich den Anschein des Authentischen haben. Das explizite Autorenfoto weicht also dem impliziten. Dies kann allerdings den Effekt der nachträglichen Exklusion des Autors aus seiner eigenen Inszenierung haben. Hieran zeigt sich die variable Kontextualisierbarkeit der Fotografie besonders deutlich: Die einmal aufgenommene Ansicht überwindet den Entstehungsanlass und die Intention von Autor und Fotograf. Zwar unterliegt die Bildverwendung den Persönlichkeitsrechten, und kein Verleger kann heutzutage wie seinerzeit Samuel Fischer ungefragt das Bild des Autors verwenden – nach dem Tod des Autors ist mit der Berücksichtigung des Autorwillens bei der Bildverwendung aber auch heute häufig Schluss. Dann werden private Aufnahmen publiziert, die dieser zeitlebens zurückgehalten hatte, wie sich am Beispiel der Bildbiografien Hermann Hesses gezeigt hat. Die Mechanismen der Erinnerung setzen die Weisungen des Autors außer Kraft und tragen den Bereich des privaten Paratextes in die Öffentlichkeit. Dies zeigt sich auch am Beispiel Thomas Bernhards, der zu Lebzeiten weder für das Taschenbuch als Publikationsform, noch für das eigene Bild auf dem Buchcover zu gewinnen war. Heute liegen uns seine gesammelten Werke in Einzelausgaben mitsamt privatem Autorenfoto auf dem Cover vor. An solchen Fällen zeigt sich die Unverzichtbarkeit des Autorenfotos. Im Ringen um die Aufmerksamkeit bestimmt die Suche nach dem Verblüffenden die Bildauswahl. Die Inszenierung eines Autorbildes wird zur Bildprägung, wenn sich das Bild des Autors in einer einzigen Fotografie verdichtet, wie etwa in der würdigen und ernsten Aufnahme Hermann Hesses von Gret Widmanns. Wiedererkennung und Identifikation sind die Effekte der konzentrierten Bildverwendung. Der Betrachter soll den Autor am besten mit diesem einen Bild identifizieren. Das Inszenierungspotenzial der Fotografie erlaubt diesen Eingriff in die Vorstellungswelt mehr als beispielsweise ein schriftliches Porträt des Autors. Die Bildstruktur lässt sich leichter in ein mentales Bild übertragen. Dieser konzentrierten Prägung steht mit der Bildbiografie eine Form der Bildverwendung als Ausdehnung gegenüber. Zwar ist auch die Bildbiografie Resultat einer Bildauswahl, die durchaus tendenziell sein kann – eine Bildbiografie Hermann Hesses ließe sich beispielsweise ausschließlich mit Bildern ausstatten, die die Naturverbundenheit des Autors dokumentieren oder ausschließlich mit Aufnahmen, die seine intellektuelle Lebensweise belegen. Tatsächlich enthalten die neueren Bildbiografien aber Aufnahmen aus beiden Lebenswelten und überlassen die Konstruktion des Autorbildes dem Leser. Die Inszenierung von Autorenbildern dient auch der Kennzeichnung. Sie erleichtert in einem unübersichtlichen literarischen Feld die Orientierung des Lesers, der auf einen Blick die Positionierung des Autors im Feld entschlüsseln kann. Diese
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Codierung wird freilich nicht allein vom Bild übermittelt, sondern von der Kontextualisierung der Fotografie in einem Verwendungszusammenhang. Hieran knüpfen die fotografischen Kanonisierungspraktiken an: Die Bildinszenierung, die sich der Bildsprache des Klassikers bedient, nutzt das Bild als Dokument und historisiert es. Der Autor wird als Klassiker gekennzeichnet. Wie die Texte des Autors werden auch seine Porträts dem Vergessen entrissen, und dabei wird ein Prinzip umgesetzt, das schon früh Funktion des Porträts war: das Nachleben des Porträtierten zu sichern. In Verbindung mit der Inszenierung von Autorbildern kommt es dabei zu einer Ikonisierung des Autors. Wie das Starporträt ziert das Autorenfoto Autogrammkarten und verbreitete sich in Plakatform bis in die Wohnräume von Lesern. Dabei verbindet sich die Autorinszenierung mit Mechanismen der Popularisierung von Literatur. Insbesondere jungen Lesern wird der Weg zum Text über das Bild des Autors gewiesen. Der Suhrkamp Verlag setze daher gezielt Autorenfotos auf dem Taschenbuch-Cover ein und richtete sich damit direkt an junge Leser. Hier stabilisierte sich das Autorenfoto nicht im Hintergrund, wie im Klappenporträt des Schutzumschlages von Hardcoverausgaben, sondern prominent auf dem Cover. Porträtsammelbände wie Was sie schreiben – wie sie aussehen belegen, dass das Porträt des Autors eingesetzt wurde, um nicht nur Literaturexperten zu erreichen, sondern auch um neue Leserschichten zu erschließen. Die Inszenierung von Nähe zwischen Autor und Leser ist die dritte Inszenierungsdimension. Autor und Leser begegnen sich im inszenierten Raum der Bildbetrachtung. Unmittelbar zeigt sich die Inszenierung von Nähe im Porträtaustausch Karl Mays mit seinen Lesern, die noch den Gebrauchsweisen der Fotografie des 19. Jahrhunderts angehört und doch darauf vorgreift, was einen gelungenen Bildeinsatz bis in die Gegenwart kennzeichnet: die Verbindung von Privatheit und Repräsentation, von einem persönlichen Kontakt und einer Vorstellung. Diese Verbindung kann heutzutage selbst dem beiläufigen Klappenporträt implizit sein. Die Nähe zwischen Autor und Leser mag eine einseitige sein, schließlich ist der Autor abwesend. Entscheidend ist jedoch, dass er im Moment des Fotografiertwerdens anwesend war und ergo keine Fiktion ist. Das Prinzip der Nähe wirkt sich auch auf die Bildentstehung aus: Der Autor blickt in die Kamera. Verstärkt wird die Nähe durch private Einblicke, das Blättern im Bildband wird zum Besuch bei Hermann Hesse. Autorenfoto und Text verweisen gegenseitig aufeinander. Die Fotografie des Autors lenkt das Interesse des Betrachters auf den Text und eröffnet ihm einen Zugang. Der Autor steht dabei im Mittelpunkt paratextueller Inszenierungsstrategien, nicht nur im Bezug auf neue Leserschichten, sondern auch im Rahmen der wissenschaftlichen Rekonstruktion des Autorlebens, wie Hartmut Binders Kafka-Bildbiografie zeigt. Das Interesse an der Autorfigur wird verstärkt und auf den literarischen Text umgelenkt, dessen neuerliche Lektüre angeregt wird. Zugleich verweist der Text auf den Autor: Das Bild des Autors ist der Roman des Lesers, schreibt Wilhelm Genazino und erklärt die persönliche Betroffenheit des Lesers, seine Berührtheit durch die Lite-
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ratur zur Ursache des Verlangens nach dem Bild des Autors.1 Das Bild des Autors lässt sich lesen wie ein Text. Es hält still. Es lässt sich geduldig ansehen, vielleicht blickt es sogar zurück. Der Text bietet einen Einblick in die innere Welt des Autors, die Fotografie ergänzt diesen um die äußere Ansicht. Der Betrachter mag darin nach Spuren des inneren Erlebens suchen. Der Idealfall ist der einer Gleichzeitigkeit von Bild- und Textentstehung. Dieser Fall ist selten, wie Karl Kraus bereits 1912 angemerkt hat: In der Werkstatt den Dichter zu zeigen ist ein Problem der modernen Photographie. Die meisten widersetzen sich, weil sie sich schämen, in Anwesenheit des Photographen schöpferisch tätig zu sein, oder weil sie es dann einfach nicht können. Der Dichter hat am Schreibtisch nichts zu suchen, wenn der Photograph kommt, aber dieser will gerade, daß der Dichter am Schreibtisch sitzt.2
Schreiben und Fotografiertwerden schließen einander aus. Findet beides doch zugleich statt, ist die Inszenierung meist offenkundig. Eine Alternative bietet sich in Fotografien, die zur Zeit der Textentstehung aufgenommen wurden – oder wie bei Peter Handkes Automatenporträt am Tag nach der Niederschrift des Textes. Äußere und innere Ansicht fallen in der Lektüre ineinander, das Bild lässt sich nach Spuren des Textes befragen. Nichts anderes legen Bildunterschriften wie »Hermann Hesse zur Zeit der Niederschrift des Steppenwolfes« nahe. Diese verbindende Lesart führt zu einer autobiografischen Deutung des Textes. Im verlegerischen Paratext wird das Verlangen nach dem Bild des Autors umgekehrt: Auf die Lektüre des Bildes folgt die des Textes. Die zentrale Rolle des Autors im Prozess der Literaturvermittlung ist nicht allein auf die Personalisierung als mediales Inszenierungsmuster und die allgemeinen Erfordernisse des Marktes zurückzuführen. Das Interesse am Biografischen, das auch in der fotografischen Inszenierung des Autors ausgenutzt wird, ist ein fest verankerter Mechanismus des kulturellen Gedächtnisses. Die Biografik entfaltete sich bereits in der griechischen und römischen Antike. In der Renaissance verband sich in den Bildnisvitenbüchern erstmals die schriftliche Lebensdarstellung mit dem Porträt der beschriebenen Person. Die darin etablierte Verschränkung von Biografie und Porträt wirkt bis in die Verwendungspraxis des Autorenfotos im verlegerischen Paratext nach. Die fotografische Inszenierung des Autors stützt sich auf einen der zentralen Mechanismen des kulturellen Gedächtnisses, indem sie die Fotografie des Autors mit seiner Vita verbindet. Das Neue an der Fotografie des Autors im Gegensatz zu manuell gefertigten Porträts besteht in der notwendigen Beteiligung des Autors selbst an der Bildentstehung. Zwar trat Conrad Celtis schon 1507 als Auftraggeber des eigenen Porträts auf und übernahm damit die Steuerung über das eigene Autorbild, doch erst durch die Fotografie war der Autor an der Entstehung seines Porträts zwangsläufig beteiligt. 1 Vgl. Genazino: Das Bild des Autors, S. 12. 2 Karl Kraus: In der Werkstatt. In: Die Fackel. Nr. 347/348 vom 27. April 1912, S. 49.
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Auch wenn Autoren in unterschiedlichem Ausmaß an der Inszenierung mitwirken sind, ihre Präsenz im Moment des Fotografiertwerdens steht fest. Es kennzeichnet die Geschichte des modernen Autors, dass er darüber hinaus zu einem Regisseur seiner eigenen Darstellung werden kann. Das Fotografiertwerden gehört zum Berufsbild des modernen Autors wie das Antworten auf Journalistenfragen und die öffentliche Lesung aus dem Werk. Die Bildinszenierung ist eine Aufgabe für den Autor, der wählen kann zwischen der geduldigen Anpassung an gängige Darstellungsschemata oder der offensiven Inszenierung einer Rolle. Selbst der Bildverzicht Thomas Pynchons ist eine Variante dieser verpflichtenden Wahl. Das Inszenierenmüssen ist Teil der Profession des Autors. Nicht mehr die Nachwelt ist Regisseur und Publikum, der fotografierte Autor ist Zeitgenosse unter Zeitgenossen. Dafür steht auch die Fotografie Thomas Bernhards als Radfahrer: Der Autor inszeniert sich selbst bei der Inszenierung. Und das mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen, wohl wissend, dass er sein Bild nur im Moment der Entstehung kontrollieren kann.
7 Quellen- und Literaturverzeichnis 7.1 Quellen 7.1.1 Gedruckte Quellen 7.1.1.1 Bildbände und Bildbiografien
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Quellen
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Dank Ich danke Prof. Dr. Ute Schneider, der Betreuerin dieser Arbeit, für ihre Unterstützung in allen Phasen des Promotionsprozesses. Ich wünsche allen Doktorandinnen und Doktoranden eine derart zuverlässige und ansprechbare Doktormutter, die ihren wissenschaftlichen Nachwuchs weder begluckt, noch allein lässt. Danke für die pragmatischen Ratschläge und das „Weiter so!“. Meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Stephan Füssel danke ich für seinen Einsatz für meine Arbeit und den freundlichen Rat. Nicolas Krahwinkel für seinen Gleichmut beim Zusammenleben mit einer Doktorarbeit und sein wohldosiertes Desinteresse, sowie seine Diskussions- und KorrekturBereitschaft und die Lektionen im Methodenwechsel. Ich danke meinen Eltern; meinem Vater Leo Oster für die Frage nach der Seitenzahl und meiner Mutter Agnes Oster für das freundliche Drängen und dafür, dass sie sich um Frida kümmert, während ich diese Danksagung schreibe. Dr. Lena Groß, die in wöchentlichen Coaching-Telefonaten zu meiner wichtigsten Kollegin wurde. Für die Unterstützung: Lena Hass für das aufrichtige Interesse und die Bereitschaft mitzudenken. Den Korrekturleserinnen und -lesern: Kirsten Boeder, Barbara Dahm, Corinna Dirting, Anne Gent, Janina Hein, Martina Kopf, Martin Müller und Sabrina Maron – danke. Eva Schüller. Jan Rhein für das Thomas Bernhard-Plakat und seine Gastfreundschaft in Nantes, dem besten Überarbeitungsexil, und für seine Lektüre. Dr. Corinna Norrick-Rühl für die Begleitung auf den letzten Metern vor der Abgabe und das kollegiale Coaching vor der Disputatio. Dr. Albert Ernst für die Sorge um die Abbildungen. Ich danke außerdem allen, die mit Autorenfoto-Funden an mich herangetreten sind, insbesondere Daniela Gastell. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Oberseminars von Prof. Dr. Ute Schneider. Michael Bossong von den Fischer Verlagen, der mir einen Einblick in die Bildverwendung des Verlags gewährt hat. Dem Coaching-Center für Nachwuchswissenschaftlerinnen an der Universität Mainz für die Unterstützung und das großartige Workshopangebot. Dem Deutschen Literaturarchiv im Marbach für die finanzielle Unterstützung im Rahmen eines Marbach-Stipendiums und die einzigartige Unterstützung seiner Mitarbeiter, die mir bei der Recherche und in der Diskussion meines Themas eine große Hilfe waren. Der Stipendienstiftung des Landes Rheinland-Pfalz für die großzügige Gewährung eines zweijährigen Promotionsstipendiums.