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German Pages 317 [318] Year 2017
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Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike
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Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike Herausgegeben von Aloys Winterling in Verbindung mit Kai Brodersen, Martin Jehne und Winfried Schmitz
Band 6
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Politische Ordnung in der römischen Republik Von Uwe Walter
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ISBN 978-3-486-59696-0 e-ISBN (PDF) 978-3-486-85254-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039828-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany www.degruyter.com
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Zu diesem Band Dieses Buch skizziert im Rahmen der „Enzyklopädie der griechischrömischen Antike“ die politische Ordnung der römischen Republik und informiert über den Stand der Forschung. Dabei stehen Konzepte, Debatten und Resultate im Vordergrund; wer einen Zugang über die antiken Quellen sucht, findet im Kap. II.1.2 Hinweise für den Einstieg. Grundkenntnisse über den Verlauf der Geschichte der römischen Republik sind für das Verständnis des hier Dargelegten höchst hilfreich. Ich habe mich bemüht, die Leistungen der älteren Studien und Synthesen zu würdigen, die wichtigsten neuen Akzente in der Forschung der drei vergangenen Jahrzehnte zu umreißen, aber auch eigene Einsichten einzubringen. Dazu gehört die Überzeugung, dass Funktionalität und Dysfunktionalität der republikanischen Ordnung nicht als Kennzeichen zweier getrennter Teilepochen (vor und nach 133 v. Chr.), sondern als miteinander verschränkte Phänomene des gesamten Zeitraums zu sehen sind. In den zuletzt intensiven Forschungen zur politischen Kultur wurden Impulse aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen produktiv aufgenommen. Wie sehr das Buch einzelnen herausragenden Forschern auf dem Gebiet der Verfassung der römischen Republik verpflichtet ist – stellvertretend sei hier nur Jochen Bleicken genannt –, werden kundige Leser leicht erkennen. Für wertvolle Hinweise zum Manuskript bin ich Frank Bücher, Ann-Cathrin Harders, Tanja Itgenshorst, Martin Jehne, Christoph Lundgreen, Raimund Schulz und Aloys Winterling zu Dank verpflichtet. Florian Hoppe vom Verlag De Gruyter Oldenbourg danke ich sehr herzlich für Geduld, Nachsicht und ein sorgfältiges Lektorat. Sämtliche verbliebenen Fehler, Lücken und Eigentümlichkeiten gehen selbstverständlich allein auf meine Kappe. Die 2017 erschienene, wesentlich auf den Aspekt der politischen Kultur konzentrierte Synthese von H. Mouritsen [1.4: Politics in the Roman Republic] konnte nur mehr punktuell eingearbeitet werden. Alle antiken Jahreszahlen sind, wenn nicht anders ausgewiesen, „v. Chr.“ zu verstehen. Querverweise in runden Klammern beziehen sich auf die Kapitelnummern. In der Terminologie sind unnötige Verfremdungen vermieden; daher wird Konsul und Prätor geschrieben, Censor nur deshalb, um den ganz anders konnotierten modernen Begriff fernzuhalten, Oktavian, um diesen vom späteren Augustus nie verwendeten Namen als Konvention zu kennzeichnen. Dictatur bezeichnet das römische Amt, Diktatur die moderne autokratische Staatsform. Bielefeld, im August 2017
Uwe Walter
https://doi.org/10.1515/9783486852547-201
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Inhaltsverzeichnis Zu diesem Band
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I. Enzyklopädischer Überblick 1. Die Expansion Roms von 500 bis 30 v. Chr.: Bedeutung und Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik . . . . . 3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung . . . . . . . 3.1 Soziale Eliten: regierende Klasse und Ritter . . . . . . 3.2 Hausväter, Häuser und Familienverbände . . . . . . . 3.3 Bindungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Militärwesen und manpower . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Rom und sein äußeres Machtsystem . . . . . . . . . 4. Institutionen und Akteure der res publica . . . . . . . . . . 4.1 Die Magistrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das römische Volk (populus Romanus) . . . . . . . . 4.4 Rechtswesen und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen 6.1 Anpassung und Flexibilität in der Ordnung . . . . . 6.2 Gehegte Störungen: Regelgeltungs- und Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Grenzen der Anpassung: das kritische 2. Jahrhundert 6.4 Eskalierende Störungen: Blockade, Notstand, Gewalt, Dictatoren als Diktatoren . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kurzer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Die politische Ordnung der Republik im historischen Kontext und in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Allgemeine Geschichte und politische Ordnung der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Antike Selbstbeobachtungen / wissenschaftliche Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Hauptetappen und -probleme der Forschung . . . 2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik . . .
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Inhaltsverzeichnis
3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung . . . . . . . 3.1 Soziale Eliten: regierende Klasse und Ritter . . . . . . 3.2 Hausväter, Häuser und Familienverbände . . . . . . . 3.3 Bindungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Militärwesen, Landbesitz und Demographie . . . . . 3.5 Rom und sein äußeres Machtsystem . . . . . . . . . 4. Institutionen und Akteure der res publica . . . . . . . . . . 4.1 Die Magistrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das römische Volk (populus Romanus) . . . . . . . . 4.4 Rechtswesen und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen 6.1 Anpassung und Flexibilität in der Ordnung . . . . . 6.2 Gehegte Störungen: Regelgeltungs- und Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Grenzen der Anpassung: das kritische 2. Jahrhundert 6.4 Eskalierende Störungen: Blockade, Notstand, Gewalt, Dictatoren als Diktatoren . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Literatur 1. Die politische Ordnung der Republik im historischen Kontext und in der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die römische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Sammelbände und Gesammelte Schriften . . . . . . 1.3 Forschungsgeschichte / Forschungsüberblicke . . . 1.4 Grundlagenwerke und Überblicke zur politischen Ordnung der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Quellenlage / antike Selbstbeobachtungen . . . . . 1.6 Grundlegende Hilfsmittel und Nachschlagewerke . 1.7 Antike und moderne Begriffe (s. auch 4.3.2 sowie 5) 2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik . . . . 3. Grundlagen römischer Machterzeugung: Netzwerk, Hierarchie, Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Soziale Eliten: regierende Klasse und Ritter . . . . . 3.2 Hausväter, Häuser und Familienverbände . . . . . . 3.3 Bindungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Militär, Landbesitz und Demographie . . . . . . . . 3.5 Rom und sein äußeres Machtsystem (s. auch 1.1.2) 4. Institutionelle Akteure der res publica . . . . . . . . . . . 4.1 Die Magistrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
4.2 Der Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das römische Volk (populus Romanus) . . . . . . . . 4.4 Rechtswesen und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen (s. a. 1.1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Enzyklopädischer Überblick 1. Die Expansion Roms von 500 bis 30 v. Chr.: Bedeutung und Befund Der Blick in einen historischen Atlas zeigt, was an der Geschichte der römischen Republik erklärungsbedürftig ist. Um 500 war Rom zwar schon ein größeres, differenziertes urbanes Zentrum. Vielleicht 30 000 Menschen bewohnten ein Gebiet von etwa 3 km2 ; das Territorium mag gut 800 km2 umfasst haben. Aber nichts deutete darauf hin, dass die Stadt mehr sein würde als ein bedeutender Akteur unter mehreren in einem teils schon urbanisierten, teils in nicht-städtischen Formen besiedelten Italien. Als Oktavian, der Adoptivsohn von C. Iulius Caesar und spätere Augustus, im Jahr 30 im Krieg gegen seinen Rivalen M. Antonius und die ägyptische Königin Kleopatra die alleinige Macht über Roms Herrschaftsgebiet errang, kontrollierte Rom längst den gesamten Mittelmeerraum. Italien bis zu den Alpen war römisches Bürgergebiet; überdies gab es Kolonien römischer Bürger in einigen der direkt von Rom beherrschten Gebiete (Provinzen), die ansonsten von Unterworfenen mit sehr unterschiedlichem rechtlich-politischem Status bewohnt wurden. Diese Provinzen umfassten das Land links des Rheins, ferner große Teile Spaniens, einen langen Streifen der Küste Nordafrikas, Syrien, den größeren Teil Anatoliens, die griechische Halbinsel, alle Mittelmeerinseln sowie das damals gerade als Provinz eingezogene Ägypten. In weiteren Regionen Nordafrikas, der Levante und Inneranatoliens herrschten formal selbständige Könige und regionale Potentaten, die aber faktisch von Rom abhängig waren. Es gab keine Herausforderer mehr; der einzige nennenswerte Rivale, das Partherreich im Osten, stellte mangels expansiver Dynamik keine Bedrohung dar. Dieser anhaltende militärische und außenpolitische Erfolg Roms bedarf der Erklärung. Der Grieche Polybios schrieb sein Geschichtswerk Mitte des 2. Jahrhunderts, als Roms Herrschaft territorial noch lange nicht so ausgedehnt war, um darzulegen, „wie und durch welche Art der politischen Ordnung (politeia) beinahe der gesamte Erdkreis in nicht ganz 53 Jahren unter die alleinige Herrschaft der Römer gefallen ist“ (Pol. 1,1,5). Damit ist bereits das entscheidende Stichwort gefallen. Denn antike und moderne Betrachter haben unterschiedliche Gründe für Roms Erfolg angeführt. Die Überzeugung der Römer, moralisch überlegen und mit den Göttern im Bunde zu sein, vermag Historiker unserer Zeit nicht zu überzeugen. Umgekehrt findet sich nirgendwo in der antiken Literatur ein Hinweis auf die überlegene manpower, die es Rom schon früh ermöglichte, auch
Von der Stadt zur Weltmacht
Politische Ordnung als Erfolgsgeheimnis?
https://doi.org/10.1515/9783486852547-001
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Politische Ordnung und alternative Bezeichnungen
Begriffe
Macht und Herrschaft
Institution
I. Enzyklopädischer Überblick
nach verlustreichen Niederlagen gegen militärtaktisch überlegene Feinde einen Krieg so lange weiterzuführen, bis der Sieg errungen war. Aber in Antike und Moderne wird übereinstimmend eine maßgebliche Stärke der Römer angeführt: die politische Ordnung ihres Gemeinwesens, der res publica. Statt von „politischer Ordnung“ oder (enger auf die Institutionen konzentriert) „politischer Organisation“ spricht man auch gern von „Verfassung“ (engl. constitution). Zwar birgt die Verwendung dieses Ausdrucks das Risiko, unangemessene, weil moderne Vorstellungen in die Sache hineinzutragen, etwa eine Gewaltenteilung oder einen rechtlichen Begriff von Souveränität. Andererseits wird der Verfassungsbegriff in jüngerer Zeit generell elastischer verwendet: Er umfasst nicht mehr allein Institutionen und ihr Zusammenwirken, sondern auch soziale Beziehungen, Einstellungen, Handlungsroutinen und Prägungen in einem weiteren Sinn. Diese erweiterte Perspektive, in der Forschung mit dem Stichwort „politische Kultur“ verbunden (s. u. 5), lässt sich schon in der ‚römischen‘ Version der von Polybios aufgeworfenen Frage finden, wie sie der Geschichtsschreiber Titus Livius, ein Zeitgenosse des Augustus, formuliert (praef. 9): Zu zeigen sei, „wie das Leben, wie die Handlungsmuster (mores) waren, durch welche Männer und mit welchen Künsten zu Hause und im Krieg die Herrschaft errungen und gemehrt wurde“, aber auch, wie die Ordnung (disciplina) und die Muster mehr und mehr ins Gleiten kamen und zusammenstürzten. Es würde den Denkhorizont der antiken Autoren nicht sprengen, anstelle von „politischem System“, „politischer Organisation“ oder „Verfassung“ schlicht von der Ordnung der römischen Republik zu sprechen [1.4: M, Ordnung]. Das Thema dieses Buches nötigt in besonderem Maße zu einem reflektierten Umgang mit Begriffen, in denen Konzepte unterschiedlicher Art und Reichweite aufgehoben sind. Begriffe gehen über bloße Wortbedeutungen hinaus; sie enthalten als Ordnungsmuster des Denkens zahlreiche Implikationen, Abgrenzungen und Vorstellungen. Es gibt zum einen analytisch-soziologische Begriffe, etwa die von M W (1864–1920) formulierte Unterscheidung zwischen ‚Macht‘ als „Chance, in einer sozialen Beziehung den eigenen Willen durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“, und ‚Herrschaft‘ als „Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“, was ein höheres Maß an Zustimmung des Schwächeren zum Gefüge der Sozialbeziehung impliziert. ‚Institutionen‘ können in diesem Sinne als abgegrenzte und auf Dauer gestellte Komplexe von normierten, oft auch rechtlich fixierten Beziehungsformen und Ordnungsmustern in einem definierten Bereich verstanden werden. Ihr Zusammenwirken zeitigt berechenbare Resultate, entlastet das handelnde Individuum, senkt die Transaktionskosten und macht damit zu einem guten Teil die Stabilität der Gesamtordnung aus. Die Handlungsoptionen werden durch Institutionen reduziert und kanalisiert, die Verhaltenserwartungen verfestigen sich. Politische Institutionen
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1. Die Expansion Roms von 500 bis 30 v. Chr.: Bedeutung und Befund
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im engeren Sinn dienen der verlässlichen Konfliktregelung durch eigens dafür konstruierte Normen; dafür halten sie unter Umständen auch einen Apparat mit geeignetem Personal zu deren Durchsetzung bereit. Dazu komplementär verhält sich der in der jüngeren Forschung stark bemühte Begriff des Konsenses. Dabei ist sinnvollerweise zu unterscheiden zwischen einem situativ zu bildenden Konsens in einem Kontext von Entscheidung und Handlungsvorbereitung (etwa im Senat) sowie einem ‚Grundkonsens‘ über bestimmte Regeln und Praktiken, aber auch über gemeinsame Werte und Identität. Ein solcher Grundkonsens stabilisiert sich nicht von selbst, sondern muss immer wieder eingeschärft und bekräftigt werden. Seine Leistung liegt in der Stabilisierung von komplexen Interaktionen, ohne dass andauernd Zwang durch starke Institutionen ausgeübt werden muss. Von den analytisch-soziologischen Begriffen abzugrenzen ist eine andere Kategorie von Termini, die stärker dem historischen Wandel von Sachverhalten, Erfahrungen und Erwartungen unterliegen und diesen zugleich bündeln. Sie sind sowohl Gegenstand als auch Werkzeug geschichtswissenschaftlicher Arbeit. Als Gegenstand begegnen uns in dieser Kategorie antik-römische Ausdrücke wie mos maiorum oder virtus, die Erfahrungen, Werte und Normen einer bestimmten historischen Formation verdichten und nicht einfach durch einen modernen Ausdruck wiedergegeben werden können, sondern aus ihrem jeweiligen historischen Kontext erklärt werden müssen (s. u. 4.3.2). Daneben stehen ferner historische Sachbegriffe, die auf antike Bezeichnungen zurückgehen, aber moderne wissenschaftliche Konzeptualisierungen darstellen, etwa die politischen Gruppenbezeichnungen ‚Populare‘ und ‚Optimaten‘ (s. u. 5). Zu den universalen, aber in mannigfachen Ausprägungen auftretenden Begriffen gehören z. B. ‚Freiheit‘ und deren römische Fassung, die libertas. Umstritten ist schließlich, ob in der Moderne geprägte, aber möglicherweise universale Figurationen bezeichnende Ausdrücke wie ‚Staat‘ oder ‚Imperialismus‘ auch für die römische Antike verwendet werden sollten oder dürfen. ‚Staat‘ wird in diesem Buch sparsam verwendet; unproblematisch erscheint er im Kompositum ‚Stadtstaat‘, das eine politisch-institutionelle Verdichtung, Versachlichung und Verregelung wesentlicher öffentlicher Ordnungsfunktionen auf der Basis der intensiven direkten Kommunikation unter Anwesenden in einem urbanen Zentrum bezeichnet (s. u. 5). Wie der Stoff in diesem Buch disponiert und akzentuiert wird, ist teilweise von der Sache vorgegeben: Wie in den griechischen Poleis gab es auch in Rom drei Säulen der institutionellen Ordnung: Amtsträger, Volksversammlung und (aristokratischer) Rat. Dieses Trio liegt sowohl der antiken Beschreibung und Analyse der republikanischen Verfassung durch den griechischen Geschichtsschreiber Polybios (s. u. II.1.2) als auch den institionenkundlichen Darstellungen der neueren Zeit zugrunde, allen voran dem Monumentalwerk „Römisches Staatsrecht“ von T M
Konsens
Römische catchwords und ihre Interpretation
Staat/Stadtstaat
Disposition und Akzente
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Italische Expansion
Außeritalische Expansion
Aporien der Machtpolitik
I. Enzyklopädischer Überblick
(1817–1903; s. u. II.1.3). Freier ist die Forschung in den Akzentuierungen, wobei sich auch hier bestimmte Fragen geradezu aufdrängen und die Analyse daher meistens strukturieren. Zum einen: Wie ist der Zusammenhang zwischen der Expansion Roms nach außen und der inneren Entwicklung der res publica zu fassen? Zum anderen: In welchem Maße und auf welche Weise war die politische Ordnung der Republik ein Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse? Unterschiedliche Akzentuierungen stecken in bestimmten Leitbegriffen; so bevorzugt ein Teil der Forschung eine Terminologie, die eher konnektive Momente impliziert (Kommunikation, Bindung, Aushandlung, Konsens), während ein anderer auf Stichworte setzt, die Abgrenzung und Differenz hervorheben (Macht, Hierarchie, Klasse, auch: Staat) bzw. eine Formierungs- oder Veränderungsdynamik implizieren (Konflikt, Interesse). Der Aufstieg Roms zur ganz Italien kontrollierenden Macht erfolgte seit den – aus Mangel an zuverlässigen Quellen kaum zu rekonstruierenden – Anfängen doppelgleisig: Zum einen wuchs das mit römischen Bürgern besiedelte Gebiet (ager Romanus), zum andern wurden besiegte Gegner zu Verbündeten gemacht (s. u. 3.5); anfangs, im Falle der Latiner, spielten auch ethnisch-religiöse Bande eine gewisse Rolle. Den Römern prägte sich für die erst 275 abgeschlossene Expansion in Italien das Bild langer und von vielen Rückschlägen gekennzeichneter Kämpfe ein: Im 5. Jahrhundert ging wenig voran, die rivalisierende Etruskerstadt Veji konnte erst nach zehn Jahren Krieg erobert werden (396), dann bedrohten migrierende Kelten das Erreichte (Eroberung Roms ca. 390). Gegen die Samniten führte Rom in Mittelitalien drei verlustreiche Kriege; die latinischen Verbündeten fielen zwischenzeitlich ab und wurden 338 besiegt. Nach der Niederwerfung der Samniten (291) wurde der Versuch des Königs Pyrrhos abgewehrt, in hellenistischer Manier in Süditalien ein Reich zu gründen (280–275). Erst zu diesem Zeitpunkt dürfte den Römern Italien als ihr exklusiver Ordnungsraum deutlich vor Augen gestanden haben. Die manpower- und Kriegsmaschine des von Rom mobilisierten Italien (s. u. 3.5) bewährte sich in den beiden langen Kriegen, die im 3. Jahrhundert gegen Karthago geführt wurden (264–241 und 218–201). Damals stand Rom auch erstmals vor der Aufgabe, außeritalische Gebiete dauerhaft zu beherrschen, zunächst die Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika. Mit dem Sieg über das militärisch von Hannibal geführte Karthago (201) hatte die Großmacht am Tiber, jedenfalls im Rückblick, die „existenzielle Schwelle“ (A H) überschritten: Keiner der folgenden auswärtigen Kriege bedrohte mehr das Bestehen der res publica. Zunächst zerstörten Siege über die hellenistischen Reiche in Makedonien und in Syrien die komplizierte Mächtearchitektur des östlichen Mittelmeerraums. Mitte des 2. Jahrhunderts traten bei allem äußeren Glanz jedoch die Sackgassen der römischen Außen- und Kriegspolitik klar zutage. Das Bündnis mit Teilen der jeweiligen Eliten und die Bevorzugung kleinerer Verbündeter
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1. Die Expansion Roms von 500 bis 30 v. Chr.: Bedeutung und Befund
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wie Rhodos und Pergamon führten nicht zu einer nachhaltigen Stabilisierung und Befriedung der Verhältnisse. Ihre Scheu, sich dauerhaft zu engagieren und ihre übermächtige Präsenz in akzeptierte Herrschaft zu überführen, kompensierten die Römer mit Demonstrationen überschießender Gewalt (Zerstörung von Karthago und Korinth 146). Obwohl Rom aus verschiedenen Gründen unfähig war, außerhalb Italiens eine großflächige Ordnungsidee zu entwickeln und zu implementieren, geriet die Dominanz nie ernsthaft in Gefahr: Hatten Gleichgültigkeit oder erratische Politik in eine Sackgasse geführt, konnte die Hegemonialmacht – gestützt auf schier unerschöpfliche Ressourcen und befeuert durch die kriegerische Routine sowie den Ehrgeiz der den Krieg führenden Amtsträger – stets mit Gewalt zumindest die Sicherheit wiederherstellen. Ansätze zu einer längerfristig ausgerichteten Herrschaftspolitik wurden erst im 1. Jahrhundert verfolgt, vor allem durch Gnaeus Pompeius (106–48). Die von Rom direkt kontrollierten außeritalischen Gebiete (Provinzen) sowie die jeweiligen Hinterländer stellten mit ihren erschütterten Binnenstrukturen und unübersichtlichen Gemengelagen instabile Räume dar. Zwar ging von ihnen keine Gefahr für die nunmehr alleinige Hegemonialmacht aus, doch boten sie seit dem ausgehenden 2. Jahrhundert römischen Aristokraten wie Gaius Marius, Gnaeus Pompeius und Gaius Iulius Caesar Entfaltungsräume für deren Machtambitionen. Die Peripherie trug, obwohl sie weitgehend ohnmächtig war, durch ihre bloße Existenz und ihr in vielen Fällen labiles Gefüge erheblich zur Dynamisierung der binnenrömischen Politik sowie zur Störung des Systemgleichgewichts in der politischen Ordnung der res publica bei. Gleichzeitig war sie Hauptschauplatz der daraus erwachsenden Konflikte: Wurde der erste Bürgerkrieg in den 80er-Jahren des 1. Jahrhunderts (Rom gegen seine ehemaligen Bundesgenossen; Lucius Cornelius Sulla gegen die Regierung in Rom) noch auf dem Boden Italiens ausgefochten, fanden die beiden weiteren in den 40erund 30er-Jahren überwiegend in Griechenland, Kleinasien, Nordafrika, Spanien und Ägypten statt. Die hier grob skizzierte Expansion Roms und ihre Bedingungen muss sich vor Augen halten, wer die Entwicklung der politischen Ordnung verstehen möchte. Struktur, Ausbau, Dehnung, Erosion und Ausfall des institutionellen Systems sind ganz wesentlich aus der Dynamik der Machtausübung nach außen zu erklären. Obwohl Rom den administrativen Aufwand bei der Kontrolle und Ausbeutung der eroberten Gebiete gering zu halten suchte, wurde die Zahl bestimmter Amtsträger vermehrt und kamen auf diese neue Aufgaben zu. Der Senat wuchs für eine lange Zeit in die Rolle einer Quasi-Regierung hinein, hatte er sich doch hauptsächlich und – anders als die nur für jeweils ein Jahr tätigen Amtsträger – kontinuierlich mit Fragen der äußeren Beziehungen zu befassen. Der Konkurrenzkampf innerhalb der politischen Elite hielt die äußere Politik Roms in Bewegung. Große Ermächtigungen einzelner Aristokraten zur Sicherung und Erweite-
Äußere Dynamik und Wandel der politischen Organisation
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Imperialistische Politik?
I. Enzyklopädischer Überblick
rung des römischen Machtbereichs verschoben dann in der Endphase der Republik (ab ca. 120) die Balance innerhalb der regierenden Aristokratie sowie das Verhältnis zwischen Eliten und breiter Bürgerschaft ganz erheblich. Und wenn seit dem 5. Jahrhundert immer wieder Krieg und Frieden, Land und Beute sowie Ruhm, Sicherheit und Einkünfte Thema sowohl politischer Entscheidungen als auch generell des Selbstverständnisses der Römer waren, betraf dies in hohem Maße alle Bürger. Obwohl sich im Laufe der römischen Machtbildung gewisse Routinen herausbildeten, kann weder von einem Masterplan noch von der systematisch organisierten Praxis gesprochen werden. Die Römer entschieden vielmehr von Fall zu Fall, experimentierten, entwickelten provisorische Lösungen, trafen Einzelfallregelungen und reagierten auf Misserfolge, bis sich bestenfalls ein der jeweiligen Konstellation angemessenes Arrangement abzeichnete. Dieses konnte gegebenenfalls in anderen Fällen übernommen oder sogar zu einer Quasi-Regel werden. Ein entscheidender Faktor lässt die Politik Roms im Rückblick freilich konsistent und durchaus ‚imperialistisch‘ erscheinen: der militärische Ehrgeiz und die Risikobereitschaft der Führungsschicht sowie die daraus erwachsende Neigung, eine gegebene Chance zum aktiven Handeln nach außen auch wahrzunehmen, dazu eine Disposition, Probleme durch Gewalt zu lösen. Ihre Konstruktion ‚völkerrechtlicher‘ Beziehungen und die ausgeprägte Selbstsicherheit, jederzeit im Recht zu sein, zielten in die gleiche Richtung. H H nannte die Römer der Republik daher nicht ohne Recht „Mischlinge von roher Raubsucht und feinem Advocatensinn“ (Gesammelte Werke, Bd. 4, Berlin 1887, 105).
2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik Problematik der Anfänge
Die politischen Institutionen der römischen Republik, wie sie in Kapitel 4 vorgestellt werden, entstanden selbstverständlich nicht in einem historischen Urknall. Die althistorische Forschung hat große Mühe darauf verwendet, ihre Genese zu erhellen, gestützt auf eine literarische Traditionsbildung, die den Einrichtungen ein hohes Alter gab und sich für Veränderungen in diesem Bereich wenig interessierte. So seien Bürgerschaft und Senat von Romulus, dem Gründerkönig Roms, eingerichtet, die Bürgerschaft von einem späteren König, Servius Tullius, zusätzlich nach dem jeweiligen Vermögen gegliedert worden. Sogleich nach der Vertreibung des letzten Königs, Tarquinius Superbus, aus Rom seien im Jahr 509 zwei gemeinsam für jeweils ein Jahr amtierende Konsuln als Träger der höchsten Amtsgewalt eingesetzt worden; wenige Jahre später (494) habe
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2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik
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sich ein Teil der Bürgerschaft im Konflikt mit dem herrschenden Adel selbst organisiert, eigene Vertreter für sich bestellt (die Volkstribunen) und diese mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. All diese Institutionen seien danach bei Bedarf in ihrer Kopfzahl vermehrt, aber kaum in ihrem Wesen verändert worden. Die ausführlichen antiken Erzählungen über die römische Frühzeit, gerechnet von der angeblichen Gründung der Stadt im Jahr 753 bis ins frühe 4. Jahrhundert, wurden von der quellenkritischen Forschung freilich schon sehr früh als Produkte sehr viel späterer Konstruktionen und Legendenbildungen entlarvt. Strittig bleibt, ob und welche Teile der Überlieferung dennoch zur Erhellung der Frühzeit verwendet werden können. Das über lange Zeit intensive Bemühen der Forschung um diese Phase speiste sich aus der (bereits antiken) ursprungsmythischen Vorstellung, das Wesen einer Sache in ihren Anfängen fassen zu können. Hinzu kam die von T. M ebenso glänzend wie autoritativ vorgetragene Idee, das gesamte Institutionengefüge systematisch auf fixe, dem historischen Wandel letztlich nicht unterworfene Begriffe und Bauelemente rechtlicher Natur zurückzuführen sowie aus späteren, gut belegten Zuständen auf frühere zurückzuschließen. Es empfiehlt sich aus den skizzierten quellenkritischen Gründen, die im Detail so problematische Überlieferung über die Frühzeit von derartigen Erklärungspflichten zu entlasten. Vielmehr nimmt die Forschung für diese Phase neuerdings eher unfeste Verhältnisse an. Die Bemühungen der Römer, mit bestimmten Problemen fertigzuwerden, hätten demnach durchaus experimentellen Charakter gehabt und seien von jeweils veränderlichen Konstellationen geprägt gewesen. Eine solche Annahme erlaubt einen freieren Blick auf die besser überlieferten Verhältnisse und Entwicklungen ab der Mitte des 4. Jahrhunderts; diese sind daher auch der vornehmliche Gegenstand des vorliegenden Buches. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen der politisch-institutionellen Neuformierung Roms und den militärisch-machtpolitischen Erfolgen ab ca. 350, während bis dahin innere Unklarheit und äußere Stagnation das Bild bestimmt hatten. Freilich hat die Frühzeit erkennbare Spuren hinterlassen. Es kann als sicher gelten, dass es in Rom anfangs Alleinherrscher gab, die in der Überlieferung als „Könige“ (reges) firmieren und denen alle wichtigen Weichenstellungen der institutionellen Gründung und des Ausbaus der Stadt zugeschrieben wurden. Das allein wäre im Vergleich antiker Gemeinwesen nicht verwunderlich, jedoch kam es in Rom nicht zur Etablierung einer stabilen Monarchie; vielmehr scheinen die „Könige“ eher warlords oder Clanführer mit schwankender Machtbasis gewesen zu sein, denen ein durchaus eigenständiger Adel mal zur Seite, mal gegenüber stand. Eine Erbfolge konnte nicht etabliert werden. Nach ca. 500 vermochte sich überhaupt kein Alleinherrscher mehr in Rom durchzusetzen. Gestalt und
Könige versus Republik
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Res publica als eigensinniger Handlungsbereich
I. Enzyklopädischer Überblick
Bezeichnungen des nunmehr nur noch für je ein Jahr aus den Reihen des Adels besetzten obersten Amtes blieben ebenso Veränderungen unterworfen wie die Menge der Amtsträger. Erst 367 wurde die Zahl der obersten Magistrate fixiert (s. u. 4.1.2). Doch generell waren der monarchische und der aristokratisch-oligarchische Politikentwurf in Rom miteinander verflochten: Eine allzu herausgehobene Stellung eines der ihren wurde von der Aristokratie als Bedrohung betrachtet, das Königtum daher von seinem angeblichen Entarten in die Tyrannis der Tarquinier her verteufelt und der republikanischen Freiheit (libertas) gegenübergestellt – die Emphase des Begriffs Republik als Gegenentwurf zur Autokratie hat sich im politischen Bewusstsein Europas und der USA bis ins 20. Jahrhundert gehalten. Andererseits blieb der Gedanke eines ‚starken Mannes‘, der vereinfacht gesagt die Interessen der großen Zahl der Römer gegen den Adel oder dessen Mehrheit vertritt, lebendig. Solche Ambitionen und Projektionen verbanden sich zunächst kurzfristig mit einzelnen regulären Amtsträgern (Konsuln oder Volkstribunen), gegen Ende der Republik jedoch zunehmend mit militärisch ausgewiesenen Männern, die sich Ämter und Rechtstitel suchten, um ihre Sonderstellung zu legitimieren, auszubauen und sogar zu verstetigen. Sulla und Caesar verwendeten dafür die als Notstandsamt aufgefasste Dictatur (s. u. 6.4). Diese Überlegung lässt sich noch etwas grundsätzlicher fassen. Herrschaft als gottgegebenes oder angeborenes Recht eines Einzelnen konnte sich in Rom trotz des Königtums und trotz einiger Ansätze zur sakralen Überhöhung nicht entfalten. Da offenbar jeder Stadtherrscher seine Position wieder neu erkämpfen und bestimmen musste, war es gedanklich kein allzu großer Schritt, eine Herrschafts- oder Funktionsrolle von der sie innehabenden Person zu trennen und sie als ‚Amt‘ zu begreifen (s. u. 4.1.1). Die Könige vermochten offenbar auch nicht große Teile gesellschaftlicher Beziehungen und ökonomischer Ressourcen patrimonial an sich zu binden; das erleichterte es, künftig die leitende Funktion der Amtsträger als aus der Gesellschaft gleichsam ausgegliedert zu denken. Daher konnte das Gemeinwesen (res publica) als ein verhältnismäßig eigensinniger politischer Handlungsbereich mit einer spezifischen Organisationsstruktur begriffen werden, der schon durch den von Anfang an jährlichen Wechsel der Amtsträger anderen Rhythmen und Logiken folgte als die Gesellschaft insgesamt (s. u. 3.2 und 3.3). Obwohl die Amtsträger selbstverständlich allein der gesellschaftlichen Elite entstammten und bei ihrer Tätigkeit in großem Umfang Personal und Ressourcen ihres Hauses einsetzten, bildete die res publica als ihr Aktionsbereich doch ein Feld intensiver, kontingenter und dem Wechsel unterworfener Beziehungen und Handlungen. Indem das Politische so ausgegliedert war, mündete die vergleichsweise hohe Stabilität der Gesellschaft gerade nicht in Versäulung, Erstarrung oder enge Oligarchisierung der militärischen und politischen Funktionen. Die
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2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik
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hohe Flexibilität der Römer im Bereich des Ämterwesens und damit des situativen Handelns wurde also indirekt durch die Königszeit ermöglicht. Auch in den meisten etruskischen Städten wurden im 5. Jahrhundert monarchische Herrschaften durch Oligarchien abgelöst. Dabei gab es, soweit erkennbar, in den nunmehr etablierten Gefügen von Magistraturen eine klare Ausdifferenzierung und Hierarchisierung. Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, dass diese Entwicklung die Ausbildung der Ämter in Rom beeinflusste, zumal die Befugnis römischer Amtsträger in vielen Fällen eher von den Erfordernissen der Situation geprägt als scharf begrenzt war (4.1). Gleichwohl wirkten in freilich schwer zu bestimmender Weise allgemeine wie lokale Entwicklungen im etruskisch-italisch-griechischen Stadtstaatensystem der Halbinsel aufeinander ein. Ein weiteres Erbe der Frühzeit ist darin zu sehen, dass es in Rom – neben einer festen Einbindung des Einzelnen in Hausgemeinschaft und Familienverband (s. u. 3.2) – mehrere formale Organisationsmodi der Bürgerschaft mit unterschiedlichen, jedoch stets nicht-verwandtschaftlichen Prinzipien gab: genossenschaftlich, vermögenshierarchisch sowie lokalnachbarschaftlich; auch das Alter eines Bürgers spielte eine Rolle. Die ebenfalls früh etablierte mehrfache Zugehörigkeit dürfte nicht nur das Wissen eines jeden Bürgers um seinen Platz in der res publica gefestigt und die Integration verstärkt haben. Vor allem verhinderte sie gemeinsam mit der erwähnten Eigenständigkeit der res publica eine durchaus denkbare Entwicklung: Zwar erwuchsen auch in Rom aus den Familienstrukturen Kräfte auf dem politischen Feld, doch wurde dieses kaum je durch die typischen, meist hemmenden Folgen von Familienklientelismus, Clanstrukturen oder Tribalismus kontaminiert. Das zeigt sich besonders in der regierenden Aristokratie, die ihr Selbstverständnis, ihre Rangkriterien und ihr Handeln spätestens ab der Mitte des 4. Jahrhunderts ganz und gar an der res publica mit ihren Rhythmen und ihrem Eigensinn ausrichtete und dabei eine erhebliche Kontingenztoleranz entwickelte (s. u. 3.1). Zugespitzt: Das institutionell formierte Gemeinwesen polte ein Stück weit seine Gesellschaft um. Als für die Zukunft der res publica konstitutives Erbe der Frühzeit muss ferner die Einteilung der Bürgerschaft in Tribus gelten. Anders als die griechischen Phylen waren die Tribus nicht nur Personenverbände, sondern sie gliederten zugleich als lokal definierte Einheiten das Territorium Roms und bildeten eine wichtige Voraussetzung dafür, die Ausdehnung des Bürgergebiets organisatorisch zu bewältigen. Während Eigenart und Aufgaben der drei ältesten Tribus (Tities, Ramnes, Luceres) ganz unsicher sind, ist die später maßgebliche Einteilung in 35 Tribus in Genese und Gestalt gut greifbar. Es gab zunächst vier städtische Tribus (tr. urbanae: Palatina, Esquilina, Collina und Suburana). Die dann hinzukommenden siebzehn Landtribus (tr. rusticae) waren teils nach einzelnen Adelsgeschlechtern, teils nach Orten benannt. Die überlieferten Daten für die anschließenden
Etrusker als Modell?
Familie und Politik
Tribusordnung
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Soziale Konflikte
Ständekämpfe
Folgen der Mittellage
I. Enzyklopädischer Überblick
Neugründungen spiegeln die Expansion des römischen Territoriums; die beiden letzten zusätzlichen Tribus wurden 241 eingerichtet. Neue Bürger schrieb man danach in eine der bestehenden Einheiten ein; die Bürgerlisten wurden in den Tribus geführt. Auch in der Handhabung sozio-politischer Konflikte gingen die Römer im 5. und 4. Jahrhundert einen Sonderweg. Zwar führten sowohl die Bedrückungen vieler Bürger, die nicht von Patronen geschützt waren, durch Kriegsdienst, Nahrungsmangel und Verschuldung als auch der Ausschluss ambitionierter Aufsteiger durch den etablierten Adel zu einer Konstellation, die den Spaltungen (gr. Pl. staseis) griechischer Polisgemeinden ähnelte. Doch die römische Lösung dieser Konflikte, die üblicherweise als „Ständekämpfe“ bezeichnet werden, war einzigartig: Die Benachteiligten begründeten eine Art Sondergemeinde und schufen eine eigene Organisation, um sich gegen Übergriffe zu schützen und ihre Interessen durchzusetzen (s. u. 4.1.4). Zugleich aber verblieben sie, wohl bedingt durch die ständigen äußeren Bedrohungen der Stadt, innerhalb des Gesamtverbandes und erreichten am Ende einen Ausgleich, der ihre eigenen Eliten an der politischen Führung der res publica beteiligte. Begünstigt wurde dies durch die militärischen Erfolge Roms und die dadurch gewonnenen Spielräume, Land und Beute zu verteilen. Dieser Prozess war Anfang des 3. Jahrhunderts abgeschlossen. Die opferreichen und prekären ‚Lösungen‘ in nicht wenigen griechischen Poleis, nämlich der vollständige Sieg einer Partei, die Vertreibung der Unterlegenen oder die Etablierung einer Alleinherrschaft (Tyrannis), wurden auf diese Weise vermieden. Nicht nur hier entgingen die Römer einem für die Stabilität einer Ordnung gefährlichen Nullsummenspiel. Dies gelang auch in den Außenbeziehungen (s. o. 1). Dabei hatte es Rom durch seine ethnisch-geographische Mittellage in Italien von Anfang an mit Nachbarn, Rivalen und Feinden sehr unterschiedlicher Art zu tun, etwa mit den durch Sprache und gemeinsame Kulte verhältnismäßig nahen Latinern, den stark urbanisierten und hellenisierten Etruskern oder den kriegerischen Stammesverbänden der Äquer und Volsker, später der Samniten und der Kelten. Hinzu kamen die griechischen Städte Unteritaliens mit ihrem Institutionalisierungsvorsprung. Die Römer entwickelten ihr reiches Arsenal an politischen, militärischen und völkerrechtlichen Bindungs- und Herrschaftsinstrumenten in Reaktion auf diese Gemengelage. In der römischen Erinnerung an ihre frühe Zeit nahmen nicht zufällig spektakuläre Integrationsleistungen wie das Asyl des Romulus, die zeitweise bestehende römisch-sabinische Doppelgemeinde, die Aufnahme des zugewanderten Geschlechts der Claudier in den Senat oder die Gleichberechtigung von zuvor zurückgesetzten Eliten einen wesentlichen Rang ein.
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung Die politische Ordnung der römischen Republik war Ergebnis der historischen Entwicklung Roms zur Hegemonialmacht (s. o. 1); wie dieser fehlte ihr eine planvolle Systematik. Zugleich spiegelte und prägte sie wesentliche Züge der sie tragenden Gesellschaft und ihrer Verkehrsformen. Diese Gesellschaft im Detail zu beschreiben ist Gegenstand eines anderen Bandes dieser Reihe. Nur einige für die politische Ordnung relevante Grundzüge seien genannt. Auch außerhalb des Raums politischer Institutionen dachte und handelte kein Römer in erster Linie als Individuum, sondern stets als Glied verschiedener Verbände. Diese Verbände konnten wie die Hausgemeinschaft oder die Armee formal definiert oder wie Klientel und Freundeskreis von eher elastischer Natur sein. Damit verbunden war eine ausgeprägt hierarchische Strukturierung nach Ehre, Rang und Würde – jeder wusste, wo sein Platz war. Ein für die politische Ordnung wie für das Handeln der Römer höchst bedeutsames Ergebnis dieses Gebundenseins in Hierarchien war die Ausrichtung des jeweiligen Verbandes auf seine Spitze. Dieser standen, wenn es nötig erschien, erhebliche Ressourcen im Sinne einer jederzeit abrufbaren, legitimen Aktionsfähigkeit zur Verfügung. Das galt besonders im Bereich des Hauses (3.2), eingeschränkt auch im vertikalen Bindungswesen (3.3). Diese Ausrichtung prägte folgerichtig auch die politische und militärische Organisation: Der Wille der Bürgerschaft konzentrierte sich in den Amtsträgern (4.1), die Durchschlagskraft des Heeres im Feldherrn mit seiner im Krieg uneingeschränkten Kommando- und Strafgewalt (3.4). Soziale Autorität und politischer Wille der Aristokratie schließlich bündelten sich im Senat (4.2). Selbst die heikle Kommunikation mit den schwer berechenbaren Göttern unterlag vollständig der Kontrolle durch die res publica in Gestalt der Konsuln, des Senats und der aristokratischen Priesterschaften. Und schließlich stellte, wie angedeutet, die rechtlich-politische Konstruktion der Beziehungen Roms zu seinen Verbündeten und Unterworfenen deren Wehrkraft vollständig der Führungsmacht zur Verfügung (3.5). Für das Gefüge der römischen Gesellschaft im Detail ist auf den entsprechenden Band dieser Reihe zu verweisen. Knapper Erläuterung bedarf aber die in Rom politisch maßgebliche Aristokratie. Der Begriff meint zunächst epochenübergreifend eine spezifische Form kollektiver Herrschaft. Als Gruppenbezeichnung umfasst er ein besonderes Ethos und Selbstbild sowie einen exklusiven Lebensstil, der in alle Bereiche des Denkens und Handelns hineinreicht. Wer sich einer Aristokratie zurechnet, ist mehr oder minder vermögend, hält seine Abstammung und die Erinnerung an die Vorfahren in Ehren, hat sein Bild bei der künftigen Nachwelt im Blick, geht Risiken ein, hebt sich durch Bildung und Kultiviertheit von der breiten
Zugehörigkeit und Hierarchie
Konzentration auf die Spitze
Aristokratie
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I. Enzyklopädischer Überblick
Bevölkerung ab und beansprucht meist auch exklusive Privilegien. Aristokratie bezeichnet ein integrierendes Modell von politischer Herrschaft, gesellschaftlicher Ordnung und sozialer Formierung. Jeder Aristokratie wohnt eine Grundspannung inne, die in Rom durch die Einbindung der Gesellschaft in das politische System besonders ausgeprägt war: Ihre Mitglieder betrachten sich prinzipiell als Gleiche, jeder für sich strebt aber zugleich danach, im Wettbewerb um Macht, Rang und Aufmerksamkeit besser und besonders zu sein. 3.1 Soziale Eliten: regierende Klasse und Ritter Regierende Klasse
Patriziat und Nobilität
In der römischen Republik richtete sich die Aristokratie in auffälligem Ausmaß auf das Gemeinwesen aus. Diese Ausrichtung definierte zugleich die Zugehörigkeit zu ihr: Nur wer in Rom Amtsträger gewesen war und im Senat saß oder dies anstrebte, gehörte zum inneren Kreis der herrschenden Aristokratie. Die althistorische Forschung bezeichnet diese einige hundert Köpfe zählende Gruppe daher oft als ‚regierende Klasse‘. Diese (im Englischen und Französischen analog gebildete) Benennung hebt die Geschlossenheit des republikanischen Adels sowie seine Bindung an bestimmte Aufgaben und einen gemeinsamen Ort des Handelns, nämlich Rom, heraus. Ein Angehöriger dieses Kreises fasste die Politik als das Zentrum seiner Existenz auf und strebte nach maximaler Prominenz im Raum der res publica. Seine übrigen Rollen, etwa als Hausvorstand, Grundbesitzer, ökonomischer Akteur, Priester, Patron und kultivierter Mensch, wurden davon jedoch nicht an den Rand gedrängt; vielmehr waren sie Bausteine seiner Autorität. Als Musterbild des ‚integralen Aristokraten‘ galt Marcus Porcius Cato der Ältere (234–149), ein Mann, der sich frühzeitig auf allen relevanten Feldern betätigte: als Erzieher seines Sohnes, Gastgeber, Redner und Rechtskundiger, Soldat und später Befehlshaber, aktiver, bisweilen auch aggressiver Politiker, genügsam in seiner Lebensführung, zugleich ein auf höchste Rendite zielender Agrarunternehmer, der sich stets treu geblieben sei und sich auch im hohen Alter nicht aus der Öffentlichkeit zurückzog. Die politische Klasse als aktivster Teil der römischen Aristokratie war in ihrer Eigenart wiederum Produkt eines historischen Wandels. Wie bei Livius und anderen Autoren sehr viel später zu lesen ist, beriefen sich die sog. Patrizier als angebliche Nachkommen der, wie man glaubte, von Romulus eingesetzten hundert Mitglieder des allerersten Senats vor allem auf ihre Abstammung und ihre exklusive Kommunikation mit den Göttern. Sie monopolisierten demnach die sakral fundierte Rechtsprechung, verfügten über ausgedehntes Grundeigentum, Pferde sowie über abhängige Bauern. Historisch wahrscheinlich ist ein allmählicher Formierungsprozess einer sozial, ökonomisch, religiös und symbolisch herausgehobenen
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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Führungsschicht. Ein Teil der leitenden Familien grenzte sich – vermutlich nach einer Phase anfänglicher Offenheit der Oberschicht – ab dem ersten Drittel des 5. Jahrhunderts vermehrt gegen Eindringlinge ab, angeblich sogar durch ein Eheverbot. Ihnen gelang es auch, bestimmte Funktionen und Privilegien rechtlich auf Dauer zu monopolisieren. Allein aber vermochten sie Roms Kämpfe der folgenden Jahrzehnte um die Existenz sowie die inneren Konflikte nicht zu bestehen. Durch die Zulassung von einsatzbereiten und führungskompetenten Nichtpatriziern zunächst zum obersten Amt (Licinisch-Sextische Gesetze, 367), später auch zu den meisten Priesterkollegien entstand ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine neue Aristokratie, die in der Forschung Nobilität genannt wird. In den Quellen, vornehmlich bei Cicero, figurieren als nobiles (Plural von nobilis, „bekannt“) die männlichen Mitglieder solcher Familien, die vor nicht allzu lange zurückliegender Zeit und am besten häufiger Inhaber der höchsten Ämter stellen konnten. Die Chance aber, ins allerhöchste Amt zu kommen und sich zu bewähren, war faktisch beschränkt: Seit etwa 200 sank der Anteil der Konsuln, die ihrerseits bereits auf Inhaber dieses Amtes als Vorfahren verweisen konnten, im Verhältnis zu allen Konsuln niemals unter 70 Prozent, und in der ‚letzten Generation‘ der Republik, von 80 bis 50, stieg diese Quote sogar auf mehr als 80 Prozent. Auch von den uns bekannten Prätoren dieser Zeit kam die Hälfte aus konsularischen Familien. Eine wesentliche Voraussetzung für diese relativ hohe Reproduktionsrate lag gewiss in der früh einsetzenden, intensiven Sozialisation und Erziehung des nobilitären Nachwuchses durch den Vater und im Haus. Sie setzte auf Imitation durch Hören, Sehen und Teilhabe an der Ausübung all der Pflichten und Tätigkeiten, die einen Nobilis ausmachten. Wer sie in sich aufgenommen hatte, war schon bei Eintritt in die Ämterlaufbahn (s. u. 4.1.1) vertraut damit, was erwartet wurde und was sich gehörte. Dabei stand nicht eine erwiesene Vielfalt von Fertigkeiten und Kenntnissen im Vordergrund, sondern die gesamte Person und Haltung in der öffentlichen Existenz. Ein Nobilis wie auch ein nicht der engeren Nobilität angehörender Senator vereinte idealerweise alle positiven Eigenschaften eines sozial herausragenden und politisch aktiven Römers. Dazu gehörten männliche Tüchtigkeit (virtus), Maßgeblichkeit (auctoritas) seiner Worte und Handlungen, überlegene Würde (gravitas), ehrfürchtiger Respekt (pietas) gegenüber Göttern und Eltern, Beharrlichkeit (constantia) auch in stürmischen Lagen, Verlässlichkeit (fides) in Verpflichtungen jeder Art und unermüdlicher Einsatz (labor) für die Belange der res publica und der ihm Nahestehenden. Er strebte danach, wie es in einer Begräbnisrede aus dem späten 3. Jahrhundert heißt (Plin. nat. 7,139f.), „der erste Krieger, der beste Redner, der tapferste Feldherr zu sein. Sein Trachten war, dass unter seiner Leitung die wichtigsten Taten vollbracht würden, er habe die höchsten Ehrenstellen, die größte Weisheit, die höchste Senatorenwürde erstrebt, ein
‚Abschließung‘ des Patriziats
Persönliche Qualitäten
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Meritokratie
Ritter (equites)
Homo novus
I. Enzyklopädischer Überblick
großes Vermögen auf rechte Weise sammeln, viele Kinder hinterlassen und der Angesehenste im Staate sein wollen; dies sei ihm zuteilgeworden und keinem anderen seit der Gründung Roms.“ Abstammung und angeborene Privilegien spielten zumindest in dieser Selbstdarstellung keine Rolle. Man kann daher trotz der hohen sozialen Reproduktionsquote der Nobilität, die auf der Weitergabe von Rang, Würde und gesammeltem Ansehen beruhte, durchaus von einer ‚Herrschaft auf der Basis von Leistung‘ (Meritokratie) sprechen. Zum einen zog ein Ausruhen auf früheren Lorbeeren ziemlich schnell und zuverlässig Ansehensverlust nach sich, zum anderen gab es auch immer wieder Aufsteiger, die ohne senatorische Vorfahren durch Tüchtigkeit und Protektion bis ins höchste Amt gelangten. Hingegen spielte für den anderen, zahlenmäßig weit größeren Teil der römischen Oberschicht politische Prominenz eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Die „Ritter“ (equites) hießen so, weil sie ursprünglich in der Bürgerreiterei dienten. Die Standesbezeichnung mitsamt Abzeichen und Privilegien blieb erhalten, doch mehr und mehr rückte statt der militärischen Aufgabe eine andere Ausrichtung ins Zentrum. Die equites, mehrere Tausend an Zahl, waren, stark vereinfacht gesagt, diejenigen Aristokraten mit römischem Bürgerrecht, die nicht in die Ämterlaufbahn in Rom eintraten, sondern allenfalls in ihrer italischen Heimatgemeinde politische Pflichten übernahmen. Meist zogen sie „Luxus, heimliche Macht und soliden Profit den Lasten, den Gefahren und dem übermäßigen Aufwand eines Senatorenlebens vor“ [3.1: S, Römische Revolution, 20]. Wie bei den Senatoren manifestierte sich ihr Reichtum in ausgedehntem Grundbesitz. Ihre darüber hinausreichenden wirtschaftlichen Interessen und Aktivitäten waren aufs Engste mit der res publica und dadurch mit den Entscheidungen der regierenden Klasse verknüpft, denn sie betätigten sich in gewinnträchtigen Sektoren wie Steuerpacht, Getreidetransport, Heeresversorgung, Baumaßnahmen, Zollwesen und Ausbeutung der Ressourcen der Provinzen sowie im Kreditgeschäft. Es bestanden vielfältige Heirats- und Geschäftsverbindungen zwischen herrschender Aristokratie und Rittern, die für jene eine Führungsreserve darstellten. Söhne von Senatoren gehörten vor ihrem Eintritt in die Ämterlaufbahn automatisch dem Ritterstand an. Einige bekannte Römer wie der schon genannte Cato, der siebenmalige Konsul Gaius Marius (ca. 157–86) oder Marcus Tullius Cicero (106–43) kamen aus dem ländlichen Ritterstand und erklommen die Ämterlaufbahn bis zur Spitze. Die wenigen, denen dies in einem Zug gelang, hießen „neue Männer“ (homines novi, Sing. homo novus). Meist aber benötigte ein solcher Aufstieg mehrere Generationen oder fand im zweithöchsten Amt, der Prätur, sein vorläufiges Ende.
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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3.2 Hausväter, Häuser und Familienverbände Auch in Rom bildete die um eine Kernfamilie gruppierte Hausgemeinschaft (familia, später öfter domus) die kleinste soziale Einheit des Gemeinwesens. Doch in ihrer Gestaltung und politischen Bedeutung war sie einzigartig. Nur in Rom genoss der Hausvater (pater familias) eine derart weitgehende „väterliche Verfügungsgewalt“ (patria potestas). Diese erstreckte sich auf den gesamten Besitz sowie alle freien und unfreien Mitglieder der Hausgemeinschaft, auch die Ehefrau, sofern diese durch die Art der Eheschließung in die rechtliche Gewalt (manus) des Ehemannes übergegangen war. In der späteren Republik überwog jedoch die sog. manusfreie Ehe, bei der die Gattin rechtlich im Verband ihrer Herkunftsfamilie verblieb. Die patria potestas umfasste auch die erwachsenen Söhne, es sei denn, sie wurde durch eine förmliche emancipatio aufgehoben; sie endete regulär erst mit dem Tod des pater familias. Die äußerste Grenze dieser als Einheit gedachten Gewalt war das Recht, einen Haussohn im Extremfall auch mit dem Tode zu bestrafen (ius vitae necisque), was aber kaum je praktiziert wurde. Wichtiger erscheint der Stellenwert der patria potestas insgesamt als soziopolitischer Grundstein der römischen Ordnung. Die res publica besaß kein Gewaltmonopol: Während die Strafgewalt der Amtsträger gegen Bürger auch bei schweren Vergehen durchaus beschränkt war, wurden die Hausväter als wesentlicher Teil des Erzwingungsstabes im Interesse des Gemeinwesens betrachtet. Sie waren damit unverzichtbare Teile der politischen Ordnung. So wurden Frauen wegen krimineller Handlungen im Zusammenhang mit den bacchanalischen Umtrieben (186) den Inhabern der häuslichen Gewalt über sie zur Bestrafung überantwortet; nur wenn solche nicht vorhanden waren, wurde eine öffentliche Strafe verhängt (Liv. 39,18,6). Zugleich wurden die Unantastbarkeit der autonomen, ganz auf die Spitze ausgerichteten Hausgemeinschaft und die daraus erwachsende Sicherheit des pater familias, im eigenen Haus Herr zu sein, zur Basis für den Gehorsam der Bürger gegenüber den Amtsträgern und für ihre Mitwirkung am Gemeinwesen, das die hierarchische familiale Ordnung zu schützen versprach. Dabei bedeutete Mitwirkung in erster Linie die Bereitschaft, sich im Krieg bis zum äußersten einzusetzen. Das galt nicht nur in Rom und für die römischen Bürger Italiens. Auch die Verbündeten übernahmen das römische Konzept der familia gern, gab es den Bürgern dieser Gemeinden, zumal den Eliten, doch ebenfalls im Alltag eine gefestigte und souveräne Stellung sowie das entsprechende Selbstbewusstsein. Den Römern zu gehorchen fiel dann leichter, zumal diese ja nicht jedes Jahr mit Forderungen und Interventionen in Erscheinung traten. Hier bedeutete patria potestas über die Zeit und in der Praxis ein hohes Maß an Autonomie und Freiheit.
Pater familias
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16 Pater familias als ‚Agent‘ der res publica
Das Haus (domus)
Aristokratisches Haus
Gens und stirps
I. Enzyklopädischer Überblick
Nicht zufällig wurden die Amtsgewalt des römischen Amtsträgers und die Verfügungsgewalt des pater in seinem Haus mit dem gleichen Begriff – potestas – bezeichnet. Alle Hausväter waren in ihrer potestas gleich. Gegenüber den Angehörigen ihres Hauses repräsentierten sie die res publica und umgekehrt waren sie allein für ihre familia sprechberechtigt. Der pater familias glich einem Amtsträger, die familia war sein Aufgabenbereich, seine potestas bildete ein in alle Richtungen wirksames Disziplinierungsinstrument. Ebenso wie ein Amtsträger oder Richter war er jedoch gehalten, seine Macht sachgerecht und verhältnismäßig zu gebrauchen, das bedeutete u. a., dass bei gravierenden Entscheidungen tunlichst ein Ratgeberkreis (consilium) zu konsultieren war. Handlungen wider das Angemessene konnten von den Censoren (s. u. 4.1.6) gerügt und sanktioniert werden – das galt für lebenslange Hausväter wie für gewählte Amtsträger gleichermaßen. Indem die Hausväter integrierte Pfeiler der Ordnung der res publica und gleichsam deren Agenten darstellten, waren sie in ihren Handlungen und ihrem Auftreten gebunden. Das zeigte sich besonders bei den öffentlich wirkenden Aristokraten unter ihnen: Deren (Stadt-)Haus bildete keine private Sphäre, in der allerlei Neigungen nachgegangen werden konnte, es war ein quasi-öffentlicher Raum, der unter Beobachtung stand. Für den Familienverband unter der Lenkung des pater familias wie für die physische Behausung der Familie wurde gleichermaßen die Bezeichnung domus (Haus) verwendet. Wer die Herrschaft in seinem Haus nicht richtig auszuüben verstand, konnte auch kein Vertrauen in seine Führungskompetenz in der res publica erwarten. Die Ausgestaltung der domus in unmittelbarer Nähe zu den öffentlichen Räumen und den Behausungen der einfachen Leute signalisierte zugleich, wie sich der dort Residierende zu seinen Standesgenossen und den einfachen Bürgern stellte. Diese komplexe Gemengelage zwischen Autonomie und Repräsentation einerseits, Kontrolle und Konventionen andererseits spiegelte sich auch in der architektonischen Struktur des Hauses, das vor allem vom Atrium als dem öffentlichen Bereich im vorderen Teil bestimmt wurde. Dort wurden Freunde und Klienten empfangen und befanden sich die Ahnenbildnisse (s. u. 3.3). Auch das Anwesen auf dem Land (villa) war ein Raum zur Demonstration einer bestimmten Lebensführung und als solcher nicht gänzlich ‚privat‘. Schwieriger als die familia sind die größeren Verwandtschaftsverbände zu bestimmen, die in den Quellen als übergreifende gentes (z. B. Fabier, Valerier, Cornelier, Claudier) und als davon ausgehende stirpes (‚Zweige‘), z. B. die Cornelii Scipiones, Caecilii Metelli, Calpurnii Pisones, erscheinen. Im politischen Raum hatten die gentes allenfalls in der Frühzeit Bedeutung, so vielleicht bei der Konstituierung des Patriziats. Ab dem 3. Jahrhundert traten die Zweige in den Vordergrund. Nicht nur Vorfahren, auch horizontale familiale Präsenz und Verknüpfungen trugen wesentlich zum ‚symbolischen Kapital‘ (P B) und zur politischen Stoßkraft
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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eines Nobilis bei (s. u. 3.3). Von konzertiertem politischen Handeln verlautet jedoch nichts. Heiraten und Adoptionen waren selbstverständlich Instrument von Familienstrategien und als solche politisch unter Umständen von Bedeutung. Sie konnten am Ende der Republik proto-dynastischen Charakter gewinnen, so in der Ehe von Caesars Tochter Iulia mit Gnaeus Pompeius oder von Oktavians Schwester Octavia mit Marcus Antonius. 3.3 Bindungswesen Ein einfacher Senator oder gar ein Nobilis stellte durch seine Sichtbarkeit und sein Agieren in verschiedenen Rollen (s. o.) bereits für sich eine gewichtige Gestalt dar. Freilich war auch er auf vielfache Bindungen angewiesen. Diese waren horizontaler, vertikaler und geschichtlich-generationeller Natur; in jedem Fall aber bestimmten sie seinen politischen Aktionsraum wesentlich mit. Das horizontale Netzwerk, das ihn mit anderen Aristokraten verband und durch das er seine politischen Erfolgschancen, etwa bei den Wahlen, zu verbessern suchte, bestand zunächst aus den engeren männlichen Verwandten seiner Generation, also Brüdern und Cousins. So bekleidete 51, 50 und 49 je ein Claudius Marcellus eines der beiden Konsulate; zwischen 123 und 109 hatten sechs verschiedene Sprösslinge der Caecilii Metelli das oberste Amt inne (20 Prozent der Konsulate). Ferner spielten Schwestern für die politische Vernetzung ihrer Brüder eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Testamenten herrschte nicht etwa das Bemühen, das Vermögen in der engeren Familie zu halten; vielmehr wurde es durch Legate weit über Freunde und entferntere Verwandte verteilt. Vermögenswerte sollten breit innerhalb der Elite zirkulieren und so ein Geflecht aristokratischer Nahbeziehungen aktualisieren. In diesem Sinne sind ebenso Darlehens-, Bürgschafts- und Geschäftsbeziehungen sowie Heiratsverbindungen zu verstehen; diese Bindungen erstreckten sich auch auf Angehörige der Ritterschaft. Ferner pflegte die engere und weitere Aristokratie in Rom eine intensive, von Regeln der Etikette geprägte Kommunikation, etwa durch Einladungen, Briefe und Empfehlungen. Die nach Substanz, Dauer und Intensität sehr unterschiedlichen Bindungen wurden zusätzlich durch die Bezeichnung „Freundschaft“ (amicitia) überhöht, Ungleichheiten damit verdeckt. Die Bindungen wurden möglichst weiträumig eingegangen und gepflegt, während die ausdrückliche Dissoziation in Form persönlicher „Feindschaft“ (inimicitia) selten blieb. Sie erwuchs meist aus persönlicher Kränkung und konnte durch demonstrative Versöhnung beendet werden. Verpflichtende „Treu- und Nahverhältnisse“ (M G), also Beziehungen auf Gegenseitigkeit zwischen Bürgern von gleichem wie von unterschiedlichem Status, waren für den Zusammenhalt der römischen Gesellschaft von höchster Bedeutung. Liegt ein soziales Gefälle vor, be-
Netzwerke mit Gleichrangigen
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Geschichtlichgenerationelle Bindungen
I. Enzyklopädischer Überblick
zeichnet man den Mächtigeren als Patron, den Schwächeren als Klienten; beide Begriffe stammen aus dem Lateinischen. Schon in der Antike zusammengestellte Listen von Aufgaben des Patrons wie des Klienten stellen Versuche dar, eine tatsächlich sehr vielgestaltige Praxis zu fixieren und normativ zu überhöhen. Soziopolitisch aktualisierte und konkretisierte sich im Klientelwesen die stabilisierende Verbindung zwischen der gesellschaftlichen Elite und den einfachen Bürgern, während die Kommunikation bei offiziellen Versammlungen, Wahlen und Abstimmungen (s. u. 4.3.3) eher sporadisch, formalisiert und einseitig war. Funktional gesehen fingen diese Bindungen Unzufriedenheit auf und erschwerten für lange Zeit horizontale Solidarisierungen nach Gruppeninteressen. Der Höherstehende konnte bei der morgendlichen Begrüßung (salutatio) der Klienten in seinem Haus sowie beim Gang durch die Stadt mit zahlreichem Gefolge Gewicht und Zuwendung demonstrieren. Die Klienten erhielten Hilfe bei ihren Nöten und Anliegen, konkret etwa durch eine Vertretung vor Gericht (patrocinium, s. u. 4.4), und konnten sich ihrer eigenen Bedeutung im Umkreis eines bedeutenden Mannes versichern. Wie häufig und selbstverständlich solche Kommunikation, finanzielle Unterstützung oder der Austausch von Geschenken waren, wissen wir allerdings nicht. Anders als die Beziehung zwischen Patron und Freigelassenem (libertus) scheint das allgemeinere Klientelverhältnis nicht sehr formalisiert oder gar rechtlich klar fixiert gewesen zu sein. Stabile Klientelpyramiden und geschlossen mobilisierte Blöcke, die wahlentscheidend gewesen wären, existierten wohl nicht, und auch die Annahme, es habe in der ausgehenden Republik eine Vermassung und zugleich Erosion der Klientelen als Symptom des Systemzerfalls gegeben, hat an Plausibilität verloren. Die Grundfiguration einer engen, auch emotionshaltigen wechselseitigen Bindung zwischen Patron und Klienten expandierte in der Späten Republik allerdings tatsächlich, indem sie auch das Verhältnis zwischen dem Militärpotentaten und seinen Veteranen (wie bei Marius, Sulla, Pompeius, Caesar, Antonius und Oktavian) sowie zeitweise zwischen einem zivilen Anführer wie Publius Clodius Pulcher und seinen zahlreichen Anhängern in der stadtrömischen Plebs prägte. Sinnfällig wurde dies in den tumultuarischen Ereignissen nach der Ermordung von Clodius (Januar 52) bzw. Caesar (März 44). Mit geschichtlich-generationellen Bindungen ist zunächst der Verweis auf eine möglichst große Zahl vorzeigbarer Vorfahren gemeint. Wer unter seinen Ahnen in männlicher Linie Inhaber der obersten Ämter nennen konnte, die vielleicht sogar durch einen Triumph als besonders erfolgreiche Feldherren ausgezeichnet worden waren, besaß einen Vertrauens- und Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, denen dieses symbolische Kapital in Gestalt einer „Empfehlung durch die Vorfahren“ (commendatio maiorum) fehlte. Bisweilen wurde ersatzweise auch auf durch Heirat gewonnene Ahnen verwiesen. Wächserne Bildnisse (imagines) der erfolgreichen Vorfahren, die im Atrium des nobilitären Hauses verwahrt und in
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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der Begräbnisprozession (pompa funebris) sinnfällig inszeniert vorgeführt wurden, sowie die Begräbnisrede (laudatio funebris) aktualisierten eine Erinnerung, welche die jeweils aktiven Träger eines großen Namens zu eigenen Höchstleistungen anspornen und den Bürgern die Gewissheit vermitteln sollte, dass auch die jüngeren, persönlich noch unprofilierten Angehörigen dieser Familie eine gute Wahl sein würden. Über das konkrete Herbeizitieren der jeweils eigenen Vorfahren hinaus bezeichnete mos maiorum eine durch die früheren Generationen etablierte und damit verbindliche Anweisung, wie Dinge zu handhaben seien. Der Begriff kann als Chiffre für das Gewicht der Tradition und die Begrenzung von Handlungsspielräumen durch Bindung in Rom gelten. Nicht philosophische Ethiken, sondern die Summe vorbildlicher Aussprüche und Handlungen benennbarer Vorfahren (exempla maiorum) sollten als Richtschnur dienen. Freilich bildete dieser Kanon von Vorbildern kein konsistentes und widerspruchsfreies System, eher einen Pool normativer Muster, die selektiv aufgerufen werden konnten, um jeweils das eigene Handeln rhetorisch und ideologisch zu legitimieren. An deren grundsätzlicher Verbindlichkeit änderte das nichts, und Augustus nutzte nicht zufällig beim Aufbau des Prinzipats einen – erst in dieser Phase genauer bestimmten – mos maiorum zur Stabilisierung der religiösen, sozialen und politischen Sphäre. Jede der genannten synchronen Bindungen zwischen Ungleichen, auch die zwischen Magistrat und Bürger in Krieg und Frieden, war von einer Ausrichtung auf die Führung geprägt. In der Summe stellten sie der res publica ein Maximum an Aktionspotential, Gehorsam und Erleidensfähigkeit zur Verfügung. Jedoch wurde niemals ernsthaft angestrebt, zwischen den verschiedenen Bindungsarten eine Hierarchie herzustellen – anders als dies der moderne Staat tut, der die Loyalität gegenüber seiner (gesetzlichen) Ordnung den anderen Loyalitäten überordnet (Nischen wie das Zeugnisverweigerungsrecht bei engen Verwandten und das Beichtgeheimnis einmal ausgeklammert). Diese klare Hierarchisierung lässt uns eine Ausrichtung auf konkurrierende Bindungen, etwa Clans oder Klientelverbände, als mafiös oder symptomatisch für einen failing state erscheinen. In Rom hingegen wurden koexistierende Loyalitäten immer neu ausgehandelt (s. u. 6.2). Gefährlich wurde dieses Fehlen einer Hierarchie, als sich stabile Loyalitäts- und Interessenverbünde formierten, deren Spitzen den Gehorsam gegenüber den Institutionen der res publica verweigerten, wie dies in der Späten Republik geschah. Ciceros Versuch, alle horizontalen und vertikalen Bindungen, also Freundschaft und Gefolgschaft, einer unbedingten Ausrichtung auf die ‚Regierung‘ durch den Senat unterzuordnen, verblieb im Feld von politischer Philosophie und polemischer Rhetorik. Hinzu kam, dass die Häupter zentrifugaler Loyalitätspyramiden, die spätrepublikanischen Militärmachthaber von Marius bis Oktavian, als Amts- oder Imperiumträger zugleich immer noch Beauftragte der res pu-
Mos maiorum
Keine Hierarchisierung der Bindungen
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I. Enzyklopädischer Überblick
blica waren und als solche unter Verweis auf ihre enormen Verdienste im Krieg ebenfalls einen Anspruch auf legitime Ehre (dignitas) und Gehorsam erheben konnten. Wohl auch deshalb wurde selbst in der schärfsten und blutigsten Dissoziation (Bürgerkrieg; Proskriptionen, s. u. 6.4) niemals auf gesetzlich-formal verliehene Rechtstitel verzichtet, zuletzt Ende 43, als die umfassende diktatorische Gewalt des sog. Zweiten Triumvirats durch ein Gesetz, die lex Titia, formell übertragen wurde. Selbst vollständig außerhalb der res publica stehende Formationen imitierten deren Institutionen, so die aufständischen Bundesgenossen in Italien 91–89 oder Quintus Sertorius, der als überlebender Gegner Sullas in den 70er-Jahren in Spanien eine eigene Herrschaft zu errichten vermochte. 3.4 Militärwesen und manpower
Milizheer
Für das Heerwesen der Republik kann auf einen anderen Band dieser Reihe verwiesen werden [M, Militär und Kriegführung]; dennoch erscheinen einige Bemerkungen erforderlich. Die Römer leiteten aus den ersten 150 mühsamen Jahren der Selbstbehauptung das Bestreben ab, große Machtressourcen zur Verfügung zu haben, wenn das für nötig befunden wurde. In diesem Sinne war das römische Heer die ganze Republik über prinzipiell ein Milizheer, in dem alle Männer von 17 bis 46 Jahren regelmäßig, in Notfällen auch die älteren bis 60 Jahre dienstpflichtig waren. Die Gesellschaft blieb auf diese Weise eng an die res publica gebunden. Bis zu 30 Prozent aller erwachsenen römischen Bürger standen im 2. Punischen Krieg jeweils gleichzeitig unter Waffen, in den Bürgerkriegen der Späten Republik etwa 15 Prozent. Zwar erhielten die Bürgersoldaten schon seit etwa 400 einen Sold, und seit dem Ende des 2. Jahrhunderts wurde das Prinzip der Selbstausrüstung allmählich aufgegeben, doch blieb die Vorstellung vom Volk in Waffen stets lebendig. Die Inhaber der höchsten Ämter, Konsuln und Prätoren, wurden jedes Jahr in einer Volksversammlung gewählt, deren Stimmkörperschaften nach einer taktischen Einheit des Heeres „Hundertschaften“ (centuriae) hießen und auf dem Marsfeld zusammentraten (s. u. 4.3.3). Die Einteilung der Bürger in diesen Centuriatcomitien orientierte sich zum einen an der vermögensbedingt unterschiedlichen Fähigkeit der Bürger, sich selbst militärisch auszurüsten, zum anderen am militärisch relevanten Alter von 46 Jahren (iuniores / seniores). Die gesellschaftliche und politische Hierarchie spiegelte sich auch im Heer: Aristokraten hatten die höchsten Kommandopositionen inne, junge equites genossen das Privileg, in deren Umfeld Dienst zu tun. Den Inhabern des obersten Amtes, den Konsuln, oblag neben der allgemeinen Leitung der Politik vor allem die Heerführung; sie war bis zu den sullanischen Reformen (82–80) sogar ihre Hauptaufgabe. Die Römer nahmen den möglichen Nachteil, dass auch militärisch weniger fähigen Befehlsha-
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bern Heere anvertraut wurden, für diese prinzipielle Einheit der obersten Amtsgewalt und die Homogenität der regierenden Klasse in Kauf. Niederlagen konnte man zudem verschiedenen Gründen zuschreiben, etwa einem Verfehlen des Einklangs mit den Göttern. Da aber ohnehin keine Elite regelmäßig militärische Ausnahmetalente hervorbringt, fuhr man insgesamt gut damit, durch die Organisation der Kommandoverhältnisse das Schicksal eines Heeres nicht allzusehr von der Person des Feldherrn abhängig zu machen – deshalb bildeten die Centurionen das eigentliche Rückgrat der Armee. Außerdem fanden sich bei Bedarf immer Wege, bewährte und populäre Anführer in Kommandostellen zu bringen. Generell sahen die Römer den militärischen Erfolg langfristig nicht durch überlegene Kriegskunst und professionell trainierte Truppen gesichert, sondern durch die unermüdliche Kampfkraft, Opferbereitschaft und Disziplin der Bürgersoldaten. Die militärische Disziplin wurde durch ein strenges Regiment, andauernde Beschäftigung der Soldaten und strenge Bestrafung von Fahnenflucht oder Feigheit aufrechterhalten. Wäre sie aber lediglich durch Furcht erzeugt worden, hätte sie nicht so wirksam sein können. Es musste eine beträchtliche habituelle Gehorsamstiefe hinzukommen, und hier bewährte sich die in allen sozialen Beziehungen und in der politischen Ordnung obwaltende Einordnung des Bürgers in Verbände und Hierarchien. Die einfachen Soldaten waren überwiegend jüngere Römer, die daheim oft noch unter der Gewalt des pater familias standen, sich ferner wie auch ihre Väter an ihren Patronen orientierten und der Autorität der politischen Führung durch Senat und Amtsträger lange Zeit vertrauten. Hinzu kam die Chance, im Kampf durch Tapferkeit (virtus) Ehre zu gewinnen, die auch anerkannt wurde, etwa durch ordensähnliche Auszeichnungen und Beförderungen. Die Früchte des Sieges – Beute, Land, Triumphzüge, Monumente in der Stadt, Meilensteine mit Angaben zur Ausdehnung der römischen Herrschaft auf dem Land – waren allgegenwärtig. Die Kehrseite aus Sicht der res publica war, dass Ehre und Loyalität unter geänderten Rahmenbedingungen und als Folge einer wachsenden Professionalisierung des Kriegshandwerks auch zu starken, exklusiven Bindungen zwischen einem Heer und einem einzelnen Feldherrn führen konnten. Das aber ermöglichte eine Bürgerkriegskonstellation, wie sie erstmals 88 mit Sullas Marsch auf Rom konkret wurde. Nicht zufällig lässt sich die mustergültige Beziehung zwischen einem Befehlshaber und seinen Truppen am besten an Caesar studieren – der seine Armee erst zur Eroberung Galliens, danach in den Bürgerkrieg führte. Die römische Art, Krieg zu organisieren und zu führen, kostete zwar, wenn es schlecht lief, vergleichsweise viele Menschenleben, aber weniger Geld, als dies etwa für die hellenistischen Königreiche zutraf, die deshalb Kriege nicht so lange durchhalten konnten. Infolge des gesamten politischen und gesellschaftlichen Gefüges bildete die Kriegführung bei den Römern stärker als anderswo einen integralen Teil der Existenz der gesam-
Kommandoverhältnisse
Heer als sozialer Raum
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Manpower und Verlusttoleranz
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ten Bürgerschaft und des politischen Lebens; das galt für die Finanzierung wie für die ‚Moral‘. Durch das Milizsystem und die bis ins 2. Jahrhundert gültige Ausrichtung der gesamten politischen Klasse auf militärischen Erfolg war die Kriegführung in Rom besonders breit gelagert. Alexander der Große mag ein singuläres Genie des Schlachtfeldes gewesen sein, aber zu seiner Zeit brachte Rom in den Samnitenkriegen eine ganze Reihe erprobter Feldherrn hervor (Liv. 9,17–19). Die Ausdehnung des römischen Bürgergebiets in Italien und die demographische Entwicklung sorgten dafür, dass Rom schon aus eigenen Kräften konkurrenzlos viele Soldaten aufzubieten imstande war. Im 3. und 2. Jahrhundert war man in der Lage, 80 000 bis 100 000 Bürger unter Waffen zu stellen; die Republik konnte daher im Laufe ihres Bestehens etwa 90 Niederlagen mit mindestens je 5 000 Toten verkraften. In der Schlacht von Cannae (216) fielen an einem Tag auf römischer Seite insgesamt ca. 50 000 Kämpfer. Den Krieg gegen Hannibal gewann Rom fünfzehn Jahre später dennoch. Durch ein überlegenes Reservoir an Wehrkraft war es möglich, Kriege auch bei großen Verlusten länger zu führen als alle Konkurrenten, „so dass das römische Volk oft und in vielen Schlachten besiegt und überwältigt wurde, aber niemals in einem Krieg – und darauf kommt es an“ (Lucil. sat. 613f. Marx). 3.5 Rom und sein äußeres Machtsystem
Römische Herrschaft in Italien
Zur konkurrenzlosen Wehrkraft Roms trugen die italischen Verbündeten maßgeblich bei, stellten sie doch in der Regel mindestens die Hälfte einer römischen Armee. Rom brachte es fertig, als städtisch organisiertes Gemeinwesen ein stabiles Herrschaftssystem in der Fläche zu schaffen; das hatte keine griechische Polis vermocht. Jedes Jahr informierte Rom die jeweilige Gemeinde darüber, wie viele Kohorten Infanterie und wie viele Reiter zu stellen waren; die Zahlen wurden in der formula togatorum verzeichnet. Im Jahr 225 zählte die Wehrgemeinschaft wohl 600 000 kampffähige Männer zu Fuß und 54 000 zu Pferd, von denen in den kritischen Jahren des Hannibalkrieges ein knappes Drittel tatsächlich ins Feld rückte. Da die Römer es in Italien mit politisch wie ethnisch sehr verschiedenen Akteuren zu tun hatten, gewöhnten sie sich früh daran, diese in ca. 150 bilateralen Einzelverträgen auch differenziert zu behandeln. Generell aber folgte die römische Konstruktion zwischengemeindlicher Beziehungen dem Prinzip der Inklusion: Zunächst wurden „Fremde“ (peregrini) individuell, danach ganze Gemeinwesen in die römische Rechtsordnung eingebunden, die dadurch als überregional verbindlich gelten konnte. Die „Fremden“ wurden auf diese Weise, nach dem Personenstatus hierarchisch differenziert (municeps, amicus, socius usw.), in die ebenfalls nach Status gegliederte römische Gesellschafts- und Rechtsordnung integriert und da-
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mit dieser Ordnung unmittelbar unterworfen. Die am Personenstand der fremden Bürgerschaften in Rom ausgerichtete Gestaltung der auswärtigen Beziehungen ließ also gewissermaßen beide Rechtskreise – den römischen wie den fremden – denselben sozialen Regeln gehorchen; das erklärt auch die Abstufungen des Bürgerrechts (s. u. 4.3.1). Gleichzeitig wurde aber generell darauf verzichtet, den Besiegten die römische Regierungsform aufzuerlegen, die Eliten zu entmachten oder sie durch Besatzungen oder regelmäßige Tribute zu demütigen. Vielmehr setzten die Römer auf eine langfristig solidarisierende Kooperation der Führungsschichten, die ein Interesse daran hatten, nach vorn zu sehen, und zusätzlich privilegiert wurden. Das mit diesem Grundgedanken geknüpfte, aristokratisch bestimmte Netzwerk nicht formalisierter Strukturen, das sich über den gesamten Herrschaftsbereich spannte, erlaubte es, auf den Aufbau eines kosten- und personalintensiven Herrschaftsapparats (‚Bürokratie‘) zu verzichten. Die Römer mischten sich auch nur selten in die inneren Angelegenheiten ihrer Partner ein. Diese blieben in der Regel Herren im eigenen Haus, und nur in Einzelfällen wurden Senatsbeschlüsse oder Gesetze allen Italikern übergestülpt, etwa 186 beim Vorgehen gegen die bacchanalischen Kultvereinigungen. Praktische Handhabung und rechtliche Formate der römischen Herrschaft über Italien waren sehr unterschiedlich. Wo das römische Territorium (ager Romanus) durch Annexion schlicht vergrößert wurde, konnten landlose Bürger, später auch ausgediente Soldaten (Veteranen) einzeln angesiedelt (sog. Viritanassignation), das Land verpachtet oder im Block eine Kolonie zur Sicherung einer Region gegründet werden. Eine Besonderheit bildete die Rechtsfiktion des sog. latinischen Bürgerrechts, das die administrative Eigenständigkeit der so bezeichneten Kolonien, aber auch ihre untrennbare Bindung an Rom ausdrückte. Viele Gemeinden ließ man als municipia bestehen, nötigte ihnen aber ein – in einigen Fällen eingeschränktes – römisches Bürgerrecht auf. Wieder andere, die socii, behielten ihre staatliche Eigenständigkeit, konnten aber keine eigene Außenpolitik mehr betreiben und mussten Truppen stellen. Der italische Gesamtverband hieß „Römer, Latiner und Verbündete“ (cives Romani, nomen Latinum, socii). Qualität und Gefälle der Verbindungen zwischen Rom und den Gemeinden waren jeweils verschieden, aber immer hierarchisch. Das Gefüge war nicht als ‚System‘ geplant worden, bewährte sich aber im Bedarfsfall als solches und stellte Rom jederzeit das gewünschte Militärpotential zur Verfügung. Die Kommunikation zwischen den lokalen Oberschichten (domi nobiles) und Rom funktionierte durch Patronagebeziehungen. Diese gingen meist auf römische Nobiles zurück, denen die Gründung der jeweiligen Kolonie oder die Anbindung der Stadt zu verdanken war. Unterstützt wurden Vernetzung und Integration durch den gemeinsamen Militärdienst, die im 2. Jahrhundert erheblich zunehmende Migration nach Rom sowie
Römisches Bürgergebiet
Munizipien Verbündete
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Integration und Dissens
Provinzen
I. Enzyklopädischer Überblick
durch lokale Aristokraten, die in Rom die Ämterlaufbahn einschlugen und sich dann (wie etwa Cicero) als Bürger zweier Vaterstädte verstanden. Hinzu kamen Heirats- und Geschäftsbeziehungen sowie die partielle Übernahme römischer Institutionen in den Städten. Außerhalb Italiens, etwa im griechischen Osten, unterschied man schon im 2. Jahrhundert vielfach kaum mehr zwischen Römern und Italikern. Gleichwohl kann von einem vorgezeichneten und alternativlosen Weg zur „nationalen“ und politischen Einheit Italiens (T. M) keine Rede sein. Vielmehr gab es viele Belastungen, die aus einer erratischen Politik Roms, divergierenden Interessen in Eigentumsfragen, demographischen Entwicklungen, Übergriffen römischer Amtsträger und anderen Faktoren erwuchsen. Sie eskalierten 91 im Bundesgenossenkrieg, nach Heftigkeit und Nachwirkungen gewiss eine Urkatastrophe der römischen Geschichte, in dem die aufständischen Italiker eine Gleichstellung anstrebten. Der mühsam und blutig errungene Sieg der Römer 89 führte zur Annexion ganz Italiens südlich der Arno-Rubikon-Linie. Der Census des Jahres 70 dokumentiert die rechtliche Integration der Italiker in den römischen Bürgerverband; die Gemeindeorganisation (Munizipalisierung) wurde allerdings erst durch Caesar und Augustus vollendet. Ihr direktes Herrschaftsgebiet außerhalb Italiens organisierten die Römer seit 227 in Form von Provinzen. Provincia bedeutet zunächst nur die Beauftragung eines römischen Amtsträgers (s. u. 4.1.2). In den außeritalischen Erwerbungen hatte er für Ruhe und Stabilität zu sorgen sowie den regelmäßigen Fluss der Abgaben nach Rom zu sichern. Viele Statthalter nutzten die geographischen, ethnischen und historisch-politischen Gemengelagen ihrer Provinzen, um durch begrenzte Kriegszüge Sicherheit, Ruhm und Beute zu gewinnen. Obwohl Gewalt, Machtprojektion und Ausbeutung im Umgang mit den Provinzen eine viel größere Rolle spielten als in Italien, waren die Römer doch auch hier auf ihre bewährten Verfahrensweisen angewiesen, zumal der Statthalter mit seinem kleinen Apparat und kurzer Amtszeit in keiner Weise nachhaltig gestalten konnte. Wie Italien glichen auch die Provinzen, zumal in den stärker urbanisierten Regionen des Ostens, rechtlich-politisch Flickenteppichen, und wie in Italien setzten die Römer auch hier auf Wohlverhalten und Kooperation der von ihnen begünstigten einheimischen Eliten. Die konkrete Ausgestaltung der Verhältnisse war in jedem Fall besonders und ergab sich aus der Handhabung der Instrumente. Rom nutzte Machtmittel in rechtlicher Gestalt, vor allem Verträge und Aufsicht durch römische Amtsträger, ferner Formen politischer Integration, etwa durch Bürgerrechtsverleihungen, soziale Bindungen im Patron-Klient-Modus sowie ritualisierte Kommunikation, z. B. durch Gesandtschaften und ‚Wohltaten‘ (beneficia, griech. euergesiai). Roms Herrschaft nach außen stellte in der Republik trotz einiger Elemente von Institutionalisierung und Routinisierung vielfach ein permanentes Provisorium und eine Kette von ad hoc-Entscheidungen dar. Sie
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hing daher vor allem von den Amtsträgern und sonstigen römischen Akteuren ab sowie von deren Fähigkeit, den Willen der Hegemonialmacht, die ein Stadtstaat blieb, möglichst effizient zur Geltung zu bringen. Auch hier vermied man es, eine Bürokratie aufzubauen, indem für das Abschöpfen der Erträge aus den Provinzen auf bestehende Strukturen der Steuererhebung und auf ‚freiwillige‘ Zuwendungen gesetzt wurde. Zumal in der reichen Provinz Asia wurde das Eintreiben des Steuern und Abgaben an privatrechtlich und -wirtschaftlich organisierte Gesellschaften verpachtet.
Keine Bürokratie
4. Institutionen und Akteure der res publica 4.1 Die Magistrate 4.1.1 Generelles / cursus honorum
Die öffentliche Gewalt der res publica lag bei den Amtsträgern. Da sie im Bedarfsfall die machtgesättigte Handlungsbereitschaft der gesamten Gemeinde zur Geltung brachten, erscheint es gerechtfertigt, den Überblick zu den institutionellen Säulen der Republik mit ihnen zu beginnen. Der lateinische Ausdruck magistratus (von magis, „mehr“) signalisiert eine Überordnung über die amtlosen Bürger. Alle Magistraturen sind jeweils in einer bestimmten historischen Konstellation geschaffen worden, um mit einer Herausforderung fertigzuwerden, einem Bedarf zu genügen. Freilich lassen sich Entwicklungsschübe beobachten. Mitte des 5. Jahrhunderts scheinen in einem recht kurzen Zeitraum (plebeische) Ädilität, Quästur und Censur eingeführt worden zu sein; auch das Volkstribunat könnte in diese Phase gehören. Die Struktur des obersten Amtes wurde mit den Licinisch-Sextischen Gesetzen 367 neu geordnet, die kurulische Ädilität eingerichtet. Die Abfolge der Magistraturen wurde in der lex Villia annalis 180 fixiert. Sullas Reform 81 war für die praktische Ausübung der obersten Ämter, ferner für das Volkstribunat und die Quästur mit einschneidenden Änderungen verbunden. Im Laufe der Zeit konnten sich Zahl, Kompetenzen und Bedeutung wandeln, doch abgesehen von der Dictatur (im Jahr 44) wurde nie ein Amt förmlich abgeschafft. Die allgemeinen Grundzüge, Regeln und Verfahrensweisen der Magistratur, wie sie hier nur angedeutet, in den Handbüchern ausführlich nachgelesen werden können, lassen sich aus der römischen Praxis systematisch rekonstruieren; sie wurden aber niemals und nirgends umfassend festgelegt. Gleichwohl ist ab dem frühen 2. Jahrhundert eine gewisse Tendenz zu ihrer Fixierung zu beobachten. In dem Regelwerk drückte sich das Bestreben der regierenden Aristokratie, später auch politischer Strömungen aus, die Amtsträger als die ausführenden Kräfte des
Entwicklungsschübe
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Regelwerk und Ausnahmen
Imperium, potestas, auspicium
I. Enzyklopädischer Überblick
Willens der gesamten Gesellschaft festzulegen und Eigenmächtigkeiten zu verhindern. Dennoch kamen diese immer wieder vor, da der Senat gegenüber den Amtsträgern rechtlich nicht weisungsbefugt war. Ebenso haben die Römer kollektiv gerade im Bereich der Magistrate nicht selten etablierte Regeln ignoriert, um mit aktuellen Herausforderungen fertig zu werden. Dabei war ihre Kreativität bemerkenswert, etwa in der Trennung von Amt und Amtsgewalt (s. u. 4.1.2 und 6.1). Aber auch politisch motivierte Konflikte und Manipulationen an der Ordnung setzten den Hebel überwiegend bei der Magistratur an, nicht bei Volksversammlungen oder Senat. Die Amtsgewalt hatte verschiedene Dimensionen, was sich in unterschiedlichen Begriffen spiegelte. Dabei waren militärische Befehlsgewalt und zivile Befugnis zwei grundverschiedene Typen von Autorität. Imperium (von imperare – „befehlen“) meinte die umfassende Kommandobefugnis der obersten Magistrate (Konsuln, Prätoren, Dictator) außerhalb der Stadt mit Blick auf einen Krieg (militiae); dort und dann galt die unbedingte Autorität des Befehlshabers über die Soldaten. Wahrscheinlich galt das imperium überhaupt nur außerhalb des städtischen und ‚zivilen‘ Raums (domi), in dem die Rechte des Bürgers (provocatio, s. u. 4.3.1) stark waren und der räumlich nicht ganz deckungsgleich war mit dem Stadtgebiet, das man als vom sog. pomerium begrenzt dachte. Außerdem scheint das imperium dem Amtsträger durch einen besonderen Akt, die lex curiata, verliehen worden zu sein. Es erlosch, wenn der Imperiumträger das pomerium in die Stadt hinein überschritt; nur für den Triumphzug (s. u. 5) behielt er es mittels einer Ausnahmegenehmigung auch innerhalb der Stadt. Demgegenüber bezeichnete potestas (das „Können“, von posse) allgemeiner die Befugnis eines Amtsträgers und zwar in Relation zu anderen potestates; daher gab es eine größere (maior), gleiche (par) oder geringere (minor) Amtsgewalt. Erst ganz am Ende der Republik konnten imperia verschiedenen Ranges unterschieden werden. Im Begriff auspicium schließlich kam zum Ausdruck, dass die Amtsträger auch für das gute Einvernehmen mit den Göttern zuständig und verantwortlich waren, da deren Wille und Kraft für das Wohlergehen der res publica von höchster Wichtigkeit waren. Handlungen gegenüber einem möglichen göttlichen Unwillen abzusichern verlangte daher, vorausschauend den Frieden mit der überirdischen Welt (pax deorum) zu erbitten und eingetretene Störungen sogleich zu beseitigen. Zu diesem Zweck bedienten sich die Magistrate der Hilfe von Priestern, u. a. der ebenfalls der Aristokratie angehörenden (s. u. 6.2) Auguren, die vor jeder wichtigen Aktion – Auszug in den Krieg, Schlacht, Senatssitzung, Volksversammlung – die Götter nach deren Zustimmung zu dem Unternehmen befragten. Dies erfolgte mit Hilfe von nachgeordneten Spezialisten meist durch die Beobachtung des Vogelflugs oder des Fressverhaltens von Hühnern (daher auspicium, „Vogelschau“, von aves aspicere).
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4. Institutionen und Akteure der res publica
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Die Ämter waren und blieben unbesoldet. Das war Voraussetzung wie Folge der Tatsache, dass nur Nobiles oder zumindest Angehörige der weiteren Aristokratie Amtspositionen anstrebten. Den Magistraten stand auch kein von der res publica gestellter bürokratischer Apparat zur Verfügung; jeder Beamte brachte die benötigten persönlichen Hilfskräfte aus seinem Haus oder von Freunden mit. Allein für spezielle Aufgaben gab es einige wenige besoldete, korporativ organisierte Dienstkräfte (apparitores), darunter Schreiber, Boten und Herolde sowie die Liktoren, welche die Hoheitszeichen der Imperiumträger, die berühmten Rutenbündel (fasces), vorneweg trugen. „Alle Amtsgewalten, Kommanden und Kommissionen gehen vom gesamten römischen Volk aus“ (Cic. leg. agr. 2,17); nur der Dictator und sein Reiterführer (s. u. 4.1.2) sowie der interrex wurden von Magistraten bzw. den Patriziern im Senat ernannt. Bestallt wurden sie spätestens seit dem Ausgleich von 367, als die plebeische Elite (s. u. 4.1.4) den Patriziern eine der Stellen im Oberamt abtrotzte, durch eine Wahl. In besonderen Fällen oder außer der Reihe wurden Amtsgewalten auch durch ein vom Volk beschlossenes Gesetz vergeben; so erhielt Pompeius 67 durch die lex Gabinia ein umfassendes Kommando zur Bekämpfung der Piraten, die damals das Mittelmeer unsicher machten. Die Wahlen der oberen Magistrate hatten nichts mit Demokratie zu tun, da die wählende Versammlung, die comitia centuriata, vermögenshierarchisch gegliedert war und die sich tatsächlich einfindenden Wähler bereits im 2. Jahrhundert nur noch einen Bruchteil der Bürgerschaft ausmachten. Aber rechtlich wie kommunikativ blieben Bürgerschaft und aristokratische Amtsträger engstens miteinander verknüpft. Nur ein Magistrat durfte eine Versammlung einberufen, um etwas mitzuteilen oder eine Wahl bzw. Abstimmung durchführen zu lassen; alle Magistrate verdankten umgekehrt dem Volk ihr Amt, weswegen dieses auch als honor („Ehre“) bezeichnet wurde. Die Wahlen konnten zu einem großen Event werden (s. u. 4.3.3), und die Nobilität war gehalten, in ihrer Amts- und Lebensführung Rücksicht auf die Bürgerschaft zu nehmen. In der Kommunikation spielten autoritative Worte und Gesten der Verantwortlichen durchaus eine Rolle, aber insgesamt herrschte ein lebendiges und freies politisches Klima, ohne kastenartige Abschließung der politischen Elite und der Amtsträger. Die Amtsdauer der regulären Ämter war strikt auf ein Jahr beschränkt (Annuität); lediglich die Censoren (s. u. 4.1.6) amtierten 18 Monate, der Dictator (s. u. 4.1.2) solange, bis seine Aufgabe erledigt war, maximal aber für sechs Monate. Bei verlängerten oder außer der Reihe vergebenen Imperien (s. u. 4.1.2 u. 4.1.7) verfuhr man flexibler: Zumal in angespannten militärischen Konstellationen wie während der Samnitenkriege, im Hannibalkrieg und zuletzt im Bundesgenossenkrieg fand man Wege, einzelnen bewährten Konsularen in mehreren aufeinander folgenden Jahren auf die eine oder andere Weise ein imperium zu verschaffen oder in einem als
Ehrenamtlichkeit
Hilfspersonal
Bestellung durch das Volk
Annuität und faktische Ausnahmen
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Kollegialität
Cursus honorum
I. Enzyklopädischer Überblick
besonders kritisch erachteten Jahr mehrere erprobte Männer zu Imperiumträgern zu machen. Die Annuität als Regel kann zunächst als das maßgebliche Prinzip verstanden werden, das die Republik als kollektive Herrschaft einer Aristokratie gegen die dauerhafte Monopolisierung der Macht durch einen König oder Tyrannen abgrenzte. Daher wurde Caesar auch ‚erst‘ von Senatoren ermordet, nachdem er im Februar 44 seine zuvor formal befristete quasi-monarchische Stellung als Dictator offen in eine lebenslängliche verwandelt hatte. Gleichzeitig prägte die Annuität das Handeln der Amtsträger und die aristokratische Konkurrenz. Die Kürze der Amtszeit begrenzte auch Ziele und Vorhaben. Die regelmäßigen Wahlen, deren Ausgang zumindest bei den höchsten Ämtern oft unberechenbar war (s. u. 4.3.3), sorgten für eine vergleichsweise intensive politische Kommunikation, minderten zugleich die Schäden durch untüchtige Amtsträger und wirkten einer Erstarrung oder dauerhaften Polarisierung der Aristokratie entgegen. Hingegen gehörte die Kollegialität nicht zu den gedanklich konstitutiven Elementen der Magistratur. Sie entstand vielmehr aus jeweils unterschiedlichen Gründen oder Notwendigkeiten. Anzahl und Bezeichnung der obersten Magistrate schwankten in der frühen Republik: Zwischen 367 und 242 gab es streng genommen drei Oberbeamte, und die rasch auf zehn anwachsende Zahl der Volkstribune ergab sich aus der Notwendigkeit, mehreren Plebeiern gleichzeitig Hilfe bringen zu können (s. u. 4.1.4). Die Kollegialität als Prinzip im obersten Amt mit imperium war vermutlich ein Ergebnis des Ausgleichs von 367, der für das Oberamt ein Kollegium aus zwei Konsuln und einem Prätor schuf, bevor ab dem 3. Jahrhundert das zweistellige Konsulat im Rang höher stand als die um weitere Stellen vermehrte Prätur. Dass jeder Magistrat und jeder Volkstribun die gleiche, volle Amtsgewalt innehatte (imperium im Krieg, potestas im Bereich domi), zielte gerade auf den Normalfall, dass er allein auftrat: Er musste den hinter ihm stehenden Willen der res publica bzw. der Plebs ungemindert zur Geltung bringen können, ohne sich etwa erst mit dem oder den Kollegen abzusprechen. Das aus der Verfügung über die ungeteilte Amtsgewalt logisch resultierende, viel beschworene kollegiale Verbietungsrecht (intercessio, „Dazwischentreten“) wurde kaum in Anspruch genommen. Konfliktfälle, wenn etwa ein Heer von beiden Konsuln gemeinsam geführt wurde, waren selten, und dann fand sich ein Modus, meist eine irgendwie begründete Priorität (nicht Superiorität!) eines Kollegen. Für eine schwere Kollision wie die von 133, als ein Volkstribun einen anderen an einer Amtshandlung zu hindern suchte und beide auf ihrer Position beharrten, fehlten bezeichnenderweise regulative Präzedenzfälle. Das Kollegialitätsprinzip war also kein Rechtstitel für Konfliktfälle, sondern durch seine Potentialität eine stete Mahnung, das Amt im Konsens mit dem oder den Kollegen und im Sinne des Gemeinwohls auszuüben. Auch die Abfolge der Ämter vom Einstieg in die politische Laufbahn
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bis zum Konsulat und damit die Rang- und Statushierarchie innerhalb der politischen Klasse ergaben sich aus einer historischen Entwicklung. Stellschrauben waren Mindestalter für bestimmte Ämter, Mindestintervalle zwischen einem Amt und dem nächsthöheren sowie bis zu einer erneuten Bekleidung des Konsulats. So galten lange Zeit zehn Jahre Militärdienst als Voraussetzung, um das Einstiegsamt in den cursus honorum, die Quästur, anstreben zu können. Bis ins 3. Jahrhundert war die Abfolge der höheren Ämter (Prätur, Konsulat, Censur) noch nicht fixiert; im 1. Punischen Krieg wurde die Prätur oft erst nach dem Konsulat bekleidet. Doch seit Ende des 4. Jahrhunderts musste Konsul gewesen sein, wer für die Censur kandidieren wollte. Während des 2. Punischen Krieges wurden viele gängige Regeln der Ämterbekleidung, vor allem Beschränkungen der Wiederholung (Iteration) und der Kommandoverlängerung, aufgehoben, um die am besten qualifiziert erscheinenden Männer in Kommandopositionen bringen zu können, doch zwischen 200 und 180 sah sich die Nobilität veranlasst, den scharfen Wettbewerb um Ämter und Ansehen stärker zu reglementieren. Vermutlich ab 196 war die absolvierte Prätur Voraussetzung für die Bewerbung um das Konsulat. Da gleichzeitig die Zahl der Prätoren auf sechs erhöht wurde (81 sogar auf acht), glich der sich konsolidierende cursus honorum nun einem Flaschenhals: In das Einstiegsamt (Quästur, s. 4.1.5) kam man leicht, der Aufstieg bis zur Prätur war schon schwieriger, am schärfsten aber sollte die Konkurrenz der Prätorier (ehemalige Prätoren) um das unverändert zweistellige Konsulat werden. Nicht jeder Prätorier strebte das Konsulat an, dafür kamen meist noch Bewerber aus früheren Jahren hinzu, die nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt (suo anno) kandidiert hatten oder die in vorangegangenen Wahlen nicht erfolgreich gewesen waren. Um die Konkurrenz zu dämpfen, hatte auch ein besonders prominenter und populärer Nobilis zehn Jahre zu warten, bis er erneut Konsul werden durfte. Der Mindest-cursus bestand aus Quästur, Prätur und Konsulat; wer zusätzlich die Ädilität oder das Volkstribunat anstrebte, tat dies meist als Quästorier. Wohl schon die lex Villia annalis legte 180 zusätzlich Mindestalter für die oberen Ämter fest (kurulische Ädilität 37 Jahre bei Amtsantritt, Prätur 40 Jahre, Konsulat 43 Jahre). Sulla fügte ein Einstiegsalter für die Quästur (wohl 31 Jahre) hinzu. Die Mindestalter implizierten auch ein Intervall von nicht weniger als zwei amtlosen Jahren zwischen zwei bekleideten Magistraturen. Die Intervalle waren für die habituelle Formung eines Angehörigen der regierenden Klasse wichtig: In einer üblichen Ämterlaufbahn, die im besten Falle binnen zwölf Jahren absolviert wurde, sich aber auch über zwanzig Jahre hinziehen konnte, standen maximal vier Amtsjahre mindestens acht Nicht-Amtsjahren gegenüber. Und nur als Prätor oder als Konsul hatte ein Magistrat Kommandogewalt über ein Heer. Manchmal kamen zwar noch Zeiten mit einem verlängerten Kommando als Promagistrat dazu, um etwa einen begonnenen Feldzug zu beenden (s. u. 4.1.2). Aber auch ein Kon-
Mindestalter
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Regel und Ausnahme im cursus
Amtsbefugnisse und -tätigkeiten
I. Enzyklopädischer Überblick
sular war die meiste Zeit seiner Karriere Senator unter rangniedrigeren, -gleichen und -höheren Standesgenossen. Der cursus honorum stellte einen Regelungsrahmen für die inneraristokratische Konkurrenz dar und ist daher von der Nobilität her zu denken. Daneben bestand für das Volk unter bestimmten Umständen und wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde, die Möglichkeit, den cursus faktisch zu suspendieren, sei es beim regulären Amt – so wurde Gaius Marius fünfmal hintereinander, für die Jahre 104 bis 100, zum Konsul gewählt –, sei es durch die als Gesetz beschlossene Verleihung von Kommanden (imperia) außerhalb des cursus an Einzelpersonen, wenn dies opportun erschien (s. u. 4.1.7). Manche Ausnahmen von cursus-Regeln lassen sich schwer erklären, weil sie in den Quellen nicht thematisiert werden; so bekleidete der 100 geborene Iulius Caesar seine Ämter jeweils zwei Jahre vor dem gängigen Mindestalter. Verknappende Übersichten weisen den einzelnen Magistraten gern bestimmte Kompetenzen und Aufgabenfelder zu. Damit wird eine beobachtbare Praxis zusammengefasst, doch existierte weder eine strikte Ausschließlichkeit noch eine hierarchische Befehlskette. Vielmehr war die Trennschärfe bei der Fassung der Amtskompetenzen gering: Grundsätzlich hatte ein Amtsträger dort, wo er aktuell tätig war, zumal außerhalb von Rom, den Willen der Gemeinde zur Geltung zu bringen. Grenzen fand er gegebenenfalls in der gleichen oder höheren Befugnis (potestas) eines anderen Magistrats sowie durch die Beschränkung auf den ihm zugewiesenen, meist räumlich bestimmten Handlungsbereich (provincia). Ein Konsul oder Prätor konnte grundsätzlich jede Aufgabe an sich ziehen; der Handlungsradius eines außerordentlichen Imperiumträgers stieß bisweilen mit den Kompetenzen eines regulären Provinzstatthalters zusammen, und zwischen den Tätigkeiten etwa eines Ädils und eines Censors gab es vielfache Überschneidungen. Bei Kollisionen wurde ein Übereinkommen gesucht oder die Sache unter Ausreizung der rechtlichen Möglichkeiten ausgetragen. Durch die so gewonnene Flexibilität konnte die Gruppe der Amtsträger überschaubar gehalten werden, sowohl nach Kategorien wie nach Köpfen. Eine Tendenz zur Bürokratisierung wurde auf diese Weise vermieden, während jede stärkere Vermehrung der Amtsträger, erst recht eine strikte Trennung und Hierarchisierung der Kompetenzen oder gar die Ausbildung eines Instanzenzuges der Amtsträgerschaft größeres Eigengewicht und eine institutionelle Dynamik verliehen hätten, wie sie bürokratischen Apparaten eigen ist. Aus diesem Grunde war es meist auch nicht Aufgabe der Magistrate, die von ihnen gesetzten Normen und gegebenen Anordnungen selbst durchzuführen. Vielmehr verließen sie sich dafür auf das Gewicht ihres Befehls, auf subalterne Helfer, oder man übertrug umfangreiche und zeitraubende öffentliche Aufgaben wie das Eintreiben von Steuern und Abgaben privaten Geschäftsleuten. Den Kern der Aufgaben machten Tätigkeiten aus, die bestimmten
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Amtsträgern oder allen zukamen. Ein Heer zu befehligen blieb den Imperiumträgern vorbehalten; den Senat einzuberufen und zu leiten (agere cum senatu) oblag ebenfalls den Oberbeamten (und vielleicht gelegentlich auch den Volkstribunen, s. u. 6.1). Konsuln oder Prätoren versammelten zudem die Bürgergemeinde zu Wahlen und Abstimmungen (agere cum populo), während die Volkstribune mit dem plebeischen Teil des Volkes interagierten (agere cum plebe). Prozesse vor dem Volksgericht leiteten meist Ädile oder Volkstribune. Man erkennt auch hierin die wenig ausgeprägte Kompetenzteilung. Hinzu kommt, dass weitere Tätigkeiten wie das Leiten der Zivilrechtspflege (ius dicere), das Untersuchen (quaerere), das untersuchende Kenntnisnehmen von vorgetragenen Anträgen oder Beweisen (cognoscere), das Ausüben von Zwang in vielfältigen Kontexten (coercere) sowie das Bekanntmachen, Entscheiden, Anordnen und Zusprechen (dicere, edicere, pronuntiare, renuntiare, imperare, iubere, addicere u. a.) jeweils allen oder doch mehreren Magistraten oblag. „Die gebietende Stellung, welche der Beamte in der Gemeinde einnimmt, drückt sich nothwendig auch aus in seiner äusseren Erscheinung.“ Der Satz Ms [1.4: Staatsrecht I, 373] verweist auf die symbolische Dimension des autoritativen magistratischen Auftretens. Dafür standen neben den bereits genannten fasces der Imperiumträger der sog. kurulische Stuhl, den Censoren, Konsuln, Prätoren und kurulischen Ädilen beanspruchen konnten, sowie bestimmte Fahrrechte, besondere Sitze bei den Öffentlichen Spielen sowie Amtstrachten.
Insignien und Ehrenrechte
4.1.2 Konsuln und Dictator
Als sich in Rom ab etwa 500 kein Alleinherrscher mehr durchsetzen konnte und die adligen Geschlechter vorübergehend das Heft in der Hand hielten, gab es noch nicht sogleich ein definiertes Amt zur Führung im Krieg. Vielmehr dürften kleinere und größere Raub- und Kriegszüge ohne förmliche Bestallung von adligen „Anführern“ (praetores, von prae-ire, „dem Heer vorangehen“) befehligt worden sein, wobei die Aufgebote offenbar nicht selten aus situativ mobilisierten Gentil-, Tribus- und Gefolgschaftsverbänden bestanden. In die Tradition eingegangen ist der Untergang der Fabier im Kampf gegen Veji, angeblich 479. Weder war die Zahl dieser Kriegsführer in einem Jahr beschränkt noch hatten sie notwendigerweise auch zivile Funktionen in der Stadt. Nur wenn eine besondere Bedrohung die Zusammenfassung des gesamten Aufgebotes erforderlich machte, mag ein einziger Kommandeur bestellt worden sein; darauf deuten jedenfalls alte Bezeichnungen wie praetor maximus oder magister populi. Die Phase des Experimentierens mit der Bezeichnung, Anzahl und Bestallung von militärischen Befehlshabern dauerte auch noch fort, als im Laufe des 5. Jahrhunderts unter dem Druck der äußeren Herausforderungen und angesichts des militärischen Versagens des dezentralen
Unfeste Anfänge
Institutionalisierung der militärischen Führung
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provincia
Konsulat
Konsulat als höchstes Ziel
Amtsantritt
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aristokratischen Politikmodells (s. u. 4.1.4) die Führungsaufgaben im Krieg institutionalisiert, verstetigt sowie unter die Kontrolle durch die Gesamtgemeinde gebracht wurden. Ein Indiz dafür sind die für einige Jahrzehnte überlieferten Kollegien der sog. Militärtribunen mit konsularischer Gewalt (tribuni militum consulari potestate), die von 444 bis 367 in der Liste der Oberbeamten (fasti consulares) auftauchen und bis zu acht Köpfe umfassten. In jedem Fall markierte das imperium (s. o. 4.1.1) einen markanten Fortschritt im Prozess der Institutionalisierung militärischer Führung: Nur wer in einem formellen Akt von der Gesamtgemeinde mit einem imperium ausgestattet war, durfte im Namen der res publica Krieg führen und den unbedingten Gehorsam seiner Armee erwarten. Das imperium diente der Konzentration des Gemeindewillens wie auch der Kontrolle durch das aristokratische Kollektiv. Wenn man die tribuni militum consulari potestate als Resultat verstärkter aristokratischer Konkurrenz um die nunmehr genauer definierten Kommandopositionen fassen möchte, liegt es nahe, einen ersten Institutionalisierungsschub im Oberamt um 450 anzusetzen. In dieser Zeit wurden ferner sowohl das Zwölftafelgesetz (s. u. 4.1.4) niedergelegt als auch vielleicht schon der Schutz der Bürger gegen magistratische Übergriffe gesetzlich geregelt (wenn die in der Überlieferung auf 449 datierte lex Valeria de provocatione authentisch ist). Der Prozess der Institutionalisierung und zugleich Disziplinierung der Kriegführung durch die res publica brachte nicht allein das imperium, sondern auch die provincia hervor, die einem Befehlshaber in der Regel vom Senat zugewiesene Aufgabe. Die Aufgabe – z. B. Kriegführung gegen die Etrusker – implizierte meist eine räumliche Beschränkung, aber noch keine definierten Territorien, wie die späteren Provinzen sie darstellten. Während alle imperia dem Rang nach gleich waren, unterschieden sich ihre Inhaber in der Art und Bedeutung ihrer Aufgabe. Das reguläre Oberamt mit imperium war seit 367 dreistellig; ob man begrifflich schon zwei Konsuln und einen Prätor unterschied, ist nicht sicher. Polybios behandelt in seinem Exkurs über die römische Verfassung von den Amtsträgern nur die Konsuln ausführlich (6,12), die seit dem 3. Jahrhundert die Prätoren an Prestige übertrafen. Da Konsuln in beiden Bereichen, domi und militiae, umfassende Befugnis hatten und am meisten mit den anderen Säulen der institutionellen Ordnung, dem Senat und der Volksversammlung, interagierten (6,15), nennt er ihre Position eine königliche. Freilich kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stellung der Konsuln im Bereich domi, wo sie kein imperium ausüben konnten, in Konfliktfällen eher schwach war. Das Konsulat zu erreichen war das Ziel nahezu aller Mitglieder der regierenden Aristokratie. Cicero führt „Rang, Gewicht, Glanz in der Heimat, Name und Einfluss bei den auswärtigen Völkern, die purpurbesäumte Toga, den Amtssessel und die Amtssymbole, die Rutenbündel, Truppen, Kommandogewalten (imperia), Provinzen“ als Gründe an, dieses Amt anzustreben (Cluent. 154). Begann
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das Amtsjahr anfangs mit dem Aufbruch in den Krieg, traten die Konsuln seit 153 immer am 1. Januar ihre Magistratur mit verschiedenen religiösen Zeremonien an. Baldmöglichst versammelten sie den Senat zur ersten Sitzung und berichteten über die Lage der res publica. Dann erhielten sie ihre Aufgabenbereiche (provinciae) zugewiesen, meist ergänzt durch den Auftrag, Truppen auszuheben. War die durch das imperium signalisierte Heerführung lange Zeit die wichtigste und sinnfälligste Aufgabe der Konsuln, kamen ihnen dennoch auch weitere Pflichten zu. Sie vertraten die res publica gegenüber den Göttern; neben anderen sakralen Handlungen legten sie Gelübde ab, lösten sie ein und kümmerten sich um die Reaktion auf Vorzeichen. Weilte ein Konsul in Rom, führte er Gesandtschaften in den Senat und leitete die Sitzungen. In bestimmten Fällen brachte er auch Gesetzesanträge vor die zuständige Volksversammlung, so bei Kriegserklärungen und innenpolitisch wichtigen Materien, etwa der Organisation von Gerichtshöfen oder Maßnahmen gegen Korruption. Mit dem Volk kommunizierte der Konsul nicht nur mündlich, durch beschließende und nicht-beschließende Versammlungen (s. u. 4.3.3), sondern auch durch Bekanntmachungen (edicta). Die Wahlen für die Konsuln des Folgejahres leitete er ebenfalls; standen beide Amtsinhaber im Feld, kehrte in der Regel einer dafür nach Rom zurück. Im Laufe der historischen Entwicklung übernahmen andere Magistrate einige Aufgaben der Konsuln: So oblag den Censoren (s. u. 4.1.6) die Ergänzung des Senats und die Vergabe der öffentlichen Aufträge, während Gesetzesanträge meist nur noch von Volkstribunen eingebracht wurden. Die Amtsgewalt des Konsuls blieb gleichwohl sehr stark. Sie äußerte sich u. a. in der Befugnis, im Falle der Verletzung der öffentlichen Ordnung durch Bürger oder Nicht-Bürger nach Ermessen in deren Rechte einzugreifen und hoheitlichen Zwang auszuüben (coercitio – „Inschrankenhalten“). Lediglich die Todesstrafe als äußerstes Zwangsmittel wurde außerhalb des Militärs schon früh durch das Wirken der Volkstribune und das sog. Provokationsrecht faktisch aufgehoben: Die Möglichkeit, an das Volk zu appellieren (provocare ad populum), hatte praktisch zur Folge, dass die Todesstrafe gegen Bürger nur durch ein Gerichtsurteil verhängt werden durfte. Ähnlich wurden später auch Körperstrafen (Prügel) verboten. Die allgemeine Leitungsfunktion des Konsuls galt ferner stets ungeteilt; lediglich die zeitliche Gewichtung der militärischen und zivilen Tätigkeiten verschob sich. Waren die Konsuln zunächst nur wenige Wochen, allenfalls zwei, drei Monate lang in Rom tätig, den größeren Teil des Jahres aber als Imperiumträger beim Heer, so verbrachten sie seit Sullas Reformen (82–80) ihr Amtsjahr in der Regel in Rom und gingen erst gegen Ende oder danach in eine ihnen zuvor zugewiesene Provinz, wo sie „anstelle eines Konsuls“ (pro consule) ohne das Amt, aber mit einem imperium als Statthalter und gegebenenfalls auch Feldherr tätig waren.
Wirkungsfelder
Umfang der konsularischen Aufgaben
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34 Promagistratur
Politisierung des Konsulats
Dictatur
I. Enzyklopädischer Überblick
Diese Rechtsfigur der Trennung von Amt und Amtsgewalt stellte keine Neuerung dar: Erstmals 327 und verstärkt im letzten Samnitenkrieg sowie im 2. Punischen Krieg verlängerte (prorogierte) der Senat einem Amtsträger dessen Befugnis über das Ende des Amtsjahres hinaus, um eine militärische oder organisatorische Operation mit absehbarem Ende noch zuendezuführen, vor allem dann, wenn die neuen Amtsträger andernorts gebunden waren oder man Kommandeure, die mit den Verhältnissen vor Ort vertraut waren, in der Verantwortung sehen wollte. Prorogationen gab es daher nur für Magistrate, die außerhalb von Rom tätig waren, also Konsuln, Prätoren und Quästoren. Neu war im 1. Jahrhundert lediglich die – freilich nur faktisch praktizierte, nicht rechtlich fixierte – zeitliche und sachliche Trennung von Magistratur und Promagistratur, wie sie dann auch den Prinzipat kennzeichnen sollte. Die seit 80 übliche Praxis, als Konsul das ganze Amtsjahr in Rom zuzubringen, veränderte das politische Gefüge erheblich. Gegenläufig zur wachsenden Bedeutung der Peripherie, wo sich Krieg und Eroberungen in großem Stil in Geld, Gefolgschaften und Prestige ummünzen ließen, verengte die ‚Politisierung‘ des Konsulats die Aufmerksamkeit des übergroßen Teils der politischen Klasse auf die Stadt Rom, auf Wahlen, Senatsverhandlungen, Reden, Prozesse und kurzfristige inneraristokratische Bündnisse. Das trug maßgeblich dazu bei, dass viele Imperiumträger mit der militärischen Sphäre des Handelns und den daraus erwachsenden Dynamiken nunmehr weniger vertraut waren als in der Zeit der großen Kriege gegen Hannibal oder die hellenistischen Könige. Diese letztlich wohl verhängnisvolle Blickverengung mag ein Vergleich illustrieren: Als Prokonsul in Kilikien hatte Cicero 51/50 offensichtlich kein Interesse daran, die Menschen näher kennenzulernen, über die er zu herrschen hatte. In seinen Briefen findet sich nichts zu Land und Sitten, Bauten oder anderen Besonderheiten; er hat nur Rom und seine Rückkehr dorthin im Kopf. Zeitgleich unterstreicht Caesar in seinem Bericht, wie er Gallien in all seiner Vielfalt nicht nur militärisch unterworfen, sondern auch kognitiv durchdrungen hat. Seine Haltung scheint aber eher die Ausnahme gewesen zu sein. Neben das Konsulat kann man wegen ihrer umfassenden Befugnis die Dictatur stellen. Auch dieses Amt durchlief eine historische Entwicklung. Ein Rekurs auf die einstige Stellung des Königs ist nicht erweisbar; das Amt taucht in den für die Frühzeit sehr zweifelhaften Beamtenlisten (fasti) erstmals 501 auf. Während regulären Imperiumträgern erst nach ihrem Amtsantritt vom Senat, später gelegentlich auch durch das Volk ihre Aufgabenbereiche (provinciae) zugewiesen wurden, lag der Ernennung eines Dictators stets ein bereits vorhandener, rasches Handeln erfordernder Anlass (causa) zugrunde. Diese Bindung ist in den Fällen besonders deutlich, wo der Dictator in Rom eine bestimmte Aufgabe erfüllen musste, etwa die Leitung der Wahlen, wenn kein Konsul aus dem Feld abkömmlich war, oder das rituelle Einschlagen eines Sühnenagels bei einer Seuche. Etwa drei
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Viertel der überlieferten Dictatoren wurden jedoch „zur Kriegführung“ (rei gerundae causa) ernannt. Auf die wohl von Anfang an überwiegende militärische Bestimmung des Amtes deuten auch die ältere Bezeichnung „Befehlshaber des Fußvolks“ (magister populi) und der vom Dictator berufene „Befehlshaber der Reiterei“ (magister equitum). Einen Dictator ernannte ein Imperiumträger auf Betreiben des Senats; die Volkswahl war aufgehoben. Viele der überlieferten Ernennungen, jedenfalls bis zur Einführung der Prorogation von Konsuln und Prätoren (327), reagierten auf einen konkreten Bedarf: Man benötigte einen zusätzlichen Imperiumträger, um an einem weiteren Schauplatz Krieg führen zu können oder einen als ungeeignet betrachteten Konsul zu ersetzen (dieser erhielt dann eine andere Aufgabe). Bisweilen war die Dictatur auch das Mittel, um einen bewährten, aber aktuell amtlosen Befehlshaber mit einem Kommando zu betrauen. Hingegen waren es nur selten dramatische Krisenlagen, in denen Dictatoren ernannt wurden, und selbst in diesen leisteten oft die Konsuln die Hauptarbeit. Auch das imperium des Dictators war rechtlich nicht höher als das der Konsuln und Prätoren; diese amtierten weiter und agierten selbständig in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Aber die unmittelbare militärische causa in Verbindung mit der Autorität des Senats gab dem Dictator in der historischen Rückschau ein größeres Gewicht. Den Römern selbst jedenfalls schien später die Dictatur Ausdruck ihres Willens und ihrer Fähigkeit zu sein, wenn nötig eine maximale exekutive Handlungsmacht zur Verfügung zu haben und den Willen der gesamten res publica in einer einzigen Amtsgewalt zu bündeln. Die nach 264 nur selten in Anspruch genommene Dictatur lebte im Hannibalkrieg noch einmal auf (letzte Ernennung eines Dictators im Jahr 202). Erst in dieser Zeit, in der auch die römische Geschichtsschreibung begann, entstand die Konnotation der Dictatur mit einer schwerwiegenden – meist militärischen – Krisen- und Ausnahmesituation. Daran knüpfte Sulla als „Dictator zur Einbringung von Gesetzen und zur Wiederherstellung der res publica“ (d. legum ferendarum et rei publicae constituendae causa, 82–80/79) an. Erst in diesem Zusammenhang dürfte auch die Vorstellung von der Dictatur als einer unwiderstehlichen und uneingeschränkten Notstandsmagistratur entstanden sein. Demgegenüber führte Caesar ab Anfang 44 die Dictatur ohne Anlass und zeitliche Befristung (d. perpetuo) und machte sie damit zum Rahmen einer Alleinherrschaft neuer Art (s. u. 6.4). Nach seiner Ermordung wurde das Amt noch im gleichen Jahr auf Antrag des Konsuls Antonius abgeschafft – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der römischen Magistraturen. Beim militärischen Oberbefehl gingen die Römer über die in der Promagistratur verwirklichte Trennung von Amt und Amtsgewalt noch hinaus, indem sie auch Personen ohne eine unmittelbar zuvor bekleidete Magistratur mit imperium ein solches verliehen, um ein Kommando mit festgelegtem Auftrag zu führen und eine bedrohliche Situation zu bewäl-
Dictatur als Krisenmagistratur?
Außerordentliche Imperiumträger
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Außerordentliche Kommanden
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tigen. So stattete 210 der Senat den erst 25 Jahre alten Publius Cornelius Scipio, den späteren Hannibalbezwinger, mit einem imperium aus; dieser sollte in Spanien das Kommando seines Vaters und seines Onkels, die beide im Kampf gegen die Karthager gefallen waren, übernehmen. Während des Bundesgenossenkrieges (91–89) wurden die entscheidenden Siege der Römer kaum von regulären Imperiumträgern erfochten, die oft mit erheblichen Disziplinproblemen zu kämpfen hatten, sondern von bewährten Heerführern wie Marius und Sulla, die als legati (s. u.) jeweils ein imperium erhalten hatten. Nachdem Spartacus mit seinen Sklaven in Italien Heere zweier Konsuln, eines Prokonsuls und dreier Prätoren geschlagen hatte, versah der Senat den Prätorier Marcus Licinius Crassus mit einem imperium, um den Aufstand niederzuschlagen, was 71 tatsächlich gelang. Der bekannte Pompeius hatte vor seinem ersten Konsulat im Jahre 70 überhaupt noch kein reguläres Amt bekleidet, sondern seine Feldzüge jeweils mit einer Kommandogewalt geführt, die außer der Reihe der üblichen Losung für die Provinzen vergeben worden war. Diese Sonderstellung behielt er bei, als er sich 67 per Gesetz ein umfassendes imperium für die Bekämpfung der mittelmeerischen Piraten sowie ein Jahr später ein weiteres für den großangelegten Feldzug gegen Mithridates VI. Eupator übertragen ließ, jeweils vom Volk und gegen den Willen des Senats. Die Krönung dieser Entwicklung bildete Caesars mehrjähriges Kommando in Gallien: Zwar schloss es regelgerecht als Prokonsulat direkt an sein Konsulat im Jahre 59 an, aber auch Caesar hatte es sich vom Volk außerhalb der üblichen Verlosung der Provinzen und gegen den Widerstand der Mehrheit des Senats übertragen lassen, und die Notwendigkeit war weitaus konstruierter als in den Fällen zuvor, da von den Galliern keine Gefahr für die Sicherheit Italiens ausging. Während das militärische Agieren der regulären Prokonsuln und Proprätoren immer mehr an Bedeutung verlor (maßgeblich durch eine Neuorientierung der Aristokratie in ihrer Mehrheit), erwuchsen aus den umfassenden, d. h. mehrjährigen, mit vielen Legionen und großen Ressourcen ausgestatteten außerordentlichen Kommanden schließlich die Militärpotentaten, denen die regulären Amtsträger und der Senat kaum mehr als eine – zunehmend fragwürdig werdende – traditionsbasierte Legitimität entgegenzusetzen vermochten. Der letzte und erfolgreichste in der Reihe war Oktavian, der Anfang 43 mit neunzehn Jahren auf Antrag Ciceros ein proprätorisches imperium erhielt und zum Senator mit konsularischem Rang erhoben wurde. Zuvor hatte er – wie schon Pompeius vierzig Jahre zuvor – eigenmächtig und gegen jedes Recht als Privatmann Truppen aufgestellt und kommandiert, was nun nachträglich legalisiert wurde. Die lange Zeit so fruchtbare Flexibilität der Römer in der Handhabung des Ämterwesens, zumal der militärischen Kommandogewalt, stellte einzelnen Aristokraten rechtlich und politisch geeignete Instrumente zur Verfügung, um gegen den traditionellen Sinn der institutionellen Ordnung der res publica eine Machtposition zu errei-
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chen, die ein Nachgeben und Einordnen in das Gesamtgefüge verzichtbar erscheinen ließ. Diese von Anfang an im politischen Gefüge angelegte Gefahr zu bannen gelang zunächst, wie an der ‚Verzwergung‘ des Hannibalbezwingers Scipio Africanus durch Volkstribune und Prozesse in den 180er-Jahren zu sehen ist. Die gesetzliche Fixierung des cursus honorum ist in dieser Fluchtlinie zu sehen. Scipios ebenso ehrgeiziger gleichnamiger Enkel, der Zerstörer von Karthago und Numantia, starb 129, bevor er die Probe auf seine Stellung machen konnte. Seit Marius aber genügten die regulären Instrumente zur Einhegung übermächtiger Individuen nicht mehr; die Kollisionen mit und zwischen ihnen eskalierten nun mehrfach zur blutigen Gewalt und zum Bürgerkrieg.
Aporien aus dem machtvollen imperium
4.1.3 Prätoren
Anders als das Konsulat wurde die Prätur in Stellenzahl und Aufgaben mehrmals den veränderten Erfordernissen angepasst. Man kann diese Magistratur daher am ehesten als ein ‚Arbeitspferd‘ der Republik ansprechen. Gleichzeitig manifestierte sich in ihr die latente Spannung zwischen einer sachgerechten Regierung des Herrschaftsgebiets und der Einhegung aristokratischer Konkurrenz. Die Bezeichnung praetor geht auf die in der Frühzeit der Republik zunächst noch unbestimmte militärische Führung zurück (s. o. 4.1.2). Ab 367 war der Prätor als Inhaber eines imperium gleichberechtigter „Kollege des Konsuls“ (M. Valerius Messalla bei Gell. 13,15,4); der erste plebeische Prätor amtierte 336. Gegen Ende des 1. Punischen Kriegs wurde eine zweite Prätur eingerichtet. Mit der relativ präzisen und gleichbleibenden Bestimmung der prätorischen Amtsaufgaben begann auch der Prestigeverlust des Prätors gegenüber dem Konsul, der eine allgemeine Leitungsfunktion innehatte und in der Regel eine provincia zur Kriegführung zugewiesen bekam. Nunmehr gab es einen praetor in Rom und einen zweiten, der außerhalb der Stadt als Befehlshaber von Truppen tätig war (zunächst auf Sizilien). Im 2. Jahrhundert wurden das Gerichtswesen und die Weiterentwicklung des Zivilrechts in Rom die Hauptbetätigungsfelder dieser beiden Prätoren, wobei der eine für Streitigkeiten zwischen Bürgern zuständig war, während der andere die Jurisdiktion zwischen Bürgern und Nicht-Römern versah. Das von ihnen geschaffene Amtsrecht (ius honorarium) bildete eine wichtige Rechtsquelle. Dabei standen diese beiden Prätoren als Herren über das Gerichtswesen stärker als alle anderen Magistrate für ein kontinuierliches, berechenbares und sachgerechtes Handeln der res publica auf einem wesentlichen Feld. Der jährliche Wechsel im Amt hatte hier kaum Folgen, da das die Amtsführung bestimmende prätorische Edikt tralatizischer Natur war, d. h. die Formeln und Bescheide der Vergangenheit bündelte und fortschrieb, und die Prätoren sich der Hilfe aristokratischer Kenner des Rechts (iuris consulti) bedienten, die überwiegend sehr lange tätig waren und nicht zu
Frühzeit und relativer Prestigeverlust
Prätoren als Gerichtsmagistrate
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unberechenbaren Ratschlägen neigten. Durch die faktische Beschränkung auf den Bereich domi sowie auf juristische Entscheidungen fielen diese beiden Prätoren freilich nach Rang und Ansehen, obwohl auch sie ein imperium besaßen, endgültig hinter die Konsuln zurück, deren Vorrang sich aus der regelmäßigen Chance ergab, Kriegsruhm zu erwerben. Die durch sechs Liktoren ausgewiesene Prätur wurde zur verpflichtenden Karrierestufe auf dem Weg zum Konsulat (s. o. 4.1.1). Als Gerichtsmagistrat konnte ein Prätor jedoch (wenn auch selten) ins Zentrum politischer Auseinandersetzungen geraten; so wurde Aulus Sempronius Asellio im Jahre 89 auf dem Forum umgebracht, weil er zugunsten von Schuldnern Recht gesprochen hatte. Als Rom 227 begann, außeritalische Herrschaftsgebiete förmlich als Provinzen zu organisieren, griff man wiederum auf die Prätur zurück und richtete zunächst zwei neue Stellen ein (für Sizilien und Sardinien), 198 oder 197 zwei weitere für die beiden Provinzen in Spanien. Prätoren besaßen von jeher die für diese Aufgabe erforderliche Kommandogewalt (imperium) und soziale Autorität. Zugleich konnte man ihre Zahl vergrößern und dadurch dem Ehrgeiz von potentiellen Aufsteigern größeren Raum geben, ohne dass der engere Kreis der Nobilität, die Konsulare, einen Verlust ihrer Exklusivität befürchten musste. Mit der Vermehrung aber gab es nun jedes Jahr einen verschärften Wettbewerb um das Konsulat. Über sechs hinaus wurde die Zahl der Prätoren zunächst nicht erhöht. Für die Beherrschung der hinzukommenden Provinzen behalf man sich ab 146 meist mit verlängerten (prorogierten) Imperien; der praetor urbanus nahm je nach Bedarf eine Vielzahl von Aufgaben in Rom und auswärts wahr. Die Prätur und die durch sie mitkonstituierte politische Elite insgesamt wurden dadurch heterogener, die Rangordnung im Senat differenzierter. Die Entwicklung der multifunktionalen Prätur unterstreicht insgesamt den Charakter der institutionellen Ordnung Roms als Ansammlung von kreativen Aushilfen. Sulla erhöhte 81 die Zahl der Prätoren auf acht und wies ihnen jeweils den Vorsitz in einem der ständigen Gerichtshöfe für Kapitalverbrechen zu. Nach ihrer Amtszeit sollten sie mit einem imperium und juristischer Kompetenz eine Provinz verwalten; dieser Aufgabe entzogen sich viele Prätorier jedoch. Wie beim Konsulat verstärkte auch die neue Gestaltung der Prätur die Ausrichtung der Politik auf die Stadt Rom, was für die Herrschaft an der Peripherie zu neuen Provisorien zwang. Caesar verdoppelte die Prätorenstellen auf sechzehn, um seinen zahlreichen Anhängern Chancen zu Aufstieg und Bewährung zu bieten. Im Prinzipat versahen die Prätoren als Funktionäre der zivilen Rechtsprechung, Vorsitzende der Strafgerichtshöfe und (nach ihrem Amtsjahr) als Statthalter mit proprätorischer Befugnis weiterhin wesentliche öffentliche Aufgaben.
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4.1.4 Volkstribune und Ädile
Als Amt außerhalb des cursus honorum und als Produkt einer aus dem Konflikt erwachsenen Vergemeinschaftung innerhalb der res publica steht das Volkstribunat für die strukturellen Widersprüche und ‚Sollbruchstellen‘ des institutionellen Gefüges in Rom. Viele Fragen zu seiner Entstehung im 5. Jahrhundert sind strittig; das gilt auch für die das Amt tragende Gruppe, die Plebeier (plebs / plebeii). Anders als beim Oberamt kann diese Frage hier nicht ausgeklammert werden, da seit Tiberius Sempronius Gracchus (133) Volkstribune immer wieder ein Pathos des Kampfes für die Armen, Unterdrückten und Benachteiligten aufriefen, das sich auch aus einem sehr einheitlichen Bild der frühen Republik speiste: einem Kampf der Plebeier gegen die Patrizier um Nahrung, Freiheit, Schutz vor Willkür und politische Teilhabe, der als ‚Ständekampf ‘ der römischen Innenpolitik vom ersten „Auszug der Plebs“ (secessio plebis, 494) bis zur lex Hortensia (287, s. u.) ein einheitliches Gepräge gegeben haben soll. Hier gilt es, aus den Homogenisierungen, Vereinfachungen und Rückprojektionen der Überlieferung einen historisch plausiblen Kern herauszuarbeiten. Wie es scheint, haben die römischen Adelsfamilien nach der Abschaffung des Königtums zunächst ihre Konkurrenz untereinander verstärkt ausgelebt. Die meisten von ihnen konnten sich dabei auf großen Reichtum, bäuerliche Klienten und religiös-sakrale Positionen in Gestalt von Priesterämtern stützen. Die Institutionen der res publica, soweit es sie überhaupt schon gab, blieben schwach, da kein Standesgenosse durch sie eine gewichtige Stellung erlangen sollte und die hohen Herren im Alltag ihre Interessen als Hausvorstände und Patrone durchsetzen konnten. Doch der verschärfte inneraristokratische Wettbewerb, gepaart mit keineswegs immer erfolgreichen Kämpfen gegen Nachbarn sowie mit ungleich ausgeprägten auswärtigen Verbindungen, produzierte notwendig Verlierer. Das waren Adlige mit geringeren Ressourcen oder weniger Glück, die von den Mächtigen bald als nicht mehr ebenbürtig betrachtet und ausgeschlossen wurden – wohl erst infolge dieses Prozesses gliederte sich während des 5. Jahrhunderts das Patriziat aus, dessen exklusive gentes nun auch das Oberamt für sich monopolisierten. Ferner gab es Bauern, die keinen mächtigen Adligen zum Patron hatten, daneben (wenige) Handwerker und Händler, Immigranten und nunmehr herrenlose Klienten des vertriebenen Königs. Diese Gruppen hatten (in unterschiedlichem Maße) unter Missernten, Seuchen, Verschuldung und Schuldknechtschaft, den Lasten und Schäden durch die häufigen Kriege sowie dem wachsenden Druck der miteinander rivalisierenden Adligen zu leiden. Sie alle suchten Schutz – und fanden ihn in den schwachen Institutionen der res publica nicht. Zurückgesetzte Adlige vermochten offenbar bisweilen, unter Unzufriedenen Anhängerschaften zu mobilisieren, das zeigen die – im Detail anachronistischen – Nachrichten über drei Männer, die zu un-
Soziale Verhältnisse im 5. Jahrhundert
Plebs
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Zwölftafelgesetz
Plebs und Volkstribune
Tribunizische Interzession
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terschiedlichen Zeitpunkten durch volksfreundliche Maßnahmen eine Königsherrschaft angestrebt haben sollen (adfectatores regni). Doch solche Allianzen boten keine dauerhafte Perspektive und waren zum Scheitern verurteilt. Die durch sie aufgezeigte und aus der griechischen Welt bekannte Gefahr für die kollektive Herrschaft der Mächtigen verstärkte freilich deren Formierung. Diese schlug sich nicht nur defensiv in der erwähnten ‚Abschließung‘ des Patriziats nieder (s. o. 3.1). Vielmehr suchte man die gesellschaftlichen Verhältnisse und Normen auch in einer rechtlichen Rahmenordnung zu fixieren: Im Zwölftafelgesetz (leges duodecim tabularum) wurden um 450 so verschiedene Materien wie das Prozessrecht, das Verfahren gegen säumige Schuldner, das Erb-, Sachen- und Immobilienrecht, aber auch Konflikte in der bäuerlichen Welt geregelt und die Bestimmungen schriftlich festgehalten. Das Zwölftafelgesetz schrieb die Scheidung der Gesellschaft in Besitzende (adsidui) und Arme (proletarii) sowie die Klientelbeziehungen fest. Die Einschränkungen des Aufwandes bei Bestattungen und Gräbern signalisierten die Bereitschaft der Aristokratie, sich in das Regelwerk einzufinden. Zweifellos bewirkte das Zwölftafelgesetz eine Formalisierung der sozialen und rechtlichen Beziehungen; es stand noch zu Zeiten Ciceros in hohem Ansehen. Komplementär zur Abschließung des Patriziats formierte sich aus den genannten Gruppen von Bürgern die plebs. Sie spielten im Heer eine gewisse Rolle, hatten aber kein so großes Gewicht, dass sie den herrschenden Adel damit hätten entscheidend unter Druck setzen können. Die Plebeier erkannten, dass Einzelaktionen potentieller Alleinherrscher keine Aussicht auf nachhaltige Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse boten, weil sie auf den geballten Widerstand des Adels mit seiner sozialen Macht stießen. Stattdessen organisierten sie sich zu einer dauerhaft bestehenden und flächendeckenden Sondergemeinde. Da für sie die Geschlechterverbände (gentes) und die genossenschaftlichen Gefolgschaften (curiae) des Adels keine formative Bedeutung hatten, nachbarschaftliche Solidarität hingegen sehr wichtig war, gliederte sich diese Gemeinde nach den Wohnbezirken (tribus; s. o. 2). Vermutlich von den Tribus abgeleitet, hießen die nach dem Vorbild der patrizischen Magistrate jährlich gewählten Anführer der Plebs Volkstribune (tribuni plebis). Zum Schutz ihrer neuen Vertreter und gegen die religiöse Exklusivität der Patrizier leistete die plebeische Sondergemeinde einen bindenden Schwur (lex sacrata): Wer einen Volkstribun an der Ausübung seiner Aufgabe hindere, sei den Göttern überantwortet (sacer); jeder könne ihn straflos töten. Ein Tribun musste für einen hilfesuchenden Plebeier stets ansprechbar sein. Er trat dann offenbar physisch zwischen ihn und den zugreifenden patrizischen Magistrat (daher intercessio) und unterband damit dessen Amtshandlung, geschützt nur durch seine beschworene Unverletzlichkeit (sacrosanctitas), hinter der idealerweise die gesamte Plebs stand, die protestieren oder passi-
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ven Widerstand leisten konnte. Die Kompetenz des Volkstribunen war also originär eine hindernde und verneinende. Eine magistratische Amtshandlung zu unterbinden, auch durch einen bloßes veto („ich verbiete“), gewann in diesem Akt Gestalt, lange vor dem entwickelten Kollegialitätsprinzip. Die Interzession erstreckte sich später auch auf andere Offizialhandlungen, etwa Senatsbeschlüsse oder Gesetzesanträge. Mit dem Volkstribunat war – kein Paradox! – eine langwierig-stabile Konfliktkonstellation geschaffen, die stete Einsatz- und zugleich Kompromissbereitschaft forderte, aber auch Entwicklungspotential hatte: Die Plebeier verblieben in der res publica; einzelne Auseinandersetzungen, die sich zunächst wohl um die Behandlung von säumigen Schuldnern, die Aushebung von Soldaten und magistratische Übergriffe drehten, mochten sich zu mittelgroßen Konfrontationen verdichten und eskalieren – meist aber bemühte man sich offenbar um Einzelfalllösungen. In der vielfach ausgeschmückten Überlieferung ist die Grundkonstellation noch erkennbar: Scharfmacher vermögen das Geschehen nur selten zu bestimmen; autoritativ ausgleichende Vertreter gewinnen hingegen Ansehen. Streitigkeiten akkumulieren sich nie zum Bürgerkrieg; die häufige Wiederholung strukturell ähnlicher Mikrokonflikte fördert die Bildung eines politischen Habitus bei den Akteuren. Auf dieser Basis wurden die gesamte Republik hindurch Konflikte zwischen Amtsträgern ausgetragen, meist unter Beteiligung von Volkstribunen (s. u. 6.2). Zunächst gab es wohl vier, schon ab Mitte des 5. Jahrhunderts die dann kanonischen zehn Volkstribune. Das Volkstribunat war ein strukturell ziviles Amt. Es wurde geschaffen, um bei Alltagskonflikten im Bereich domi eingreifen zu können, während die Imperiumträger nur im Bereich militiae tätig waren – in Rom und generell auf Bürgergebiet beanspruchten die Adligen, nach dem Muster der familia ‚Herren im Haus‘ zu sein, und benötigten daher dort zunächst keine Amtsträger. Das Tribunat verwirklichte durch sein öffentliches Wirken in der Stadt ein gewisses Maß an Staatlichkeit, die sich nicht auf die konzentrierte Machtprojektion der res publica nach außen beschränkte. Das von den Volkstribunen geübte, nach und nach auch faktisch akzeptierte Hilferecht (ius auxilii) sowie die Beschränkung auf den Wirkungskreis domi machten das Volkstribunat einzigartig. Andere Praktiken aber ähnelten diese Funktion der ‚normalen‘ Magistratur an, vor allem die jährliche Wahl durch eine besondere Versammlung (Amtsantritt war der 10. Dezember) sowie die Interaktion der Tribune mit dieser Versammlung: Sie trugen ihre Agenda vor, formulierten Beschlussanträge (rogationes) und leiteten Wahlen für die Nachfolger. Die dadurch erworbenen Kompetenzen und Routinen prädestinierten Volkstribune, im Sinne der gesamten res publica zu wirken, sobald die Konfliktkonstellation und die Idee einer plebeischen Sondergemeinde aus der Welt geschafft waren. Das konnte freilich erst geschehen, nachdem engagierten und tüchtigen Plebeiern der Aufstieg in der Ämterlaufbahn
Tribunat und politische Kultur
Ziviler Charakter
Tribunat als Magistratur
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Lex Hortensia
Tribunat im 3. und 2. Jahrhundert
133 als Zäsur
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und im Senat, allgemein: die Integration in die herrschende Aristokratie, gelungen war. Dieser Prozess begann bereits am Ende des 5. Jahrhunderts. Er fand einen ersten Höhepunkt, als der erste Plebeier zum Konsul gewählt wurde (für 366: Lucius Sextius Lateranus), und setzte sich 300 mit der Zulassung von Plebeiern zu den Priesterkollegien der Auguren und der Pontifices fort. 287 wurden durch die lex Hortensia die von Volkstribunen eingebrachten Beschlüsse (plebis scita) der Plebsversammlung (concilium plebis) für die Gesamtgemeinde verbindlich. Die ebenfalls von der Plebsversammlung gewählten Volkstribune waren spätestens ab diesem Moment integrierte Bestandteile des Politikbetriebs. Seit dem 2. Jahrhundert wurden sie nach ihrer Amtszeit Mitglieder des Senats. Dieser wiederum behielt mit Hilfe der Tribune die politische Initiative und Kontrolle in Rom, da diese nunmehr als Quasi-Beauftragte der Nobilität Gesetzesanträge vor die Plebsversammlung brachten. Doch auch ihre negierende Macht blieb gefragt, traten sie doch oftmals in Aktion, wenn es aus irgendeinem Grund geboten schien, einen anderen Magistrat zur Raison zu bringen oder ein Fehlverhalten gerichtlich zu verfolgen. Dazu konnten sie jede Handlung von diesem durch ihr Verbot oder dessen bloße Ankündigung verhindern, äußerstenfalls den Amtsträger auch inhaftieren oder gerichtlich eine Geldoder sogar Kapitalstrafe verhängen lassen. Das Volkstribunat wurde nie regulärer Bestandteil des cursus honorum; in der Regel strebten es junge plebeische Aristokraten an, weil es mehr Möglichkeiten zur Profilierung bot als die farblose und außerhalb von Rom wirkende Quästur. Zwar trug das Amt nach 287 wohl in der Regel zum Funktionieren des politischen Alltagsbetriebs bei; dennoch blieb die Option erhalten, aus ihm heraus Initiativen vorzutragen und Konflikte auszufechten. Der aktive und oppositionelle Zug in ihm – und sei es nur in Rhetorik und Habitus – konnte immer wieder einmal aufgerufen werden, notfalls bis zur weitgehenden Lähmung der res publica. „Die Volkstribune“, so Polybios (6,16,5), „sind immer verpflichtet, den Willen des Volkes durchzuführen und sich vor allem nach ihm zu richten. Aus all diesen Gründen fürchtet sich deshalb der Senat vor der Menge und nimmt auf das Volk Rücksicht.“ Mit ihren Möglichkeiten, Routinen und Traditionen trugen die jedes Jahr wechselnden Volkstribune ferner wesentlich zur Eigenart der Politik in Rom insgesamt bei: individuell, kontingent, symbolisch dicht und kommunikationsintensiv. Zehnzahl, kurze Amtszeit und die Einbindung der Amtsinhaber in die Aristokratie verhinderten zwar die Bildung einer sachbezogenen ‚Partei‘ um das Volkstribunat herum, aber es gab Themen wie Verarmung, Landmangel oder die Selbstherrlichkeit des Senats und der Nobilität, die sich unter der Freiheitsparole skandalisieren und damit politisieren ließen. Und nicht zufällig war es der brutale Übergriff gegen einen sakrosankten Volkstribunen und seine Anhänger, nämlich die Ermordung des zur Nobilität gehörenden Tiberius Gracchus im Jahre 133 durch einen senatorischen Mob, mit dem die physische und
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bald auch militärische Gewalt in den Binnenraum der res publica einbrach und diese zunehmend funktionsunfähig machte. Tiberius und sein Bruder Gaius Gracchus (tr. pl. 123 und 122) hatten allerdings auch gezeigt, wie viel an destruktiver Mobilisierung möglich war, wenn die formal so weitgehenden verhindernden und initiativen Kompetenzen des Tribunats ausgereizt und in einem partikularen Sinn, also gegen den Senat und die Mehrheit der Nobilität, zur Geltung gebracht wurden. Das galt umso mehr, als beide Gracchen für sich ein durch Wiederwahl zeitlich ausgedehntes Tribunat anstrebten, das ihre Gegner nicht mehr einfach ‚aussitzen‘ konnten. Tribunizische Politik prangerte seit 133 verstärkt Übelstände an. Sie suchte landlose Bürger mit Grundbesitz auszustatten, griff (zeitweise) die Italikerfrage auf, setzte sich für die Abgabe von preissubventioniertem oder kostenlosem Getreide sowie den Schutz von Bürgern gegen Willkürakte von Senat und Imperiumträgern ein; außerdem ging es um die Besetzung der Geschworenengerichte sowie generell um die Durchsetzung von politischem Willen gegen den Senat. Aktive Volkstribune waren nicht selten, aber auch keineswegs immer Exponenten der sog. popularen Politik (s. u. 5). Durch ihre Beschränkung auf den Aufgabenbereich domi gerieten Volkstribune in der Späten Republik auf lange Sicht ins Hintertreffen gegen die über das Militär verfügenden Imperiumträger; ihr Aktions- und Störpotential blieb jedoch groß. Sulla suchte 81 das Volkstribunat gleichsam stillzulegen, da er in der tribunizischen Politik zumal der Gracchen, des Lucius Appuleius Saturninus (103 und 100) und des Publius Sulpicius Rufus (88) einen wesentlichen Krisenfaktor sah und das Amt als potentiell zweites Politikzentrum neben Senat und Magistratur ausschalten wollte. Ohne Zustimmung des Senats sollten Volkstribune keine Anträge mehr vor die Plebsversammlung bringen dürfen; außerdem durften sich ehemalige Tribune um keine weiteren Ämter mehr bewerben. Doch diese ebenso kühl-rationale wie traditionswidrige Entkernung des Amtes wurde nicht akzeptiert und schon im Jahr 70 rückgängig gemacht. Publius Clodius Pulcher, der als gebürtiger Patrizier zur Plebs übergetreten war, um 58 Volkstribun sein zu können, versuchte die Begrenzung des Amtes durch die Annuität zu überwinden, indem er eine dauerhafte städtische Anhängerschaft formierte, was nicht wenig zu den Blockaden und Gewalteskalationen in der innerstädtischen Politik der 50er-Jahre beitrug. Zugleich gab es in einem veränderten Kräftefeld kaum noch eine eigenständige, auf das Tribunat als Amt gestützte Politik. Letztmals geschah dies im Jahr 50, als Gaius Scribonius Curio den Senat bewegen konnte, mit großer Mehrheit von Pompeius und Caesar gleichermaßen einen Kommandoverzicht zu fordern. Insgesamt aber wurde das Volkstribunat zu einem eher nachgeordneten Instrument unter mehreren im großen Spiel der Mächtigen. Das formale Potential des Amtes erkannte jedoch Augustus, als er sich 23 die tribunizische Amtsgewalt (tribunicia potestas)
Sullas Entkernung des Tribunats
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Ädile
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übertragen ließ, durch die er, auch ohne Konsul zu sein, die politische Initiative in Rom in Händen behielt. Neben den Volkstribunen schuf die plebeische Sondergemeinde zwei weitere Amtsträger, die Ädile (aediles). Die Bezeichnung legt nahe, dass diese zunächst mit dem sakralen Zentrum der Plebs, dem Tempel (aedes) von Ceres, Liber und Libera auf dem Aventin, befasst waren. Offenbar rasch wuchs ihnen aber die von den patrizischen Magistraten weitgehend ignorierte Aufgabe zu, den Alltag und die Infrastruktur der anwachsenden Stadt Rom zu organisieren. Sie kümmerten sich um die Märkte, die Lebensmittel- und Wasserversorgung und nahmen womöglich auch schon niedere Polizei- und Gerichtsaufgaben wahr. Die Bedeutung dieser Aufgaben als öffentliche wurde auch den Patriziern klar. Im Zuge der Neuordnung des Oberamtes 367 wurden aus ihren Reihen zwei weitere Ädile gewählt, die wegen ihres sonst nur Censoren und Imperiumträger auszeichnenden Amtsstuhls (sella curulis) kurulische Ädile hießen. Die Aufgaben beider Kollegien umfassten schließlich den Bau und die Erhaltung von Tempeln und öffentlichen Bauten sowie der Straßen in Rom und der Umgebung der Stadt, ferner die Aufsicht über Märkte, Bäder und Bordelle, die Ausrichtung der Öffentlichen Spiele und Sorge für ihren korrekten Ablauf, die Getreide- und Wasserversorgung und andere öffentliche Versorgungsund Wohlfahrtsmaßnahmen. Da es sich um ein durchgängig besetztes Amt handelte, konnte von der Ädilität auch eine gewisse administrative Kontinuität ausgehen, während die Censoren, deren Aufgabenbereich sich teilweise mit dem der Ädile deckte, vielfach größere Projekte anschoben. Die Ädile verfügten auch über gewisse Zwangsmittel; ein imperium hatten sie jedoch nicht. Aus sachlichen Gründen war ihr Amtsbereich nicht strikt auf die Stadt Rom beschränkt. Ihre gerichtliche Kompetenz galt für das Marktwesen, bis ins 3. Jahrhundert auch für den ager publicus, und sollte sie in die Lage versetzen, Konflikte und Probleme rasch aus der Welt zu schaffen. Doch die polizeilich-jurisdiktionelle Tätigkeit wurde manchmal auch weiter gefasst: Delikte wie die Aneignung von öffentlichem Land, Wucher, Vergewaltigung oder allgemein Übergriffe auf die Plebs konnten mit Geldbußen belegt werden; dadurch hatte das Amt eine deutliche politische Komponente. Trotz der wachsenden Fülle ihrer Aufgaben wurde die Zahl der Ädilen nicht mehr vergrößert, wie generell die Nobilität die Verhältnisse überschaubar, Prestigekonkurrenz in Grenzen halten wollte und daher eine Aufstockung von Kollegien scheute. Diese geschah vielmehr nur, wenn es unvermeidlich schien (etwa bei der Vermehrung der Prätorenstellen zur Provinzverwaltung) oder wenn ein eingreifender politischer Wille keine Rücksicht auf derartige Bedenken nahm, wie dies bei Sulla und Caesar der Fall war. Letzterer vermehrte die plebeischen Ädile auf vier. Da der Gegensatz zwischen Patriziern und Plebeiern allmählich verschwand, wuchsen die beiden Ädilenkollegien faktisch zusammen. Wohl
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ab dem 2. Jahrhundert stand die prestige- und befugnisreichere kurulische Ädilität auch Plebeiern offen. In der ausgebildeten Ämterlaufbahn bekleideten die vier Ädile ihr Amt regelmäßig nach der Quästur oder dem Volkstribunat. Nicht alle Bewerber um die Prätur waren zuvor auch Ädile gewesen; das Amt blieb insofern fakultativ. Es bot Profilierungschancen, weil das durchaus voraussetzungsreiche und prekäre Funktionieren des Alltags der wachsenden Metropole für die stadtrömischen Wähler existenziell wichtig und sinnfällig war. Eben durch ihren Charakter als amtsmäßiges Patronat für die plebs urbana wurde die Ädilität auch ein teures Amt, da von den Inhabern erwartet wurde, aus eigenen Mitteln die ihnen obliegenden jährlichen Feste (ludi Romani, ludi plebeii, Floralia u. a.) aufwendig auszugestalten, den Getreidepreis zu subventionieren oder die bauliche Infrastruktur zu verbessern. Viele Ädile verschuldeten sich in ihrem Amtsjahr und mussten darauf hoffen, bei der Wahl zum Prätor drei Jahre später dankbare Bürger hinter sich zu bringen – erst in diesem Amt oder in einer anschließenden Proprätur erhielten sie die Möglichkeit, durch die Provinzverwaltung die verausgabten Summen wieder hereinzuholen.
Ädilität im politischen Wettbewerb
4.1.5 Gewählte Militärtribune, Münzmeister, tresviri capitales, Quästoren
Die Einstiegsämter in den cursus honorum sind selbstverständlich unter dem Aspekt ihrer Funktionalität für Herrschaft und Regierung zu beleuchten. Aus der Perspektive der Forschungen zur politischen Kultur der Republik wirkten sie aber auch sozialisierend auf den Führungsnachwuchs der Republik. Sie waren daher für Kontinuität und Wandel des institutionellen Gefüges in seinen Akteuren sowie für die Rolle des Volkes von einiger Bedeutung. Daher seien vier von ihnen hier knapp vorgestellt. Zweifellos wäre der Aufstieg von Plebeiern in das 367 neu geordnete oberste Amt allein von der Plattform des auf die Stadt beschränkten, ‚zivilen‘ Volkstribunats und der Ädilität nicht möglich gewesen. Vielmehr müssen sich Vertreter der Plebs schon zuvor in militärischen Führungsaufgaben bewährt haben. Das ist einigermaßen greifbar in den Kollegien der Militärtribunen ‚mit konsularischer Gewalt‘ (s. o. 4.1.2, der Zusatz ist anachronistisch), die stets auch Nicht-Patrizier enthielten. Nach 367 wurde offenbar die durchgesetzte Mitwirkung der Plebs an der Heerführung durch einen der beiden Konsuln politisch nicht für ausreichend gehalten; jedenfalls ging man 362 dazu über, einige der Offiziersstellen in den Legionen nicht vom Konsul nach eigenem Gutdünken, sondern vom Volk durch Wahl besetzen zu lassen. Diese von den patrizisch-plebeischen Tributkomitien (s. u. 4.3.3) gewählten tribuni militum a populo nahmen zunächst sechs der Militärtribunstellen im üblichen Vierlegionenheer ein, ab 311 deren 16 und ab 207 alle 24 Stellen; die Militärtribune in darüber hinaus
Tribuni militum a populo
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Münzmeister
Tresviri capitales
Quästur
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ausgehobenen Legionen wurden von den Konsuln bestimmt. Die Militärtribune a populo gehörten durch ihre Wahl zu den Magistraten, und man kann annehmen, dass nicht wenige aufstiegswillige Ritter nach dem Militärdienst ihren Weg in die Ämterlaufbahn hier begannen – belegt ist das für den späteren siebenfachen Konsul Gaius Marius. Die lange gültige enge Verbindung von Krieg und Politik in der Republik der Nobilität manifestierte sich also bereits vor Beginn der eigentlichen Ämterlaufbahn. Die unterste Rangklasse der Magistratur, die ebenfalls noch nicht zum cursus honorum zählte, umfasste sechs unter Leitung des praetor urbanus gewählte Amtskollegien mit insgesamt 26 Mitgliedern (daher Vigintisexvirat) und sehr verschiedenen Funktionen administrativer und judikativer Art. Zu ihnen gehörten die „Dreimänner für das Schmelzen und Schlagen von Bronze, Silber und Gold“ (tresviri aere argento auro flando feriundo), kurz „Münzmeister“ (tresviri monetales). Sie überwachten die meist vom Senat angeordnete oder von Privatleuten erbetene Herstellung von Münzen und bemühten sich um den Schutz vor Fälschungen. Politisch von Interesse sind die Münzmeister deshalb, weil viele von ihnen ab 137 von den wenigen und gängigen Münzsymbolen (Roma-Kopf, Dioskuren usw.) abgingen und stattdessen teilweise hochkomplexe Bilder aufprägen ließen, die Taten und Leistungen von Vorfahren rühmten oder politische Botschaften zum Ausdruck bringen sollten, um bei anstehenden Wahlen zur Quästur oder zum Volkstribunat für sich zu werben. Diese Praxis und die Stellung des an sich ganz untergeordneten Münzmeisteramtes zeigen eine ausgeprägte, das gesamte Gefüge durchdringende und von der herrschenden Aristokratie ausgehende Politisierung der res publica in all ihren Verästelungen. Zentrale Merkmale der römischen Magistratur, nämlich die Delegierung nach unten und die Vielfalt von Aufgaben, zeigen sich auch in dem um 290 geschaffenen, für die Sicherheit in Rom zuständigen Dreimännerkollegium. Die tresviri capitales wurden ab einem nicht sicher bestimmbaren Zeitpunkt gewählt; ihre Bezeichnung verweist auf eine ihrer Aufgaben, die Aufsicht über Hinrichtungen. Sie hatten für Ruhe und Ordnung zu sorgen, besonders bei Nacht (daher auch tr. nocturni), und die höheren Magistrate bei der Bekämpfung von Feuersbrünsten zu unterstützen. Gegen Sklaven und Freie niederen Standes konnten sie Gewalt beziehungsweise Zwang durch eine Haft ausüben. Was für Rom die Ädilen, waren in der Fläche der römischen Herrschaft die Quästoren: Multifunktionsamtsträger mit administrativen Aufgaben, aber ohne militärische Kommandogewalt. Vielleicht seit 446, als auch in Rom eine gewisse Monetarisierung einsetzte (Kupferwährung; Heeressold), wurden zwei Quästoren als ordentliche Jahresmagistrate mit der Verwaltung der Staatskasse (aerarium) im Saturntempel sowie der Führung eines Archivs betraut. Seit 421 gab es zwei weitere, die den
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Imperiumträgern im Feld als Verwalter der Kriegskasse und Organisatoren des Nachschubs zur Seite standen. Im nächsten Schritt kamen zwei Stellen für Verwaltungsaufgaben in Italien, dann zwei weitere für die Provinzen Sicilia und Sardinia hinzu. Wahrscheinlich wurden auch für weitere neue Provinzen entsprechende Quästuren eingerichtet. Die Vermehrung auf zwanzig Stellen durch Sulla im Jahr 81 reagierte auf den Bedarf durch die Administration des Herrschaftsgebiets und drückte zugleich die neue, aufgewertete Funktion der Quästur als reguläres Einstiegsamt in die Ämterlaufbahn aus. Erstmals gab es nun ein Mindestalter, und die ehemaligen Quästoren (Quästorier) rückten automatisch in den Senat ein. Das machte dessen Ergänzung durch die Censur überflüssig und hielt die Zahl von nunmehr etwa 600 Senatoren einigermaßen stabil. Caesar verdoppelte die Stellenzahl der Quästoren nochmals, vermutlich mit der Absicht, verdiente Parteigänger und Soldaten zu belohnen. Die Quästur stellte einen für die römische Handhabung von Herrschaft bezeichnenden Zwitter zwischen Eigenverantwortlichkeit und Gehilfenstatus dar. Anders als die übrigen Magistrate – aber ähnlich den Inhabern der untermagistratischen Funktionen – waren die Quästoren grundsätzlich weisungsgebunden; gleichzeitig standen sie viel höher als Schreiber, Liktoren oder Boten. Das Amt wurde mit jungen Mitgliedern der Aristokratie besetzt, weil es Roms Stellung zu repräsentieren und vor allem den römischen Willen auch dann angemessen darzustellen hatte, wenn kein höherer Magistrat präsent war. Die Aufgaben der Quästoren – Kasse, Nachschub, öffentliche Aufträge, Erhebung von Abgaben – brachten zahlreiche Interaktionen mit Italikern und Provinzialen mit sich; dafür brauchte es eine gewisse Autorität. War ein Provinzstatthalter abwesend, trat sein Quästor wenn nötig als Stellvertreter auf und nahm mit einem abgeleiteten imperium militärische oder jurisdiktionelle Aufgaben wahr. Auch seine Tätigkeit im Amtsgebiet konnte verlängert (prorogiert) werden. Die Quästur bot kaum Chancen zur politischen Profilierung, was auch an der offenbar als unproblematisch angesehenen Vermehrung der Stellen abzulesen ist. Sie diente aus aristokratischer Binnensicht eher als Sozialisationsinstanz. Herrschaftspolitisch war sie, hierin der Prätur ähnlich, ein flexibles ‚Arbeitspferd‘. Sie steht zugleich für die Neigung der Römer in der Republik, für die zahlreichen Aufgaben nicht viele verschiedene Ämter im Sinne einer differenzierten Bürokratie zu schaffen, sondern auf wenige Typen von Magistraten zu setzen, denen auf der Basis einer gewissen Grundausrichtung – hier: Finanzen und Schriftführung – jeweils speziellere Tätigkeitsbereiche zugewiesen wurden, bei den Quästoren bezeichnenderweise fast immer durch das Los. Auch in diesem Fall stiften die staatsrechtlichen Handbücher mehr Systematik und Professionalisierung, als ein Römer seinerzeit wohl hätte erkennen wollen.
Eigenart der Quästur
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I. Enzyklopädischer Überblick
4.1.6 Censoren
Die Censur, angeblich 443 eingerichtet, aber vielleicht noch nicht regelmäßig vergeben, sollte anfangs wohl den oder die Imperiumträger von der mühseligen und zeitraubenden Aufgabe entlasten, die Bürgerschaft regelmäßig nach ihrer Leistungskraft differenziert einzuschätzen und zu verzeichnen (census) sowie die militärische Einsatzbereitschaft der Reiterei zu prüfen. Diese Aufgabe gesondert auszuflaggen gehörte in den Kontext des erwähnten Institutionalisierungsschubs Mitte des 5. Jahrhunderts. Ab 367 war die kollegiale Besetzung mit einem Patrizier und einem Plebeier die Regel. Da das Amt hohe Autorität erforderte, war nun das absolvierte Konsulat Voraussetzung für die Wahl. Vermutlich in den 330er-Jahren (lex Ovinia) erhielten die censores die Aufgabe, die Senatsliste zu aktualisieren, während das Gremium zuvor stärker von der Einberufung durch die Obermagistrate abhängig gewesen war. Nunmehr listeten die beiden Censoren die aktiven Senatoren auf, strichen Verstorbene, beriefen vormalige Magistrate in den Senat und entfernten einzelne Senatoren wegen unwürdigen Verhaltens von der Liste. Aus diesen Aufgaben erwuchs das hohe politische Gewicht der Censur, für die nun allein höchst angesehene Konsulare in Frage kamen und deren Wahl oft hart umkämpft war. Zu den Amtsinsignien gehörten wie bei den Konsuln die sella curulis und die toga praetexta. Ein imperium hatten die Censoren aber nicht, auch konnten sie den Senat nicht einberufen. Meist wurden die Censoren alle fünf Jahre gewählt. Ihre Amtszeit dauerte 18 Monate und hieß auch lustrum, nach den in diesem Rhythmus vorzunehmenden rituellen Reinigungen der Bürgerschaft, dem krönenden Abschluss ihrer Tätigkeit. Die Censur war also nicht kontinuierlich besetzt. Das Amt ließ außerhalb der Routineaufgaben Spielraum für eine politische Profilierung, die zumal von markanten Inhabern wie Appius Claudius Caecus (cens. 312) oder Marcus Porcius Cato (cens. 184) genutzt wurde, von Letzterem auch durch eine Einschärfung von sittlich korrektem Verhalten (regimen morum) der Bürger in den Bereichen Haus, Kult, Lebensstil, Patronat und militärische Disziplin. Sanktionen umfassten Ermahnungen, Rügen (notae) und Ehrminderungen, etwa durch Entfernung aus dem Senat oder Überweisung aus der Ritter- in eine niederrangige Zensusklasse. Ferner hatten Censoren die Aufgabe, den Zustand des öffentlichen Vermögens zu überprüfen und Maßnahmen zu seiner Nutzung anzuordnen, so die Verpachtung von Staatsland, Bergwerken, Monopolen, Zoll- oder Steuereinnahmerechten. Auch Infrastrukturbauten wie Straßen und Mehrzweckgebäude (Basiliken) wurden meist von ihnen in Angriff genommen; bekannte Beispiele sind die Via Appia und die Basilica Porcia. Durch Sullas Reformen gab es ab 81 eine hohe Magistratsdichte in Rom, und der Senat wurde automatisch ergänzt (s. o.); daher und wegen der hohen Brisanz censorischer Befugnisse für den innernobilitären Wettbewerb
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wurde das Amt nicht mehr regelmäßig besetzt. Es konnte kein Census mehr durchgeführt werden, und nach 70 erlosch die Censur faktisch. 4.1.7 Bei Bedarf eingesetzte Funktionsträger
Die Neigung der Römer, den Gemeindewillen durch einen möglichst überschaubaren Apparat zur Geltung zu bringen, zeigt sich nicht zuletzt in Funktionsträgern, die nur bei Bedarf mit einer bestimmten Aufgabe betraut und dafür mit geeigneten Befugnissen ausgestattet wurden, ohne ein regelrechtes Amt zu bekleiden. Bestellung und Vollmachten waren in diesen Fällen meist stärker auf die ins Auge gefasste Aufgabe ausgerichtet als bei den regulären Amtsträgern. Anders war das nur bei den außerordentlichen Imperien in der Späten Republik (s. o. 4.1.2), die in mehreren Fällen eher von den Machtambitionen ihrer Inhaber als von sachlichen Notwendigkeiten geprägt waren. Die Idee der ergebnisbezogenen Beauftragung war alt; sie findet sich etwa im sog. interrex („Zwischenkönig“) verwirklicht, der vielleicht bis in die Königszeit hinaufreicht, dessen ursprüngliche Aufgabe aber nicht sicher zu bestimmen ist. In der Republik kam er ins Spiel, wenn durch den Tod beider Konsuln das Oberamt vakant war (interregnum) und Ersatzwahlen stattfinden mussten. Wegen ihrer einst exklusiven Befugnis zur verbindlichen Befragung der Götter (Auspikation) kamen nur patrizische Senatoren für diese Funktion in Frage. Diese bestimmten einen der ihren zum interrex, der wiederum nach fünftägigem Amtieren einen anderen ernannte, so lange, bis einer die Konsulwahlen durchgeführt hatte. Ebenso gehört die erste mehrköpfige Kommission für eine bestimmte Aufgabe, von der wir hören, schon in eine frühe Zeit: das Zehnmännerkollegium (decemviri), das 451 und 450 amtiert und mit unbeschränkter Befugnis das Zwölftafelgesetz erarbeitet haben soll. Wie auch immer die Historizität dieses in der Überlieferung berühmt-berüchtigten Gremiums zu beurteilen ist – derartige außerordentliche Kommissionen gab es später immer wieder. Hier erwähnt seien allein die markanten und oft umstrittenen drei-, fünf-, zehn-, einmal sogar zwanzigköpfigen, teilweise mit erheblichen Kompetenzen und Mitteln ausgestatteten, meist über mehrere Jahre arbeitenden Kommissionen zur Verteilung und Übereignung von öffentlichem Land an einzelne Bürger (IIIviri usw. agris dandis assignandis). Ihre Mitglieder waren keine regulären Magistrate und unterlagen daher auch nicht den einschägigen Qualifikationen für die Wählbarkeit sowie den Regeln des cursus honorum. Ihre Befugnisse und Ausstattung waren jeweils in dem zugrundeliegenden Spezialgesetz festgelegt und mussten sich in der praktischen Arbeit bewähren. Erfolgte die Landanweisung in dem Sinne, dass ein neues Gemeinwesen gegründet wurde, trug die Kommission die Zweckbestimmung coloniae deducendae und hatte umfassende Befug-
Interrex
Decemviri legibus scribundis
Landverteilungskommissionen
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Legaten
Mandierung
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nisse (Aufstellung des Grundgesetzes und der Bürgerliste der Kolonie, Ernennung der ersten Magistrate, Priester und des Gemeinderates). Unterhalb der obersten Führungsebene (Imperiumträger) gab es ein flexibles Instrument der Beauftragung und Ermächtigung: die legati. Die so bezeichneten Senatoren fungierten als Gesandte im völkerrechtlichen Verkehr, als Untersuchungskommissionen sowie im Stab eines Feldherrn, um diesen zu unterstützen. Sie übernahmen dabei vielfältige Aufgaben, auch als militärische Unterbefehlshaber und bei rechtserheblichen Akten für die Provinz. Bis 146 tritt in den Quellen oft eine Gruppe von zehn Legaten (decem legati) in Erscheinung, die im Auftrag des Senats z. B. nach einem Friedensschluss Festlegungen vornahm. Ihr Handeln folgte gewiss öfter Instruktionen; vor allem aber brachten sie sich selbst, ihr eigenes Gewicht und ihr Ansehen in das Handlungsgeflecht mit dem Imperiumträger und den anderen Akteuren vor Ort ein. Pompeius und Caesar erhielten im Rahmen ihrer umfassenden Kommanden das Privileg, unabhängig vom Senat eine festgelegte Zahl von Legaten zu ernennen und mit militärisch-administrativen Befugnissen auszustatten. Aus dieser Konstruktion erwuchs seit Augustus der Statthalter (legatus Augusti pro praetore) in denjenigen Provinzen, die dem Kaiser unterstanden. In einem noch weniger formalisierten Akt konnte ein Amtsträger seine Aufgaben ganz oder teilweise einem anderen, ihm zugeordneten Amtsträger (etwa einem Quästor) oder sogar einem amtlosen Vertrauten übergeben (mandare), sowohl in der Provinz als auch in der städtischen Rechtsprechung. Diese aus dem Privatrecht entliehene Praxis vergrößerte im Bedarfsfall die Handlungs- und Entscheidungskapazität Roms, ohne dass ein proto-bürokratischer Unterbau der Administration nötig geworden wäre. 4.2 Der Senat Ratsgremien aus ‚Ältesten‘, Vertretern der vornehmsten Familien oder schlicht der soziopolitischen Elite hatten in antiken Gemeinwesen strukturell sehr ähnliche Aufgaben. Sie versammelten die gesamtgesellschaftliche Erfahrung und Kompetenz, hielten partikularistische oder zentrifugale Dynamiken von mächtigen Verwandtschaftsverbänden oder Clans im Zaum, banden diese an das politische Zentrum und bildeten ein Gegengewicht zu den mit den Machtmitteln der Gemeinde ausgestatteten Gewalten (Königen; Amtsträgern). In stadtstaatlichen Systemen mit Jahresmagistraten waren sie zudem ein Element von politischer Kontinuität. All diese Merkmale trafen auch für den römischen Senat in der Zeit der Republik zu. Hinzu kam hier, dass das Gremium ab dem ausgehenden 4. Jahrhundert Abbild einer nach Rängen gegliederten, nach Zusammensetzung und interner Formierung zugleich sehr dynamischen regierenden Aristokratie war.
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Ab dem späteren 3. Jahrhundert, vielleicht auch schon etwas früher, bildete der Senat ein ständig tätiges, grundsätzlich alle Bereiche des öffentlichen Lebens diskutierendes und kontrollierendes Gremium, ja eine „oberste Verwaltungs- und Regierungsbehörde“ [1.4: M, Staatsrecht III, 1034]. Die Institution erschien den Römern so selbstverständlich, dass auch Bürgerkriegsformationen Quasi-Senate unterhielten, so Sertorius in Spanien in den 70er-Jahren oder Pompeius nach seinem Rückzug aus Italien 49. Unser Bild vom generell großen Gewicht des Senats im institutionellen Gefüge der Republik ist aber wohl auch der Perspektive der Überlieferung geschuldet – fast alle römischen Geschichtsschreiber (mit Ausnahme von Livius) waren Senatoren. Die alten Anreden patres und patres (et) conscripti deuten darauf hin, dass sich im Senat zunächst die Häupter der vornehmsten eingesessenen Familien befanden und später weitere angesehene Personen ‚dazugeschrieben‘ wurden. Ob es nach der ‚Schließung des Patriziats‘ im Verlauf des 5. Jahrhunderts nur noch patrizische Senatoren gab, muss offen bleiben (s. o. 4.1.4). Über einen Senat in der Königszeit – der römischen Tradition zufolge soll ihn Romulus aus 100 patres formiert haben – wissen wir nichts. Es ist auch unklar, ob er im späten 5. und im 4. Jahrhundert bereits das Sammelbecken eines politischen Willens der führenden gentes darstellte oder ob er eher willkürlich vom höchsten Imperiumträger einberufen wurde, um dessen Agieren breiter abzusichern. Zu seiner geläufigen Gestalt gelangte der Senat wohl erst Ende des 4. Jahrhunderts, als die Kontrolle über die Zusammensetzung des Gremiums auf die Censoren überging (s. o. 4.1.6). Diese waren gehalten, bei ihrer Aktualisierung der Senatsliste (lectio senatus) alle fünf Jahre die „besten Männer“ und in jedem Fall die gewesenen höheren Amtsträger aufzunehmen. Im Senat versammelte sich die neue, aus Patriziern und Plebeiern gebildete politische Klasse. Für den Rang eines Senators spielte das höchste Amt, das er bis dahin bekleidet hatte, die entscheidende Rolle, bei Gleichrangigkeit in diesem Punkt dann die Seniorität, also jeweils objektiv feststellbare Kriterien. Die Censoren waren darauf bedacht, die Anzahl der Senatoren in etwa gleich zu halten; bis Sulla waren das um die 300 Köpfe. Als allein in der Schlacht von Cannae etwa 80 aktuelle oder bald zur Aufnahme anstehende Senatoren gefallen waren, wurde das dezimierte Gremium bei der lectio des Jahres 216 um 177 Männer ergänzt, darunter ehemalige niedere Magistrate und Träger militärischer Auszeichnungen (Liv. 23,23,6f.), die unter normalen Umständen keine Chance zum Aufstieg gehabt hätten. Einen zweiten Schub dieses Ausmaßes gab es durch Sulla, der nicht nur zahlreiche im Bundesgenossen- und Bürgerkrieg getötete oder geflohene Senatoren zu ersetzen hatte, sondern das Haus zugleich um 300 Köpfe aus dem Ritterstand vergrößerte, auf wohl etwa 450 bis 500 Personen. Ferner automatisierte Sulla die Ergänzung, indem künftig alle 20 Quästoren nach ihrem Amtsjahr in den Senat eintraten. Dadurch dürfte
Patres conscripti
Zugang zum Senat
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Tagungsorte des Senats
Senatssitzungen
¯ Princeps senatus
Beratung
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der Senat 500 bis 600 Mitglieder gehabt haben (eine numerische Festlegung gab es wohl nicht), die aber selbstverständlich nie alle gleichzeitig an den Sitzungen teilnahmen, weil jeweils viele wegen Alter, Krankheit, Promagistratur, Gesandtschaftspflichten, privater Geschäfte oder bewusster Abstinenz fehlten. In jedem Fall verstärkte die sullanische Senatsreform die Differenzierung innerhalb des Gremiums: Die rangniedrigen Mitglieder überwogen nun zahlenmäßig bei weitem, und es hing von der politischen Konstellation ab, welches Gewicht sie gegenüber den Konsularen als den ranghöchsten Senatoren und Wortführern aufbringen konnten. Wie sehr Kontinuität, Ansehen und Kompetenz des Senats in dieser Phase in Frage standen (und die Censur zur Kampfmagistratur geworden war), zeigt die lectio des Jahres 70, bei der 64 Senatoren wegen Unwürdigkeit ihren Sitz verloren. Noch stärker als bei Sulla war die Senatspolitik Caesars (48–44) ausschließlich Herrschaftspolitik: Der Dictator stockte das ehrwürdige Gremium mit seinen Parteigängern auf ca. 900 Köpfe auf, machte es dadurch nahezu arbeits- und entscheidungsunfähig und dekorierte seine monarchische Dominanz mit der Zustimmung des Hohen Hauses – Cicero beklagte sich einmal, er sei als Zeuge auf einem Senatsbeschluss vermerkt, von dem er zuvor gar keine Kenntnis gehabt habe. Der Senat wurde an verschiedenen Orten versammelt: entweder in der Curia Hostilia auf dem Forum direkt neben dem Comitium, die später durch die Curia Iulia ersetzt wurde, oder in einem Tempel in der Stadt bzw. auf dem Marsfeld (wenn mit einem Promagistrat zu verhandeln war, der beim Überschreiten des pomerium sein imperium verloren hätte). Die Ortswahl konnte symbolträchtig sein (Tempel der Concordia oder – wenn es um Krieg und Frieden ging – der Bellona). Der Verlauf einer Senatssitzung spiegelte die inneraristokratischen Rang- und Statusverhältnisse, konnte aber unter bestimmten Umständen auch eine beträchtliche Dynamik entwickeln. Nach Opfer und Auspikation referierte der einberufende Magistrat (Prätor oder Konsul) über den Sachstand der anstehenden Fragen (relatio), führte unter Umständen auch einen ausländischen Gesandten ein, der sein Anliegen vortrug, und richtete dann das Wort an den „Ersten des Senats“ (princeps senat¯us). Das war bis 209 der amtsälteste patrizische Censorier, später ein aus den patrizischen Censoriern ausgewählter, für besonders würdig gehaltener Senator, der diese Funktion faktisch auf Lebenszeit ausübte. Er war gehalten, ausgleichend und integrierend zu wirken. Als der Senat am Ende des 2. Jahrhunderts zunehmend an Zusammenhalt, Konsensbereitschaft und Legitimität verlor, geriet diese Position stark unter Beobachtung. Spätestens seit 71 blieb sie offenbar unbesetzt. Nunmehr wurden die designierten Konsuln oder angesehene Konsulare als erste um ihre Meinung (sententia) gefragt, danach ging die Umfrage über zu den nach Rang und Würde (dignitas) nächstniedrigeren Senatoren. Anders als vor der Volksversammlung wurde im Senat auch argumentiert und gab es echte Debatten. In der Spätphase der
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Republik wurde das Rederecht bisweilen dazu genutzt, durch Dauerreden (oratio longa) einen Beschluss zu verhindern (eine Sitzung dauerte längstens bis Sonnenuntergang). Zwar blieb dieses ‚Filibustern‘ die Ausnahme, doch zeigt sich auch hier, dass die Institutionen der res publica gegen Missbrauch und Manipulation nicht geschützt waren. Auch das Pochen auf eine Mindestzahl anwesender Senatoren (Quorum) bei bestimmten Abstimmungen konnte zur Obstruktion (Verhinderung eines Beschlusses) genutzt werden. Eine gut besuchte Sitzung hieß frequens senatus. Sobald die Sachlage ausreichend diskutiert schien und die Optionen auf dem Tisch lagen, formulierte der leitende Magistrat entweder einen Konsensbeschluss, der dann gebilligt wurde, oder er rief zur Abstimmung auf; dann gesellte sich ein jeder Senator zu demjenigen Wortführer, dessen Position er zustimmte (discessio, „Auseinandertreten“). Während der Verlauf der Umfrage die Ranghierarchie unter den Senatoren abbildete, waren diese beim Abstimmen alle gleich. Amtierende Magistrate hatten kein Stimmrecht. Der Senatsbeschluss (senat¯us consultum), formal nicht mehr als ein „Ratschlag“ für einen Magistrat, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, wurde unter Aufsicht der dazu abgeordneten Senatoren protokolliert und im Senatsarchiv abgelegt, wo er jederzeit einsehbar war, gegebenenfalls auch durch einen Magistrat publiziert oder Gesandten in Kopie mitgegeben. Der Vorsitzende hatte freilich auch die Möglichkeit, die Sitzung ohne Beschluss zu beenden. Interzedierte ein Volkstribun gegen einen formellen Beschluss, konnte der Wille des Senats als senat¯us auctoritas niedergelegt werden. Der Senat konnte prinzipiell über jeden die res publica betreffenden Gegenstand beraten, doch seine Domäne bildeten die Kriegs-, Herrschaftsund Außenpolitik im weitesten Sinn, mithin die Kernbereiche gemeindlichen Handelns. Dabei blieb die Arbeitsteilung in Kraft: Hinter dem „Ratschlag“ des Senats standen die geballte soziale Autorität und die geschichtliche wie praktische Erfahrung der regierenden Aristokratie, aber allein der Magistrat bündelte in sich die ganze Durchsetzungsmacht der res publica, die in Volksbeschlüssen, z. B. über Krieg und Frieden, bekräftigt werden konnte. Jedenfalls stellte das Verhältnis zwischen Senat und Magistratur „einen, vielleicht den eigentlichen Kern der römischen Verfassungsordnung“ dar (J. B). Der Senat ordnete unter anderem Aushebungen an und beschloss die notwendigen Geldmittel; er verlängerte imperia, vergab die provinciae durch Los an Magistrate und Promagistrate, erteilte diesen Anweisungen, stellte aus seinen Reihen Kommissionen für diplomatische Missionen und als Begleitung für Amtsträger zusammen, empfing und beschied auswärtige Gesandtschaften. Ferner fasste er Beschlüsse über die Beziehungen zu den Verbündeten innerhalb und außerhalb des römischen Herrschaftsgebiets. Außerdem entschied er, ob ein siegreicher Imperiumträger einen Triumph feiern durfte. Angesichts dieser Fülle konnte der Senat daher von außen leicht als Versammlung
Abstimmung
Zuständigkeiten des Senats
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Der Senat im Gesamtgefüge
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von Königen und als römische Regierung betrachtet werden (z. B. 1 Makkab. 8,14f.); bisweilen wurden gar einzelne Senatoren in einer Provinz wie Magistrate wahrgenommen und hofiert. Zugleich aber blieb es initiativberechtigten Amtsträgern (Konsuln, Volkstribunen) immer möglich, Anträge ohne Konsultation des Senats und gegen dessen mehrheitlichen Willen direkt vor eine Volksversammlung zu bringen und durchzusetzen. In der Kluft zwischen den spätrepublikanischen ‚Superaristokraten‘ und den Institutionen des Gemeinwesens offenbarte sich die rechtlich schwache Stellung des Senats: Selbst wenn er noch zu Beschlüssen kam, benötigte er doch immer Magistrate, die seinem Willen Geltung verschafften, sofern die anderen Institutionen ihm nicht einfach folgten. In diesem Sinne konnten einzelne besonders ehrgeizige und eigensinnige Nobiles den Senat einfach Senat sein lassen und ihre Agenda an ihm vorbei durchsetzen. Es hängt für die Einschätzung des politisch-institutionellen Systems insgesamt viel davon ab, ob man von den vielen Fällen routinierter oder konsensualer Unstrittigkeit ausgeht, die es auch im 1. Jahrhundert noch zuhauf gab – aus dieser Sicht blieb der Senat sehr stark –, oder ob man die Konfliktfälle aufruft. In diesen war der Senat nach 133 nur noch ein Akteur unter mehreren und bildete sich politischer Wille in einer Gemengelage von Senatsbeschlüssen, magistratischen Alleingängen, kollegialen oder tribunizischen Einsprüchen sowie drohenden Interventionen der stadtrömischen Plebs oder des Militärs heraus. Die dialektische Verschränkung von Zentralität und Marginalisierung des Gremiums im Laufe des 1. Jahrhunderts zeigte sich schließlich darin, dass die Machthaber Caesar und Oktavian den Senat massenhaft mit ihren Parteigängern auffüllten und auf diese Weise transformierten. Zugleich blieb das Gremium aber für die Formierung aristokratischen Selbstbewusstseins wesentlich. Der Senat war auch in einer Monarchie für die Herrschaft über das Reich unverzichtbar, weswegen Augustus viel Geduld und Mühe darauf verwendete, ihn wieder ‚aufzubauen‘ und arbeitsfähig zu machen.
4.3 Das römische Volk (populus Romanus) 4.3.1 Zugehörigkeit und individuelle Privilegien Civitas Romana als Identitätsmarker
Das soziale Leben des Menschen war und ist von mehrfachen Zugehörigkeiten und Identitäten geprägt, die einander überlagern und je nach Situation aktuell sind. Ein freier Römer gehörte stets einem Haus und einer Kultgemeinschaft an. Hinzu kam unter Umständen die Einbindung in eine organisierte Berufsgruppe, eine Klientel, einen Nachbarschaftsund Siedlungsverband, einen Verein oder eine militärische Einheit. Die Identität als römischer Bürger (civis Romanus) war in rechtlicher und poli-
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tischer Hinsicht zweifellos von großer Bedeutung, aber die vielen anderen Zugehörigkeiten und die generell hierarchische Struktur der jeweiligen Formation warnen davor, das römische Bürgerrecht (civitas Romana) ohne Umstände als ein juristisch und politisch klar fassbares Abstraktum zu bestimmen, das noch dazu wie in der athenischen Demokratie alle anderen Identitäten überlagert hätte. Vielmehr war das Bürgerrecht in Rom schon rein formal differenziert; es konnte auf verschiedene Weise erworben und ausgeübt werden. Freilich gab es Vereinheitlichungsschübe, die mit einer gewissen Abstraktion und politischen Überhöhung des Bürgerrechts einhergingen. Dies geschah zunächst im Binnenraum der Gemeinde im Zuge der sog. Ständekämpfe (s. o.4.1.4), die nicht zuletzt durch eine politische Aufwertung des Bürgerrechts der Plebeier beigelegt wurden, dann ab den 120er-Jahren im Ringen vieler italischer Gemeinden um Gleichberechtigung durch Aufstieg in den vollen römischen Bürgerstatus. Dieses Ringen eskalierte im Bundesgenossenkrieg (91–89, s. o. 3.5). Jenseits aller Differenzierungen markierte das römische Bürgerrecht zunächst die individuelle Qualität einer Person mit bestimmten Pflichten und Privilegien. Es wurde auf drei Weisen erworben: von Bürgern durch eheliche Geburt von römischen Eltern, von Sklaven auf dem Wege der Freilassung durch einen römischen Herrn (manumissio), von Fremden als individuell oder kollektiv durch einen römischen Amtsträger gewährte Anerkennung von Verdiensten. Der Rechtsstatus eines römischen Bürgers realisierte sich individuell als Vorzug vor allem in ethnisch-politischen Gemengelagen. So konnten nur römische Bürger, nicht aber Italiker Land durch die Umwandlung von öffentlichem Grund (ager publicus) zu Privateigentum erhalten, und in einer Provinz waren cives Romani zumindest prinzipiell besser vor einem Übergriff durch römische Amtsträger geschützt als die einheimischen Fremden (peregrini). Seit 167 zahlten römische Bürger keine Kriegssteuer (tributum) mehr. Gerade ‚von außen‘ gesehen konnte Römer-Sein daher als erstrebenswertes Privileg erscheinen. Die Römer vertrauten umgekehrt der individuellen Prägekraft der Zugehörigkeit zur res publica und sie konnten mit gutem Grund auch von ehemaligen Sklaven und Fremden Loyalität, Anpassung und eine Stärkung der römischen Ressourcen erwarten. Die angeblich seit den Anfängen der Stadt praktizierte Offenheit nach außen, die sich auch in der vergleichsweise großzügigen Handhabung des Bürgerrechts niederschlug, wurde bereits in der Antike als Instrument des imperialen Erfolgs der Römer erkannt (Syll.3 543; ILS 212; Tac. ann. 11,24). Das Bürgerrecht bildete zweifellos ein kalkuliert eingesetztes Herrschaftsmittel: Es konnte in reduzierter Form besiegten Gemeinden aufgezwungen wie auch einsatzwilligen Notabeln latinischer Städte als Belohnung für die Übernahme städtischer Ämter verliehen werden. Gleichzeitig war das Bürgerrecht Teil des Pathos republikanischer Gemeindestaatlichkeit (s. u. 4.3.2): Die Römer schränkten nicht etwa die Zwangs- und Strafbefugnisse ihrer oberen Amtsträger grundsätz-
Individuelles Recht – Statusmarker – Herrschaftsmittel
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Bürgerschaft als Kollektiv
Census und Bürgerzahlen
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lich ein, sondern gaben (nur) den eigenen Bürgern mit der „Berufung an das Volk“ (provocatio ad populum) ein Schutzrecht als wertvolles Privileg. Die Vergrößerung der Bürgerschaft auch weit über die Grenzen der Stadt Rom und des älteren ager Romanus hinaus stellte, wie es scheint, kaum ein Problem dar, anders als in der sehr viel stärker auf Exklusivität achtenden griechischen Polis. Nur im Vorfeld und Nachgang des Bundesgenossenkrieges gab es zeitweise eine auf Privilegien und Interessen der Altbürger ausgerichtete Agitation. Das quantitative Anwachsen der Bürgerschaft wurde für das politische System, in dem das Volk eine wichtige Rolle spielte (s. u. 4.3.3), offenkundig nicht als Bedrohung angesehen. Die volle Nutzung des Bürgerrechts durch erwachsene männliche Personen war zusätzlich durch Alter, Vermögen, Wohnort, Beruf, Herkunft, Sozialstatus und die jeweils aktuellen Möglichkeiten bestimmt. Versammelten sich römische Bürger als solche in größerer Zahl, zumal bei den bürgerschaftlichen Inszenierungen („civic rituals“), zu denen Wahlen und Abstimmungen, Kultfeste und Spiele, Triumphzüge und politische Kundgebungen gehörten (s. u. 5), gewann das Bürgersein eine kollektive Dynamik und vermochte Identitätsenergien freizusetzen. Aber auch bei diesen Anlässen traten die cives nicht als uniforme Masse, sondern in gegliederten Formationen zusammen: in den 35 territorial definierten Tribus, noch sehr viel stärker differenziert in den 193 nach Vermögen eingeteilten Centurien. Auch im Theater und im Circus hatten zumindest die Ritter und Senatoren als vornehmste Stände (ordines) gesonderte Sitze, und die politischen Kundgebungen in den 50er-Jahren mobilisierten und organisierten die stadtrömische Plebs nach Lebenszusammenhängen wie Nachbarschaft und Beruf. Im alle fünf Jahre abgehaltenen census (regulär letztmals 70/69) manifestierten sich wichtige Dimensionen des römischen Bürgerrechts: Er konstituierte die Bürgerschaft jedes Mal neu, machte also ihre ein Stück weit gestaltbare Zusammensetzung deutlich. Gleichzeitig wies er jedem Bürger seinen Platz nach Tribuszugehörigkeit, Vermögen und Ansehen zu, was dem Wettbewerb zugute kam und die Formierung stärkte. Und er demonstrierte in stets aktuellen Zahlen die beeindruckende Wehrkraft und damit die Überlegenheit Roms über alle potentiellen Gegner. Mit den überlieferten Censuszahlen ist auch das Problem der absoluten Kopfzahl der römischen Bürgerschaft und der zuletzt in der Forschung stark diskutierten demographischen Entwicklung in Italien angesprochen. Damit ließe sich leicht ein dickes Buch füllen; zudem beziehen sich die Angaben wegen der offenbar uneinheitlichen Bemessungsgrundlagen auf verschiedene Teilmengen der Gesamtbürgerschaft. Als Tendenz lässt sich sagen, dass die Bürgerschaft etwa zwanzig Jahre nach dem Einschnitt des Hannibalkrieges den Stand des 3. Jahrhunderts (260 000–290 000) wieder erreichte und die Censuszahlen von ca. 260 000 im Jahr 189/8 auf 318 000 (131/0) bzw. 394 000 (115/4) anstiegen. Nach dem Bundesgenossenkrieg
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dürfte eine Größenordnung von 900 000 Bürgern anzunehmen sein. Diese Zahl wuchs im Zuge der Erweiterung des Bürgergebiets um Oberitalien (Transpadana) durch Caesar sowie aufgrund von Veteranenansiedlungen und außeritalischen Koloniegründungen wohl nochmals um eine halbe Million. 28 ergab der erste augusteische Census (auf wesentlich erweiterter Grundlage) gut vier Millionen Bürger. Strikt von den Bürgerzahlen, die Frauen, Kinder, Sklaven und ortsansässige Bürger anderer Städte (incolae) nicht einschließen, zu trennen ist die Einwohnerzahl der Stadt Rom; hier mag ein Ansatz von mindestens 500 000 Köpfen für die ausgehende Republik als plausibel gelten. 4.3.2 Das Pathos der res publica: libertas, maiestas, concordia
Zur Identität der römischen Bürgerschaft, wie sie sich vor allem in den erwähnten civic rituals manifestierte und festigte, gehörten auch positive Wertkonzepte. Sie zu besitzen, gemeinsam zu leben und um sie zu ringen hob den römischen Bürger von Italikern und Fremden (Peregrinen) ab und pflanzte ihm ein starkes Selbstbewusstsein ein, das sich auch in kritischen Lagen bewährte. Doch wurden diese Konzepte, die sich in Geschichten, Ritualen, Bauten und Bildern ausdrückten (erst spät und randständig in theoretischer Systematisierung), auch immer wieder rhetorisch-politisch besetzt und in einem parteiischen Sinn umgeprägt. Drei von ihnen seien hier stellvertretend skizziert. Die historische Entwicklung des römischen Konzepts von Freiheit (libertas) lässt sich idealtypisch als Erweiterung verstehen: Errungen vom Adel gegen die Monarchie erstreckte sich die Freiheit im Zuge der sog. Ständekämpfe auch auf den populus Romanus insgesamt. Sie umfasste die (im römischen Recht scharf markierte) persönliche Freiheit des Bürgers in Opposition zur Existenz als Sklave, ferner Rechtssicherheit und die Möglichkeit zur politischen Willensäußerung, schließlich – negativ – den Schutz gegen Übergriffe durch Amtsträger, gesichert im Volkstribunat und im Provokationsrecht, sowie gegen Missbrauch der Amtsgewalt generell. Das lag auch im Interesse der Elite, wie überhaupt der Gedanke der Freiheit zunächst nicht gegen die herrschenden sozialen Verhältnisse ausgespielt werden konnte. Ihrem überwiegend beschränkenden Charakter entsprechend drückte diese sich zuvörderst in Institutionen, zumal in Gesetzen aus. In der ausgehenden Republik konnte libertas als Schlagwort in einem partikularen Sinn mobilisiert und gegen eine angebliche Cliquenherrschaft der Nobilität (factio paucorum) herbeizitiert werden, aber auch – unter Verweis auf die mythhistorisch verklärten Anfänge der Republik – gegen eine tyrannisgleiche Stellung mächtiger Einzelpersonen. Selbst Augustus, der erfolgreichste Partei- und Heerführer der zerbrechenden Republik, stellte seine politischen Anfänge rückblickend unter die libertas-Parole (Res Gestae 1). Libertas war in der Republik durch mehrere Bauten für
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Eintracht
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ihre Personifikation präsent, darunter das Atrium Libertatis (Amtssitz der Censoren) und zwei Heiligtümer auf dem Aventin (für Libertas und Iuppiter Libertas). Die Macht und Hoheit des römischen Volkes, der res publica und ihrer höchsten Beschluss- und Exekutivorgane manifestierten sich im Begriff maiestas, der (wie magistratus) von „mehr“ und „größer“ abzuleiten ist und durch die frühe Verbindung mit den Göttern in die Sphäre des Sakralen, Unantastbaren hineinragte. Das so formulierte Selbstbewusstsein einer unumstößlichen Überlegenheit Roms ging sogar in völkerrechtliche Verträge ein. Symbolisch sichtbar war die maiestas der Obermagistrate in den Liktoren. Als in der Späten Republik die Machtverteilung zwischen Volk, Senat und Magistratur strittig wurde, fasste man in Gesetzen verschiedene Delikte, darunter Hochverrat, bewaffneten Aufruhr, Besetzung öffentlicher oder sakraler Gebäude sowie Angriff auf einen Amtsträger oder Zeremonien der res publica, als „verbrecherische Hoheitsverletzung“ (crimen laesae maiestatis). 103 oder 100 wurde dafür ein eigenes Verfahren (quaestio) mit zuständigem Gerichtshof (s. u. 4.4) eingerichtet. Wie der Zusammenhalt der Bürgerschaft im Laufe der Republik immer wieder als bedroht betrachtet wurde, zeigen die verschiedenen der personifizierten „Eintracht“ (concordia) geweihten Heiligtümer. Belegt sind ein kleiner Schrein auf dem Forum, den Gnaeus Flavius als Ädil 304, also gegen Ende der sog. Ständekämpfe, aus Bußgeldern errichten ließ, ein 218 von dem Prätor Lucius Manlius aus Anlass einer Heeresrevolte in Gallien gelobter Tempel auf dem Kapitol – auch der Gehorsam des Heeres und der Konsens unter Amtsträgern konnten mit concordia beschworen werden – sowie der von Lucius Opimius (cos. 121) geweihte Tempel auf dem Forum, der den blutig errungenen Sieg über die gracchische Bewegung als Wiederherstellung des Konsenses auszuflaggen suchte. Er wurde deshalb bitter aufgenommen, diente aber dem Senat in der Folgezeit oft als Versammlungsort. Seit 62 erschien Concordia personifiziert auf Münzen. Ciceros Versuch in den 50er-Jahren, die politischen Verwerfungen auf der Basis einer „Eintracht der Stände“ (concordia ordinum) zu heilen, zeigt besonders deutlich, dass dem scheinbar auf Versöhnung ausgerichteten Begriff auch das Potential zu spalten innewohnte, im Sinne einer scharfen Ausgrenzung von „Feinden“. Von den drei genannten Leitkonzepten war concordia gewiss am stärksten ideologisch aufgeladen; sie durch Sakralisierung außer Diskussion zu stellen gelang offenbar nicht. 4.3.3 Versammelte Bürger und politische Teilhabe
Höchste Gewalt = Volkssouveränität = Demokratie?
Die Rolle des versammelten Volkes in der römischen Republik war zuletzt Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten. Gewiss ‚machte‘ in Rom die Elite die Politik; gleichzeitig zweifelte kein Römer daran, dass dem Volk die „höchste Gewalt über alle Dinge“ (summa potestas omnium
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rerum, Cic. har. 11) zukam. Man hat versucht, die komplexen Verhältnisse in das Schema antiker Begrifflichkeiten zu bringen, und in diesem Sinne die Bezeichnung ‚Demokratie‘ gebraucht, weil die Versammlungen aller Bürger in Rom regelmäßig Gesetze beschlossen und die Amtsträger wählten. Doch die Republik war weder eine Demokratie noch eine kaschierte Oligarchie, und auch das Etikett „Mischverfassung“ zeigt nur, dass die kategorienarme antike Theorie mit der simplen Frage „Wer herrscht?“ wenig hilfreich ist. Neuere, juristisch akzentuierte Entwürfe haben die in der Frühen Neuzeit aufkommende Frage nach dem Sitz der Souveränität, also der (wie auch immer ausgeübten) letzten und höchsten Entscheidungsgewalt, auf Rom bezogen. T. M hat von der „idealen Gemeindesouveränetät“ gesprochen, jedoch darauf verwiesen, dass in Rom Magistratur und Volk untrennbar miteinander verschränkt waren, da keine der beiden Größen für sich genommen praktisch handlungsfähig oder auch nur logisch denkbar gewesen sei: Die Magistrate wurden vom Volk gewählt und mit ihren Befugnissen ausgestattet; das Volk aber konnte sich ohne Anordnung eines Magistrats gar nicht zu einer entscheidungsbefugten Versammlung zusammenfinden – es existierte als populus nur durch die magistratische Handlung. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung entstanden mehrere Volksversammlungen. In ihnen war der einzelne Bürger jeweils Teil einer Stimmkörperschaft, und das einzelne Votum kam nur vermittelt über diese zum Ausdruck, anders als in der athenischen Ekklesia, wo alle Stimmen gleich und unmittelbar zählten. Jede gesamtgemeindliche Versammlung in Rom hieß daher im Plural comitia, und auch hier zeigt sich eine Variante des Grundgedankens, die handelnden Einheiten mit einem starken und einheitlichen Willen auszustatten. Die älteste Versammlung in den comitia curiata reicht wohl bis in die Königszeit zurück. Sie beruhte womöglich auf genossenschaftlicher Grundlage (*co-*vir-, „Männerbund“) und mag die Clanstruktur einer frühen Gesellschaftsformation gespiegelt haben. In historischer Zeit gab es 30 Kurien. Die c. curiata scheinen sich in der Späten Republik nur noch gleichsam virtuell, in Gestalt von 30 Liktoren versammelt zu haben, um in bestimmten Adoptions- und Testamentsfällen zu beschließen sowie die Übertragung eines imperium sakralrechtlich-formell zu bekräftigen (lex curiata de imperio; o. 4.1.1). Die comitia centuriata, der Legende nach von König Servius Tullius eingerichtet, wurzelten offenbar in der Heeresversammlung, weshalb ihr Versammlungsort das Marsfeld außerhalb des pomerium war. Historisch gehören ihre Anfänge wohl ins 5. Jahrhundert. Im Zwölftafelgesetz (IX 1-2) sind sie unter der Bezeichnung comitiatus maximus für Appellationen über Kapitalstrafen zuständig. Später entschieden sie über Krieg und Frieden, wählten die höchsten Magistrate (Censoren, Konsuln, Prätoren, kurulische Ädile) und fällten (bis Mitte des 2. Jahrhunderts)
comitia curiata
comitia centuriata
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comitia tributa
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Urteile in politisch wichtigen Comitialprozessen. Die c. centuriata organisierten die gesamte Bürgerschaft gegliedert nach Vermögensklassen, wodurch bis dahin schwach vertretene Geschlechter oder auch gentil nicht zugeordnete Bürger (Plebeier) größeres Gewicht erhalten haben könnten. Ab dem Ende des 3. Jahrhunderts bestanden die c. centuriata aus 18 Centurien der Ritter und 175 Centurien der übrigen Bürger; von diesen stellte die erste classis 70 Centurien, während in der zweiten bis fünften Klasse wohl jeweils 20 oder 30, zusammen 100 Centurien versammelt waren. Hinzu kamen vier Spezialcenturien (Heeresingenieure und -musiker). Die große Masse der besitzlosen Bürger (proletarii), nach Köpfen vielleicht fast so zahlreich wie die Mitglieder aller anderen Centurien zusammen, stellte lediglich einen Stimmkörper. Allein die Ritter und die erste Klasse zusammengenommen machten fast die Stimmenmehrheit der Versammlung aus. Dieses Übergewicht verstärkte sich in der Praxis noch dadurch, dass die Abstimmung stets bei den Centurien der Ritter, später der ersten Klasse begann und nur so lange fortgesetzt wurde, bis eine Mehrheit erzielt war (s. u.). Andererseits markierte die Konstruktion der Stimmgewichte keine Übermacht der reichsten Bürger, die die Rittercenturien ausmachten. Vielmehr lag das Hauptgewicht auf den wohlhabenderen grundbesitzenden Bauern, die allein in den zwei oberen classes schon etwa die Hälfte der gesamten Versammlung auf die Waage brachten. Außerdem war die Hälfte der Centurien und damit der Stimmen einer jeden Klasse den älteren Bürgern (seniores) ab dem 46. Lebensjahr vorbehalten; diese aber waren wegen der Altersstruktur der Bürgerschaft viel geringer an Zahl als die iuniores. Hinzu kam eine wohl zwischen 241 und 218 eingeführte und im Detail schwer zu durchschauende Verknüpfung der Einteilung nach Vermögen mit dem Lebensmittelpunkt, durch die offenbar Bürger aus den ländlichen Tribus, die seltener an den Wahlen teilnahmen als Stadtbewohner, ein größeres Gewicht erhielten. Solider Landbesitz und erfahrene Berechenbarkeit sollten also die (Wahl-)Entscheidungen dieser Versammlung bestimmen. Anders sah das bei den nach den 35 Tribus gegliederten Comitien aus, in denen der Wohnort für die Zugehörigkeit maßgeblich war. Allerdings hatten auch hier die Besitzenden ein Übergewicht, da die 31 Landtribus die vier städtischen bei weitem majorisierten. Wie alt und wie wichtig die c. tributa tatsächlich waren, ist strittig; jedenfalls sind sie meist nicht von der Plebeierversammlung (concilium plebis, s. o. 4.1.4) zu unterscheiden, die ebenfalls nach Tribus gegliedert war und deren Beschlüsse ab 287 für die Gesamtgemeinde verbindlich waren. Die formalen Unterschiede – nur in den comitia tributa stimmten auch Patrizier ab; sie wurden von Magistraten geleitet, das concilium plebis von Volkstribunen – spielten faktisch keine Rolle. Die Wahlen der niederen Magistrate, alle Gesetzesbeschlüsse und viele weitere Entscheidungen wurden ab dem 3. Jahrhundert in einer
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Tribusversammlung gefasst, die einfacher einzuberufen war und durch die zeitlich parallele Stimmabgabe der einzelnen Abteilungen schneller zu einem Ergebnis kam als die schwerfälligen Centurien. Die comitia dienten allein der formalen Feststellung des Volkswillens durch Abstimmung, nicht der Beratung. Daneben gab es jedoch die nichtabstimmende „Zusammenkunft“ (contio), in der ein Volkstribun oder ein anderer Magistrat, meist ein Konsul oder Prätor, ein Vorhaben erläuterte, über die Lage informierte bzw. für oder gegen einen anstehenden Beschluss zu mobilisieren suchte. Alle überlieferten Reden Ciceros „vor dem Volk“ wurden ursprünglich vor contiones gehalten, und hier war der Ort der politischen Rhetorik in Rom. Auch Nicht-Magistrate, besonders oft Amtsbewerber, durften in der contio sprechen, wenn ein Amtsträger sie dazu einlud. Zurückgefragt oder diskutiert wurde während der contio nicht, aber die (stehenden) Zuhörer konnten durch Beifall, Zwischenrufe, Unmutsbekundungen, Sprechchöre, Drohgebärden oder schlichtes Weggehen ihre Meinung deutlich machen – so manche Vorhaben, etwa Gesetzesinitiativen, scheinen schon in dieser Phase der Meinungsbildung gescheitert zu sein und kamen gar nicht zur förmlichen Abstimmung. Dadurch konnte nicht selten die beschließende Volksversammlung vom Aufbrechen eines Dissenses oder sogar offenen Zwistes gleichsam abgeschirmt werden. Der beschließenden Versammlung musste umgekehrt immer mindestens eine contio vorangehen, um die Bewerber bzw. den Beschluss- oder Gesetzesantrag bekanntzumachen. In Prozessen vor den iudicia populi wurden bei dieser Gelegenheit die Plädoyers gehalten, jedenfalls bis 149, bevor mehr und mehr Prozessgegenstände vor Geschworenengerichtshöfen (quaestiones) verhandelt wurden (s. u. 4.4). Contiones waren also ein relativ ‚freies‘, anders als die comitia auch nicht an bestimmte Tage im Kalender gebundenes Medium der politischen Kommunikation. Sie bargen große Chancen, Beliebtheit beim Volk zu gewinnen oder zu demonstrieren, aber auch das Risiko eines Gesichtsverlustes. In der dort geübten Redepraxis formte sich ein Diskurs, ging es also nicht nur um Information, Manipulation und Mobilisierung, sondern generell um das im gemeinsamen Raum der res publica Sagbare. Contiones scheinen im ansonsten stark ritualisierten politischen Betrieb auch am ehesten ‚sportliche‘, experimentelle und theatralische Züge getragen zu haben. Selbst gegensätzliche Bekundungen ‚des Volkes‘ in verschiedenen Versammlungen zum gleichen Thema waren kein Problem, da es dort nie um das Ermitteln eines stabilen Gesamtwillens ging – nur das Hier und Jetzt jeweils einer Ansprache und die Interpretationshoheit über Verlauf und Stimmung zählten. Im direkten Gegenüber einer schwierigen contio ‚gestanden‘, in einer Serie von Versammlungen Präferenzen der Zuhörer richtig ‚gelesen‘, am Ende vielleicht sogar verändert und zu einem abstimmungsstabilen Willen formiert zu haben, all das gehörte zu den Qualitäten eines angesehenen Politikers. Berechenbar waren contiones umso weniger, als die Zusammensetzung der Zuhörer-
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Ja-Nein-comitia
I. Enzyklopädischer Überblick
schaft keiner formalen Regel unterlag; dennoch konnte sich kein Redner trauen, eine feindselige Versammlung öffentlich als zusammengelaufen, irregeleitet oder gekauft zu beschimpfen – allenfalls verwies er auf seine Autorität und ein überlegenes Wissen um die Belange der res publica (Val. Max. 3,7,3). Die Teilnahme von Fremden oder gar Sklaven wurde aber bisweilen thematisiert; ihretwegen wurde des Platzes verwiesen, wer nicht abstimmen durfte, wenn der leitende Magistrat die Bürger zum Votum aufrief, die contio also in eine der comitia überführte. In Dynamik und Ziel unterschieden sich Wahl-comitia von beschließenden Versammlungen. Bei Letzteren fällt auf, dass sie dem vorgelegten Antrag – Entscheidung über Kriegserklärung oder Friedensschluss, Verabschiedung eines normativen Gesetzes, Beauftragung einer Kommission oder eines außerordentlichen Imperiumträgers u. a. – so gut wie immer zustimmten. Zu den wenigen Fällen einer Ablehnung gehört die Weigerung der comitia centuriata im Jahre 200, die Kriegserklärung an Philipp V. von Makedonien zu beschließen. Sogleich formierte die Nobilität ihre Reihen und rief den einen Volkstribunen, der gegen den erneuten Krieg so kurze Zeit nach dem bitter errungenen Sieg über Hannibal agitiert hatte, zur Ordnung. In Gegenwart der versammelten Elite wies der Konsul Sulpicius Galba in einer contio das Volk unter Hinweis auf einschlägige historische Beispiele an, nunmehr zu beschließen, „was der Senat für gut befunden habe“ – so geschah es dann auch (Liv. 31,6,3–8,1). Die Option, den Antrag abzulehnen, hatte sich offenbar aus einem zwischenzeitlich möglichen Dissens in der politischen Klasse ergeben, ablesbar am Verhalten des Volkstribunen; mindestens war der starke Wille des Senats zunächst nicht so sichtbar gewesen. Als aber die Elite den Konsens wiederhergestellt hatte und sich demonstrativ für den Antrag aussprach, genügte ihre Autorität, die Entscheidung ins Gegenteil zu wenden. Vereinfacht kann man sagen: Wenn die Nobilität einig war und ihren Willen deutlich kundtat, etwa durch einen Senatsbeschluss, bedeutete die Zustimmung der comitia zu einem Antrag keine Entscheidung, sondern sie stellte einen politischen Konsens ins Fenster, eine Zustimmung und Bekräftigung nicht allein in der vorgelegten Sache, sondern auch immer hinsichtlich der Führung der res publica durch die politische Klasse. Auch in der Abstimmung über Anträge ist die erwähnte Grundfiguration der römischen Ordnung erkennbar: Ein Wille sollte so klar wie möglich artikuliert werden und machtvoll in Erscheinung treten, weil hinter ihm jeweils die gesamte soziale Einheit – hier die res publica – stand. Über die Intensität einer Akklamation, mit der sich ein Konsens viel schneller hätte artikulieren lassen, könnte man immerhin streiten. Wenn aber Centurie für Centurie, Tribus für Tribus in einem genau choreographierten Verfahren ihren Willen erklärten, nachdem die jeweils aufgerufenen Bürger zunächst einzeln durch Absperrungen über eine Brücke zur Stimmurne gegangen waren und ihr Votum abgegeben hat-
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ten (VR = uti rogas, „wie du beantragst“; A = antiquo, „ich belasse es beim Alten“) sowie anschließend die Stimmen jedes Stimmkörpers ausgezählt und deren Mehrheit als einheitliches Gesamtvotum laut bekanntgegeben worden war, dann wohnte der so aufwendig, zeitraubend und ritualisiert erzielten Zustimmung eine unvergleichliche Wucht inne. Ganz in diesem Sinne wurde nicht bekanntgegeben, ob die Abstimmung innerhalb eines Stimmkörpers knapp oder eindeutig ausgefallen war: Ob intern 51 zu 49 oder 85 zu 15, jede Centurie, jede Tribus bekundete genau einen entschiedenen Willen. Aus dem gleichen Grund wurde die Abstimmung (wie auch die Wahl) sofort abgebrochen, sobald die Mehrheit von 97 Centurien oder 18 Tribus erzielt war; die Hälfte plus eins stand für das gesamte Volk. Und nur aus dem Streben nach einem einheitlichen Willen um jeden Preis ist zu erklären, warum die Römer nie daran zweifelten, dass die an den comitia jeweils aktuell teilnehmenden Bürger das Gesamtvolk darstellten und ihr erklärter Wille der Wille der res publica war, obwohl schon im 3. Jahrhundert nur ein kleiner Bruchteil der Bürgerschaft nach Rom kommen und dort votieren konnte. Im 1. Jahrhundert dominierte zumal in den comitia tributa bzw. dem concilium plebis vollends ein Ausschnitt aus der stadtrömischen Plebs und damit ein weder soziologisch noch politisch repräsentativer Teil der Bürgerschaft; aus den 31 Landtribus dürften damals überwiegend in die Stadt zugewanderte Römer teilgenommen haben. Aber anders als im demokratischen Athen gab es in Rom keinen ideologischen Druck, sich durch die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen aktiv an der res publica zu beteiligen und so ein guter Bürger zu sein. Gegen den „Schmutz“ und das „Schiffsbodenwasser“ (Cic. Att. 1,16,11; 19,4) der Stadt, der sich in den Versammlungen einfand, konnten Nobiles intern wettern; diese etwa durch ein Repräsentativorgan zu ersetzen, kam niemandem in den Sinn. Das Bemühen, in den comitia qualifizierte Teile für das Ganze zu erklären und in der eigenen Bürgerschaft, aber auch nach außen, unerschütterlichen Konsens und machtvollen Willen zu demonstrieren, manifestierte sich auch in der Institution der praerogativa centuria. Dabei wurde eine Centurie aus der 1. Klasse ausgelost, die ihr Votum als erste abgab. Da die Centurien – anders als die Tribus – nacheinander abstimmten, konnte das Votum der „vorab Befragten“ bekanntgegeben werden, bevor die anderen Stimmkörper in Marsch gesetzt wurden. Diese schlossen sich dann meistens dem Willen der praerogativa an. Das war bei den Wahlen besonders wichtig, da hier viele Bürger die Bewerber gar nicht kannten und das Votum der praerogativa als Richtschnur für ihre kurzfristige Entscheidung nahmen; dieses Votum hatte also einen den ‚Wählerwillen‘ erst schaffenden, mindestens bündelnden Effekt. So konzentrierten sich bei den Konsulwahlen 54 angesichts einer wenig profilierten Bewerberschar die großzügig verausgabten Bestechungsgelder auf diese eine Centurie.
Einheit des bekundeten Willens
praerogativa centuria
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64 Probleme der mächtigen comitia
Bindewirkung und Nachhaltigkeit
Leges publicae
I. Enzyklopädischer Überblick
Die Probleme aus der skizzierten Praxis, wirklich jedes formell zustandegekommene Votum der abstimmenden Versammlungen als bindenden Willen des gesamten Volkes zu heiligen, liegen auf der Hand. Zum einen gab es kein Gremium oder Verfahren, das prüfte, ob der Beschluss zu früheren Beschlüssen oder gar der Gesamtordnung der res publica im Widerspruch stand, wie das in der entwickelten athenischen Demokratie des 4. Jahrhunderts praktiziert wurde. Normative, also für die Zukunft bindende Gesetze (leges) wurden in Rom selten formal wieder aufgehoben (abrogiert); allerdings konnte man sie einfach ignorieren, solange es niemanden gab, der auf ihre Einhaltung pochte und in ihrem Sinne tätig wurde, etwa durch Anklagen gegen Zuwiderhandelnde. Eben diese Strategie, unter einem gefassten Beschluss gleichsam hindurchzutauchen und darauf zu setzen, dass im folgenden Jahr mit anderen Amtsträgern die Politik in eine andere Richtung laufe, dürfte von der Mehrheit der regierenden Klasse oft verfolgt worden sein – nicht alles, was missfiel, musste mit vollem Einsatz verhindert werden. Einen unwillkommenen Beschluss nachhaltig zu machen hing umgekehrt von verschiedenen Bedingungen ab; nur wenn diese gegeben schienen, konnten sich die Gegner genötigt sehen, alle Register zu ziehen. Aus der Perspektive der Antragsteller hieß das: Nicht wenige Gesetzesanträge (rogationes) oder auch gerichtliche Anklagen wurden von ihnen vorgetragen, um bekannt zu werden und um ein gewünschtes Image zu erhalten. Außerdem demonstrierten Gesetzesanträge und -beschlüsse die Handlungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Nobilität bzw. eines aufstrebenden Volkstribunen und zugleich die Einbindung des Volkes in den politischen Prozess. In den auf Antrag beschlossenen Gesetzen (leges rogatae) war der Gedanke der jederzeit aktualisierbaren maiestas des Volkes stark präsent. Deshalb kann die Verwendung des Begriffs Gesetz täuschen: Während in modernen Gesellschaften Gesetzgebung als ein ausgeklügeltes und wirksames Instrument der Steuerung politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse gilt, war der Status der Gesetze im politischen System der Republik ein anderer. Schon die Übersetzung von lex (publica) mit „Gesetz“ ist problematisch, wenn das moderne Verständnis zugrundegelegt wird. Unter lex publica fassten die Römer alles, „was das Volk befiehlt und festsetzt“ (Gaius 1,3), also eine in die Zukunft gerichtete Satzung ebenso wie situationsbezogene Einzelfallanordnungen, z. B. Kriegserklärungen. Die (Privat-)Rechtsordnung hingegen wurde überwiegend durch das Edikt des Stadtprätors und ihn beratende rechtskundige Mitglieder der Aristokratie weiterentwickelt. Insgesamt gehört die Gesetzgebung daher auch ins Feld der politischen Kultur und der kommunikativen Erzeugung des Politischen in Rom, zusammen mit Senatsberatungen und -beschlüssen, censorischen Amtshandlungen, Volksversammlungen, Umzügen und Wahlkämpfen (s. u. 5).
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In jedem Fall stattete ein Volksbeschluss den Antragsteller – hinter dem in der Regel noch eine Gruppe von aristokratischen Unterstützern stand – mit dem ungeteilten Willen der res publica aus. War in der verhandelten Sache die Nobilität erkennbar gespalten, konnte ein Beschluss der Comitien also von einer Konsensinszenierung oder Aktivitätsdemonstration zu einer echten Entscheidung, sogar zu einer Kampfansage an die momentan ohnmächtige Nobilität werden. Ein Riss tat sich auf, wenn eine Seite es vermochte, das abstimmende Volk zu instrumentalisieren und rechtlich einen beschlossenen, einheitlichen Willen der gesamten Bürgerschaft herzustellen, der nicht auf einem vorgängigen politischen Konsens oder einem ausgehandelten Kompromiss basierte, wie er sich in einem Senatsbeschluss niederschlug. Das geschah in den meisten Abstimmungen zu den ‚popularen‘ Themen seit 133 (s. u. 5), also über Landverteilungen, subventioniertes Getreide, die Besetzung der Geschworenengerichte, die Handhabung von Notstands- und Verhinderungsmaßnahmen, die Zuweisung einzelner Provinzen an bestimmte Magistrate oder die Bestallung von außerordentlichen Imperiumträgern. Im Extremfall stand ein antragstellender Magistrat mit den comitia gegen den Senat. Bezeichnenderweise wurde in solchen Fällen dann auch häufiger versucht, den durchgebrachten Beschluss gegen Revisionen zu schützen, etwa durch einen erzwungenen Eid der Senatoren auf ein kontroverses oder gar mit Gewalt durchgesetztes Gesetzeswerk. Die Gegenseite zog alle Register, um einen Beschluss zu verhindern oder dessen Gültigkeit wegen gesetzwidrigen Zustandekommens zu leugnen. Eine solche Frontstellung prägte etwa das Konsulat Caesars (59). Doch selbst bei extrem um- und bekämpften Anträgen, bis hin zu solchen, die nur gewaltsam (per vim) durchgedrückt werden konnten, bot die Gesetzesförmigkeit einen Mehrwert, wenn nicht an echter Legitimität, so doch an Akzeptanz durch die Bindung an ein etabliertes Verfahren. Abstimmungen über Gesetze sowie die Wahlen bildeten jeweils den Höhepunkt eines mehrstufigen politischen Prozesses. Zunächst wurde das Gesetzesvorhaben (rogatio) durch öffentlichen Aushang und begleitende contiones mindestens siebzehn Tage vor der Abstimmung bekanntgemacht (promulgatio) bzw. taten Bewerber durch öffentliches Herumgehen (ambitus) ihre Absicht kund und meldeten sich beim Wahlleiter. Ging es um das Konsulat, trugen sie eine schneeweiße Toga (t. candida, daher candidatus). Bei den Wahlkämpfen spielten Inhalte oder Sachaussagen in der Regel keine Rolle, vielmehr kam es darauf an, Präsenz zu zeigen und als Person bei den maßgeblichen Multiplikatoren und Wählern Vertrauen zu gewinnen. Aus diesem Grund war gerade bei den niederen Ämtern die Zugehörigkeit zu einer bekannten und erfolgreichen Familie von so großer Bedeutung, da viele Wähler ihre Stimme ohne nähere Kenntnis der Bewerber und mit schwachen Präferenzen abgaben. Ein bekannter Name, die Empfehlung durch Tribusgenossen oder eine kleine Zuwendung konnten sich daher als entscheidend erweisen. Einigermaßen orientiert sind wir freilich nur über
Einheitsfiktion versus Dissens
Gesetzgebungsverfahren
Kandidatur
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Tabellargesetze
Funktion der Wahlen
I. Enzyklopädischer Überblick
die Konsulwahlen, und auch dort bleiben viele Fragen offen. Lange Zeit erfolgte die Stimmabgabe mündlich und offen, doch im Jahr 139 wurde die Abgabe von Stimmtäfelchen (tabellae) bei Wahlen verbindlich gemacht und kurz danach auch auf Urteilssprüche bei Gericht und Abstimmungen ausgeweitet. Zweck und Auswirkungen dieser Umstellung auf schriftliches Votieren sind strittig. Der Wahlvorgang wurde dadurch wohl eher noch langwieriger als zuvor. Für Dauer und Dynamik von Konsulwahlen war wichtig, wie klar sich das Ergebnis im Vorfeld abzeichnete und wie viele Bewerber es gab. Wenn zwei ‚Schwergewichte‘ wie Gnaeus Pompeius und Marcus Licinius Crassus (coss. 70) gemeinsam in den Ring stiegen, dürfte die Mehrheit von jeweils 97 Centurien für beide Kandidaten rasch festgestanden haben; in anderen Jahren, bei einer größeren Zahl kaum profilierter Kandidaten scheinen auch die unteren Centurien wenigstens teilweise zur Stimmabgabe gelangt zu sein, so bei den Wahlen, die Cicero zum Konsul des Jahres 63 machten, während das Rennen zwischen C. Antonius Hybrida und L. Sergius Catilina offenbar bis zum Ende spannend war. Während die Ja-Nein-Abstimmungen jedenfalls vor 133 eher den Zweck hatten, den politischen Willen der Nobilität zu bekräftigen und den Konsens von Senat und Volk (senatus populusque Romanus) zum Ausdruck zu bringen, ermöglichten die Wahlen der konkurrenzorientierten Elite, intern den Frieden zu wahren. Wären die Macht- und Rangverhältnisse nämlich ausschließlich inneraristokratisch, etwa durch ein Kooptationsoder Patronagesystem, ermittelt worden, hätte das wahrscheinlich zu Zerwürfnissen und Blockbildungen geführt. Durch die Wahlen aber war der Erwerb von Rang und Prestige gleichsam ausgelagert und einem Gremium übertragen, gegen dessen Entscheidung es keinen sinnvollen Widerspruch geben konnte: der römischen Bürgerschaft. Die Ergebnisse waren für einen Bewerber jeweils kaum berechenbar, aber durch die große Zahl zumindest der unteren Ämter sowie die jährliche Wiederkehr der Chancen ergab sich im Gesamtergebnis für den Kreis der maßgeblichen politischen Familien eine hohe politische Reproduktionsquote – oft über mehrere Generationen hinweg, freilich in keinem einzigen Fall die gesamte Republik hindurch. Daneben kamen – durch Patronage und eigene Leistung begünstigt – immer wieder einmal Aufsteiger in die hohen Magistraturen, die sich aber den Spielregeln des Wettbewerbs und der Politik insgesamt meistens vollständig anpassten. Die Wahltage, wohl acht im Jahr, brachten ferner den geforderten Respekt der Elite vor der Bürgerschaft demonstrativ zum Ausdruck, wie er sich in Jovialitätsgesten, contio-Reden sowie materiellen Zuwendungen äußerte, und sie versammelten die Bürger in ihren vielfältigen Formierungen (Tribus, Stadtvierteln, Klientelen). Der technische, zeitliche und zeremonielle Aufwand der Wahlprozedur sowie ihr EventCharakter machten die Einbindung des Volkes in den politischen Prozess jedes Jahr aufs Neue sinnfällig. Dazu müssen auch die vielfältigen Begeg-
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nungen, Spiele und Gastmähler vorher und die feierliche, bei den Konsuln manchmal auch durch eine Art Antrittsrede begleitete Amtseinführung gerechnet werden. Das verliehene Amt wurde nicht zufällig gern als honos, „Ehre“, bezeichnet, was den Respekt der Amtsträger vor dem Volk zum Ausdruck brachte – die Bürger konnten sich ihnen gegenüber bedeutsam und wichtig fühlen. Als Teilhaber der maiestas Roms entschieden sie darüber, wer die res publica für ein Jahr in ihrem Namen führen sollte. Man hat mit Blick auf die Wahlen von einer „Dominanz des Vorgangs über den Ausgang“ gesprochen und den hohen Grad an Zufälligkeit der Resultate betont (M. J). Damit korrespondierte die über lange Zeit gegebene große Homogenität der Bewerberkohorten. Aus Sicht der Wähler war es dann ziemlich einerlei, welche Mitglieder der regierenden Aristokratie nun in einem Jahr in ein bestimmtes Amt kamen und dadurch eine Rangerhöhung erfuhren. Jeder Wähler gab höchstens so viele Stimmen ab, wie Stellen zu vergeben waren, bei Konsulwahlen also zwei; dabei scheint das Votum der praerogativa centuria eine wichtige lenkende Rolle gespielt zu haben (s. o.). Die Stimmen wurde stimmkörperweise nacheinander ausgezählt und das Ergebnis jeweils sogleich bekanntgegeben. Sobald für alle zu vergebenden Stellen jeweils eine hinreichende einfache Mehrheit der Centurien erzielt war, wurde die Wahl für entschieden erklärt; es konnte also vorkommen, dass ein Bewerber mehr Centurienstimmen erzielt hätte als ein anderer, aber unterlag, weil diese Stimmen aus noch nicht befragten oder nicht mehr ausgezählten ‚hinteren‘ Stimmkörpern kamen. Trotz aller zeremoniellen Einkleidung und ritualisierten Abläufe: Die Wahlen konnten wie auch andere Teile des politischen Systems der Republik flexibel gestaltet werden und Überraschungen bereithalten, etwa durch spontane Bewerbungen oder die Wahl von gar nicht kandidierenden Männern – in solchen (seltenen) Fällen kam markant das Recht des populus zum Ausdruck, anzuordnen, was immer er wolle. Die Wahlen waren zugleich für formelle wie informelle Störungen anfällig. Der Wahlleiter scheint vor allem in der mittleren Republik einen gewissen, freilich nicht genau bestimmten Einfluss gehabt zu haben. Ferner konnten Wahlen auch durch angebliche schlechte Vorzeichen oder andere Hinderungsgründe abgebrochen, verschleppt oder ganz verhindert werden. Die Praktiken der Wählerwerbung (ambitus) in Form von Geschenken aller Art wurden bisweilen skandalisiert, wobei die Grenze zwischen akzeptierten und für illegal erklärten Bemühungen kaum zu fixieren war, obwohl das in mehreren Gesetzen versucht wurde. Und selbstverständlich unterlagen die Wahlen im 1. Jahrhundert auch immer wieder ganz handfest angedrohter oder ausgeübter Gewalt. So verhinderte Pompeius Anfang 55 als Wahlleiter die Wahl des Marcus Porcius Cato zum Prätor, indem er zunächst Gewitterdonner verkündete und die Comitien deshalb auflöste. Am Wiederholungstermin standen Schlägertrupps bereit, um den sich
Ablauf der Wahl
Störungen
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I. Enzyklopädischer Überblick
einfindenden Bürgern die richtige Empfehlung zu geben. Wenige Monate später wurde Cato dennoch Prätor. 4.3.4 Politisches Leben außerhalb von contio und comitia
„Männer von herausragendem Einfluss“
Theater als politischer Raum
Mochten die Ergebnisse der Wahlen auch wenig determiniert sein, so bedurfte die Formierung von politischen Präferenzen dennoch einer Kommunikation im Vor- und Umfeld, außerhalb der formalisierten Versammlungen, des öffentlichen Auftretens von Amtsbewerbern (ambitus) oder der Bekanntmachung von Gesetzesvorhaben. In den Ciceros Bruder Quintus zugeschriebenen Empfehlungen für einen erfolgreichen Wahlkampf (commentariolum petitionis) werden collegia, Stadtteile und Nachbarschaften als relevante Bestandteile der Stadt Rom genannt (comm. pet. 30). Die collegia waren genossenschaftliche Vereinigungen auf der Basis gleicher Interessen oder sozialer Bedürfnisse (Beruf, Kultausübung, Sorge um das Begräbnis, Geselligkeit, landsmannschaftliche Herkunft, Nachbarschaft). Sie versammelten Menschen aller Schichten unterhalb der Senatoren und Ritter, auch Freigelassene und Sklaven. In ihrer inneren Organisation waren sie ein (vereinfachtes) Abbild der bürgerlichen Gemeinde mit Magistraten, Rat und plebs; vielfach wurde auch Anschluss an einflussreiche Patrone gesucht. In den Quellen zur Späten Republik erscheinen die als Institution wohl sehr alten collegia vor allem als Kristallisationskerne politischer Unruhe und Gewalt. Publius Clodius Pulcher (Volkstribun 58) suchte in den 50er-Jahren durch die um Kult und Nachbarschaft zentrierten Compitalkollegien und andere Vereinigungen auch als Nicht-Amtsträger dauerhaften Einfluss auf das politische Geschehen auszuüben. Anders als die Institutionen des Gesamtvolkes fanden politische Willensbildung und Aktivität in den Kollegien partikular, geheim, patronal und ohne Kontrolle durch Senat oder Magistratur statt; das machte sie verdächtig. Bereits 64 wurden die Compitalkollegien deshalb vom Senat verboten, 58 freilich auf Initiative des Clodius wieder zugelassen. Auch die Autokratie (Caesar, Augustus) konnte derartige Nebenkräfte nur sehr eingeschränkt dulden. In den Stadtbezirken (pagi), Nachbarschaften (vici) und Tribus gab es ferner bekannte, kommunikationsstarke Personen mit vielen Kontakten, die als Multiplikatoren dienten und für die politische Meinungsbildung und Mobilisierung unentbehrlich waren. Das galt zumal für die 31 Landtribus, in denen die meisten Wähler mit Themen und Kandidaten nicht vertraut waren. Diese einflussreichen Männer waren teilweise auch als sog. divisores für die Verteilung von Geschenken im Vorfeld von Wahlen zuständig. Einen weiteren Ort politischer Kommunikation stellte das Theater dar. Hier kamen Mitglieder der herrschenden Elite und das Volk von Angesicht zu Angesicht zusammen und konnte die plebs ihre Meinung durch Sprech-
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chöre, Beifall oder Missfallensbekundungen artikulieren; mitunter wurden sogar einzelne Verse des aufgeführten Stücks aktualisiert. Auch derartige Kundgebungen setzten vorangehende Verabredungen und Disziplin voraus. Theateraufführungen, Gladiatorenkämpfe und Rennen fanden im Kontext von religiös codierten Spielen (ludi) statt. Sie waren keine formlosen Freizeitvergnügungen, sondern versammelten die Bürgerschaft in hoher Festlichkeit. Außerhalb der formalisierten Institutionen, in denen die Kommunikation entweder hierarchisch-einseitig von oben nach unten oder (seltener) wechselseitig verlief, artikulierten sich das Gerücht sowie die informelle Meinungsbildung auf den Straßen und Märkten. Sie vermochte zumal im Zusammenhang von Umtrieben und Anklagen gegen Einzelpersonen eine erhebliche Wirkung zu entfalten. Namen einzelner Delinquenten konnten weit über die Lebensspanne hinaus sprichwörtlich werden. In Rom genoss der einmal gefasste Beschluss des förmlich versammelten Volkes unbedingten Respekt. Das galt trotz der zunehmend geringeren Beteiligung an Abstimmungen (s. o. 4.3.3) und ungeachtet der Umstände seines Zustandekommens. Nach dem Überschreiten der Schwelle zur Gewalt im Jahre 133 (Ermordung des Tiberius Gracchus und vieler seiner Anhänger, u. 6.3) waren auch die unter Androhung oder Ausübung von physischem Zwang durchgesetzten Beschlüsse bzw. abgehaltenen Wahlen gültig, trotz gelegentlicher Einreden. Ein Nobilis konnte es sogar wagen, unter Hinweis auf die Formierung des Gemeinwesens in den sog. Ständekämpfen und auf spätere exempla den Aufruhr (seditio) als zwar stets missliches, in bestimmten Konstellationen aber doch gerechtes und beinahe notwendiges Mittel zu bezeichnen, um die legitimen Interessen des Volkes durchzusetzen (Cic. de or. 2,199). So wie es trotz der ambitus-Gesetze der Späten Republik kaum gelang, die Grenze zwischen patronalem Handeln und erlaubter Gunstwerbung im Wahlkampf einerseits, korrupten und daher unerlaubten Praktiken andererseits zu definieren, erscheint es kaum möglich, ‚ehrliche‘, ‚berechtigte‘ und spontane Protest- und Gewaltakte von den gezielt ins Werk gesetzten Aktionen durch angeheuerte Schlägerbanden und Gladiatoren zu unterscheiden. In der Praxis waren die Übergänge oft fließend: Auch wenn die Ehre der Plebs bedroht war, bedurfte ihre Gegenwehr der Organisation, und gewaltbereite Trupps konnten umgekehrt gegen die einhellige Wertschätzung eines bestimmten Politikers auf die Dauer wenig ausrichten. Politische Morde im engeren Sinn, die also nicht im Zuge tumultuarischer Eskalationen von Versammlungen stattfanden, blieben bezeichnenderweise selbst im letzten Jahrhundert der Republik seltene Ausnahmen. Zur partiellen Akzeptanz von Gewalt im Binnenraum der Stadt mag beigetragen haben, dass Selbsthilfe, selbst bei Tötungsdelikten, ein juristisch wie politisch selbstverständlich beanspruchtes und legitimes Mittel blieb.
Gerüchte und Straßengespräche
Gewalt als politische Artikulation
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I. Enzyklopädischer Überblick
4.4 Rechtswesen und Politik
Rechtswesen als Domäne der Elite
Patronat und Recht
Privatrecht
Hier kann selbstverständlich keine Übersicht über Entwicklung und System des republikanischen Privat- und Strafrechts sowie des Rechtswesens insgesamt gegeben werden. Gleichwohl verdienen einzelne Tatsachen und Aspekte Aufmerksamkeit, weil sie in engem Zusammenhang mit den in diesem Buch skizzierten Gegenständen stehen. Recht, Rhetorik und Politik waren in der römischen Republik untrennbar miteinander verbunden, weil sie auf die gleichen Geltungsgründe rekurrierten und von ein und derselben Elite praktiziert wurden: anfangs von einem engeren Kreis von Priestern, ab etwa 300 von an diesem Aufgabenbereich interessierten Nobiles, in der Späten Republik auch von Rittern. Die Rechtskunde (iuris prudentia) konnte so nicht Beruf werden, sie blieb Handlungsmuster und soziale Rolle neben anderen officia. Alle wichtigen Magistrate hatten auch jurisdiktionelle Aufgaben. Einen Teil seiner Ordnungsfunktion erfüllte das Recht nicht in öffentlichen Verfahren, sondern im Rahmen des Hauses, wo der pater familias (s. o. 3.2) die Strafgewalt über die ihm Unterworfenen wahrnahm, in manchen Fällen in Form eines regelrechten (Haus-)Gerichtsverfahrens und mit Hilfe eines Beraterkreises (consilium). So zog 140 der als Jurist geachtete T. Manlius Torquatus die Anklage gegen seinen Sohn wegen Amtsmissbrauchs in einer Provinz an sich und verurteilte ihn. Damit ist zugleich die Frage nach der Etablierung von Staatlichkeit durch ein institutionalisiertes Rechtswesen aufgeworfen. So ‚private‘ Rechtsakte wie die Adoption befassten seit frühester Zeit öffentliche Institutionen, während viele Tötungsfälle einen sog. privaten Comitialprozess nach sich zogen. Wenn jedoch Vorgänge wie etwa die Aktivitäten der bacchanalischen Kultverbände oder gehäuft auftretende Giftmorde oder politisch motivierte Gewaltakte in der Späten Republik die öffentliche Sicherheit zu betreffen schienen und der Senat sie als politisch gefährlich identifizierte, fanden sich stets Wege, juristische Verfahren einzuleiten. Das Klientelverhältnis (s. o. 3.3) ragte tief in die Rechtsfindung hinein. In der früheren Zeit konnten viele einfache Bürger gar nicht selbst vor Gericht auftreten, sondern wurden von ihrem Patron vertreten. Wenn später prominente Männer vor Gericht standen, agierten aufstrebende oder bereits etablierte Aristokraten als Ankläger bzw. Verteidiger; Letztere wurden nicht als bezahlte Anwälte, sondern als Patrone angesprochen. Der große Bereich des Privatrechts, für die frühe bäuerliche Gesellschaft Roms zu wesentlichen Teilen im Zwölftafelgesetz (s. o. 4.1.4) fixiert, oblag in der Republik durchweg Angehörigen der Aristokratie: zum einen dem Prätor, der das Verfahren auf einen definierten Rechtskern hin ausrichtete (anfangs durch eine strikt fixierte sog. Spruchformel, später durch eine freiere Bestimmung), ferner den ebenfalls adligen Einzelrichtern (iudices)
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und dem informellen Beirat (consilium) aus rechtskundigen Männern, die den Prätor berieten oder den Prozessparteien Rechtsauskünfte erteilten. Aus ihren Bescheiden, ferner den kumulierten Edikten der Prätoren (edictum perpetuum) sowie einigen Gesetzen formierte sich das Privatrecht. Seine permanente Schöpfung, Anpassung und Weiterentwicklung durch Angehörige der Aristokratie dürfte zum Bewusstsein von Kontinuität und Homogenität der öffentlichen Ordnung beigetragen haben; das mag einer der Gründe gewesen sein, warum in der Endphase der Republik die Systemkrise nicht als solche erkannt wurde. Der Umbruch zur Monarchie bewirkte denn auch in diesem Bereich geringere Veränderungen als in anderen. Im Strafrecht vollzogen sich zwei Basisprozesse: Die wenig definierte magistratische Zwangs- und Strafgewalt (coercitio) wurde zunächst durch die provocatio (s. o. 4.3.1) eingeschränkt und das Amtsverfahren faktisch durch ein Comitialverfahren (iudicium populi) ersetzt. Aus nicht sicher zu benennenden Gründen wurden dieses allgemeine Volksgericht sowie die älteren privaten Kapitalverfahren bei Delikten wie Mord, Testamentsfälschung oder Vergewaltigung (s. o.) seit 149 weitgehend durch spezialisierte Gerichtshöfe (quaestiones) abgelöst. Von Gaius Gracchus und von Sulla vermehrt und reformiert, urteilten sog. ständige Gerichtshöfe z. B. bei Vergehen wider die öffentliche Sicherheit oder die maiestas des römischen Volkes sowie in Fällen von Unterschlagung öffentlicher Gelder (de peculatu), von Erpressungen durch Beamte in einer Provinz (de repetundis) oder von unerlaubter Wahlwerbung (de ambitu). Die Geschworenen – maximal 75 pro quaestio – waren und blieben Laien; wegen der vor Gericht ausgetragenen politischen Streitigkeiten war in der Späten Republik jedoch die Besetzung der Geschworenenbänke zwischen Senatoren und Rittern umstritten und kam es auch immer wieder zu Bestechungen. Viele spektakuläre Exilierungen in dieser Zeit – von Gaius Papirius Carbo (cos. 120) über Quintus Caecilius Metellus Numidicus (cos. 109), Publius Rutilius Rufus (cos. 105), Gaius Verres (pr. 74) und Cicero (cos. 63) bis zu Titus Annius Milo (pr. 55) – gingen auf Prozesse oder prozessähnliche Gesetzesinitiativen zurück. Generell erregten Prozesse wegen Amtsvergehen gegen Statthalter wie Servius Sulpicius Galba (149) oder einige der eben Genannten in der politischen ‚Eventkultur‘ der Republik großes Aufsehen, wobei ihr Ausgang ähnlich wenig berechenbar oder gar ‚fair‘ war wie die Wahlen. Verfahren de repetundis waren ferner Gelegenheiten, die Praxis römischer Herrschaft an der Peripherie gleichsam ins Zentrum der Politik zu holen. Insgesamt finden sich auch im politisch relevanten Strafrecht historisch gewachsene Parallelstrukturen, in denen sich sowohl der aristokratische Führungsanspruch wie auch das legitimierende und kontrollierende Moment der bürgerschaftlichen Öffentlichkeit niederschlugen (s. u. 5).
Strafrecht
Ständige Gerichtshöfe
Exil
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I. Enzyklopädischer Überblick
5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica
Mos maiorum und bäuerliche Welt
Begrenzung der Handlungsoptionen
Die bis hierher entworfene Skizze sollte verdeutlicht haben, in welchem Ausmaß das Institutionengefüge der Republik auf Voraussetzungen ruhte, die es selbst weder herstellen noch reproduzieren konnte (was aber auch für moderne Verfassungen gilt). Stabilisierend wirkten vielmehr Faktoren wie die in der Gesellschaft ruhenden Bindungen und Normen, ferner die prägenden Erfahrungen der Phase von Selbstbehauptung und Aufstieg vom Galliersturm (ca. 390) bis zum Sieg über Hannibal (201). Die vielfältigen Herausforderungen dieser beiden Jahrhunderte und die danach spürbar werdenden Basisprozesse (s. u. 6.3) sowie der kurze jährliche Rhythmus des politischen Alltags legen nahe, eine rasche Evolution des politischen Systems zu vermuten. Diese fand zum Teil auch statt, doch zugleich gab es eine große Zahl von Praktiken, Mechanismen und Routinen, die auf Stabilisierung, sogar möglichst identische Reproduktion des Bestehenden abzielten und selbst allfällige Veränderungen nach Möglichkeit als dessen Bestandteil auszuflaggen vermochten. Die in strittigen Fällen oder Krisensituationen immer wieder aufgerufene „Sitte der Altvorderen“ (mos maiorum, s. o. 3.3) war dementsprechend flexibel. Zu den imaginierten Stabilitätsankern sowohl der Elite wie der bäuerlichen Mittelschicht gehörte prominent die mit dem mos maiorum verbundene Verwurzelung des Römers in der ländlich-bäuerlichen Existenz. Eingeübte Mechanismen sowie eine mehr oder minder fest verankerte Subjektivität der Grundüberzeugungen begrenzten tatsächlich die Handlungsoptionen und sorgten lange Zeit für ein meist gedeihliches Zusammenwirken der verschiedenen Institutionen der res publica. So schöpften diese ihre weitreichenden und potentiell systemsprengenden Möglichkeiten nicht aus, obwohl die aristokratischen Akteure beständig unter hohem Konkurrenzdruck standen und zumindest Teile der Bürgerschaft durchaus abweichende Interessen hätten ins Feld führen können. Die Selbstbeschränkung galt zumal für das Volkstribunat mit seinen blockierenden und initiativen Rechten, aber auch für die Imperiumträger. Die Forschung hat als Konsequenz aus der Einsicht in diese Zusammenhänge ihren Radius erweitert: Das rechtlich bestimmbare Institutionengefüge mit Kompetenzen und Zuständigkeiten, ferner die Roms politische Ordnung tragende Gesellschaft mit ihren Hierarchien und Bindungen sowie das Ensemble der gemeinschaftlichen Werthaltungen stehen nicht mehr allein im Vordergrund des Interesses. Hinzugetreten sind die zahlreichen Symbole, Rituale, Routinen und Praktiken, die durch Präsenz, Kommunikation und stetig wiederholten Vollzug die unverzichtbaren Voraussetzungen für gemeinschaftliches Handeln überhaupt erst schufen: Gewissheit, Vertrauen, Motivation sowie das Zusammenwirken von Autorität und Gehorsam,
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5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica
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Durchsetzungswillen und Konsensbereitschaft. Zusammengefasst firmiert diese Dimension als „politische Kultur“. Das Paradigma ruht auf der Annahme, dass das Politische nicht nur durch Inhalte sowie Rechts- und Machtverhältnisse bestimmt ist, sondern auch eine Ausdrucksseite besitzt, die weit mehr als eine Einrahmung oder Fassade darstellt und jene Inhalte und Verhältnisse erst ermöglicht bzw. konsolidiert. Strukturen erscheinen in dieser Sicht nicht stabil, sie müssen vielmehr stets aktualisiert werden und sind dem Wandel unterworfen. Man kann in der politischen Kultur der römischen Republik vereinfachend einen integrativ-stabilisierend-reproduzierenden und einen konfliktorientiert-öffnenden Teil unterscheiden – was Überschneidungen nicht ausschließt: So stellte das Triumphritual in seinem Vollzug ein Ereignis dar, das der Bürgerschaft in feierlicher Weise die Sieghaftigkeit der res publica, die Kompetenz ihrer Feldherren, die Tapferkeit der Soldaten und das Wohlwollen der Götter vorführte, insofern integrativ und stabilisierend wirkte und dazu animierte, ohne Zögern auch in den nächsten Krieg zu ziehen. Zugleich war die Frage der Gewährung eines Triumphes in vielen Fällen strittig und führte zu einem institutionellen Konflikt, an dem Feldherr, Senat und Volkstribune beteiligt waren. Bausteine der politischen Kultur waren zum einen Räume, in denen politische Handlungen vollzogen wurden, aber auch verbindliche Vergangenheit eingeschrieben war. Schon das aristokratische Haus stellte einen symbolisch aufgeladenen und politisch relevanten Ort dar (s. o. 3.2). Vollends die Topographie der Stadt Rom bildete ein komplexes Sinnkonglomerat aufeinander bezogener Orte, an denen sich die von bewältigten Krisen und glorreichen Erfolgen gekennzeichnete, jeden Bürger bindende Geschichte (s. o. 3.3) seit der mythhistorischen Gründung durch Romulus manifestierte. Dazu gehörten die das Stadtbild prägenden, von Magistraten gelobten und errichteten Tempel und Basiliken sowie die Siegesdenkmäler. Verdichtete Regionen politischen Handelns waren das Kapitol mit dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus, zugleich Zielpunkt des Triumphzuges, ferner das Forum mit seinen Versammlungsorten des Senats (curia) und des Volkes, dem Comitium mit der Rednerbühne (rostra), außerdem der Aventin mit dem Heiligtum von Ceres, Liber und Libera als Zentrum der Plebs, schließlich das in republikanischer Zeit noch weitgehend unbebaute Marsfeld als Ausgangspunkt des Triumphzuges. Zur Sinneinheit verbunden wurden diese und andere Orte durch Prozessionen; neben dem schon erwähnten Triumphzug waren dies die Begräbnisprozession (pompa funebris) erfolgreicher Angehöriger der Nobilität sowie die Umzüge im Zusammenhang mit den großen religiösen Festen (ludi) im kalendarisch festgelegten Jahreslauf. Eine oft weit zurückreichende Geschichte verband sich mit den verschiedenen Ritualen insofern, als alle Orte und Bauten eine (nicht immer zutreffend) erinnerte Ursprungserzählung hatten. In der pompa funebris war die ruhmreiche Ahnenreihe des
Politische Kultur als Paradigma
Triumph
Raum, Ritual und Zeit
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Rhetorik und Politik
Stadtstaatliche politische Kultur
I. Enzyklopädischer Überblick
Verstorbenen in seinen hochrangigen Vorfahren gegenwärtig, genauer: in den von Schauspielern getragenen porträthaften Bildnissen dieser maiores. Damit wurden Führungsanspruch und -kompetenz der Nobilität demonstriert und aktualisiert. Aber auch die ‚bürgerliche‘ Zeit, also das Amtsjahr der Magistrate und der Fünfjahresrhythmus des Census (lustrum), waren eng mit den jeweiligen Orten verbunden (ambitus auf dem Forum; census, Wahlen und Abstimmungen der Centuriatcomitien auf dem Marsfeld; Amtsantrittsopfer der Konsuln auf dem Kapitol u. a. m.). Die meisten der bürgerschaftlichen Versammlungen und Zeremonien inszenierten zugleich die Ordnung des populus Romanus, seiner korporativen Untergliederungen und ständischen bzw. funktionalen Hierarchien. Wiederum mit den zugehörigen Orten in der Stadt verknüpft waren die öffentlichen Kommunikationsakte, in erster Linie Reden. Anlässe boten der erwähnte Begräbniszug, in dessen Verlauf ein naher Verwandter des Verstorbenen auf dem Forum dessen Verdienste und die Leistungen der gesamten gens bzw. des jeweiligen Zweiges rühmte, ferner die ebenfalls schon genannten contiones und die Antrittsreden der Konsuln, aber auch die publikumswirksamen Auftritte in Prozessen, von denen die überlieferten orationes Ciceros einen guten Eindruck geben. Auch Reden im Senat konnten durch schriftliche Verbreitung Publizität gewinnen. In all diesen Reden wurde eine jeweils spezifische Rhetorik gepflegt, die den Zuhörern Reverenz erwies, Autorität aufbaute, die eigene Position als traditionskonform und zwingend im Interesse des Gemeinwohls darstellte, den oder die Gegner jedoch ins Abseits zu stellen suchte. Die Rhetorik war stark vom Redeziel, der Konstellation und der Rolle des Sprechers geprägt. In ihr greifen wir aber nicht nur ein stetes Ringen um den augenblicklichen Sieg, sondern auch ein Inventar des in der politischen Kommunikation Sagbaren: Welche Themen konnten überhaupt politisiert – d. h. so oder anders behandelt werden – wie waren die Regeln zu interpretieren und durch wen, worauf ruhten Autorität und Gehorsam? Alle wesentlichen Manifestationen der politischen Kultur setzten die Beibehaltung des stadtstaatlichen Zuschnitts voraus; dies gilt auch für die Regierung durch eine romfixierte Aristokratie. Man hat dieses Festhalten oft der territorialen Ausdehnung Roms gegenübergestellt und im historischen Rückblick moniert, es sei eine ‚reichsstaatliche‘ Weiterentwicklung des politischen Systems versäumt worden. Abgesehen von der mindestens offenen Frage, ob eine solche Transformation ohne eine monarchische Spitze möglich gewesen wäre, sollte bedacht werden, dass die Stadtstaatlichkeit mit ihrer auf Nähe, Sichtbarkeit und unmittelbarem Austausch beruhenden Präsenzkultur eine bemerkenswert nachhaltige Integration sowohl der Aristokratie wie eines Teils der Bürgerschaft in die res publica ermöglichte. Die Angehörigen der politischen Elite richteten sich auf das politische Zentrum aus, das sie aber wie ein doppelter Pol in zwei Richtungen zog: Konkurrenz, kurze Amtsfristen und knappe Aufmerksamkeit ermutigten
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5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica
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zumal den Imperiumträger zu energischem Handeln außerhalb Roms; zugleich legten die Einbindung ins aristokratische Kollektiv und die Sichtbarkeit der eigenen Person vor der Bürgerschaft Anpassung und Respekt nahe. Die immer neuen Schübe römischer Kraftentfaltung sowie die auch durch Misserfolge kaum erschütterte, bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts weitgehend ungebrochene Legitimität der politisch-militärischen Führung durch die Nobilität wären ohne die stadtstaatlich bedingte Integration und ohne das stete Austarieren des individuellen Handelns kaum möglich gewesen. Nachdem sich alle simplen Bestimmungen der Verfassungsform der römischen Republik sowie alle Versuche, den Sitz der Souveränität zu bestimmen, als nur begrenzt erhellend erwiesen haben (s. o. 4.3.3), drängt sich die Frage nach den Orten und Dynamiken politischer Entscheidung jenseits routinemäßiger Vollzüge auf. Auch hier existierte keine strikte Hierarchie. Es gab verschiedene Räume, in denen Meinungen und Optionen entwickelt und verdichtet wurden. Dazu gehörten Zirkel von Aristokraten, die durch aktuelle gemeinsame Interessen, wechselseitige Unterstützung, ererbte Verpflichtungen oder Verwandtschaft miteinander verbunden waren, jedoch niemals dauerhafte oder gar programmatisch festgelegte ‚Parteien‘ bildeten, wie sie die Forschung lange Zeit angenommen hat. Die wohl vornehmlich in den Häusern stattfindende politische Willensbildung ist schwer greifbar. Negative Bezeichnungen wie factio („Clique“) oder der stets aufrufbare Verschwörungsverdacht bei privaten Zusammenkünften deuten an, dass sie wenig Kredit besaß. Andererseits wurde von einem Magistrat erwartet, jederzeit auf den Rat und die Hilfe eines Kreises kompetenter Männer zurückzugreifen (consilium). Die informelle Kommunikation dürfte zudem der ansonsten notorisch schwierigen Beschaffung von zuverlässigen Informationen gedient haben; diese war auch ein wichtiger Zweck des Austausches von Briefen mit Standesgenossen und mit gut vernetzten Rittern, wie an den Korrespondenzen Ciceros zu studieren ist. Die Ämterlaufbahn mit ihren Regelungen zum Mindestalter für ein Amt hatte zur Folge, dass sich Alterskohorten von miteinander kooperierenden und konkurrierenden Aristokraten bildeten, die einander in jedem Fall sehr gut kannten und in bestimmten Fällen auch eine Wahrnehmung als Generation und als Verkörperung eines bestimmten politischen Stils zu erzeugen vermochten. So betrachtete Cicero das Ausscheiden von Männern wie Marcus Aemilius Scaurus (cos. 115), Quintus Caecilius Metellus Numidicus (cos. 109) und Publius Rutilius Rufus (cos. 105) in den Jahren vor dem Bundesgenossenkrieg im Rückblick als schmerzliche Zäsur für die römische Politik. Der Wille der regierenden Elite insgesamt jedoch hatte sich im Senat (s. o. 4.2) zu formieren und zu manifestieren. Je nach Gegenstand und Konstellation wurde die Entscheidung entweder einfach durch beauftrag-
Räume politischer Willensbildung
Aristokratische Zirkel
Alterskohorten
Senat als Willensbildungsorgan
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Verhinderungsmittel
Reaktion auf magistratische Maßnahmen
Risiko als politischer Stil
I. Enzyklopädischer Überblick
te Magistrate umgesetzt, wenn niemand Einspruch erhob, oder an eine Volksversammlung zur Zustimmung weitergeleitet, um ihr mehr Nachdruck zu verleihen. War und blieb der Vorstoß partikular, wurde er also lediglich von einer Gruppe von Senatoren getragen und von einem einzelnen Magistrat, meist einem Volkstribunen, zu einer Initiative verdichtet, hatte der Senat die Möglichkeit, auf diese einzuwirken, sie womöglich zur Aufgabe zu bewegen. Er konnte die Sache ferner hinnehmen, um sie ins Leere laufen zu lassen (s. o. 4.3.3), oder aber massiv opponieren und die gegebenen Verhinderungsmittel ausschöpfen: symbolische Gesten wie kollektive Trauer, magistratische Stillstellung des bürgerlichen Rechts- und Geschäftsverkehrs (iustitium), tribunizische oder kollegiale Interzession, Verzögerung durch verfahrenstechnische Obstruktion (Dauerreden; Verweis auf ungünstige göttliche Zeichen), eine rhetorische Kampagne oder im Extremfall offene Gewalt. In den meisten Fällen, beinahe regelmäßig bei Themen der auswärtigen Politik, erwuchs der Willensbildungs- und Aushandlungsprozess gar nicht originär aus einem Vorstoß aus der Mitte des Gremiums, sondern der Senat reagierte auf Nachrichten, Gesandtschaften oder auf Maßnahmen von Imperiumträgern, welche diese mit ihrer großen Machtfülle in ihrer provincia vollzogen hatten; das galt für so prominente Fälle wie den Beginn des 1. Punischen Krieges (264), die Neuordnung der Herrschaftsordnung im Osten durch Pompeius (62–59) oder die sog. Feldherrenverträge, die einer Ratifizierung durch den Senat bedurften. Diese Schnittstelle zwischen stadtstaatlicher Regierung durch den Senat und magistratischer Initiativautonomie an der Peripherie erwies sich bereits im 3. Jahrhundert als empfindlicher Punkt. Neben dem gern als typisch oligarchisch angesprochenen Stil der ‚Hinterzimmerpolitik‘ mit ihren Vorklärungen, Absprachen und Bündnissen (s. o.) stand markant ein anderer: der demonstrative öffentliche Auftritt und Kommunikationsakt mit seinem Inventar „zwingender Gesten“ (E. F), aber auch dem Risiko, dass es anders verläuft als gewünscht und am Ende nur noch die Wahl zwischen öffentlicher Niederlage oder weiterer, vollends unkalkulierbarer Eskalation bleibt. Die Bereitschaft, sich in Gefahr zu begeben, Risiken einzugehen und immer wieder unberechenbare Situationen entstehen zu lassen, entspricht ein Stück weit gewiss aristokratischer Disposition und wird regelmäßig im Krieg eingeübt. Sie war aber im republikanischen Rom besonders ausgeprägt, nicht zuletzt wegen der schnellen Transaktionen in der Politik, ihrer räumlichen Konzentration auf wenige Orte in der Stadt Rom und der häufigen Konfrontationen mit einer schwer berechenbaren Bürgerschaft. Zur Ruhelosigkeit adliger Politik in Rom gehörten die Risikobereitschaft römischer Aristokraten auf den Bühnen der Öffentlichkeit, ebenso der persönliche Angriff im Senat wie auf der Rednerbühne; dieser konnte sich steigern bis zu einer das ganze Leben erfassenden Herabsetzung in Form der Schmährede (Invektive).
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5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica
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Beide Stile, die informelle senatorische Kommunikation wie der demonstrative öffentliche Auftritt, eröffneten den Weg zu einem Konsens, bargen aber auch das Potential scharfer Dissoziation. Zu den stilprägenden, Erkennbarkeit und Berechenbarkeit befördernden Kräften zählte ferner ein Familienprofil. In einigen (nicht allen) römischen gentes galt offenbar die Norm, dem Vater und den übrigen bedeutenden Vorfahren zu gleichen. Diese Norm formte die Erwartungen an das individuelle Handeln, aber auch die Traditionsbildung, in der deshalb Wiederholungen ein quellenkritisches Problem erzeugen. Denn es kann in der Regel nicht entschieden werden, ob Norm und Erwartung tatsächlich das Verhalten und konkrete Handeln eines Sprösslings der jeweiligen gens oder ‚nur‘ die Konstruktion der Überlieferung prägten. Der Familienstil konnte sich auf konkrete Handlungen beziehen (so bei den Selbstopfern dreier Decii Mures in kritischen Schlachtmomenten der frührepublikanischen Zeit oder in der Härte von Manlii Torquati gegen unbotmäßige Söhne), auf ein bestimmtes Verhaltensprofil (aristokratische Arroganz einiger patrizischer Claudier), auf einen besonderen Anspruch (virtus der Cornelii Scipiones), auf eine Amtsführung (censorische Strenge und Pochen auf die alte Sitte bei mehreren Calpurnii Pisones) oder auf ein Tätigkeitsfeld (Mucii Scaevolae als Priester und Rechtskundige). Ein solches Profil ließ sich ferner mit unterschiedlichen Erwartungen an jüngere oder ältere Aristokraten verbinden; so galten die Fabii als hitzig in der Jugend, abwägend und bedächtig im Mannesalter. In Einzelfällen erwiesen sich markante Wiedergänger-Erwartungen und Selbstformungen als historisch wirkmächtig, so bei Publius Cornelius Scipio Aemilianus, dem Enkel des Hannibalsiegers, oder dem ‚Tyrannenfeind‘ Marcus Iunius Brutus. Am ehesten als politischer Stil ansprechen lässt sich schließlich die sog. populare Politik. Sie war letztlich ein Resultat der verschränkten Legitimität von Senat, Volk und Amtsträgern: Erfolgte eine politische Handlung auf Grundlage eines Konsenses in der herrschenden Aristokratie, blieb der Bezug auf den populus formal und deklaratorisch. Daneben aber bot die jedes Jahr erneut umworbene, die Ämter verteilende und mit maiestas geadelte Bürgerschaft eine Durchsetzungsoption und ein Legitimitätsreservoir, falls dieser Konsens einmal verlassen wurde oder nicht zustandekam. Amtsträger, die in einer solchen Konstellation dennoch ihre Vorhaben vorantrieben, werden in den Quellen nach ihrem Verweis auf die Macht und die Interessen des Volkes als ‚Volksmänner‘ (populares) bezeichnet; stand der verabsolutierte Dissens im Mittelpunkt, konnten sie exkludierend als ‚Aufrührer‘ (seditiosi) gebrandmarkt werden. Daraus erwuchs keine „Partei“ mit fixer Ideologie und Agenda, wie man früher angenommen hat, aber es gab doch so etwas wie einen Pool von Optionen. Populare Politik zu machen wurde in erster Linie Volkstribunen zugebilligt (s. o. 4.1.4); es existierte eine gepflegte Erinnerung an einschlägige Konflikte,
Familienprofil und politischer Stil
Populares
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C. Flaminius als Beispiel
I. Enzyklopädischer Überblick
die bis in die sog. Ständekämpfe zurückreichte, sowie eine einschlägige Rhetorik. Vor allem aber kehrten bestimmte Themen, Konstellationen und Instrumente immer wieder: ein Widerstand gegen magistratische Übergriffe und gegen den Anspruch des Senats, allein die Politik zu lenken, Ressourcen zu verteilen und die Amtsträger zu kontrollieren, ferner speziell das Dringen auf Teilhabe der breiten Bürgerschaft am Wohlstand, u. a. durch Verteilung von Siedlerstellen oder verbilligtem/kostenlosem Getreide, selten auch durch den radikaleren Ruf nach Schuldentilgung. Dabei konnte die Idee mitschwingen, die Interessen der breiten Bürgerschaft (Sicherheit; Freiheit von Not und Willkür) sowie generell eine festere Integration der res publica, also ein Mehr an Staatlichkeit, würden gerade in Krisensituationen von einem einzelnen mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Vorkämpfer besser vertreten als vom aristokratischen Kollektiv und dem Klientelsystem. Hierin ruhte zugleich ein ‚monarchisches Potential‘ im republikanischen Rom, wie es sich in der (konstruierten) Erinnerung an einen guten König Servius Tullius und die frührepublikanischen Tyrannisaspiranten (Spurius Cassius, Spurius Maelius, Marcus Manlius Capitolinus) niederschlug, aber auch in der Furcht der Nobilität vor einem Tiberius und Gaius Gracchus sowie in den Hoffnungen, die sich mit so verschiedenen Gestalten wie Marius, Pompeius, Clodius und Caesar verbanden – teilweise auch außerhalb der römischen Bürgerschaft. Gleichwohl darf das Agieren selbst markanter Gestalten nicht aus starren Parteiungen oder gar fixen politischen Programmen erklärt werden – beide existierten nicht. War etwa der homo novus Gaius Flaminius ein popularer Unruhestifter und Wegbereiter der Gracchen, weil er als Volkstribun 232 die Ansiedlung römischer Bürger auf dem sog. ager Gallicus an der Nordostküste Italiens gegen Widerstand im Senat durchsetzte? Zum Außenseiter wurde er dadurch jedenfalls nicht, wie seine glanzvolle Karriere (Prätor 227, Konsul 223 mit Triumph, magister equitum 221) zeigt. Zwar gab es immer wieder Konflikte mit Kollegen oder im Senat, doch das dürfte Flaminius’ überdurchschnittlicher politischer Aktivität geschuldet gewesen sein. Als Censor beschränkte er zusammen mit seinem Kollegen die Einschreibung von Freigelassenen in die Bürgerlisten auf die vier städtischen Tribus. Dass er angeblich als einziger Senator die – in ihren Zwecken und Wirkungen schwer zu deutende – lex Claudia unterstützte, die offenbar das Engagement von Senatoren im Fernhandel und in der Heeresausstattung einzuschränken suchte (218), verhinderte seine vorzeitige erneute Wahl zum Konsul für 217 nicht. Niederlage und Tod im Kampf gegen Hannibal verdunkelten sein Bild in der von Senatoren und persönlichen Gegnern geprägten Traditionsbildung nachhaltig, aber die Karriere zeigt, dass Flaminius im Geflecht sachbezogener wie statusorientierter Auseinandersetzungen der Balanceakt zwischen Standeskonformität, politischen Bündnissen im Senat und Appell an die Entscheidungsgewalt der Bürgerschaft durchweg gelang.
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Selbst das politische Feld der Späten Republik lässt sich mit dem Begriff populares nur sehr eingeschränkt bestimmen. Potentiell jeder Akteur, auch ein Konsul, konnte ihn für sich in Anspruch nehmen und sich als aktiver Verfechter des Gemeinwohls ins Bild setzen. Auch diese Dualität kann man daher aufmachen: Wer über die Routine hinaus etwas bewegen wollte, hatte meist gar keine andere Möglichkeit, als sich an das Volk zu wenden und dort eine Legitimation zu erhalten – etwa für eine außergewöhnliche Ämterlaufbahn, wie sie dem Jüngeren Scipio (Publius Cornelius Scipio Aemilianus) und C. Marius gelangen. Die Mehrheit der Durchschnittlichen hielt das Volk lieber draußen und bediente ein intern-aristokratisches Politikmodell der routiniert zirkulierenden Prominenz – in den Augen der Power-Politiker mochte der Regelkonformismus der Mehrheit als ein Symptom der Schwäche gelten. Außerdem fehlte der Bezeichnung als popularis ein echter Gegenbegriff. Als boni oder optimates wurden von Cicero gelegentlich die Anhänger einer traditionellen Herrschaft des Senats, oft aber auch nur seine eigenen Helfer bezeichnet. Jedoch formierte sich dadurch kein senatszentrierter Politikstil und gab es keine politische Integration von dessen Anhängern. Entsprechende Zuschreibungen kamen eher von außen, indem populare Rhetorik, wie sie bei Sallust zu greifen ist, ein Machtkartell der nobilitas anprangerte. Bezeichnenderweise erschöpfte sich der optimatische Stil der Politik entweder in einer kurzfristigen Kopie der Gegenseite (so bei der Agitation des Marcus Livius Drusus [tr. pl. 122] gegen Gaius Gracchus) oder in schlichter Obstruktion (s. o.). Sobald die Dissoziation zum Bürgerkrieg eskalierte, spielten die beiden Begriffe vollends keine Rolle mehr; dann bezeichnete der Name des Anführers das jeweilige Lager (Caesarianer; Pompeianer).
Power-Aristokraten versus Standesroutine
Keine optimates
6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen 6.1 Anpassung und Flexibilität in der Ordnung Die in Schulbüchern und propädeutischen Darstellungen gebräuchlichen Graphiken zu den ‚Verfassungsorganen‘ und ihren Kompetenzen führen im Falle der römischen Republik besonders in die Irre, da sie die Flexibilität der praktischen Handhabung nicht angemessen abbilden. Die Anpassungsfähigkeit an gewandelte und gewachsene Anforderungen zeigte sich nicht allein in Gestalt dauerhafter und gut sichtbarer institutioneller Veränderungen, etwa der Vermehrung der Zahl der regulären Amtsträger unterhalb von Konsulat, Censur und Dictatur im Laufe der Expansion Roms oder
Institutionelle Anpassungen
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Wahlmodus für Priesterämter
Kein Tätigkeitsautomatismus
Konfliktdämpfung durch Symbolisierung
I. Enzyklopädischer Überblick
Sullas Aufstockung des Senats. Auch die einzigartige Konstruktion, Amt und Amtsgewalt zu trennen und durch Prorogationen (4.1.2) bei Bedarf voll ausgestattete Funktionsträger bereitzustellen, wies in die gleiche Richtung, ebenso der weite Spielraum für Beauftragungen (s. o. 4.1.7): Amtlose konnten mit einem imperium versehen werden, Kommissionen erhielten per Gesetz Befugnisse für bestimmte Aufgaben, Magistrate konnten Amtsaufgaben an Vertraute delegieren. Als der Konsul Lucius Cornelius Scipio 190 den als schwierig eingeschätzten Feldzug gegen Antiochos III. übernahm, wurde er von seinem älteren Bruder Publius begleitet; dieser hatte 202 die entscheidende Schlacht gegen Hannibal gewonnen und leitete nun faktisch die Operationen, obwohl er formal lediglich ein vom Senat entsandter legatus im Stab des Feldherrn war. Auch die Dictatur (s. o. 4.1.2) gehört in diesen Kontext; man griff nur bei besonderem Bedarf auf sie zurück. Magistrate hatten zudem außerhalb von Rom weitreichende und faktisch kaum definierte Befugnisse (s. o. 4.1.1), um Roms Interesse und Befehl effizient durchzusetzen. Die zunächst strikt beachtete Bindung der Auspizien (und damit des obersten Amtes) an das Patriziat fiel im Zuge der Neuordnung von 367. 300 erhielten die Plebeier durch die lex Ogulnia auch Zutritt zu den wichtigsten Priesterkollegien. Da die Priesterämter zunehmend als Varianten von Amtstätigkeit und Teil aristokratischer Rollen aufgefasst wurden und damit in den politischen Raum rückten, wurde die Selbstergänzung durch reine Kooptation aufgegeben und – im 3. Jahrhundert zunächst für den Pontifex Maximus, 104 oder 103 auch für einige der großen Kollegien – das Volk beteiligt, freilich in einem mehrstufigen Verfahren und nur durch die größtmögliche Minderheit: Es stimmten nur 17 der 35 Tribus ab. Damit war der sakralrechtlichen Besonderheit, aber eben auch der politischen Prominenz des Priesteramtes Rechnung getragen. Selbst auf kleineren, ritualisierten Praxisfeldern mit an sich zwingenden Abläufen gab es Spielräume. So verhinderten ungünstige Vorzeichen (prodigia) öffentliche Handlungen jeder Art oder machten ihre Resultate ungültig – aber sie mussten beobachtet und vor allem von Autorisierten anerkannt werden, um diese Wirkung zu entfalten. Im Bereich der politisch relevanten Justiz (s. o. 4.4) war es ohne Staatsanwalt und Offizialdelikt höchst unsicher, ob und wie Vergehen vor Gericht kamen. Ob ein bestimmter Apparat in Gang gesetzt wurde, hing generell stark von aktuellen Konstellationen und individuellen Interessen ab. In die frühe Republik zurück reicht eine bemerkenswerte gedoppelte Selbstbeschränkung: Die Gewalt der obersten Amtsträger wurde durch ihre Liktoren repräsentiert. Diese stellten gerade keinen Erzwingungsstab dar; ihre Ruten waren gebündelt, standen also nicht unmittelbar zur Züchtigung von Bürgern zur Verfügung, überdies wurden im Bereich domi die Beile aus den fasces herausgenommen. Spiegelbildlich traten auch die Volkstribune betont unbewaffnet auf, geschützt nur durch ihre sacro-
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sanctitas (s. o. 4.1.4). Die Bereitschaft der Aristokratie, das Volkstribunat anzuerkennen, dürfte verhindert haben, dass sich größere Gruppen gewaltbereit und damit eskalationsträchtig gegenübertraten. Konflikte wurden stattdessen in der Regel auf einer symbolischen Ebene ausgetragen. Wurde dieser stillschweigende Konsens freilich aufgekündigt, konnte es zu gewaltsamen Übergriffen auf Volkstribune bzw. zum Zerschlagen von Rutenbündeln und Amtsstühlen kommen. Wie skizziert (s. o. 5) gab es in der Republik verschiedene Wege, politischen Willen zu bilden und zu exekutieren. Welcher davon beschritten wurde, hing u. a. von der Bedeutung und der Strittigkeit des Gegenstandes ab. Zwar nahm im 2. Jahrhundert die Neigung, bestimmte Materien verbindlich durch Gesetze (leges) zu regeln, merklich zu (s. u. 6.2); aber da gleichzeitig die Bürgerschaft das Recht beanspruchte, auf Antrag zu beschließen, was ihr beliebe, waren hinreichend nachdrücklich vertretene Ausnahmen immer möglich. Das betraf in erster Linie die an sich immer genauer festgelegten Regeln für die Ämterlaufbahn (cursus honorum). So wurde Scipio Aemilianus für 147 zum Konsul gewählt, ohne zuvor Prätor gewesen zu sein, und erlangte 134 gegen das geltende Iterationsverbot ein zweites Konsulat. Marius wurde gar fünfmal nacheinander ins oberste Amt gewählt (für 104 bis 100). Damit waren die Laufbahnregeln nicht etwa aufgehoben: In den allermeisten Jahren wurden sie eingehalten. Sie konnten aber eben auch fallweise ignoriert werden. Diese Option wog gegen die Regel wohl auch deshalb nicht so schwer, weil jedes Amt nur für ein Jahr besetzt wurde und andererseits jeder Versuch, die Ausnahme auf diesem Feld mit systemändernder Absicht und Wirkung zu wiederholen, auf scharfen Widerstand gestoßen wäre. Überdies machte die Nobilität zu Beginn des 2. Jahrhunderts, nicht zuletzt durch die lex Villia annalis (180), unmissverständlich klar, dass die während des Hannibalkrieges eingetretenen Neuerungen und Abweichungen von der zuvor geübten Praxis nicht bestehen bleiben sollten und selbst eine ‚Lichtgestalt‘ wie Scipio Africanus keine dauerhafte Ausnahmestellung genießen konnte (sog. Scipionenprozesse, 187 und 184). Der Serienkonsul und Vaterlandsretter Marius war nach seinem innenpolitischen Desaster im Jahr 100 zunächst völlig abgemeldet. Noch Ende 44 konnten Cicero und mit ihm viele Senatoren hoffen, nach dem Tod des Dictators Caesar und dem Ausscheiden des als gefährlich angesehenen Marcus Antonius aus dem Oberamt werde am 1. Januar 43 mit zwei neuen, republiktreuen Konsuln alles wieder ins Lot kommen. In allen drei Beispielen lief es darauf hinaus, das vorübergehend entdifferenzierte, weil polarisierte oder sogar monopolartig besetzte politische Feld wieder aufzufächern, also im Sinne des aristokratischen Politikstils erneut Unübersichtlichkeit und Kontingenz in der Besetzung der Ämter walten zu lassen und die notwendige Kontinuität der Politik dem Senat anzuvertrauen.
Fallweise Suspendierung von Regeln
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82 Von der Neuerung zur Regel?
Störungsdiagnosen
I. Enzyklopädischer Überblick
Generell ist es konzeptionell schwierig, die Interaktion zwischen den institutionellen Akteuren durch ein ‚Staatsrecht‘ zu fassen, weil dieses eine klare Hierarchie von Befugnissen und fixierte Verfahren voraussetzt. Da beides in der römischen Republik nicht gegeben war, sah sich T. M in seinem monumentalen „Staatsrecht“ vielfach gezwungen, mit der Figur von rechtlicher Regel und tatsächlicher Ausnahme zu operieren, wobei in einigen Fällen Letztere in den Quellen häufiger dokumentiert ist als Erstere, die Regel also eher der Logik des Systems als der empirisch fassbaren Praxis geschuldet scheint. In manchen Fällen muss offenbleiben, wie weit sich eine Neuerung durchsetzte und zur Regel wurde oder eine vereinzelte, jeweils begründete Ausnahme blieb. So berief in einer komplizierten Streitkonstellation mit den Oberbeamten 210 erstmals ein Volkstribun den Senat ein, um eine Dictatorenernennung vorzubereiten. Das half, die verfahrene Situation zu bereinigen, und fand offenbar allgemeine Billigung. Für die Folgezeit gibt es freilich nur sehr wenige Belege für solche Einberufungen, so dass man zögert, von einem ius agendi cum senatu der Tribunen zu sprechen – generell ist bei solchen in der wissenschaftlichen Literatur angeführten lateinischen Termini zu fragen, ob die mit ihnen bezeichnete Praxis durch Quellen genügend belegt ist oder sie eine antike bzw. moderne Konstruktion darstellen. Der Gelehrte (und Senator) Marcus Terentius Varro nannte 71 in einer Handreichung zur Geschäftsordnung des Senats für den politisch unerfahrenden Pompeius unter den berufungsberechtigten Magistraten zwar auch die Volkstribune; ob er damit einen mos maiorum oder eine geltende Regel wiedergab oder konstruierte, ist aber kaum zu entscheiden. Im historisch-politischen Diskurs der Römer konnten einzelne Neuerungen oder als Verstoß begriffene Handlungen im Rückblick großes Gewicht erhalten. Gleichzeitig aber fiel es den Zeitgenossen wegen der starken Personalisierung der Politik leicht, die Ursache von Störungen oder gar eines zeitweise eingetretenen Verlustes der Ordnung in einzelnen ‚Schuldigen‘ zu sehen: in aufrührerischen Volkstribunen, nach der Krone greifenden Adligen oder skrupellosen Verschwörern. Ihre Beseitigung sollte die Ordnung wiederherstellen. Der Glaube an die große Neustart-Taste war wohl auch ein Ergebnis der besonderen Rhythmik des Transformationsprozesses: Dieser vollzog sich in einer Kette von Vorstößen und Reaktionen, deren Ergebnis als dramatisch, nicht prozessual, kontingent, nicht systemisch wahrgenommen wurde. In den Augen nicht allein Ciceros hatten in diesem Sinn Flaminius, die Gracchen, Saturninus, Catilina, Clodius, Pompeius und Caesar vor allem eines gemeinsam: einen vorzeitigen, unrühmlichen Tod. Ein Neuanfang mit den alten Tugenden erschien aus dieser Sicht jederzeit möglich. Das war angesichts der tiefgreifenden Verschiebungen im Gesamtgefüge ein Irrtum, freilich ein aufschlussreicher.
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6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen
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6.2 Gehegte Störungen: Regelgeltungs- und Kompetenzkonflikte Zum Optimismus in der Nobilität, der ihr erst spät, wohl im Gefolge des Bürgerkriegs ab 49, abhanden gekommen zu sein scheint, hat sicher auch ihre über lange Zeit erwiesene Fähigkeit beigetragen, mit Regel-, Kompetenz- und Alltagskonflikten fertigzuwerden. Die gewachsene Ordnung der Republik räumte ihren institutionellen Akteuren einerseits sehr weitreichende Handlungsspielräume ein: dem Oberbeamten im Felde, dem Volkstribunen vor der Plebsversammlung, dem Senat, der über buchstäblich alle Themen beraten und autoritative Empfehlungen an die Amtsträger geben konnte. Gleichzeitig waren die Möglichkeiten vielfältig, eine Handlung legal zu hindern; sie reichten von der kollegialen Interzession über verschiedene Obstruktionsmittel bis hin zur vorübergehenden Inhaftierung eines Magistrats. Eine übergeordnete Instanz, die über die ‚Verfassungsmäßigkeit‘ einzelner Akte oder im Falle von Konflikten letztverbindlich hätte entscheiden können, existierte nicht. Eine genaue Untersuchung bezeugter Kollisionen legt es nahe, die Bereitschaft und Fähigkeit der Römer, flexibel zu verfahren und in jeder einzelnen Situation einen Ausweg zu finden, auch hier hoch zu veranschlagen. Ihr Ordnungsgefüge darf nicht als fixiertes System von unbedingt und jederzeit geltenden Vorschriften gefasst werden. Es war vielmehr das Produkt von Routinen, Setzungen und Aushandlungen. Dabei bestand bei Regeln an sich der geringste Spielraum: Sie konnten entweder beachtet oder nicht beachtet werden, während Prinzipien leichter gegeneinander abzuwägen waren. Aber es gab immer wieder einmal zwei Regeln, die verschiedenen Geltungsbereichen angehörten, aber nicht gleichzeitig strikt eingehalten werden konnten. Wenn ein Konsul einen die res publica betreffenden Dissens mit seinem Vater hatte, unter dessen patria potestas er nach wie vor stand – galt dann das Hausrecht mit der Gewalt des Vaters über den Sohn oder das öffentliche Recht mit der Befugnis des Konsuls gegenüber dem Bürger? Wenn ein Imperiumträger zugleich ein Priesteramt innehatte, dessen Regeln ihn zum Verbleiben in Rom nötigten, kam es zum Konflikt, sobald er in eine Provinz gehen wollte, was aus den Regeln des öffentlichen Rechts und aus seiner Zugehörigkeit zur regierenden Klasse heraus selbstverständlich von ihm erwartet wurde. Solche Kollisionen, in die dann regelmäßig der Pontifex Maximus, der Senat und die Volksversammlung hineingezogen wurden, sind mehrfach belegt; sie wurden meist nach einigem Hin und Her fallweise gelöst, ohne dass dadurch ein verbindlicher Präzendenzfall oder gar eine grundsätzliche Änderung in einer der beiden Regelsphären erfolgt wäre. Ein Ausweg war, die eine Regel zwar nicht außer Kraft zu setzen, aber ihre Einschlägigkeit im vorliegenden Fall zu leugnen. Die Hauptrolle spielte dabei in fast allen Fällen der Senat, der u. a. dadurch seine herausragende Rolle in der res publica zu festigen
Handlungsspielraum versus Hinderung
Kollidierende Geltungsbereiche
Senat als ClearingStelle
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Konfliktfelder
Politik und Religion
Bedingungen der Flexibilität
I. Enzyklopädischer Überblick
vermochte. Aber auch die Stellung des Senats war nicht im Sinne einer Institutionenhierarchie fixiert. Er genoss lange Zeit hohe Autorität, doch die von einem Volkstribunen einberufene Volksversammlung konnte sich mit ihrer unbegrenzten Beschlussfähigkeit über jeden seiner Entscheide und jede Empfehlung hinwegsetzen – solange dabei nicht Grenzen des sakralen Rechts verletzt wurden, was es wiederum dem Senat mit seinem Spezialwissen und den Patriziern in seinen Reihen ermöglichte, seinerseits gegen den Volksbeschluss vorzugehen. Zu den Themen, über die es oft zu Konflikten kam, gehörten neben dem Sakralrecht auch die Wahlen, genauer: die zu beachtenden Spielregeln des cursus honorum, ferner der Modus bei der Vergabe von Provinzen sowie die Zubilligung eines Triumphes für einen zurückgekehrten Imperiumträger. Vielfach, z. B. im Bereich der Regeln zu Wahlen und Ämterlaufbahn, war es möglich, Verstöße dadurch zu entschärfen, dass sie gar nicht thematisiert wurden und daher konflikt- und geräuschlos abliefen. Es kam also in erster Linie darauf an, ob ein Vorgang überhaupt als anstößig ausgerufen oder gar skandalisiert wurde; vom Charakter des Amtes her naheliegend waren es oft Volkstribune, die genau dies taten. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass es tatsächlich zu einer nachhaltigen Sanktion kam. Auf anderen Feldern war der Normalfall lediglich Prinzip ohne zwingende Verbindlichkeit; hier konnte vollends abgewichen werden, ohne dass das Prinzip destabilisiert worden wäre. Gerade im Bereich des Sakralrechts pflegte man eine erstaunliche Flexibilität. Vieles blieb offen und musste fallweise immer wieder ausgehandelt werden. Außerdem konnten sich religiöse Autorität und religiöses Wissen nicht selbst in die politische Kommunikation einspeisen; sie mussten erst durch den Senat oder einzelne Amtsträger aktiviert und ‚übersetzt‘ werden. Es zeigt sich generell, dass in Rom zwar alles öffentliche Handeln eine religiöse Komponente hatte, ja mit Frömmigkeit geradezu getränkt war, das religiöse Feld aber anders als etwa im Judentum oder im Christentum keine Autonomie und damit auch keine Chance erlangte, das politische Entscheiden und Handeln grundsätzlich zu dominieren. Die meisten Kollisionen wurden nicht durch den Verweis auf eine höhere Norm, sondern durch eine Abwägung zwischen Normen entschieden, wobei die jeweilige Konstellation und die Stellung der beteiligten Personen eine wichtige Rolle spielten. Eine entscheidende Voraussetzung für eine dauerhafte und breite Akzeptanz solcher Handhabungen in der Aristokratie war es jedoch, dass die Flexibilität in einem nachvollziehbaren Rahmen geübt wurde und nicht Produkt einer willkürlichen und einsamen Entscheidung oder der schlichten Machtdurchsetzung war: Verfahren und Ergebnis hatten halbwegs berechenbar zu sein, und niemand sollte befürchten müssen, regelmäßig das Nachsehen zu haben. Das setzte auch beim Regelbrecher eine gewisse Dämpfung und eine erkennbare Disposition zum Nachgeben voraus. Nicht zufällig kamen Fälle wie der von Appius
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6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen
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Claudius Pulcher 143 ohne Senatsbeschluss und mit einem Trick gegen tribunizischen Widerstand durchgeführte Triumph nur selten vor. Um die stets mögliche gegenseitige Lahmlegung der Institutionen zu verhindern, bedurfte es jedenfalls eines Grundkonsenses in der Führungsschicht sowie überzeugender Argumentation im Einzelfall. Die in der Spätphase der Republik zunehmende Bereitschaft, Regeln, Normen und Prinzipien durch Gesetze festzulegen, sie damit ein Stück weit unverhandelbar zu machen, erwuchs zweifellos aus einem schwindenden Vertrauen in diesen Grundkonsens. Eine auf Lückenlosigkeit und Widerspruchsfreiheit ausgerichtete Gesetzgebungsorgie wie die des Dictators Sulla war also weit mehr Indiz einer tiefgreifenden Legitimitätskrise als ein Beitrag zu deren Lösung. Ein starres, gesetzesbasiertes Regelungswerk mochte zunächst Entlastung bringen, denn zunehmend aussichtslose Aushandlungsversuche erübrigten sich nun. Längerfristig aber barg es das Potential zu einer noch stärkeren Polarisierung des politischen Feldes, denn es konnte – sobald keine akzeptierte Ausnahmeregelung zustande kam – nur noch strikt beachtet oder ignoriert bzw. umgangen oder frontal angegriffen werden. Wurde zuvor gerade durch die Unschärfen und Widersprüche Kommunikation erzwungen, setzte sich nunmehr einfach der Stärkere durch, ohne dass die Unterlegenen die neue Situation akzeptierten. Der Senat verlor dabei seine Stellung als Instanz, die Lösungen fand, und wurde auch auf der Ebene der Verfahren (und nicht nur als Vertretung partikularer Interessen) zur Partei.
Erstarrung des Regelwerks
6.3 Grenzen der Anpassung: das kritische 2. Jahrhundert Moderne politische Systeme sollen idealerweise in der Lage sein, Fehlentwicklungen und Folgen von Veränderungsprozessen in anderen Feldern (Wirtschaft, Gesellschaft) zu erkennen und wirksam gegenzusteuern. Für die Antike wird man eine in diesem Sinne konsistente policy nicht erwarten. Indes verfügte die römische Republik, wie angedeutet, durchaus über Instrumente, um (Führungs-)Krisen bewältigen zu können – nach dem Ende der sog. Ständekämpfe waren diese Krisen bis 200 freilich stets militärischer Natur gewesen –, und sie konnte auch mit wiederkehrenden Konflikten im Institutionengefüge umgehen (s. o. 6.2). Entscheidend war, wie Störungen gehandhabt wurden, die über die beiden genannten Felder hinausgingen. Rom hatte sich seit dem 4. Jahrhundert zu einer Machtmaschine mit ausgeprägtem Sinn für Hierarchien ausgebildet. In die Grundstrukturen von Familie, Gesellschaft und öffentlicher Gewalt war eine starke Konzentration von Entscheidungsbefugnissen eingeschrieben (s. o. 3). Aber die institutionellen Voraussetzungen dafür, längerfristig politische Agenden zu formulieren, blieben schwach. Überdeckt, ja gleichsam zum Verschwinden
Macht als Regierungsersatz
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Basisprozesse im 2. Jahrhundert
I. Enzyklopädischer Überblick
gebracht wurde diese Schwäche durch die Ressourcen und Prozeduren, schier unerschöpflich Macht zu generieren, Widerstand zu brechen und partikulare Bedürfnisse je nach Lage durch Teilhabe am Prestige und an der Beute zu befriedigen. Durch diesen Überschuss an Aktionskraft blieb ein umfassender Institutionalisierungsprozess aus, der den sich wandelnden Verhältnissen und den vermehrten Anforderungen an ‚Regierung‘ seit dem Hannibalkrieg Rechnung getragen hätte. Die Staatlichkeit der Republik war aufgehoben in der Konzentration von Macht und militärischer Schlagfähigkeit, in der intensiven inneraristokratischen Kommunikation, in den Klientelbeziehungen und in den zeitraubenden, aber stabilisierenden Verfahrensweisen des bürgerschaftlichen Kollektivs wie auch der Amtsträger. Angesichts der militärisch errungenen Sicherheit bestand aus der Perspektive der Nobilität auch gar keine Veranlassung, von der geläufigen und erfolgreichen Handhabung der Dinge abzuweichen, und es fehlte zudem ein Instrumentarium, längerfristige Prozesse, die sich im historischen Rückblick zu einer Bedrohung der Ordnung und ihrer Routinen auswuchsen, als solche wahrzunehmen oder ihnen gar entgegenzuwirken. Wurde gegen moralische Dekadenz durch Reichtum und Luxus gewettert und die ‚gute alte Zeit‘ beschworen, so signalisierte dies wohl ein generelles Unbehagen, es war aber auch Handwerkszeug im politischen Tageskampf um Posten und Prestige. Ferner hätte niemand die politische Klasse in Bausch und Bogen der Untätigkeit beschuldigen können, denn auf Fehlentwicklungen, die man zu diagnostizieren glaubte, wurde durchaus reagiert, etwa durch gesetzliche Beschränkungen von privatem Aufwand (leges sumptuariae). Mit Verfehlungen Einzelner konnte man ohnehin umgehen (s. o. 6.1). Auch das Institutionengefüge wurde modifiziert (s. o. 6.1), wobei nicht immer klar erkennbar ist, warum bestimmte Regelungen beschlossen wurden; das gilt etwa für die Einführung der schriftlichen Abstimmung in verschiedenen Kontexten in den 130er-Jahren (s. o. 4.3.3). Als stabiles Organ der res publica, das anders als die jährlich wechselnden Amtsträger für politische Kontinuität und Willensbildung stehen mochte, gab es den Senat (s. o. 4.2). Der Betrieb funktionierte also. Der inneraristokratische Wettbewerb um die Ämter in Rom wurde durch die Vermehrung mittlerer Amtsstellen (Prätur, Ädilität) freilich intensiver, und die Kontrolle und Ausbeutung des Herrschaftsgebietes an der Peripherie nahm die politische Elite zunehmend in Beschlag. Das minderte die Aufmerksamkeit für die Folgen der sich ebenfalls beschleunigenden Basisprozesse in Italien. Diese waren vor allem demographischer und wirtschaftlicher Natur: Binnenwanderung, Zuzug in die Städte – besonders nach Rom – und ein Wachstum der Bevölkerung, das die Verluste durch den Hannibalkrieg rasch ausglich, veränderten den Arbeitsmarkt ebenso wie die Zukunftsaussichten großer Teile der jungen Bevölkerung ganz Italiens. Anfangs wurde das seit Jahrhunderten bewährte Instrument der Ansiedlung römischer Bürger
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noch bedient, doch seit den 170er-Jahren gab es keine Koloniegründungen mehr. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die enormen Reichtümer, die nach den spektakulären Siegen im Osten in die Taschen der Feldherren, Offiziere und Provinzstatthalter sowie der römischen und italischen Geschäftsleute flossen, nach Anlagen suchten. Ohne Zweifel wirkten sich diese neuen Vermögen, die zahlreichen nach Italien gebrachten Sklaven sowie regional aufkommende neue Formen der Landbewirtschaftung auch auf die ökonomischen Verhältnisse der großen Masse der Bürger aus, die von den Veränderungen kaum profitierten. Grund und Boden wurden generell für die Oberschicht zu einem noch begehrteren Gut, und es gab auch Verdrängungsprozesse, als jene unter dem wachsenden Druck der inneraristokratischen Konkurrenz auf die Schwächeren weniger Rücksicht nahm. Geringe Aufmerksamkeit schenkte man in Rom ferner den Verhältnissen bei den latinischen und italischen Verbündeten und in den eigenen Kolonien. Wie mit dem Problem der Immigration aus diesen Gemeinden umgegangen wurde, ist charakteristisch für den Politikstil der punktuellen Kraftentfaltung ohne längerfristige Perspektive: Zwischen 206 und 173 wurden viermal latinische und italische Bündner aus Rom ausgewiesen. Ähnlich sieht das Muster auf dem Feld der Milizarmee aus, deren Träger, die bäuerliche Mittelschicht, durch zwei Umstände belastet war: durch den zähen, materiell vergleichsweise unergiebigen und daher für die Soldaten unattraktiven Dauerkrieg auf der Iberischen Halbinsel sowie durch Verschiebungen im ökonomischen Gefüge ihrer heimatlichen Lebenswelt (s. o.), auf die sie kaum reagieren konnte, außer durch Wegzug nach Rom. Auf die seit 151 mehrmals auftretenden Rekrutierungsschwierigkeiten und Proteste antwortete man teils mit Härte, teils mit Änderungen im Rekrutierungsmodus, also mit der bewährten Flexibilität. Anfangs zunächst nicht ernstgenommen, dann aber mit massiver Gewalt erstickt wurden die Sklavenrevolten im römischen Herrschaftsbereich, deren Hauptphase etwa zwei Generationen umfasste (136–71). Ob und wie sehr sich die wirtschaftliche und soziale Lage breiter Schichten der Bürgerschaft durch die erwähnten Veränderungen seit den 170er-Jahren tatsächlich verschlechterte und deren Unzufriedenheit anwuchs, ist schwer einzuschätzen. Offenkundig aber schenkte die Nobilität den Nöten der vom Abstieg bedrohten oder bereits ins ländliche Proletariat abgesunkenen Bürger nur wenig Aufmerksamkeit. Vor allem konnte sie sich offenbar nicht vorstellen, dass die etablierten Routinen des Klientelsystems als nicht mehr ausreichend angesehen werden und stattdessen neue Formen der horizontalen Formierung von Interessen und Anhängerschaften aufkommen könnten. Es ist freilich auch aus der Rückschau in diesen Prozessen kein Punkt erkennbar, an dem es gleichsam durch ein Umspringen von Quantität in Qualität zu einer krisenhaften Zuspitzung und Eskalation kommen musste. Immer wieder ließen sich Kräfte mobilisieren, die Engstellen weiteten, konnte
Begrenzte policyKapazität
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Diskrepanz zwischen Ehrgeiz und Möglichkeiten
Entsolidarisierung der Nobilität
I. Enzyklopädischer Überblick
man Gehorsam einfordern, wurden Umwege gefunden, reagierten Magistrate und Gesetzgeber mit punktuellen Maßnahmen – etwa gegen die Verdrängung von Acker- durch Viehwirtschaft – oder wurden (in begrenztem Umfang) neue Institutionen eingeführt, so die ständigen Geschworenengerichtshöfe für bestimmte schwere Delikte seit der Mitte des 2. Jahrhunderts (s. o. 4.4). Aber die Achse des politischen Systems – Senat und Magistrate – war nicht darauf ausgelegt, insgesamt eine konsistente policy zu entwickeln oder konstruktiv zu reagieren, wenn Einzelne dies unternahmen. Zwar wissen wir nicht, wie ausführlich und diskursiv Debatten im Senat geführt wurden, doch deutet eine Analyse der römischen Geschichtsschreibung, die um 210 mit Fabius Pictor einsetzte, sowie der Fragmente der römischen Redner, aus denen der Ältere Cato herausragt, darauf hin, dass das zeitgenössische Reden über Gemeinwohl, Selbstbeschränkung und vorbildhafte Tradition (mos maiorum) ein situationsbezogenes und ideologisches Argument in der politischen Kommunikation war. Konsens wurde darin eher fingiert als hergestellt; zu einer tiefergreifenden Analyse trugen sie nichts bei. Es gibt nur einen überlieferten Fall, dass in einer Senatsdebatte grundsätzlich über verschiedene politische Stile debattiert wurde – und dabei ging es um Außenpolitik (im Jahr 171). Gleichzeitig lagen in den Institutionen sowie im antrainierten Habitus der Nobilität, kurzfristig Chancen zur Profilierung zu nutzen und den eigenen Willen durchzusetzen, wirkmächtige strukturelle Voraussetzungen bereit, auftretende inneraristokratische Konflikte eher eskalieren zu lassen als zu dämpfen. Es zeigte sich eine längerfristig gefährliche Diskrepanz: auf der einen Seite der enorme Ehrgeiz der Nobiles und Aufsteiger sowie der Druck, unbedingt Karriere zu machen und sich vor den Konkurrenten und den eigenen Vorfahren auszuzeichnen, auf der anderen Seite der äußerst geringe Spielraum, um größere Themen auf die Tagesordnung zu setzen und Projekte anzustoßen, die Prominenz und dauerhaften Einfluss ermöglicht hätten. Verschärft wurde diese Diskrepanz, weil die Kriegführung seit 146 offenbar nicht länger die gleiche Aufmerksamkeit weiter Teile der Nobilität genoss wie zuvor. Nicht zuletzt wirkte der erwähnte Zustrom von Reichtum nach Rom und Italien auf die Nobilität entsolidarisierend, weil er die prinzipielle Gleichrangigkeit innerhalb der Aristokratie endgültig zur Fiktion machte: Hatte lange Zeit ein Vermögen lediglich die Grundlage für eine politische Laufbahn gebildet, beeinflusste die deutlich sichtbare ungleiche Verteilung des Reichtums nunmehr maßgeblich die Chancen im sich verschärfenden Wettbewerb um Ämter und Prestige. Die Angehörigen der Eliten italischer Städte, die in Rom den Einstieg in die Ämterlaufbahn versuchten, verschärften durch ihre Zahl und ihre Beziehungen zur Nobilität die Konkurrenzbedingungen zusätzlich, auch wenn ihnen kaum je der Aufstieg zur Spitze gelang: Zwischen 191 und
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107 kamen gerade einmal zwei Männer ohne Vorfahren in kurulischen Ämtern ins Konsulat. Kritische Rahmenbedingungen und Abwärtsprozesse führen nicht automatisch zu krisenhaften Entladungen – personale Konstellationen und situative, persönliche Entscheidungen müssen hinzutreten. Dies fordert in jedem Fall eine historische Ereignisanalyse, die freilich nicht Gegenstand dieses Buches ist. Daher hier nur dies: Vor der Entschlossenheit des Tiberius Gracchus und seiner Unterstützer im Senat versagten 133 zunächst die informellen Routinen der Konfliktvermeidung. Verschärfend kam hinzu, dass das politische System der Republik keine Kompromisse kannte, sondern nur das Prinzip der aufgeschobenen Gegenleistung für ein Nachgeben – auf die aber konnte Tiberius nicht warten, nachdem er sich so exponiert hatte und nach Ablauf des einjährigen Amtes als Hinterbänkler im Senat vorerst nichts mehr würde bewegen können. Er verzichtete also auf eine Vorberatung seines Anliegens mit den führenden Köpfen der Senatsmehrheit und trat gleich in die zweite Phase des Konfliktes ein, indem er seine Initiative eines Ackergesetzes der bürgerschaftlichen Öffentlichkeit plausibel machte und sie bei der Abstimmung durchbrachte. Die Ordnung wurde damit zwar gedehnt, indem Tiberius die Kompetenzen des Volkstribunen und die Hoheit des Volkes, alles beschließen zu können, was ihm vorgelegt wurde, vollständig ausreizte. Gegen die beispiellose Absetzung des Einspruch einlegenden Kollegen Octavius, die Verabschiedung des Ackergesetzes, die Einsetzung der Dreierkommission zu dessen Umsetzung und sogar gegen den Griff in die Staatskasse, um die Bauernstellen auszustatten, konnte zunächst niemand etwas unternehmen. Die Gegner des Tribunen und seines Projektes hatten aber Anlass zur Hoffnung, den Sturm auszusitzen. Als das durch die von Tiberius angestrebte Wiederwahl zum Volkstribunen nicht mehr möglich erschien, beschritten die Hardliner den Weg in die brachiale und unerhörte Selbsthilfe mit Knüppeln und Schwertern. In diesem Moment der Gewalt, ausgeübt von Senatoren, die man bis dahin nur als würdige Herren in schweren Togen kannte, sah der kaiserzeitliche Geschichtsschreiber Appian im Rückblick einen tiefen Einschnitt und den Einstieg in eine verhängnisvolle Steigerung der Grenzüberschreitungen (App. civ. 1,4–9). Der Ordnung fehlten sozusagen Stoßdämpfer: Wenn jemand durch Überreden, Blockieren, Ignorieren oder Aussitzen nicht zu stoppen war, blieb, so schien es, nur der Weg in die physische Konfrontation. So erodierte im Laufe des 1. Jahrhunderts das prekäre Gefüge der aristokratischen Republik zusehends, indem ihre durchaus widersprüchlichen Regeln und Routinen – von den Akteuren einseitig angewandt und konfrontativ ausgereizt – mehr und mehr zu einem Teil des Problems wurden, anstatt Konflikte zu dämpfen und Auswege anzubieten. Das ist markant bei den Verhinderungsinstrumenten zu erkennen (Obstruktion). Gleichzeitig verlor die Leitung der res publica durch die Nobilität und den Senat
Volkstribunat des Ti. Gracchus
Regelerosion und Legitimitätsverlust
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I. Enzyklopädischer Überblick
an Akzeptanz und damit auch an Legitimität, weil nun vermehrt Sachprobleme und formierte Interessen verschiedener Gruppen – der Bauern, der Bundesgenossen, der stadtrömischen Plebs, der Ritter, der Soldaten bzw. Veteranen – auf die politische Bühne gestellt wurden, zu denen die Mehrheit der Nobilität meist wenig zu sagen hatte. Relevante Teile der Bürgerschaft sahen die Entscheidungen und Handlungen des Senats zunehmend nicht mehr als verbindlich an, sie gehorchten der Nobilität nicht länger. 6.4 Eskalierende Störungen: Blockade, Notstand, Gewalt, Dictatoren als Diktatoren Marsch mit den Institutionen
Die gewachsene Ordnung der Republik erschien den Römern als selbstverständlich und aufs Ganze gesehen ‚alternativlos‘, nicht zuletzt deshalb, weil sie auf der Ebene der Verfahren reiche Alternativen bot, um Ziele zu erreichen. Selbst in den Phasen, als Gewalt regierte und die Gesamtordnung erkennbar außer Kraft gesetzt war, griffen die Akteure immer wieder auf Gesetze, Ämter und Amtsgewalten, mithin fundamentale Bausteine der institutionellen Ordnung, zurück. Die Herren der Heere in der Späten Republik bedienten sich im Bemühen, ihre herausragende Stellung auf Dauer zu stellen und unangreifbar zu machen, der bereitliegenden Instrumente. Der letzte und erfolgreichste von ihnen, Oktavian/Augustus, nutzte zwischen 44 und 23 diese Instrumente bezeichnenderweise allesamt, um die Alleinherrschaft zu erringen und zu festigen. So kleidete sich die legalisierte Militärdiktatur Sullas und Caesars in das Gewand der altehrwürdigen Dictatur (s. u.), während Pompeius im Notstandsjahr 52 zum „Konsul ohne Kollegen“ ernannt wurde. Vergleichweise präzedenzlos, aber in ihren Bauelementen noch erkennbar war die gemeinsame Ermächtigung von Marcus Antonius, Oktavian und Marcus Aemilius Lepidus zum „Dreimännerkollegium für die Wiederherstellung der gemeindlichen Ordnung“ (tresviri/triumviri rei publicae constituendae) durch die lex Titia Ende 43 (s. u.). Seine triumviralen Befugnisse gab Oktavian erst im Jahr 28 auf. Die kontinuierliche Bekleidung des Konsulats hatte Marius vorgemacht (104–100), freilich in einer Kriegskonstellation und durch reguläre Wahlen. Ihm folgte der zeitweilige Bürgerkriegssieger Lucius Cornelius Cinna, im Zuge von außer Kraft gesetzten Verfahren Konsul 87–84. Caesars imperium ging von seinem Konsulat 59 direkt in seine Statthalterschaft in Gallien über, und der Bürgerkrieg begann 49 auch deshalb, weil seine Gegner im Senat ihm nicht gestatten wollten, an seine Kommandogewalt als Prokonsul sogleich ein weiteres Konsulat anzuschließen, was es unmöglich gemacht hätte, ihn vor Gericht zu ziehen. Oktavian/Augustus bekleidete das Konsulat dann ununterbrochen von 31 bis 23. Pompeius erhielt ein imperium in verschiedenen Provinzen mit dem Recht, sich dort
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durch von ihm bestimmte Legaten (s. o. 4.1.7) vertreten zu lassen, und damit die Möglichkeit, sich im Zentrum und an der Peripherie gleichzeitig zur Geltung zu bringen (55–49). Eine ähnliche Konstruktion, der legatus Augusti pro praetore, bildete ab 23 eine der beiden rechtlichen Säulen des Prinzipats. Die andere war die Amtsgewalt eines Volkstribunen (das Amt selbst konnte Augustus als Patrizier nicht bekleiden): Das durch die sacrosanctitas überhöhte Volkstribunat (s. o. 4.1.4) besaß zwar keinerlei militärische Kompetenz, es hatte sich aber in seinen markanten Vertretern seit den Gracchen zu einem Instrument der unwiderstehlichen politischen Initiative in der Stadt Rom entwickelt. Selbst ein faktisch vollzogener Bruch mit der Ordnung sollte tunlichst durch formale Legalisierung geheilt werden. Nachdem der junge Gnaeus Pompeius 83 als Privatmann dem auf Rom marschierenden Sulla drei eigenmächtig ausgehobene Legionen für den Bürgerkrieg zugeführt hatte, wurde dieser völlig regelwidrige Akt später für rechtmäßig erklärt, indem Pompeius ein imperium erhielt. Als Oktavian 44 das gleiche tat und die Truppen zunächst in den Dienst des Senats stellte, erklärte Cicero, man habe nur die Wahl, dem Neunzehnjährigen die Legionen wegzunehmen (was unmöglich war) oder ihm ein imperium zu geben (Cic. Phil. 11,20). An dieser Stelle wohnte der durch Gemeinwohlrhetorik überhöhten Flexibilität römischer politischer Praxis ein perverser Zug inne. Wie öfter angedeutet, waren sowohl die weiten Aktionsradien aller drei Säulen der res publica (Magistratur, Senat, Volksversammlungen) als auch die Instrumente zur Hinderung Ergebnisse der historischen Entwicklung. Am Ende gab es ein großes, unübersichtliches, niemals ‚entrümpeltes‘ oder systematisiertes Arsenal von Handlungsmöglichkeiten. Um den Apparat im Sinne einer kollektiven Herrschaft durch die Aristokratie in Gang zu halten, bedurfte es daher einer außerordentlichen Selbstkontrolle der Akteure, vornehmlich der politischen Elite, die gegebenen Spielräume trotz des Wettbewerbsdrucks nur bis zu einem gewissen Grad auszutesten und auszunutzen. Mit begrenzten Vorstößen, Extravaganzen und Regelbrüchen konnte man gut umgehen (s. o. 6.2) – die sich daraus ergebenden Profilierungen, Konflikte und Aushandlungsvorgänge gehörten zum lebendigen politischen Stil kommunikativer aristokratischer Regierung in einem Stadtstaat (s. o. 5). Freilich ging es dabei meistens um Streitfälle, deren Entscheidung keine nachhaltige Verschiebung im Gefüge der regierenden Klasse oder der Institutionen insgesamt zur Folge hatten. Im Verlauf der Volkstribunate von Tiberius (133) und noch weit mehr von Gaius Sempronius Gracchus (123/22) standen dagegen Projekte mit weiterreichenden, z. T. kaum absehbaren Folgen auf dem Plan, und die jeweilige Ausgangskonstellation sowie die Eigendynamik der Ereignisse führten dazu, dass beide Seiten ihre Möglichkeiten der Initiative bzw. der Hinderung bis zum Letzten ausschöpften. In den folgenden Jahrzehnten kam es immer wieder zu scharfen Konflikten, die nicht allein um ‚große‘
Legalisierte Usurpation
Selbstkontrolle und politische Vorstöße
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Ausnahmezustand und Verfassung
Notstandsermächtigung durch den Senat Tumultus
I. Enzyklopädischer Überblick
Themen von nachhaltiger Bedeutung kreisten, sondern sekundär auch den politischen Alltag infizierten. So wurden 56 und 54/53 durch tribunizische Interzession, andere Hinderungsmaßnahmen, Gerichtsprozesse oder schlichte Gewalt die Konsulwahlen verschleppt; die Oberbeamten für 53 konnten erst im Sommer desselben Jahres gewählt werden. Auch das Jahr 52 begann ohne designierte Konsuln. Freilich gab es auch während der drei letzten Generationen der Republik immer wieder längere Phasen eines vergleichsweise normalen politischen Betriebs. Man wird daher das Unerwartete und Überschießende in vielen Handlungen der prominenten Figuren als kontingent bezeichnen müssen. Der sich ändernde Handlungsrahmen und zuvor entfesselte Dynamiken mochten Überschreitungen und Eskalationen wahrscheinlicher, vor allem aufgrund der enorm gewachsenen Ressourcen auch folgenreicher werden lassen, aber es brauchte jeweils Akteure, die dazu bereit waren. Wenn diese fehlten, anderweitig beschäftigt oder inaktiv waren, stellte sich wieder Routine ein – bis zum nächsten Stoß. Verschiedene der Optionen, mit einer unmittelbaren Bedrohungslage fertigzuwerden, sind historisch aus der äußeren Lage Roms in der Frühzeit zu erklären, als man es noch mit Feinden in unmittelbarer Nachbarschaft zu tun hatte. Zudem konnte im Kontext der inneren Konflikte („Ständekämpfe“, s. o. 2) eine quasi-monarchische Usurpation zumindest denkbar erscheinen. Man wird die römischen Lösungen zwar nicht mit C. S („Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“) zum wesensbestimmenden Punkt der Verfassungsordnung erklären. Gleichwohl ist aufschlussreich, wie in Rom die parteiische Nutzung der Bedrohungslage seit 133 an ältere einschlägige Institutionen anknüpfte und diese radikalisierte. Auch im römischen Fall ist vor allem zu fragen, wer den Ausnahmezustand feststellte und in welchen Konstellationen welche Maßnahmen ergriffen wurden. In jedem Fall waren die Maßnahmen mit der Suspendierung von Rechten der Bürger verbunden; sie bestanden entweder in einem Beschluss des Senats oder der Ernennung besonderer Amtsträger oder einer Selbsthilfeermächtigung. Um einer akuten militärischen Bedrohung rasch und konzentriert begegnen zu können, konnte der Senat den „sofortigen Kriegszustand“ (tumultus) erklären. Dann ruhte jede Rechts- und Geschäftstätigkeit (iustitium), und die Imperiumträger wurden beauftragt, ohne Umschweife Aushebungen und vereinfachte Vereidigungen vorzunehmen. Die Kompetenzen und Maßnahmen gingen dabei gar nicht sehr über das auch sonst im Krieg Mögliche hinaus, doch mag allein das Wort tumultus („Waffenlärm“, „Getöse“) mobilisierende Wirkung entfaltet haben. In Einzelfällen fand man weitere kreative Lösungen; so wurden 211, als Hannibals Vormarsch auf Rom dort panikartige Unruhe auslöste, allen ehemaligen Dictatoren, Konsuln und Censoren obermagistratische Befugnisse verliehen (Liv. 26,10,9). In diesen Typ von Situationen gehört selbstverständlich auch die
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letztmalig 202 erfolgte Ernennung eines Dictators zur Kriegführung (s. o. 4.1.2), die bisweilen mit einer tumultus-Erklärung Hand in Hand ging. Ganz in den Kontext der innerrömischen Konflikte gehört dagegen die vom Senat erstmals 121 gegen Gaius Gracchus ausgesprochene Ermächtigung, „die Konsuln mögen dafür sorgen, dass die res publica keinen Schaden nehme“ (Videant consules ne quid detrimenti capiat res publica); die dafür in der Forschung gängige Bezeichnung „äußerster/höchster Senatsbeschluss“ (senat¯us consultum ultimum) ist modern. Die Formulierung drückte an sich eine pure Selbstverständlichkeit aus. Sprengkraft wohnte ihr aus zwei Gründen inne: Zum einen erklärte sich der Senat damit einseitig selbst zum Herrn des Verfahrens; dahinter stand die Erfahrung, dass 133 der in Rom anwesende Konsul trotz Aufforderung durch viele Senatoren nichts gegen Tiberius Gracchus und dessen Anhänger unternommen hatte. Damals hatte ein amtloser Senator, Publius Cornelius Scipio Nasica, die alte Formel des „Herausrufens“ (evocatio) zur Abwehr unmittelbarer Gefahr durch feindliche Nachbarn („Wem die Rettung der res publica am Herzen liegt, der folge mir!“) gebraucht, um die Mitglieder des Senats zur Selbsthilfe gegen einen angeblich bevorstehenden monarchischen Putsch zu mobilisieren. Zum anderen trug das s.c.u., anknüpfend an die tumultus-Erklärung, das Kriegsrecht in den Binnenraum der Stadt, ebnete also die Unterscheidung zwischen den Sphären domi und militiae ein (Sall. Cat. 29,2f.) und öffnete die Stadt dem imperium. Es überging die 123 beschlossene lex Sempronia de capite civis, die wiederum das alte Provokationsrecht aktualisierte und den Schutz von Bürgern gegen magistratische Hinrichtungen gewährleisten sollte. Unter dem s.c.u., das für den Zeitraum zwischen 121 und 40 immerhin vierzehnmal belegt ist, sollten möglicherweise Provokationsrecht und tribunizische Interzession ihre Wirkung verlieren. Nicht verwunderlich wurde diese Selbstermächtigung des Senats in der popularen Polemik (s. o. 5) heftig bekämpft. Sie verdeutlicht zugleich, wie sehr der Senat trotz aller fortdauernden Ansprüche von der Mitte der res publica weg zur Partei mutierte. Blieb das s.c.u. auch ein letztlich begrenztes und strittiges Instrument, so führt seine Analyse doch mitten ins Spannungsfeld von rechtlicher Form, diskretionärer Setzung und unmittelbarer Aktion. Als schwerwiegende Störungen im Inneren der res publica galten seit der Frühzeit Meutereien und die bereits im Zwölftafelgesetz verbotenen „nächtlichen Zusammenkünfte“. Im Zusammenhang mit Scipio Nasicas evocatio (s. o.) wurden Erzählungen, wie in der frühen Republik Privatpersonen gefährliche Bürger eigenmächtig töteten, politisch aktualisiert (Calpurnius Piso FRH 7 F 26). Im Rückblick galt manchen die politische Aktivität der Gracchen und einiger sonstiger ‚Popularen‘ als „Aufruhr“ (seditio), die jede Gegenmaßnahme rechtfertigte. Den entscheidenden Sprung stellte die erstmals 88 erfolgte Erklärung eines Bürger zum hostis durch den Senat dar: Wenn eine Bedrohung der res publica ebenso durch einen Bürger wie durch einen
¯ consultum senatus ultimum
Seditio und Selbsthilfe
Hostis-Erklärung
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Proskriptionen
Dictatoren als Diktatoren
Sulla
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äußeren Feind erfolgen konnte, dann sollte dieser Bürger auch wie ein solcher Feind bekämpft werden können. Cicero ging 63 als Konsul im Fall der inhaftierten, demnach bereits unschädlich gemachten Catilinarier noch weiter, indem er den gesetzlichen Schutz des Bürgers vor magistratischer Zwangsgewalt (coercitio) durch die These auszuhebeln suchte, ein Römer habe durch feindliches Handeln gegen das Gemeinwesen sein Bürgerrecht automatisch verwirkt. Er ließ die Inhaftierten in diesem Sinne töten, doch fand dieses Vorgehen keine allgemeine Billigung, zumal 78 und 70 Gesetze verabschiedet worden waren, die einen eigenen Gerichtshof (s. o. 4.4) für verschiedene Gewaltdelikte im politischen Raum (quaestio de vi) begründeten; zudem waren die Inhaftierten vom Senat nicht zu hostes erklärt worden. Ihre mögliche, zugleich extreme Steigerung erfuhr die Umwandlung von Bürgern in hostes durch die Proskriptionen Sullas (82/81) sowie später der Triumvirn Antonius, Oktavian und Lepidus (43/42). Dabei wurden Tafeln mit den Namen politischer und persönlicher Gegner des bzw. der Machthaber öffentlich ausgehängt. Jeder auf den Listen durfte straflos getötet werden; die Täter wurden mit einem Teil des eingezogenen Vermögens belohnt. Dem anfänglich willkürlichen Morden, das dem vermeintlichen Willen Sullas zuarbeitete, in dem sich aber auch individuelle Rach- und Habsucht austobten, suchte man mit mehrfach nachgebesserten Ächtungslisten zu begegnen. Legalisiert wurde der sullanische Rachefeldzug dann mittels verschiedener Gesetze, u. a. einer lex Cornelia de proscriptione, die zugleich die Söhne und Enkel von Geächteten von der Ämterlaufbahn ausschloss. 4700 Menschen, darunter mindestens 40 Senatoren und 1600 Ritter fielen dem Terror zum Opfer. Von den Proskriptionen der Triumvirn waren angeblich 300 Senatoren und 2000 Ritter betroffen. Jeweils aus einem beendeten oder im Gang befindlichen Bürgerkrieg gingen in der Späten Republik Amtskonstruktionen hervor, die T. M als „außerordentliche konstituierende Gewalten“ bezeichnete. Dabei knüpfte Sulla nominell an das alte Notstandsamt der Dictatur an. Deren Attribut „Dictator, um Gesetze einzubringen und die res publica wieder in Funktion zu setzen (d. legum ferendarum et rei publicae constituendae) deutet freilich an, wie zerrüttet der neue Herr nach der phasenweise völlig irregulären Herrschaft der Gruppe um Cinna und den Jüngeren Marius das Gemeinwesen sah und wie radikal er seine Neuordnung anzugehen gedachte. In der Tat handelte es sich um eine in mancherlei Hinsicht ‚moderne‘ Diktatur, insofern Sulla nicht nur unbeschränkte Befugnisse besaß, eine große loyale Gefolgschaft hatte und seine Gegner blutig verfolgen ließ, sondern auch die gesellschaftliche und institutionelle Ordnung als ganze manipulierte und dauerhaft in die Zukunft zu wirken suchte, u. a. durch eine Vergrößerung des Senats und wesentliche die Magistratur betreffende Änderungen. Selbstverständlich dachte Sulla nicht daran, seine dominierende Stellung aufzugeben, aber
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das Amt des Dictators scheint er tatsächlich als anlass- und zweckgebunden betrachtet zu haben; jedenfalls legte er es 79 (oder schon 81?) nieder. Caesar führte demgegenüber über fast die gesamte Dauer seiner zunächst mehrfach unterbrochenen Dictaturen (49–44) Krieg; auch wenn über eine Spezifizierung nichts überliefert ist, konnten sie deshalb doch wohl als d. rei gerundae causa aufgefasst werden. Faktisch aber war das bloß ein vertrautes Etikett für eine im Entstehen begriffene neue Formation, nämlich eine Autokratie, die nicht „Königtum“ (regnum) heißen durfte. Mit dem Blick auf die Institutionen äußerte sich dieser neue Zugriff vor allem darin, dass Caesar die Ämter unter seinen Anhängern auf Jahre in die Zukunft verteilte. Den Senat blähte er durch Gefolgsleute auf und machte ihn damit zur leblosen Abnickmaschine. Er selbst erhielt von der ohnmächtigen Aristokratie überbordende Ehrungen, die seine Wiedereingliederung in die Standesformation illusorisch machten. Durch Sullas Todeslisten und Caesars Bürgerkriege war die Dictatur als Option für Krisenzeiten verbraucht. Augustus griff selbst dann nicht auf sie zurück, als ihm dies durch die stadtrömische Plebs nahegelegt wurde. Demgegenüber kam das dritte Konsulat des Pompeius, das dieser 52 nach schweren Unruhen für ein halbes Jahr „ohne Kollegen“ ausübte, sehr viel moderater daher. Mit Sullas Regime hatte seine Quasi-Diktatur allerdings gemein, dass unter starker militärischer Sicherung eine Reihe von Gesetzen durchgedrückt wurden, die das Ämterwesen und andere zuletzt als kritisch erwiesene Materien betrafen. Das sog. Zweite Triumvirat reagierte auf die besondere Konstellation, dass sich drei dem Erbe des ermordeten Caesar verpflichtete Anführer zusammenfanden, um die ‚Republikaner‘, also die Caesarmörder Cassius und Brutus nebst ihrer Gefolgschaft, militärisch zu bekämpfen. Dazu benötigten sie eine umfassende Amtsgewalt, die ihnen ermöglichte, in Rom den politischen Apparat in der Hand zu behalten, in Italien Aushebungen durchzuführen und überall im römischen Machtgebiet Krieg zu führen. Dieses umfassende Kommando wurde nach dem Muster von Caesars Prokonsulat auf zunächst fünf Jahre vergeben. Wie Caesar füllten auch die Triumvirn Ämter und Senat mit ihren Anhängern. Aber selbst ihre kollektive Militärdiktatur, die in der Gewaltausübung, zumal den Proskriptionen ab Ende 43, so schrankenlos verfuhr und das Ämterwesen zu einer bloßen Funktion ihrer Interessen machte, löschte die Erinnerung an Grundelemente des öffentlichen Rechts nicht aus. Warum sonst hätte Oktavian, als er 32 nach dem formalen Erlöschen des Triumvirats Ende 33 in Rom selbst ohne Amtsgewalt war, aber die beiden seinem Rivalen Antonius zuzurechnenden Konsuln sowie 300 Senatoren zur Flucht veranlasst hatte, auf die ungemein kreative Idee verfallen sollen, die Legimitationslücke zu füllen und sich durch einen dem Soldateneid (sacramentum) nachgebildeten Loyalitätseid die Gefolgschaft „ganz Italiens“, später auch der westlichen Provinzen, zu sichern, nachdem er zuvor
Caesar
Pompeius als consul sine collega
Zweites Triumvirat
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Kollektiveid
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den tumultus wegen der Bedrohung durch Kleopatra ausgerufen hatte? In einer so hergestellten Konstellation einen Eid leisten zu lassen blieb durchaus im Rahmen, wenn auch der Eid normalerweise einem bereits amtierenden und mit imperium ausgestatteten Amtsträger geschworen wurde. Vor allem aber hatte es fundierende Eidleistungen bereits in der Frühzeit gegeben: Damals hatte sich angeblich das ganze Volk eidlich gegen die Rückkehr eines Königs verpflichtet, und wenig später begründete die plebs durch einen Kollektivschwur eine eigene politische Organisation und ermächtigte eigene Vertreter. Diese wurden durch den Eid mit eben jener sacrosanctitas ausgestattet, die Oktavian seit 36 ebenfalls besaß. Dieses Beispiel aus der Übergangsphase von der Republik zur Monarchie zeigt, was das enorm flexible, gleichwohl niemals zerreißende Gewebe der politischen Ordnung der Republik zu leisten vermochte: Es fing Energie ein, bündelte sie und ermöglichte die Emergenz situativ brauchbarer oder gar langfristig tragfähiger Innovationen.
7. Kurzer Rückblick Schaut man aufs Ganze, so prägte eine bemerkenswerte Konsistenz und Konstanz die politische Ordnung der Römer von der frühen Republik bis zum Prinzipat des Augustus. Dies auf einen eingewurzelten Traditionalismus zurückzuführen führt nicht weiter, denn eine solche Mentalität – wenn sie denn bestanden hat – müsste ihrerseits erklärt werden. Vielmehr erwies sich die politische Ordnung in jedem ihrer Stadien als ein Organisationsstatut, das den jeweils maßgeblichen Akteuren ein Maximum sowohl an Kraftentfaltung wie an Handlungsfreiheit bereitstellte. Insofern haben die Römer die systematische Spannung zwischen zentralisierter Machtorganisation (‚Staat‘) und Autonomie der Glieder (‚Gesellschaft‘) in bemerkenswerter Weise aufgelöst: Ihre politische Organisation war in der Lage, enorme militärische Kraft und Einsatzbereitschaft zu mobilisieren, ohne die Bürger – die vielen Hausväter wie die wenigen Mitglieder der Elite – übermäßig einzuschränken. B. L hat dies auf die Formel „aggressive Subsidiarität“ gebracht [1.1.2: Die Väter und der Staat]. Die Römer konnten sich den Pragmatismus im Umgang mit dem Kontingenten leisten, weil sie sich der Ordnung insgesamt gewiss wähnten. Das politische Organisationsstatut der Gesellschaft musste zu diesem Zweck nicht widerspruchsfrei und ‚durchgestaltet‘ sein, im Gegenteil: Es bedurfte einer hohen Flexibilität, um den Akteuren Anreize zu geben, sich zu exponieren und immer wieder Mittel und Wege zu finden, um sowohl gemeinsam als auch im Wettbewerb die eigenen Ziele durchzusetzen. Dabei bestand von Anfang an die Bereitschaft, jede erforderliche Gewalt anzuwenden. Dass der städtische Binnenraum so lange Zeit bis auf wenige Ausnah-
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7. Kurzer Rückblick
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men von solcher Gewalt freigehalten werden konnte, stellte gewiss eine bemerkenswerte Errungenschaft dar, die sich aber offenbar nicht zu einer absolut gültigen Tabuisierung verfestigte, sondern unter bestimmten Umständen von einem Freund-Feind-Denken überwältigt werden konnte. Außerdem hatten fast alle großen Gewaltereignisse der Späten Republik, beginnend mit dem Bundesgenossenkrieg, auch eine äußere Komponente; in den Bürgerkriegen waren regelmäßig fremde Verbündete, Truppen und Territorien involviert und wurden die Triumphe für den Sieg über diese gefeiert. Konsistenz und Kontinuität der politischen Ordnung erweisen sich auch darin, dass ihre Grundstrukturen – Bindungswesen, Amt und Amtsgewalt sowie die Ermächtigung durch die organisierte Bürgerschaft – seit der Konstituierung der Nobilität im 4. Jahrhundert unverändert wirksam blieben. Die in der Ereignisgeschichte wie im republikanischen Diskurs seit der Antike so sinnfälligen Brüche und Transformationen – zunächst tatsächliche kollektive Herrschaft durch die Nobilität, dann Polarisierung und Oligarchisierung der Politik bis hin zu wenigen Militärmachthabern und schließlich einem Alleinherrscher – ändern nichts an der Tatsache, dass das jeweilige Führungspersonal im Kern immer den gleichen Prinzipien des Handelns folgte und die gleichen, wirksamen Instrumente der Machtgenerierung bediente, freilich in unterschiedlichen Wettbewerbskonstellationen. Der Bezug auf den populus blieb dabei unverändert erhalten, weswegen immer von res publica gesprochen werden konnte. Diese stabilen Grundverhältnisse ließen die Ordnung als solche alternativlos erscheinen, selbst als sie nach den Maßstäben der Nobilität nicht mehr funktionierte (aber zugleich mehr Macht generierte denn je), und sie legten es dem last man standing Augustus nahe, seine Alleinherrschaft auf ihren Fundamenten und mit einer klugen Auswahl aus ihrem Inventar an Institutionen, Verfahren und Leitbegriffen zu errichten.
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Die politische Ordnung der Republik im historischen Kontext und in der Forschung 1.1 Allgemeine Geschichte und politische Ordnung der Republik Geschichte und politische Ordnung der römischen Republik können in ihren Grundlinien als klar etablierte Größen gelten [zu Historie und Hauptfeldern der Forschung s. etwa H, Römische Geschichte, 507–574; 615–636; B, Geschichte, 93–246; 1.5: C, Römische Geschichte, 51–100; 115–143]. Seit T. M [Römische Geschichte] wird die Frühzeit (Königszeit und frühe Republik bis ins 4. Jahrhundert) aufgrund der problematischen Quellenlage eher strukturgeschichtlich behandelt. Die gern als „Klassische Republik“ bezeichnete Zeit von der Formierung der Nobilität im 4. Jahrhundert bis zum Volkstribunat des Tiberius Gracchus (133) war offenkundig durch die äußere Expansion gekennzeichnet und wurde überdies meist als Epoche der inneren Stabilität gesehen. Für die Späte Republik von 133 bis Caesars Diktatur oder bis zur Schlacht von Actium (31), die vielfach mit Begriffen wie ‚Krise‘ oder ‚Revolution‘ etikettiert wurde [1.3: R, Interpretation des Niedergangs], gelten die Erosion und Auflösung bzw. Umgestaltung der inneren Ordnung als der dominierende Strang. Die Art und Weise, wie die seit Mitte des 2. Jahrhunderts in ihrer Existenz und Macht ungefährdete Weltmacht ihre weitere Expansion gestaltete, kann als Resultat ihrer inneren Strukturen und Konflikte gelten. Auch neuere Darstellungen, in denen die politische Kultur (s. u. 5) eine wichtige Rolle spielt, stellen die enge Wechselwirkung von Expansion und innerer Formierung heraus, so zuletzt J.-M. D [La République romaine 218–31], M. S [Römische Geschichte, I] und W. B [Die römische Republik]. Im beengten Format eines Einführungsbuches wartet B. L [Von den Gracchen bis Sulla] mit einer Fülle bemerkenswerter Ideen auf [s. u.; U. W, ZRG (RA) 124, 2007, 453–458; für eine Skizze seines Bildes von der Republik insgesamt s. 1.7: L, Die unfassbare Republik]. Einen vorzüglichen Forschungsüberblick mit dem Akzent auf den aktuellen Perspektiven (u. a. Prozessualität und Krise; Demographie; Unterschichten; politische Kommunikation; Elite und Öffentlichkeit) bietet M. J [1.3: Methods]. Dagegen ist der neue Periodisierungsversuch von H. F, mehrere Republiken zu unterscheiden [1.7: Roman Republics], eher steril geblieben [s. F. B,
Orientierung
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Rom als Machtmaschine
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Gnomon 84, 2012, 124–130], da er zugunsten interner Zäsuren die Dynamiken und Wirkungen von Krieg und Expansion vernachlässigt. Von den bilanzierenden Sammelwerken besticht R / M-M [1.2: Companion] durch breite Anlage und durchweg vorzügliche Artikel, während F [1.2: Cambridge Companion] selektiver angelegt ist. Lesenswert ist ein knapper Überblicksartikel aus ihrer Feder [1.3: F, The Imperial Republic]. Ausführlich und zuverlässig informieren die von zahlreichen Autoren verfassten Bände 7.2, 8 und 9 der „Cambridge Ancient History“ [W u. a.; A u. a.; C u. a.]. In mancherlei Hinsicht wegweisend war und noch immer lesenswert ist die schmale Studie von M. B und M. C [6: Rome in the Late Republic]. Über die Ursachen der Ausdehnung und Dauerhaftigkeit der römischen Republik wird seit Polybios (s. u.1.2), in der Neuzeit seit Machiavelli und Montesquieu immer wieder nachgedacht; die klassischen Erklärungen umreißt J. B [1.4: Verfassung, 266–287]. Die lange Zeit entweder mentalitätsgeschichtlich oder rein pragmatisch geführte Debatte um einen aggressiven oder defensiven „römischen Imperialismus“ [s. 1.1.2: E, Roman Imperialism, 1–88; knapp B, Geschichte, 168–175; 3.5: B, Außenpolitik, 164–170] ist von einer breiteren Einbettung der offenkundigen Disposition der maßgeblichen Akteure zu Intervention und Dominanzverhalten in die Gesamtordnung der res publica abgelöst worden. Herausgestellt werden nun die agency von ‚Clans‘ in der Frühzeit, als es noch keine die Expansion kanalisierende Regierung gab [2: T, Private Vis, Public Virtus], dann der scharfe Wettbewerb innerhalb der bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts fast ausschließlich auf Kriegführung ausgerichteten politischen Elite (s. u. 3.1), ferner die sozial generierte Gehorsamstiefe und Opferbereitschaft der breiten Bürgerschaft sowie die Fähigkeit der Römer, ihren italischen Verbündeten weitgehende Selbstbestimmung zu belassen und dennoch im Bedarfsfall auf deren Ressourcen zugreifen zu können (s. u. 3.5). Der institutionelle Rahmen, etwa die jährlichen, nicht selten stark umkämpften Wahlen, die den Wettbewerb verstärkende Struktur der Ämterlaufbahn (s. u. 4.1.1) und die Konzentration von Handlungsfähigkeit bei den Imperiumträgern, wirkte zweifellos dynamisierend, ebenso die materiellen Gewinne. Zudem gewöhnten sich der Senat, der die Außenpolitik lenkte, sowie römische Emissäre generell daran, für jede ihrer Anweisungen Gehorsam zu erwarten (markant etwa Pol. 29,27,1–10; Liv. 45,12,3–8). Römischer Imperialismus artikulierte sich im situativen Befehlen (imperare), noch nicht in einer ‚Reichsorganisation‘ [1.1.2: B, Imperium Romanum]. Prägend für die Konstituierung der Nobilität war die konfliktreiche Expansion in Italien [3.5: H, Krieg, Konkurrenz und Konsens], wie umgekehrt Rom nach mühsamem Anlauf erst mit der Nobilität dauerhaft in der Erfolgs-
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1. Historischer Kontext und Forschung
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spur fuhr. Zwischen 340 und 241 formierte sich das auf virtus, Ruhm und Wettbewerb ausgerichtete Ethos, das die Römer in der Folgezeit fast jede Chance zur Intervention und Kriegführung ergreifen und jeden Konflikt bis zum Sieg durchfechten ließ. Bahnbrechend war in diesem Sinn die Studie von H [1.1.2: War and Imperialism]. E [1.1.2: Conceptualizing Roman Imperial Expansion] verknüpft auf knappem Raum (imperialismus-)theoretische Perspektiven und die römische Praxis in ihrem Wandel. In einen anderen Kontext rücken E / E mittels komparatistischer Überlegungen die römische Expansion in Italien: Diese sei als ein Staatsbildungsprozess in einer „coercion-intensive region“ zu verstehen; die permanente Kriegführung habe „centralizing effects on the Roman commonwealth which resulted in an (albeit slow) process of formalization of the political system“ gehabt [1.1.2: War and State Building, 31]. Militärische Aktivität, Beschaffung von Ressourcen und der Ausbau staatlicher Strukturen bildeten demnach ein dynamisches System, das in Italien immer neue periphere und semi-periphere Zonen schuf, und die römischen Machteliten integrierten Italien schrittweise in ein zwar vielgestaltiges, aber von einem machtpolitischen Rahmen zusammengehaltenes System. Heer und Expansion seien dann auch die maßgeblichen Instrumente gewesen, um die Beschränkungen durch stadtstaatliche politische Organisation zu sprengen. Am Ende habe mit dem römischen Italien eine politische Einheit neuen Typs gestanden. Weiter gespannte Darstellungen der römischen Reichsbildung stellen den Unterschied zwischen einer eher ‚räuberischen‘ Republik und einer überwiegend von Verantwortung und Blick für das Ganze geprägten Regierung seit Augustus heraus [plakativ 1.1.2: G, Rom]. Auch G. W [1.1.2: Rom] betont, der Nobilität sei als Reaktion auf die Folgen zerstörter Sicherheitsstrukturen an der Peripherie v. a. im 2. Jahrhundert kaum mehr eingefallen, als eine „new brutality“ [R, Rome and the Mediterranean, 211–239] walten zu lassen. Die römische Politik in diesen Räumen, so pointiert W, war unfähig, über den Wirkungsradius eines einzelnen Heerführers mit einem überdimensionalen Ego hinaus zu funktionieren. Hinzu kam, dass das von Rom dominierte Mittelmeergebiet kein abgeschlossenes System war: Jedes gewonnene Stück Küste, ob in Spanien, Südfrankreich, Nordafrika oder Kleinasien, hatte ein oft unübersichtliches und schwer zu kontrollierendes Hinterland. Doch dynamische Akteure wie Pompeius, Caesar und Oktavian gaben, so jedenfalls C. W [3.5: Sine fine, 16–109], dem militärischen und politischen Handeln Roms für kurze Phasen Richtung und Klarheit. Daran ließ sich anknüpfen, sobald die Machtfrage im Innern geklärt war.
Republikanische Herrschaftspraxis im Urteil
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
1.2 Antike Selbstbeobachtungen / wissenschaftliche Hilfsmittel
Antiquarische und juristische Werke
Drei literarische Gattungen teilten sich in der Antike die res publica als ihren Gegenstand: Geschichtsschreibung, antiquarische Forschung und Philosophie, wobei es selbstverständlich vielfache Überlappungen gab. Stark vereinfacht gesagt erzählten die Geschichtsschreiber seit Fabius Pictor (ca. 210) in chronologischer Reihenfolge und mit literarischem Anspruch Taten und Ereignisse, während die Antiquare, allen voran M. Terentius Varro (116–27), in systematischer Ordnung bestehende Institutionen von ihrem Ursprung her zu erklären suchten und M. Tullius Cicero (106–43) in seinen philosophischen Werken normativ nach der besten Verfassung fragte. Grundsätzlich sind aber alle für die Geschichte der römischen Republik aussagekräftigen literarischen Quellen, Inschriften, Münzen und Monumente auch für die politische Ordnung relevant [Überblicke: 1.1.1: B, Geschichte, passim; 1.5: R, Einleitung; C, Römische Geschichte; 1.5: B, Literary Sources; 1.5: P, Epigraphy and Numismatics; speziell zu Cicero s. 1.5: L, Cicero as Evidence]. Ohne nennenswerte Spuren geblieben sind antiquarisch-politische Abhandlungen zeitgenössischer römischer Autoren: C. Sempronius Tuditanus (Konsul 129) und ein M. Iunius Congus (Gracchanus) schrieben um 100 über das Ämterwesen [4.4: W, Rechtsgeschichte, 569f.; 1.5: S, Anfänge], möglicherweise unter dem Eindruck der seit Tiberius Gracchus wachsenden Strittigkeit von Regeln und Kompetenzen. Dabei spielte auch das – im Konfliktfall potentiell hindernde – Sakralrecht eine Rolle. Daneben gab es in der offenen Form des commentarius Amtsinstruktionen, so die von Varro für Cn. Pompeius verfasste, nicht erhaltene Handreichung „Wie man eine Senatssitzung leitet“ (ca. 71/70) [dazu R, Varro bei Varro?]. Was römische Juristen über institutionelle Sachverhalte geschrieben haben, ist ausschnittweise in die von Kaiser Justinian initiierten Digesten im Rahmen des Corpus Iuris Civilis eingegangen, u. a. der von Sextus Pomponius (2. Jh. n. Chr.) verfasste Abriss „Über den Ursprung des Rechts und sämtlicher Ämter“ (Dig. 1.2.2.1–34), der institutionelle Neuerungen und Erweiterungen konsequent als notwendige Anpassungen an zuvor aufgetretene Herausforderungen und Dehnungen vermerkt. 554 n. Chr. verfasste der Beamte Johannes Lydus ein Werk „Über die Ämter des römischen Staates“ (De magistratibus), das auch die Republik streift. Ansatzweise greifbar, freilich umstritten ist ferner eine Debatte zwischen 50 und 30 um die richtige Ordnung, die sich in der Historiographie zur ältesten Zeit niederschlug [1.5: Z, Debatte]. Insgesamt waren in der Antike „den theoretischen Möglichkeiten eines römischen Staatsrechtes . . . nicht nur erhebliche Grenzen gesetzt, sondern solche (Möglichkeiten) überhaupt nicht angelegt“ [1.5: H, Staatsrechtslehre, 1316]. Generell
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1. Historischer Kontext und Forschung
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sei die römische Republik wegen ihrer paradoxen Eigenheiten ein für die Zeitgenossen „unkonzeptionalisierbares Gebilde“ geblieben [1.7: L, Die unfassbare Republik, 64]. Strittig ist in der Forschung, ob verschiedene erhaltene oder zumindest dem Titel und Inhalt nach bekannte Schriften aus spätrepublikanischer Zeit als ‚Flugschriften‘ bezeichnet werden sollten, d. h. als Gebrauchstexte, die sich in schriftlicher Form mit einer politisch-propagandistischen ‚Botschaft‘ an eine größere Leserschaft wenden. Dafür plädierte jüngst O [1.5: Die zweite Philippica als Flugschrift], dagegen zuvor schon E [1.5: Politische Literatur]. Wirkmächtig in der Interpretation der römischen Geschichte und Verfassung war der Grieche Polybios (ca. 200–ca. 120), der als hochrangige Geisel Roms Kriegführung und Politikbetrieb über Jahre aus nächster Nähe kennenlernte. Im sechsten Buch seines nur teilweise überlieferten Geschichtswerks führt er den Aufstieg der Tiberstadt zur Weltmacht auf ihre stabile politische Ordnung zurück und charakterisiert diese als Mischverfassung aus monarchischen, aristokratischen und demokratischen Elementen, die in den Institutionen Konsulat, Senat und Volksversammlung manifestiert seien [1.5: W, Polybios über die römische Verfassung]. Der Wert dieser Analyse wird in der modernen Forschung sehr verschieden eingeschätzt [kritisch zuletzt 1.5: E, How to Rule; 1.5: S, Distortions; vgl. 1.4: M, Politics in the Roman Republic, 7–13], wie sich in der von F. M ausgelösten ‚Demokratie-Debatte‘ zeigt (s. u. 4.3.3). Doch verfuhr Polybios nicht nur schematisierend, sondern behandelte auch konkrete Phänomene wie den täglichen Lagerbau des Heeres (6,26,10–33,1), das zu Leistungen anspornende Begräbnis eines Nobilis (6,53f.) oder Konflikte innerhalb der institutionellen Ordnung (vgl. 2,21,8 zu C. Flaminius) [1.4: L, Constitution, 16–26; 214–219]. Die Hauptwerke Ciceros zur politischen Philosophie, De re publica und De legibus, verschmelzen verschiedene Ansätze: Die wie bei Polybios als Mischverfassung vorgestellte römische Ordnung [1.5: B, Anakyklosis-Theorie] ist hier zugleich Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Den in der Abfassungszeit (50er-Jahre) offenkundigen Mängeln begegnet der Verfasser mit einem modifizierten Modell von Führung im Rahmen aristokratischer Herrschaft sowie mit einer um Konsistenz bemühten Gesetzesordnung [1.5: H, Ciceros Theorie; 1.5: F, Statesman; 1.5: Z, Political Philosophy], überformt durch intellektualisierende Begründungen aus dem Arsenal der griechischen Philosophie. Ob es sich dabei um Ansätze zu einer ‚Reform‘ handelte [zuletzt 1.5: S, Vorbild der Vergangenheit; 1.5: I. M, Von der Vision zur Reform], hängt stark von den jeweils mit diesem Begriff verbundenen Vorstellungen ab [1.7: W, Praxis ohne Begriff]. Varro bereitete mit seinen weitgespannten antiquarisch-historischen Schriften die (Re-)Konstruktion römischer Traditionen und römischer
Flugschriften?
Polybios
Cicero
Varro
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Rhetorik
Prosopographie
Prosopographische Instrumente
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Identität in augusteischer Zeit vor; sein Werk ist freilich ganz überwiegend nur in Fragmenten und Bezeugungen greifbar [1.5: C, Varro; 3.3: W, Memoria und res publica, 175–179; 208–211]. Dass antiquarisch arbeitende Autoren wie Varro weniger gegenwartsgebunden waren als die (politischen) Historiographen, wird bisweilen angenommen, aber auch mit guten Gründen infragegestellt [3.5: B, From Asculum to Actium, 17]. Zielten die Schriften Varros auf eine historisch informierte Fixierung der Ordnung, sind die (durch Kommentare inzwischen überwiegend recht gut erschlossenen) Reden Ciceros vor dem Senat, einer contio oder einem Gericht höchst aufschlussreich für die situationsgebundenen Dynamiken im Gesamtgefüge des politischen Systems der Republik [1.5: M, Companion]; sie enthalten – wie auch seine rhetorischen Lehrschriften – daneben zahlreiche normativ gedachte Aussagen über das politische System. Eine kommentierte Ausgabe der fragmentarisch überlieferten Reden soll die Sammlung von E. M [Oratorum Romanorum Fragmenta] ersetzen; s. dazu die vorbereitenden Studien in S / B [1.2: Community and Communication]. Zur contio-Rhetorik s. u. 4.3.3. Eine wesentliche Grundlage für die Erforschung der von Aristokraten regierten Republik bildet die Prosopographie („Personenkunde“); dabei geht es um die Identifikation und zeitliche wie genealogische Bestimmung der (häufig namensgleichen) Personen, ferner um die Rekonstruktion ihrer Karrieren sowie ihrer politischen und familialen Bindungen [3.1: H / S, Prosopography; 3.1: B, Senate and Senators; 3.1: H, Prosopographische Methode]. Prosopographie kann ein sozialwissenschaftliches Instrument in der über lange Zeit texthermeneutisch verfahrenden Althistorie bilden, denn mit ihr lassen sich „Zusammenhänge aufdecken, die in den Quellen nicht ausdrücklich thematisiert werden“, und man kann so „das faktische Funktionieren eines sozialen Systems sichtbar machen, über das sich auch die Beteiligten auf Grund ihrer je beschränkten Perspektive nicht völlig im klaren waren“ [H, 95]. Beinahe den Status einer Quelle genießt in der Forschung die jahrweise Zusammenstellung aller angebbaren Amtsträger der Republik durch B [1.6: Magistrates, meist als MRR abgekürzt], die durch die umfassenden Quellennachweise und den ‚Index of Careers‘ für prosopographische Studien in der Tat unentbehrlich ist. Allerdings wurde moniert, dass in den Quellen erwähnte anonyme Gruppen von Amtsträgern, in erster Linie Volkstribune und Gesandte, nicht berücksichtigt sind [4.1: B, Tribuni plebis and res publica, 189]. Unverzichtbar sind ferner die überwiegend von F. M verfassten Artikel zu einzelnen aristokratischen Amtsträgern in der „Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“ (RE). Eine Erweiterung bieten die unvollendet gebliebenen und postum erschienenen Zusammenstellungen und Auswertungen von K.
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1. Historischer Kontext und Forschung
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Z [1.6: Adfinitas] zu den komplexen Verwandtschaftsverhältnissen in der Nobilität sowie den familialen Strategien (Heirat, Adoption) und deren Erfolg. Für die politisch wichtigen, da durchweg von Aristokraten besetzten Priesterkollegien und Einzelpriesterschaften ist jetzt das Werk von J. R [1.6: Fasti Sacerdotum] maßgeblich. Unter Leitung von H. M wird eine digitale Prosopographie der Amtsträger der römischen Republik unter Berücksichtigung von B und der anderen einschlägigen Werke vorbereitet. Im Zuge der Forschungen zur politischen Kultur hat das dichte Zusammenspiel von Institutionen, Handlungen und Symbolen im öffentlichen Raum der Stadt Rom große Aufmerksamkeit gefunden (s. u. 5); gut zugänglich aufbereitet findet sich der Forschungsstand zu Bauten, Monumenten und Plätzen bei S [1.6: Lexikon Topographicum] und (kürzer) R [1.6: New Topographical Dictionary]; frei im Internet zugänglich ist das immer noch nützliche Werk von P / A [1.6: Topographical Dictionary]. Die Stadtgeschichte von K [1.6: Rom] ist beinahe zur Hälfte der Republik gewidmet; hinsichtlich der Frühzeit vertritt der Autor mit guten Gründen einen minimalistischen Stadtpunkt, während v. a. die italienische Forschung aus strittigem Material gern weitreichende Konstruktionen ableitet. Die archäologische Forschung zu Rom und Italien [guter Überblick: 1.6: DR E, Archaeology] untersucht aktuell die materielle Kultur in ihren sozialen Konfigurationen sowie als Formung von Landschaft, Ausdruck von Herrschaft und Produkt von Identitätsbildungsprozessen. Für die politische Topographie der Stadt Rom zentral war die Unterscheidung zwischen dem Bereich des bürgerlichen Lebens in der Stadt (domi) vom Raum außerhalb (militiae) [1.4: M, Staatsrecht I, 61–63]. Als Grenze wird üblicherweise das pomerium betrachtet [für die gängige Sicht s. H. G, DNP 10, 2001, s.v. Pomerium; vgl. zuletzt 1.4: B, Gouverner avec les dieus, 186–200], doch eine in Arbeit befindliche Dissertation von D. E [Grenzen schreiben. Das Pomerium und die mediale Konstitution von Stadtgrenzen und Stadtgebiet im antiken Rom] sucht die These zu begründen, dass die angeblich sakrale Grenzlinie schon in der Antike Produkt von jeweils situativ bedingten Konkretionen und Konstruktionen war; man könne gar von einer „systematischen Uneindeutigkeit des Pomeriums“ sprechen. Zentrale politische Praktiken (z. B. Abhaltung von Volksversammlungen; Besitz/Verlust des imperium) erhielten demnach ihre räumliche Qualität nicht durch ein pomerium als klare Grenze, sondern durch eine davon unabhängige Verbindung mit bestimmten Orten. Komplementär dazu markierte die Unterscheidung domi / militiae weniger eine räumliche Grenze, sondern verschiedene Konstellationen – einmal ausgehoben, schuldete der Bürgersoldat auch im städtischen Raum seinem Befehlshaber absoluten Gehorsam [1.4: G, Les institutions, 188].
Topographische Hilfsmittel / Archäologie / Raum
Domi / militiae / pomerium
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106 Senatsbeschlüsse und Gesetze
Münzen und Inschriften
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Eine kritische und kommentierte Zusammenstellung aller überlieferten Senatsbeschlüsse gibt es noch immer nicht [s. die Auflistung mit knappen Nachweisen bei 4.2: O’B M, Senat¯us consultum, 808f.; vgl. für die meist inschriftlich überlieferten Beschlüsse zur Herrschaftspolitik 1.6: S, Roman Documents]; komplexe Texte wie das „Senat¯us consultum de Bacchanalibus“ (186; ILLRP 511 = ILS 18) werden unter verschiedenen Gesichtspunkten interpretiert [4.4: P, Bacchanalia]. Besser erschlossen sind die leges: Von D. F gesammelt und kommentiert wurden die (meist nicht historischen) Gesetze und Plebiszite der Frühzeit [1.6: Gesetze] sowie die Fragmente der Zwölftafelgesetze [1.6: Zwölftafelgesetz]. Die Fortsetzung für die Zeit von 366 bis 134 wird von M. E verantwortet [1.6: Gesetze]. Von ihrer auf zwei Teilbände veranschlagten Sammlung der spätrepublikanischen leges liegen zwei Vorabpublikationen in Aufsatzform vor [4.1: E, Die Rolle der Volkstribunen als Gesetzgeber; 4.3.1: , Die leges de civitate von den Gracchen bis Sulla]. Bis zur Vollendung des Werkes bleibt die alte Edition von G. R [1.6: Leges Publicae] unentbehrlich. Die im Wortlaut überlieferten Gesetze und Fragmente sowie die Reste des Zwölftafelgesetzes sind mit Übersetzung und Kommentar in einer von M. C herausgegebenen Sammlung vereint [1.6: Roman Statutes]. Die beiden auf der Tabula Bembina inschriftlich teilweise überlieferten Gesetze aus dem späten 2. Jahrhundert, darunter ein Ackergesetz, hat A. L gesondert mit ausführlichem Kommentar und Übersetzung ediert [4.4: Judicial Reform and Land Reform]. Im Wortlaut überlieferte Gesetze, Senatsbeschlüsse, das prätorische Edikt und andere Rechtssatzungen sind (ohne Übersetzung) von B / G [1.6: Fontes] zusammengestellt. Einen ähnlichen Status wie Broughtons „Magistrates“ genießt für die Münzen das Handbuch von C [1.6: Roman Republican Coinage (RRC)]; hier finden sich auch die für die politische Repräsentation der Aristokratie aufschlussreichen, symbolisch dichten individuellen Denarprägungen ab den 130er-Jahren. Aus den etwa 4 500 erhaltenen Inschriften aus republikanischer Zeit sind für das Thema dieses Buches nur wenige aufschlussreich. Nach Sachgruppen geordnete, knapp annotierte Sammlungen (ohne Übersetzung) bieten D [1.6: Inscriptiones Latinae Selectae] und D [1.6: Inscriptiones Latinae Liberae Rei Publicae]; einen sehr knappen Überblick gibt S [1.5: The Roman Republic]. 1.3 Hauptetappen und -probleme der Forschung
Antiquarische Gelehrsamkeit
Während der Diskurs für und wider die Republik als Staatsform seit Machiavelli den römischen Fall immer wieder intellektuell und politisch aktualisierte (s. u. 6.4), gingen in der Frühen Neuzeit die wesentlichen Impulse zur Erweiterung des Wissens über die Römer von der antiquarischen
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1. Historischer Kontext und Forschung
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Gelehrsamkeit aus [M, Alte Geschichte und antiquarische Forschung]: Sie erschloss neues Material (Monumente, Münzen, Inschriften), durchforstete die antike Literatur, betrieb Echtheitskritik und stellte das Material in „Altertümern“ zusammen. Im 19. Jahrhundert geriet diese Art der Forschung in den Ruch des konzeptlosen ‚Zusammentrödelns‘ von Wichtigem und Unwichtigem, während die sich professionalisierende Geschichtswissenschaft den Anspruch erhob, mit ihrer historisch-genetischen Auffassung, der quellenkritischen Methode und den großen Fragen die einzige ernstzunehmende Rede über die antike Vergangenheit zu führen. T. M [zur Biographie s. R, Theodor Mommsen] hat in seinem Monumentalwerk „Römisches Staatsrecht“ (ab 1871), das teilweise auf den Leistungen der antiquarischen Gelehrten ruhte, dieses Fundament weitgehend totgeschwiegen [N, Das Staatsrecht in der Diskussion, 27–43; G, Magistratur und Volk, 413]. Bissig ironisierte er „das Getümmel auf dem antiquarischen Bauplatz“, wo „viele geschäftige Leute bloss die Balken und Ziegel durch einander werfen, aber weder das Baumaterial zu vermehren noch zu bauen verstehen“ [1.4: M, Staatsrecht I, X). Dass ein knapp 150 Jahre altes, gut 3 000 Seiten umfassendes Werk noch immer als eine stets zu konsultierende wissenschaftliche Referenz einer ganzen Disziplin gelten kann und nicht nur als Gegenstand von Wissenschaftsgeschichte oder Steinbruch für Material, dürfte ziemlich einmalig sein. Mit seinen Voraussetzungen, der Konzeption, den Leistungen und Problemen hat sich v. a. die deutschsprachige Forschung daher intensiv auseinandergesetzt [4.3.3: B, Lex Publica, 16–51; H, Zwischen „System“ und „Geschichte“; N, Der antiquarische Bauplatz; ., Geschichte und System; . / S, Mommsens langer Schatten; B, Mommsens Glaube]. Der gelernte Jurist M passte alle überlieferten Institutionen und Verfahren römischer Staatlichkeit von der Königszeit bis zum Ende der hohen Kaiserzeit (284 n. Chr.) auf der Basis von antiken Begriffen in ein konsistentes System ein, von dem die Römer selbst keinerlei Idee hatten – ein Monument des Konstruktivismus avant le lettre. Bereits 1845 hatte er formuliert, das System sei „seine eigene Wahrheit“ [1.2: Schriften III, 546]. Den rechtsgeschichtlichen Lehren seiner Zeit folgend, war er überzeugt, in dem langen Zeitraum der Rechtsentwicklung seien alle denkbaren interpersonalen Verhältnisse im Recht erfasst worden, weshalb die politische Eigenart der Römer in ihrer gewachsenen Rechtsordnung zu greifen sei. Um diese freilich erkennen zu können, müsse die Überlieferung durch die Rückführung aller Phänomene auf wenige Grundbegriffe und -konzepte von allem Zufälligen und historisch „Irrationellen“ gereinigt werden. Die ursprünglich für das Privatrecht entwickelte sog. Begriffsjurisprudenz zog Rechtssätze und Rechtsinstitutionen als in sich selbst ruhende Institutionen bzw. Begriffe in einem wissenschaftlichen System zusammen, das alle
Theodor Mommsen
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‚Geschichte‘ versus Systematik?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Glieder zu einem konsistenten Gebäude des Rechts verband. Als Säulen der römischen Staatsordnung sah M Magistratur, Bürgerschaft und Senat, wobei der Akzent auf Ersterer liegt. Archimedische Punkte bilden die Amtsgewalt (potestas, imperium) sowie ein spezifischer, diese stützender, aber nicht unproblematischer Begriff von (Volks-)Souveränität [dazu B, Volkssouveränität; M. J, Volksversammlungen in Mommsens Staatsrecht, 134–142 u. 145; F, Volkssouveränität]. Auf dieser Basis sprach M einerseits von einem ewigen, unwandelbaren Königtum, das „umgenannt, verdoppelt, verkürzt, beschränkt, aber nicht aufgehoben werden“ konnte [1.2: Schriften III, 373], legte gleichzeitig aber in der Disposition des Werkes den Akzent auf die Republik: Die „Auffassung der Magistratur und der Comitien als gleichmässig selbständiger Träger des Gemeindewillens beherrscht das Staatsrecht der Republik“ [1.4: Abriss, 64]. Das Streben nach zwingender Konsistenz führte M bisweilen recht weit; so kann er für die von ihm komplementär neben die magistratische Iurisdiktion gerückte unmittelbare Zwangsgewalt (Coercition) als „berechtigte Selbsthülfe des Beamten so wie seiner Collegen (. . . ) gegen den, der dem vom Magistrat innerhalb seiner Competenz erlassenen Befehl den Gehorsam weigert“ [1.4: Staatsrecht I, 138], nur wenige Zeugnisse beibringen, „die zu einem vollständigen Normgefüge auszuweiten nach heutigen Maßstäben unzulässig ist“ [D. L, in: N / S, Mommsen langer Schatten, 204]. Konflikt- und Ausnahmekonstellationen haben in Ms „Staatsrecht“ durchaus ihren systematischen Platz und gelten keineswegs nur als Irregularitäten; so figurieren Konflikte als „Collision“ von unabhängigen, nicht hierarchisch abgestuften Kompetenzen (Kollegialität; tribunizisches Veto; Obnuntiation u. a.; zu Ms Konzeption von Notstand und Ausnahmegewalt s. u. 6.4). Gerade im noch stärker abstrahierenden und dozierenden „Abriss des römischen Staatsrechts“ kommt M an mehreren Stellen auf den formal-rechtlich wenig gewichtigen Senat zu sprechen und zeigt auf diese Weise, wo überall der Wille der regierenden Aristokratie im Gesamtgefüge der römischen Ordnung zur Geltung kam. Schon deshalb ist der Vorwurf, M habe zugunsten der Systematik die historische Entwicklung vernachlässigt, bestenfalls oberflächlich [s. 4.3.3: B, Lex Publica, 32–51; N, Geschichte und System; H, „Gegensatz von Form und Inhalt“]. M kannte die Quellen viel zu gut, um die Unschärfen und die Situationsoffenheit des ‚Systems‘ zu verkennen [s. etwa 1.4: Abriss, 255]. Allerdings erachtet er für die Interpretation der res publica Romana nur das als wesentlich, „was von den Römern in die Rechtsform gegossen oder doch durch die Gewohnheit in eine Nähe zum Recht gerückt worden war“ [1.4: B, Verfassung, 300f.]. Staatslehre ist im „Staatsrecht“ identisch mit Staatsrechtslehre, während Politik, Ökonomie, Soziologie, Philosophie und andere Disziplinen, die heute selbstverständlich zur Interpretation des Staates herangezogen
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1. Historischer Kontext und Forschung
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werden, zumindest als leitende Kategorien vor der Tür bleiben – M als Forscher hatte sie aber selbstverständlich im Blick. Alle folgenden Entwürfe der politischen Ordnung Roms blieben jedenfalls materiell und mehr oder minder auch konzeptuell dem „Staatsrecht“ verpflichtet, und bis auf weiteres kommt eine ernsthafte Beschäftigung mit der Geschichte und öffentlichen Ordnung Roms nicht ohne Kenntnis und Konsultation des Werkes aus. Denn M hat, so J. B, durch „die rigorose Ordnung des Materials, das er in bis auf den heutigen Tag unübertroffener Weise beherrschte, sowohl ganze Bereiche des römischen Staatslebens als auch deren kleinste Teile dem Zugriff des Historikers erst eröffnet“ [1.4: Verfassung, 302]. Die Systematik als Mittel begreifender Darstellung sei durch ihn „in der erdenklich umfassendsten Weise genutzt worden“. Die zeitgenössischen Rezensionen listen K / W auf [1.3: Bibliographischer Index, 273–276]. Die Autorität des Meisters und die Schlüssigkeit seines Bauwerks haben etwas ältere oder zeitgleich vorgelegte Darstellungen des römischen Staates völlig verdrängt; das gilt für die materialreiche und sorgfältige Bearbeitung durch L. L, in der die Republik in fünf Phasen aufgeteilt und die Systematik dieser Periodisierung untergeordnet ist [Römische Altertümer, 3 Bde., 3./2. Aufl., Berlin 1876–1879]. Ls Kritik an M zielte daher auch auf dessen die ‚Geschichte‘ angeblich vernachlässigende Systematik. Doch die Betitelung mit „Altertümer“ stellte dieses Handbuch in eine nunmehr für antiquiert geltende Tradition. Als ein „glänzendes Werk, an das wir heute in vielen Punkten wieder anknüpfen können“, rühmte B [4.3.3: Lex Publica, 33 Anm. 37] den heute weitgehend vergessenen Zweibänder von E. H [1.4: Römische Staatsverfassung]. H rügte ebenfalls an M (wie viele nach ihm) eine „Überspannung des ‚Systems‘“ und legte die historische Entwicklung in einem besonderen, der Systematik voraufgehenden Teil dar, was aber auf eine innere Geschichte Roms hinauslief, gegliedert nach Königszeit, Republik und Kaiserzeit. Im Zentrum der Ordnung stehen hier der Senat und die dort versammelten Geschlechter; die Regierung übten Senat und Magistratur gemeinsam aus, von einer Souveränität des Volkes könne nicht die Rede sein. Auch im halben Jahrhundert nach M ist die Forschung, sofern sie sich überhaupt am Ganzen versuchte, kaum über diesen hinausgekommen [B, Im Schatten, 529–534], auch wenn man sich bemühte, neue Aspekte einfließen zu lassen, etwa die territorial-rechtliche Entwicklung [E. T, Der römische Staat (1935). Anhang: Grundfragen der römischen Verfassungsgeschichte (1926), Stuttgart 1985], oder generell die historische Entwicklung und die sozialen Grundlagen stärker betonte [so H. S, Römisches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung, Lahr 1952]. Solche Aspekte, v. a. die Bedeutung der Nobilität (s. u. 3.1), waren auf dem Grundriss einer im Wortsinn verfassungsrechtlichen Behandlung aber kaum zu integrieren, weswegen E. M [1.4: Römischer
Gesamtentwürfe neben und nach Mommsen
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F. de Martino
Forschungsüberblicke
Sozialgeschichte der Eliten
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Staat] in seiner ungleich erfolgreicheren und lesbareren Darstellung auf eine konstituierende Systematik verzichtete. Sein Buch kann zugleich als wissenschaftliche Reaktion auf die Krise der europäischen Staatlichkeit nach 1918 und 1945 gelesen werden: Der Autor betrachtete die „staatsbildende Leistung der Römer“ als eine „Grundvoraussetzung unserer eigenen Kultur“ [ebd., 9] und suchte in diesem Sinne besonders die sozialen Grundlagen sowie die Normen und immanenten Wirkkräfte herauszuarbeiten, etwa die Abstraktheit der res publica: Sie erlaubte eine nahezu unbegrenzte Vergrößerung der Bürgergemeinschaft, die in griechischen Gemeinwesen unmöglich war. Nicht zuletzt wegen der umfassenden Angaben zu Quellen und Spezialforschung erfreute sich Ms Werk lange großer Beliebtheit. Dagegen wird die noch wesentlich umfangreichere Verfassungsgeschichte des Rechtshistorikers und Politikers F. D M [1.4: Storia] – Königszeit und Republik füllen drei Bände mit 1 400 Seiten – häufig genannt, aber nur selten herangezogen, obwohl sie klar und lebendig geschrieben ist. In der italienischen Tradition wird hier auch die Frühzeit breit und in der Beurteilung der Quellen optimistisch behandelt. Bedingt durch den (undogmatischen) Marxismus des Autors haben sozio-ökonomische Triebkräfte großes Gewicht und werden die Auseinandersetzungen der Späten Republik mit Kategorien wie Klassenkampf und demokratischer Bewegung erklärt. Die durch die Arbeitsteilung im „Handbuch der römischen Altertümer“ zwischen Ms „Staatsrecht“ und M [1.4: Römische Staatsverwaltung] etablierte Trennung von Verfassung und Administration macht D M mit gutem Grund nicht mit; ein großer Teil seines zweiten Bandes ist der Herrschaftsorganisation in Italien und den Provinzen gewidmet. Eingehende Diskussionen der Spezialforschung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bieten K [1.3: Berichte] und S [1.3: Constitution]; für die Zeit von ca. 1980 bis 1996 s. pointiert 1.3: W, Roman Republic. Neuere Forschungsberichte aus historischer Sicht fehlen leider. J. B [1.1.1: Geschichte, 134–138] gibt eine prägnante Skizze der verschiedenen Ansichten vom „Charakter des republikanischen Staates“ [vgl. 1.4: ., Verfassung, 297–328, und 1.3: J, Volksversammlungen in Mommsens Staatsrecht, 149–155]. Ms juristische Ausrichtung ließ für die Erschließung weiterer konstitutiver Faktoren institutioneller Organisation und politischen Handelns Raum. Mit der von ihm selbst so genannten „gesellschaftsgeschichtlichen“ Analyse von M. G [3.1: Nobilität] und den prosopographischen RE-Artikeln von F. M (s. o. 1.2) gewannen die Binnenbeziehungen der Eliten Profil (s. u. 3.1). Großen Einfluss auf die Forschung hatte dabei für mehrere Jahrzehnte der Versuch, in diesen Binnenbeziehungen ebenfalls feste Strukturen zu identifizieren, um dem oft so verwirrend vielfältigen und unübersichtlichen Vordergrundgeschehen auf der politischen Bühne Ordnung und Richtung zuschreiben zu können. So sah
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F. M [3.1: Adelsparteien] die römische Politik von längerfristigen Formierungen innerhalb der Elite geprägt. Diese „Faktionen“, „Parteien“ oder „Klüngel“ seien Zusammenschlüsse führender Adelshäuser gewesen, die durch familialen Zusammenhalt, Heiraten, Adoptionen, persönliche Verpflichtungen, Wahlbündnisse und ‚Freundschaften‘ begründet worden und oftmals über Generationen stabil geblieben seien. Methodisch basierte dieser – von M freilich vorsichtig und mit einem unspezifischen Begriff von Parteien vorgetragene, später v. a. in der englischen Forschung dogmatisierte – Ansatz auf der Prosopographie (s. o.); diese suchte aus der Besetzung der oberen Ämter sowie der Analyse von familialen Verbindungen derartige Koalitionen und Dominanzen zu erweisen und wollte auch außenpolitische Entscheidungen aus ihnen ableiten. Bisweilen wurden mit den ‚Adelsparteien‘ ferner politische Grundorientierungen verbunden; so habe es die konservativen Fabier, die Aemilier als liberale Zentristen oder die Partei um Ti. Gracchus gegeben. Triebkräfte und Ordnungsmodelle bedurften dabei keiner näheren Untersuchung, denn „jede politische Partei strebt nach der Macht und nach der Herrschaft im Staate“ [3.1: M, Adelsparteien, 1], und „was immer die Form und die Bezeichnung einer Regierung sein mag, Monarchie, Republik oder Demokratie, zu allen Zeiten lauert eine Oligarchie hinter der Fassade, und die römische Geschichte . . . ist die Geschichte einer herrschenden Klasse“ [3.1: S, Römische Revolution, 13f.]. Als Erklärungsmuster für die Senatspolitik in der Mittleren und Späten Republik gilt die sog. Faktionentheorie inzwischen als obsolet [zusammenfassend 1.3: H, Friedrich Münzer, XIX–XXXVIII]. Auch für die nach-sullanische Zeit kommt P. B [5: Factions, 502] zu dem Ergebnis, dass „we do not find large groups of politicians, bound together by ties of kinship or friendship, or by fidelity to a leader, who act together consistently for any considerable time. Individuals make personal decisions, guided no doubt at times by their private obligations, but also by considerations of their own selfish advantage or of the public good.“ Demgegenüber hat die von R. S in der Verbindung von prosopographischer Analyse und glänzender Schilderung vorgetragene These, die spätrepublikanischen Potentaten Caesar und Oktavian hätten durch gezielte Patronage „parties“ im Sinne von stabilen Anhängerschaften hinter sich gebracht und dadurch eine partielle Umformierung der sozio-politischen Elite in Richtung auf eine Monarchie bewirkt, immer noch viel für sich [3.1: Römische Revolution, Kap. 5 u. 24]. Ohne den Engführungen der Faktionentheorie zu folgen, trägt die gesellschaftsgeschichtlich ausgerichtete Forschung, die zuletzt in J. B repräsentiert war, einem Unbehagen an einer Verfassungslehre und -geschichte Rechnung, die allzu einseitig auf formalisierte Organisationseinheiten und Verfahren blickt. Sie sieht die Republik vielmehr als Ordnung, die nur funktionieren konnte, weil (und solange) die gesellschaftlichen Grundlagen bestanden: die Nobilität und ihr Konsens über
Faktionentheorie
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C. Meier, Res Publica Amissa
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Ziele, Normen, Hierarchien und Verhaltensweisen sowie die Bindung des Volkes an die Elite. Strittig in ihrem Stellenwert ist dabei nach wie vor die – in der klassischen Sozialgeschichte zentrale – Kategorie des Interesses. Einen Brückenschlag zwischen älteren und neueren Zugängen unternimmt der Sammelband von H / H [1.2: Politische Kultur und soziale Struktur]. Die von C. M 1966 vorgelegte Studie zur Verfassung und Geschichte der Späten Republik [1.4: Res Publica Amissa] beeinflusste die Forschung maßgeblich [s. umfassend 1.3: H, Rekonstruktionen / Reconstructing]. M betonte – wie schon zuvor A. H [1.1.1: Römische Geschichte, 37f.] – die „technische Unvollkommenheit“ der formal-institutionellen Ordnung und hielt das erwartungsgerechte Handeln der Akteure (die „politische Grammatik“) für hochgradig erklärungsbedürftig. Die schließliche Zerstörung der politischen Sphäre sah er nicht einfach als Resultat selbstverständlicher individueller Bestrebungen, etwa eines Willens zur Macht, oder historisch notwendiger Anpassungen (etwa der Art der Regierung an die Existenz eines Herrschaftsraumes, der weit über die Begrenztheit eines oligarchisch regierten Stadtstaates hinausgewachsen sei), oder eines revolutionären Prozesses [dazu R, Interpretation]. Zwei Drittel des Buches klären die „Grundbedingungen der Verfassungswirklichkeit der späten res publica“. M ging (mit H und anderen) davon aus, dass die öffentliche Ordnung Roms stark in der Gesellschaft verankert war und deren Zusammenhalt erst die Stabilität des politischen Systems sicherte. Daher setzte er bei der aristokratischen Prägung der res publica an und analysierte den Wandel der stabilisierenden Nah- und Treuverhältnisse. Das Herrschaftsgebiet, neu erschlossene Ressourcen und die Ausweitung der Bürgerschaft ließen neue Akteure auf den Plan treten; neue Themen politischen Konflikts wurden möglich. M fasste diese „Extensivierung“ der res publica als eine Überdehnung der Form und als Erschlaffen kontingenzreduzierender Gebundenheiten. Die Diagnose einer Neuformierung von Akteuren und Interessen führte ihn zu einer Untersuchung der Parteiungen in der Späten Republik, boten diese doch zumindest theoretisch das Potenzial, eine systemüberwindende Bewegung zu bilden. Doch genau dies geschah nicht; stattdessen vollzog sich die Veränderung prozessual, aus einer Kumulation unbeabsichtigter Nebenwirkungen von Handeln. Die Probleme im Herrschaftsraum und die gewachsenen Machtressourcen, verbunden mit dem Potential der sog. popularen Politik, ermöglichten den Aufstieg machtvoller Individuen, die aber nicht für eine ‚Sache‘ standen, welche im Konsens oder im Streit, im Modus der Reform oder der Revolution hätte durchgesetzt werden können. Caesar schließlich unterwarf die ganze römische Welt seinem Machtwort, konnte aber zumindest die Aristokratie in Rom nicht von der Legitimität seiner Position überzeugen (s. u. 6). Nicht zufällig ergab sich die besondere Gestalt des augusteischen Prinzipats als res publica restituta ganz wesent-
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lich aus der Rücksicht des Machthabers auf die Aristokratie, die Geschichte und damit auch die Paradoxien der „Krise ohne Alternative“; zu dieser vieldiskutierten Begriffsprägung Ms s. W [1.7: ‚Krise ohne Alternative‘] und B [1.7: Krisenbewußtsein]. Einen Gegenentwurf – „Krise durch Alternative“ – postuliert neuerdings L [1.1.1: Von den Gracchen bis Sulla, 140f.], noch ohne dies freilich näher auszuführen. In einer ebenfalls knappen Skizze wollte K ein „Age of Reform“ von Ti. Gracchus bis Sulla ausmachen [1.7: Crisis with Alternative]. Der skizzierten, v. a. in Deutschland etablierten Forschungsrichtung warfen englische Gelehrte wie P. B eine zu starke Elitenfixierung und eine Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen politischen Handelns vor [s. bereits B, Rezension zu M, Res Publica Amissa, in: JRS 58, 1968, 229–232]. In der Folge nahm man die ‚kleinen Leute‘ näher in den Blick (s. u. 4.3.4); untersucht wurde ferner die Ideenund Wertewelt der Römer, wie sie in signifikanten Begriffen zu fassen sei (s. u. 4.3.2). Beide Richtungen flossen ein in die von F. M neu aufgeworfene Frage nach dem Charakter der römischen Verfassung insgesamt unter dem Gesichtspunkt der Machtlagerung. Als kritische Reaktion auf M, aber wie dieser ausgehend von der Rolle des Volkes (s. u. 4.3.3) haben die Forschungen zur politischen Kultur zu einer differenzierteren Sicht auf Kommunikation, Integration und Mobilisierung sowohl des Adels wie auch des Volkes geführt. Soviel vorweg (s. u. 5): Das Konzept geht von einem weiten Begriff des Politischen aus; dieses umfasse nicht allein die Orte, Organe und Verfahren der Vorbereitung, Herbeiführung und Umsetzung von Entscheidungen in einem institutionell verfassten Kollektiv, sondern alle Räume, Mechanismen und Kommunikationen, in denen bzw. mit denen außerfamiliale Gemeinschaftlichkeit ausgehandelt, definiert, hergestellt und stabilisiert wird. Stabilisierung meint dabei, dass die Legitimität der im engeren Sinn politischen Verfahren und die damit verbundenen Über-, Unter- und Einordnungen durch Handlungen und Zeremonien immer neu bestätigt und eingeschärft werden müssen. Demgegenüber stellen andere Forscher die sozialen wie ideologischen Friktionen und Konflikte heraus [1.7: W, Ideological Vacuum], ebenso ein demokratisches Potential in der Ordnung, das von der Elite zwar eingehegt und in integrativen Routinen und Ritualen ausgetrocknet werden konnte, sich aber immer wieder auch von einzelnen Akteuren aus der Latenz reißen und mobilisieren ließ. Zu bedenken ist aber, dass dieses Potential angesichts der starken Stellung des Magistrats und des Fehlens jeder Art von Repräsentation faktisch in ein monarchisches Politikmodell einmündete (s. u. 2). Leistungen und Grenzen der Hauptrichtungen der Forschung, von der Institutionen- und Staatslehre über die Verfassungs-, Struktur- und Begriffsgeschichte bis hin zum Studium der politischen Kultur, fasst K.-J. H [Rekonstruktionen / Reconstructing] in parallelen Entwicklungsbögen; er fragt ferner nach Abgrenzung, Verhältnis und
Forschung seit C. Meier
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Neuere Synthesen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
relativer Gewichtung von formaler und realer, symbolisch-ritueller und inhaltlich-praktischer Teilhabe in den Entscheidungszentren der Republik. Für eine Kritik s. M. C [1.3: Reconstructing] und die Replik von H [1.3: What’s in a text?]; s. auch die Aufsätze in 1.3: Z u. a., Ricostruzioni. Aufschlussreich ist der Vergleich der kürzeren monographischen Synthesen von J. B, A. L, A. G und H. M, als deren Urbild nach Umfang und Absicht ebenfalls M gelten kann [1.4: Abriss]. B betrachtet die Verfassung als Organisationsstatut einer Gesellschaft und stellt diese daher voran. Die Institutionen werden in der Reihenfolge Senat, Magistratur und Volksversammlungen behandelt, um die Dominanz der Aristokratie zu unterstreichen. Über M hinausgreifend skizziert B auch die „Bereiche staatlicher Tätigkeit“ als solche, u. a. Heerwesen und Religion. Das politische Leben fasst er als Willensbildung innerhalb der Aristokratie sowie als Prozess zwischen Nobilität und Magistratur. Dem engen Zusammenhang zwischen äußerer Ausdehnung und innerer Entwicklung trägt B Rechnung, indem er breit erläutert, wie die Römer ihre expandierende Macht institutionell organisierten und handhabten [1.4: Verfassung]. L unterscheidet drei mögliche Zugänge zur Verfassung der Republik: praxeologisch das konkrete Arbeiten des politischen Apparates im 2. und 1. Jahrhundert zu untersuchen, genetisch den Ursprung von Institutionen und Verfahren in der Frühzeit aufzuspüren oder die republikanische Ordnung als ganze mit einem theoretischen Modell – von Polybios’ Mischverfassung bis zu Ms „Staatsrecht“ – beziehungsweise als Ideologie zu erfassen. Er sucht diese Ansätze zu integrieren, wobei er die Volksversammlungen voranstellt, vor Senat und Magistrate, und generell der polybianischen Sicht großen Kredit einräumt, zumal diese den Konflikt zwischen den Kräften bereits systematisch einbeziehe. Der politische Prozess wird gleichwohl eher formalistisch als ein Mit- und Gegeneinander von Institutionen gesehen, weniger als ein fortwährendes Aushandeln von Macht und Möglichkeiten innerhalb der Aristokratie bzw. zwischen Adel und Volk; wie sehr die Expansion Roms und eine Institution wie das Heerwesen die Verfassung prägten, gerät kaum in den Blick [1.4: Constitution]. G geht von einer Kritik an der modernen, zumal der an M anschließenden Forschung aus: Diese habe sich zu weit von dem in den antiken Quellen gezeichneten Bild entfernt. Deshalb bietet der Autor im ersten Teil einen ausschließlich aus den Quellen geschöpften systematischen Überblick zu den Institutionen der Republik in den letzten beiden Jahrhunderten ihrer Existenz, während ein zweiter Teil die Geschichte dieser Institutionen seit der Königszeit ebenfalls aus den Quellen zu erheben sucht. Niemals sei in der Antike die „souveraineté du peuple“ in Frage gestellt worden; stets habe der Senat die volle Verantwortung für die Regierung des Staates innegehabt und den Magistraten
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bindende Anweisungen erteilt. Anders als B erachtet G die historiographischen (‚annalistischen‘) Nachrichten über die Frühzeit als brauchbar für die Institutionengeschichte. Im dritten Teil des Buches werden auf vierzig Seiten höchst instruktiv Ansichten der Forschung diskutiert [1.4: Les institutions]. M zielt in seiner kürzlich vorgelegten, bewusst selektiv verfahrenden Synthese stark auf die politische Praxis und liefert eine vorzügliche Bilanz der neueren Forschungen zur politischen Kultur. Die institutionellen Grundlagen werden eher beiläufig vermittelt oder vorausgesetzt; die Volksversammlungen erhalten starkes Gewicht, während im Index Einträge wie ‚consul‘ oder ‚magistrate‘ fehlen. Einerseits fragt M nach den „Roman notions of legitimacy“, andererseits möchte er das politische System der Römer, das von Polybios bis M in bestimmte Konzepte eingeschrieben worden sei, ‚unvertrauter‘ machen. Für Fragen nach der ‚Macht des Volkes‘, der Bedeutung der Ständekämpfe, nach Wahlen und Wahlkampf, dem Verhältnis von Anführern und Massen oder von Konsens und Wettbewerb stellt das Buch eine konzentrierte Referenz dar, die erfreulicherweise auch nicht-englischsprachige Literatur breit einbezieht. Aufs Ganze gesehen wird römische Politik als elite-dominiert bestimmt, wobei ‚Elite‘ jedoch über den engen Kreis des Senats und seiner Mitglieder hinausgereicht habe [1.4: Politics in the Roman Republic]. Breite Orientierung, gegliedert in die Unterkapitel ‚Institutionen‘, ‚Akteure‘, ‚Politische Kultur‘, ‚Fallstudien‘, ‚antike Autoren‘ sowie ‚Etappen moderner Interpretationen‘, verspricht in Kürze ein neues Sammelwerk zu bieten [1.2: P / A, A Companion to Roman Politics]. Die Reihe von Überblicksdarstellungen des Öffentlichen Rechts aus der Feder von Vertretern der Römischen Rechtsgeschichte wie H. S, W. K, G. D [s. 1.4: B, Verfassung, 135] ist zuletzt durch einen ganz unzureichenden Versuch verlängert worden, das Konzept des Staatsrechts auf eine Abfolge verfassungsgeschichtlicher Epochen zu projizieren [dazu 1.3: W, Kein Anschluß]. Die Darstellung von G. V [Lo stato] gibt nach Art der italienischen Forschungstradition der Frühzeit breiten Raum, ebenso der (Straf-)Rechtsentwicklung und den republikanischen Werten. Für den titelgebenden Begriff greift der Autor auf die von dem Juristen G. J [Das Recht des modernen Staates I: Allgemeine Staatslehre, 1900] prägnant formulierte, wenn auch recht schlichte Trias „Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt/Regierung“ zurück [Lo stato, 491]. Die republikanische Ordnung Roms sieht V fest auf den drei Säulen des Zivilrechts, des Völkergemeinrechts und des Amtsrechts ruhen. Gedankenreiche, mit eigenen Akzenten versehene Kurzüberblicke bieten außerdem H [1.4.1: Die staatlichen Institutionen; sehr klar; betont den aristokratischen Charakter der gesamten Ordnung] und B [1.4.1.: Power and Process; stark auf Magistratur und imperium fixiert, mit tabellarischen Übersichten]. M [1.4.1: Incongruence of Power]
Darstellungen durch Juristen
Kürzere Überblicke
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C. Meier, Die Ordnung der römischen Republik
Realitäten in der Sprache?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
spitzt zu: Republikanische Institutionen konnten eine Revolte der Massen verhindern, aber die Exzesse der Elite nicht einhegen. N [1.4.1: Constitution] postuliert ein demokratisches Potential in der Verfassung seit frühester Zeit, das von der dominierenden Oligarchie mit wechselndem Erfolg begrenzt worden sei. W [1.4.1: Roman Political Structure and Ideology] vertritt die These, dass „the Romans did not articulate a single principle of government at all“. Anregend ist die Skizze von E. S. F [1.4.1: History of Government], der die römische Republik in eine Typologie vormoderner politischer Systeme (polities) einordnet und dabei Faktoren wie Territorialität, Kontrolle, Strukturen der Implementierung von Entscheidungen usw. zugrundelegt. Als Träger von Letzteren nennt der Politikwissenschaftler Palast und Forum, Kirche und Adel, die jeweils verschieden legitimiert seien. Die römische Republik ordnet er dem Adel/ Forum-Typus zu. Betont wird die „incoherent nature of the Republican executive“ [ebd., 401]; die Verfassung funktionierte nicht mehr, als sie am Ende auf konkurrierende „legal provisions“ reduziert war, während die Institutionen, Verfahren und Schutzmechanismen manipuliert oder offen verletzt wurden [ebd., 422]. In einem langen Aufsatz hat zuletzt C. M [1.4: Ordnung] quer zu den Hauptrichtungen der Forschung die Eigenart der gewachsenen und gleichsam gesellschaftlich integrierten Verfassung betont: Die Republik kannte kein in rechtlichen Kategorien zu fassendes Institutionengefüge, das sich – modernen Verfassungen entsprechend – aus dem Ganzen ihrer Ordnung herauslösen ließe; sie bildete vielmehr eine „besonders dichte alternativlose Wirklichkeit“ [ebd., 696]. M fragt nach frühen, weichenstellenden Voraussetzungen seit der Königszeit sowie nach den Grundbedingungen und Weisen, die das Funktionieren der Ordnung durchwalteten. Gegen Tendenzen in der Forschung, Konsuln und Volksversammlungen als durchaus eigenständige Akteure zu betrachten, betont er erneut die Dominanz von Aristokratie und Senat. Die Ordnung ruhte insgesamt in ihrem quasi ständischen Gefüge, ihren Bindungen und Institutionen sowie in ihren intellektuellen, mentalen und rituellen Ausrichtungen und Dispositionen; „einfachen (oder auch komplizierten) begrifflichen Klassifikationen oder systematischen Rekonstruktionen entzieht sie sich“ [ebd., 697]. Indem er „ein gedeihliches Verhältnis von Freiheit und Verantwortung“ als unabdingbare Voraussetzung ihres Funktionierens erkennt, nimmt M implizit wieder eine – bereits im antiken Denken angelegte – akteurszentrierte und normative Perspektive ein, schätzt aber die Spielräume, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, nach wie vor gering ein [wie schon in 1.4: Res publica amissa]. Mit den genannten Richtungen vielfach verbunden, aber hier gesondert zu erwähnen sind Versuche, die Ordnung der römischen Republik in sprachlich vermittelten leitenden Ideen, politischen Konzepten, kontroversen Ideologien und konstitutiven Sprechakten zu erfassen. In Deutschland
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nach 1918 zeitweise einflussreich war das von der Latinistik ausgehende Studium sozialethischer „Wertbegriffe“ (s. u. 4.3.2). Ab den 1960er-Jahren wurde die Begriffsgeschichte auch auf die Antike übertragen; zentrale Geltungs-, Relations- und Assoziationsbegriffe wurden und werden nunmehr in ihrem historischen Wandel und in ihren sozio-politischen Kontexten untersucht (s. u. 4.3.2). Politische Begriffe wie etwa libertas als Marker von Ideologie spielen in den Arbeiten von Forschern wie P. B und T. P. W eine wichtige Rolle; diese betonen im Anschluss an antike Deutungen (Sallust!) Dissens und Konflikt zwischen Adel und ‚Volk‘ über die gesamte Dauer der Republik hinweg [s. etwa 1.2: B, Fall, 34: „antinomy between the authority of the senate and the rights of the people“]. Und schließlich ist auch ein Ansatz, der die Republik nicht in Strukturen oder Ideen konstituiert sieht, sondern in Handlungen, welche eine nirgendwo fixierte Ordnung immer neu formieren (s. u. 5), auf die Analyse von Sprechakten angewiesen, wie jüngst J. C [1.7: Roman Republicanism, 206f.] feststellte: „Roman thinkers treat politics in modes that mirror their topic, which exists in action, not text or inscription or anything else resembling a formal ‚constitution‘; . . . they view politics as rhetoric, as dynamic action in the realm of speech, as the constant, contested formation and undoing of consensus.“ Res publica wurde in der Forschung lange als gleichbedeutend mit ‚Gesamtheit der Interessen und Angelegenheiten des römischen Volkes‘ (im Gegensatz zur res privata) oder schlicht ‚römischer Staat‘ aufgefasst [s. etwa 1.4: M, Römischer Staat, 251f.]. Seit dem 2. Jahrhundert und gipfelnd im Sprachgebrauch Ciceros war damit nicht einfach irgendein formaler Organisationsrahmen gemeint, sondern die von allen guten Bürgern getragene, über einen langen Zeitraum herangewachsene Ordnung des freien römischen Volkes und seiner Führung durch Senat und Magistrate [s. 1.4: M, Res Publica Amissa, 1–6]. Anders als der moderne Staat wurde die res publica nie als formal handelnde Entität betrachtet, weswegen die Bezeichnung bei M keine Rolle spielt [1.4: Staatsrecht III, 3: populus, quirites, cives usw. als „Grundbegriffe des römischen Gemeinwesens“]. Die antiken Bedeutungsnuancen in ihren Kontexten erörtern S [1.7: Res publica] sowie D [1.7: Res publica]. L. H [1.7: Res Publica] zeigt in einer quellennahen Studie, dass die res publica v. a. im Handeln der Magistrate sichtbar wurde. Ab dem 2. Jahrhundert habe der Ausdruck die – bedrohte, zu schützende, wiederherzustellende – Ordnung schlechthin bezeichnet. Diesem emphatischen Begriff habe eine ältere, nicht zufällig von Caesar bevorzugte, eher formale Idee von res publica als „public business“ und Rahmen verschiedener Politikoptionen gegenübergestanden. Während ‚Ordnung‘ im M’schen Sinn (s. o.) ein Wissen der Akteure um ihren richtigen Platz in einem gelebten Gesamtzusammenhang sowie ein entsprechendes Handeln umfasst und somit nahe am römischen
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Moderne Begriffe
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Verfassung
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Hierarchiedenken ist [6: W, Ordnungszersetzung, 83–87], haben die modernen Bezeichnungen ‚politische Organisation‘ und ‚Verfassung‘ den Beiklang stärkerer Formalisierung. Dabei meint Letztere als Schnittpunkt von Recht, politischer Herrschaft und Ordnungsdenken mindestens unter Historikern längst weit mehr als nur das Verfassungsrecht mit seinen aufeinander bezogenen Funktionen und Kompetenzen, handele es sich nun um eine ungeschriebene Verfassung wie die römische oder um grundgesetzlich fixierte und richterlich interpretierte Verfassungen wie in fast allen modernen Staaten [s. H, Rekonstruktionen, 21–24 und passim]. Der Versuch von H. G, die Beziehungen zwischen Verfassungsrecht und Politik zu erhellen [1.3: Das Verfassungsverständnis der römischen Republik], ist nicht sehr fruchtbar gewesen [s. R. R, Gnomon 61, 1989, 362–364]. Gleichwohl ernsthaft diskutiert werden sollte die Kritik von B. S [1.7: Crisis and Constitutionalism] an einer Tendenz, sich ganz auf die politische Kultur im engen Sinn zu konzentrieren und so die Ordnung der Republik auf prekäre Gleichgewichte, Aushandlungsprozesse und symbolische Stabilisierung zu reduzieren (s. u. 5). Dagegen sucht S zu zeigen, dass die Römer durchaus so etwas wie eine Verfassung hatten, nämlich bestimmte Regeln, die einen höheren Rang hatten als andere und dadurch als ‚konstitutionell‘ gelten können, so der eine Souveränität des Volkes konstituierende Satz, was immer das Volk am Ende anordne, das solle rechtens und gültig sein [Liv. 7,17,12; anders versteht den Satz 4.1: B, Tribuni plebis and res publica, 211]. Das von S adressierte Problem bringt der Jurist und Rechtsphilosoph C. M in einem allgemeineren Kontext auf den Punkt [1.7: Ernst Rudolf Hubers letzte Fußnote, 58]: Eine Analyse von Recht und Verfassung könne diese nicht einfach in Praktiken aufgehen lassen: Wenn in einer kulturalistisch-praxeologischen Verfassungsgeschichtsschreibung „die Wahrheit der historischen Darstellung ‚hinter‘ den Formen und Begriffen der Juristen zu finden ist, dort, wo ausgehandelt wird, wo Rituale Normen nicht zur Anwendung bringen, sondern im Vollzug konstituieren, wo Formalisierung fehlt, wo auf zwangsweise Durchsetzung verzichtet wird oder diese formlos geschieht, dann entsteht eine Lücke“. Nichts spreche dagegen, ‚Praktiken‘ zu erforschen. Aber eine normative Ordnung auf diese zu reduzieren bedeute, „ihr das Aspirative, das Kontrafaktische, das Normative zu nehmen“. Nicht nur Praktiken, sondern auch Normen, genauer: das Konzept der Legalität selbst seien zu historisieren, ohne den normativen, also „kontra-faktischen“ Anspruch dieser Normen über Bord gehen zu lassen [ebd., 60]. Ein Stück weit ist Ss Buch also konzeptionell ein Gegenentwurf zur Studie von C. L [6: Regelkonflikte]. Die politischen Hauptakteure der Späten Republik brachten ihre gegensätzlichen Ansichten und Interessen nicht zufällig „as conflicting interpretations . . . expressed in legal terminology“ zum Ausdruck [S, 16]. Verfassungsregeln zeichnen sich dem-
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zufolge u. a. durch Veränderungsresistenz („entrenchment“), normatives Gewicht und eine juridische Qualität aus. Während aber L die Praxis an ereignishaften Konfliktfällen konkurrierender Normen und Regeln durchdekliniert, konzentriert sich S auf das postulierte, fast ausschließlich in Cicero greifbare Verfassungsdenken, das sich als Reaktion auf die Krise der politischen Ordnung ausgebildet habe. Die etablierte Unterscheidung von Macht und Herrschaft formulierte M. W [1.7: Wirtschaft und Gesellschaft, 28; s. 1.7: L, Macht und Herrschaft]. Die quellensprachlichen Äquivalente bespricht C. M knapp [1.7: Macht und Gewalt]. Die multidisziplinären Studien zu dem für das Verständnis römischer Politik eminent wichtigen Phänomen der Konkurrenz bilanziert K.-J. H [1.7: Konkurrenz als sozialer Handlungsmodus]. Den im enzyklopädischen Überblick (I) zugrundegelegten Begriff von Institution als Einrichtung, die soziale Existenz berechenbar ermöglicht und regelt, skizziert L [1.7: Institution]; zum engeren Begriff der politischen Institutionen s. C [1.7: Institutionelle Theorien]. Die Forschung bedient sich heute in der Regel eines erweiterten Institutionenbegriffs, wie er maßgeblich von den Soziologen P. L. B und T. L formuliert wurde [1.7: Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit]. Dieser ist hinreichend flexibel, so dass gesellschaftliche Regelsysteme und deren historische Entwicklung differenziert beschrieben werden können, ohne die Interpretation etwa durch eine statische Unterscheidung von ‚staatlicher‘ und ‚nicht-staatlicher‘ Ordnung bzw. Organisationsleistung vorschnell auf ein bestimmtes Gleis zu setzen. Die Bandbreite der so erfassbaren Phänomene reicht von habitualisierten Handlungsmodi und Routinen über Rituale bis hin zu abstrakt legitimierten und relativ stabilen Einrichtungen, etwa entpersonalisierten Ämtern oder einer komplexen Verwaltung. Die sog. Neue Politikgeschichte hat in diesem Zusammenhang auch Verfahren wieder verstärkt in den Blick genommen. Im Anschluss an neuere Forschungen [s. etwa 1.7: G, Eigenart der Institutionen, ferner die Beiträge in 1.7: P, Evolutorischer Institutionalismus; für eine Übertragung auf die römische Republik s. 1.3: H, Rekonstruktionen, 66–70 mit weiteren Hinweisen] lassen sich ferner Regelsysteme anhand bestimmter Kriterien differenzieren; zu nennen sind etwa: Trägerschaft (personalisiert/entpersonalisiert), Durchsetzungsfähigkeit (Selbsthilfe/Erzwingungsgewalt), Formalisierungsgrad (fixer Ort, Regelmäßigkeit, Fixierung von Normen und Verfahren), Funktionalität (Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungen) und Reichweite (Adressaten, Kommunikationsmittel). Doch sollte über den funktionalistischen und konstruktivistischen Begriff von Institution die Möglichkeit, diese essentieller zu fassen, nicht leicht abgewiesen werden; in diesem Sinn formuliert J. L [Rezension zu 1.4: L, Constitution, in: AJPh 122, 2001, 589–592, hier: 591]: „Institutions are a peculiar organism with a life of
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their own: they are in their essence the creations of the dead and they weigh on the living; they are like a coral reef, part petrified, part alive, and on that solid rock often crash those who wished to reform or reject them, as the Gracchi and Caesar were to find.“ Der Begriff ‚Staat‘ erscheint manchen Forschern zu sehr von der politischen und wissenschaftlichen Debatte um ein zentrales Ordnungsmodell der Neuzeit belastet zu sein, um für eine Formation wie die römische Republik tauglich zu sein [so 1.4: M, Res Publica Amissa, XXII; 1.7: W, Staat in der Antike?]. Demgegenüber macht C. L [1.7: Staatlichkeit] den plausiblen Vorschlag, zwar nicht essenzialistisch und klassifikatorisch zu fragen, ob die res publica ein Staat ‚war‘, wohl aber Staat und Staatlichkeit als analytisches Konzept für eine historisch jeweils besondere Ausprägung organisierter und versachlichter politischer Herrschaft und Integration zu verwenden und dabei die Prozessualität (freilich ohne Teleologie) sowie die charakteristischen Verschränkungen, etwa zwischen dem Haus des pater familias und der gesamtgemeindlich sichergestellten Ordnung, gebührend in Rechnung zu stellen. Das ermöglicht auch eine weitere Konturierung einzelner historischer Formationen oder Institutionen durch theoriegeleiteten Vergleich [1.7: B / S, State; 4.1: E, Schlummernde Potentiale]. In diesem Sinne anregend ist der kontrastierend angelegte „Companion“ von D. H [1.2: Greek Democracy and the Roman Republic]. Zu durchdenken sind in diesem Zusammenhang auch Bezeichnungen für Realien, die in den eben umrissenen Kontext gehören; das gilt etwa für das ‚Archiv‘. Die Praxis der Bewahrung von Urkunden war in der römischen Republik uneinheitlich: Dokumente wie Gesetze, Verträge, Beamtenlisten sowie Beschlüsse des Senats wurden im Aerarium Saturni aufbewahrt. Die Plebs verwahrte im Ceres-Tempel auf dem Aventin ebenfalls Schriftgut; Priesterkollegien pflegten eigene Sammlungen; viele Magistrate nahmen Unterlagen aller Art mit nach Hause, wo sie in schwer greifbare ‚Familienarchive‘ eingingen; die Funktion des oft als Archiv angesprochenen Tabularium zwischen Forum und Kapitol sicher zu bestimmen ist nicht möglich. Nach dem Maßstab einer modernen Staatlichkeit erscheint die – auch schon zeitgenössisch beklagte (Cic. leg. 3,46) – römische Praxis zweifellos defizitär [1.7: D, La mémoire perdue], doch wie P. C [1.7: Archives and Alternatives] mit Recht betont, evoziert der moderne Begriff ‚Archiv‘ Vorstellungen und Standards, die auf die Römer gar nicht sinnvoll anzuwenden sind; so legte der aristokratische Charakter der Politik es dort geradezu nahe, Dokumente zu Hause aufzubewahren und durch eigene Kommunikationswege zu verbreiten. Für das Problem im gesamtantiken Kontext s. knapp S-M E [1.7: Archives]; einen guten Forschungsüberblick bietet R [1.7: Une mémoire fragile]. Über das noch greifbare urkundliche Material orientiert R [1.5: Einleitung und Quellenkunde, 1–39].
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Zu den fest verankerten Erkenntnismustern auch in der Althistorie scheint inzwischen das Konzept der unterschiedlichen, einander aber stark beeinflussenden Felder zu gehören, wie es von dem Soziologen P. B nicht erfunden, aber klar modelliert wurde [s. 1.7: R / S, Feld; zur Bourdieu-Rezeption in der Althistorie s. auch 4.4: B, Verfassungsvoraussetzungen, 275f.]: B und L billigen jeweils ausdrücklich Familie, Gesellschaft und Religion erhebliche Bedeutung für die institutionelle Gestaltung der res publica zu. Auch G [1.4: Les institutions, 87] betont die Bedeutung der Kommunikation mit den Göttern und spricht sogar von einer „autorité absolue des augures dans la vie politique romaine“. Vom Heerwesen schließlich wirkten ebenfalls starke Kräfte auf das politische Feld ein [3.4: W, Staat und Heer]. Hingegen ist die durch N. L geprägte Systemtheorie noch kaum zur Erhellung der politischen Ordnung der römischen Republik herangezogen worden. Um das Verhältnis des Rechts oder der Religion zum politischen System zu erhellen, könnte das Konzept des Subsystems hilfreich sein, das in Ls Verständnis zugleich innerhalb wie außerhalb der Grenzen eines anderen Systems liegt; in den genannten Beispielen wäre auf die eigenen institutionellen Kerne sowie systemspezifischen Codes zu verweisen, die aber durch die jeweils (teil-)identischen Akteure mit dem übergeordneten System ‚Gesellschaft‘ eng verbunden waren.
‚Felder‘ und ‚Subsysteme‘
2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik Rom wurde anfangs von Königen regiert (Tac. ann. 1,1) – dieses Axiom hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Konstruktion der republikanischen Ordnung wie auf die politischen Handlungsoptionen maßgeblicher Figuren in der Mittleren und Späten Republik. Gegen die gängige Ansicht, regnum sei zumindest in der herrschenden Aristokratie stets und entschieden als Tyrannis verteufelt worden, hat C. S [Königtum] zeigen können, dass trotz des antimonarchischen Erinnerungskonsenses auch ein durchaus positives Königsbild in der politischen Kultur der Republik wirksam war, ablesbar etwa an der senatorischen Repräsentation. Römische Politiker „konnten für ihre Person mit den Eigenschaften und der Reputation eines guten Königs werben, die sie selbst während eines früheren imperium oder bei öffentlichen Anlässen unter Beweis gestellt hatten, und gleichzeitig eine Königsherrschaft im Sinne einer dauerhaften Monarchie als Regierungsform strikt ablehnen“ [ebd., 364]. Im Herrschaftsgebiet traten römische Repräsentanten vielfach fak-
Königtum als Option in der Republik
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Weichenstellungen in der Frühzeit
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
tisch als reges auf. B. L [Von der Monarchie zur Republik] erinnert an die rechtlich wie symbolisch starke Stellung des Konsuls; nicht zufällig wollte bereits Polybios (6,11f.) in der magistratischen Kompetenz eine königliche Gewalt erkennen und hat T. M [1.4: Staatsrecht I, 22f.; II, 16f.] das imperium der Konsuln als eine Fortsetzung der alten königlichen Amtsgewalt konstruiert. Im Binnenraum der Republik konnte der Handlungsspielraum des Volkstribunen oder des Imperiumträgers eine Versuchung darstellen, gestützt auf eine dauerhafte Zustimmung der Volksversammlung die Beschränkungen des Jahresamtes zu überwinden. T. M [1.1.1: Römische Geschichte] hat diese Option als „demokratische Monarchie“ idealisierend überhöht und in C. Gracchus ihren ersten Vertreter, in Caesar ihren Vollender gesehen. In jüngerer Zeit wurde eine „strukturell angelegte Tendenz zur Alleinherrschaft in Rom – und zwar seit frühesten Zeiten“ postuliert [1.3: R, Interpretation, 144; vgl. ähnlich 4.1: E, Zwischen Monarchie und Republik; L, Von der Monarchie zur Republik], die sich materialisieren konnte, sobald die starke Magistratur, das adlige Streben nach Bestheit und die Option einer Ermächtigung durch das Volk nicht länger durch den Senat und die aristokratischen Maximen der Gleichheit und Selbstbeschränkung eingehegt wurden und außerdem einzelne herausragende Akteure hinreichende materielle und militärische Ressourcen monopolisieren konnten. Eine neue Bilanz zum römischen Königtum sucht dem Narrativ von den guten Gründerkönigen und dem tyrannischen letzten König Tarquinius Superbus trotz aller Fiktionalität einige tragfähige Einsichten zur frühesten Zeit abzugewinnen und stellt diese formative Phase in den Kontext der römischen Geschichte insgesamt [W, Mehr als Mythos und Konstruktion?]. Der knappe Überblick von G. W skizziert das Königtum als Variante monarchischer Herrschaft und berücksichtigt auch den hellenistischen Hintergrund [Antike Monarchie]. Für den vorliegenden Band erscheint es geboten, die Frage nach der Herrscherposition in größere Kontexte einzubetten; diese sind: Stadtwerdung Roms, Formierung der Gesellschaft, soziale, politische und ethno-kulturelle Gemengelagen in Italien zwischen Etruskern und Griechen, Ausbildung von Machtkernen und staatlichen Strukturen sowie sozio-ökonomische Konflikte. Den Forschungsstand bündeln die Gesamtdarstellungen von T. C [Beginnings of Rome] und G. F [Critical History], wobei C in der Überlieferung glaubwürdige „structural facts“ unter der fiktiven „narrative superstructure“ ermitteln will. Auch bezieht er die Ergebnisse der archäologischen Forschung stärker ein als F, der sich auf die – von ihm deutlich kritischer beurteilte – literarische Tradition konzentriert. Beide halten aber insgesamt die literarische Überlieferung, angemessene Fragen vorausgesetzt, für tragfähiger als etwa B [4.3.3: Lex Publica, 5–11]. Eine knappe, bisweilen eigenwillige Darstellung, die kritische Leser
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erfordert, legte zuvor R. M. O [Das frühe Rom] vor. Die italienische Forschung billigt den Quellen auch für die Frühzeit in der Regel mehr Glaubwürdigkeit zu; dafür ist der erste Band der von A. M und A. S herausgegebenen, gelehrten „Storia di Roma“ repräsentativ. Wesentliche Impulse haben drei gehaltvolle Tagungsbände gesetzt [E, Staat und Staatlichkeit; L, Bilancio Critico; R, Social Struggles], auch wenn sich die einzelnen Befunde naturgemäß nicht zu einem konsistenten Gesamtbild zusammenfügen lassen. Unentbehrlich ist schließlich der monumentale Kommentar von S. P. O [Commentary on Livy] zu den Büchern 6 bis 10 von Livius’ Geschichtswerk, die das 4. und frühe 3. Jahrhundert umfassen. Ethnische Unterscheidungen haben sich angesichts einer generellen sozialen Differenzierung, die überall in Italien zur Ausbildung einer kriegerischen und Repräsentation betreibenden Elite führte, als wenig aussagekräftig erwiesen. Wichtig waren offenbar mobile, genossenschaftlich organisierte Gefolgschaftsgruppen und Clans, deren Interaktion lange Zeit für unfeste Verhältnisse sorgte, die aber unter bestimmten Umständen auch institutionelle Formierungsprozesse beförderten. Hinweise auf diese Periode sind in sprachlichen Relikten noch erkennbar, so in den curiae (< co-viria, „Männerbund“). Den Clan (gens) als verwandtschaftlich gedachte, aber faktisch darüber hinausreichende, weil die Klienten einschließende Handlungseinheit hat C. S [3.1: Roman Clan] im italischen Kontext umfassend untersucht und dabei die zahlreichen modernen Interpretationen einer eindringlichen, freilich nicht zu einer konsistenten neuen Rekonstruktion führenden Kritik unterzogen [dazu K.-J. H, Gnomon 80, 2008, 529–536]. Eine Skizze neuerer, auf Akteursgruppen abhebender Modelle bietet N. T [Early Rome]; zum Patriziat s. u. 3.1. Der Doppelcharakter der Tribus als territoriale und personale Einheiten gliedert die nach wie vor wichtige Darstellung bei M [1.4: Staatsrecht III, 161–198]. Den in der Darstellung herausgestellten Zusammenhang zwischen der Tribusordnung und der Expansion in Italien erörtert M. H [Tribus et citoyenneté]. Die Entstehung der Tribusordnung ist Gegenstand der umfangreichen Studie von M. R [Tribus und Stadt; dazu W, Neue Bücher zu den gentes und tribus]. R weist die gentilübergreifenden vier städtischen Tribus einer Reform durch Servius Tullius zu, dessen Regierung er auf 550–520 datiert, und diskutiert ihre Bedeutung für die Heeresorganisation. Die Benennung der meisten älteren Landtribus nach Geschlechternamen könne als vorübergehende Verschiebung der Machtgewichte nach dem Ende des Königtums gedeutet werden. Zuspitzend sieht J. C-S-H [La République des tribus] in der Tribusordnung von der „révolution servienne“ im 6. Jahrhundert bis zur Neubürgerpolitik des App. Claudius Caecus Ende des 4. Jahrhunderts das wesentliche Instrument der politischen Integration
Treibende Kräfte
Tribusordnung
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Etrusker und Griechen als Modelle?
Griechisches im Zwölftafelgesetz?
Zäsuren in der Frühzeit
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
von Bürgern, die nicht in die adligen gentes eingebunden waren, sowie von Neubürgern. Auch wenn man der Argumentation in den großen Linien gern folgen möchte, stimmt doch das Vertrauen der Autorin in die Tragfähigkeit der erzählenden Quellen und ihre Kritik an den „études hypercritiques des décennies précédentes“ [25] bedenklich. So dürfte die Verbindung einer frühen Tribusordnung im 6. Jahrhundert mit einem ebenfalls Servius Tullius zugeschriebenen elaborierten Centuriensystem so gut wie sicher anachronistisch sein (s. u. 4.3.1). Auch P kommt in seinem Buch über die älteste Gemeindeorganisation, das gentes, curiae und Tribus ausführlich erörtert, nicht ohne Konstruktionen aus, aber seine Generallinie, dass die Tribus Rekrutierungszwecken dienten, mag zutreffen [Archaic Community]. Für die Lokalisierung der siebzehn älteren Landtribus bietet R [Tribus und Stadt, 469–587] Modifikationen gegenüber der insgesamt nach wie vor grundlegenden und durch einen Anhang zur neuesten Forschung aktualisierten Studie von L. R. T [4.3.3: Voting Districts]. Eine Tribusliste und eine kartographische Rekonstruktion sind zu finden in A.-M. W u. a., Historischer Atlas der Alten Welt (DNP Supplemente, 3), Stuttgart/Weimar 2007, 106f. Zu den wegen sprachlicher Verständnisprobleme im Detail strittigen Magistratursystemen in den etruskischen Städten s. zuletzt H. B [Political Systems]; einen guten Überblick geben ferner M. T / M. C [Gesellschaft und Staat]. Gegen die vor allem in der italienischen Forschung gängige und auch bei O [Das frühe Rom] leitende Annahme eines ausgeprägten etruskischen Einflusses auf das frühe Rom hat sich T. C [Beginnings of Rome, 151–172] ausgesprochen („myth of Etruscan Rome“) und stattdessen die „cultural koinê“ in Italien herausgestrichen, die neben den Etruskern auch die Griechen umfasste. Die Einwirkung griechischer Vorbilder auf Rom (außerhalb der materiellen Kultur) wird häufig anhand des Zwölftafelgesetzes (s. u. 4.1.4) diskutiert, weil es dazu verschiedene antike Berichte gibt [referiert bei 1.6: F, Zwölftafelgesetz, 15f.]. Mögen diese auch aitiologische Legenden sein, werden in der Forschung mehr oder minder ausgeprägte Entlehnungen aus (Groß-)Griechenland als sicher angenommen [D, L’influence; S, Angebliche Übernahme; M, XII tavole; zusammenfassend 4.4: W, Rechtsgeschichte, 299–304]. Für die staatliche Formierung Roms ist der Beginn der Republik nicht als eine ereignishafte Zäsur zu denken, sondern als ein Zeitraum, ab dem sich kein Alleinherrscher mehr etablieren konnte und der zwischen etwa 510 und 470 anzusetzen ist. Wichtiger waren der Institutionalisierungsschub um 450 und das Ende des Experimentierens mit dem obersten Amt 367 (leges Liciniae Sextiae). K. . F stellt in diesem Sinne heraus, dass dieses Datum nicht nur dem Ausgleich zwischen Patriziern und Plebeiern den Weg bahnte (s. u.), sondern auch wegweisende „reforms in the governmental structure“ mit sich brachte [4.1: Reorganisation of the Roman
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Government, 372; vgl. 1.4: M, Römischer Staat, 73–80]. Auch im späten 4. Jahrhundert gab es in Rom einen markanten Modernisierungsund Integrationsschub, der sich mit dem Namen von App. Claudius Caecus (cens. 312) verbindet [dazu weitausgreifend H, Appius Claudius Caecus]. Zweifellos entscheidend für die spätere Gestalt der römischen Gesellschaft und für die Konfliktoptionen der politischen Ordnung waren die Auseinandersetzungen, die in der römischen Überlieferung als Kampf zwischen Patriziern und Plebeiern, in der modernen Forschung als ‚Ständekampf ‘ firmieren [zur Traditionsgenese und Forschungsgeschichte s. W, Patrizier und Plebeier; grundlegend die Beiträge in R, Social Struggles, sowie die Studie von R, Les origines de la plèbe]. Während die früher oft angenommene Dichotomie zweier – bisweilen sogar ethnisch verschieden gedachter – Bevölkerungen keine Rolle mehr spielt, ist die schon bei B. G. N aufscheinende Dreieckskonstellation zwischen einer privilegierten, sich zum Adel formierenden, gentilizisch organisierten und von Klienten verstärkten Bürgerschaft (‚Patrizier‘), ferner einer zahlenmäßig großen, aber in sich differenzierten Plebs sowie drittens einer monarchischen Spitze (rex) jüngst wieder aufgegriffen worden, um die diskontinuierliche Entstehung von Staatlichkeit zwischen den Polen von gesamtgemeindlicher Formierung und gentilizischer Autonomie im frühen Rom (bis ca. 450) wenigstens modellhaft zu erklären [s. (weit ausgreifend) L, Von der Verwandtschaft zum Staat; ., Von der Monarchie zur Republik]. V [1.4: Lo stato, 49–53] möchte in diesem Sinne gar eine latinisch-sabinische von einer „tyrannischen“ Wertordnung unterscheiden, wobei Letztere mit dem Hoplitenheer im 7. Jahrhundert (!) aufgekommen und durch Zentralismus, Integration und Autorität auf eine Schwächung der Macht der patres und der Autonomie der Verwandtschaftsverbände hingewirkt habe. Einflussreich war die Rekonstruktion von A. M [Aufstieg der Plebs]: Die Plebeier – Handwerker, Gehilfen, Händler und kleine Landbesitzer – hätten zunächst außerhalb des von den Patriziern und deren Klienten gebildeten populus und des Heeresaufgebots gestanden. Mit eigenen, effizienten Institutionen habe die Plebs dann jedoch den Angehörigen einer dritten, nicht von den Patriziern eingebundenen Gruppe aus conscripti, ehemaligen Klienten und Zuwanderern ein attraktives Angebot gemacht, ihre Ambitionen zu befriedigen und in „neue Bindungen politischer Solidarität“ einzutreten. So habe die Plebs jene Gruppen aufgesogen, sei dadurch aber zugleich selbst heterogener geworden (vgl. ferner u. 4.1.4). T. C [Beginnings of Rome, 244] hat als Bilanz der neueren Forschung die historische Prozessualität im ‚Ständekampf ‘ herausgehoben: Aus einem Kampf gegen wirtschaftliche Not und rechtliche Bedrückung (Landnot, Missernten, Hungersnöte; Verschuldung und Schuldknechtschaft) entwickelten sich auf beiden Seiten Formierungen, die in einem dritten Schritt dann po-
‚Ständekampf‘ und Institutionalisierung
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
litisch um den Zugriff auf die sich verfestigenden Institutionen rangen. In einer noch weiter ausdifferenzierten Rekonstruktion unterscheidet K. R [From Protection and Defense to Offense and Participation, v. a. 189f.] vier Phasen des Konfliktes. Dagegen betonte W. E, Schutz und Forderung nach politischer Mitbestimmung seien nicht verschiedene, in ein Phasenmodell einzuordnende Forderungen gewesen, sondern „zwei Seiten der gleichen Medaille“ [4.1: Zwischen Monarchie und Republik, 100f.]. M [1.4: Politics in the Roman Republic, 31–39] postuliert, die plebeischen Anführer hätten in der Imitation der Figuration ‚Magistrat‘ und ‚Versammlung‘ „the same basic notions of the state, legitimacy and power as other Romans at the time“ an den Tag gelegt [34].
3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung Zugehörigkeit, Schicht, Hierarchie
Zugehörigkeit und Hierarchie sind als Grundmerkmale der sozialen Interaktionen in der römischen Gesellschaft unstrittig und werden v. a. in der deutschen und französischen Forschungstradition stark herausgehoben. So fasste G. A in seiner Überblicksdarstellung [Römische Sozialgeschichte, zur Republik: 15–117] die sozialen Strukturen als Organisation akzeptierter Ungleichheit und nahm von da auch die einzelnen Gruppen und ihre Beziehungen zueinander, die Durchlässigkeit der Schichtung sowie die stabilisierende und destabilisierende Wirkung des politischen Systems in den Blick. Problematisch erscheint freilich seine Tendenz, eine soziale Differenzierung für die Konflikte und die politische Krise der römischen Gesellschaft in der Späten Republik verantwortlich zu machen [62 u. passim]. H.-J. G [Römische Gesellschaft] hebt in einem prägnanten Überblick die Bedeutung von Rechtsstatus und Ansehen für den sozialen Ort des Individuums hervor und skizziert dessen Einbindung in vertikale und horizontale Beziehungen, während R. S [Roman Class Structures] und N. M [Social Structure] Stand, Status und Klasse (mit unterschiedlichen Akzentuierungen) als leitende soziale Kategorien benutzen. R. R identifizierte durch sozial- und begriffsgeschichtliche Studien eine im Rang- und Leistungsdenken verankerte Orientierung der Akteure: Nicht am „Nebenmann“, an Schicht, Stand oder Klasse habe man sich lange Zeit ausgerichtet, sondern am „Vordermann“ [1.2: Ordo und dignitas, 145: „linear-hierarchische Statusstruktur“]. Insgesamt spielen Schichtungsbegriffe in der Forschung zur Sozialgeschichte der Republik eine geringe Rolle, obwohl sowohl die antike inklusive Semantik – ‚Alle Römer sind stolze Bürger!‘ – als auch die polarisierenden Bezeichnungen – Adel / Volk; pauci / die Vielen usw. – offenkundig unzureichend sind. B. L [1.1.1: Von den Gracchen bis Sulla, passim] benutzt versuchsweise den Begriff „Mittelschicht“, um die große Zahl derjenigen Römer
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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zu bezeichnen, die als Bauern und Hausväter zwischen der Aristokratie und den in prekären Verhältnissen befangenen Bürgern in der Stadt bzw. auf dem Land ein eigenständiges Leben führten. J. M [Formen sozialer Kontrolle] betont, dass die Römer ein auf Hierarchie und soziale Rollen aufgebautes Ordnungssystem pflegten, welches das Handeln jedes Einzelnen in der Gesellschaft in hohem Maße erwartbar machte. Fides (Vertrauen und Zuverlässigkeit) habe die soziokulturelle Grundlage gebildet für den hohen Grad der Objektivierung, den die Römer in ihren politischen und rechtlichen Institutionen erreicht hätten. Diese Objektivierung sei deshalb so wichtig gewesen, „weil die wenigen hierarchischen Spitzen der römischen Gesellschaft eine gesellschaftliche Macht auf sich vereinigten, die ihresgleichen suchte“ [ebd., 348]. Demgegenüber wird v. a. in der englischsprachigen Forschung vermehrt diskutiert, ob es nicht unterhalb der Aristokratie abweichende Orientierungen und Werthaltungen gab [4.3.4: K, Römer im Schatten] und ob nicht die sozialen Konflikte in der Republik [B, Social Conflicts] deshalb mehr als bloße Verteilungskonflikte waren. In diesem Sinne ist v. a. die stadtrömische plebs der Späten Republik in den Blick genommen worden (s. u. 4.3.4). In diesen Zusammenhang gehört auch die (als Tatsache unstrittige) im Vergleich zu Griechenland höhere räumliche und soziale Mobilität, die nicht zuletzt aus dem automatischen Eintritt der Freigelassenen ins Bürgerrecht sowie der Migration in die Stadt Rom [3.4: S, Human Mobility] erwuchs. Beide Positionen sind nicht unvereinbar: Auch die plebs urbana und die Soldaten (s. u. 3.4) pflegten starke Bindungen, Werthaltungen und Unterordnungen, nur unter Umständen eben andere, als die Mehrheit der Führungsgruppe erwartete. Nicht zufällig gibt es im römischen Ständekampfnarrativ die Gedankenfigur der „zwei Gemeinwesen“ (duas civitates ex una factas, Liv. 2,44,1 u. ö.). Man wird auch die historische Entwicklung beachten müssen: Erst seit den Gracchen bildeten sich in krisenhaften Konfliktkonstellationen kürzer- oder längerfristige schichtenübergreifende Formierungen um Anliegen einzelner Gruppen (Grundbesitzer, landlose Bürger, plebs urbana, Italiker, Soldaten) herum [1.1.1: L, Von den Gracchen bis Sulla, 38: „Homogenisierung von Partikularinteressen“], die in ihren jeweiligen Aktualisierungen freilich auf eine Person ausgerichtet agierten. Und erst in der nachsullanischen Zeit fand sich – ungeachtet aller Fluktuationen – eine im Senat tonangebende Gruppe zusammen, die 59 in der Opposition gegen Caesar ihr politisches Thema fand. Diese Oligarchisierung war L zufolge „created by political and ideological cohesion rather than the normal political links of amicitia and officium“ [1,4: Constitution, 181]. In der Forschung wurden politische Formierungen der Späten Republik oft als „Parteien“ bezeichnet, freilich meist mit der Einschränkung, diesen habe eine Programmatik und eine Organisation in der Art moderner politischer Parteien gefehlt. Als repräsentativ für diese nicht zuletzt von Th. M-
Politische Formierungen in der Späten Republik
Parteien
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Aristokratie oder Oberschicht?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
[1.1.1: Römische Geschichte] gepflegte Aktualisierung kann das Buch von L. R. T [5: Party Politics] gelten, in dem es allerdings primär um Techniken des Machtgewinns geht, kaum um die Struktur der politischen Formationen. Dagegen wurde in der deutschsprachigen Forschung das Wort „Partei“ mehr und mehr gemieden und allenfalls von „Parteiungen“ oder „Faktionen“ gesprochen oder halb quellensprachlich, halb begrifflich auf „Optimaten“ und „Populare“ rekurriert (dazu u. 5). In Italien, wo der akademische Marxismus stärker ausgeprägt war, wird unbefangener von „partiti“ gesprochen (auch von dezidierten Nicht-Marxisten); s. zuletzt noch Z [5: I partiti politici] und S [5: I partiti politici]. Mit Recht wird herausgestellt, dass im Vergleich zu den meisten neuzeitlichen Adelsgesellschaften die römische durch mehr Offenheit, Prekarität und soziale Mobilität gekennzeichnet war [s. etwa 3.1: H / B, Political Succession, 114: „Each member of the Roman political elite repeatedly put his status at risk in a competitive political culture to a degree seldom experienced by European aristocrats.“], wenn auch vielleicht nicht im gleichen Maß wie im archaischen und klassischen Griechenland. Zusammengenommen reichen die oben im enzyklopädischen Überblick genannten Eigenheiten wohl aus, auch im römischen Fall von einer Aristokratie zu sprechen; für eine Diskussion s. B / S / W [3.1: Einführung]; speziell zur Nobilität s. II 3.1. 3.1 Soziale Eliten: regierende Klasse und Ritter
Orientierung
Felder der Forschung
Gelzers „Nobilität“
F. Münzer und M. Gelzer
Eine zusammenfassende Monographie zur republikanischen Aristokratie fehlt. Erste Orientierung bieten etwa B [1.4: Verfassung, 42–67], L [1.4: Constitution, 163–176] und W [3.1: Meister der Macht]. M stellte die regierende Aristokratie der Republik in der „Römischen Geschichte“ politisch (als „Junker“), im „Staatsrecht“ hingegen primär juristisch-institutionell vor. Demgegenüber rückte M. G [3.1: Nobilität] semantisch die römische Selbstbeschreibung, sozialgeschichtlich das Bindungswesen in den Mittelpunkt seiner bahnbrechenden Analyse der nunmehr häufig als Nobilität bezeichneten, im Senat versammelten sozio-politischen Führungsgruppe Roms. Dazu gibt es wissenschafts- und werkgeschichtliche Studien; vgl. B, Gedanken; M, Gelzers Beitrag; S, Gelzers Nobilität; S, Von Mommsen zu Gelzer? [alle 1.3]; s. a. o. 1.3. Gleichzeitig legten die zahlreichen, überwiegend von F. M verfassten RE-Artikel den Grund für prosopographische Untersuchungen vielfältiger Art (s. o. 1.2). M und sein zeitweiliger Schüler G werden gern in einem Atemzug genannt, doch das ist irreführend, denn G sprach nie von festen, dauerhaften Faktionen auf Basis von Familienbindungen, und Verwandtschaftsverhältnisse waren für ihn nur einer unter verschiedenen
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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Faktoren – sie konstituierten die Nah- und Treuverhältnissen zwar mit, bezogen sich aber auf Einzelpersonen und machten durch ihre vielfältigen Überlappungen und wechselnden Aktualisierungen halbwegs stabile Gruppenbildungen, wie sie M postulierte, geradezu unmöglich. Die jüngere Forschung vertieft – soweit sie die Nobilität nicht im Kontext der von ihr geprägten Institutionen (Senat, Konsulat) untersucht oder den aristokratischen Charakter der republikanischen Verfassung grundsätzlich infragestellt (s. u. 4.3.3) – verschiedene Themen. So ist die von C. M in das Diktum „Wer Politik trieb, gehörte zum Adel, und wer zum Adel gehörte, trieb Politik“ [1.4: Res publica Amissa, 47] verdichtete Ausrichtung der Nobiles auf Krieg und Politik weiterhin meist unstrittig, weswegen mit Recht auch von einer ‚politischen‘ oder ‚regierenden Klasse‘ (frz. classe dirigeante) die Rede ist. Diese Ausrichtung wird jetzt aber stärker im Kontext von verschiedenen Prominenzrollen und Karrierefeldern gesehen [B, Rollen]; dabei hat man auch P. Bs theoretische Konzepte des ‚Feldes‘ und der verschiedenen Sorten von ‚Kapital‘ [1.7: R / S, Kapital] fruchtbar gemacht [H, ‚Prominenzrollen‘ und ‚Karrierefelder‘]. Wie soziokulturelles Wissen und nobilitärer Habitus, darunter Kontingenztoleranz, im Rahmen der erweiterten Familie dem Nachwuchs vermittelt wurden, ist Gegenstand der Studie von P. S [Den Vätern folgen]. Die im Hannibalkrieg einsetzenden Bemühungen, das Verhalten der Aristokratie gesetzlich zu normieren, wurden von den Zeitgenossen als Reaktionen auf moralische Dekadenz gedeutet, in der modernen Forschung hingegen als Versuche, die prinzipielle Gleichheit und den Zusammenhalt in ihrem Binnenraum zu festigen sowie den Wettbewerb zu regulieren [B, Regimen morum]. Während die Interpretation markanter mittelrepublikanischer Quellen – zu nennen sind die Scipionengrabinschriften (ILS 1–10 = ILLRP 309–317), die Leichenrede auf L. Caecilius Metellus, cos. 251 (Plin. nat. 7,139f.) sowie Polybios’ Beschreibung des Leichenbegängnisses (6,53f.) – oder die (von ihm selbst hochgradig stilisierte) Biographie des Älteren Cato [D, Caton l’ancien; zur Forschung 1.3: S, Cato Censorius] ein eher idealtypisches Bild ‚des‘ Nobilis nahelegen, zeigen sich bei näherer Betrachtung erhebliche Variationsbreiten und diachrone Entwicklungen [B / H, Von der militia equestris]. In diesem Sinne hat auch die (zeitweilige oder dauerhafte) Abwesenheit als politische Demonstration jüngst vermehrt Beachtung gefunden [3.2: H, Abwesenheit von Rom]. Abgeebbt ist dagegen das Interesse an der Frage, ob erstens die Zugehörigkeit zur Nobilität eher eng (G: nur konsularische Familien) oder weiter (M: kurulische Amtsträger sowie deren zeitnahe Nachkommen) gedacht werden sollte und was zweitens genau unter einem ‚Neuling‘ (novus homo) [immer noch vorzüglich S, Novus homo] verstanden wurde bzw. zu verstehen sei; dazu 1.4: B, Verfassung, 315; B, Nobilitas and novitas; B, Political Elite;
Rollen und Felder
Sozialisation und Disziplinierung
Definition von nobilis und novus homo
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Aristokratische Wertkonzepte
Formation und Wandel
Patrizier
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
B, Homo novus. Das begrenzt ergiebige Problem, ob die Nobilität als ‚Stand‘ (im modernen Sinn) oder als ‚Gruppe‘ zu betrachten sei, diskutiert G [Nobilitas]. Angesichts der unterschiedlichen, jeweils situativ-interessegeleiteten Verwendungen in den Texten eines selbstbewussten novus homo wie Cicero und eines scharfen Kritikers der herrschenden nobilitas wie Sallust muss die Forschung ohnehin generalisieren und abstrahieren, um antike Bezeichnungen zu historischen Begriffen zu machen. Zum Bemühen der ‚Wertbegriffsforschung‘, das ‚Wesen‘ der aristokratischen Ordnung Roms in den lateinischen Äquivalenten von Auszeichnungs und Relationalbegriffen zu finden, s. u. 4.3.2; aus historischer Sicht plausibel und sehr brauchbar sind die Skizzen von H [Entstehung der Nobilität, 204–223] und R [Aristocratic Values]. Wie die ‚Verfassung‘ der Republik insgesamt kann auch ihre regierende Aristokratie nur als Akteur und Produkt einer historischen Entwicklung verstanden werden. Beide waren engstens miteinander verflochten; in diesem Sinn bezeichnet H. M [1.4.1: Incongruencies of Power, 158] das Institutionengefüge der Republik als „a form of structured elite rivalry channeled into an ongoing competition for public honores and the power and prestige they conferred“. W [1.3: Roman Republic, 67] hebt unter Hinweis auf den Statuswettbewerb in frühen Gräbern hervor, dass die römische Aristokratie seit dem 7. Jahrhundert in einem extrem kompetitiven Umfeld lebte. Während wir uns die Elite im frühen Rom (s. o. 2) zumal in ihren kriegerisch ausgerichteten Angehörigen recht mobil und fluide vorstellen müssen [B, Investigating aristocracy], scheint es einzelnen Familien – anders als im archaischen Griechenland – im Zuge des Prozesses der Verdichtung öffentlicher Ordnung gelungen zu sein, für sich dauerhafte und erbliche Privilegien zu erringen und sich zu einer exklusiven Gruppe, den Patriziern, zu formieren – ohne dass diese den aristokratischen Status ganz für sich monopolisieren konnten [Patriziat als „self-defining segment of a much larger wealthy class in Rome“: B, 112]. Während die Forschung lange einen alten, stabilen, das Gemeinwesen schlechthin ausmachenden [1.4: M, Staatsrecht III, 89–125] Geburtsadel zugrundelegte, der irgendwann von einer nach oben drängenden Gruppe, der plebs, herausgefordert und zur Machtteilung gezwungen wurde, gilt es nunmehr als wahrscheinlicher, dass erst im Kontext der Ausbildung einfluss- und prestigeträchtiger zentralisierter Gewalt in Rom im 5. Jahrhundert parallele gesellschaftliche Formierungsprozesse stattfanden; demnach erfolgte die „Abschließung des Patriziats“ [C, Beginnings of Rome, 251–256; vgl. F, Critical History, 157–170] wohl erst im Prozess einer Klärung der römischen Herrschaftselite „as the product of a natural selection that is mostly reflected in the political, religious, and military domains“ [2: R, Patricians and Plebeians, 112]; in diesem Sinne datiert sie B [Gouverner avec les dieux]
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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in die Zeit von 485 bis 445. Da sich die regierende Klasse bereits ab 366 wiederum grundlegend neu aufstellte, kann eine patrizische Herrschaft im Sinne einer Monopolisierung des Oberamtes und der politischen Führung allenfalls für eine kurze Zeit angenommen werden, und auf anderen Feldern gelang die angestrebte Exklusivierung gar nicht [S, Roman Clan, 279 u. pass.]. Was blieb, war die – bis in die Kaiserzeit währende – Sonderstellung der Patrizier im Senat und im Kult. Eine knappe Überschau der stark divergierenden älteren Theorien zur Entstehung des Patriziats gibt F [Ursprung], doch sind erhebliche Zweifel bereits an der Existenz eines Patriziats als eines formierten politischen Akteurs angebracht. In diesem Sinne spricht S [Roman Clan, 299] vom Patriziat als „a fiction of its own making“. Die Entstehung der Nobilität hat K.-J. H in einer breit angelegten, 2011 mit umfangreichen bibliographischen Nachträgen wiederaufgelegten Studie [Entstehung] erhellt und einzelne Aspekte in Aufsätzen vertieft; dabei betonte er mit Recht die unlösliche Verbindung mit der kriegerischen Expansionsdynamik Roms [., Krieg, Konkurrenz und Konsens] sowie Selbstbild, Selbstdarstellung und politische Kommunikation im Kontext der politischen Kultur (s. u. 5). H unterscheidet eine Konfliktphase bis 340 und eine Konsolidierung bis zur lex Hortensia (287). Vorgeschaltet ist eine detaillierte Kritik der in der Forschung lange gängigen Annahme fester Gruppierungen und Parteiungen als Grundstruktur nobilitärer Politik (dazu o. 1.3). B. B [Nobilität im Ersten Punischen Krieg] rückte die fortdauernden, sich zeitweise sogar verschärfenden Konflikte zwischen Magistraten, die in ihrer kurzfristig angelegten Ausrichtung auf Sieg und Ruhm eigenmächtig handelten und dabei für Eskalationen sowie militärische Krisen verantwortlich waren, und dem Senat mit seinem wachsenden Anspruch auf kollektive Lenkung der römischen Politik verstärkt ins Blickfeld der Forschung. Die fragmentierte Kriegführung und Politik Roms im Ersten Karthagokrieg zeigten B zufolge, dass der „Weg zur disziplinierten Nobilitätsherrschaft keineswegs von vornherein feststand“ [ebd., 236]; die in diesem Ausmaß neue Handlungsfreiheit der Magistrate auf fernen Kriegsschauplätze „war mit noch nie gekannten Möglichkeiten zur Verwirklichung individueller Ambitionen verbunden und förderte die im permanenten aristokratischen Wettbewerb ohnehin angelegten Tendenzen zur Entsolidarisierung“ [ebd.]. Von Anfang an, keineswegs erst in der Endphase der Republik, habe es in Rom eine starke Tradition zentrifugalen und unsolidarischen Verhaltens in der Führungselite gegeben, die nicht immer „vom systemerhaltenden Komment aufgefangen wurde“ [ebd., 241]. Dass die römische Aristokratie auch schon lange vor der Erringung der Weltherrschaft Spannungen zwischen individueller Machtausübung und korporativer Kontrolle kannte, zeigte R [Ausbildung von Amtswechseln und Amtsfristen] an der Institutionalisierung von Iterationsbeschränkungen. Die Weichenstellung
Entstehung der Nobilität
Konkurrenz als Problemfaktor
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Konsens und Konkurrenz
Hierarchiebildung durch Ämterlaufbahn
Wandel von Handlungsdispositionen?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
zu einer trotz fortdauernder Rang- und policy-Konflikte stärker formierten Aristokratie, deren Mitglieder den Senat in den meisten Fällen als maßgebliches Leitungsorgan anerkannten, erfolgte wohl erst im Hannibalkrieg. Doch auch danach wohnte dem individuellen Sieg in der Schlacht eine Ambivalenz inne, wie B. L [Die Nobilität und der Sieg] zeigt: Zum einen sicherte die militärische Leistungsfähigkeit den Herrschaftsanspruch der Elite über den populus, zum anderen aber führten der individuelle große Erfolg und der daraus erwachsende Anspruch auf Vorrang und Prestige zu erheblichen Spannungen innerhalb der Senatorenschaft und untergruben deren Homogenität. Eine einheitliche Kriegspolitik des Senats lasse sich daher nicht ausmachen, sondern das Agieren im und mit dem Kriegsfall sei in Abhängigkeit situativer Personenkonstellationen zu sehen. Das prekäre, über lange Zeit aber auch höchst produktive aristokratische Handlungsmuster ‚zwischen Konkurrenz und Konsens‘ gilt in der Forschung als Schlüssel zum Verständnis der Dynamik der römischen Geschichte in der Republik insgesamt [s. 5: H, Konsens und Konkurrenz]. M. N [Aristokratische Konkurrenz] hebt den regulativen Rahmen für die Konkurrenz hervor, da dieser den Akteuren über lange Zeit einen berechenbaren „Möglichkeitsraum“ geboten habe und so der Kontingenzbewältigung diente, bevor in der Späten Republik in dieser Hinsicht ein „Erfahrungsbruch“ eintrat. In einer wichtigen Studie zur Hierarchiebildung in der Aristokratie zwischen ca. 300 und 180 konnte B [Karriere und Hierarchie] u. a. zeigen, wie sich die Nobiles bei zunehmendem Wettbewerbsdruck dem Rangmaßstab der Ämterkarriere unterwarfen und wie die während des Hannibalkrieges oftmals gedehnten Karriereregeln nach dessen Ende schärfer gefasst wurden, um den Wettbewerb berechenbarer zu machen und eine verfestigte Spaltung in Erfolgreiche und Chancenlose zu verhindern (zum cursus honorum s. u. 4.1.1). Die ab 300 verlässlicheren Fasten der Konsulnamen [1.6: B, Magistrates] sowie eine für die Zeit von 218 bis 167 durch Livius nochmals verbesserte Überlieferung erlauben es auch, Karrieremuster zu erkennen und Erfolge bzw. Misserfolge von Adligen und ihren Familien genauer zu analysieren. B räumt dabei dem ‚symbolischen Kapital‘, das Vorfahren und zeitnahe Verwandte gesammelt haben, einen erheblichen Einfluss auf die Wahlchancen eines Bewerbers ein, während er (kurzfristige) politische Allianzen marginalisiert [dazu kritisch C. B, www.sehepunkte.de/2007/02/10623.html; vgl. J. T, BMCR 2007.06.35]. In Bs Modell sind novi homines erklärungsbedürftiger als bei einem breiter angelegten Faktorentableau. Daher kann man seine Analysen von zehn kontingenzgesättigten „Musterkarrieren“ prominenter Gestalten [Karriere und Hierarchie, 155–399] auch als implizites Korrektiv zu den karrierestatistischen Untersuchungen zuvor lesen. Einen Versuch, die durch den Aufstieg von neuen Familien nach dem Hannibalkrieg bewirkte Ausdifferenzierung des Senates mit einer Erosion
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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von Handlungsdispositionen in der Gracchenzeit zu verbinden, unternahm S. M [Politische Führungsschicht]. Auch wenn ihre Erklärungen insgesamt nicht zu überzeugen vermögen [s. W, Gymnasium 121, 2014, 285–291], enthalten die prosopographischen Untersuchungen gute Beobachtungen; so erscheinen weitere Differenzierungskategorien hilfreich: Zwischen nobiles und novi homines seien drei Zwischengruppen auszumachen, die M lateinisch, aber nicht-quellensprachlich bezeichnet: der „homo paene novus“ (patrizische oder nobilitäre Ahnen, aber lange in Vergessenheit geraten oder inaktiv), der „homo cognominis novi“ (nobilitäre gens, aber neuer, bisher nicht in Erscheinung getretener Zweig) und der „filius hominis novi“. Ebenfalls mit Recht bringt sie den Strukturwandel der Nobilität mit der Vermehrung der Prätorenstellen 197 in Zusammenhang. B [Prätorenvermehrung] stellt heraus, dass die Führungsschicht die Zuspitzung des inneraristokratischen Wettbewerbs durch die Vermehrung der Prätorenstellen erst verspätet erkannte, dann aber die Folgen einzuhegen suchte. Durch den vergrößerten Rekrutierungspool von Anwärtern sei v. a. der Wettbewerb um die plebeische Konsulstelle angewachsen; dieser Druck löste sich 172 mit dem ersten rein plebeischen Konsulpaar. Über die unvermeidlich längeren ‚Wartezeiten‘ vieler Bewerber zwischen Prätur und Konsulat orientieren die Aufstellungen von E [Consuls with a delay]. Mit Handlungsdispositionen und -optionen verbunden erscheint auch das seit dem 2. Jahrhundert deutlich wachsende Interesse der Aristokratie an (griechischer) Kultur. Kennerschaft und Kompetenz auf diesem Gebiet stellten ein zusätzliches Konkurrenzfeld dar bzw. verschafften ihren Inhabern u. U. Vorteile (Rhetorik!). Während P. S [Den Vätern folgen, 127–196] diesen Prozess als „Intellektualisierung“ fassen möchte, zeigt A. W-H in einer bahnbrechenden Studie [1.7: Rome’s Cultural Revolution], wie die Durchdringung der eigenen Lebensordnung und Tradition mit Hilfe griechischer intellektueller Instrumente ab der Späten Republik in einen umfassenden Prozess der Ausbildung einer kohärenten römischen Identität mündete. Bereits B und C haben die Komplexität des kulturellen Integrationsprozesses betont [6: Rome in the Late Republic, 12–24]. Identitätsbildung und Integration konnten freilich erst durch die machtpolitische Vereinheitlichung unter Augustus zu einem gewissen Abschluss kommen. Neben Cicero [für eine Fallstudie s. 1.5: G, Ontologie versus exemplum] haben v. a. zwei markante Figuren aus der Aufschwungphase der ‚Hellenisierung‘ Interesse gefunden, nämlich M. Fulvius Nobilior und Cato Censorius [s. W, Fulvius Nobilior; J, Cato]. Einen breiten Überblick zur Hellenisierung, Ausdifferenzierung und (partiellen) Professionalisierung der geistigen Betätigungen in der Späten Republik gibt E. R [1.7: Intellectual Life]. Zu den selbstverständlichen Voraussetzungen nobilitärer wie ritterlicher Existenz gehörte Reichtum. Was es darüber zu wissen gibt, steht bei
Intellektuelle Kultivierung der Aristokratie
Reichtum und wirtschaftliche Betätigung
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Oligarchie oder offene Elite?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
S [Senatorial Wealth]; eine anschauliche Darstellung bietet neuerdings H. S [Senatoren im Wirtschaftsleben]. Weiterführende Beiträge u. a. über Geld als Machtressource, die Monetarisierung der Politik oder die gesellschaftliche Vermögensverteilung versammelt jetzt der Band von B / J / S [1.2: Money and Power]. Dem senatorischen Finanznetzwerk sei es, so die weitgehende These von C. R [3.3: Amicitia sanctissime colenda, 420], durch Austausch von Krediten ohne Beteiligung von Institutionen oder Rechtsmitteln gelungen, die Belastungen durch zunehmende Vermögensungleichheit und verschärften politischen Wettbewerb zu reduzieren; diese Entwicklung habe aber letztlich zu einer untereinander konstant verschuldeten Elite geführt, deren probatestes Mittel der Kredittilgung die Kreditakquise war. Nicht teilen muss man die idealisierende Folgerung (s. auch u. 3.3), es habe „eine Vielzahl von praktisch unauflösbaren Verbindungen entstehen (können), die dem ideellen Fundament dieser Standessolidarität, den Prinzipien der fides und gratia, den Bestimmungen der amicitia einen mit der Zeit sehr reellen Unterbau verliehen“. Eine instruktive Skizze zur Finanzierung der kostenaufwendigen Ädilität durch persönliche Freunde und Klienten hat jüngst D [Money and Power] vorgelegt, während B [Money, Power, and Class Coherence] einen engen Zusammenhang zwischen zunehmendem Geldreichtum und wachsendem Konkurrenzdruck in der Aristokratie bereits für das 2. Jahrhundert wahrscheinlich machen kann. Vielfältige Bemühungen galten der Frage, wie offen Roms regierende Aristokratie in verschiedenen Phasen für Aufsteiger war [eine knappe Übersicht der älteren Berechnungen bei 1.4: P, La Politica, 127–129]. Dabei ist methodisch wichtig, wie man Erfolg bei der Karrierereproduktion versteht. So hat B [The Consuls] in einer Teilrevision von B [1.6: Magistrates] die soziale Herkunft der Konsuln zwischen der lex Villia annalis und dem Bürgerkrieg untersucht und herausgestellt, dass in jeder Phase mindestens 70 % der Konsuln mindestens einen Konsul in ihrer Ahnenreihe hatten, während die Karrierereproduktionsquote deutlich niedriger ausfällt, wenn man fragt, wie oft Söhne von Konsuln es ihrerseits ins Konsulat oder mindestens zur Prätur schafften [H / B, Political Succession, 61, Tab. 2.6, und 112]. W [New Men] hat für die Zeit von 139 bis zum Tod des Augustus diejenigen Aufsteiger in den Blick genommen, die aus der Munizipalaristokratie stammten und als erste ihrer Familie in den Senat (wenn auch nicht ins Konsulat) gelangten. Die physischen Verluste der Bürgerkriege, die Aufstockung des Senats durch Sulla und Caesar, die Ausweitung des Bürgerrechts auf ganz Italien und das Bestreben der spätrepublikanischen Militärmachthaber, Anhänger in den Senat zu bringen, haben diese Gruppe stark anschwellen lassen, doch war die nunmehr viel größere Offenheit der Aristokratie mit einem Verlust an Kohäsion verbunden: Die Prägekraft der Institution Senat reichte angesichts nun divergierender Vorprägungen und Interessen nicht mehr
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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aus. Die komplexen, in erster Linie auf demographischen und statistischen Berechnungen beruhenden Überlegungen von H / B [Political Succession] münden in die These, in den beiden letzten Jahrhunderten der Republik sei die führende Gruppe eine sehr viel offenere Formation gewesen, als meist angenommen werde [ebd.,107: „highly permeable to outsiders, to an extent probably unparalleled in post-feudal, European aristocracies“] – nicht zuletzt, weil häufig erwachsene männliche Erben fehlten [ebd., Tab. 2.11] oder weil Söhne von Prätoren eben keinen Karriereerfolg hatten. Ihr Ergebnis einer „circulating elite with only a very small hereditary core“ [ebd., 112] ist – auch aus methodischen Gründen – nicht ohne Widerspruch geblieben [s. 1.1.1: B, Geschichte, 178f.; 1.3: J, Methods, 9–12]. So verweist B [4.1: Prätorenzahl, 148] darauf, dass die 128 Konsulate in den 64 Jahren von 197 bis 134 durch Angehörige von immerhin 39 gentes bekleidet wurden, 65 Konsulate, d. h. gut die Hälfte, aber von Sprösslingen von nur zehn gentes, davon allein 16 von der gens Cornelia und neun von der gens Claudia. Dagegen gelang es nur drei der 26 gentes mit „neuen“ Prätoren im zweiten Jahrhundert, auch einen Konsul zu stellen. Nimmt man das für Aufsteiger tatsächlich schwer erreichbare Konsulat und den ‚einfachen‘ Sitz im Senat zusammen, so erscheint die Schlussfolgerung von J [1.3: Methods, 15] plausibel, „that there was obvious continuity of the elite but no complete closure of the office-holding aristocracy, and there were certainly chances of entry for outsiders“. Bei dieser Konstellation kam politisch viel darauf an, in welchem Maß sich die ‚unteren Ränge‘ im Meinungsbildungsprozess gegen die Konsulare artikulieren konnten (s. u.II 4.2). Die Forschung zu den ‚Rittern‘ [Überblick: B, Cicero und die Ritter, 8–14] hat sich zum einen mit institutionenkundlichen Fragen befasst [1.4: M, Staatsrecht III, 476–569]: ihrer Bedeutung im Bürgerheer [S, Eques Romanus, 27–126], den 18 Stimmabteilungen der equites in den Centuriatcomitien, ferner der Genese der beiden Kategorien von Rittern – solchen mit einem von der res publica gestellten Pferd (e. equo publico), neben denen Ritter mit einem selbst finanzierten Pferd standen (e. equo privato) –, sowie Rangabzeichen, Paraden und öffentlicher Sichtbarkeit bei den Spielen. Unklar ist im Einzelnen die Stellung der Ritter in der frühen Centurienordnung [S, Eques Romanus, 127–224]: A. G [Cheval public] hält einzig das für die Zeit des Hannibalkrieges bezeugte Kriterium, nämlich den Rittercensus, für tragfähig. Versuche, die Ritter als soziale Gruppe oder ökonomisch definierbare Schicht zu fassen, stoßen an Grenzen: Eine Teilerklärung geben H / B [Political Succession, 109]: „In social class terms, that is in relation to the means of production, and in terms of life-style, senators and knights belonged to the same upper class.“ Grundlegend bleibt die Darstellung von C. N [L’ordre équestre], der sich auf die rechtliche und soziale Stellung der equites konzentriert; der zweite Band enthält eine Liste aller
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equites und res publica
Ritterstand in der Späten Republik
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
namentlich bekannten Ritter. N [Les classes dirigeantes] zählt Senatoren und Ritter zur „classe dirigeant“; einen „conflit de classe“ zwischen ihnen habe es nicht gegeben. Von Bedeutung für das politische Geschehen war vor allem, wie die Ritter mit den von ihnen dominierten Unternehmervereinigungen (societates publicanorum) während der römischen Expansion in Form von Regierungsaufträgen vielfältige Aufgaben übernahmen, für welche die regierende Nobilität keinen administrativen Apparat aufbauen wollte (s. u. 3.5). Dadurch sowie durch ihre geschäftlichen und familialen Verknüpfungen mit der Nobilität nahmen viele equites indirekt und individuell am politischen Geschehen teil; Schnittpunkt von Interessen und Konflikten wurde nach 133 die Provinz Asia. Eine neue Qualität erhielt diese Teilhabe durch C. Gracchus, der 123 den Gerichtshof über Vergehen von senatorischen Provinzstatthaltern, die vielfach mit den publicani zu tun hatten, ausschließlich mit Rittern besetzte (App. civ. 1,21–23) und diese so als sichtbare pressure group konstituierte. Durch Sichtbarkeit, offenkundige wirtschaftliche Potenz sowie Streben nach Prestige und Einfluss wurden die equites in der Folgezeit in die politische Polarisierung hineingezogen, was u. a. an der hohen Zahl von Rittern abzulesen ist, die Opfer von Proskriptionen (s. u. 6.4) wurden. Politische Abstinenz und beste Verbindungen in die Nobilität verband T. Pomponius Atticus (110–32) [P, Titus Pomponius Atticus; L, Atticus]. Grundlegend zu den spätrepublikanischen Rittern sind die Studien von P. B [Equites], T. P. W [Definition], C. M [1.4: Res Publica Amissa, 64–95], J. B [Cicero und die Ritter] und A. G [Cheval public]. Gegen die von N [L’ordre équestre] vertretene Ansicht, nur Mitglieder der 18 Rittercenturien hätten eine bereits recht formal definierte Ritterschaft gebildet, stellt B die bei Cicero greifbare sehr offene Bestimmung der Zugehörigkeit heraus, für die allein das Vermögen maßgeblich gewesen sei [dazu wiederum kritisch M. C, CR 51, 2001, 431–433]. In Ciceros Äußerungen waren Ritter geschäftstüchtige publicani zum Wohl des Gemeinwesens sowie senatstreue Patrioten. Ihre nunmehr wieder rein wirtschaftlichen Interessen waren in nachsullanischer Zeit bei der Nobilität offenbar gut aufgehoben, was freilich Kosten zeitigte, denn „sie behinderten, beengten und schwächten den Senat und dessen Verantwortungsbewußtsein“ für den Herrschaftsbereich Roms [1.4: M, Res Publica Amissa, 94]. 3.2 Hausväter, Häuser und Familienverbände
Orientierung
Die häuslichen Verhältnisse der Römer wurden lange Zeit einerseits in den sog. Privataltertümern [immer noch nützlich: M, Privatleben, Bd. 1], andererseits rechtshistorisch [s. etwa 4.4: L, Recht, 119–147] un-
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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tersucht. Die forschungsnahe Darstellung von D [Roman Family] konzentriert sich auf Ehe und Kernfamilie; vgl. ferner den knappen Überblick bei B [1.1.1: Geschichte, 138–141]. Eine wichtige Erweiterung bedeuteten die Studien zu den höchst komplexen Verwandtschaftsverhältnissen, die sich nicht aus der agnatischen, d. h. in der männlichen Linie bestehenden Kontinuität des Hauses, sondern aus seiner cognatischen, über Heirat gewonnenen Verbindungen mit anderen Häusern ergaben; für diese Richtung sei hier nur B [Anthropology] genannt. Seine aus der strukturalistischen Anthropologie erwachsene Rekonstruktion bedarf allerdings der historischen Erdung; so hat der theoretisch zu postulierende Antagonismus zwischen agnatischem und kognatischem Prinzip in der Praxis keine erhebliche Rolle gespielt, da die realen Verwandtschaftsverhältnisse angesichts des nicht selten frühen Ablebens des Vaters [S, Patriarchy, zu den Lebenszyklen in Familien], ferner von Scheidungen, Wiederverheiratungen und Adoptionen [C, Constructing Kinship] meist sehr kompliziert waren und dem ideologisch verklärenden Konstrukt der römischen Aristokratie selbst [dieses kondensiert etwa von B, Altrömische Familie] selten entsprachen. Auch auf diesem Feld ist also mit einer lebensweltlich bedingten Unübersichtlichkeit zu rechnen [H, Patchwork Families, mit erhellenden Beispielen]. Die Verschränkung der Sphäre des Hauses mit den Belangen der res publica – um das irreführende Begriffspaar ‚privat‘ und ‚öffentlich/politisch‘ zu vermeiden [B, Privates und Politisches; s. R, „Public“ and „Private“] – reichte in eine sehr frühe Zeit zurück. So bildete die gens anfangs einen prä-institutionellen Handlungsverband im Krieg und im Kult (3.1 u. 3.4). Bei der ebenfalls alten Arrogation (Übertritt eines pater familias in den Status des filius familias eines anderen pater familias) zeitigte der Beschluss einer Volksversammlung eine privatrechtliche Rechtsfolge [4.4: S, Ius pontificium]; ein so gravierender Eingriff in Verwandtschaftsverhältnisse wurde offenbar als öffentliche Angelegenheit betrachtet. Die konstitutive Bedeutung des pater familias [knappe Orientierung: H, paterfamilias] für das gesamte gesellschaftliche Gefüge sowie seine Rolle als disziplinierender ‚Agent‘ des politischen Systems haben v. a. J. M [Vaterland der Väter; Familie, Verwandtschaft und Staat] und Y. T [Vitae necisque potestas] hervorgehoben. Dagegen plädierte R. S [Patria Potestas] dafür, zwischen dem rechtlichen Inhalt der patria potestas und der wesentlich weniger ausgeprägten Macht der tatsächlichen Väter zu unterscheiden. Über den Beratungskreis des pater familias orientiert die rechtshistorische Studie von K [Konsilium im Hausgericht]. Den im Darstellungstext skizzierten Zusammenhang zwischen der unangefochtenen Herrschaftsposition des pater familias im häuslichen Bereich und seiner hohen Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen, das ihm diese Position sicherte, einzusetzen, hat B. L entwickelt [Bürger ohne Staat?; 1.1.2: Die Väter und der Staat].
familia und res publica
pater familias
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138 domus und villa
gens und stirps
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Die Realität wie die Inszenierung der aristokratischen familia als Ort von Autorität und soziopolitischer Ordnung spielten sich im Haus ab. Die Forschung bilanziert weiterführend K.-J. H [Under Roman Roofs], wobei er auch die Konzepte und Kontexte der zentralen Begriffe (familia, gens, domus, pater familias) skizziert. Nützlich ist ferner das materialreiche Buch von S. H [The Roman House]. A. W-H [Social Structure of the Roman House] rekonstruiert den Code, mit dem das aristokratische Haus auf den sozialen und öffentlichen Raum verwies. R. R [Domus und res publica] flaggte das aristokratische Haus der Späten Republik als Proto-Form des kaiserlichen Hofes aus und vertrat die These, die nicht länger gelingende politische Integration mächtiger Einzelner in die res publica habe sich auch in deren Häusern gezeigt; diese seien zunehmend „Zentren politischer Macht“ geworden, außerdem Orte von aristokratischen „Gunsthierarchien“. Doch dieser Befund markiert nur den äußersten Rand der Möglichkeiten. Demgegenüber hebt L. M [Wohnintegration] hervor, dass sich trotz des erheblichen ökonomischen und sozialen Gefälles keine entsprechende topographische Absonderung nachweisen lässt: Die Elite wohnte über weite Teile der Stadt verstreut, noch nicht (wie in der Kaiserzeit) in wenigen Regionen konzentriert. Architektur, Größe und Lage des aristokratischen Stadthauses waren in jedem Fall Gegenstände von Konkurrenz und konnten, wie H. B [Senatorial Houses] und M. R [Demolished Houses] zeigen, in Form von memorierten wie tatsächlichen Hauszerstörungen auch Brandstätten des politischen Kampfes werden. Die lange gängige Annahme, das Anwesen auf dem Land sei im Vergleich mit der domus ein eher ‚privater‘ Raum gewesen, wurde zuletzt durch A. H [Abwesenheit von Rom] problematisiert; sie nennt Argumente dafür, „dass die Villa auf dem Land ebenso wie die domus in der Stadt zumindest in republikanischer Zeit ein Ort war, an dem römische Senatoren miteinander, aber auch mit anderen sozialen Gruppen interagierten“ [292]. Demgegenüber vertritt K [Senatorische Konkurrenz] die These, mangels eines ‚Schiedsrichters‘ hätten die Villen selbst nicht eigentlich Feld der Konkurrenz sein können, doch seien sie als Horte eines kritikwürdigen Luxuslebens im politischen Wettbewerb diskursiv instrumentalisiert worden. Gentes sind ausweislich des italischen Gentilnamensystems [R, Zum Ursprung] schon früh greifbar; als relevante soziale Verbände dürften sie aber erst im Kontext der Formierung eines Teils der Elite zum Patriziat in Erscheinung getreten sein. Die gens als eine akephale (herrschaftsfreie) Gruppe mit ihren gemeinsamen Kulten, Praktiken sowie erb- und besitzrechtlichen Regeln mag einen höheren Grad an Stabilität und Kontinuität versprochen haben als kleinere Einheiten [s. 3.1: S, Roman Clan, 323 u. passim]. Die Benennung von sechzehn Landtribus nach gentes [2: R, Tribus und Stadt, 382–443] könnte auf alte regionale Schwerpunkte hindeuten. Als sich in historisch hellerer Zeit dann die durch das Co-
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gnomen [S, Sulla nascita del cognome] gekennzeichneten stirpes als maßgebliche Verbände innerhalb der patrizisch-plebeischen Nobilität etabliert hatten, pflegten sie analoge Identitätsbildungen, darunter legendäre Genealogien bis hinauf zu Königen und Heroen, exklusive Verbindungen mit bestimmten Kulten sowie ein ‚Familienprofil‘ von Handlungsmustern und politischen Themen (s. u. 5). Im römischen Namensystem und seiner Entwicklung spiegeln sich selbstverständlich auch Ausdifferenzierungen und Bindungen innerhalb der Aristokratie. Überblicke geben M [Privatleben, 7–27], S [What’s in a name?] und S [Entwicklung des römischen Namensystems]. Angesichts der in den antiken Quellen greifbaren ‚Sichtbarkeit‘ einzelner Adelshäuser verwundert es nicht, dass verschiedentlich deren Geschichten geschrieben werden, meist mit einem Zugriff, der prosopographische mit sozial- und politikgeschichtlichen Perspektiven kombiniert [O, Caecilii Metelli; H-L, Calpurnii; D-P, Acilii Glabriones; E, Les Scipions].
Eigennnamen
Geschichte einzelner Adelshäuser
3.3 Bindungswesen Es war wesentlich die Leistung von M. G [3.1: Nobilität, 68–135], ein vielgestaltiges Bindungswesen als zentrales Fundament aristokratischer Politik in Rom herauszustellen, sowohl zwischen Standesgenossen wie auch in den auswärtigen Beziehungen (s. u. 3.5) sowie zwischen einem Mächtigen und Personen geringeren Ranges: „Das ganze römische Volk, die herrschenden Kreise wie die wählende und beherrschte Masse ist, als Gesellschaft betrachtet, durchzogen von mannigfachen Treu- und Nahverhältnissen, als deren Hauptformen das Gerichts- und Gemeindepatrocinium, ferner die politische Freundschaft samt der pekuniären Verpflichtung zu gelten haben. Diese Beziehungen bestimmten die Verteilung der politischen Macht. (. . . ) So ist der Mächtigste der, welcher kraft seiner Clienten und Freunde die meisten Wähler mobilisieren kann.“ [ebd., 134] Der letzte Satz formuliert eine empirisch nicht fundierte Extrapolation, da die Quellen nur Verflechtungen innerhalb der (spätrepublikanischen) Oberschicht (Senatoren und Ritter) belegen. Doch indem G mehrere Bindungsverhältnisse, auch solche unter Standesgleichen, sowie den sozialethischen Überbau durch Begriffe wie officium, fides und gratia zusammenfasste, konnte er einen grundlegenden sozialen Mechanismus freilegen, der heute meist unter dem Begriff Patronage diskutiert wird (s. u.). Unstrittig ist die konstitutive Bedeutung der Gesellschaft für die politische Ordnung; repräsentativ formuliert etwa B [1.4: Verfassung, 13]: „Das gesamte soziale Beziehungsnetz sowohl der Nobiles und Senatoren untereinander als auch das zwischen ihnen und den Bürgern ist nicht etwas Persönli-
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Briefliche Kommunikation
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
ches, was vom öffentlichen Bereich zu trennen wäre, sondern ist Teil der politischen Verfaßtheit, ist res publica.“ Zu den wichtigsten Ergebnissen der neueren Forschung gehört, dass neben der im unabhängigen pater familias verdichteten agnatischen Kontinuität des Hauses auch die kognatische Vernetzung eminent wichtig war (s. o. 3.2). So wurde etwa durch rigide Endogamieverbote der Austausch von Frauen und Vermögen zwischen verschiedenen Familienverbänden befördert. In ihrer diesen Forschungszweig weiterführenden Studie über die Rolle von Schwestern in familialen und politischen Zusammenhängen stellt A.-C. H [Suavissima soror] nicht nur die Ehe als (politisches) Allianzinstrument innerhalb von Nobilität und Ritterschaft heraus, wie das bereits ältere Arbeiten getan haben [3.1: M, Adelsparteien], sondern sie konturiert auch die kognatische Verwandtschaft insgesamt als konstitutive Beziehungsform der Aristokratie neben Patronage und Freundschaft. Die Diffusion von Besitz etwa habe man in Kauf genommen, um ein „überhäusliches Netzwerk zu erschließen, das die agnatisch strukturierten familiae überbrückte und das weit über die rein reproduktive Funktion von Ehe hin zu einer elementaren Organisation von Gesellschaft führte“ [H, Suavissima soror, 25]. Erbrecht und Vererbungspraxis hätten dezidiert nicht auf ein ‚Zusammenhalten‘ des Vermögens gezielt: Vermögenswerte sollten vielmehr breit innerhalb der Aristokratie zirkulieren und so ein Netz von Nahbeziehungen festigen [H, Keeping]; mit den in Testamenten wirksamen sozialen Mechanismen befasst sich E. C [Duty and Emotions]. Die systemische Bedeutung dieser Praktiken für die Stabilität des res publica hat jüngst ebenfalls H herausgestellt [Familienbande(n)]: Verwandtschaft bildete ein festigendes Element der ansonsten durch Konkurrenzkämpfe gefährdeten Kohäsion der Aristokratie. Für das 2. Jahrhundert verweist H indes auf entsprechende Veränderungen im Heiratsverhalten, welche die politische Desintegration der Elite widerspiegelten und verstärkten. Stärker ins Blickfeld gerückt ist zuletzt generell auch die ökonomischmaterielle Dimension von Nahbeziehungen in Gestalt von Geschäfts- und v. a. Kreditverbindungen (fides bedeutet auch ‚Kreditwürdigkeit‘), wobei Letztere eher im Sinne einer zusätzlichen Ebene von Netzwerkbildungen gedeutet werden [R, Solvendi sunt nummi] denn als Instrument politischen Drucks, wie dies z. B. M [Römische Geschichte III, 326] voraussetzte (s. a. o. 3.1). Die einigermaßen gut dokumentierten Transaktionen und Schulden Ciceros behandelt I [Affaires d’argent]. V [Economy of Friends] erörtert die spannende Frage, wie Finanzbeziehungen auf die amicitia einwirkten; hier besteht freilich die Gefahr, vorschnell Entleerung und Dekadenz anzunehmen. Durch Ciceros mehr als 900 Stücke umfassende Korrespondenz, in der auch etwa 100 Briefe an ihn überliefert sind, haben wir einen einzigartigen Einblick in die vielgestaltigen Kommunikationsgepflogenheiten
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eines aktiven Aristokraten, ohne freilich zu wissen, wie repräsentativ die Praxis Ciceros für die Führungsgruppe insgesamt ist. Einen Überblick bietet W [Cicero in Letters], während die umfangreiche und ambitionierte, anthropologisch ausgerichtete Studie von W.-C. S [Vom Handeln] unter der einseitigen These leidet, dass Kommunikation und Interaktion ausschließlich von personalen Momenten bestimmt gewesen seien, während sach- oder interessenbezogenes, auch manipulatives Schreiben außer Betracht bleibt. Ausgewogener argumentiert demgegenüber H [Politeness and Politics]. In einem vorzüglichen Überblick unterscheidet J.-M. D [La clientèle] eine auf die Frühzeit gerichtete, juristisch konstruierende Klientel-Forschung im 19. Jahrhundert von einer sozialgeschichtlichen, auf politische Machtbildungsprozesse v. a. in der Späten Republik blickenden Forschung im 20. Jahrhundert. Gs Sicht auf das Klientelwesen ist u. a. von J. B aufgegriffen und weitergeführt worden [bilanzierend 1.4: Verfassung, 23–42]. Dabei müssten die Entstehung und frühe Eigenart dieser „bis auf Ausnahmen formell unbestimmt(en)“ Institution [ebd., 28] trotz zeitweise intensiver Bemühungen der Gelehrten [zusammenfassend P, Clientes] weitgehend im Unklaren bleiben. Zu den wenigen lichteren Stellen gehört die Bestimmung der ältesten Rechtskodifikation, wer als Patron einen Klienten betrüge, sei als ausgestoßen zu betrachten (1.6: F, Zwölftafelgesetz, tab. 8,10: Patronus si clienti fraudem faxsit, sacer esto). Doch habe B zufolge die römische Expansion schon früh eine „Vermassung“ der Klientel bewirkt. Nur in der Theorie sei eine (ältere) ‚personale‘ von einer (jüngeren) ‚politischen‘ Ausprägung abzugrenzen; deutlicher erkennbar sei in der Späten Republik aber eine ‚militarisierte‘ Klientel. „Drei Phasen der Geschichte des Bindungswesens in Rom“ wollte C. M [1.4: Res publica Amissa, 24–45] unterscheiden; dabei sei dieses auch in der „Extensivierung der res publica“ verbindlich und in Geltung geblieben, weshalb es am Ende keine neuen Optionen politischer Formierung, keine „Alternative“ gegeben habe. P. B [Clientela] hat energisch und mit guten Gründen der These widersprochen, das Bindungswesen insgesamt habe eine konstitutive politische Bedeutung gehabt, ist dabei jedoch selbst von Engführungen nicht frei: Die Rede von der militarisierten Klientel meint nicht, dass Klienten bewaffnet worden wären [ebd., 435–438]; vielmehr entstanden zwischen Imperiumträgern und ihren längerdienenden Truppen Bindungen (keineswegs überwiegend materieller Natur; s. u. 3.4), welche die traditionellen Loyalitätsstrukturen unterminierten. Den Ausgang von Wahlen entschieden dauerhafte, verlässliche Nahbeziehungen wohl in der Tat nicht [ebd., 424–431; ähnlich 4.3.3: L, Klientelen und Wahlkampf], doch zeigen die neueren Forschungen zur politischen Kommunikation (s. u. 5), wie sehr das Bindungswesen im vorpolitischen Raum die Wahlkampfführung insgesamt mitbestimmte, nämlich im Hinblick auf die Erwartungshaltun-
Die Klientel in der Forschung
Bindungswesen und Politik
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Begriffe
Phänomenologie und Semantik
Ideal und vielfältige Praxis
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
gen der Wähler, die ihrerseits das Verhalten der Aristokraten beeinflussten. In einer Bilanz der Diskussion plädiert W. N [Klientel] dafür, für die patronageförmigen Alltagsbeziehungen die entwicklungsgeschichtliche Perspektive, die Veränderungen der Klientelverhältnisse über die Zeit bestimmen will, ganz aufzugeben; zugleich hält er daran fest, dass „in der konstitutiven Bedeutung des Patronagesystems für die politische Organisation einer Bürgerschaft, die sich unter aristokratischer Führung stetig erweiterte, dasjenige Merkmal liegt, das den Ausnahmefall der römischen Republik kennzeichnet“ [ebd., 150]. Wichtig erscheint es, mit N zwei Typen und Funktionen von Klientelbeziehungen zu unterscheiden: die vertikale Integration zwischen Starken und Schwächeren und die horizontale Verbindung zwischen Zentrum und Peripherie. Der inzwischen in der Forschung gängige, aus der Anthropologie und Soziologie entlehnte Dachbegriff der Patronage überdeckt diese Unterscheidung jedoch wieder; er wird benutzt, weil er es erlaube, „to go beyond the surface of ancient terminologies“ [s. 1.7: L, Patron, Patronage]. Einen aktuellen Überblick speziell zur Republik gibt D [Patronage]. Im Vergleich zu den Bemühungen, eine Einwirkung des PatronKlient-Verhältnisses auf das politische Feld nachzuweisen, tun sich phänomenologisch auf einzelne, gut zu beobachtende Praktiken ausgerichtete Studien leichter [G, Salutatio; S, Convivium; D, L’exercice du patronat]. Auf der semantischen Ebene auffällig ist die Tendenz in den antiken Texten, die Asymmetrie einer Klientelbeziehung durch die Bezeichnung amicitia zu verbergen (s. u.). Die verzweigten Forschungen zum Bindungswesen zwischen Ungleichen wurden jüngst von A. G [3.3: Patron-Klient-Verhältnisse] einer kritischen und weiterführenden Betrachtung unterzogen [guter Forschungsüberblick: 15–19; s. auch V, Clientela]. G historisiert das nicht selten als sozio-anthropologische Universalie, Rechtsinstitut oder (rein funktionalistisch) als Disziplinierungsinstrument behandelte Verhältnis, das durch Freiwilligkeit, Dauer, persönlichen Kontakt, Asymmetrie und Gegenseitigkeit gekennzeichnet war, indem sie fragt, mit welchen Haltungen Patrone und Klienten einander begegneten, welches Verhalten sie an den Tag legten und welche Motive oder Wertvorstellungen ihr Gebaren bestimmten. Ideal und Praxis römischer Patronageformen in historisch fassbarer Zeit seien als zwei Ebenen zu verstehen, die einander allerdings nicht als getrennte Welten gegenüberstanden. Vielmehr wurden die Idealvorstellungen immer genauer ausformuliert, je mehr man die Praxis reflektierte, und diese explizierten Vorstellungen übten Druck auf Mitglieder der Oberschicht aus, sich als gute Patrone zu erweisen. Im Laufe der Zeit wie auch synchron gab es jeweils sehr unterschiedliche Spielarten und Optionen von Bindungsverhältnissen. Die Erscheinungsformen von Patronageverhältnissen waren von den frühesten erkennbaren Anfängen im 3. Jahrhundert an so
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vielgestaltig wie die Beweggründe von Patronen und Klienten, Bindungen dieser Art einzugehen, da Klienten einem weiten sozialen Spektrum angehörten und nicht allein einige Patrone sehr viele Klienten hatten, sondern umgekehrt auch nicht wenige Klienten mehrere Patrone. Mochte soziale Integration auch einen Effekt des Klientelwesens gebildet haben, so ist Gs Resultat wichtig, dass bei allen Bemühungen, sich als guter Patron zu erweisen, die Sorge um Bedürftige eine untergeordnete Rolle spielte. In diesem Sinne wurde der Euergetismus eines Pompeius oder Caesar gegenüber plebs urbana und Soldaten zumindest von der Nobilität abgelehnt und bekämpft, weil diese eine Monopolisierung klienteler Bindungen fürchtete. Neu ist auch, dass sich Erblichkeit von Klientelverhältnissen in republikanischer Zeit nicht nachweisen lässt. Generell historisch nicht fassbar seien schließlich clientelae als fest strukturierte, dauerhafte, zuverlässig mobilisierbare Anhängerschaften großer Häuser. Man wird also mit J [1.3: Methods, 12] vom „decline of patronage as a comprehensive explanation“ sprechen können. Mit amicitia konnte eine große Fülle sehr verschiedener Nahbeziehungen bezeichnet werden, wobei die Forschungs teils den Aspekt der gegenseitigen Interessen und Verpflichtungen [V, Economy of Friends], teils eine echte, emotional-affektive Nähe betont [B, Amicitia]; s. zusammenfassend V [Friendship]. Wenn das sehr positiv besetzte Wort auch geeignet war, Ungleichheit in einem Verhältnis zu verdecken, so weist C. R [amicitia sanctissime colenda] doch mit Recht darauf hin, dass amicitia-Verbindungen „zwar ähnlichen Regeln unterworfen waren wie die (‚ältere‘?) Klientel, sich aber in wesentlichen Punkten von ihr unterschieden und eine eigene Kategorie römischer Nahverhältnisse bildeten, die eine spezifische . . . Funktion im Zusammenspiel der Oberschicht erfüllten“ [ebd., 12f.]. Amicitia definiert er, Reziprozität und Symmetrie betonend, als „dauerhafte, auf (quasi) symmetrischem Austausch und der Grundlage gefühlter oder betonter Gleichheit und/oder emotionaler Beteilgung basierende, persönliche Beziehungen“ [50]. Der Mehrgewinn an Erkenntnis durch die von R bemühte, mit Datensätzen und Graphen unterfütterte Netzwerkanalyse gegenüber der traditionellen Hermeneutik scheint eher begrenzt; wichtig ist aber der Katalog von Plazierungen junger Leute im Umkreis von anderen Aristokraten (u. a. cohors [persönlicher Stab] eines Statthalters; Militärtribune und praefecti fabrum; Legaten; Rednerausbildung). Die einzigartige Praxis aristokratischer Familien, Bildnisse ihrer Vorfahren, die mindestens ein kurulisches Amt erreicht hatten, im Atrium ihres Hauses zu verwahren und sie im Begräbniszug vom Haus über das Forum zur Grabstätte zu präsentieren, hat Polybios (6,53f.) eindrucksvoll geschildert. Diese Praxis bildete in der Forschung zur politischen Kultur der Republik einen wichtigen Kristallisationspunkt, erklärt man mit ihr doch sowohl die Autoritäts- und Gehorsamsbindung der Bür-
amicitia
Geschichtlichgenerationelle Bindungen
Aristokratische Erinnerungspraktiken
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exempla und mos maiorum
Bilanzen und Fragen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
gerschaft an die politische Elite wie auch die Selbstbindung dieser Elite an ein definiertes Lebensziel, wie es in der Begräbnisrede (laudatio funebris) auf L. Caecilius Metellus (cos. 251 und 247) markant formuliert ist (Plin. nat. 7,139f.). Umfassend erörtert H. F [Ancestor Masks] die Quellen und Probleme [gute Einführung: ., Der Leichenzug]; was über die Leichenrede auf dem Forum gesagt werden kann, findet sich bei K [Laudatio funebris] kompetent behandelt. Seine pointierten Studien hat E. F zuletzt noch einmal bilanziert und weitergeführt [Prozessionen aus der Tiefe; vgl. 1.2: ., Ritualisierte Politik, 49–68 und 69–98]: Die pompa funebris als „das semiotisch aufwendigste und szenographisch wichtigste kommemorative Ereignis der römischen Kultur“ [Prozessionen aus der Tiefe, 113] inszenierte den historischen Erfolg der führenden Familien und der gesamten res publica quantifizierend sowie als lineares Kontinuum. Obwohl ihr ein starkes Moment inneraristokratischer Konkurrenz innewohnte, betonte sie doch auch den Normenkonsens innerhalb der Führungsschicht; daher erfuhr dieses Ritual im Vergleich zum Triumph oder der pompa circensis, die offener für Experimente waren, kaum Veränderungen. Die Erinnerungspraktiken der einzelnen gentes als multimedial repräsentierten Kern römischen Vergangenheitswissens hat W. B [Die memoria] herausgestellt; ihm wird auch eine eindringliche Untersuchung des Begriffs mos maiorum („normgebende Praxis der Vorfahren“) verdankt [., Geschichte des Begriffs mos maiorum]. Doch hatte der Rückgriff auf diese Autoritäts-, Vertrauens- und Argumentressourcen auch seine Grenzen: Exempla als Kommunikationsform normativen Vergangenheitswissens [s. B, Verargumentierte Geschichte] konnten für verschiedene Positionen eingesetzt werden und entzogen sich in der Republik einer Hierarchisierung und Kanonisierung; außerdem wurden sie kaum je für die gesamten Bürgerschaft verbindlich, da plebeisch-‚populare‘ Gegenerinnerungen existierten. Zuletzt hat auch V. A „the fluid, flexible, and diverse nature of the mos maiorum“ betont [4.3.2: Informal Norms, Values, and Social Control, 218]: „Far from being that stable and permanent entity that our sources portray it to be, it was open to continuous variations and interpretations, which at times were even diametrically opposed to one another.“ Eine Summe römischer Erinnerungspraktiken und -diskurse zieht U. W [Memoria und res publica]; eine prägnante Übersicht gibt H, der die Konsistenz und das Funktionieren des Systems stark betont [History and Collective Memory; vgl. ., Exempla und mos maiorum]. Eine heuristische Warnung erscheint auch an dieser Stelle angebracht: Aus der genannten Polybios-Stelle werden sehr weitreichende Schlussfolgerungen gezogen, obwohl selbst elementare Fragen – Waren die imagines tatsächlich Masken oder rundplastische Bildnisse? Was geschah bei einer Verzweigung der Familie? Wurden grundsätzlich auch ‚angehei-
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ratete‘ imagines mitgeführt (vgl. Tac. ann. 3,76)? – keineswegs als sicher geklärt gelten dürfen. 3.4 Militärwesen, Landbesitz und Demographie Die neueren Sammelwerke zum Krieg in der Antike [E, Companion; S u. a., Cambridge History] sowie die meisterhafte Gesamtdarstellung von S [Feldherren] berücksichtigen die Wechselwirkungen von Kriegführung, Gesellschaft und politischer Ordnung. Knapp informiert M [Militär, 31–40; Forschungsüberblick 97–110], ausführlicher B [1.4: Verfassung, 151–171] sowie N [4.3.1: World of the Citizen, 89–148]. Lange Zeit dominierte die Lehre von der Kongruenz zwischen Heeresund Staatsverfassung [W, Staat und Heer; raumgreifend D, Armee eines Weltreiches]. Sie leuchtet für die ausgehende Republik, als die Monopolisierung schlagkräftiger Heere durch wenige Machthaber am Ende in die militärisch fundierte Monarchie führte, nach wie vor weitgehend ein. Allerdings wird die ältere Ansicht, die Legionäre hätten, seit C. Marius (ca. 157–86) vermehrt besitzlose Bürger rekrutierte, eine ihrem jeweiligen Feldherrn ergebene, weil durch Land und Geld belohnte „Heeresklientel“ gebildet und keine eigenen politischen Maßstäbe für Legitimität und Gehorsam gekannt, heute meist abgelehnt. K [The Army in the Roman Revolution, 9–35] stellt heraus, dass auch die Bürgerkriegsarmeen des 1. Jahrhunderts ihre Befehlshaber als Magistrate betrachteten; allerdings spielte die affektive und charismatische Bindung der Truppen nun eine viel größere Rolle, während die legale an Bedeutung verlor; vgl. zusammenfassend M [Militär, 109f.], B [Army and General]; für tiefschürfende Fallstudien s. M-M [Consular Appeals to the Army] und B [Rolle der Soldaten]. D [Armee eines Weltreiches, 211] betont die „Bindungen, die nicht käuflich waren“. Disciplina militaris und Gehorsamsmodalitäten werden verstärkt als Resultate einander überlagernder und verstärkender sozialer und kultureller Orientierungen aufgefasst; demnach spielten die Centurionen und Tribune, der „military middle cadre“ [ B, Changing Position] als Transmissionsriemen zwischen aristokratischen Kommandeuren und einfachen Soldaten ebenso eine Rolle wie das Korps-, Selbst- und Ehrbewusstsein der einzelnen Truppenkörper, ferner materielle Belohnungen, Drill und Strafen sowie die spezifisch militärische Variante von Wertkonzepten wie virtus und labor. Die materialreiche Studie von P [Roman Military Service] fasst militärische Disziplin plausibel als Habitusformierung, klammert aber leider die Probe auf ihr Thema, den tatsächlichen Kampf, aus; die Lücke füllt das zupackende Buch von L [Soldiers and Ghosts, 172– 232]. Meutereien als Verlust der militärischen Ordnung spielen v. a. in der
Stand der Forschung
Käufliche „Heeresklientel“ in der Späten Republik?
Gehorsamsmodalitäten
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Führungsschicht und Armee
Besiegte Feldherren
‚Militaristische‘ Ordnung?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Überlieferung zu Bürgerkriegen eine Rolle, was teils in der Sache begründet ist, teils aber auch zur literarischen Typologie anomischer Zustände gehören dürfte [H, Les révoltes militaires]. Für den Zusammenhalt sorgte zweifellos auch die hohe Opferbereitschaft der Elite, deren Söhne als Militärtribune (s. o. 4.1.5) zumal während der mittleren Republik im Krieg oftmals erhebliche Verluste hinnehmen mussten [s. 1.1.2: H, War and Imperialism, 39f.]. Zu den Gefallenenquoten, die angesichts der ca. 90 größeren Niederlagen römischer Armeen während der Republik generell hoch waren, s. R [Rome at War, 107–140]. Zu den politisch folgenreichen Veränderungen der Führungsstrukturen in der Späten Republik gehörte der Aufstieg der Legaten: Sie wurden von den Feldherren zu Kommandeuren ganzer Legionen ernannt. Darin sieht B [4.1: Demilitarisierung, 74] ein wichtiges Element eines Konzentrationsprozesses von strategisch-taktischen Fähigkeiten, der am Ende auf die Dominanz großer Militärpotentaten zulief. Die bis in die Späte Republik hinein auf Egalität und Kohärenz in der Führungsschicht ausgerichtete Rekrutierung der Imperiumträger aus der Aristokratie in ihrer ganzen Breite zeitigte eine beinahe notwendige Folge: Erfolglose, d. h. besiegte Feldherren wurden in Rom (anders als etwa im demokratischen Athen) verhältnismäßig milde behandelt; dazu grundlegend R [Imperatores Victi]. Allerdings seien individuelle Fehler, die zu Niederlagen führten, von der römischen Öffentlichkeit häufiger und kritischer benannt worden, als R meinte; s. J. R, CR 41, 1991, 403. Ende des 2. Jahrhunderts gab es sogar eine kleine Prozesswelle. Auch scheinen besiegte Feldherren in ihrer weiteren Karriere und Prominenz doch Einbußen erlitten zu haben; vgl. ausführlich K.-J. H, Gnomon 66, 1994, 332–341. Stärker von Mentalitäten, memorialen Narrativen und kollektiven Reaktionen auf Niederlagen handelt die Studie von J. H. C, Triumph in Defeat, die allein für das 2. Jahrhundert 43 römische Niederlagen zählt. In der Forschung werden einhellig die große Bereitschaft der römischen Gesellschaft und der res publica zu kriegerischer Aggression sowie der enge Konnex zwischen Krieg und Staatlichkeit betont; die Kriegführung „bonded all ranks of Roman society together and was an integral part of the state’s social, political and cultural life“ [S, Warfare, 482f.]. Diese Verbindung manifestierte sich in Institutionen wie dem starken imperium der Oberbeamten (s. 4.1.1), der stets beibehaltenen Wehrpflicht aller Bürger, der vom 4. Jahrhundert bis 167 beinahe jedes Jahr zu entrichtenden direkten Kriegssteuer (tributum) sowie in der lange praktizierten Teilhabe vieler Bürger an der Kriegsbeute [zu diesem Komplex C / H, Praeda], ferner in der Architektur des Herrschaftssystems in Italien (3.5) und der Stützung des Krieges durch religiöse Rituale [M, Militär, 36–38, 103–105], schließlich in der hohen Wertschätzung militärischer Leistungen, wie sie sich bei den Wahlen, im Triumphritual [ebd., 105–107
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und o. I.5], in der Ordensvergabe oder der demonstrativen Präsentation und Verwendung von Beute im Stadtbild zeigte. Gleichwohl wird man nicht von einem die Gesellschaft durchwirkenden ‚Militarismus‘ sprechen können, denn schon in der Trennung der Bereiche domi und militiae, toga und arma zeigt sich ein Streben nach Differenzierung. In Rom wurden normalerweise keine Waffen getragen; Senat und Volksversammlungen sollten unbehelligt von militärischem Druck agieren, weswegen die Sicherung oder gar Eroberung der Stadt durch reguläre Truppen, wie sie 52 (Pompeius) bzw. 88 (Sulla) und 49 (Caesar) stattfanden, schwerwiegende Brüche mit der Ordnung darstellten und auch so gesehen wurden. Die lange gängige Auffassung, Rom habe die See als machtpolitischen Handlungsraum erst spät, widerwillig und defensiv erkannt und erschlossen, kann als widerlegt gelten [S, Roms Griff nach dem Meer]. Die systematisch angelegte Studie von M. L [Antike Seerepublik] behandelt die institutionellen Instrumente (Seekommando von Konsuln, Prätoren und legati; duumviri navales), ferner die rituelle Überhöhung der römischen Seeherrschaft im triumphus navalis sowie den Überseehandel, ein Feld, in dem öffentliche und individuelle Interessen, sowohl von Senatoren als auch von ritterlichen publicani (s. o. 3.1), immer wieder miteinander ausgehandelt werden mussten. Freilich ignoriert L die enormen Schwankungen im römischen Engagement zur See und blendet wichtige, seiner These einer römischen ‚Thalassokratie‘ (ein ohnehin problematischer Begriff) entgegenstehende Tatsachen aus. Nach dem bahnbrechenden Werk von P. B [Italian Manpower] ist die demographische Forschung v. a. methodisch immer elaborierter und komplexer geworden. Sie untersucht die Struktur der Bevölkerung, die Kinder- und Erwachsenensterblichkeit, die Familienstrukturen, das Heiratsalter sowie das generative Verhalten der bäuerlichen Bevölkerung [knapper Literaturüberblick bei 1.5: S / W, Literaturbericht, Teil IV, 628–630]. Den Stand der Forschung repräsentiert jetzt die Studie von S. H [Demography; dazu die methodisch wichtige Rezension von W. V. H, Gnomon 89, 2017, 138–142; ferner knapp H, Population, sowie die Beiträge in 1.2: L / N, People, Land, and Politics]. Als weiterer wesentlicher Faktor haben die Bevölkerungsbewegungen vermehrte Aufmerksamkeit gefunden; dazu als Überblick P P [Deportation, Kolonisation, Migration]. Die Themen Demographie, manpower des römisch-italischen Wehrverbandes und (innen-)politische Dynamik der Späten Republik haben ihre Schnittmenge in dem von Ti. Gracchus 133 skandalisierten Rückgang des landbesitzenden Klein- und Mittelbauerntums. Doch muss N. R [1.1.1: Rome, 106–118, 259–267] zufolge das zumal von Appian vermittelte und in vielen Überblickswerken immer noch maßgebliche Bild des 2. Jahrhunderts v. Chr. – Verödung kleinbäuerlicher Höfe durch langjährige Abwesenheit der Männer wegen der Kriegszüge, Anwachsen des mit Sklaven bewirtschafteten
Römische Macht zur See
Demographie
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Demographie und Politik im 2. Jahrhundert
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Großgrundbesitzes (Latifundien), Verelendung der Landbewohner zu einem Proletariat (plebs rustica), Verlust an Wehrkraft – erheblich modifiziert werden [zu Appians Darstellung s. 1.5: G, Appian’s Representation of an Agrarian Crisis]. Denn die römische Militärorganisation und Rekrutierungspraxis – Verheiratete und Ältere wurden nur selten eingezogen – stellten in Verbindung mit einem außerhalb der Oberschicht recht hohen Heiratsalter der Männer sicher, dass der Kriegsdienst eines achtzehn oder zwanzig Jahre alten Sohnes die Familie nicht in Probleme stürzte, im Gegenteil: Dessen Arbeitskraft nutzte dem Haushalt oft weniger, als er verzehrte; und da über lange Zeit von der Kriegsbeute zumindest ein Teil den Weg auch in die Taschen der einfachen Römer fand, waren die Kriege in der Summe geeignet „to foster a general prosperity in much of Italy during the third and part of the second centuries“ [ebd., 111]. Zwar suchten große Grundbesitzer ihren wachsenden Reichtum zuvörderst in Land anzulegen, aber große arrondierte Latifundien gab es erst seit dem 1. Jahrhundert, und die Umstellung auf neue Produkte wie Öl und Wein, deren Erzeugung hohe Investitionen erforderte, spielte nicht die Rolle, die man ihr einst zuschrieb [s. T, Hirten, 233–244, der auf der Linie der neueren Forschung tieferreichende Veränderungen erst im 1. Jahrhundert sieht]. R sieht die Voraussetzungen für die gracchische Mobilisierung eines ländlichen Proletariats eher in der Bevölkerungsentwicklung: Die hohen Verluste durch den Hannibalkrieg und die folgenden Kampagnen in Griechenland, Kleinasien und Spanien sorgten dafür, dass die überlebenden Bauernsöhne einen gewissen Wohlstand genossen und die Freiheit hatten, unattraktives Land nicht zu bewirtschaften – was etwa erklären würde, warum der Senat in den 170er-Jahren aufhörte, Kolonien einzurichten; es wurden sogar bestehende Siedlungen verlassen (Liv. 39,23,3f.). Diese Umstände ließen die Geburtenrate rasch ansteigen (u. a. durch Verzicht auf Kindesaussetzung). Indem dieser Prozess eine überschießende Dynamik gewann, wuchs in der nächsten Generation die Zahl von Bürgern, die von der insgesamt günstigen wirtschaftlichen Entwicklung nicht profitierten, weil sie gezwungen waren, weniger gutes Land zu bearbeiten, unselbständige Landarbeit anzunehmen oder – was zunehmend alternativlos erschien – nach Rom zu ziehen und dort das Heer der Unterbeschäftigten zu vermehren. Diese in einer agrarischen Gesellschaft regelmäßig anzutreffende Unterschicht in prekärer Existenz war – der Gedanke lässt sich zu Rs Argumentation ergänzen – grundsätzlich mobilisierbar und aus zwei Gründen im römischen Fall besonders: Die ihr angehörenden Menschen (plebs rustica), nach ihrem Rechtsstatus stolze cives Romani, hatten viele Mitbürger und Italiker um sich, denen es besser ging als ihnen selbst, und sie fanden in der Stadt Rom einen Ort, wo ihre Situation in politische Aktion umgesetzt werden konnte, sobald sich eine Konstellation und eine Person fanden, die genau das bewerkstelligten. Abweichend von R betont L. L [Peasants; als Kondensat
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., Roman Manpower] stärker die Verantwortlichkeit der Elite. Für das 2. Jahrhundert konstatiert er zwei scheinbar gegenläufige Befunde: Obwohl spätestens nach dem 3. Makedonischen Krieg (168) die Bevölkerung Italiens anstieg, fand Ti. Gracchus in den 130er-Jahren ein geschrumpftes Rekrutierungsreservoir für die Bürgerlegionen. Der Zuwachs erkläre sich teilweise aus dem massenhaften Import von Sklaven, während die jungen Bürger, die wegen geringerer Gefallenenzahlen und infolge eines nach dem verheerenden Hannibalkrieg großzügigeren generativen Verhaltens nunmehr ebenfalls zahlreich waren, nicht mehr mit Land versorgt werden konnten, zumal nach dem Ende der Koloniegründungen. Dieses bewährte sozio-ökonomische Ventil wurde vom Senat nicht mehr betätigt, vielleicht weil nun die Elite mehr Land beanspruchte, um die Beutevermögen aus den Kriegen im Osten anzulegen. Dieses Land mit wehrpflichtigen Bürgern als Pächtern zu bewirtschaften erschien den Reichen insofern unsicher, als jene ja stets gewärtigen mussten, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden. Und dieser Kriegsdienst – damit schloss sich ein fataler Regelkreis – war lange nicht mehr so einträglich wie in den Tagen der großen Siege gegen die hellenistischen Könige. 3.5 Rom und sein äußeres Machtsystem Die Forschung bis 2007 verzeichnet und bespricht B [Außenpolitik, 149–151 zum Bundesgenossensystem und 164–170 zur Reichsbildung seit 264]. Um die Dynamik der römischen Republik als „Machtmaschine“ (s. o. 1.1.2) zu erklären, sind neben den Faktoren Demographie und Militär (s. o. 3.4) die institutionellen Grundlagen des Machtsystems zu betrachten; dabei müssen im thematischen Rahmen des vorliegenden Buches die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen sozio-politischer Ordnung und Außenpolitik im Vordergrund stehen. In diesem Sinn konstatiert C [Interstate Relations and Empire, 330] treffend: „Rome’s behavior in the international sphere was modeled on its social conceptions.“ In Abgrenzung von älteren völker- und vertragsrechtlichen Forschungen [für einen Überblick s. B, Außenpolitik, 108–110 und 116–125] hat A. Z [Rechtliche Grundlagen der römischen Außenbeziehungen] die oben in den enzyklopädischen Überblick übernommene These entwickelt, dass die Römer das Modell ihrer eigenen, stark stratifizierten Gesellschaftsordnung auf die rechtlich fixierten Außenbeziehungen übertrugen, wobei die differenzierende Gewährung (und Kombination) der zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel (amicitia, amicitia et societas, hospitium, foedus u. a.) zugleich auch die soziale Rangfolge der betroffenen Gemeinwesen in der römischen Herrschaftsordnung bestimmte. Wenngleich viele Details in Zs – angesichts des oft untechnischen Sprachgebrauchs der Quellen juristisch wohl übersubtilen –
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Klientel in den Außenbeziehungen
Rom und Italien
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Studien strittig bleiben müssen, leuchtet eine Kongruenz von inner- und intergesellschaftlichen Figurationen, die sich für römische Bürger im Ausland und Peregrine in Rom auch privatrechtlich auswirkte, durchaus ein. Denn auch die konkreten Kommunikationen und Beziehungen der Römer zu ihren Verbündeten und Partnern bestanden maßgeblich in einer Verkehrsform des sozialen Binnenraums. E. B [Foreign Clientelae] konnte in einer klassischen Studie zeigen, dass das den Römern vertraute Bindungswesen zwischen Ungleichen (s. o. 3.3) auch Pfeiler der äußeren Herrschaftsordnung war, indem Angehörige der Oberschicht jenseits vertraglicher Regelungen persönliche Treueverhältnisse zu Städten, Stämmen oder Potentaten unterhielten. Bs Modell kann als akzeptiert gelten, wenn auch Kritik und Modifikationen nicht ausblieben [vgl. 1.2: B, Gesammelte Schriften, 588–599; B, Außenpolitik, 167f.; J / P P, Foreign clientelae]. Strittig ist vor allem geblieben, wie solche Bindungen im Detail nachzuweisen sind, ferner, wie stabil sie über die Generationen sowie in innerrömischen Konfliktsituationen waren, wenn der Partner konkurrierende Loyalitäten oder machtpolitische Wahrscheinlichkeiten abzuwägen hatte. Hinzu tritt die Frage, ob die Auswärtigen tatsächlich immer eine Einzelperson oder nicht vielmehr den Senat als Patron betrachteten, und schließlich, ob Bs Periodisierung tragfähig ist. Informelle „klientele“ und (völker-)rechtlich definierte Beziehungen sind vor diesem Hintergrund generell schwer voneinander zu trennen, wie auch die von A. C dirigierten Studien zum Begriff amicitia im außenpolitischen Kontext unterstreichen [Roms auswärtige Freunde; Freundschaft und Gefolgschaft]. Jedenfalls hat die Auseinandersetzung mit B Entwurf gezeigt, „dass die Zeit der großen, auf ein Erklärungsmuster setzenden Großentwürfe der römischen Außenpolitik offensichtlich vorbei ist und man deren Komplexität erst wieder richtig versteht, wenn man mit unterschiedlichen, den jeweiligen ethnischen, historischen und regionalen Bedingungen angepassten Formen rechnet“ [R. S, Rez. zu J / P P, Foreign clientelae, in: Ancient History Bulletin Online Reviews 6, 2016, S. 73–76, hier 76]. Die römische Herrschaft in Italien stellte M im Sinne seines systematisierenden, einer rechtlich-begrifflichen Logik folgenden Entwurfs dar [1.4: Staatsrecht III, 570–589, 607–715; Abriss 44–53]. Das italische Städtewesen betrachtete die Forschung ebenfalls primär nach rechtlich-politischen Kriterien [stoffreicher Überblick: 1.4: M, Römische Staatsverwaltung I, 3–135], wobei frühere Versuche, aus bestimmten Besonderheiten der überlieferten Stadtverfassungen Rückschlüsse auf gemeinitalische, d. h. ursprünglich auch in Rom vorhandene, Elemente zu ziehen, durch die klassische Studie von H. R weitgehend widerlegt wurden [Stadt und Staat im römischen Italien]: Die mannigfaltigen städtischen Organisationsformen stellten lediglich verschiedene Entwicklungsstufen römischer Ordnungen dar; Rom habe
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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die Organisationsformen der Italiker aufgehoben und durch (wegen der zeitlichen Erstreckung jeweils verschiedene) römische ersetzt. Erst Caesars allgemeine Munizipalordnung habe schließlich einen markanten Einschnitt bedeutet und bereits auf die Kaiserzeit vorverwiesen. T. H lenkte den Blick dann auf die Mechanismen römischer Herrschaft zurück; sie entwickelte dabei eine soziologisch inspirierte Kategorienbildung [Bundesgenossensystem in Italien]. Der gesamte Prozess wird in der neueren Forschung als wesentlich kontingenter, uneinheitlicher und widersprüchlicher vorgestellt. Das dürfte, wie schon der knappe Überblick von K. L [Italy during the Roman Republic] zeigt, wesentlich an der gewachsenen Bedeutung archäologischer Befunde für die historische Rekonstruktion sowie einer generellen Neigung zu kulturalistischer Betrachtung liegen; diesen Eindruck verstärkt der einschlägige neue Companion [C, Roman Italy]. Die von J und P [Herrschaft ohne Integration] versammelten Beiträge machen jedenfalls klar, dass die politische und kulturelle Vereinheitlichung der Halbinsel langsamer, regional sehr unterschiedlich und generell konflikthafter verlief, als lange angenommen wurde [für einen aktuellen Überblick s. S, Rome’s Encroachment]. Ja, bei den Eliten beider Seiten herrschte vielfach ein gesundes wechselseitiges Desinteresse: Die wenig entwickelte, auf potentielle, nicht dauerhafte Einwirkung angelegte Staatlichkeit Roms wies den abhängigen Eliten und generell den patres familias eine starke und autonome, daher attraktive häusliche und lokale Position zu [3.2: L, Bürger ohne Staat?]; die Patronagebeziehungen absorbierten lange Zeit den Wunsch nach persönlicher politischer Partizipation [3.5: D, La prise], und die Römer waren über die Verhältnisse in der Fläche der Halbinsel oft schlecht informiert [3.5: P, Roms Wissen], obwohl Gastfreundschaften und Heiratsverbindungen zu den italischen Eliten nicht selten waren [3.5: P, Relationship; vgl. B, Intermarriage between Roman and Italian Elites]. W. R [Ex Italia convenerunt] postuliert, dass sich nach 133 auch Italiker unterhalb der Elite in nennenswerter Zahl in Rom politisch zur Geltung zu bringen suchten. K. L hat das sozialwissenschaftliche Modell eines Netzwerks mit schwachen und entfernteren Bindungen fruchtbar auf die Beziehungen römischer Aristokraten zu ihrem jeweiligen italischen Umfeld (Nachbarn, Gastfreunde) angewandt und hält ein solches Netzwerk für „highly effective as a means of transmitting social, economic, and political influence“ [Weakest Link, 212]. Zuletzt hat M. F [Privata hospitia] die Beziehungen zu Rom aus der Perspektive der Italiker als wechselvoll charakterisiert: Nähe zu römischen Aristokraten als lokaler Statusvorteil stand neben Übergriffen, Unterordnung und wachsender Enttäuschung. Die Interessen und Ziele der 91 gegen Rom aufbegehrenden socii (Sezession? Gleichberechtigung? Eintritt in das römische Bürgerrecht?) sind in der Forschung umstritten und waren wohl auch nicht einheitlich; für einen
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152 Bundesgenossenkrieg
coloniae
Provinzen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Überblick s. D, Social War, 12–21]. Auf römischer Seite zeigen Vorgeschichte, Ausbruch und Verlauf dieses Bundesgenossenkrieges, wie wenig die kurzfristige und auf den römischen Binnenraum ausgerichtete, die socii meist bloß instrumentalisierende und Übergriffe zulassende Politik der Nobilität bzw. einzelner Nobiles der Vielfalt und den Dynamiken des italischen Herrschaftsraumes angemessen war. Das Defizit setzte sich nicht zuletzt in der nach 88 nur schleppend vollzogenen Einbürgerung der Italiker fort. In seiner grundlegenden Studie hebt E. B [From Asculum to Actium] neben der Komplexität des Gesamtprozesses die durchgehende Bedeutung des municipium mit seinem Potential zur Vernetzung zwischen Rom und den italischen Akteuren hervor. Wie verschiedene Arten von Integration – ökonomische, politische, kulturelle – zusammenwirkten, wird sich nur in weiteren Detailstudien klären lassen [so 1.2: R, Processes of Integration, 368f.]. Unter den Instrumenten römischer Herrschaftspolitik in Italien, ab dem späten 2. Jahrhundert auch außerhalb der Halbinsel, hat die römischen Kolonisation zuletzt vermehrt Aufmerksamkeit gefunden. Wie der Tagungsband von S / P zeigt, stehen auch hier etablierte Klassifizierungen (Bürgerkolonie, Latinische Kolonie, colonia maritima) sowie Vorstellungen von einer recht ausgeprägten ethnisch-politischen Homogenität der Kolonien zur Disposition [Roman Republican Colonization]. Die bereits in der Antike formulierte Ansicht, es habe sich „gleichsam um kleine Ab- und Ebenbilder Roms“ gehandelt (Gell. 16,13,9), sei nicht länger zu halten. In jedem Fall aber wirkten an einer Koloniegründung in historisch hellerer Zeit (3./2. Jahrhundert) Senat, Magistrate, Priester und Volksversammlung mit, wobei die Umsetzung einer meist drei Männer umfassende Spezialkommission anvertraut wurde (tresviri coloniis deducendis) [G, Lands, Laws, and Gods; s. u. II 4.1.7]. Die römische Herrschaft über die Provinzen während der Republik ist nicht Gegenstand dieses Bandes. In einer grundlegenden Studie hat W. D konsequent nach dem Zusammenhang zwischen aristokratischer Staatsform und Reichsbildung gefragt und dabei die Grenzen einer Objektivierung, d. h. Versachlichung der Herrschaftsausübung, vermessen [Gewalt und Herrschaft, v. a. 283–303]. Wie eng die römische Herrschaft im Sinne der oben skizzierten Kongruenz von ‚innen‘ und ‚außen‘ an Voraussetzungen sowie Verkehrsformen gebunden war, die nur eine selbstbewusste Aristokratie bieten konnte (Bildung und Kommunikationsfähigkeit, autoritatives Auftreten neben Aushandlungskompetenz, ‚private‘ Apparate und beratendes consilium sowie die Bereitschaft, überschießende Gewalt anzuwenden), zeigt eindringlich R. S [Herrschaft und Regierung]. Einen verwandten Ansatz verfolgt – freilich mit Schwerpunkt auf der Kaiserzeit – J. L [Empire of Honour], indem er Herrschende und Beherrschte in ein enges Netzwerk von ähnlichen Wertvorstellungen und Verhaltensmustern eingebunden sieht, die durch die
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3. Hierarchie, Integration und Machtgenerierung
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Zuweisung von bzw. das Streben nach Ehre gekennzeichnet waren. Freilich waren die Provinzen auch Räume, in denen es kaum eine (soziale) Kontrolle herrschaftlichen Handelns gab. Das Machtgefälle und das wegen der inneraristokratischen Konkurrenz zunehmende Interesse der meisten Statthalter, in kurzer Zeit maximale Erträge für sich selbst zu erzielen, begünstigten Praktiken der Ausbeutung [1.1.2: G, Rom, 115–121; 6: R L, La corruption, 96–107], die Bs Modell in diesem Sektor der Interaktion zwischen Römern und Peregrinen wohl weniger plausibel erscheinen lassen. Gleichwohl blieb die Verantwortung Roms für die Unterworfenen deklaratorisch unbestritten [1.2: B, Fall, 63f.]. Die gerichtlichen Verfahren zur Herausgabe erpresster Gelder (de repetundis) seit dem 2. Jahrhundert [E, Repetundenverfahren; ., Strafsachen; 4.4: C, Constitution, 505–514; 4.4: G, Roman Politics, 8–44; L, Leges de repetundis; 4.4: ., Judicial Reform, 10–33 u. 73–169] sind wohl als (wenig zielführende) Versuche der Nobilität zu verstehen, interne Spielregeln und Ressourcengleichgewichte zu bewahren. Im 1. Jahrhundert wurden diese Prozesse zu einem rhetorisch-innenpolitischen Kampfplatz, der es indes einem Cicero ermöglichte, im Sinne der o. g. Verantwortung eine neue Variante des Patronats zu definieren: das patrocinium für eine ganze Provinz [4.3.3: P, Provincials]. Selbstverständlich hatten die Statthalter in der ausgehenden Republik auch die übergeordneten politischen Machtverhältnisse zu berücksichtigen; ihre Handlungsoptionen in einer besonders turbulenten Phase untersuchte F. G in seiner Dissertation [Statthalter der römischen Provinzen von 60 bis 50 vor Christus]. Um die präsente römische Administration in Italien wie in den Provinzen schlank halten zu können, wurden von Rittern betriebene Pachtgesellschaften mit verschiedenen Aufgaben, u. a. der Steuererhebung, beauftragt; dieses v. a. in der Provinz Asia einigermaßen greifbare System behandeln B [3.1: Zöllner], M [3.1: Societas publicanorum] und V [3.1: The Associative Order]. Die Leistungen und Interessen dieser Akteure wurden umgekehrt in den politischen Diskurs und Meinungsbildungprozess eingespreist, wie bei Cicero gut zu beobachten ist. Die Einnahmen der res publica, die nach 167 und vollends nach der weitgehenden Privatisierung des Staatslandes (ager publicus) am Ende des 2. Jahrhunderts ganz überwiegend aus den Provinzen kamen, lesen sich in der handbuchartigen Summe eindrucksvoll [1.4: M, Staatsverwaltung II, 149–289; vgl. 4.3.1: N, World of the Citizen, 149–206], doch zeichnen neuere Studien die römische Fiskalpolitik eher als ein wenig nachhaltiges, in Krisensituationen aber enorm leistungsfähiges System von Aushilfen, so B. B [Roman War Finances] für den 1. Punischen Krieg. Trotz der beträchtlichen Einnahmen und Ausgaben sei „die Finanzverwaltung außergewöhnlich kümmerlich“ gewesen [1.4: B, Verfassung, 136]. Während die Expansion in Italien durch die relativ ge-
Privatisierte Aufgaben
Expansion und Fiskalpolitik
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Raumvorstellungen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
ringeren Kriegskosten und den Gewinn an Agrarland sozioökonomisch sicher für breite Schichten langfristig profitabel war, brachten die überseeischen Kriege punktuell enorme Einnahmen, die aber ungleicher verteilt wurden. Genauer geprüft werden muss die auf Berechnungen errichtete These von N. R [Financing Mid-Republican Imperialism], dass die Expansion seit dem Hannibalkrieg unter dem Strich sogar ein Verlustgeschäft war. Eine interessante Studie zu den römischer Herrschaftspolitik zugrundeliegenden Raumvorstellungen hat kürzlich D. J. G vorlegt [5: The Shape of the Roman Order]. Demnach konzeptualisierten die Funktionsträger die Welt ihres Handelns als konzentrisch um die Stadt Rom herum angelegtes Set von Zonen. Die Frage nach solchen Konzepten ist für die politische Ordnung der Republik von großer Bedeutung; so macht es einen Unterschied, ob Rom im 2. und 1. Jahrhundert als Stadtstaat angesehen wird, der mit einfachen Mitteln Armeen und Provinzen in der Ferne dirigierte, oder ob die fortdauernde Fixierung der römischen Eliten auf das Zentrum lediglich eine andere Realität überdeckte, in der Rom längst kein Stadtstaat mehr war, sondern sich zum Territitorialstaat erweitert hatte. Dem zum Teil sehr eingeschränkten Wissen der Elite über den beherrschten Raum entsprach, dass die Römer an der Peripherie nicht Herrschaft über Territorien ausübten, sondern Kontrolle über abhängige Einheiten (Städte, Fürsten).
4. Institutionen und Akteure der res publica 4.1 Die Magistrate 4.1.1 Generelles / cursus honorum Amt und Amtsgewalt
T. M errichtete seinen Bau des römischen Staates auf einer systematischen Rekonstruktion der Definitionen, Inhalte und Relationen von Amt und Amtsgewalt [1.4: Staatsrecht I, 3–292]: Begriff des Amtes (magistratus), Amtsgewalten und ihre Kollisionen, Kollegialität und einzelne Befugnisse, darunter die entscheidungsbezogene Kommunikation mit den Göttern (auspicium), der militärische Oberbefehl (imperium), die unmittelbare Erzwingungsgewalt gegen Ungehorsame (coercitio), die Rechtsprechung sowie die Interaktion mit Volk und Senat. K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 4–289] konzentrieren sich wie M auf die Institutionengeschichte und stellen die Magistratur ins Zentrum; sie organisieren den Stoff aber etwas anders und entwickeln die Darstellung aus der Besprechung der in den Quellen fassbaren Tätigkeiten der Magistrate. Dies wurde kritisiert von G [1.4: Les institutions,
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189], der die Besonderheiten der einzelnen Ämter und ihre Hierarchie dadurch planiert sieht; zu einer allgemeinen Einordnung des K’schen Werkes s. B [1.3: Im Schatten Mommsens, 534–550]. Über die Dekonstruktion von Ms Idee eines umfassenden imperium seit frühester Zeit (s. u. 4.1.2) hinausgreifend hat B [Begriff der römischen Amtsgewalt] die Amtsgewalt in ihren verschiedenen Bezeichnungen als uneinheitlich und historisch gewachsen erwiesen. Die älteste Bezeichnung einer von einer Person ausgeübten öffentlichen Gewalt war demnach das noch ganz situationsgebundene und auf konkrete Handlungen bezogene auspicium. Die abstraktere potestas gehöre als Relationalbegriff (höhere, gleiche, geringere p.) in die Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und Plebeiern im 4. Jahrhundert. Die separate Bezeichnung für die Kommandogewalt im Krieg habe sich aus der Verbindung auspicium imperiumque [zu ihr zuletzt V, High Command, 17–28] herausgelöst, als sich die Nobilität ganz auf militärische Leistungen ausrichtete und nur diese für die obersten Ämter ‚mit imperium‘ maßgeblich wurden. Einen umfassenden Amtsbegriff oder auch nur das Bedürfnis an systematischer Bereinigung habe es nie gegeben. Immerhin ist aus der Mitte des 1. Jahrhunderts der Versuch überliefert, ein Rangverhältnis der magistratischen Auspicien zu definieren (bruchstückhaft überliefert bei Gell. 13,15,3f.), da im städtischen Amtsbereich nunmehr meist mehrere Amtsträger mit Auspikationsrecht wirkten [s. K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 36f.]. Dennoch sei es gelungen, die Beamtenschaft mit ihren weitumspannenden Geschäften „soweit in der Balance zu halten, daß jedenfalls nicht sie eine Ursache für die Auflösung der Republik“ wurde (B, Begriff der römischen Amtsgewalt, 341). Direkt auf Bs Studie antwortete H [2: Zur frühen römischen Regierungsgewalt]; er bespricht v. a. Auspikation und interregnum und skizziert eine hypothetische Frühgeschichte des Oberamtes. Im Kontext ihrer umfassenden Studien zu den Imperiumträgern im Bereich militiae konnten sowohl D [Commanders & Command, 189–209 u. passim] als auch V [High Command] wahrscheinlich machen, dass das imperium für alle seine Inhaber gleich war und es vor Augustus kein imperium maius gab [dazu D, 318–332]. Kollisionen kamen in der Praxis durch die Bindung der Kommandogewalt an eine bestimmte provincia [V, 54–67] gleichwohl selten vor, und wenn doch, gab es ein flexibles, soziale und rangmäßige Unterschiede einbeziehendes Regelwerk sowie vom Senat moderierte Aushandlungsprozesse, wie sie die Quellen zumal anhand der Debatten um die Zuerkennung eines Triumphes breit vorstellen. Zudem bestand die Option einer Verständigung zwischen den Amtsträgern (inter se comparare) [S, Public Office, 137–181]. In der Späten Republik änderte sich das Konzept von imperium kaum; die Dynamik ging von den Experimenten und Neuerungen im Bereich der provincia aus, die teilweise im Prinzipat fortgeführt wurden
imperium und provincia
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lex curiata
Ernennung und Volkswahl
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
(größere Konglomerate; Zuweisung durch das Volk; von vornherein längere Beauftragungen; Vertretung durch legati; s. D, Commanders & Command, 297–317). Anders akzentuiert B [Consular Power], der in Veränderungen des imperium einen großen Teil der prozessualen Dynamik im Verfassungsgefüge der Republik erkennen will. Allein die Konzentration von Verfügung und Verantwortlichkeit auf den Imperiumträger habe es diesem ermöglicht, einen militärischen Erfolg voll in dauerhaftes soziales Kapital zu transformieren. Da das imperium die Stadt Rom aussparte, aber in Kombination mit einer provincia Aktionsfreiheit gewährte, die nicht an einer bestimmten Grenze enden musste, strukturierte es auch die Räume magistratischen wie römischen Handelns. Im Zuge der Neuvermessung des imperium hat auch die vertrackte lex curiata als routinemäßiger, aber unentbehrlicher Akt der Übertragung (oder Bekräftigung?) der Kommandobefugnis wieder vermehrt Interesse gefunden. Vieles ist strittig, angefangen mit der Frage, ob die l. c. nur bei Imperiumträgern Anwendung fand oder bei allen Magistraten. Letztere Ansicht verteidigt nach M [1.4: Staatsrecht I, 609–615] zuletzt auch S, der es zudem für wahrscheinlich hält, dass die l. c. „une forme supplémentaire de reconnaissance“ [Loi curiate, 400] war und nicht jede Übertragung von imperium oder Amtsgewalt ratifizierte. Die andere Position vertritt u. a. V [High Command, 300–351, mit detailliertem Forschungsüberblick]; er verknüpft die l. c. de imperio mit dem Eintritt der Plebeier ins Oberamt im Jahr 366, da die Auspizien an den Patriziat gebunden blieben und durch die l. c. auf einen plebischen Imperiumträger übertragen werden mussten, damit er ein imperium iustum führen konnte. Auch D [Commanders & Command, 105–109] verbindet die l. c. ausschließlich mit dem imperium. Andere rekonstruieren teilweise anders; s. etwa H [Auspices d’investiture]. M [1.4: Staatsrecht I, 458f.] nahm an, dass die Übernahme eines Gemeindeamtes in sehr früher Zeit eine Pflichtaufgabe war, der man sich nicht entziehen konnte, bevor die Volkswahl und damit eine Freiwilligkeit üblich wurden. Wie der Wahlmodus anfänglich beschaffen war, wer also den jeweiligen Amtsträger wie bestimmte, ist unklar; die römische Traditionsbildung setzt wie die Ämter auch die Wahl durch den populus an den Anfang der Republik. B [1.1.1: Geschichte, 16] vermutete, der Senat habe das oberste Amt „einem Jahresmagistrat übertragen, der aus den Geschlechterhäuptern gewählt wurde“. Nach M [1.4: Staatsrecht I, 470] hatte der Wahlleiter den bestimmenden Einfluss, was A. D [in: 1.1.1: W u. a., Cambridge Ancient History 7.2, 202f.] zurückweist; er selbst hält eine Beteiligung der Heeresversammlung von Anfang an für möglich. E. M [Römischer Staat, 66–68] erachtet es für sicher, dass der Bestellung des Amtsträgers durch Volkswahl historisch eine Ernennung durch den Vorgänger vorausging; dieser habe ab Mitte des 5. Jahrhunderts aber regelmäßig das Volk gefragt, ob es ein-
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verstanden sei, wenn er den Vorgeschlagenen zum Konsul ernenne. Die Wahlversammlungen und -verfahren in historisch hellerer Zeit sind 4.3.3 erörtert. Während die Begrenzung der regulären Amtszeit auf jeweils ein Jahr als solche eindeutig ist und der Forschung keine Probleme bereitet, sind die faktischen Abweichungen davon intensiv untersucht worden. So konnte H [3.1: Entstehung der Nobilität] an der Imperienvergabe im Dritten Samnitenkrieg zeigen, dass „man Kollisionen zwischen dem Interesse an der aristokratischen Chancengleichkeit und der Kontrolle über die mächtigste Magistratur einerseits und dem Erfordernis einer starken, personell kontinuierlich und optimal besetzten Exekutive angesichts situationsbedingter Sachzwänge andererseits zu vermeiden suchte“ [136], indem man Annuität und Kontinuationsverbot gerade nicht aufhob, sondern durch außer der Reihe vergebene Imperien flexibel umging. Ähnliches galt für den Hannibalkrieg [3.1: B, Karriere und Hierarchie, 109: „explosionsartiger Anstieg der Prorogationen“]. Zu den Iterationsbeschränkungen für das Konsulat durch ein zehnjähriges Intervall s. 1.4: M, Staatsrecht I, 519–521; K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 6f. Die im Text vertretene Ansicht von der allmählichen Genese der Kollegialität des Oberamtes und der zugrundeliegenden Rechtsfigur der par potestas folgt im wesentlichen der Argumentation von J. B [Begriff der römischen Amtsgewalt, 327–331; vgl. . 1.4: Verfassung, 100–102], F. M [1.4: Storia I2 , 234–236, 410–415] und R. B [Das römische Oberamt, 183–212]. Der kanonischen römischen Tradition folgend, wurde die Kollegialität z. B. von M [1.4: Staatsrecht I, 28], E. M [1.4: Römischer Staat, 114f. und 481–484] und G. F [2: Critical History, 150–155] an den Anfang der Republik (oder sogar noch früher) gesetzt. Die lex Villia annalis von 180 umfasste laut M [1.4: Staatsrecht I, 505–577, v. a. 563–577] vier Bestimmungen: Einführung eines Mindestalters für jede Magistratur, zehn Feldzüge als Voraussetzung, Mindestintervall zwischen der Bekleidung eines Amtes und des nächsthöheren sowie Quästur und Prätur als zwingende Voraussetzung für das Erreichen des nächsthöheren Amtes. Dieser Katalog ist auf Ablehnung gestoßen, so bei D M [1.4: Storia II2 , 414–419; vgl. K /W, Staatsordnung und Staatspraxis, 45–48; 1.4: G, Les institutions, 182–184 (v. a. zur Frage der zehn Militärdienstjahre und des Mindestalters)]. M habe verschiedene Handhabungen und gesetzliche Festlegungen unzulässig in der lex Villia zusammengezogen, monierte etwa R [Lex Villia annalis]. Einen aktuellen Forschungsüberblick mit eigenen Vorschlägen bietet T [Altersgrenzen, 80–95]; die Quellenbelege und eine Liste der gesamten Literatur vereint mit eigenen Beobachtungen E [1.6: Gesetze, 344–347, Nr. 164]. H. B stellt die lex Villia
Annuität, Kontinuationsverbot, Iterationsbeschränkung
Kollegialität
cursus honorum
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Amtsbefugnisse und -tätigkeiten
Designierte Magistrate
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
in den Kontext der Neujustierung des politischen Systems nach den Regeldehnungen und -suspendierungen des Hannibalkrieges, der durch hohe Verluste in der Breite der Senatorenschaft und rasche Karrieren Einzelner auch die Zusammensetzung der politischen Klasse erheblich verändert hatte [Karriere und Hierarchie, 51–61; s. o. 3.1]. Bereits J. B [4.3.3: Lex Publica, 175–177] hat die leges annales insgesamt als „Sicherung der politischen Spielregeln der römischen Nobilität“ angesprochen. In diesem Sinn stellte die (ebenfalls schlecht bezeugte) lex annalis Sullas (81) wohl wenig mehr als eine wiederholende Einschärfung mit wenigen zusätzlichen Bestimmungen dar [so 1.4: L, Constitution, 145]; zu ihr s. H [6: Res publica constituta, 34–45]. Zu den gelegentlich bezeugten nicht-kontroversen Anomalien in einzelnen Karrieren s. B [Caesar’s cursus]. Unentbehrlich bleibt die Darlegung zur „magistratischen Competenz“ von M [1.4: Staatsrecht I, 76–257]; sie demonstriert in ihrer peniblen Auflistung, wie vielfältig und umfangreich die Handlungsmöglichkeiten republikanischer Amtsträger waren und welche Kommunikationsformen sie dabei nutzten. Die „außerordentlich geringe Trennschärfe bei der Fassung der Amtskompetenzen“ betont T. H [1.4.1: Die staatlichen Institutionen, 108]; diese blieben „fließend und der Wirkungskreis der einzelnen Beamten recht weit“. Für eine tabellarische Übersicht s. N [1.4: Constitution, 264]. J. K argumentiert vertiefend, in Rom habe sich keine Autonomie von Ämtern im Rahmen einzelner Kompetenzbereiche herausbilden können, weil das Amt nie von einer sachlichen Zuständigkeit oder einer spezifischen Qualifikation her verstanden worden sei; die römische Amtsgewalt bedeutete „hauptsächlich politische Autorität, in der die Fähigkeit zum Handeln auf jedwedem Gebiet im öffentlichen Interesse von vornherein enthalten war“ [4.4: Soziale Logik, 127]. J. B begründet die Beibehaltung einer starken Beamtengewalt damit, dass eine übersehaubare Gruppe, wie sie eine aristokratische Gesellschaft darstelle, eine in demokratischen Ordnungen gängige Differenzierung und Versachlichung der Exekutive scheue, weil eine solche die Bedingungen der Gruppenherrschaft, die diese Gruppe ja gerade erhalten will, zu zerstören geeignet sei [1.4: Verfassung, 199]. Strittig ist in der Forschung die Stellung von designati, besonders der bereits gewählten Konsuln [s. allgemein 1.4: M, Staatsrecht I, 578– 592; knapp K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 89f.]. Diese wurden offenbar über den Senat, wo sie in der Späten Republik bei der Umfrage zuerst sprechen durften, in die angestrebte Kontinuität des Regierungshandelns eingebunden. Während P P [Political Role] ihnen zudem das Recht zuspricht, Edikte zu erlassen, sieht F [From privatus to magistratus] sie formal als Privatpersonen, die aber faktisch einen politisch akzeptierten Zwischenstatus innehatten. Sie hatten auch deshalb Gewicht, weil in der Späten Republik die Wahlen erheblich früher
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als in älterer Zeit stattfanden [Juli gegenüber November; s. 1.4: M, Staatsrecht I, 583–585]. Unter den gewesenen Magistraten haben naturgemäß die Konsulare als führende Gruppe der Nobilität und im Senat besondere Aufmerksamkeit gefunden. Ihr Aufstieg in diese Position durch die sichtbare Differenzierung des Senats in Rangklassen im späten 3. und frühen 2. Jahrhundert [J, Rise of the Consular] ermöglichte der res publica in Gestalt des Senats eine stetigere Außenpolitik und bot den Trägern des höchsten Ranges politische Prominenz über das Konsulat hinaus. J. B [6: Gedanken zum Untergang, 701–703] wollte im Zusammenschmelzen der Zahl von Konsularen mit Gewicht einen wesentlichen Grund dafür sehen, warum die Nobilität nach dem Tod Caesars gar nicht mehr zu regieren imstande gewesen sei. Einen ähnlichen Befund hatte R. J. E bereits für das Jahr 80 erhoben [Consulares and Praetorii]. Nach der ausführlichen Darstellung von M [1.4: Staatsrecht I, 372–435] haben überwiegend einzelne Amtssymbole Aufmerksamkeit gefunden [zu sella curulis und fasces s. S, Imperii insignia]. Zur Handhabung der fasces in Konfliktsituationen s. u. 6.1. Generell rät der wenig versachlichte Charakter der magistratischen Amtsführung auch dazu, selbst dem nachgeordneten Hilfspersonal, etwa den Apparitoren, ein gewisses Gewicht beizumessen [vgl. in diesem Sinne D, Compétences techniques et qualification civique]. Die Stärke (und Schwäche) der republikanischen Magistratur ergab sich nur zum kleinen Teil aus der Summe ihrer Gewalten, sondern aus dem jeweiligen Feld ihres Handelns sowie der konkreten Konstellation und Interaktion mit anderen Akteuren. Der römische Magistrat, so pointiert A. H [1.7: Herrschaft und Freiheit, 473], „war zwar stark, wenn er der Verwaltungsroutine folgte und es lediglich mit dem Bürger als deren Objekt zu tun hatte. Er war jedoch schwach, sobald er auf ein Politikum stieß, also wenn er als regierende Instanz auftrat.“ Dann hätten ihn nicht nur Kollegialität und Annuität eingerahmt; „Politik konnte er in Wirklichkeit nur dann machen, wenn er den Senat hinter sich hatte und dessen Autorität auch die Handlungen der anderen Magistrate mit der seinigen koordinierte.“
Gewesene Magistrate
Insignien, Ehrenvorrechte, Hilfspersonal
Spielräume der Magistratur
4.1.2 Konsuln und Dictatoren
Überlieferung und historische Logik haben die Forschung zum frühesten Oberamt nach dem Ende des Königtums auf zwei Fragen gelenkt: Stand am Anfang sogleich das Doppelkonsulat (s. o. 4.1.1 zur Kollegialität) oder hatte das Oberamt eine andere Gestalt? Damit verbunden: Wie stark war dieses Oberamt? War es die alte, als umfassend zu denkende königliche Gewalt, vermindert um einige Zugriffsrechte auf römische Bürger? Die erste Frage wurde lange Zeit im Binnenraum der Überlieferung, v. a. der ältesten
Das Oberamt zu Beginn der Republik
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Schwache Staatlichkeit zu Beginn der Republik
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Beamtenlisten (fasti), diskutiert, wobei man jeweils nach Plausibilitäten gewichtete. In der Tat gab es zu Beginn des 5. Jahrhunderts keinen guten Grund, das Oberamt gleich als Doppelkonsulat mit gleicher Amtsgewalt und gegenseitigem Verbietungsrecht zu schaffen. Deshalb haben bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert Gelehrte wie W. I und K.-J. B eigenständige Quellennachrichten, die auf ein einstelliges Oberamt unter Bezeichnungen wie magister populi oder praetor maximus deuten, ernstgenommen und entsprechende Rekonstruktionen vorgelegt; andere wollten ein zunächst dreistelliges Kollegium mit einem oberen und zwei nachgeordneten Amtsträgern erkennen oder auch im Rahmen einer sogenannten Dictatorenverfassung zwei ungleiche Oberbeamte [knappe Forschungsüberblicke bieten 2: L, Von der Monarchie zur Republik, 119f. mit Anm. 9; 1.1.1: B, Geschichte, 122f.; 1.4: M, Römischer Staat; 37–41 mit Anm. 8; ausführlich 1.4: D M, Storia I2 , 229–250; B, Das römische Oberamt, 44–70]. Hinsichtlich der Verlässlichkeit der frühen Verzeichnisse ist C. S [2: Magistrates] einigermaßen zuversichtlich. Doch blieb dieser Strang der Forschung oft bei der Frage nach Bezeichnung und Stellenzahl des Oberamtes stehen; dass es von Anfang an eine starke Amtsgewalt und damit eine ausgebildete Staatlichkeit gab, wurde vorausgesetzt. Aber hätte ein aristokratisches Kollektiv, das eben erst einen starken Widerpart losgeworden ist, sogleich Inhaber einer königsgleichen Befugnis eingesetzt? Nicht zuletzt aus diesem Problem heraus hat sich A. H in einem wegweisenden Aufsatz mit der von M vertretenen Theorie des sogenannte totalen imperium auseinandergesetzt und wahrscheinlich machen wollen, dass das imperium der frühen Oberbeamten nur eine militärische Befehlsgewalt umfasste, keine zivile oder judikative [Zur Entwicklung des Imperiums]. Seitdem wurde in der Forschung – auch mit vergleichendem Blick auf den Polisbildungsprozess im archaischen Griechenland – die Vorstellung einer durchgängig vorhandenen starken Zentralgewalt sowie, damit verbunden, eines ‚staatlichen‘ Handlungsmonopols im frühen Rom noch sehr viel grundsätzlicher in Frage gestellt. Dieses gab es das 5. Jahrhundert hindurch offenbar nicht einmal auf dem Feld der Kriegführung [2: T, Kriegmonopol], und im zivilen Bereich benötigten die Adligen, als Inhaber der Priesterämter und Führer von Haus- und Gefolgschaftsverbänden, ohnehin keine zentralen politischen Institutionen. Das Bedürfnis nach solchen dürfte eher von den außerhalb der aristokratischen Machtsysteme stehenden Bürgern (Plebeiern; s. o. 2) ausgegangen sein, die möglicherweise im König eine sie schützende ‚dritte‘, von den Adelshäusern unabhängige Kraft gefunden hatten, die nun fehlte [s. 2: L, Von der Monarchie zur Republik, 122–126]. Es fällt in der Tat auf, dass wesentliche Institutionalisierungsschübe im 5. Jahrhundert (Volkstribunat, Ädilität, Zwölftafelgesetz) allesamt den stadtrömischen Binnenraum betrafen; hin-
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zu kam der Census (s. u. 4.3.1), der von den gentilizisch dominierten Strukturen wie den curiae gerade absah. Ab etwa der Mitte des 5. Jahrhunderts wurde unter dem Eindruck zahlreicher Misserfolge auch die Kriegführung der Republik langsam zentralisiert und institutionalisiert. Die weit über Rom hinaus in Italien verbreiteten kriegerischen Verbände und Beutegemeinschaften der Frühzeit repräsentierten einen fluiden, vorstaatlichen Zustand. Wenig beachtet wurde von der in diese Richtung tendierenden Forschung übrigens die von R. S [Ursprung und Wesen der altrömischen Diktatur] vorgetragene These, in der alten Bezeichnung magister populi stecke der Anführer von Beutegemeinschaften (populari, ‚plündern‘); in eine ähnliche Richtung zielt der ebenfalls weitgehend vergessene Versuch von K. L [Zum römischen Staatsrecht, 341–354], die lex curiata (de imperio) sei als Überbleibsel eines alten Treue- und Gefolgschaftseides einer Schwurgemeinschaft (coniuratio) für ihren Anführer zu verstehen. Auch eine solche „weitgehend auf freiwilliger Unterwerfung“ basierende Formation würde zu einem Warlord-Modell passen. Den Transformationsprozess weg von den Warlords hat jüngst A [2: War and Society] breit zu rekonstruieren versucht; dabei sieht er v. a. eine (wohl viel zu einfache) Dichotomie zwischen einer egalitären proto-urbanen Bevölkerung und einer landsässigen, gentilizischen Kriegerelite am Werk. Strittig ist, ob die vorstaatlichen Gewaltgemeinschaften neben einer bereits entwickelten Militärorganisation und Kriegführung der res publica standen und allmählich austrockneten [2: T, Kriegsmonopol; tendenziell ähnlich 3.1: S, Roman Clan, 281–298] oder ob diese sich erst gegen die eskalationsträchtigen dezentralen Unternehmungen durchsetzen musste. In einer überzeugenden Rekonstruktion hat F. D [Commanders & Command, 33–45] die zwingend notwendige Ausstattung eines Befehlshabers mit einem imperium (4.1.1) und den Kriegsauspizien durch den förmlichen Akt der lex curiata [ebd., 71–78 u. 105–110] sowie die Zuteilung eines Aufgabenbereichs (provincia) durch den Senat als Elemente einer ‚Verstaatlichung‘ des Krieges plausibel machen können. Dieser Prozess generierte Aufgaben, die ab etwa 450 durch weitere neue Magistraturen wahrgenommen wurden: Die Censoren kümmerten sich um die Vermögensklassifikation der Bürger, die Quästoren um die öffentliche Kasse [L, Origins, 366]. Auf Klärung und Institutionalisierung zielte auch die 367 vollzogene Reduzierung der Zahl der regulären Imperiumträger auf drei (zwei Konsuln, ein Prätor; die anfängliche Benennung ist unsicher), während es zunächst eine nicht fixe Zahl von ‚privaten‘ Heerführern, von 444 bis 367 dann Kollegien verschiedener Größe und Qualität gegeben hatte [zu diesen sog. tribuni militum ‚consulari potestate‘ s. 1.4: D M, Storia I2 , 317–326; B, Oberamt; S, Public Office, 52–94; H, Who Were the Tribuni Militum Consulari Potestate?; D-
Dezentrale Kriegsunternehmen und ‚Verstaatlichung‘ des Krieges
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Das Konsulat
Sulla als Zäsur
Gewicht und Flexibilität des Konsulats
Konsuln und Gesetzgebung
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
, Commanders & Command 25f. mit Anm. 60; vgl. 2: L, Von der Monarchie zur Republik, 138f. („Ausdruck einer Experimentierphase“)]. Rechte und Aufgaben der Konsuln finden sich in den Handbüchern breit dargelegt. Gegen die Darstellung von M [1.4: Staatsrecht II, 74– 140] hebt sich die Behandlung bei K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 294–390] konzeptionell ab: Die Imperiumträger (Konsuln, Prätoren, Dictatoren, Promagistrate mit imperium) werden dort als einheitlicher Typus gefasst und nach Wirkungsfeldern dargestellt (militärisches Kommando, Geschäfte in Rom, Statthalterschaft); ähnlich verfährt L [1.4: Constitution, 94–120]. Dass die Konsuln vor 80 ganz überwiegend als Feldherren agierten, während sie danach viel stärker in Rom präsent waren, ist unstrittig. Freilich ist die von M [1.4: Staatsrecht I, 101] postulierte und in der Forschung lange akzeptierte Ansicht, Sulla habe den Konsuln per Gesetz verboten, vor Ablauf ihres Amtsjahres die Feldherrnauspizien und damit ein militärisches Kommando zu übernehmen, überzeugend als Fiktion erwiesen [s. G, Consulare imperium, 77–101; B, Demilitarisierung, 55–58 (Forschungsüberblick) sowie P P, Consul at Rome, 225–248]. In seiner umfassenden, handbuchartigen Synthese zur ‚zivilen‘ Tätigkeit der Konsuln hebt P P [Consul at Rome] die bisweilen vernachlässigten Bereiche Wahrung des Einvernehmens mit den Göttern (pax deorum) und öffentliche Aufträge hervor; in letzterem Bereich konkurrierten die Konsuln mit den Censoren und Ädilen. Es zeigt sich ein Grundmuster: Die Konsuln galten immer dann als zuständig, wenn eine Sache wichtig war; waren sie aber nicht in Rom anwesend oder verfolgten sie andere Prioritäten, konnten notwendige Handlungen auch durch andere Magistrate vorgenommen werden. Tätigkeit und Untätigkeit waren also nicht selten Anlass für Aushandlung, Aufforderung und Streit, zuvörderst im Senat. Generell ergibt sich aus P Ps Studie das Bild von „unterdeterminierten höchsten Beamten“ (C. L, Gnomon 85, 2013, 45). Gewiss war das Konsulat im Verlauf der Republik insgesamt stets work in progress; es dokumentierte die Flexibilität und Kreativität der regierenden Klasse (B u. a., Consuls, 3), obwohl die Stellenzahl – anders als bei den Prätoren – nie verändert wurde. Zuletzt stark hervorgehoben wird das zeremonielle Übergewicht der Konsuln (Amtsantritt, Liktoren, Interaktion mit dem Volk, feierlicher Auszug usw.) gegenüber den anderen Magistraten [H, Roman Republic as Theatre of Power]. Generell war das Handeln der Konsuln, wie schon Polybios (6,15) erkannt hatte, jedoch mit dem anderer Akteure verflochten. Die faktisch längere Präsenz der Konsuln in Rom nach Sullas Reformen vergrößerte gewiss ihre Rolle im politischen Alltag und die Bedeutung ihrer politischen Initiative. Der Ansicht von S [4.3.3: Magistrates and Assemblies; 4.4.3: ., Tribunician and non-Tribunician Legislation], es habe lange Zeit gar keine von Konsul initiierte und in den comitia centuriata voll-
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zogene Gesetzgebung außerhalb von Kriegserklärungen gegeben, hat die Forschung zwar ganz überwiegend widersprochen [P P, Consul at Rome, 99–121: „Consuls as legislators“], doch ist unstrittig, dass dieses politische Aktionsfeld der Konsuln erst nach Sulla deutlich an Bedeutung gewann. Die Dictatur ist selbstverständlich in den Standardwerken breit behandelt [1.4: M, Staatsrecht II, 141–180; 1.4: D M, Storia I2 , 236–247, 280–285 u. 438–455; K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 665–717]. Die Dissertation von M. H [Roman Dictatorship] enthält auch eine annotierte Liste aller überlieferten Dictatoren. Gleichzeitig und unabhängig voneinander haben jüngst F. D [Commanders & Command, 161–180] und T. C [Crisis and Deformation] frischen Wind in die Debatte gebracht. Ihre konsequente Historisierung befreit das Amt von dem übermächtigen Einfluss, den sein (angeblicher) Anfang und v. a. seine Spätphase auf die Gesamteinschätzung ausgeübt haben. Die älteren Untersuchungen zu einer ursprünglichen „Dictatorenverfassung“ als Übergang vom Königtum zum Konsulat haben wegen der höchst problematischen Quellenlage ebensowenig belastbare Resultate gezeitigt wie der Blick in latinische Städte (Lanuvium, Nomentum, Aricia u. a.), für die ein dictator als regulärer Jahresmagistrat überliefert ist [3.5: R, Stadt und Staat, 7–27]. Schwach belegt ist auch die Annahme eines vom Latinerbund in Kriegs- und Krisenzeiten berufenen dictator Latinus als Vorbild des römischen Amtes. Andererseits haben Sulla und Caesar als Dictatoren neuen Typs die Vorstellung einer Notstandsmagistratur mit umfassender Amtsgewalt in einer Bürgerkriegslage geprägt; das führte zu der im 20. Jahrhundert höchst virulenten Frage nach dem Verhältnis des Amtes zur Verfassungsordnung insgesamt (s. u. 6.4). D und C konzentrieren sich demgegenüber auf den „heyday of the dictatorship“ [C, 110] zwischen 366 und 300. In dieser Zeit schuf die Dictatur für das seit 367 auf drei Inhaber fixierte Oberamt Flexibilität; ihre Inhaber füllten in der Kriegführung oder als Spezialdictatoren (etwa zur Leitung von Wahlen) personelle Lücken, freilich kaum je in echten Krisen- oder Notstandskonstellationen. Von den mindestens 45 Dictatoren zwischen 363 und 264 triumphierten lediglich fünf, obwohl in diesem Zeitraum insgesamt 75 Triumphe gefeiert wurden [C, 118]. Im Binnenraum Roms traten sie, wenn überhaupt, als Schlichter und Versöhner, nicht als Unterdrücker von Unruhen in Erscheinung. Glaubhaft überlieferte Hinrichtungen von Bürgern durch einen Dictator fehlen, und die noch von W [K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 685–689] postulierte Dictatur „zur Befriedung eines Aufruhrs“ (seditionis sedandae causa) dürfte eine Fiktion darstellen. Im Hannibalkrieg freilich wurde die wiederbelebte Dictatur in Gestalt von Q. Fabius Maximus Verrucosus ‚Cunctator‘ im Rahmen des nobilitären Wettbewerbs erkennbar politisiert [3.1: B, Karriere
Dictatur
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Verlängerung der Amtsgewalt und außerordentliche Imperien
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und Hierarchie, 269–301] und verknüpfte sich mit einer existenziellen Krisenlage der res publica [C, 120]. Kaum zufällig nimmt Polybios (3,87,7f.) die Einsetzung des Fabius Maximus zum Anlass für seine die „unumschränkte Machtvollkommenheit“ betonende Skizze des Amtes. Die Stelle ist zugleich der früheste Beleg für die 24 Liktoren des Dictators, die freilich kaum ins 4. Jahrhundert gehören können [Belege für zunächst nur zwölf Liktoren bei K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 668]. Die Dictatur Sullas – institutionell „une véritable monstruosité“ [1.4: G, Les institutions, 142] – und Caesars Versuch, seine monarchische Position durch eine verstetigte Dictatur in den bestehenden institutionellen Rahmen einzufügen, gehören, wie oben im Überblick entwickelt, in den Kontext der gestörten Ordnung des 1. Jahrhunderts; dazu u. 6.4. Doch die Verbindungen sind nicht zu übersehen, wie W [6: Dictatorship and the Fall of the Republic] unterstreicht: Gerade die republikanischen Züge der Dictatur – Ansehen, Außerordentlichkeit, formale Begrenzungen – machten sie als äußere Form eines autoritären Regimes interessant. Sie sollte demnach den Eindruck vermitteln, dass die angestammte Ordnung geschützt und stabilisiert, nicht abgeschafft wird. – Die im Text genannte Bezeichnung von Sullas Dictatur (legum ferendarum statt legibus scribundis, wie es in der Literatur häufig heißt) folgt der Argumentation von B, La titolatura delle dittatura di Silla. Auch die 327 (Q. Publilius Philo, für 326) erstmals praktizierte Verlängerung eines imperium über das Amtsjahr eines Konsuls hinaus ist als Akt der Flexibilität und Kreativität im Zeichen wachsenden militärischen Engagements auf verschiedenen italischen Schauplätzen zu sehen. Als „an extension of a general’s possession of a provincia“ [D, Commanders & Command, 215] schuf sie in Gestalt des Promagistrats einen Befehlshaber mit ausschließlich militärischer Gewalt und einem eng bestimmten Auftrag [systematische Definition des Promagistrats bei 1.4: M, Staatsrecht I, 11–16; Skizze der historischen Eintwicklung bei K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 15–21]. Die Verbindung von Prorogation und außerordentlichem imperium in der ansonsten immer noch nützlichen Studie von K [Prorogation und außerordentliche Imperien] ist daher nicht glücklich, da es sich um zwei sehr verschiedene Phänomene handelt [s. die wichtige Rezension von E. B, Gnomon 51, 1979, 792–794]. B [1.4: Verfassung, 117] versteht die Prorogationen mit Recht als Machtzuwachs des Senats und damit der herrschenden Aristokratie: Diese verfügte dadurch „über die Ernennung eines großen Teils der exekutiven Kommandoträger“ und konnte zugleich im Interesse der Überschaubarkeit aristokratischer Regierung die Zahl der regulären Kommandoposten begrenzt halten. In den imperia extraordinaria der Späten Republik, die „in aller Regel durch Gesetz einer widerstrebenden Senatsmehrheit mit mehr oder weniger Druck
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aufgezwungen“ wurden [B, 119], manifestierte sich dagegen der Machtverlust der Nobilität. Wie W. B [Die imperia extraordinaria] überzeugend zeigen kann, bezieht sich die Qualifikation „außerordentlich“ formal allein auf die namentliche Vergabe einer provincia samt imperium außerhalb der üblichen Losung. Damit verband sich aber in den bekannten spätrepublikanischen Fällen (Pompeius, Caesar, Crassus) eine faktische Entgrenzung in der Bestimmung dieser provincia. Die Tatsache, dass die Konsuln und Prätoren seit Sulla ihr Amtsjahr in aller Regel in Rom verbrachten, fügte sich verstärkend in einen Trend, den B auf der Basis statistisch-prosopographischer Untersuchungen herausgestellt hat [Die imperia extraordinaria; s. einstweilen ., Demilitarisierung]: Während anspruchsvolle und prestigeträchtige Feldzüge im 1. Jahrhundert immer mehr von außer der Reihe bestimmten Imperiumträgern geführt wurden, suchten zahlreiche Konsulare und Prätorier administrative und militärische Aufgaben an der Peripherie des römischen Herrschaftsgebietes zu vermeiden; generell verlor das Kompetenzfeld Militär für einen Teil der Nobilität an Gewicht. Sulla habe es versäumt, Konsuln und Prätoren nach ihrem Amtsjahr zur Übernahme militärischer und administrativer Verantwortung zu zwingen [Demilitarisierung, 66]; das Herrschaftsgebiet wurde daraufhin vermehrt durch Aushilfen wie Legaten, imperia außer der Reihe, vermehrte Prorogation oder Quästoren als Quasi-Prätoren administriert [B, Praetorship, 635]. B verschiebt damit den Akzent vom System zurück auf die Akteure: Es habe nicht etwa ein Missverhältnis zwischen dem stadtstaatlichen Grundriss der Institutionen und den Erfordernissen des „Reiches“ bestanden oder eine unvermeidbare, weil strukturell gegebene Unfähigkeit der republikanischen Verfassung, die Herrschaftsaufgaben zu erfüllen. So lautete die von M [Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence, 1734] begründete, bis heute verbreitete Lehre, die aber schon länger nicht mehr generell akzeptiert wird [s. etwa 6: U-S, Legitimitätskrise; 6: W, Struktur, Zufall, Kontingenz]. Wie 1.3: H. F, Imperial Republic, 529, bilanziert, „a middle way needs to be found between a mechanistic reconstruction of an inevitable, almost biologically determined, decay and the simple assertion that it was not over until it was over or that things could have turned out differently“. Jedenfalls entzogen sich, so B, große Teile der aristokratischen Führungsschicht aus politischen und kulturellen Gründen, die phänomenologisch in einem Desinteresse der Nobiles an der Provinzverwaltung zusammenliefen, bewusst mehr und mehr dem militärischen Teil ihrer Ausbildung und Betätigung und nahmen damit einen am Ende entscheidenden Kompetenz- und Legitimitätsverlust in Kauf. In die Lücke stießen machtorientierte Individuen, die das Instrument des außerordentlichen imperium für sich umzuschmieden wussten und damit zugleich die Expansion Roms erneut machtvoll anschoben.
Politisierung des Konsulats und Demilitarisierung der Nobilität
Versagen der politischen Klasse?
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
4.1.3 Prätoren
Die zweite Prätur
Prätur und Kollegialität
Für die Entwicklung der Prätur ist neben den Standardwerken in erster Linie das umfassende Buch von B zu konsultieren [Praetorship], das einen Forschungsüberblick [25–33] und eine gegenüber B [1.6: Magistrates] modifizierte Liste aller bekannten Prätoren enthält [723–757]. Unstrittig sind die oben im Überblick genannten Etappen der Vermehrung. M [1.4: Staatsrecht II, 193–196] erachtete den Prätor ab 367 als dritten Oberbeamten „minderen Ranges und minderer Competenz“; der zweite Prätor sei von Anfang an für die Rechtsprechung zwischen Fremden bzw. Bürgern und Fremden zuständig gewesen (praetor qui inter peregrinos ius dicit). Für die oben im Überblick vertretene Sicht, dass die 242 oder 241 etablierte zweite Prätorenstelle zunächst für militärische und administrative Aufgaben (wohl in Sizilien) gedacht war, s. K [K /W, Staatsordnung und Staatspraxis, 296f.], B [Praetorship, 86. 603f.] und L [1.4: Constitution, 107]. D M [1.4: Storia II2 , 230f.] folgt hingegen unter Verweis auf den im 3. Jahrhundert zunehmenden Geschäftsverkehr Roms mit dem Ausland Ms Rekonstruktion. Die Frage nach der anfänglichen Aufgabe des zweiten Prätors führt zu einem grundsätzlichen Streit: Ist die Prätur primär von ihrem imperium her als militärisches oder mit Blick auf ihre spätere Hauptdomäne als jurisdiktionelles Amt zu sehen? R [Rez. B] führt die Entwicklungsskizze des Pomponius (Dig. 1,2,2,27) ins Feld und wirft B vor, zu eng auf imperium und auspicia zu schauen, um die Geschichte des Macht- und Prestigeverlustes eines militärischherrschaftlichen Amtes zu erzählen; dabei unterschätze er die Prätur als wesentliches Moment der inneren, d. h. rechtlichen und sozialen, Entwicklung der civitas in ihrem italischen Umfeld. G [1.4: Les institution, 191, mit Literatur] sekundiert, indem er eine ältere Vermutung von E. T u. a. aufgreift, die der Amtsbezeichnung zugrundeliegende Verbalhandlung (praeire) sei nicht mit „einem Heer vorangehen“ zu übersetzen, sondern mit „eine (Prozess-)Formel vorsprechen“, was E. M [1.4: Römischer Staat, 480f. Anm. 4] freilich für „abwegig“ erklärt hat. Erst ab 197 fungierten jedenfalls beide Prätoren nachweislich bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich in der Stadt. Mit der Einrichtung je zweier Prätorenstellen für die Herrschaft über Provinzen (227 und 197) neben den nunmehr primär städtischen gab es nach Aufgaben und Prestige unterschiedliche Präturen, weswegen B [Klassische Prätur] mit Grund postuliert, zwischen diesen habe faktisch keine Kollegialität bestanden, und die par potestas sei bei ihnen weit weniger bedeutend gewesen, als meist angenommen werde. Ähnlich bemerkte schon B [1.4: Verfassung, 106], im Falle der Prätoren habe der feste Geschäftsbereich zur
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„Aufweichung des Kollegialprinzips“ geführt; in eine ähnliche Richtung argumentiert auch B [Praetorship, 606]. Besonderes Interesse hat zuletzt die Entwicklung der Prätur im Kontext des cursus honorum gefunden. A. B [Development of the Praetorship] skizziert, wie der Prätor in der Neuordnung von 367 und bis ins frühe 3. Jahrhundert noch gleichrangiger Obermagistrat neben den Konsuln war [zu dem in der Darstellung erwähnten Messalla-Fragment s. R, Praetor collega consulis], danach aber durch seine faktisch auf Rom beschränkte Amtstätigkeit mehr und mehr hinter die kriegführenden Konsuln zurückfiel, in vielen Funktionen auch faktisch zu einem Lückenbüßer wurde, falls die Konsuln nicht verfügbar waren. Maßgeblich war sicherlich die Vermehrung der Prätorenstellen auf vier, die das Konsulat zum begehrtesten Amt, die Prätur zur Durchgangsstation dorthin machte [B, Praetorship, 605]. Komplementär argumentiert D [Commanders & Command, 183–192 u. 255–263] plausibel, dass die Prätoren ab dem letzten Drittel des 3. Jahrhunderts als Provinzstatthalter trotz eines gleichrangigen imperium nicht mehr zu den Konsuln aufschließen konnten, die in der Regel die größeren und prestigeträchtigeren Feldzüge erhielten. Damit verbunden war die faktische Unterscheidung von provinciae als „zones of conquest“ bzw. „zones of governance“ [ebd., 235]. Für die Hierarchiebildung zwischen Konsuln und Prätoren, die B [Consular Power] mit der Einführung der zweiten Prätorenstelle beginnen und 180 sichtbar abgeschlossen sein lässt, s. ferner S [Public Office, 182–219]. Gleichzeitig bedeutete die vermehrte Prätur für Aufsteiger meist den Karrieregipfel, während sie für Mitglieder der Nobilität eine Durchgangsstufe zum Konsulat bildete [3.1: M, Politische Führungsschicht, 94–98 u. 104–108]. Einen doppelten Gewichtsverlust der Prätur infolge der Reformen Sullas (Vermehrung auf acht Stellen; Amtsführung in Rom, wo neben Konsuln und Volkstribunen kaum Profil zu gewinnen war) betont B [Praetorship, 630]. Im Sinne seiner These eines im 1. Jahrhundert zunehmenden Desinteresses der Nobilität an militärischen und administrativen Aufgaben an der Peripherie des römischen Herrschaftsgebietes misst W. B [Demilitarisierung] dem Verhalten der ehemaligen Prätoren große Bedeutung zu: Bei aller methodischen Unsicherheit angesichts der lückenhaften Überlieferung habe der wahrscheinliche Anteil an „Provinzverweigerern“ in der Größenordnung von einem Viertel bis zur Hälfte aller prinzipiell ‚Dienstpflichtigen‘ gelegen; daher bezweifelt B die Existenz eines vielfach postulierten sullanischen Gesetzes, das Prätorier zur Übernahme einer Territorialprovinz gezwungen habe [ebd., 65]. Die in Rom verharrenden Prätorier waren auch keineswegs ‚Aussteiger‘ aus dem cursus honorum; vielmehr erreichten sie überdurchschnittlich oft und rasch das Konsulat [ebd., 68f.]. Unstrittig dürfte sein, dass die Vermehrung der Prätorenzahl auf sechs, dann acht den Wettbewerb um das Konsulat stark anheizte [B, Praetorship, 240, 639 u. passim].
Prätur in der Ämterlaufbahn
Prätorische Provinzverweigerer
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168 Der Stadtprätor als Gerichtsmagistrat
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Während B im Sinne seiner Akzentuierung dem militärischen und provinzialen Agieren der Prätoren besonderes Augenmerk widmet [zu ihren „legal duties“ s. immerhin Praetorship, 125–135 u. passim], ist der Prätor als stadtrömischer Gerichtsmagistrat und Quelle von Amtsrecht eine Domäne der Rechtshistoriker [s. etwa W, Rechtsgeschichte, 429–478; ., Der Prätor; K, Soziale Logik des Rechts, 136–173, alle 4.4]. Das Edictum perpetuum als Summe der prätorischen Klageverheißungen und Formelvorschläge hat L [1.6: Edictum perpetuum] musterhaft rekonstruiert; für eine reine Textausgabe s. B / G [1.6: Fontes, 211–237]. 4.1.4 Volkstribune und Ädile
plebs
Potentielle Anführer
Die frührömische plebs wurde in der Forschung lange als relativ einheitliche Gruppe angesehen. Eine differenziertere Sicht bot bereits der wertvolle RE-Artikel von H / S [4.3.1: Plebs, v. a. 76–82 und 103–110]. Heute besteht Einigkeit, dass schon die frührömische Gesellschaft durch mehrere einander überlappende Statuskategorien gegliedert war [2: C, Beginnings of Rome, 258]. G. F unterscheidet mindestens drei Untergruppen: ein prekär existierendes ländliches Proletariat, unabhängige Bauern und Handwerker in stabilen Verhältnissen sowie reiche und vornehme Familien, „whose members aspired to the same religious and political offices and high social status enjoyed by patricians“ [2: Critical History, 158]. Strittig ist der Anteil von nicht-bäuerlichen Stadtbewohnern und Zuwanderern [s. 2: R, Politics and Society, 148–151]. Jedenfalls scheint erst die im Volkstribunat mündende politische Formierung von sozial Unterlegenen ‚die plebs‘ als kollektiven Akteur geschaffen zu haben [2: C, Beginnings of Rome, 257]; s. o. 2. Kurze Forschungsüberblicke bieten B [1.1.1: Geschichte, 119–121] und C [2: Beginnings of Rome, 242–244]; eine ausführliche Diskussion findet sich bei 2: R, Les origines de la plèbe, 1–77. Wie immer der Klärungsprozess ‚auf der anderen Seite‘, der zur Bildung des Patriziats führte, auch ausgesehen haben mag (s. o. 3.1): Die stabile und auch im Lichte von Entwicklungen im archaischen Griechenland (ältere Tyrannis) plausible Tradition zu den Versuchen von Sp. Maelius, Sp. Cassius und M. Manlius Capitolinus, eine auf das nicht klientel gebundene Volk gestützte Ausnahmestellung zu erlangen [6: M, Demagogen: 2: M, Tentatives de tyrannies], zeigt, dass es in der ohnehin lange Zeit fluiden und heterogenen Oberschicht früh einzelne Aktivisten gab, die nicht zu den Etablierten gehörten und daher für neue politische Gruppenbildungen zur Verfügung standen. Man kann sie mangels plausiblerer Hypothesen wie J.-C. R mit Nachkommen von Adligen identifizieren, die in der Königszeit oder in der frühesten Republik eine prominente Rolle gespielt hatten, dann aber aus dem inneren Kreis der Aristokratie herausgefallen
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waren. Diese „second-class nobility, the actual influence and power of which was markedly restricted by the jealously guarded hereditary privileges and charisma of the patres“ [2: R, Patricians and Plebeians, 117], hätte dann das Reservoir für eine plebeische Führungsschicht gebildet. Während die farbige Schilderung der Eskalationen, die schließlich in der Konstituierung einer ‚plebeischen‘ Sondergemeinde und der Berufung von Volkstribunen mündeten, ganz überwiegend ins Reich der Fabel zu verweisen sind, kann an einer einschneidenden Verschlechterung der Situation vieler Schwächerer nach dem Ende des Königtums in Rom kaum ein Zweifel bestehen. Sie trat ein, da das wirtschaftliche und außenpolitische Netzwerk Roms um 500 zerriss. R. M. O [2: Das frühe Rom, 111] spricht von einer „Krise Roms nach 500“, M. S [1.1.1: Römische Geschichte I, 89] von einem „gesamtitalischen Krisenszenario“. Hinzu kam ein durch verschärfte inneraristokratische Konkurrenz ausgelöster Klassenkampf von oben; J.–C. R konstatiert „the unrestrained desire for power and gain that we perceive as characteristic of the patriciate at that time“ [2: Patricians and Plebeians, 119]. Durch Raub, kriegerische Verwüstung und die harte Schuldenexekution im Rahmen des nexum hatte besonders die ländliche Bevölkerung zu leiden [zum nexum bündig 2: O, Das frühe Rom, 114f., und 2: R, Les origines de la plèbe, 478–484; zur Abschaffung 326 oder 313 s. 1.6: O, Commentary on Livy, II, 688–691]. Die Überlieferung stellt auch das Zwölftafelgesetz in den Kontext des Kampfes zwischen Patriziern und Plebeiern, doch spricht einiges dafür, diese Fixierung von Rechtsregeln auf verschiedenen Feldern als Etappe eines allgemeinen Prozesses der Ausbildung von Staatlichkeit in Rom zu sehen, wiewohl sich die sozialen Konflikte darin selbstverständlich wiederfinden [zum Schuldrecht tab. 3; s. 1.6: F, Zwölftafelgesetz, 70–75, 190–195]. Die Leges duodecim tabularum, in Rom für fast tausend Jahre die erste und letzte allgemeine Gesetzgebung und von V [1.4: Lo stato, 130f.] als „quasi una sorta di testo costituzionali“ gefeiert, werden naturgemäß in der rechtshistorischen Forschung breit behandelt [Überblick in 4.4: W, Rechtsgeschichte, 287–307]; gute Skizzen aus historischer Sicht bieten 1.1.1: S, Römische Geschichte I, 94–99 und 2: C, Beginnings of Rome, 272–292. Die aus der fragmentarischen Überlieferung [1.6: C, Roman Statutes, II, 555–721; 1.6: F, Zwölftafelgesetz] noch erkennbaren Schwerpunkte wie Rechtsfrieden, Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit weisen diesem „Gebotsrecht als Mittel planvoller Ordnung des Zusammenlebens der Bürger“ [4.4: W, Rechtsgeschichte, 299] einen zentralen Platz im Institutionalisierungsprozess der frühen Republik zu. Gegen die lange vorherrschende Ansicht, die schriftliche und öffentliche Niederlegung sei auf Druck von ‚unten‘ erfolgt [s. etwa 1.1.1: H, Römische Geschichte, 18], hat W. E [2: Codification of Law] postuliert, sie als „an attempt to stabilize the political and economic
Krise um 500
Zwölftafelgesetz
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Das Volkstribunat: Orientierung
Begründung des Tribunats
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
status quo which was being seriously threatened by social unrest“ [239] aus den Interessen der herrschende Elite heraus zu verstehen. Beide Positionen schließen einander keineswegs aus, wie ein vergleichender Blick etwa auf das Wirken Solons in Athen lehrt, der mit Zustimmung großer Teile des Adels eine tyrannisschwangere, von Schulden und Unsicherheit breiter Schichten geprägte Situation entschärfen sollte. Als einen erfolgreichen Kompromiss, der für die bäuerliche Mittelschicht eine „Statusanerkennung“ mit sich brachte und damit konfliktentschärfend wirkte, deutet B. L das Zwölftafelgesetz [2: Von der Monarchie zur Republik, 128–134]. Auch für diese Funktion [ihre Subsumierung unter die Magistratur diskutiert 1.4: H, Römische Staatsverfassung, 1136f.] ist die ausführliche Darstellung von M unentbehrlich [1.4: Staatsrecht II, 272–330]. Im Handbuch von K / W hat R. W den einschlägigen Abschnitt bearbeitet [Staatsordnung und Staatspraxis, 554–664]. Gegen Bemühungen dieser Art setzte E. B die resignierte Feststellung einer „essential irrationality of the tribunate“; das Amt stelle „a constitutional monstrosity“ dar [Tribuni plebis and res publica, 193 und 208]. Die Studie von T. L [Les Tribuns de la plèbe] behandelt umfassend die Evolution des Amtes bis 287, wobei der Autor den Quellen auf der Ereignisebene, etwa für die sog. erste Sezession von 494, wohl zu großen Kredit gibt. Gestützt auf prosopographische Untersuchungen stellt er den politischen Ehrgeiz der plebeischen gentes bei tribunizischen Aktionen heraus und sucht ferner einen nicht-stadtrömischen Ursprung eines guten Teils der frühen Tribune zu erweisen [ebd., tabellarische Übersicht 679–695]. Das fügt sich offenkundig gut ein in den aktuellen Forschungstrend nicht nur zum frühen Rom, Mobilität und Austausch als produktive Faktoren zu betonen. L verweist jedoch mit Recht auf die zeitbedingte Konjunktur solcher Präferenzen; diese begrenzten durchaus den Radius dessen, was zu denken erlaubt sei [ebd., 115]. Unter den Feldern tribunizischer Aktivität werden besonders die Agrar- und Sozialpolitik sowie die von Tribunen angestrengten Prozesse behandelt [ebd., 363–548]. Betonte die ältere Forschung den ursprünglichen Charakter des Volkstribunats als „eine gegen den Staat gerichtete revolutionäre Gewalt“ [1.4: B, Verfassung, 108], wird in jüngerer Zeit stärker sein Beitrag zur Ausbildung einer über die einzelnen Häuser, Clans und gentes hinausreichenden öffentlichen Ordnung in Rom herausgestellt. Bereits E. M hat aus der Bezeichnung und einer überlieferten Vierzahl die Tribunen als Vorsteher der vier städtischen Tribus verstanden [Ursprung des Tribunats]. Als Kern ihrer ursprünglichen Tätigkeit sah er die patronale Vertretung von Plebeiern vor Gericht; die sacrosanctitas sei der Ausgangspunkt der späteren Tätigkeits- und Machterweiterungen gewesen. Demgegenüber meint T. J. C (wie andere zuvor) unter Hinweis auf die dem Fahneneid ähnliche lex sacrata zum Schutz der Tribune, die Bezeichnung sei von den Militärtribunen abzuleiten [2: Beginnings of Rome, 259]; ähn-
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lich schon E. H [1.4: Römische Staatsverfassung, 149] und jüngst sehr entschieden L [Tribuns de la plèbe, 210]. Auch E. M [Römischer Staat, 43–46] neigt in einer gut orientierenden Diskussion eher zur zweiten These. Beide genetische Ableitungen aus bereits vorhandenen Institutionen muss ablehnen, wer wie D M auf die antike Überlieferung verweist und an „un’origine tipicamente rivoluzionaria del tribunato della plebe“ festhält [1.4: Storia I2 , 334–344, hier 337]. Zur lex sacrata und sacrosanctitas leuchten die Überlegungen von M immer noch ein: Unantastbarkeit und Unverletzlichkeit der Volkstribune ruhen auf einem kollektiven Schwur der Plebeier, jede Verletzung eines Tribunen an dem, der sie begangen habe, zu rächen und diese Rache als gerechte Tötung zu betrachten – eine Ermächtigung zur Selbsthilfe, wie sie die Gesamtgemeinde bei der Verfemung des Königstums oder einer Tyrannis habe in Anspruch nehmen können [1.4: Staatsrecht II, 286f.; s. jetzt L, Tribuns de la plèbe, 257–281]. Wie viele Volkstribune es anfangs gab und welche ‚Logik‘ in den verschieden überlieferten Zahlen steckt, diskutiert L [Tribuns de la plèbe, 66–78]. Die nach der Überlieferung bereits Mitte des 5. Jahrhunderts erreichte Zehnzahl blieb stets unverändert. W. E [Zwischen Monarchie und Republik] hat den Zusammenschluss recht heterogener Bevölkerungsgruppen zu einer plebeischen Organisation aus der oben II.2 skizzierten Dreieckskonstellation heraus erklärt: Die Volkstribune seien als Ersatz für den entfallenen König installiert worden, um die nicht in adlige Klientelen eingebundenen Bürger vor der Willkür aristokratischer Machtausübung zu schützen. Da das Volkstribunat auf den ersten Blick als einzigartiger „Fremdkörper“ in die entwickelte spätere Ordnung der res publica hineinragte, müsse es in einer Phase entstanden sein, in der „die Frage nach der künftigen Verfassung noch offen, d. h. die Form der Staatlichkeit prekär war“ [ebd., 98]. Das Tribunat könne in diesem Sinne als „Angelpunkt im Übergang von der Monarchie zur Republik gelten“ [ebd., 100]; seine Wurzeln seien in der Ausbildung eines Bürgerbewusstseins zu suchen, das auch denjenigen Römern eine politische Identität gab, die nicht in adlige Klientelen eingebunden waren. E fragt mit Recht, woher die Plebeier den langen Atem für eine solche, in der Antike singuläre Selbstorganisation nahmen und aus welchen Erfahrungen ihnen der Mut und die Zuversicht zu einer stetigen, aber nie überschießenden Aktion erwuchsen – immerhin entluden sich in griechischen Stadtstaaten vergleichbare soziale Konflikte oft genug in blutigen Bürgerkriegen (staseis). Die Antwort liege in der späten Königszeit: Die plebeische Formierung sei keineswegs aus dem Nichts erfolgt; vielmehr habe man auf bürgerstaatliche Organisationsstrukturen zurückgreifen können, die in der Überlieferung mit dem Namen des Königs Servius Tullius verbunden sind und die jenseits der gentilen Verbände lagen: die Einteilung des Bürgergebietes in Tribus und die Einschreibung aller Römer in
lex sacrata und sacrosanctitas
Zahl der Tribune
Volkstribunat und Institutionalisierung
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Periodisierung
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die sog. Centurienordnung. Die „Kombination von Tribusreform, Zenturienreform und Phalanxtaktik wirkte in der Tendenz stark nivellierend, weil sie einen relativ einheitlichen Status als Bürger und Soldat schuf “ [ebd., 111]. Hinzu sei ein urbanistischer Schub gekommen, der die Orientierung breiter Kreise der Bürgerschaft auf ein politisches Zentrum verstärkt und sich auch in der Errichtung mehrerer Tempel niedergeschlagen habe, die später als ‚plebeisch‘ galten (Fortuna, Diana, Ceres). Nach dem Ende des Königtums seien diese Errungenschaften durch das partikulare und zentrifugale adlige Politikmodell bedroht gewesen. Das Volkstribunat sei in dieser Konstellation entstanden als eine „Instanz, deren primäre Aufgabe es war, den Status des vollgültigen Bürgers in Versammlung und Heer, auf den sich die Identität des plebeischen Bürgers schon in der Königszeit gründete, wieder zu gewinnen“ [ebd., 115]. Anders als die Stasisfaktionen in griechischen Poleis kämpften die Plebeier und ihre Anführer „nicht um die Herrschaft im Staat, sondern um den Staat selbst“ [ebd.], genauer: um ein Mindestmaß an Staatlichkeit. Der „integrative Impuls des Volkstribunats zwingt das in einzelne gentes segmentierte Patriziat zu gemeinsamem, d. h. staatlichem, Handeln, fördert die Entwicklung des Senats zu einer Koordinierungsinstanz der Willensbildung im Patriziat und regt so die Reflexion über die Möglichkeiten der inneren Stabilisierung der römischen Gemeinde unter Einschluß aller Bürger an“ [ebd., 126]. Ähnlich argumentiert L, die Plebeier seien zwar erst zu Beginn der Republik zu einem „pleine conscience politique“ gelangt, doch der Prozess dorthin habe bereits mit den Reformen des Servius Tullius eingesetzt [Tribuns de la plèbe, 207]. L verweist in diesem Zusammenhang auf den Institutionenbegriff des Soziologen E. D [ebd., 211]. Mit Recht unterstreicht er den Beitrag des Volkstribunats und der Plebiszite für die politisch-institutionelle und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt; demgegenüber habe die Komitialgesetzgebung die adlige Bestimmungsmacht in den Außenbeziehungen Roms und dem Verkehr mit den Göttern befestigt [ebd., 254]. Die weitere Entwicklung stellt E [Zwischen Monarchie und Republik] dann als einen von patrizischer Gegenformierung, Experimenten, gelegentlichen Rückschritten und gescheiterten Alternativen begleiteten Weg zur politischen Integration der Bürgerschaft dar. Mit dem Ausgleich von 367 habe das Volkstribunat zwar den ‚Alleinvertretungsanspruch‘ für die Plebeier verloren, doch die traditionelle Aufgabe, zwischen Oben und Unten zu vermitteln, sei ihm geblieben – es wurde dadurch attraktiv, mit ihm eine politischen Karriere im Rahmen der Ämterlaufbahn zu beginnen. L sieht im Gegensatz zu B und anderen bereits in den Plebisziten vor 287 einen akzeptierten Beitrag zur institutionellen Weiterentwicklung der res publica [Tribuns de la plèbe, 257–362]. So sei die Kollegialität durch das Vorbild der Volkstribune in der Magistratur installiert worden [361]. Für eine ähnlich komplexe, in vielen Punkten ein-
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leuchtende Rekonstruktion von Roms langem „Weg zum republikanischen Gleichgewicht“ s. L [Von der Monarchie zur Republik]. Für die ersten Jahrhunderte betont L die Bedeutung der Volkstribunen für den Aufbau der Republik insgesamt [Tribuns de la plèbe]. Mit Blick auf die gesamte Republik hat jüngst A. R [Tribunes] die Volkstribune als ein stabilisierendes Element der politischen Kultur konturiert: Weit mehr als die autoritativ auftretenden Magistrate hätten sie mit ihrem weitreichenden und zugleich wenig definierten Initiativpotential oft Debatten ermöglicht, Konflikte innerhalb der Nobilität gelöst, Unzufriedenheit der breiten Masse der Bürgerschaft kanalisiert und durch kontrollierte Dehnungen der politischen Routinen eine graduelle Weiterentwicklung des Systems ermöglicht. R verweist auf Polybios und liest das Volkstribunat zugleich in der Tradition des klassischen Republikanismus: Nicht Dominanz eines Teils oder allgemeine Harmonie stiften Stabilität, sondern kontrolliert in und zwischen den Institutionen ausgetragene Konflikte [ebd., 138]: „The tribunate’s potential to bring conflict into Rome’s political arena, whether for good or for bad, was not a challenge to Rome’s political culture but a part of it – both before and after 133.“ T. M hat die politische Funktion des Volkstribunats seit seiner Integration in den Politikbetrieb durch die lex Hortensia 287 mit der ihm eigenen Schärfe formuliert: Die eigentlich funktionslos gewordenen Tribunen seien hinfort als Waffe zunächst der Nobilität gegen eine widerspenstige Magistratur, dann der spätrepublikanischen Potentaten gegen die Senatsherrschaft eingesetzt worden [1.4: Staatsrecht II, 308]. Für den Funktionswandel des Amtes, seine (partielle) Ablösung von den Interessen der ‚kleinen Leute‘ und die historische Bedeutung der lex Hortensia s. besonders H [Die Entstehung der Nobilität und der Funktionswandel des Volkstribunats; vgl. auch ., Senat und Volkstribunat im frühen 3. Jh. v. Chr]. In einer subtilen Analyse der politischen Funktion des Volkstribunats stellte J. B [Das römische Volkstribunat] die Paradoxien seit 287 heraus: Das mit so umfangreichen Rechtsmitteln ausgestattete Amt in Rom habe gleichzeitig keine genuinen Amtsaufgaben mehr gehabt; dennoch blieb es als eine in sich selbst ruhende und aus sich selbst wirkende Institution nicht nur bestehen – seine Inhaber nutzten ihre Rechte nicht selten intensiv. Das Wirken der Volkstribune im Sinne des Senats und als Transmissionsriemen für den politischen Willen der Nobilität hatte B zuvor schon herausgearbeitet [Das Volkstribunat der klassischen Republik]; dabei beschrieb er die Phase von der lex Hortensia bis zum Hannibalkrieg als Übergangszeit, in der die oppositionelle Komponente tribunizischen Handelns durchaus noch Gewicht hatte. Die Volkstribune ‚liehen‘ dem der exekutiven Mittel ermangelnden Senat ihre Kompetenzen zur Kontrolle und zur Initiative; sie ermöglichten es dem Senat ferner, neuartige Situationen zu bewältigen, indem sie gegebenenfalls dazu dienten, unter „veränderten politischen Voraussetzungen eine
‚Republikanische‘ Deutung des Volkstribunats
Das Amt in der mittleren Republik
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Doppelnatur des Tribunats
Volkstribune und Jurisdiktion
Tribunizische Gesetzgebung
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Regierung der Nobilität noch möglich zu machen“ [B, Das römische Volkstribunat, 494]. Gegen H und B erinnert F. M jedoch daran, wie wenig wir über die weiteren Karrieren der Volkstribune im 4. und 3. Jahrhundert wissen, weswegen die Annahme, diese seien alle einer plebeischen Aristokratie entsprossen, keineswegs gesichert sei, ebenso wenig die postulierte „absorption of the tribunate into a wider office-holding élite, leading to the political neutralization of the office [5: Political Power, 96]. Bereits M hatte markant formuliert, in vielerlei Beziehungen habe sich „der dem Tribunat einmal aufgeprägte Stempel der revolutionären Gegenmagistratur“ nicht beseitigen lassen [1.4: Staatsrecht I, 303]. Seit wann Volkstribune regelmäßig Mitglieder des Senats waren, ist übrigens nicht sicher; B [Tribuni plebis and res publica, 202–206] plädiert für ein Datum um 160. Doch hält auch B fest, dass das Amt den aus seiner Entstehung resultierenden Geist des Widerspruchs gegen die regierende Klasse nie ganz verloren habe, was es dann Ti. Gracchus ermöglichte, das Tribunat kurzzeitig zu einer „Bastion des Widerstandes gegen den Senat“ und zu einer zweiten politischen Entscheidungsinstanz aufzubauen [B, Das römische Volkstribunat, 497]. „Seine Lebenskraft“, so die Bilanz [ebd.], „schöpfte das Tribunat in der Tat nicht aus seiner der jeweiligen Senatsmehrheit dienenden Funktion, sondern aus dem Widerstand gegen den Senat, und dieser Widerspruch . . . stürzte letzten Endes auch Aristokratie und staatliche Ordnung“. Zu diesem Sturz habe freilich die herrschende Elite maßgeblich beigetragen, während die Volkstribune in vielen Fällen im Sinne der bestehenden Gesellschafts- und Werteordnung, aber gegen die aktuelle Senatsmehrheit agiert hätten, so dass „gerade der vom Tribunat ausgehende Widerspruch gegen die Politik der Mehrheit ein Element für die Stabilität der Gesamtordnung zu sein vermochte“ [ebd., 498]. Während der überwiegende Teil der Forschung dem tribunizischen Prozess (Kapitalverfahren und Verhängung einer multa / Geldbuße) großes Gewicht einräumt [s. etwa W in K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 630–637], argumentiert A. G [Volkstribunat und Volksgericht], die Volkstribunen hätten beim Volksgericht keineswegs eine so entscheidende Rolle gespielt. Auch in der römischen Republik seien Ankläger- und Richterfunktion getrennt gewesen: Im Volksprozess habe die Plebs mit ihren Vertretern die Anklage erhoben, das römische Volk mit seinen Magistraten das Urteil gefällt. Das Volksgericht mit den Ständekämpfen zu verbinden sei unzulässig. Ausdruck dieser Stellung sei nicht zuletzt die tribunizische Gesetzgebung gewesen; s. dazu für die Mittlere Republik A. G [Die Delegierung des Wandels]; für Zeit von 133 bis 81 jetzt M. E [Die Rolle der Volkstribunen als Gesetzgeber], die in diesen fünf Jahrzehnten 86 tribunizische Gesetzesinitiativen ausmacht und zu dem Schluss kommt, dass die meisten Volkstribune auch in dieser Phase jeweils punktuelle Vorstöße zu all den
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Themen unternahmen, „die vom Tagesgeschehen vorgegeben waren und auf eine zumindest teilweise Zusammenarbeit mit dem Senat schließen lassen“ [ebd., 123]. Die tribunizische Gesetzgebung habe akute Streitkonstellationen durch Formalisierung entschärft bzw. vertagt und zugleich zur „Jurifizierung des öffentlichen Lebens“ beigetragen [B, Das römische Volkstribunat, 503]. Weitere Erkenntnisfortschritte sind hier nur durch Mikroanalysen zu erreichen, die das Handeln von Volkstribunen in Konfliktsituationen mit Magistraten, Priestern und dem Senat analysieren. In diesem Zusammenhang erscheint die These von K. S, die Gesetzgebung sei seit dem Ende der Ständekämpfe ausschließlich in den Händen der Volkstribunen als Leitern des concilium plebis gewesen, zwar überzogen [4.3.3: Magistrates and Assemblies; 4.4.3: ., Tribunician and non-Tribunician Legislation]. Bedenkenswert erscheint aber die damit zusammenhängende Idee, die faktische Zweiteilung des öffentlichen Lebens in eine zivil-legislative Sphäre unter den Tribunen und eine militärische unter Kontrolle der Konsuln habe eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Senat, Magistratur und plebeischer Organisation befördert. Ss Bruch mit zentralen Axiomen der Forschung führt letztlich zurück zum polybianischen Modell der checks and balances und zum concordia-Gedanken der römischen Tradition. Die Dissertation von L. T [Volkstribunat der späten Republik] sucht die tribunizischen Handlungen in der Zeit von 133 bis 43 systematisch zu erfassen; dabei werden die Hauptkompetenzen des Amtes dargelegt, ferner Initiatoren und Nutznießer tribunizischer Gesetzgebung sowie Artikulationsformen tribunizischer Politik (Edikte, contiones, Anhängerschaften und Gewalt). Doch ist die Frage, ob von einer solchen überhaupt sinnvoll die Rede sein kann; jedenfalls gelangt T zu der wenig überraschenden Einsicht, eine programmatische Politik sei von den allermeisten Inhabern des Amtes nicht verfolgt worden. Von einer systematischen Untersuchung des Volkstribunats in der Späten Republik sind jedenfalls keine wesentlichen Impulse zu erwarten; die Forschung hat ihr Augenmerk vielmehr auf andere Themen gelenkt, z. B. Rhetorik, ‚populare‘ Politik oder Gewalt, in deren Kontext jeweils auch das Volkstribunat eine Rolle spielt. So betont A. R [4.3.3: Speech, Competition, and Collaboration] mit Recht, wie wenig inhaltlich definiert ‚populares‘ Reden und Handeln in der Späten Republik war: Auch und gerade ein Volkstribun musste hervorzustechen suchen; dabei ergaben sich sehr unterschiedliche Vorstöße und Themenkombinationen, wie sie einer Mikrostudie für die Jahre 99 bis 97 zeigt; „the tribunician politics of these years do not fit easily into any simple model“ [ebd., 113]. Das leuchtet sofort ein, wenn man bedenkt, dass prominente Gestalten wie der Jüngere Cato und P. Clodius Pulcher mit einem Abstand von drei Jahren (62 bzw. 58) jeweils erfolgreiche und anerkannte, gleichwohl offenbar völlig unterschiedliche Volkstribune waren. Rs Aufsatz ist ein willkommener Baustein zu
Das Amt in der Späten Republik
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Tribunat als Aufsteigeramt
Spielräume tribunizischer Politik
Ädilität
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
einer kontingenztheoretisch informierten Deutung spätrepublikanischer Politik. E. G hat herausgestellt, dass das Volkstribunat für Aufsteiger leichter erreichbar war als die Ädilität oder die Prätur. Etwa ein Drittel der bekannten Amtsinhaber in der Späten Republik scheint keine senatorischen Vorfahren gehabt zu haben, aber etwa die Hälfte von diesen erreichte ein kurulisches Amt [6: Last Generation, 188f.]. Freilich ist dabei die hohe Zahl von zehn jährlichen Posten zu berücksichtigen, die zudem Patriziern versagt blieben. Die Entkernung des Volkstribunats durch Sulla diskutieren R. W [K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 654–659] sowie T. H [6: Res publica constituta, 74–79 und passim]. M deutet sie als Versuch, einen Webfehler im System zu korrigieren, nämlich die Option politischer Initiative gegen den Willen der kollektiven Regierung; „he aligned theory and practice in the Roman constitution by giving the senate formal powers that matched its de facto governing position“ [1.4: Politics in the Roman Republic, 144]. P. Clodius Pulcher (tr. pl. 58) schöpfte in seinem Amtsjahr alle judikativen, legislativen und allgemein mobilisierenden Möglichkeiten des Volkstribunats aus, aber seine wichtigste politische Innovation und Wirkung lag bezeichnenderweise außerhalb des Jahresamtes, nämlich in seiner Vernetzung in der Nobilität sowie einer über längere Zeit mobilisierten, aktions- und gewaltbereiten Anhängerschaft [zu Clodius s. überzeugend T, Patrician Tribune]. C. Scribonius Curio (tr. pl. 50) kann für den Handlungsspielraum eines agilen Volkstribunen zwischen Senat und Militärpotentaten im Zeichen des drohenden Bürgerkrieges stehen [zu ihm s. 6: G, Last Generation, 470–490; 5: D, Perdita Iuventus, 34–62]. Auch für die Ädilität sind neben die Darstellungen in Handbüchern [1.4: M, Staatsrecht II, 470–522; K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 472–509] jüngst umfassende Monographien getreten. Während der Schwerpunkt von D-G [Splendor aedilitatum] in der Kaiserzeit liegt, hat B [Suntoque aediles] auf breiter Basis eine Geschichte der republikanischen Ädilität erarbeitet. M fasste die frühen Ädile (vor 367) als Hilfsbeamte der Tribunen, nachgebildet dem Verhältnis von Konsuln und Quästoren; diese Ansicht hatte zuletzt E [Entstehung des Ädilenamtes] in seiner durch eine umfassende Aufarbeitung der Forschung wertvolle Studie wieder aufgegriffen. Doch legt die Bezeichnung nahe, die ursprünglichen, angeblich 493 etablierten Ädile als Vorsteher des Cerestempels am Fuß des Aventin anzusprechen [L, Zum römischen Staatsrecht, 355–358]. Je mehr sie in verschiedene curae der Stadt Rom hineinwuchsen (s. Cic. leg. 3,3,7), desto stärker füllten sie „eine Lücke in der gesamtstaatlichen Organisation“ [K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 476]. B [Suntoque aediles, 310] sieht die Verdoppelung des Amtes 367 und die ‚Verstaatlichung‘ der
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plebeischen Institution sachlich durch das „stetige Wachstum der Stadt und die zunehmende Entwicklung Roms“ begründet. Politisch habe es sich um einen Kompromiss vor dem Hintergrund des Ständekampfes gehandelt; für diesen Kontext spricht auch die jurisdiktionelle und polizeiliche Aktivität der Ädile [B, Criminal Prosecutions; 6: N, Aufruhr und Polizei, 27–36]. Dass bis Caesar die Zahl der Ädile gleichblieb, obwohl die Aufgaben wuchsen, erklärt B durch die Delegierung bestimmter Aufgaben an Unterbeamte; mit der kontinuierlichen Getreideversorgung seien die regulären Ädile aber überfordert gewesen, weswegen sie die cura annonae am Ende verloren. 4.1.5 Gewählte Militärtribune, Münzmeister, tresviri capitales, Quästoren
Die Wahl der tribuni militum a populo (creati) [zum Verfahren s. 1.4: M, Staatsrecht II, 576f.] versteht H [3.1: Entstehung der Nobilität, 152f.] als Teil einer generellen Machtverschiebung: weg von den Konsuln, die nun nicht mehr nach Gutdünken über die Besetzung der Offiziersstellen verfügen konnten, hin zum Volk, dessen Beteiligung an der res publica durch Wahlen gestärkt wurde. Als treibende Kraft hinter dem Plebiszit von 311 sieht er jedoch die aristokratische Elite, die sich zunehmend auf militärischen Erfolg in Wahlämtern ausrichtete und in dieser Option einen niedrigen Einstieg in die Ämterlaufbahn schuf. Die Rekonstruktion von O [2: Commentary on Livy, III, 391–393] bezieht die Militärtribunen in die Neuregelung von 367 ein: Die plebeische Elite gewann ein Konsulat, verlor aber mit den nun abgeschafften tribuni militum in Kommandopositionen einen Großteil ihrer Bewährungschancen; das neue Militärtribunat ohne imperium bot viel weniger Prestige, aber durch die obligatorische Wahl auch neue und breit gestreute Aufstiegschancen. Das wohl Ende des 3. Jahrhunderts im Zuge der Einführung des sog. Denarsystems installierte Amt der Münzmeister hat wegen der von diesen initiierten bild- und anspielungsreichen Prägungen auch außerhalb der numismatischen Forschung, die sich eher mit den geldgeschichtlichen Aspekten der Münzprägung befasst, vermehrt Interesse gefunden, namentlich in den Studien zur politischen Kultur und Geschichtskultur der Republik [4.3.3: M-M, Mass Oratory, 82–91; 1.5: H, Münzprägung]. Jüngst hat R. W die gängige gentilizische Deutung der Münzmotive bezweifelt; zu fragen sei, „in wie weit als Familiengeschichte verstandene Münztypen der römischen Republik nicht viel häufiger exempla waren, die auf tagesaktuelle Kontroversen und Gruppierungen verweisen“ [1.5: Mehr als die Familie, 180f.]. Über die institutionellen Tatsachen und Streitpunkte informieren P [Triumviri Monetales], K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 547–551] sowie H [Management]. Listen aller bekannten Münzmeister bieten B
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Tresviri capitales
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Handlungsspielräume von Quästoren
Provinzialquästoren
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
[1.6: Magistrates 2, 428–461] und C [1.6: Roman Republican Coinage, 903–911]. Die Vielfalt der Aufgaben dieses Dreimännerkollegiums im Bereich der städtischen Sicherheit zeigen eindrücklich die Auflistungen bei M [1.4: Staatsrecht II, 594–601] und K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 533–536]. Eine breite monographische Behandlung bietet C, Tresviri capitales. Zu der strittigen Frage nach einer ‚Polizeijustiz‘ s. u. II.4.4. Eine monographische Bearbeitung der Quästur fehlt; maßgeblich sind daher die Darstellungen bei M [1.4: Staatsrecht II, 523–573] und K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 510–531] sowie der konzise RE-Artikel von W [Quaestor]. Hinsichtlich der Entstehung folgt die in Teil I gegebene Darstellung der Studie von K. L [Origins of the Quaestorship]: Die aus der Frühzeit bezeugten „Mordquästoren“ (quaestores parricidii) sollten bei Bedarf die rechtliche Qualität von bestimmten Tötungsdelikten feststellen; sie sind strikt zu trennen von dem späteren regelmäßigen Jahresamt. Dieses hielt L für einen Import aus dem griechischen Unteritalien, wo sog. mastroí für das Eintreiben sakraler Bußen zuständig waren. Dass die Quästoren von Anfang an Gehilfen der Konsuln gewesen seien, muss M aus sehr viel späteren Verhältnissen in die Frühzeit zurückprojizieren. Die Etappen der Vermehrung der Quästorenstellen sind im Einzelnen unklar [vgl. K / W, 512–514]. W. V. H [Development of the Quaestorship] plädiert gegen M dafür, dass 267 zu den damals vier Stellen nur zwei neue hinzukamen, zwei weitere dann nach der Einrichtung von Sizilien und Sardinien als Provinzen. Seit 197 habe es zehn Quästoren gegeben; die Vermehrungen durch Sulla (auf 20) und Caesar (auf 40) sind eindeutig; zum schlecht bezeugten Mindestalter im Rahmen des Cursus s. R [Minimum Age]. Wie bei den Prätoren bemaßen sich auch für die Quästoren Handlungsspielräume und Bewährungsmöglichkeiten nach ihrem Wirkungsort: Sie waren eher gering für die quaestores urbani, größer für die ins Feld entsandten Quaestoren, die in Caesars Armee „stets die gleiche militärische Rolle wie die Legaten“ spielten, während die angestammte Aufgabe, die Feldkasse zu versehen, an Bedeutung verlor [K / W, 526]. Etwas detaillierter verfolgt werden kann v. a. durch Zeugnisse Ciceros das Wirken der Quästoren eines Statthalters. R. S identifiziert am Beispiel des schlechten Verhältnisses zwischen Scipio Africanus und seinem Quästor Cato im Jahr 205 eine Ursache von Spannungen: Viele aus dem Ritterstand stammende Quästoren seien mit den Finanzen kleinlicher und rechenhafter umgegangen als die nicht selten zu „aristokratischer Nonchalance“ neigenden Statthalter aus der Nobilität. Stammten beide Vertreter Roms in der Provinz aus der Nobilität, führte das bisweilen zu Rivalitäten [3.5: Herrschaft und Regierung, 174–179]. S warnt mit Recht vor Generalisierungen: Zwischen Ms Setzung, Quästoren seien stets
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nachgeordnete und unselbständige Hilfsbeamte gewesen, und der Annahme, die Quästur habe ein Gegengewicht und sogar eine Kontrollinstitution gegenüber dem Vorgesetzten gebildet [T, Relationship, v. a. 353], seien ganz überwiegend Bruchstücke einer vielgestaltigen Wirklichkeit zu finden. 4.1.6 Censoren
Unentbehrliche und gründliche Orientierung bieten wiederum M [1.4: Staatsrecht II, 331–469] und K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 391–471]. Im technischen Detail ist die Überlieferung höchst lückenhaft. S [Roman Censors] behandelt weniger die Institution oder ihre politische Bedeutung: In erster Linie geht es in dem mit vielen Tabellen und Statistiken aufwartenden Buch um das soziale Profil der Censoren (Herkunft, Karriere); den Kern bildet eine umfassende Diskussion aller Inhaber dieses Amtes in chronologischer Folge. Die erschöpfend zusammengetragenen prosopographischen Daten erweisen die Censur als eine hochexklusive Magistratur; ihre Inhaber stammten aus überdurchschnittlich erfolgreichen Familien, und die Söhne von Censoren erreichten öfter das Konsulat als Söhne von Nur-Konsuln. Aus der Perspektive des Bürgers schildert C. N anschaulich das Wirken eines Censors [4.3.1: World of the Citizen, 49–88]. Die in der Forschung diskutierten Ansätze für die Einführung der Amtes schwanken nicht sehr um das oben im Überblick gegebene Jahr 443 [s. L, Zur Geschichte, 95–107]. Strittiger ist, ob zunächst unregelmäßig der Oberbeamte oder gesonderte einzelne Amtsträger die censorischen Aufgaben wahrnahmen, bevor 367 zusammen mit dem zweistelligen Konsulat auch die Censur als reguläres kollegiales Amt eingeführt wurde [so wohl 1.4: B, Verfassung, 111; vgl. 1.4: M, Römischer Staat, 75, der die endgültige Lösung der censorischen Aufgaben vom Oberamt und ein neues Kollegium ebenfalls mit den leges Liciniae Sextiae verbindet]. D M [1.4: Storia I2 , 326–333, v. a. 333] nahm eine andersgeartete Kollegialität an. R. B [Frühe Zensur] kommt nach eingehender Diskussion zum Ergebnis, dass in der frühen Republik an einem gesonderten und regelmäßigen Amt mit censorischen Aufgaben kein Bedarf bestand und dieses erst 367 etabliert wurde. Die in den Quellen für die Zeit davor genannten Censoren könnten durch eine Fehlinterpretation von Vermerken über einen Census in den fasti entstanden sein [ebd., 156]. A. E. A [Censorship] untersucht die durchaus unterschiedlichen Intervalle zwischen den einzelnen Censuren auf epochenbezogene Muster; ältere Ansichten dazu diskutiert L [Zur Geschichte, 1–57]; demnach war das fünfjährige Intervall erst ab 209 die Regel. Die Aufsicht über das traditionskonforme Verhalten zumal der Oberschicht (regimen morum) durch die Censoren behandelt E. B
Orientierung
Beginn der Censur
Regelmäßigkeit
regimen morum
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Ökonomische Amtsaufgaben
Ende der Censur
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
[3.1: Regimen morum, 5–30; grundlegend schon 4.3.3: B, Lex Publica, 377–387]; er lässt sie Ende des 4. Jahrhunderts einsetzen und deutet sie als „Institut der Selbstreinigung, Ausdruck einer Gesellschaftsordnung, deren Existenz von der Gleichheit innerhalb der führenden Schicht abhing“ [Regimen morum, 28]. Obwohl sich die Censoren strikt am mos maiorum orientieren und alle wichtigen Amtshandlungen gemeinsam vollziehen sollten, kamen doch nicht selten beim Erteilen eines dokumentierten Tadels (nota) und beim erstmals 307 praktizierten Streichen von der Senatsliste politische Rivalitäten ins Spiel; die „individuelle Willkür hatte hier freiesten Spielraum“ [1.4: M, Staatsrecht II, 382, mit einer Liste der Tadelgründe 377–382; vgl. K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 443–446 zu den Ausstoßungen aus dem Senat]. Es ist übrigens unklar, ob ehemalige Magistrate im Senat schon Stimmrecht hatten, bevor sie von den Censoren in die Senatsliste (album) eingetragen worden waren [s. 1.4: M, Staatsrecht III 858f.]. Die vielfältigen im weiteren Sinn ökonomischen Amtsaufgaben der Censoren (Verpachtung von ager publicus, Zöllen und Provinzialsteuern; Beschaffung von Werk-, Dienstund Sachleistungen) erörtert K / W [Staatsordnung und Staatspraxis, 446–461]. Als Begründung für das faktische Erlöschen des bereits von Sulla außer Kurs gesetzten Amtes nach dem letzten erfolgreichen Census im Jahr 70 wird meist angeführt, es sei in nachsullanischer Zeit wegen der automatischen Ergänzung des Senats durch die zwanzig jährlichen Quästorier und die Ausweitung des römischen Bürgergebietes auf ganz Italien obsolet geworden und habe zudem wegen der verschärften aristokratischen Konkurrenz in einem stärker zerklüfteten Senat seine Akzeptanz verloren [1.4: M, Staatsrecht II, 336f.; A, Censorships in the Late Republic, 175–178]. Von der politischen Kultur her betont R. P [Brüchigkeit der Rituale] die starke integrative Wirkung der censorischen Rituale Census, Rittermusterung und Lustrum. Im Zuge der zunehmenden ökonomischen Desintegration der Bürgerschaft im 2. Jahrhundert habe die Oberschicht das Ritual wegen dessen egalitärer Semantik jedoch mehr und mehr gemieden; dadurch sei die Einheitsfiktion der Bürgerschaft zerbrochen und das Interesse breiter Schichten, am Census teilzunehmen, geschwunden. 4.1.7 Bei Bedarf eingesetzte Funktionsträger
interregnum
Ungeachtet der oben im Text benannten generellen Abneigung der herrschenden Aristokratie gegen einen expandierenden Regierungsapparat und zu viele reguläre Amtsträger hat jede der hier behandelten Institutionen selbstverständlich ihren je eigenen Entstehungs- und Funktionskontext. Dieser ist beim frühen interregnum unklar; die letzte eingehende Erörterung aus der Feder von A. H [2: Zur frühen römischen Regie-
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rungsgewalt, 944–964] ist sehr verwickelt und läuft auf den Gedanken hinaus, dass die Weitergabe der auspicia unter den patrizischen Interreges von diesem an sich religiös konnotierten Symbol der frühesten Amtsgewalt gerade jede magisch-charismatische Aufladung habe fernhalten sollen. Für das interregnum in historisch hellerer Zeit ist immer noch die gründliche Studie von J. J [Interregnum und Wahldiktatur] zu konsultieren; eine neuere Bearbeitung fehlt. J zieht beide Institutionen zusammen, weil ihnen der Zweck gemeinsam gewesen sei, Wahlen durchzuführen, wenn die normalerweise damit beauftragten Imperiumträger dies nicht tun konnten. Das ist in funktionaler Sicht sinnvoll, ignoriert aber den sakralrechtlichen Unterschied, dass nur dem interregnum ein Bruch der auspicia-Kette zugrundelag (durch den Tod des Königs oder der Oberbeamten) [s. 1.4: B, Verfassung, 115f.]. Ursprung und Modalitäten bespricht J knapp, ausführlich hingegen die einzelnen interregna und Wahldictaturen von Romulus bis Oktavians Wahl zum Konsul im Jahr 43; dabei ergibt sich, dass sich über die politische Bedeutung dieser Ersatzinstitutionen viel weniger als über die reinen Formalia sagen lässt [J. . U-S, Rez. zu J, in: ., Römische Studien (1.2), 184]. Zuletzt hat A. K [Interregnum in the Roman Republic] die Gemeinsamkeit eines interrex mit einem außerordentlichen Magistrat hervorgehoben, durchaus auf der Linie von M, der das Interregnum als Stellvertretung des vakanten Oberamtes behandelte [1.4: Staatsrecht I, 647–661]. Die beiden Zehnmännerkollegien, deren erstes angeblich Mitte des 5. Jahrhunderts als außerordentliches Kollegium zunächst das Zwölftafelgesetz erarbeitete, während das zweite im Folgejahr autokratisch entartete, haben in der Überlieferung eine breite und farbige Spur hinterlassen [dazu 1.5: U-S, Dezemvirat] und sind selbstverständlich in den Studien zum frühen Rom breit erörtert [s. etwa 1.4: D M, Storia I2 , 297–311; 2: C, Beginnings of Rome, 272–292; 2: F, Critical History, 222–228]. Zu den Landverteilungskommissionen fehlt eine zusammenfassende Bearbeitung; sie werden meist im Kontext von Studien zur Kolonisation bzw. zu den spätrepublikanischen Ackergesetzen behandelt; das Gerüst in staatsrechtlicher Beleuchtung steht bei M [1.4: Staatsrecht I, 624–639]. Am meisten technische Details kennen wir von der vorgesehenen zehnköpfigen Kommission, die das 64/63 eingebrachte Ackergesetz des Volkstribunen P. Servilius Rullus hätte umsetzen sollen, und zwar aus Ciceros Reden gegen diese nicht zur Abstimmung gelangte Gesetzesvorlage; dazu demnächst der ausführliche Kommentar von G. M. Für die Entstehung der hier v. a. interessierenden Legaten im Umfeld eines Feldherrn widerstreiten zwei Ansichten. H [1.4: Römische Staatsverfassung, 847f.] plädierte dafür, es seien zunächst (in den Samnitenkriegen) kriegstüchtige Freunde oder Verwandte des Imperiumträgers
Decemvirate im 5. Jahrhundert
Landverteilungskommissionen
Legaten
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Mandierung
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von diesem bei Bedarf mit militärischen Aufgaben, etwa der Befehlsgewalt über das so wichtige Lager, betraut worden, freilich noch ohne den Titel legatus. Erst nach dem Hannibalkrieg habe der Senat diese Praxis einzuhegen versucht, und „es bildete sich das Herkommen, dass solche freiwillige Teilnehmer nur mit Bewilligung des Senats unter dessen formeller Auktorität mitgehen sollten“ [ebd., 848]. Demgegenüber stellten M [1.4: Staatsrecht II, 697f.] und ihm folgend B. S [Legaten] in der bisher einzigen monographischen Behandlung des Themas die Kontrolle des Imperiumträgers durch den Senat an den Anfang der Institution, während sich H. K [Rez. zu S, Legaten, in: Gnomon 53, 1981, 464–470, hier: 468f.] wieder Hs Position anschloss. Grundsätzlich kritisiert wurde an dieser Diskussion freilich eine allzu formalisierte Sicht auf die ‚Rechte‘ der Akteure [J. B, Rez. zu S, Legaten, in: JHS 70, 1980, 195f.: „over-schematic approach“] – ein Einwand, der nicht nur an dieser Stelle gegen das ‚Staatsrecht‘ als Referenzrahmen vorgebracht wird. J. S [Ständige Legatur, 100] macht mit Recht darauf aufmerksam, dass um 300 die Machtverhältnisse zwischen Imperiumträger und Senat noch nicht im Sinne von Letzterem geklärt waren. Die Formalisierung ihrer Ernennung durch den Senat „sollte die Legaten dazu anhalten, bei den Aktionen des Magistrats im Bereich militiae auf die Interessen der Führungsschicht zu achten“ [ebd., 101]. Eine Kontrollfunktion [vgl. 1.4: B, Verfassung, 205: „Aufpasser“] sei gleichsam nur im Bedarfsfall aktiviert worden, während die originäre Funktion der Legatur weiterhin in der Unterstützung des jeweiligen Imperiumträgers lag. Freilich verweist R. S [3.5: Herrschaft und Regierung, 166] mit Recht darauf, dass der „sehr theoretische“ Aspekt der Kontrolle durch Legaten in den Quellen kaum in Erscheinung trete, sehr oft hingegen Beratung und Unterstützung. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Legaten korrelierten „mit dem Bestreben der römischen Führungsschicht, im Bereich militiae so wenig Magistrauren wie möglich einzurichten“ [S, Ständige Legatur, 102]. L. M. Y [Decem Legati] warnt mit Recht davor, bei der Analyse der Legatur einem Narrativ von Norm (= einst funktionierende Institution) und Normignoranz (= Niedergang) aufzusitzen; gelesen als anpassungsfähige Praxis, erweise sich auch die nach-sullanische Legatur als situationsadäquates und effizientes Instrument. Den Sinn der Mandierung hat M [1.4: Abriss, 113f.] formuliert: „Wenn in republikanischer Zeit die Bureaukratie nicht zur Entwickelung gelangt ist, so beruht dies . . . vor allem darauf, dass der Gehülfenstellung die Ständigkeit ebenso wenig zukam wie der Magistratur, (also) Berather, Geschworne, Offiziere mit dieser selbst ständig wechselten. Sowie dieser Wechsel wegfiel, wie das bereits in republikanischer Zeit bei den magistratischen Schreibern eintrat, beginnt sofort das bureaukratische Element sich zu entwickeln.“ Über die Einzelheiten informiert unter der Überschrift „Ernennung von Gehülfen“ M [1.4: Staatsrecht I, 221–234],
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während H [1.4: Römische Staatsverfassung, 827–848] unter „Amtsstellungen vorübergehender Natur“ vier Phänomene fasst: Mandierung, Nebenämter in Form von gewählten Kommissionen, außerordentliche Amtsstellungen sowie legati (s. o.). 4.2 Der Senat Die im Überblick zitierte Ansicht, das Verhältnis zwischen Senat und Magistratur bilde vielleicht den Kern der republikanischen Verfassung, findet sich bei J. B [1.4: Verfassung, 97]. Nicht zufällig stellt die ausführliche und nach wie vor unentbehrliche Behandlung des Senats durch M [1.4: Staatsrecht III, 835–1251] einen neuralgischen Punkt in dessen Gesamtgebäude dar, denn rein rechtlich war der Senat schwach, tatsächlich aber dominierte er in der Mittleren sowie teilweise auch noch in der Späten Republik das politische System Roms und war er „in der theoretischen wie in der praktischen Entwickelung . . . die Körperschaft, welche Rom und durch Rom die Welt regiert hat“ [ebd., 1022]. M suchte daher zum einen die Handlungen des Senats – Beratung und Bestätigung – als Rechte zu fassen; außerdem habe das Gremium die Brauchbarkeit des Volkstribunats „zur Unterjochung der Magistratur unter den Senat“ erkannt [ebd., 1024]. Die faktische Herrschaft des Senats sei dennoch insgesamt Produkt eines historisch plausiblen, aber systemwidrigen Prozesses gewesen; der „Gegensatz von Form und Inhalt ist eines der wesentlichen Momente des späteren Senatsregiments, aus welchem das ursprüngliche Regiment der Magistratur noch überall deutlich heraussieht“ [ebd.]. Eine eingehende und weiterführende Diskussion von Ms Rekonstruktion des Senats hat K.-J. H [1.3: Ein „Gegensatz von Form und Inhalt“] vorgelegt. Der materialreiche RE-Artikel „Senatus“ von O. B M schließt sich konzeptionell eng an M an. Von M ein wenig überschattet wurde die ungefähr gleichzeitig entstandene, eigenständige und noch immer hilfreiche Behandlung von P. W [Sénat]. Sie bietet u. a. eine detaillierte Geschichte der einzelnen censorischen und dictatorischen lectiones senatus von 312 bis 29 [I, 265–638] und listet für 179 sowie 55 alle sicheren oder wahrscheinlichen Senatoren auf, 304 bzw. 455 an der Zahl. Die ebenfalls umfangreiche, ganz aus den antiken Zeugnissen gearbeitete Studie von BC [Sénat] konzentriert sich auf das praktische Funktionieren des Senats und dabei wegen der Quellenlage auf das 2. und 1. Jahrhundert. Orte [dazu neuerdings auch B, Versammlungen], Zeitpunkte und Gegenstände der Sitzungen sowie die Einberufung und der Sitzungsverlauf (Umfrage, Mindestquorum, Abstimmung) werden in erschöpfender Breite behandelt; damit tritt aber auch die Frage nach dem politischen Gewicht einzelner Senatoren oder Rangklassen [zu den pedarii s. B-
Senat und Verfassung
Mommsen
Willems
Bonnefond-Coudry
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Etappen der Entwicklung
Senat der Frühzeit
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
C, Sénat, 655–682] in den Blick. Insgesamt vertritt die Autorin die Ansicht, der Senat habe die Leitung der res publica bis in die ciceronische Zeit fest in Händen gehabt. Wie M. J in einer gründlichen Skizze der Geschichte des Hohen Hauses plausibel macht [Senat als Hüter des Gemeinsinns], wurde dieser erst im späteren 3. Jahrhundert zu dem ständig tätigen und alle Bereiche des öffentlichen Lebens diskutierenden und beaufsichtigenden Organ, als das er im annalistischen Bericht des Livius und bei Cicero erscheint. Parallel dazu sonderten sich die Senatoren als Stand immer mehr ab und nahmen auch dem privaten Interesse dienende Privilegien wie die „freie Gesandtschaft“ (legatio libera) ausgiebig in Anspruch. Insgesamt sei „der Senat offenbar seit der Gracchenzeit verstärkt als Partei wahrgenommen“ worden [ebd., 37] und habe an Legitimität verloren [6: U-S, Legitimitätskrise]. Auctoritas senat¯us wurde in dieser Zeit zur partikularen Formel; sie betonte die etwa von Cicero postulierte „verfassungsmäßig übergeordnete Stellung des Senats gegenüber denjenigen Magistraten, die durch ihr eigenmächtiges, dem Willen des Gesamtsenats widersprechendes Handeln den Senat in seiner Funktion als Regierungsorgan in Frage zu stellen drohten“ [G, Formen und Wege der Senatsherrschaft, 263]. In notwendig stark konstruierender Manier wird hier zum einen die Zusammensetzung den Senats (nur Patrizier? Wer waren die conscripti?) diskutiert, zum anderen die Frage nach der Stellung des Gremiums in der Königszeit und der frühen Republik gestellt [zur älteren Forschung s. W, Sénat I, 7–88, und 1.4: D M, Storia I2 , 263–275, eine neue Sicht skizziert 2: C, Beginnings of Rome, 245–251]. Bereits in der älteren Literatur wird die Bedeutung des oft auf 312 datierten plebiscitum Ovinium hervorgehoben, das den Censoren die Kontrolle über die Zusammensetzung des Senats übertrug [Belege, Literatur und Forschungsüberblick bei 1.6: E, Gesetze 84–89, Nr. 38]; s. etwa H [1.4: Römische Staatsverfassung, 260–263 und 867f.], der das Gesetz als „vom Standpunkt der Interessen der neuen plebejischen Aristokratie aus“ abgefassst verstehen möchte. C [Lex Ovinia] sieht in dem von ihm um 320 angesiedelten Gesetz den entscheidenden Schritt zur ‚Emanzipation‘ des Senats von der Obermagistratur, doch passt ein für die Zeit davor postulierter „elusive and ill-defined body of limited importance“ [247] weder zu der Stellung, die Adelsräte in frühen griechischen Poleis innehatten, noch zu der bis 367 ja keineswegs übermächtigen Obermagistratur in Rom [gegen eine allzu große „fluidity“ des frührömischen Senats auch 1.4: M, Politics in the Roman Republic, 32 u. 37]. Dagegen vertritt F [2: Critical History, 167–170] die These, in der Frühzeit hätten alle oder doch die meisten Priester der Staatsreligion automatisch und lebenslang als patres dem Senat angehört und seien durch eine wechselnde Auswahl von conscripti ergänzt worden. Dies würde auch das Privileg eines Teils des Senats im interregnum und in der Beschlüsse
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des Volkes und magistratische Handlungen billigenden patrum auctoritas erklären, das später als ‚patrizische‘ politische Prärogative missverstanden wurde; diese rein religiöse Bestimmung der patres hatte zuvor schon R. E. M [2: Definition of patres and plebs] zu begründen versucht. In der Rekonstruktion von G [Auctoritas patrum] lagen die auspicia anfänglich bei den Familienhäuptern (patres) und wurden auf den König nur delegiert; die patres blieben daher ihre auctores. Der Sitz der auspicia in der politischen Ordnung insgesamt ist kürzlich von Y. B [Gouverner avec les dieus] ausführlich untersucht worden. Ursprünglich ein prestigereiches Monopol des alten patrizischen Adels, das in der besonderen Gestalt des interregnum („Die Auspizien kehren zu den patres [im Senat] zurück.“) noch fortbestand, sei die Auspikation später ein Kernelement aristokratischer Selbstkontrolle und Machtteilung gewesen, indem die Befugnis (potestas) des Amtsträgers an die Zustimmung (auctoritas) Iuppiters gebunden war und diese nicht vom Amtsträger allein, sondern nur im Einklang mit dem Senat und den Auguren behauptet werden konnte. Vielleicht wird man das ovinische Plebiszit zeitlich näher an die lex Publilia von 339 heranrücken müssen; die darin fixierte Vorschrift, jeweils schon vor dem Votum der Centurien über Gesetzesvorschläge eine Zustimmung (auctoritas) des Senats einzuholen, wertete diesen durch die Routinisierung auf und nahm ihm zugleich die Kassationsoption in Konfliktfällen [vgl. 3.1: H, Entstehung der Nobilität, 110–113; 1.6: E, Gesetze 46–48, Nr. 21B mit Literatur]; die „für Patrizier wie für Plebejer annehmbare Kompromisslösung legte gleichzeitig den Grundstein für die institutionelle Bedeutung der Vorberatung des Gesamtsenats für das Handeln der Magistrate“ [G, Formen und Wege der Senatsherrschaft, 254]. Das zuvor generell als zentral für das Verfassungsgefüge ausgeflaggte Verhältnis zwischen Senat und Magistratur unterlag selbstverständlich einem historischen Wandel. So behandelt K [Magistratische Gewalt und Senatsherrschaft, 13–22] die zuvor v. a. von M und H [2: Zur Entwicklung des Imperiums, 853–858] erörterte Frage, ob auch schon der frühe Senat lediglich beratende Funktionen oder doch noch eigene Hoheitsrechte, z. B. zur Selbstversammlung, besaß. Er postuliert, dass „die Macht des Senats über die Magistratur im Laufe der Jahrhunderte eher ab- als zugenommen hat“, und sieht das „Versagen der Senatsgewalt gegenüber der Magistratur“ an der Peripherie des Herrschaftsgebietes als den wesentlichen Grund für den „Zusammenbruch des Senatsregimes und damit der Republik“ [K, Magistratische Gewalt und Senatsherrschaft, 21f.]. Die epochenbezogenen Studien von E [Senate and General] und H [Senat und Magistratur] traktieren notwendigerweise oft die römische Außen- und Herrschaftspolitik insgesamt. E resümiert, dass „the character and level of intensity of senatorial control over Roman policy varied from region to region
auspicia als politisches Vorrecht?
Senat und Magistratur im Wandel
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Senat nach Sulla
Verbindlichkeit der Senatsbeschlüsse
Willensbildung und Kontinuität der Politik
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around the Mediterranean“ [ebd., 319]; insgesamt sieht er das Verhältnis zwischen Senat und Feldherren „broadly characterized by cooperation and mutual understanding“ [323]. Dagegen hält B [1.1.1: Geschichte, 172] es für falsch, in den Imperiumträgern „die eigentlichen Gestalter in der Außen- und Militärpolitik, den Senat jedoch als eine Institution zu sehen, die der Politik der Magistrate lediglich hinterherlief, sie allenfalls im nachhinein guthieß“. H will für die Zeit nach dem Hannibalkrieg eine zwischen Senat und Feldherren unstrittige expansionistische Politik erkennen; die Kriege in Spanien hätten dann aber zu einer Personalisierung und Militarisierung der Außenpolitik geführt, die dem Senat in der Folgezeit mehr und mehr entglitten sei. Davon kann jedoch ernsthaft erst seit Pompeius die Rede sein, und generell ignoriert H die Eingriffe der Volksversammlung in die eben nicht ausnahmslos vom Senat und den Magistraten an der Peripherie bestimmte Politik Roms. Die Wendungen der vom Senat gelenkten römischen Ostpolitik seit dem Hannibalkrieg zwischen Konzeptionslosigkeit und „neuem Stil“ durchleuchtet B. D [3.5: Nobilitätsherrschaft und Antiochos III.]. Viel diskutiert sind die Effekte der von Sulla eingeführten Neuerungen [s. 6: H, Res Publica Constituta, 19–61; 6: G, Last Generation, 162–210]. Meist wird die schärfere Kluft zwischen einem engeren Kreis nobilitärer Senatoren und einer größeren Zahl von neuen, durch den Dictator beförderten Mitgliedern festgestellt. Dass jedes Jahr automatisch zwanzig neue niederrangige Senatoren aus einer verbreiterten römischitalischen Aristokratie hinzukamen, machte C. S zufolge den Senat politisch eher weniger berechenbar, wie sich final in der „crisis of senatorial decision-making about Caesar’s command between 51 and 49“ gezeigt habe [Roman Senate and the post-Sullan res publica, 337]. Die Studie des Juristen A. G [Formen und Wege der Senatsherrschaft] konzentriert sich auf die rechtliche Bedeutung und die gesellschaftliche Verbindlichkeit der Senatsbeschlüsse seit der Königszeit. Untersucht werden zunächst systematisch die Gelegenheiten, bei denen die Bestätigung komitialer Beschlüsse und magistratischer Handlungen durch den Senat mittels der auctoritas senat¯us / patrum notwendig war. Ein zweiter Teil skizziert in einem chronologischen Überblick die Stellung des Senats insgesamt. Die Grundthese des Autors, der Einfluss des Gremiums habe sich letztlich an der akkumulierten sozialen Macht der in ihm versammelten Aristokratie bemessen, trifft sicher zu, erklärt aber nicht viel. Zu fragen ist doch, wie die Autorität des Senats zustandekam und warum sie akzeptiert wurde. C. M hält angesichts der aristokratischen Konkurrenz und der Gliederung des römischen Adels in Familien die über lange Zeit erreichte „Geschlossenheit und Konsequenz senatorischer Politik“ [Die Ersten unter den Ersten, 186] für höchst erklärungsbedürftig. Er postuliert prominente Positionen oder Rollen im Senat, die durch Institution und Tradition sta-
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bilisiert „den Suggestionen der Clientelbildung und wohl überhaupt den Auswirkungen partikularer Interessen Paroli bieten konnten“ und „das übergeordnete Interesse des Standes und der Republik“ [ebd., 187] vertraten. Durch mehrere objektive Kriterien (Patrizier, Censorier, Amtsalter) sei die Bestimmung des princeps senat¯us weit weniger kompetitiv gewesen als die anderer wichtiger Funktionen und habe der Inhaber dieser Position die Politik des Hauses und damit der Republik formulieren können. Erst im sehr viel diffuseren nachsullanischen Senat sei das damals zur Verfügung stehende Personal von dieser Integrationsaufgabe überfordert gewesen, so dass die Rolle eines Ersten Mannes im Senat informell (und damit strittig) geworden sei. Gerade in der ärgsten Belastungsprobe fehlten daher „die stete Mühewaltung, das verantwortliche Bedenken der jeweiligen Notwendigkeiten senatorischer Politik, der ermunternde und kritische Einsatz, der erforderlich war, wenn die Senatsautorität entsprechend zur Geltung kommen sollte“ [ebd., 203]. Die bezeugten Vorsteher des Senats listet W [Sénat I, 64f., 112–115] auf [zu dieser Position s. B-C, Le princeps senatus; speziell zur letzten Phase T, The Princeps Senatus in the Last Decades of the Republic]. Korrekturen gängiger Ansichten trägt in einer gründlichen Studie F. X. R [Rank and Participation] vor. Demnach war der republikanische Senat in historischer Zeit sehr viel egalitärer, d. h. die Meinungs- wie die Mehrheitsbildung erfolgten auf einer breiteren Grundlage, als man – gebannt von römischen Rang- und modernen Oligarchieobsessionen, so Rs Polemik – gemeint habe. Der Senator „was not the sort of person who formed his opinion by following the lead of another“; seine Haupteigenschaft war „the independence proper to all senators, regardless of rank“ [ebd., 347]. Diese Unabhängigkeit, formal gesichert durch Rede- und Stimmrecht, vermochte er durchaus zur Geltung zu bringen. Was in der Tat immer verwundert hat, wie häufig nämlich und mit wie viel Gewicht ein rangniedriger Tribunizier wie der Jüngere Cato im Senat die Meinung bilden konnte, wird hier ein Stück ‚normaler‘ und systemkonformer. Die Liste aller Senatoren, die sich zwischen 219 und 43 im Senat äußerten [ebd., 357–375], belege, wie oft Mitglieder nichtkurulischen Ranges zu Wort kamen. Allerdings fragt R nicht, welches Gewicht eine gegen Ende der Umfrage geäußerte Meinung noch haben konnte. Andererseits vermochte der als Erster um seine sententia gefragte Senator Gang und Ergebnis der Debatte keineswegs so oft zu bestimmen, wie das meist angenommen wurde (Erfolgsquote: 56 % beim princeps senatus, 31 % bei designierten Konsuln). Das Aufkommen des princeps senat¯us setzt R zwischen 275 und 230, die Rangklassen zwischen 290 und 248 an [ebd., 170]. Blind bleibt er für die Transformationen außerhalb des Senats; so hätte Sullas Aufstockung des Organs das Gewicht der rangniedrigeren Senatoren bei gleichbleibender Zahl von Konsularen stark vergrößern müssen, was offenkundig nicht geschah [vgl. die detaillierte Kritik von E.
¯ princeps senatus
Rang und Egalität
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188 Entscheidungsfindung
Debatteninhalte
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
F, Rezension zu R, Rank and Participation]. Die Entscheidungsfindung im Senat spiegelte jedenfalls sehr genau die Ambiguitäten der politischen Ordnung insgesamt, wie der scharfsinnigen Erörterung durch E. F [4.3.3: Mehrheitsentscheidung, 372–380] zu entnehmen ist: Die Rangfolge bei der Umfrage spiegelte die aristokratische Hierarchie; bei der discessio waren die Stimmen zwar gleich, aber die sententia der ranghohen Meinungsführer setzte sich meist durch. Zuspitzend argumentiert J. T, gerade die formelle discessio am Ende habe dazu gedient, den Konsens sichtbar zu machen: Offenbar wurde „im Vorfeld solange verhandelt, bis abweichende Minderheiten zu bedeutungsloser Größe geschrumpft waren; selbst die nicht überzeugte Minderheit schloß sich bei der Abstimmung dem gemeinsamen Votum des Gremiums an, und Themen, zu denen kein Konsens herzustellen war, verschwanden still und heimlich von der Tagesordnung“ [Auseinandertreten, 395]. Den prominenten Meinungsführern kam in diesem Prozess eine wichtige formierende Rolle zu. H. M erwägt in diesem Zusammenhang sogar, dass das Erreichen eines Konsenses wichtiger erschien als dessen Inhalt, „because oligarchic governments rely on internal unity for their survival“ [Politics in the Roman Republic, 150f.]. Allerdings verweist die (freilich erst in der Späten Republik öfter geübte) Praxis der Obstruktion noch auf eine aus dem Senat hinausweisende „Intersektionszone zwischen Alleingängen von Magistraten, Einsprüchen von Kollegen, Interzessionen von Volkstribunen, drohenden kollektiven Reaktionen der Plebs und dem mehr oder weniger einhelligen Bemühen des Senates“ [4.3.3: F, Mehrheitsentscheidung, 380]. Inhalte von Senatsdebatten behandelt die Forschung teils in sachlicher Hinsicht [Triumphdebatten: s. 4.1: V, High Command, 68–130; 6: L, Regelkonflikte, 178–256; 5: I, Tota illa pompa, 159–179; 5: P, Contested Triumphs], teils quellenkritisch [1.5: B, Senatsakten]. 4.3 Das römische Volk (populus Romanus)
Gesamtdarstellungen
Unentbehrlich ist nach wie vor die ausführliche Darlegung von T. M [1.4: Staatsrecht III, 3–598]. Den (im Detail vielfach problematischen; s. G. V. S, AJPh 99, 1978, 520–526) Versuch, die republikanische Ordnung insgesamt vom Bürger her zu konzipieren, unternahm C. N [4.3.1: World of the Citizen], indem er den civis in seinen Zugehörigkeiten und institutionalisierten Rollen, also als Gegenstand des Census, als Soldaten, als Steuerzahler und als Teilnehmer an beschließenden Versammlungen vorstellte. Die religiöse Dimension fehlt, mit Recht hebt N aber die oft zu wenig gewürdigte wirtschaftliche und fiskalische Seite des Bürgerseins hervor. Wegen der Quellenlage konzentriert sich das engagiert und anschaulich geschriebene Buch auf das 2. und 1. Jahrhundert; es
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ist allerdings zweifelhaft, ob die darin so herausgehobene ‚servianische‘ Censusordnung für diese Zeit, als die Bürgerschaft bereits sehr groß und heterogen war, noch so konstitutive Bedeutung besaß wie in den beiden Jahrhunderten zuvor. N zeigt ferner, wie sich die Bindungen der Bürgerschaft an die regierende Aristokratie wandelten und nennt als markanten Indikator das politische Instrument der Versorgung mit billigem oder gar kostenlosem Getreide (frumentatio) seit C. Gracchus. 4.3.1 Zugehörigkeit und individuelle Privilegien
Die umfassende Darstellung der Bürgerschaft und ihrer rechtlichen Gliederungen, ferner der Rechte und Pflichten des Bürgers sowie von Erwerb und Verlust des Bürgerrechts bei M [1.4: Staatsrecht III, 3–299] ist nicht leicht zugänglich, da sie nach einer Entwicklungsidee aufgebaut ist: Es habe zunächst nur eine Bürgerschaft der Geschlechter (Patriziat) und Klienten gegeben, die dann von der patrizisch-plebeischen Gemeinde abgelöst worden seien. Das ein wenig in die Jahre gekommene Standardwerk von A. N. S-W [The Roman Citizenship] behandelt im Abschnitt zur Republik weniger das römische Bürgerrecht – das Wort verstanden als formale Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen – selbst, sondern die vielfältigen und abgestuften Typen von Bürgerrechten anderer Gemeinden in ihrer Relation zu Rom, darunter das Latinische Recht (Latium) alten und neuen Typs (vor bzw. nach 338), den Status der municipia, im speziellen das früher oft ‚Halbbürgerrecht‘ genannte „Bürgerrecht ohne Stimmrecht“ (civitas sine suffragio), ferner die socii, den Bundesgenossenkrieg und schließlich die politische Vereinheitlichung Italiens durch die Verleihung des Bürgerrechts nach dem Bundesgenossenkrieg, die zugleich die Fluchtlinie des Buches ist (s. o. 3.5). Am Beispiel einer vieldiskutierten Bürgerrechtskategorie sucht M [civitas sine suffragio] zu zeigen, wie eine dürftige und widersprüchliche antike Überlieferung durch moderne Vorstellungen von Hierarchie und Teleologie in ein schlüssig erscheinendes, tatsächlich jedoch problematisches Entwicklungsmodell eingepasst wurde. Seit den Gracchen führte der Streit um die Erweiterung des römischen Bürgerrechts immer wieder zu Gesetzgebungen; diese dokumentiert und bespricht M. E in chronologischer Folge [Die leges de civitate von den Gracchen bis zu Sulla]. Demgegenüber blickt J. G [Being a Roman Citizen] sozial- und mentalitätsgeschichtlich auf Inklusion und Exklusion bei den Römern selbst; sie diskutiert primär die Beschränkungen des Bürgerrechts bei sozial Schwachen und Randgruppen; ein interessantes Kapitel gilt dem Statusverlust durch „disgrace und disrepute“. Zwei andere Perspektivierungen nennt C. A in einem knappen, aber gehaltvollen Überblick: erstens das Bürgerrecht als Kategorie des Personenrechts, die Rechte und Pflichten als konstitutive Merkmale von „membership in the Roman state“ fasst, und zweitens das
Bürgerrecht
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Rom – offene Stadt?
Bürgerrecht als civil rights
provocatio ad populum
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Bürgerrecht eingebettet in ein Netzwerk von wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Strukturen, die einen staatlichen Zusammenhalt erst stiften [Citizenship, 147]. Roms „conception of its community as a system of porous and institutionalized mechanisms allowing new members to join“ [ebd.] stellte tatsächlich eine Alternative zum griechischen Modell dar. Die antiken Zeugnisse für eine römische Offenheit und Großzügigkeit bei der Vergabe des Bürgerrechts erörtert A. C [Großzügige Praxis der Bürgerrechtsvergabe?] und kommt zu einer vorsichtigeren Einschätzung, gesteht aber „eine im antiken Vergleich immer noch überdurchschnittliche Bereitschaft zur Bürgerrechtsvergabe an Fremde“ zu; freilich habe diese den Römern stets als ein „Mittel zur Verfestigung ihrer Herrschaft und ihrer hierarchischen Gesellschaftsordnung“ gedient [32]. Seine Skepsis gegenüber der vorherrschenden Sicht der Forschung speist sich aus einer Untersuchung der vier Massenausweisungen von Kolonisten, Latinern und Fremden aus Rom zwischen 206 und 173 [C, Bürgerrechtsentzug oder Fremdenausweisung?]; die rechtshistorisch ausgerichtete Studie stellt auch lange gängige Annahmen zu bürgerrechtlichen Privilegien der Latiner in Frage. J. B vertrat die Ansicht, dass die im Begriff Bürgerrecht liegende Abstraktion bestimmter Rechte unabhängig von einer konkreten Person für die Frühzeit noch nicht denkbar gewesen sei [1.4: Verfassung, 22f.]. Doch wäre ohne eine gewisse Abstraktionsleistung die Aufnahme eines fremden Adelsgeschlechts wie der sabinischen Claudier in die römische Aristokratie (um 500) kaum denkbar gewesen – und noch weniger die Übertragung eines minderen Bürgerstatus auf eine ganze Gemeinde wie das etruskische Caere (frühes 4. Jahrhundert). Eine zweite Bedeutungsdimension von Bürgerrecht, die mit dem modernen Begriff civil rights umrissen werden kann, materialisierte sich v. a. in der gerichtlichen Entscheidung über Leib und Leben: Das Bürgerschaftsgericht (iudicium populi) galt den Römern M zufolge „als der rechte Ausdruck der souveränen Gewalt der Bürgerschaft“; das Verfahren sei aufgefasst worden „als Prüfung des magistratischen Spruchs durch eine höhere Autorität und Ausübung des Begnadigungsrechts der Gemeinde auch gegen den Willen der Magistratur“ [1.4: Staatsrecht III, 351; vgl. in diesem Sinne zuletzt 4.4: G, Die Rechtsprechung im alten Rom]. Der römischen Überlieferung zufolge soll das Recht eines römischen Bürgers, im Bereich domi gegen den Zugriff eines Beamten mit Zwangsgewalt, in erster Linie gegen eine Hinrichtung durch diesen, das versammelte Volk anzurufen und dort einen Prozess zu erhalten, in den Jahren 509, 449 und 300 jeweils durch eine lex Valeria verbrieft worden sein [Belege mit Kommentar: 1.6: F, Gesetze, 59–62, Nr. 6; 216–218, Nr. 30; 1.6: E, Gesetze, 98–103, Nr. 45]. Erweitert wurde dieses Schutzrecht Anfang des 2. Jahrhunderts durch eine wohl von Cato dem Älteren eingebrachte lex Porcia, die auch Prügelstrafen dem Appell an ein Gericht unterwarf, sowie später durch eine von C. Gracchus initiierte lex Sempronia de capi-
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te civis, die Todesurteile gegen Bürger durch Sondergerichte des Senats, wie sie 132 nach dem Sieg über Ti. Gracchus installiert worden waren, verbot. Gesamtdarstellungen legten B [provocatio] und L [Provocatio] vor. Die Forschung hat die beiden ersten valerischen Gesetze ganz überwiegend als unhistorische Rückprojektionen betrachtet; allein das dritte Gesetz habe im Rahmen der Beilegung des Ständekampfes einen plausiblen Platz [s. etwa 4.1: H, Zur Entwicklung des Imperiums, 878–900; B, Ursprung und Bedeutung der Provocation, 366–384; L, Provocatio, 226–238; H, Le tribunat de la plèbe et le tribunal du peuple]. Allerdings stößt diese ‚plebeische‘ Interpretation, in der das Provokationsrecht eng mit dem Schutzrecht der Volkstribune für bedrängte Plebeier und überhaupt mit dem ‚Ständekampf ‘ verbunden wird, auf die Schwierigkeit, dass in den Quellen stets von einem Anrufen des Gesamtvolkes (pr. ad populum), nicht der Plebsversammlung (ad plebem) die Rede ist und diese Unterscheidung von den antiken Autoren sonst immer beachtet wird [G, Volkstribunat und Volksgericht, 548–551]. Einen eingehenden und kritischen Forschungsüberblick bietet A. G [1.4: Les institutions, 173–178], um am Ende die ‚plebeische‘ Rekonstruktion zu verwerfen und die Provokation als Instrument der adligen (Selbst-)Kontrolle gegen Machtmissbrauch einzelner Magistrate zu deuten, was durchaus in die früheste Zeit passe. Zu den valerischen Gesetzen und dem bereits im Zwölftafelgesetz fixierten Privileg, dass über Leib und Leben eines Bürgers nur die gesamte Bürgerschaft urteilen dürfe (tab. 9.1–2 F), s. ausführlich T S [Leges Valeriae]. J. M [Die Provokation] konnte plausibel machten, dass die Provokation nichts mit einem vor- oder nachgelagerten Kapitalprozess zu tun hatte – das war Gegenstand einer höchst komplexen Debatte zwischen M, K und B gewesen [zusammengefasst ebd., 466– 469] –, sondern sich stets gegen eine magistratische Zwangsmaßnahme (coercitio) richtete. Das provoco führte zum Zusammentritt einer Tribusversammlung (concilium plebis oder comitia tributa), die eine politische Entscheidung über die Anwendung der Koerzition im konkreten Fall traf. Vor 300 habe sie als formloser Hilferuf eines Plebeiers einen Beschluss der plebs und damit ein Kräftemessen ausgelöst, während sie später, als Tribunat und Plebsversammlung reguläre Glieder der res publica darstellten, ebenfalls ein legaler Teil der gesamtstaatlichen Ordnung gewesen sei. In den spätrepublikanischen Auseinandersetzungen um Schutzrechte des Bürgers, libertas und populare Politik sei die Provokation als Thema wiederbelebt und in die Ständekampfzeit zurückprojiziert worden, während sie „im technischen Sinn in der späten Republik nur noch untergeordnete Bedeutung hatte“ [ebd., 489]. M. J [Geltung der Provocation] bietet eine prägnante Geltungsgeschichte von den Anfängen bis Sulla; er stellt den emphatischen antiken Bekundungen über die Bedeutung des Provokationsrechts die geringe Zahl überlieferter Fälle gegenüber und nennt
Ihr Anfang
Spätere Entwicklung
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Census und Bürgerzahlen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
als Erklärung, die Oberbeamten hätten vorwegnehmend ihr Verhalten angepasst und – statt eine coercitio zu vollziehen – in der Regel gleich einen Prozess in Gang gesetzt: Der „totale Sieg des Geltungsanspruchs der Provocation zeigt sich in ihrem praktischen Verschwinden“ [ebd., 59]. Zugleich memorierte man im Begriff der provocatio den stets möglichen massiven Konflikt zwischen Magistrat und Volk [ebd.]. J verweist damit implizit auf das erwähnte ‚republikanische‘ Politikmodell, bei dem im Bild der Vergangenheit „die zeitlosen Positivelemente der römischen res publica neben den erst in Konflikten erkämpften“ standen [ebd., 60]. Weil Freiheit in den Augen der Römer einst erstritten worden sei, konnte sie in der Gegenwart als gesichert gelten, was es erleichterte, die bestehenden Verhältnisse zu akzeptieren. In diesem Sinne gehörte die provocatio im römischen Denken fest sowohl ins konstitutive erste Jahr der Republik als auch in die Zeit der Neugründung des Gemeinwesens nach dem zweiten Decemvirat. Zu unterstreichen sei der „Konstruktcharakter der Geschichte und Bedeutung der republikanischen Provocation“ [ebd., 67]. Während die beiden früheren valerischen Gesetze unhistorisch seien, könne das (schwach belegte und offenbar nicht strittige) Provokationsgesetz von 300 als ein Resultat des Ausgleichs zwischen Patriziern und Plebeiern und Mittel zur „Vermeidung der Selbsthilfe durch Respektierung von Basisrechten der Bürger“ [ebd., 69] gedeutet werden. A [Citizenship, 149] beschreibt die Entwicklung des census treffend als Prozess „from a mere reckoning of potential men-at-arms to a mechanism for adjudicating questions of membership“. Was über den Vorgang selbst und seinen Umfang zu sagen ist, steht bei M [1.4: Staatsrecht II, 359–417] und N [World of the Citizen, 59–88]. Strittig ist, wann ein Census und die damit verbundene Einteilung der Bürgerschaft nach Wohnbezirken (tribus) und militärischer Leistungsfähigkeit – zunächst wohl nur in drei Gruppen: equites (Reiter), classis (zur Selbstausrüstung fähige Bürger) und Besitzlose (infra classem) – erstmals durchgeführt wurden. Die antiken Quellen nennen dafür einhellig den sechsten König der kanonischen Liste, Servius Tullius, was ein Teil der Forschung akzeptiert: C zufolge könne man auf der Basis der Quellen durchaus die Ansicht vertreten, „that Servius Tullius invented the idea of citizenship“ [2: Beginnings of Rome, 173; s. ferner 2: R, Tribus und Stadt, 296– 311]. Andere Gelehrte halten eine Datierung jedenfalls der entwickelten Centurienordnung in die Königszeit für ausgeschlossen und setzen diese in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts [E. M, Römischer Staat, 55 und 487f. Anm. 27]. J. B trennt strikt die reine Heereseinteilung in die genannten drei Gruppen, die durchaus in die Königszeit gehören können, und die politische Einteilung der Bürgerschaft nach Vermögenskategorien; die timokratische Struktur setze eine „innere Unruhe breiter Schichten voraus“ [1.1.1: Geschichte, 128]. Hinweise zur demographischen Forschung sind o. 3.4 zu finden; speziell die Zahl und Zusammensetzung
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der Einwohnerschaft der Stadt Rom diskutiert M [Population Size and Social Structure]. 4.3.2 Das Pathos der res publica: libertas, maiestas, concordia
Mit den drei im Überblick exemplarisch skizzierten Ausdrücken ist das Problem der sog. römischen Wertbegriffe angesprochen, die in der deutschen Lateinischen Philologie des 20. Jahrhunderts eine große Rolle gespielt haben. Der berechtigte Kern des Ansatzes liegt in der Frage, wie die Römer ‚wussten‘, was richtig war, wo man hingehörte, was von einem erwartet wurde und worauf man gemeinsam stolz sein konnte. Hier ist selbstverständlich auf die Sozialisation und Erziehung zu verweisen; dazu für die Aristokratie umfassend P. S [3.1: Den Vätern folgen]. Dingfest machen lässt sich dieses Wissen aber nur in Handlungen und Sprechakten [3.3: S, Vom Handeln, 48–55], die sich in den Quellen wiederum oft in bestimmten Schlüsselwörtern verdichtet und auf den Begriff gebracht finden. Hier setzte die philologische Forschung auf der Basis des Materials im „Thesaurus Linguae Latinae“ an; wegweisend waren die noch immer lesenswerten Studien von E. F und R. H. Aus einer lexikographisch basierten Geschichte der Begriffe entwickelte sich indes, ausgelöst auch durch politische und kulturelle Orientierungsbedürfnisse nach dem Ersten Weltkrieg, eine Suche nach dem eigentümlich ‚Römischen‘ bei den Römern [s. kritisch R, Römische Werte; repräsentative Sammlung: O, Römische Wertbegriffe; von dem Paradigma z. T. noch beeinflusst: T, Wertvorstellungen]. Versucht wurde, das kraftgebende ‚Wesen‘ des sog. Römertums in unveränderlichen oder dem Wandel zumindest widerstehenden Urgründen zu verankern (z. B. Geographie, bäuerliche Lebensform, Tradition, Familie); das führte zu einer bedenklichen Naturalisierung und Essentialisierung. Weil sich die vorausgesetzte einheitliche Existenzform der historischen Akteure (Volk oder Staat) in sprachlichen Kommunikationen ausdrückte, beanspruchte die Wertbegriffeforschung, näher am römischen Menschen zu sein als T. M mit seiner Fixierung auf ein rechtlich fundiertes System. Die Wertbegriffe wurden jedoch nicht als Reflexe politisch-sozialer Relationen in einer bestimmten Zeit verstanden, wie das die moderne begriffsgeschichtliche Forschung [1.7: B u. a., Geschichtliche Grundbegriffe (mit wenigen, knappen Einträgen zur Antike)] bzw. die Historische Semantik [1.7: M / S, Begriffsgeschichte und historische Semantik] tun, sondern sie galten als die im Handeln der Römer fassbaren Verdichtungen von überzeitlich geltenden Ideen. Nimmt man die zentralen Geltungs-, Relations- und Assoziationsbegriffe jedoch als Manifestationen von Aushandlungsprozessen und Definitionskämpfen, wie sie zumal bei Cicero, den Geschichtsschreibern sowie den frühen augusteischen Dichtern zu greifen sind, bieten sie Aufschlüsse über politische Konstellationen
‚Römische Wertbegriffe‘
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libertas
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
und historischen Wandel. In diesem Sinne ist die auf das Politische im weiteren Sinn blickende Studie von J. H’ [1.7: Vocabulaire] immer noch grundlegend; einen knappen Überblick bietet R. K [1.7: Values and Virtues]. Zuletzt hat M. P [1.4: La politica, 15–108] die politische Kultur der Republik als „sistema di valori“ unter den Stichworten Mentalität, Konzepte und Ideologien zu fassen gesucht, während V [1.4: Lo stato, 223–254] einen Katalog von zwölf republikanischen Werten skizziert. In einer Fallstudie erweist K.-J. H [Fides] fides als Ausdruck eines asymmetrischen, die Überlegenheit eines Partners voraussetzenden sozialen Verhältnisses. Auf die völkerrechtlichen Beziehungen angewandt war die in Recht, Ritual und Religion gleichermaßen verankerte fides ein idealer Ausdruck für die charakteristische, Handlungsund Erwartungssicherheit unterstützende Verbindung von Macht und Moral. Für libertas s. neben der klassischen Studie von C. W [Libertas] v. a. P. B [Libertas], der anders als B [Staatliche Ordnung] den römischen Freiheitsbegriff näher am griechischen Konzept der eleutheria und viel weniger durch Autorität oder Klientelbindungen eingeschränkt sieht. Neuerdings möchte V. A [Libertas] für die Späte Republik ein optimatisches (Teilung der Macht in einer gemischten Verfassung) und ein populares (Vormacht der Volksversammlung) libertas-Konzept unterscheiden und beide (kaum überzeugend) auf Rezeptionen griechischer Philosophie zurückführen. Zu den Libertas-Heiligtümern s. die Einträge bei S [1.6: LTUR 1, 133–135; 3, 188f.; 5, 229] und R [1.6: Dictionary, 41, 234]; zu den Münzsymbolen R [Libertas]. Die noch immer lesenswerten Studien von D [Maiestas] und G [Begriff Maiestas] hat D’A [Sensi e attribuzioni] weitergeführt. Demnach kennzeichnete maiestas im römischen Denken die sichtbare hierarchische Überlegenheit in allen relevanten Beziehungen (Götter / Menschen, Mann / Frau, Vater / Sohn, populus Romanus / andere Völker, Senat / einzelne Amtsträger); bezeichnenderweise gibt es kein genaues griechisches Äquivalent. Das crimen laesae oder minutae maiestatis [B, crimen maiestatis] umfasste mehr Deliktarten als die alte „landesfeindliche Handlung“ (perduellio), nämlich zusätzlich noch Umsturz der Verfassung, Verletzung der Beamten-, Priester und Bürgerpflicht insgesamt sowie Angriff auf einen Magistrat [4.4: M, Strafrecht 546–587]. Unsicher ist, ob bereits die lex Appuleia (103) oder erst Sullas lex Cornelia (81) dafür einen ständigen Gerichtshof etablierte. Zentrale Bedeutung für das Verständnis der republikanischen Ordnung generell hat die maiestas populi Romani bei G [1.4: Les institutions, 15–17, 179f.]. Der Idealbegriff concordia meinte zunächst die Eintracht zwischen Ranggleichen, etwa Magistraten; erst in den letzten Jahrzehnten der Republik wurde er auf die Bürgerschaft insgesamt erweitert [vgl. grundlegend A, Concordia]. M. N [1.7: Freiheit und Gewalt, Kap. III] sucht
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Ciceros concordia ordinum-Konzept mit guten Argumenten als Ausdruck einer exkludierenden Freund-Feind-Unterscheidung zu erweisen. Zu den teilweise nur literarisch belegten, in ihrer Historizität und Zeitstellung z. T. strittigen concordia-Heiligtümern s. die Einträge bei S [1.6: LTUR 1, 316–321] und R [1.6: Dictionary, 98–100]; zur personifizierten/deifizierten Concordia auf Denaren (erst ab 62!) C [1.6: RRC Nr. 415; 417; 429; 436; 494; 529]. 4.3.3 Versammelte Bürger und politische Teilhabe
Die politische Integration der breiten Bürgerschaft in die res publica wurde verschieden konzeptualisiert. Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert hinein war die Frage nach der Souveränität als dem genetisch wie systematisch letzten Grund der Legitimität obrigkeitlichen bzw. staatlichen Handelns hart umkämpft [s. 1.7: K / B, Souveränität]; das spiegelte sich in den Konzeptionen der politischen Ordnung der römischen Republik, deren Urgrund man entweder in einer ‚monarchischen‘ Gewalt (Königtum; starke Magistratur) oder in der Entscheidungsgewalt des Volkes suchte [s. 1.3: G, Magistratur oder Volk, mit dem Kommentar von E. B ebd., 462–475]. Man sollte nicht vorschnell die ganze Frage als ursprungsmythisch abtun oder den Souveränitätsbegriff für untauglich zur Analyse antiker Verhältnisse erklären. M [1.4: Staatsrecht] postulierte die im Text skizzierte theoretische Verschränkung beider Potenzen, wie sie dem konstitutionellen Denken der Zeit entsprach, stellte jedoch praktisch Magistratur und Amtsgewalt ins Zentrum seiner Konstruktion und benutzte das Konzept der Volkssouveränität als Legitimitätsgrundlage staatlichen Handelns v. a. deshalb, um alle Fragen nach der tatsächlichen Teilhabe des Volkes, die er als gering, verzerrt und wenig nützlich einschätzte, an den Rand schieben zu können (s. o. 1.3). Ms Darstellung des politisch verfassten Volkes hat M. J eingehend untersucht [1.3: Volksversammlungen in Mommsens Staatsrecht]. Forscher wie M. G [3.1: Nobilität] und J. B [1.4: Verfassung], die das politische System unter der Kontrolle der regierenden Nobilität sahen, betonten die Bindungen zwischen Aristokratie und Volk, die allerdings kein reines klienteles Macht- und Ungleichheitsverhältnis darstellten, sondern durch eine lebendige Praxis des Umgangs sowie gemeinsame Ideale, zumal libertas, immer wieder erneuert wurden. Demgegenüber erklärte R. S [3.1: Römische Revolution] die Integration für irrelevant, da das Volk unter dem ‚ehernen Gesetz der Oligarchie‘ (G. S) nur manipulierbares Spielmaterial der Elite gewesen sei. Für die Frage nach der Teilhabe des Volkes an der Politik gilt es, zunächst den formalen Rahmen zu berücksichtigen, also die technische Einteilung der Bürgerschaft – zu den Tribus s. o. 2. – sowie die verschiedenen Volksversammlungen. M behandelte deren Kompetenzen und
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Institutioneller Rahmen
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comitia tributa
Römische Demokratie?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
den Verlauf einer Abstimmung systematisch [1.4: Staatsrecht III, 300–419]. Grundlegend ist ferner die Monographie von L. R. T [Roman Voting Assemblies], die im späten 3. Jahrhundert einsetzt. Knappe und klare Orientierung bietet E. M [1.4: Römischer Staat, 48–60 u. passim]. Ursprüngliche Gestalt und Funktion der Curiatkomitien liegen weitgehend im Dunkel. T. C orientiert sich an der Überlieferung und will in ihnen eine im 7. Jahrhundert geschaffene, rationale Gliederung der Bürgerschaft nach griechischem Vorbild sehen [2: Beginnings of Rome, 114–118]. Die Kontroverse um das Alter der Centurienordnung in militärischer und politischer Hinsicht ist o. 4.3.1 zum Census skizziert. M behandelt im einschlägigen Kapitel die „Wehrpflicht und das Wehrstimmrecht der patricisch-plebejischen Gemeinde“ [1.4: Staatsrecht III, 240–299]. Militärische und politische Funktion der comitia centuriata erscheinen dort als Einheit, was aber für die Mittlere und Späte Republik in die Irre führt [1.4: L, Constitution, 56]. Die im Überblick (4.3.3) erwähnte, nicht leicht zu durchschauende Koppelung der timokratischen Centurienordnung an die lokale Tribusordnung in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts hat E. M auseinandergelegt [1.4: Römischer Staat, 88–91 mit 497–504 Anm. 92]. Diese Reform wird in den Quellen nicht ausdrücklich erwähnt, weswegen manche Gelehrte sie für eine Fiktion erklärten; z. B. D M [1.4: Storia II2 , 157–178]. G [Reform of the comitia centuriata] weist darauf hin, dass die Koppelung nur für die Erste Klasse eindeutig belegt ist. Ihr Sinn ist ebenfalls nicht klar. L [1.4: Constitution, 60] spricht von einer Rationalisierung, da nun die beiden wichtigsten abstimmenden Versammlungen nach demselben (territorialen) Prinzip gegliedert waren; damit spiegelte sich auch in Centurienversammlungen die Ausdehnung des römischen Bürgergebiets. Dadurch mochte die Reform auch Bürgern in weiter entfernten Landtribus ein relativ größeres Gewicht gegeben haben. H. M bilanziert die neueste Forschung zu dem Problem [1.4: Politics in the Roman Republic, 42–44] und meint, durch die Koppelung sei die Autorität der comitia centuriata und ihrer Beschlüsse gewachsen, da die Versammlung in ihrer alten Gestalt längst nicht mehr das ‚Volk in Waffen‘ darstellte. Die immer wieder einmal, zuletzt von K. S aufgebrachte Ansicht, es habe neben dem concilium plebis und den comitia centuriata gar keine nach Tribus organisierte patrizisch-plebeische Volksversammlung gegeben [Magistrates and Assemblies, 105–110], scheitert an den Gründen, die bereits M angeführt hat [1.4: Staatsrecht III 322f.; vgl. ., Römische Forschungen I, Berlin 1864, 155: Es gebe „wenige so allgemeine und wenige so folgenreiche Irrthümer wie die Vorstellung, dass Tribusbeschluss und Plebiscit wesentlich zusammenfallen“]. – Zu den contiones s. u. Die wissenschaftliche Diskussion über die Machtverteilung in der römischen Republik nahm Fahrt auf, als ab Mitte der 1980er-Jahre Gelehrte wie P. B, A. L und F. M Front machten gegen das von
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ihrem wissenschaftlichen ‚Übervater‘ R. S formulierte, aber auch die deutschsprachige Forschung prägende Oligarchie-Axiom (zitiert o. 1.3). Schützenhilfe erhielten sie von T. P. W, der in zahlreichen Einzelstudien eine populare Ideengeschichte der Republik entwarf; es habe „two rival ideologies, two mutually incompatible understandings of what the republic was“ gegeben [1.2: Remembering the Roman People, 9]. Den Resonanzraum dieses von der Elite getrennten Diskurses hätten literarische Werke gebildet, die keineswegs Sache einer kleinen Elite gewesen, vielmehr zur öffentlichen Performanz vor einem breiten Publikum geschaffen worden seien. Die Energie und Vitalität spätrepublikanischer Politik „stemmed from the determination of the Roman People to support ‚their‘ politicians against the arrogant aristocracy“ [1.5: The Roman audience, 93]. P. B hatte schon früher fundierte sozialgeschichtliche Gegenentwürfe zur herrschenden Lehre auf Feldern entwickelt, die dafür eine empirische Grundlage boten: Soldaten, stadtrömische Unterschichten und soziale Konflikte [3.4: Beziehungen zwischen dem Heer und dem Land; 4.3.4: Der römische Mob; 3: Social Conflicts]; diese ergänzte er durch revisionistische Studien zur Klientel und zu libertas [1.2: Fall, 382–442 u. 281–350]. M griff demgegenüber mit Freude an Nonkonformismus und mit Widerwillen gegen (teutonische) Systematik und Komplexitätsbefunde auf die Analyse der römischen Ordnung in der Mittleren Republik durch Polybios zurück; dieser hatte ja mit dem Verweis auf die wählenden und abstimmenden Volksversammlungen ein starkes demokratisches Element in dem insgesamt als „Mischverfassung“ bezeichneten Verfassungsgefüge sehen wollen [1.5: W, Demokratische Verfassungselemente]. Während L es bei einer eher positivistischen Aufzählung von Fakten und Argumenten beließ [Democracy in the Middle Republic] und in seiner Gesamtdarstellung [1.4: Constitution] „the power of the people“ zurückhaltend erörtert [199–208], hat M seine These immer weiter radikalisiert: War anfangs noch von demokratischen Elementen oder Mustern und ihren Grenzen die Rede [1.2: Roman Republic, 132–142 (erstmals 1984)], hieß es später [ebd., 165 (erstmals 1995)]: „Using ‚democracy‘ in a strictly neutral sense (!), it is undeniable that the constitution of the Roman Republic was that of a direct democracy.“ Nach mehreren Aufsätzen [vereint in 1.2: Roman Republic, 85–182] hat M sein Bild abschließend in einer Monographie zusammengefasst [Crowd in the Late Republic] – und danach weder auf die Kritik an seiner These reagiert, noch sich überhaupt an der weiter anschwellenden Debatte beteiligt [zu Ms Radikalisierung s. M-M, Mass Oratory, 7 Anm. 32]. Der Streit wurde also im strengen Sinn keiner – und hat die Forschung gleichwohl ein gutes Stück vorangebracht. Die ihm zugrundeliegende Figuration ist für die Frage nach der römisch-republikanischen Ordnung insgesamt von hohem Interesse. Bereits vor mehr als fünf Jahrzehnten hat A. H sie pointiert umrissen [1.7: Herrschaft und Freiheit, 473f.]:
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Kritik und Bilanzen
Übergreifende Studien
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Institutionell habe die Verfassung der Republik etwa dem entsprochen, was man in Griechenland eine gemäßigte Demokratie genannt hätte, also eine Demokratie ohne die extremen Merkmale wie das Losverfahren oder das Diätensystem. Trotzdem sei Rom eben keine Demokratie gewesen, und das, obwohl die Institutionen für sich betrachtet gerade in die Richtung dieser Herrschaftsform gewiesen hätten. Die Republik sei aber gerade durch ein „Auseinanderfallen von formeller und realer Verfassung“ gekennzeichnet gewesen, in der die formellen Normen keineswegs über die gesamte Wirklichkeit Auskunft geben. „Die formelle Verfassung gibt sich zwar als moderierte Demokratie zu erkennen, doch die politischsoziale Wirklichkeit erweist sich eindeutig als Aristokratie; wenn es je eine Aristokratie gegeben hat, dann war es die der römischen Republik.“ Zweifellos legte M seiner Etikettierung einen allzu formalistischen Verfassungs-, Demokratie- und (Volks-)Souveränitätsbegriff zugrunde. Zwar konnte das Volk in der Tat über alle politischen Fragen entscheiden, Gesetze verabschieden, und es bestimmte alle wichtigen Amtsträger in freien Wahlen. Es konnte in kollektiven Aktionen auch Druck aufbauen, seine Erwartungen und Präferenzen deutlich artikulieren. Doch es war andererseits völlig abhängig von der Initiative eines Magistrats, und die Konstruktion der Stimmkörperschaften brachte das Votum eines einzelnen Bürgers beinahe zum Verschwinden, wobei ohnehin in der Späten Republik allenfalls einer oder zwei von hundert Berechtigten tatsächlich an einer Volksversammlung teilnehmen konnten und viele Entscheidungen die breite Bürgerschaft überhaupt nicht interessierten. In seiner Bilanz gestand M zu, man könnte durchaus zögern „to allow the name of democracy to a system whose structural weaknesses and contradictions were so profound“ [Crowd in the Late Republic, 225]. Eingehende und weiterführende Kritik an der Demokratie-These hat v. a. K.-J. H vorgetragen und dabei mit Recht darauf hingewiesen, dass M und andere ‚Revisionisten‘ nicht selten die ältere, zumal deutsche Forschung höchst selektiv und verzerrend präsentierten [aus den zahlreichen Titeln seien hier nur genannt: The Roman Republic: Government of the People, by the People, for the People?; ., 1.3: Rekonstruktionen, 9–15, 73–84 u. passim]. Vgl. als weitere (z. T. vorläufige) Bilanzen J, Zur Debatte um die Rolle des Volkes in der römischen Politik, in 1.2: ., Demokratie in Rom?, 1–9; 1.3: ., Methods, Models, and Historiography, 14–25] sowie T [Roman Democracy?]. Die in der Diskussion meist implizit bleibenden Wert- und Gegenwartsfragen skizziert treffend Y [Popular Power, 383–385]; zu den einzelnen Sachgegenständen (Wahlen, Gesetzgebung usw.) s. u. Das neue Interesse hat sich bald in monographischen Studien niedergeschlagen, die das Feld zunächst ausmaßen und einzelne Gesichtspunkte beleuchteten; dazu zählte in erster Linie die Kommunikation in all ihren Dimensionen: Reden, Rituale und Symbole sowie Orte und Anlässe. Zu
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nennen sind die Bücher von C. D [Politische Agitation und Öffentlichkeit], G. L [Populo et scaenae serviendum est] und H. M [Plebs and Politics], der die politische Partizipation der untersuchten Gruppe am Ende freilich eher gering veranschlagt. In diese Richtung geht auch C. T [Politische Öffentlichkeit statt Mitbestimmung?]. A. Y hat als Ergebnis der vielfältigen Bemühungen treffend festgestellt [Political Culture and the People’s Role, 284]: „The older oligarchic model of Republican politics is thus increasingly giving way to a more flexible and sophisticated one which attributes the power of the elite mainly to its ability to shape, rather than ignore or frustrate, the popular will. The ‚democratic‘ challenge to the traditional oligarchic model has succeeded to the extent of placing the people and their role at the centre of the debate on Republican politics. This role, however, is often seen as strengthening rather than undermining a fundamentally oligarchic political system.“ Eine gute Einführung in den ganzen Problemkomplex der Teilhabe des ‚Volkes‘ mit weiteren Perspektiven bietet J [Politische Partizipation]. Bei aller Kritik an M besteht in der Tat darin Einigkeit, dass maßgeblich durch seinen Anstoß die politische Praxis in Rom sowie im besonderen die Rolle des Volkes heute weit besser durchleuchtet sind als vor 25 Jahren und dass „any valid assessment of the Roman Republic must take account of the power of the crowd“ [M, Crowd, 225]. Den Anfang setzten die stimulierenden Beiträge von M. J, K.-J. H und E. F [in 1.2: J, Demokratie in Rom?]. Die Forschungen zur politischen Kultur gehen das Problem umfassend an. Betont wird nunmehr nicht allein, dass die Politik in Rom in hohem Maße öffentlich war, dass sich die Aristokratie vollständig auf die res publica ausrichtete, intensiv mit dem Volk kommunizierte, ihm ihre Reverenz erwies, immer wieder den Konsens zu demonstrieren suchte und nicht zuletzt die interne Rangzuweisung durch die Wahlen dem Volk überließ, während die Option einer exklusiv-oligarchischen Selbstergänzung des Senats nie in Erwägung gezogen wurde. Die starre Alternative „Aristokratie/Oligarchie“ oder „Demokratie“ führe auch deshalb in die Irre, weil der herrschende Adel und das versammelte Volk ihre Verschränkung und damit die Mischung aus hierarchischen und egalitären Momenten politisch, symbolisch und rituell in beinahe jeder Konstellation neu miteinander aushandelten. Zwar „akzeptierten die beherrschten Bürger grundsätzlich die oligarchische Herrschaft und stellten ihre politische Form bis in die fünfziger Jahre des ersten Jahrhunderts v. Chr. nicht in Frage“, so E. F [1.2: Ritualisierte Politik, 213]. Doch das habe nicht bedeutet, dass die Aristokratie entschied und das Volk gehorchte. Dessen Gehorsam sei in den konkreten politischen Situationen davon abhängig gewesen, wie zustimmungsfähig die Politik der Aristokratie war [ebd.]. Verfolgte die Plebs jedoch ein Ziel energisch und war sie darüber hinaus bereit, den Gehorsam aufzukündigen, so der Extremfall, „wich die Oligarchie in aller Regel zurück“ [ebd., 187]. Insgesamt seien das
Adel und Volk verschränkt in der politischen Kultur
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Verschlechterung der Elite-VolkBeziehungen
Republikanischer Caesarismus
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Engagement und die Stärke des Volkes in den Kämpfen mit der herrschenden Klasse „hochgradig themenabhängig“ gewesen. Den kommunikativen Modus der Aristokratie in den Begegnungen mit dem einfachen Bürger wie mit dem versammelten Volk hat M. J in fruchtbarer Weise mit dem Begriff Jovialität charakterisiert [Jovialität und Freiheit]. In diesem Verhaltensmodell verzichtete der Mächtige darauf, seine tatsächliche und allen stets bewusste Überlegenheit auszuspielen, sondern zeigte Respekt. Wurde dieser demonstrativ und brüskierend verweigert, konnte das den devianten Aristokraten sein Ansehen kosten, ja konnte der Konsens vom Volk durch Rüge- und Gewaltakte aufgekündigt werden. Die sozialen Rangunterschiede „wurden im eingehegten Ritual der Volksversammlungen durch Symbole des Respekts überbrückt, indem etwa libertas häufig verbalisiert, noch regelmäßiger aber mit dem jovialen Habitus der Senatoren evoziert wurde“ [ebd., 226]. Selbst Konsuln und etablierte Konsulare legten tunlichst Wert auf ihr Bild in der öffentlichen Meinung; auch für sie war die Interaktion mit der stadtrömischen Bevölkerung in hohem Maße ergebnisoffen. In diesem Sinne analysiert A. Y die Formen, in denen Konsulare dem populus begegneten, und skizziert als Kommunikationsform die duplicatio, eine Form der Selbsterniedrigung, durch die sich der höhergestellte Amtsträger Unterstützung und Anerkennung sichern konnte [Aristocratic Competition and the People’s Judgment]. Auf „tiefgreifende Wandlungsprozesse der contiones“ verweist mit Recht C. T [Politische Öffentlichkeit statt Mitbestimmung?, 65]: In der Mittleren Republik hätten nicht zuletzt materielle Gewinne, die relativ breit gestreut wurden, die Legitimität der Nobilitätsherrschaft beim breiten Volk gestützt. Die nobilitäre Rhetorik sei akzeptiert worden, weil sie sich in hohem Maße mit dem Erfahrungshorizont der Zuhörer deckte; sie habe „ihre Sinnaufladungen durch die Verheißungen patronalen Leistungsaustauschs“ erfahren [ebd., 53]. Spätestens mit dem Wirken der Gracchen „scheiterte aber die Strategie, die politische Öffentlichkeit ausschließlich auf nobilitätsrelevante Themen der Außenpolitik zu beschränken, für die eine gesamtstaatliche Relevanz behauptet wurde“ [ebd., 55]. Die contio in der Späten Republik sei immer öfter zum Instrument einzelner Politiker geworden, um gegen die Senatsmehrheit neue (innenpolitische) Themen zu setzen, neue Formierungen zu bilden und das Senatsregime anzugreifen. Gegen die bei T durchscheinende Unterscheidung einer ‚harmonischeren‘ Mittleren Republik von einer konflikthaften Spätphase erhebt Y Einspruch [Political Culture and the People’s Role, 290], doch eine qualitative Veränderung ist nicht zu bestreiten, und auch T sieht das Jahr 133 nicht als scharfen Schnitt. Ms positiv akzentuiertes Konstrukt einer Demokratie und generell das Postulat einer ‚popularen‘ Option des Politischen in der römischen Republik blenden aus, dass beide wegen der institutionellen Rahmenbedingungen auf eine spezifische Form von Monarchie zulaufen mussten,
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da sich der Wille des Volkes nur über die Figur eines Anführers – meist mit magistratischen Befugnissen – bilden konnte. Als der Senat das Gemeinwohl nur noch zu vertreten behauptete, dies aber kaum mehr durch Leistungen und Kommunikation zu bestätigen bereit und in der Lage war [6: U-S, Legitimitätsverlust], bildete sich eine ‚leader and masses‘-Konstellation, in der einzelne Aristokraten direkt auf das Volk zuzugreifen suchten. V konstatiert in diesem Sinn einen „shift in the patron-client relationship to a relationship between leader and public clientele“ [Popular Leadership, 171]. Sein Buch bietet eine Strukturanalyse dieses Wandels des Politischen, gegliedert nach den Stichworten „leadership“, „participation“, „mobilization“, „collective behavior“ und „politics“. Der Anhang bietet für den Untersuchungszeitraum (80–50) u. a. eine Prosopographie von „assistant leaders“ sowie eine wertvolle kommentierte Liste aller belegten Fälle von „collective behavior“, definiert als Handlung einer größeren Gruppe versammelter Menschen. Zum Phänomen der Gewalt in diesem Zusammenhang s. u. 6.4. Für die Prozeduren bei Wahlen und Abstimmungen bildet nach wie vor die Darstellung bei M den besten Ausgangspunkt [1.4: Staatsrecht III, 369–419]. Für eine Untersuchung kommen wegen der Quellenlage eigentlich nur die Konsulwahlen in Frage. Hinsichtlich der Verfahren mit und in den Stimmkörperschaften, die im Detail durchaus nicht klar sind, bleibt T wichtig [Roman Voting Assemblies, Kap. III–V]. Einen einführenden Überblick gibt U [Wahlkampf]. Die in der sog. ‚Faktionentheorie‘ (s. o. 1.3) gängige Annahme, der obermagistratische Wahlleiter (Konsul, Prätor, Dictator) habe das Ergebnis maßgeblich beeinflussen können, konnte R. R widerlegen [Einfluß des Wahlleiters]. Flankierend suchte B. L [Professio] zu zeigen, dass die Anmeldung einer Kandidatur beim Wahlleiter zunächst nicht obligatorisch war, sondern dieses erst kurz vor 60 wurde. Wie viel dieser tatsächlich zu bewirken vermochte, ergab sich in einem Spannungsfeld von regulärer Kompetenz und situativer Ausnahme sowie „nach Kräfteverhältnissen, die eine große Variationsbreite aufweisen konnten“ [R, Einfluß des Wahleiters, 173]. Bei diffusen Bewerberfeldern hatte offenbar die centuria praerogativa erheblichen Einfluss auf den Wahlausgang; die Gründe dafür diskutiert M. J [Wirkungsweise und Bedeutung der centuria praerogativa]. Auf sie und generell die Wähler mit schwachen Präferenzen für bestimmte Bewerber zielten offenbar auch die in der Späten Republik ausgegebenen Bestechungszahlungen [L, Electoral Bribery; 6: R L, Corruption, 49–85]. Die Studie von A. Y kann als Überprüfung von Ms Anstößen gelesen werden [Elections and Electioneering]. Sie geht von der Beobachtung aus, dass die Wahlen durchaus nicht schon vor der Abstimmung quasi entschieden waren, sondern es oft Überraschungen gab – geschuldet der erheblichen Bedeutung und dem ‚Eigen-Sinn‘ der teilnehmenden Bürger. In den für die Wahlen der Imperiumträger
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Wahlleiter
praerogativa centuria
Millars Anstoß
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Beteiligung
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zuständigen comitia centuriata gab es zwar ein soziales Gefälle, aber dessen Auswirkungen seien nicht leicht zu bestimmen. Wenn die oberen Censusklassen überdies unterschiedliche Präferenzen verfolgt hätten, seien auch die Centurien der weniger wohlhabenden Bürger zum Zuge gekommen. Die schriftliche Abstimmung (seit den 130er-Jahren, s. u.) sei eine Voraussetzung für eine relativ freie, jedenfalls nicht von Klientelpflichten festgelegte Entscheidung gewesen; andernfalls wären die für die ausgehende Republik bezeugten, z. T. enormen Bestechungsgelder ins Leere gelaufen. Insgesamt sei das politische System der Republik für lange Zeit ein lebendiges Interagieren von Regierenden und Wählern gewesen; zerbrochen sei es nicht zuletzt gerade daran, dass immer größere Teile der Bürgerschaft von dieser intensiven Integration faktisch ausgeschlossen gewesen seien, weil sie nicht an den Wahlen und Abstimmungen teilnehmen konnten – sie orientierten sich dann anders. Die Frage, wie viele und welche Bürger sich tatsächlich an Wahlen und Abstimmungen beteiligten, ist unter demokratietheoretischem Gesichtspunkt wichtig. Mit Recht konstatiert M. J, dass „for any assessment of political participation in Rome, two aspects are crucial: scale and representivity“ [Who Attended Roman Assemblies?, 223]. Die Frage hat eine technische Dimension; so nahm M für die Wahlen auf dem Marsfeld den verfügbaren Raum sowie die vermutliche Dauer der komplizierten Stimmabgaben in den Blick und kam überschlägig auf maximal 30 000 Teilnehmer [Plebs and Politics, 18–37]; dagegen hält P [Voter Turnout] es für möglich, dass wegen der konsekutiven Stimmabgabe in den comitia centuriata auf den ganzen Tag gerechnet eine höhere Zahl von Bürgern abstimmen konnte. Das Gros der Zuhörer der contiones identifiziert J als „plebeians living in the Forum area for whom this form of participation became a part of their life style“ [Who Attended Roman Assemblies?, 232]. Unabhängig von diesen Überlegungen leuchtet der allgemeine Zusammenhang ein, den Y [Political Culture and the People’s Role, 283] formuliert: In der Späten Republik ignorierte das Volk nicht selten gerade bei Abstimmungen über Gesetze den Willen der senatorischen Elite und machte damit das System „as a whole more ‚popular‘“. Zugleich aber konnte sich wegen der stark gewachsenen Bürgerzahl sowohl in Rom als auch in Italien nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Stimmberechtigten tatsächlich beteiligen, so dass die comitia und das System insgesamt weniger ‚demokratisch‘ waren als zuvor. J kommt zu dem Ergebnis, dass selbst bei umkämpften Konsulwahlen kaum mehr als ein Prozent der Stimmberechtigten auf dem Marsfeld erschien [Who Attended Roman Assemblies, 225]; mit knapp zwei Prozent in der gleichen Größenordnung liegt MM [How Many Romans Voted?]. Noch kleiner war der Radius der zuletzt so vielbeschworenen contiones (5.4), aber sie erfüllten dennoch eine wichtige Funktion: „Roman senators needed a body of resonance which produced consent, and the Forum inha-
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bitants needed the feeling of being important, asked for and relevant.“ So seien in einer kleinen Welt kommunikativer Rituale auf dem Forum alle Beteiligten zufrieden gewesen [J, Who Attended Roman Assemblies, 234]. Strittig ist, ob und in welchem Maße die Wahlentscheidung von politischen Sachfragen bestimmt werden konnte. So sucht Y [Elections and Electioneering, 148–183] an Beispielen aus der Zeit nach 133 aufzuzeigen, dass inhaltliche Akzentunterschiede durchaus eine Rolle spielen konnten – die Depolitisierung der Wahlen sei in der jüngeren Forschung zu weit gegangen. Demgegenüber schließt J nicht zuletzt aus der offenbar oft weichenstellenden Bedeutung der praerogativa centuria (s. o.), dass viele Wähler wenig über die Kandidaten wussten und wenn überhaupt nur schwache Präferenzen in die Versammlung mitbrachten. Man wird hier sicher auch danach differenzieren müssen, ob es um Konsuln oder um Quästoren ging und ob prominente oder wenig profilierte Bewerber zur Wahl standen. Unabhängig davon konnte J in mehreren Aufsätzen schlüssig darlegen, dass die Wahlen über ihren unmittelbaren und praktischen Zweck, die Magistrate für das nächste Jahr zu bestimmen, hinaus höchst wichtig für die rituelle Integration der Bürgerschaft waren. Für die Wahlen wie für die Abstimmungen insgesamt galt, „dass es im Normalfalle eher die symbolischen Gewinne waren, die den Reiz des Volksversammlungsbesuches ausmachten“ [J, Politische Partizipation, 121]. Aus dieser Funktion erklärten sich auch der hohe technische Aufwand und die Länge der Wahlprozedur [J, Integrationsrituale in der römischen Republik; ., Die Dominanz des Vorgangs über den Ausgang]. Warum das Prinzip der im jeweiligen Ausgang so unberechenbaren Volkswahl auch für die Aristokratie schlechthin unentbehrlich war, erläutert schlüssig K.-J. H [1.3: Rekonstruktion, 85–92] und greift dabei auf die Soziologie der Konkurrenz von G. S zurück: In der Konstellation von Konkurrenz ringen die Beteiligten nicht unmittelbar miteinander, sondern um die Anerkennung ihrer Leistungen und Aussichten bei einer dritten Instanz, in diesem Fall der wählenden Bürgerschaft, und nur auf dieser von allen anerkannten Grundlage sei „der Ausgang dieses Verfahrens und vor allem auch das Verfahren selbst auch für die Verlierer akzeptabel“ [ebd., 90]. Gegen M wird betont, dass Institutionen und Verfahren der Partizipation der Bürgerschaft, comitia und contiones, Wahlen und Gesetzgebung, Öffentlichkeit der Politik und permanente Präsenz sowie Sichtbarkeit und Aktivität der politischen Klasse im öffentlichen Raum keineswegs nur in einem ‚demokratischen‘ Kontext denkbar seien; vielmehr seien die Medien und Formen einer hierarchischen Kommunikation zwischen Oben und Unten die strukturell notwendige Bedingung einer aristokratisch geprägten politischen Kultur gewesen, in der das institutionalisierte Volk „eine zentrale Rolle bei der Konstitution und Reproduktion der ‚Aristokratie‘ als politischer Klasse zu erfüllen“ gehabt habe [ebd., 89].
Funktionen der Wahlen
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204 Die Chancen der Kandidaten
Schriftliche Stimmabgabe
Unerlaubte Wahlkampfpraktiken
Gesetzgebung
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Wie die Zusammenstellungen von E [Candidates and Competition] belegen, gab es in allen Jahren, zu denen wir entsprechende Angaben besitzen, mehr als zwei Bewerber um das Konsulat, manchmal bis zu sieben. Die Forschung hat diese unterlegenen Kandidaten prosopographisch untersucht sowie gefragt, wie viele Anläufe möglich und üblich waren [vgl. B, Candidates Defeated, dazu R. R, Gnomon 66, 1994, 702–705]; Ergänzungen listen K [Notes on Roman Also-Rans] und F [Some More „Also-rans“] auf. P P [Veteres candidati] bietet eine kumulierte Liste und zeigt an Beispielen, dass eine Wahlniederlage eine weitere, z. T. glänzende Karriere oft nur verzögerte, nicht verhinderte. Für die wenigen Fälle, in denen die Quellen Aussagen darüber erlauben, wie weit in den Centurien nach unten ‚durchgestimmt‘ werden musste, d. h. wie knapp eine Wahl ausging, s. R [Knappe Mehrheiten]. Der nicht unwichtigen Frage nach den Erfolgsaussichten für patrizische bzw. plebeische Bewerber ist B [Chancenverteilung] nachgegangen. Demnach hatten nach 367 zunächst Patrizier die besseren Chancen; das änderte sich mit der faktischen Differenzierung in eine ‚patrizische‘ und eine ‚plebeische‘ Konsulstelle. Im 3. Jahrhundert mag es eine Gleichverteilung gegeben haben, bis sich mit der Vermehrung der Prätorenstellen und einer Majorisierung der Prätur durch die Plebeier die Wahlchancen aufgrund der höheren Zahl plebeischer Bewerber wieder zu Lasten von diesen verschoben. Erst in der Späten Republik, als zwei plebeische Konsuln zur Regel wurden, habe sich das Blatt gegen die (freilich ohnehin zahlenmäßig geschrumpften) Patrizier gewendet. Die in ihren Intentionen und Folgen unklaren sog. leges tabellariae [1.6: E, Gesetze, 440f., Nr. 212 u. 443–445, Nr. 214] hat J [Geheime Abstimmung] als eher konservative Maßnahmen zum Schutz des Patronagesystems gedeutet: Die unvermeidbaren Überlagerungen von Bindungen seien so wenigstens unsichtbar geblieben. Demgegenüber räumt C. L ein [Geheim(nisvoll)e Abstimmung], dass über Gründe, Nutznießer und Entstehungskontexte der Tabellargesetze keine tragfähigen Aussagen möglich sind; weitreichende Einflüsse auf die Abstimmungen in den Volksversammlungen dürften sich aus ihnen nicht ergeben haben. Großes Interesse der Forschung haben die Versuche der Nobilität gefunden, aus dem breiten Tableau von gängigen Mitteln des Kampfes um Stimmen einige als unerlaubt auszugrenzen und durch Gesetze de ambitu [3.1: B, Money, Power, and Class Coherence (für das frühe 2. Jahrhundert); F, La legislation de ambitu (für die nachsullanische Zeit)] mit Strafe zu belegen [zur Sache s. B, Procuring an Election; J, Die Beeinflussung von Entscheidungen durch „Bestechung“; W, Patronale Wohltaten oder kriminelle Mobilisierung?]. Die wesentlichen äußeren Tatsachen des Gesetzgebungsverfahrens skizziert B [1.4: Verfassung, 127]; für eine ausführliche Rekonstruktion s. F [L’iter legis]. Grundlegend bleibt die (freilich nicht leicht
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zugängliche) Studie von J. B [Lex Publica]. Der Gelehrte fragt nach der Bedeutung des Gesetzesrechts in der Geschichte der Republik im größeren Zusammenhang von ius und sozialer Ordnung. Er untersucht die Entwicklung des (normativen) Volksbeschlusses bis zum Ausgang des Ständekampfes, gibt dann eine systematisch angelegte Übersicht über die Gesetzesmaterien vom 3. Jahrhundert bis zum Ende der Republik und behandelt – nach einer ausführlichen Analyse der Gesetze der Hohen und Späten Republik nach Form, Inhalt, Willensträgern und Funktion – abschließend wieder eine Entwicklung, nämlich die „Krise des Gesetzesgedankens in der späten Republik“. Der umfangreiche Tagungsband, den J.-L. F im Kontext eines Forschungsprojektes zur Sammlung und Kommentierung aller Zeugnisse römischer Gesetze herausgegeben hat [Leges publicae], enthält auch Aufsätze zu verschiedenen Gesetzesmaterien sowie zur Stellung von Gesetzen im Ensemble der Quellen des Rechts insgesamt. Für den Stand der Forschung und verschiedene Probleme – darunter das Verhältnis der Gesetze zu Regeln und Normen oder die Interpretation der Gesetzgebung als Ausdrucksseite der politischen Kultur – muss hier auf die Einleitung in dem vom Verfasser herausgegebenen, in seinen Zielen wesentlich begrenzteren Sammelband sowie auf den darin enthaltenen Aufsatz von C. L verwiesen werden [1.2: W, Gesetzgebung, 9–30; 6: L, Gesetze und die Grenzen ihrer Geltung]. Ihre politische Ventilfunktion konnte die Gesetzgebung nicht mehr erfüllen, nachdem immer öfter Anträge nur noch unter Anwendung von Gewalt durchgesetzt werden konnten – oft deshalb, weil die ‚Gegenseite‘ den Gebrauch der legalen Verhinderungsmittel überzog [dazu 6: S, The Use of Force in Passing Legislation]. Die verfügbaren und in Arbeit befindlichen Sammlungen von leges publicae sind o. 1.6 genannt. Bedingt nicht zuletzt durch die verhältnismäßig gute Quellenlage sowie ihre performative und politische Dynamik finden die nicht-abstimmenden Versammlungen und die auf sie zugeschnittene Rhetorik seit geraumer Zeit großes Interesse in der Forschung. Der Perspektivwechsel ist hier besonders deutlich, da das Abhalten von contiones bei M nur sehr knapp als Teil der magistratischen Kompetenzen behandelt ist [1.4: Staatsrecht I, 197–200]. Der institutionengeschichtlich ausgerichtete Überblick von F. P P brachte diese Dimension der Sache auf den aktuellen Stand [Procedures and Functions of Civil and Military contiones]; auch die für die Gehorsamsmodalitäten aufschlussreichen, vorwiegend in der Geschichtsschreibung geschilderten militärischen Versammlungen sind dort berücksichtigt. R. F [Public Meetings] untersuchte, welche Merkmale die antiken Quellen nennen, damit von einer contio gesprochen werden kann; unsicher bleibe, ob nur ein Magistrat oder Priester eine solche abhalten durfte. In einer eher bilanzierenden Studie stellt D. H die doppelte Natur der contiones heraus: Diese inszenierten Eintracht zwischen Adel und Volk und führten so die res publica als res populi vor; sie
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contio-Rhetorik
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
seien aber auch Orte einer dezidiert autoritär-aristokratischen Konzeption des politischen Systems gewesen [Rôles institutionnel et politique de la contio]. Von einem anschaulichen Beispielfall ausgehend untersucht M. J die kommunikativen Strukturen von Versammlungen dieser Art [Scaptius oder der kleine Mann in der großen Politik]. M-M [Mass Oratory] zeigt, wie sich in der contionalen Rhetorik ein Diskurs formte, es also nicht einfach um Information, Manipulation und Mobilisierung ging, sondern generell um das im gemeinsamen Raum der res publica Sagbare. Doch ist das von ihm bemühte H-Modell des herrschaftsfreien Diskurses in einer ‚idealen Sprechsituation‘ auf die contio sicher nicht anwendbar – zu groß war das hierarchische Gefälle zwischen Redner und Zuhörern. Generell problematisch erscheint in dem Buch das Nebeneinander einer eher ‚demokratischen‘ Konzeptualisierung der spätrepublikanischen politischen Kultur im ersten Teil und einer elitistischen im zweiten [s. H. M, JRS 95, 2005, 251f.]. Eine konsequent funktionale Einbettung der contiones in den politischen Prozess insgesamt proponierte unter dem Stichwort Konsensritual E. F (s. u.). Ausdrucksmittel der politischen Kommunikation in der contio waren vonseiten der Elite die Reden; die einschlägige Rhetorik wurde daher ebenfalls intensiv untersucht. Die Monographie von P P [Contra arma verbis] bietet im Anhang Aufstellungen aller magistratischen und nichtmagistratischen contio-Redner der Späten Republik. Neben den Reden wird auch das Gerücht als politische Waffen vorgestellt. P P bestimmt die contiones als „das Medium, in dem kollektive Aktionen und Mobilisierungen der plebs urbana zur Verfolgung konkreter politischer Ziele ins Leben gerufen wurden“ [172]. Grundlegend sind ferner die Studien von H [Oratoris maxima scaena; Concordia contionalis], Y [The People’s Voice and the Speakers’ Platform], der Sammelband von S / B [1.2: Commmunity and Communication] sowie die Studie von B [Oratory and Political Career]. Ein grundsätzliches Problem der Fixierung auf die Kommunikation und die politische Kultur ist allerdings in den meisten der hier genannten Arbeiten nicht zu übersehen: Die Inhaltsseite der Politik, die Gegenstände und Gravamina, werden oft nur gering gewichtet. Zu den Voraussetzungen politischer Mobilisierung gehörten aber wohl doch auch die konkreten Sachfelder: die Landfrage, die Behandlung der italischen Verbündeten, die Veteranenversorgung oder das fast alle Schichten phasenweise stark bedrückende Schuldenproblem. Wie viele Bürger waren von diesen Problemen betroffen? Welche Rolle spielten Existenzsicherung und Statuserhalt für die politische Aktivierbarkeit und Orientierung der plebs contionalis [der Ausdruck geprägt von 1.4: M, Res Publica Amissa, 114]? So muss M-M einräumen, dass die große Bedeutung von Öffentlichkeit und öffentlicher Rede „did not, in fact, make the political system more than minimally responsive to popular needs“ [Mass Oratory, 31].
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Die Deutung der Abstimmungen über Sachgegenstände als Konsensinszenierungen wurde v. a. von E. F vorgetragen [vgl. 1.2: Ritualisierte Politik, 155–180, wo 175f. die zehn gescheiterten Anträge aufgezählt sind, von denen wir wissen (davon keiner aus dem gut dokumentierten 1. Jahrhundert!)]. F streicht Einigkeit bzw. Dissens in der senatorischen Elite sowie die Bedeutung von Meinungsbildung und Präferenzstärke bei den Abstimmenden als Faktoren heraus und erklärt den Zusammenhang zwischen contiones und comitia so: Die abstimmenden Versammlungen „konnten nur als Konsensorgan funktionieren, weil die contiones wie ein politischer Filter wirkten: In ihnen wurde die erforderliche Zustimmung erst hergestellt; in ihnen zeigte sich, ob ein Konsens in keiner Weise zu erreichen war“ [ebd., 198]. In diesem Sinne hat F die contiones jüngst noch einmal analysiert [Den Konsens mit dem Volk herstellen] und dabei unter Rückgriff auf Kategorien der Politischen Anthropologie sowie im Vergleich zum demokratischen Athen gezeigt, wie in Rom die Zustimmung der Bürger zu Initiativen der Elite generiert und in den comitia formalisiert wurde. Die contiones waren dabei unentbehrlich, da in diesem Raum politischer Kommunikation der später Abstimmende überzeugt werden musste und zugleich abgeschätzt werden konnte, wie weit die Zustimmung des populus zum jeweiligen Antrag ging. Die Vorversammlungen seien daher nicht in ihrer formal-rechtlichen Bedeutungslosigkeit zu gewichten; vielmehr bildeten contio und Abstimmung eine Einheit. – Für den im Überblick genannten Fall einer zunächst verweigerten Zustimmung der Volksversammlung s. wiederum F [1.2: Ritualisierte Politik, 181–183] sowie F V [The Refusal of the Centuriate Assembly to Declare War on Macedon]. An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, ob nicht gerade der integrative Charakter der contiones mit ihrer Konsensrhetorik und ideologischen Geschlossenheit dazu beigetragen hat, dass überwiegend keine „kritische Distanz zu den Dingen“ [1.4: C. M, Res Publica Amissa, 298] entstehen konnte und keine „debatable alternatives“ [M-M, Mass Oratory, 286] entwickelt und vorgebracht wurden. Eine gefährliche Mischung wird hier erkennbar: eine Stabilität verheißende Konsensrhetorik im Modus zirkulärer Legitimation, ferner begrenzte und ritualisierte, in den alljährlichen Wahlen bilanzierte Nullsummenspiele um Einfluss und Prestige in der Elite sowie die Ausblendung der entscheidenden sachlichen und politischen Probleme aus dem Kreis des Sagbaren. So ist an R. S zu erinnern, der in der Revolution des Augustus auch einen Sieg der unpolitischen Klassen Italiens erkannte [3.1: Römische Revolution, 541] und damit implizit klarstellte, dass eine auf wenige Orte in der Stadt Rom beschränkte Rekonstruktion der politischen Kultur in der ausgehenden Republik nur den eingeengten Horizont vieler der damaligen Akteure reproduziert.
Abstimmungen als Konsensdemonstration?
Konsensrhetorik statt Problemlösung?
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
4.3.4 Politisches Leben außerhalb von contio und comitia Commentariolum petitionis
Plebs urbana
Ihre Normen und Werte
Die im Überblick genannte „kleine Schrift zur Wahlbewerbung“ wird in der Forschung oft herangezogen und viel diskutiert, gibt sie doch unabhängig von der strittigen Verfasser- und Kontextfrage wertvolle Einblicke in Strategie und Taktik eines politischen Aufsteigers und die für ihn relevanten Adressaten und Akteure [L, Klientelen und Wahlkampf; M-M, Publicity, Popularity and Patronage; zur Agenda des Textes A, The commentariolum petitionis as an Attack]. Einen eingehenden Kommentar kündigt J. T an. Die plebs urbana Roms darf nicht als uniforme, zugleich wankelmütige, nur an materieller Versorgung interessierte und leicht manipulierbare ‚Masse‘ vorgestellt werden, wie dies in Anlehnung an massenpsychologische Vorstellungen (G. L B; E. C) lange Zeit gängig war. Vielmehr konstituierte sie sich, wie C [La plèbe de Rome] zeigt, als Netzwerk aus lokalen Mikrokosmen. C rekonstruiert minutiös die Lebens- und Wertewelt der plebs media, die von der in völliger Prekarität existierenden plebs infima zu unterscheiden sei. Ihr Zusammenhalt und Selbstbewusstsein wurden durch Arbeit, eine spezifische Fest- und Versammlungskultur sowie kollektive politische Aktionen gefestigt. Die räumliche Konzentration, die soziale Binnenhierarchie innerhalb der plebs sowie deren ziemlich homogene Wertorientierung ermöglichten politisches Handeln ohne zentrale Führung von außen. Bedingt auch durch die sozial durchmischte Wohnstruktur imitierte ein Teil der plebs teilweise Verkehrsformen der Elite, während diese umgekehrt mitunter Tuchfühlung mit den ‚kleinen Leuten‘ suchte und gelegentlich im Umgang demonstrative ‚Leutseligkeit‘ pflegte [J, Jovialität]. C identifiziert in einem nützlichen Katalog 170 kollektive Aktionen der plebs bis zum Beginn des Prinzipats. Da die Zusammensetzung der Akteure und die jeweiligen Handlungsweisen dabei starke Unterschiede aufweisen, ist eine handliche Definition von plebs (urbana) kaum möglich – zumal schon Stellung und Rolle der Freigelassenen in diesem Kontext nur schwer zu bestimmen sind. Cs Studie, die auf eine politische Anthropologie der freien Bürger der Stadt Rom unterhalb von Senatoren und Rittern zielt, markiert einen Fortschritt gegenüber Arbeiten, die sich von vornherein auf die Späte Republik konzentrieren und wider eine elitenfixierte antike und moderne Historiographie eine Art ‚Ehrenrettung‘ der plebs anstreben [W, Mob; aus marxistischer Sicht: B. K, Die Plebs urbana der späten römischen Republik, Berlin 1991]. Gegen die gängige Sicht, ethische Normen und Handlungsmaximen seien von oben mehr oder minder in die unteren Schichten hinabdiffundiert, stellt R. K [Römer im Schatten] heraus, dass die Eliten und die gewöhnlichen Leute zwei nach Lebensumständen wie nach Werten und Normen sehr verschiedene Welten bewohnten. War das philosophische Denken der Oberschicht auf
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Ideale und Selbsterziehung ausgerichtet, herrschte weiter unten ein robuster Pragmatismus. Gemeinsam war freilich, die bestehenden Hierarchien zu akzeptieren und individuell auf gutes Gelingen zu setzen. H [Culture] skizziert luzide die kulturelle Integration und Selbstformierung der plebs. Vor diesem Hintergrund einer sozio-ökonomisch und in der alltäglichen Lebenswelt so heterogenen Gesellschaft gewinnen die Akte und Rituale politischer oder symbolischer Integration der Bürgerschaft umso größere Bedeutung. Wie die plebeischen Netzwerke, durch die politische Botschaften und Mobilisierungen jenseits der contio weitergetragen wurden – in die Stadtviertel (vici) Roms, aus dem Stadtzentrum aufs Land, aber auch in den Senat –, auf die Politik einwirken konnten, zeigt H. F [Beyond the Contio] am Beispiel des Tiberius Gracchus. In dieser neuartigen politischen Mobilisierung hätten Scipio Nasica und seine Gefolgsleute eine Gefahr gesehen, der nur durch Mord zu begegnen war. Die Vereine als Assoziationsform städtischer Mittel- und Unterschichten sind erst für die Kaiserzeit gut dokumentiert. Im Kontext der politischen Ordnung der Republik ist neben dem vereinsmäßig organisierten Bacchanalienkult zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. a. der im Überblick erwähnte Versuch von Clodius von Interesse, die collegia als eine neue, auch gewaltbereite Potenz in das politische Kräftespiel einzubringen [s. 6: L, Violence, 74–88; 6: W, Mob, 41–46; 6: N, Aufruhr und „Polizei“, 111–113; die Gegenmaßnahmen bespricht C, The collegia and Roman Law]. Die Studie von D [1.3: Römische Kollegien] identifiziert in der deutschsprachigen Forschung rechts-, gesellschafts- und kulturgeschichtliche Zugriffe; das Buch ist über weite Strecken zugleich eine detaillierte Forschungsgeschichte zur plebs urbana in der (Späten) Republik. Als einen „aufregenden Ort der Politik in der späten Republik“ markierte E. F das Theater [1.2: Ritualisierte Politik, 237–242, hier 242), denn dort habe die plebs in einem festlichen Rahmen und mit durchaus kreativen Mitteln Dissens artikulieren können. Anders als in den verschiedenen Volksversammlungen herrschte hier (trotz besonderer Sitze für Senatoren und Ritter) keine eherne Hierarchie zwischen dem agierenden Amtsträger und den Bürgern. Indem das Volk hier versammelt und ‚bei sich‘ war, ohne fremdbestimmt über Dinge entscheiden zu müssen, bildete das Theater einen politischen Raum eigener Art. Aussagekräftige Belege für die Wirkung von Gerüchten (rumores) in der Republik durchmustert L [Rumour and Communication]. C. R L zeigt am Fallbeispiel von Korruptionsfällen, dass „rumours and public opinion were an important component before, during, and after trials“ [Workings of public opinion, 209; ebd. 210 Anm. 35 auch die Belege für einen gewissen Tubulus, der sprichwörtlich wurde für eine korrupte Figur]. Das Standardwerk zur politisch konnotierten Gewalt in der Republik legte L vor 50 Jahren vor [6: Violence; dazu C. M, HZ 213, 1971,
Collegia
Theater als politischer Raum
Gerüchte und Straßengespräche
Gewalt als politische Artikulation
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
395–400]. Die im Überblick umrissene Akzentuierung habe ich in einem kleinen Aufsatz näher zu begründen gesucht [6: W, Gewalteruption in der späten Republik]. Zu den (bemerkenswert) wenigen politischen Morden s. die leider konzeptionell hilflose Zusammenstellung von S [6: Mord]. J.-M. D rekonstruiert (ausgehend von Cic. Sest. 77) ein Eskalationsparadigma der Gewalt in Volksversammlungen: Ein Konflikt zwischen Magistraten, oft über ein tribunizisches Veto, ist der unverzichtbare Ausgangspunkt; er evoziert Zurufe, die Versammlung spaltet sich, es kommt zu Gewaltakten. Doch richteten sich derartige kollektive Handlungen nicht gegen die Institutionen der res publica; die etablierte Rollenverteilung – der Magistrat agiert, die Versammlung reagiert – sei auch in den Gewaltereignissen erhalten geblieben [6: Les règles de la violence]. 4.4 Rechtswesen und Politik Juristische Romanistik und Althistorie
‚Privat‘ und ‚öffentlich‘
Der Siegeszug des römischen (Privat-)Rechts in der europäischen Rechtskultur seit dem Mittelalter hat einerseits bewirkt, dass die zugehörige antike Überlieferung intensiv durchgearbeitet wurde. Jedoch lag es für die anwendungsorientierte juristische Forschung in ihrem Bemühen, das antike römische Recht durch Systematisierung zu autonomisieren und zu ‚reinigen‘, vielfach nahe, seine historischen Kontexte entweder dogmatisch zu fixieren oder als störende Kontingenzfaktoren an den Rand zu schieben. Hierher gehört die unter juristischen Romanisten verbreitete Gegenüberstellung von (gutem) Recht und (schlechter) Rhetorik. In ihrer Periodisierung firmiert die Zeit der Republik als ‚archaisch‘ bzw. ‚vorklassisch‘. Andererseits hat sich die rechtsgeschichtliche Forschung stets intensiv um das historische Umfeld, die Akteure und Institutionen der Rechtspraxis sowie die Grundsätze der Rechtsprechung in einer zunächst noch ganz agrarischen, später jedoch zunehmend durch die Mobilisierung von Eigentum und Bindungen gekennzeichneten Gesellschaft bemüht. In diesem Sinn steht das magistrale Handbuch von F. W [Rechtsgeschichte] an der Spitze. Unter den einführenden Werken ist v. a. A. B [Römisches Privatrecht] zu nennen, der weniger auf die materielle Dimension des Rechts, sondern auf dessen Generierung im Prozess blickt. Kürzere orientierende Überblicke bieten J. B [Das römische Recht; s. 1.4: ., Verfassung, 141–151] und D. L [Rechtswesen], der das Recht als „Staatsaufgabe“ herausstellt. Allerdings waren in der Rechtspraxis ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ keine strikt getrennten Sphären. Die im Überblick erwähnte Verurteilung des (freilich nicht mehr in väterlicher Gewalt befindlichen) Sohnes von T. Manlius Torquatus berichtet Val. Max. 5,8,2 [zur häuslichen Kapitaljustiz s. 3.2: T, Vitae necisque potestas]. Zu nennen wären ferner Elemente der
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Selbsthilfe, die es auch in der entwickelten Rechtsordnung weiterhin gab [B, Römisches Privatrecht, 45–62]. Warum Mord nur in bestimmten Fällen als ein die res publica gefährdendes und daher von dieser zu verfolgendes Delikt angesehen wurde, erörtert J. G [Murder Was Not a Crime]; J. E [Strafprozeß] zeigt die hohe Verfahrensflexibilität des römischen Strafrechts gegenüber Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit, die als politisch galten. Wie eng verschränkt ius divinum, ius privatum und ius publicum sein konnten, zeigt A. M. S [Ius pontificium] für die Arrogation, eine sehr alte Rechtsform der Adoption. Diese Verschränkung dokumentiert auch das Senat¯us consultum de Bacchanalibus von 186 (ILS 18 = ILLRP 511) [P, Bacchanalia]. Mit Blick auf die politische Ordnung hat die Forschung die aristokratische Prägung des gesamten Rechtssystems betont. Sie galt für die Praxis sowohl des pater familias [3.2: K, Das Konsilium im Hausgericht] als auch der verschiedenen Magistrate, bei rechtlichen Fragen ein consilium hinzuzuziehen, was der Entscheidung zweifellos Gewicht und Akzeptanz zuwachsen ließ. Es galt ferner für die Akteure: für die Verteidiger vor Gericht, die ihre Rolle als eine patronale auffassten [D, Le patronat judiciaire], für die oft jungen Ankläger, die auf diesem Weg politisch auf sich aufmerksam zu machen suchten oder einer gesellschaftlich akzeptierten Rachepflicht nachkamen [T, Sich rächen auf dem Forum], und schließlich für die iuris prudentes, deren privatrechtliche Auskünfte und Gutachten bei Parteien und Gerichtsmagistraten hohes Gewicht hatten [K, Die römischen Juristen] und die auch zur Weiterentwicklung des Rechts beitrugen [L, Rechtsfortbildung]. Ungeklärt ist, in welchem Maß die juristische Tätigkeit Prestige und Einfluss generierte [s. B, Verfassungsvoraussetzungen, 276–279]. Wie sehr die Mechanismen der Schöpfung und Geltung von Recht in Rom zur Sphäre des Politischen gehörten, hat zuletzt J. K [Soziale Logik des Rechts] herausgestellt. Seine These freilich, in der Späten Republik seien „Verrechtlichung des sozialen Lebens und Institutionalisierung aristokratischer Macht . . . zwei Seiten einer Medaille“ gewesen (105), übersieht die Erosion eben dieser Macht: Gerade weil das Recht eine Funktion aristokratischer Herrschaftspraxis war, mussten der Legitimitätsverlust und die zunehmende Herrschaftsunfähigkeit der regierenden Klasse auch auf diesem Feld offensichtlich werden, nicht nur im öffentlichen Recht, zumal bei den Repetundenverfahren (o. 3.5), sondern auch in den privat-, v. a. vermögensrechtlichen Nachbeben der Herrschaft Sullas. K repolitisiert das römische Recht mit guten Gründen, verharmlost dabei aber die Probleme der politisch-juristischen Praxis. Wesentliche Schübe der Straf- und Verfahrensrechtsentwicklung erfolgten nicht zufällig durch Gesetzgebungen von Magistraten in quasi-monarchischer Position (Sulla, Caesar, auch Pompeius im Jahr 52). L [4.1: Tribuns de la plèbe, 361f.] greift eine Unterscheidung von A. S [Ius] auf, der idealtypisch dem
Recht als Domäne des Adels
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Rechtsdenken
Strafrecht
Politische Prozesse
Repetundenprozesse
Polizeijustiz?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
kontinuierlich angewandten und weiterentwickelten ius die Ordnung und Disziplinierung der Bürgerschaft durch den Adel zuwies, die situativ verabschiedete lex hingegen als Instrument des versammelten Volkes und der Amtsträger zur Weiterentwicklung des politischen Regelwerks der res publica verstehen wollte. Wie plausibel das ist, hängt davon ab, ob man das versammlungsleitende Amt als eine von der Zugehörigkeit seines Inhabers zur Aristokratie abstrahierbare Rolle sehen möchte. Zur Gesetzgebung als Rechtsquelle v. a. des öffentlichen Rechts s. o. 4.3.3. Die Intellektualisierung, die ab Mitte des 2. Jahrhunderts erkennbar in der römischen Oberschicht Platz griff, habe sich auch auf die Juristen ausgewirkt; so jedenfalls O. B in mehreren, weit ausgreifenden Studien [1.2: Zur römischen Verfassung]: Privatrecht und Verfassungsrecht müssten zusammengesehen werden, weil beide mittels philosophischkonzeptioneller Ideen fortentwickelt worden seien und das Privatrecht gerade im Gefüge starker Machtstrukturen eine hohe Eigenständigkeit erlangt habe. In den Schriften und der Praxis der römischen Juristen sieht B generell weit mehr als situativen Pragmatismus und tralatizische Handhabung des Gegebenen am Werk. Für das Strafrecht bildet nach wie vor M [Römisches Strafrecht] den Ausgangspunkt. Wichtige Modifikationen werden W. K [Untersuchungen; Quaestio; Prinzipien] verdankt; zusammenfassend C [Constitution]. Strittig ist, warum der Comitialprozess seit Mitte des 2. Jahrhunderts immer mehr von Quästionenverfahren abgelöst wurde, in denen Senatoren bzw. Ritter entschieden, von 70 bis 46 in Drittelparität mit den sogenannten Aerartribunen [zu Letzteren 3.1: N, L’ordre équestre, I, 598–610; 3.1: B, Cicero und die Ritter, 12–14; s. die Erwägungen von W. N, Geschworenengerichte]. Naturgemäß haben die oft spektakulären Prozesse des 2. und 1. Jahrhunderts gegen hochrangige Adlige die Forschung beschäftigt [s. M / U-S, Große Prozesse; A, Trials; B, Crime and Punishment; G, Roman Politics; zum Exil als der gängigen Folge einer Verurteilung s. K, History of Exile]. Zu den Verfahren wegen Amtsmissbrauchs und Erpressung durch Statthalter s. o. 3.5. J. P [Provincials, patrons, and repetundae] hat jüngst unterstrichen, dass diese vielbeachteten Prozesse weniger eine feste Burg für die Provinzialen, sondern einen Turnierplatz aristokratischer Konkurrenz darstellten; zugleich waren sie aber auch Orte, in denen Prinzipien und Praxis römischer Herrschaft Gegenstand eines öffentlichen Diskurses wurden. Unklar ist, ob es neben den Verfahren in Fällen bestrittener Beschuldigung auch noch eine ‚Polizeijustiz‘ der tresviri capitales (s. o. 4.1.5) gab, die sozial niedrig gestellte Personen bei evidenter oder eingestandener Schuld umstandslos aburteilten und bestraften. Im Hintergrund steht dabei die sozialgeschichtliche Frage, ob eine urbane Alltagskriminalität, der „kriminelle Bodensatz der Stadtbevölkerung, für dessen Bekämpfung das
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Quästionenverfahren viel zu umständlich“ war [K, Prinzipien, 13; ausführlich ., Untersuchungen, 71–79], so verbreitet war, dass den Tätern, selbst wenn sie Bürger waren, ihre Rechte vorenthalten wurden. Dagegen argumentiert N [6: Aufruhr und „Polizei“, 36–47]; vorsichtig L [6: Violence, 102–106]. Doch bleibt offen, warum praktisch keine Nachrichten über Quästionenprozesse wegen Mord und Gewalttaten gegen Angeklagte niederen Standes überliefert sind [C, Constitution, 501].
5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica Die ‚Wertewelt‘ des römischen Bauerntums, die tatsächlich die Ideologie der grundbesitzenden Oberschicht war, suchte (eher affirmativ und distanzlos) E. B aus den Begriffen labor, moderatio und pietas zu destillieren [4.3.2: Drei Grundwerte]. Noch nicht hell genug ausgeleuchtet wurde bislang der Zusammenhang zwischen der agrarischen Grundlage der römischen Gesellschaft und dem politischen Handeln. Zwar ist die monumentale Synthese von A. T über die Folgen des Hannibalkrieges für Italien (Hannibal’s Legacy, London 1965) längst durch neuere Forschungen zur Demographie und zum Wandel der agrarischen Eigentumsstruktur und Produktionsverhältnisse im 2. und 1. Jahrhundert überholt (s. o. 3.4). Zudem gibt es viele Arbeiten zu den agrarpolitischen Kontroversen und Ackergesetzen [s. 3.4: F, Agrargeschichte, 29–81] sowie den Vorstellungen und Normen, die sich den überlieferten landwirtschaftlichen Fachschriften von Cato bis Palladius entnehmen lassen [s. 1.5: W, Roman Agricultural Writers, und 1.5: D, Römische Agrarhandbücher; W. T [3.4: Hirten] handelt überwiegend von der technischen Seite der Landwirtschaft]. Doch fehlt eine Studie, die den politischen Stil der regierenden Aristokratie, die Mobilisierung von Interessen in der Ritterschaft sowie die ‚populare‘ Politik, soweit sie agrarpolitische Themen nach vorn brachte bzw. sich von diesen löste, vor dem Hintergrund der agrarischen Basis römischen Lebens sowie der tatsächlichen Veränderungen auf diesem Feld untersucht und zu einer Synthese verdichtet. Punktuelle Ansätze finden sich bei R [Aristocrats] sowie R [Agriculture]. Das Streben nach Landbesitz als Triebkraft der römischen Expansion stellt V. S [3.4: Storia agraria romana] heraus; D. G [3.5: Lands, Laws & Gods] behandelt die räumliche, rituelle und religiöse Dimension der römischen Kolonisations-, Assignations- und ager publicus-Politik. Zur Studie von S. R [Public Land] s. kritisch K. B, Gnomon 84, 2012, 229–234. Während in der deutsch-
Agrarische Lebenswelt und Politik
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Politische Kultur
Staat als prekäres Praxisprodukt?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
sprachigen Forschung die Nöte der kleinen Leute auf dem Land (plebs rustica) und später die Ansprüche der Veteranen auf Versorgung mit Land oft nur als Anlässe für dann im Kern politische Konflikte innerhalb der regierenden Klasse aufgefasst wurden, hat u. a. P. B die direkte Auswirkung der ökonomischen und sozialen Entwicklungen in der römischen Landwirtschaft auf die Politik unterstrichen [3.4: Beziehungen zwischen dem Heer und dem Land]. Der Begriff verweist nicht nur auf die Einbindung des politischen Systems in übergreifende kollektive oder gruppenbezogene Praktiken und Überzeugungen, er adressiert auch Kultur als Quelle politischer Macht. In diesem Sinn beruft sich A. Y auf die Theorie von A. G zur kulturellen Hegemonie herrschender Klassen: Die politische Kultur der Republik sei traditional und hierarchisch geprägt gewesen; der „respect for tradition and hierarchy was constantly re-enforced by the Republic’s rituals and spectacles and by the rhetoric heard from the Rostra“ [Political Culture and the People’s Role, 300]. Selbst wenn man nicht so weit gehen will wie T. P. W mit seinem binären Modell einer oligarchischen und einer vom Volk getragenen Ideologie (s. o. 4.3.3), war die Tradition doch kaum so uniform, die Hierarchie nicht so unstrittig, dass sich aus Friktionen in der Elite nicht hätten verschiedene politische Optionen ergeben können – und eben auch kulturell generierte Modelle und Begründungen. Die integrative und stabilisierende Funktion der politischen Kultur in ihren kommunikativen, rituellen, performativen und räumlichen Dimensionen hat in erster Linie K.-J. H in zahlreichen Arbeiten vorgeführt und theoretisch reflektiert [Politische Kultur – Karriere eines Konzepts; Konsens und Konkurrenz; s. auch 1.3: Reconstructing, v. a. 53–57 u. 132–136; die meisten seiner neueren Beiträge dazu sind in teilweise überarbeiteter Form versammelt in 1.2: Libera Res Publica]; zur ersten Einführung gut geeignet ist L [Politik und Inszenierung]. Unter dem von H und o. im Überblick verwendeten Begriff „Ausdrucksseite“ des Politischen sind die Medien, Symbole, diskursiven Strategien und Rituale versammelt, in denen sich das kollektive Verständnis der politisch-gesellschaftlichen Ordnung repräsentierte, sowie die sozialen Rollen und damit verbundenen Erwartungen, in denen die Beteiligten agierten. An dieser Stelle eine allgemeinere Kontextualisierung: In der Forschung zur politischen Kultur der Republik werden Strukturen und Stabilität als grundsätzlich prekär, daher immer wieder neu zu bestimmen und zu befestigen aufgefasst. Damit rücken Praktiken (als kulturell präfigurierte Handlungen) in den Vordergrund, und einige Althistoriker – am stärksten wohl E. F – haben sich auch theoretisch der sogenannten Praxeologie angeschlossen bzw. mit ihr auseinandergesetzt. Unter Berufung auf P. B, aber auch M. F und P. V bestreitet dieser Ansatz die Existenz ‚natürlicher‘ Gegenstände wie Staat, Sexualität oder Wahnsinn, da die Phänomene nur als Korrelat und Produkt von Handlungen
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5. Politische Kultur, politische Willensbildung, politische Stile in der res publica
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entstünden und nichts anderes darstellten als sich ständig verändernde Beziehungsgeflechte; für Zusammenfassungen s. (alle 1.7): F, Wie relevant ist die Praxeologie?; ., Pierre Bourdieu; S, Praxeologie / Praxis. Von politikwissenschaftlicher Seite argumentierten mit ähnlicher Stoßrichtung (und markanter Agenda zur gegenwärtigen Politik) M. B / R. A. W. R: Gegen einen angeblichen Neo-Institutionalismus und versäulte Elitenherrschaft postulieren sie, der Staat und seine Ordnung seien nicht in formalen Strukturen zu erfassen, sondern bestünden in kontingenten Handlungen von Individuen sowie in sehr unterschiedlichen Ansichten über das öffentliche Feld sowie über politische Autorität und Handlungsmacht, die jeweils historisch gewachsen seien. Man „should think of the state as a series of contingent and unstable cultural practices, which in turn consist of the political activity of specific human agents“ [1.7: State as Cultural Practice, 1]. Aus der Althistorie hat sich jüngst D. G diesem Ansatz angeschlossen und formuliert dementsprechend eine denkbar scharfe Abkehr von der durch M begründeten – und das vorliegende Buch nicht unwesentlich prägenden – Forschungstradition [The Shape of the Roman Order, 7]: „Magistracies, priesthoods, and the senate . . . may have been constructed in large part not by formal rules but by what their occupants were seen to have done, how they went about doing it, and the many symbols that surrounded and accompanied their actions. Any examination of the office of consul, for example, may be more a matter of historical anthropology than of any settled constitional law.“ Zwischen Varianz und Reproduktion von Mustern und letztlich von Ordnung steht das Ritual als strukturbildende Praxis. Besonders das Triumphritual in republikanischer Zeit hat in der Forschung zuletzt wieder großes Interesse gefunden. Grundlegend ist die Studie von T. I [Tota illa pompa], weil sie die älteren, auf kaiserzeitlichen Quellen basierenden und idealtypischen Rekonstruktionen kritisch überprüft und den Triumph als ein durchaus mehrgestaltiges Ritual und als Thema politischer Aushandlung vorstellt; zudem habe dieser in der Republik keineswegs „alternativlos an der Spitze der möglichen Ehrungen“ gestanden [ebd., 218]. Das Werk enthält außerdem einen umfangreich dokumentierten Katalog aller Triumphe von 340 bis 19 v. Chr. Ein sehr viel stärker holistisches Bild zeichnet I. Ö [Staging the World]; sie fasst den Triumph als ritualisiertes Drama, das den Triumphator, die Soldaten und die Zuschauer choreographiert und der Konstruktion römischer Identität gedient habe. Durch ihr phänomenologisches und quellenkombinatorisches Verfahren geraten freilich die historischen Entwicklungen und Unregelmäßigkeiten wohl zu sehr an den Rand. Für die urbane Entwicklung und Topographie Roms ist auf die o. 1.2 genannten Auskunftsmittel zu verweisen [vgl. ferner D, Urban Topography of Rome]. Das Konzept der politisch, symbolisch, rituell und memorial besonders aufgeladenen, zentralen Räume erläutert H-
Triumph
Orte und Räume
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Raum, Sichtbarkeit, Bewegung
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
[Images of Power]. Einen guten knappen Überblick, der auch politische Monumente, Gräber und Porträts umfasst, bietet E. P [Art, Architecture, and Space], während Z die politischen Orte bürgerschaftlicher Gemeinschaftsakte vorstellt [Civic Rituals and Political Spaces]. A. R [Politics of Public Space] fragt, wie die Römer ihre Stadt als Rahmen und Bühne für das politische und soziale Handeln erlebten, insonderheit, wer die öffentlichen Räume kontrollierte oder kontrollieren wollte und wo der Durchschnittsbürger sich frei artikulieren konnte. Für die wichtigsten Räume und ihre bauliche Eintwicklung können hier nur exemplarisch einführende Titel genannt werden [zum Forum Romanum s. G. T u. a., Forum Romanum, in 1.6: S, LTUR, 2, 1995, 313–345; S. M, Historische Dimensionen des gebauten Raumes; A, The Comitium; zum Kapitol F. H, Das Kapitol; zum Aventin als Zentralort der Plebs 3.3: W, Memoria und res publica, 183–188 sowie jetzt (stark relativierend) M, The Republican Aventine; zum Marsfeld, dessen Bauten und Nutzungen in ein Achsen- und Rastersystem eingebunden gewesen seien, s. A, Campus Martius]. Der Ort des Tribunals, von dem aus der Stadtprätor amtierte, wurde mehrmals verlegt; die symbolischen Konnotationen der jeweiligen Lokalitäten arbeitet D heraus [Le tribunal du préteur]. Ergänzend durchmustert F. H die Orte, wo Hinrichtungen stattfanden [Spectacles des exécutions]; diese waren in Rom (wie in vielen vormodernen Gesellschaften) immer auch öffentliche Schaudarbietungen und dienten dazu, die Ordnung sichtbar zu machen. Wie eine vom ‚cultural‘, ‚performative‘ und ‚visual turn‘ inspirierte Forschung herausgestellt hat, war das Rom der Republik (und der Kaiserzeit) eine ‚culture of spectacle‘. Die räumliche und visuelle Dimension der politischen Kultur wird seit längerem intensiv behandelt; dabei hat man sich einerseits auf die Räume selbst, ihre Aus- und Umgestaltung sowie ihre kommunikativen Potentiale konzentriert. P betont, wie dabei Autorität und Ordnung generiert wurden; doch gleichzeitig „much of the art and architecture of the Republic served to unite Romans by creating a sense of common identity throughout the Roman sphere of influence“ [Art, Architecture, and Space, 497]. In jüngerer Zeit rückte auch die performative Verbindung einzelner Räume durch Prozessionen (pompae) in den Blick; diese wirkten demnach ebenfalls integrativ und brachten zugleich durch ihre Choreographie die sozio-politische Hierarchie zur Evidenz [s. zum Konzept H, Raum – Präsenz – Performanz; zur Sache ., Hierarchie und Konsens; B, Züge in die Ewigkeit; B, Les processions; jüngst zur pompa circensis L, Performance, Memory, and Processions]. Allerdings bleibt die methodische Unsicherheit bestehen, dass hier von einer rekonstruierten Logik der Rituale auf deren tatsächliche Wirkung geschlossen wird. Breiter gefasst ist der ‚bewegungsgeschichtliche‘ Ansatz von Ö u. a. [Moving City]: Nicht nur
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festliche Prozessionen verknüpften Akteure und städtischen Raum, auch der von Liktoren begleitete Amtsträger oder der Aristokrat mit seinem Gefolge standen für eine inklusive, zugleich hierarchische Ordnung [I. Ö, Power Walks: Aristocratic Movements in Republican Rome; Moving City, 13–22]. Gewalthandlungen wurden ebenfalls meist mit Bewegungen im Raum verbunden [I. H, Rolling Thunder. Movement, Violence and Narrative in the History of the Late Roman Republic; Moving City, 76–87]. Der römische Kalender strukturierte mit seinen unterschiedlichen Tagesqualitäten – nicht an allen Tagen konnten etwa Volksversammlungen abgehalten werden – das politische Leben; seine Anpassung an das astronomische und jahreszeitliche Jahr durch Schaltmonate war in der Späten Republik politisch oft heftig umstritten. Eine umfassende und gelehrte Rekonstruktion legte J. R vor [Kalender und Öffentlichkeit; zur Einführung genügt G, Lauf des rollenden Jahres; vgl. ferner 6: L, Antike Religion, 101f. u. passim]. Für die Feste als regelmäßige Höhepunkte im Jahreslauf und Gelegenheit zur intensiven Interaktion aller Bürger ist B [Ludi Publici] grundlegend. Für das Zusammenwirken der Institutionen spielte eine zentrale Rolle, wo, wie oft und über welche Zeiträume die maßgeblichen Akteure einander begegnen konnten. Konstitutive Einheit war in der mittleren Republik das politische Jahr mit seinen fixen Punkten: Amtsantritt der Konsuln, Abgehen der Imperiumträger zum Heer, Gesandtschaften im Senat, Wahlen, Amtsantritt und Initiativen der neuen Volkstribunen. In diesem Sinne stellt L [1.4: Constitution, 9–15] die Rhythmisierung von Zeit, den Wechsel zwischen Routine und Besonderem sowie die geordnete und berechenbare Übergabe von Ämtern in der politischen Erfahrung und Praxis der Römer heraus; vgl. ähnlich P P [4.1: Consul at Rome, 316–328]. C. S [Roman Political Year] hat jüngst betont, in welchem Maße die sullanischen Reformen hier die Gewichte verschoben, nach ihrer (wohl etwas überzogenen) Ansicht bis zur Funktionsunfähigkeit: Wahlen fanden nun im Sommer statt, nicht mehr wie zuvor im Spätherbst, was die Teilnahmemöglichkeit nicht-stadtrömischer Bürger zusätzlich einschränkte. Konsuln und Prätoren waren nunmehr in der Regel fast ihr gesamtes Amtsjahr über in Rom präsent (wenn auch nicht alternativlos; s. o. 4.1.2). Hinzu kamen für mehrere Monate die designierten Konsuln; freilich sind deren Einwirkungsmöglichkeiten strittig (s. o. 4.1.1). Rom war in jedem Fall ab den 70er-Jahren politisch sehr viel ‚voller‘ und unübersichtlicher; einzelne Initiativen waren im Gewirr der präsenten Akteure fast immer hart umkämpft und blockierten oft genug den Fortgang des Betriebs. Die mögliche Bedeutung von Alterskohorten in der römischen Politik ist noch wenig untersucht. M. D [Perdita Iuventus] hat versucht, mit Hilfe des Konzepts der Generation weiterzukommen und dies für eine Auswahl von in den 80er-Jahren geborenen, dann zwischen
Zeiten und Feste
Politik im Jahresrhythmus
Alterskohorten
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Rhetorik und Politik
Öffentliche Meinung
Stadtstaatliche Direktheit des Politischen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
52 und 42 besonders rührigen Akteuren durchgespielt, wobei sie einen starken Akzent auf die gemeinsamen Erfahrungen setzte. Die gewalttätigen Aktionen von Banden junger Männer (17–30 Jahre) werden von J. T [Barbatuli iuvenes] nicht als Ausdruck eines Generationenkonfliktes gedeutet, sondern als (oft gewalttätige) Rügebräuche, die in der Späten Republik jenseits des sozial-konservativen Ursprungs solcher Praktiken auch eine politische Dimension gewinnen konnten, indem es darum ging, Entscheidungen zun erzwingen oder einzelne Akteure aus dem politischen Raum herauszudrängen. Die Bedeutung inklusiver wie exkludierender Rhetorik [knappe Einführung 1.5: S, Roman Oratory] wird im Zusammenhang mit den Studien zur politischen Kultur und zur Rolle des Volkes generell sehr hoch eingeschätzt [s. o. 4.3.3 zur contio sowie zusammenfassend 4.3.3: M-M, Persuading the People]. Schwerer greifbar, aber vielleicht ebenso wichtig ist das Phänomen der ‚öffentlichen Meinung‘, wie C. R L [Public Opinion and Politics] herausstellt. Demnach ergänzte die informelle Kommunikation über Politik den Institutionenapparat, v. a. die Wahlen und Abstimmungen, sowie das Bindungswesen komplementär. Sie ermöglichte als notwendiges ‚Schmiermittel‘ die Meinungs- und Allianzenbildung sowie die Kommunikation zwischen Elite und Bürgerschaft, da die Kontaktfrequenz der breiten Bürgerbevölkerung mit Angehörigen und Themen der Elite, zumal im formalisierten Rahmen der contiones und comitia, aufs Ganze gesehen gering war. Entgegen der von dem Sozialphilosophen J. H geprägten herrschenden Lehre, die das Phänomen der Neuzeit vorbehalten möchte, sei in Rom eine öffentliche Meinung vorhanden und wirksam gewesen, da ihre Existenz nicht an Zeitungen und eine ‚kritische bürgerliche Öffentlichkeit‘ gebunden gewesen sei. R L stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Tauschplätze für Gerüchte, Klatsch und politische Meinungsbildung sowie die Medien und Akteure vor (s. auch o. 4.3.4). Angesichts der großen Zahl an Themen, Akteuren, Orten und Dynamiken war die Meinungsbildung aus Sicht der Elite in hohem Maß unberechenbar. Die Studie beleuchtet damit ein Phänomen, das für die hohen Herren sowohl ein Problem wie auch ein Spiel- und Aktionsfeld darstellte. Während oligarchische ‚Hinterzimmerpolitik‘ und mehr oder minder geheime Absprachen zwischen führenden Gestalten – etwa im sog. Ersten Triumvirat ab 59 – in der Forschung meist stillschweigend vorausgesetzt werden, ist die für die „politische Grammatik“ (C. M) der römischen Republik wesentliche, in Stadtstaaten generell überaus typische öffentliche „Kommunikation unter Anwesenden“ besser greifbar [zu den beiden Konzepten Stadtstaatlichkeit und direkte Kommunikation s. 1.3: H, Reconstructions, 67–75 mit Bibliographie]. In diesem Rahmen wurden im republikanischen Rom Hierarchie und Konkurrenz, Konsens
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und Konflikt immer wieder neu generiert. Ein Baustein des Inventars stadtstaatlicher Politik waren demonstrative öffentliche Gesten und Handlungen, die ein Gegenüber zu einer bestimmten Reaktion nötigen sollten, etwa in einem Streit einzulenken [1.2: F, Ritualisierte Politik, 99–122]. Auch die Instrumentarien der Verhinderung politischer Handlungen und Entscheidungen, etwa die tribunizische Interzession, waren stark durch die direkte Konfrontation geprägt. Ein Registerwechsel konnte sich F zufolge verheerend auswirken, wenn das Aushandeln einer konflikthaften Situation über Gesten und Nachgeben durch ein Pochen auf „eine Art ‚verfassungsmäßige Kompetenz‘, also ein absolutes Recht“ ersetzt wurde [ebd., 108]. Die Verhinderungs- und Verzögerungstechniken im Senat und in der Volksversammlung hat L [6: Obstruktion] knapp inventarisiert; eine – dringend erwünschte – Neubearbeitung des Themas bereitet F. G vor. Die erwähnte Direktheit begünstigte schließlich unter den Bedingungen aristokratischer Konkurrenz ein Risikoverhalten in der regierenden Klasse, das ebenfalls als ein Stilelement des Politischen gelten kann [s. W, Risiko und Aktualität, sowie in Kürze ausführlicher die Studie von A. R, Kontingenztoleranz und -vermeidung in der politischen Kultur der römischen Republik (3. – 1. Jh. v. Chr.), Diss. phil. Duisburg-Essen 2018]. Komplementär dazu betont F. P P [Prestige], dass Niederlagen vor Gericht oder bei Wahlen nicht automatisch einen Prestigeverlust nach sich zogen; die Römer hätten Rückschläge vielmehr als natürliche Folge ihres politischen Systems betrachtet. An Beispielen der öffentlichen Selbstdarstellung führender Gestalten der Späten Republik hat T. H herausgestellt, dass diese nicht selten „eine aggressive Provokation gegen die Institutionen des Staates und die Werte und Normen der Gesellschaft“ darstellte; dadurch hätten sie ausgelotet, wie weit sie mit ihren Ansprüchen gehen konnten – und wie weit über das hinaus, was als hinnehmbar erschien [Provokation und Transgression, 84]. Die politischen Monumente jener Zeit und einzelne Inszenierungen, v. a. Triumphe, seien „in einem bisher unbekannten Maß Waffen der Aggression gegen und der Transgression von sozial definierten normativen Grenzen“ gewesen [ebd., 84f.]. Familienprofile und Handlungsstile einzelner Nobilitätshäuser harren noch einer zusammenfassenden Untersuchung, die versuchen müsste, die quellenkritische Dekonstruktion und die realhistorisch relevanten Verhaltensmuster zu trennen [zum Konzept s. R, Qualis pater, talis filius?, sowie W, Eine Ebenbild des Vaters]. J. H. R untersucht die Fabier als Testfall für „the Roman tendency to suppose, and in turn to claim, that members of the same gens behave in similar ways“ [The Fabii, 52]. Offen bleibt einstweilen, ob wirklich alle der über eine gewisse Zeit erfolgreichen gentes ein solches Profil ausbildeten und ob es markante Fälle von Devianz gab.
Zwingende Gesten
Verhinderungstechniken
Risikoverhalten und Niederlagen
Grenzüberschreitungen
Familienprofile
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Optimaten / Populare
Keine Dichotomie
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
Zweifellos stellt die von Cicero (Sest. 96) ins Spiel gebrachte Unterscheidung von Optimaten und Popularen die bekannteste Spielart politischer Ausrichtungen dar; sie ist durch zahlreiche Gesamtdarstellungen auch ins allgemeine Wissen über die Späte Republik eingegangen. Dabei erscheint, wie im Überblick ausgeführt, der Begriff Populare spezifischer als sein Gegenpart, verbanden sich ihm doch häufig bestimmte politische Themen und eine auf die ‚Ständekämpfe‘ zurückgreifende Rhetorik – auch wenn vor contiones wohl die meisten Politiker ‚popular‘ dastehen wollten. Maßstäbe für die Begriffsbestimmung setzten J. M [Die Popularen] und C. M [Populares], wobei es der deutschen Forschungstradition entsprach, die populare Politik lediglich als einen alternativen Stil (popularis ratio) innerhalb der regierenden Nobilität auszuflaggen und ihren Bezug auf das tatsächliche Volk als Akteur und Träger von Interessen als vorgeschoben zu betrachten; vgl. für diese Sicht etwa J. B [1.4: Verfassung, 191]: „Beide Gruppen standen auf dem Boden der gegebenen Ordnung. Die Popularen wollten lediglich als diejenige Gruppe, die innerhalb der politischen Führungsschicht meist in der Minderheit war, ihren Willen der Mehrheit durch die Benutzung der Volksversammlung als eines reinen Instrumentes ihres Willens (nicht als Vollzugsorgan eines echten Volkswillens) aufzwingen.“ Mit der Debatte um die römische Demokratie und die Rolle des Volkes im polischen System der Republik (s. o. 4.3.3) ist das Begriffspaar ein wenig in den Hintergrund getreten. Jedoch brachte C. M [Popularis Ideology and Popular Politics] die Beobachtungen ein, dass in den Quellen immer wieder zwischen echten und falschen Popularen unterschieden werde und es in den einschlägigen Auseinandersetzungen oft auch um die richtige Austarierung der Machtbalance zwischen Senat und Volk gegangen sei. Als wahrer Popularer habe gegolten, wer in diesem Sinne Macht vom Senat auf das Volk verlagerte. In der zentralen Rolle des populus Romanus als Bezugspunkt und Subjekt politischen Handelns wollte J.-L. F ein durchaus ideologisches Moment in einem Politikmodell sehen, dessen Methoden ja auch von der Gegenseite benutzt worden seien [1.7: Le problème du rôle de l’idéologie dans la politique]. Insofern diese Ideologie es nicht zuletzt zum Inhalt hatte, bestimmte Interessen und Themen immer wieder zu Beschlüssen gerinnen zu lassen, während die Senatsmehrheit zu einer Depolitisierung neigte (s. u. 6.3), stand möglicherweise tatsächlich die Option einer ‚anderen Republik‘ im Raum [freilich abgelehnt von 1.1.1: B, Geschichte, 203f.]. Die verfahrenstechnischen Methoden des veränderungsunwilligen Establishments hat L. A. B inventarisiert und besprochen [Politische Strategien der Optimaten]. In einer gründlichen und weiterführenden Studie hat kürzlich M. R den Diskussionsfaden wiederaufgenommen [Beyond Populares and Op-
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timates; eine gute Zusammenfassung gibt . in: EAH 9, 4911–4914]. Die Forschungsgeschichte [ebd., 15–33] zeige, dass lange gestritten wurde zwischen substanzialistischen Deutungen, wonach dem Gegensatzpaar tatsächliche Gegensätze oder zumindest entgegengesetzte politische Stile zugrundelagen, und eher funktionalistischen Auffassungen, die das politische Geschehen als reinen Machtkampf zwischen Personen und Allianzen vorstellten, die ganz eigenen Baugesetzen folgten. Die Frage, „whether the terms refer to political groups, traditions, strategies or ideologies“ [ebd., 33], habe sich so nicht klären lassen. R zeigt zunächst, dass der Begriff Optimaten außerhalb der o. genannten Cicero-Passage keine große Rolle spielte; in Ciceros Argumentation stellte der Widerstreit zwischen optimates und populares eindeutig eine kontingente und personalisierte Konstruktion dar. Wie die Quellenauswertung zeige, meinte die Bezeichnung popularis keineswegs immer eine Opposition gegen den Senat, indem etwa die maiestas populi Romani gegen die auctoritas senat¯us ausgespielt worden wäre; der Begriff sei vielmehr geschmeidig gewesen und habe diese Eigenschaft mit der Gemeinwohlrhetorik insgesamt geteilt. Implizit macht R deutlich, dass es im Grunde aussichtslos ist, für die Analyse des politischen Systems der Späten Republik taugliche Begriffe und Konstellationsbeschreibungen in der Rhetorik der Zeit zu finden, da diese letztlich auf einer schlichten Gegenüberstellung ruhte: Ich (= Cicero) – Gemeinwohl – Inklusion – wahrer popularis (= optimas) vs. meine Feinde – Eigeninteressen – Spaltung – falsche / keine populares. Bipolare Aufteilungen des politischen Feldes waren auch jenseits der von R überzeugend dekonstruierten populares / optimates-Antithese ubiquitär [s. 1.7: M. N, Freiheit und Gewalt], doch blieben diese entweder stets egozentriert und – im Sinne der inklusiven Konsens- und Exklusionsrhetorik – asymmetrisch oder sie bildeten wie in den Geschichtswerken Sallusts ein einfaches Schema zur Strukturierung der Geschichte der Republik seit ihren Anfängen. Zu den etwas anders gelagerten Unterscheidungen zwischen innernobilitären Parteiungen bzw. ‚Parteien‘ in der Späten Republik s. o. 1.3 und 3. Die im Text exemplarisch skizzierte Karriere von C. Flaminius, der in der Forschung lange als ein Außenseiter und ProtoPopular galt, hat H. B überzeugend ‚normalisiert‘ [3.1: Karriere und Hierarchie, 244–268]. Eine hoffentlich modernen Ansprüchen genügende, Strukturgeschichte und Biographie verbindende Studie zu Scipio Aemilianus, 147 Konsul vor dem gesetzlichen Mindestalter und 134 gegen das Iterationsverbot erneut im obersten Amt, erarbeitet z. Zt. J.-M. K. Auch Marius müsste einmal vor dem Hintergrund der Nobilität seiner Zeit und der Bedingungen ihrer Konkurrenz neu untersucht werden werden; die „Political Biography“ von R. J. E (Pretoria 1994) leistet das nur teilweise.
Power-Aristokraten
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen 6.1 Anpassung und Flexibilität in der Ordnung
Wahlmodus für Priesterämter
Konfliktdämpfung durch Symbolisierung
Fallweise Suspendierung von Regeln
Die in Teil I zusammenfassend umrissenen Anpassungsprozesse sind o. im Kontext der jeweiligen Institutionen behandelt; für die exemplarisch angeführten Ereignisse und Personen ist auf die Darstellungen der römischen Geschichte zu verweisen. Zur lex Ogulnia s. E [1.6: Gesetze, 103–106, Nr. 46 mit Literatur] sowie H [3.1: Entstehung der Nobilität, 140f.]. Zunächst nur der pontifex maximus wurde seit Mitte des 3. Jahrhunderts in einem dreistufigen gemischten Verfahren unter Beteiligung der comitia tributa bestimmt [„sacerdotale Quasicomitien“: 1.4: M, Staatsrecht II, 27]. Die Wahl war aber selten so umkämpft wie im Jahr 63, als sich Caesar gegen ältere und prestigereichere Bewerber durchsetzte. Die 104 oder 103 auf mehrere Kollegien ausgedehnte Bestallung durch Kombination von Wahl und Kooptation, ein Bestreben der popularen Politik [1.7: M, Popularen, 68], unterwarf die aristokratische Rolle, Priester zu sein, stärker dem politischen Wettbewerb, und die faktische Weitergabe solcher Positionen innerhalb einer Familie von Generation zu Generation wurde seltener [3.1: N, Family Strategy]. – Hinweise und Literatur zur Handhabung der Prodigien gibt L [Antike Religion, 116]; zum Verhältnis von Politik und Religion s. u. 6.2. Die gelegentlich vorkommende Zerstörung der Rutenbündel als der Symbole obermagistratischer Amtsbefugnis konnte äußerste Steigerung eines Kompetenzkonfliktes zwischen Magistraten sein [6: L, Zerbrochene Rutenbündel] oder Element einer ‚popularen‘ politischen Kundgebung, in der dem Beamten symbolisch der Gehorsam aufgekündigt wurde. Die fasces, zumal ohne Beile, stellten gegen Widerstand, sofern es nicht gelang, Delinquenten zu vereinzeln, kein starkes physisches Zwangsmittel dar [dazu grundlegend N, Aufruhr und „Polizei“, 19–26]. A. G sieht im geringen Erzwingungsstab der Magistrate generell einen Vorteil, waren der Magistrat und der ebenfalls ‚nackte‘ Volkstribun nämlich dadurch gehalten, Konflikte durch Aushandeln zu lösen und so ein auch im Konflikt funktionierendes Gemeinwesen herzustellen bzw. vorzuführen; gerade „die gewaltfreie Durchsetzungsfähigkeit der römischen Magistrate . . . stellte ein erstaunliches Machtpotential dar, das wesentlich zur Stabilität der römischen Ordnung bis in die späte Republik hinein beitrug“ [Maiestas sine viribus, 263]. Während Cicero in seiner ‚popularen‘ Rede für den Oberbefehl des Cn. Pompeius im Jahr 66 es zum Teil des mos maiorum erklären konnte, dass gelegentlich Regeln ignoriert und und pragmatischen Erwägungen gefolgt würden, wenn dies für die res publica von Nutzen sei [s. 3.3: B-
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6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen
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, Verargumentierte Geschichte, 165], leitete M diese Option rechtsdogmatisch aus der Souveränität der Comitien ab, konnten diese doch „in Betreff der Magistratur beschliessen, was ihnen beliebt, und somit sich auch über diejenigen Gesetze hinwegsetzen, welche zum Wesen der republikanischen Ordnung gehören“ [1.4: Staatsrecht I, 13]. Der Untiefen dieser Argumentation war er sich bewusst, sah sie aber glücklicherweise begrenzt [ebd., I, 15]: Zwar habe man „anderweitig an dem alten Schema oft genug geändert, namentlich neue Stellen in dem Oberbeamtencollegium mehrfach geschaffen; ohne Zweifel war in Rom wie überall der Begriff der republikanischen Grundrechte, welche auch die souveräne Gemeindeversammlung binden sollten, wie theoretisch eigentlich unlogisch, so praktisch schwankend. Aber diese unlogischen und schwankenden Begriffe haben hier, wie so oft, die Geschichte gemacht und namentlich dazu geführt, dass ausserordentliche Verleihung oberamtlicher Befugnisse und Abweichung von der Annuität der Magistratur . . . im städtischen Amtkreis im wesentlichen nicht vorkommen.“ Die neuere Forschung sieht demgegenüber meist den Senat als treibende Kraft, zumal bei den zahlreichen Regeldehnungen und -suspendierungen im Hannibalkrieg [„constitutional anomalies“: F V, State, Society and Popular Leaders, 50–73]; in diesem Sinne etwa B [3.1: Karriere und Hierarchie]. Die in der Darstellung erwähnten Scipionenprozesse [dazu ebd., 363– 365] und die lex Villia zur Regelung der Ämterlaufbahn (s. o. 4.1.) gehören zusammen mit der Auffindung und Verbrennung von Schriften, die angeblich König Numa verfasst hatte, der Unterdrückung der Bacchanalienkulte in Italien und Catos Censur 184 für die Nobilität zu den innenpolitischen Schlüsselereignissen in der Generation nach dem Hannibalkrieg. Sie alle waren durch die handelnden Personen und die zentralen Probleme miteinander verknüpft; im Kern ging es dabei stets um die Kohärenz und Regierungsfähigkeit der senatorischen Aristokratie und deren Disziplinierung sowie um die Kontrolle über geistige und religiöse Strömungen griechischer Herkunft, deren Auswirkungen nur schwer abschätzbar schienen. Das in der Darstellung angeführte Beispiel des Volkstribunen, der 210 den Senat versammelt, ist Liv. 27,5,14–19 überliefert. Während staatsrechtlich argumentierende Gelehrte ein Recht der Volkstribunen, den Senat einzuberufen und dort Anträge zu stellen, ab der lex Hortensia (287) postulieren [s. W, in: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 628f.; vgl. 1.4: M, Staatsrecht II, 313–317], bezeichnet W. N [Regel und Ausnahme, 126f.] dieses Procedere als „Notlösung in einer verfahrenen Situation, die jedoch auf allgemeinem Konsens basierte“. Er verweist aber darauf, dass für die Zeit danach nur äußerst wenige Fälle belegt seien, bevor Varro in seiner Handreichung die Volkstribune den einberufungsberechtigten Magistraten zugeschlagen habe (Gell. 14,7,4). Offen sei, „wann und wie aus der im Ausnahmefall von 210 ad hoc
Neutarierung des politischen System um 180
Von der Neuerung zur Regel?
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Zeitgenössische Störungsdiagnosen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
gefundenen Lösung ein allgemeines Einberufungsrecht der Volkstribune erwachsen konnte und ob man dies nicht auch weiterhin an bestimmte Bedingungen geknüpft hat“; vielleicht habe erst Varro aus der unübersichtlichen Praxis eine generelle Regel destilliert. Das Beispiel kann generalisiert werden: Die juristisch-staatsrechtliche Betrachtungsweise nimmt Tatsachen, die der einmal gefundenen Regel widersprechen, selbstverständlich zur Kenntnis, weist diesen jedoch einen nachgeordneten Status zu: Als situativ erklärbare Ausnahmen bestätigen sie die allgemeine Gültigkeit der Regel [s. dazu erhellend A. L, in: 1.3: N / S, Mommsen langer Schatten, 84]. Demgegenüber hat sich in der modernen Forschung, soweit sie den Impuls der Praxeologie aufnahm (s. o. 5), ein evolutionäres Modell durchgesetzt: Regeln entstehen, wenn bestimmte Handhabungen zunächst erprobt werden, nicht auf Widerstand stoßen und schließlich Nachahmer finden; dabei bedeutet es nur einen graduellen Unterschied, ob die Regel später im Modus des mos maiorum gefasst (und gegebenenfalls in die Frühzeit zurückprojiziert) oder durch eine lex formal fixiert wurde. Die Diskussion über diese Zusammenhänge hat zunächst – teils in Auseinandersetzung mit C. M – v. a. W. N vorangetrieben [Regel und Ausnahme in der römischen Verfassung; Gesetze, Verfassungskonventionen, Präzedenzfälle]; für den noch grundsätzlicheren Ansatz von C. L s. u. II 6.2. Die römische Geschichtsschreibung hat bereits im 2. Jahrhundert einzelne Personen und von diesen ausgehende Neuerungen als Wendepunkte (Peripetien) in einem Dekadenzprozess verzeichnet [s. 3.3: W, Memoria und res publica, 310f. u. 319–329]. Die im Überblick skizzierte Eigenart der Störungsdiagnosen in der Späten Republik ist andernorts breiter ausgeführt [W, Ordnungszersetzung, 110–114]. Einzelne Personen als Feinde der res publica zu brandmarken findet sich ausgeprägt bei Cicero [1.7: M. N, Freiheit und Gewalt]; semantisch verdichtete sich dies in der Bezeichnung als Aufrührer (seditiosus) [dazu 1.7: H’, Vocabulaire, 135–137; 1.7: R, Beyond populares and optimates, 150–165]. 6.2 Gehegte Störungen: Regelgeltungs- und Kompetenzkonflikte
Regeln – Normen – Prinzipien
Das im Überblick skizzierte Verhältnis zwischen den Präskriptionsbegriffen sowie die Idee, dass aus der Konkurrenz unterschiedlicher „Geltungssphären“ jeweils Konflikte erwachsen konnten, es aber auch Verfahren für deren Beilegung gab, folgt der grundlegenden Studie von C. L [Regelkonflikte], die jüngst durch eine theoretische Reflexion der einschlägigen Begriffe ergänzt wurde [1.7: L, Norme, loi, règle, coutume, tradition]. Destilliert wird der Befund aus Untersuchungen zu Regelkon-
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6. Dehnungen und Wandlungen – Störungen und Katastrophen
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flikten bei Wahlen, bei der Provinzvergabe und Losung, bei Kollisionen mit dem Sakralrecht und bei der Triumphvergabe (alles Personalfragen!), wobei die Späte Republik ausdrücklich ausgespart ist. Das ist konsequent, da auch L die Fähigkeit der Beteiligten, in einem Konflikt trotz konkurrierender Normen und Ansprüche durch ein Verfahren zur Lösung zu kommen, letztlich in einem Grundkonsens über die Ordnung insgesamt begründet sieht – der eben nach 133 immer weniger bestand. Nicht zufällig erscheint ferner die Konzentration vieler der besprochenen Fälle in der Zeit zwischen 200 und 180 – als es nach dem Hannibalkrieg eben darum ging, das Gefüge wieder verlässlicher, d. h. weniger aushandlungsabhängig zu machen (s. o. 5). Auffällig ist schließlich, wie ähnlich die Befunde in den vier Fallklassen sind, obwohl es in einer davon überhaupt keine formal niedergelegten Vorgaben gab (Triumph), während in einer anderen Gesetze vorlagen (Wahlen). Der Stellung der Gesetze im Regelungsgefüge gilt eine gesonderte Untersuchung [6: L, Gesetze und die Grenzen ihrer Geltung]. Ausgerüstet mit einem L’schen Begriffsinstrumentarium beleuchtet J. K [Umgang mit Abweichungen] Normen in einem sozialen System als einen Faktor der Stabilisierung von Erwartungen und zugleich Barometer für Abweichungen. Die römische Gesellschaft und politische Kultur hätten den Akteuren in diesem Rahmen nur geringen Handlungsspielraum eingeräumt. Auch die Wahrnehmung der Zeit habe den sozialen Spielraum maßgeblich bestimmt. Gleichzeitig vermehrten sich freilich in der späteren Republik durch die schiere Expansion des Handlungsraumes auch die Abweichungsmöglichkeiten. Die nahezu alle Handlungen des öffentlichen Lebens durchdringende Kommunikation mit den Göttern konnte sich trotz ihrer Bedeutung nicht zu einem separaten Feld mit eigenem Machtanspruch entwickeln, da die Priester allesamt Mitglieder der Aristokratie waren [Skizze und Forschungsüberblick bei L, Antike Religion, 44–49, 137–146; ferner R, Republican Nobiles, sowie 6: B / C, Rome in the Late Republic, 25–39; vgl. außerdem 1.4: L, Constitution, 182–190; 1.4: M, Politics in the Roman Republic, 21–25]. Die kultischen Würdenträger agierten „nicht unabhängig von den gesellschaftlichen Institutionen, sondern waren fest in die Strukturen der politischen Organisation eingefügt“; pointiert gesagt waren die großen Priesterkollegien „sakrale ‚Unterausschüsse‘ des Senats“ [L, Antike Religion, 48]. Umgekehrt fehlte römischen Amtsträgern jeder heiligmäßige Nimbus [1.4.1: H, Die staatlichen Institutionen, 110]. Der Ausgleich von 367 öffnete schrittweise Nicht-Patriziern die meisten Priesterämter. Die Priester [Prosopographie: 1.7: R, Fasti Sacerdotum] waren auch nicht Träger eines theologisch fundierten Exklusivwissens; für die kultische Praxis bedienten sie sich nachrangiger Spezialisten. Das taten auch die Konsuln, die als höchste Magistrate für die Zustimmung der Götter für die Handlungen der Gemeinde (pax deorum) zuständig waren und auch die
Politik und Religion
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Losung
Erstarrung des Regelwerks?
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
kultische Außenvertretung Roms bei den latinischen Festen übernahmen [dazu schlüssig 4.1: P P, Consuls as curatores pacis deorum]. Als Quasi-Magistrat erschien ein Priester besonders dann, wenn ein Regelkonflikt zwischen sakraler und politischer Sphäre aufbrach [B, Kollisionen; L, Regelkonflikte, 137–177]. Im Zuge der Erosion des politischen Konsenses in der ausgehenden Republik konnte die senatorische Kontrolle über die Religion auch als Machtinstrument einer oligarchischen Clique kritisiert werden [R, Religion and Politics]. Allerdings blieben wichtige Unterschiede zwischen beiden Feldern [s. 1.4: M, Staatsrecht II, 18f., 27–29]: Die Priester amtierten lebenslänglich und wurden durch andere Verfahren als die Magistrate bestallt (s. o. 6.1). Auf einer anderen Ebene suchte S [4.1: Public Office] Religion und politisches Feld zusammenzuführen: Die öffentliche Losung zwischen Magistraten über die Zuweisung bestimmter Aufgaben habe die Konkurrenz zwischen Aristokraten entschärft, indem sich diese der Losung als einer „auspical procedure“ im Rahmen einer religiös definierten Gesamtordnung unterwarfen. Auch R [4.1: Lot] hebt die politisch befriedende Wirkung der Losung hervor, die seiner Ansicht nach für die Römer aber nur ein Entscheidungsmechanismus war, nicht jedoch als göttliches Urteil galt. H. M sieht in der Auslosung der praerogativa centuria (s. o.) ebenfalls den Versuch, die aristokratische Konkurrenz „by reducing the incentive for open campaigning“ einzuhegen; das habe aber nur gelingen können, wenn durch die Losung eine göttliche Autorität ins Spiel gebracht wurde und das Votum der zuerst abstimmenden Centurie besonderes Gewicht erhielt [1.4: Politics in the Roman Republic, 47f.; ausführlich 4.1: ., Lottery and Elections]. B [4.1: Entstehung und Funktion der Losung] erwägt, die sortitio zwischen Oberbeamten seit 366 sei ein Hebel der Plebeier gegen die auf ihre religiöse Vorrechte pochenden Patrizier gewesen: Seitens der Plebeier sei der Ruf laut geworden, „die Götter per Los zu befragen, um sich gleichsam bei ihnen rückzuversichern, ob sie auch weiterhin die Patrizier bevorzugen wollten“ [421]. Freilich bestand neben der in diesem Fall als „Gottesurteil“ zu verstehenden Losung auch immer die Möglichkeit einer Absprache (comparatio) [s. B, 426; 4.1: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 195–198]. Das spricht ebenfalls dafür, dass religiöse Verfahrenselemente und Begründungen in den politischen Raum hineinragten, diesen aber nicht dominierten – später noch weniger als im 4. Jahrhundert. Darauf deuten auch die von L [Regelkonflikte, 121–136] besprochenen Fälle. Die im Überblick skizzierte Entwicklung kleidete J. B in den Ausdruck „Jurifizierung des mos“ [4.3.3: Lex Publica, 387–393], während L in ähnlicher Richtung die scheinbare Paradoxie „von Stabilität durch Flexibilität zur Normverhärtung“ konstatiert [Regelkonflikte, 294–301]. Dagegen bevorzugt B. L ein konjunkturelles Modell: Habe
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am Anfang (späte Königszeit; Zwölftafelgesetz) ein deutlicher zentraler Regelungswille gestanden, sei in der Mittleren Republik das normative Potential der Institutionen nicht ausgeschöpft worden, während es ab der Gracchenzeit zu einer „geradezu explosionsartigen Ausweitung der gesetzlichen Regelungen mit gesellschaftlicher Relevanz“ gekommen sei [1.7: Die unfassbare Republik, 57]; in diesem Sinne müsse von man von einem „schlafende(n) Potential des Normativen“ sprechen [ebd.].
6.3 Grenzen der Anpassung: das kritische 2. Jahrhundert Die im Überblick umrissene Ansicht ist in dem o. angeführten Aufsatz im Kontext entwickelt [W, Ordnungszersetzung]. Die ökonomischen und sozialen Basisprozesse im 2. Jahrhundert – es sind dies in erster Linie die Folgen des durch die Siege über die hellenistischen Reiche nach Italien strömenden Reichtums, die damit verbundene Differenzierung der Aristokratie und die Verstärkung des inneraristokratischen Wettbewerbs (s. o. 3.1), die demographischen Verschiebungen durch Sklavenimport, Migration und ein vermutlich verändertes generatives Verhalten sowie die sich wandelnden Eigentums- und Bewirtschaftungsverhältnisse auf dem Land – werden in den historisch ausgerichteten Darstellungen der Republik als Auswirkungen der erfolgreichen Expansion Roms und zugleich Manifestationen einer „Systemkrise [1.1.1.: S, Römische Geschichte I, 333] selbstverständlich behandelt [s. etwa (alle 1.1.1.) B, Römische Republik, 140–149; D, La République romaine, 90–117; R, Rome and the Mediterranean, 240–269; L, Von den Gracchen bis Sulla, 7–16; F, Politik in der späten römischen Republik 1, 48–91; vgl. ferner 3.4: L, Agrarian Change, und 3.4: R, Public Land, 146–220, sowie o. 3.4]. Einen materialreichen Überblick zu „Roman government and politics“ im 2. Jahrhundert zwischen oligarchischer Stabilität und Kräften des Wandels hat A. E. A vorgelegt [1.1.1: Cambridge Ancient History 8, 163–196]. Den o. im Überblick als „Entsolidarisierung der Nobilität“ bezeichneten Prozess hob bereits A. H stark hervor: Die „Tendenz zu einer Überhöhung des persönlichen Ansehens“ sei so stark geworden, dass „sie den elementaren Grundsatz der republikanischen Gleichkeit und durchschnittlichen Gleichgewichtigkeit der einzelnen Adelsangehörigen und Adelsgruppe, ohne den kein aristokratisches Regime existieren kann, zu gefährden drohte“ [1.1.1: Römische Geschichte, 135]. Einen Perspektivwechsel schlugen demgegenüber B / C vor: Die Wandlungsprozesse in der späteren Republik sollten nicht verengt als die Ursachen für den Zusammenbruch des politischen Systems verstanden werden; vielmehr gehörten sie zu einer gesellschaftlichen Entwicklung, die keinen klaren Bruch zwischen dem ‚Sturz‘ der Republik und der ‚Her-
Basisprozesse
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Punktuelle Reaktionen
Policy-Kapazität
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
aufkunft‘ einer Monarchie erkennen lasse [Rome in the Late Republic, 71]. Die Nobilität reagierte auf das von diesen Prozessen durchaus verursachte Unbehagen mit einem Dekadenzdiskurs (s. o. 3.1 und 6.1), ferner mit einer verschärften, durch Gesetze unterfütterten Sanktionierung von kommentwidrigem Verhalten in ihren eigenen Reihen, etwa hinsichtlich von demonstriertem Luxus [3.1: B, Regimen morum, 40–86; C, Lois somptuaires; Z, Fighting Hydra-like Luxury], und schließlich durch punktuelle Maßnahmen von Magistraten oder des Senats. Diese richteten sich z. B. gegen die geheimen bacchanalischen Kulte in Italien (ILLRP 511 = ILS 18), die Ausweitung der Weide- zulasten der Anbauwirtschaft (ILLRP Nr. 454) oder den Zustrom von Nicht-Bürgern nach Rom (s. o. 4.3.1). Wie die Rekrutierungsschwierigkeiten um 150 das politische System unter Stress setzten und zusammen mit weiteren sozialen und ökonomischen Konfliktherden zu einer partiellen Repolitisierung des Volkstribunats führten, skizziert A [1.1.1: Cambridge Ancient History 8, 193–196; generell zu den Rekrutierungsproblemen im 2. Jahrhundert s. 3.4: B, Italian Manpower, 391–415; 3.4: E, Resistance at Home]. Einen vermittelten Zusammenhang zwischen den Basisprozessen des 2. Jahrhunderts und politischen Neuformierungen suchte S plausibel machen [3.1: Reflections on the Mentality]: Die Nobiles hätten sich stärker auf die Vermehrung ihrer Vermögen und den politischen Wettbewerb konzentriert und darüber ihre patronalen Pflichten sowie generell ihre Verantwortung für breite Schichten aus den Augen verloren. Die politische Neuausrichtung dieser Bürger auf einen Vertrauensträger sei schon bei Scipio Aemilianus sichtbar geworden und habe den Gewaltakt gegen Ti. Gracchus ausgelöst. Zu den Sklavenrevolten (Erster und Zweiter sizilischer Sklavenkrieg; Spartakusaufstand) bietet E. H-O [Sklaverei und Freilassung, 125–144] eine gute Zusammenschau. Die Fähigkeit der Nobilität, grundsätzlicher zu reagieren und politisch umzusteuern, wird in der Forschung überwiegend als gering eingeschätzt. Mit Blick auf die römische Republik aufgeworfen wurde die Frage nach den „strukturellen Möglichkeiten einer Gesellschaft . . . , mit ihren Problemen fertigzuwerden“, maßgeblich von C. M, der dafür den Begriff der „politischen Kapazität“ prägte. Darunter sei „die Fähigkeit eines Systems (zu) verstehen, politisch angemessen auf alle Anforderungen zu reagieren, die der gemeinsamen Behandlung bedürfen“ [1.4: Res Publica Amissa, LIII]. Ein politisches System sei „in Hinsicht nicht nur auf die an ihm beteiligten politischen Kräfte, sondern zugleich auf die ihm im Gesamtsystem gestellten Aufgaben zu betrachten“; damit sei speziell die Frage nach Krise und Kapazität des Politischen in der späten Republik aufgeworfen [ebd., XXXI]. M sah insonderheit die Fähigkeit der römischen Gesellschaft beschränkt, „sich zur politischen Herbeiführung von Veränderungen zu entsprechender Macht zu gruppieren“ [ebd., XLIII]. Die „spezifische Wehr-
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losigkeit“ habe sich „aus den Denkweisen und der Realitätsprägung der gewachsenen Verfassung“ ergeben sowie allgemein aus einer „Begrenzung der antiken politischen Kapazität“ [ebd., XLVIII]. Ms Erwägungen zur Frage der politischen Kapazität angesichts einer „übermäßigen Extensivierung der res publica“ und zur unerreichbaren „Macht über die Verhältnisse“ [ebd., LIII–LVII, 62f., 152–155 u. passim] bleiben grundlegend. Aufgegriffen wurde diese Frage nicht zuletzt von K.-J. H, der wie M herausstellt, dass verschiedene Themen und Materien zwar durchaus „politisiert“ werden konnten; weil dies aber zu Verwerfungen führte und die Machtverteilung innerhalb der herrschenden Aristokratie nachhaltig zu verschieben drohte, blockierte deren Mehrheit Diskurs und Veränderung in zunehmendem Maße. Die Forschung habe dementsprechend jeweils die Frage nach dem Grad der Grundsätzlichkeit dieser Gegenstände zu stellen: „ob also die gesamte politische Ordnung politisch zur Disposition steht, ob allenfalls einzelne Aspekte dieser Ordnung wie bestimmte Institutionen, Regeln oder Normen strittig sind oder ob etwa überhaupt nur ‚Alltägliches‘, divergierende Interessen einzelner Figuren oder Gruppen oder administrative Probleme irgendwo im Imperium zum Thema werden oder werden können“ [1.3: Rekonstruktionen, 46]. Manche Forscher schätzen die Kapazität zu notwendigen Anpassungen höher ein; so formuliert C. A [From Republic to Empire, 46]: „The Romans also themselves undertook complex and far-reaching adjustments to the public practices and normative codes that structured social and political conduct as they understood it. In other words, they proposed, debated, and enacted solutions to a wide range of comtemporary problems, variously diagnosed.“ Doch auch A konstatiert letztlich „a fundamental incapacity of the Roman political imagination, or of Roman political language, to conceive and then to articulate meaningful reform“ [ebd., 50]. Demgegenüber wogen die literarischen Bemühungen Einzelner um ‚Reformkonzepte‘ (s. o. 1.2) nicht schwer. Die im Überblick erwähnte Senatsdebatte über verschiedene politische Stile der römischen Außenpolitik zwischen antiquus mos und nova sapientia ist Liv. 42,47,1–9 überliefert. Bereits T. M hat verschiedene um die Mitte des 2. Jahrhunderts zu beobachtenden Konfliktmomente in der sozio-politischen Ordnung der Republik sowie halbherzige Reformversuche als Ursachen und Symptome einer sich anbahnenden Krise herausgestellt [1.1.1: Römische Geschichte II, 68–84], und jüngst wurde der Aufstieg des Scipio Aemilianus (cos. 147 u. 134) auf einer Welle von Popularität als „an ominous foreshadowing of things to come“ und als frühe Entgrenzung eines Einzelnen „in defiance of traditional impediments“ gedeutet [1.1.1: R, Rome and the Mediterranean, 267–269]. Gleichwohl gilt das Volkstribunat des Ti. Sempronius Gracchus 133 in der Forschung mit Recht auch weiterhin als markanter Einschnitt; so konstatiert H. F, das Jahr 133 markiere eine Zäsur „because it witnessed a wide range of unprecedented violations
Volkstribunat des Ti. Gracchus
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Legitimitätsverlust
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of political rules of behavior, which proved decisive in dividing the community in its reactions to what had occurred“ [1.7: Roman Republics, 85]. Gute Forschungsüberblicke bieten E. B [Tiberius Gracchus] und J. B [1.1.1: Geschichte, 194–199]; die einzige neuere Monographie allein zum älteren der beiden Brüder ist immer noch die von A. B [Tiberius Sempronius Gracchus]. Im Rahmen von Gesamtdarstellungen sind lesenswert (alle 1.1.1) H [Römische Geschichte, 143–147], L [Von den Gracchen bis Sulla, 17–42], F [Politik in der späten Republik 1, 92–108], S [Römische Geschichte I, 334–351] und S [The End of the Roman Republic, 22–26]. Etwas außer Kurs geraten ist die ältere, letztlich ebenfalls auf M und den politischen Hintergrund des 19. Jahrhunderts zurückgehende Frage, ob Ti. Gracchus auf eine ‚Reform‘ gezielt habe und ob durch ihn (oder erst seinen Bruder Gaius) letztlich eine ‚Revolution‘ ausgelöst worden sei. Die Eskalation des Konfliktes, d. h. das Versagen der etablierten Dämpfungs- und Lösungsmechanismen, ist ohne den individuellen Karrieredruck, der auf Ti. Gracchus lastete, jedenfalls nicht zu erklären [B, Überlegungen]. S. M [3.1: Politische Führungsschicht, 288–297] bettet die Ereignisse des Jahres 133 in die kontingente Interaktion zwischen Senat und Volkstribunen im 2. Jahrhundert ein und zeigt, wie Letztere mal als Beauftragte des Senats handelten, mal die Zustimmung der Mehrheit voraussetzten und schließlich auch bisweilen gegen einen uneinigen, am Ende ablehnenden Senat standen. Ihr Agieren folgte keineswegs der Regie eines Spiels mit verteilten Rollen; oft scheinen sich die Dinge spontan und unvorhersehbar entwickelt zu haben, und ob daraus ein Problem erwuchs, sei wiederum davon abhängig gewesen, wie groß die Sache gemacht wurde. Die Eskalation führt M auf „ein Versagen aller Beteiligten“ zurück [ebd., 360]; dahinter habe aber eine – das gängige Bild von der römischen Aristokratie durchaus in Frage stellende – mangelhafte vorbereitende Kommunikation gestanden: Ti. Gracchus habe dem concilium plebis einen Antrag präsentiert, „von dessen Billigung durch den Senat die Reformer stillschweigend ausgingen“ [ebd., 354], während Octavius Einspruch einlegte, „ohne dazu ausdrücklich vom Senat aufgefordert zu sein“ [ebd., 361] und ohne im Sinne des ganzen Senats zu handeln. Erst durch die wechselseitige Fehleinschätzung der beiden Hauptakteure sei der zuvor indifferente oder jedenfalls uneinige Senat zur Formierung einer antigracchischen Position geführt worden, die weniger mit der lex agraria zu tun hatte als mit der nunmehr bestrittenen Verfügung des Hohen Hauses über Außenpolitik und Finanzen. Die „Verhinderung von Eskalation durch Kommunikation, dieses Grundprinzip der politischen Kultur der römischen Republik“ [1.1.1: L, Von den Gracchen bis Sulla, 30], gelang in diesem Fall nicht. Die These vom allmählichen Legitimitätsverlust der traditionellen, durch Senat und Obermagistrate gebildeten Regierung im Gefolge der Gewalt gegen die Gracchen und der offenkundigen Weigerung der Elite,
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für das Gemeinwohl einzustehen, hat markant J. v. U-S vorgetragen [Legitimitätskrise der römischen Republik]. Der offenkundige Befund ist bereits von M vor dem Hintergrund des politischen Denkens seiner Zeit normativ aufgeladen und zu einem Diktum zugespitzt worden: Wenn „eine Regierung nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen“ [1.1.1: Römische Geschichte III, 93]. 6.4 Eskalierende Störungen: Blockade, Notstand, Gewalt, Dictatoren als Diktatoren Die peinlich genaue Beachtung formaler Verfahren („preoccupation with procedure“) durch die Römer, selbst in Phasen extremen politischen Aufruhrs, betonte jüngst auch H. M [1.4: Politics in the Roman Republic, 1–3 u. passim]. Die formalrechtlich gedeckten Wege zur Macht, die von den Hauptakteuren in der Späten Republik und abschließend von Oktavian/Augustus beschritten wurden, finden sich bei W [1.1.1: Römische Geschichte, 255] tabellarisch zusammengestellt. Den Hintergrund von Pompeius’ eigenmächtiger Rekrutierung erhellt G [Pompeius Strabo und der Aufstieg seines Sohne Magnus]; zur Verleihung eines imperium an Oktavian im Jahr 44 s. eindringlich B [Augustus, 87–108]. Die im Überblick angeführte Gedankenfigur der notwendigen Selbstkontrolle der adligen Akteure, durch die das an sich widerspruchsvolle äußere Institutionengefüge der römischen Republik überhaupt erst funktionsfähig war, kann nach wie vor als herrschende Lehre gelten; bündig formuliert hat den durch diese Konstellation ausgelösten geschichtlichen Prozess A. H [1.7: Herrschaft und Freiheit, 106]: „Die ungeschriebenen Spielregeln, denen sich die Nobilität unterworfen und mit deren Hilfe sie einen im Grunde wenig zweckmäßigen äußeren Verfassungsmechanismus gemeistert hatte, wurden nun in wiederholten Alleingängen einzelner Politiker außer Kurs gesetzt, bis schließlich die latente Anarchie in offenen Bürgerkrieg überging und an Stelle von Recht und Gesetz das Schwert regierte.“ H hat in diesem Sinne für die Späte Republik die Bezeichnung „Revolutionszeit“ verwendet: Es habe sich um einen von den Akteuren nicht gewollten und nicht durchschauten dialektischen Prozess von Vorstößen, Reaktionen und (als Resultat) machtgesättigten, gleichwohl prekären und kurzlebigen Zuständen gehandelt, bis die Monarchie längerfristig Stabilität geschaffen habe [1.1.1: Römische Geschichte]. Doch wohnte, so ist zu differenzieren, diesem Prozess durchaus keine unwiderstehliche Dynamik inne, da Politik zu machen für die meisten römischen Aristokraten eine Funktion ihres sozialen Status’ darstellte und sie demzufolge inhaltlich wenig festgelegt waren. M spricht in diesem Zusammenhang
Marsch mit den Institutionen
Legalisierte Usurpation
Selbstkontrolle und politische Vorstöße
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Vetomacht und Vetopraxis
Notstandsverfassung in Rom?
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von einem „considerable degree of open-endedness, perhaps even unpredictabiliy, to the process of senatorial policy formation“ [1.4: Politics in the Roman Republic, 150]. Strittig ist, inwieweit diese Offenheiten auf den Gesamtprozess übertragen werden können, wie dies markant G [Last Generation] getan hat; s. dazu J [Caesars Alternative(n)] und W [Struktur, Zufall, Kontingenz] sowie zuletzt die ‚Wiedervorlage‘ von G [The Last Generation of the Republic Revisited]. Die Rede von der Selbstkontrolle erscheint mit dem ‚republikanischen‘ Modell von Politik verknüpft: Stabilisierung durch häufigen, aber gedämpften Konfliktaustrag und die davon ausgehende ‚erzieherische‘ Wirkung (s. o. 4.1.4). C. L [Jeder Familie ihr veto?] hat in diesem Sinne kürzlich zu erklären versucht, warum die vielen Obstruktionsmöglichkeiten, durch die Einzelne wie Gruppen politische Entscheidungsprozesse sprengen konnten, so auffällig selten eingesetzt wurden. Der gängige Rückgriff auf eine besondere Kohäsion der römischen Elite oder die selbstverständliche Geltung der Normen „aus der Mitte des sozialen Körpers heraus“ [1.7: H, Herrschaft und Freiheit, 475] erkläre das Phänomen letztlich nicht, dies leiste aber ein entscheidungstheoretisches Modell. Die relativ breite Verteilung der Vetorechte habe integrativ gewirkt: Gerade der Umstand, dass so gut wie jede Entscheidung strukturell verhindert werden konnte, stellte demnach die Basis für eine grundsätzliche Konsensfähigkeit der Elite her und habe die Akzeptanz der jeweiligen Entscheidung erhöht. Deswegen seien weder die Reichweite der „negative powers“ noch der Kreis ihrer Inhaber nennenswert beschränkt worden. Unstrittig sollte allerdings sein, dass sich die Verhinderungspraxis in der Späten Republik krisenhaft veränderte, indem Rechte von ihren Grundlagen und Voraussetzungen abstrahiert und gleichsam absolut gebraucht wurden [s. M, Loca intercessionis; R, Loca intercessionis und Legalismus]. Das im Überblick zitierte Diktum über Souveränität und Ausnahmezustand formulierte C. S 1922 [Politische Theologie, 8. Aufl. Berlin 2004, 13; vgl. ebd., 13–40]. In einer Hinsicht kann der Umgang der Römer mit außerordentlichen Krisensituationen und Bedrohungen ‚modern‘ genannt werden: Selbst dann, wenn geltende Regeln und Gesetze zeitweise aufgehoben, Kompetenzen erweitert und Rechte eingeschränkt wurden, um entweder höher eingeschätzte Güter – in erster Linie die schiere Weiterexistenz des Gemeinwesens und seiner Ordnung – zu schützen oder um partikulare Machtinteressen durchzusetzen, wurde nie einfach namenlose Gewalt geübt, sondern man nutzte vorhandene Kompetenzen, Institutionen oder Elemente von diesen, um das Außerlegale zu legalisieren. Damit traf sich, dass unterschiedliche Rechtsgüter und Interessen kaum je klar fixiert und hierarchisiert waren, die Ordnung also generell auf das Aushandeln und Austragen von Konflikten angewiesen blieb (s. o. 6.2). In diesem Sinne wurde eine systematisierende, ‚nomothetische‘ Bündelung der möglichen Maßnahmen in einer Notstandsverfassung, wie sie den meisten
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neueren Verfassungsordnungen eignet, unterlassen – selbst Sulla zielte mit seiner Kreativität gerade auf eine Befestigung von Normalität und Routine. Die mit dem modernen Etikett operierende Forschungsdiskussion unterlag Konjunkturen. M [1.4: Staatsrecht] hatte die Revolutions-, Verfassungs- und Legitimitätsdebatten des 19. Jahrhunderts im Blick, als er den Römern die Einsicht in die Tatsache bescheinigte [1.4: Staatsrecht II, 741], „dass jedes solche anomale Regiment zu einer ebenso anomalen Gehorsamsverweigerung der Regierten führen, jedes Ausnahmeregiment, auch gesetzlich herbeigeführt, unter Umständen denjenigen Nothstand erzeugen kann, der die Revolution legitimirt. Die Furchtsamkeit und die Heuchelei, welche die Möglichkeit solcher Ausnahmezustände und ihrer Consequenzen gern sich selber ableugnen möchte, ist ihnen fern geblieben, und nicht zum wenigsten darum sind dieselben in ihrem Gemeinwesen seltener als in anderen eingetreten. Wenn sie aber eintraten, so hat sich bei ihnen zu der furchtbaren Macht der politischen Leidenschaft die nicht minder furchtbare der juristischen Logik gesellt und es haben dadurch diese Ausnahmezustände eine Gestalt erhalten, die an Schrecklichkeit einzig dasteht.“ M konzentrierte sich, der Logik seines Werkes folgend, auf die Magistratur und deren Kompetenzen im Notfall [1.4: Staatsrecht I, 687–697]. Das Decemvirat der Zwölftafelzeit, die Diktaturen Sullas und Caesars sowie das sog. zweite Triumvirat fasste er als „ausserordentliche constituierende Gewalten“ [II, 702–742]. Am Beispiel des Zweiten Triumvirats hat K. B die Probleme dieser Konstruktion erörtert [1.3: Zu Mommsens Lehre]. In den Legitimitätsdebatten der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg fand die Dictatur als Ausnahmeamt neues Interesse, v. a. bei dem politisch exponierten Staatsrechtler C. S [dazu L, Qua lege, quo iure; N, Carl Schmitts ‚kommissarische‘ und ‚souveräne Diktatur‘; D., Saving the Constitution; Überblick 1.7: M / L, Diktatur], und in den 1960er-Jahren schärfte die (kurzlebige) politische Diskussion um eine Notstandsverfassung in der Bundesrepublik Deutschland auch den Blick von Althistorikern auf Rom. Doch weit jenseits dieses aktuellen Kontextes kann die Studie von U-S [Untersuchungen] über die politisch besonders strittigen Notstandsmaßnahmen, das senat¯us consultum ultimum und die hostis-Erklärung, nach wie vor Gültigkeit beanspruchen. Allerdings wird man heute die politische Frage nach der Akzeptanz zumal des s.c.u. der rechtlichen Kategorie der Legalität vorziehen [so schon 1.2: B, Gesammelte Schriften 2, 790]. Materialreich, aber schematisch werden alle o. im Überblick genannten Phänomene in der juristischen Dissertation von N [Ausnahmezustand] abgehandelt. Alle ‚staatlich‘ initiierten Notstandshandlungen lagen faktisch in den Händen des Senats, der formal einen oder mehrere Magistrate beauftragte, zur Abwehr der Gefahrensituation tätig zu werden. Dies geschah durch beschleunigte Mobilisierung von Truppen (tumultus) [4.1: K
Notstandsermächtigung durch den Senat
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¯ consenatus sultum ultimum
seditio und Selbsthilfe
Proskriptionen
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
/ W, Staatsordnung und Staatspraxis, 228f.; zum t. im Bürgerkriegskontext (überwiegend auf der Basis von Cicero-Texten) s. U, Tumultus e guerra civile] oder das iustitium [G, Crisis Management, 87–107], während die Ernennung eines Dictators zunächst wohl nichts mit besonderen Krisenlagen zu tun hatte (s. o. 4.1.2). Von einzelnen Akteuren oder Gruppen heftig bestritten wurden aus den im Überblick genannten Gründen stets Maßnahmen gegen römische Bürger, selbst wenn diesen durch die hostis-Erklärung der Bürgerstatus aberkannt worden war. Beim s.c.u. [s. neben U-S, Untersuchungen, noch 4.1: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 230–238, sowie – ohne nennenswerte neue Erkenntnisse – G, Crisis Management, 104–149, und N, Ausnahmezustand, 137–258; zu Ciceros eigenwilligem Umgang mit dem s.c.u. s. G, Le senatus consultum ultimum] ist vieles unklar, etwa ob die Interzession der Volkstribune oder das Recht eines Bürgers auf einen Prozess bei Kapitalanklagen suspendiert waren. Das Provokationsrecht wurde jedenfalls durch die lex Sempronia de capite civis des C. Gracchus nochmals eingeschärft. Konzeptionell sind s.c.u. und hostis-Erklärung [zu ihr jetzt breit A 2012] voneinander zu trennen, wie auch das Vorgehen Ciceros gegen die Catilinarier 63 zeigt [L, Senatus consultum ultimum]: War es das Ziel des s.c.u., den Bestand der Ordnung durch die Beseitigung der Notlage mit Mitteln, die außerhalb der Ordnung selbst lagen, wieder herzustellen, veränderte die hostis-Erklärung lediglich den Rechtsstatus des identifizierten Verursachers einer Krise und vergrößerte dadurch die Reaktionsmöglichkeiten der Regierung (Befugnisse durch imperium und coercitio) im Rahmen der Ordnung. Um die im nachbarschaftlichen Raum immer mögliche private Nothilfe zur Gefahrenabwehr auf den öffentlich-politischen Raum zu übertragen, wählte der pontifex maximus P. Cornelius Scipio Nasica Serapio 133 bei seinem Gewaltaufruf gegen Ti. Gracchus und dessen Anhänger die alte evocatio-Formel [s. 1.4: M, Staatsrecht I, 690; 695f.; N, Aufruhr, 80f.; 1.2: B, Zur römischen Verfassung, 84–86]. Grundlegend ist die umfassende Studie von F. H [Les proscriptions], die auch einen prosopographischen Katalog aller namentlich bekannten Proskribierten enthält. S macht auf den personen- und vermögensrechtlichen Hintergrund der gängigen öffentlichen Aufstellung von Namenslisten aufmerksam: So sei dieser an sich beispiellose Akt für das römische Publikum unmittelbar verständlich gewesen; Sullas ‚Wiederverwendung‘ eines privatrechtlichen Instruments im politischen Raum sei „a stroke of genius“ gewesen [Sulla, 82]. Obwohl es nur einen vagen Quellenbeleg für ein sullanisches Gesetz über die Proskriptionen gibt, wird ein solches u. a. von H [Les proscriptions, 67–86] und S [Sulla, 85f.] postuliert [vgl. 1.6: C, Roman Statutes, 747, Nr. 49]. Die Proskriptionen der Triumvirn beruhten auf der Ende 43 verabschiede-
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ten lex Titia und einem daraus abgeleiteten Edikt [s. B, Zwischen Republik und Principat, 43f.]. Sie folgten weitgehend dem Vorbild des Diktators, bis auf eine markante Ausnahme: Allein Sulla nahm auch den Kindern der Proskribierten das Recht, sich um Ämter zu bewerben, sowie die Option, auf dem Klageweg gegen ihre Enteignung und Zurücksetzung vorzugehen [dazu 1.2: H, Rome, la dernière République, 99–115]. Über die längerfristigen Folgen der Proskriptionen werden vom Ende der republikanischen Ordnung her blickend markante Urteile gefällt: Der „schwere Aderlass in der über Jahrhunderte gewachsenen Senatsaristokratie“ habe „letztlich diese für die römische Republik zentrale Institution so geschwächt, dass ihr Autoritätsverlust durch die massenhafte Auffüllung nicht nur nicht gestoppt, sondern sogar noch beschleunigt wurde“ [1.1.1: B, Die Römische Republik, 205f.]. Hier erscheint freilich ein vergleichender Blick auf die Bewältigung der vergleichbar schweren Verluste im Hannibalkrieg geboten. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wurden die Bestallung Sullas durch einen interrex und die Bedeutung der lex Valeria in diesem Vorgang sowie die Dauer seiner Dictatur intensiv diskutiert, etwa bei D M [1.4: Storia III, 71–80], W [4.1: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 702–711] und monographisch bei H [4.1: La dictature de Sylla]. Die Frage, ob Sullas Wahl ‚verfassungsgemäß‘ war [gegen die genannten Gelehrten unter Hinweis auf Cic. leg. agr. 3,5 und zwei Volkswahlen von Dictatoren im Hannibalkrieg bejaht von H, La dictature du Sylla], erscheint zumindest aus praxeologischer Sicht falsch gestellt: Niemand erklärte nach Sullas Tod irgendeine seiner Maßnahmen für ungültig, aber zugleich folgte Caesar auch in diesem Punkt dessen Beispiel gerade nicht. Wann Sulla als Dictator abdankte, ist strittig [s. 1.6: B, Magistrates III, 74f.]. G [1.4: Les institutions, 53–55 u. 209] bezieht die maximale Amtsdauer von sechs Monaten nur auf Dictaturen zur Kriegführung, während ‚zivile‘ Dictatoren amtiert hätten, bis ihre Aufgabe erledigt gewesen sei (und so auch Sulla); anders W [4.1: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 711] und H [La dictature de Sylla, 55–83]. Der sullanischen Gesetzgebung hat man oft eine ungewöhnliche konzeptuelle Konsistenz und Klarheit zugesprochen [so H, Res Publica Constituta], doch war sie ausschließlich von der Konsolidierung des stadtrömischen Binnenraumes her gedacht und vernachlässigte, wie die Folgezeit erwies, die Herrschafts- und Stabilisierungsaufgaben an der Peripherie [dazu überzeugend 3.5: B, Auf dem Weg zum Prinzipat, 246–251]. Dennoch hat H das zentrale und alle Maßnahmen verbindende politische Ziel Sullas, nämlich die Regierungsfähigkeit der aristokratischen Familien Roms auf Dauer zu sichern, klar herausgearbeitet, so dass „die sullanische Verfassung als Rechtsakt und als politische Leistung gewürdigt“ werden könne [W. D, HZ 252, 1991, 672]. An Sulla, dem trotz der deso-
Sullas Dictatur / Diktatur
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Caesar
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
laten Quellenlage immer wieder biographische Studien gewidmet werden, lässt sich außerdem das methodisch höchst problematische Verfahren, ein politisches ‚Werk‘ aus einer ‚Persönlichkeit‘ abzuleiten, gut studieren [dazu erhellend 1.1.1: B, Geschichte, 217f.]. Sein partieller Umbau der institutionellen Ordnung wurde teils rückgängig gemacht, teils blieb er bestehen. Mit Blick auf den Handlungsspielraum eines Reformers stellte T zutreffend fest, dass Sulla entschieden versucht habe, das politische System zu modifzieren, doch über die gegebenen Strukturen habe er sich nicht setzen können; gerade „die republikanischen Errungenschaften hatten den Aktionsraum stark eingeschränkt“ [Res publica constituenda, 11]. Ausführlich diskutiert wurden Nomenklatur und Dauer der einzelnen Dictaturen Caesars; s. W [4.1: Entwicklung der römischen Diktatur]; D M [1.4: Storia III, 227–240] und W [4.1: K / W, Staatsordnung und Staatspraxis, 712–717]; s. zuletzt J [Der Dictator und die Republik, 194–198]. In den jüngst aufgefundenen Fastenfragmenten erscheinen die einzelnen Dictaturen geschieden, aber nicht durch eine Aufgabe spezifiziert [Z, Fasti di Privernum]. Auch die Ehrungen für Caesar können als gut untersucht gelten; ihre fatale innere Dynamik stellte mit Recht D. S heraus [Den Sieger ehren]. Spannend ist die Frage, ob Caesars in die unbefristete Dictatur gekleidete Herrschaft bei seinem Tod ‚fertig‘, die Autokratie also etabliert war. M. J hat das mit guten Gründen zu erweisen gesucht [Staat des Diktators Caesar], doch scheinen die Ereignisse in den Monaten nach seinem Tod eher dagegen zu sprechen [s. H. B, Gnomon 60, 1988, 613– 619]. Noch einen Schritt weiter ging zuletzt M. M [1.7: Caesar und das Problem der Monarchie]. Als Historiker der Kaiserzeit und Spätantike betrachtet er die Monarchie als Normalfall, andere politische Ordnungen bedürften hingegen der Erklärung. Folgerichtig denkt er Caesar von der Kaiserzeit her und entwickelt die These, der Handlungsrahmen, in dem der Diktator und seine Zeitgenossen agierten, sei letztlich bereits ein monarchischer gewesen, während ihr Bewusstsein und der herrschende Diskurs dem Stand der Entwicklung hinterherhinkten. Die Monarchie bestimmte schon das Handeln, die Köpfe seien noch nicht so weit gewesen. Dieser Gedanke steckt bereits in C. Ms Formel von der „Krise ohne Alternative“ – die alte Ordnung funktionierte nicht mehr, aber eine andere blieb undenkbar. Indem Augustus für seinen Bau des Prinzipats auf Elemente, Formeln und Traditionen der Republik zurückgriff, obwohl deren politische Träger weitgehend ausgelöscht waren, bestätigt er ihre Richtigkeit. M. M möchte mit der These einer Inkongruenz von Handlungsrahmen und Diskurs erklären, warum die ausdrücklich unter republikanischen Vorzeichen erfolgte Tötung des ersten Monarchen in Rom letztlich zur Etablierung einer dann bemerkenswert stabilen Monarchie führte. In der Tat kann er einige schwierige Probleme der Forschung auf diese Weise
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einer Lösung näherbringen. So hatte Caesar in seiner faktischen Stellung als Alleinherrscher keine andere Wahl, als besiegte Gegner zu begnadigen oder die meisten ihm angetragenen Ehrungen anzunehmen, andere abzulehnen oder die Ämter für die Zeit seines geplanten Ostfeldzuges auf Jahre im Voraus zu vergeben – gleichzeitig wurde ihm all dies eben als „tyrannisches“ Verhalten angekreidet. Seine Versuche, Handlungs- und Diskursebene zur Deckung bringen, scheiterten letztlich; was er tat, konnte er weder begründen noch erklären, nur durchsetzen. Handlungsrahmen und Diskurs lagen nun, wie M. M mit Recht betont, vor allem aus der Sicht der bis dahin herrschenden republikanischen Elite auseinander; die Soldaten, die stadtrömische Plebs und die Bewohner der Provinzen waren längst bereit, dem Befehl eines einzigen Mannes zu gehorchen, wenn dieser ein guter war. Ein gewichtiger Einwand gegen diese These ist freilich – mit B, s. o. – nicht zu Caesars Lebzeiten zu suchen, sondern in den Monaten nach den Iden des März: In ihnen deutet wenig darauf hin, in der politischen Ordnung Roms schon eine fertige Monarchie zu sehen, die nur auf ihr Alphatier wartete. Erst der Auftritt Oktavians und die vielen, jeweils höchst kontingenten Ereignisse ab dem Sommer 44 formierten die Dinge zu einer Polarisierung, die strukturell erst in einen neuen Bürgerkrieg, dann in die Alleinherrschaft führte. Am Ende stellt sich mit neuer Schärfe die Frage, ob die römische Republik nicht eine historische Anomalie darstellte – freilich eine mit sehr langen Schatten. Seit Cola di Rienzo sich 1347 „Tribun von Rom“ nannte, N. Machiavelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts die ersten zehn Bücher des Livius als Steinbruch für Regierungstechniken las und Montesquieu in seinen „Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence“ (1734) über die Erhaltung einer republikanischen Ordnung räsonnierte, war die römische Republik Gegenstand monumentalischer, bisweilen auch kritischer Aneignung. Eine exemplarische Skizze aus der Sicht der politischen Ideengeschichte legte M vor [1.7: Republik, Demokratie und Diktatur]. Knappe Synthesen bieten etwa M [1.7: Republik] und E [1.7: Republicanism], jeweils mit weiterer Literatur; zu einem wichtigen Teilaspekt s. S [1.7: The Roman Republic and the French and American Revolutions] sowie S [1.7: Crisis and Constitutionalism, 260–341]. Beachtung verdienen freilich die Einwände von N [1.7: Klassischer Republikanismus]. Das Zweite Triumvirat wurde durch die – schlecht bezeugte – lex Titia (Nov. 43) definiert und dauerte bis zum 31. Dez. 33. Bereits in der Antike einer regellosen Epoche zugerechnet (Tac. ann. 3,28: non mos, non ius) und überwiegend narrativ vorgestellt, ist es doch als ‚Bindeglied‘ zwischen Caesars Alleinherrschaft und dem ab 29 schrittweise errichteten Herrschaftsbau des Augustus mehrfach auch systematisch behandelt worden. Grundlegend ist neben dem Aufsatz von F. M [Triumvirate and Principate], der die Regierungsentscheidungen der Triumvirn durchmustert
Republik in der Rezeptions- und Ideengeschichte
Das Zweite Triumvirat
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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
sowie nach der Rolle von Senat und Volksversammlung neben den übermächtigen Großmagistraten fragt, v. a. die Abhandlung von J. B [Zwischen Republik und Prinzipat]. Dieser hebt einerseits den durch eine fast schrankenlose Willkür in der Machtausübung der Triumvirn markierten Bruch mit der traditionellen Ordnung hervor, erkennt andererseits aber mit M Kontinuitäten, „die von den außerordentlichen Kommandos der sechziger und fünfziger Jahre zum Triumvirat und von diesem in den Prinzipat verlaufen“ [ebd., 9]. Zentral sei die auf Augustus vorausweisende gleichzeitige Kontrolle der Politik in Rom und in den Provinzen, wobei die Art des imperium der Triumvirn strittig ist [s. 4.1: V, High Command, 239–252]. In der Art, wie die Machthaber (und nach ihnen Oktavian / Augustus) dabei das öffentliche Recht handhabten, zeige sich B zufolge, dass „gerade der Teil des öffentlichen Rechts, in dem der Herr über das Heer sich legitimierte, den ihm innewohnenden Sinngehalt weitgehend verlor, denn in dem Vorgang der Einkleidung des Militärdespoten in ein rechtliches Gewand löste sich das Recht von innen her auf “ [Zwischen Republik und Prinzipat, 9]. Gelehrte in der von R. S geprägten britischen Tradition kritisieren eben diese Fixierung auf das Recht; so betont J. R, „how the triumvirs’ powers were defined was a matter of small consequence“ [CR 42, 1992, 113]. Dieser Dissens spiegelt unterschiedliche methodische Ansätze, wie sie die Forschung über die politische Ordnung der römischen Republik auch sonst immer wieder kennzeichnen.
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III. Literatur 1. Die politische Ordnung der Republik im historischen Kontext und in der Forschung 1.1 Die römische Republik 1.1.1 Überblickswerke zur Geschichte
A, A. E. u. a. (Hg.), The Cambridge Ancient History, 2nd edn., vol. 8: Rome and the Mediterranean to 133 B. C., Cambridge 1989. B, J, Geschichte der römischen Republik (Oldenbourg Grundriss, 2), 5. Aufl. München 1999. B, W, Die römische Republik. Forum und Expansion, München 2015. C, J. A. u. a. (Hg.), The Cambridge Ancient History, 2nd edn., vol. 9: The Last Age of the Roman Republic 146–43 BC., Cambridge 1994 (dazu F. M, Roman Republic [1.2], 200–214). D, J-M, La République romaine de la deuxième guerre punique à la bataille d’Actium. 218–31: Crise d’une aristocratie, Paris 2000. F, E, Politik in der späten römischen Republik. Kurseinheit 1: Von den Gracchen bis zum Bundesgenossenkrieg, 133–89 v. Chr.; Kurseinheit 2: Vom Aufstieg Sullas bis zum Ersten Triumvirat, 89–60 v. Chr. (Studienbrief der Fernuniversität Hagen, 1998). H, A, Römische Geschichte. 6. Aufl., herausgegeben, eingeleitet und mit einem neuen Forschungsteil versehen von B, J / D, W / G, H–J, Paderborn u. a. 1998 (zuerst 1960). L, B, Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla, Darmstadt 2005. M, T, Römische Geschichte, 3 Bde. (1854–1856), 12./13. Aufl. Berlin 1920–1922. R, N, Rome and the Mediterranean 290 to 146 BC. The Imperial Republic, Edinburgh 2012. S, M, Römische Geschichte I: Rom und die antike Welt bis zum Ende der Republik, Stuttgart 2013. S, C, The End of the Roman Republic, 146 to 44 BC. Conquest and Crisis, Edinburgh 2013. https://doi.org/10.1515/9783486852547-003
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III. Literatur
W, F W. u. a. (Hg.), The Cambridge Ancient History, 2nd edn., vol. 7.2: The Rise of Rome to 220 B. C., Cambridge 1989. W, U, Römische Geschichte (bis 44 v. Chr.), in: Der Große Ploetz. Die Enzyklopädie der Weltgeschichte, 35., neubearb. Aufl. Göttingen 2008, 189–233. 1.1.2 Rom als Machtmaschine (s. auch 3.5)
B, F, Das Imperium Romanum – ein ‚Reich‘? in: Gymnasium 117, 2010, 49–66. E, A M., Conceptualizing Roman Imperial Expansion under the Republic: an Introduction, in: R / M-M, Companion [1.2], 567–589. E, A / E, P, War and State–Building in Roman Republican Times, in: Scripta Classica Israelica 24, 2005, 1–33. E, A, Roman Imperialism, Edinburgh 2010. G, H, Rom – Welteroberer und Weltorganisator, München 1981. H, W V., War and Imperialism in Republican Rome, 327–70 B. C. (1979), 2. korr. Aufl. Oxford 1985. L, B, Die Väter und der Staat. Die Grundlagen der aggressiven Subsidiarität in der römischen Gesellschaft, in: L, Staatlichkeit [1.2], 65–90. W, G, Rom. Biographie eines Weltreichs, Stuttgart 2015. 1.2 Sammelbände und Gesammelte Schriften B, A / S, W (Hg.), The Oxford Handbook of Roman Studies, Oxford 2010. B, H / J, M / S, J (Hg.), Money and Power in the Roman Republic, Brüssel 2016. B, O, Zur römischen Verfassung. Ausgewählte Schriften, Göttingen 2014. B, J, Gesammelte Schriften, 2 Bde., Stuttgart 1998. B, H u. a. (Hg.), Die späte römische Republik – La fin de la république romaine. Un débat franco–allemand d’histoire et d’historiographie, Rom 1997. B, P A., The Fall of the Roman Republic and Related Essays, Oxford 1988 (dazu J. A. N, The Roman Counter–Revolution, in: JRS 79, 1989, 151–157).
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1. Historischer Kontext und Forschung
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III. Literatur
chungen zu den Formen der Identitätsstiftung und Stabilisierung in der römischen Republik, Stuttgart 2000. L, C (Hg.), Staatlichkeit in Rom?, Stuttgart 2014. R, S R. (Hg.), Processes of Integration and Identity Formation in the Roman Republic, Leiden/Boston 2012. M, J, Bedingungen menschlichen Handelns in der Antike. Gesammelte Beiträge zur Historischen Anthropologie, Stuttgart 2009. M, J (Hg.), Das Alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, Gütersloh 1994. M, F, Rome, the Greek World, and the East. Vol. 1: The Roman Republic and the Augustan Revolution, Chapel Hill 2002. M, T, Gesammelte Schriften. 8 Bde., Berlin 1904–1913. P, J / A, V (Hg.), A Companion to Roman Politics, Chichester (in Vorber.). R, R, Ordo und dignitas. Beiträge zur römischen Verfassungs– und Sozialgeschichte, Stuttgart 2007. R, N / M–M, R (Hg.), A Companion to the Roman Republic, Malden u. a. 2006. S, H (Hg.), Zur Sozial– und Wirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik, Darmstadt 1976. S, J (Hg.), Res Publica Reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats (FS Jochen Bleicken), Stuttgart 2002. S, C / B, H (Hg.), Community and Communication. Oratory and Politics in Republican Rome, Oxford 2012. U-S, J , Römische Studien. Geschichtsbewußtsein – Zeitalter der Gracchen – Krise der Republik (Beiträge zur Altertumskunde, 232), München/Leipzig 2006. W, U (Hg.), Gesetzgebung und politische Kultur in der römischen Republik, Heidelberg 2014. W, T P., Remembering the Roman People. Essays on Late– Republican Politics and Literature, Oxford 2009. Z, G (Hg.), ‚Partiti‘ e fazioni nell’esperienza politica romana, Mailand 2009.
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1. Historischer Kontext und Forschung
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1.3 Forschungsgeschichte / Forschungsüberblicke B, F, Volkssouveränität und verfassungsrechtliche Systematik. Beobachtungen zur Struktur des Römischen Staatsrechts von Theodor Mommsen, in: S, Res Publica Reperta [1.2], 124–136. B, O, Mommsens Glaube – zur Genealogie von Recht und Staat in der Historischen Rechtsschule und zu den geistigen Grundlagen der verschiedenen eigenrömischen Systementwürfe (2005), in: ., Zur römischen Verfassung [1.2], 311–380. B, J, Gedanken zu dem Buch Gelzers über die römische Nobilität (1977), in: ., Gesammelte Schriften [1.2], 1058–1079. B, J, Im Schatten Mommsens. Gedanken zu Wolfgang Kunkels Buch über die Magistratur in der römischen Republik (1996), in: ., Gesammelte Schriften [1.2], 526–550. B, K, Das Zweite Triumvirat. Bemerkungen zu Mommsens Lehre von der außerordentlichen konstituierenden Gewalt, in: K, P / L, V (Hg.), Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte, Darmstadt 1988, 22–38. C, M A., Reconstructing what Roman republic?, in: Bulletin of the Institute of Classical Studies University of London 54.2, 2011, 105–114. D, M, Römische Kollegien und deutsche Geschichtswissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Historia Einzelschriften, 209), Stuttgart 2009. F, E, Volkssouveränität ohne Repräsentation. Zum Römischen Staatsrecht von Theodor Mommsen, in: K, W u. a. (Hg.), Geschichtsdiskurs III: Die Epoche der Historisierung, Frankfurt/M. 1997, 321–339. F, H I., The Imperial Republic, in: B / S, Oxford Handbook [1.2], 519–532. G, A, Magistratur und Volk. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Staatsrechts, in: E, Staat und Staatlichkeit [1.2], 406–436. G, H, Das Verfassungsverständis der römischen Republik. Ein methodischer Versuch, Frankfurt/M. u. a. 1985. H, K-J, Rekonstruktionen einer Republik. Die politische Kultur des antiken Rom und die Forschungen der letzten Jahrzehnte, München 2004 (aktualisierte und erweiterte Übers.: Reconstructing the Roman Republic. An Ancient Political Culture and Modern Research. Translated by H-G, H, revised, updated, and augmented by the author, Princeton 2010).
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III. Literatur
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1. Historischer Kontext und Forschung
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langer Schatten. Das römische Staatsrecht als bleibende Herausforderung für die Forschung, Hildesheim u. a. 2005. R, S, Theodor Mommsen. Eine Biographie, 2. Aufl. München 2007. R, R, Die Interpretation des Niedergangs der römischen Republik durch „Revolution“ und „Krise ohne Alternative“ (1982), in: ., Ordo und dignitas [1.2], 123–150. S, R / W, U, Literaturbericht Altertum, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 64, 2013, 618–635 (Teil IV); 750–760 (Teil V); 65, 2014, 95–122 (Teil VI). S, C, Gelzers ‚Nobilität der römischen Republik‘ als Wendepunkt, in: Historia 37, 1988, 222–240. S, E. S, The Constitution of the Roman Republic 1940–1954, in: Historia 5, 1956, 74–122. S, S, Von Mommsen zu Gelzer? Die Konzeption römischrepublikanischer Gesellschaft in „Staatsrecht“ und „Nobilität“, Stuttgart 2018. S, W, Cato Censorius in der Forschung des 20. Jahrhunderts, Hildesheim u. a. 2004. W, U, Kein Anschluß unter dieser Nummer. Über den Versuch eines neuen „Staatsrechts“ für Rom, in: Gymnasium 114, 2007, 475–485. W, A M., The Roman Republic, in: T, C G. (Ed.), Ancient History: Recent Work and New Directions, Claremont 1997, 55– 78. Z, G u. a., Ricostuzioni di una repubblica, in: Studi Storici 47, 2006, 317–404 (zu H, Rekonstruktionen; Beiträge von H, K-J; D, J-M; Y, A; Z, G).
1.4 Grundlagenwerke und Überblicke zur politischen Ordnung der Republik B, J, Die Verfassung der römischen Republik, 7. Aufl. Paderborn 1995. D M, F, Storia della Costituzione Romana, Bd. I–III Neapel 1951–1958; Bd. I–II in 2. Aufl. 1972/73. G, A, Les institutions de la République romaine des origines à la mort d’Auguste, Basel 2015.
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III. Literatur
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1.4.1 Handbuchartikel und Abrisse
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1. Historischer Kontext und Forschung
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III. Literatur
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1. Historischer Kontext und Forschung
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1. Historischer Kontext und Forschung
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2. Das Erbe der Königszeit und der frühen Republik
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3. Grundlagen römischer Machterzeugung: Netzwerk, Hierarchie, Integration A, G, Römische Sozialgeschichte. 4., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2011. B, P A., Social Conflicts in the Roman Republic, New York 1971. G, H-J, Die römische Gesellschaft, in: M, Das Alte Rom [1.2], 167–193. M, J, Formen sozialer Kontrolle im republikanischen Rom (2002), in: ., Bedingungen menschlichen Handelns [1.2], 345–362. M, N, Social Structure and Demography, in: R / M-M, Companion [1.2], 299–323. S, R P., Roman Class Structures and Relations, in: G, M / K, R (Hg.), Civilization of the Ancient Mediterranean, New York 1988, Bd. 1, 549–574.
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3. Grundlagen römischer Machterzeugung: Netzwerk, Hierarchie, Integration
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4. Institutionelle Akteure der res publica
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III. Literatur
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Anhang Abkürzungen AC ANRW BMCR CQ CR DNP EAH EGRA FRH
L’Antiquité classique Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt Bryn Mawr Classical Review The Classical Quaterly The Classical Review Der Neue Pauly Encyclopedia of Ancient History (2013) Enzyklopädie der Griechischen und Römischen Antike Die Frühen Römischen Historiker, hg. von H. B / U. W (2001 / 2005) FS Festschrift GFA Göttinger Forum für Altertumswissenschaft HZ Historische Zeitschrift ILLRP Inscriptiones Latinae Liberae Reipublicae, ed. Degrassi ILS Inscriptiones Latinae Selectae, ed. Dessau JRS Journal of Roman Studies MEFRA Mélanges d’ Archéologie et d’ Histoire de l’ École française de Rome OCD4 The Oxford Classical Dictionary (4. Aufl. 2012) OEAGR Oxford Encyclopedia of Ancient Greece and Rome (2010) RE Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Syll.3 Sylloge Inscriptionum Graecarum, ed. Dittenberger Transactions and Proceedings of the American Philological TAPA Association ZRG (RA) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung
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Register Personenregister A Aemilius Lepidus, M. (cos. 46, Triumvir), 90 Aemilius Scaurus, M. (cos. 115), 75 Annius Milo, T. (pr. 55), 71 Antonius, M. (cos. 44, Triumvir), 1, 17, 18, 51, 81, 90 Appian (Geschichtsschreiber), 89 Appuleius Saturninus (tr. pl. 103, 100), 43 C Caecilii Metelli, 17, 139 Caecilius Metellus Numidicus, Q. (cos. 109), 71, 75 Caecilius Metellus, L. (cos. I 251), 129, 144 Cassius, Sp., 78, 168 Cicero, M. Tullius (cos. 63), 14, 19, 34, 58, 66, 71, 74, 82, 91, 94, 103, 133, 141, 194, 220, 221 Claudii, 77, 135, 190 Claudii Marcelli, 17 Claudius Caecus, App. (cens. 312), 48, 123, 125 Claudius Pulcher, App. (cos. 143), 85 Clodius Pulcher, P. (tr. pl. 58), 18, 43, 68, 175, 176, 209 Cornelii Scipiones, 77 Cornelius Cinna, L. (cos. I 87), 90 Cornelius Scipio, L. (cos. 190), 80 Cornelius Scipio Aemilianus, P. (cos. I 147), 37, 77, 79, 81, 221 Cornelius Scipio Africanus, P. (cos. I 205), 36, 37, 80, 81, 178 Cornelius Scipio Nasica, P. (cos. 138), 93, 234 F Fabius Maximus ‚Cunctator‘, Q. (cos. I 233), 163 Fabius Pictor, Q. (Geschichtsschreiber), 102 Flaminius, C. (cos. I 223), 78, 103, 221
Flavius, Cn. (aed. 304), 58 Fulvius Nobilior, M. (cos. 189), 133 I Iulius Caesar, C. (cos. I 59), 1, 5, 17, 18, 21, 28, 30, 34, 36, 44, 47, 50, 52, 65, 90, 101, 111, 112, 117, 122, 127, 151, 163, 222 Iunius Brutus, M. (pr. 44), 77 J Johannes Lydus (Gelehrter), 102 L Licinius Crassus, M. (cos. I 70), 36, 66 Livius Drusus, M. (cos. 112)), 79 Livius, T. (Geschichtsschreiber), 2, 123, 237 M Maelius, Sp., 78, 168 Manlii Torquati, 77 Manlius Capitolinus, M., 78, 168 Manlius Torquatus, T. (cos. 165), 70, 210 Marius, C. (siebenfacher Konsul), 5, 14, 18, 30, 37, 79, 81, 90, 145, 221 O Octavius, M. (tr. pl. 133), 230 Oktavian/Augustus (63 v.Chr.-14 n.Chr), 1, 17, 18, 36, 43, 57, 90, 91, 95, 97, 101, 111, 133, 207, 237, 238 Opimius, L. (cos. 121), 58 P Papirius Carbo, C. (cos. 120), 71 Polybios (Geschichtsschreiber), 1–3, 32, 42, 103, 122, 129, 144, 197 Pompeius Magnus, Cn. (cos. I 70), 5, 17, 18, 27, 36, 50, 51, 66, 76, 90, 91, 95, 101, 102, 186 Pomponius Atticus, T., 136 Pomponius, Sex. (Jurist), 102
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Register
Porcius Cato Uticensis, M. (pr. 54), 67, 175, 187 Porcius Cato, M. (cos. 195), 12, 14, 48, 129, 133, 178, 190, 223 R Romulus, 6, 12, 51, 73 Rutilius Rufus, P. (cos. 105), 71, 75 S Sallustius Crispus, C. (Geschichtsschreiber), 79, 130, 221 Scribonius Curio, C. (tr. pl. 50), 43 Sempronius Asellio, A. (pr. 89), 38 Sempronius Gracchus, C. (tr. pl. 123/122), 43, 71, 78, 91, 122, 136, 190 Sempronius Gracchus, Ti. (tr. pl. 133), 42, 78, 89, 91, 111, 149, 174, 209, 229
Sergius Catilina, L., 66, 82 Sertorius, Q., 20, 51 Servilius Rufus, P. (tr. pl. 63), 181 Servius Tullius, 6, 59, 78, 124, 171, 172, 192 Sextius Lateranus, L. (cos. 366), 42 Sulla, L. Cornelius (cos. I 88), 18, 20, 29, 51, 90, 94, 163, 165, 186 Sulpicius Galba, P. (cos. I 211), 62 Sulpicius Galba, Ser. (cos. 144), 71 Sulpicius Rufus, P. (tr. pl. 88), 43 T Tarquinius Superbus, 6, 122 Terentius Varro, M. (Gelehrter), 82, 102, 103 V Verres, C. (pr. 74), 71
Sachregister A Abstimmungen, siehe Wahlen Abstimmungsvorgang (Comitien), 62, 63 – schriftlich, 66, 86, 202, 204 Ackergesetze, 65, 89, 106, 181, 213, 230 ‚Adelsparteien‘, 111, 196, 205 Ädile / Ädilität, 25, 29, 30, 44, 59, 160, 162, 176 Adoption, 17, 59, 70 ager publicus, 44, 55, 153, 180, 213 ager Romanus, 4, 23 agere cum plebe, 31 agere cum populo, 31 Ahnenbildnisse (imagines maiorum), 18 Akteurszentrierung, 116 Alternative, 90, 97 Altersgrenzen, 20, 29, 60 Alterskohorten, 75, 217 ambitus, 67, 71, 74, 204 amicitia, 140, 142, 143, 149 – Freundschaft, 17 Ämterlaufbahn, 13, 29, 45, 47, 49, 81, 84, 100, 132, 167, 172 Amtsgewalt, 155, 160, 195 Anachronismus, Gefahr des, 2 Anführer und ‚Volk‘, 115, 126
Annuität, 27, 43, 74, 122, 157, 159 – polit. Bedeutung, 72, 76, 217 Antiquare / antiquar. Forschung, 102, 104, 106, 107 Archiv, 120 Aristokratie (Begriff), 11, 128 Aristokratie, römische, 9, 12, 50, 128, 168 – agrar. Hintergrund, 213 – Aufsteiger, 14, 134 – Erinnerungspraktiken, 143 – Opferbereitschaft, 146 – persönl. Qualitäten, 13 – Reichtum, 133, 140 – Sozialisation, 13 – und Recht, 211 Arrogation, 137, 211 Asia (Provinz), 25 auctoritas, 13, 185 auctoritas senat¯us, 53, 184–186, 221 Aufruhr (seditio), 69, 93 Aufrührer (seditiosi), 77, 224 Auguren, 26 Ausnahmezustand, 92, 163, 232, 233 auspicia, 80, 181, 185 auspicium, 26, 154, 155 Außenpolitik, römische, 4, 229
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Register ‚außerordentliche konstituierende Gewalt‘, 94, 233 außerordentliche Kommanden, 30, 36 Aventin, 120, 176, 216 B Bacchanalienskandal (186), 15, 23, 70, 106, 211, 223, 228 Begräbnisprozession, 19, 73, 144 Begräbnisrede (laudatio funebris), 13, 19, 74, 144 Begriffe, analytisch-soziologische, 2, 126, 130 Begriffe, Problem der, 2, 193, 198, 221, 230 beneficia, 24 Bevölkerungszahl, 1, 56, 147, 192 Bindungswesen, 11, 17, 73, 204, 218 Binnenwanderung, 86, 127, 147, 227 Briefverkehr, 75 Brutalität röm. Politik, 101 Bundesgenossenkrieg (91–89), 20, 24, 27, 36, 55, 56, 97, 151, 189 Bürgerbewusstsein, 171 Bürgerkrieg, 5, 20, 21, 37, 79, 90, 97, 146, 171, 237 Bürgerlisten, 10 Bürgerrecht, 55, 94, 189 – als Herrschaftsmittel, 55 – Erwerb, 55 Bürgerrecht, latinisches, 23 Bürgerschaft und Magistrate, 27 Bürokratie, 23, 25, 27, 30, 50, 182 C Censor / Censoren, 16, 25, 27, 29, 30, 33, 44, 47, 48, 51, 52, 59, 78, 161, 162, 179, 184 Census, 24, 56, 74, 161, 180, 189, 192 centuriae, 20, 124 Centuriatcomitien, 20, 27, 59, 74, 135, 162, 192, 196, 202 Centurione, 21 civic rituals, 56, 86 civis Romanus, 54 – Formationen, 56 classis, 60 Cliquenherrschaft, 57, 75, 79, 111, 226 coercitio, 33, 71, 94, 108, 154, 191, 192, 234 collegia, 68, 209 Comitialprozess, 60, 70, 71, 212
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Comitium, 73 commendatio maiorum, 18 Compitalcollegien, 68 concilium plebis, 42, 60, 63, 175, 191, 230 concordia, 58, 194 conscripti, 125 consilium (Beraterkreis), 16, 70, 71, 75, 137, 152 constantia, 13 contio, 61, 74, 200, 202, 209, 218 curiae, 40, 59, 123 Curiatcomitien, 59, 196 cursus honorum, 37, 42 – Ämterlaufbahn, 28 D decem legati, 50 decemviri legibus scribundis, 49 Delegierung (von Aufgaben), 46, 47, 50, 80, 177, 182 Demographie – Bevölkerungszahl, 149 demographische Entwicklung, 86 Demokratie, 27, 59, 113, 116, 158, 197– 200, 220 designierte Magistrate, 52, 158 Dictator / Dictatur, 25, 27, 28, 34, 80, 90, 93, 163, 233 – Caesar, 35, 95, 236 – Sulla, 35, 94, 164, 235 – zur Kriegführung, 35 Dienstpersonal (apparitores), 27 dignitas, 20, 52 Diskurs, politischer, 61, 74, 206, 236 Disziplin, militärische, 21 divisores, 68 domi, 26, 32, 38, 41, 93, 105, 147, 190 E Edikt, prätorisches, 37 Ehe, 15 Eid, 65, 96 Einbindung des Volkes, 64, 67, 74 Eintracht – concordia, 58 equites, 135, 178, 192 – Ritter, 14 Etrusker, 9, 10, 122, 124 evocatio, 93, 234 exemplum / exempla, 19, 144 Exil, 71 Expansion und polit. Ordnung, 5
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Register
F Faktionen, 111, 128 Faktionentheorie, 201 familiale Verbindungen, 111 Familie und polit. Feld, 9, 15, 16, 137 Familienprofil, 77, 139, 219 Feindschaft (inimicitia), 17 Feld (Begriff), 121, 129 Feldherrenvertrag, 76 fides, 13, 127, 194 Fiskalpolitik, römische, 153 Flexibilität (im Handeln), 9, 36, 49, 67, 79, 83, 87, 90, 96, 162, 163 ‚Flugschriften‘, 103 Formierung, horizontale, 19, 90 Forum, 73, 120, 216 Freigelassene (liberti), 18, 68, 208 Freiheit, 3, 8, 57 Fremde (peregrini), 22 Freundschaft, 17 Frieden mit den Göttern (pax deorum), 26 G Gefolgschaftsgruppen, 123 Gehorsam (des Volkes), 199 Gemeindeorganisation, 24 Gemeinwohl, 79, 88 gens / gentes, 16, 39, 40, 51, 77, 138, 144 Gerichtspatronat (patrocinium), 18 Gerüchte, 69, 209, 218 Geschichtsschreibung, 35, 88, 102, 208, 224 Gesellschaftsgeschichte, 110 Gesetzgebung, 60, 62, 65, 81, 163, 189, 204, 212 – mit Gewalt (per vim), 65, 205 Gewalt, 67, 76, 81, 89, 90, 92, 94, 96, 152, 201, 209, 217, 232, 234 Gewaltdisposition, 6, 69, 81 Gewaltmonopol, 15 Gleichheit, aristokratische, 12, 227 gravitas, 13, 170 Griechen als Modell, 124, 133, 178, 223 H Habitus / Habitualisierung, 119 Handlungsrollen, aristokratische, 70 Hannibalkrieg, 4, 27, 29, 56, 81, 86, 92, 129, 132, 148, 163, 182, 186, 223, 225, 235 Haus (domus), 11, 15, 16, 73, 138
Haus auf dem Land (villa), 16, 138 Hausgemeinschaft (familia), 15 Heeresversorgung, 14 Heiratspolitik, 17, 24 Herrschaft, 2, 119 Hierarchie, 11, 20, 72, 74, 126, 127, 208, 209, 214, 218 – von Bindungen, 19 ‚Hinterzimmerpolitik‘, 76, 95 homo novus, 89, 129, 132 – Aristokratie, römische:Aufsteiger, 14 honos, 67 hostis-Erklärung, 93, 233 I ‚Imperialismus‘, römischer, 3, 6, 100 imperium, 26, 28, 32, 48, 59, 80, 91, 146, 154, 155, 160, 161, 165, 167, 234 Imperiumträger, 31, 34, 43, 48, 72, 73, 76, 83, 92, 100, 122, 146, 155, 156, 161, 182, 186 – außerordentliche, 35, 49, 65, 157, 164 Institution, 2, 114, 119 Integration (als polit. Leistung), 10, 74, 123, 172, 195 intercessio, 40, 41 Interessen, 72, 78, 87, 90, 112, 118, 127 interrex, 27, 49, 155, 180, 184, 185, 235 Invektive, 76 Italien, 1, 4, 10, 22, 23, 55, 87, 88, 110, 122, 149, 150 Iteration, 29, 131, 157 iudicium populi, 190 ius honorarium, 37 iustitium, 76, 92 J Jahre, bedeutsame – ca. 450: 48, 124, 131, 161 – 396: 4 – 367: 8, 13, 27, 28, 42, 124, 131, 161, 172, 177, 179 – 338: 4 – 287: 173 – 146: 5 – 133: 28, 39, 42, 54, 65, 69, 89, 92, 136, 200, 229 – 88: 21, 93 Jovialität, 66, 200, 208 K Kalender, 217 Kandidatur / Wahlkampf, 65
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Register Kapazität, polit., 228 Kapital, symbolisches, 16, 129, 132, 156 Kapitol, 74, 120, 216 Karrieremuster, 132, 133, 157, 167, 176 Klasse, 4, 126, 169 – regierende, 12, 53, 111, 129, 136, 211, 235 ‚Klassische Republik‘, 99 Klientel – in den Außenbeziehungen, 150 Klientel, militarisierte, 18, 21, 141, 145 Klientelherrscher, 1 kognatische Vernetzung, 140 Kollegialität, 28, 108, 154, 157, 159, 166, 172, 179 Kollision von Regeln, 28, 108 Kolonie / colonia, 1, 152 Koloniegründung, 50, 57, 87, 148, 181 Kommandoverhältnisse, 21 Kommunikation, aristokratische, 17, 61, 75, 86, 140, 200 Kompromiss, 89 Konflikt, 4, 73, 83, 88, 91, 108, 219 Konflikte, soziale, 10, 127 König / Königtum, 7, 8, 121, 160, 171 Konkurrenz, aristokratische, 5, 12, 29, 39, 44, 72, 74, 86–88, 91, 96, 100, 115, 119, 130–132, 134, 203, 227 Konsens, 3, 4, 62, 65, 77, 115, 132, 207, 219 Konsensritual, 62, 65, 66, 206, 207 Konsul / Konsuln, 6, 20, 28–30, 32, 45, 90, 116, 162 – Amtsantritt, 33, 217 – seit Sulla, 34 – Wirkungsfelder, 33 Konsular, 29, 52, 159 Kontingenztoleranz, 129, 132, 219 Korruption, 69, 201 Korsika, 4 Kreditgeschäft, 14, 17 Kriegsbeute, 21, 146 ‚Krise‘, 99 L labor, 13 Landverteilungskommissionen, 49, 181 Latifundien, 148 Latiner, 190 Latinerkrieg, 4 lectio senatus, 51, 52, 183 legatus / legati, 36, 50, 80, 91, 146, 156, 165, 181
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leges, 106 Leges Liciniae Sextiae (367), 13, 25 leges sumptuariae, 86 Legitimität (der Führung), 75, 77, 85, 90, 112, 115, 184, 195, 230, 233 Leitbegriffe der Forschung, 4, 58 Lex Claudia de nave senatorum (218), 78 lex curiata, 26, 59, 156, 161 Lex Gabinia (67), 27, 36 Lex Hortensia (287), 42, 60, 131, 173, 223 Lex Manilia, 36 Lex Ogulnia (300), 80, 222 Lex Ovinia, 48 Lex Porcia (198 od. 195), 190 lex publica, 64 Lex Publilia (339), 185 lex sacrata, 40, 171 Lex Sempronia de capite civis (123), 93, 190, 234 Lex Titia (43), 20, 235, 237 Lex Valeria de provocatione (449?), 32, 190 Lex Villia annalis (180), 25, 29, 81, 157, 223 libertas, 117, 191, 194, 195, 197, 200 – Freiheit, 3 Liktoren, 27, 38, 58, 59, 80, 164, 217 Losung, 226 Ludi, 45, 69, 73 lustrum, 48, 74, 180 M Macht, 2, 4, 119, 196 Machtbildung, 85, 149, 231 magister populi, 161 Magistratur – Aufgaben, 30 – Befugnisse, 30, 158 – Ehrenamtlichkeit, 27 – Entwicklungsschübe, 25 – Insignien und Ehrenrechte, 31 – und Nobilität / Senat, 114 magistratus (Begriff), 25, 154 maiestas, 58, 64, 67, 71, 77, 194 manpower, 4, 22, 147 Marsfeld, 73, 74, 202, 216 Marxismus, 110, 128, 208 Meritokratie, 14 Militärdienst, 29, 46 ‚Militarismus‘, 146 militiae, 26, 32, 41, 93, 105, 147, 155, 182
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Register
Mischverfassung, 59, 103, 114, 194, 197 Mittelschicht, 87, 126 Monarchie, 113, 122, 200, 236 ‚monarchisches Potential‘, 78 mos maiorum, 3, 19, 72, 82, 88, 144, 180, 222, 224 Munizipien, 23, 152, 189 Münzbilder, 46, 177, 194 Münzmeister, 46, 177 N Nachbarschaften, 68 ‚Nah- und Treuverhältnisse‘, 112, 129, 139 Nobilität, 13, 57, 74, 81, 88, 89, 97, 100, 101, 109, 114, 128, 129, 131, 140, 143, 158, 159, 165, 167, 173, 178, 195, 220, 228, 231 – Entsolidarisierung, 88, 227 – Interessenverlagerung, 165 – Reproduktionsrate, 13 Norm und Ausnahme, 82, 182, 224 Normenkollision, 84 Notstandsmaßnahmen, 65, 108 O Oberamt – frühes, 31, 159, 166 – Institutionalisierung, 32 – Zahl, Zusammensetzung, 28, 32 Obstruktion, 53, 83, 92, 188, 219 ‚öffentliche Meinung‘, 218 Öffentlichkeit, politische, 199, 200, 203, 218 ‚Optimaten‘, 3, 79, 221 Ordnung, politische, 2, 117, 215, 216, 237 P ‚Parteien‘, 111, 127 Parteiungen, 112, 128 Partizipation, Grad der, 202 pater familias, 15, 21, 70, 120, 137, 140, 151 patres conscripti, 51, 184 patria potestas, 15, 83, 137 Patrizier, 12, 39, 44, 125, 130, 172, 204 – ‚Abschließung‘, 13, 40, 51, 130 Patronage, 23, 66, 111, 139, 142, 151 Patron-Klient-Beziehungen, 17, 24, 40, 54, 66, 68, 70, 86, 141, 153, 197, 211 Personalisierung der Politik, 82
Phylen, griechische, 9 pietas, 13 Plebeier, 39–41, 44, 55, 60, 125, 160, 168, 172, 204, 226 Plebiscitum Ovinium, 184, 185 Plebiszit, 42, 106, 172 Plebs, ländliche, 148, 214 Plebs, stadtrömische, 56, 69, 73, 90, 95, 127, 143, 208 Polis, griechische, 3, 10 ‚politische Grammatik‘, 112, 218 politische Kultur, 2, 64, 73, 113, 199, 203, 205, 206, 214, 225 ‚Polizeijustiz‘, 178, 212 pomerium, 26, 59, 105 pompa funebris – Begräbnisprozession, 19 pontifex maximus, 222, 234 Populare, 3, 43, 65, 77, 93, 175, 220 populus Romanus, 57, 59, 67, 74, 77, 97, 220 potestas, 26, 28, 30, 155, 157, 185 praerogativa centuria, 63, 67, 201, 226 praetor maximus, 31 Praktiken und Normen, 118 Präsenz, 72, 74 Prätur / Prätor, 14, 28–30, 32, 37, 59, 133, 166, 204, 216, 217 – Ausdifferenzierung, 38, 166 – Edikt, 71, 168 – in der Frühzeit, 37 – inter peregrinos, 166 – jurisdiktionelle Aufgaben, 37, 38, 70, 168 Praxeologie, 214, 224, 235 Priester / Priesterkollegien, 11, 42, 80, 83, 105, 120, 222, 225 princeps senat¯us, 52, 187 Prinzipat, 34, 38, 50, 54, 71, 91, 112, 155 ‚privat‘ / ‚öffentlich‘, 210 Privatisierung von öffentl. Aufgaben, 30, 48, 180 Privatrecht, 70, 210, 212 pro consule, 33 Promagistrat / Promagistratur, 29, 34 Prominenz / Prominenzrolle, 12 Prorogation, 34, 47, 80, 164 Proskriptionen, 20, 94, 95, 136, 234 Prosopographie, 104, 111, 128, 201 Provinz / provincia, 1, 5, 24, 32, 76, 152, 155, 161, 165, 167, 238 – Bewirtschaftung durch Ritter, 14, 25, 153
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Register provocatio / Provokationsrecht, 26, 33, 56, 57, 71, 93, 191 Prozessionen, 73, 216 Publikanen, 136, 147, 153 Punische Kriege, 4 Pyrrhos-Krieg, 4 Q quaestio (Gerichtshof / -verfahren), 58, 61, 71, 88, 136, 212 Quastoren / Quästur, 25, 29, 42, 46, 51, 161, 165, 178 R Räume polit. Handlungen, 73 Rechtskunde (iuris prudentia), 70, 211 Reden, öffentliche, 61, 66, 74, 104, 198, 206, 218 Rednerbühne (rostra), 73 ‚Reform‘, 103, 112, 236 Reformen, sullanische, 20, 33, 43, 47, 48, 52, 71, 85, 94, 158, 162, 176, 186, 233, 235 Regelkonflikt, 89, 119, 224 Regeln – flexibel angewendet, 81, 83, 155, 158, 222 regimen morum, 48, 179 regnum, 95 relatio, 52 Religion und Politik, 84, 222, 225, 226 Repetundenprozess, 71, 153, 212 Republik (als Begriff), 8, 232, 237 res publica, 2, 8, 9, 97, 110, 117 ‚Revolution‘, 112, 231, 233 rex / reges – König / Königtum, 7 Rezeptions- und Ideengeschichte, 237 Risiko (als polit. Stil), 76, 219 Risikodisposition (der polit. Elite), 6 Ritter, 14, 17, 20, 60, 71, 75, 90, 212 Ritual, 215 Rituale, 119, 180, 198 rogatio (Beschlussantrag), 41, 64, 65, 76 Rolle, soziale, 127, 129, 222 Rom (Topographie), 73, 215 ‚Römisches Staatsrecht‘, 3, 82, 107 Rückschlüsse (als Methode), 7 Rutenbündel (fasces), 27, 31, 80, 159, 222
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S Sakralrecht, 84, 102 salutatio, 18 Samnitenkriege, 4, 22, 27 Sardinien, 4 Schuldknechtschaft, 125, 169 Schwester (als polit. Faktor), 17 Schwur / -gemeinschaft, 161, 170 secessio plebis, 39 Selbsthilfe, 69, 89, 93, 108, 211 Selbstkontrolle (der Elite), 91, 231, 232 sella curulis, 44, 48 Senat, 5, 11, 12, 31, 33, 35, 43, 47, 48, 50, 62, 70, 73–76, 83, 85, 86, 88, 92–94, 100, 131, 132, 134, 148, 155, 158, 161, 172, 180, 182, 183, 199, 220, 223, 228, 233 – Abstimmung, 53, 188 – Beschluss (senatus consultum), 53, 65, 106 – Dauerreden, 53, 76 – im Verfassungsgefüge, 54, 183, 185 – Kopfzahl, 51 – Meinungsbildung, 187 – Ränge, 51, 159, 183, 187 – Tagungsorte, 52, 73 – Zuständigkeiten, 53, 230 senat¯us consultum ultimum, 93, 233, 234 sententia, 52 ‚Sittenaufsicht‘ – regimen morum, 48 Sizilien, 4 Sklaven, 55, 57, 62, 68, 87, 147, 149, 227, 228 socii, 23, 90, 151, 189 Souveränität, 2, 59, 75, 108, 114, 118, 195, 198, 232 Staat (als Begriff), 3, 4, 96, 115, 120, 215 Staatlichkeit, 41, 78, 86, 120, 125, 146, 160, 169, 171, 172, 176 Staatsbildungsprozess, 101 Stadtstaat, 3, 74, 91, 101, 112, 154, 165, 218 Stadtviertel, 66, 68, 209 Stände (ordines), 56 ‚Ständekampf ‘, 39, 55, 57, 69, 78, 85, 92, 125, 127, 169, 174, 191, 192, 205, 220 ‚starker Mann‘, 8, 201 Statthalter (in Provinzen), 24, 38, 136, 143, 153 Steuerpacht, 14 stirps / stirpes, 16
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Strafrecht, 211, 212 Systemtheorie, 121 T Tempel, 73, 172, 195 Testament (als polit. Instrument), 17 Theater (als polit. Raum), 68, 209 Themen, politische, 6, 200, 206, 207, 229 Topographie Roms, polit., 105, 172 Trennung von Amt und Amtsgewalt, 26 tresviri aere argento auro flando feriundo, siehe Münzmeister tresviri capitales, 46, 178 tresviri monetales, siehe Münzmeister tribuni militum (consulari potestate), 32, 45, 161, 177 tribuni militum a populo, 45, 143, 177 Tribus / Tribusordnung, 9, 40, 60, 66, 68, 123, 192 Tribus, ländliche, 9, 63, 68, 123, 124, 138 Tribus, städtische, 9, 78, 123, 170 Tributcomitien, 45, 60, 63, 191 tributum, 55 Triumphritual, 73, 84, 85, 146, 215, 225 Triumvirat, Zweites (43–33), 90, 94, 95 tumultus, 92, 96, 233 U Ursachen von Roms Erfolg, 1, 7, 10 V Veji (Etruskerstadt), 4, 31 Verbietungsrecht (intercessio / veto), 28, 40, 42, 53, 92, 93 Vereine, siehe collegia Verfassung, 2, 114, 118 Verhinderungsmittel, 76, 83, 232 Vermögen, Bedeutung von, 88 Verwandtschaftsstrukturen, 137 Veteranen, 90 veto, siehe intercessio Viritanassignation, 23
virtus, 3, 13, 21, 77, 101, 145 Völkerrecht, römisches, 6, 10, 22 ‚Volkssouveränität‘, 59, 108, 109, 223 Volkstribun / Volkstribune, 7, 25, 28, 39, 57, 60, 62, 72, 73, 76, 77, 82–84, 89, 91, 122, 160, 170, 191, 228 – Gesetzgebung, 174 – Hilferecht (ius auxilii), 41 – ius agendi cum senatu?, 82, 223 – negierende Macht, 42, 174, 232 – polit. Themen, 42, 43 – und polit. Kultur, 41, 173–175, 222, 230 – Unverletzlichkeit (sacrosanctitas), 40, 81, 170, 171 Volksversammlungen, 59, 116 Vorzeichen (prodigia), 80 W Wahlen, 18, 28, 60, 63, 74, 84, 100, 141, 156, 158, 163, 177, 181, 201, 217, 218, 225 – Ablauf, 67, 203 – Event-Charakter, 66 – polit. Funktion, 66, 203 – Störungen, 67 – zu Priesterämtern, 80 Wahlleiter, 67, 156, 201 warlords, 7, 161 ‚Wertbegriffe‘, 117, 130, 193 Wertkonzepte / -begriffe, 57, 72 Widersprüche in der Ordnung, 116 Willensbildung, polit., 68, 75, 81 Z Zäsuren / Periodisierung, 99, 124, 126, 127, 147, 200, 227, 229, 238 Zeitrhythmen, polit., 217, 225 Zugehörigkeit, 9, 11, 54, 126, 189 Zweites Triumvirat, 20, 237 Zwölftafelgesetz, 32, 40, 49, 59, 70, 106, 141, 160, 169, 181, 191, 227
Autorenregister A Akar, P., 194 Alexander, M., 208, 212 Alföldy, G., 126
Allély, A., 234 Ando, C., 189, 192, 229 Arena, V., 144, 194
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Register Armstrong, J., 161 Astin, A. E., 100, 105, 179, 180, 228 B Badian, E., 104, 118, 134, 150, 153, 158, 164, 170, 174, 195, 230 Baldus, C., 121, 211 Baltrusch, E., 100, 129, 149, 180, 228, 235 Bang, P. F. / Scheidel, W., 120 Bauerle, E. A., 204 Bauman, R. A., 177, 194, 212 Beard, M. / Crawford, M., 100, 133, 225, 227 Beck, H., 129, 132, 134, 138, 156, 157, 162, 167, 204, 216, 221, 223 Beck, H. / Jehne, M. / Serrati, J., 134 Beck, H. / Scholz, P. / Walter, U., 128 Becker, H., 124 Becker, M. J., 176, 177 Behne, F., 108 Behrends, O., 107, 212, 234 Beloch, K.-J., 160 Benoist, S., 216 Berger, P. L. / Luckmann, T., 119 Bergk, T., 167 Bernett, M., 113 Bernstein, A., 230 Bernstein, F., 99, 100, 217 Berthelet, Y., 105, 130 Bettini, M., 137 Bevir, M. / Rhodes, R. A. W., 215 Bispham, E., 102, 104, 152 Bleckmann, B., 131, 153 Bleicken, J., 53, 99, 100, 102, 107–111, 114, 115, 121, 122, 128, 129, 135, 136, 139, 141, 145, 150, 153, 155–160, 164, 166, 170, 172–175, 179–183, 186, 190–192, 194, 195, 205, 220, 226, 231, 233, 235, 238 Blösel, W., 99, 103, 144, 146, 162, 165, 167, 227, 235 Blösel, W. / Hölkeskamp, K.-J., 129 Bonnefond-Coudry, M., 183, 187 Botermann, H., 145, 236, 237 Bourdieu, P., 16, 121, 129, 214 Bradley, G., 130 Bredehorn, U., 188 Brennan, T. C., 115, 165–167 Brien Moore, O., 183 Bringmann, K., 233 Briscoe, J., 182
303
Broughton, T. R. S., 104, 132, 134, 166, 178, 204 Bruns, K. G. / Gradenwitz, O., 106, 168 Brunt, P., 111, 113, 117, 127, 129, 136, 141, 143, 147, 153, 194, 196, 214, 228 Bücher, F., 223 Budesheim, J., 183 Bunse, R., 133, 157, 160, 161, 166, 179, 204, 226 Burck, E., 213 Burckhardt, L. A., 129, 137, 220 Bürge, A., 210 C Canetti, E., 208 Cardauns, B., 104 Cascione, C., 178 Cels-Saint-Hilaire, J., 123 Champion, C., 149 Champlin, E., 140 Christ, K., 99, 102 Clark, J. H., 146 Cloud, J. D., 153, 212, 213 Connolly, J., 117 Cooley, A., 151 Corbier, M., 137 Cornell, T., 122, 124, 125, 130, 163, 168– 170, 181, 184, 192, 196 Coşkun, A., 150, 190 Cotter, W., 209 Coudry, M., 228 Coudry, M. / Humm, M., 146 Courrier, C., 208 Crawford, M., 106, 114, 136, 169, 178, 234 Crook, J. A., 100 Culham, P., 120 Czada, R., 119 D Daguet-Gagay, A., 176 Dahlheim, W., 145, 152, 235 D’Alojy, C., 194 Dart, C., 152 David, J.-M., 99, 100, 141, 142, 151, 159, 210, 211, 216, 227 de Blois, L., 145 de Libero, L., 219, 222 de Ligt, L., 148 de Ligt, L. / Northwood, S., 147 De Martino, F., 110, 157, 160, 161, 166, 171, 179, 181, 196, 235, 236
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Register
de Wilde, M., 164 Degrassi, A., 106 Deniaux, E., 134, 142 DeRose Evans, J., 105 Dessau, H., 106 Dettenhofer, M., 176, 217 Diederich, S., 213 Dissen, M., 209 Dixon, S., 137 Döbler, C., 199 Dondin-Payre, M., 139 Drexler, H., 117, 194 Dreyer, B., 186 Drogula, F., 155, 156, 161–164, 167 Drummond, A., 156 Ducos, M., 124, 129 Dulckeit, G., 115 Durkheim, E., 172 E Eckstein, A., 101 Eder, W., 120, 123, 126, 153, 169, 171, 172 Eich, A., 101, 103 Eich, P., 101 Elster, M., 106, 157, 174, 184, 185, 189, 190, 222 Emmelius, D., 105 Erdkamp, P., 145 Ermann, J., 211 Erskine, A., 100, 103 Etcheto, H., 139 Evans, J. K., 228 Evans, R. J., 133, 159, 204, 221 F Farney, G. D., 204 Feig Vishnia, R., 207, 223 Ferenczy, E., 131 Ferrary, J.-L., 103, 204, 220 Finer, E. S., 116 Flach, D., 106, 124, 169, 190, 213 Flaig, E., 76, 108, 144, 188, 199, 206, 207, 209, 214, 219, 227 Flower, H., 99, 144, 165, 209, 229 Forsythe, G., 122, 130, 157, 168, 181, 184 Foucault, M., 214 Fraenkel, E., 193 Fritz, K. von, 124 Frolov, R., 158, 205 Fronda, M., 151
G Galsterer, H., 105 Ganter, 142 Gardner, J., 189 Gargola, D., 148, 152, 154, 213, 215 Gaughan, J., 211 Gehrke, H.-J., 126 Gelzer, M., 17, 110, 128, 129, 139, 141, 195, 231 Gesche, H., 153 Giovannini, A., 105, 107, 114, 121, 135, 136, 154, 157, 162, 164, 166, 174, 185, 190, 191, 194, 195, 234, 235 Göhler, G., 119 Goldbeck, F., 142 Golden, G., 234 Goldmann, F., 130, 153 Goltz, A., 174, 222 Görne, F., 219 Gotter, U., 133 Graeber, A., 184–186 Gramsci, A., 214 Grieve, L. J., 196 Gruen, E., 153, 176, 186, 232 Grziwotz, H., 118 Gundel, H.-G., 194 H Haake, M. / Harders, A.-C., 112 Habenstein, A., 129, 138 Habermas, J., 206, 218 Hackl, U., 186 Hales, S., 138 Hall, J., 141 Hammer, D., 120 Hammer, I., 217 Hantos, T., 115, 151, 158, 176, 186, 225, 235 Harders, A.-C., 137, 140 Harris, W. V., 101, 146, 147, 178 Hartfield, M., 163 Heil, M., 104 Heine, H., 6 Heinze, R., 193 Hellegouarc’h, J., 194, 224 Herrmann-Otto, E., 228 Herzog, E., 109, 170, 171, 181, 183, 184 Heuss, A., 4, 99, 102, 103, 112, 155, 159, 160, 169, 180, 185, 191, 197, 227, 231, 232 Hiebel, D., 205 Hin, S., 147
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Register Hinard, F., 146, 234, 235 Hodgson, L., 117 Hoffmann, W. / Siber, H., 168 Hofmann-Löbl, I., 139 Hölkeskamp, K.-J., 100, 107, 108, 111– 113, 118, 119, 123, 129–132, 138, 144, 146, 157, 162, 173, 177, 183, 185, 194, 198, 199, 203, 206, 214, 216, 218, 222, 229 Hollander, D., 177 Holloway, R., 161 Hölscher, T., 219 Hopkins, K. / Burton, G., 128, 134, 135 Hornblower, S. / Spawforth, A., 104 Horsfall, N., 209 Humbert, M., 191 Humm, M., 123, 125 Hurlet, F., 235 I Ihne, W., 160 Ioannatou, M., 140 Itgenshorst, T., 188, 215 J Jahn, J., 181 Jehne, M., 67, 99, 108, 110, 133, 135, 143, 159, 191, 195, 199–204, 206, 232, 236 Jehne, M. / Pfeilschifter, R., 151 Jehne, M. / Pina Polo, F., 150 Jellinek, G., 115 K Kaster, R., 194 Kaufmann, K. / Wannack, K., 109 Keaveney, A., 113, 145 Kelly, G. P., 212 Kierdorf, W., 144 Kirov, J., 158, 211, 225 Klippel, D. / Boldt, H., 195 Kloft, H., 164, 182 Knapp, R., 127, 208 Kolb, F., 105 Konrad, C. F., 204 Koptev, A., 181 Kötter, J.-M., 221 Kühnert, B., 208 Kunkel, W., 110, 115, 137, 166, 185, 191, 211–213 Kunkel, W. / Wittmann, R., 154, 157, 158, 162, 164, 176, 178–180, 226, 233 Künzer, I., 138
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L Ladewig, M., 147 Lanfranchi, T., 170–173, 211 Lange, L., 109 Laser, G., 141, 199, 208 Latham, J., 216 Latte, K., 161, 176, 178 Laurence, R., 209 Le Bon, G., 208 Lendon, J., 145, 152 Lenel, O., 168 Leppin, H., 136 Leuze, O., 179 Levi, A., 123 Levick, B., 201 Liebs, D., 108, 136, 210, 211 Linderski, J., 119 Linke, B., 96, 99, 103, 113, 122, 125–127, 132, 137, 151, 160, 170, 173, 214, 217, 222, 225–227, 230 Lintott, A., 102, 103, 106, 114, 119, 121, 128, 153, 158, 166, 191, 196, 201, 209, 213, 217, 224, 225 Lipp, W., 119 Liu, J., 142 Lomas, K., 151 Luhmann, N., 121, 225 Lundgreen, C., 118, 120, 188, 204, 205, 224–226, 232–234 M Machiavelli, N., 100, 106, 237 Mackie, C., 220 MacMullan, R., 202 Malcovati, E., 104 Malmendier, U., 153 Mann, C., 145, 146 Manthe, U. / Ungern-Sternberg, J. v., 212 Manuwald, G., 181 Marquardt, J., 110, 136, 139, 150, 153 Martin, J., 127, 137, 220, 222 Martin, P. M., 168 Märtin, S., 133, 230 Martini, R., 124 May, J. M., 104 Meier, C., 2, 112, 113, 116, 117, 119, 120, 128, 129, 136, 141, 186, 206, 207, 218, 220, 228, 232, 236 Meier, M., 236 Meyer, E., 109, 117, 125, 156, 157, 160, 166, 171, 179, 192, 196 Meyer, Ed., 170
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Register
Meyer, I., 103 Mignone, L., 138 Millar, F., 103, 113, 197–199, 203, 237 Mitchell, R. E., 185 Möllers, C., 118 Momigliano, A., 107, 123, 125 Mommsen, Th., 3, 7, 24, 31, 51, 59, 82, 94, 99, 105, 107, 109, 110, 117, 122, 123, 128–130, 135, 140, 150, 154, 156–158, 160, 162–164, 166, 168, 170, 171, 173, 174, 176–183, 188–196, 205, 212, 215, 223, 226, 229, 231, 233, 238 Montesquieu, C. de, 100, 165, 237 Morley, N., 126, 193 Morstein-Marx, R., 145, 177, 206, 207, 218 Mouritsen, H., 103, 115, 126, 130, 184, 188, 189, 196, 199, 225, 226, 231 Münzer, F., 104, 110, 128, 140
Pina Polo, F., 147, 158, 162, 163, 204– 206, 217, 219 Pink, K., 177 Pittenger, M. R. P., 188 Platner, S. B. / Ashby, T., 105 Pobjoy, M., 102 Prag, J., 153, 212 Premerstein, A. v., 141
O O’ Brien Moore, A., 106 Oakley, S. P., 123, 169, 177 Ogilvie, R. M., 123, 124, 169 Ooteghem, J. van, 139 Oppermann, H., 193 Östenberg, I., 215, 217 Ott, F. T., 103
R Raaflaub, K., 123, 125, 126, 168 Rawson, E., 133, 226 Reay, B., 213 Rebenich, S., 107, 193 Rees, W., 151 Rehbein, B. / Saalmann, G., 121 Rich, J., 238 Richard, J.-C., 125, 130, 167–169, 219 Richardson, J. H., 219 Rieger, M., 123, 138, 192 Riggsby, A., 137 Rilinger, R., 99, 112, 118, 122, 126, 131, 138, 201, 232 Ritter, H.-W., 194 Robb, M., 220, 224 Roller, M., 138 Rollinger, C., 134, 140, 143 Roselaar, S., 152, 213, 227 Rosenberg, A., 102, 120 Rosenstein, N., 101, 130, 146, 147, 213, 226, 227, 229 Rosenstein, N. / Morstein-Marx, R., 100 Rosillo López, C., 153, 201, 209, 218 Rotondi, G., 106 Royo, M., 120 Rudolph, H., 150, 163 Rüpke, J., 105, 217 Russell, A., 173, 175, 216 Ryan, F. X., 102, 178, 187, 204
P Paillier, J. M., 106, 211 Palmer, R. E. A., 124 Pani, M., 134, 194 Patterson, J. R., 151 Patzelt, W., 119 Perlwitz, O., 136 Perry, E., 216 Pfeilschifter, 151 Pfeilschifter, R., 180 Phang, S. E., 145 Phillips, D. A., 202
S Saller, R., 126, 137 Salomies, O., 106 Salway, B., 139 Samotta, I., 103 Sánchez-Moreno Ellart, C., 120 Sandberg, K., 162, 175, 196 Santangelo, F., 234 Schäfer, T., 159 Scheidel, W., 127 Schettino, M. T., 128 Schiavone, A., 211
N Nebelin, M., 132, 194, 221, 224 Neumann, N. C., 233, 234 Nicolet, C., 135, 136, 145, 153, 179, 188, 192 Niebuhr, B. G., 125 Nippel, W., 107, 108, 142, 177, 209, 212, 223, 224, 233, 234, 237 North, J., 116, 158, 222
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Register Schleussner, B., 182 Schlinkert, D., 236 Schmitt, C., 92, 232, 233 Schneider, H., 134 Schneider, W.-C., 141, 193 Schnurbusch, D., 142 Scholz, P., 129, 133, 193 Schulz, R., 145, 147, 150, 178, 182 Scopacasa, R., 151 Seager, R., 103 Seelentag, A. M., 137, 211 Sehlmeyer, M., 102 Serrati, J., 146 Shatzman, I., 134 Sherk, R., 106 Sherwin-White, A. N., 189 Siber, H., 109, 115 Siewert, P., 124 Simmel, G., 195, 203 Simon, C., 128 Sirago, V., 213 Smith, C., 123, 131, 138, 160, 161 Smith, R. E., 205 Solin, H., 139 Sommer, M., 99, 169, 227 Spielvogel, J., 182, 228 Stark, R., 117, 161 Stasse, B., 156 Staveley, E. S., 110 Steel, C., 186, 217, 218 Steel, C. / van der Blom, H., 104, 206 Steinby, E., 105 Stek, T. D. / Pelgrom, J., 152 Stemmler, M., 135 Stewart, R., 155, 161, 167, 226 Strasburger, H., 129 Straumann, B., 118, 237 Strauss, S., 128 Sumner, G. V., 188 Suolahti, J., 179 Syme, R., 14, 111, 195, 207, 238 T Tansey, P., 187 Tassi Scandone, E., 191 Tatum, J., 176, 198, 208 Täubler, E., 109, 166 Taylor, L. R., 124, 128, 196, 201 Terrenato, N., 100, 123 Thomas, Y., 137, 210, 211 Thome, G., 193 Thommen, L., 175
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Thompson, L. A., 179 Tiersch, C., 199, 200 Tietz, W., 213 Timmer, J., 188 Timpe, D., 160, 161 Toynbee, A., 213 U Ungern-Sternberg, J. v., 165, 181, 184, 201, 231, 233, 234 Urban, R., 201 Urso, G., 234 V Valditara, G., 115, 125, 169, 194 van der Blom, H., 130, 206 van Haeperen, F., 156 van Ross, A., 219 Vanderbroeck, P. J. J., 201 Verboven, K., 140, 143, 153 Vervaet, F., 155, 156, 188, 238 Veyne, P., 214 W Walbank, F., 100, 103 Wallace-Hadrill, A., 133, 138 Walter, U., 103, 104, 115, 118, 122, 125, 128, 133, 144, 145, 165, 204, 205, 210, 219, 224, 227, 232 Walther, A., 133 Ward, A. M., 110, 130 Weber, G., 122 Weber, M., 2, 119 Welwei, K.-W., 123, 197 Wendt, C., 101 Wesener, G., 178 White, K., 213 White, P., 141 Wieacker, F., 102, 124, 168, 169, 210 Wilcken, U., 236 Will, W., 208, 209 Willems, P., 183, 184, 187 Williamson, C., 116 Winterling, A., 113, 120 Wirszubski, C., 194 Wiseman, T. P., 113, 117, 134, 136, 197, 214 Wittmann, R., 163, 170, 174, 176, 235, 236 Wolters, R., 177 Woolf, G., 101
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Register
Y Yakobson, A., 199, 200, 202, 203, 206, 214 Yarrow, L. M., 182
Zecchini, G., 102, 114, 128 Zetzel, J. E. G., 103 Zevi, F., 236 Ziolkowski, A., 216 Zmeskal, K., 105
Z Zack, A., 149 Zanda, E., 228
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