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German Pages 288 Year 2003
Piatonismus im Idealismus
Piatonismus im Idealismus Die platonische Tradition in der klassischen deutschen Philosophie
Herausgegeben von
Burkhard Mojsisch und Orrin F. Summerell
Κ · G · Saur München · Leipzig 2003
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek veizeichnet diese Publikation in der (Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Uber http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2003 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München und Leipzig Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. All Rights Strictly Reserved. Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlages ist unzulässig. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, 99947 Bad Langensalza ISBN 3-598-73011-X
Vorwort
Zwischen 1999 und 2003 fand unter der Schirmherrschaft des Deutsch-Amerikanischen Akademischen Konzils bzw. der Alexander-von-Humboldt-Stiftung das internationale TransCoop Forschungsprogramm Piatonismus im Deutschen Idealismus. Ideenlehre und Subjektivitätstheorie zwischen historischer Rezeption und systematischer Transformation statt. Ziel des Programms war es, diesem schillernden Thema philosophischer Wirkungsgeschichte noch schärfere Konturen zu verleihen, indem inhaltliche und methodische Fragen aus den unterschiedlichen Perspektiven und Traditionen der deutschen und nordamerikanischen Teilnehmer untersucht und im Rahmen eines gemeinsamen Kolloquiums diskutiert wurden. Vom 18. bis zum 21. Juli 2002 haben sich die am Programm beteiligten Forscher zur gleichnamigen Tagung in Bochum versammelt, die von einer Reihe ertragreicher Forschungsaufenthalte in Deutschland bzw. den USA begleitet wurde. Nun werden die Ergebnisse des Programms der Öffentlichkeit vorgelegt. An erster Stelle möchten wir dem Deutsch-Amerikanischen Akademischen Konzil (Bonn - Washington, D. C.) sowie der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Bonn) sehr herzlich für ihre großzügige Unterstützung des Programms über die letzten Jahre danken. Unser Dank gilt weiterhin Herrn Dr. Christoph Asmuth (Berlin) für seinen wesentlichen Beitrag zur ursprünglichen Konzeption des Programms sowie Frau Prof. Dr. Dorothea Frede (Hamburg) und Herrn Prof. Dr. Klaus Düsing (Köln), die das Vorhaben durch Gutachten befördert haben. Zudem möchten wir unseren nordamerikanischen Kollegen Herrn Dr. Thomas H. Curran (University of King's College) und Herrn Prof. Dr. Edward C. Halper (University of Georgia) danken, die durch den Erwerb von Matching Funds einen substantiellen Beitrag zum Programm geleistet haben. Gern möchten wir uns auch bei den Wissenschaftlern bedanken, die sich am Programm beteiligt und ihre Arbeiten zur Veröffentlichung bereitgestellt haben. Schließlich sei Frau Dr. Elisabeth Schuhmann vom Saur Verlag für die gute Zusammenarbeit und Herrn Thomas Zimmer (Bochum) für die Durchsicht der Beiträge und die Erstellung der Register sowie weitere redaktionelle Unterstützung gedankt. Bochum, im September 2003
Die Herausgeber
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Inhaltsverzeichnis
V VII
ORRIN F. SUMMERELL
Einleitung. Die Platonische Tradition in der klassischen deutschen Philosophie
IX
TANJA GLOYNA
Idee - Substanz oder Begriff? Zum Wandel des Piaton-Verständnisses im 18. Jahrhundert
1
MICHAEL FRANZ
Der Neuplatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
19
ANGELICA NUZZO
Soul and Body: Plato in Kant's Theory of Ideas
33
CHRISTOPH ASMUTH
Eine implizite Platonismus-Rezeption bei Fichte: die Theorie des Gesichts
59
ANNETTE SELL
Plotin und Fichte zwei Lebensbegriffe
77
DIRK CÜRSGEN
Die Unbegreiflichkeit des Absoluten. Zur neuplatonischen Henologie und ihrer Wirksamkeit im Denken Fichtes
91
VIII
Inhaltsverzeichnis
JOHANN KREUZER
Hölderlins Kritik der intellektuellen Anschauung. Überlegungen zu einem Platonischen Motiv
119
ORRIN F. SUMMERELL
Perspektiven der Schwärmerei um 1800. Anmerkungen zu einer Selbstinterpretation Schellings
139
JENS HALFWASSEN
Freiheit als Transzendenz bei Schelling und Plotin
175
CLAUDIA BICKMANN
Der Geist-Begriff im Piatonismus und Idealismus: Hegels systemtragendes Prinzip jenseits von Subjektivität und Objektivität
195
EDWARD C. HALPER
Positive and Negative Dialectics: Hegel's Wissenschaft der Logik and Plato's Parmenides
211
THOMAS H. CURRAN
Hegel on World History after Socrates: Necessary, Providential, Rational
247
Verzeichnis der Dialoge Piatons
263
Namenverzeichnis
265
ORRIN F. SUMMERELL
Einleitung. Die Platonische Tradition in der klassischen deutschen Philosophie
„Die ιδέα, der Piatonismus und der Idealismus": Durch diesen provokativen Titel will Martin Heidegger die nach seiner Ansicht zwei wichtigsten Momente in der Geschichte der abendländischen Metaphysik in ihrer wesentlichen Einheitlichkeit zusammenfassen. Für Heidegger zeichnet sich das Denken, das sich zwischen Piaton und seinem Schüler Aristoteles einerseits und andererseits den Vertretern der klassischen deutschen Philosophie: Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, aber auch Arthur Schopenhauer und sogar Friedrich Nietzsche, entfaltet hat, durch die Idee aus. Damit soll allerdings nicht behauptet werden, daß dieses Denken wirklichkeitsfremd sei. Vielmehr ist nach Heidegger der antike Platonismus sowie der neuzeitliche Idealismus der Idee als dem vermeintlich wahren Sein verpflichtet, und zwar auf eine Weise, welche die philosophische Tradition entscheidend geprägt hat. „Im Sinne des streng geschichtlichen Begriffes des .Idealismus' war Plato", so Heidegger, „niemals .Idealist', sondern .Realist', d. h. aber nicht, daß er die Außenwelt an sich nicht leugnet, sondern die Ιδέα als das Wesen des öv, als realitas der res lehrte. Aber der .Idealismus' freilich ist, gerade als neuzeitlicher, Piatonismus, insofern auch fur ihn die Seiendheit aus dem ,Vorstellen' (νοεΐν), d. h. in Verkoppelung mit Aristotelischen Anstößen aus dem λόγος als διανοεΐσθαι begriffen werden muß, d. h. aus dem Denken, das nach Kant ist das Vor-stellen von etwas im Allgemeinen (Kategorien und Urteilstafel; Kategorien und das Sichselbstwissen der Vernunft bei Hegel). Überhaupt: maßgebend für die ganze Geschichte der abendländischen Philosophie, Nietzsche Inbegriffen: Sein und Denken."1 Weil Idealismus das Sein aus dem Denken begreift, ist er nach Heidegger Piatonismus, und dieser selbst Realismus, dem die Realität - die Wirklichkeit des Wirklichen - als ideel konstruiert gilt. Nun kritisiert Heidegger an dieser philosophischen Tradition gerade dies, daß darin das Sein im Hinblick auf ein mit dem Sich-Vorstellen gleichbedeutendes Denken verstanden wird, d. h., daß im Piatonismus sowie Idealismus die Vorstellung, d. h. die Idee - schließlich das sich selbst begreifende Denken - ,
1
M. Heidegger, Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis), in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 65, hrsg. von F.-W. von Herrmann, Frankfurt a. M. 1989, 215.
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Orrin F. Summerell
zum Maß aller Dinge wird, ohne daß die Voraussetzungen dieser Identifikation adäquat reflektiert werden. Man wird die sowohl systematisch als auch philosophiegeschichtlich umstrittene Position Heideggers, in der sich zentrale Gedanken der antiken Platonischen Prinzipien- und Ideenlehre sowie der modernen Subjektivitätstheorien selbst auf unreflektierte Weise wiederfinden, nicht teilen müssen, um erkennen zu können, welche Brisanz der Themenkomplex ,Piatonismus im Idealismus' besitzt. Dadurch wird angedeutet, daß eine Wesensverwandtschaft zwischen zwei Epochen der Philosophiegeschichte und zwei epochalen Denkweisen besteht, die noch heute bedeutsam ist. Nun hat die Natur dieser Wesensverwandtschaft neuerdings größere Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, und dies nicht nur wegen der Kritik Heideggers. Denn der Themenkomplex ,Piatonismus im Idealismus', in dem die Rezeption und die Transformation tradierten Gedankengutes eng miteinander verbunden sind, inkludiert eine Aktualität, die weit über eine bloß philosophiegeschichtliche Dokumentation oder die Vertretung einer einzigen systematischen Position hinausgeht: Grundfragen zur prinzipiellen Bedeutung des autonomen Subjekts bzw. des unvordenklichen Seins gehören zu den wichtigsten Anliegen der Metaphysik und Erkenntnistheorie, und besonders im Hinblick auf die Frage nach der Einheit von Theorie und Praxis formulieren Piatonismus und Idealismus einen Wahrheitsanspruch, in dem ethische sowie ästhetische Prinzipien fundiert sind. Im weitesten Sinne fuhrt der Piatonismus - die Philosophie Piatons selbst sowie deren Fortfuhrung im Mittel- und Neuplatonismus der Spätantike, ferner deren Weiterentwicklung in der Geistesgeschichte des Mittelalters, der Renaissance und der Moderne - das Empirische auf das Intelligible erklärend zurück. Für die Denker des sogenannten Deutschen Idealismus - dessen vielfältige Formen sich als Subjektivitätstheorien bezeichnen lassen werden - hat der Platonismus eine elementare Bedeutung: In ihm erkennen sie ihre eigenen Leitmotive und die primäre Bestimmung ihres Problemhorizontes wieder, mit ihm setzen sie sich grundlegend auseinander, um die eigene Position zu profilieren oder gar allererst zu entwickeln, zu ihm bekennen sie sich bisweilen auf innigste Weise, von ihm setzen sie sich gelegentlich aber auch pointiert ab. In der Philosophie Piatons und in den sich daran anschließenden Systemkonstruktionen der Mittelund Neuplatoniker entdecken sie unmittelbare Geistesverwandte; es findet nicht nur eine historische Rezeption antiker Philosophie, sondern zugleich eine gezielte Transformation in die eigenen Konzepte statt. Zudem liegt im Hintergrund dieser Aneignung der Platonischen Tradition ein komplexer Gesprächszusammenhang, dessen Rahmenbedingungen - wie etwa Schulbildung, Fächerkanon und philologische Kenntnisse, aber auch der Philhellenismus, politische Revolution und Romantik - entscheidende Rollen spielen.
Einleitung
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Die zwölf Beiträge zum vorliegenden Bande haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Platonischen Dimensionen des als .Idealismus' tradierten neuzeitlichen Denkens anzusprechen, um neue Einsichten in die Konstitution der klassischen deutschen Philosophie zu gewinnen. Dabei orientieren sie sich nicht nur an den Leitfiguren dieser Epoche, sie berücksichtigen auch andere Personenkreise, die an der deutschen Platon-Renaissance mitgewirkt haben. Die ersten zwei Beiträge widmen sich dieser Aufgabe, indem sie die unmittelbaren wissenschaftlichen Voraussetzungen darlegen, welche die gewaltige Umdeutung des Platonismus in den transzendentalphilosophischen und spekulativen Denkweisen des ausgehenden 18. und des frühen 19. Jahrhunderts ermöglichen. Indem Tanja Gloyna die Frage: „Idee - Substanz oder Begriff? Zum Wandel des PiatonVerständnisses im 18. Jahrhundert" stellt, zeigt sie, in welcher Bandbreite sich die moderne Auffassung der Platonischen Idee bewegt, auch wenn diese auf antike und spätantike Interpretationen - so etwa bei Pseudo-Plutarch - zurückgreift. Mit Hinblick auf die führenden Philosophiehistoriker - darunter Johann Jacob Brucker, Johann Jakob Engel, Anton Friedrich Büsching, Friedrich Victor Lebrecht Plessing, Dieterich Tiedemann, Wilhelm Gottlieb Tennemann, Georg Gustav Fülleborn und David August Suabedissen - legt Gloyna dar, inwiefern das in der klassischen deutschen Philosophie thematisierte Spannungsverhältnis von Idealismus und Realismus - zwischen Substanz und Begriff - durch diese philosophiegeschichtliche Fragestellung vorbereitet wird. Die sorgfaltige Unterscheidung zwischen dem Denken Piatons und den Auslegungen desselben durch seine Nachfolger und Anhänger ist eine Leistung der modernen philosophischen Geschichtsschreibung, die freilich fur lange Zeit zum Nachteil der letzteren Gruppe wirkt. „Der Neuplatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts", wie der Beitrag von Michael Franz dokumentiert, besitzt verschiedene Facetten, welche spätere systematische Überlegungen nachhaltig beeinflußen. Diese Facetten reichen von der strengen Kritik am neuplatonischen Eklektizismus seitens Brukkers oder der scharfen Ablehnung der philosophischen Vielgötterei durch Christoph Meiners bis zu den ersten Anzeichen einer positiven Darstellung des Neuplatonismus bei Georg Gustav Fülleborn. Über die Beanstandung der vielbeschworenen Schwärmerei der Neuplatoniker hinaus entdeckt Fülleborn, so Franz, im Emanationsbegriff einen neuen Zugang zu den Inhalten, die diese früheren Denker bewegt haben: eine Art prozessualer Subjektivität, welche wesentliche Aspekte der Würdigung des Piatonismus bzw. Neuplatonismus bei Schelling und Hegel vorwegnimmt. Die systematische Wiederbelebung des Piatonismus am Ausgang des 18. Jahrhunderts verdankt sich nicht allein der sich noch entwickelnden Disziplin der Philosophiegeschichte: Es sind auch die Ansätze einer neuen Metaphysik, welche den damaligen Platon-Lektüren neue Kräfte verleihen. Den wichtigsten
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Orrin F. Summerell
Spuren des Piatonismus in der vorkritischen sowie kritischen Philosophie Kants geht Angelica Nuzzo nach, indem sie das Zweigespann von „Soul and Body: Plato in Kant's Theory of Ideas" analysiert. Hauptexte des frühen Kant für diese Analyse bilden die „Träume eines Geistersehers" sowie die Dissertatio: De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Anhand des Verhältnisses von Seele und Körper, wie dieses von Kant konzipiert wird, und im Ausgang von seiner Problematisierung des Raumbegriffes schildert Nuzzo die Bedeutung Piatons für die Trennung von theoretischer und praktischer Erkenntnis, die ihrerseits Kants entscheidender Entgegensetzung von Metaphysik und Erfahrung in der Transzendentalphilosophie zugrunde liegt. Die nächsten drei Beiträge untersuchen die Weiterentwicklung der Transzendentalphilosophie durch Johann Gottlieb Fichte im Hinblick auf ihre von Fichte selbst nur mäßig reflektierte Beziehung zum Piatonismus. „Eine implizite Platonismus-Rezeption bei Fichte: die Theorie des Gesichts" stellt zuerst Christoph Asmuth dar. Das Gesicht - das ist für Fichte klare Erkenntnis, der übersinnliche Gegenstand. Aber so wenig wie Kant will Fichte diesen Gegenstand philosophiegeschichtlich erfassen: Er will selbst denken, und zwar eigenständig systematisch; er will das Ganze in seiner Ganzheit in der eigenen Terminologie begreifen. Dazu soll seine Theorie des Gesichts dienen, welche dennoch als eine Verbesserung der Platonischen Ideenlehre auftritt. Somit wird Piaton zum Streiter für die Wissenschaftslehre. Deutlich wird dies nach Asmuth im späten Denken Fichtes im Rahmen seiner Bildtheorie. Darin ist das Gesicht produktiv und formend, und zwar sowohl theoretisch als auch praktisch: Indem es die intelligible Welt bildet, ist es zugleich das intelligible Sollen, das Zusammenwirken von Freiheit und Gesetz zur Bestimmung der Wirklichkeit. Für Fichte wie für viele seiner Zeitgenossen ist Wirkliches im wesentlichen Lebendiges. Im Hinblick auf diese Einheitlichkeit untersucht Anette Seil „Plotin und Fichte - zwei Lebensbegriffe", um Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Denken beider Philosophen aufzuzeigen und dabei die jeweilige systematische Bedeutung des Lebens zu ermitteln. Ihrem Stukturvergleich - ein historischer Vergleich in strengem Sinne ist hier nicht möglich - liegen zwei zentrale Texte zugrunde: Die Enneade III 8, in der Plotin die Natur, die Betrachtung und das Eine zusammenhangend behandelt, sowie die Wissenschaftslehre 18042, in der Fichte das Verhältnis von Ich bzw. Denken, Leben und Sein ausführlich darstellt. Obwohl Seil die immanente Bestimmung des Absoluten durch das Leben im Denken Fichtes als der vollkommenen Transzendenz des Einen in der Philosophie Plotins entgegengesetzt sieht, vermag sie auch festzuhalten: Denken und Sein lassen sich für beide nur in Verbindung mit dem Leben verstehen. „Die Unbegreiflichkeit des Absoluten. Zur neuplatonischen Henologie und ihrer Wirksamkeit im Denken Fichtes" ist Thema der Studie von Dirk Cürsgen, der dazu den Parmenides-Kommentw; des Proklos heranzieht. In drei Zügen
Einleitung
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liefert er einen Umriß der Stellung des Absoluten im Piatonismus, der gerade die Differenz zwischen dem Einem und dem Sein zur Geltung bringt, danach eine Darstellung von Fichtes Theorie des Absoluten unter Einbeziehung der neuplatonischen Deutung des Einen, schließlich einen Blick auf die transzendentale Logik, die im Ausgang von Fichte Johann Baptist Schad entwickelt hat. Darin treten neuplatonische Grundsätze, die sich im Denken des Proklos ausmachen lassen und welche auch - obwohl nicht als solche anerkannt - die Wissenschaftslehre Fichtes prägen, noch deutlicher hervor. Aber bereits bei Fichte will Cürsgen eine Schwerpunktverlagerung der Wissenschaftslehre vom Ich auf das Absolute bzw. das absolute Wissen finden, die dem neuplatonischen Aufstieg von Seele zu Geist und Einem durchaus analog ist. Im darauffolgenden Beitrag setzt sich Johann Kreuzer mit „Hölderlins Kritik der intellektuellen Anschauung. Überlegungen zu einem Platonischen Motiv" auseinander. Bei Hölderlin kommen nicht allein die philosophischen Wurzeln des ästhetischen Piatonismus zum Vorschein, in dem als Schönheit bezeichnete Augenblicke plötzlicher Sinnevidenz thematisch werden, es kommt auch die im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert sich anbahnende philologische Wende zu den ursprünglichen Quellen des Piatonismus zum Ausdruck, welche auch für die damalige Philosophie so fruchtbar ist. Hölderlin kombiniert fast alle Tendenzen: Er will etwa den Phaedrus Piatons in einem Aufsatz über die ästhetischen Ideen kommentieren. In der philosophischen Arbeit Hölderlins erfährt dann das Theorem der intellektuellen Anschauung, wie es bei Kant, Fichte und Schelling auftritt, große Anerkennimg und scharfe Kritik. In Anbetracht der Begriffe, die bei Hölderlin die Bedeutung der intellektuellen Anschauung strukturieren, geht Kreuzer den Stationen seiner philosophischen sowie dichterischen Auseinandersetzung mit ihr: Einheit und Differenz, Erinnerung der Einheit, göttlicher Begeisterung und Sprache als Vermittlung, einzeln nach. Die nächsten zwei Beiträge untersuchen die vielfältigen Verbindungslinien zwischen Piaton bzw. Plotin und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der von Anfang an in seiner philosophischen Karriere durch Piaton direkt beeinflußt ist. Ausgewählte „Perspektiven der Schwärmerei um 1800. Anmerkungen zu einer Selbstinterpretation Schellings" erläutert Orrin F. Summereil. Vor dem Hintergrund konzeptueller Assoziationen zwischen Piatonismus, Enthusiasmus und Schwärmerei, die sich besonders im Dialog Ion finden, sowie mit Bezug auf den Streit zwischen Kant und Johann Georg Schlosser über die kritische Philosophie einerseits und andererseits die Auseinandersetzung zwischen Fichte und Schelling über die Naturphilosophie wird demonstriert, inwiefern aus einer Kampfvokabel der Aufklärung gegen den Aberglauben, die auch gegen die Platoniker eingesetzt wird, ein Schlagwort gegen den einseitigen - d. h. subjektiven - Idealismus wird. Somit kann Schellings spätere Selbstauslegung, welche die Nähe seiner eigenen Transzendentalphilosophie zum originalen Denken Piatons -
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Orrin F. Summerell
insbesondere der Anamnesislehre - behauptet, im Zusammenhang der selektiven Rechtfertigung des Piatonismus im philosophiegeschichtlichen Bewußtsein der klassischen deutschen Philosophie präzis verstanden werden. „Freiheit als Transzendenz bei Schelling und Plotin" ist Gegenstand der Untersuchung von Jens Halfwassen. Nach einer anfänglichen Betrachtung der Freiheitsschrift Schellings, in der die menschliche Freiheit als Freiheit zum Guten oder Bösen bestimmt wird - ein Vermögen, das auf dem ursprünglichen Verhältnis des spontan produzierenden Grundes und der bestimmenden Idee beruht wird die weitere Bestimmung der absoluten Freiheit in den WeltalterFragmenten dargelegt. Darin ist Schellings Anknüpfung an den Piatonismus, die seine Philosophie stets prägt, noch deutlicher, insofern er die Transzendenz des Absoluten genauer expliziert. Es liegt also der Vergleich zwischen Schellings Begriff von absoluter Freiheit, der sich in der Auffassung von Gott als dem „Herrn des Seins" niederschlägt, und Plotins Explikation der Freiheit des absoluten Einen in der Enneade VI 8, Über den freien Willen und das Wollen des Einen, nahe. Die Tatsache, daß sowohl Schelling als auch Plotin absolute Freiheit als reine Transzendenz denken, läßt nach Halfwassen nicht nur die eminente praktische Bedeutung der Metaphysik erscheinen, sondern auch ihre Begründung in einer Henologie. Die drei letzten Beiträge setzen ihren Schwerpunkt in den konstruktiven Interpretationen des Piatonismus, die Georg Wilhelm Friedrich Hegel vorlegt. Für Claudia Bickmann ist „Der Geist-Begriff im Piatonismus und Idealismus: Hegels systemtragendes Prinzip jenseits von Subjektivität und Objektivität" von zentraler Bedeutung, soll man die Fundierungsabsichten der klassischen deutschen Philosophie adäquat verstehen können. Nicht das neuzeitliche Prinzip der Subjektivität, sondern vielmehr ein den Gegensatz zwischen Subjektivität und Objektivität vermittelndes Indifferenzierungsprinzip hebt sie als Grundlage von Hegels und Schellings Rezeption des aristotelisch-neuplatonischen Geistbegriffs hervor. Bickmanns These lautet: Erst ein Denken der Einheit zwischen den Polen in der Sphäre des Geistes erlaubt ein Andenken an jenes indifferenzierende Urprinzip ,vor dem Geiste'. Darin sind sich Piaton, Plotin, Schelling und Hegel einig, auch wenn nur die modernen Denker versuchen, die Sphäre des Geistes zu bemühen, um im Begriffe zu erfassen, was sich einer jeden begrifflichen Annäherung entzieht. Die Annäherung an das systemtragende Urprinzip, das ohne seine Entäußerung nichts ist, gestaltet sich in Hegels spekulativem Denken sowie in Schellings Identitätsphilosophie auf eine Weise, die der triadischen Natur desselben entspricht. Der genaue Name, den Hegel der begrifflichen Erfassung des Absoluten verleiht, heißt allerdings .Wissenschaft der Logik'. Edward C. Halper, „Positive and Negative Dialectics: Hegel's Wissenschaft der Logik and Plato's Parmenides", bezieht das moderne spekulative Unternehmen auf seine historische Vor-
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läge im Platonischen Dialog. Bekanntlich ist der Parmenides für Hegel nach eigener Angabe das größte Kunstwerk der alten Dialektik. Schrittweise analysiert Halper die Konsequenz von Hegels Behandlung des Dialogs, das Problem der Teilnahme in der Philosophie Piatons und die Bedeutung von Dialektik positive sowie negative - bei Piaton und Hegel. Unter Einbeziehung des Platonischen Sophistes kommt er zu dem Schluß, daß Hegel Pluralität und Negativität als Momente idealer Form ausdrücklich begreift, während Piaton dieselbe eigentlich als einfach und damit außerhalb der Dialektik, d. h. dem Denken grundsätzlich transzendent, betrachtet. Piaton und Hegel trennen sich also im Hinblick auf die Definition der Natur des ersten Prinzips sowie dessen Verhältnis zu dem, was in ihm begründet ist: Einfachheit und Vollkommenheit, insofern beide Prinzipien sich selbst erklären können, scheinen gleichberechtigte philosophische Konkurrenten zu bleiben. Schließlich legt Thomas H. Curran eine Untersuchung von „Hegel on World History after Socrates: Necessary, Providential, Rational" vor. Mit Rücksicht auf das Problem der Rationalität der Welt bei Anaxagoras, Aischylos und dem Platonischen Sokrates sowie bei Darwin und Nietzsche stellt Curran die neuplatonische Konzeption der göttlichen Vorsehung bei Plotin und Augustin dar, um daraufhin eine angemessene Deutung von Hegels Auffassung der Weltgeschichte zu unternehmen. Indem Curran die vielfältigen Platonischen Dimensionen dieser Auffassung aufzeigt, macht er zugleich die Wechselseitigkeit der Bestimmungen .Notwendigkeit' ,Vorsehung' und Rationalität' deutlich, welche die Philosophie Hegels insgesamt und die Weltgeschichte insbesondere seiner Meinung nach auszeichnet. Hegels Terminus für diese Reziprozität und damit für die grundlegende Dynamik der Weltgeschichte selbst lautet derart: Versöhnung. Piatonismus im Idealismus: Durch diesen Themenkomplex soll nicht nur der philosophiegeschichtliche Blick auf die tiefen Wurzeln der klassischen deutschen Philosophie in der antiken und spätantiken Gedankenwelt gerichtet, sondern auch eine Wesensverwandtschaft zwischen zwei Epochen der Philosophiegeschichte und zwei epochalen Denkweisen unterstrichen werden, deren schöpferische Möglichkeiten - dies gegen die skeptische Auffassung Heideggers - immer noch nicht ausgeschöpft worden sind. Denn das dynamische Verhältnis von Prinzipien- und Ideenlehre einerseits und andererseits modernen Subjektivitätstheorien stellt - dies verdeutlichen die Beiträge zum vorliegenden Band - ein Zusammenspiel von historischer Rezeption und systematischer Transformation, Aneignung und Umdeutung dar, welches das aktuelle Anliegen einer engen Verknüpfung von Ethik und Ästhetik sowie Erkenntnistheorie und Metaphysik neu zu beleben vermag. Philosophisches Denken - besonders wenn es systematische Ansprüche erhebt - muß sich selbst als geschichtliches erfassen, um Innovatives erkennen und - immer situationsbezogen - sich in die Tat setzen zu
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Orrin F. Summerell
können. In nichts anderem besteht der Anspruch der transzendentalphilosophischen und spekulativen Denker, die im Anschluß an Piaton weiterdenken wollen.
TANJA GLOYNA
Idee - Substanz oder Begriff? Zum Wandel des Piaton-Verständnisses im 18. Jahrhundert
„Was hat die Philosophie in der Erforschung der Natur der menschlichen Erkenntniß existirender Dinge nach Plato und Aristoteles Neues geleistet?" reformulierte der Marburger Philosophieprofessor David August Suabedissen in seiner preisgekrönten Antwort eine Frage, die zuvor von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen gestellt worden war. Daß diese Frage im Jahr 1801 ausgeschrieben wurde, ist ebensowenig zufallig wie der Umstand, daß Suabedissens Beitrag mit einer „Vergleichung der Kantischen Theorie" 1 mit der Piatons und Aristoteles' endete: Beides steht am Ende einer Entwicklung im 18. Jahrhundert, die sowohl die stete Darstellung der Platonischen Philosophie in philosophiegeschichtlichen Zusammenhängen beinhaltete wie auch die Anerkennung Kantischer Erkenntnistheorie als höchstmöglicher Stufe des Philosophierens. Die Arbeiten zur Philosophie Piatons gingen letzthin über den Versuch einer historisch-kritischen Zuordnung hinaus und stellten den Bezug auf die ,aktuelle', sprich: die Philosophie Kants her. Die Weichen fur die .historische' Betrachtungsweise der Philosophie Piatons waren für die Autoren des 18. Jahrhunderts von Johann Jacob Brucker gestellt worden: Auf seiner Suche nach dem „System" der Platonischen Philosophie hatte er ihre Vorgeschichte und ihre Rezeption erörtert, um das System Piatons genauer bestimmen zu können. 2 Die nun folgende Skizze, wie sich im Laufe des Jahrhunderts das Verständnis der Ideen in der Philosophie Piatons veränderte, ist eine Möglichkeit, dem Einfluß Bruckers nachzugehen und gleichzeitig darzulegen, auf welchem Weg - nämlich durch Emanzipation von seinen Vorgaben mittels Aufnahme aktueller philosophischer Strömungen - die anfängliche historische Betrachtungsweise zu einem Vergleich alter und neuer Theorien geführt hat.
1 2
D. Th. A. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen über die Natur der menschlichen Erkenntniß von Plato bis Kant, Marburg 1805, 326. Näheres zu Brucker bei Jacob Brucker (1696-1770): Philosoph und Historiker der europäischen Aufklärung, hrsg. von W. Schmidt-Biggemann, Th. Stammen, Berlin 1998. Zum historischen Zusammenhang vgl. M. Wundt, Die Wiederentdeckung Piatons im 18. Jahrhundert, in: Blätter für deutsche Philosophie 15 (1941), 149-158.
2
Tanja Gloyna
I. Johann Jacob Brucker Wirkungsvoll in diesem Zusammenhang war außer Bruckers teils auf Latein, teils in deutscher Sprache verfaßten Gesamtdarstellungen der Geschichte der Philosophie seine spezielle Abhandlung zur Geschichte der Ideenlehre, die Historia philosophica doctrinae de ideis von 1723. Dort präsentierte Brucker seit der Antike geführte Argumente zur Wesensbestimmung der ,Ideen', deren Entdeckung er Piaton zuschrieb: Dieser habe, ausgehend von Heraklits Auffassung, alles sei im Fluß, in der Nachfolge seines Lehrers Sokrates erkannt, daß im Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren keine festen Prinzipien auszumachen seien („post Socratem ex Heracliti sententia, omnia fluere, nec esse rerum sensibilium certa principia asserentis nactus est"). 3 Dies nun habe Piaton zur Annahme von unveränderlichen intellektualen Substanzen als Vorbildern der geschaffenen Dinge veranlaßt („substantias ... intellectuales et rerum creatarum exemplaria"), welche die einzig möglichen Gegenstände von Wissen und Wissenschaft überhaupt darstellten („scientiam, quae rerum immutabilium est"). 4 Auch wenn Brucker die Ideen nach Piaton im Rahmen der Weltentstehungslehre als „exemplaria" und „formas speciesque" beschrieb, waren sie für ihn in dieser Schrift letzter Hand eigenständige Substanzen („propria substantia"), denen eine besondere, für sich bestehende Seinsweise bzw. Wesenheit zukommt („peculiares substantias propria essentia per se aeternum subsistentes"). 5 Mit dieser Einschätzung lieferte Brucker seinen eigenen Beitrag zur seit der Antike geführten Diskussion, ob es sich bei den Ideen in der Philosophie Piatons nun um Substanzen oder um Begriffe („termini") handelt, auch wenn seine Bestimmung ebenso unbefriedigend blieb wie die Erörterung der Frage, in welchem Verhältnis diese Ideen zu unseren Vorstellungen („notiones") stehen. 6 In Bruckers großen Philosophiegeschichten schien das Thema ,Ideen' im Zusammenhang Platonischer Philosophie nur eine untergeordnete Rolle zu spielen; gleichwohl verwies er an entscheidenden Stellen auf seine Ausführungen in der Historia philosophica doctrinae de ideis. In den Gesamtdarstellungen hatte Brucker seit 1731 unter dem Aspekt des Systems beansprucht, die philosophischen „Lehr-Sätze" eines jeden Philosophen „so zu setzen und zu ordnen, wie ein Schluß aus dem andern folgt" und wie seiner „wenigen Einsicht nach das Systema nach dem Begriff und Meinung ihrer Urheber geordnet werden muß". 7
3
J. J. Brucker, Historia philosophica doctrinae de ideis qua tum veterum imprimis corum tum recentiorum philosophorum placita enarrantur, o. O. 1723, 4.
Grae-
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Brucker, Historia, 4-5. Brucker, Historia, 36, 40. Zur Terminologie vgl. beispielsweise Brucker, Historia, 142. J. J. Brucker, Kurtze Fragen aus der Philosophischen Historie, von Anfang der Welt, biß auf die Geburt Christi, mit Ausführlichen Anmerckungen erläutert, Erster Teil, Ulm
Idee - Substanz oder Begriff?
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Das bedeutete auch für Piaton die Darstellung der „Philosophie insgemein" und der einzelnen Disziplinen nach ,,Haupt-Lehr-Sätze[n]", wie er sie von seinen Vorgängern „gelernet,ο und aus diesem [in] sein Systema Philosophicum zusammen getragen" hatte. Im Sinn dieser kurz und bündig formulierten Grundsätze schrieb Brucker beispielsweise in seinen Kurtzen Fragen aus der Philosophischen Historie, von Anfang der Welt, biß auf die Geburt Christi, mit Ausführlichen Anmerckungen erläutert von 1731: „Die Intelligibilia können entweder für sich betrachtet werden, und werden ideae genennet, oder so ferne sie bey der Materie sind, und ihr das Wesen geben, und dann heissen sie Species."9 Damit differenzierte er deutlich die beiden Wesenszüge, die er bereits in der Historia philosophica doctrinae de ideis problematisiert hatte - nun allerdings, ohne eine Priorität zu setzen. Das war aber auch nicht mehr nötig, weil Brucker in dieser Formulierung „Intelligibilia" zum Oberbegriff von Platonischen „ideae" (= Substanzen) und allgemeinen Begriffen („species") erhoben hatte. Dieser Grundsatz im System Piatons war ihm so wichtig, daß er ihn 1736 in den Auszug aus den Kurtzen Fragen ... zum Gebrauch der Anfanger übernahm, 10 auch wenn er in seiner Prägnanz noch viel weniger argumentativ belegt war als in der Historia philosophica doctrinae de ideis. Wichtig wurden in der Rezeption Bruckers auch zwei weitere, nunmehr unsere Erkenntnisweisen betreffende Grundsätze, die im System Piatons gewissermaßen konkurrieren und zudem die Spannung der Frage ,Idee - Substanz oder Begriff?' widerspiegeln. So habe die „Seele des Menschen", ehe sie „in den Leib gekommen", einerseits „die selbständige[n] Dinge" - Ideen als Substanzen - „schon gewußt", so daß „ihre Erkantnis nur eine Wieder-Erinnerung" sei; andererseits war sie nach Piaton „wie eine wächserne Tafel", der erst sinnlich Wahrgenommenes eingeprägt werden mußte, um schließlich, gleichsam induktiv, zur Erkenntnis einer Idee qua Begriff zu führen. 11 In der ausführlichen Darstellung der Kurtzen Fragen von 1731 wollte Brucker die Funktion der „wächserne[n] Tafel", 12 die der Anamnesis-Lehre zu widersprechen schien, mit letzterer in Einklang bringen bzw. ihr unterordnen: „Wenn die Eindrückungen der Sinnen fest bleiben, daß sie nicht ausgelöscht werden, so wird es das Gedächtnis genennet, welches nebst den Sinnen die Meinung oder Wahrscheinlichkeit hervor bringt ... Wann das, was wir durch die Sinne begreiffen und erkennen, mit
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1731, Vorrede, XX sowie 2. Brucker, Kurtze Fragen, 572, 637, 639. Brucker, Kurtze Fragen, 645. Vgl. J. J. Brucker, Auszug aus den Kurtzen Fragen, aus der Philosophischen Historie, von Anfang der Welt biß auf unsere Zeiten. Zum Gebrauch der Anfänger, Ulm 1736, 95. Brucker, Auszug aus den Kurtzen Fragen, 94. Vgl. Piaton, Theaetetus 191c8-dl0.
Tanja Gloyna
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dem, was wir davon im Gedächtnis haben, übereinkommt, so wird daraus eine wahre, wo es aber nicht damit übereinkommt, eine falsche Meinung." 13
II. Johann Jakob Engel Bevor in der Folgezeit ausdrücklich erörtert wurde, ob denn nun unter den Ideen nach Piaton Substanzen oder Begriffe zu verstehen seien, und bevor die Anamnesis-Lehre im 18. Jahrhundert als wesentliches Moment der Platonischen Philosophie akzeptiert wurde, kam von einer anderen Seite Bewegung in die deutschsprachige Diskussion: Für diese Seite neuzeitlichen Philosophierens waren mit der Ablehnung „angeborener Ideen" die Anamnesis-Lehre sowie die Auffassung der Ideen als Substanzen hinfällig. Entsprechend wurden zum einen Ideen nach Piaton als Begriffe aufgefaßt, zum anderen wurde das Bild der „wächsernen Tafel" hervorgehoben und zudem durch das der „tabula rasa" abgelöst: Dieser Wechsel entstand infolge der Rezeption englischer empiristischer bzw. sensualistischer Philosophie, vor allem der John Lockes. 14 In diesem Zusammenhang kam es, so ζ. B. in Michael Hissmanns Geschichte der Lehre von der Association der Ideen von 1773, zu einer Psychologisierung von ,Idee', die insofern mit .Vorstellung' gleichgesetzt wurde. 15 Zudem konnte - unter dem Einfluß der Philosophie Lockes - auch die Darstellung der Platonischen Philosophie nur auf einem Grundsatz beruhen: „Nihil in intellectu, quod non ante fuerit in sensu." 16 Entsprechende Arbeiten wurden so auch zu einem Beispiel für die Bezugnahme der Platonischen Philosophie auf neuere Entwürfe. Gleichenteils konnten solche Darstellungen durch den Autor gestützt werden, der über Jahrhunderte die Antike-Rezeption bestimmt hatte: Aristoteles. Deutlich wurde dies auch in Johann Jakob Engels Versuch einer Methode die Vernunftlehre aus Platonischen Dialogen zu entwickeln (1780). 17 In diesem „Versuch, die Begriffe und Regeln der Vernunftlehre" - in der Prägung aristote13 14
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16 17
Brucker, Kurtze Fragen, 644. Näheres bei G. Zart, Einfluss der englischen Philosophen seit Bacon auf die deutsche Philosophie des 18ten Jahrhunderts, Berlin 1881; M. Wundt, Die deutsche Schulphilosophie im Zeitalter der Aufklärung, Tübingen 1945; J. W. Yolton, John Locke and the Way of Ideas, London 1956. Weiteres zu Person und Schrift Hissmanns bei L. Braun, Geschichte der Philosophiegeschichte. Aus dem Französischen übers, von F. Wimmer. Bearb. und mit Nachweisen vers, von U. J. Schneider, Darmstadt 1990, 186-187. J. J. Engel, Versuch einer Methode die Vernunftlehre aus Platonischen Dialogen zu entwickeln, Berlin 1780, 143. Zum Autor vgl. J.-L. Viellard-Baron, Jean-Jacob Engel .modernisateur' de Piaton, in: Revue de Metaphysique et de Morale 3 (1975), 346-350; zur Schrift vgl. ders., Piaton et l'idealisme allemand (1770-1830), Paris 1979, 70-71.
Idee - Substanz oder Begriff?
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lisch-scholastischer Begrifflichkeit - anhand des Meno „zu entwickeln", ließ Engel in einem Lehrer-Schüler-Gespräch aus Vorstellungen, die zunächst „eingewickelt, noch dunkel" waren, durch ein gleichsam maieutisches Verfahren deutliche Vorstellungen, Begriffe werden. 18 Zu solchen Vorstellungen zählte in erster Linie die Klärung von .Begriff selbst; denn wegen der Gleichsetzung von ,Idee' und , Vorstellung' fragte Engel nicht länger nach dem Wesen der (Platonischen) Ideen, sondern konsequenterweise: „Vor allen Dingen müssen wir nun wissen: was ist ein Begrif? Mit andern Worten: Wir müssen uns zuerst um den Begrif des Begriffs bemühen." 19 Der dialogische Weg zur klaren Vorstellung von dem, was ein Begriff ist, führte über die Einsicht, „daß wir zweyerley Arten von Vorstellung haben: Vorstellungen mit und ohne Bewußtseyn. - Fragen Sie nun den Redegebrauch: würden Sie beyden Arten von Vorstellungen, oder nur Einer, und welcher würden Sie den Namen des Begriffs geben? Wohl nur der ersten Art: den Vorstellungen mit Bewußtseyn". 20 So war der „Begrif des Begriffs" für Engel im Ergebnis „die Vorstellung einer Sache, mit Bewußtseyn verbunden. Mit Bewußtseyn, daß wir eine Vorstellung haben, und wovon wir sie haben". 21 Durch „Gebrauch der Vernunft" - hieß: die Fähigkeit, „zu abstrahiren" und dadurch zu einer „Subordination der Begriffe" zu gelangen - erwuchs aus dem fiktiven Gespräch von Engels Versuch eine Differenzierung des „Begriffs] des Begriffs": „Jedes Ding aus dem Unendlichen heißt ein einzelnes Ding [Individuum]; der nächste allgemeine Begrif, unter welchem die Individuen enthalten sind, die Art [species]; der höhere allgemeine Begrif, der die Arten unter sich faßt, die Gattung oder das Geschlecht [genus] ... Unendlich kann diese Reihe subordinirter Begriffe nicht seyn: das höchste Geschlecht [genus summum], welches alle andern ... Arten und Unterarten [species inferiores], nebst allem möglichen Individuellen, unter sich faßt, ist der Begrif des Dinges [ens]." 22 Passend zu einer solchen Hierarchie betrachtete Engel die „philosophische Idee von Gott" als ,,allervollkommenste[m] Wesen" demnach nicht wie die höchste Idee bzw. den höchsten Begriff, sondern in Analogie zu künstlerischen Ideen bzw. ,,erdichtete[n], ersonnene[n]" Begriffen, die „durch Weglassen und Zusetzen", Verbinden und Ändern aus „abgesonderten, allgemeinen Begriffen" entstehen, denen letzthin - wie jedem Begriff - Sinneseindrücke zugrunde liegen. 23
18 19 20 21 22 23
Engel, Engel, Engel, Engel, Engel, Engel,
Versuch Versuch Versuch Versuch Versuch Versuch
einer einer einer einer einer einer
Methode, Methode, Methode, Methode, Methode, Methode,
4, 39. 35. 40. 40. 106-107. 136, 141, 142.
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III. Anton Friedrich Büsching Eine bewußte Vergleichung der griechischen Philosophie mit der neuern nahm nach eigenem Bekunden als erster Anton Friedrich Büsching vor.24 Nachdem 1772/1774 sein Grundriß einer Geschichte der Philosophie und einiger wichtiger Lehrsätze derselben veröffentlicht worden war, in dem er sich stark auf Brucker bezogen hatte, trat Büsching 1785 mit dieser Arbeit hervor, in der er auch thematisierte, was in der Antike, dann vor allem aber bei Leibniz, Locke und Malebranche unter ,Idee' verstanden worden ist.25 Büschings Vergleichung der griechischen Philosophie mit der neuern beruhte auf der Annahme, letztere bestehe eher „in der genauem Bestimmung, deutlichem und vollständigem Entwicklung, guten Erläuterung, und gründlichen Bestätigung, der philosophischen Wahrheiten", die die Alten erkannt hatten, „als in der selben Erfindung" bzw. „als in der Aussinnung neuer wichtiger philosophischer Grund- und Lehrsätze". 26 In einer ,,allgemeine[n] Wahrheit" zum Thema ,Idee' folgte Büsching der bereits genannten Auffassung, die an dieser Stelle folgerichtig allerdings mit Aristoteles und auch Cicero zu belegen war: „Alle Begriffe kommen ursprünglich durch die Sinne in die Seele."27 Davon setzte er vehement die Ansicht Piatons ab, welcher zwar an der einen Stelle des Theaetetus die „Seele ... vermittelst der Kräfte des Körpers" Dinge habe erkennen lassen; letzthin konnte die Seele nach Piaton aber doch „gewisse Dinge ... als die Substanz, das änliche und unänliche, das gleiche und ungleiche, das schöne und hässliche, das gute und böse, das einander entgegengesetzte" nur „durch sich selbst" erkennen, d. h. nur durch Erinnerung der jeweiligen „Ιδέα des Plato" - welche letztlich, wie bei Büschings Vorbild Brucker und seiner Historia philosophica doctrinae de ideis, als „eine unkörperliche Substanz (ούσία ασώματος)" zu bestimmen war, „welche durch sich selbst bestehet, und die Materie gebildet hat".28 So unterschied Büsching die Ideen nach Piaton auch von dem modernen - und durch Engel betonten - „Wort Idee in dem weitesten Verstände, für jede Bestimmung der Seele, deren sie sich selbst bewußt ist".29 Wichtig für das Verständnis von ,Idee' bei Piaton war auch Büschings Versuch einer generellen Abgrenzung gegenüber den ,Ιδέαις' der Stoiker, die näm-
24
Zur Abgrenzung gegenüber Vorgängern vgl. Braun, Geschichte schichte, 213.
25
Zu den Letztgenannten vgl. A. F. Büsching, Vergleichung der griechischen mit der neuern. Ein Versuch und eine Probe, Berlin 1785, 46-49.
26 27 28
Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, VI. Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, 44. Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, 45. Vgl. Piaton, Theaetetus, 185e5-7; Pseudo-Plutarchus, Placitaphilosophorum, ed. J. Mau, Leipzig 1971, 888dl.
29
Büsching, Vergleichung
der griechischen
Philosophie,
46.
der
PhilosophiegePhilosophie
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lieh als ,έννοήματα ήμέτερα' den Charakter von Begriffen (Vorstellungen) hatten. 30 Dennoch belegte er seinerseits den griechischen Ausdruck mit dieser Bedeutung: „Man muß εϊδη und ιδέας nicht mit einander verwechseln, jene sind die Formen der Dinge, diese die Begriffe." 31 Das Widersprüchliche in Büschings Bestimmung der Platonischen Ideen wurde durch eine weitergehende Bewertung unterstrichen: „Plato lehrete, daß diese Ideen (ιδέας) in den Vorstellungen und in der Einbildungskraft d. i. in dem Verstände Gottes wären, (έν τοις νοήμασι, κ α ι έν τ α ΐ ς φ α ν τ α σ ί α ι ς του θεοΰ, τοΰτ έστι του νου, ΰφεστώσας)." 3 2 Damit referierte Büsching eine weitere philosophiehistorische Position, nämlich Pseudo-Plutarchs Darstellung von ,Idee' bei Sokrates und Piaton einerseits, die bereits in der Auffassung von ,Idee' als , ο υ σ ί α α σ ώ μ α τ ο ς ' angeklungen war, und Zenon, dem Stoiker, andererseits (έννοήματα ήμέτερα). 3 3 Methodisch lehnt sich Büsching in diesem Verfahren, antike Kommentare zur Erläuterung von Bedeutung und Sinn griechischer Begriffe heranzuziehen, wiederum an Brucker an, und möglicherweise sind sogar diese Zitate seinen an Belegen so reichen Texten entnommen. Sachlich allerdings zeigt sich Büsching in seiner Ambivalenz der Auffassung von ,Idee' zwischen Substanz und Begriff bei Piaton wohl eher von dem psychologisierenden Verständnis seiner Zeitgenossen beeinflußt: Indem er nach dem Vorbild Pseudo-Plutarchs Ideen „in der Einbildungskraft ... Gottes" (,,έν τ α ΐ ς φ α ν τ α σ ί α ι ς του θεοΰ") verortete, lenkte er, anders als seine Zeitgenossen bisher, die Aufmerksamkeit lediglich auf das höchste Denkende und seine Vorstellungen bzw. Begriffe.
IV. Friedrich Victor Lebrecht Plessing Im Jahr 1786 veröffentlichte Friedrich Victor Lebrecht Plessing zwei Aufsätze, in deren Mittelpunkt die Frage stand, ob Ideen nach Piaton Substanzen oder Begriffe seien. Mit diesen Beiträgen richtete Plessing den Blick zudem auf einige Schwierigkeiten, die sich aus der Gleichsetzung moderner Terminologie mit Begriffen der Antike ergeben. Außerdem erfolgte eine erste Bezugnahme der Philosophie Piatons auf Kants Kritik der reinen Vernunft als Höchstleistung zeitgenössischer Philosophie. 34 Plessing, in Königsberg unter dem Vorsitz Kants 1783 in Philosophie promoviert, hatte in diesem und in den folgenden Jahren eine Reihe monographischer Arbeiten zur antiken Philosophie veröffentlicht. So
30 31 32 33 34
Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, 45. Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, 45. Büsching, Vergleichung der griechischen Philosophie, 45-46. Vgl. Pseudo-Plutarchus, Placitaphilosophorum, 882dl-e2. Zu Person und Werk Plessings vgl. M. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, tingen 1996, 82-90.
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waren erschienen: Osiris und Sokrates (1783), Historische und philosophische Untersuchungen über die Denkart, Theologie und Philosophie der ältesten Völker, vorzüglich der Griechen, bis auf Aristoteles (1785), Memnonium oder Versuche zur Enthüllung der Geheimnisse des Alterthums (1787/1790) und Versuche zur Philosophie des ältesten Alterthums (1788/1790). Dort war Plessing unter dem Stichwort „metaphysische Philosophie" vor allem an der Vermittlung antiker philosophischer Inhalte mit denen der jüdischen und christlichen Religion gelegen, so daß es im ausgehenden 18. Jahrhundert nochmals zum Entwurf eines „christlichen Piatonismus" kam. 35 Hingegen nahm Plessing in den beiden Aufsätzen zur Bestimmung des Wesens der Platonischen Ideen - Ueber den Aristoteles und Untersuchungen über die Platonischen Ideen, in wie fern sie sowohl immaterielle Substanzen als auch reine Vernunftbegriffe vorstellten36 - auch einen neuen Standpunkt ein: Hier bezog er nicht nur - siehe: ,reine Vernunftbegriffe' - Piaton und Kant aufeinander, sondern warf auch seinen Kollegen vor, sie würden Erkenntnisse und Begriffe der Moderne auf die Philosophie der Antike übertragen, allerdings nicht ohne selbst auch diesen Fehler - siehe: Piaton und Kant - zu begehen. Um zu einem differenzierten Bild zu gelangen, stellte Plessing zunächst vor, was „die Alten" bis hin zu Aristoteles unter Substanz und Idee verstanden hatten: „Von den immateriellen Dingen behaupteten sie, daß sie unbeweglich, bestehend bleibend, unveränderlich und unvergänglich, und außer dem Gebiete der materiellen Welt befindlich wären. Diese Dinge nannten sie ov, όντως οντα, ουσία, Substanzen, immer bestehende und beharrende Wesen." 37 Gemäß der antiken Auffassung von „zweyerley Gattungen von Dingen", nämlich „materielle[n], sinnliche[n]" und ,,immaterielle[n], unsinnlichefn]", konnten diese Substanzen nicht „durch die Sinne erkannt werden". 38 Piaton nun habe sie „Ideen oder Formen (ιδεα, είδος)" genannt, wobei er den folgenreichen Fehler beging, „diese Substanzen und die auf sie sich gründenden Anschauungen, oder Begriffe und Vorstellungen, nicht genug von einander" zu unterscheiden. 39 Insofern hatte er selbst zu dem für Plessing entscheidenden Mißverständnis der „neuem Zeit" beigetragen: Diejenigen, die sich gar nicht erst um einen historisch-kritischen Standpunkt bemühten, hielten sich schlicht an die moderne Bedeutung des Wor-
35
Dazu vgl. T. Gloyna, Kosmos und System. Schellings Bad Cannstatt 2002, 80-114.
36
F. V. L. Plessing, Ueber den Aristoteles; Untersuchungen über die Platonischen Ideen, in wie fern sie sowohl immaterielle Substanzen als auch reine Vernunftbegriffe vorstellten, in: Denkwürdigkeiten aus der philosophischen Welt, hrsg. von Κ. A. Cäsar, Bd. 3, Leipzig 1786, 1-109 bzw. 110-190.
37 38 39
Plessing, Untersuchungen Plessing, Untersuchungen Plessing, Untersuchungen
über die Platonischen über die Platonischen über die Platonischen
Weg in die Philosophie,
Ideen, 111. Ideen, 110-111. Ideen, 112, 113.
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tes ,Idee'; so ging man „von der Bedeutung", „die dasselbe bey uns hat - nach der es so viel als Begriff vorstellt - aus, und sagte daher, daß nach Platonischer Lehre die Menschen in ihrem vormaligen Zustande die Begriffe in Gottes Verstände angeschaut hätten". 40 Hinzuweisen ist an dieser Stelle aber auch auf Plessings Verschiebung der Frage ,Idee - Substanz oder Begriff?' zu der, in welchem Verhältnis unsere Vorstellungen/Begriffe zu den (Platonischen) Ideen/Substanzen stehen. Plessing verwies nicht nur hier auf .Anschauungen'; denn der Stellenwert, welcher jeweils der , Anschauung' zugeschrieben wurde, markiert für ihn einen grundsätzlichen Unterschied antiker und moderner Philosophie. Mit der Annahme der unveränderlichen Substanzen, die nicht sinnlich wahrnehmbar sind, ging laut Plessing in der Philosophie der Alten eine Voraussetzung einher, um diese Ideen, auf denen „wahre Wissenschaft" sich gründet, dem Erkenntnisvermögen des Menschen zugänglich zu machen: „Sie schrieben daher dem Verstände, eben so wie den Sinnen, ein unmittelbares Anschauungs-Vermögen zu; (nach unserer neuern Philosophie aber legen wir dem Verstände keine Anschauungskraft bey, nehmlich auf eine den Sinnen ähnliche Weise, die Dinge unmittelbar wahrzunehmen und anzuschauen; wir beschränken dies Anschauungs-Vermögen blos auf die Sinne); dieser habe die genannten Substanzen in einem vormaligen Lebens-Zustande unmittelbar angeschaut." 41 So konnte Plessing die Ideen eindeutig als Substanzen verstehen, auf denen unsere „reinen Verstandes-Begriffe" gründeten, und zugleich seine Kritik an der modernen Philosophie vorbringen: „Pythagoras, die Eleatiker, Plato und Aristoteles, dachten unter reinen Verstandes-Begriffen ganz etwas anders als wir. Ihre reinen Verstandes-Begriffe gründeten sich auf wirklich substantielle Gegenstände, welche der Verstand unmittelbar angeschaut habe; denn sie legten dem letztern eine unmittelbare Anschauungskraft bey; allein dieses thun wir, nach unserer neuen Philosophie, nicht. Die Alten dachten hierin in der That weit konsequenter als wir: Denn wie können Begriffe, ohne vorhergegangene Anschauungen, statt finden?" 42 Um die Notwendigkeit der Annahme einer intellektuellen Anschauung damals wie heute - zu untermauern, zog Plessing ausgerechnet Kant heran: Da für Plessing die Alten so, wie beschrieben, „über den Ursprung der menschlichen Erkenntniß" dachten und ihr „gewisse Original-Anschauungen" zugrunde legten, „die sie als Ur-Principien derselben betrachteten, auf welche sich alle Wissenschaft und Erkenntnisse gründen müsse", die ihrerseits „nicht erwiesen oder demonstrirt werden könnten", hätten sie gedacht wie Kant. 43 Belege der Übereinstimmung entnahm Plessing den Prolegomena zu einer jeden künftigen 40 41 42 43
Plessing, Plessing, Plessing, Plessing,
Untersuchungen über Untersuchungen über Aristoteles, 50, Anm. Untersuchungen über
die Platonischen Ideen, 113. die Platonischen Ideen, 111-112. 1. die Platonischen Ideen, 116.
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Metaphysik sowie der Kritik der reinen Vernunft: „Auf welche Art und durch welche Mittel sich auch immer eine Erkenntniß auf Gegenstände beziehn mag, so ist doch diejenige, wodurch sie sich auf dieselbe unmittelbar bezieht - und worauf alles Denken, als Mittel, abzweckt - die Anschauung. Diese aber findet nur statt, so fern uns der Gegenstand gegeben wird. Dieses aber ist wiederum nur dadurch möglich, daß er das Gemüth auf gewisse Weise afficiere." 44 Also im Sinn der Alten: Anschauung eines Gegenstands, der Substanz-Idee, als Voraussetzung und Ziel jeder wahren Erkenntnis. Entsprechend zitierte Plessing Kant: „Alles Denken muß sich, es sey gerade zu (directe); oder im Umschweife (indirecte), auf Anschauungen beziehn." 45 Und schließlich führte er zur Erläuterung des Verhältnisses von Begriff - Gegenstand (welchem Idee/Substanz entsprach) an: „Zu jedem Begriff wird erstlich die logische Form eines Begriffs (des Denkens überhauptQ], und denn zweytens auch die Möglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, erfordert. Ohne diesen letztern hat er keinen Sinn, und ist völlig leer an Inhalt. - Nun kann der Gegenstand einem Begriff nicht anders gegeben werden, als in der Anschauung." 46 Die Dopplung Gegenstand - Begriff sah Plessing von Piaton dadurch bedacht, daß „Ideen aus einem zwiefachen Gesichtspunkt betrachtet werden müssten, einmal als immaterielle Substanzen, und dann wieder als Begriffe". 47 Unter letzteren verstand er freilich unsere „Vorstellungen ... die sich auf diese immateriellen Substanzen beziehn, und die, nach Plato's Philosophie, der Verstand vormals durch unmittelbare Anschauung erlangt habe." 48 Die Ideen „als Begriffe genommen", d. h. „als auf „Ur-Anschauungen sich gründende Vorstellungen", sah Plessing in „Definitionen und Principien der Wissenschaft" ausgedrückt. 49 So konnte er die Ideen (nach Piaton) nicht nur als Substanzen auffassen, sondern sie auch begründeter Wissenschaft voraussetzen und zugleich als deren Ziel bestimmen, weil wahres Wissen und Wissenschaft - auch mit Blick auf Aristoteles - in Form von Definitionen die „Ideen der an und für sich selbst bestehenden Dinge" 50 begrifflich klar erfassen sollte.
44
Plessing, Untersuchungen über die Platonischen Ideen, 115, mit Verweis auf I. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, Riga 1783, 52.
45
Plessing, Untersuchungen über die Platonischen Ideen, 116. Vgl. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1. Aufl., in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4, Berlin 1911, A19.
46
Plessing, Untersuchungen nen Vernunft, A239. Plessing, Untersuchungen Plessing, Untersuchungen Plessing, Untersuchungen Plessing, Untersuchungen
47 48 49 50
über die Platonischen über über über über
die die die die
Platonischen Platonischen Platonischen Platonischen
Ideen, 116. Vgl. Kant, Kritik der reiIdeen, Ideen, Ideen, Ideen,
176. 177. 177. 179.
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V. Dieterich Tiedemann Am Ausgang des 18. Jahrhunderts legte Dieterich Tiedemann eine Philosophiegeschichte vor, deren Wirkkraft der Bruckers vergleichbar war. In dieser führte er Argumente aus Platonischen Dialogen an, die zum einen die Auffassung der Ideen als Substanzen, zum anderen als Begriffe bestärkten. Dabei stellte er fest, Piaton selbst spreche in diesem Punkt „durchaus keine gleichförmige Sprache" und trage von daher auch nichts zur Lösung des Streits bei, den sowohl „alte" wie auch „neuere Ausleger" führten. 51 Gleichwohl war Tiedemann, der in seiner eigenen philosophischen Ausbildung mit den Theorien John Lockes konfrontiert worden war, Piaton grundsätzlich in psychologisch-erkenntnistheoretischer Hinsicht sympathisch, und zwar als „erster Urheber, der nachher so berühmt gewordenen angebohrnen Ideen" - allerdings „im andern Sinn ..., als worin die subtilere Philosophie neuerer Zeiten sie genommen hat". 52 So seien sie Piaton zufolge „ganz fertige, nur verdunkelte Kenntnisse, weil sie Gedächtnißideen sind, erlangt in einem vorhergegangenen Zustande, also entsprungen aus ehemaligen Anschauen dieser abstrakten Begriffe", was Tiedemann zu dem überraschenden Schluß führte: „Plato's Seelen sind ursprünglich tabulae rasae, von den Aristotelischen nur darin verschieden, daß sie es bei der Geburt des Menschen nicht mehr sind". 53 Da Tiedemann für die neuzeitliche Erörterung der angeborenen Ideen insbesondere auf Leibniz verwies, ist möglicherweise auch die weitere Unterscheidung der Bereiche menschlichen Erkennens auf diesen zurückzuführen: Piaton unterschied nämlich „die Handlung, wodurch wir von Grundsätzen a priori ausgehen, und so zu dem Individuellen herabkommen, von der, wo wir Begriffe α posteriori zum Grunde legen"; ersteres identifizierte Tiedemann mit νόησις oder auch νους als „reinen Verstand", letzteres mit διάνοια; ein drittes sei diejenige „Erkenntniß α posteriori, welche auf bloße Empfindung, ohne alles Räsonnement sich gründet", und die Piaton unter πίστις verstanden habe. 54
VI. Wilhelm Gottlieb Tennemann Eine deutliche Kantianisierung der Platonischen Philosophie vollzog Tiedemanns späterer Nachfolger an der Universität Marburg, Wilhelm Gottlieb Tennemann. 55 Kurz vor Erscheinen der entsprechenden Bände vom System der Pla51 52 53 54 55
D. Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2, Marburg 1791, 89. Näheres zu Tiedemann bei Braun, Geschichte der Philosophiegeschichte, 193-203. Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, 166. Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, 166. Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, 191, 192. Zu Tennemann vgl. Braun, Geschichte der Philosophiegeschichte, 254-266.
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tonischen Philosophie (4 Bände, 1791-1795) hatte er sich im Aufsatz „Ueber den göttlichen Verstand aus der Platonischen Philosophie (νους, λογος)" 1791 gegen die Vereinnahmung und Instrumentalisierung der Platonischen Philosophie in christlichen Kontexten sowie gegen die Platon-Darstellungen von Brucker bis Plessing ausgesprochen.56 Für Tennemann stand eindeutig fest: Ideen sind Piaton zufolge Begriffe. Auch habe Piaton als erster den Blick auf „das Vorstellende", und d. h. auf das Erkenntnisvermögen, gerichtet und dieses zum Ausgangspunkt seiner Philosophie gemacht (weshalb Piaton überhaupt in einer philosophischen Entwicklungslinie mit Kant gesehen werden konnte).57 Dabei sei Piaton „von der objektiven Realität der Vorstellungen zur subjektiven" übergegangen, „welche nothwendig an die Stelle der erstem treten mußte", wobei „Subjektivierung" für Tennemann schlicht hieß: daß Piaton „glaubte, nur durch co das Denken allein könne man dem Wesen der Dinge an sich näher kommen". Das „Wesen der Dinge" übersetzte Tennemann kurzerhand in „wesentliche Merkmale der Dinge an sich", welche Piaton mittels der Ideen/Begriffe verstanden wissen wollte - diese seien es, welche bestenfalls als „das Denkbare ... durch die Vernunft vorstellbar" würden.59 Insofern habe Piaton die Ideen „nicht ... zu wirklichen Substanzen" gemacht, auch wenn er angenommen habe, daß ihnen „etwas wirkliches, außer dem Vorstellungsvermögen existirendes" korrespondiere.60 Die geeignete rhetorische Frage, um die Auffassung der Ideen als Substanzen zurückzuweisen, lautete: „Wie hätte er auch die Gegenstände der Ideen von Tugend, Gerechtigkeit, Weisheit, Schönheit hypostasiren, in Substanzen metamorphosiren können?"61 Außerdem stand für Tennemann fest, daß Piaton zwar „in dem Felde der Erfahrung die Vorstellungen von ihren Gegenständen durch besondere Ausdrücke" unterschieden habe - „in dem Felde des Denkbaren aber nicht!"62 Welches .Wirkliche', das außer unserem Vorstellungsvermögen existiert, konnte unter dieser Voraussetzung den menschlichen Vorstellungen korrespondieren? Als Vorbild menschlicher Vernunft galt die „höchste Vernunft" - Gott, der im „Weltideal", in einer ,,intelligible[n] Welt" alle „Ideen, die sich auf Welt
56 57
58 59 60 61 62
Zur Entwicklung Tennemanns vgl. Gloyna, Kosmos, 114-143. W. G. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand aus der Platonischen Philosophie (νους, λογος), in: Memorabilien. Eine philosophisch-theologische Zeitschrift der Geschichte und Philosophie der Religionen dem Bibelstudium und der morgenländischen Litteratur gewidmet, hrsg. von Η. E. G. Paulus, Stück 1, Leipzig 1791, 34-64, zit. 39. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 39. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 38-39. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 39. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 39. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 38.
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beziehen", vereinigt. 63 Sofern diese „Gottheit als reine Vernunft gedacht" wurde, waren ihre Ideen als „die reinsten Vernunftbegriffe der obersten Intelligenz" vorzustellen, nach denen sie, „ihrer stets bewusst", „blos allein" handeln würde. 64 Die Gottheit wirkte demnach Piaton zufolge einerseits als „eine die Welt nach einer Idee sich vorstellende Kraft", andererseits als tatsächlich „Weltbildende", nämlich Materie prägende Kraft. 65 Daher wurden auch Ideen von Piaton „in einer gedoppelten Bedeutung" verwendet - „einmal: als Vernunftbegriffe der Gottheit, welche im Zusammenhange das Weltideal ausmachen, alsdann aber auch: als Urbilder und Gesetze, nach welchen die Gottheit wirkte, und die Welt bildete, wodurch sie der geformten Materie gleichsam aufgedrückt worden, und woher wir sie noch erkennen können." 66 Es fand also mit Tennemann nicht nur derjenige Modus unseres Denkens, in welchem gemäß Piaton eine Vorstellung nicht von ihrem Gegenstand unterschieden werden kann, in der göttlichen „reinen Vernunft" und ihren „reinsten Vernunftbegriffe[n]" das Vorbild, sondern es war mit diesen göttlichen Weltideen auch „etwas wirkliches" ausgemacht, mit dem sowohl die Gesetze der Welt als auch die menschlichen Vorstellungen korrespondierten, ohne daß dieses .Wirkliche' als Substanz vorgestellt werden mußte. 67
VII. Georg Gustav Fülleborn Als Substanzen wurden Ideen nach Piaton aber an anderer Stelle noch immer betrachtet: Der Herausgeber der Beyträge zur Geschichte der Philosophie (1791-1799), Georg Gustav Fülleborn, nahm diese Position im Zusammenhang einer dort 1792 vorgetragenen systematischen Kritik der Ideenlehre der Antike ein, in welcher er zu dem Ergebnis gelangte: „Alle die Beweise für die Existenz der Ideen gelten meiner Meinung nach nichts." 68 Andere Einwände Fülleborns bezogen sich auf die vieldiskutierte Frage nach dem Systemcharakter der Platonischen Philosophie: Ein System war in der Philosophie Piatons insbesondere seit Brucker gesucht worden, und nunmehr stellte Fülleborn in der Rezeption
63 64 65 66 67
68
Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 45. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 45. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 45. Tennemann, Ueber den göttlichen Verstand, 45. Für eine historische Übersicht siehe P. O. Kristeller, Die Ideen als Gedanken der menschlichen und der göttlichen Vernunft. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Heidelberg 1989, 2. G. G. Fülleborn, Erstes Buch der Aristotelischen Metaphysik, in: Beyträge zur Geschichte der Philosophie, Zweytes Stück, hrsg. von G. G. Fülleborn, Züllichau, Freystadt 1792, 3-59; zur Kritik ebd., 47-57, zit. 47.
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des Systembegriffs von Kant und seinen Nachfolgern fest, daß die Philosophie der Alten, d. h. auch Piatons, gar kein System darstellt. So sei es „unverkennbar, daß der alten Philosophie das Systematische fehlt"; Fülleborn meinte „damit nicht, allen Zusammenhang der Sätze und Ideen unter einander, sondern die Verbindung des Ganzen, die von Einem Grundsatze ausgeht und alle Theile genau zusammenhält". 69 Kurz: Es fehlte ihr an einem „Principe". 70 Relevant für die weitere Entwicklung des Piaton-Verständnisses war vor allem Fülleborns Beitrag „Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie", in dem er Elemente der Philosophie Piatons und Aristoteles' direkt auf die Kants bezog. Allerdings mußte Fülleborn auch „Aehnlichkeit" zugeben, die von der Übereinstimmung „der Hauptgegenstände der Philosophie" bis zum speziellen Verständnis beispielsweise von Sinneswahrnehmung, Zeit und „kosmologische[n] Grundsätze[n]" reicht. 71 Hingegen würden sich die Alten grundsätzlich dadurch von Ansätzen „der Neuern" unterscheiden, daß sie „die Grenzen, in welchen die Vernunft bleiben soll, überschritten, und die Ideen derselben zu Erkenntnissen erhoben". 72 An anderer Stelle korrigierte Fülleborn den Ansatz Tennemanns, weil er nämlich „wesentliche Unterschiede zwischen alter und neuer Philosophie" darin sah, „daß die Alten ihre Philosophie" gerade „nicht mit der Untersuchung des menschlichen Erkenntnisvermögens anfiengen". 73 Insofern bot Fülleborns Beitrag mehrere Neubewertungen der Philosophie Piatons, indem er sie von der Kantischen abgrenzte - und wohl auch deshalb auf die alte Bestimmung der Ideen nach Piaton als Substanzen zurückgriff. 74
VIII. David August Suabedissen Die hier skizzierte Entwicklung von Brucker bis Fülleborn verdeutlicht, daß die Philosophie Piatons am Ausgang des 18. Jahrhunderts in philosophiegeschichtlichen Zusammenhängen, und d. h. auch in bezug auf die aktuelle theoretische Philosophie, thematisiert wurde. Die eingangs erwähnte Frage der Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen von 1801 in der Formulierung Suabedissens: „Was hat die Philosophie in der Erforschung der Natur der menschlichen Erkenntniß existirender Dinge nach Plato und Aristoteles Neues geleistet?",
69 70 71 72 73 74
G. G. Fülleborn, Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie, in: ders., Beyträge, Viertes Stück, Züllichau, Freystadt 1794, 187-219, zit. 205. Fülleborn, Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie, 205. Fülleborn, Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie, 194, 196, 198. Fülleborn, Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie, 196. Füllebom, Ueber die Verschiedenheit der alten und neuen Philosophie, 199. Zum Zusammenhang .Brucker - Kant' und insofern auch ,Piaton - Kant' vgl. G. Mollowitz, Kants Platon-Auffassung, in: Kant-Studien 40 (1935), 13-67.
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erweist sich damit als ebensowenig zufällig wie seine „Vergleichung der Kantischen Theorie" mit der von Piaton und Aristoteles in der Antwort. Der Vergleich blieb hier wiederum - siehe Fülleborn - problematisch; so betonte auch Suabedissen, worin sich die Philosophien unterscheiden. Allerdings nannte er mit Nachdruck den Hauptgrund, der einen Vergleich dennoch provoziert: terminologische Überschneidungen. Von daher stellte er, der seine Abhandlung selbst als „historisch" klassifizierte, der „Vergleichung" eine Darstellung der Geschichte der Philosophie voran, die auch den Zweck hatte, die Begriffe der verschiedenen Theorien des Erkennens voneinander zu unterscheiden. Leitfaden der Untersuchung war für Suabedissen die Einteilung der Geschichte der Philosophie in drei Perioden: Die erste „Haupt-Periode", die „von Plato und Aristoteles bis Locke" reichte, habe „nur einzelne helle Blicke in die Tiefe des Erkenntniß-Vermögens" genommen. 75 Die zweite, von „Locke bis Kant", machte zwar „die Erforschung der Natur der Erkenntniß zu einem Hauptgegenstande des Philosophirens", doch erst die dritte, „von Kant bis auf die jetzige Zeit (1801)" die „Periode der Transscendentalphilosophie" - , sei weit „in den verborgensten Mechanismus des menschlichen Geistes" eingedrungen. 76 In der „Vergleichung ... zwischen der Theorie der Critik und beiden Systemen der griechischen Weltweisen", die sich der auführlichen „historischen" Darstellung dieser Perioden anschloß, stellte Suabedissen folgendes klar: Die „mannichfaltigefn] Aehnlichkeiten" seien Schein - entstanden, weil die neue Theorie „aus beiden" anderen „manche Begriffe hernahm, welche sie jedoch in einem mehr oder weniger verschiedenen Sinn und Zusammenhang brauchte". 77 In bezug auf Piaton hieß das beispielsweise, daß er „so wie Kant, alle Aeußerungen des Erkenntnißvermögens im Allgemeinen in αισθήσεις (Empfindungen, Anschauungen) und διανοίας (Begriffe) theilte und ihnen gemäß das ganze menschliche Erkenntnißvermögen aus den beiden Hauptvermögen, der Sinnlichkeit und dem Verstand, bestehen ließ". 78 Auch habe er angenommen, der „Ursprung ... der sinnlichen Vorstellung" sei ein Gegenstand, der „die Sinnlichkeit afficire", und daß „die Seele, dem erhaltenen Eindruck gemäß, ein Bild hervorbringe". 79 Allerdings hätte Piaton im Unterschied zu Kant gar nicht daran gedacht, die Sinnlichkeit als besonderes „Vermögen des Gemüths" anzuerkennen und einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen - was auch an der Vernachlässigung von Raum und Zeit deutlich werde. 80
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Suabedissen, Suabedissen, Suabedissen, Suabedissen, Suabedissen, Suabedissen,
Resultate Resultate Resultate Resultate Resultate Resultate
der der der der der der
philosophischen Forschungen, 5-6. philosophischen Forschungen, 7-8. philosophischen Forschungen, 326-327. philosophischen Forschungen, 327-328. philosophischen Forschungen, 328. philosophischen Forschungen, 328.
Tanja Gloyna
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Eine sichere Differenz lag für Suabedissen in der Auffassung von ,Idee'. So habe zwar auch Piaton, „wie Kant, die διανοίας (Begriffe im weitern Sinn) in φαντασίας, deren Gegenstand in der Erfahrung gegeben ist, und νοήσεις oder ιδέας, deren Gegenstand übersinnlich ist", eingeteilt und zudem „den Verstand, in sofern er die letztern, die Ideen, besitzt, νουν, φρόνημα (Vernunft)" genannt. 81 Doch habe Piaton, anders als Kant, „diesen Ideen ... übersinnliche objektive Realität" zugesprochen, „indem er sie in der übersinnlichen Welt oder wenigstens in der göttlichen Vernunft als die Muster der Sinnendinge existiren, und sich's nicht einfallen ließ, sie, wie Kant, theils als Produkte der Einbildungskraft aus der Vergleichung mehrerer Erscheinungen, theils als regulative Principien der Vernunft zur Leitung des Verstandesgebrauchs zu betrachten, und so ihren Gebrauch und Zweck auf Vervollkommnung der Erfahrungserkenntniß zu beschränken". 82 Und auch die Einsicht beider, „daß sich das Feste, Bleibende, Nothwendige in unserer Erkenntniß nicht von der Erfahrung ableiten lasse", habe Piaton zuschanden gemacht, indem er annahm, daß nur durch die Erkenntnis dieser übersinnlichen Ideen „Festes, Nothwendiges in unsere Erkenntnisse und Urtheile" komme, d. h. die Ideen den „Grund und die Principien alles Wissens und aller Erkenntniß" darstellten. Hingegen durfte auf Kantischer Grundlage dieses „Feste" nicht aus den Vernunftideen abgeleitet werden, sondern nur „aus der eigenthümlichen Natur der Sinnlichkeit und des Verstandes, der das dargebotene Mannichfaltige auf gewisse bestimmte Weisen aufnehmen und verknüpfen müsse". 84 Schließlich trage auch Piatons Bewertung der „όντως οντα, νοητά (die Dinge an sich, Verstandeswesen)" im Gegensatz zu „den φαινομενοις, αισθητοις (Erscheinungen, Sinnenwesen)" einen gänzlich anderen Charakter als Kants Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung: „Denn nach Kant ist das Ding an sich der unbekannte Grund der Erscheinung, der nur als solcher gedacht werden kann und muß, ohne weiter im geringsten bestimmt werden zu können" - also „= x" ist - , während die Erscheinung „der einzig erkennbare QC
Gegenstand" sei. Hingegen waren Piaton die Ideen/Dinge an sich die einzig möglichen Gegenstände des Wissens und „das Aufsteigen zu ihnen ... Wissenschaft, das Denken oder Anschauen derselben die höchste und allein untrügliche Erkenntniß"; die Erscheinungen der „Sinnenwelt" hingegen waren ihm der „In81
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Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 328. - Eine jüngere und differenzierte Darstellung findet sich bei H. Heimsoeth, Piaton und Kants Werdegang, in: Studien zu Kants philosophischer Entwicklung, hrsg. von H. Heimsoeth, D. Henrich, Hildesheim 1967, 124-143. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 329. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 329, 330. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 330. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 331 -332.
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begriff von Schein". Wie schon für Kant-Anhänger vor Suabedissen, war also auch für ihn das Übel an Piaton seine Schwärmerei. 87 Dementsprechend sah er es als Verdienst Kants, das „Verirren in übersinnliche Regionen" und „Verwechseln der Phantasie mit der Vernunft und ihres Gebildes mit der Erkenntniß, als das was es ist, als Selbsttäuschung" erkannt zu haben, wodurch „hoffentlich auf immer" ein „Rückfall" in die Zeiten der „Selbsttäuschung" verhindert werde 88 - und somit auch der identifizierende Vergleich der Theorien Piatons und Kants aufhört. Suabedissen war gewiß nicht der einzige, der in der „Periode der Transscendentalphilosophie" nach einer „historischen" Betrachtungsweise der Platonischen Philosophie bei solchen Überlegungen endete. An seinem Beispiel läßt sich aber auch etwas anderes gut verdeutlichen: Da er das Verständnis von ,Idee' zur Unterscheidung der Theorien Piatons und Kants nutzte, lieferte er im weitesten Sinn auch einen Beitrag zum Thema .Idealismus'. Dieser war für ihn - unter der Prämisse des „Vorzugs des Criticismus vor dem Piatonismus" 89 nur in der Nachfolge des ersteren sinnvoll und konnte mit dem ,Piatonismus' lediglich scheinbare Ähnlichkeit aufweisen. Damit ist ein Übergang zur philosophischen Debatte von .Idealismus' in Suabedissens Zeit gegeben und der historischen Betrachtungsweise dessen, was Autoren des 18. Jahrhunderts unter der Platonischen Idee verstanden hatten, ein Schlußpunkt gesetzt.
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Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 332. Zu Kants Verständnis der sogenannten .Schwärmerei' Piatons vgl. R. Bubner, Piaton der Vater aller Schwärmerei. Zu Kants Aufsatz „Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie", in: ders., Antike Themen und ihre moderne Verwandlung, Frankfurt a. M. 1992, 80-93. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 334. Suabedissen, Resultate der philosophischen Forschungen, 334.
MICHAEL FRANZ
Der Neupiatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
In diesem Beitrag möchte ich drei Stationen auf dem Weg der Rezeptionsgeschichte des Neuplatonismus in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts etwas näher betrachten. Und zwar zunächst die Auffassung des Piatonismus, die Jacob Brucker gegen Ende der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts etabliert hat, sodann das, was der Göttinger Philosophiehistoriker Christoph Meiners zur Kritik des Neuplatonismus beigetragen hat, und am Schluß die erste, fast noch heimlich positive Darstellung des Neuplatonismus bei Georg Gustav Fülleborn 1793.
I. Johann Jacob Brucker Über Brucker muß hier gesprochen werden, weil seine ,kritische' Darstellung der Philosophiegeschichte1 für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in ganz Europa die maßgebliche gewesen ist, nicht zuletzt dadurch, daß die einschlägigen philosophiehistorischen Artikel der Diderot'schen Encyclopddie sich ganz und gar der Brucker'schen Darstellung bedienten. Insbesondere in der Behandlung der antiken Philosophie sind selbst die beiden Philosophiegeschichten von Dieterich Tiedemann und Wilhelm Gottlieb Tennemann, die im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts veröffentlicht wurden, noch ganz von Brucker abhängig.3 Das gilt insbesondere auch für die Darstellung der Platonischen Philosophie. Was Piaton und den späteren Piatonismus betrifft, so hatte Brucker einen Forschungsstand etabliert und organisiert, der bis zur triumphalen Erhebung des romantischen Piaton durch Friedrich Schleiermacher kanonisch geblieben war. Brucker lehrte, auf definitive Weise zu unterscheiden zwischen der Platonischen Philosophie und der Philosophie, die in Alexandria in nachchristlicher 1
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Vgl. J. J. Brucker, Historia critica philosophiae a mundi incunabilis ad nostram usque aetatem deducta, Bd. I-IV.2, Leipzig 1742-1744; 2. erweiterte Auflage: Bd. I-IV, VI, Leipzig 1766-1767. Vgl. R. Jehl, Jacob Brucker und die .Encyclopedie', in: Jacob Brucker (1696-1770). Philosoph und Historiker der europäischen Aufklärung, hrsg. von W. Schmidt-Biggemann, Th. Stammen, Berlin 1998, 234-256. Vgl. D. Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, 6 Bde., Marburg 1791-1797; W. G. Tennemann, Geschichte der Philosophie, 11 Bde., Leipzig 1798-1819.
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Michael Franz
Zeit entstanden ist. Die letztere nennt er hauptsächlich die Philosophie der „eklektischen Sekte", aber auch die der .jüngeren" oder „neueren" Platoniker (Platonici iuniores vel recentiores). 4 Der ,neuere Piatonismus' wird zwar als Abfall vom originären Piatonismus gebrandmarkt, aber das heißt nur, daß er auf andere Art und Weise falsch ist als der originäre Piatonismus. Die doktrinäre Unterscheidung zwischen beiden Philosophien legt Brucker dahingehend fest, daß der authentische Piatonismus als .dualistisches System', der Neuplatonismus hingegen als ,Emanationssystem' aufzufassen sei. Mit anderen Worten: Nach Piaton und seinen Nachfolgern hat der Demiurg die Welt aus einem Stoff verfertigt, während die Neuplatoniker die Materie als letztendlichen ,Ausfluß' des göttlichen Wesens verstehen. Während im ursprünglichen Piatonismus eine Art ,Zwei-Welten-Theorie' herrscht, ist der Neuplatonismus durch einen rigiden Monismus gekennzeichnet. Diesen Monismus sieht Brucker jedoch stets als Vorläufermodell für das in seinen Augen atheistische System des Spinoza. Zwar kann Brucker den harten Dualismus des Piatonismus, so wie er selbst ihn darstellt, auch nicht für wahr halten; doch dieser ,Irrtum' erscheint ihm verzeihlicher als der entgegengesetzte der Neuplatoniker. Man muß nun freilich sagen, daß Brucker diese Urteile nicht nur en passant fällte, sondern sie durch eine ausfuhrliche systematische Darstellung der Platonischen Philosophie einerseits, des Neuplatonismus (unter dem Namen der „secta eclectica") andererseits begründete. Diese systematische Darstellungsweise ist keineswegs bloß habitueller Stil des Schulmeisters Brucker, sondern sie wird von ihm reflektiert als Absetzung gegen die anekdotische, narrative und polemische Darstellungsweise der älteren Philosophiegeschichten (etwa von Georg Horn oder Thomas Stanley 5 ); sie wird allerdings durchexerziert in einer Weise, die Brucker später das Mißverständnis (Georg Wilhelm Friedrich Hegels) eintrug, er wolle die Philosophiegeschichte nach Wolffschen Distinktionen aufbereiten; 6 und sie wird nicht zuletzt konfirmiert durch das bekannte, autoritative
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Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. II, 189-462. Vgl. G. Horn, Historiae philosophicae libri Septem, quibus de origine, successione, sectis et vita philosophorum ab orbe condito ad nostram aetatem agitur, Leiden 1655; Th. Stanley, The History of Philosophy, Containing the Lives, Opinions, Actions and Discourses of the Philosophers of Every Sect, 4 Bde., London 1655-1662; dazu vgl. L. Malusa, The First General Histories of Philosophy in England and the Low Countries, in: Models of the History of Philosophy, ed. by G. Santinello, Dordrecht, Boston, London 1993, Bd. 1, 161-370. Vgl. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Erster Band, in: ders., Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, hrsg. von H. Glockner, Stuttgart 3 1959, Bd. 17, 73; dazu vgl. M. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, Göttingen 1996, 64, Anm. 61.
Der Neuplatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten
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Votum Leibnizens, man müsse die Philosophie Piatons einmal als System darstellen. 7 Nun hat sich freilich diese Aufgabe einer systematischen Darstellung für den Neuplatonismus insofern noch komplizierter ausgestaltet, als Brucker ein überkommenes Schema zur Darstellung der Philosophiegeschichte (die Einteilung in verschiedene, aufeinanderfolgende ,Sekten') verknüpfte mit einem doppelten Kategorienpaar zur Bewertung verschiedener Philosophietypen. Schon vor Brucker - das muß gegenüber einer Hegeischen Behauptung 8 betont werden, die noch im Historischen Wörterbuch der Philosophie ungeprüft übernommen worden ist9 - war die kryptische Bemerkung im Prooemium des Diogenes Laertius, „kürzlich" sei nun auch noch eine Sekte aufgetreten, die sich „eklektisch" nenne, 10 auf den Neuplatonismus bezogen worden." Und ebenso lange vor Brucker hatte sich die Bewertung der philosophischen Systeme nach dem Gesichtspunkt etabliert, ob sie nach den Horazischen Worten auf die „Worte Eines Meisters schwören" oder sich der Maxime des Apostels Paulus („Prüfet alles, das Beste aber behaltet") anschließen. 12 So unterschied man schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zwischen dem Philosophietyp einer ,philosophia sectaria' und dem einer ,philosophia eclectica'. Dabei wurde fast allgemein dem Typ der .eklektischen Philosophie' der Vorzug gegeben, gegen Ende des 17. Jahrhunderts war .eklektische Philosophie' geradezu zu einem Modetitel geworden, den man sich (siehe Thomasius und seine Schüler) gern anheftete. 13 Zugleich war der .Eklektizismus' auch noch von einer anderen Seite her zum positiven Merkmal erwählt worden. Dem - positiv bewerteten - Eklektizismus wurde nun präzisierend das negative Etikett .synkretistische Philosophie' entgegengestellt. Während die eklektische Philosophie mit Sinn und Verstand das Beste
7
Vgl. G. W. Leibniz, Brief an N. Remond , in: ders., Die philosophischen Schriften, von C. J. Gerhardt, Berlin 1887, Nachdr. Hildesheim 1978, Bd. III, 637.
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Vgl. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. che Werke, Bd. 19, 34. Vgl. W. Nieke, Eklektizismus, in: Historisches Wörterbuch hrsg. von J. Ritter, Basel 1971, 433, Anm. 2.
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hrsg.
Dritter Band, in: Sämtlider Philosophie,
Bd. 1,
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Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, lib. I, par. 21. So etwa von den Kommentatoren der Spätrenaissance, Isaac Casaubon und Aegidius Menage, in ihren jeweiligen Editionen; dazu vgl. M. Albrecht, Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, StuttgartBad Cannstatt 1994, 75 und 140.
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Horatius, Epistulae I, 14; Paulus, Epistula ad Thessalonicenses I, 5,21; vgl. dazu insgesamt Albrecht, Eklektik.
13
Vgl. ζ. B. die Elementa philosophiae Instrumentalis seu institutionum philosophiae eclecticae, Halle 1703, des Thomasius-Schülers Johann Franz Budde, dazu M. Wundt, Die Philosophie an der Universität Jena in ihrem geschichtlichen Verlaufe dargestellt, Jena 1932, 65-71.
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aus allen philosophischen Entwürfen wählt, vermengt die synkretistische Philosophie wähl- und kriterienlos die widersprechendsten Ansätze. Der Ausdruck ,synkretistisch' leitete sich her aus gewissen innerprotestantischen Kontroversen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und hatte von daher auch noch seinen anathematischen Charakter behalten. 14 Auch die Verquickung des systematischen, philosophietypischen ,Eklektik'-Begriffs (samt seinem negativen Widerpart .Synkretismus') mit der historischen Darstellung des als Laertianische .eklektische Sekte' identifizierten Neuplatonismus war schon vor Brucker in der Abhandlung des Leipziger Philosophiehistorikers Gottfried Olearius vollzogen worden. 15 Bruckers Verhängnis war eben, daß er sich von diesen vorgegebenen Schemata nicht trennen konnte. Denn bei ihm wird nun die Widersprüchlichkeit dieser Kombination systematischer mit historischen Kategorien ganz offenkundig: die eklektische Sekte' genannte Philosophierichtung, d. h. der Neuplatonismus, zeichnet sich bei Brucker dadurch aus, daß sie gerade nicht eklektisch ist, sondern synkretistisch. Diese Verstrickung der Bruckerschen Darstellung des Neuplatonismus in ein Bewertungsschema, das aus der widersprüchlichen Kombination zweier Kategorientypen fabriziert worden ist, ist m. E. wohl der Grund dafür, daß seine Darstellung der neuplatonischen Philosophie immer unattraktiver wurde in einem Zeitalter, das zunehmend irenischer wurde und den konfessionellen Kontroversen immer weniger Interesse entgegenbringen konnte. Das ,Konziliatorische', welches nach Brucker den schlechten Kern des Synkretismus ausmachte, war in der Zwischenzeit zu einem zentralen Bedürfnis der Intellektuellen geworden. Weitaus zugänglicher ist Bruckers Kapitel über Piaton und seine Lehre. 16 Brucker ist einer der ersten, der die Dialoge als Hauptquellen für die Lehre Piatons anerkennt. 17 Aber: Die Dialoge werfen hermeneutische Probleme auf, die
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Grob gefaßt, war .Synkretismus' der lutherische Ketzername für Theologen mit reformierten oder calvinistischen, letztlich: rationalistischeren, Tendenzen, die gegen Ende des 16. Jahrhunderts an den hauptsächlichen lutherischen Universitäten in Wittenberg, Leipzig und Helmstedt bekämpft wurden. Vgl. G. Olearius, Dephilosophia eclectica, in: Th. Stanley, Historia philosophiae. Vitas opiniones, resque gestas et dicta philosophorum sectae autore Thoma Stanleio, ex Anglico sermone in Latinum translata, emendata, et variis dissertationibus atque observationibus passim aucta accessit vita autoris, ed. G. Olearius, Leipzig 1711, Bd. 2, 12051222. Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. I, 627-728. Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. I, 669: „ad ipsum Platonem ejusque dialogos respiciemus, et quantum licet, ejus verba et ratiocinia ita expendemus, ut nexum potissimum systematis secundum fidei historiae et artis rationalis leges eruamus" („auf Piaton selbst und seine Dialoge nehmen wir Rücksicht, und, soweit es möglich ist, werden wir seine Worte und Argumente so abwägen, daß wir den hauptsächlichsten Zusammenhang des Systems gemäß den Gesetzen der historischen Glaubwürdigkeit und
Der Neuplatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten
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nicht einfach zu lösen sind. Um sie lösen zu können, wäre gewissermaßen ein Kanon im Kanon nötig, oder, falls eben alle Dialoge von dem Bazillus der Ironie und indirekten Rede kontaminiert sein sollten, ein äußeres Korpus von Kriterien liefernden Texten. Und diese Texte, welche die Lehrmeinungen Piatons aufzufinden und zu ordnen erlauben, sind erstaunlicherweise: die Handbücher des Mittelpiatonismus, Apuleius und Alcinous sowie Ciceros Academical Dabei gilt ihm Cicero als unmittelbarer Zeuge für die „Piatonis decreta, qualia in Academia docebantur", welche allerdings für Cicero bekanntlich in der Hauptsache skeptische Lehren waren. „Von allen am besten" aber hat nach Brucker das Lehrbuch (der Didascalicus) des Alcinous „auf die Ordnung und den Zusammenhang der Platonischen Philosophie geachtet". Und deshalb wird dieses Lehrbuch, so fährt Brucker fort, „uns Führer sein auf dem Weg, durch welchen wir die Lehren des Piaton selbst, der in seinen Schriften keiner Ordnung seiner Philosophie, keinem System gefolgt ist, sondern alles mit Grund in Dialogen zerstreut erzählt hat, aus seinen Gesprächen eruieren werden". Um es deutlich hervorzuheben: Zwar ist der Primärtext ausschließlich das Corpus der Platonischen Dialoge. Diese Dialoge aber werden ausgelegt auf dem Hintergrund der systematischen Darstellung der Platonischen Lehre durch das Lehrbuch des Alcinous (und die kleine Schrift des Apuleius De Piatone et eius dogmate). Tatsächlich greift Brucker dann bei der Darstellung der drei Teile des Platonischen Systems (Dialectica, Physica und Ethica) immer wieder auf seine
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der Logik herausfinden werden"). Vgl. ζ. B. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. I, 669: „Respiciemus tarnen ad eos quoque ex veteribus, qui detestabili syncretismi peste non tantopere, ut Plotini schola, infecti, aliquanto purius Piatonis dogmata enarravisse censendi sunt. Inter quos sine controversia Ciceroni primus locus debetur, qui in Academicis quaestionibus eleganti compendio Piatonis decreta, qualia in Academia docebantur, purissimi sermonis genere enarravit. Huic merito addimus Apuleium atque Alcinoum, qui, ut omnium optime ad ordinem nexumque philosophiae Platonicae attendit, ita dux erit nobis in itinere, quo ipsius Piatonis, nullum philosophiae suae ordinem, systema nullum in scriptis suis sequentis, sed cuncta in dialogis dispersa ratione enarrantis, doctrinas ex ejus colloquiis eruemus" („Wir werden dennoch auch diejenigen unter den Alten berücksichtigen, die, von der verachtenswerten Pest des Synkretismus nicht solcherart, wie die Schule des Plotin, befallen, nach unserer Ansicht die Lehre des Piaton bedeutend reiner überliefert haben. Unter denen gebührt unstreitig der erste Platz Cicero, der in den Akademischen Untersuchungen, einem eleganten Kompendium, die Lehrsätze des Piaton, wie sie in der Akademie gelehrt wurden, in reinster Art der Rede dargestellt hat. Dem fügen wir verdientermaßen hinzu den Apuleius und den Alcinous, der, insofern er von allen am besten auf die Ordnung und den Zusammenhang der Platonischen Philosophie geachtet hat, uns Führer sein wird auf dem Wege, durch welchen wir die Lehren des Piaton selbst, der in seinen Schriften keiner Ordnung seiner Philosophie, keinem System gefolgt ist, sondern alles mit Grund in Dialogen zerstreut erzählt hat, aus seinen Gesprächen eruieren werden").
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mittelplatonischen Gewährsleute zurück: in der Dialectica 19 ebenso wie in der theoretischen Philosophie 20 und in der Ethica, wobei er an der letzteren Stelle noch einmal mit fast denselben Worten wie zu Beginn der doktrinalen Darstellung die hermeneutische Funktion von Apuleius, Alcinous und Cicero als Systematisierungshelfern hervorhebt. 21 Schaut man im übrigen an den Stellen des Bruckerschen Gesamtwerks einmal nach, an denen die Philosophi Platonici der hellenistisch-frühkaiserzeitlichen Periode dargestellt werden, so fällt auf, daß hier in der bekannten Reihe der heute ,Mittelplatoniker' genannten Philosophen natürlich auch für Alcinous ein Platz ist,22 in dem aber über dessen Lehren nicht das Geringste gesagt wird - verständlich, nachdem das Lehrbuch des Alcinous schon für die Lehre Piatons gewissermaßen .aufgebraucht' worden war. Der Umstand, daß es sich bei dem Platon-Bild Bruckers um ein mittelplatonisch retouchiertes handelt, ist insofern bemerkenswert, als sich durch die Forschungen von Jens Halfwassen 23 gezeigt hat, daß es gerade mittelplatonische Gedanken gewesen sind, die spätestens auf den Frankfurter Hegel einen ziemlich entscheidenden Einfluß gehabt haben und ihn am Ende dieser Epoche die charakteristischen Leitlinien für sein erstes System finden ließen. Nun will ich durch diesen Hinweis keineswegs suggerieren, Brucker sei ebenfalls unter die Quellen für Hegels mittelplatonisch gefärbte Erste Philosophie zu rechnen. Die abschätzige Meinung bezüglich Bruckers, die Hegel noch in den späteren Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie zur Schau stellt, 24 ist sicher schon beim Studenten und jungen Hauslehrer vorhanden gewesen. Und dennoch war durch die Darstellung Bruckers, die den Neuplatonismus scharf von allen vorangegangenen Auffassungen des Piatonismus sonderte und die altehrwürdige (wenngleich fehlgeleitete) Lehre Piatons auch noch in den mittelplatonischen Systematisierungen zu finden erlaubte, insofern eine Vorbereitung geschaffen für die Akzeptanz auch solcher Philosopheme, wie sie Hegel in den Platoniker-Exzerpten des Eusebius entgegentraten.
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24
Vgl. Brucker, Historia criticaphilosophiae, Bd. Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, Bd. Vgl. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels tung, Bonn 1999. Vgl. Anm. 5 und 7.
I, 672. I, 677. I, 720. II, 165-166. Neuplatonismus. Untersuchungen zur spekulativer und geschichtlicher Deu-
Der Neuplatonismus in den philosophiehistorischen Arbeiten
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II. Christoph Meiners Hegel und Friedrich Hölderlin haben, wie wir wissen, im Wintersemester 1789/90 eine Vorlesung des Tübinger Historikers Christian Friedrich Rößler über die Geschichte der Philosophie gehört. 25 Nach allem, was aus Rößlers vielen, vor allem kirchenhistorischen Arbeiten hervorgeht, hat er sich in Fragen der Philosophiegeschichte an seinen erklärten Lehrmeister Christoph Meiners in Göttingen gehalten. Das wird bestätigt durch die amtliche Mitteilung, daß er in seinen philosophiehistorischen Vorlesungen stets das einschlägige Lehrbuch von Meiners zugrunde gelegt habe. 26 Das Meinerssche Compendium trug den Titel Grundriß der Geschichte der Weltweisheit,27 Kurz zusammengefaßt, behandelt es unter anderem auch das, was Meiners in einer recht detaillierten Untersuchung dargelegt hatte, die in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zu den meistzitierten Abhandlungen in Sachen Neuplatonismus gehörte: Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt, in einigen Betrachtungen über die Neu-Platonische Philosophie (1782). Ich werde hauptsächlich aus dieser Abhandlung zitieren, weil sie die neuplatonischen Fragen ausfuhrlicher behandelt; zudem ist es sehr wahrscheinlich, daß diese Abhandlung von Meiners auch unter den Tübinger Stiftlern damals Standard-Lektüre war, was sich zumindest für Schelling belegen läßt. 28 Spuren ihrer Lektüre glaube ich auch bei Hegel finden zu können. Meiners nimmt die strenge Trennung zwischen einerseits Piaton samt seinen .Nachfolgern' bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert und andererseits den Neuplatonikern des 3., 4. und 5. Jahrhunderts, die Trennung also, für die Brucker gesorgt hatte, durchaus auf. Allerdings ist er Piaton gegenüber noch wesentlich unfreundlicher als Brucker; und insofern rücken die Neuplatoniker und Piaton bei ihm wieder etwas enger aneinander. Was die Neuplatoniker an „Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten" haben, betrifft nicht die „Lehren 25
Vgl. den Auszug aus den Vorlesungsverzeichnissen der Universität Tübingen, den Friedhelm Nicolin veröffentlicht hat: Briefe von und an Hegel, Bd. IV, Tl. 1: Dokumente und Materialien zur Biographie, hrsg. von F. Nicolin, Hamburg 1977, 24: „Wintersemester 1789/90: Christianus Friedericus Roesler ...privatim fata et opiniones praecipuorum Philosophorum enarrabit." - Über Rößler vgl. M. Franz, Patristische Philosophie in Tübingen um 1790. C. F. Rößler und seine Bewertung des Neuplatonismus, in: Das antike Denken in der Philosophie Schellings, hrsg. von J. Jantzen, Stuttgart-Bad Cannstatt (im Druck).
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Vgl. I. C. Diez, Briefwechsel und Kantische Schriften. Wissensbegründung in der Glaubenskrise Tübingen - Jena (1790-1792), hrsg. von D. Henrich unter Mitwirkung von J. Weyenschops, Stuttgart 1997, 396, Anm. 71. Vgl. C. Meiners, Grundriß der Geschichte der Weltweisheit, Lemgo 1776, 2. Aufl. Lemgo 1789. Dazu vgl. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, 127-128.
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vom höchsten Gott, und der Materie, von der Welt, und Weltseele und deren Schöpfung", sagt Meiners, sondern ist in der Theurgie zu suchen, also in ihren „Träumen über die verschiedenen Rangordnungen der Götter und Dämonen". 29 Die Unterschiede, die es zwischen Piaton und den Neuplatonikern gibt, beziehen sich zwar auch auf die Theologie und Metaphysik, aber auf diesem Gebiet sind die neuplatonischen Abweichungen gegenüber Piaton „von geringer Bedeutung". 30 Die theologischen Lehrmeinungen der Neuplatoniker faßt Meiners dann so zusammen: „Ueber die höchste Gottheit dachten sie [seil, die Neu-Platoniker] eben so, wie Plato, und dessen Nachfolger; nur redeten sie von ihr noch dunkler, als Plutarch, und andere ihrer Vorgänger gethan hatten, und bezeichneten sie mit einer Menge von neuen gröstentheils unverständlichen Ausdrücken. Sie nannten sie das Wirklichwirkliche, das Ueberwesentliche und Ueberverständliche, das über alle Wesen, und allen Verstand Erhabene, den Gott aller Götter, das Heilige im Heiligen, die Quelle der Göttlichkeit, die Wurzel alles dessen, was ist, die Einheit aller Einheiten, die geheimer und unnennbarer, als alles Stillschweigen, unaussprechlicher, als alles Daseyn, und unter den verständlichen Göttern in unzugänglichen Höhen verborgen sey." 31 Als Quellen fur dieses theologische Potpourri gibt Meiners in der Fußnote an: Plotinus, Enneaden III 8, 9; Proclus, Theologia Platonica (sechs Stellen aus der 1618er Ausgabe von Aemilius Portus); und aus den Sententiae ad intelligibilia ducentes des Porphyrius die Kapitel X und XXVII. Das ist in der Tat ein kleines Compendium theologicum des Neuplatonismus, was Meiners hier zusammenstellt. In der Folge geht er auf die .Schöpfungstheologie' ein, die er so referiert: „Diese ursprüngliche Einheit habe ... alles Mögliche und Wirkliche, alles Sichtbare und Unsichtbare in verschiedenen Absäzen, oder Ergießungen oder Ausblizungen auf eine unbegreifliche Art aus sich selbst erzeugt. Aus der Gottheit seyen nämlich die geistigen oder gedenkbaren (νοητοί) Götter, aus den geistigen die verständlichen (νοεροί) (welche beyde sie nie genau bestimmt und unterschieden haben,) aus den verständlichen Göttern die Seelen, und aus den Seelen endlich die Körper hervorgegangen." 32 Für dieses vielfach gestufte System von Emanationen gibt Meiners dann ausschließlich Proclus-Stellen an und merkt in einer Fußnote an, daß es „von Plotin ungewiß [sei], ob er eine Schöpfung aus keinem vorhandenen Stoffe ge-
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C. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt, in einigen Betrachtungen über die Neu-Platonische Philosophie, Leipzig 1782, 52. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 53. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 53. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 54.
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glaubt habe"; insofern sei er Piaton näher geblieben als die späteren Neupiatoniker. 33 Seinen Hauptkritikpunkt an der Lehre der „falschen Platoniker" des 3. und 4. Jahrhunderts faßt Meiners so zusammen: „Ein jeder machte neue Entdeckungen in der Geisterwelt, und erweiterte das System von Vielgötterey, was seine Väter, und Lehrer ihm überliefert hatten." 34 Im einzelnen lauten die Urteile: „Plotin war der erste ... der die Götter in überweltliche, bloß gedenkbare, in der höchsten Gottheit ruhende, und in Weltbewohnende Götter, oder solche, die innerhalb der Welt seyen, eintheilte ... Seine beyden Schüler, Amelius und Porphyr, machten kühne Fortgänge auf der Bahn, die er ihnen geöffnet hatte. Sie behielten zwar seine Eintheilung in Ueberweltliche, und Weltbewohnende Götter bey; allein jener vervielfältigte die erstem, und redete nicht nur von drey Demiurgen, sondern auch von drey göttlichen Verständern [sie], und eben so vielen Königen, dieser hingegen vermehrte die Zahl der leztern, und theilte sie, als eine große Gattung, in mehrere Arten, nämlich in himmlische, irrdische, unterirrdische, endlich in Luft- und Wassergötter ab. Sein Nachfolger Jamblich war erfindungsreicher an Götternamen, als alle seine Vorgänger gewesen waren. Er redete von drey Triaden, gedenkbarer, und von vielen Dreyheiten und einer Siebenheit verständlicher Götter." 35 Es ist wohl diese ,wundersame Vermehrung' des Götterpersonals, die nach Meiners für die nachplotinische Philosophie typisch ist. Die Verachtung, die Meiners gegenüber solcher Götter-Inflation verspürt, läßt ihn bisweilen zu drastischen Formulierungen greifen: „Über die Wirkungen der bösen Dämonen hat keine vor abergläubischem Schrecken verrückte alte Frau je ärger geraset, als dieser sich selbst so ungleiche, und alle übrigen Platoniker an Gelehrsamkeit sehr weit übertreffende Weltweise [seil. Porphyrius]." 36 Der Spott des aufgeklärten Göttingers machte sogleich Schule. Und zu den Anhängern der neuen Einsichten über den neuplatonistischen Aberglauben gehörte nicht nur der Tübinger Historiker Rößler, sondern auch der Stuttgarter Altphilologe Friedrich Ferdinand Drück, Professor an der Karlsschule. Er hielt am Geburtstag des Herzogs im Jahr 1786 eine vielbeachtete Rede mit dem Titel Ueber die Aehnlichkeit der Verirrungen des menschlichen Verstandes in zwey verschiedenen Zeitaltern. Gemeint sind die Verstandesverirrungen zu den Zeiten des spätantiken Neuplatonismus und diejenigen des gegenwärtigen späten acht-
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Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 55, Anm. *. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 60. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 61 -63. Meiners, Beytrag zur Geschichte der Denkart der ersten Jahrhunderte, 77-78. - Der Topos der .abergläubischen alten Frau' ist freilich schon in der Antike klassisch: Vgl. Cicero, De divinatione lib. 2, par. 129, und Ammianus Marcellinus, Rerum gestarum libri qui supersunt, lib. 21, cap. 16, par. 18.
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zehnten Jahrhunderts. Drücks These nimmt den schon von Meiners angedeuteten Vergleich auf und baut ihn aus: „Der alles wegwerfende Unglaube und der alles annehmende Aberglaube unserer Zeit haben ihr ähnlichstes Gegenbild, jener in dem epikureischen, dieser in dem neuplatonischen Systeme, in welche beiden Systeme die Denker und Nachdenker des vierten Jahrhunderts sich gleichsam getheilt hatten. Indem der Epikuräer über die Gottheit wenigstens zweifelhaft lächelte, wenn er auch nicht, ganz sie zu läugnen, den Muth hatte: so ließ der Neuplatoniste Tausende von Göttern gebohren werden."37 Hegel hat, da können wir gewiß sein, diese Rede Drücks nicht gehört, weil er, wie er in seinem Tagebuch notiert, an diesem Tag im Gymnasium der Geburtstagsrede des Professors Schmidlin beiwohnte. Drücks Rede hatte aber, wie gesagt, nachhaltige Anerkennung gefunden, selbst noch in dem erstmals um Gerechtigkeit für den Neuplatonismus bemühten Beitrag von Georg Gustav Fülleborn;38 im gleichen Jahr notiert der junge Schelling sich den Titel der Rede Drücks unter den wichtigsten Literaturangaben zu seinem Projekt „Geschichte des Gnosticismus", nach Ralph Cudworth, Brucker und anderen einschlägigen Titeln, unter denen sich auch Meiners' berühmte Abhandlung befindet.39 Es ist also sehr wahrscheinlich, daß Hegel nicht nur die Abhandlung von Meiners, sondern auch die Rede Drücks gekannt hat; seine Kritik liegt jedenfalls ganz auf der Linie Drücks. Insbesondere die Hegeische Sottise, die Neuplatoniker hätten es darauf gelegt, von ihren frommen Investitionen ins Jenseits dann auch wieder „durch Zaubereien einen Theil davon als Geschenk zurückzuerhalten",40 ähnelt der ironischen Bemerkung Drücks: „Ein Jamblich, ein Maximus, ein Apollonius, ein Alexander waren Leute, denen Götter und Geister noch gute Worte geben mußten."41 Dennoch lassen sich die Positionen von Meiners und Drück auch wieder etwas auseinanderrücken. Denn nach allem, was wir ansonsten von Meiners' philosophischem Ansatzpunkt wissen, läßt sich sein Kritikpunkt klar erkennen als Ausdruck der empiristischen Methode, mit Hilfe von Occams Rasiermesser 37
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F. F. Drück, Rede über die Aehnlichkeit der Verirrungen des menschlichen Verstandes in zwey verschiedenen Zeitaltern. An dem neun und fünfzigsten Geburtstage des Regierenden Herrn Herzogs zu Wirtemberg Durchlaucht in der Hohen Carlsschule gehalten von Friedrich Ferdinand Drück, Professor der Geschichte, Stuttgart 1786, 12. Vgl. G. G. Fülleborn, Neuplatonische Philosophie, in: ders., Beyträge zur Geschichte der Philosophie, Drittes Stück, Züllichau, Freystadt 1793, 70-85, bes. 81. Vgl. F. W. J. Schelling, Studienheft 28, in: ders., Berliner Teilnachlaß. Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Berlin, LXXXX verso. G. W. F. Hegel, Unterschied zwischen Griechischer Phantasie- und christlicher positiver Religion, in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, hrsg. von F. Nicolin, G. Schüler, Hamburg 1989, 372. Drück, Rede über die Aehnlichkeit der Verirrungen des menschlichen Verstandes, 13.
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Piatons Bart zu stutzen. Beim Stuttgarter Drück stehen vielleicht eher religiöstheologische Motive dahinter. Zumindest läßt sich sein Spott über die Theurgen, denen „Götter und Geister noch gute Worte geben mußten", auch als antipelagianische Spitze verstehen, die gut in das Milieu des orthodox-lutherischen Stuttgart passen würde.
III. Georg Gustav Fülleborn Die erste Arbeit, die vorsichtig am Neuplatonismus gute Seiten entdecken will, stammt aus der Feder des allzu früh verstorbenen Georg Gustav Fülleborn. In seine Beyträge zur Geschichte der Philosophie, eine Zeitschrift, in der ansonsten auch Karl Leonhard Reinhold, Friedrich Immanuel Niethammer, Friedrich Karl Forberg, Friedrich August Carus und später Christian Garve mitgearbeitet haben, hat er 1793 einen Aufsatz eingerückt mit dem schlichten Titel „Neuplatonische Philosophie". Er beginnt mit einer gewissermaßen pflichtgemäßen Zusammenfassung aller negativen Stereotypen, die über den Neuplatonismus im Umlauf sind. .Schwärmerei' ist dabei noch das mindeste, was den Neuplatonikern vorzuwerfen ist. Freilich ist „die Neigung zu schwärmen" nach Fülleborn so etwas wie der „schwarze Punct", den „zwar nicht alle, aber doch die meisten Menschen ... in ihrem Kopfe mit sich herumtragen".42 Aus diesem Grund, so gesteht der Autor, sei er oft „dem Unsinne und den Abentheuerlichkeiten dieser Träumer beynah untergelegen".43 Nach diesen Erfahrungen sieht sich der Autor nun in der Lage, „einen neuplatonischen Traum nieder[zu]schreiben".44 Hier wird nun etwas angewandt, was man Einfühlungsvermögen, Empathie, nennen könnte. Und so ist es erstaunlich, wie Fülleborn sich in dem folgenden Textabschnitt tatsächlich der ersten Person bedient, um den ersonnenen Traum zu schildern. „Mein Geist erhebt sich zuerst zu dem Wesen, das über alle Wesen ist, zum Urheber alles Seyns. Zwar will mein Denken vor diesem Unendlichen zu Grunde gehen, aber ich wag es doch in seine Tiefen zu schauen. Da seh ich dann, wie mit verklärtem Auge, den Inbegriff alles Wirklichen und Möglichen, aus welchem das göttliche Verstandeswesen und die Seele der Gottheit entspringt: eine heilige Dreyheit, die sich in dem Mittelpuncte einer unendlichen Lichtquelle vereint. Er der Unendliche, der immer war, machte sein eignes Wesen, und ließ es ausgehen aus sich, denn er bedurfte es nicht für sich, weil er war, ehe das Wesen wurde. Aus sich, durch sich und in sich, ewig und allgenugsam: aus ihm,
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Fülleborn, Neuplatonische Philosophie, 72. Fülleborn, Neuplatonische Philosophie, 73. Füllebom, Neuplatonische Philosophie, 73.
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durch ihn und von ihm alles was ist, wie die Lichtstrahlen von der Sonne. Es ist nichts geworden, was ist, es ist ausgegangen aus dem Ewigen von Ewigkeit. Als er das Untheilbare mit dem Theilbaren, das Unwandelbare mit dem Veränderlichen harmonisch vereinigte, da flöß der Weltgeist aus ihm, und wurde der Führer des All, mit dem das unaufhörliche Leben begann." 45 In dieser Art fährt die Beschreibung der Emanationen aus dem Göttlichen fort, über sieben Oktavseiten lang in fast liturgisch anmutenden Worten. Für unsere Zwecke hier genügt der zitierte Abschnitt. Ich finde daran in der Hauptsache bemerkenswert die Einkleidung der neuplatonischen Ontotheologie in ein subjektives Erlebnis bzw. in einen Prozeß von Subjektivität. Das ist neu in der Darstellung des Neuplatonismus. Aber wie ist es zu interpretieren? Zunächst einmal scheint mir diese neue Darstellungsweise eine direkte Identifikation des Lesers mit dem geschilderten Erlebnis zu ermöglichen. Die neuplatonische Lehre wird als Perspektive präsentiert, die von jedem Leser (oder fast jedem) eingenommen werden kann. Dadurch wird sie aus dem unübersichtlichen und - in den Augen des 18. Jahrhunderts - absurden Durcheinander der synkretistischen Religion der Spätantike befreit zu einer nachvollziehbaren Gedankenbewegung. Insofern eröffnet diese .Subjektivierung' der neuplatonischen Lehre einen neuen Zugang auch zu ihren Inhalten. Darüber hinaus halte ich es für nicht ganz ausgeschlossen, daß diese ,subjektivierte' Aufbereitung der neuplatonischen Theologumena nicht nur didaktisch-darstellende Funktion hat, sondern sich auch aus einer - nirgendwo ausgesprochenen, aber überall angebahnten - Einsicht in die Tatsache verdanken könnte, daß auch die νοΰς-Lehre des Plotin sich verstehen läßt als ,Theorie des Geistes' im Sinne einer absoluten Metaphysik der Subjektivität. Freilich fehlen mir für eine solche immerhin schwerwiegende Einsicht bei Fülleborn die deutlichen Belege. Vielleicht lassen sie sich noch außerhalb des hier einzig herangezogenen Aufsatzes finden; immerhin hat Fülleborn ein paar Jahre später noch einen langen Aufsatz „Ueber einige seltne Schriften des Jordano Bruno" 46 geschrieben, der sichtlich anknüpfen möchte an das durch Friedrich Heinrich Jacobi erweckte Interesse an diesem neuzeitlichen Platoniker. Dennoch ist hier kaum mehr als ein unverhohlenes Interesse an einem Kuriosum zu spüren. Zurück zu Fülleborns neuplatonischem Traum! In gewisser Weise ist die ,subjektivierte' Darstellungsform natürlich direkt dem Sprachspiel der ,Traumerzählung' geschuldet. Erzählte Träume beginnen mit: ,Mir hat geträumt ...' oder eben auch ,Mein Geist erhebt sich zu ...' Das heißt aber doch wohl, daß die Darstellungsform ,Traumerzählung' schlechterdings nicht von ihrem ,subjekti-
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Füllebom, Neuplatonische Philosophie, 74. G. G. Fülleborn, Ueber einige seltne Schriften des Jordano Bruno, in: Beyträge schichte der Philosophie, Siebtes Stück, Züllichau, Freystadt 1796, 37-103.
zur Ge-
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ven' Charakter entkleidet werden kann. Insofern hat schon die Wahl dieser Darstellungsform das, was darzustellen war, auch inhaltlich geprägt. Allein schon durch die Idee einer solchen Traumerzählung wird das neuplatonische Gedankengeflige auf seine ,subjektive' Seite hin interpretiert. In einer Zeit, die gerade dabei ist zu entdecken, daß alles, was objektiv genannt zu werden verdient, nicht anders als auf subjektive Weise zustande kommt, erhält der bislang flir .überholt' betrachtete Neuplatonismus gewissermaßen eine ,neue Chance'. Fülleborns eigene Deutung des dargestellten Traums scheint diese Interpretation zu bestätigen. Denn er fährt fort: „So weit der Traum. Und nun kann man fragen, ob Ideen, wie diese ... nicht den schnellsten und allgemeinsten Eingang finden mußten, den man sich denken kann. Da ist Beschäftigung der üppigsten Phantasieloser
Genuß
für das Herz,
überall
Wärme
und
Leben.iA1
Nun sind die Ideen der Neuplatoniker also nicht mehr wegen ihres ,,Hang[es] zu abstrakten Spekulationen" zu tadeln, wie noch gleichzeitig Tiedemann geschrieben hatte, 48 nun sind sie also auf der Seite jener Instanz angekommen, die dem ausgehenden Jahrhundert als das Residuum des Wahren, Guten und Schönen erschien: das Herz. Indem Fülleborn die neuplatonischen Ideen als „Genuß für das Herz" bezeichnet, ebnet er ihnen auf eine Weise den Weg, den eine intrikate Analyse Plotinischer Texte vielleicht nicht hätte zustande bringen können. Denn Irrtümer, die das Herz begeht, sind im Zeitalter der aufgeklärten Empfindsamkeit auf jeden Fall verzeihlich, ja sie sind erträglicher als die herzlosen Richtigkeiten des ,Verstandes'. Doch ganz so weit möchte Fülleborn nicht gehen. Das ultimative Ziel ist natürlich auch ihm die Versöhnung zwischen Herz und Verstand, und so schließt sein Aufsatz mit der Bemerkung, „daß folglich die beste Philosophie diejenige seyn müsse, welche Verstand und Herz auf gleiche Weise beschäftigt, ohne einem von beyden das Uebergewicht ,, 49 zu gestatten .
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Füllebom, Neuplatonische Philosophie, 80 (Hervorhebung M. F.). Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, Bd. III, 433. Füllebom, Neuplatonische Philosophie, 85.
ANGELICA NUZZO
Soul and Body: Plato in Kant's Theory of Ideas
In the tradition of metaphysics with which Immanuel Kant comes to terms early on in his philosophical career, to address issues concerning the body as res extensa means to confront the intricate question of its separation from and interaction (commercium) with the soul or the mind. In his doctrine of the critical period, Kant completely revolutionizes the terms of this traditional question so much so that it is hard to relocate it within his philosophy or even to articulate its .successor' in the new critical framework. This explains why historical discussions of the mind-body problem usually ending with modern philosophy only rarely extend to Kant. 1 The point at issue, however, already seriously occupies Kant in the pre-critical period. Early on, he actively participates in the heated debate between Leibnizians and Wolffians regarding the issue of the soul-body relation. He takes a position in favor of the influxus physicus, which tries to explain the possibility of a reciprocal influence between soul and body against the doctrine of the pre-established harmony, denying the possibility of a reciprocal action between soul and body and resorting instead to God's arrangement. It is in these early years that Kant's confrontation with metaphysics takes the turn that leads him to rethink the relation between mind and body from a thoroughly new perspective. Even though the immediate historical reference of Kant's early discussion of the problem seems to be provided by the modern dualism of Cartesian origin, its ancient Platonic root is also present in interesting ways. To ask what is the modification that the problem of the separation between mind or soul and body receives in Kant's philosophy means to identify both the modern and the Platonic heritage of his thought. In the present essay, I will concentrate on the analysis of a particular aspect of Kant's relation to Plato. My aim is to identify in Kant's notion of ,idea' the point of intersection between the Platonic tradition and the mind-body problem which Kant found crystallized in the metaphysical discipline of rational psychology. I will focus on Kant's crucial distinction between sensibility and understanding/reason and indicate in its articulation the different moments of Kant's confrontation with the problem at hand. I will show how the reference to Plato's notion of ,idea' becomes crucial
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See H. Robinson, Kant on Embodiment, in: Minds, Ideas, and Objects. Essays on the Theory of Representation in Modern Philosophy, ed. by P. D. Cummins, G. Zoeller, Atascadero 1992, 329-340, 329.
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for Kant's separation between theoretical and practical cognition - for his rejection of the metaphysical notion of the soul and his transformation of it into a necessary idea of reason. Endorsing the Cartesian - but already Platonic - dualism between body and soul, Kant rejects the scholastic tradition of rational psychology as well as Platonism in the theory of knowledge. This gesture allows him both to salvage the Platonic significance of ideas in the practical sphere and to articulate the notion of metaphysics in opposition to the realm of experience. Ultimately, in Kant's philosophy, the mind-body separation is articulated in the light of the separation between metaphysics and experience.
I. The Problem of Space: Soul, Body and the Nature of Human Sensibility Kant's early reflection on the nature of space is central for his turn to critical philosophy and for his transcendental idealism. This reflection leads him to release space from its metaphysical connection to the soul and to establish a necessary link between space and embodiment testifying to a deeper interest in the nature of experience. This complex shift is responsible for the radical transformation of the traditional mind-body problem within the framework of critical philosophy. Space is the form of outer sense and the condition of the possibility of our relating to an outside world. Early on in the development of his philosophy, Kant suggests that we experience this character of space in the special role that our own body plays in the cognitive process. The transcendental ideality of space is incarnated in our body via the difference between our left and right hand. If the body is transcendentally transfigured by the notion of space as form of the outer sense, we have then to ask what, for Kant, fills the place that the soul occupies in the traditional mind-body problem. What is the relation between outer and inner sense? How does the embodied subject gain its proper inner dimension, and what constitutes this inner dimension? In the 1768 essay On the Ultimate Ground of the Differentiation of Regions in Space, Kant sets out to prove two claims that he will maintain throughout his philosophical career. Space is independent of both sensation and the composition of matter and is the ultimate condition of all outer sensation and composition of matter. Thus, 1. space makes all sensation possible, and 2. it makes the order and composition of matter possible. This is evident, Kant contends, in the case of those objects that show the property of being ,incongruent counterparts' - and in this case alone. For space is the condition of the incongruence of those objects. Incongruent counterparts are those objects or geometrical figures that are utterly identical in their physical shape, position and dimensions as well as in the relations of their parts and yet cannot be put one in the place of the other through a rigid motion, that is, they cannot be enclosed by one and the same
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surface. 2 The glove that fits the right hand cannot fit the left hand. 3 As the left and right hand, all incongruent counterparts are mirror-image reflections of each other. This peculiar feature reveals something crucial about the structure of space, namely, its independence of both sensation and the reciprocal relations of the parts of matter. We cannot become aware of the essential property that makes two objects into incongruent counterparts (or that makes one object be specifically either a left or a right hand) unless we refer them immediately to the asymmetry that we find in our own body. In this work, the Newtonian issue concerning the reality of absolute space revolves around the question of what kind of reality Kant is claiming for space at this time. It can be neither God's absolutely necessary reality nor the reality of spirits or souls - which allegedly exist separate from all matter - nor the reality of matter itself, which rather presupposes space. Only geometrical figures along with the data furnished by experience seem to provide Kant with a reliable notion of reality. However, at the end of the essay, Kant arrives at the important conclusion that space does not coincide analytically with the reality of geometrical figures. Absolute space is not identical with the real space of experience. 4 Logically, and supposedly also ontologically, space belongs to a higher order than that of geometrical figures. Elaborating on the gap between absolute space and geometrical figures, the essay shows in what sense space has reality in relation to our sensibility: in a dimension that is certainly not absolute, but always and necessarily embodied. Kant discusses not only our physical, bodily experience of incongruence, namely, of the intuitive difference of orientation between two otherwise identical objects. In addition, he makes use of the geometrical procedure of construction of a human hand once its incongruent counterpart is given. Geometrical construction shows the „possibility" 5 of the incongruent counterparts by providing their genetic definition. Besides the reality of incon-
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Cf. I. Kant, Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Räume, in: id., Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 2, Berlin 2 1912, 382. See also I. Kant, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis. Dissertatio pro loco, ibid., § 15; 402-403. Technically, and very generally, we meet incongruence when we deal with systems of relations among objects or parts of objects in a three-dimensionally oriented Euclidean space. Incongruent counterparts are objects which, being identical in size, dimension, proportion and relative position of their parts differ in being mirror-image reflections of each other.
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See I. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, in: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Berlin 1911, § 13L; 286. K. Marc-Wogau, Untersuchungen zur Raumlehre Kants, Lund 1932, 83-99, claims that two conflicting ideas are at play in Kant's early writing, namely the Wolffian notion of space as a consequence of the relations of substances and the Newtonian notion of space as overall original dimension within which alone these relations can be manifested.
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Kant, Von dem ersten Grunde des Unterschiedes, 382.
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gruence given by experience and its possibility offered by geometry, Kant's research is still driven by Newton's idea of space and, ultimately, by a Platonic quest for an ideal reality comprehended through rational concepts alone - a task that the essay must leave unsettled and that the 1770 Dissertatio will eventually abandon. The problem of space that the 1768 essay brings close to a solution is part of the broader issue with which Kant is struggling in 1766 - in the Dreams of a Spirit-Seer,6 Therein, Kant tackles the fundamental problem of the relation between metaphysics and experience. At the center is one of the most discussed metaphysical problems of the time, namely, the nature of the soul and its relation to the body. In the Dreams, the issue of the reality of the soul or spirit and its influence on the body takes the same methodological form that the issue of the reality of space assumes two years later: In order for a problem to be capable of solution, what is required are data from experience; in addition, the possibility of the hypothesis assumed must be shown; no inference is allowed from mere a priori rational concepts. For rational concepts alone prove neither the possibility nor the impossibility of a given assumption. In light of these methodological premises, it is clear that for Kant the question of space could be solved both on the basis of its formal relation to our sensibility provided by the experience of embodiment and on the basis of the geometrical proof of the possibility of the crucial property of incongruence provided by the construction of a human hand. However, when the independent reality of the soul is at issue, analogous data as well as a proof of the possibility of the concept are completely lacking. This fact is responsible for Kant's rejection of pneumatology in 1766. In order to understand the import of Kant's work in these years, it is crucial to recognize the connection between the issue of space and the metaphysical problem of the soul.7 The thesis regarding the soul that Kant refutes in 1766 presupposes the same Wolffian notion of space that the 1768 essay openly criticizes. It is precisely the failure of rational psychology in 1766 that turns Kant to the new idea of space
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I have gained crucial insight regarding the relation between W o l f f s psychology and the idea of space from K. Reich, Kants Behandlung des Raumbegriffs in den „Träume eines Geistersehers" und im „Unterschied der Gegenden im Raum", in: I. Kant, Träume eines Geistersehers, hrsg. von K. Reich, Hamburg 1975, V-XVII. - An excellent exposition of the Dreams can be found in S. Shell, The Embodiment of Reason, Chicago 1996, 106-132. See also M. Heinz, Herder's Review of Dreams of a Spirit-Seer (1766), in: New Essays on the Precritical Kant, ed. by T. Rockmore, Amherst/N. Y. 2001, 110128. See Reich, Kants Behandlung des Raumbegriffs, V-XVII, and A. Laywine, Kant's Early Metaphysics and the Origins of the Critical Philosophy, Ridgeview 1993, 11-24.
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reached in 1768: The failure to prove the metaphysical reality of the soul leads to the emergence of the (quasi-) transcendental reality of the body. At the end of the Dreams, Kant argues that the pneumatic thesis of the existence of the soul independent of the body is a thesis of impossible solution. For, no data from experience will ever be able to support such a thesis. Experience is possible only in and through the body, and what pneumatology claims, is precisely the possibility of an existence which is independent of bodily conditions. In this case, the relevant data „are to be found in a world other than the one" in which we exist as embodied, sentient and conscious beings: In other words, the data, even assuming that there are any, are thoroughly inaccessible to us. 8 It follows that the existence of the soul without the body will never be more than a dream or a fiction of the brain. Moreover, the thesis in question cannot claim the status that hypotheses have in natural science. For, in science, the ,possibility" of hypotheses „must at all times be capable of proof'. 9 Without the support of experience, however, merely „rational grounds" can confirm neither the possibility nor the impossibility of the given hypothesis, and hence these grounds can provide neither proof nor refutation. 10 Thus, lacking both the evidence of empirical data and the means to show its very possibility, the thesis of pneumatology must be discarded. In his letter to Mendelssohn of 8 April 1766, Kant formulates the central issue addressed in the Dreams as the problem posed by the embodiment of consciousness. Kant reveals his disappointment with the way metaphysics attempts to solve the problem: „In my opinion", he explains to Mendelssohn, „everything hinges upon this point: to find the data for the problem: How is the soul present in the world?" - how is it present both „in material nature and in other entities closer to its own kind?"n How can we know the presence of the soul in the „Weltraum"? The metaphysical problem of the soul is that of its action in the world of space, time, bodies and matter. The soul is, from the very outset, projected into an external world. In this claim, Kant follows the Wolffian tradition that closely - and problematically - links the nature of the soul to the definition of space. Accordingly, what needs to be found is the „force of external efficacy and receptivity to being affected from without in such a substance", namely, the soul, „whose unification with the human body is only a particular kind"; but no
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I. Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 368.
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Kant, Träume eines Geistersehers, 371 (my emphasis); id., Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, Berlin 1911, B800; 1. Aufl., ebd., Bd. 4, A772.
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Kant, Träume eines Geistersehers, 370-371.
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I. Kant, Letter to Μ. Mendelssohn of 8 April 1766, in: Gesammelte Berlin, Leipzig 1922, 71.
Schriften,
Bd. 10,
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experience is available to us „through which we could identify such a substance from the various relations which only and alone are able to reveal its external force or capacity". 12 The soul can be known only through its external relations to other substances. Yet, as Kant claims in the Dreams, experience only makes us aware that our thinking or will (as modi cogitandi) somehow relate to our body; but this is certainly not the experience of an external efficacy of the soul itself or of a relation of cause and effect such as the one empirically ascertained between bodies. Since no experience can support the claim of the existence of such a spiritual substance, the question remains whether it is possible „to prove a priori these forces of spiritual substances through a priori rational judgments". 1 3 The metaphysical way is as impracticable as the empiricist one. Because Kant contends that no rational inference can ever lead us to the assumption of a „primitive force" of the soul as a first original relation of cause and effect, his conclusion is that the central issue of „how the soul is present in the world" - and more precisely in the Weltraum - cannot be solved, since all data to the problem are lacking. 14 What is the doctrine of space that underlies the argument of the Dreams, and how does the skeptical conclusion of this text relate to that doctrine? It may seem surprising that while the conclusion of this work approaches a quasicritical position, and while Kant begins to criticize Christian W o l f f s concept of space already in 1763, 15 the notion of space that he proposes in this work is entirely Wolffian, representing a position that Kant himself endorsed as early as 1747. Why does Kant attack W o l f f s metaphysics of the soul and, at the same time, maintain his theory of space? The answer to this question can be found by recognizing the astute instrumental use that Kant now makes of the notion of space. At stake is the internal connection between the idea of space and the definition of the soul - a connection of which Kant is now clearly aware and that he puts at the center of his polemic attacks on rational psychology. His aim is to fight Wolff with his own weapons. In his rational psychology, Wolff furthers the definition of the soul by means of the rational concept of space. As opposed to Gottfried Wilhelm Leibniz, who assigns consciousness to all monads, Wolff distinguishes between material elements and conscious souls. 16 Since the soul is defined through its „force", and since force always implies „external" efficacy, spatial determina-
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Kant, Letter to Mendelssohn of 8 April 1766, 71. Kant, Letter to Mendelssohn of 8 April 1766, 72. Kant, Letter to Mendelssohn of 8 April 1766, 71 -72.
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Cf. I. Kant, Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen, in: Gesammelte Schriften, Bd. 2, 168. Cf. C. Wolff, Psychologia rationalis methodo scientifica pertractata, § 565, Frankfurt a. M., Leipzig 1740,484-485.
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tion is inscribed, from the very outset, in the concept of the soul.17 Space is what supports the determination of the soul as a force that has external efficacy, while precisely through this external efficacy the soul establishes a relation to other substances. While Leibniz denies that space is a determination of substance, for Wolff there is no contradiction in claiming that the soul, although immaterial, is in space. His definition of space is predicated upon the issue of the reciprocal relation of substances and, in particular, upon the problem of the body-soul relation: „spatium enim resultat ex possibilitate coexistendi."18 Space is the field of reciprocal action of substances; it is the order of coexistence. In the Dreams, Kant rejects the metaphysical doctrine of the influxus physicus between the body and the soul. In order to show the illusory character of this metaphysical speculation, he employs Wolffs own concept of space. Thereby, he exposes the flawed nature of the link between the abstract notion of space as the sphere of the coexistence and reciprocal action of substances on one hand and on the other the definition of the soul as a fundamental force that has external efficacy. Kant's starting point is an attempt to understand what is meant by the obscure notion of .spirit'. The crucial issue is whether spirit is a mere „fiction of the brain or something real".19 Matter is what fills up space and has the property of impenetrability. To define spirit as a simple substance endowed with reason is not enough to differentiate it from matter, since a simple being which has the inner property of reason may still outwardly act like matter. The only way to preserve the notion of spirit is to define it as something that is present in space without filling it up, hence without displaying the properties of impenetrability and solidity characteristic of matter. Spirits are therefore „rational beings who can be present even in a space filled with matter, thus beings who do not possess the quality of impenetrability, and who never constitute a solid whole, no matter how many you unite".20 Can this concept of spirit, asks Kant, lead to the claim that spirits are real or even only possible? Whereas the concept of matter's impenetrability and solidity is an empirical concept, the idea of something that has efficacy in space and yet does not fill space is not an empirical concept. Spirit, thus defined, is something that cannot present itself to the senses, that is, cannot be experienced and hence cannot be conceived as real. On the contrary, it is a notion that brings with itself a certain „unthinkability".21
17 18 19
Kant, Letter to Mendelssohn of 8 April 1766, 71. Cf. C. Wolff, Philosophia prima sive ontologia, Frankfurt a. M., Leipzig 1736, §§ 591, 611, Fn.; 451, 470. Kant, Träume eines Geistersehers, 320.
20 21
Kant, Träume eines Geistersehers, 321. Kant, Träume eines Geistersehers, 325.
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To be sure, both the possibility and the impossibility of such a being is unthinkable. 22 And yet assuming with Wolff that space is the field of reciprocal action and coexistence of substances, and assuming that a purely spiritual substance is one that outwardly acts upon a material body (or another spiritual substance), the notion of its immediate presence in space can very well be conceived of, since, given that definition of space, nothing contradicts this conclusion, even though such a notion cannot be known in concreto. Spirits „take up" space by being immediately active in it, even without filling it, that is, without offering resistance. 23 Yet the lack of contradiction is still not enough to prove the reality of the assumed spiritual substance. In other words, W o l f f s metaphysical notion of space opens up the realm of the empty speculations of rational psychology by providing an illusory reality which is only the consequence of the assumed - abstract and ambiguous - definition of space. W o l f f s concept of space grounds the a priori possibility of something that, according to Kant's principle of the „limits of human reason" based upon experience, cannot be claimed as a priori possible. 24 The metaphysical ploy is evident: Space, defined as a merely metaphysical entity with no regard for our sensibility, is used to support the plausibility of the notion of spirit because it ambiguously carries with itself the reference to the reality (efficacy) ofthat which exists in space. The Dreams is construed as a reductio ad absurdum of W o l f f s rational psychology on the ground of the assumption of W o l f f s own concept of space. The absurd conclusion of the metaphysical argument leads Kant to reject the doctrine of the soul and, at the same time, to seek a new foundation for his theory of space. Space is no longer related to the presence of the soul in the world, but instead to the presence of our body in the world. Space is connected to human sensibility and bodily awareness. From 1768 on, space is, for Kant, the transcendental dimension of an embodied consciousness, while the cognitive access to the reality of the soul, which characterized rational psychology, is denied.
II. Plato's Ideas and the Idea of the Soul In the 1770 Dissertatio, Kant mentions Plato's name for the first time. 25 The reference to Plato gives the theoretical background for Kant's introduction of the term ,idea' and for his own use of it. What Plato used to call ,idea' - observes 22 23 24 25
Cf. Kant, Träume eines Geistersehers, 323. Kant, Träume eines Geistersehers, 323. Kant, Träume eines Geistersehers, 368. According to Μ. Wundt, Kant als Metaphysiker, ing of Plato dates back to 1769.
Stuttgart 1924, 162-164, Kant's read-
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Kant - is „nowadays called the .Ideal'". At stake in this terminological specification is the distinction between theology and moral philosophy in Kant's view of metaphysics. The opposition between metaphysics and experience that concluded the Dreams is broadened to a discussion of the cognitive and practical interests of the discipline. Given the way in which the ancient - that is, Platonic - theory of ideas has been corrupted by the British empiricists (but already by Epicurus) in relation to practical philosophy as well as by Wolff in the sphere of theoretical or speculative philosophy, Kant wishes to regain the true Platonic significance of the concept. This becomes possible, however, only through the necessary specification of the use of the term in theology and moral philosophy. In 1770, Kant has not yet come to the insight that there is a specific faculty of ideas which is different and separate from the faculty of concepts - that is, that the function and the domain of the intellect need to be specified not only in relation to sensibility, but also in relation to reason: Understanding and reason are both subsumed under the common title of ,intelligentia'. The analysis of Kant's conception of ideas in the Dissertatio reveals that even if he senses the crucial difference that separates the .concept' of substance from the .idea' of moral perfection, he is not able yet to draw a corresponding distinction in the respective faculties that generate and use concepts and ideas. By means of the notion of .idea', Kant gives a new status to the absence characterizing the epistemological disappearance of the metaphysical soul proper to rational psychology. We have seen that while the body - transfigured into the form of human sensibility - finds its legitimate place in the theory of space on which Kant's notion of experience is based, the soul as metaphysical entity is eliminated in its very possibility. However, in the critical period, Kant develops a complex theory in order to account for that which constitutes the counterpart of the body in transcendental philosophy. The place of the soul is taken, first, by the notion of „inner experience" or „inner sense" which is based upon outer experience or outer sense and constitutes my empirical consciousness of myself. 26 Second, Kant points to the merely logical or „intellectual" representation of the thinking subject (the ,1 think'), whose existence, however, cannot be experienced. 27 The idea of the soul - or the soul taken as an idea of reason and not as metaphysical entity - is Kant's final answer to the theoretical problem posed by the issue of the body's counterpart in the critical philosophy. The discussion of this idea leads us to one of the main issues of Kant's practical philosophy. For while the idea of the soul is, according to Kant, the example of a thoroughly disembodied concept, practical philosophy shows that ideas indeed gain reality in the realm of freedom. According to this program, the task of the
26 27
See the Refutation of Idealism in Kant, Kritik der reinen Vernunft, B274-279. Cf. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B277-278; B399-400/A341 -342.
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Transcendental Dialectic of the first Critique is twofold. Kant completely empties the concept of the soul (in the Paralogisms) of any content, and yet, by giving to it the peculiar status of an idea, he opens up the possibility of its practical realization in a realm that is not determined by space and time. In addition to the necessary reference to the soul as counterpart of the body, the notion of ,idea' allows Kant to establish the important link to the world, taken as that theoretical ,place' which articulates the reality of the body and our cognition of reality. In the Dissertatio, the notion of ,idea' is crucial to Kant because of its fundamental relation to the notion of the world. This holds true not only on the basis of the distinction between sensible and intelligible world, but also because the notion of ,mundus' is thought of in terms of totality (totum, universitas). The world is already presented by Kant as cosmological idea of the world. It is an idea just as the soul is. Since ideas show the structure of a totality, their comprehension represents an eternal crux for the philosopher - indeed a thoroughly „spinosa quaestio". 28 In this way, the Dissertatio already announces the critical notion of the antinomy of pure reason. 29 Even if Kant does not seem to provide an explicitly formulated theory of ideas by 1770, the term plays an essential role in setting up the major theses of the Dissertatio. Accordingly, Kant's brief remark on Plato in § 9 is not a marginal addition to the general argument that separates sensibility and understanding, it represents instead a fundamental development in Kant's conception of metaphysics at this time. ,Idea' and ,ideal' play a crucial role in the distinction between cognitio sensitiva and cognitio intellectualis, a distinction that, in turn, is related both to the separation between phaenomenon and noumenon and to that between mundus sensibilis and mundus intelligibilis. The reference to Plato's ideas allows Kant to overcome both the dogmatic position of Wolff and the empiricism of Shaftesbury's moral philosophy. While the Dissertatio establishes the necessarily disembodied nature of ideas, in the Transcendental Dialectic of the first Critique Kant intimates that ideas do exhibit a kind of reality of their own. This is neither the illusory reality of fictions nor the disembodied being of the soul. It is rather a reality placed outside the conditions of space and time, namely, a reality that lives and acts in the practical realm of freedom. In Kant's critical philosophy, the practical idea of moral personality takes the place of the metaphysical soul of rational psychology. The ,Platonism' that supports the psychological dualism of body and soul in theoretical philosophy is abandoned in favor of a Platonic notion of ,idea' that gains its full-fledged reality in the practical sphere. 28 29
Kant, Dissertatio, § 2; 392. Cf. Kant, Dissertatio, § 2; 391-392. - For the development of Kant's theory of antinomies in relation to the Dissertatio see N. Hinske, Kants Weg zur Transzendentalphilosophie, Stuttgart, Berlin 1970, 109-110.
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III. Phaenomena and Noumena One could be tempted to locate the first reference to Plato already in the title of Kant's Dissertatio\ De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, for this title seems to point to a metaphysical opposition between two orders of reality that are clearly of Platonic derivation. However, this same separation between intelligible reality and the realm of sensible experience can be found in a tradition well-known to Kant and closer to him. 30 Alexander Baumgarten, for example, in Metaphysica § 869 writes: „Insofar as the world is sensibly represented, it is the sensible world ..., insofar as it is known in a distinct way, it is the intelligible world." 31 The world is twofold according to the type of knowledge or representation that we have of it: What makes the difference is whether the world is the object of a sensible representation or the object of a clear and distinct cognition. In the Dissertatio, referring to this way of presenting the question, Kant criticizes the traditional argument for what is called respectively ,sensible' and .intellectual' in our cognition of the world. The notion o f , i d e a ' is placed precisely in the space dividing these two types of knowledge. The idea does not function as their mediation, but as the sign of the impossibility of all mediation. In the Dreams, Kant uses the term ,mundus intelligibilis' to describe the „immaterial world" 32 constituted by the totality of all immaterial, that is, spiritual substances and their mutual relations. Kant's problem is that of the foundation of this immaterial or intelligible world as a „totality that subsists for itself and whose parts are in reciprocal connection with each other and subsist together even without the mediation of material things". 33 Relevant in his use of the expression ,mundus intelligibilis' is the modality according to which the totality of the world is constituted in the realm of immaterial substances. That the issue raised by the concept of mundus is the logical and metaphysical problem of the notion of .totality' as ,totum' is a basic statement of traditional metaphysics. Kant's significant transformation of the problem consists, as it were, in its reformulation or reconstruction in terms of human knowledge. If the expression that figures in the title of Kant's Dissertatio cannot be viewed as entailing a specifically Platonic reference, the discussion of the distinction between .sensible' and .intelligible' leads him to recuperate an explicitly Greek and Platonic terminology: that of phaenomena and noumena. On the basis of these concepts first introduced in Sect. II § 3, Kant frames retrospectively the problem of the sensible and the intelligible worlds. According to Kant, 30 31 32 33
Cf. H. Heimsoeth, Kant und Plato, in: Kant-Studien 56 (1965), 349-372. A. G. Baumgarten, Metaphysica, Halle 4 1757, § 869; 353. Kant, Dissertatio, § 2; 392. Kant, Träume eines Geistersehers, 330 (my emphasis).
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the distinction between mundus sensibilis and mundus intelligibilis can be gained only through a threefold progression which 1. starts with the description of the faculties of the subject, 2. proceeds with the description of their specific object and 3. finally draws the distinction between the kind of cognition proper to the different faculties and to their related objects. 1. Sensibility (sensualitas) is the receptivity of the subject through which it is possible that its representative state be affected in a certain manner by the presence of some object. Intelligence (rationality) is the faculty of the subject through which it is able to represent things that cannot by their own nature come before the senses of that subject." 34 Sensualitas denotes a passive attitude of the subject (receptivitas) towards immediately present objects, whereas intelligentia is an active faculty that by itself, on the basis of its own innate laws, represents those objects whose givenness to the senses is utterly impossible, thereby replacing their sensible and physical presence with a purely intellectual one. 2. The definition of two different types of objects follows immediately from the foregoing analysis. „The object of sensibility is the sensible; that which contains nothing but what must be known through intelligence is the intelligible." 35 Significantly, Kant names these two classes of objects after the vocabulary of the „ancient schools": The first type of objects has been called „phaenomenon", the second „noumenon". 3 6 In the later Reflexion 4449, Kant further develops the historical dimension of this thought, suggesting the way in which the notion of ,idea' relates to the distinction between phaenomena and noumena: „History of the difference between sensitivis and intellectualibus. Pythagora. Heraclytus (Eleatics). Plato (ideae innatae) and Pythagoras made the intellectualia into particular objects of possible intuition." 37 3. Since phaenomena and noumena do not describe for Kant a reality independent of the constitution of the subject, their characterization is provided in relation to the two types of knowledge that we respectively have of them. „Knowledge, so far as it is subject to the laws of sensibility, is sensuous (cognitio sensitiva); so far as it is subject to the laws of intelligence, is intellectual or rational (intellectualis seu rationalis)." 38 Because of the nature of sensualitas and intelligentia, Kant can claim that „representations of things as they appear are sensitively thought, while intellectual concepts are representations of things as they are". 39 Thereby, both phaenomena and noumena attain for Kant an essential representational character. However, making use of Lambert's distinction be-
34 35 36 37 38 39
Kant, Dissertatio, Kant, Dissertatio, Kant, Dissertatio, I. Kant, Reflexion Kant, Dissertatio, Kant, Dissertatio,
§ 3; 392. § 3; 392 (my emphasis). § 3; 392. 4449, in: Gesammelte Schriften, Bd. 17, Berlin, Leipzig 1926, 555. § 3; 392. § 4; 392.
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tween matter and form - already at play at the very beginning of the Dissertatio - Kant's analysis of the two types of cognition aims at specifying the nature of their representational character. What is represented, in both cases, is not the object as such (the way in which it is or the way in which it appears), but the relation between the object and the mind on the basis of the activity or passivity of the mind itself. Thus, Kant contends that in sensible knowledge the ,/orm of the representation ... is not properly an outline or schema of the object, but only a certain law inborn in the mind".40 With this suggestion, he sets up the epistemological position of the Dissertatio against all types of idealism in the theory of knowledge. Moreover, if phenomena are not „outlines" of things, they are said to be „rerum species, non Ideae".41 Thereby, Kant places them between two extremes: between the position that views them as representations of the external contour of the object (schema or adumbratio) and the position that makes them the expression of the internal and absolute essence of things (idea). And yet, in relation to this second point, and against both idealism and skepticism, Kant contends that phenomena do provide „cognitio verissima"42 - a perfectly genuine and true knowledge - as they still bear witness to the presence of the object. Kant is setting up his concept of phenomena both against the empiricist theory of representation (such as Locke's notion of ,idea' and Hume's skeptical radicalization), and Plato's idea as model and exemplar of something. The latter is a meaning that Kant saves for employment in the realm of noumena. In his view, what both positions eventually deny is the true validity - or the objective reality - of the phenomena. But how can phenomena be said to fulfill this true cognitive function if they are neither immediate representations of things nor their original idea or model? Because of the formal aspect of sensible cognition, phenomena are said to be „rerum species". It is in relation to this element of „species" or form that Kant declares a priori knowledge possible: „In order that the various representations of objects which affect the senses coalesce into some whole of representation, there is required an internal principle of the mind through which these various representations may take on a certain configuration (species) according to stable and innate laws."43 The form of the sensible world, the form that first institutes the whole of a manifold of representations of things considered as phenomena, is the twofold subjective condition of space and time. This concept of phenomenon allows Kant to raise a crucial argument against Leibniz. He claims that sensible and intellectual cognition represent two 40 41 42 43
Kant, Kant, Kant, Kant,
Dissertatio, Dissertatio, Dissertatio, Dissertatio,
§ 4; 393. § 1 1 ; 397 (my emphasis). § 1 1 ; 397. § 4; 393 (my emphasis).
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radically different types of knowledge and not a continuous progress of perception that ranges from vagueness to distinctness through a mere difference of degree. It is not a good explanation of the sensitive to present it as that which is more confusedly known and of the intellectual as that of which our knowledge is distinct. Geometry represents, for Kant, a perfect example of a very distinct and yet sensible knowledge, while metaphysics provides a case for an extremely confused and yet purely rational knowledge. This argument becomes the touchstone for the further development of Kant's critical philosophy.
IV. Metaphysics and Plato's Ideas In relation to cognitio intellectualis, Kant distinguishes a ,real' and a .logical' use of the intellect. In the first case, the intellect gives or produces the concepts of the objects and their relations from its own nature and laws, whereas in the second case, it works on already given concepts only by performing various logical operations on them. Sensible cognition may owe its constructions to the logical use of the intellect; despite this use, however, it does not cease to be of sensible nature. 44 This confirms that phenomena are not immediately sensible objects; they are more complex constructions formed by the senses and the intellect on the basis of experience. The logical use of the intellect is proper to all sciences. By contrast, its real use is confined to metaphysics. Since the intellect does play a role in the construction or cognition of phenomena, metaphysics cannot be sufficiently determined as intellectual knowledge; rather, it should be further qualified as the intellectual cognition that reason (intelligentia or rationalitas)45 pursues in its real use. If the distinction between phenomena and noumena reached in § 3 of the Dissertatio is indeed necessary for Kant in order to gain a determination of the specific nature of metaphysics, it is not yet sufficient. Kant's urge to overcome W o l f f s position - one that recognizes the distinction between phenomena and noumena, and yet immediately annuls it by assuming its merely logical nature - is the most revealing sign of this. In the later Reflexion 6051, Kant supplements the foregoing argument with an historical claim: „Already before Plato, we encounter the distinction between intellectual and empirical knowledge; the latter was called sensible knowledge, and even a distinction between intelligible and sensible things was drawn. All a priori knowledge was considered to be intellectual ... But in order for this distinction to become really important, a specific need of reason was necessary - the need for going beyond the empirical, since this is always conditioned and
44 45
Cf. Kant, Dissertatio, § 5; 393-394. Kant, Dissertatio, § 3; 392.
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therefore cannot be a thing in itself, which requires, on each occasion, its complete conditions." 46 In the theory of the Dissertatio, the distinction between real and logical use of the intellect becomes crucial in order to understand how the intellect thinks and knows in metaphysics, and what type of difference separates sensible and intelligible. It is precisely in taking this further step that the reference to Plato's ideas becomes important for Kant. With regard to the real use of the intellect, we need to ask: what does it mean for concepts to be given by the very nature of the intellect? 47 These concepts are purely intellectual - are „Ideae purae" 48 - in the sense that their origin is in the pure nature of the intellect. They are neither abstracted from the activity of the senses (they are .ideas') nor do they entail any form of sensible knowledge (they are ,pure'). „An intellectual concept is not abstracted from the sensitive, but abstracts from all that is sensitive." 49 If the concepts in question cannot be said in any way to have empirical origin, they are nevertheless not simply innate notions.50 Kant contends that since they are produced by an activity of the intellect and arise from its laws on the occasion given by experience, they should be called „acquired" concepts.51 As examples of these notions, Kant mentions the modal categories as well as the categories of relation. Kant provides another important example of what these „pure ideas" may be. He claims that „moral concepts are known not by experience, but by the pure intellect itself'. 52 Here, for the very first time, Kant declares moral concepts to be utterly a priori concepts. Thus, in the Dissertatio, Kant associates the use of the intellect in metaphysics with two very different types of concepts, both opposed to sensibility: the categories of the understanding and the ideas of reason, to use the later terminology of the Critique. In 1770, not yet having a clearly formulated theory of the two independent faculties of understanding and reason, Kant seems to reach a decisive argument for the difference between conceptus and idea only with Plato's help. Kant defines metaphysics as that „part of philosophy that contains the first principles" 53 of the real use of the intellect. According to the twofold partition of the objects of metaphysics that Kant already presented in the Dreams,54 the
46 47 48 49 50 51 52 53 54
I. Kant, Reflexion 6051, in: Gesammelte Schriften, Bd. 18, Berlin, Leipzig 1928, 438. Cf. Kant, Dissertatio, § 6; 394. Kant, Dissertatio, § 6; 394. Kant, Dissertatio, § 6; 394 (my emphasis). Cf. G. Zöller, From Innate to A Priori. Kant's Radical Transformation of a CartesianLeibnizian Legacy, in: The Monist 72 (1989), 222-235. Kant, Dissertatio, § 8; 395. Kant, Dissertatio, § 7; 395. Kant, Dissertatio, § 8; 395. Cf. Kant, Träume eines Geistersehers, 367-368.
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„pure ideas" that the intellect generates in its real use have, in turn, a twofold function. The first one is a negative and critical function, and is meant to keep sensible concepts from being applied to noumena. This function is fulfilled by the propaedeutica to metaphysics grounding the difference between phenomena and noumena, sensible and intelligible cognition, thereby deriving the principles of the true method of metaphysics. The second function is a dogmatic one: In it „the general principles of the pure intellect ... issue in some exemplar conceivable only by the pure intellect, and in a common measure of all other things with regard to reality."55 Metaphysics, and explicitly ontology and rational psychology, is the science that makes such a dogmatic use of the principles of the pure intellect. According to this use, such principles are meant to institute the positive „exemplar" and „common measure" not only for the intelligible nature of things, but also for their reality. These principles are ideas. Kant sets up this complex definition of metaphysics and its aims against two philosophical traditions. On one hand, he attacks W o l f f s speculative metaphysics held responsible for bringing great detriment to the development of philosophy by destroying „the noble enterprise of the ancients", that is, precisely, the determination of the true „nature of phenomena and noumena". 56 According to Wolff, the distinction between phenomena and noumena - a distinction first established by Plato and now taken up again with full historical consciousness by Kant - is only a logical one. On the other hand, Kant criticizes the empiricist ethics of Epicurus and Shaftesbury as being unable to recognize the a priori character of moral concepts and confusing moral ideas with moral sentiments, thereby rendering impossible what for Kant is already the idea of a metaphysics of morals. 57 „Moral philosophy, so far as it supplies the first principles of moral judgment, is known only through the pure intellect and belongs to pure philosophy. Epicurus, who reduced the criteria of morals to the feeling of pleasure or displeasure, is therefore rightly condemned, along with certain moderns who, like Shaftesbury and his school, follow him in a much less thorough manner". 58 This twofold polemic corresponds to Kant's need to develop a new metaphysics: both a theoretical and a practical one. In opposing both Wolff and Shaftesbury, Kant brings the distinction between phenomena and noumena back to Plato's notion of ,idea'. 59 We have seen
55 56 57 58 59
Kant, Dissertatio, § 9; 395-396 (my emphasis). Kant, Dissertatio, § 7; 395. Cf. J. Schmucker, Die Ursprünge der Ethik Kants in seinen vorkritischen Schriften und Reflexionen, Hain 1961. Kant, Dissertatio, § 9; 396. Cf. K. Reich, Die Tugend in der Idee, in: Argumentationen. Festschrift für J. König, hrsg. von H. Delius, G. Patzig, Göttingen 1964, 208-215; A. Nuzzo, Idee bei Kant und
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how in describing the dogmatic use of the pure concepts of the intellect Kant refers them to the notion of an „exemplar" valid as the „common measure" of all things in relation to their reality. In this way, Kant reaches the concept of „perfectio noumenon" 60 through which he clarifies the different functions of ideas in metaphysics. The idea is not a copy (Abbild) but rather a model (Urbild) of the reality of things. This is true both in the theoretical sense, according to which we attend only to what pertains to the existence of things or to how things are in their constitution, and in the practical sense, according to which we consider what ought to belong to things „through freedom" 61 - or how things ought to be. Accordingly, perfectio noumenon itself gives rise to two further concepts: to the idea of God as the highest being and to the idea of moral perfection. Perfection leads to the idea of a „maximum": „In every kind of thing in which quantity is variable", the maximum provides, ontologically, the „common measure" of things, and, epistemologically, the principle of their cognition. 62 At this point, Kant inserts his reference to Plato's ideas: „Maximum perfectionis vocatur nunc temporis ideale, Piatoni idea (quemadmodum ipsius idea reipublicae)." In the contemporary Reflexion 4446, Kant observes: „Plato rightly provides the origin of the concepts of perfection. But not that of the notions [notionum]." 64 The idea functions as a principle for all objects that are contained in the general concept of a certain perfection „insofar as lesser degrees are supposed not to be determinable save by limiting the maximum",65 As he will show in the first Critique with regard to the ideal of pure reason, the notion of ,idea' leads to a totality whose parts do not precede the whole, but can only be generated through immanent „limitation" of the whole. 66 The ideal is the idea not only in concreto, but in individuo, expressing the nature of the whole as completely determined individuality. 67 This structure clearly suggests that for Kant the logic of the notions of ,idea' and ,ideal' is the logic of intuition. The idea presents the same rational structure that characterizes space as a pure form of intuition. Ideas display the logical structure of intuition and yet, since no intuition in space and time is available for them, they remain necessarily disembodied. Kant's project of radically breaking with the traditional continuity of the hierar-
Hegel, in: Das Recht der Vernunft, hrsg. von P. König, C. Fricke, Th. Petersen, Stuttgart 1995,81-120. 60 61 62 63 64 65 66 67
Kant, Dissertatio, § 9; 396. Kant, Dissertatio, § 9; 396, Fn. Kant, Dissertatio, § 9; 396. Kant, Dissertatio, § 9; 396. I. Kant, Reflexion 4446, in: Gesammelte Schriften, Bd. 17, 555. Kant, Dissertatio, § 9; 396 (my emphasis). Kant, Kritik der reinen Vernunft, B605-607. Cf. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B596.
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chy between concepts and intuitions, namely, his attack on the claim that concepts and intuitions are separated only by degrees of clarity and distinctness, culminates in a gesture that establishes a twofold kind of intuition. On one hand, he recognizes the independent status of an intuition that is always and necessarily embodied, that is, sensible intuition in space and time; on the other hand, however, he points to a sort of .improper' intuition that seems to be structurally disembodied, that is, the idea and the ideal. No human intuition, warns Kant, is able to grasp the individual and concrete whole of the idea because no reference to the sensibility of one's own body and to its pure form is possible in this case. Since the human intellect works only through universal concepts in abstracto and never through individual ideas in concreto, it is capable only of discursive cognition or - as Kant says taking on a Leibnizian thought - only of „symbolic knowledge". 68 Human intuition is only sensible intuition and can never become intellectual. In the Critique of Pure Reason, having abandoned the notion of a real use of the understanding, Kant shows the inconsistency of Plato's illusion of a disembodied mind that is able to produce cognition even without a body, only by working with pure ideas. Opposing Plato, Kant maintains that the boundaries of experience are set by sensibility, that is, by what we can construct by means of our bodily approach to the world combined with abstract concepts. „The light dove, cleaving the air in her free flight, and feeling its resistance, might imagine that her flight would be still easier in empty space." 69 Deceived by the same fantasy, Plato „left the world of the senses, as setting too narrow limits to the understanding, and ventured out beyond it, in empty space. He did not observe that with all his efforts he made no advance - meeting no resistance that might serve as support upon which he could take a stand, to which he could apply his powers, and so set his understanding in motion." 70 The illusion by which we are constantly tempted - as were the dove and Plato - , the illusion of being better off without the resistance of our body and sensibility can only be cured by the critical separation of sensibility, concepts and ideas. Only then will we learn what it means to be free in our own body and to cognitively relate to the outer world by means of our body. Thereby will we be able to abandon all illusion of abstract freedom and disembodied knowledge. In Kant's view, Plato's notion of ,idea' as disembodied intuition is the source of a pernicious position with regard to both epistemology and moral philosophy. This is the position that he repeatedly stigmatizes as „Schwärmerei",
68 69 70
Kant, Dissertatio, § 10; 396. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B9/A5. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B9/A5.
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that is, as the „enthusiasm" and fanaticism of the visionary. 71 To the extent that they share the same illusion of disembodiment, Plato has something in common with Swedenborg and the visions that Kant criticized in the Dreams. Against the enthusiasts of disembodied ideas, Kant holds to the importance of a way of thinking anchored in sensible intuition which, alone, can provide us with an indispensable sense of orientation - an orientation in space, but also an orientation „in thinking". 72 The Dissertatio offers an example of „pure intellectual intuition", completely exempt from the laws of the senses and the relation to the body, by bringing in a further reference to Plato's notion of ,idea': The name that Plato has for this „divine" intuition is „idea". 73 In the contemporary Reflexion 3917, we read: „All pure ideas of reason are ideas of reflection (discursivae and not intuitus as Plato claimed). Hence, through them, we do not represent objects but only the laws by means of which we compare the concepts given to us by the senses." 74 Herein, Kant seems to explain the lack of separation between understanding or intellect and reason in the Dissertatio. Given Plato's identification of idea and pure intellectual intuition, since Kant accepts the claim that ideas are given to us and nonetheless denies the possibility that they function in the same way as intellectual intuition, Kant's conclusion is that ideas can be used only in the reflective and discursive way of the understanding. This is why, at this time, Kant feels no need for assuming that reason is a specific faculty of ideas opposed to understanding. In the first Critique, Kant's discussion of the notions of ,idea' and ,ideal' repeatedly recurs to Plato. Repeating almost literally the formulations of § 9 and § 25 of the Dissertatio, Kant states: „What for us is an ideal was in Plato's view an idea of the divine understanding, an individual object of its pure intuition, the most perfect of every kind of possible being." 75 Kant's Plato is here clearly not the historical Plato, but rather the image of Plato developed by the later Roman authors. 76 According to this tradition, Plato's ideas are nothing but the divine intellect itself taken in its full creative power. The critical Kant sets his own doctrine of ideas precisely against this conception by claiming that „human reason contains not only ideas, but also ideals, which, although they do not have,
71
Cf. I. Kant, Was heißt: Sich im Denken orientieren?, in: Gesammelte Schriften, Bd. 8, Berlin, Leipzig 1923, 145; id., Reflexionen 6050-6053, in: Gesammelte Schriften, Bd. 18, 434-439.
72 73 74 75 76
Kant, Was heißt: Sich im Denken orientieren?, 145. Kant, Dissertatio § 25; 413; Reflexion 4446, 555. I. Kant, Reflexion 3917, in: Gesammelte Schriften, Bd. 17, 342. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B596. See Reich, Die Tugend in der Idee, 210; Heimsoeth, Kant und Plato, 352.
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like Platonic ideas, creative power, yet have practical power." 77 The Dissertatio reaches an analogous conclusion as it shifts its attention to the role played by ideas in the realm of the practical. In relation to the second part of metaphysics, Kant presents the notion of „perfectio moralis" as the practical side of the „perfectio noumenon". This is the domain of moral ideas, in which metaphysics takes the form of a ,pure moral philosophy". 78 The importance of ideas for Kant's project of a „metaphysics of morals" 79 by 1770 lies in the fact that ideas - as Plato teaches - can never be given in experience. In this regard, the first Critique simply restates the suggestion of the Dissertatio·. „Plato found the chief instances of his ideas in the field of the practical" 80 - the idea of the „Platonicο ι republic" becomes the most significant example of this type of perfection. Ideas belong exclusively to the oy noumenal, and for Kant - even if not for the historical Plato - they cannot genuinely be said to exist. At least, they cannot be said to exist in the same sense in which God - as the idea of an ens summum - can be said to exist. „God, however, as the ideal of perfection is the principle of knowledge (principium cognoscendi); as really existing, he is at the same time the principle of83 the coming into existence (principium fiendi) of all perfection whatsoever." This remark further explains what Kant means by stating: „We now entitle ideal the maximum of perfection that Plato calls idea."84 Kant endorses Cicero's understanding of Plato's ideas.85 Ideal is the criterion both for moral perfection and for our judgment of moral perfection. We can approximate to this ideal in our actions, but we can never fully and completely find it realized in reality. In some marginal notes to Baumgarten's Initia philosophiae practicae primae which Kant writes down during the same time as the Dissertatio, we find the whole spectrum of mediations through which he refers to Plato's ideas in the realm of the practical. As Klaus Reich aptly puts it, it is „Plato seen through Cicero's spectacles with Rousseau's eyes". 86 Kant notes: „The concept, the idea, the ideal ... With regard to virtue, only a judgment according to concepts and therefore a priori, is possible. Empirical observation according to intuitions in
77 78 79 80 81 82 83 84 85 86
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B597 (my emphasis). Kant, Dissertatio § 9; 396. The expression ,Metaphysik der Sitten" is already to be found in Kant's letters of 1765. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B371. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B372. See Reich, Die Tugend in der Idee, 209. Kant, Dissertatio § 9; 396. Kant, Dissertatio § 9; 396. This is suggested by Reich, Die Tugend in der Idee, 210. See Cicero's notion of the „vir bonus" in De officiis, lib. Ill, cap. 19, par. 76-77. Reich, Die Tugend in der Idee, 212.
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images or according to experience does not provide with any law, but only with examples that do not require any judgment according to concepts." 87 This argument repeats Kant's presentation of moral concepts as pure a priori concepts or properly ideas. Kant then comes to a more detailed discussion of the notion of ,idea': „The idea is the a priori cognition (of the intellect) through which the object becomes possible. The idea relates to the objective practical sphere as a principle. It contains the highest perfection in a certain perspective ... It lies only in the intellect, and, in man, in concepts. The sensible is only an image ... All morality is grounded in ideas and their image in man is always imperfect. In the divine intellect, ideas are intuitions of itself and therefore original models [Urbilder]." 88 Besides Plato, Rousseau is the only modern author through which Kant can hope, in the doctrine of ideas, „to improve the ancients".
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V. The Soul as Idea In the Critique of Pure Reason, the specific issue raised by reason's ideas regards the type of reality that can be legitimately ascribed to them. From the beginning of the Transcendental Dialectic, Kant insists that even though ideas are placed beyond all possible experience, they do have a reality that is not purely fictitious. The visionary dreams of Swedenborg have been left behind once and for all. As we know from the Dissertatio and from its references to Plato, it is in the realm of the practical that ideas display positive reality. Since ideas have no relation to the necessary conditions of our sensibility, the object corresponding to the idea cannot be known through understanding and its categories. Hence, we can form only a „problematic concept" 90 of it. From Kant's perspective, the issue of transcendental deduction arises at this point. Reason's legitimate use of ideas in cognition requires a justification. However, under the conditions dictated by the disembodied nature of speculative reason, a deduction similar to the one provided for the concepts of the understanding is excluded from the outset. 91
87 88 89
90 91
I. Kant, Reflexion 6611, in: Gesammelte Schriften, Bd. 19, Berlin, Leipzig 1934, 108. Kant, Reflexion 6611, 108. Cf. I. Kant, Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, in: Gesammelte Schriften, Bd. 20, Berlin 1942, 9: „Rousseaus Buch [i. e., Emile] dient die Alten zu bessern." Kant, Kritik der reinen Vernunft, B397/A339. Cf. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B805-806/A777-778, B691-692/A663-664, B697/A669. This does not mean, however, that a different deduction of ideas cannot be provided. See D. Henrich, Kant's Notion of a Deduction and the Methodological Background of the First Critique, in: Kant's Transcendental Deductions, ed. by E. Förster, Stanford 1989, 29-47.
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Kant refuses to solve the problem of the objective validity of reason's concepts by following Plato's shortcut of a „mystical deduction", 92 that is, by hypostatizing ideas into metaphysical entities. The deduction of ideas needs to take a more complex course. If ideas are to have reality, they must receive a ,body' different from the sensible one which allows us to gain outer experience and orientation in space. The Transcendental Dialectic prepares the stage for the emergence of a different form of reality leading to Kant's practical philosophy. The transcendental deduction of the understanding's categories follows a juridical model for deciding the right and legitimacy of a certain possession and use and so declaring the victory of one party over the other (skepticism vs. pure understanding). As a result, the deduction establishes the conditions for the truth of knowledge seen as its objective validity. The deduction of reason's ideas imposes a change of model compliant with the image of reason's „legislation" 93 rather than with that of its , judge", and with the „certainty" and the „interest" 94 of reason in its proper knowledge rather than with its logical truth. The first step of Kant's argument takes place in the Paralogisms of the Transcendental Dialectic. 95 It establishes that ideas are the unique „possession" 96 of reason, for no synthetic judgment of the understanding can ever be successful in their realm. Kant's awareness of the importance of this step is well expressed in his suggestion that „a huge, actually the only stumbling block against our critique would be the possibility of demonstrating a priori that all thinking beings are in themselves simple substances". 97 If the propositions of rational psychology could be established as synthetic a priori propositions, then the understanding would have no limits, and consequently reason would have neither a specific use nor a proper realm of its own. In this case, the world of the senses would dissolve in its embodied, sensible specificity, ideas would indeed be nothing but fictitious entities, and practical philosophy (including the idea of freedom) would lose its ground. The second step of Kant's deduction, undertaken in the chapter on Antinomies, draws to the center the cosmological idea of the world. The third antinomy in particular shows that the „pure transcendental idea of freedom" 98 can have a practical reality, inasmuch as this claim does not contradict the necessity that reigns in the world of nature and appearances (the highest good is possible).
92 93 94 95 96 97 98
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B371/A315 Fn. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B358/A301. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B449/A421; B439/A465. A more detailed discussion of the problem can be found in Nuzzo, Idee bei Kant und Hegel. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B410; B426. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B409. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B561/A533.
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This is precisely the first objective of Kant's deduction of ideas. At this level, however, Kant has not yet proved that reason can be practical (or that reason can make a practical use of the idea of freedom). This conclusion will result from Kant's argument in the Ideal of Pure Reason. In formulating the notion of,moral theology', Kant shows that reason can be practical (or can make a practical use of its ideas) within the sphere of religion." The idea of God is therefore presented as a postulate which is necessary if reason is to be practical (the highest good is necessary). In the four Paralogisms, Kant revisits his long-standing polemic against rational psychology. At stake is the function of the pure ,1 think' as a means of distinguishing two kinds of objects. The I, as thinking, is an object of inner sense and is called ,soul'; while that which is an object of outer sense is called ,body'. 100 Significantly, in this formulation, the perspective of the subject (or the first person) 101 identifies itself with the soul but not with the body. This position defines the aim of rational psychology, which attempts to know the ,1 think' as soul independently of any empirical or experiential determination. The I is soul, not body. We have seen how Kant, in his pre-critical writings (and in the Refutation of Idealism), reverses this claim: An experience of myself, as inner experience, is possible only through outer experience, that is, through the body as my body. I am an embodied being placed in the outer world of space and time. To be sure, as shown in the fourth paralogism, the very possibility of distinguishing „my own existence as that of a thinking being, from other things outside me among them my body" - is already predicated upon my existence in a body and follows analytically from it. 102 While the Refutation of Idealism aims at showing the implications of the empirical proposition J think' - namely, the dependence of inner sense on outer sense - , the Paralogisms show the fallacy of confusing the empirical representation of the thinking subject with the merely logical function ,1 think'. Thus, in the first chapter of the Transcendental Dialectic, Kant directly addresses the more radical undertaking of rational psychology, that is, the assumption of the possibility of knowing the nature of the ,1 think' not only independently of the
99 100 101
The argument is taken up in the Canon of Pure Reason. Cf. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B400/A342. From his transcendental perspective, Kant (Kritik der reinen Vernunft, B404/A346) explicitly replaces the I with „he" or „it" in order to point to the neutrality and impersonality of the „transcendental subject of thinking = x". See W. Sellars, „... this I or he or it (the thing) which thinks ..." Immanuel Kant, Critique of Pure Reason (A346/B404), in: Proceedings of the American Philosophical Association 44 (1970), 5-31; G. Zöller, Lichtenberg and Kant on the Subject of Thinking, in: Journal of the History of Philosophy 30 (1992), 417-441.
102
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B409.
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body but, more generally, independently of any kind of determinate experience. To this extent, rational psychology does not even need to assume the (empirical) certainty of existence that Descartes attached to his ,cogito, ergo sum'. 103 Kant claims that the formality of the logical ,1 think' is the „one and only text of rational psychology". 104 The extent to which inferences can be drawn from that one and only source defines the precarious dividing line between rational and empirical psychology. Since the I is taken as a disembodied thinking being, it is represented as a „thing in itself'. 105 We are back to the doctrine criticized in the Dreams. In the Paralogisms, Swedenborg, Plato, Leibniz, and Wolff all share the natural destiny of reason and the illusion of disembodied ideas that always still try to affirm validity and existence among real bodies. Ultimately, Kant shows that rational psychology is necessarily committed to „idealism" (at least to „problematic idealism"). 106 Insofar as it claims to prove the „existence" of the soul independently of all external things by simply drawing inferences from that initial proposition, it eliminates all necessity to refer to the external world as a source of inner determination. 107 The solipsism of the soul is thereby perfectly justified. Kant directs his critical eye toward the flawed enterprise of transforming analytic inferences into synthetic propositions. With that sole text as its source, rational psychology constructs its claim: The soul is immaterial, incorruptible, has personality and is in commercium with bodies in space. Kant's discussion shows that rational psychology illegitimately converts merely analytic propositions regarding an empty .thinking being in general' into synthetic propositions regarding the existence of the soul. The ground of the fallacy lies in the fact that the synthetic step can be undertaken only by means of a sensible intuition, that is, through the experience of myself, which always implies the presence of my body (outer experience). The idea of the soul, on the contrary, in its very definition, is the idea of a disembodied subject (and, accordingly, is a notion that regards every thinking being in general). Thus, the illusion of rational psychology arises from the confusion of an „idea of reason (the idea of a pure intelligence) with the completely undetermined concept of a thinking being in general". 108 The possibility of abstracting from my empirically determined existence cannot be confused with an alleged consciousness of a possible existence of my think-
103 104 105 106 107 108
Cf. Kant, Kritik Kant, Kritik der Kant, Kritik der Kant, Kritik der Kant, Kritik der Kant, Kritik der
der reinen Vernunft, B405/A347. reinen Vernunft, A343/B401. reinen Vernunft, B401 -402/343-344. reinen Vernunft, B274. reinen Vernunft, B418. reinen Vernunft, B426.
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ing self separate from my body. The merely „logical function" ,1 think' should not be confused with the empirical proposition „I think or I exist thinking." 109 This conclusion brings Kant a step further with regard to his previous critique of rational psychology. For now he grants to the notion of a pure intelligence the status of an „idea of reason". 110 In the light of the Paralogisms, the issue of the reality of ideas is immediately linked to the issue of reason's use of them. If all constitutive use is banned by the exposure of transcendental illusion in the theoretical realm, Kant still allows for a regulative and problematic use of reason's ideas and, more importantly, for their „practical use". 111 The possibility of a practical employment of ideas discloses the possibility (or, at least, the noncontradictory character) of their practical existence. Thereby, the potentialities of the idea of a pure intelligence - or an alleged noumenal reality of the subject as pure spontaneity - is reserved for further developments in the practical sphere. Only in this sphere can the issue of the soul's immortality - with regard to which both „materialism" and „spiritualism" fail in their proof 112 - again be taken up, this time successfully. Significantly, at the end of the Paralogisms, Kant links the idea of a pure intelligence to the idea of an intelligible world. He suggests that the rational idea of the subject may become determinable with regard to a not yet further specified „inner faculty" as being related to „an intelligible world (which can only be thought)". 113 As in the Dissertatio, where Kant introduces ideas in order to complicate the opposition between sensibility's intuitions and understanding's concepts, in the Paralogisms he shows that reason is in possession of rational concepts of its own whose employment must be radically distinguished from the logic of understanding and its syntheses. In other words, the flawed use of the concept of the soul displayed by rational psychology is confined to only one possible employment of reason's ideas and does not rule out that a legitimate use may indeed be found for them. „Should it be granted that we may in due course discover, not in experience but in certain laws of the pure employment of reason - laws which are not merely logical rules, but which, while holding a priori, also concern our existence - , a ground for regarding ourselves as legislating completely a priori with regard to our own existence, and as determining this existence, there would thereby be revealed a spontaneity through which our reality would be determinable, independently of the conditions of empirical intuition." 114 109 110 111 112 113 114
Kant, Kritik Kant, Kritik Kant, Kritik Kant, Kritik Kant, Kritik Kant, Kritik
der der der der der der
reinen reinen reinen reinen reinen reinen
Vernunft, Vernunft, Vernunft, Vernunft, Vernunft, Vernunft,
B428, 429 (my emphasis). B426. B431. B420. B430-431. B430-431 (my emphasis).
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We begin to see the far-reaching consequences of Kant's argument against rational psychology. In the theoretical sphere, he allows for no successor of the metaphysical soul in transcendental philosophy: Herein, the body is the only orientation point for self-knowledge, whereby our experience is significantly limited to our existence „in the present life". 115 In this sphere, psychology necessarily becomes empirical psychology. Rational psychology, for Kant, cannot claim the status of a ,doctrine', but only that of a .discipline' setting limits to speculative reason's employment of its ideas both against materialism and against spiritualism. The merely negative value of psychology is meant to „divert our self-knowledge from fruitless and extravagant speculations to its fruitful practical employment". 116 For it is in the practical sphere that the metaphysical issues raised by the soul as an idea of reason eventually find their legitimate justification. Herein, the soul receives practical existence, while the body is , idealized' in a dimension that is not conditioned by space and time, that is, by the limited experience of this present life. At the end of the Paralogisms, in sketching out the transition from rational psychology to cosmology, Kant suggests the possibility of a new way of confronting human existence, the existence of the subject, an existence which is no longer merely empirical and yet is not the disembodied non-existence of the metaphysical soul. The key to Kant's suggestion lies in the kind of existence that the first Critique, at this point of its development, allows us to think of for the human subject. This is moral existence in the realm of practical reason.
115
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B420-421. See also I. Kant, Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik, in: Gesammelte Schriften, Bd. 20, 309, where Kant claims that „all experience can occur only in life, that is, when soul and body are still united." To assume the contrary would mean the same as to propose the impossible experiment of removing the soul from the body while one is still alive. This, Kant suggests, is the experiment o f someone who „standing before a mirror with closed eyes, when asked what he was doing, replied: ,I just want to know what I look like when I sleep'".
116
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B421. See also G. Hatfield, Empirical, Rational, and Transcendental Psychology. Psychology as Science and as Philosophy, in: The Cambridge Companion to Kant, ed. by P. Guyer, Cambridge 1992, 200-227; P. Kitcher, Kant's Transcendental Psychology, Oxford 1990.
CHRISTOPH ASMUTH
Eine implizite Platon-Rezeption bei Fichte: die Theorie des Gesichts
„Das Gesicht ist Bild Gottes", so lautet ein zentraler Satz aus Fichtes späten Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1812). Wenn man es nicht schon immer gewußt hätte, nun müßte es einem endlich klar werden: Der späte Fichte ist zum Mystiker geworden, zum Meister des hermetischen Sprechens: der alte Fichte - ein metaphernder Metaphysiker, der das kritisch-argumentative Potential seiner Frühphilosophie schlichtweg vergessen und aufgegeben zu haben scheint. Im Aufstieg zum absoluten Ich hat er das Ich und sich selbst überstiegen, bis er im absoluten Licht die absolute Dunkelheit, im Dickicht des Diskursiven das unanschaubare Auge Gottes schaute. Im folgenden soll gezeigt werden, daß Fichtes Denken der Transzendentalphilosophie verpflichtet bleibt - dies auch im Hinblick auf seine Theorie des Gesichts, mit der sich Fichte implizit an Piaton anschließt, besser: indem er Piaton an seine eigene Philosophie anschließt. Denn das Zentrum, um das sich der Kosmos seines Denkens drehte, war seine eigene Philosophie, die Wissenschaftslehre. Die Argumentation wird in vier Schritten verfahren: Zunächst soll kurz Fichtes explizite Platon-Rezeption aufgezeigt werden. Dann wird anhand der Vorlesungen über die Bestimmungen des Gelehrten (1811) und der Wissenschaftslehre 1811 Fichtes Theorie des Gesichts dargestellt und gezeigt, daß es sich dabei um ein transzendentalphilosophisches Projekt handelt. Daran schließt sich eine kurze Überlegung an, die zeigt, daß es sich bei dieser Theorie um eine Interpretation und Transformation ursprünglich Platonischer Gedanken handelt. Am Schluß soll eine kurze methodologische Reflexion stehen, die das systematische Interesse an dieser Thematik beleuchtet.
I. Fichtes explizite Platon-Rezeption Fichte war kein Philosophiehistoriker. Er wollte das auch gar nicht sein, denn er begriff sich als Philosoph, als Selbstdenker par excellence. Im Gegensatz zu
1
Vgl. zu dieser Schrift Fichtes sowie zum Topos im allgemeinen: K. Gregor, Wie ist Weisheit lehrbar? Erörterungen zu J. G. Fichtes „Bestimmung des Gelehrten", in: Aktive Gelassenheit. Festschrift für H. Beck zum 70. Geburtstag, hrsg. von E. Kim, E. Schädel, U. Voigt, Frankfurt a. M., Bern, Berlin, N e w York, Paris, Wien 1999, 341-357.
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Schelling und Hegel, die sich der Philosophiegeschichte mit Detailfreude widmeten, spielten Denker anderer Zeiten kaum eine Rolle für Fichtes produktives Philosophieren. Insgesamt dominiert die Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen. An erster Stelle zeichneten dafür Schelling und Kant: Kant als stets verehrter Lehrer und Vorbereiter, Schelling - nach 1800 zunehmend - als Antipode und Verderber der Transzendentalphilosophie. Piaton wird selten erwähnt, und wenn er erwähnt wird, dann läßt sich daraus kaum auf eine intensive Platon-Lektüre bei Fichte schließen. Einzelne Dialoge werden selten genannt, meist ist es die Res publica. Findet sie Erwähnung, dann nur, um einerseits die Möglichkeit eines apriorischen und philosophischen Staatsentwurfs zu verteidigen,2 andererseits um auf Piatons Ideenlehre hinzuweisen. Dabei ist es gerade die Generation Fichtes, die um ein adäquates PiatonBild ringt und sich insbesondere an der Ideenlehre abarbeitet. Strittig war besonders der Status der Ideen. Handelte es sich bei ihnen um selbständige Entitäten oder Substanzen in einer Art Überwelt oder um reine Begriffe, die für die Erkenntnis und deren Erklärung notwendig sind? Diese Entwicklung eines differenzierten Platon-Bildes scheint Fichte indes kaum oder nur unzureichend wahrgenommen zu haben. Trotzdem stellt sich Fichte in die Traditionslinie Piatons:3 Dessen Ideenlehre ist für Fichte eine Vorform seiner eigenen Philosophie. Ein intensiver argumentativer Umgang mit den Texten Piatons durch Fichte läßt sich daraus allerdings kaum erschließen. Es gibt auch keine Textgrundlage, welche die Vermutung rechtfertigte, Fichte habe mehr von Piaton gelesen als etwa das Höhlengleichnis. Insgesamt scheinen seine Kenntnisse durch Kompendien und Philosophiegeschichtsbücher vermittelt zu sein: Es dominiert der Selbstdenker, der in der Platonischen Ideenlehre eine Art Vorläufer der Wissenschaftslehre entdeckt. So schließt Fichte die Ideenlehre an seine eigene Theorie an. Er lobt die konstitutive Funktion der Ideen für das Allgemeine, das sich in der Welt als Struktur des Empirischen findet. Ebenso hebt Fichte die durchgängige Bestimmung der 2
Etwa J. G. Fichte, Das System der Sittenlehre (1798), in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Bd. 1/5, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1977, 310-311: „Nun aber ist es Foderung der Vernunft, und Veranstaltung der Natur zugleich, daß die gesellschaftliche Verbindung der einzig rechtmäßigen allmählig näher komme. Der Regent, der mit diesem Zwecke den Staat zu regieren hat, muß daher die letztere kennen. Wer aus Begriffen über die gemeine Erfahrung sich emporhebt, heißt, nach obigem, ein Gelehrter, der Staatsbeamte muß daher ein Gelehrter seyn, in seinem Fache. Es könne kein Fürst wohl regieren, der nicht der Ideen theilhaftig sey, sagt Plato: und dies ist gerade dasselbe, was wir hier sagen." Vgl. dazu M. Wundt, Fichte als Platoniker, in: ders., FichteForschungen, Stuttgart 1929, 345-368.
3
Zum expliziten Platon-Bild bei Fichte vgl. C. Asmuth, Metaphysik und Historie bei J. G. Fichte, in: Fichte-Studien 23 (2003), 145-158.
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Wirklichkeit durch das Sollen hervor. Er denkt hier vornehmlich an die Idee der Gerechtigkeit. Allerdings moniert er, daß beide Weltformen bei Piaton zu wenig unterschieden seien: die Weltform des bloß Theoretischen, die auf das Allgemeine des Empirischen verweist und dessen Möglichkeitsbedingungen aufzeigt, und die Weltform des Praktischen, die tätig auf das Besondere in der Welt gerichtet ist. Die Welt, insofern sie nur durch Freiheit möglich ist, also die praktische Weltform, habe Piaton nicht durchdrungen. 4 Die Herkunft dieser idealistischen Lehre, ihren Ausgangspunkt, benennt er stets durch das Wirken Piatons. Damit beschreibt Fichte die Genealogie seiner eigenen Philosophie, der Wissenschaftslehre, deren historisches Beginnen er letztlich mit Piaton identifiziert. 5 Aber Piaton ist auch nicht mehr als ein historischer Anfang. In der Stufenlehre etwa der Anweisung zum seligen Leben (1806), die das geistige Leben in die fünf apriorischen Weltansichten .Sinnlichkeit', Rechtlichkeit', .höhere Sittlichkeit', .Religion' und .Wissenschaft' qua Wissenschaftslehre stuft, ordnet Fichte Piaton der höheren Sittlichkeit oder höheren Moralität zu: „Exemplare dieser Ansicht [seil, der höheren Sittlichkeit] finden sich in der Menschengeschichte, - freilich nur für Den, der ein Auge hat, sie zu entdecken ... In der Litteratur finden sich, außer in Dichtern, zerstreut, nur wenig Spuren dieser Welt-Ansicht: unter den alten Philosophen mag Plato eine Ahndung derselben haben; unter den neuern, Jakobi zuweilen an diese Region streifen." 6 Mitten zwischen Sinnlichkeit und Wissenschaftslehre, also durchaus in einer mediokren Stellung, findet sich Piaton wieder - gemeinsam mit Friedrich Heinrich Jacobi. Beide können, dieser Einordnung zufolge, genauso wenig als Philosophen angesprochen werden wie Kant, wenn man, wie Fichte sagt, „seine philosophische Laufbahn nicht weiter, als bis zur Kritik der praktischen Vernunft verfolgt". 7 Da Piaton und Kant bei Erscheinen der Anweisung bereits verstorben waren, konnte Fichte die Schroffheit seines Urteils nur noch stellvertretend gegenüber Jacobi abmildern. Daher ließ er Jacobi in einem Brief vom 8. Mai 1806 wissen: „Die Stelle, wo im Vorbeigehen Ihrer gedacht wird, werden Sie nicht unrecht verstehen, sondern einsehen, daß ich Ihrer ehrenvolle Erwähnung thun wollte. Welche
4 5
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7
Vgl. J. G. Fichte, Sittenlehre (1812), in: Gesamtausgabe, Bd. 11/13, hrsg. von R. Lauth, E. Fuchs, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 338. Vgl. J. G. Fichte, Logik, Erlangen, 1805, in: Gesamtausgabe, Bd. II/9, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 96; ders., Metaphysik, Erlangen, 1805, ebd., 155-156. J. G. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/9, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, 110. Vgl. dazu C. Asmuth, Wissenschaft und Religion. Perspektivität und Absolutes in der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, in: Fichte-Studien 8 (1995), 1-13. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben, 108.
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Stellen Ihrer Schriften mir dabei vorgeschwebt, wird Ihnen nicht entgehen. Daß Sie jedoch diesen Punkt nicht in vollendete Klarheit gesetzt, noch ihn, als hervorgehend aus dem ganzen Systeme des Denkens, vorgetragen, werden Sie nicht in Abrede setzen wollen. Und so konnte ich nur von daran streifen reden; keineswegs aber von - mit klarer Spekulation nämlich, denn von etwas Anderm ist hier nicht die Rede - von darin wohnen, und zu Hause seyn."& Eine weitere historische Gestalt, die Fichte stets zur Ahnengalerie seiner Wissenschaftslehre zählt, ist Jesus Christus. 9 So kann Fichte mit ungebrochenem Geltungsbewußtsein seine eigene Lehre historisch situieren: „Nicht, als ob unsere Lehre an sich neu wäre, und paradox. Unter den Griechen ist Plato auf diesem Wege. Der Johanneische Christus sagt ganz dasselbe, was wir lehren, und beweisen; und sagt es sogar in derselben Bezeichnung, deren wir uns hier bedienen." 10 Für Fichte ist diese Ahnengalerie kein bloßes Bekenntnis. Es schwingt darin auch keine bloß positive Anerkenntnis des unhintergehbaren historischen Herkommens mit. Vielmehr spiegeln sich darin die Konsequenzen einer apriorischen Verfallsmetaphysik: Geschichte muß beschrieben werden als ein Prozeß zunehmender Verblendung, in dem nur wenige Individuen, wenige Ausnahmeerscheinungen dazu fähig waren, durch spekulatives Talent oder religiöse Genialität wahrhaft zu denken, d. h. selbst zu denken, zu denken, ohne im Sumpf falscher Traditionen und Irrwege zu versinken. Spätantike, Paulinisches Christentum, Kirchenväter, scholastisches Mittelalter, Renaissance, schließlich Aufklärung und mit letzter Steigerung der Verwirrung: Empirismus und Materialismus - eine tragische Kette kontinuierlichen Niedergangs, ein Niedergang allerdings, der den neuen Aufbruch fokussiert: die von Kant implizit entworfene und von Fichte explizit entwickelte Wissenschaftslehre, die Wende zur letztgültigen Perfektionierung der Philosophie, letztlich des Menschen. Sokrates und Jesus symbolisieren zwei ahistorische Gegenpole, die ihren Prinzipien zufolge komplementär entgegengesetzt seien. Jesus, so Fichte, habe geweissagt, daß die formale Wahrheit des Verstandes, wie Sokrates sie entdeckt habe, mit dem Inhalt der Wahrheit, nämlich dem Christentum, zusammengehen werde. Die Weissagung bezieht sich auf die Aufgabe, den Gehalt mit der Form, das Christentum mit der Sokratik, die Popularität mit der Wissenschaft, den
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J. H. Fichte, Brief an F. H. Jacobi vom 8. Mai 1806, in: Gesamtausgabe, Bd. III/5, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, K. Hiller, P. K. Schneider, M. Zahn, Stuttgart-Bad Cannstatt 1982, 355.
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Vgl. D. Schmid, Religion und Christentum in Fichtes Spätphilosophie 1810-1813, Berlin, N e w York 1995; ders., Das Christentum als Verwirklichung des Religionsbegriffs in Fichtes Spätphilosophie 1813, in: Sein - Reflexion - Freiheit. Aspekte der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, hrsg. von C. Asmuth, Amsterdam, Philadelphia 1997, 221-236.
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Fichte, Anweisung
zum seeligen Leben, 73.
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Realismus mit dem Idealismus zu vereinigen - eine Aufgabe, die eine dritte neue Form der Philosophie erfordert: nämlich die Entwicklung einer Wissenschaftslehre als eines dynamischen Systems der Perspektivik, deren Leitbegriffe - seien diese ,Idealismus' oder ,Realismus', ,Sokratik' oder .Christentum' - die Pole signalisieren, zwischen denen sich der Prozeß der Wissenschaftslehre bewegt. Eine Einsicht in das Zugleich der beiden Pole ist nur möglich in ihrer Bewegung durcheinander. Die Weissagung dürfte daher eher als eine Prophezeiung der kritischen Philosophie Kants und ihrer Weiterentwicklung in der Wissenschaftslehre zu bezeichnen sein. Zugespitzt bedeutet das: Jesus ist der Prophet der Wissenschaftslehre, Piaton aber ihr notwendiges formales Element.
II. Fichtes Theorie des Gesichts Fichte war ein Erfinder immer neuer philosophischer Begriffe. Er war überzeugt, daß sich die Sprache durch ihren Gebrauch verbraucht - dies um so mehr, je tiefer sie eindringt in die Sphäre der Philosophie. Dabei weist Fichte dem Philosophen die Fähigkeit zu, über den Sprachgebrauch hinauszugehen, neue Wörter, neue Begriffe für neue Theorien zu erschaffen. Dieses Verfahren steht ganz im Zusammenhang mit Fichtes Einsicht, die Philosophie dürfe nicht zum Anhängsel einer fremden oder historisch vergangenen Position werden, sondern müsse im Selbstdenken bestehen. Philosophisches Selbstdenken korrespondiert daher dem philosophischen Selbstsprechen. Selbstdenken ist aber zugleich Hervorbringung neuen Denkens, das Selbstsprechen daher zugleich Hervorbringung neuen Sprechens. Fichtes Überzeugung entstammt dem Reflex auf die von ihm als dogmatisch und verkrustet erfahrene Schulphilosophie, gebe diese sich nun empiristisch oder rational aufgeklärt. Zeit seines Lebens verachtete Fichte die bloßen Nachbeter der kritischen Philosophie Kants, jene nämlich, die bloß den Buchstaben, nicht aber den Geist des Königsberger Philosophen wiederzugeben trachteten. Schließlich hat er die schmerzhafte Niederlage vor Augen, die er darin erkennt, daß die eigene Ich-Philosophie seines Anfangs, wenn überhaupt, so nur unzureichend verstanden wurde. Fichtes Schlußfolgerung: In allen diesen Fällen entstehen die Verkrustungen durch eine unflexible und statische Sprache, deren Unbeweglichkeit gerade der Beweglichkeit der Theorie nicht angemessen sei. Fichtes Konsequenz: nicht zurück zum gewöhnlichen Wortgebrauch, sondern umgekehrt: auf zu neuen, ungewöhnlichen Wortschöpfungen, die das althergebrachte statische Denken irritieren, verstören und vernichten. 11
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Zu Fichtes Philosophie der Sprache vgl. C. Asmuth, Das Begreifen des Unbegreiflichen. Philosophie und Religion bei Johann Gottlieb Fichte 1800-1806, Stuttgart-Bad Cann-
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Die Bildung eines Neologismus liegt auch Fichtes Theorie des Gesichts zugrunde. Die Benennung stammt ursprünglich aus den populären Schriften, die Fichte zwischen 1806 und 1808 veröffentlichte. Insbesondere in den Reden an die deutsche Nation kündigt sich an, was erst in der Wissenschaftslehre 1811 zu einem zentralen Stück der Fichteschen Philosophie avanciert. Der Begriff des Gesichts vertritt in Fichtes Spätphilosophie den Begriff der Idee. Daß hier nicht ein Wort durch ein anderes ersetzt wurde, läßt sich unschwer erkennen. .Gesicht' meint zu Fichtes Zeiten nicht nur soviel wie ,Antlitz' - also das, was gesehen wird - , sondern auch den Gesichtssinn selbst. Darüber hinaus bedeutet .Gesicht' für Fichte so etwas wie Traum, Prophezeiung, .zweites Gesicht', dies jedoch nicht etwa im wörtlichen Sinne, sondern als Begriff mit metaphorischen Allusionen. Denn es handelt sich um Transzendentalphilosophie. Rein etymologisch findet sich im Begriff des Gesichts also ein Dreifaches: erstens das subjektive Moment des Sehenden im Sehen, zweitens das objektive Moment des Gesehenen im Sehen, drittens das Moment des Übersinnlichen, des Intelligiblen. Alle drei Momente kommen aber zusammen im Begriff des Gesichts. ,Idee' im Sinne Fichtes ist also charakterisiert durch Subjekt-Objektivität und gehört daher einem Bereich des reinen Wissens zu. In den Reden an die deutsche Nation (1808) gibt Fichte eine kurze Erklärung: Etwas, das der geistigen Erfassung „nicht erst durch das dunkle Gefühl, sondern sogleich durch klare Erkenntniss entsteht, dergleichen jedesmal ein übersinnlicher Gegenstand ist, heisst mit einem griechischen, auch in der deutschen Sprache häufig gebrauchten Worte eine Idee, und dieses Wort giebt genau dasselbe Sinnbild, was in der deutschen das Wort Gesicht, wie dieses in folgenden Wendungen der lutherischen Bibelübersetzung: ihr werdet Gesichte sehen, ihr werdet Träume haben, vorkommt. Idee oder Gesicht in sinnlicher Bedeutung wäre etwas, das nur durch das Auge des Leibes, keinesweges aber durch einen anderen Sinn, etwa der Betastung, des Gehörs u. s. w. erfasst werden könnte, so statt 1999, 153-169; W. Janke, Die Wörter „Sein" und „Ding" - Überlegungen zu Fichtes Philosophie der Sprache, in: Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Philosophie Fichtes, hrsg. von K. Hammacher, Hamburg 1981, 49-67; ders., Logos: Vernunft und Wort. Humboldts Weg zur Sprache und Fichtes Sprachabhandlungen, in: Entgegensetzungen. Studien zu Fichte - Konfrontationen von Rousseau bis Kierkegaard, hrsg. von W. Janke, Amsterdam, Atlanta 1994, 23-45; K. Kahnert, Sprachursprung und Sprache bei J. G. Fichte, in: Sein - Reflexion - Freiheit. Aspekte der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, hrsg. von C. Asmuth, Amsterdam, Philadelphia 1997, 191-219; A. M. Schurr-Lorusso, II pensiero linguistico di J. G. Fichte, in: Lingua e Stile 5 (1970), 253-270; J. P. Surber, The Historical and Systematic Place of Fichte's Reflection on Language, in: Fichte. Historical Contexts. Contemporary Controversies, hrsg. von D. Breazeale, Τ. Rockmore, Atlantic Highlands/N. J. 1994, 113127; M. Zahn, Fichtes Sprachproblem [sic!] und die Darstellung der Wissenschaftslehre, in: Der transzendentale Gedanke, hrsg. von Hammacher, 155-167.
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wie etwa ein Regenbogen, oder die Gestalten, welche im Traume vor uns vorübergehen. Dasselbe in übersinnlicher Bedeutung hiesse zuvörderst, zufolge des Umkreises, in dem das Wort gelten soll, etwas, das gar nicht durch den Leib, sondern nur durch den Geist erfasst wird; sodann, das auch nicht durch das dunkle Gefühl des Geistes, wie manches andere, sondern allein durch das Auge desselben, die klare Erkenntniss, erfasst werden kann." 12 In den Reden an die deutsche Nation erhält dieser Neologismus keine besondere theoretische Bedeutung mehr. Er wird vielmehr zu einem Kampfbegriff unter vielen. Auf der einen Seite steht das deutsche Volk, legitimer Erbe der germanischen Vorzeit, auf der anderen Seite das Frankreich Napoleons, das die Ziele der Revolution verraten und damit zugleich gezeigt hat, daß ihm das römische Erbe längst abgestorben ist. So ruft Fichte denn dem von ihm so verachteten Napoleon entgegen: „Ein Volk, das da fähig ist, sey es auch nur in seinen höchsten Stellvertretern und Anführern, das Gesicht aus der Geisterwelt, Selbstständigkeit, fest ins Auge zu fassen, und von der Liebe dafür ergriffen zu werden, wie unsere ältesten Vorfahren, siegt gewiss über ein solches, das nur zum Werkzeuge fremder Herrschsucht und zu Unterjochung selbstständiger Völker gebraucht wird, wie die römischen Heere; denn die ersteren haben alles zu verlieren, die letzteren bloss einiges zu gewinnen." 13 Nach 1808 scheint Fichte diesen Begriff des Gesichts und eine damit möglich gewordene Ideenlehre nicht weiter verfolgt zu haben. Dies mag der Erkrankung Fichtes geschuldet sein. Er litt unter rheumatischen Beschwerden und klagte über eine Augenkrankheit, die ihm lange Zeit das Arbeiten unmöglich machte. Erst 1810 scheint Fichte sich wieder arbeitsfähig zu fühlen. Die Wissenschaftslehre 1811 nimmt den Begriff des Gesichts wieder auf. Systematisch bedeutsam ist der Begriff jedoch vor allem in den Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1811). Im Zentrum steht der Begriff des Wissens. Die Vorlesungen können deshalb auch als populäre Wissenschaftslehre angesehen werden, die hier vermischt ist mit didaktischen und gesellschaftspolitischen Überlegungen. Wissen hat für Fichte zwei grundlegende Formen: nachträgliches Wissen und vorbildliches Wissen. Die Nachträglichkeit charakterisiert ein Wissen, das „blosses Abbild und Nachbild des ausserhalb des Wissens befindlichen, und von dem Wissen ganz u. gar unabhängigen Daseyns" 14 ist. Das Wissen repräsentiert das Gegebene, speichert es auf. Durch Akkumulation ergeben sich Quantitäten 12 13 14
J. G. Fichte, Reden an die deutsche Nation, in: ders., Sämmtliche Werke, hrsg. von I. H. Fichte, 8 Bde., Berlin 1845-46, Nachdr. Berlin 1971, Bd. VII, 317. Fichte, Reden an die deutsche Nation, 390-391. J. G. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1812), in: Gesamtausgabe, Bd. 11/12, hrsg. von R. Lauth, E. Fuchs, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad-Cannstatt 1999,313.
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von Wissen, Mengen von gegebenen Wissensinhalten. In allem quantitativen und positiven Wissen sind nur kontinuierliche Übergänge möglich. Ein Mehr oder Weniger ist immer nur graduell, weil immer das Wissen von einem Faktum zum nächsten übergeht. Darin liegt flir Fichte der Grund, daß das nachträgliche Wissen veraltet. Ein gegenwärtiges Wissen, das dem Gegebenen angemessen ist, wird es morgen so wenig sein, wie das gegenwärtige gegenüber dem gestrigen. Akkumulation, graduelles Mehr oder Weniger machen profundes Wissen mit dem Charakter der Überzeitlichkeit unmöglich. Nach Fichte kann ein nachträgliches Wissen keinen Wert für sich selbst haben. Die Repräsentation ist ihm ein „todtes Bild" des lebendigen Wirklichen, eine „bloße Wiederholung". 15 Hier finden sich für Fichte weder die Authentizität des Wirklichen noch die Autonomie des Wissenden. Das Wissen des nachträglich Wissenden ist eher einer Marionette zu vergleichen, die an den unsichtbaren Fäden des immer schon gegebenen Wirklichen tanzen muß. Anders dagegen das vorbildliche Wissen! Dieses Wissen ist Vorbild des Seins, Grund des Seins, geht dem Sein voraus. Darin zeigt sich der Charakter des vorbildlichen Wissens: Es ist praktisch und tätig, beides in einem transzendentalphilosophischen Sinne. Dieses Wissen bildet die Möglichkeitsbedingung wirklichen Erkennens und Handelns. Deshalb fordert dieses Wissen eine Handlung, es enthält ein Sollen: „Ein praktisches Wissen ist drum ein solches, dem[,] indem es selbst ist, sein Gegenstand nicht entspricht, und dem überhaupt kein Gegenstand entspricht, das drum auch durch keinen Gegenstand bestimmt, noch ein Abbild irgend eines solchen ist und so ein reines, durch sich selbst also gestaltetes Wissen, Abdruk lediglich seiner selbst, nicht eines andern, ein a priorisches Wissen." 16 Hierin zeigt sich ein Machen-Wollen dessen, was nicht ist und darum Nichts ist, ein Machen-Wollen, das sich selbst ein Gesetz gibt, ein Machen-Wollen mit Bewußtsein und durch den Begriff. Hier ist das Wissen kontrafaktisches Vorbild des Seins, „welches Seyn, indem du an das Machen gehst, durch aus nicht ist, und welches seyn wird erst sodann, wenn dein Machen vollendet seyn wird". 17 Das vorbildliche Wissen ist daher zugleich Vorbild des nachträglichen Wissens, welches - in dieser Beziehung - das Nichts des vorbildlichen Wissens ist, eine seinsleere Sphäre für das kontrafaktische Sollen, dessen genetische Potenz in diesem Sollen selbst liegt und aus ihm selbst stammt. Dies ist für Fichte das Wesen des Handelns überhaupt: daß es Apriorizität voraussetzt als ein Sollen überhaupt, genauer: als ein Reich der Zwecke, als intelligible Welt, rein abgeschieden von der Faktizität des Empirischen. „Ein praktisches Wissen ist ein durch sich selbst bestimmtes, also ein bloßes Gesicht, wie die
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Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 314. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 315. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 315.
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deutsche Sprache das griechische Wort Idee treflich ausdrükt, ein solches, das selbst deutlich sich ankündigt, und ausspricht als dasjenige, dem die Realität durchaus nicht entspreche, das kein äusseres Daseyn habe, sondern bloß ein inneres, und das mit keinem außer sich, sondern nur mit sich selbst übereinstimme: - ein Gesicht aus der Welt, die durchaus nicht da ist, der übersinnli18
chen, und geistigen Welt." Das Gesicht ist nach Fichte produktiv. Die Wahrheit des nachträglichen Wissens besteht in der Adäquation, die Wahrheit des vorbildlichen Wissens jedoch in Konstitution und Kohärenz. Das Gesicht ist bildend und formend, entspricht daher niemals dem Gebildeten und Geformten. Nur insofern das Vorbild als Gesicht Vorbild ist, ist ein Abbild als Gesehenes möglich. Im Sehen des Gesichts konstituiert sich das Gesehene. Als Bedingung alles Gesehenen ist das Sehen des Gesichts selbst unsichtbar; es ist übersinnlich. Darin liegt seine Apriorizität: daß es mit der Sphäre des faktischen Seins nur durch den Akt der Konstituierung zusammenhängt, nicht aber selbst wiederum abhängig wäre von dem, was durch das Gesicht gebildet wird. Es bildet die intelligible Welt, die kein äußerliches Dasein hat, eine Welt, der alle Erdenschwere fehlt. Das vorbildliche Wissen ist daher fur Fichte schlechthin durch sich selbst bestimmt. Es ist „in dieser Absolutheit das Bild des innerlichen Seyns und Wesens der Gottheit. Gott allein ist das wahrhaft übersinnliche, und der eigentliche Gegenstand aller Gesichte. Als Bild Gottes, und dadurch, daß es dieses Bild ist, ist auch allein da das Wissen, und es wird lediglich durch das Erscheinen Gottes in ihm getragen",19 Man möge sich nicht täuschen lassen: Was hier als deduktive Theologie auftritt, ist Transzendentalphilosophie! Mit dem Ausdruck ,Gott' bezeichnet Fichte ein Proto-Ich als Subjekt-Objekt, Möglichkeitsbedingung etwa für das absolute Ich der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre von 1793/94 wie auch für alle vorstellungsbezogenen Prozesse des empirischen Ich. ,Gott' bezeichnet eine aus prinzipiellen Gründen für das Wissen uneinholbare erste Möglichkeitsbedingung, den allerrealsten Grund aller Idealität und Reali-
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Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 315-316. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 316-317. August Detlev Christian Twesten, J. G. Fichte im Gespräch. Berichte der Zeitgenossen, hrsg. von E. Fuchs, Bd. 4: 1806-1812, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987, 311-312, berichtet über ein Gespräch mit Fichte, in dem es um die Wissenschaftslehre 1811 ging: „Heute war ich bey Fichte ... Wir sprachen vom Verhältniß seiner alten Wissenschaftslehre zu seiner neuen. Dies ist folgendes. In der alten Wissenschaftslehre geht er v o m reinen Ich aus, welches vorausgesetzt und aus welchem alles Uebrige deducirt wird. Jetzt aber geht er höher, und deducirt dies reine Ich selbst wieder als nothwendige Form der Erscheinung Gottes. Ob dies im Wesen der Wissenschaftslehre liegt, wie Fichte zu behaupten schien, indem er sagte, man habe ihn früher nur niemals weiter kommen lassen, indem man ihn veratheisirt habe, ... will ich nicht entscheiden."
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In der Wissenschaftslehre 1811 entfaltet Fichte seinen transzendentalphilosophischen Ansatz in verschiedenen Stufen auseinander. 21 Die Aufgabe der Wissenschaftslehre setzt Fichte vom Dogmatismus ab. Darunter versteht er eine Theorie, bei der das Denken nachträglich zu den Dingen hinzutritt. Diese Nachträglichkeit erzeugt für den Dogmatiker erst die Erkenntnis. Daher behauptet der Dogmatismus die unabhängige Existenz der Außenwelt. Anders die Wissenschaftslehre! Sie geht umgekehrt vom Primat des Denkens aus, alle Erkenntnis ist folglich eine Bestimmung des Wissens, die Außenwelt nur eine Perspektive des Wissens und daher ihrer Form nach ableitbar. Die Wissenschaftslehre bleibt immer in der Sphäre des Wissens. Die Wissenschaftslehre stellt sich deshalb ein fünffaches Beweisziel. Die Wissenschaftslehre soll aufzeigen: 1. die Selbständigkeit des Wissens, 2. die Mannigfaltigkeit der Gestaltungen im Wissen, 3. die Bestimmungen der Gestaltungen durch sich selbst, 4. die Bestimmung nach notwendigen Gesetzen, 5. die Totalität dieser Bestimmungen in ihrer Endlichkeit. 22 Das Verfahren der Wissenschaftslehre ist problematisch: Sie fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit des Wissens; die Antworten sind deshalb ein theoretisches Konstrukt ohne ontischen oder substantiellen Status. Gleichwohl müssen die von der Wissenschaftslehre abgeleiteten Möglichkeitsbedingungen in allem wirklichen Wissen gegeben sein. Die Wissenschaftslehre ist daher - so Fichte explizit - keine Seinslehre, keine Ontologie, keine Kosmologie, keine Metaphysik. Der problematische Charakter der Wissenschaftslehre spricht sich grammatisch in der Form aus: Wenn Wissen ist, dann notwendig unter genau diesen Bestimmungen. Fichte nennt diese Methode Problematizität. Erst in der unmittelbaren Anschauung, d. i. das wirkliche Wissen in seinem unmittelbaren Vollzug, verwandelt sich die Problematizität in Kategorizität. 23
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Während der vorliegende Beitrag bis auf kleine Änderungen dem entspricht, was ich auf der Bochumer Tagung vortrug, habe ich die folgenden Absätze nachträglich eingefügt. Die Diskussion zeigte nämlich, daß der überwiegende Teil der Diskutanten einhellig der Auffassung war, es handle sich bei der Spätphilosophie Fichtes nicht mehr um Transzendentalphilosophie. Daß zumindest Fichte selbst anderer Auffassung war, hoffe ich zeigen zu können. Ich möchte daher im folgenden meine These untermauern, daß Fichte sich 1811 eindeutig auf dem Boden der Transzendentalphilosophie bewegt - eine These, die allerdings einen systematischen Begriff von Transzendentalphilosophie voraussetzt, den hier zu erörtern nicht der richtige Ort ist.
22
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, in: Gesamtausgabe, Fuchs, Schneider, 144. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 145.
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Bd. 11/12, hrsg. von Lauth,
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Die Wissenschaftslehre beginnt nicht beim unmittelbaren Wissen, sondern bei dessen höchster Voraussetzung. Fichte nennt diese Voraussetzung ,Gott'. Fichte behauptet hier nichts positiv oder dogmatisch von Gott, sondern allein in der problematischen Form: Unter Voraussetzung eines Absoluten (oder Gottes) ist notwendig Wissen, das auf notwendige Weise bestimmt ist. Es ergibt sich unmittelbar das Problem, wie dieses Absolute (oder Gott) gewußt werden kann. Fichtes Antwort: Das Absolute ist auch Wissen, aber nicht als Wissen, ist noch nicht charakterisiert, Wissen ohne als. Erst im Übergang durch das Denken wird der Zusammenhang von Absolutem und Wissen transparent. Das Absolute oder Gott ist die oberste transzendentale Bedingung des Wissens - und zunächst nichts anderes. Nach Fichte ist die Wissenschaftslehre keine Grundsatzphilosophie, weil sie nicht aus einem höchsten Begriff deduziert.24 Sie kann keinen Begriff an die oberste Stelle setzen, der nicht bereits - durch das Wissen - gerechtfertigt ist. Diese Wissensimmanenz erzeugt höchste Notwendigkeit in den Folgerungen. Die Wissenschaftslehre ist keine Erdichtung, sondern Denkzwang, Denkfolge, Denknotwendigkeit, aber nicht Denkspiel. Das Denken hat in sich selbst Objektivität, die in der Wissenschaftslehre abgeleiteten Formen sind auf die Realität hin orientiert. Nur die Wissenschaftslehre kann aufzeigen, daß wir nicht in einer Traumwelt leben, getäuscht von einem gut- oder böswilligen Gott. Dies zeigt sich - so Fichte - allerdings erst in der Selbstableitung der Wissenschaftslehre als letztem Schritt der Wissenschaftslehre. Das ist ein Zirkel, jedoch kein insuffizienter, sondern ein der Natur des Denkens selbst entspringender Zirkel, der für Fichte in der absoluten Selbstreferentialität besteht, die damit zur transzendentalen Grundlage wirklichen Selbstbewußtseins wird.25 Unter dem transzendentalen Vorbehalt der Problematizität kann Fichte nun formulieren: Sein im strengen Sinne besitzt nur die Gottheit. Sie ist Realität und Idealität, Subjekt und Objekt, in sich, durch sich, aus sich selbst - dies in absoluter Einheit. Außer ihm gibt es kein Sein, sondern nur seine Erscheinung. Diese erste Erscheinung Gottes ist erste Äußerung, Offenbarung, primäre Repräsentation, Proto-Wissen. Sie erst ist Gegenstand eines transzendentalen Wissens, das zu Gott selbst, d. h. zu seinem eigenen ursprünglichen Grund nicht vordringen kann, weil es sich als Wissen im Wege steht, weil es aufhören müßte, Wissen zu sein, um wissen zu können, was als unauflösliches eines Sein dem Wissen zugrunde liegt. Das Sein Gottes kann nur gedacht werden, während das Daß seiner Erscheinung faktisch aufgefaßt wird. In dieser Erscheinung erscheint das göttliche Sein, wie es in sich selbst ist, denn es fehlt jeder Grund für eine interne oder externe Differenz. So ist das Sein der Erscheinung zwar ein Sein außerhalb des
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Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 147. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 149.
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Seins, jedoch ist sein Sein nur die formale Wiederholung des ursprünglichen, ein Anderes nur der Form nach. Diese Erscheinung kann wiederum sich erscheinen, was die Sich-Erscheinung des Erscheinens Gottes ergibt: Proto-Selbstbewußtsein. Während das ursprüngliche Sein und seine Erscheinung untrennbar voneinander sind, 26 enthält die Sich-Erscheinung der Erscheinung ein Moment absoluter transzendentaler Freiheit. In der Erscheinung erscheint das ursprüngliche göttliche Sein, in der Sich-Erscheinung jedoch erscheint die Erscheinung, was das Moment der selbständigen, zwar im ursprünglichen Sein gegründeten, aber nicht realisierten Freiheit gibt. 27 Fichte nennt es Vermögen, es kann vollzogen werden oder nicht. Wird das Vermögen nicht vollzogen, gibt es kein Sein außer Gott, nur seine unmittelbare Erscheinung. Wird das Vermögen dagegen vollzogen, entsteht „eine neue, durchaus u. schlechthin aus nichts hervorgegangene Sphäre des Seyns. Eine völlig neue Welt, ausser Gott; obwohl der Möglichkeit nach in ihm gegründet." 28 Die höchste Bedingung des Bewußtseins ist die Freiheit. Die Grundbegriffe, d. h. die Kategorien werden nicht aus der Erfahrung gewonnen, sondern liegen im Wissen selbst. Die Theorie Lockes sei daher eine „wüste; faselnde, nur im Traume oder der Trunkenheit zuzulassende Ansicht", 29 der die Philosophie von Leibniz und Kant zu Recht entgegengetreten sei. Sie haben behauptet, die Kategorien lägen im Wissenden. Fichte rechnet seine Wissenschaftslehre explizit diesen Ansätzen zu, welche die Apriorizität des Wissens und seiner Grundbegriffe behaupten. Es stellt sich ihm jedoch eine zentrale, über diesen Ansatz hinausgehende Frage: „Aber wie will man denn diese Behauptung erhärten [?]. . Etwa durch den Beweiß aus Induktion, daß ohne diese Voraussetzung sich das wirkl. Wissen durchaus nicht erklären läßt? Sodann ist jene Apriorität der Grundbegriffe lediglich ein Faktum des Bewußtseyns, über dessen verborgnen Grund wir keine Auskunft erhalten." 30 Fichte überbietet - seiner eigenen Einschätzung zufolge - die Theorien von Leibniz und Kant in einer wichtigen Hinsicht: Seine Wissenschaftslehre soll nicht nur faktisch behaupten, sondern genetisch ableiten. Sie ist deshalb keine metaphysische Realgenese, sondern methodologische Rekonstruktion der Konstitutionsbedingung wirklichen Wissens.
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Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 178: „Die Form des Absoluten geht bis zum erscheinen, nicht bis zum sich erscheinen. In jenem ersten ist das absolute das Erscheinende; im leztern nicht mehr dieses, sondern das Erscheinen ist das erscheinende. Die Erscheinung erhält ein selbstständiges Seyn." Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 179. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 187. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 196. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 197.
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Seine Wissenschaftslehre soll nicht einen höheren Grad an Evidenz haben, sondern schlechthin evident sein. Dabei bleibt die Wissenschaftslehre — so Fichte - nichts anderes als das, was sie auch schon 1794/95 war: eine Untersuchung über die transzendentale Apperzeption, 31 d. h. eine Lehre vom Wissen. Fichte ist der Auffassung, die Lehre Kants fortzuschreiben, dessen Philosophie sich aber noch ganz auf die faktische Selbstbeobachtung gegründet habe und nicht spekulativ gewesen sei, „weil er sich nicht zum Denken des absoluten erhob". 32 Kant sei deshalb verborgen geblieben, „worin die synthetische Einheit der Apperception bestehe". 3 3 Damit bleibt die Wissenschaftslehre Bewußtseinsphilosophie. Sie entwickelt eine Theorie des Bewußtseins aus dem Bewußtsein für das Bewußtsein, die sich nicht in der faktischen Aufzählung aufgefundener Bewußtseinsinstanzen erschöpft, sondern in ihrem notwendigen Zusammenhang ableitet. Das Wissen selbst ist ihr dabei eine unhintergehbare Voraussetzung: „Das Sehen [seil, das Wissen] ist, ist die Voraussetzung, in sich aufgehend; und in diesem Seyn bricht es sich an sich selbst, also im wirklichen unmittelbaren Sehen bricht es sich an sich selbst: also es sieht sich selbst wirklich u. in der That. Das Eine, u. reine Sehen ist eine unmittelbare sich selbst Anschauung des Sehens: es trägt schlechthin durch sich die Ichform." 3 4 Fichtes Transzendentalphilosophie bleibt eine Theorie der Wissensimmanenz, damit kritische und antidogmatische Philosophie. Sie rekurriert dabei explizit auf die Bedingungen der Möglichkeit des Wissens und der Wissensgegenstände. 35 Fichtes Wissenschaftslehre zeichnet sich als Transzendentalphilosophie aus durch: die Apriorizität der Grundbegriffe, den Primat der transzendentalen Apperzeption und der transzendentalen Einheit, die Immanenz des Wissens, die transzendentale Freiheit; und sie rekurriert auf die Möglichkeitsbedingungen des Wissens, daher nicht auf eine ontische Substantialität, sei diese extern oder intern gegeben. So ist das Erscheinen Gottes nicht eine metaphysische Setzung, sondern eine transzendentale Bedingung im Wissen für das Wissen. Es bedeutet: Es gibt einen aus prinzipiellen Gründen für das Wissen undurchschaubaren Grund, der
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Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 208. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 208. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 208. - Zur Entwicklung Fichtes im Zusammenhang mit der Philosophie Kants vgl. C. Asmuth, Von der Kritik zur Metaphysik. Der transzendentalphilosophische Wendepunkt Kants und dessen Wende bei Fichte, in: Umbrüche. Historische Wendepunkte der Philosophie von der Antike bis zur Neuzeit. Festschrift für K. Flasch zu seinem 70. Geburtstag, hrsg. von K. Kahnert, B. Mojsisch, Amsterdam, Philadelphia 2001, 167-187. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 260. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 226.
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aller Opposition von Wissendem und Gewußtem zugrunde liegt. Die erste ebenfalls nur durch diesen Grund bedingte - für das transzendentale Wissen zugängliche Instanz ist die Freiheit, die als radikale Freiheit nur gedacht werden kann, wenn sie diesen Grund in sich selbst hat. Nun soll aber die Erscheinung als Erscheinung erscheinen. Es soll eine Welt für die Freiheit sein. Aber die Freiheit allein gibt der Erscheinung keine Begrenzung. Zu den Möglichkeitsbedingungen der Welt gehört daher neben der Freiheit auch das Gesetz, das genetisch aus der Erscheinung folgt und bewirkt, daß uns die Welt gegeben erscheint, d. i. der Außenweltcharakter unseres Vorstellungswissens. Ein wirkliches endliches und begrenztes Produkt ergibt sich erst aus der Zusammenwirkung beider, Freiheit und Gesetz. 36 So ist das Gesicht nichts anderes als das absolute Vermögen der Freiheit, jenes intelligible Sollen, das schlechthin unbedingt ist. Dieser Freiheit korreliert das Gesetz, das sich in der Begrenzung der wirklichen Erscheinung, dem wirklichen Nachbild, zeigt. 37 Das Gesicht ist aber ein produktiver Akt des an sich unendlichen Sehens, „das sich an der Begrenzung seiner selbst bricht". 38 Damit hat Fichte in der Wissenschaftslehre 1811 eine transzendentale Begründung des Gesichts gegeben. Es ist die der Wirklichkeit zugewandte Struktur des Sollens, jenes Zusammenwirken von Freiheit und Gesetz zur Bestimmung der Wirklichkeit, die selbst wiederum nichts anderes ist als das Sich-selbst-ansich-selbst-Brechen des unendlichen Wissens als Erscheinung göttlichen Seins. Damit hat Fichte jedoch noch nicht das nachträgliche Wissen transzendental begründet. Auch dieses Wissen muß als Wissen in seiner Notwendigkeit aufgewiesen werden können. „Das Gesicht muß erscheinen, und ausdrüklich erblikt werden, eben als ein Gesicht, als ein durch sich selbst, und keineswegs durch ein fremdes, und außer ihm befindliches bestimmtes Wissen. Das aber kann es nur im Gegensatze mit einem andern Wissen, das da ausdrüklich erscheint als bestimmt durch ein fremdes ausser ihm befindliches Seyn." 39 Die Funktion des nachträglichen Wissens besteht in seiner Negativität. Alles Wissen von sinnlichen Gegenständen erscheint dem Wissenden als von außen gegeben: Das ist der Außenweltcharakter des Gegebenen. Dieser Charakter entsteht nur zu dem Zweck, daß sich an ihm das praktische Wissen bricht. Die Außenwelt ist daher bloß das Material der Pflicht, nichts für sich selbst Bestehendes. Dieses Verfahren Fichtes findet sich bereits in der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre. Und Hegel karikierte es einmal, indem er es mit einem leeren Geldbeutel verglich, der, obwohl leer, doch in der Beziehung auf Geld bestehe. Das Geld könne dann auch aus dem leeren Geldbeutel deduziert werden, weil es in seinem 36 37 38 39
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 270. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 272. Fichte, Wissenschaftslehre 1811, 270 Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten,
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Mangel schon gesetzt sei. Der leere Geldbeutel ist, um im Bild zu bleiben, die Sphäre des Gesichts, das Erfüllung erst findet in seiner Negation, der Sinnenwelt. Fichte: „Das Gesicht ist Bild Gottes, sagte ich; und das sinnliche Wissen von einer gegebnen Welt ist bloß dazu da, damit das erstere als solches zu erscheinen vermöge."41 Das Gesicht als Bild Gottes ist für Fichte ein unendliches Gesicht, das sich in keiner Sinnenwelt vollständig aussprechen kann. „Es tritt drum niemals in der Zeit ein Gottes unmittelbares Bildniß, sondern immer nur ein Bild von seinem zukünftigen Bilde, welches wiederum nur ein Bild ist von dem jedesmal zukünftigen Bilde, und so ins unendliche fort; das eigentliche Urbild aber wird niemals wirklich, sondern liegt über aller Zeit als ewig unsichtbarer Grund und Gesez, und Musterbild des unendlichen Fortbildens in der Zeit."42 Weil jede Wirklichkeit dem Gesicht unangemessen ist, faltet es sich in eine Unendlichkeit von Zuständen aus, welche die Sukzession der Zeit und mit ihr alle Erscheinungen in der Zeit erzeugt. Zeit ist nichts anderes als das in alle Unendlichkeit zerstreute Bild der Ewigkeit, allerdings teleologisch aufgespannt durch die Maßgabe des Gesetzes, das Bild Gottes in der Wirklichkeit zur Erscheinung zu bringen. Das Erscheinen Gottes im wirklichen Wissen ist deshalb ein in die Unendlichkeit fließender Strom, der niemals zu einem festen Bild gerinnt. Es ist ein fortwährendes Bilden immer neuer Bilder. „In diesem ewigen Strome erhalten nun die einzelnen Bilder, und in den Zeitmomenten gehaltene Gesichte ihren Geist aus Gott, ihre körperliche, und bildliche Gestaltung aber entlehnen sie aus der Sinnenwelt; keinesweges als ob diese Gestalt in der lezten gegeben sey, ... sondern daß sie unmittelbar an die Gegebne sich anschließt, und dieses, so wie sie es trift, im blossen Bilde weiter fort bildet."43 Für Fichte folgt daraus die Unabtrennbarkeit der intelligiblen Welt von der Sinnenwelt. Erst in der Vereinigung beider Weisen des Wissens, des vorbildlichen und des nachträglichen, zeigt sich das Wissen in seiner Wahrheit und Totalität.
40
41 42 43
Vgl. G. W. F. Hegel, Glauben und Wissen oder die Reflexionsphilosophie der Subjectivität, in der Vollständigkeit ihrer Formen, als Kantische, Jacobische, und Fichtesche Philosophie, in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4, hrsg. von H. Buchner, O. Pöggeler, Hamburg 1968, 392. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 317. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 318. Fichte, Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, 318.
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III. Die Theorie des Gesichts als verbesserte Platonische Ideenlehre Mit seiner Theorie des Gesichts stellt Fichte eine späte Ideenlehre vor. Sie ist eine Transformation der Ideenlehre Piatons, allerdings in einer speziellen Interpretation durch Fichte. Es ließen sich nun verschiedene Elemente der späten Wissenschaftslehre anfuhren, die den Texten Piatons korrespondieren könnten. Als Beispiel wäre hier das gegensätzliche Verhältnis von Unendlichkeit und Begrenzung anzuführen, das sich auf Piatons Begriffspaar πέρας und άπειρον abbilden ließe, wie Piaton sie im Philebus verwendete. Fichtes transzendentale Deduktion der Zeit könnte ebenso auf die kosmologischen Überlegungen im Timaeus zurückgeführt werden. Darüber hinaus gibt es bereits eine Reihe von Untersuchungen, die sich einem Vergleich Platon-Fichte widmen, etwa zum Begriff des Einen im Platonischen Parmenides und Fichtes Wissenschaftslehre 1804, 2. Vortrag** oder zum Strukturvergleich einzelner Dialoge mit den Werken Fichtes. 45 Schließlich gibt es noch Untersuchungen allgemeinerer Art, die einen systematischen Zusammenhang zwischen Piaton und Fichte konstatieren. 46 Allen diesen Bemühungen ist gemeinsam, daß sie sich nicht darauf berufen können, Fichte habe die Platonischen Texte ernsthaft zur Kenntnis genommen. Bei Fichtes Theorie des Gesichts ist die Lage anders: Sie antwortet auf die explizite Interpretation der Platonischen Ideenlehre. Fichte sieht die Ideenlehre so: „die Dinge seien Abspiegelungen der Ideen, der Gesichte; die Ideen seien die Vorbilder der wirklichen Welt. In diesem Gegensatze ist es nun ganz klar, daß er das objektive und das reine Wissen unterschieden hat ... Nicht klar aber ist, ob ihm die Unterscheidung der beiden objektiven Weltformen, der Welt als Freiheitsprodukt, der praktisch zu erschaffenden, und der schlechthin ohne alle Beziehung auf Freiheit gegebenen empirischen, recht klar geworden ist. In der ersten Rücksicht ist es ganz und gar wahr, und wenn man diese Rücksicht durchsetzen will, so ist es allein wahr. In der letzten Beziehung aber läßt es sich nur in einem sehr untergeordneten Sinne sagen, und sehr vermittelt. Höchstens
44
Vgl. M. Budde-Burmann, Das lebensorientierende Eine bei Piaton und Fichte. Zum Verhältnis von Piatons „Parmenides" zu Fichtes ,„Wissenschaftslehre (1804) 2 ", in: prima philosophia 4 (1991), 11 -31.
45
Vgl. B. Zehnpfennig, Reflexion und Metareflexion bei Piaton und Fichte. Ein Strukturvergleich des Platonischen , Charmides' und Fichtes ,Bestimmung des Menschen Freiburg i. Br., München 1987.
46
Vgl. T. Rockmore, Le concept fichteen de la science et la tradition platonicienne, in: Le Savoir Philosophique, Nice 1977, 31-40; W. Janke, Repeticion de la dialetica. La traducciön de la dialetica platönica a la doctrina de la ciencia de Fichte, in: Anuario Filosojico 11, η. 1 (1978), 75-88.
Die Theorie des Gesichts
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kann man sagen, daß das Ganze zufolge eines Gesichts sei, nicht aber das Besondere." 47 Fichtes Theorie des Gesichts scheint diesem Mangel Abhilfe schaffen zu wollen, behauptet aber ansonsten, daß die Lehre Piatons mit der Wissenschaftslehre kompatibel sei: 1. Die Ideen sind für ihn rein praktisch. Sie zeigen ein unbedingtes Sollen an. Darin sind sie kontrafaktisch, aber produktiv. 2. Die wirkliche Welt folgt der intelligiblen Welt nach; sie ist das Nachträgliche in bezug auf die Ideen, damit etwas Sekundäres, nicht Ursprüngliches. 3. Damit bestimmt die praktische Idee zugleich das Besondere und Einzelne und nicht nur das Ganze als Allgemeines wie die theoretische Philosophie. Darin folgt Fichte der Kritik der reinen Vernunft Kants, der eine Platonische Idee nur im Bereich des Praktischen zuläßt, sie aber im Bereich der Theorie für eine unstatthafte Hypostasierung ansieht. 48 4. Die Ideen sind selbst Bild Gottes. Fichte lädt damit die Platonische Ideenlehre durch eine christlich-augustinisch geprägte imago-Theorie spekulativ auf. 5. Die Ideen sind zwar außerweltlich, d. h. überweltlich im Sinne der Apriorizität, sind aber gleichzeitig in der Welt, die dadurch zur Sphäre der Wirksamkeit für die Ideen wird. Ideenwelt und wirkliche Welt sind eine Welt, eine Welt des Wissens. Ein Weltendualismus unterstellt Fichte der Platonischen Ideenlehre genauso wenig, wie er selbst einen solchen Dualismus intendiert. 6. Die Ideen gehören dem reinen Wissen an, sind daher einzig einer transzendentalphilosophischen Reflexion zugänglich.
IV. Schluß Für den Selbstdenker Fichte besaß die Geschichte des Denkens keinen eigenständigen Wert. Er deduzierte zwar abstrakt die apriorische Struktur der Geschichte, die in fünf Epochen verlaufen sollte. 49 Die konkreten geschichtlichen Ereignisse oder Gedankensysteme wollte er - anders als das Programm Hegels nicht in sein System integrieren. Deshalb erscheint die Philosophiegeschichte bei Fichte merkwürdig verkürzt. Sie gleicht einer Einbahnstraße, die mit Piaton beginnt und mit Fichtes Wissenschaftslehre endet, wobei erstaunlich bleibt, daß Fichte hier auch nur zwei wichtige Stationen kennt: Jesus Christus und Kant. Fichte selbst hätte dies sicher nicht merkwürdig gefunden, sondern auf dem Recht des Selbstdenkers beharrt, das gerade in der Unabhängigkeit von der Ge47 48
Fichte, Das System der Sittenlehre, 42-43. Vgl. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 3, Berlin 1911, B370 Anm.
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schichtlichkeit des Denkens bestehe. Wollten wir genau so verfahren, müßten wir allerdings Fichte vergessen. Uns ζ. B. um seine nachgelassenen Werke zu bemühen wäre fur uns Selbstdenker müßig und täte nichts zur Sache. Geschichtsbewußtsein und Historismus haben unser Verhältnis zur Geschichtlichkeit des Denkens indes radikal verändert. Mit restaurativen Methoden nähern wir uns dem vergangenen Denken, das wir als vergangenes herausheben, wenn wir es in den Horizont seiner Geschichtlichkeit einstellen, auch dann, wenn wir unseren Horizont mit dem geschichtlichen zu verschmelzen trachten. Dagegen wirkt die alles vergegenwärtigende Transzendentalphilosophie Fichtes wie ein Gewaltakt gegen die Spur des Vergangenen. So kann Fichte die Platonische Ideenlehre nur im Licht ihrer Wahrheit, d. h. der Wahrheit der Wissenschaftslehre betrachten. Piaton wird ihm gegenwärtig. Piaton wird zum Streiter für die Wissenschaftslehre, zum Gesprächspartner über Jahrtausende hinweg. Hier entsteht die Frage, was wir verlieren, wenn wir vergangenes Denken bloß restaurieren, ohne es selbst zu denken und im gegenwärtigen Denken vor die Frage unserer Wahrheit zu stellen; - und das umgekehrte Problem: wie wir das Andersartige, Fremde und Unverstandene des Geschichtlichen vor dem identifizierenden Zugriff einseitiger oder verkürzender Interpretationsmaximen schützen können. Beide Probleme dürften detailliertere Antworten erzwingen als die magere Hermeneutik, die Fichte seiner schlichten Platon-Adaption zugrunde legte.
49
Vgl. Fichte, Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1806), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/8, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, I. Radrizzani, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991; dazu H. Traub, Johann Gottlieb Fichte's Populärphilosophie 1804-1806, Stuttgart-Bad Cannstatt 1992, 25-68.
ANNETTE SELL
Plotin und Fichte - zwei Lebensbegriffe
Die Vielgestaltigkeit des Lebens zeigt sich besonders dann, wenn man es philosophisch präzise zu fassen versucht. Eine einfache Definition läßt sich dabei sicherlich nicht formulieren, und so gilt es, das Leben in den verschiedenen Kontexten zu denken. In der Philosophie Plotins und Fichtes spielt der Lebensbegriff in mehreren Schriften und somit auch in unterschiedlichen Zusammenhängen eine Rolle. So spricht bereits der frühe Fichte vom Leben im Sinne des empirischen, organischen und ethischen Lebens, und dieser Begriff durchläuft dann mehrere Bedeutungswandel, bis er schließlich beim späten Fichte als absolutes Leben bestimmt wird. 1 Plotins Denken des Lebens zeigt sich ebenso in den verschiedenen Zusammenhängen. So spielt in seiner Philosophie das Leben in bezug auf den Körper, die Seele und den Geist eine Rolle. 2 Der folgende Text unternimmt nun einen Vergleich zwischen Plotin und Fichte, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Konzeption des Lebensbegriffes beider Denker aufzuzeigen. Den Anstoß zu diesem Vergleich gab die Studie von Hans Michael Baumgartner, dessen „Strukturvergleich der Reflexionsformen" sich auf den Begriff des Absoluten bei Fichte und Plotin richtet. Baumgartner zeigt hier analoge Strukturen der Begriffe und der Weise der Reflexion beider Denker, wobei er zunächst Fichtes Begriff des Absoluten und damit verbunden den Begriff des Seins entwicklungsgeschichtlich nachzeichnet, bis es in der Wissenschaftslehre 18042 zur Einheit von Denken und Sein kommt, deren Grund das Absolute ist.3 Dann folgt er Plotins Denken des Einen, um im dritten Teil Gemeinsamkeiten und Differenzen beider Denker herauszustellen. Auf diesen Abschnitt wird noch im dritten Teil dieses Textes zu verweisen sein. Jens Halfwassen beginnt seine Arbeit über den ,Aufstieg zum Einen' mit einem Zitat aus der Wissenschaftslehre 18042 und zeigt die Nähe zwischen Fichte und Plotin auf, indem er im Zuge der Plotinischen Metaphysik des transzendenten Einen Fichtes Forderung der
1
2 3
Siehe hierzu insbesondere die Arbeit von W. H. Schräder, Empirisches und absolutes Ich. Zur Geschichte des Begriffs Leben in der Philosophie J. G. Fichtes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1972. Zum Lebensbegriff bei Plotin siehe das Buch von G. P. Kostaras, Der Begriff des Lebens bei Plotin, Hamburg 1969. Vgl. Η. M. Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten. Ein Strukturvergleich der Reflexionsformen bei J. G. Fichte und Plotin, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 34, Heft 1 (1980), 321-342, bes. 328 und 329.
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„Zurückfuhrung alles Mannigfaltigen auf absolute Einheit" nennt. 4 Halfwassen und Baumgartner weisen auf Johann Heinrich Loewe hin, der als erster auf strukturelle Parallelen zwischen Plotin und Fichte aufmerksam machte. Loewe vergleicht das Absolute bzw. Hyperabsolute Fichtes mit dem εν Plotins. 5 Dabei finden sich bei Loewe auch Anhaltspunkte in bezug auf eine Ähnlichkeit der Lebensbegriffe beider Philosophen, ohne daß diese Gegenüberstellung eigens ausgeführt ist.6 Nun soll sich der hier zu erarbeitende Vergleich der Lebensbegriffe auf bestimmte Aspekte und d. h. auch auf ausgewählte Texte konzentrieren. Auf diese Weise werden bereits Entscheidungen über das Ergebnis des Vergleiches antizipiert. Es kann nun also nicht darum gehen, eine ausfuhrliche Studie zum Lebensbegriff beider Philosophen zu erarbeiten, 7 sondern es gilt, Momente dieses Begriffes herauszuarbeiten, in denen sich beide Konzeptionen berühren. Für diese Aufgabe werden besonders die Begriffe .Denken', ,Leben' und ,Sein', wie sie bei Plotin als Trias gedacht werden, im Vordergrund des Vergleiches stehen. Diese Trias ist vor dem Hintergrund des Platonischen Dialoges Sophistes zu denken, insofern das Verhältnis der drei Begriffe hier entwickelt ist.8 So soll sich der folgende Vergleich der Lebensbegriffe vornehmlich auf die Enneade III 8 und auf Fichtes Wissenschaftslehre 18042 stützen, in der Fichte den Zusammenhang von Ich bzw. Denken, Leben und Sein darstellt. Die Aufgabe des Vergleichs beider Philosophen legt folgende Gliederung nahe. Zunächst soll der Lebensbegriff Plotins im Hinblick auf das Leben des Geistes betrachtet werden. In einem zweiten Schritt wird der Begriff des Lebens analysiert, wie ihn Fichte insbesondere in der Wissenschaftslehre 18042 entwickelt. 9 Der dritte Abschnitt umfaßt die vergleichende Betrachtung beider Lebensbegriffe.
4
J. Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen 1992, 11.
zu Piaton und Plotin, Stuttgart
5
Vgl. J. H. Loewe, Die Philosophie Fichtes nach dem Gesammtergebnisse ihrer Entwikkelung und in ihrem Verhältnisse zu Kant und Spinoza. Mit einem Personen- und Stichwortregister sowie einem Verzeichnis der zitierten Schriften von W. G. Jacobs, Hildesheim, N e w York 1976, Nachdr. der Ausgabe Stuttgart 1862, 171.
6 7
Vgl. Loewe, Die Philosophie Fichtes, 48, 264-265. Derartige Arbeiten liegen für Fichte von W. H. Schräder und für Plotin von G. P. Kostaras vor; vgl. Anm. 1 und 2.
8
Vgl. Piaton, Sophistes 248e2-249d7. Zu den philosophiehistorischen Hintergründen dieser Trias bei Plotin, insbesondere zu dem Bezug auf den Dialog Sophistes, vgl. P. Hadot, Etre, vie et pensee chez et avant Plotin, in: Les sources de Plotin. Entretiens sur l'Antiquite classique, Tome V, Genf 1960, 107-141.
9
Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten, stellt in seinem Text zunächst Fichte und dann Plotin dar. An dieser Stelle ist im Sinne der Chronologie die umgekehrte Reihenfolge gewählt.
Zwei Lebensbegriffe
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I. Leben bei Plotin Um das Leben im Bereich des Geistes zu verstehen, ist seine Beziehung auf Denken und Sein zu betrachten. So muß gezeigt werden, wie die Identität von Denken und Sein 10 zu verstehen ist und sich das Leben mit diesen Begriffen verbindet. An mehreren Stellen der Enneaden zeigt Plotin die Identität des νους mit dem Sein. An dieser Stelle ist nur auf die Argumentation in Enneade V 9, 5 hinzuweisen, um das Verhältnis von Denken und Sein anzudeuten. Hier geht es Plotin darum, das Wesen des Geistes zu prüfen. Er fragt, ob der Geist vom Sinnlichen getrennt ist, ob er das Seiende ist oder ob in ihm die Ideen sind. 11 Die Argumentation verläuft nun so, daß Plotin sagt, daß alles, was zusammengesetzt ist, ist. So ist ζ. B. der Mensch zusammengesetzt aus Seele und Leib. Die Seele ist ihrerseits vom Geist mit rationalen Formen ausgestattet worden. Der Geist ist also vor der Seele. Das Rationale ist aber nicht etwas, was außerhalb des Geistes ist, sondern das, was der Geist denkt, ist aus ihm selbst. „Denkt er aber aus sich und von sich selbst, so ist er selbst das, was er denkt." 12 Sein und Denken sind also dasselbe. Festzuhalten bleibt nun, daß der νους identisch mit seiner Tätigkeit, d. h. mit dem Denken und dem Gedachten, d. h. also mit dem Sein ist. Der νους ist so der Ort des Seins. Um vor diesem Hintergrund nun die genannten drei Begriffe ,Denken', ,Leben', ,Sein' in ihrem Zusammenhang zu sehen, ist insbesondere auf die Enneade III 8 einzugehen. Ausgangspunkt der Enneade ist die Frage nach der Betrachtung bzw. θεωρία, nach der alle Dinge verlangen. Plotin entwickelt den Gedanken, daß in der Natur eine rationale Formkraft ist. Die Natur ist nicht nur das Ergebnis der Betrachtung bzw. Betrachtetes, sondern sie ist auch selbst Betrachtung. Natürlich, so schränkt Plotin ein, handelt es sich hier nicht um eine Betrachtung, die einer logischen Reflexion entspringt, doch „warum sollte sie [seil, die Natur] diese Betrachtung nicht haben, wo sie doch Leben, rationale Form und wirkende Kraft ist?" 13 Die Natur selbst ist also Leben, und so hat der Lebensbegriff auch diese natürliche Komponente, wobei der Natur zugleich die rationale Form zugeschrieben wird und sie somit mehr als bloße Materie ist. Nun ist die Natur auch noch Seele, insofern diese jener vorausliegt. Die θεωρία steigt also von der Natur auf zur Seele und dann zum Geist. Im Geist sind dann das Betrachtete und die Betrachtung in der Einheit, „die nicht mehr auf Wesens-
10
Vgl. W. Beierwaltes, Plotin. 1981, 26-31.
Über Ewigkeit
und Zeit (Enneade
III 7), Frankfurt a. M.
3
11
Vgl. Plotinus, Enn. V 9, 5, 1-8. - Die Zitate zu Plotin sind folgender Ausgabe entnommen: Plotins Schriften. Übers, von R. Harder. Neubearb. mit griechischem Lesetext und Anm. fortgeführt von R. Beutler, W. Theiler, Hamburg 1956-1971.
12 13
Plotinus, Enn. V 9, 5, 6-7. Plotinus, Enn. III 8, 3, 14-15.
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aneignung beruht wie noch bei der besten Seele, sondern auf Wesenheit, darauf, daß ,Sein und Denken dasselbe' sind". 14 Dabei handelt es sich um eine „lebendige Betrachtung". 15 Das Betrachtete ist nämlich nicht als ein anderes in der Betrachtung. „Wenn also ein Betrachtetes und ein Gedachtes Leben haben soll, so muß es Leben an sich sein, nicht vegetatives oder wahrnehmendes oder sonst seelisches Leben." 16 An dieser Stelle deutet sich also die Bedeutung des Lebens für das Denken an. Leben ist sowohl im Betrachteten als auch in der Betrachtung. Plotin spricht hier von αΰτοζωή. Es gibt demnach ein Selbstleben, das nicht im sinnlichen Bereich, sondern im intelligiblen Bereich ist, und in den folgenden Schritten zeigt Plotin, daß Leben und Denken dasselbe sind, denn „alles Leben ist irgendwie Denken", 17 wobei es höhere und niedere Formen des Lebens und des Denkens gibt. Der Geist, der sich selbst Gegenstand und somit sich seiner selbst bewußt ist, ist mit dem Sein identisch, und als solcher ist er ein lebendiger Geist. Denken, Leben und Sein bilden eine Einheit. Diese Einheit betrachtet er nun aber nicht als Eines, sonst würde der Geist nicht entstehen. Die Einheit wird also zur Vielheit. Im Rahmen der Darstellung der Triadik des Proklos und deren Deutung durch Hegel parallelisiert Jens Halfwassen den Inhalt bzw. die Aufgabe der einzelnen Elemente der Triade in der Philosophie Proklos' mit Plotin. „Wie Plotin, so denkt auch Proklos das Sein als die Einheit aller Ideen im seienden Einen, das Leben als die Selbstentfaltung (άνέλιξις) der Einheit des seienden Einen in die Vielheit der besonderen Ideen und das Denken als die in der Einheit des Seins entfaltete Vielheit der Ideen oder als das in seiner Selbstentfaltung in die unterschiedenen Ideen in ungeteilter Einheit und Ganzheit bei sich bleibende seiende Eine, das sich in seinen Momenten auf sich selbst bezieht und so im Vollzug seiner Entfaltung in sich selbst zurückkehrt,"18 Es zeigt sich vor dem Hintergrund der oben entwickelten Argumentation Plotins in den Enneaden V 9 und III 8 sowie in diesem Zitat die begriffliche Verbundenheit von Denken, Leben, Sein. Werner Beierwaltes spricht in diesem Zusammenhang von einem „dynamischen Ineinander" von Denken und Sein. 19 Die Frage, was denn diese δύναμις ausmache, beantwortet er mit dem Leben. Dem Lebensbegriff kommt in dieser Trias also die Aufgabe des Bewegenden zu. Beierwaltes faßt prägnant zusammen: „Leben als Identitätsakt von Denken und
14 15 16
Plotinus, Enn. III 8, 8, 7-8. Plotinus, Enn. III 8, 8, 11. Plotinus, Enn. III 8, 8, 12-14.
17 18
Plotinus, Enn. III 8, 8, 17. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen physik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Bonn 1999, 445.
19
Beierwaltes, Plotin. Über Zeit und Ewigkeit,
28.
zur MetaDeutung,
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Sein. Denken als ein durch das Leben vermitteltes Denken des Seins, Sein als 20
ein sich selbst denkendes Leben oder lebendes Denken." Im weiteren Verlauf der Enneade III 8 fragt Plotin nach der Beschaffenheit des Geistes. Jenseits des Geistes, der ja noch Leben ist, ist das Eine, nicht Zusammengesetze und somit Höchste, das vor dem Geist liegt. Dieses Eine ist der Ursprung. Es ist vor allem anderen und ist somit auch der Ursprung des Geistes, des Seins und des Lebens. Über das Leben hinaus geht also die Ursache des Lebens, und die Vielheit des Lebens stammt aus der Nicht-Vielheit, die die Einheit ist. Von dem Einen heißt es, daß „nichts von ihm ausgesagt werden kann, nicht Sein, noch Wesen, noch Leben."21 Dieses Eine, das als absolute Transzendenz die Voraussetzung für das Viele ist, ist also die höchste Stufe in der Plotinischen Philosophie und liegt jenseits der drei oben entwickelten Begriffe, d. h. jenseits des Denkens, des Seins und des Lebens. Um nun aber noch ein vollständigeres Bild des Lebens bei Plotin zu erhalten, sollen in einem kurzen Ausblick weitere Kontexte betrachtet werden, in denen das Leben steht. Es ist ja nicht nur im Bereich des Denkens und des Seins eine bewegende Kraft, sondern auch in bezug auf den Körper. Die Ursache dieser Bewegung ist aber die Seele: „Sie gibt dem beseelten Leib erst das Leben, welches sie selbst von sich aus hat und niemals verliert, da sie's von sich selber hat."22 Es muß nämlich etwas geben, was ursprünglich lebt. Das körperliche Leben ist dabei ein Werden, wobei aber eben nur etwas werden kann, weil es ein unveränderliches Sein bzw. die Seele gibt.23 Da sie das Prinzip des Lebens ist, lebt sie also, wobei Plotin aber zuvor gezeigt hat, daß die Seele nicht Körper ist. „Die Seele aber ist eine einheitliche und einfache Wesenheit, die aktual Leben hat."24 Der Aufstieg vollzieht sich vom Körper zur Seele und dann zum Geist, der seinerseits, wie oben gezeigt, Leben hat. Neben dieser theoretischen Bestimmung des Lebensbegriffes zeigt Plotin auch an vielen Stellen die Fülle und den Reichtum des empirischen Lebens auf der Welt, wobei diese Welt nur ein Abglanz der höheren Welt bleiben kann; das Ziel des Lebens ist das Streben nach dem Einen und der Aufstieg zu diesem. Zusammenfassend bleibt zum Charakter des Lebensbegriffes zu sagen, daß sich das Leben in ein Verhältnis setzen kann und somit ein Bewegtes ist. Wie sich Johann Gottlieb Fichte dem Leben besonders in Beziehung auf Denken und Sein zuwendet, ist nun in einem zweiten Schritt zu erörtern.
20 21 22 23
24
Beierwaltes, Plotin. Über Zeit und Ewigkeit, 32. Plotinus, Enn. III 8, 10, 30-31. Plotinus, Enn. IV 7, 9, 8-10. Kostaras, Der Begriff des Lebens bei Plotin, 24, geht sogar soweit zu sagen, daß das Problem des Wesens des Lebens bei Plotin identisch mit dem Problem des Wesens der Seele zu sein scheint. Plotinus, Enn. IV 7, 12, 12-14.
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II. Leben bei Fichte Die Vorträge von 1804 stehen in einem gedanklichen und entwicklungsgeschichtlichen Kontext der Bemühungen Fichtes um eine Wissenschaftslehre, in welcher das Leben stets thematisiert wurde und unterschiedliche Bedeutungen erhielt. Um die drei oben im Hinblick auf Plotin entwickelten Begriffe .Denken', .Leben' und .Sein' in der Wissenschaftslehre 18042 Fichtes zu denken, wird das Leben im folgenden besonders im XV. und XVI. Vortrag betrachtet, da hier in pointierter Weise gesagt wird, wie das Leben und das Sein in eine Einheit gehören. Es wird also insbesondere von Fichtes abschließenden Gedanken zur Wahrheitslehre ausgegangen. Die vorangegangenen Vorträge haben zu diesem Lebensbegriff hingeführt. Der Aufstieg zum absoluten Prinzip wird an dieser Stelle nicht in seinen einzelnen Schritten dargestellt. Ziel ist es zu zeigen, wie das Leben in der Wahrheitslehre gedacht wird und welchen Ort es in dieser Aufstiegsbewegung erhält. Durch die Vernichtung des absoluten Begriffs versucht Fichte einen Einheitspunkt zu finden, wobei der absolute Begriff hierzu aber zuvor gesetzt werden muß.25 Die Argumentation erfolgt anhand des Lichtes, das die „Vernichtung des Begriffes ist, ein Unbegreifliches wird. Und so ist nun das reine Licht als der Eine Mittelpunkt und das Eine Princip sowohl des Seins als des Begriffes durchdrungen".26 Um die Begriffe ,Sein', ,Leben' und .Denken' in Beziehung zu setzen, ist also die Bedeutung des Lichtes zu betrachten. Das Licht ist kein im Bewußtsein vorgestelltes, es ist selbständig sowie ewig und absolut; und nur durch die Vernichtung des Begriffes kommt es zur Äußerung dieses Lichtes.27 „Zuvörderst, wir setzen schlechthin, und sehen ein Leben als nothwendige Bestimmung des Seins des Lichtes, ohne welches es auch nicht einmal zu einem Sein kommt, und sondern im Lichte selber sein Wesen an sich, und sein Sein, das da nur lebendiges Sein sein kann."28 Leben gehört also zum Sein des Lichts, denn ohne das Leben käme es gar nicht zu seinem Sein. Zur näheren Bestimmung des Lichts verweist Fichte darauf, daß sich das Licht in Sein und Denken spaltet, wobei diese Spaltung nur in der Einsicht und nicht im Licht selbst liegt: „Das inwendige Leben des Lichtes selber, von sich, aus sich, durch sich, ohne alle Spaltung, in reiner Einheit; das eben nur im [unmittelbaren Leben ist, und sich hat, und sonst nirgends. Es lebe, so wird es eben leben und erscheinen, und 25
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Bd. II/8, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, E. Ruff, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1985, 60.
26 27 28
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 58. Vgl. hierzu Schräder, Empirisches und absolutes Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 96.
Ich, 160.
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ausserdem giebt es keinen Weg dazu."29 Durch dieses Zitat wird deutlich, wie Leben und Licht miteinander verbunden sind, so daß Fichte beide Begriffe im X. Vortrag gleichsetzen kann. „Also es ist gesetzt ein absolutes inneres Leben des Lichtes-, das nur ist im Leben selber, und ausserdem gar nicht."30 Es besteht also die Einheit von Licht und Leben. Da ja das innere Leben der äußeren Einsicht nicht zugänglich ist, ist es nur negativ begriffen, „wir haben es, und wir sind es."31 Fichte sagt, daß die Einsicht im lebendigen Lichte vernichtet wird.32 Die Einheit kann also nicht in einem Begriff gefaßt werden, sie muß gelebt werden; und die Spaltung des Lichts in Sein und Denken kann nur auf der Seite des Begriffs liegen. Nun muß also der Begriff in bezug auf das Leben näher betrachtet werden. Im X. Vortrag beginnt Fichtes Argumentation, indem er den Begriff des .Durch' entfaltet. Das Durch ist das „innere durchaus unveränderliche Wesen des Begriffes".33 Mit dieser substantivierten Präposition versucht Fichte zum Einheitsgedanken wieder ein Stück aufzusteigen. Am Ende des X. sowie im XI. Vortrag zeigt er die Verbindung von Durch und Leben, so daß er schließlich zum lebendigen Durch gelangen kann, wobei das Leben die Voraussetzung dieses Durch ist.34 Schon im VII. Vortrag sprach Fichte von „einer vorauszusetzenden organischen Einheit des Durcheinander",35 Hiermit charakterisierte er den Urbegriff, durch den die Einheit von Bild und Abgebildetem als Durcheinander zusammengehalten wird. Die Einheit ist lebendige, und bereits hier zeigt sich, wie ein Begriff des Lebendigen dem Einheitsgedanken zugrunde liegt. Die entscheidenden Hinweise zum Durch gibt er dann im XI. Vortrag. Zunächst meint das Durch nur eine Zweiheit, es soll aber eins ins andere übergehen, „also es bedarf einer lebendigen Einheit zur Zweiheit. Es ist durchaus klar, daß das Leben als Leben nicht im Durch liegen könne, obwohl die Form, welche hier das Leben annimmt, als ein Uebergehen von Einem zum Andern, im Durch liegt".36 So gelangt Fichte zu dem Ergebnis, daß das Durch ein „durchaus in sich selbst begründetes Leben" voraussetzt.37 Das Durch ist also nicht im Durch selbst ursprünglich.38 29 30 31 32 33 34
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 120. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 142. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 144. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 146. 2 Fichte, Wissenschaftslehre (1804 ), 154. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 160, 166. - Zum Verhältnis von Durch und Leben vgl. L. de Vos, Wahrheitslehre in der Wissenschaftslehre (1804), in: Die Spätphilosophie J. G. Fichtes, hrsg. von W. H. Schräder (= Fichte-Studien Band 17), Amsterdam, Atlanta 2000, 223-238, hier: 230, 231.
35 36 37 38
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 104. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 160. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 160. W. Janke, Einheit und Vielheit. Grundzüge von Fichtes Lebens- und Bildlehre, in: Ein-
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Vorausdeutend auf das Resultat seiner Wahrheitslehre kann Fichte hier sagen: „Dieses Leben daher ist das wahre Absolute, und in ihm innerlich geht alles Sein auf."39 Die Bestimmung des Lebens als Absolutes ist für die Gegenüberstellung mit dem Lebensbegriff Plotins festzuhalten. Das Absolute hat in seiner absoluten Immanenz also die Bestimmung des Lebens und des Seins.40 Im vergleichenden Teil soll entwickelt werden, welche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Konzeptionen des Lebens bestehen; und dieser Vergleich der Lebensbegriffe ist nicht ohne eine Gegenüberstellung des Absoluten und des Einen möglich. Eine detaillierte Analyse von Fichtes Fortschreiten zum absoluten Prinzip kann an dieser Stelle nicht vorgenommen werden; es geht hier lediglich darum zu zeigen, in welchen begrifflichen Verbindungen das Leben, das „das von sich selbst begründete, und von sich selber gehalten und getragen"41 ist, steht, um schließlich mit dem Sein in eine Einheit zu gehören. Vor diesem Hintergrund können nun der XV. und der XVI. Vortrag betrachtet werden. Fichte faßt hier seine Gedanken zur Wahrheitslehre zusammen und bringt sie „mit Einem Schlage"42 auf den Punkt. Damit ist der Einheitspunkt gemeint, dessen Auffinden die Wahrheitslehre intendierte und in dem alle Gegensätze (Vorstellung und Gegenstand, Subjekt und Objekt, Idealismus und Realismus usw.) in einer Einheit aufgehoben sind. „Es ist daher, um uns auf eine scholastische Weise auszudrücken, construirt, als ein esse in mero actu, so daß beides Sein und Leben, und Leben und Sein durchaus sich durchdringen, ineinander aufgehen, und dasselbe sind, und dieses dasselbe Innere das Eine und alleinige Sein."43 Somit besteht die Einheit als Einheit von Sein und Leben, außerhalb derer nichts sein kann. Das Sein kann also nicht vom Leben getrennt sein, es ist „unmittelbar im Leben selber".44 Nun leben auch wir (oder ich bzw. der Denkende) „unmittelbar im Lebensakte selber",45 und dabei handelt es sich um ein wir in sich, das nur durch das unmittelbare, aktuelle Leben selber ist. heitskonzepte in der idealistischen und in der gegenwärtigen Philosophie. Ergebnisse eines Symposiums (Luzern 1986), hrsg. von K. Gloy, D. Schmidig, Bern, Frankfurt a. M., N e w York, Paris 1987, 73-107, hier: 45, vergleicht das .Durch' und Piatons Dialektik. „Nach platonischem Vorgang kommt der B e g r i f f - die Idee - in einer Bewegung zustande, welche ein Seiendes-selbst durch Unterscheidung von allem Anderen feststellt, das es nicht ist." 39 40
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 166. Zu den verschiedenen Bestimmungen des Absoluten in der vorliegende Wissenschaftslehre vgl. C. Asmuth, Begreifen des Unbegreiflichen, Philosophie und Religion bei Johann Gottlieb Fichte 1800-1806, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, 247-253.
41 42 43 44 45
Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte,
Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre
(18042), (18042), (18042), (18042), (18042),
170. 228. 228. 230. 230.
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Hier zeigt sich die Verbindung von Sein (esse), Leben (actus) und Ich bzw. Denken. Da das Sein (das unmittelbar im Leben ist) ein in „sich geschlossenes Ich" ist,46 kann es auch kein Bewußtseinsgegenstand sein. Es ist also immanent, hat kein Äußeres und richtet sich auch auf kein Äußeres. Jetzt ist die Einheit von Sein und Leben, die „als absolutes Ich vorkommt", bestimmt. 47 Daher kann Fichte im XVI. Vortrag den Grundsatz aufstellen: „das Sein ist durchaus ein in sich geschlossenes Singulum des Lebens und Seins, das nie aus sich heraus kann" 48 Hier schließen Fichtes Gedanken zur Wahrheits- und Vernunftlehre, denn hiermit ist alles über das Sein gesagt, was überhaupt über dasselbe gesagt werden kann. Wie das Sein erscheint, wird im zweiten Teil der Wissenschaftslehre, der Erscheinungs- bzw. Scheinlehre oder Phänomenologie, entwickelt. Festzuhalten ist, daß der erste Teil die Grundlage für die Ableitung des absoluten Wissens im zweiten Teil ist. Noch im XVI. Vortrag bereitet Fichte seine Hörerschaft auf diese neue Aufgabe vor 49 Die Ausführungen über das Leben haben also gezeigt, wie Fichte die Einheit in der Wissenschaftslehre 18042 denkt, d. h. wie Leben, Sein und Ich zusammengehören. Dabei wird das Leben zu einer Bestimmung des Absoluten. In diesem Kontext sind die Beobachtungen von Günter Zöller über das Verhältnis von Leben und Wissen beim letzten Fichte heranzuziehen, um auf die Weiterentwicklung des Lebensbegriffes ab 1807 hinzuweisen. 50 Im Diarium Fichtes aus den Jahren 1813 und 1814 wird das Sein vom Leben völlig getrennt. „Mit der Einschränkung des Seinsbegriffs auf bildliches, ichlich gebildetes Sein geht einher, daß das Unabhängige, wahrhaft Absolute als .Leben', insbesondere als ,absolutes' oder .göttliches Leben' verstanden wird." 51 So erhält hier das Leben eine noch ausgezeichnetere Stellung und wird ohne den Seinsbegriff mit dem Absoluten identifiziert. Im Hinblick auf den Vergleich mit Plotin ist zu erwähnen, daß Fichte von „Voraussetzung des Lebens, als des Einen wahrhaften" spricht.52 In der Wissenschaftslehre 18042 wurde zwar die Einheit von Leben und Sein dargestellt, der Begriff des Einen wurde aber nur direkt auf das Sein bezogen. Das Leben galt hier noch nicht als das Eine. 53 In der Wissende 47 48 49
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 230; vgl. ebd., 234. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 240. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 242. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 242-254. - Zur Bedeutung des Lebens in der Erscheinungslehre vgl. Schräder, Empirisches und absolutes Ich, 165-175.
50
G. Zöller, Leben und Wissen. Der Stand der Wissenschaftslehre beim letzten Fichte, in: Der transzendental-philosophische Zugang zur Wirklichkeit. Beiträge aus der aktuellen Fichte-Forschung, hsrg. von E. Fuchs, M. Ivaldo, G. Moretto, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 307-330.
51 52 53
Vgl. J. G. Fichte, Diarium III (V, 3), 3r, zitiert nach Zöller, Leben und Wissen, 316-317. Vgl. Fichte, Diarium III (V, 3), 1 lr, zitiert nach Zöller, Leben und Wissen, 317. Dazu vgl. die folgenden Stellen bei Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 228: „Es ist
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schaftslehre 18042 ist das Leben noch in sich selbst begründet; wird aber von sich selber gehalten und getragen. 54 Zusammenfassend ist zum Lebensbegriff in der Wissenschaftslehre 18042 zu sagen, daß Fichte sein methodisches Fortgehen im V. Vortrag als Aufsteigen von den „faktischen Gliedern" zu den „genetischen" beschreibt, um zur „absoluten Genesis, zur Genesis der W.-L. hinaufIzu]kommen". 55 Dabei stellt er zunächst zum Licht das Leben, entwickelt dann die Beziehung von Durch und Leben, bis er schließlich Leben und Sein in einer Einheit faßt. Johann Heinrich Loewe, der bereits oben genannt wurde, stellt die drei Begriffe ,Denken', ,Leben', ,Sein' in ihrer lebendigen Verflechtung bei Fichte dar. „Alle Realität, die überwirkliche wie die wirkliche, in übersinnlicher Reinheit wie in sinnlicher Trübung, ist Leben und als solches Bewegung, ohne Stillstand, aber gedacht gerinnt sie zu Sein. Demnach gibt es nirgends an sich ein Sein, sondern lediglich fiir und durch das Denken. Zu dieser höchsten Erkenntnis seiner als der allgemeinen absoluten Existenzialform gelangt das Denken dadurch, dass es sich selber rein denkt, und erst mit diesem Verständnisse seiner pulsirenden Bewegung ist der Prozeß des absoluten Lebens ganz begriffen." 56
III. Plotin und Fichte im Vergleich Nun muß an dieser Stelle schließlich auch die Frage nach dem Nutzen eines Vergleichs zwischen Plotin und Fichte gestellt werden. Es kann kein historischer Vergleich sein, da sich Fichte nicht direkt auf Plotin bezogen hat. Es sind aber in den Denkweisen und besonders in der Konzeption der Begriffe des Absoluten bzw. des Einen bei Fichte und Plotin Ähnlichkeiten festzustellen, so daß diese Begriffe durchaus einander gegenübergestellt werden können; gleichzeitig zeigen sich in einem Vergleich Unterschiede, die zu einer schärferen Konturierung des jeweiligen Denkens führen können. Vielleicht läßt sich so ein besseres Verständnis der Bestimmung und des Zusammenhangs der oben dargestellten Begriffe erreichen. An dieser Stelle sollen Aspekte dieses Vergleichs entwickelt werden.
daher, um uns auf eine scholastische Weise auszudrücken, construirt, als ein esse in meto actu, so daß beides Sein und Leben, und Leben und Sein durchaus sich durchdringen, ineinander aufgehen, und dasselbe sind, und dieses dasselbe Innere das Eine [Hervorhebung A. S.] und alleinige Sein"; ebd., 230: „Wir leben daher aber unmittelbar im Lebensakte selber; wir sind daher das Eine [Hervorhebung A. S.] ungetheilte Sein selber, in sich, von sich, durch sich, das schlechthin nicht herausgehen kann zur Zweiheit." 54 55 56
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 76. Loewe, Die Philosophie Fichtes, 265.
170.
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Daß sich eine Gegenüberstellung von Plotin und Fichte auch in einer gewissen Tradition befindet, zeigen die oben genannten Arbeiten von Loewe, Baumgartner und Halfwassen.57 Des weiteren weist Werner Beierwaltes auf Novalis hin, der über die Ähnlichkeit mit Fichte und Kant „erschrak", nachdem er Plotin kennengelernt hatte.58 Für Plotin wie für Fichte macht Novalis geltend, daß durch das Denken bzw. den νους ein Reales bzw. Anderes konstruiert wird. Die reale Welt und Natur werden so von einem Geist gesetzt. Dabei denkt Fichte in dieser Hinsicht aber nicht so radikal wie Plotin, denn in Fichtes Philosophie wird lediglich die subjektive Seite vom Geist bestimmt, die objektive oder sinnliche Seite wird hingegen nicht von dem Geist mitkonstruiert. So gelangt Fichte auch nicht zu einem wahren Verständnis der Hypostase, denn die Tathandlung bleibt im Subjekt gefangen. Die intellektuelle Anschauung in Fichtes Denken läßt sich nach Novalis dennoch mit der Ekstasis bei Plotin vergleichen, denn im Akt der Selbstanschauung entsteht ja ein Ich bzw. dessen Wirklichkeit. „Plotinisch gedacht läßt Ektasis den Menschen allererst das als Wirklichkeit erfahren, was an Wissen über das Eine selbst durch den dialektischen Aufstieg des Denkens lediglich vorbereitet werden kann ..., setzt ihn aber dadurch instand, die Entfaltung des Einen in die Hypostasen reflektierend nachzu,konstruieren'." 59 Ohne einen Textvergleich vorgenommen zu haben, zeigt Novalis mit seinen Reflexionen bedeutende Aspekte der Gemeinsamkeit sowie der Differenz beider Philosophen.60 Im vorliegenden Beitrag erfolgte die Gegenüberstellung von Plotin und Fichte im Hinblick auf die Begriffe ,Sein', ,Leben' und .Denken' bzw. ,Ich' durch die Gegenüberstellung konkreter Texte, um sich insbesondere dem Lebensbegriff zu nähern. Zunächst ist hierzu aber von der signifikanten Gemeinsamkeit, die Plotin und Fichte miteinander verbindet, auszugehen. Beide sprechen von einem Höchsten, Absoluten, Einen, das dem Begriff nicht zugänglich
57
58
59 60
Als weitere Studie, die sich mit beiden Philosophen (in einem anderen Kontext) beschäftigt, sei an dieser Stelle folgende genannt: G. Schrimpf, Des Menschen Seligkeit. Ein Vergleich zwischen Plotins „Περί ευδαιμονίας", Meister Eckharts „Buch der göttlichen Tröstung" und Fichtes „Anweisung zum seligen Leben", in: Parusia. Festgabe fiirj. Hirschberger, Frankfurt a. M. 1965, 431-454. Vgl. W. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, Frankfurt a. Μ. 1972, 87-93, bes. 87. Beierwaltes weist auf die Studie von H.-J. Mähl, Novalis und Plotin. Untersuchungen zu einer neuen Edition und Interpretation des „Allgemeinen Brouillion", in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1963, Tübingen 1963, 139-250, hin, die nachweist, daß Novalis seine Kenntnis Plotins lediglich der Philosophiegeschichte Dietrich Tiedemanns entnahm. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, 92. Damit ist nicht die Richtigkeit der Auslegung Plotins durch Novalis angesprochen. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, 90, spricht hier von einem Fichteschen Plotin, da Novalis doch am Akt des konstruierenden Subjekts festhält.
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ist. Es ist damit weder in einer Sprache noch mit den Mitteln des begrifflichen, logischen Denkens zu erfassen. Da das Absolute Fichtes und das εν Plotins nicht sprachlich bzw. begrifflich zu fassen sind, könnten somit auch keine Begriffsunterschiede angegeben werden. Dennoch sind es zwei unterschiedliche Begriffe, die in unterschiedlichen philosophischen Konzeptionen ihren Platz finden, und so muß über ihre Differenz diskutiert werden. Es ließen sich etwa die Unterschiede bezüglich der Methode bzw. des Weges zur Erreichung des Absoluten oder Einen untersuchen. Baumgartner erkennt bei Fichte eine Hierarchie der einzelnen Reflexionsschritte, bis dann das Absolute erreicht wird.61 Bei Plotin hingegen bezeichnet Baumgartner jeden Schritt sofort als auf den Übergang zum Einen hin gedacht.62 Betrachtet man den Aufstieg bei Plotin bzw. die henologische Reduktion,63 so zeigen sich aber auch hier einzelne, qualitativ zu unterscheidende Stufen, die zum Einen fuhren. Diese Stufung zeigt sich auch in der Enneade III 8, in welcher der Natur die Seele und dieser der Geist folgte, wobei aber alle Stufen nur durch das Eine sind.64 Nun weist Baumgartner auf einen Unterschied beider Denker in bezug auf die Identität von Sein und Denken hin, wobei er Fichtes Bestimmen dieser Differenz als dynamisch und das Plotinische Denken als statisch bezeichnet.65 Ob von diesem Unterschied vor dem Hintergrund des oben entwickelten Lebensbegriffes gesprochen werden kann, bleibt zu fragen. Gerade Plotin wirkt mit Hilfe des Lebensbegriffes einer Statik entgegen. Ein Charakteristikum des Lebens bei Plotin ist, daß es sich in ein Verhältnis zu setzen vermag. Oben wurde von der dynamischen Kraft des Lebensbegriffs in bezug auf das Verhältnis von Denken und Sein gesprochen. Der Lebensbegriff bei Fichte fungiert jedoch nicht in dieser Hinsicht als Bewegungs- bzw. Dynamisierungsbegriff zwischen Denken und Sein. Fichte spricht ausdrücklich von der Identität von Leben und Sein: Dabei ist das Leben „das von sich selbst begründete, und [wird] von sich selber gehalten und getragen".66 Dem Lebensbegriff kommt hier also eine von Plotin zu unterscheidende Funktion zu. Wenn Fichte sagt, daß wir das Leben nicht begreifen können, sondern daß es gelebt werden muß oder auch daß wir es sind, so fungiert hier das Leben zwar auch im Sinne einer Bewegung, doch wirkt Fichte in erster Linie dem Begreifen entgegen. Zweitens wird durch die Identität von Sein und Leben gesagt, daß das Sein lebt. Sein kann also nur im Leben sein; und auf der anderen Seite gilt, daß dasjenige, was lebt, ist. Der Lebensbegriff ist hier im Sinne des Lebensaktes gemeint, in dem wir leben. Dadurch sind wir „das Eine 61 62 63 64
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten, 338. Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten, 338. Plotinus, Enn. III 8, 10, 20. Halfwassen, Aufstieg zum Einen, 41-61.
65 66
Vgl. Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten, 338. Fichte, Wissenschaftslehre (I8042), 170.
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ungetheilte Seyn selber, in sich, von sich, durch sich; das schlechthin nicht aus sich herausgehen kann zur Zweiheit". 67 Wir, Sein und Leben sind also Ausdruck des Absoluten, das nur in sich ist und als solches lebt. Das Leben bewirkt demnach keine Bewegung; es zeigt, wie das Absolute in einem Lebensakt, einer Handlung oder einer Bewegung ist. Nun stehen die beiden Konzeptionen des Lebens bei Plotin und Fichte in unterschiedlichen Traditionszusammenhängen. Fichtes Lebensbegriff zeigt sich sicherlich nicht von der Platonischen Trias von Denken, Leben und Sein beeinflußt, obwohl das Denken bzw. das Ich stets im Zusammenhang mit Leben und Sein gedacht werden muß. Der Lebensbegriff beim frühen Fichte ist noch an Kant und d. h. besonders an der Kritik der Urteilskraft orientiert. 68 Doch ist Fichte bekanntlich kein ausgewiesener Philosophiehistoriker, und so läßt sich der Lebensbegriff auch nicht durch Aufweis historischer Bezüge entfalten. In der hier betrachteten Wissenschaftslehre 18042 ist eher das Leben im Kontext des absoluten oder auch göttlichen Lebens zu denken. 69 Wenn Fichte von der Grenze des Begriffes spricht, so findet er jenseits der Grenze das Eine, das reine lebendige Licht; „sie verweiset daher aus sich heraus an das Leben, oder die Erfahrung, nur nicht an das jämmerliche Aufsammeln hohler und nichtiger Erscheinungen, denen niemals Ehre des Daseins zu Theil geworden, sondern an diejenige Erfahrung, die allein Neues enthält, an ein göttliches Leben." 70 Die Betrachtung der Enneade III 8 zeigt demgegenüber, daß Plotin den Lebensbegriff vor dem Hintergrund einer Theorie über die Natur entwickelt. 71 Dieser naturphilosophische Hintergrund ist mit dem Fichteschen Lebensbegriff nicht ge72
geben. Fichte geht es in seiner Wissenschaftslehre eben nicht um die Konstitution einer sinnlichen Welt und Natur durch das absolute Ich. Die Enneade III 8 zeigt demgegenüber, wie die Natur das Ergebnis einer Betrachtung ist und wie in ihr selbst die Betrachtung enthalten ist. Sie ist also eine rationale Form und
67 68 69
70 71
72
Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 230. Vgl. Schräder, Empirisches und absolutes Ich, 33-50. W. G. Jacobs, Fichtes Gottesanschauung, in: Religion und Gott im Denken der Neuzeit, hrsg. von A. Franz, W. G. Jacobs, Paderborn 2000, 99-108, stellt den Kontext der Gotteslehre dar, in dem die Wissenschaftslehre 18042 steht, wobei er aber den Lebensbegriff nicht in seine Überlegungen mit einbezieht, obwohl Gott bzw. das Absolute nicht ohne das Leben denkbar ist. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 124. Hier wird nicht behauptet, daß der Lebensbegriff Plotins nicht mit dem Göttlichen in Verbindung steht. Es soll lediglich auf die Argumentation in Enneade III 8 Bezug genommen werden. Daß Fichte die Konstitution des Lebensbegriffs nicht auf einer Betrachtung der Natur aufbaut, kann auch im Kontext der Beobachtung von Novalis gesehen werden. (Vgl. Anm. 27.)
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die unterste Stufe vor Seele und Geist, der die vorangegangenen Stufen erst ermöglicht und ein lebendiger Geist ist. Nun wurden die Unterschiede beider Lebensbegriffe herausgearbeitet, und am Ende dieses Vergleiches läßt sich näher bestimmen, welchen Ort das Leben innerhalb der Hierarchie bzw. des Aufstiegs zum Höchsten erhält. Bei Fichte ist Leben eine Bestimmung des Absoluten. Das nicht begrifflich zu fassende Absolute drückt sich unter anderem als Leben aus. 73 Es ist also nicht wie in der Plotinischen Philosophie außerhalb des Absoluten. Das Leben ist bei Plotin somit keine Bestimmung des εν. Von dem Einen heißt es, daß „nichts von ihm ausgesagt werden kann, nicht Sein, noch Wesen, noch Leben." 74 Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Konzepte des Lebens zeigen sich somit auch Differenzen bezüglich des Höchsten in beiden Denkweisen. Schließlich läßt sich durch den Vergleich der Lebensbegriffe aber ein, wenn nicht sogar das Spezifikum des Lebens erkennen, welches als Bewegung zu bezeichnen ist. Für Plotin wie für Fichte gilt, daß die Tätigkeit des Geistes bzw. des Ich eine lebendige ist und Denken und Sein stets im Zusammenhang mit dem Leben zu denken sind. 75 Durch das Leben (Plotin) bzw. im oder als Leben (Fichte) werden Denken und Sein gehalten und bewegt.
73
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Dazu vgl. Jacobs, Fichtes Gottesanschauung, 106: „Fichtes Ausdrücke, in denen er vom Absoluten spricht, sind daher falsch verstanden, wollte man sie als exakte Begriffe nehmen. Sie sind exakte Zeichen für eine Handlung, die nur im Vollzug einleuchtet." Plotinus, Enn. III 8, 10, 30-31. Vgl. Kostaras, Der Begriff des Lebens bei Plotin, 64.
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Die Unbegreiflichkeit des Absoluten. Zur neuplatonischen Henologie und ihrer Wirksamkeit im Denken Fichtes
Verbindungslinien zwischen dem Neuplatonismus und der klassischen deutschen Philosophie werden in der Forschungsliteratur oft und gerne in bezug auf Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel konstatiert, ohne daß einer entsprechenden Explikation im Falle Johann Gottlieb Fichtes Raum gegeben würde, welches Ansinnen häufig sogar mit dem Verdikt der Unfruchtbarkeit einer solchen Untersuchungsrichtung belegt wird. 1 Auf den folgenden Seiten soll ganz entgegen dieser Meinung der Versuch unternommen werden, auch im Denken Fichtes die Präsenz neuplatonischer Erkenntnisse sowie ihre für den Zielpunkt der Wissenschaftslehre entscheidende Bedeutung nachzuweisen, womit der Neuplatonismus als ein den Deutschen Idealismus insgesamt fundamental prägendes Denken hervortritt.
I. Die Stellung des Absoluten im Piatonismus Piaton und Aristoteles verkörpern für das neuplatonische Denken die zwei grundsätzlichen und konträren Möglichkeiten, das Verhältnis der metaphysischen Grundbegriffe Eines bzw. Einheit und Sein zu bestimmen: Während für Aristoteles Sein und Eines ohne reale Differenz letztlich konvertible Begriffe 2 1 2
Vgl. W. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, Frankfurt a. M. 1972, 3. Vgl. Parmenides, Fragm. 28 B8, 5-6, in: Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von H. Diels, W.Kranz, Zürich, Hildesheim 8 1964, 235; Aristoteles, Metaphysica X 2, 1053b20-25, 1054al3-15. In dieser Tradition steht auch J. G. Fichtes Theorie des Absoluten in seiner Anweisung zum seeligen Leben (1806), in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von R. Lauth, H. Jacob, Bd. 1/9, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, M. Ivaldo, I. Radrizzani, P. K. Schneider, Α. M. Schurr-Lorusso, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, 8586. Das öv wird von ihm - wie von Parmenides, Aristoteles und der Transzendentalienlehre - dem έ ν gleichgesetzt, steht aber bei Fichte über den Möglichkeiten unseres Erkennens. Neuplatonische Elemente in Fichtes Theorie des Absoluten bzw. seiner Verhältnisbestimmung von Absolutem und Endlichem sind wohl zumindest teilweise über Spinoza vermittelt: Vgl. E. Coreth, Vom Ich zum absoluten Sein. Zur Entwicklung der Gotteslehre Fichtes, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 79 (1957), 281-282, 287288, 302; J. Trouillard, Proclos et Spinoza, in: Revue philosophique de la France et de
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sind, die in jeder Kategorie und jedem möglichen Sinn aussagbar sind, 3 stellt Piaton (im neuplatonischen Verständnis) das Eine über das Sein und etabliert die Negation als größtmögliche Differenz, als Differenz schlechthin, zwischen ihnen. Das höchste Seiende ist dabei für Aristoteles zugleich der Inbegriff des Denkens, das Denken in seiner höchsten Gestalt als lücken- und schlafloses, in dem der Unbewegte Beweger sich selbst denkt. 4 Sofern bei Aristoteles von einem Absoluten die Rede sein kann, besteht es in einem selbstreflexiven, vollendeten Denken, was ihm von den Neuplatonikern den Vorwurf einbrachte, beim Geist als zweiter Hypostase stehengeblieben zu sein,5 in der sie den Unbewegten Beweger und den Demiurgen des Timaeus verschmolzen. Das Absolute selbst jedoch ist weder seiend noch denkend, sondern es steht vielmehr jenseits von Sein und Denken. 6 Sein, Seiendes, Denken, aber auch Nichtsein und damit zugleich die ontologische Differenz sind in diesem Denkansatz bereits spezifischere Gestalten der höheren, 7 henologischen Differenz zwischen Einheit und Vielheit, d. h. Formen ihres Verhältnisses. Jedes irgendwie Existierende bildet immer schon eine Einheit von Einheit und Vielheit, weshalb etwa Proklos jede seiende als bloß erscheinende Einheit im Gegensatz zum absoluten Einen begreift; die Konzepte der Teilhabe, der unendlichen δύναμις und Differenz zwischen Einem und Sein oder der als Monaden erscheinenden Henaden begründen diese ,ontologische Phänomenologie' von Abbildern in ihrer Differenz zum Absoluten 8 .
3 4 5 6
7
8
letrangdre 107 (1982), 435-448. Vgl. Aristoteles, Metaphysica VII 4, 1030b7-13; X 1, 1052a34-b 16; X 2-3, 1054a9-b3; XI 3, 1060b31-1061al8; XIV 1, 1087b33-1088al4. Vgl. Aristoteles, Metaphysica XII 9, 1074b25-35. Vgl. Plotinus, Enn. III 8, 9. Vgl. zur Entwicklungsgeschichte dieses Gedankens von Parmenides über Zenon zu Piaton H. J. Krämer, ΕΠΕΚΕΙΝΑ ΤΗΣ ΟΥΣΙΑΣ. Zu Piaton, Politeia 509b, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 51 (1969), 1-30. Vgl. K. Gloy, Einheit und Mannigfaltigkeit. Eine Strukturanalyse des „ und". Systematische Untersuchungen zum Einheits- und Mannigfaltigkeitsbegriff bei Piaton, Fichte, Hegel sowie in der Moderne, Berlin, New York 1981, 8-10. - Daß der Parmenides für die Neuplatoniker zum Hauptwerk wurde, liegt darin begründet, daß er alle möglichen Verhältnisse von Einheit und Vielheit (als Grunddualität) geordnet entwickelt. Überdies zeigt der erste Teil die drei möglichen Grundpositionen, um das Verhältnis von Ideellem und Materiellem deuten zu können (Idee im Ding, Idee als seelischer Gedanke, Idee als absolut Transzendentes), an die auch Fichte anknüpft. Vgl. Proclus, Theologia Platonica, ed. H. D. Saffrey, L. G. Westerink, Paris 1978, Bd. III, cap. 6, 20, 2-3; ders., In Piatonis Parmenidem, ed. V. Cousin, Paris 1864, Nachdr. Hildesheim 1961, 701, 8-12; 705, 24-41; 706, 13-17; 720, 29-30; 901, 9-11; ders., Institutio theologica, ed. E. R. Dodds, Oxford 2 1963, 125. - Vgl. auch die Theorie des φαινόμενον εν bei Damascius, In Parmenidem, ed. C. E. Ruelle, Paris 1899, 291, 27-28; 292, 28-31; 296, 17-18; 297,4-6; 300, 1-5; 306, 22; 318, 2-4.
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Nur das Sein ist wirklich erkennbar - und zwar als dyadisch geprägte Verbindung von Einheit und Vielheit 9 - , wohingegen das Eine selbst als arelationales, differenzloses Absolutes noch über ihm steht und außer dem Sein noch einige Formen des Nichtseins als Einheitsformen (die Henaden und die ϋλη'°) erzeugt; jedes Sein und jede Vielheit, aber auch alle Einheitsformen, hängen vom Einen ab, das gleichwohl umgekehrt ihrer nicht bedarf. 11 Das gesamte Sein brauchte nicht zu existieren, tut dies allerdings so, wie es gegeben ist, weil das Eine zugleich das Gute ist;12 damit ist zwar das Streben alles Seienden und Geeinten nach dem Einen als der Bedingung ihrer Möglichkeit zu erklären, aber nicht, warum das Eine überhaupt durch negative Bestimmungen aus sich heraustrat, sich entäußerte, warum also überhaupt etwas ist 13 und nicht nichts. Der Abstand zwischen Einem und Sein bleibt unendlich, was etwa der Begriff des άπειρον positiv - als unendliche Kraft - und negativ - als Fehlen jeder möglichen Bestimmung - ausdrückt, was hingegen der Teilhabebegriff rein affirmativ als faktisch überbrückt darstellt, 14 weshalb er letztlich unzureichend ist. 15 Dessenungeachtet bildet das Seinsganze für den späten Neuplatonismus eine lückenlose, 16 kontinuierlich zusammenhängende Stufenfolge, in der sich alles Mögliche verwirklicht hat, weil das Sein als ganzes von den Göttern pronoetisch vordurchdacht wurde, 17 so daß es nie unendlich viele Seiende geben kann. 18 Das Eine bewirkt ein Sein, das allein diesen Charakter hat und keinen anderen; es bewirkt den Zusammenhalt jedes Seienden in sich, alles Seienden untereinander und ihren kausalen Übergang, und all dies scheinbar nur notwendig zusammen. Diese Hermetik des Seins bedeutet sein vollendetes Begründetsein und seinen
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14 15 16
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Vgl. Proclus, In Parmenidem, 711, 41-712, 14. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 849, 5-6. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 723, 8-15. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima adhuc inedita, ed. R. Klibansky, L. Labowsky, London 1953, Nachdr. 1973, 58, 3-17; Institutio theologica, 7-8. Der Anfang der Philosophie ist auch für Hegel unbegreiflich: Vgl. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die Objective Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832), in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 21, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1985, 90-92. Vgl. Proclus, Institutio theologica, 1. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 838, 23-848, 21; 876, 25-885, 32. Vgl. dazu auch den Aristotelischen Einheitsbegriff, der Einheit aus der Unteilbarkeit herleitet. - Die Einheit fungiert für Proklos zwar als Maß aller Dinge, aber das Eine selbst steht jenseits des Maßes. Vgl. Proclus, Institutio theologica, 117; In Parmenidem 1121, 31-36; 1124, 13-22; Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 44, 3-12. Vgl. Proclus, Institutio theologica, 120 und 124. Vgl. Proclus, Institutio theologica, 117.
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Rückgang in seinen Grund, wobei das Eine universal als ganz anderes im Sein oder um es herum allumfassend anwesend ist und dennoch transzendent bleibt. Das Sein insgesamt weist die Gestalt der übergängigen Totalität aller grundsätzlichen Verhältnisformen von Einheit und Vielheit auf, und nur so allein ist es denkbar, denn Einheit und Vielheit bilden jeweils konkret die Formen des Existierens jeder Entität. Darüber hinaus ist jedoch die Prinzipientheorie des Parmenides für die Neuplatoniker Ausdruck der Tatsache, daß die Kehrseite des Absoluten bzw. der Inbegriff seiner Wirksamkeit in der vollständigen und durchgängigen Relationalität und inneren Dynamik des Seinsganzen bestehen müssen, weil nur so überhaupt noch eine Beziehung zwischen Sein und Absolutem denkbar bleibt. Das Seinsganze wird als hierarchisches, lückenloses Gefuge von Bestimmungen verstanden, die von den im Parmenides genannten Prinzipien begründet werden; denn da diese allesamt relational sind und in einer in sich spezifizierbaren κοινωνία stehen, prinzipiieren sie ein relationales Sein, zeigen aber damit zugleich, daß das Sein von bestimmten, aufeinander bezogenen und solcherart endlichen Prinzipien, die einander bedingen - um sie selbst zu sein und Seiendes hervorbringen zu können strukturiert wird, womit keines dieser Prinzipien selbst das Absolute sein kann oder aussagbar macht. Weil aber jede Bestimmung der ersten Hypothese auch als konkrete, seinsimmanente Einheitsform und Einheitsfunkion begriffen wird (und als Henade jeweils als reine, jedoch nicht absolute Einheit gedacht wird), geht sie auf negative Weise aus dem Absoluten hervor, was vom Denken durch den Akt der Negation jeder Bestimmung am und vom Absoluten zum Ausdruck gebracht wird,19 wobei das Eine auf negative Weise alle bestimmten Negationen und Einheitsformen in einer Einheit zusammenschließt. Da also die Seinsprinzipien als relationale Einheitsgestalten aufgefaßt werden, die das Sein festlegen, kann das Sein nicht das Absolute sein, aber auch seine bestimmten, endlichen, sich wechselseitig bedingenden Prinzipien können nicht mit diesem identisch sein, sondern allein auf es hindeuten und ihre Herkunft aus ihm in ihren Wirkungen zeigen. Das Sein besitzt noch einen realen Gegensatz im Nichtsein, während das absolute Eine keinen eigentlichen Gegensatz20 mehr kennt, denn selbst im Nicht-Einen oder Vielen ist das Eine als Er-
19
Die Negation ist als logischer Akt und formaler Bewußtseinsvollzug immer identisch, aber sie muß auch formal notwendig alle inhaltlichen Bestimmungen durchgehen und ausschöpfen. Als konstitutives Seinsprinzip für alle Bestimmungen ist sie formal auch stets als derselbe Akt des Einen gedacht, bringt aber logisch notwendig das gesamte Sein hervor, um die Einheit der Negativität vom Sein her zu erschöpfen. Das Denken braucht die Negativität, um sich bewegen, entwickeln und übergehen zu können sowie zur gegliederten Einheit zu werden.
20
Wenn Proklos an einer Stelle das Nichts als einzigen Gegensatz zum Einen nennt und vom Nichtsein abhebt, dann verweist er damit auf den Nichtsbegriff als einen solchen,
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möglichungsgrund anwesend, weshalb es letztlich nur gestufte Formen von Einheit geben kann, durch die alles Gegebene ansprechbar wird. Als Konsequenz kann es keine unbestimmte, einheitsfreie Vielheit geben und keine unendliche Vielzahl von Seiendem, 21 aber auch keine Lücken im Sein, indem all dies die Denkbarkeit des Seins aufheben würde; die Negation bedeutet dabei den Übergang zwischen arelationalem Absolutem und den relationalen, seienden Einheitsformen, neben denen es kein Drittes mehr geben kann. Der logische und ontologische Primat der Einheit vor der Vielheit, die in ihrem Sein von ersterer abhängt, bildet den Anfang der positiven Philosophie und ihres Teilhabekonzepts sowie die Ursache seiner begrenzten metaphysischen Erklärungskraft. 22 Die Einheit wird als sie selbst jedoch nie positiv bestimmbar. In Proklos' Parmenides-Y^ommentar wird vom absoluten Einen jede Bestimmung negiert, wodurch sie allerdings zugleich seiend wird, aber darüber hinaus steht das Eine im Gegensatz und im Nichtgegensatz zu jeweils zwei unter sich gegensätzlichen und dennoch relational-verbundenen Seinsprinzipien; das Eine steht also im und über dem Gegensatz zu jedem bestimmten Gegensatz und jeder relationalen Bestimmung. 23 Die Negationen der Seinsbestimmungen am Absoluten sind nichts anderes als dessen Erkenntnis. Dem negativen Bezug jedes ontologischen Grundprinzips zum Einen korrespondiert die Tatsache, daß jedes sachlich selbst eine Beziehung darstellt und als solche alles Seiende mitprinzipiiert. Die Negationen sind zunächst subjektive Gedanken und Denkakte, die vom Sein aus auf das Eine gerichtet werden. Ihre Begründung als objektive Prinzipien erfahren sie dadurch, daß die gedachten Negationen ins Sein übergehen, weil sie das Absolute - in der negativen Relation zu ihm - verfehlen. 24 Die Erkenntnis, daß Sein und Denken einander entsprechen, läßt sich seinsimmanent und durch das Konzept des Geistes gewinnen, aber die Begründung ihrer jeweils innerlich strukturidentischen Aufeinandergerichtetheit und Parallelität erfolgt henologisch durch ihre gemeinsame Negation am Einen, durch die sie ihre Verbundenheit begreifen. Sein und Denken sind bei Proklos in dem Sinne identisch, daß dieselben relationalen Prinzipien das Denken und das Sein strukturieren und
der nur die Abwesenheit jeder möglichen Vorstellbarkeit und Denkbarkeit logisch repräsentieren soll, ohne selbst noch inhaltliche Bedeutung oder prinzipientheoretische Funktion haben zu können. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 1081, 10-1082, 19. 21
Vgl. Proclus, Commentarium gica, 86.
in Parmenidem,
pars ultima, 56, 7-16; Institutio
theolo-
22
Vgl. Proclus, In Parmenidem, theologica, 1.
883, 3-37; 1196, 11-40; 1201, 6-20; 1242, 7-33;
Institutio
23 24
Vgl. Proclus, In Parmenidem, 1076, 35-1077, 3; 1127, 20-21. Die Henologie schlägt um in eine Henophanie, das Denken des Einen in sein Sich-Zeigen als Undenkbares. Vgl. J. Trouillard, Un et etre, in: Etudes Philosophiques 15 (1960), 190 und 196.
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ihre grundsätzliche, umfassende Einheit als verhältnishafte ermöglichen. Die Analyse des Denkens und des Seins findet in der Reflexion identische Prinzipien in beiden. Das Denken denkt durch sie das Sein (in sich) und damit zugleich sich selbst als seiend, das Sein ist durch sie ein immer schon Gedachtes und dem Denken generell Offenstehendes; ihre gegenseitige Bezüglichkeit ist die Wahrheit ihrer gemeinsamen Prinzipien, deren Wesen sich in der Beziehung von Sein und Denken erfüllt und voll entfaltet. Das Eine wird nur in gedachten Relationen antizipiert oder verfehlt, die in der Weise begreiflich werden, wie sie seiend werden, obwohl sie zuvor bereits am Seienden erkannt und denkend auf das Absolute appliziert wurden. Jedenfalls bedingen die Relationsprinzipien das Denken als Denken des Seins aus dem verfehlten Denken des Absoluten heraus, bedingen die Wahrheit des Seins aus der Unwahrheit des Absoluten, obgleich dieses über Wahrheit und Unwahrheit steht, weil die Wahrheit - von Proklos als Erscheinen des Absoluten (in den Henaden) und damit immer auch als dessen Unwahrheit charakterisiert wird, d. h. das Erscheinen des Absoluten ist Wahrheit und Unwahrheit in eins. Wenn bei Aristoteles noch alle Kategorien Einheits- und Seinshinsichten sind, die sich von einem Seienden - vorzugsweise dem Menschen 25 - aussagen lassen, so sind bei Proklos alle Einheits- und Seinsformen relational, womit die Einheit der Logik zur Einheit ebensolcher Gegensätze wird. Er bemüht sich, alle Aristotelischen Kategorien und platonischen Prinzipien in der Relation zu verbinden, wenn er etwa die ουσία mit der Identität, die Qualität mit der Ähnlichkeit und die Quantität mit der Gleichheit in Analogie bringt, die er allesamt als Relationen bzw. Relationshinsichten des Einen begreift. 26 Für den Neuplatonismus ist jedes adäquate Denken des Absoluten Henologie und nicht Ontologie; selbst Porphyrios denkt die ontologische Differenz als Entfaltung eines absoluten Einen, das nur mit dem reinen Sein zusammenfällt, mithin als Moment der Henologie. Dies gründet im neuplatonischen Verständnis vor allem darin, daß Piaton das Sein und auch das Denken erst aus einer spezifischen Negativität, die dem überseienden Absoluten eignet, hervorgehen läßt (wie es das Sonnengleichnis der Res publica zum Ausdruck bringt), wobei diese Negation als Kraft und Akt der Erzeugung des Seins - in seiner Gestalt als koordinierter ,Geeintheit' von Positivität und einer neuen Art von Negativität - aufgefaßt wird. 27 In der real-kausalen Perspektive begreift das Denken den Seinskosmos als Abstieg von allgemeineren zu immer spezifischeren Formen von Ne-
25
26 27
Vgl. E. Kapp, Der Ursprung ring, Aristoteles. Darstellung 61. Vgl. Proclus, In Parmenidem, Vgl. Proclus, In Parmenidem,
der Logik bei den Griechen, Göttingen 1965, 46-48; I. Düund Interpretation seines Denkens, Heidelberg 1966, 60806, 1-3; 866, 31-871, 28; 1103, 22-1104, 6. 1073, 5-1075, 37; 1099, 31-34; 1133, 4-5.
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28
gationen des Einen, wie die erste Hypothese des Parmenides sie konkret vorgibt, die gleichwohl unterschiedlich allgemeine Prinzipien des Seins und relationale, seinsimmanente Einheitsformen darstellen, wie sie aus der Verneinung am Einen hervorgehen. Diesen Abstieg legt das menschliche oder seelische Denken in umgekehrter, ideeller Richtung wieder als Aufstieg zurück, beginnend mit dem enkosmischen Prinzip der (Un-) Gleichheit und der Analogie. Der Aufstieg erfolgt durch eine systematische Hierarchie aller überhaupt möglichen29 Negationstypen hindurch. Zunächst ist dabei das Andere des Sophistes zu nennen, durch das jede Bestimmung komplementär die Ausgeschlossenheit aller anderen Bestimmungen umfaßt und dadurch sogar erst sie selbst sein kann;30 das Andere als relatives Nichtsein ist selbst ein Seiendes, fuhrt die Negativität in die κοινωνία aller Ideen und deutet das Gesetz an, daß zu jedem positiven nicht nur ein spezifisch korrespondierendes, konträres negatives Prinzip gehört - daß es also nur dualistische Prinzipienpaare gibt - , sondern daß auch jede Idee alle anderen zugleich in sich trägt31 und dennoch von ihnen getrennt ist, daß sie folglich Einheit und Differenz ontologisch verbindet. Die Erkenntnis des Wesens des Begriffes vollendet sich durch die Erkenntnis der Bedeutung der Negativität für jeden Begriff. Der Sophistes deutet jeden Begriff als relational und dualistisch, womit er zugleich - wie das Wissen von ihm - reflexiv wird. Das Absolute steht über jedem Begriff und jedem bestimmten Gegensatz von Begriffen, die gleichwohl alle negativ auf es bezogen gedacht werden, weil das Absolute alle bestimmten Begriffe ermöglicht. Sodann folgt für die Neuplatoniker das άπειρον des Philebus, das die Antithese zu jeder möglichen Bestimmung, zur Bestimmtheit überhaupt und als solcher repräsentiert, also die indifferente, unendliche Verdichtung aller Prädizierbarkeit im Modus der Unbestimmtheit; dieses άπειρον besitzt aber weiterhin die Bestimmung an sich, das πέρας, als Gegenbegriff, und beide zusammen genügen noch dem und bedingen den Satz vom Widerspruch. Sie erzeugen nicht bloß alle dualistischen Prinzipien in zwei Kolonnen,32 sondern auch ihre Aufeinanderbezogenheit und Einheit im Sein. Schließlich folgt die Negation im Parmenides, wo nicht nur jede Bestimmung, sondern sogar die Un-
28 29 30
31 32
Vgl. Proclus, In Parmenidem, 1088, 4-16. Neben den drei in der Folge genannten Formen wäre als vierte Negationsform noch das bloß hyletische Nichtsein zu berücksichtigen. Dies bedeutet also, daß jede Negation eine Bestimmung ist, während später hinsichtlich der Negativität des absoluten Einen jede Bestimmung als Negation offensichtlich wird. Wenn jede Bestimmung eine Negation ist - und damit nicht das unendliche Absolute - , dann wird sie damit durch die Negation auch als endlich seiend. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 929, 6-10. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 740, 38-741, 9; 937, 39-938, 19; 1116, 25-1127, 28; Institutio theologica, 89-92.
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bestimmtheit weggestrichen wird und ebenso die Vielheit als Gegensatz zum Einen wegfällt; πέρας und άπειρον werden zusammen mit der Vielheit 33 und derart mit allen Henaden als intelligibler Vielheit zugleich negiert. 34 Die Negationstypen bilden dergestalt einen Konnex, der unmittelbar dem Wesen der Logik und des Denkens entstammt, d. h. das Denken kann nicht anders und in anderer Ordnung negieren, 35 ohne die Übereinstimmung mit sich selbst zu verlieren oder die ihm und der Erkenntnis von Sein und Absolutem notwendigen Negationen zu verfehlen, denn die drei Verneinungsgestalten sind identisch mit dem Aufstieg vom real gegebenen und faktisch so prinzipiierten Sein über das Überseiende-Henadische 36 zum Absoluten, so daß die Negativität den umfassendsten, universalen Einheitszusammenhang überhaupt herstellt und bedingt - als Einheit des Denkens und alles Denkbaren. Die Negation bedeutet die Kraft von Schöpfung und Hervorbringung aus dem Nichts insgesamt, des Auszugs aus dem und des Rückgangs zum Absoluten, 37 aber auch jeder besonderen kausalontologischen Erzeugung, 38 und sie ist ein unabdingbares Element jeder Erkenntnis. Die Negativität, die am Ende über der Kraft als solcher, über der άπειροδυναμνα, steht, ermöglicht alles Gegebene und Seiende als Autokonstitution, 39 der die Negation immanent ist. Aus dieser Perspektive bildet die Negation die Weise der Vermittlung des letztlich unerfaßbaren absoluten Grundes an das Seiende und Erkennende, aber auch den Grund der Vermittlung und relationalen Übergängigkeit im Sein und zwischen seinen Prinzipien, weil alle möglichen Relationen des Einen als methodisch gestufte Einheit seiner Negativität zu denken sind. 40 Die innere Dynamik des Seins ist Ausdruck seiner immanenten Negativität, die gleichwohl das Produkt höherer Negativität ist, obwohl Proklos den Übergangszusammenhang der Negationstypen nicht mehr konkret reflektiert. Daß Ontologie und Henologie jedenfalls gestufte Entfaltungen des Denkens und Wirkens der Negativität sein sollen, postuliert zumindest eine faktische Gegebenheit von universaler Einheit und Verbindung, die nicht auf das Sein als Inbegriff des Gegebenen restringiert bleibt. Die Einheit des Absoluten mit dem Sein ist selbst eine negative bzw. in der Negation gegebene und denkbare. Die Negation bildet den Weg und die Beziehung zum Absoluten, die sich verschiedenartig äußert und offenbart, aber immer auf das Absolute hindeutet und abzielt, indem sie
33 34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Proclus,/« Parmenidem, 1117, 25-1118, 2. Proclus, In Parmenidem, 1089, 17-1091, 36. Proclus, In Parmenidem, 1088, 4-1089, 16. Proclus, Institutio theologica, 159. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 34, 6-21. Proclus, Institutio theologica, 137. Proclus, In Parmenidem, 1144, 38-1146, 35. Proclus, In Parmenidem, 1103, 22-1104, 6.
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Mangel und Telos des Seienden und des Denkens zugleich begründet und aufweist, die stets nach dem Einen streben, ohne es je auf ihm angemessene Weise erreichen zu können, 41 obgleich das Eine - transzendent bleibend 42 - in allem anwesend ist. Mit der Negation der dialektischen Einheit aller Negationen und ihres Systems erreicht das Denken seinen Abschluß und die Grenze seiner Mittel, an der es sich selbst aufheben muß, wozu es durch das Eine in ihm fähig ist. Während die Negationen des Einen sowohl den Ausgang ins Sein als auch den Rückweg zum Einen bedeuten, ist die Negation der Negationen (ύπεραπόφασις 43 ) des Einen erst der abschließende Akt des Ein- und Rückgangs in das Absolute, mit welchem das Denken vernichtet wird; denn diese Negation der Negationen bewerkstelligt die .Einheit der Einheiten', in der das Denken - als eines und ganzes - bereits nicht mehr allein durch sich selbst aufgehoben wird. Die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Position und Negation bedeutet ihre (negative) Vereinigung, in der das Auseinanderhalten- und Verbindenkönnen von positiven und negativen Bestimmungen in sich und gegeneinander zusammenbricht - und damit auch die Möglichkeit der Synthesis mittels der Urteilsform, von der Denken und Sprechen abhängen, wobei jedoch die Negation der Negation nicht als etwas Drittes oder als neue Synthesis nach und von den beiden anderen begriffen werden darf. Letztlich bemüht sich Proklos darum, die faktische Struktur, das Sosein, von Denken und Seinsganzem aus dem Fehlen dieser Struktur beim Absoluten zu begründen, ohne daß Sein und Denken jemals anders sein könnten, als sie sind, weil das Absolute über der Gegensätzlichkeit aller unendlich vielen möglichen Seinskosmen und jeder möglichen und denkbaren Bestimmung - jenseits der ontologisch gültigen, seinsimmanenten Bestimmungen - , also über Endlichkeit (= Bestimmung) und Unendlichkeit (= Unbestimmtheit und Indifferenz), steht, womit die Tatsache, daß das Sein so ist, wie es ist, als notwendig zu denken ist. Der Satz vom Widerspruch darf, damit er im relativen Denken gilt, für das Absolute nicht gelten, das nur als Undenkbares denkbar ist - was ja genau den Satz vom Widerspruch suspendiert - , wodurch aber gerade Absolutes und Nichtabsolutes fur das Denken wieder in das Widerspruchsaxiom eintreten, das dann alles in das eine Absolute und das viele Nichtabsolute einteilt. Das Denken gewinnt sein Sein, seine Grenze und sein Selbstverständnis aus der Analyse seiner Spiegelung, seiner Selbstreflexion, am Absoluten, weil es - indem es alle Bestimmungen und Prinzipien, die es in sich als denkbar, seiend und seinskonstitutiv auffindet und begreift - im Versuch, diese Kategorien auf das Absolute zu beziehen, sie doch von ihm logisch zwingend negieren muß und dabei ein-
41 42 43
Vgl. Proclus, In Parmenidem, Vgl. Proclus, In Parmenidem, Vgl. Proclus, In Parmenidem,
1144, 6-40. 1069, 16-26; 1137, 39-1139, 7. 1172, 35.
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sieht, daß das Sein und es selbst durch genau diesen einzigartigen negativen Bezugsversuch erst möglich werden, weshalb sie ihr eigenes Gegeben- und Entstandensein (ihre Genesis) allein so vorstellen können. Sachlich besteht zwischen affirmativen Seinsbestimmungen und Negationen des Einen kein Unterschied, d. h. es sind dieselben Prinzipien, die vom Einen verneint und vom Sein bzw. vom seienden Einen bejaht werden, so daß die Differenz sich auf die Copula bezieht, wenn sie alle Prädikate auf die beiden primären Subjekte εν απλώς und εν öv anwendet, also im Durchgang und der Zusammenfassung der Gesamtreflexion erst zutage tritt. Affirmation und Negation beziehen die Totalität aller - insgesamt relationalen und alle (formalen) Relationen des Einen denkenden - denkbaren Grundprädikate mittels der einen Copula 44 auf die Grundsubjekte, worin das Denken den Übergang und Zusammenhang der fundamentalen Gültigkeitsbereiche .Absolutes' und ,Sein' erfaßt. Das Denken bezieht somit alle konkreten Einheitsformen (= Seinsprinzipien) sukzessiv durch die Copula auf das Absolute oder das Sein und bestimmt sie dergestalt als homogene Gültigkeitsfelder dieser Einheitsformen, die in sich und in Gestalt der zwei Grundbereiche lückenlos verbunden zu denken sind. Der Schnittpunkt liegt dann in der Bejahung und Verneinung des Existenzprädikats, von ουσία und είναι, 4 5 die alle anderen Prädikate umfassen. Deshalb reicht der Geist als Inbegriff aller Prädikate und allen gedachten Seins nur bis zum seienden Einen, 46 während das Eine jenseits von Relation, Existenz, Wissen und sprachlichem Ausdruck steht. 47 Mit der Negation aller Negationen endet unsere Erkenntnis in der Henosis und in „schweigenden Symbolen", 48 jenseits derer keine weitere Vereinfachung mehr vorstellbar und möglich ist. Das Eine liegt in uns, und mit diesem Namen benennen wir auch nur die Einheit in uns bzw. unser Verständnis von ihr, 49 weil kein Seiendes und kein Denken das Eine selbst erfassen kann. 50 Die letzte Negation zieht noch das Sein vom Einen ab, d. h. sie negiert die Negation seiender Prinzipien vom Einen insgesamt, womit sich das Denken des Einen im Schweigen vollenden soll.51
44 45 46 47 48 49 50 51
Auch die Copula stellt somit eine Form der Einheit dar, und zwar die logische Einheit jeder denkbaren Beziehbarkeit von Kategorien. Vgl. Proclus, In Parmenidem, 1239, 27-1242, 33. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 40, 10-24. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 40, 29-32; 44, 3-27. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 46, 3-33; 52, 1-35. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 54, 11-33; 56, 17-21. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 62, 1-28. Vgl. Proclus, Commentarium in Parmenidem, pars ultima, 72, 1-76, 7.
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II. Fichtes Theorie des Absoluten und die neuplatonische Deutung des Einen Jeder Versuch, die Philosophie Johann Gottlieb Fichtes mit anderen historischen Systemen zu vergleichen, sieht sich zunächst vor das formale Problem gestellt, auf nur wenige direkte und explizite Bezugnahmen 52 Fichtes auf andere Denker zurückgreifen zu können. Abgesehen von Immanuel Kant, Baruch de Spinoza und einigen Zeitgenossen nennt Fichte besonders in seinen Wissenschaftslehren nur selten Namen, und auch seine Terminologie bietet nur wenig Anhalt, um konkrete und exakte Rezeptionspunkte ganz bestimmter Elemente anderer Systeme nachweisen zu können, denn Fichte entlastet sein Denken von einer explizierten Geschichtlichkeit. Der Interpret ist somit zumeist gezwungen, implizite Bezugnahmen und systematische Parallelen oder gedankliche Gemeinsamkeiten zu suchen, die eine Nähe zu früheren Theoremen doch immer nur wahrscheinlich machen können. Es spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, ob ideengeschichtliche, begriffliche, gedankliche, systematische oder funktionale Konvergenzen zwischen Denkansätzen bewußt oder unbewußt vor sich gehen. In den Schriften vor 1801 erlegt sich Fichte - wohl in Anknüpfung an den die Grenzen unserer Erkenntnis bestimmenden transzendentalen Idealismus Kants - große Zurückhaltung auf, was Aussagen über das Absolute angeht; er gebraucht den Terminus vor allem zur Bestimmung und als Prädikat des Ich
52
Einige Belegstellen bezüglich Piatons sammelt W. Janke, ,Der Piaton tritt in jeder Stunde unverkennbar bei ihm hervor'. Von der Erfahrung des Seins in Fichtes Vollendung des platonischen Idealismus, in: Sein und Werden im Lichte Piatons. Festschrift für Karl Albert, hrsg. von E. Jain, S. Grätzel, Freiburg, München 2001, 77-90. - Zu Fichtes Verhältnis zu Piaton vgl. auch B. Vancamp, Piaton et Fichte sur la valeur de l'ecrit en philosophic, in: Etudes Classiques Namur 64 (1996), 59-76; W. Becher, Piaton und Fichte: die königliche Erziehungskunst. Eine vergleichende Darstellung auf philosophischer und soziologischer Grundlage, Jena 1937; Gloy, Einheit und Mannigfaltigkeit (zum Dialog Parmenides 25-82, zu Fichte 83-130); B. Zehnpfennig, Reflexion und Metareflexion bei Piaton und Fichte. Ein Strukturvergleich des Platonischen Charmides und Fichtes Bestimmung des Menschen, Freiburg, München 1987 (ein Vergleich zwischen Piaton und Fichte 187-233); zur Rezeption des εξαίφνης vgl. M. Budde-Burmann, Das lebensorientierende Eine bei Piaton und Fichte. Zum Verhältnis von Piatons Parmenides zu Fichtes Wissenschaftslehre 18042, in: Prima Philosophia 4 (1991), 11-13. - Interessant ist in diesem Kontext auch, daß Fichtes Sohn 1818 (also noch vor Erscheinen von Cousins Edition) in Berlin mit einer Arbeit Über den Ursprung der neuplatonischen Philosophie promoviert wurde, die zunächst mit der Begründung, sie sei ein Text des Vaters, abgelehnt wurde. Vgl. H. Ehret, Immanuel Hermann Fichte. Ein Denker gegen seine Zeit, Stuttgart 1986, 43-48. - Zur Vorsicht, was eine mögliche direkte Aufnahme des Neuplatonismus angeht, mahnt K. Ceming, Mystik und Ethik bei Meister Eckhart und Johann Gottlieb Fichte, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Brüssel, New York, Oxford, Wien 1999, 156.
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oder der Tathandlung. 53 Jedes Epitheton, das zum Ausdruck ,Absolutes' hinzugesetzt wird, hebt dieses eigentlich auf: 54 Es ist nur, was es ist, und ist dieses, weil es ist,55 also eine rein formale Inhaltlichkeit. In transzendentalphilosophischer Selbstbeschränkung geht es Fichte mehr um das absolute Wissen, das nicht das Absolute selbst ist, aber dennoch nur in Abgrenzung von diesem bestimmt werden kann. Das Wissen vom Wissen, das jede Theorie vom Wissen grundlegt und die abstrahierte, allgemeine Form des Absoluten aufweist, bildet das Ziel der Wissenschaftslehre. 56 Auch das absolute Wissen ist nur insofern absolut, als es ist, was es ist, und dies, weil es ist, d. h. es vereinigt die einzigen formalen Bestimmungen des Absoluten - ruhendes Sein (Substanz) und Werden bzw. Freiheit (Kausalität) - , die in ihm verschmelzen. 57 Die Inhalte des absoluten Seins sollen durch Freiheit zum absoluten Wissen werden. 58 Diese Prädikate gelten bei Plotin in ausgezeichneter Weise für den Geist, nicht jedoch für das Absolute, 59 während bei Fichte das Absolute selbst für das Denken potentiell viele Prädikate und Bestimmungen hat, von denen wir trotzdem nur die formalen, Sein und Freiheit, erkennen können, weil das absolute Wissen deren Vereinigung ist,60 aber es nicht zugleich möglich ist zu sagen, das Absolute sei Sein, Wissen oder Identität; 61 formales Haben und inhaltliches Sein treten also auseinander, anders als beim absoluten Wissen. Die strukturelle Nähe des absoluten Wissens zum neuplatonischen Geistbegriff tritt auch darin zutage, daß es Sein, Denken, Bild und Wissen selbst umfassen, also Wissen und Selbstwissen von sich als Totalität aller Bestimmungen sein soll, was Hegel später fortführt, allerdings dahingehend modifiziert, daß das Absolute absolute Subjektivität (absolute Reflexion) ist, wohingegen die Negation aller Prädikate als Leere und Allgemeines nur den Anfang und das negativ Absolute abgibt. 62 Auch
53 54
Mit diesem Konzept greift Fichte Spinozas Begriff der causa sui und die neuplatonische Bestimmung des α ύ θ υ π ό σ τ α τ ο ν auf. Vgl. J. G. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), in: Gesamtausgabe, Bd. II/6, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, P. K. Schneider, M. Zahn, Stuttgart-Bad Cannstatt 1983, 143-144. - Ab 1800 setzt Fichte eine unüberwindliche Differenz zwischen absoluter Selbstsetzung und Absolutem an.
55
Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 143-144, 147-150. - Diese Formel drückt die Annahme eines von sich gewußten, folge- und prioritätslosen Verhältnisses des Absoluten zu sich als Produkt und Produktion aus.
56 57 58 59 60
Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 139, 143-146. Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 147-148. Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 193-194. Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 4 und 7-9. Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 157 und 160. - Alles Wissen setzt (sein) Sein und Nichtsein voraus: Vgl. ebd., 195-204. Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 143-144. Bei Hegel erscheint das Absolute nur als Leeres und Negation aller Prädikate (G. W. F.
61 62
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die intellektuelle Anschauung als absolute Synthesis der Gegensätze und der Vielheit läßt sich als νοΰς-hafter Erkenntnisakt im Sinne des Neuplatonismus interpretieren. Die Schwerpunktverlagerung der Wissenschaftslehre vom Ich auf das Absolute bzw. absolute Wissen ist dem neuplatonischen Aufstieg von Seele zu Geist und Einem analog: Das Ich erkennt sich zunächst bedingt als absolute Totalität aller Realität in sich, dem die Totalität des Negativen als Nicht-Ich vorläufig äußerlich entgegensteht; ihre Vereinigung im Ich als diesem innerliche Disjunktion 63 ist auch im Neuplatonismus der erste Schritt im Aufstieg der Seele, in dem sie sich als spezifischer (diskursiv erkennender) Modus der Ganzheit des Gegebenen begreift. Später gilt dieses Ich - als Inbegriff des Denkens und der Logik, 64 durch deren Axiome es ja 1794 noch dargestellt wird - nur noch als Teil des Wissens, das vom ganzen, absoluten Wissen umfaßt wird, dessen Nähe zum neuplatonischen νους bereits angesprochen wurde. Über diesem steht nur noch das Absolute selbst, das jedoch letztlich ein Jenseits des Wissens und Erkennens bleibt - wiederum ein Gegensatz zu Hegel. Wir begreifen für Fichte nichts anderes als das Absolute, obgleich wir wissen, daß wir es nie völlig begreifen können, woran jedes Wissen seine zugleich formale und inhaltliche Begrenzung 65 erfährt. Die Durchführung der Wissenschaftslehre - und damit die Darstellung des absoluten Wissens 66 - erfolgt als Aufstieg zum absoluten Prinzip des Wissens,
Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die objektive Logik (1812/1813), in: Gesammelte Werke, Bd. 11, hrsg. von W. Jaeschke, F. Hogemann, Hamburg 1978, 370). Im Anfang ist das Absolute einfach, leer und allgemein, bestimmungslos und unmittelbar (Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die Objective Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832), in: Gesammelte Werke, Bd. 21, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1985, 56-60; ders., Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik (1816), in: Gesammelte Werke, Bd. 12, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1981, 239-240). Der Anfang ist so das Absolute, ist es aber zugleich auch nicht (nur an-sich), so daß der Fortgang des Anfangs als Selbstbestimmung des Absoluten notwendig ist (Hegel, Die subjektive Logik (1816), 240-241). Das Unmittelbare ist ein sich auf sich beziehendes Allgemeines und damit Einheit des Verschiedenen (ebd., 241-242), die sich im Fortgang kategorial expliziert. Gerade gegen Fichte ist der Zugang zum Absoluten also die Entfaltung der Kategorien auseinander im dialektischen Prozeß, nicht die negative Reduktion und Negation aller Begriffe. 63
64
Vgl. J. G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer (1794/95), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/2, hrsg. von R. Lauth, H. Jacob unter Mitwirkung von M. Zahn, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, 255, 260 und 288. Die Logik bildet die Form der Methode der Wissenschaftslehre, welche sie darstellt und dennoch bereits von ihr abhängt.
65
Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 178-179: Die Als-Erkenntnis begreift die begrenzte Geltung jedes Begriffs im Ganzen; in der Einheit ist potentiell-negativ eine unendliche Vielheit impliziert.
66
Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre
(18042),
in: Gesamtausgabe,
Bd. II/8, hrsg. von
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durch den es sich als Erscheinung des Absoluten 67 begreift, um im Anschluß den Rückgang zur Ableitung der Erscheinung des Absoluten aus der Erkenntnis des Prinzips zu vollziehen. Die Vielheit wird dabei auf eine absolute Einheit zurückgeführt, die Prinzip von Einheit und Verschiedenheit zugleich, 68 lebendig-organische Einheit von erscheinender Einheit und erscheinender Disjunktion ist.69 Damit kommt Fichte nicht nur mit Hegels 70 formaler Definition des Absoluten als Identität von Identität und Nichtidentität, von Einheit und Vielheit, von Ideellem und Reellem, von Indifferenz und Verhältnis 71 überein, sondern auch mit dem neuplatonischen Einheitsbegriff, der seiende Einheit ebenfalls als bloß erscheinende Einheit begreift, die mit Vielheit verbunden bleibt. Hieran anschließend läßt sich die zentrale Rolle des Lebensbegriffs in der genetischen Wissenschaftslehre, die ihn über Sein und Denken stellt, besonders in seiner Verbindung mit der Lichtmetaphorik, die das Licht in Nähe zu Gott oder gar als Absolutes begreift, 72 das sich selbst in Begriff und Sein aufspaltet, 73 zum christlichen Neuplatonismus in Beziehung setzen. Die Nähe zur Mystik - etwa zu Meister Eckhart 74 - wird besonders offensichtlich, wenn das Licht als unmittelbar lebendiges Prinzip, als rein absolute Einheit, die nicht zu beschreiben, sondern allein zu vollziehen ist, gekennzeichnet wird. 75 Da Sein und Begriff starr sind, können sie dem Werden und Leben des Lichts nie genau gerecht werden, wobei sie im Verhältnis von Bild und Abgebildetem stehen, d. h. der Begriff etwa umfaßt das Bild, das das Licht als sein Abgebildetes ist.76 Der Übergang vom Absoluten
R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, E. Ruff, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1985, 42-44. 67 68 69 70
Vgl. Plotinus, Enn. V 1, 7, 1: Der Geist ist das „Bild des Absoluten". Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (1804'), 6-10. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 84-86. Subjekt und Objekt, Idealismus und Realismus sind für Fichte und Hegel im absoluten Wissen geeint, das aber für Hegel alles Relative zur Absolutheit bringt und vollendet.
71
Vgl. G. W. F. Hegel, Differenz des Fichte 'sehen und Schelling 'sehen Systems der Philosophie, in: Gesammelte Werke, Bd. 4, hrsg. von H. Buchner, O. Pöggeler, Hamburg 1968, 64; ders., Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften, ebd., 431 -433; Die subjektive Logik (1816), 60-61.
72
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 112-121. - Die Identifikation zwischen Gott und Absolutem wird von Fichte zunächst noch schwankend vollzogen, und erst ab etwa 1810 kann man von einer durchgängigen Gleichsetzung sprechen.
73 74
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (1804'), 116-125. Vgl. Meister Eckhart, Deutsche Werke, Bd. I, hrsg. von J. Quint, Stuttgart 1958, Pr. 4 (72, 6-9), Pr. 8 (136, 11-16); ebd., Bd. III, hrsg. von J. Quint, Stuttgart 1976, Pr. 80 (385, 1-5), Pr. 82 (428, 1-9), Pr. 86 (482, 19-483, 2).
75 76
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre
(1804 2 ), 352-354. (1804'), 128-130.
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77
zum Nichtabsoluten ist also zugleich der von Leben zu lebendigem Bild oder von Grund zu Erscheinung; in Platonischer Tradition gehen dabei Sein und Begriff (Denken) gemeinsam und aufeinander bezogen aus dem Absoluten hervor (das gleichwohl bei Fichte weder deren Grund noch Ursache ist), um sich wechselseitig als Erscheinungsgestalten des Absoluten im absoluten Wissen auszulegen. Deshalb ist für Fichte alles Sein bewußtes Sein, und aus dem Bewußtsein mit seinen selbst- und seinserschließenden Vollzügen ist kein Ausgang möglich. Die Wissenschaftslehre demonstriert den Primat der Wahrheitslehre, die das eine Sein aufweist, vor der Phänomenologie, die das viele Erscheinende (Meinen) gliedert und seine Gegebenheit in Disjunktionen sowie seine Herkunft aus dem gegensatzlosen Einen zeigt. Das Wahre ist absolute, unveränderliche 78
Einheit, die sich in die Disjunktion von Sein und Denken (Bewußtsein) spaltet, als Prinzip der unabtrennbaren Einheit, Disjunktion und Bezogenheit beider anzusehen ist79 und von Fichte auch reines Wissen genannt wird. Sein und Denken als unterschieden Geeintes erscheinen immer zusammen, und alles Erscheinende erscheint in dieser Disjunktion, hinter der ein Absolutes stehen muß, das Kant 80 - und auch Piaton - nur formal in seinem Daß erkannt hat, nicht jedoch in seinem inhaltlichen Was. In jedem Wissen von Etwas verbindet etwas das Gewußte mit dem Wissen, 81 was in allen Fällen unwandelbar bleibt, aus dem aber alles Veränderliche (im Bereich der Disjunktion und des Begriffs) notwendig hervorgeht und dadurch vermittelt ist;82 die Suche nach dem Was, der einen absoluten Qualität des Wissens, erschließt dieses Verhältnis: Die faktische Erscheinung (Daß) des Wissens wird mit diesem Schritt als genetisch konstruiert und damit als vermittelt begriffen, womit die Einsicht in das Absolute - nicht das Absolute selbst - als Grund der Disjunktion des Absoluten (Licht) sichtbar wird. 83 Da das Absolute jedoch eigentlich nicht begriffen und genetisch nachkonstruiert werden kann, 84 müssen Wandel (Begriff und Disjunktion) und Unwandelbares (Begriff der Einheit als Prinzip) beide vernichtet werden, um das Unbegreifliche als solches 85 zu begreifen, als Prinzip absoluter Erzeugung; 86 das 77
Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 20, wo das Eine als freie, ewige Selbstschöpfung beschrieben wird.
78 79 80 81 82 83 84
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
85
Wandel entspricht der Endlichkeit, Unwandelbarkeit der Unendlichkeit, aber wie das Endliche aus dem Unendlichen entsteht und neben ihm besteht, also wie das Verhältnis von Sein und phänomenalem Sein zu denken ist, bleibt unbegreiflich. Nur das Faktum, nicht das Wie des Hervorgangs ist vorstellbar: Vgl. J. G. Fichte, Über das Wesen des
Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte,
Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre
(18042), (18042), (I8042), (18042), (18042), (18042), (18042),
8-9. 12-13 und 36. 42-46. 37-38. 41-43. 126. 52-53 und 84-86.
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absolut U n b e g r e i f l i c h e wird damit in der einen, absoluten H y p o t h e s i s als einzig e s gesetzt. A l l e s S e i n außerhalb des absoluten S e i n s w i r d a u f g e h o b e n und damit auch d e s s e n Relationen, die dadurch aber als E r s c h e i n u n g e n existieren. D a s stete S c h w a n k e n z w i s c h e n den e i n s e i t i g e n P e r s p e k t i v e n und B e g r i f f e n -
wie
s c h o n 1 7 9 4 - fuhrt letztlich z u m transzendenten Einen hin. 8 7 D i e g e s a m t e aporetische T h e o r i e gerät damit zur A n a l y s e d e s faktischen, ersten, praktischen, j e d e m M e n s c h e n innerlichen L e b e n s a k t e s d e s T u n s u n d der G e n e s i s . 8 8 Jede m ö g l i c h e , konkret b e s t i m m t e Einheit d e s W i s s e n s ist zuletzt v o n uns angesetzt und zerfällt in eine D i s j u n k t i o n . 8 9 D e r l e b e n d i g e V o l l z u g d e s B e g r e i f e n s enthält allein d i e absolute Einheit, nie h i n g e g e n das konkret B e g r i f f e n e , das das B e g r e i f e n f e s t s t e l l e n will. I m D u r c h g a n g d i e s e s P r o z e s s e s , den s c h o n die Wissenschaftslehre
v o n 1 7 9 4 mit ihren V e r m i t t l u n g s d i s j u n k t i o n e n 9 0 v o n Ich und
N i c h t - I c h n a c h den drei Grundsätzen andeutet, beschreitet Fichte den W e g der N e g a t i o n e n , w o m i t er sich der Tradition negativ-dialektischer . T h e o l o g i e ' eingliedert: 9 1 D i e letzte Einheit des W i s s e n s geht nicht in e i n e m B e g r i f f e n w e r d e n ,
86 87 88 89
90
91
Gelehrten (1806), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/8, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, I. Radrizzani, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, 74. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 79-80. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 129-133. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 81 -83. Vgl. die neuplatonische Deutung der Prinzipienpaare des Parmenides. - Subjekt (Denken) und Objekt (Sein), Überwirkliches (Ideen) und Wirkliches (Sinnliches) bilden eine solche Disjunktion, die ihren Ausgang von der Identität (A = A) und der Nichtidentität (A nicht = B) als Grundkategorien nimmt. Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (1805), in: Gesamtausgabe, Bd. II/9, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, I. Radrizzani, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 258. Die Stufung von absolutem Sein, Vielheit der Ideen als Existenz und Erscheinen des Absoluten, die im Erscheinen das eigentlich Reale bilden, und wandelbarer Wirklichkeit (vgl. ebd., 260-265) skizziert einen Seinsaufbau, der dem Sonnengleichnis korrespondiert. Fichtes Gebrauch des Ideenbegriffs steht ab 1800 in der Tradition Piatons. Über dem an sich toten Sein des sinnlich Erfahrbaren stehen die Ideen und über diesen das Singulum des Seins, das absolute, unteilbare Einheit ist (Wissenschaftslehre [18042], 230 und 242) und von Fichte auch mit der Idee des Guten verbunden wird, die Begriff, Wissen und bedingtes Sein übersteigt (Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), in: Gesamtausgabe, Bd. II/6, 337). Das Licht ermöglicht das Sehen, ist jedoch unsichtbar und zeigt seine Genesis nicht (Wissenschaftslehre [18042], 298); das Absolute selbst zeigt sich klar und verbirgt sich doch zugleich in seiner Helle (ebd., 229). - Zu Fichtes Lichttheorie und ihrer Beziehung zum Sonnengleichnis vgl. R. Ferber, Piatos Idee des Guten, Sankt Augustin 2 1989, 10 und 246-250. Die Vermittlung ist der für das Bewußtsein als notwendig nachvollziehbare Konkretisierungsprozeß der Kategorien auseinander in der Bewegung aus und zwischen gegensätzlichen Ur-Kategorien. Vgl. K. Gloy, Der Streit um den Zugang zum Absoluten. Fichtes indirekte Hegel-Kritik,
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sondern in der sukzessiven Vernichtung 92 jedes Begriffs vor sich, in der sich nichts anderes ausdrückt als die Vernichtung des Ich am Licht oder an Gott; nur die Aufhebung aller Gestalten unseres Wissens offenbart dessen einen Grund. Das Absolute - sei es seiend oder nicht - zerstört seine Denkbarkeit, aber auch diese Negativität ist zuletzt noch zu negieren, und zwar in dem Sinne, daß es nicht als jenseits der Negation seiner Denkbarkeit bestehend und gegeben gedacht wird. Das absolute, in sich geschlossene, lebendige Sein wird jedem Gedachtsein entzogen, weil es nur so Bewußtsein und Bewußtes bedingen kann. Die Negation jeder Bestimmung am Absoluten erhellt also das bewußte Sein dieser Bestimmung, 93 da sie als Negation zur Erscheinung des Absoluten wird, was Fichte auch als Übergang von der möglichen zur wirklichen Erscheinung des Absoluten darstellt: Das faktische Sein der Welt, wie sie uns bewußt ist, muß notwendig so sein, wie es ist; daß sie aber um des Absoluten willen so wird, wie sie werden soll, demonstriert die Wissenschaftslehre als darstellendes Dargestelltes, als Organ und Gegenstand des absoluten Wissens. Anders als bei Hegel sind die ,Modalkategorien' bei Fichte also formale und allgemeine Verhältnismomente zwischen Absolutem und Nichtabsolutem (absolutem Wissen und gewußter Welt), nicht wie bei ersterem 94 formelle Momente des Absoluten selbst. Das absolute Wissen ist für Fichte das weltkonstituierende Bild des Absoluten, die Deutung des Seins, aber das Absolute selbst bleibt - anders als bei Hegel 95 - unbegreiflich und ist nur als Vernichtung des Begriffs quasi ,nihili-
92
93 94 95
in: Zeitschrift für philosophische Forschung 36 (1982), 45-48. Die Hauptmomente des sich-wissenden Wissens zeigen sich als inadäquat für das Absolute (im aufsteigenden Durchgang durch diese Momente), bis das Eine als Prinzip der Seinsspaltung in absoluter Reflexion und Abstraktion durchsichtig wird: a) Sich-Vernichten des Begriffs (Wissenschaftslehre (18042), 52-65), b) Abstraktion von Bewußtseinsrelation, Disjunktion und Relation (ebd., 229-242). - Auch Hegel postuliert die Notwendigkeit der Vernichtung jeden Begriffs im Prozeß des dialektischen Fortschritts zum Absoluten, aber er tut dies im Horizont eines system immanenten Absolutheitsdenkens, während Fichte die Vernichtung des Begriffs als Forderung der dem Begreifen transzendent bleibenden Natur des Absoluten versteht. Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (1813), in: ders., Nachgelassene Werke, hrsg. von I. H. Fichte, Bd. II, Bonn 1834/35, Nachdr. Berlin 1971, 55-57. Vgl. Hegel, Die objektive Logik (1812/1813), 369. Zur Grundorientierung der Theorien des Absoluten im Deutschen Idealismus vgl. W. Janke, Vom Bilde des Absoluten. Grundzüge der Phänomenologie Fichtes, Berlin, N e w York 1993, 1-14. - Zum Konnex zwischen Einheit und Absolutem bei Fichte vgl. etwa C. Asmuth, Das Begreifen des Unbegreiflichen. Philosophie und Religion bei Johann Gottlieb Fichte 1800-1806, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, 198-228, 238-250, 256272, 285-290, 300-308, 343-377. - Ein Gegenkonzept zu dieser .theologischen' Deutung des Begriffs des Absoluten beim späten Fichte findet sich bei R. Heckmann, Die Nichthintergehbarkeit symbolischer Welterzeugung. Eine Untersuchung zum Absoluten
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stisch' zu erfassen. 96 Zwar gliedert das absolute Wissen die Kategorien und Begriffe, die konkreten Prinzipien des erscheinenden Seins insgesamt in sich und zeigt ihre Entwicklung aus bestimmten ,Urkategorien' heraus - analog der Bewegung der reflexiven Selbstvermittlung der Kategorien zwischen Ich und Nicht-Ich in der Wissenschaftslehre 1794 - , aber keine in sich reflexive Totalität aller Begriffe in einer absoluten Subjektivität kann das Absolute selbst sein. Das Ich muß zugrunde gehen, damit die Vernunft rein zum Vorschein kommen kann; 97 der Weg zum Absoluten fuhrt über das Selbstbewußtsein hin zur reinen Einheit, in der Leben und Sein absolut geeint sind, was fur Fichte den zugleich verborgensten und klarsten Gedanken darstellt, der sich fassen läßt. 98 Fichte kennt so zwar keine begreifbare Einheit mehr über dem Sein, sondern setzt Sein und absolute Einheit vielmehr gleich, 99 aber er erhebt das Absolute dennoch über die reflexive, selbstvermittelte, selbstbewußte Einheit des mannigfaltigen Vielen im absoluten Wissen, wie der Neuplatonismus das Eine über den Geist stellt. Das Absolute kann als es selbst nie Gegenstand unmittelbaren Bewußtseins werden, das von der Disjunktion zwischen Subjektivem und Objektivem abhängt, und sogar was die Reflexion angeht, so ist es allein in deren reiner Bewegung und Form erscheinend anwesend, d. h. das Absolute ist nur ein solches fur das Bewußtsein und somit bloß in seiner bildlichen Erscheinung gegeben 100 - egal, ob es in das Sittengesetz, 101 die Freiheit, das Streben, die Liebe,
der späten Wissenschaftslehren Johann Gottlieb Fichtes, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999. - Zum Status des Absoluten in seiner Gegensätzlichkeit zu Wissen und Sprechen vgl. beispielsweise L. Hühn, Fichte und Schelling oder: Über die Grenze menschlichen Wissens, Stuttgart, Weimar 1994, 107-141, w o sich auch diverse Verweise auf Kongruenzen zwischen beiden Denkern und dem Neuplatonismus finden. 96 97 98 99 100
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 56. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 285. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 229-231. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (1804'), 230. Vgl. bereits J. G. Fichte, System der Sittenlehre (1798), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/5, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von Η. M. Baumgartner, E. Fuchs, K. Hiller, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1977, 33-71.
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Die Aufgabe des Menschen ist die Nachahmung des absoluten Willens Gottes, die jedoch nur in einer unendlichen, strebenden Annäherung vollzogen werden kann. Gottes Wille ist Leben, Einheit der Welt und besonders aller vernünftigen Subjekte, muß aber als er selbst unbegriffen bleiben; die Kluft zwischen Absolutem und Endlichem ist nur in einem unendlichen Streben (praktisch) zu überbrücken, was Fichte von Schelling und Hegel trennt. Vgl. J. G. Fichte, Die Bestimmung des Menschen (1800), in: Gesamtausgabe, Bd. 1/6, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, K. Hiller, W. Schieche, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981, 286, 292-293 und 296, wo Fichte in einer stark neuplatonisch gefärbten Begrifflichkeit redet. - Vgl. L. Hühn, Die Unaussprechlichkeit des Absoluten. Eine Grundfigur der Fichteschen Spätphilosophie im Lichte ihrer Hegeischen Kritik, in: Erfahrungen der Negativität. Fest-
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Gott oder das Leben gelegt wird. Das Wissen vom Wissen ist die Phänomenologie, das Erscheinen des Absoluten, die sich in eine fünffache Hierarchie des Erscheinens und der Weltansichten entfaltet, d. h. in die Vielheit der Grundformen von Bewußtseinsrelationen, Wissenschaften und dessen, was als Welt angesprochen wird.102 Das Erscheinende ist jedoch zugleich das Relationale, das als solches nicht zu transzendieren ist, in dem man aber dennoch nicht befangen bleiben und das man noch weniger selbst absolut setzen darf: Idealismus und Realismus scheitern fur sich genommen deshalb, weil sie in Zweiheit, Differenz und Relation verharren, obwohl eine absolute Abstraktion von aller Relation nötig ist, durch die Sein und Denken ineinander aufgehen und die den Singulumcharakter des Absoluten aufweist.' 03 Der Begriff ist gleichwohl von seiner Form her nichts anderes als Korrelationalität, als absolute Relation, die zuhöchst von den konkreten Gliedern und Relata abstrahieren kann,104 nicht von der Relationsform selbst. Diese besitzt der Begriff, weil er Sehen ist und die Einsicht vom Licht im Bild darstellt (= Wissen), während das Licht für den Begriff immer nur das Abgebildete ist, selbst hingegen vermutlich Sein und Sehen (Denken) eint und als solches nicht festzuhalten ist. Das Licht verweist auf ein Schweben zwischen absolutem Wissen, das in Gegensätzen und Vielheit verbleibt und eigentlich Nichtsein ist, und absolutem Sein, das Eines ist und Nichtwissen. Das Licht ist für das Denken potentiell, aber nicht aktual unendlich quantitabel, wohingegen das Sehen in allen Ansichten105 die Qualität des Absoluten darstellt, wobei das Wissen im Begriff stets in relationaler Form begreift und verfestigt wird.
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schrift fiir M. Theunissen, hrsg. von M. Hattstein, Hildesheim 1992, 177-201. Vgl. Fichte, Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 258; Anweisung zum seeligen Leben (1806), 105-114. - Vgl. auch C. Asmuth, Wissenschaft und Religion. Perspektivität und Absolutes in der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, in: Fichte-Studien 8 ( 1 9 9 5 ) , 3-10. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 243. - Zum Verhältnis von Unitismus und relationalem Dualismus vgl. ders., Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 228229. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 228. - Das wechselseitige Begreifen aller Begriffe durch einander bildet den ,Urbegriff und die absolute, organische Einheit des Bewußtseins. Das Sehen in allen Ansichten, d. h. die Einheit und Unveränderlichkeit der Ansicht, das immer auf die gleiche Weise als identisch sich vollziehende Erkennen, bedeutet für Fichte auch die Wahrheit, wie sie aus der absoluten Einheit gegeben wird, und zwar in einer Weise, die über Adäquation und Relation steht. Das eine Sehen und Wissen ist das eine Bild des Absoluten, das eine absolute Einheit ist, weil es die absolute Einheit abbildet und nichts anderes abbilden kann; daneben und in diesem Bild sind verschiedene weitere Bildformen möglich, analog den unterschiedlichen Weltansichten, in denen das Absolute erscheint. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (1813), 30-32 oder 50-63.
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Das Unbegreifliche als Absolutes wird als Unbegreifliches begriffen - und dies erfolgt relational, so daß die relationale Begriffsform in sich bereits und eo ipso als Negation des Absoluten reflektiert und von sich selbst dergestalt begriffen wird: Absolutes und Relation sind somit der negativ verbundene und geeinte Grundgegensatz überhaupt, 106 der zugleich ein immanentes genetisches Verhältnis zwischen beiden ausdrückt. 107 Fichte nimmt damit den Hauptgedanken des Proklos vom genetischen Verhältnis zwischen Absolutem und relationalem Sein auf Kantischer Grundlage wieder auf. Der vom Wissen angenommene Grund seiner selbst, das Absolute, ist das, was es begründet, das System des Wissens als Einheit alles Gewußten und aller Wissensformen und -weisen - , selbst nicht, sondern steht jenseits jeder Bestimmung, jeder Differenz und Indifferenz, weil er als höchster Punkt und Anfang des Systems frei von jeder Differenz sein muß. 108 Erst Sein und Denken bilden als Urdisjunktion und formale Dualität schlechthin den Grund jeder spezifischen Differenz und konkreten begrifflichen Kategorie. 109 Das Absolute ist nur in einer Perspektive gegeben, einer konkreten, kategorialen Disjunktion und Relation oder zumindest in der Disjunktion schlechthin, und diese Perspektive wird im Begriff durch das denkende Begreifen vom Absoluten negiert, um es als Überperspektivisches zu erhalten, als rein im lebendigen Vollzug der Perspektive Anwesendes. Selbst für das bei Fichte so fundamentale Sollen, als Zwischenglied von Bild und Sein (Wirklichkeit) 110 und als gedachter Grund der Entäußerung des Absoluten, 111 findet sich ein Anknüp106
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (1805), 187-189: Das Absolute läßt sich nur in Relation auf das Relative denken, ist also in der Lösung von der Relation auf sie bezogen. Es bleibt ein Hiatus zwischen Denken und absolutem Sein, der ihren Zusammenhang unbegreiflich macht, welcher faktisch aber immer schon in der Existenz gegeben ist.
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Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 54 und 386; Wissenschaftslehre (1805), 295; Wissenschaftslehre (1807), in: Gesamtausgabe, Bd. 11/10, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, M. Ivaldo, P. K. Schneider, Α. M. Schurr-Lorusso, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, 112. - Das Eine ist der Grund und das Ziel der Rückführbarkeit der Vielheit und ihrer Genesis, zu der auch das Bewußtsein mit seinen Differenzen zählt: Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (1804'), in: Gesamtausgabe, Bd. II/7, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, A. Mues, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1989, 69-70.
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Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 7-8. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 118. Vgl. dazu Janke, Vom Bilde des Absoluten, 29-49. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 154-155. - Die Wirklichkeit der Erscheinung bezeugt die Wirklichkeit des Absoluten, denn das Bild ist einer Analyse vom Faktum hin zum Absoluten fähig: In der Erfahrung ist das erscheinende Sein unmittelbar im Bild gegeben; die Transzendentalphilosophie gewinnt in der Reflexion daraus das Bild des Bildes; die Wissenschaftslehre aber weiß erst, weil sie das Bild des Bildes als Bild erkennt. Diese Analyse stellt also ein Verhältnis zwischen drei Verhältnisgestalten der differenten Einheit von Begreifen und Begriffenem her.
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f u n g s p u n k t bei P l o t i n , 1 1 2 w e n n dieser sagt, w a s sei, sei . g e s o l l t ' ( δ έ ο ν ) , w i l l e n haft, frei und vernünftig; o b g l e i c h Fichtes A u s f ü h r u n g e n d a z u w e i t a u s grundleg e n d e r und v i e l s c h i c h t i g e r sind, besteht d e n n o c h d a s s e l b e P r o b l e m b e w u ß t s e i n . D e r B e g r i f f v e r m a g das absolut unmittelbare A b s o l u t e nicht z u vermitteln, b e g r e i f t es j e d o c h als U n b e g r e i f l i c h e s , als durch ihn U n b e g r i f f e n e s , w o m i t er sich z u g l e i c h in seiner B i l d h a f t i g k e i t 1 1 3 als Repräsentation d e s A b s o l u t e n versteht, die v o n i h m v e r s c h i e d e n u n d a b h ä n g i g u n d d e n n o c h - als B i l d d e s Urbildes - i h m korrelativ und in w e c h s e l s e i t i g e r B e s t i m m u n g v e r b u n d e n ist. D e r M e n s c h (das B e w u ß t s e i n , das W i s s e n oder d i e E r s c h e i n u n g ) ist als B i l d das D a s e i n des S e i n s , 1 1 4 d e s A b s o l u t e n , das mit d i e s e m gehaltlich, aber nicht formal identisch ist; das B i l d ist v o n seiner Form her D a s e i n d e s S e i n s , w e i l der B e g r i f f i m m e r eine relationale Form a u f w e i s t , d. h. das S e i n d e s A b s o l u t e n ist an s i c h d i f f e r e n z l o s g e g e b e n , w ä h r e n d e s i m D a s e i n nur relational-different v o r k o m m t . A b s o l u t e s und Erscheinung, U r b i l d und A b b i l d , S e i n und D a s e i n sind inhaltlich v ö l l i g identisch, formal v ö l l i g v e r s c h i e d e n , 1 1 5 u n d b e i d e s ist n o t w e n d i g z u s a m -
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Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 18. - Zum Verhältnis von Fichte zu Plotin vgl. Η. M. Baumgartner, Die Bestimmung des Absoluten. Ein Strukturvergleich der Reflexionsformen bei Johann Gottlieb Fichte und Plotin, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 34 (1980), 321-342; Coreth, Vom Ich zum absoluten Sein, 264; E. Husserl, Aufsätze und Vorträge (1911-1921), hrsg. von T. Nenon, H. R. Sepp, Dordrecht, Boston, Lancaster 1987, 281-283; J. Halfwassen, Geist und Subjektivität bei Plotin, in: Probleme der Subjektivität in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von D. H. Heidemann, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 245, 254, 257 und 262.
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Zu Fichtes Bildbegriff und dessen Plotinischen Aspekten vgl. C. Asmuth, Die Lehre vom Bild in der Wissenstheorie J. G. Fichtes, in: Sein - Reflexion - Freiheit. Aspekte der Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, hrsg. von C. Asmuth, Amsterdam, Philadelphia 1997, 271-275 und 288-299. - Die Wissenschaftslehre als Bild des Absoluten bleibt immer in einer formalen Zweiheit befangen. Das Bild stellt das Problem der Relation von Absolutem und Relativem dar, während es in der Kantischen Schematismuslehre den Übergang von Begriffen zur sinnlichen Anschauung in Zeitbestimmungen bewerkstelligen soll.
114
Daß Fichte damit Heideggers Terminologie vorgreift, ist offensichtlich: Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 86-88. Auch Heideggers Deutung der Platonischen Ideen als „Aussehen", „Hinsicht", „Anblick" oder „Ansicht" (vgl. M. Heidegger, Piaton: Sophistes (Marburger Vorlesung Wintersemester 1924/25), in: ders., Gesamtausgabe, Bd. 19, hrsg. von I. Schüßler, Frankfurt a. M. 1992, 333-335, 392-398, 465466, 548-549 oder 566-569; ders., Vom Wesen der Wahrheit. Zu Piatons Höhlengleichnis und Theätet, ebd., Bd. 34, hrsg. von H. Mörchen, Frankfurt a. M. 1988, 48-52, 7072, 101-105, 111-112, 298-299 oder 312) steht in der Tradition von Fichtes Deutung der Idee als „Gesicht": Vgl. J. G. Fichte, System der Sittenlehre (1812), in: Nachgelassene Werke, Bd. III, Bonn 1834/35, Nachdr. Berlin 1971, 31 und 42-43).
115
Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 49-53; Wissenschaftslehre 151-153.
(1804'),
112
Dirk Cürsgen
men gegeben und zu sehen (Einheit von Identität und Differenz), so daß die Relationsform des Begriffs die formale Differenz (Negation) zum Absoluten ausdrückt, zugleich jedoch die (relational) beschränkte Gegebenheit der ,Sache' des Absoluten, ihr Erscheinenkönnen fur uns, erst möglich macht. Der Mensch ist als Dasein des Seins imago dei, wie auch das reine Denken nur göttliches Dasein indiziert, nicht Gottes Sein selbst, womit die Differenz von Sein und Dasein in der Beschränkung unseres Denkens 116 gründet, der Form des Begriffs - als Bild des Absoluten - , also in der Relationalst als Form der Differenz von Absolutem und Erscheinung - wie auch bei Proklos die Relation die Form aller Begriffe und ihrer Differenz zum Absoluten ausmacht. Das Dasein als Bewußtsein des Seins kann dieses nur in relationaler Form denken, obgleich ihre Inhalte dieselben sind; 117 die formale Differenz zwischen beiden liegt aber im Dasein, weshalb es seine Differenz zum Absoluten - und damit sich selbst als formal begreift und reflektiert, also sein Bildsein als Formdifferenz erfaßt. Das Dasein vernichtet sich und seine Begrifflichkeit am Sein und gewinnt sich darin als Selbstbewußtsein (Geist), begreift seine Existenz, aber nicht seine Genese bzw. deren Grund. Jenseits der Form des Wissens sind Sein und Dasein eins, so daß das Rätsel des Hervorgangs in der Form liegen muß, das Bild jedoch immerhin sein derivatives Sein sowohl durch seine inhaltliche Identität als auch durch seine formale Differenz zum Absoluten gewinnt und erkennt, denn beide Momente jeweils allein höben das Bild als Bild auf. Das Geflecht von Differenz, Endlichkeit, Bild, Bestimmen, Form, Relation und Begriff (als Wesen des Wissens) konvergiert mit der Rolle der Negation im späten Neuplatonismus: Der Begriff ist Ausdruck der weltschöpferischen Kraft des Absoluten, 118 weil er mit seiner korrelativen ,Ais-Natur' das Absolute als etwas begreift, beschränkt, negiert und damit das Negierte hervorbringt. Die Vernichtung des Begriffs 119 - der als solcher relative Form besitzt und in der Negation sein Verhältnis zum Absoluten in Gestalt der Urbild-Abbild-Beziehung 120 gewinnt - am Absoluten verbürgt seine Gültigkeit für das Erscheinungsganze, das er in sich gliedert. Die Realität des Absoluten kann allein im Vollzug gelebt werden, so wie die Negation bei Proklos der Vollzug des Absoluten und sein Hervorbringen des Bedingten ist, womit die Negation zur Urkategorie wird, die immer relationale Form hat und alle
116 117
Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 95-96. Das Ich ist folglich logisch bzw. für die Logik mit dem Ding an sich identisch, aber nicht formal.
118 119
Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 98-100 und 118. Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 116, 168 und 232. - Zu Gott als dem Unbegreiflichen bzw. der Endlichkeit allen Begreifens vgl. Fichte, Die Bestimmung des Menschen (1800), 296-297.
120
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre
(18042),
102.
Die Unbegreiflichkeit des Absoluten
113
Begriffe und Kategorien dergestalt statuiert. Die Negation bezieht alle Begriffe auf das Absolute und leitet sie negativ aus ihm ab, so daß durch die Negation Absolutes und relative Begriffe negativ korrelativ werden. Inhaltlich entfalten Sein und Denken das, was auch das Absolute ist, aber ihre Einheiten sind formal andersartig (absolute vs. relational-vielheitliche, begriffsformige Einheit). Der Begriff steht als notwendig vermittelte Einheit im Gegensatz zur unmittelbaren Einheit des Absoluten, die der Mensch als Organ der Wissenschaftslehre zwar vollzieht, die sich allerdings nur im Vollzug des Begreifens, nicht im Begriff selbst äußert. 121 Das Bewußtsein findet statt absoluter Einheit durch den Begriff immer nur differente Einheit, d. h. Begriffe und Bestimmungen, die einander korrelieren, oder den Unterschied von begreifendem Vollzugsakt und begriffener Bestimmung; auch das Denken selbst läßt sich nur im bestimmten Gedanken .Denken' als Akt vergegenwärtigen, nicht unmittelbar. Der Begriff begreift sich als Begriff, aber nicht den immer gleichen Vollzug des Begreifens selbst, 122 weil er nur die Form des Bewußtseins ist und als solche alles qua Negation voneinander trennend bestimmt, um es dann wieder relational zur Einheit zu verbinden. Der Begriff eint Identität und Differenz und ist somit zu Recht von seiner Form her absolute Relation. 123 Vollzug und Produkt des Begriffs sind notwendig Einheit, aber um das Produkt zu gewinnen, entzieht sich dem Begriff die Einheit des Denkvollzuges als Grund des Begriffs. Deshalb muß das Bewußtsein durch sich selbst von sich, vom fixen Begriff, vom Sehen abstrahieren, um das Absolute (in sich) sehen zu können. 124 Damit geht freilich - wie im Neuplatonismus - die Hypostasierung der Negation einher, weil der Begriff nicht eigentlich vom Subjekt, sondern durch die Selbstkonstitution des Absoluten in uns negiert wird und dadurch von diesem nicht, vom Bewußtsein und der Erscheinung jedoch gilt. Der Vollzug des reinen Begreifens negiert den Begriff und zeigt damit die Hervorbringung des Absoluten durch sich in uns. Das Bewußtsein ist erscheinendes Begreifen des Absoluten, wenn es den lebendigen Vollzugsakt des Begreifens intendiert; es ist als feststehender Begriff Schein des Absoluten, äußeres gegen inneres Licht. Begriff und Bewußtsein hängen an Zweiheit, Differenz und Gegensatz, während das Absolute reine Einheit sein muß, weder in sich noch nach außen Beziehung oder Dualität aufweisen darf. 125 Hervorgang bedeutet Spal-
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 33. Dagegen erscheint die Erscheinung sich als erscheinend, also als Selbstvollzug, den sie dennoch nicht hintergehen kann. Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (1812), in: Gesamtausgabe, Bd. 11/13, hrsg. von R. Lauth, E. Fuchs, P. K. Schneider, H. G. von Manz, I. Radrizzani, G. Zöller, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 65 und 75-76. 123 Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 228. 124 Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18043), 156. 125 Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 151-152. 121 122
Dirk Cürsgen
114
tung, die vom Gespaltenen her nur durch den Rückgang auf seinen immanenten Urakt, vom Absoluten her gar nicht begreiflich zu machen ist. Im Vollzugsakt des absoluten Lichts, wo Selbstbelebung (Subjekt) und Selbsthypostasierung (Sein) ununterscheidbar sind, werden wir selber zum einen teillosen Sein, werden wir als wir selbst eins mit seinem Inhalt, weil von aller Form, Disjunktion und Begrifflichkeit abstrahiert wurde. 126 Das selbstbewußte, reflexive Wissen geht im Licht auf und vereinigt sich mit dem Absoluten im Akt der Henosis und des Versinkens der Selbstheit. Dies erfolgt indessen nicht bewußtlos und unter Verlust der Individualität, 127 sondern als überreflexive Liebe, 128 die die Einheit 129
mit dem Einen ersehnt, weil man das, was man für das Sein hält, liebt und erstrebt. Das Verhältnis von Absolutem und Erscheinung entfaltet Fichte in seinen späteren Schriften noch weitergehend. Einerseits ist die Erscheinung nur dadurch, daß das Absolute ist, andererseits erscheint das Absolute als etwas von seiner Erscheinung Unzertrennliches. 130 Die absolute Erscheinung Gottes ist nur in einem Bild ihrer selbst, und wenn die Erscheinung erkennt, daß sie Erscheinung ist - durch die Negation am Absoluten - , dann erkennt sie sich zugleich als Bild des Absoluten und ihrer selbst im Begreifen ihrer selbst; das Bild wird dann in der Folge mit dem Begriff, dem absoluten Wissen oder der Wissenschaftslehre identifiziert. Dadurch wird es möglich, das Erscheinende in sich als genetisch, als Werden des Erscheinens zu begreifen, das ein Bild des immanenten Lebens des Absoluten selbst ist. Die Erscheinung bleibt somit Erscheinung des Absoluten, ist also nicht nichts, ist aber auch nicht das Absolute selbst in seiner Verborgenheit und Immanenz in sich. 131 Die kleinste Erscheinung kann nicht nicht sein, so gewiß die Erscheinung Gottes überhaupt ist, und die Erscheinung Gottes - das Sein - ist, so gewiß Gott ist. 132 Fast alle beschriebenen Grundstrukturen der Beziehung zwischen Absolutem und Sein bzw. der aus dieser Beziehung notwendig resultierenden Struktur des Seins in sich kommen mit den Ansichten des Neuplatonismus überein, sei es der Status der Negation als doppeltes Ver126 127
Vgl. Fichte, Wissenschaftslehre (18042), 230. Vgl. Ceming, Mystik und Ethik, 207-211. Dagegen irrtümlich Budde-Burmann, Das lebensorientierende Eine, 26, die vom Selbstverlust des Menschen in diesem Akt bei Fichte ausgeht.
128
Vgl. dazu P. Junker, Der Begriff der Liebe bei Plato, Ekkehart, Fichte und in der Philosophie des Ungegebenen, Greifswald 1922. Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 56-59, 163, 166-170 und 173; Wissenschaftslehre (18042), 74. - Vgl. schon Plotinus, Enn. VI 8, 15-16.
129 130
Vgl. J. G. Fichte, Uber das Verhältnis der Logik zur Philosophie oder Transzendentale Logik (1812), in: Nachgelassene Werke, Bd. I, Bonn 1834/35, Nachdr. Berlin 1971, 172-173.
131 132
Vgl. Fichte, Über das Verhältnis der Logik zur Philosophie Vgl. Fichte, Über das Verhältnis der Logik zur Philosophie
(1812), 199. (1812), 363.
Die Unbegreiflichkeit des Absoluten
115
hältnis des Seins zum Absoluten und des Absoluten zum Sein, durch den jede Bestimmung vom Absoluten nicht gilt, dadurch jedoch ihren bestimmten Ort im Sein genetisch ableitbar zugewiesen bekommt, sei es die Ordnung des Seins als sukzessive, gestufte Ordnung von Erscheinungen, sei es der doppelte Weg zum Absoluten hin und wieder zurück, während das Absolute in sich bleibt, was den drei Momenten der neuplatonischen Genesis - μονή, πρόοδος und έπιστροφή entspricht. Noch deutlicher treten die inhaltlichen Parallelen etwa in der Wissenschaftslehre von 1812 hervor, wenn Fichte ζ. B. sagt, das Ende des Denkens sei der Begriff des Absoluten als dessen Bild; das Absolute sei kein Faktum mehr, nichts, was man mit Denkgesetzen oder (logischen) Bestimmungen noch erfassen könnte. 133 Das erscheinende Bild wird zum Ende unseres Denkens, das sich als Nichtabsolutes erkennt und dadurch erst selbst positiv bestehen kann. Die Wissenschaftslehre geht hier von dem Satz aus: ,Eins ist', und außer diesem Einen ist nichts; 134 nichts ist außer Gott als seine Erscheinung, die ohne ihn nicht und nicht durch sich selbst ist. 135 Aufgrund solcher Sätze läßt sich geradezu von einer .transzendentalen Henologie' Fichtes sprechen, die den Grundpfeiler seines Denkens abgibt. Das Denken und alles Gedachte werden selbst zum Erscheinen des Absoluten, und als bestimmtes Erscheinen wachsen ihnen ein transzendentalphänomenologischer Sinn und Status zu sowie ihr systematischer Ort im Ganzen des Erscheinens überhaupt. Die höchste Stufe, die sich in der Totalität des Erscheinens erreichen läßt, bildet das Verstehen des Erscheinens, das sich selbst versteht, der Verstand. Damit Gott verstanden werden kann, muß er erscheinen, wobei dieses Erscheinen wiederum verstanden werden kann, das Verstehen aber von sich selbst verstanden werden muß - analog dem neuplatonischen Geistbegriff. Das sichverstehende Verstehen bedeutet die absolute Form, in die das absolute Sein gebracht werden muß, um verstanden werden zu können, so daß der Verstand die absolute Seinsform bildet. 136 Der Verstand versteht sich als Bild des Absoluten, aber diese Selbst-Verständlichkeit läßt sich nur der Form nach beschreiben, woraus folgt, daß der absolute Verstand sich als Bild des absoluten Seins versteht und zugleich Bild seiner selbst ist. 137 Gott kann nicht unmittelbar erscheinen, sondern nur in der Form des Verstehens seines Erscheinens, 138 womit Fichte die erkenntnistheoretische Herkunft der transzendentalphilosophischen Absolutheitsproblematik aus dem Kantischen Ding
133 134 135 136 137 138
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte,
Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre Wissenschaftslehre
(1812), (1812), (1812), (1813), (1813), (1813),
53-54. 56. 59-63. 13 und 29. 40-41. 46.
Dirk Cürsgen
116 139
an sich metaphysisch und henologisch überhöht. Das Erscheinen ist Erscheinen des singulären Absoluten im und für das Verstehen des Absoluten; nichts anderes könnte für etwas anderes erscheinen, und die Singularität dieses Verhältnisses drückt seine Notwendigkeit und die Undenkbarkeit seines Andersseins aus. Es ist aber hinter allen metaphysischen und ontologischen Spekulationen der alte, antike und christliche Gedanke der Philosophie als Lebensform, der bei Fichte - vielleicht mehr als bei jedem anderen Denker seiner Epoche - in dieser und in vielen weiteren Gestalten im Hintergrund steht und dennoch in einer neuen und ursprünglichen Form bei ihm zum Ausdruck kommt, die es ihm verbietet, sich auf eine Tradition festzulegen und sich ihr vorbehaltlos anzuschließen, und sei es auch diejenige Kants, an der Fichte auf eigentümliche Weise sein Leben lang festhielt. Wenn Fichte den sittlichen Wert der Wissenschaftslehre für das Subjekt (die Umbildung des Menschen 140 ) und die Menschheit hervorhebt, die Notwendigkeit eines lebendigen Gottesbegriffes, 141 des Gewissens 142 oder der Freiheit 143 betont, den wahren Gelehrten als „Liebe zur Idee" 144 bestimmt oder die Bedeutung der Liebe für die höchstmögliche Annäherung an Gott und die menschliche Seligkeit stark macht, 145 dann wird damit offensichtlich, daß das Praktische und die Gestaltung des Lebens immer das Ziel aller theoretischen Reflexionen bleiben. Dabei zählt der Piatonismus für Fichte sicherlich zu derjenigen Tradition, welche die wahre Philosophie 146 in seinem Sinne verkörpert und deshalb auch Eingang in sein Denken beanspruchen darf.
139
In dieses tote, dingliche Sein das Absolute zu setzen, lehnt Fichte ab: re (18042), 12.
140 141 142 143 144
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
145 146
Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben (1806), 55-61 und 166-169. Das Wissen vom absoluten Sein hat einen grundsätzlich theologischen Charakter: Fichte verbindet alle Quellen einer „heiligen Philosophie", des wahren Idealismus (Kant, Piaton, Christus, Johannes-Evangelium), zu einem inhaltlich übereinstimmenden System: Vgl. ders., Metaphysik, Erlangen, 1805, in: Gesamtausgabe, Bd. II/9, 157-158; Logik, Erlangen, 1805, ebd., 96. Dieses Konzept findet sich bereits im Neuplatonismus oder bei Marsilio Ficino. Im Gegensatz zur Antike betont Fichte jedoch den vollendenden Charakter seiner Philosophie, nicht deren reproduktiven Sinn. Vgl. Fichte, Anweisung zum seeligen Leben, 73-74 und 110.
Fichte, Fichte, Fichte, Fichte, Fichte,
Wissenschaftsleh-
Wissenschaftslehre (1813), 8-10. Anweisung zum seeligen Leben (1806), 89-93. Die Bestimmung des Menschen (1800), 261-262. Darstellung der Wissenschaftslehre (1801/02), 193-194. Über das Wesen des Gelehrten (1806), 67-73.
Die Unbegreiflichkeit des Absoluten
117
III. Appendix: Johann Baptist Schad Die Berührungspunkte, die bereits das frühe Denken Fichtes zum Neuplatonismus verzeichnet und sichtbar werden läßt, treten mit besonderer Deutlichkeit und klarer Fortentwicklung bei einem seiner heute vergessenen Nachfolger und Fortsetzer hervor: bei Johann Baptist Schad. In seinem Neuen Grundriss der transcendentalen Logik nach den Principien der Wissenschaftslehre bemüht er sich an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Kontexten immer wieder darum, das Verhältnis zwischen Absolutem (Gott oder Gottheit) und Denken zu erhellen. Dabei wird das Absolute grundsätzlich als das gedacht, was sich nicht denken läßt; in dieser Negation und diesem Widerspruch des Denkens von und zu sich selbst - auf formaler und inhaltlicher Ebene - erkennt es jedoch zugleich seine negative Beziehung zum Absoluten und sich selbst sowie alles relative Sein als vorzügliche Verfehlung des Absoluten, aus der heraus es existiert bzw. als existierend gedacht werden muß. 147 Wenn weitergehend das Absolute als Einheit ohne jedwede innere Relationalität und Differenz ausgewiesen wird, 148 wobei die Relation - im Gegensatz zu Fichtes frühem Denken (das 1794 die Realität an diese Stelle setzt) - zur Zentralkategorie erhoben wird, 149 dann tritt in diesen Gedanken eine Fortsetzung fundamentaler Grundsätze auch des Neuplatonismus zutage. (Fichte erhebt erst ab 1798 die drei Kantischen Relationskategorien zu Zentralkategorien, unter denen er wiederum die Wechselwirkung hervorhebt. 150 Die drei Relationskategorien 151 korrespondieren sachlich den drei
147
Vgl. J. B. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik nach den Principien der Wissenschaftslehre, Jena, Leipzig 1801, 74-84, 96-98, 154, 169-170, 305, 353-354, 365366 und 385-387.
148 149 150
Vgl. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik, 447-449. Vgl. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik, 35. Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, in: Gesamtausgabe, Bd. IV/2, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Manzana, E. Fuchs, K. Hiller, P. K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1978, 205 und 229.
151
Der Versuch, Kants Kategorientafel mit der Platonischen Prinzipienlehre in Einklang zu bringen, um ihre gegenseitige Erhellung zu fördern, findet sich auch etwa bei C. G. Bardiii in dessen Philosophischer Elementarlehre, Landshut 1802, Nachdr. Brüssel 1981, 70-74, oder bereits beim frühen Schelling, der besonders den Timaeus und den Philebus heranzieht. Piaton entfaltet für Schelling Kants Kategorien, unter die das Dasein in der Welt zu subsumieren ist, und überträgt dabei das Subjektive auf das Objektive, wodurch es zu einem vermittelnden Übergang zwischen den Kategorien kommt, der bei Kant fehlt; πέρας (= Einheit) und άπειρον (= unbestimmte Vielheit), die als Qualitäts-, Fundamentalkategorie und Grundgegensatz gedeutet werden, lassen das Verhältnis aller Kategorien als Vermittlung dieses Grundgegensatzes erscheinen, im κοινόν als Quantität, in der α ι τ ί α als Tat der Vermittlung und Kausalität. Vgl. D. Henrich, C. Jamme, Jakob Zwillings Nachlaß. Eine Rekonstruktion. Mit Beiträgen zur Geschichte des spekulativen Denkens, Bonn 1986, 86-87. Zum historischen Hintergrund dieser Kategoriendeu-
118
Dirk Cürsgen
Relationshinsichten des Einen bei Proklos mit ihren Bezügen zu sich, zu anderem und zu sich und anderem in einem. 152 ) Das Absolute als absolutes Sein, Realität und (freies) Handeln ist nicht (relational) denkbar, 153 sondern nur intellektuell anschaubar; 154 gleichwohl gilt, daß man Gott - in seiner Nähe zum oder gar Identität mit dem Absoluten - dann, wenn man ihn denkt, trinitarisch denken muß,155 so daß die Trinität der disjunktiven Notwendigkeit unterliegt.
152 153 154 155
tung in Schellings Timaeus-Exegese vgl. O. F. Summerell, „[...] wie die Vernunft die Idee der Welt subjektiv erzeugt". Zur Theorie des Vorstellungsvermögens in Schellings 7i'maeMs-Kommentar, in: Imagination - Fiktion - Kreation. Das Kulturschaffende Vermögen der Phantasie, hrsg. von Th. Dewender, Th. Welt, München, Leipzig 2003, 303315. Vgl. Proclus, In Parmenidem 1103, 22-1104, 6. Vgl. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik, 324. Vgl. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik, 247-249. Vgl. Schad, Neuer Grundriss der transcendentalen Logik, 268.
JOHANN KREUZER
Hölderlins Kritik der intellektuellen Anschauung. Überlegungen zu einem Platonischen Motiv
Immanuel Kant hat das behauptende Setzen einer intellektuellen Anschauung' eine „nichts kostende Apotheose von oben herab" genannt.1 Georg Wilhelm Friedrich Hegel wird in der Phänomenologie des Geistes der Unmittelbarkeit .anschauenden Denkens' entgegenhalten, daß es in die „träge Einfachheit zurückfällt, und die Wirklichkeit selbst auf eine unwirkliche Weise darstellt".2 Zuvor hatte freilich Johann Gottlieb Fichte die .intellektuelle Anschauung' ins Zentrum frühidealistischer Reflexion gerückt.3 Und Friedrich Hölderlin? Hölderlin versucht, noch ehe er Fichtes Kolleg im Winter 1794/95 in Jena besucht, Kant mit Piaton zu verbinden. Genauer kreisen seine ersten eigenständigen .Gehversuche' um die Verbindung des Faktums und des Datums ästhetischer Erfahrung mit der Kritik an den Bedingungen der Möglichkeit, die uns zu Begriffen kommen lassen. Im Juli 1794 spricht Hölderlin deshalb Neuffer gegenüber von seinen „kantischästhetischen Beschäftigungen" und schreibt zur gleichen Zeit an Hegel: „Meine Beschäftigung ist jetzt ziemlich konzentrirt. Kant und die Griechen sind beinahe meine einzige Leetüre. Mit dem ästhetischen Theile der kritischen Philosophie such' ich vorzüglich vertraut zu werden." 4 Mit .den Griechen' ist insbesondere Piaton gemeint.5 Im Oktober 1794 faßt Hölderlin dann die programmatischen Ergebnisse seiner .Beschäftigung' in einem Brief an Neuffer zusammen. Er spricht von einem „Aufsatz über die ästhetischen Ideen" und hält programmatisch fest, daß er als ein Kommentar zu Piatons Phaedrus zu lesen sei;
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4
5
I. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie, in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8, Berlin 2 1923, 390. G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, hrsg. von W. Bonsiepen, R. Heede, Hamburg 1980, 18. Vgl. etwa J. Stolzenberg, Fichtes Begriff der intellektuellen Anschauung, Stuttgart 1986. - Zum Ganzen vgl. auch D. Henrich, Konstellationen. Probleme und Debatten am Ursprung der idealistischen Philosophie (1789-1795), Stuttgart 1991. Vgl. J. C. F. Hölderlin, Brief an G. W. F. Hegel vom 10. Juli 1794, in: ders., Sämtliche Werke, hrsg. von M. Knaupp, Bd. II, München 1992, 541; ders., Brief an C. L. Neuffer vom 10./14. Juli 1794, ebd., 539. Zu Hölderlins Piatonkenntnissen vgl. M. Franz, Schule und Universität, sowie ders., Theoretische Schriften, in: Hölderlin-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, hrsg. von J. Kreuzer, Stuttgart, Weimar 2002, 67, 70 sowie 224-228.
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Johann Kreuzer
weiter heißt es: „Im Grunde soll er eine Analyse des Schönen und Erhabenen enthalten, nach welcher die Kantische vereinfacht, und von der anderen Seite vielseitiger wird, wie es schon Schiller zum Theil in seiner Schrift über Anmuth und Würde gethan hat, der aber doch auch einen Schritt weniger über die Kantische Grenzlinie gewagt hat, als er nach meiner Meinung hätte wagen sollen."6 Die Grenzlinie wird mit der Antwort auf die Frage virulent, ob auch ästhetischer Erfahrung der Status verallgemeinerbarer Erkenntnis zukommt. 7 Hölderlin geht hier von Anbeginn einen eigenständigen Weg.8 Dieser Weg, ohne den die Geschichte des Deutschen Idealismus nicht geschrieben werden kann, setzt ein in der Tradition eines ästhetisch adaptierten - über Ficino insbesondere Piatons Phaedrus und Symposium verpflichteten - Piatonismus der ,Liebe und Schönheit'. 9 Dem Theorem und Begriffsgehalt der .intellektuellen Anschauung' kommt hier große Bedeutung zu. Hölderlin hat es - und mit ihm eine Spielart eines klassischen Piatonismus - zunächst übernommen. Ihrer höchsten Bestimmung nach aber wird ihm die intellektuelle Anschauung dann (mit Hegel zu reden) ein Vergangenes. Sie wird zu einem Ton im Gefuge der „subjectiven Arten des Begründens", mit oder bei denen die „Verfahrungsweise des poetischen Geistes ... unmöglich enden" kann. 10
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J. C. F. Hölderlin, Brief an C. L. Neuffer vom 10. Oktober 1794, in: Sämtliche Werke, Bd. II, 550-551. Für I. Kant, Kritik der Urteilskraft, § 15, in: Gesammelte Schriften, Bd. 5, Berlin 2 1913, 293, bedeutet das „freie Spiel der Erkenntnisvermögen", das die ästhetisch reflektierende Urteilskraft auszeichnet, bekanntlich „schlechterdings kein Erkenntniß ... vom Object". Freilich unterläuft Kant in der Kritik der Urteilskraft diese strikte Grenzziehung mit der Erläuterung des Verfahrens der reflektierenden Urteilskraft selbst. Vgl. Kant, ebd., §§ 35, 39, 69, 76-78, dazu J. Kreuzer, Ästhetik als Ethik. Überlegungen im Anschluß an die .Kritik der Urteilskraft', in: Hölderlin. Philosophie und Dichtung (TurmVorträge 5. 1992-1998), hrsg. von V. Lawitschka, Tübingen 2001, 14-16.
8
In einem Brief an F. I. Niethammer vom 24. Februar 1796, in: Sämtliche Werke, Bd. II, 615, berichtet Hölderlin ζ. B. bezüglich Schelling, daß das Gespräch mit ihm „nicht immer accordirend" gewesen sei.
9
Vgl. D. Henrich, Der Grund im Bewußtsein. Untersuchungen zu Hölderlins Denken (1794-1795), Stuttgart 1992, 134, 150-178, 270-275 und öfter. - Zur Piatonrezeption im Tübinger Stift vgl. M. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, Göttingen 1995, 9149.
10
Vgl. J. C. F. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., in: ders., Theoretische Schriften. Mit einer Einleitung hrsg. von J. Kreuzer, Hamburg 1998, 46, dazu J. Kreuzer, Einleitung, ebd., XXVIII-XXX.
Kritik der intellektuellen Anschauung
121
I. Ästhetischer Piatonismus Doch zunächst zum anfänglichen .ästhetischen Piatonismus' Hölderlins!11 Der argumentative Bezugsrahmen dieses .ästhetischen Piatonismus' wird deutlich auch an zwei berühmten Stellen aus dem Hyperion. Zu Beginn des Zweiten Buchs des Ersten Bandes steht das emphatische Bekenntnis: „Ich hab' es Einmal gesehn, das Einzige, das meine Seele suchte, und die Vollendung, die wir über die Sterne hinauf entfernen, ... die hab' ich gegenwärtig gefühlt. Es war da, das Höchste, in diesem Kreise der Menschennatur und der Dinge war es da! ... ich hab' es gesehn, ich hab' es kennen gelernt. ... Sein Nähme ist Schönheit."12 Und in der ,AthenerRede', kurz vor dem oft zitierten „εν διαφερον εαυτιρ (das Eine in sich selber unterschiedne)", dem „großen Wort des Heraklit", das Hölderlin via Piatons Symposium zitiert, heißt es: „Denn glaubt es mir, der Zweifler findet darum nur in allem, was gedacht wird, Widerspruch und Mangel, weil er die Harmonie der mangellosen Schönheit kennt, die nie gedacht wird. Das trokne Brod, das menschliche Vernunft wohlmeinend ihm reicht, verschmäht er nur darum, weil er insgeheim am Göttertische schwelgt." 13 Damit geht Hölderlin von der enthusiastischen Begeisterung für das ,,έκφανέστατον" und ,,έρασμιώτατον" der Schönheit aus, die einen der Höhepunkte, wenn nicht den Höhepunkt im Phaedrus markiert: Nur der Schönheit ist es zuteil geworden, daß uns an ihr anschaulich gegeben erscheint, was zugleich als Idee ihr intelligibler Gehalt ist.14 Deshalb gilt der Schönheit die „τετάρτη μανία" liebender Erinnerung.15 Es sind Augenblicke plötzlicher Sinnevidenz, die wir als Schönheit begreifen. Sie übersteigen für Hölderlin die Grenzen der Erfahrung nicht. Sie haben auch nicht nur den ,als ob'-Status, den Kant aus dem regulativen Gebrauch der Vernunftideen als „Endabsicht der natürlichen Dialektik" gefolgert hat.16 Die Augenblicke plötzlicher Sinnevidenz sind vielmehr Akte und Data diesseits der Grenzen der Erfahrung. Was hier zum Datum
11
Zu diesem Stichwort vgl. K. Düsing, Ästhetischer Piatonismus bei Hölderlin und Hegel, in: Homburg von der Höhe in der deutschen Geisiesgeschichte. Studien zum Freundeskreis um Hegel und Hölderlin, hrsg. von C. Jamme, O. Pöggeler, Stuttgart 1981, 101117.
12 13 14 15
J. C. F. Hölderlin, Hyperion, in: Sämtliche Werke, Bd. I, München 1992, 657. Hölderlin, Hyperion, 685. Vgl. Piaton, Phaedrus 250bl-d8. Vgl. Piaton, Phaedrus 249d4-5. - Daß wir am Schönen begreifen, was als göttlich Eines erinnert ist, ist im übrigen nicht nur Plotin und Piaton, sondern insbesondere Piaton und Augustin gemeinsam. Gerade bei Augustinus, Confessiones, lib. VII, cap. 17, ist es die „memoria amans et desiderans", die jener ,pulchritudo' gilt, die als und als die Gott geliebt wird; vgl. ebd., lib. X, cap. 27. Zum Ganzen siehe J. Kreuzer, Pulchritudo - vom Erkennen Gottes bei Augustin, München 1995.
16
Vgl. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., in: ders., Gesammelte Berlin 1911, B697-732.
Schriften,
Bd. 3,
Johann Kreuzer
122
ästhetischer Erfahrung wird, ist die prototypische Gegebenheit desjenigen, was mit der intellektuellen Anschauung gedacht wird. Im September 1795 schreibt Hölderlin an Schiller, „daß die unnachläßliche Forderung, die an jedes System gemacht werden muß, die Vereinigung des Subjects und Objects in einem absoluten - Ich oder wie man es nennen will - zwar ästhetisch, in der intellectualen Anschauung, theoretisch aber nur durch eine unendliche Annäherung möglich ist ,.." 17 Und im Februar 1796 will Hölderlin in seinen „philosophischen Briefen ... das Prinzip finden, das ... vermögend ist, den Widerstreit (zwischen dem Subject und dem Object) verschwinden zu machen, zwischen unserem Selbst und der Welt ... - theoretisch, in intellectualer Anschauung, ohne daß unsere praktische Vernunft zu Hilfe kommen müßte. Wir bedürfen dafür ästhetischen Sinn .. ,"18 Was Hölderlin in dieser frühen Phase seines Denkens am Theorem der intellektuellen Anschauung (bzw. „intellectualen" Anschauung - er folgt meist der lateinischen Vorgabe ,intuitus intellectualis') interessiert, ist offenkundig, daß mit ihm die erkenntnis- und bewußtseinstheoretische Bedeutung des Sinngehalts ästhetischer Erfahrung beschreibbar wird. Die intellektuelle Anschauung bezeichnet im frühidealistischen Diskurs den logischen Ort, an dem die Erkenntnisfunktion dieses Sinngehalts ästhetischer Erfahrung bestimmt und erklärt werden soll.19 Wenn Hölderlin später die intellektuelle Anschauung zu einem Ton depotenziert und als „mythisches Subject Object" kritisiert (vgl. den fünften Teil dieser Überlegungen), so zeigt das an, daß er sie hierfür nicht mehr als hinreichend erachtet. Was ,Piatonismus' heißt, erfährt damit einen fundamentalen Wandel: An die Stelle einer die Bedingungen der Endlichkeit ästhetisch transzendierenden (oder .versöhnenden') „Vereinigung" tritt die Anerkennung eben dieser Bedingungen endlichen Daseins20 - und mit ihr die Realdialektik des Verschiedenen, die Piaton im Sophistes in originärer und grundlegender Weise formuliert hat. Nicht zufallig ist im Sophistes der primäre Ort für die Explikation der Logik der Verschiedenheit des Endlichen ,Sprache'.21 Der Sache nach folgt Hölderlin dieser Logik der Verschiedenheit, wenn er an die Stelle einer neuplatonisch inspirierten Piatonadaptation und ihrer Alleinheitsbe-
17 18 19
J. C. F. Hölderlin, Brief an J. C. F. Schiller vom 4. September 1795, in: Sämtliche Werke, Bd. II, 595. J. C. F. Hölderlin, Brief an Niethammer vom 24. Februar 1796, 615. Vgl. M. Frank, „Intellektuelle Anschauung". Drei Stellungnahmen zu einem Deutungsversuch von Selbstbewußtsein: Kant, Fichte, Hölderlin/Novalis, in: Die Aktualität der Frühromantik, hrsg. von E. Behler, J. Hörisch, Paderborn, München, Wien, Zürich 1987, 96-122.
20
Zum Konzept einer .Vereinigungsphilosophie' bei Hölderlin vgl. C. Jamme, „Ein ungelehrtes Buch". Die philosophische Gemeinschaft zwischen Hegel und Hölderlin in Frankfurt 1797-1800, Bonn 1983, 71-98, 349-389.
21
Vgl. Piaton, Sophistes
244c8-244e 1.
Kritik der intellektuellen Anschauung
123
geisterung die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit der Sprache setzt. In seinem umfangreichsten Versuch poetologischer Selbstverständigung wird Hölderlin dann formulieren: „So wie die Erkenntniß die Sprache ahndet, so erinnert sich die Sprache der Erkenntniß." 22 Doch zunächst zu seinen Anfängen.
II. Hölderlins Ausgangspunkt Der Phaedrus verknüpft mit der Erklärung des Grundes ästhetischer Erfahrung in der Kritik der Urteilskraft·, das ist das Programm, mit dem Hölderlin beginnt. Wenn er vom Phaedrus und von der Kritik der Urteilskraft ausgeht, um über die Restriktionen des Erkenntniskonzepts der Kritik der reinen Vernunft hinauszugelangen, so heißt das aber nicht, daß er hinter deren Standards zurück wollte. Das zeigt sich schon daran, wie seine eigenständige philosophische Arbeit beginnt - in jenen drei thesenhaften Notaten, die Hölderlin auf dem herausgerissenen Vorsatzblatt eines gebundenen Buches formuliert hat - und die 1961 zum ersten Mal unter dem Titel Urtheil und Seyn veröffentlicht wurden. 23 Der Grundgedanke dieses zwei Seiten umfassenden Fragments hat dann schnell Epoche gemacht. 24 Es setzt mit der Kritik der intellektuellen Anschauung ein - nicht einer Kritik an ihrer Denkmöglichkeit, sondern an der positiven Setzung des damit Gemeinten: „Wo Subject und Object schlechthin ... vereiniget ist, mithin so vereiniget, daß gar keine Trennung vorgenommen werden kann, ohne das Wesen desjenigen, was getrennt werden soll, zu verlezen, da und sonst nirgends kann von einem Seyn schlechthin die Rede seyn, wie es bei der intellectualen Anschauung der Fall ist." 25 Dieses Sein ist weder positiv gegeben, noch bedeutet es „Identität". 26 Es ist eine Denknotwendigkeit, die im Begriff der Teilung - der
22 23
Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 58. Entstanden sein dürften Hölderlins Notate in unmittelbarer Reaktion auf das Erscheinen von Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794): „Fichtes spekulative Blätter - Grundlage der gesammten Wissenschaftlehre - auch seine gedrukten Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten werden Dich ser interessiren", schreibt Hölderlin im Brief vom 26. Januar 1795 an G. W. F. Hegel, in: Sämtliche Werke, Bd. II, 568, sowie Schellings Schrift Vom Ich als Princip der Philosophie. Zum Ganzen vgl. V. L. Waibel, Hölderlin und Fichte. 1794-1800, Paderborn 2000.
24
Die Bedeutung von Urtheil und Seyn hat D. Henrich, Hölderlin über Urteil und Sein, in: Hölderlin-Jahrbuch 14 (1965-66), 73-96, sowie ders., Hegel und Hölderlin, in: ders., Hegel im Kontext, Frankfurt a. M. 1971, 9-40, hervorgehoben und die Überlegungen zu dem aus diesem Fragment sich ergebenden Denkraum in Konstellationen und in Der Grund im Bewußtsein zusammengefaßt. - Zu Seyn, Urtheil, ... als ,Grundriß' von Hölderlins Philosophie vgl. auch M. Franz, Hölderlins Logik, in: Hölderlin-Jahrbuch 25 (1986-1987), 93-124.
25 26
J. C. F. Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., in: Theoretische Schriften, 7. Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., 7: „Aber dieses Seyn muß nicht mit der Identität verwech-
Johann Kreuzer
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Entgegensetzungen, in denen wir uns vorfinden - liegt. Das „Seyn" der intellektuellen Anschauung ist in theoretischer Hinsicht ein Noumenon in negativer Bedeutung. 27 Die Rede von ihm ist Ausdruck einer logischen Implikation: Mit dem Theorem der .intellektuellen Anschauung' wird diese Implikation gedacht. Die Tätigkeit des Bewußtseins hat eine Voraussetzung, ohne die diese Tätigkeit - das Faktum des Selbstbewußtseins - nicht erklärt werden kann. Diese Voraussetzung bzw. heuristische Denknotwendigkeit zeigt sich in den Formen dieser Tätigkeit - und in den Entgegensetzungen, in die sie fuhrt. Formal betrachtet, ist die Entgegensetzung, in der sich ein urteilendes Selbstbewußtsein in Differenz zu dem erfährt, worüber oder was es urteilt, diejenige zwischen .Subjekt' und ,Objekt'. Diese Entgegensetzung hat für Hölderlin den Gedanken einer „Einheit" (des „Seyn(s) schlechthin") zur notwendigen Voraussetzung. 28 Seiner internen Verfaßtheit - seinem intensionalen Sinn - wie seiner möglichen Erscheinung - seiner extensionalen Bedeutung - nach ist dieses Seyn Beziehung. Es ist kein Gegenstand des Bewußtseins, sondern die Beziehung oder Wechselwirkung (vgl. den vierten Teil dieser Überlegungen), in der sich Bewußtsein vorfindet. Hölderlin entdeckt, daß Entgegensetzung die Erscheinung jener Einheit ist, die als Grund des Geurteilten gedacht wird. Der entscheidende Satz lautet: „Im Begriffe der Theilung liegt schon der Begriff der nothwendigen Beziehung des Subjects und Objects aufeinander, und die nothwendige Voraussezung eines Ganzen wovon Subject und Object die Theile sind."29 Die Stelle des ,,Seyn[s] schlechthin" wird mit dem Begriff einer notwendigen Beziehung' gefüllt. Aus der .notwendigen Voraussetzung eines Ganzen, wovon Subjekt und Objekt die Teile sind', folgt deshalb gerade nicht, daß die Sphäre der Entgegensetzung auf jene gedachte Einheit zurückzuführen oder in deren Wiedervereinigung zurückzunehmen wäre. Die Einigkeit, die als Sein gedacht wird, und die Entgegensetzung der Sphäre der .Urteile' schließen sich nicht aus. Die Entgegensetzung der Urteile ist gerade Erscheinung einer Beziehung, als deren Grund jenes Sein gedacht wird. Das .Ganze vor' der bewußtseinstheoretischen Relation von Subjekt und Objekt ist als „Seyn schlechthin" keine positive Behauptung; denn dies käme einem Rückfall in einen vorkritischen Dogmatismus gleich. Schon die Rede über das in diesem Sein „innigst vereinigte Subject und Object" teilt (oder urteilt es).30 Dieser unabdingbaren
seit werden. ... Identität [ist] keine Vereinigung des Objects und Subjects, die schlechthin stattfände, also ist die Identität nicht = dem absoluten Seyn." 27
Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B334; ebd., 1. Aufl., in: Gesammelte 4, Berlin 1911, A249-253, A278.
28 29 30
Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., 7. Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., 7. Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., 7.
Schriften, Bd.
Kritik der intellektuellen Anschauung
125
(Ur)Teilung gegenüber werden als „schlechthin vereinigt" Subjekt und Objekt in einer „intellectualen Anschauung" gedacht.31 Hölderlin begreift die „intellectuale Anschauung" als eine Voraussetzung, die wir in der Reflexion über die Struktur des Selbstbewußtseins machen, um die Entgegensetzungen zu erklären, die wir als Selbstbewußtsein bzw. in ihm vorfinden. Sie ist nichts positiv Gegebenes oder theoretisch Bestimmbares. In diesem Punkt hält sich Hölderlin an die Vorgaben Kants. Was als intellektuelle Anschauung gedacht wird, ist die Wirklichkeit ästhetischer Erfahrung. Es gibt keinen Gegenstand intellektueller Anschauung. Was es gibt, sind die Gegenstände theoretischer oder praktischer Urteilung - und damit Entgegensetzung als Struktur des Selbstbewußtseins, die wir durch die negative Präsenz des ,,Seyn[s] schlechthin" begreifen. Was mit dem Grenzbegriff intellektuellen Anschauens gedacht wird, teilt sich in den Urteilen über die Gegenstände der Erfahrung mit. Das läßt diese ihrer Modalität nach zu differenzierenden Urteile der Entgegensetzung gleichsam als Palimpseste jener Vereinigung verständlich werden, die in den Urteilen der Sprache negativ, d. h. ,geur-teilt' präsent ist.
III. Einheit durch Differenz In der logischen Explikation des mit dem Theorem der intellektuellen Anschauung Gedachten radikalisiert Hölderlin Fichtes Gedanken der Wechselwirkung. Er weitet Fichtes Bestimmung der Wechselwirkung - oder genauer: die Bestimmung der „synthetischen Einheit", die hier in „Thätigkeit und Wechsel" wirksam ist - aus. 32 .Wechselwirkung' heißt, daß die „Möglichkeit ein Seyn an sich, von einem Seyn im Wechsel abzusondern, ... geläugnet [wird]: beyde sind gesezt als Wechselglieder, und sind außer dem Wechsel gar nicht gesezt." 33 Die Form, die das in Wechselwirkung Entgegengesetzte erlangt, ist die der Relation. Welche Synthesis ist nun mit der Bestimmung der Wechselwirkung als Relation gegeben? Es ist eine Synthesis, die sich dadurch auszeichnet, daß in ihr die Verbindung der Entgegengesetzten nicht auf eines der Relata hin aufgelöst wird.
31 32
Hölderlin, Seyn, Urtheil, ..., 1. J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer (1794), in: ders., Gesamtausgabe, hrsg. von R. Lauth, H. Jacob, Bd. 1/2, hrsg. von R. Lauth, H. Jacob unter Mitwirkung von M. Zahn, Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, 331; vgl. ebd.: „In der Wirksamkeit bestimmen sich gegenseitig die Thätigkeit, als synthetische Einheit gedacht, und der Wechsel, als synthetische Einheit gedacht, und machen selbst eine synthetische Einheit aus." - Im Brief an Hegel v o m 26. Januar 1795, 569, schreibt Hölderlin: „Seine (=Fichtes) Auseinandersezung der Wechselbestimmung des Ich und Nichtich (nach s. Sprache) ist gewis merkwürdig."
33
Fichte, Grundlage
der gesammten
Wissenschaftslehre
(1794),
331.
126
Johann Kreuzer
Die Relation (des jeweils Verschiedenen) wird auf eine außerhalb der Relation gegebene Verbindung nicht aufgelöst, vielmehr bestimmen sich die Relata wechselseitig. Fichte formuliert: „Keins von beiden soll das andre, sondern beide sollen sich gegenseitig bestimmen heißt: ... absoluter und relativer Grund der Totalitäts-Bestimmung sollen Eins, und eben dasselbe seyn; die Relation soll absolut, und das absolute soll nichts weiter seyn, als eine Relation." 34 Synthesis durch Relation - das ist der logische Ort, den das Theorem der intellektuellen Anschauung anzeigt. Weil sich an diesem durch die intellektuelle Anschauung angezeigten logischen Ort zugleich der Erfahrungsgehalt des .ästhetischen Sinns' erläutern läßt, erklärt sich Hölderlins Interesse an ihr. Ohne den Gedanken der Einheit kann Verschiedenheit nicht gedacht werden. Das ist Platonisch gleichsam eine Tautologie. Im frühidealistischen Diskurs erlangt diese Tautologie anhand folgender Frage Brisanz: Wie kann der Gedanke der Einheit erklärt werden, ohne daß man ein „Seyn" schlechthinniger Identität annimmt, „wie es bei der intellectualen Anschauung der Fall ist" 35 - wie kann, anders gefragt, Einheit gedacht werden, ohne daß sie zu jenem Gedankending .Einheit' wird, in das oder auf das das Verschiedene zurückgeführt wird? Hölderlin antwortet im Fragment philosophischer Briefe mit Sinn und Semantik des Erinnerns. 36 Denn Erinnerung ist die Verbindung von Verschiedenem im Bewußtsein seiner (zeitlichen) Verschiedenheit - und im Bewußtsein, daß der Akt des Erinnerns von dem, was er verbindet, verschieden bleibt und eben dadurch Verbindung (Synthesis) bewirkt. Jenes „höhere Geschik", das der Mensch erinnernd - d. h. auf seine Endlichkeit zurückkommend und sich seiner Endlichkeit entsinnend - erfährt, kann „weder blos im Gedanken noch blos im Gedächtniß wiederholt werden ... Der Gedanke erschöpft [seil, die unendlicheren mehr als nothwendigen Beziehungen des Lebens, in denen der Mensch sich über die physische und moralische Notdurft erhebt,] nicht." 37 Der Sinn des Erinnerns unterscheidet sich sowohl vom Gedächtnis - sofern Gedächtnis für die Vorstellung eines inneren Vorstellungsspeichers steht, der gleichsam parallel zur realen Sukzession des Zeitlichen und unberührt von ihr verläuft - wie von der intellektuellen Anschauung: der Vorstellung eines intelligiblen Anschauens jenseits von Zeit. „Gedächtnis", „Gedanke" und intellektuelle Anschauung stehen bei Hölderlin fur eine zweistellige Logik, in der ein zeitfreies Innen einem zeitbedingten Außen entgegengesetzt wird, als bestünde ,Geist' in einem mentalen Bewußtseinsinnenraum, der dem Wechsel der Zeit nicht unterliegt. Demgegenüber besteht der Sinn des Erinnerns 34 35 36
Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794), 345. Hölderlin, Seyn, Unheil, ...,7. Vgl. J. C. F. Hölderlin, Fragment philosophischer Briefe (in älteren Ausgaben: Über Religion), in: Theoretische Schriften, 10-15.
37
Hölderlin, Fragment philosophischer
Briefe, 12-13.
Kritik der intellektuellen Anschauung
127
gerade in der Verbindung von zeitlich Verschiedenem im Vorübergehen von Zeit - eine Verbindung, die selbst jeweils in der Zeit vorübergeht. Die Verbindung, die ,Einheit', die Erinnern erzeugt, beruht auf dem Bewußtsein der zeitlichen Verschiedenheit des Verbundenen und der Verschiedenheit des Agens des Verbindens von dem Verbundenen. Erinnern erzeugt und reproduziert damit (anstelle von ,Einheit statt Verschiedenheit') Einheit durch Verschiedenheit. Fichte kommt auf diese zeitgesättigte Dynamik des Sinns der Erinnerung anläßlich der Exposition des „wunderbarsten" Vermögens des setzenden Ich zu sprechen, wenn er im Hinblick auf die „productive Einbildungskraft" feststellt: „Dieses fast immer verkannte Vermögen ist es, was aus steten Gegensätzen eine Einheit zusammenknüpft, - was zwischen Momente, die sich gegenseitig aufheben müsten, eintritt und dadurch beide erhält - es ist dasjenige, was allein Leben und Bewustseyn, und insbesondere Bewustseyn als eine fortlaufende "IQ
Zeitreihe möglich macht." Weder das als Speicher von Wahrnehmungen gedachte Gedächtnis noch die zeitunabhängig und zeittranszendent vorgestellte intellektuelle Anschauung machen Bewußtsein als fortlaufende Zeitreihe möglich. Denn für beide ist Zeit etwas bloß Äußerliches, eine Abfolge von Zeitpunkten. Die ,Einheit des Bewußtseins', die sich hier bildet, ist eine im Gegensatz zur Zeit. Von diesem Bewußtseinsinnenraum eines zeitautarken Ichs wie seines Gedächtnisses unterscheidet sich der reproduktiv-produktive Sinn der Erinnerung. Denn die Erinnerung begründet, um es noch einmal zu wiederholen, eine Einheit des Bewußtseins nicht im Gegensatz zur Zeit, sondern als Verbindung von zeitlich Verschiedenem. Nicht Einheit statt Differenz, sondern Einheit durch Differenz: An diese Struktur der produktiven Einbildungskraft knüpft Hölderlin mit seinem Begriff der Erinnerung an. 39
38
Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794), 350. - Fichte greift hier nur das erste für die Zeitbestimmung von Kant, Kritik der reinen Vernunft, Β184, vorgegebene Schema auf: das der „Zeitreihe", w o es um die .quantitative Synthesis' „in der sukzessiven Apprehension eines Gegenstandes" geht. Kommt es für die Einheit des Bewußtseins in der Sukzession der Zeit aber nicht eher darauf an, was Kant, ebd., B255, „Zeitordnung" nennt - jenes Schema also, das erklären soll, wie der „Fortgang in der Zeit ... alles [bestimmt], und ... an sich selbst durch nichts weiter bestimmt [ist]"? „Zwischen zwei Augenblicken ist immer eine Zeit", heißt es in der Kritik der reinen Vernunft, B253, kurz vorher. Was zwei Augenblicke in ihrer zeitlichen Verschiedenheit verbindet, ist der Sinn der Erinnerung. Das ist der Punkt, auf den sich Hölderlin bezieht.
39
Vgl. D. Henrich, Hegel und Hölderlin, 34. Was in Differenz zu Hölderlin nun „Hegels eigentümlicher Gedanke" sei: „daß die Relata in der Entgegensetzung zwar aus einem Ganzen verstanden werden müssen, daß dieses Ganze ihnen aber nicht vorausgeht als Sein oder als intellektuale Anschauung, - sondern daß es nur der entwickelte Begriff der Relation selber ist", so Henrich, ebd., 36 - dies ist in der Tat die Konsequenz aus Hölderlins ursprünglicher Einsicht, wenn er nach Seyn, Urtheil, ... die logische Leerstelle, die das Theorem der intellektuellen Anschauung anzeigt, mit Sinn und Semantik
128
Johann Kreuzer
Aber noch einmal zurück zu seiner Diskussion der intellektuellen Anschauung! Hölderlin verwirft sie nicht. Er deutet sie als Erfahrung des Bewußtseins. 40 In dem Fragment „Das lyrische dem Schein nach idealische Gedicht ..." - vermutlich im Sommer 1800 entstanden - heißt es, daß das „tragische Gedicht ... die Metapher einer intellectualen Anschauung" ist.41 Das Theorem der intellektuellen Anschauung wird dadurch konkretisiert, daß sie die begriffliche Entsprechung des Erfahrungsgehaltes tragischer Entzweiung ist, in der eine .ursprüngliche Einigkeit aus sich herausgeht, um aus der äußersten Spannung der Entgegensetzung wieder in sich selbst zurückzukehren'. 42 Das ist die Struktur der Denkform .Einheit/Einigkeit, Hervorgang/Ausgang und Rückgang' und eine fast wörtliche Übersetzung des neuplatonischen Theorems von „μονή - πρόοδος - επιστροφή", das seit Proklos und Dionysius Pseudo-Areopagita über Johannes Scottus Eriugena, Eckhart von Hochheim und Nikolaus von Kues in die Neuzeit tradiert wurde. 43 Dieses klassische Selbstentzweiungs- und Vermittlungstheorem appliziert Hölderlin nun auf die Kunstform der „tragischen Ode" und den Erfahrungsgehalt, den sie „ fingirt".44 Das aber heißt: 1. Eine Kunstform ist die Wirklichkeit des Begriffsgehaltes des mit der intellektuellen Anschauung Gedachten. Daraus folgt 2. Die ,intellectuale Anschauung' ist nicht mehr die höchste sozusagen Grenzfallbestimmung der Vernunft. Denn parallel zur Bestimmung des tragischen Gedichts
der Erinnerung füllt. Die Erinnerung wird zum Grundbegriff der Poetik, auf der sein Spätwerk beruht. Dazu vgl. J. Kreuzer, Erinnerung. Zum Zusammenhang von Hölderlins theoretischen Fragmenten ,Das untergehende Vaterland ...' und, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist...', Königstein/Ts. 1985. Vgl. auch Anm. 33 und 34. 40
Das erklärt auch, weshalb „Hölderlin nach einem kurzen Interesse die intellektuale Anschauung schließlich suspendiert" - so X. Tilliette, Hölderlin und die intellektuelle Anschauung, in: Philosophie und Poesie. Otto Pöggeler zum 60. Geburtstag, Bd. 1, hrsg. von A. Gethmann-Siefert, Stuttgart 1988, 233.
41
Vgl. J. C. F. Hölderlin, Das lyrische dem Schein nach idealische ..., in: Theoretische ten, 68.
42 43
Vgl. Hölderlin, Das lyrische dem Schein nach idealische ..., 71-73. Zur Dreierstruktur von ,μονή - πρόοδος - έπιστροφή' bei Proklos vgl. W. Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, Frankfurt a. M. 2 1979, 158-239; zu den Vorgaben bei Plotin vgl. H. J. Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Piatonismus zwischen Piaton und Plotin, Amsterdam 2 1967, 312337.
44
Vgl. J. C. F. Hölderlin, Die tragische Ode ... (Grundzum Empedokles), in: Theoretische Schriften, 79: „Die tragische Ode fängt im höchsten Feuer an, der reine Geist, die reine Innigkeit hat ihre Grenze überschritten ... und so ist, durch Übermaas der Innigkeit, der Zwist entstanden, den die tragische Ode gleich zu Anfang fingirt, um das Reine darzustellen ... [S]ie muß aus den Extremen des Unterscheidens und der Nicht-unterschiedenheit in jene stille Besonnenheit und Empfindung übergehen, ... und so gehet sie ... aus der Erfahrung und Erkenntniß des Heterogenen ... in den Anfangston zurük."
Schrif-
Kritik der intellektuellen Anschauung
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als Metapher einer .intellectualen Anschauung' ist das lyrische Gedicht die Metapher „Eines Gefühls" und das epische Gedicht die Metapher „großer Bestrebungen".45 Die ,intellektuale Anschauung' gehört nun zu den drei ,Tönen' - sie wird Moment im Tönewechsel. Den Gehalt des mit dem Begriff der intellektuellen Anschauung Gedachten expliziert Hölderlin nun dergestalt, daß diese „keine andere seyn kann, als jene Einigkeit mit allem, was lebt, die ... zwar von dem beschränkteren Gemüthe nicht gefühlt, die in seinen höchsten Bestrebungen nur geahndet, aber vom Geist erkannt werden kann und aus der Unmöglichkeit einer absoluten Trennung und Vereinzelung hervorgeht, und am leichtesten sich ausspricht, dadurch, daß man sagt, die wirkliche Trennung, und mit ihr alles wirklich Materielle Vergängliche, so auch die Verbindung, und mit ihr alles wirklich Geistige Bleibende, das Objective, als solches, so auch das subjective, als solches, seien nur ein Zustand des Ursprünglich einigen, in dem es sich befinde, weil es aus sich herausgehen müsse, des Stillstands wegen, der [in diesem Ursprünglichen Einigen] nicht stattfinden ..." kann - denn wäre das Eine = Stillstand, dann wäre es nicht das, was als prinzipiierendes Eines soll gedacht werden können. Daß der höchsten Einigkeit der Zustand der Trennung nicht ihr Gegenteil, sondern notwendig ist, nennt Hölderlin dann „nothwendige Willkür des Zeus". 46 Was mit der intellektuellen Anschauung gedacht wird - höchste Einigkeit usw. - , kann sich nur durch Trennung darstellen. Damit aber widerspricht die Begriffsform der intellektuellen Anschauung - Wirklichkeit durch Trennung ihrem Begriffsgehalt (Aufhebung von Trennung in einem „Seyn" schlechthinniger Einigkeit). Genau das wird zu Hölderlins entscheidendem Kritikpunkt am Theorem der intellektuellen Anschauung.
IV. Die Erinnerung der Einheit Die ,Harmonie' der intellektuellen Anschauung ist bloße Überwindung von Differenz, damit aber nicht wirklich Harmonie - keine wirkliche Einigkeit mit allem, sondern eine Einigkeit im Gegensatz zu oder als Transzendenz von allem. In Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ... formuliert Hölderlin das in bezug auf Zeit als Realgrund der Differenz bzw. als reale Natur dessen, was der Einigkeit des Seins, die der Geist sich denkt, gegenüber anders ist. Nachdem die „subjectiven Arten des Begründens" durchlaufen wurden, heißt es, daß in der „Verfahrungsweise" des poetischen Geistes „noch ein wichtiger Punct" fehle, da das reine poetische Leben „vermöge des Harmonischen überhaupt und
45 46
Vgl. Hölderlin, Das lyrische dem Schein nach idealische Vgl. Hölderlin, Das lyrische dem Schein nach idealische
...,68. ..., 70-71.
130
Johann Kreuzer
des zeitlichen Mangels ... sich durchaus einig" bleibe. 47 Dieses ,Sich-durchauseinig-Bleiben' ist als Einwand gemeint. .Zeitlicher Mangel' heißt also nicht, daß Zeit - als Bedingung der Sinnlichkeit und Endlichkeit - einen (durch das poetische Leben gegebenenfalls zu überwindenden) Mangel mit sich führe. Das wäre ein sozusagen im klassischen Sinn Platonisierender Harmoniebegriff. Ihm setzt Hölderlin entgegen, daß dem poetischen Leben Zeit mangelt. Diesen zeitlichen Mangel faßt er fast im gleichen Atemzug als „Mangel in der Einigkeit" 48 auf. Ihn gilt es zu überwinden. Bloße Einigkeit kann Einheit nicht erklären. Mit den „verschiedenen Arten des subjectiven Begründens" läßt sich die Verfahrungsweise des poetischen Geistes nicht hinreichend begründen. 49 Im übrigen auch nicht mit der Lehre vom .Wechsel der Töne'. Denn Fazit der Diskussion des Tönewechsels ist, daß ,noch ein wichtiger Punkt fehlt'. Dieser ,Punkt' ist derjenige Akt des .poetischen Geistes', „wodurch er seinem Geschaffte ... die Wirklichkeit giebt". 50 Wenn mit dem Wechsel der Töne nicht geklärt werden kann, daß sich der poetische Geist die Wirklichkeit gibt, dann kann dieser - entscheidende - Akt des Geistes um so weniger mit der intellektuellen Anschauung, die ein Teil im Gefuge des Tönewechsels ist, erklärt werden. Damit ist die intellektuelle Anschauung nicht mehr Teil des Begründungszusammenhangs der „Verfahrungsweise" des poetischen Geistes, sondern ein Aspekt des mit oder in einer solchen „Verfahrungsweise" allererst und selbst zu Begründenden. Daraus folgt die explizite Kritik der intellektuellen Anschauung, mit der Hölderlin zugleich ihren Begriffsgehalt relativiert. Nicht die intellektuelle Anschauung entspricht der Form der Wechselwirkung, die er zur Erklärung der Identität des Selbstbewußtseins in seinen Akten von Fichte übernimmt, sondern was er „transzendentale Empfindung" nennt. 51 Die transzendentale Empfindung
47 48 49
Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist..., 45. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist..., 45. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 44. Die „verschiedenen Arten des subjectiven Begründens" verbleiben innerhalb des idealistischen Bewußtseinsparadigmas. Hölderlins Logik der Dichtung fuhrt als Konsequenz der .Revolutionen der Denkungsart' bei Kant und Hegel jenseits dieser Grenze. Dazu vgl. B. Liebrucks, Sprache und Bewußtsein, Bd. 7: „ Und". Die Sprache Hölderlins in der Spannweite von Mythos und Logos, Bern, Frankfurt a. M., Las Vegas 1979. - Zum Stichwort jenseits des Idealismus' vgl. Jenseits des Idealismus. Hölderlins letzte Homburger Jahre (1804-1806), hrsg. von C. Jamme, O. Pöggeler, Bonn 1988.
50
Vgl. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 45: „so fehlt in der Verfahrungsweise des poetischen Geistes noch ein wichtiger Punct, wodurch er seinem Geschaffte nicht die Stimmung, den Ton, auch nicht die Bedeutung und Richtung, aber die Wirklichkeit giebt."
51
Vgl. J. Kreuzer, Vom Ich zur Sprache: Fichte und Hölderlin, in: Fichte und die hrsg. von H. Girndt, K. Hammacher, Amsterdam, N e w York 2002, 185-198.
Literatur,
Kritik der intellektuellen Anschauung
131
steht für die Erfüllung der Forderung, „eine Erinnerung zu haben", die erst die „Identität der Begeisterung" unter den Bedingungen der Endlichkeit realisierbar macht.52 , Wechselwirkung' heißt - noch einmal die zentrale Bestimmung - , daß die „Möglichkeit ein Seyn an sich, von einem Seyn im Wechsel abzusondern, ... geläugnet [wird]: beyde sind gesezt als Wechselglieder, und sind außer dem Wechsel gar nicht gesezt".53 Angewandt auf Form wie Gehalt der Erinnerung, heißt das, daß gerade deren ,Sein' nicht positiv gegeben ist - auch nicht als das ,Sein' einer Inwendigkeit, „wie das bei der intellectualen Anschauung der Fall ist". Was Hölderlin als „transcendentale Empfindung" expliziert, bedingt keine bloße „Harmonie, wie die intellectuale Anschauung und ihr mythisches bildliches Subject Object".54 Die Beziehung von ,Subjekt' und .Objekt' als Einheit beider zu denken - wie in intellektueller Anschauung - wird dem Begriffsgehalt des Gedankens dieser Einheit nicht gerecht; denn Einheit gibt es nur durch oder in Entgegensetzung (Differenz, Verschiedenheit), nicht durch deren Auflösung. Analog gibt es Erinnern nur im Wechsel, jeweils nur in Beziehung. Es erschöpft sich nicht in einer vom (,äußeren', zeitlichen) Wechsel unabhängigen (^inneren') Harmonie mentaler Selbstbeziehung. Nur in ,äußerer', der Bedingung der Zeit selbst unterliegender Form findet sich das ,innere' Beziehungsgefüge, das die transzendentale Empfindung' auf Grund der Erinnerung ist, wirklich wieder. Die intellektuelle Anschauung bedeutet „bloße Harmonie" und führt einen „Verlust des Bewußtseins und der Einheit" mit sich.55 Ihr „mythisches bildliches Subject Object" hat einen „zeitlichen Mangel".56 In intellektueller Anschauung ist man sich „des eigentlich [weil zeitlich bestimmten] Unendlichen zu wenig bewußt".57 Deshalb stuft Hölderlin die intellektuelle Anschauung zu einem Moment der relationalen Struktur „transcendentaler Empfindung" herab, die auf Grund der 52
Vgl. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 49: Es ist seine (d. h. des poetischen Geistes) „lezte Aufgabe, beim harmonischen Wechsel einen Faden, eine Erinnerung zu haben ... Dieser Sinn ist eigentlich poetischer Karakter ... poetische Individualität - und dieser allein ist die Identität der Begeisterung ... [,] die Vergegenwärtigung des Unendlichen, der göttliche Moment gegeben".
53 54 55 56
Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794), 331. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 57. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 57. Diese Kritik der intellektuellen Anschauung klingt wie eine vorweggenommene Kritik an Fichtes Ergänzung in der Wissenschaftslehre, wo es 1802 heißt: ,Jch ist nothwendig Identität des Subjekts, und Objekts: Subjekt-Objekt: und dies ist es schlechthin, ohne weitere Vermittellung" (Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794), 261, Anm. T). - Zum „zeitlichen Mangel" des „Harmonischen überhaupt" vgl. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ...,45.
57
Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 57.
132
Johann Kreuzer
Erinnerung des „eigentlich Unendlichen, welches durch sie als eine bestimmte wirkliche Unendlichkeit, als außerhalb liegend bestimmt wird, ... empfänglich und (größerer) Dauer fähig" ist.58 .Einheit' reproduziert sich nicht durch die Rückführung des Verschiedenen (Äußeren, Zeitlichen) auf den Gedanken der Einheit - oder gar in der Rückführung in die pure Einheit eines ,,Seyn[s] schlechthin". Einheit reproduziert sich nur dadurch, daß sie sich in Relation zu einem von ihr Verschiedenen selbst „empirisch individualisirt". 59 Die Form dieser empirischen Individualisierung ist Sprache. Es sind Akte der Sprachfindung, in denen das Vermögen produktiver Einbildungskraft zu einem „(transcendentalen) schöpferischen Act" wird. 60 Nur „in der Äußerung kann gefunden werden", was nicht bloß „Ideal" ist und „außerhalb der Äußerung nur in dem aus ihrer bestimmten ursprünglichen Empfindung hervorgegangenen Ideale gehofft werden kann". 61 Die Erinnerung bedarf der Sprache. Erst in Relation zu der äußeren Form der Sprache wird die Relation wirklich, die Erinnern seinem Sinn nach ist. Deshalb beantwortet Hölderlin die rhetorische Frage: „Ist die Sprache nicht wie die Erkenntniß von der die Rede war?" mit dem Satz: „So wie die Erkenntniß die Sprache ahndet, so erinnert sich die Sprache der Erkenntniß." 62 Der Zusammenhang von Erinnerung und Sprache stellt ein geradezu paradigmatisches Beispiel für die Unhintergehbarkeit dessen dar, was Fichte als Wechselwirkung bestimmt hat. Wenn Hölderlin davon spricht, ,die Sprache zu ahnden', so behauptet er damit nicht, daß es im mentalen Innen des Geistes ein
58 59
Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist..., 57. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ..., 52: Nur dadurch, daß das Ich „... nicht von sich selber und an und durch sich selber unterschieden wird, wenn es durch ein drittes bestimmt unterscheidbar gemacht wird, wenn dieses dritte, in so ferne es mit Freiheit erwählt war, insofern auch in seinen Einflüssen und Bestimmungen die reine Individualität nicht aufhebt, sondern von dieser betrachtet werden kann, wo sie dann zugleich sich selbst als ein durch eine Wahl bestimmtes, empyrischindividualisirtes und karakterisirtes betrachtet, nur dann ist es möglich, daß das Ich im harmonischentgegengesezten Leben als Einheit, und umgekehrt das harmonisch-entgegengesezte, als Einheit im Ich erscheine und in schöner Individualität zum Objecte werde" (Hervorhebungen J. K.).
60 61
J. C. F. Hölderlin, Das untergehende Vaterland ..., in: Theoretische Schriften, 37. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist..., 60; dazu vgl. J. Kreuzer, Zeit, Sprache, Erinnerung (Dichtung als Zeitlogik), in: Hölderlin-Handbuch, hrsg. von Kreuzer, 147-161. Hölderlin, Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist..., 58. - „Ahnden" (ahnen) und Erinnern hängen zusammen. I. Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, in: Gesammelte Schriften, Bd. 8, 89, bemerkt: ,Ahnden bedeutet so viel als Gedenken. Es ahndet mir heißt, es schwebt etwas meiner Erinnerung ... vor." Vgl. auch J. Grimm, W. Grimm, Deutsches Wörterbuch. Erster Band, Leipzig 1854, 192-195.
62
Kritik der intellektuellen Anschauung
133
Wissen oder ein .Sein' gäbe, dem dann durch Sprache sozusagen nur noch eine äußere Gestalt gegeben würde. Erinnernd die Sprache zu ahnen, heißt vielmehr zu erkennen, daß es Erinnern nicht in intellektueller Anschauung, sondern nur in Beziehung zu den Formen seiner Äußerung gibt. Es ist die Sprache, die das Denken realisiert bzw. .empirisch individualisiert'. 63 Deswegen ist der Akt, durch den sich der Geist die Wirklichkeit gibt, ein sprachlicher Akt. 64
V. Die göttliche Begeisterung Um über die von Kant gezogene Grenzlinie hinaus zu gelangen und die erkenntnis- wie bewußtseinstheoretische Bedeutung des ästhetischen Sinns zu beschreiben, hat sich Hölderlin für das Theorem der intellektuellen Anschauung interessiert. Seine Kritik an der intellektuellen Anschauung zielt dann auf mehr als nur darauf, daß er sie als bloße .Apotheose von oben herab' abweist. Hölderlin liest die intellektuelle Anschauung vielmehr als Erfahrung. Ihrer höchsten Bestimmung nach fungiert sie bereits in Seyn, Urtheil, ... als Noumenon in negativer Bedeutung. Ab der Zeit des direkten Gesprächs mit Hegel in Frankfurt wird sie weiter depotenziert. Sinn und Semantik der Erinnerung rücken ins Zentrum der theoretischen Selbstreflexion, auf der das Dichtungsverständnis beruht, das sich Hölderlin insbesondere in Das untergehende Vaterland ... und Wenn der Dichter einmal des Geistes mächtig ist ... erarbeitet. 65 Aber auch an einer entscheidenden Stelle seiner poetischen Arbeit - in Wie wenn am Feiertage ... - wird der Wandel deutlich, der von einer Begeisterung, deren Fokus ein intelligibles Sein jenseits der Trennungen ist, wegfuhrt zu einer sich in Relation zum endlichen Sein begreifenden .Identität der Begeisterung'. Berühmt ist die emphatische Alleinheits-Begeisterung, die Hölderlin in der dritten Strophe von Wie wenn am Feiertage ... formuliert: „Jezt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen, / Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort. / . . . / Die Natur 63
64
65
Dies ist vielleicht ein wenig Platonischer, aber es ist ein Gedanke Piatons. Piaton, Sophistes 263e3-8, stellt lapidar fest, daß die διάνοια (das Denken) und der λόγος konkreter Rede „dasselbe" sind: „διάνοια ... και λόγος ταύτόν." Nur heiße ,das Gespräch, das die Seele innen mit sich selbst ohne Stimme' führt, .Denken'. Was als konkrete Rede erscheint, ist dasselbe Gespräch - nur mit Stimme. Das stillschweigende Gespräch der Seele mit sich selbst, das Denken ist (vgl. ebd. 264a2), erfüllt sich in den Formen der Rede. In diesem Punkt stimmt Hölderlins „Verfahrungsweise" des poetischen Geistes mit Hegels Konzept des spekulativen Satzes überein. Zu dieser Übereinstimmung - und zur Differenz zwischen beiden - vgl. J. Kreuzer, Logik der Zeit und Erinnerung. Was unterscheidet die Wirklichkeit des Gesangs von der Form des Begriffs?, in: Die späte Hymnik Hölderlins, hrsg. von C. Jamme, A. Lemke, München 2003, im Druck. Vgl. dazu Kreuzer, Erinnerung.
134
Johann Kreuzer
ist jezt mit Waffenklang erwacht, / Und hoch vom Aether bis zum Abgrund nieder / Nach vestem Geseze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt, / Fühlt neu die Begeisterung sich, / Die Allerschaffende wieder."66 Hier artikuliert sich eine Begeisterung, für die die Sinnevidenz dieses Augenblicks die Bedingungen der Endlichkeit - der Entgegensetzungen, in denen wir leben - nicht nur transzendiert, sondern zu einer Ordnung jenseits dieser Bedingungen der Endlichkeit fuhrt. Der damit verbundene (idealistische) Kunst- bzw. Dichtungsbegriff ist Hölderlin nach 1795 zunehmend fraglich geworden, in der Krise der Epochenschwelle 1800 geht er vollends zugrunde. Fraglich werden dabei nicht die Augenblicke göttlicher Begeisterung, die uns „die Vollendung, die wir über die Sterne hinauf entfernen", als „gegenwärtig fühlen" lassen.67 Aber diese Augenblicke verweisen auf keine ,Einheit' jenseits der Bedingungen der Endlichkeit. Sie werden als integraler Bestandteil eben dieser Endlichkeit bewußt.68 Hölderlin erkennt, wie fragil - gerade in bewußtseinsphilosophischer wie zeittheoretischer Hinsicht - die Voraussetzungen und Annahmen sind, von denen das neuplatonische Pathos des Aufstiegs zum göttlich Einen ausgeht.69 Beredtestes Zeugnis der ästhetisch erfüllten Sinnevidenz göttlicher Begeisterung ist bei Piaton die eingangs dieser Überlegungen erwähnte Passage 249d4-250d8 im Phaedrus. Auf den Phaedrus, in dem vom Wahn- bzw. Wahrsinn göttlicher Begeisterung die Rede ist, der gerade auch der Dichtung zugrunde liegt, spielt Hölderlin in der Feiertagshymne an: „Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern / Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen."70 Doch genau nach dieser, die Dichtung zur „himmlischen Gaabe" 71 beinahe sakralisierenden Berufung auf den Enthusiasmus göttlicher Begeisterung erfolgt die Zäsur des Abbruchs. Hölderlin vollzieht damit eine Selbstkritik hymnischen Sprechens.72 Ein Aspekt dieser Selbstkritik ist die Erkenntnis, daß eine Begründung der Rolle und der Bedeutung hymnischen Sprechens von einem Standpunkt außerhalb oder jenseits der Bedingung der Endlich-
66 67 68
Zit. nach: J. C. F. Hölderlin, Wie wenn am Feiertage ... in: ders., Sämtliche Werke. Frankfurter Ausgabe, Supplement II: Stuttgarter Foliobuch, Frankfurt a. M. 1989, 61. Vgl. Hölderlin, Hyperion, 657. Schon der offene Schluß des Hyperion, 760, weist in die Richtung, daß die Transzendenz ästhetischer Erfahrung („O Seele! Seele! Schönheit der Welt! Du unzerstörbare! ...") keine Grenze der Zeit der Endlichkeit markiert, sondern sich als deren integraler Bestandteil erweist: „So dacht' ich. Nächstens mehr."
69
Im Hyperion, 650, heißt es einmal gleichsam präludierend: „... bleibt unten, Kinder des Augenbliks! strebt nicht in diese Höhen herauf, denn es ist nichts hier oben."
70
J. C. F. Hölderlin, Wie wenn am Feiertage..., 63. Zum Verhältnis zwischen θεία μανία und Dichtung vgl. Piaton, Phaedrus 244a6-245a8, zum „entblößten Haupt" (γυμνή κεφαλή) ebd. 243b6.
71 72
Hölderlin, Wie wenn am Feiertage ..., 63. Vgl. P. Szondi, Der andere Pfeil. Zur Entstehungsgeschichte Spätstil, Frankfurt a. M. 1963.
von Hölderlins
hymnischem
Kritik der intellektuellen Anschauung
135
keit - jener Endlichkeit, die gerade in der Dichtung zur Sprache finden soll - illusorisch ist. Sie ist illusorisch insbesondere dann, wenn es die .Erinnerung' ist, die die Notwendigkeit der Sprachfindung der Kunst begründet. Wenn „schnellbetroffen" die Seele des Dichters, „Unendlichem / Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung / Erbebt", 73 dann klingt hier zunächst das Pathos nach, das vom Neuplatonismus der Renaissance zur Genie-Ästhetik der frühen Neuzeit führte und Piatons Anamnesis zitiert. Aber der Sinn der Erinnerung reduziert sich nicht auf eine solche, und sei es enthusiastische Rückbindung an eine gegebene transzendente Ordnung. ,Von Erinnerung zu erbeben' heißt vielmehr gerade auch, die eigene Endlichkeit zu begreifen. Begriffen wird sie in ebenden Augenblicken, die diese Endlichkeit zu transzendieren scheinen.74 Sie sind selbst endlich - sie lassen sich erinnern und müssen immer von neuem erinnert werden. Erinnerung der eigenen Endlichkeit erweist sich als deren einzige Transzendenz. Damit verschiebt sich der Sinn dessen, was Erinnern heißt.75 Es ist nicht mehr vergangenheitsorientiert: Vergangenheitsorientiert bleibt es nur (und immer) dann, wenn es in logischer Hinsicht - analog dem Mythos der Präexistenz, mit dem Piaton selbst die Anamnesis erklärt hat 76 - als Rückbindung, als bloß sekundäre Kopie eines primär Geschauten gedacht wird. Bei Hölderlin wird dem gegenüber thematisch, daß Erinnern keine Rückbindung bedeutet, sondern sich als jener Grundakt des sich in seiner Endlichkeit begreifenden Geistes erweist, der auf dem Vermögen der Erinnerung des Gegenwärtigen beruht.77
73 74
Hölderlin, Wie wenn am Feiertage ..., 62. Deshalb setzt Hölderlin neben die abbrechenden Verse der Feiertagshymne die Sentenz: „Die Sphäre die höher ist, als die des Menschen diese ist der Gott" (vgl. Wie wenn am Feiertage ..., 63).
75
Vgl. H. Blumenberg, Der Befehl des Delphischen Gottes und die Ironie seiner Spätfolgen, in: ders., Ein mögliches Selbstverständnis, Stuttgart 1997, 123: „Die Erinnerung kann sich ihrer nicht selbst versichern; sie muß garantieren, was umgekehrt sie garantieren müßte."
76
Vgl. Piaton, Phaedrus 2 4 9 e l - 2 . - Zu beachten ist freilich, daß Piaton die Rückführung der Anamnesis darauf, ,was die Seele einst gesehen', ausdrücklich als mythologisches, gar hymnisches Sprechen qualifiziert und damit in seiner logischen Aussagekraft gleichsam einklammert. Dazu vgl. ebd. 253c7, 265c 1.
77
Diesen Sinn und diese Bedeutung der Erinnerung hat in der Epochenschwelle der Spätantike Augustin entdeckt: Auf Grund der Erinnerung ist der menschliche Geist Bild jener Trinität, die er als göttliche denkt. Vgl. Augustinus, De trinitate, insbes. Buch X, XIV und XV, neu übers, und mit einer Einleitung hrsg. von J. Kreuzer, Hamburg 2001, 86127, 194-247, 258-289, 336-343; zur .memoria' als Vermögen der Erinnerung des Gegenwärtigen vgl. De trinitate XIV, 11, 14, 216. Zur Deutung der memoria bei Augustin vgl. auch J. Kreuzer, Pulchritudo, 31-104. - Man wird G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 4. Philosophie des Mittelalters und der Neuzeit, hrsg. von P. Garniron, W. Jaeschke, Hamburg 1986, 1, zustimmen können, daß mit der damit verbundenen Einsicht in „die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur" „ungeheuer viel
Johann Kreuzer
136
VI. Sprache als Vermittlung Das anfängliche Programm eines ästhetisch adaptierten Piatonismus erfährt bei Hölderlin einen fundamentalen Wandel. Indikator dieses Wandels ist die Kritik des Theorems der intellektuellen Anschauung. Die logische Stelle, die dieses Theorem bezeichnet, füllt Hölderlin durch Sinn und Semantik der Erinnerung, die intellektuelle Anschauung selbst integriert er in das Beziehungsgefüge der „transzendentalen Empfindung". An die Stelle des ,Seins' der intellektuellen Anschauung tritt die Dialektik von Einheit und Verschiedenheit. Sie impliziert die Einsicht in die Sprachbedürftigkeit der Erinnerung und damit des Geistes - die nächste Konsequenz, die Hölderlin zieht. Der Sache nach bedeutet dies eine Wiederanknüpfung an den Diskussionsstand, den Piaton im Sophistes erreicht hatte. Diese Wiederanknüpfung an den Diskussionsstand des Sophistes läßt sich vor dem Hintergrund des Theorems, daß ein ursprünglich Eines aus sich herausgeht und Differenz setzt und im erkennenden Rückbezug des Geistes Differenz und Eines vermittelt werden, formulieren und diskutieren. Geht man davon aus, daß Einheit - will man sich nicht in den Selbstwiderspruch verwickeln, daß sie als verschieden vom Verschiedenen zu denken ist - aus sich herausgehen muß und so als Ursprünglicheiniges Differenz und Entzweiung setzt, und daß die Erkenntnis dieser Beziehung die Vermittlung von Ursprung und Differenz bedeutet, dann kommt es darauf an, wie diese Vermittlung aufzufassen ist: Erfüllt sie sich in der Rückkehr zu einem untrennbaren „Seyn", „wie es bei der intellectualen Anschauung der Fall ist" - oder steht sie für den erkennenden Rückbezug des Denkens, der sich auf Grund von Erinnerung in der und durch Sprache realisiert und reproduziert. Letzteres wird Hölderlins Antwort, wenn er Sprache als „transcendentalen schöpferischen Act" begreift - eine Antwort, die an Piatons Einsicht anknüpft, daß der paradigmatische Ort der Logik des Verschiedenen die Wirklichkeit der Sprache ist.78
... vorgerückt worden ist" - und zwar nicht nur deshalb, weil dadurch „die Freiheit unabhängig von Geburt, Stand, Bildung usf." wurde: so ders., Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Berliner Niederschrift der Einleitung. Angefangen am 24.X.1820, in: ders., Werke in zwanzig Bänden, Bd. 20, Frankfurt a. M. 1971, 507. - J. C. F. Hölderlin, Der Einzige, V.92-96, in: Sämtliche Werke, Bd. I, 469, hat den Grundgedanken der Fleischwerdung des göttlichen Logos, der in der trinitarischen Selbstreflexion des Geistes zu Bewußtsein kommt, präzise formuliert: „Wie Fürsten ist Herkules. Gemeingeist Bacchus. Christus aber ist / Das Ende. Wohl ist der noch andrer Natur; erfüllet aber / Was noch an Gegenwart / Den Himmlischen Gefehlet an den andern. Diesesmal ..." Vgl. dazu J. Kreuzer, Philosophische Hintergründe der Christus-Hymne Der Einzige, in: Hölderlin-Jahrbuch 32 (2000-2001), 69-104. 78
In diesem Zusammenhang könnte der oft zitierte Satz, der sich auf Seite 66 des Homburger Folioheftes findet: „Unterschiedenes ist / gut" (vgl. J. C. F. Hölderlin, Sämtliche Werke. Frankfurter Ausgabe, Supplement III: Homburger Folioheft, hrsg. von D. E. Sattler, Ε. E. George, Frankfurt a. M. 1986, 92), gleichsam als Protokollnotiz einer sol-
Kritik der intellektuellen Anschauung
137
VII. Schlußbetrachtung Hölderlin nimmt im Deutschen Idealismus, was die Bezugnahme auf Piaton und den Piatonismus angeht, eine singuläre Position ein. Er transformiert die anfänglich übernommenen Vorgaben eines tradierten Piatonismus, indem er der Sache nach auf Piaton selbst zurückgeht. Daß er damit zugleich über die Grenzen der idealistischen Systembildungen hinausweist, erklärt vielleicht, daß Hölderlin zum entscheidenden Gesprächspartner in nachidealistischer Zeit geworden ist. Das gilt sowohl für Heidegger wie fur jenes Denken, das nach Adorno „solidarisch mit Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes" ist.79 Es ist die Position eines sich auf seine Endlichkeit besinnenden und seiner Sprachlichkeit - „seit ein on
Gespräch wir sind und hören voneinander" Hölderlin steht.
79 80
- sich entsinnenden Geistes, für die
chen Anknüpfung verstanden werden. Th. W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt a. M. 1970, 398. Hölderlin, Friedensfeier, V.92; 364.
ORRIN F. SUMMERELL
Perspektiven der Schwärmerei um 1800. Anmerkungen zu einer Selbstinterpretation Schellings
Im Rückblick auf das eigene System des transzendentalen Idealismus von 1800 konstatiert Friedrich Wilhelm Joseph Schelling 27 Jahre später in seinen Münchener Vorlesungen Zur Geschichte der neueren Philosophie folgenden Bezug auf sein Vorbild Piaton: „Die Philosophie ist ... für das Ich nichts anderes als eine Anamnese, Erinnerung dessen, was es in seinem allgemeinen (seinem vorindividuellen) Seyn gethan und gelitten hat: ein Ergebniß, das mit bekannten Platonischen Ansichten (wenn gleich diese zum Theil einen andern Sinn [bekommen hatten] und nicht ohne eine gewisse Zuthat von Schwärmerischem verstanden waren) übereinstimmte. Dieß war also der Weg, den ich zuerst und noch eben von Fichte herkommend, einschlug, um meinerseits wieder ins Objektive zu kommen."1 Im System des transzendentalen Idealismus versucht Schelling im Anschluß an die Wissenschaftslehre Johann Gottlieb Fichtes das Selbstbewußtsein nach der Einheit sowie der Ganzheit seiner theoretischen und praktischen Momente zu rekonstruieren. Diese systematische Weiterentwicklung des Fichteschen Ansatzes konzipiert Schelling als eine „fortgehende Geschichte des Selbstbewußtseyns".2 Sie zielt auf das vollkommene „sich-selbst-Objekt- Werden
1
F. W. J. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie. Münchener Vorlesungen, in: ders., Sämmtliche Werke, hrsg. von K. F. A. Schelling, Stuttgart, Augsburg 18561861, Bd. 10, 1-200, hier: 95. (Text emendiert: non „übereinstimmen", sed „übereinstimmte".) - Daß sich Schelling die Platonische Denkweise bei der eigenen theoretischen Vermittlung ideeller Einheit und erscheinender Mannigfaltigkeit immer wieder aneignet, indem er sein eigenes Denken weiterentwickelt, hat H. von Stein, Sieben Bücher zur Geschichte des Piatonismus. Untersuchungen über das System des Plato und sein Verhältniss zur späteren Theologie und Philosophie, Göttingen 1862-1875, Tl. 3, 306, verdeutlicht: „Schelling folgte seiner eigensten Natur, als er von Kant aus über Kant, Fichte und Hegel hinausstrebte; er folgte nur derselben auch in seiner stets zunehmenden Uebereinstimmung mit Piaton."
2
F. W. J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus, in: Sämmtliche Werke, Bd. 3, 327-624, hier: 331. Damit nimmt Schelling den Ansatz vorweg, den G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, hrsg. von W. Bonsiepen, R. Heede, Hamburg 1980, 56, erst sieben Jahre später folgenderweise formuliert: „Die Reihe seiner Gestaltungen, welche das Bewußtseyn auf diesem Wege [zum absoluten Wissen] durchläufft, ist vielmehr die ausführliche Geschichte der Bildung des Bewußtseyns selbst zur Wissenschafft."
140
Orrin F. Summerell
des Subjektiven" hin, das in der durch das Kunstwerk vermittelten ästhetischen Anschauung des im anfänglichen Akt des unbedingten Sich-selbst-Setzens bloß intellektuell angeschauten Absoluten besteht. 3 Dadurch, daß er auf diese Weise „wieder ins Objektive" kommt, beabsichtigt Schelling über Fichte hinaus, eine dynamische Komplementarität von Natur- und Transzendentalphilosophie aufzuzeigen, die den inneren Zusammenhang zwischen bewußtloser Natur und bewußtem Geist ans Licht bringt. Für Schelling gilt: „Beide Wissenschaften sind also Eine, nur durch die entgegengesetzten Richtungen ihrer Aufgaben sich unterscheidende Wissenschaft." 4 Nach eigenen Angaben ist das System des transzendentalen Idealismus, in dem Schelling retrospektiv den Keim zu seiner späteren Philosophie mit ihrer „Tendenz zum Geschichtlichen" 5 angelegt findet, in dessen Grundmotiv Platonisch koloriert: Es stellt den anamnestischen Prozeß dar, in dem sich das Ich der Geschehnisse seines allgemeinen Seins sowie seines Hervorgangs aus diesem in die individuelle Entgegensetzung gegen eine immer schon daseiende Welt, in der es sich findet, wieder bewußt wird. Denn es sei „Sache der Wissenschaft, und zwar der Urwissenschaft, der Philosophie, jenes Ich des Bewußtseyns mit Bewußtseyn zu sich selbst, d. h. ins Bewußtseyn, kommen zu lassen". 6 Indem Schelling die „transscendentale Vergangenheit" des noch nicht zu sich selbst gekommenen Ich, die dem gegenwärtigen „wirklichen oder empirischen Bewußtseyn" vorausgeht, also den Weg, den das Ich „zum Bewußtseyn selbst bewußtlos und ohne es zu wissen zurückgelegt" hat, systematisch in Form der Geschichte des Selbstbewußtseins darlegt, will er dem Ich „zu der Erkenntniß und dem Bewußtseyn des in ihm Gesetzten ... verhelfen, und es so endlich zur völligen Selbsterkenntniß ... bringen". 7 Diese wissenschaftliche Darlegung der vergessenen Geschichte, die sich zwischen transzendentaler Vergangenheit und empirischer Gegenwart erstreckt, soll also dem Ich zur Wiedererinnerung an sein ursprüngliches Leben im Absoluten sowie seine Trennung von demselben verhelfen. Daher kann Schelling die Methode seines früheren Denkens nicht nur mit der Anamnesislehre Piatons, welche die Wiedererinnung der Seele an ihr vorgeburtliches Leben vor ihrem Abfall aus der Ideenwelt betrifft, sondern auch
3 4
5
6 1
Schelling, System des transzendentalen Idealismus, 345. F. W. J. Schelling, Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. Oder über den Begriff der speculativen Physik und die innere Organisation eines Systems dieser Wissenschaft, in: Sämmtliche Werke, Bd. 3, 269-326, hier: 272. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, 94. - Zu Schellings philosophiegeschichtlicher Deutung des Systems des transzendentalen Idealismus vgl. A. Hutter, Geschichtliche Vernunft. Die Weiterfuhrung der Kantischen Vernunftkritik in der Spätphilosophie Schellings, Frankfurt a. M. 1996, 258-266. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, 95. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, 93-94, 98.
Perspektiven der Schwärmerei
141
mit der Maieutik des Sokratischen Gesprächs vergleichen, die dem Unwissenden ο verhilft, sich von seinem noch ungewußten Wissen zu entbinden. Im vorliegenden Zusammenhang ist besonders dies von Interesse, daß Schelling im Hinblick auf seine Denkentwicklung über Fichte hinaus: 1. die grundsätzliche Übereinstimmung seiner eigenen Ansichten über das Wieder-bewußt-Werden des Ich mit denen Piatons über die Anamnesis behauptet; 2. die Transformation Platonischer Theoreme durch den eigenen transzendentalidealistischen Ansatz bestätigt; 3. dabei ein schwärmerisches Element diagnostiziert, das überwunden werden sollte. Im folgenden Streifzug durch Perspektiven der Schwärmerei um 1800 geht es darum, das schwärmerische Element der Philosophie, das nach Schelling sowohl dem eigenen als auch dem wesensverwandten Platonischen Denken fremd ist, im Zusammenhang der Rechtfertigung des Piatonismus in der klassischen deutschen Philosophie darzulegen.
I. Piatonismus und Enthusiasmus Daß der Piatonismus einen entscheidenden Einfluß nicht nur auf die Denkentwicklung Schellings, sondern auf die nachkantische deutsche Philosophie insgesamt ausgeübt hat, hebt der Philologe Joseph Socher 1820 hervor: Ein „Zeit-Interesse hat", so Socher, „die Blicke der Kundigen seit Kurzem mehr, als es Jahrhunderte her der Fall gewesen war, auf Piaton gelenket. Der ideale Schwung, den die Philosophie des Zeitalters genommen hatte, mahnte durch mannigfache Reminiszenzen so laut an Piaton: es drangen sich so vielfache VergleichungsPunkte auf; es schien ein dem platonischen so ähnlicher Geist aus der neuesten Philosophie zu wehen, daß die Verehrer derselben, wie durch eine magnetische Anziehungskraft zur nähern Kenntnis des alten Vaters der Ideen-Welt, wofür Piaton galt, hingezogen werden mußten." 9 Die Faszination Piatons für die zeitgenössische Philosophie, die im Gegensatz zur Aufklärung eine seit der Renaissance nicht bekannten Begeisterung fur den Piatonismus zeigt, spiegelt nach Socher die in diesem Denken innewohnende Kraft des Idealismus wider, die
8 9
Vgl. Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, 98. J. Socher, Ueber Piatons Schriften, München 1820, 3. - In Schellings Münchener Akademie-Rede vom 26. März 1834, in: Sämmtliche Werke, Bd. 9, 456-466, hier: 463, wird des Todes zweier Männer gedacht, die „beide, wiewohl auf höchst verschiedene Weise und mit sehr ungleichem Erfolg, sich mit den Schriften Piatons beschäftigt" hätten: Friedrich Schleiermachers sowie Joseph Sochers, den Schelling als einen ,,feine[n], kenntnißreiche[n] Beurtheiler auch der neueren Systeme" würdigt.
142
Orrin F. Summerei 1
sich wie von selbst auf ihren Ursprung in der Platonischen Ideenlehre zurückbezieht. Daß die Platonischen Reminiszenzen der neuesten Philosophie an deren eigene Auseinandersetzung mit dem Piatonismus erinnern, ist Socher bewußt. Unüberhörbar in seiner Charakterisierung der wesentlich Platonischen Bestimmung, welche die klassische deutsche Philosophie auszeichnet, ist aber auch die Anspielung auf das Bild des Magneten aus dem Dialog Ion, das Sokrates zur Erklärung der Rhapsodenkunst verwendet. Das Bild fuhrt direkt in den Themenkreis der Schwärmerei ein, der von Aufklärung und Idealismus bedingt ist. „Nämlich dies wohnt dir nicht als Kunst bei", so Sokrates zum Rhapsoden Ion, „gut über den Homer zu reden, wie ich eben sagte, sondern als eine göttliche Kraft, welche dich bewegt, wie in dem Steine, der von Euripides der Magnet ... genannt wird." 10 Sokrates spricht dem Rhapsoden, auch wenn er über das Homerische Gedicht brillant vorzutragen versteht, Sachverstand im technischen Sinne ab. Dagegen gibt Sokrates seine Ansichten über das wahre Vermögen des Rhapsoden kund, wenn er den Sinn des Gleichnisses näher erläutert: „Denn auch dieser Stein zieht nicht nur selbst die eisernen Ringe, sondern er teilt auch den Ringen die Kraft mit, daß sie ebendieses tun können wie der Stein selbst, nämlich andere Ringe anziehen, so daß bisweilen eine ganze lange Reihe von Eisen und Ringen aneinanderhängt; allen diesen aber ist ihre Kraft von jenem Stein angehängt. Ebenso auch macht zuerst die Muse selbst Gottbegeisterte [ενθεοι], und an diesen hängt eine ganze Reihe anderer, durch sie sich Gottbegeisternder [ένθουσιάζοντες]." 1 1 Die Dichter vermögen nach der Ansicht des Sokrates nicht durch eigenen Sachverstand, sondern allein infolge der göttlichen Begeisterung - des Enthusiasmus - zu dichten. Es ist diese Kraft, die sich bei den Rhapsoden, die über die Werke der Dichter gut reden, und schließlich bei den Zuhörern, die den Aufführungen der Rhapsoden mit Bewunderung beiwohnen, fortpflanzt. Als magnetische Urkraft gilt die Muse, die an erster Stelle den Dichter, an zweiter den Rhapsoden und an dritter die Zuhörer beeinflußt, indem sie alle zu sich auf unmittelbare sowie mittelbare Weise hinzieht. Nicht anders verhält es sich, so läßt sich aus dem Vergleich Sochers schließen, bei den neuesten Philosophen, den Idealisten: Durch den Geist der Ideenlehre hingezogen, lenken sie den eigenen Blick sowie den ihrer Verehrer auf Piaton, den „Vater der Ideen-Welt". Der vielfältigen Rezeption des Dialogs Ion und der These vom göttlichen Ursprung der Kunst in der Poetiktradition seit der Antike und besonders in der 10
11
Piaton, Ion 53dl-4. - Daß der Enthusiasmus bei Piaton keine bloß passive Irrationalität darstellt, sondern mit dem auch als göttlich begriffenen νοΰς wesensmäßig verwandt ist, belegt S. Büttner, Die Literaturtheorie bei Piaton und ihre anthropologische Begründung,, Tübingen, Basel 2000, 255-365. Piaton, Ion 533d4-e5.
Perspektiven der Schwärmerei
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Dichtungstheorie der Frühromantik kann hier nicht nachgegangen werden. Statt dessen sollen die schwärmerischen Implikationen des Enthusiasmus angesprochen werden, die sich auf die Bildung der klassischen deutschen Philosophie auswirken. Die Brisanz dieser Thematik für die Legitimierung der Philosophie Piatons und die Profilierung der neuesten Philosophie im ausgehenden 18. und im frühen 19. Jahrhundert zeigt sich vor dem Hintergrund, den das für diese Epoche richtungweisende philosophiegeschichtliche Werk Johann Jacob Bruckers bildet. Denn Brucker will die Philosophie Piatons selbst der Obskurität (obscuritas) - der Dunkelheit bzw. Unverständlichkeit - überführen, wenn er über sie folgendes vernichtendes Urteil ausspricht: „Die ganze Philosophie Piatons", so Brucker, „verfällt, ähnlich wie die Pythagoreische, letztlich in Enthusiasmus; sie verbindet den von sich und seiner Natur entrissenen Menschen mit göttlichen Prinzipien, die nur im eigensinnigen Gehirn Piatons existieren, während er die Träume, die er sich in Italien eingebildet hat, mit philosophischen Erdichtungen [fabulae] verziert und die Quellen und Formen des Wahrnehmbaren und Denkbaren durch verschiedene Arten und Ränge des Herausgeflossenen bis zum höchsten Seienden hinführt".12 Bruckers stark ablehnende philosophi-
12
J. J. Brucker, Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta, Leipzig 2 1767, Nachdr. Hildesheim 1975, Bd. 1, 664; vgl. die achte These zur Philosophie Piatons bei J. J. Brucker, Kurtze Fragen aus der Philosophischen Historie, von Anfang der Welt, biß auf die Geburt Christi, mit Ausführlichen Anmerckungen erläutert, Bd. 1, Ulm 1731, 629: „Daß er [seil. Piaton] insonderheit zum Enthusiasmo Philosophico geneigt gewesen, und deswegen sein Haupt-Werck, die Lehre von denen Geistern, deren Ursprung, Ausfluß aus Gott, und Verbindung mit der Materie, und wieder Eingehen in Gott, etc., seyn lassen." Zu Bruckers Platon-Deutung vgl. M. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, Göttingen 1996, 63-76. - Mit der Zurückfuhrung Platonischer Lehrsätze auf den Enthusiasmus kann Brucker, der die Wesensverwandtschaft des Piatonismus mit dem Pythagoreismus wiederholt konstatiert, an eine bereits bestehende Polemik gegen den Piatonismus anknüpfen. An beiden obengenannten Stellen beruft sich Brucker auf M. Casaubon, De enthusiasmo precatorio dissertatio. Civitati donata ex libro ejus de enthusiasmo edito Anglice, übers, von J. F. Mayer, cap. I; cap. III, Hamburg 1696, 6; 38 (vgl. ders., A Treatise Concerning Enthusiasme (1655) [as It is an Effect of Nature: but is mistaken by many for either Divine Inspiration, or Diabolicall Possession. Second Edition: revised, and enlarged], ed. with an intro. by P. J. Korshin, Gainesville/Fla. 1970, cap. I, 16; cap. Ill, 69-70: Platons Wörter seien „obscure" und seine Philosophie ein Refugium für „depraved phansies") sowie Μ. G. Hansch, Diatriba de enthusiasmo Platonico, in qua sublimia Platonicorum de ultimo animae humanae in divinam essentiam reditu philosophemata e suis principiis deducuntur, Leipzig 1716; vgl. bereits ders., De enthusiasmo philosophico, Gedani 1702. Allerdings konstatiert G. W. Leibniz, Brief an M. G. Hansch vom 25. Juli 1707, in: ders., Philosophische Schriften, Bd. 5.2, hrsg. und übers, von W. Wiater, Darmstadt 1989, 282-293, hier: 290: Die Aufhebung der Eigentümlichkeit und Tätigkeit der Seele etwa bei den Quietisten bzw. Mystikern sei ein schlechter Enthusiasmus, nicht die zu
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sehe Haltung gegenüber dem Piatonismus steht im Zeichen des theologischen Streits um den kontaministischen Piatonismus der Kirchenväter. Darin bezichtigen Kirchenhistoriker - darunter Johann Lorenz von Mosheim - nicht nur Piaton des Obskurantismus: Besonders die Platonisierenden Christen hätten dem Christentum enormen Schaden durch die Einführung von fremden, also nicht-biblischen Lehrinhalten, Mystizismus und Aberglaube zugefugt; ähnliches behauptet bereits Matthieu Souverain im Hinblick auf die Trinitätslehre und Christologie (Logostheologie) der Kirchenväter. 13 Enthusiasmus - das ist dann fur den Aufklärer Brucker, der die Platonische Prinzipientheorie Pythagoreischer Provenienz nicht erst in ihrer neuplatonischen Prägung, sondern in ihrer originellen Gestalt pointiert verwirft, der Widersacher des klaren Raisonnements, der den Kopf des Philosophen vernebelt und ihn in Verwirrung über das Wesen des Menschen sowie des Seienden überhaupt bringt. Die Gründe für Bruckers Vorbehalt gegen den Enthusiasmus kommen allerdings bereits bei Piaton selbst zum Ausdruck. Im Ion heißt es nach Sokrates: „Doch wahrlich sagen uns nämlich die Dichter, daß sie, indem sie sich die Gesänge [τά μέλη] aus honigströmenden Quellen [άπό κρηνών μελιρρύτων] aus gewissen Gärten und Wäldchen der Musen abpflücken, sie uns bringen, wie die Bienen [αϊ μέλιτται], die ebenso umherfliegen. Und wahr reden sie. Denn ein leichtes Ding ist ein Dichter und geflügelt sowie heilig, und nicht eher vermag er zu dichten, bis er gottbegeistert [ένθεος] und nicht von Sinnen [έκφρων] wird und die Vernunft [νους] ihm nicht mehr innewohnt." 14 Piaton läßt Sokrates erstrebende Vergöttlichung (deificatio) bzw. Vereinigung der Seele mit Gott, die Piaton und die Platoniker ansprechen. - Im 19. Kapitel des vierten Buchs seiner erst 1765 erschienenen Nouveaux essais sur l'entendement humain, ebd., Bd. 3.2, hrsg. und übers, von W. E. Engelhardt, Η. H. Holz, Darmstadt 1961, 614-630, skizziert Leibniz eine Geschichte des Enthusiasmus-Begriffs zwischen Antike und Moderne, deren Schwerpunkt auf dem vom ursprünglichen antiken Sachverhalt entfremdeten unbegründeten Glauben liegt, von einem Gott umhergetrieben zu werden oder sogar Lehrsätze zu erhalten. 13
Vgl. J. L. von Mosheim, Institutionum historiae ecclesiasticae antiquae et recensioris libri quattuor ex ipsis fontibus insigniter emendati, plurimis accessionibus locupletati, variis observationibus illustrati, saec. I, pars I, cap. 1, par. 24; saec. II, pars II, cap. 1, par. 12, Helmstedt 1755, 18; 80; ferner ders., De turbata per recentiores Platonicos Ecclesia commentatio, Helmstedt 1725; M. Souverain, Le platonisme devoile, ou Essai touchant le verbe platonicien, part I, chap. 5, 9, 12, 18, 21; part II, chap. 2, 4, Köln [Amsterdam] 1700; dazu Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, 28-43 (zu Souverain), 47-63 (zu Mosheim); ferner H. von Stein, Der Streit um den angeblichen Platonismus der Kirchenväter, in: Zeitschrift fiir die historische Theologie 31 (1861), 319418.
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Piaton, Ion 534a7-b6; vgl. bereits ebd., 533e5-534a7: „πάντες γαρ οϊ τε των έπων ποιηταί οί άγαθοί ούκ έκ τέχνης άλλ' ένθεοι δντες και κατεχόμενοι πάντα ταΰτα τά καλά λέγουσι ποιήματα, και οί μελοποιοΐ οί άγαθοί ώσαύτως, ώσπερ οί κορυβαντιώντες ούκ έμφρονες οντες όρχοΰνται, ούτω και οί μελοποιοΐ ούκ
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die göttliche Ergriffenheit der Dichter mit dem zielstrebigen Umherfliegen der Bienen vergleichen, und zwar vermittelst eines einfachen Wortspiels. Beide produzieren etwas Süßes, sogar Nahrhaftes: Honig (τό μ έ λ ι ) bzw. Gedichte ( τ ά μέλη), und dies durch göttliche Schickung. Während aber die Bienen durch das Sammeln des Honigs ihre eigene Natur vollziehen, wird der menschliche Dichter als ein selbständig rationales W e s e n durch seine göttliche Begeisterung aufgehoben: Er wird zwar heilig, verliert dabei aber den Sinn (φρήν) bzw. die Vernunft (νους). N a c h Piaton also kann der enthusiastische Dichter als solcher keine Rechenschaft v o n seiner dichterischen Tätigteit ablegen, gleichwohl aber vervollkommnet ihn seine göttliche Ergriffenheit. Im Ausgang v o n diesem Vergleich wird in der Platonischen Tradition die künftige Eloquenz und sogar die Apollinische Natur des Meisters selbst auf eindrucksvolle Weise, aber nicht ohne eine g e w i s s e Ironie versinnbildlicht: A m Mund des Säuglings hätten sich Bienen hingesetzt und sogar Honig gemacht. 1 5 Dagegen betrachtet Brucker es als merkwürdig, daß die Bewunderer Piatons überhaupt etwas Geistreiches in derartig erdichtetem Unsinn w i e diesem Mär-
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εμφρονες όντες τά καλά μέλη ταΰτα ποιοΰσιν, άλλ' έπειδάν έμβώσιν εις τήν άρμονίαν καί εις τον ρυθμόν, βακχεύουσι καί κατεχόμενοι, ώσπερ αί βάκχαι άρύονται έκ των ποταμών μέλι καί γάλα κατεχόμεναι, έμφρονες δέ οΰσαι οϋ, και των μελοποιών ή ψυχή τοΰτο έργάζεται, δπερ αύτοι λέγουσι." Vgl. Cicero, De divinatione, lib. I, par. 78; lib. II, par. 66, ed. R. Giomini, Leipzig 1975, 47, 108; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia, lib. I, cap. 6, par. 3, ed. C. Kempf, Leipzig 1888, 33; Plinius maior, Naturalis historia, lib. XI, par. 55, ed. L. Ian, C. Mayhoff, Leipzig 1892-1909, vol. 2, 300; Aelianus, Varia historia, lib. 10, 21; lib. 12, 45, ed. R. Hercher, Leipzig 1866, Nachdr. Graz 1971, 113, 135; Phocas, Vita Virgilii, 52-56, in: ders., Vila di Virgilio, intro., testo, trad, e comm. di G. Brugnoli, Pisa 1983, 19-20; Olympiodorus, In Platonis Alcibiadem commentarii, 2, 24-29, ed. L. G. Westerink, Amsterdam 1956, 2; Anonymus, Prolegomena philosophiae Platonicae, 2, 16-22, ed. L. G. Westerink, Amsterdam 1962, 5-7; dazu A. S. Riginos, Platonica. The Anecdotes Concerning the Life and Writings of Plato, Leiden 1976, 17-21, bes. 20: „The versions found in the earlier sources reporting the omen (Cicero, Pliny, perhaps Valerius Maximus) present the omen in the stock form comparable to the similar stories told of the various poets. In the accounts of Aelian, Olympiodorus, and the author of the Anonymous Prolegomena, however, the story has been expanded to indicate Plato's Apollonian nature as well as his future eloquence." Auch wenn diese Anekdote allein als praesagium für die künftige Süße Piatons zu verstehen ist, läßt sich im vorliegenden Zusammenhang folgende implizite Verbindung zum Ion hervorheben: „Es ist wohl bekannt, daß wilder Honig berauschend wirken kann (nämlich dann, wenn die Bienen Honig oder Pollen von rauschgiftigen Pflanzen gesammelt haben)" (Der Piatonismus in der Antike. Grundlage - System - Entwicklung, Bd. 2: Der hellenistische Rahmen des kaiserzeitlichen Piatonismus. Bausteine 36-72, Text, Übers., Komm, von H. Dörrie aus dem Nachlaß hrsg. und bearb. von M. Baltes unter Mitarbeit von A. Dörrie, F. Mann, Stuttgart-Bad Cannstatt 1990, 401).
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chen fänden. 16 Was Platoniker jahrhundertelang als die exemplarische Vereinigung von Dichtung bzw. Redekunst und Philosophie im Werk des Meisters feiern, die sie in diesem Emblem vorausgesagt entdecken, kritisiert Brucker also als „hohle und ebenfalls unverständliche Träume" von der inhärenten Göttlichkeit des Menschen und der emanativ-hierarchischen Struktur der Wirklichkeit. 17 Aus seiner Sicht werden also die eigensinnigen Erfindungen Piatons, die seine philosophischen Verehrer verfuhren, in dieser fingierten Geschichte aus der Kindheit Piatons selbst versinnbildlicht. Im Unterschied zu Brucker werden die ursprünglichen religiösen Dimensionen, welche die Platonische Theorie des Enthusiasmus noch prägt und in der Platonischen Tradition noch gewürdigt werden, in der Ästhetik Alexander Gottlieb Baumgartens gesondert und ohne Vorbehalt zur Kenntnis genommen: „Der Enthusiasmus", so Baumgarten in seinen Ausführungen zur „ästhetischen Begeisterung", „bezeichnet hier nicht, wie in der Philosophie, den Irrtum, da man glaubt, göttliche Empfindungen zu haben, und sich betrügt, sondern die Benennung wird aus der Götterlehre der alten Heiden hergeleitet. Da sie eine so große Menge von Untergottheiten hatten, so schrieb man es einer von diesen Gottheiten zu, wann man in eine besondere Bewegung gesetzt wurde, und nannte es Enthusiasmum oder den Geist eines gewissen Gottes ( π ν ε ύ μ α θεοΰ)." 1 8 Demnach sei erstes Kennzeichen für die Begeisterung eines Schriftstellers, man „spüret bei nochmaliger Durchsehung bei sich einige Verwunderung, daß man es damals so gut gemachet ... Das andere Kennzeichen der Begeisterung ist die Geschwindigkeit." 19 Denselben ästhetischen Zusammenhang, dem Baumgarten nachgeht, untersucht der junge Schelling, durch philosophisch-hermeneutische Fragen nach den Vorstellungsarten der Antike motiviert, noch gründlicher im Ausgang vom Ion und dem Bild des Magneten sowie im Hinblick besonders auf den Meno, den Philebus und den Timaeus in seiner 1792 verfaßten Arbeit „Über Dichter, Propheten, Dichterbegeisterung, Enthusiasmus, Theopneustie, und göttliche Einwirkung auf Menschen überhaupt - nach Piaton". Darin versucht er die gemeinsame Rationalität darzulegen, die diesen Formen der göttlichen Einwirkung zugrunde liegen. „Plato ist", bemerkt Schelling über die Rhapsoden-Deutung
16 17 18
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Vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, 630; Kurtze Fragen aus der philosophischen Historie, 575-576 sowie 580-581. Brucker, Historia critica philosophiae, 664. A. G. Baumgarten, Kollegium über die Ästhetik, in: B. Poppe, Alexander Gottlieb Baumgarten. Seine Bedeutung und Stellung in der Leibniz-Wolffischen Philosophie und seine Beziehungen zu Kant, Borna, Leipzig 1907, 61-258, hier: 114. (Text emendiert: non „πνεύμα", sed ,,πνεΰμα".) Baumgarten, Kollegium über die Ästhetik, 115. (Text emendiert: non „Durchseelung", sed „Durchsehung".)
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des Sokrates, „so voll von der in den Dichtern lebenden göttlichen Kraft, daß er auch den Enthusiasmus der Erklärer, und der Deklamatoren des Dichters sich nicht anders, als durch θειαν δυναμιν erklären kann." 20 Die blitzschnell einschlagende göttliche Kraft, die nach Schelling sogar Piaton selbst ergriffen hat, gilt ihm als die Urmacht, welche die „Welt aus dem Chaos" hervorzurufen und „alles zu Einem harmonischen Ganzen" zu verbinden vermag. 21 Schelling faßt die von ihm sogenannte „DichterKraft" des Enthusiasmus in ihrem Grund als die „Denk- und CombinationsKraft" auf und begrenzt sie nicht auf den ästhetischen Bereich: „Diese dem gewöhnlichen Menschen unbegreifliche Kraft in einzelnen Menschen wirkt aber nicht nur in der Dichtkunst - sie wirkt in jedem Werk des menschlichen Verstandes so, daß gerade der, der sich keiner solchen Kraft in sich selbst bewußt ist, über manches Werk des menschlichen Verstandes, über die unerwartetefn] Verbindungen und Combinationen, die kühnefn] Schlüße und Wendungen desselben staunt." 22 Mit dieser Verbindung der Dichterbegeisterung mit der synthetisierenden Arbeit des menschlichen Verstands will der junge Schelling Piaton Folge leisten, und zwar dadurch, daß er den Enthusiasmus auf die Apriorität theoretischer und praktischer Erkenntnis gründet. Denn Piaton rede „von solchen Wirkungen nicht nur in Bezug auf Dichtkunst, sondern in Bezug auf alle Wirkungen des Verstandes" in der menschlichen Seele, insofern diese „entweder in der Idee ohne alle empirische Ursache und ohne allen empirischen Fortschritt (wie Tugend) oder wenigstens ohne leicht zu bemerkende empirische Ursache" entstünden. 23 Schellings Auffassung von der Welt-setzenden und damit inhärent göttlichen Kraft des menschlichen Verstandes trägt ihre ersten Früchte in der Theorie des Vorstellungsvermögens, die er in seinem Timaeus-Kommentar von 1794 entwickelt, und kommt dann zur Reife in der mit der Jahrhundertwende einsetzenden Identitätsphilosophie. 24 Mit Bezug auf den Enthusiasmus in der Philoso-
20
F. W. J. Schelling, „Über Dichter, Propheten, Dichterbegeisterung, Enthusiasmus, Theopneustie, und göttliche Einwirkung auf Menschen überhaupt - nach Piaton" [= Studienheft 28, 1-49], in: Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, 283-305, hier: 285; dazu vgl. Franz, ebd., 191-220; T. Gloyna, Kosmos und System. Schellings Weg in die Philosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, 37-49.
21
Schelling, „Über Dichter, Propheten, Dichterbegeisterung ...", 288. Den Zusammenhang zwischen der Dichter-Theorie Schellings und der Propheten-Deutung Johann Gottfried Eichhorns entdeckt Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, 197-198.
22
Schelling, „Über Dichter, Propheten, Dichterbegeisterung ...", 288; dazu vgl. Gloyna, Kosmos und System, 37: Unter .Begeisterung', .Inspiration' und .Enthusiasmus' begreife Schelling grundsätzlich „Teilhabe des Menschen am λ ό γ ο ς und an .Wahrheit', gleichgültig, ob leztere durch einen offenbarenden Akt oder durch .eigene' Vernunft im Menschen aufleuchtet".
23 24
Schelling, „Über Dichter, Propheten, Dichterbegeisterung ...", 289-290. Dazu vgl. Franz, Schellings Tübinger Platon-Studien, 237-282; Gloyna, Kosmos
und
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phie läßt sich nun die Anspielung Sochers zur Charakterisierung der Platonischen Bestimmung der neuesten Philosophie erneut aufgreifen. Dementsprechend wäre die außergewöhnliche „Liebe für Piaton" bzw. der ungewohnte „Eifer für Piaton" selbst, die Socher unter den Philosophen eines nicht weiter definierten Idealismus konstatiert, als eine Art Enthusiasmus zu verstehen, die durch die Platonische Ideenlehre motiviert wird. Es erhebt sich dann die Frage nach der Bedeutung der göttlichen Begeisterung, welche die klassische deutsche Philosophie wesentlich beeinflußt, sowie ihrem Verhältnis zum Irrtum und Selbstbetrug, welche zu bekämpfen diese Philosophie sich zum Ziel setzt.
II. Enthusiasmus und Schwärmerei Andere Denker haben das, was Brucker unter der griechischen bzw. lateinischen Bezeichnung .enthusiasmus' als den Obskurantismus der Platonischen Philosophie kritisiert, mit der deutschen Kampfvokabel ,Schwärmerei' versehen. Sie begegnet immer wieder, fällt aber unterschiedlich ins Gewicht. So diagnostiziert Moses Mendelssohn in den Entzückungen des Sokrates eine „Anlage zur Schwärmerey", auch wenn diese Selbstüberschreitung ihm „sehr nützlich gewesen seyn mag"; denn die „gemeinen Kräfte der Natur reichen vielleicht nicht hin, den Menschen zu so großen Gedanken und standhaften Entschließungen zu erheben". 25 Im Anschluß an Brucker entdeckt 1791 der Philosophiehistoriker Dieterich Tiedemann in dem durch den Pythagoreismus wesentlich beeinflußten Piaton eine „Neigung zur Schwärmerey, und das zu weit hinaus Verfolgen mancher Spekulationen": Dieser habe dadurch nicht nur den Grund „zu allen nachher entstandenen Schwärmereyen" gelegt, sondern auch den Grundsatz für „die den Schwärmern eigenthümliche Sittenlehre" angegeben, nämlich: „Aller Tugenden Quelle sey, nicht irrdische Glückseligkeit, sondern Seeligkeit jenseits des Grabes, nähere Vereinigung mit Gott: das Mittel dazu, Reinigung von allen irrdischen Begierden." 26 Wilhelm Gottlieb Tennemann betrachtet das Denken System, 172-198; O. F. Summereil, „ [ . . . ] wie die Vernunft die Idee der Welt subjektiv erzeugt." Zur Theorie des Vorstellungsvermögens in Schellings Timaeus-Kommentar", in: Imagination - Fiktion - Kreation. Das kulturschaffende Vermögen der Phantasie, hrsg. von Th. Dewender, Th. Welt, München, Leipzig 2003, 291-315. 25
M. Mendelssohn, Phaedon oder über die Unsterblichkeit der menschlichen Seele, in: ders., Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe, Bd. 3.1, bearb. von F. Brinkmeyer, L. Strauss, Berlin 1932, Nachdr. Stuttgart-Bad Cannstatt 1971, 5-159, hier: 17, mit Bezug auf den Bericht bei Aulus Gellius, Nodes Atticae, lib. II, cap. 1, par. 1, hrsg. von C. Hosius, Leipzig 1903, 91, der selbst auf die Alkibiades-Rede im Symposium (bes. 220c3-d5) zurückgeht: Zuweilen habe man Sokrates in Gedanken vertieft stehen gesehen, „als wenn der Geist von seinem Körper abwesend wäre'1.
26
D. Tiedemann, Geist der spekulativen
Philosophie.
Zweyter Band, welcher von
Sokrates
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Piatons als den Erdichtungen späterer Interpreten - v o r a l l e m der N e u p l a t o n i k e r - ausgesetzt: „ S c h w ä r m e r erwählten den Plato z u ihrem Führer, u n d brauchten s e i n e P h i l o s o p h i e als ein Mittel, die ü b e r s c h w e n g l i c h e n Träumereien ihrer Phantasie in ein S y s t e m zu bringen". 2 7 N o c h 1 8 0 2 w i l l Christoph Martin W i e l a n d X e n o p h o n s „nach d e m L e b e n geschilderten Sokrates" v o n „Piatons sophistisiertem, s c h w ä r m e r i s c h e m und a u f A r i s t o p h a n i s c h e n W o l k e n in ü b e r s i n n l i c h e n W e l t e n h e r u m s c h w e b e n d e m " Sokrates a b s e t z e n . 2 8 D i e a b l e h n e n d e H a l t u n g z u m Piatonismus, die s i c h i m V o r w u r f d e s E n t h u s i a s m u s b z w . der S c h w ä r m e r e i ausdrückt, bleibt a l s o nicht undifferenziert. D a ß sich der K a m p f der Aufklärer in der Tat a u c h g e g e n den P i a t o n i s m u s richtet, gibt W i e l a n d bereits in d e m v o n i h m h e r a u s g e g e b e n e n Teutschen kur
Mer-
1 7 7 6 zu erkennen, i n d e m er f o l g e n d e Frage zur D i s k u s s i o n stellt: „Wird
durch die B e m ü h u n g e n kaltblütiger P h i l o s o p h e n u n d L u c i a n i s c h e r G e i s t e r g e g e n das w a s sie E n t h u s i a s m u s und S c h w ä r m e r e y n e n n e n , m e h r B ö s e s oder G u t e s g e stiftet? U n d , in w e l c h e n Schranken müßten s i c h d i e A n t i - P l a t o n i k e r u n d L u c i a ner halten, u m n ü t z l i c h zu s e y n ? " 2 9 B e i dieser F r a g e n a c h d e m Sinn u n d der F o r m der p h i l o s o p h i s c h e n Kritik a m E n t h u s i a s m u s u n d an der S c h w ä r m e r e i sind
27
bis Carneades geht, Marburg 1791, 69. W. G. Tennemann, System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, Leipzig 1792, VI. Tennemann hält Piaton selbst also nicht für einen Schwärmer: besonders nicht im Kem seiner Philosophie, der mißverstanden worden sei. Vgl. ders., Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, Leipzig 1799, 202: „Bei aller Stärke seiner Einbildungskraft war doch seine Denkkraft jener überlegen. Diese beherrscht jene, sie schreibt die Grenzen, die Zwecke und die Art und Weise vor, für welche und wie sie sich äussern soll. Ohne dies war Plato in Gefahr ein Schwärmer zu werden, wofür ihn auch einige gehalten haben, wenn sie blos auf einige Partien seiner Schriften sahen. Daß er es aber nicht war, beweist schon allein sein Interesse für mathematische Wisenschaften."
28
C. M. Wieland, Versuch über das Xenophantische Gastmahl als Muster einer dialogisierten dramatischen Erzählung betrachtet, in: Xenophon, Schriften über Sokrates [= Attisches Museum 4 (1802)]. Nach der Übersetzung von C. M. Wieland neu hrsg. von H. Conrad, München, Leipzig 1912, 197. Somit ist für Wieland, ebd., 207, der implizit auch der neueren deutschen Philosophie ein schwärmerisches Element unterstellt, der wahre Sokrates „nicht der immer spitzfindige Grübler und Haarspalter, nicht der immer streitsüchtige, dialektische Kampfhahn, nicht der meteorische Schwärmer, der mitten im Lager einen ganzen langen Tag von Sonnenaufgang bis zur einbrechenden Nacht, in mystische Betrachtung versunken, unbeweglich wie ein Steinbild auf der nämlichen Stelle stehen bleibt, nicht der alle Wolken und Himmel übersteigende Idealist, der nicht von den gemeinsten Dingen sprechen kann, ohne seine übersinnlichen ontos onta darein zu mengen". - Zum rationalistischen Sokrates-Bild Wielands siehe B. Böhm, Sokrates im achtzehnten Jahrhundert. Studien zum Werdegang des modernen Persönlichkeitsbewußtseins, Leipzip 1929, 238-247.
29
C. M. Wieland, Fragen, in: Der Teutsche Merkur, Januar 1776, 82; vgl. das Nachwort des Herausgebers, ebd., August 1776, 132-136.
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d i e s e Termini s y n o n y m gebraucht: D e r d e u t s c h e B e g r i f f soll d e n g r i e c h i s c h e n b z w . lateinischen w i e d e r g e b e n . D i e Frage mitsamt dieser Identifikation hat e i n e beträchtliche D e b a t t e ausgelöst, zu der Johann Gottfried Herder 3 0 und G o t t h o l d Ephraim L e s s i n g 3 1 s o w i e die Platon-Übersetzer Johann Friedrich Kleuker 3 2 und Johann G e o r g S c h l o s s e r 3 3 unter anderen B e i t r ä g e verfaßt haben; sie hallt n o c h bei N o v a l i s 3 4 wider. Darin zeigt sich eine Spannung, die auch d i e E n t w i c k l u n g der k l a s s i s c h e n d e u t s c h e n P h i l o s o p h i e e n t s c h i e d e n geprägt hat. D i e v o n W i e l a n d s Frage a u s g e l ö s t e D e b a t t e steht v o r a l l e m unter d e m Einf l u ß Shaftesburys. D i e s e r unterscheidet z w i s c h e n d e m erhabenen
Enthusiasmus
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Vgl. J. G. Herder, Philosophei [sie] und Schwärmerei, zwo Schwestern, in: Der Teutsche Merkur, November 1776, 138-149 [= Sämtliche Werke, Bd. 9, hrsg. von B. Suphan, Hildesheim 1967, 497-504], bes. 146, 149: Herder setzt die kaltblütigen „Abstraktionen des Kopfs" und schwärmerischen „Abstraktionen der Empfindung" einander entgegen, macht dabei eine weitere Differenzierung: Der Weise, „mit Klarheit in seinen Begriffen, d. i. mit Abstraktion, wann und wo sie seyn soll, und mit Enthusiasmus in seinem Herzen, d. i. mit umfassender, handelnder Wärme, sieht beide Abwege und nutzt beyde".
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Vgl. G. W. Lessing, Ueber eine zeitige Aufgabe: Wird durch die Bemühung kaltblütiger Philosophen und Lucianischer Geister gegen das, was sie Enthusiasmus und Schwärmerei nennen, mehr Böses als Gutes gestiftet? Und in welchen Schranken müssen sich die Antiplatoniker halten, um nützlich zu seyn?, in: ders., Sämtliche Schriften, hrsg. von K. Lachmann, Bd. 16, Leipzig 3 1902, Nachdr. Berlin 1968, 293-301. Vgl. J. F. Kleuker, Beantwortungsversuch einer im deutschen Merkur aufgeworfenen Frage, in: Deutsches Museum, Januar-Juni 1777, 223-254, 331-346. Den Enthusiasmus der „magnetischen Geisteskraft" im Ion erklärt Kleuker, ebd., 243-245, zu einem „Organ, wodurch Gott in der Welt treibt und bewegt", um ihn daraufhin, ebd., 249, als ein solches göttliches „Treiben" von der Schwärmerei als einem „in die Irre getrieben werden" zu unterscheiden. Letzteres, so Kleuker, ebd., 252-253, ist nur bedingt von Piaton zu behaupten: Man müsse „bedenken, daß, wenn sein fruchtbarer Geist nicht mit theologischen, kosmologischen, pneumatischen Ideen archäologischer Ueberlieferungen Aegyptens und Orients wäre beschwängert worden, er auf die erkannte Art nicht hätte schwärmen können. Beym Pythagoras gilt das gleiche, obgleich in anderm Maasse."
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33 34
Vgl. J. G. Schlosser, Ueber Spott und Schwärmerey, in: Deutsches Museum, Juli-Dezember 1776, 785-787. Vgl. Novalis, Apologie der Schwärmerey, in: ders., Schriften, hrsg. von P. Kluckhorn, R. Samuel, Bd. 2, hrsg. von R. Samuel in Zusammenarbeit mit H.-J. Mähl, G. Schulz, Stuttgart 1981, 20-22. Rückblickend stellt Novalis ganz im Sinne der Frühromantiker fest: „Jeder Gelehrte und Ungelehrte macht sich heut zu Tage zur dringendsten Pflicht, Schwärmerey zu verschreyen und sie mit dem blinden Fanatismus zu verwechseln. Und doch getraut ich mir hundert gegen eins zu setzen, daß die mehrsten Aufklärungsapostel und Vernunftprediger nie recht über Schwärmerey, über die Folgen ihrer Ausrottung und den Nutzen, den sie für die gesamte Menschheit hat, nachgedacht haben"; denn sie sei eher eine Sache, welche „die Menschheit veredelt, unendlich erhebt, Jünglinge und Greise beseligt, Männer und Weiber".
Perspektiven der Schwärmerei
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(„Inspiration" b z w . „ D i v i n e Enthusiasm") i m S i n n e der B e g e i s t e r u n g für G u t e s u n d S c h ö n e s , die sich nicht verspotten lasse, u n d d e m fanatischen
Enthusiasmus
(„Fanaticism"), der k e i n e n Spott ertragen k ö n n e . 3 5 Im d e u t l i c h e n E i n k l a n g damit differenziert der a n o n y m e A u t o r d e s ersten A n t w o r t s c h r e i b e n s a u f W i e l a n d s Frage z w i s c h e n d e m verirrten „Zauberzustand" der S c h w ä r m e r e i u n d d e m Ent h u s i a s m u s als e i n e m h e i ß e n „ R i n g e n und D r i n g e n n a c h e i n e m G e g e n d s t a n d der groß und hehr d e m G e i s t e v o r s c h w e b t " . 3 6 D e s w e i t e r e n gibt er z u erkennen, daß unter den „kaltblütigen P h i l o s o p h e n " und damit d e n „Antiplatonikern", d i e s o w o h l d e m E n t h u s i a s m u s als auch der S c h w ä r m e r e i entgegentreten, d i e D e n k e r der W o l f f s c h e n S c h u l e zu v e r s t e h e n sind: D i e s e l i e ß e n „Thatsache, i n d i v i d u e l l e Erfahrung, E m p f i n d u n g , Glaube, L i e b e , H o f n u n g und Trost v o m A n t l i t z G o t t e s " allesamt zu kurz k o m m e n . 3 7 M i t dieser A n m e r k u n g g e g e n d i e m a ß g e b e n d e Phil o s o p h i e der d e u t s c h e n A u f k l ä r u n g w e r d e n w e s e n t l i c h e A n s i c h t e n der frührom a n t i s c h e n B e w e g u n g v o r w e g g e n o m m e n , d i e nach der Ü b e r w i n d u n g einer d e m
35
Earl of Shaftesbury, Α Letter Concerning Enthusiasm, to My Lord *****, in: ders., Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times, ed. by P. Ay res, Bd. 1, Oxford 1999, 5-33, hier: 32-33, mit Verweis auf Piaton, Phaedrus 241e3-5: Sollte Sokrates anfangen, den Nicht-Liebhaber zu preisen, werde er gewiß von den Nymphen enthusiastisch gemacht werden; ebd. 245bl-2: Soviel und noch mehr schöne Taten des Wahnsinns (μανία), der von den Göttern komme, könne Sokrates dem Phaidros erzählen; Meno 99dl-2: Nicht weniger als die gottbegeisterten Seher, die Wahrsager und die Dichter seien die Politiker göttlich sowie enthusiastisch, angehaucht und besessen vom Gott, wenn sie durch Reden viele große Geschäfte glücklich vollbrächten, ohne zu wissen, wovon sie redeten; Apologia 22b8-c2: Die Dichter dichteten nicht aufgrund der Weisheit, sondern aufgrund einer gewissen Natur sowie dadurch, daß sie enthusiastisch würden, wie die gottbegeisterten Seher und die Wahrsager; Plutarchus, Cato maior, cap. 22, 3: Unter dem Einfluß eines athenischen Gesandten habe die römische Jugend andere Lüste und Zeitvertreibe vernachlässigt und sei fur die Philosophie enthusiastisch geworden. Dazu vgl. A. Leroy, Introduction, in: Earl of Shaftesbury, Α Letter Concerning Enthusiasm. Texte anglais et trad, franfaise, avec une intr. et des notes par A. Leroy, Paris 1930, 1-147, bes. 30-33 zum Enthusiasmus-Begriff sowie 125-138 zur deutschen Rezeption Shaftesburys in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; ferner F. H. Heinemann, The Philosopher of Enthusiasm, in: Revue Internationale de Philosophie 6 (1952), 294-322. - In philosophiegeschichticher Hinsicht konstatiert Shaftesbury, ebd., 14, ein vorbildliches liberales Gleichgewicht in der Spätantike zwischen „the Superstition and Enthusiasm" der Pythagoreer und Neuplatoniker einerseits und andererseits „the Force of Wit and Raillery against it" bei den Epikureern und Akademikern: „And thus matters were happily ballanc'd."
36
Anonymus, Eines Ungenannten Antwort auf die Frage: „Wird durch die Bemühungen kaltblütiger Philosophen und Lucianischer Geister gegen das, was sie Enthusiasmus und Schwärmerey nennen, mehr Böses als Gutes gestiftet? und in welchen Schranken müssten sich die Antiplatoniker und Lucianer halten, um nützlich zu seyn", in: Der Teutsche Merkur, August 1776, 111-136; September 1776, 207-218. Anonymus, Eines Ungenannten Antwort, 122.
37
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faktischen Leben scheinbar fremd gewordenen systematischen Denkart verlangen. „Wolffs Philosophie, die kalte, bedächtliche Dame", so der anonyme Autor, „ - sie ist nicht Richterin des blühenden Mädchens, das an der sprudelnden Quelle der Dichter umschlingt." 38 Im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Frühromantik - zwischen kalter Bedächtigkeit und blühender Lebendigkeit - ist es Lessing, der 1776 im Entwurf seines eigenen Antwortschreibens auf Wielands Frage die etymologischen Ursprünge des Begriffs .Schwärmerei' sachgemäß erläutert, und dies auf eine Weise, die zugleich die Nützlichkeit der philosophischen Gegenmaßnahmen gegen sie verdeutlicht: „Schwärmer, Schwärmerei kommt von Schwärm, schwärmen; so wie es besonders von den Bienen gebraucht wird. Die Begierde, Schwärm zu machen, ist ... das eigentliche Kennzeichen des Schwärmers." 39 Scheinbar ohne bewußte Anspielung auf die Platonische Metaphorik des Ion stellt Lessing dem selbstsüchtigen Schwärmen das aufklärerische Denken entgegen. Allerdings hat der Philosoph, so Lessing, gegen die Schwärmer als diejenigen, welche „die Durchsetzung gewisser Religionsbegriffe zur Absicht haben, und eigne göttliche Triebe und Offenbarungen vorgeben", „gar nichts" zu unternehmen: „Es wäre denn", fährt er fort, „daß man ihm das für Bemühungen ... anrechnen wollte, daß wenn die Schwärmerei spekulativen Enthusiasmus zum Grunde hat, ... er die Begriffe, worauf es dabei ankommt, aufzuklären und so deutlich als möglich zu machen bemüht ist." 40 Nach Lessing läßt sich die Schwärmerei als solche nicht auf rationale Weise bekämpfen, da sie selbst nichts Rationales ist. Aber auch der Enthusiasmus sei dem Dichter und Denker nicht abzuraten, weil „dieser die άκμη, die Spitze, die Blüthe aller schönen Künste und Wissenschaften ist". 41 Anders jedoch der spekulative Enthusiasmus: In bezug darauf hat die Philosophie eine pädagogische Arbeit zu leisten, indem sie die ihm zugrundeliegende Begrifflichkeit klärt und die damit verbundene Unwissenheit beseitigt. Zu konstatieren ist an dieser Stelle folgendes: Geschwärmt wird, wenn ein alter Bienenstock einen jungen abstößt oder ein junger Stock den alten verläßt. Diese Bedeutung des ,Schwärmens' bestimmt die Metaphorik, die in den Debatten des 18. Jahrhunderts eine tragende Rolle spielt. Die nur scheinbar ungeordnete, zwar vemunftlose, gleichwohl aber nicht umsichtslose Bewegung der schwebenden Bienenmasse bzw. ihr Umhergetrieben-Werden - an erster Stelle ihr Ausfliegen zur Gründung eines neuen Staates, an zweiter Stelle ihre durcheinanderwimmelnde Fortbewegung, ζ. B. zum Honig-Sammeln - wird auf ein anderes Verhalten übertragen, um dieses zu bestimmen. Somit beschreibt Piaton 38 39 40 41
Anonymus, Eines Ungenannten Antwort, 118. Lessing, Ueber eine zeitige Aufgabe, 297. Lessing, Ueber eine zeitige Aufgabe, 298-299. Lessing, Ueber eine zeitige Aufgabe, 297.
Perspektiven der Schwärmerei
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im Ausgang von der Honigproduktion des umherfliegenden Bienenvolkes die Tätigkeit der Dichter als Enthusiasmus; ebenfalls charakterisiert Lessing diejenigen, die zur „Durchsetzung gewisser Religionsbegriffe" auf die trügerische Vorgabe göttlicher Triebe und Offenbarungen setzen, als Menschen, die gern „Schwärm machen", d. h. eine von der Norm abweichende Glaubensgemeinschaft bilden möchten. Das Verhalten, das Lessing als Schwärmerei im strengen Sinne abweist, ist religiös bedingt, was nicht von ungefähr geschieht. Den Hintergrund des Terminus ,Schwärmerei', den Lessing voraussetzt, erläutert Schelling in seiner 1806 erschienenen Streitschrift gegen Fichte, der Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre: „Schwärmer, auch Schwärmgeister nennen Doktor Luther und seine Zeitgenossen Menschen, die eine gewisse Verbindung und Folge von Sätzen, die bloß in ihrer Eigenheit gegründet sind, und nur durch ihre Subjektivität zusammengehalten werden, aber weder in ihnen selbst, noch an sich einen objektiven Grund und Zusammenhang haben, durch ihre bloße Subjektivität geltend machen wollen." 42 Schelling fuhrt den Begriff der Schwärmerei auf seine unmittelbare Quelle in Luthers Auseinandersetzung mit gewissen abweichenden reformatorischen Strömungen und deren Vertretern (ζ. B. Andreas von Karlstadt, Thomas Müntzer) zurück; die jüngsten Forschungsergebnisse bestätigen die Richtigkeit dieser Erklärung. 43 Zudem formuliert er den Gehalt des Begriffs auf präzise Weise in der eigenen philosophischen Terminologie: ,Schwärmerei' bezeichnet für Schelling die Subjektivierung der Verbindung und Folge von Sätzen, welche die Urteilskraft aufzustellen hat, und damit die Auflösung nicht nur der Objektivität, sondern der Wahrheit selbst. Dazu Schelling: „Alles, was allein Sache des Subjekts ist, und dennoch für Wahrheit angesehen seyn will, sucht den Charakter innerer Allgemeingültigkeit durch den äußeren des allgemeinen Geltens sich zu ersetzen und zu erheucheln, d. h. es strebt, sich selbst zur Sache aller Subjekte zu machen, mit Einem Wort Partei zu stiften. Schwärmer ist, wer auf diese Art einen 42
43
F. W. J. Schelling, Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre. Eine Erläuterungsschrift der ersten, in: Sämmtliche Werke, Bd. 7, 1-126, hier: 44. Vgl. W. Schröder, Schwärmerei, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, hrsg. von J. Ritter, K. Gründer, Basel 1992, 1478-1483; ferner E. W. Gritsch, Luther und die Schwärmer: Verworfene Anfechtung?, in: Luther. Zeitschrift der LutherGesellschaft 47 (1976), 105-121. - Zum Verhältnis zwischen Schwärmerei und Religion im 18. Jahrhundert siehe L. Kremendahl, Humes Kritik an den Schwärmern und das Problem der „wahren Religion" in seiner Philosophie, in: Die Aufklärung und die Schwärmer, hrsg. von N. Hinske, Hamburg 1988, 7-27, bes. 8: „Kritik an der Schwärmerei beziehungsweise am Schwärmertum war zunächst ... weitgehend identisch mit Religionskritik. Es ist daher nur natürlich, wenn wir das Gros der Autoren, die gegen die Schwärmerei anschrieben, unter den Deisten finden."
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Schwärm, eine Sekte bildet, der Sektirer." 44 Indem die Schwärmerei zur Abspaltung von der größeren Religionsgemeinschaft tendiert, neigt sie zur Bildung einer eigenen Glaubensgemeinschaft, die für sich selbst (die , Sache des Subjekts') universale Bedeutung (die ,Sache aller Subjekte') in Anspruch nimmt. Insofern sind ihre Aussagen nicht sachgemäß, sondern primär aus Eigeninteressen bedingt. In seiner Erklärung der wesentlichen Subjektivität der Schwärmerei spielt Schelling auch auf die Bedeutung von ,secta' als einem Etikett nicht nur für eine religiöse Minderheitsgruppe oder sogar philosophische Lehre an, sondern auch als einer Bezeichnung fur die politischen Grundsätze, denen man anhängt. Wer Partei stiftet, engagiert sich auch politisch. In dieser Hinsicht sind die Vorstellungen von Unruhestiftung, die sich mit dem Begriff der Schwärmerei verbinden, nicht ohne Belang. So heißt es 1743 in Johann Heinrich Zedlers Universal Lexicon: „Schwärmer, werden diejenigen Fanatici genennt, welche aus Mangel der Beurtheilungskraft allerley der Christlichen Religion und bisweilen der Vernunft selbst, widersprechende Meynungen hegen, und dadurch öffentliche Unruhen anrichten." 45 Hervorgehoben werden hier nicht nur die zwei mißfälligen Aspekte der schwärmerischen Motorik im Treiben der Sektierer: die Abweichung vom orthodoxen Glauben und die Vernunftwidrigkeit, vielmehr werden diese als Ursachen politischer Agitation bezeichnet. Daß diese Störfunktion bisweilen auch eine positive Wertung erfahren kann, dient nur dazu, Schellings Zurückfuhrung der Schwärmerei auf das Prinzip der Subjektivität zu bestätigen. Etwa David Hume schließt nicht nur an John Lockes Kritik des Enthusiasmus im Namen der natürlichen Vernunft, sondern auch an Shaftesbury an, wenn er den Aberglauben als einen Feind, den Enthusiasmus eher als einen Freund der
44
Schelling, Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre, 44. - Zur Verbindung zwischen Schwärmerei und Subjektivität im allgemeinen vgl. N. Hinske, Einleitung. Die Aufklärung und die Schwärmer Sinn und Funktionen einer Kampfidee, in: Die Aufklärung und die Schwärmer, hrsg. von Hinske, 3-6, bes. 4: „Während sich der Aberglaube an äußere Formen (an ,Rituale') verliert, verflüchtigt sich die Schwärmerei in der bloßen Empfindung. Die erste Idee bezeichnet sozusagen die absolute Veräußerlichung oder Versteinerung, die letztere die absolute Verinnerlichung oder Verflüssigung der Religion, Metaphysik, Sittlichkeit usw., ihre totale Subjektivierung."
45
J. H. Zedier, Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 35, Leipzig, Halle 1743, Nachdr. Graz 1961, 1795; dazu vgl. Kreimendahl, Humes Kritik an den Schwärmern, 8, Anm. 3: Im Unterschied zu den Enthusiasten und den Fanatikern verlassen die Schwärmer „den Bereich bloßer Innerlichkeit und wirken destabilisierend auf die Gesellschaft"; ferner Κ. T. Winkler, Enthusiasmus und gesellschaftliche Ordnung. Enthusiasm im englischen Sprachgebrauch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Die Aufklärung und die Schwärmer, hrsg. von Hinske, 31-47, bes. 4345.
Perspektiven der Schwärmerei
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bürgerlichen Freiheit bestimmt: Auch wenn der Enthusiasmus gesellschaftliche Unordnung stiftet, geht er nach Hume immer noch von der autonomischen Aufhebung der kirchlichen Macht aus, die für eine mündige Gesellschaft erforderlich ist, während dagegen der Aberglaube ein Instrument heteronomer Priesterherrschaft darstellt. 46 Im Hinblick darauf ist der Skeptiker Hume durchaus bereit, die politische Agitation seitens der Enthusiasten in Kauf zu nehmen. Auch wenn dieselbe liberale Dynamik der protestantischen Reformation zugrunde liegt, scheint die Schwärmerei im deutschen Sprachraum keine solche positive politische Wertung zu erhalten: Sie gilt als gesellschaftlich destabilisierend. Allerdings will etwa Mendelssohn der Schwärmerei weder durch Satire, wie einst Shaftesbury und nun die Lucianischen Geister, noch durch politische Unterdrückung, sondern allein durch Aufklärung entgegenwirken - dies erläutert er im Rahmen einer weiteren umfangreichen Schwärmereidebatte, die in der Berliner Monatsschrift besonders in der Mitte der 1780er Jahre ausgetragen wird und in der Fallgeschichten (Mystiker, Religionsfanatiker, Wahnsinnige, Scharlatane, begeisterte Poeten, politische Phantasten) behandelt werden. 47 Bemerkenswert ist es also, daß, wenn Friedrich Schlegel 1800 an der Universität Jena eine philosophische Probevorlesung mit dem Titel „Vom Enthusiasmus oder der Schwärmerey" hält, dies „offenbar nicht mit Bedenken angesehen" 48 wird. Obwohl vom genauen Inhalt der Probevorlesung Schlegels nichts bekannt ist, dürfte sich wohl etwas von seinem Anliegen - bereits der Titel zeigt
46
Vgl. J. Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. with an intr., critical apparatus und glossary by P. Η. Nidditch, Oxford 1979, 697-706, bes. 699: Der Enthusiasmus sei „a perswasion of an immediate intercourse with the Deity, and frequent communications from the divine Spirit", gründe jedoch weder auf Vernunft noch auf Offenbarung; D. Hume, Of Superstition and Enthusiasm, in: ders., The Philosophical Works, ed. by Th. H. Green, Th. H. Grose, London 1882-1886, Nachdr. Aalen 1964, Bd. 3, 144-150, bes. 149-150: „enthusiasm, being the infirmity of bold and ambitious tempers, is naturally accompanied with a spirit of liberty; ... superstition, on the contrary, renders men tame and abject, and fits them for slavery"; dazu Kremendahl, Humes Kritik an den Schwärmern, 10-16, bes. 15: „Aberglaube, Katholizismus und Unterdrückung des Volkes gehören für ihn [seil. Hume] auf der einen Seite ebenso zusammen wie Schwärmerei, Toleranz und bürgerliche Freiheit auf der anderen."
47
Vgl. M. Mendelssohn, Soll man der einreißenden Schwärmerei durch Satyre oder durch äußerliche Verbindung entgegenarbeiten?, in: Berlinische Monatsschrift, Januar-Juli 1785, 133-137; ferner K. G. Schröder, Wiederum ein Beispiel von trauriger Schwärmerei aus Aberglauben, in: Berlinische Monatsschrift, Januar-Juni 1784, 263-267; J. E. Biester, Aberglauben und Schwärmerei in Wirkung und Rükwirkung auf einander, in: Berlinische Monatsschrift, Juli-Dezember 1785, 375-379. E. Behler, Friedrich Schlegels Vorlesungen über Transzendentalphilosophie Jena 18001801, in: Transzendentalphilosophie und Spekulation. Der Streit um die Gestalt einer Ersten Philosophie (1799-1807), hrsg. von W. Jaeschke, Hamburg 1993, 52-71, hier: 53.
48
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Orrin F. Summerell
wiederum eine Synonymie der Begriffe .Enthusiasmus' und .Schwärmerei' an von den Disputationsthesen rekonstruieren lassen, die er fünf Monate später anmeldet und denen er den Titel De Piatone gibt. In der ersten und vierten These seiner Disputation nämlich bezeichnet Schlegel die Grundform des Idealismus als die Platonische Philosophie, das Prinzip der Kunst sowie der Wissenschaft als den Enthusiasmus und damit die Schwärmerei. 49 Auch Lessing betrachtet den Enthusiasmus als die α κ μ ή „aller schönen Künste und Wissenschaften". Aber wenn sich Schlegel in seiner Disputation für den Wahnsinn der Liebe interessiert, der, wie Sokrates ihn Phaidros im gleichnamigen Dialog schildert, für die „Bildung der Seele" des gottbegeisterten Liebhabers (ό ενθεος φίλος) nicht schädlich, sondern im Gegenteil förderlich ist, insofern diese Art von Wahnsinn - die Liebe zum Schönen - mit dem rationalen Wesen des Menschen im Einklang steht, dann hat er sich wohl in seiner Probevorlesung mit dem Enthusiasmus und der Schwärmerei, die der Philosophie selbst eigen ist, auseinandersetzen müssen. 50 Damit soll nicht nur der Piatonismus fundamentalphilosophisch und ästhetisch rehabilitiert werden: Vielmehr sollen der Enthusiasmus und die Schwärmerei in produktive Verbindung mit der Philosophie selbst gebracht werden. Jedenfalls übersetzt in diesem Sinne Friedrich Schleiermacher, der die durch Schlegel angeregte deutsche Übersetzung der Dialoge größtenteils verfertigt, 1807 das bedeutsame Wort des Alkibiades im Symposium von der „Wuth und Schwärmerei der Philosophie" (φιλόσοφος μ α ν ί α τε κ α ι βακχεία),
49
Vgl. die Wiedergabe der Disputationsthesen Schlegels in: Caroline. Briefe aus der Frühromantik, nach G. Waitz vermehrt hrsg. von E. Schmidt, Leipzig 1913, Bd. 2, 584585: „I. Piatonis philosophia genuinus est Idealismus. II. Realismi majores sunt partes in Idealismo producendo quam Dualismi. III. Philosophia moralis est subordinanda politicae. IV. Enthusiasmus est principium artis et scientiae. V. Poesis ad rempublicam bene constituendam est necessaria. VI. Mythologia est allegorice interpretenda. VII. Kantii interpretatio moralis evertit fundamenta artis criticae. VIII. Non critice sed historice est philosophandum."
50
Vgl. Piaton, Phaedrus 241c4-5, 255b6-7. - Behler, Friedrich Schlegels Vorlesungen, 54, kommt zu dem Schluß, „daß sich Schlegel in dieser Probevorlesung nicht so sehr mit der dichtungstheoretischen Auslegung der Platonischen Lehre vom Enthusiasmus, sondern eher mit ihren philosophischen und metaphysischen Implikationen befaßte, die Piaton vor allem im Phaidros entwickelt hatte. Von den vier Arten des göttlichen Wahnsinns, die Piaton dort unterschied (dem .weissagenden Anhauch* des Apollon, den .Einweihungen' des Dionysos, dem .dichterischen* Wahnsinn der Musen und dem der .Liebe' des Eros und der Aphrodite: 265b), scheint die vierte Art der Begeisterung, die auch als Enthusiasmus der Schönheit bezeichnet werden kann und dem des Philosophen analog ist, den eigentlichen Gegenstand der philosophischen Antrittsvorlesung Schlegels in Jena gebildet zu haben."
Perspektiven der Schwärmerei
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d. h. der bacchischen Verzückung, die nach dessen eigener Angabe ihn selbst sowie die anderen Teilnehmer am Gastmahl ergriffen hat.51
III. Der Streit zwischen Schlosser und Kant 1784 hat Friedrich Gedike, Mitherausgeber der Berlinischen Monatsschrift, zehn Beispiele für Schwärmerei aufgelistet, die zum Zweck der Aufklärung bekämpft werden müßten: „Überall wimmelt es", so Gedike, „von Theosophen und Chiliasten, Rosenkreuzern und Alchimisten, hermetischen Philosophen und Parazelsisten, Geistersehern und Geisterbannern, Inspirirten und apokalyptischen Träumern."52 Obwohl sich Platonische Dimensionen dieses vielfältigen Gewimmels besonders in der Theosophie, Alchimie und Hermetik sowie im Paracelsismus sicherlich ausmachen lassen, wird die Platonische Philosophie in der Schwärmereidebatte erst zehn Jahre später im Streit zwischen Schlosser und Immanuel Kant nachhaltig thematisiert. Mit Kant und Schlosser stehen „zwei elementar verschiedene Weltanschauungen ... einander gegenüber",53 und zwar in Form von Transzendental-
51
Piaton, Symposium 218b3-4; Übersetzung nach ders., Das Gastmahl, in: Piatons Werke, von F. Schleiermacher, Zweiten Theiles Zweiter Band, Berlin 1807, 371-452, hier: 443. - Auffällig ist Schleiermachers Wahl der Terminologie im Hinblick auf die Übersetzungen der Textstelle durch Marsilio Ficino: „una philosophiae furor ac bacchatio" (Piatonis philosophi quae exstant Graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa cum Marsilii Ficini interpretatione accedit varietas lectionis, vol. 10, Zweibrücken 1787, 263), sowie J. F. Kleuker: „philosophische Raserei und Wuth" (Werke des Plato. Dritter Band, welcher das Gastmahl, den Phädrus, die Apologie des Sokrates, den Kriton und Protagoras enthält, übers, von J. F. Kleuker, Lemgo 1783, 127); Anonymus [F. I. Niethammer], Das Gastmahl von Plato oder Gespräch über die Liebe, in: Neue Thalia, hrsg. von F. Schiller, Bd. 2, Leipzig 1792, 5. Stück, 170-228; Fortsetzung und Beschluß, ebd., 6. St., 326-386, hier: 374: „einer solchen philosophischen Raserei"; F. L. Graf zu Stolberg, Das Gastmahl oder von der Liebe, in: Auserlesene Gespräche des Piaton. Erster Theil, übers, von F. L. Graf zu Stolberg, Königsberg 1796, 173-324, hier: 270: „der philosophischen Wuth und Raserey".
52
F. Gedike, Über die heutige Schwärmerei (Deutsche Staatsbibliothek Berlin, Ms. Boruss. fol. 443, Bl. 223v), zitiert nach Hinske, Einleitung, 6. I. Kreienbrink, J. G. Schlossers Streit mit Kant, in: Festschrift für D. W. Schumann zum 70. Geburtstag, mit Beiträgen von Schülern, Freunden und Kollegen, hrsg. von A. R. Schmitt, München 1970, 246-255, hier: 249. - Am Ausgang ihrer Überlegungen konstatiert Kreienbrink, ebd., 246, Schlossers Nähe zur Frühromantik: Die „Konsequenz des Kantischen Systems und die Kühle seiner Denkabstraktion mußten nahezu naturnotwendig eine Gegenbewegung hervorrufen, die sich dem Menschen und seinem konkreten Lebensgefuhl zuwandte". Vgl. R. Bubner, Piaton - der Vater aller Schwärmerei. Zu Kants Aufsatz ,Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie',
53
158
Orr in F. Summerei 1
und Gefuhlsphilosophie. Bereits in seiner Antwort auf die durch Wieland zur Debatte gestellte Frage nach dem Sinn und der Form der philosophischen Kritik am Enthusiasmus und an der Schwärmerei nimmt Schlosser eindeutig Stellung gegen die Anti-Platoniker und Lucianischen Geister: „Der Spötter kann Menschenkenntniß haben; der Enthusiast hat Engelsgefiihl ... Der Spott macht alles kleiner; die Schwärmerey alles grösser; die ist näher bey der Wahrheit, ist reicher, ist glücklicher." 54 Nach Schlosser stiften die Philosophen, die der göttlichen Begeisterung mit Verspottung entgegentreten, mehr Böses als Gutes; denn sie verarmen das Leben: Sie trennen das Menschliche vom Göttlichen. Im Jahre 1792 überträgt dann Schlosser als erster die Briefe Piatons ins Deutsche und eröffnet dabei einen Zweifrontenkrieg, der weit über seine Auseinandersetzung mit Christoph Meiners sowie Tennemann und Tiedemann in Fragen über deren Echtheit hinausgeht. Im Vorbericht der ersten Ausgabe opponiert er nämlich gegen das Urteil derjenigen - wie etwa das Bruckers - , die Piaton „blos für einen politischen Schwärmer halten wollen, der nur eine leicht zu findende Politik für einen idealisirten Staat erträumt, und also von der ächten Regierungskust eben so schlechte Begriffe verrathen hätte, als der Arzt schlechte von der Medizin haben müßte, der statt der dialektischen Regeln, die man für den gesunden, und der klinischen, die man für den kranken Menschen fordert, sich hinsetzte, und Vorschriften für einen idealisirten Menschen erdichtete". 55 Die dialekti-
in: ders., Antike Themen und ihre moderne Verwandlung, Frankfurt a. M. 1992, 80-93, hier: 86: „Schlosser ist in Kants Augen ein Schwärmer, der unter Berufung auf Piaton die sorgfältig gelegten Fundamente der kritischen Philosophie leichtfertig überspringt. Dagegen hält Schlosser sich fur den Mann der Solidität, der von den Verstiegenheiten der modernen Revolutionäre in der Philosophie abrät und den Vorwurf des Mystikers mit dem der Sophistik beantwortet." - Zum Lebens- und Wirkungskreis Schlossers siehe D. W. Schumann, Johann Georg Schlosser und seine Welt, in: J. G. Schlosser, Kleine Schriften, mit einer Einführung von D. W. Schumann, N e w York, London 1972, i-cxvii. 54
Schlosser, Ueber Spott und Schwärmerey, 787.
55
J. G. Schlosser, Vorbericht der ersten Ausgabe, in: Piatos Briefe, nebst einer historischen Einleitung und Anmerkungen von J. G. Schlosser, Königsberg 1795, xix-xxxii, hier: xxviii; vgl. Brucker, Historia critica philosophiae, 726: „Recte vero viris acutis, et ad societatis humanae naturam attendentibus observatum est, fictam et in cerebro tantum Piatonis enthusiasmo philosophico repleto hanc, quam condidit, rempublicam consistere posse." Im Hinblick auf Diogenes Laertius, Vitae philosophorum, lib. III, par. 21: Piaton habe den jüngeren Dionysios um Land und Siedler für den Staat gebeten, den er gründen wollte, bezieht sich Brucker auf J. G. Pasch, Disputatio philosophica De fictis rebuspublicis, Kilonium 1704, bes. 14: „Repraesentatur scilicet apud Platonem in Libris X. Idea perfectae Reipublicae, sed secundum cujus institutionem tum demum homines vivent, cum aliqua civitas existet, solis sapientibus habitata"; J. A. Bose, De prudentia et eloquentia civili comparanda diatribae isagogicae, § 14, Jena 1677; H. Conring, De civili prudentia Uber unus, quo prudentiae politicae, cum universalis philosophicae, tum singularis pragmaticae, omnis propaedia acromatice traditur, cap.
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sehen Regeln der Medizin gelten der Vorbeugung gegen Krankheit, die klinischen der Wiederherstellung der Gesundheit; beide sind für den Arzt wichtig, weil der wirkliche Mensch zwischen beiden Zuständen lebt. Ebenfalls, so der Vorwurf, darf sich die Staatstheorie nicht auf den Idealstaat konzentrieren, sondern sie hat die Stärken und Schwächen des wirklichen Staates zu berücksichtigen. Schlosser betrachtet Piaton als einen scharfsinnigen, pragmatischen Staatstheoretiker, der „immer den ganzen Menschen" - das sowohl vernünftige als auch empfindende Wesen - vor Augen gehabt und besonders in den Briefen bewiesen hat, „wie sehr er davon überzeugt war, daß ein jeder Gesetzgeber für Menschen ... oft Gesetze geben muß, von denen er weiß, daß sie nicht gut sind", ebenso wie der von den dialektischen Regeln abweichende klinisch behandelnde Arzt: Nur ein solcher sei fähig, Anteil an der Staatseinrichtung und an ihrer Verwaltung zu nehmen.56 Auf der anderen Seite gibt Schlosser in einer langen Anmerkung zu Piatons Ausführungen im Siebten Brief über die Erkenntnismittel die folgende Kampfansage gegen Kant ab: „Bekanntlich lehrte Plato", so Schlosser, „daß ... einem jeden Dinge ein eigenes Wesen, das er oft Idee nennt, unterläge, das fest und unveränderlich bliebe ... Dieser Gedanke scheint mir auch sehr gegründet; denn wir werden auf denselben durch die unmittelbare Anschauung unsrer eignen ersten wirkenden Prinzipien in uns, und durch die gleichfalls unmittelbare Anschauung unsers Leidens geführt und dadurch berechtigt, einen analogischen Schluß auf die Objecte außer uns zu machen ... Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß ... Plato im Objectiviren oft zu weit geht; aber mich dünkt, die allerneueste deutsche Philosophie zieht die der Menschheit gesetzten Grenzen durch ihr Subjectiviren eben so sehr viel zu enge zusammen. Aus lauter Sorge, in ihr gereinigtes oder reinigendes System nichts empirisches einschleichen zu lassen, ... schneidet sie den denkenden Menschen gleichsam von der ganzen Natur und der um ihn lebenden, ihn immer mit sich fortreißenden Schöpfung gänzlich ab und macht ihn vielleicht in einigen Dingen um etwas gewisser, aber wahrhaftig weder weiser noch besser .. ,"57 Zwar verteidigt Schlosser Piaton gegen den aufklärerischen Vorwurf der Schwärmerei in politischer Hinsicht einerseits, dennoch rügt er in epistemologischer Hinsicht dessen übertriebenes ,Objektivieren' der Ideen als Wesensbestimmungen der Dinge. Seiner Meinung nach erschließt die unmittelbare An-
56 57
XIV, Helmstadt 1662, 349; J. H. Boeckler, Bibliographia critica scriptores omnium artium atque scientiarum ordine percensens, cap. XLIV, Leipzig 1715, 643. Schlosser, Vorbericht der ersten Ausgabe, xxix-xxx. Schlosser, Piatos Briefe, 181, Anm. - Komponenten der Erkenntnis sind nach Piaton, Epistula VII, 342a7-b3: der Name (ονομα), die Definition (λόγος), das Bild (εϊδωλον) und das diskursive Erkennen (έπιστήμη); darüber wird das wißbare und wahrhafte Seiende (ö γνωστόν τε και αληθώς όν) angesiedelt.
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schauung sowohl das vernünftige als auch das empfindende Wesen des Menschen bzw. des Subjekts; im Ausgang davon darf jedoch nur per analogiam auf die darauf einwirkenden äußerlichen Objekte geschlossen werden, was ihre Verselbständigung nach Platonischer Art verbietet. Noch mehr als das .Objektivieren' Piatons jedoch kritisiert Schlosser das ,Subjektivieren' der „allerneuesten deutschen" - der Kantischen - Philosophie, welche die Objektivität der Erkenntnisgegenstände auf ihre Bedingung in der apriorischen Struktur des Erkenntnissubjekts zurückfuhrt. Denn eher in Piaton als in Kant findet Schlosser Elemente der Synthese von Intellekt und Empfindung, Mensch und Natur, letztlich Subjekt und Objekt, die nach seiner Auffassung den umfassenden Rahmen der Erkenntnis bilden und zudem fur die Tugend förderlich sind. Wie die Antiplatoniker und Lucianischen Geister stiften nach Schlosser auch die Kantianer mehr Böses als Gutes, indem sie Menschliches und Göttliches entzweien. Dementsprechend wägt er die Ideenlehre und die Transzendentalphilosophie gegeneinander ab: „In Plato's System kann ich freylich auch die Göttin nicht mit der Hand ergreifen; aber, wenn ich ihr doch so nahe komme, daß ich das Rauschen ihres Gewandes vernehmen kann, so fühle ich wenigstens, daß Lebensgeist auf der Stelle webte. Plato hebt freylich den Schleyer der Isis nicht auf, aber er macht ihn doch so dünne, daß ich unter ihm die Gestalt der Göttin ahnden kann. Macht uns die neue deutsche Philosophie glücklicher, wahrer, besser, macht sie uns nur gewisser, wenn sie neue Schleyer auf die alten wirft, oder wenn sie vielmehr gar die Göttin so verschwinden macht, daß es niemand mehr einfallen CO
kann, nur nach ihr zu fragen?" Damit stellt Schlosser Kant nicht nur in eine Reihe mit den kaltblütigen Philosophen und Lucianischen Geistern, die mehr Böses als Gutes stiften, sondern er bezichtigt ihn des Atheismus. Kants schroffes Antwortschreiben auf Schlossers Herausforderung erfolgt in der Berliner Monatsschrift vom Mai 1796 und handelt „Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie". Darin thematisiert er das „Princip durch Einfluß eines höheren Gefühls philosophiren zu wollen", 59 also die Philosophie unmittelbarer Anschauung, wie dies Schlosser sowie Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Übersetzer ausgewählter Dialoge Piatons, 60 betreiben
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Schlosser, Piatos Briefe, 184, Anm. I. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie, in: ders., Gesammelte Schriften, hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 8, Berlin 2 1923, 387-406, hier: 395. Vgl. F. L. Graf zu Stolberg, Vorrede, in: Auserlesene Gespräche des Piaton. Erster Theil, III-XVI, bes. VII: Unter Einbeziehung von Schlossers Platon-Bild sowie dem Siebten Brief Piatons selbst wird Sokrates von Stolberg, der im ersten Theil seiner Platon-Übersetzung das Symposium zusammen mit dem Phaedrus und dem Ion wiedergibt, gegen den Vorwurf, er sei ein Phantast, mit der Bemerkung verteidigt: „innig durchdrungen von dem Gefühle der edelsten, hienieden gehemmten Kräfte, voll von Bedürf-
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wollen. ,Vornehm' ist nach Kant der von ihm sogenannte „platonisirende Gefühlsphilosoph", insofern dieser ,geniemäßig - durch einen einzigen Scharfblick" - , also gerade nicht durch die mühsame Arbeit des diskursiven Verstandes, sondern allein durch eine „intellectuelle Anschauung den Gegenstand unmittelbar und auf einmal fassen und darstellen" will: In diesem Ton liege ein „gewisser mystischer Takt, ein Übersprung (salto mortale) von Begriffen zum Undenkbaren". 61 Als zu erschließende übersinnliche Gegenstände der Gefuhlssowie der Transzendentalphilosophie gelten: Unsterblichkeit, Freiheit, Gottheit. Diese enthüllen sich allerdings nach Kant nicht in theoretischer Hinsicht einem mit dem Platonischen νους vergleichbaren, alles auf einmal erblickenden Erkenntnisvermögen, sondern nur „in praktischer Absicht dem menschlichen Verstände". 62 Auf gar keinen Fall konstitutiver Natur, vielmehr bloß zum regulativen Gebrauch bestimmt, besteht die praktische Erkenntnis des Übersinnlichen nur in Form von Postulaten, d. h. Voraussetzungen, die für moralische Handlung notwendig sind. Diejenigen wie Schlosser und Stolberg, die mit Hilfe eines Vermögens der Anschauung unmittelbar durch den Verstand" Aufschluß über das Übersinnliche geben möchten, betrachtet Kant als blind gegenüber den wahren Grenzen möglicher Erkenntnis, insofern der menschliche Verstand für ihn „nicht ein Anschauungs-, nur ein discursives oder Denkungsvermögen" ist: Die Vernunft treibe uns wohl zum Übergang zum Übersinnlichen, könne diesen jedoch allein durch praktische Gesetze vollziehen, welche nicht die Materie, sondern nur die Form freier Handlungen - die Tauglichkeit moralischer Maximen - zum Prinzip machen. 63 Insofern Piaton selbst, der in der Tat den grundsätzlichen Unterschied der Mathematik von den Erfahrungswissenschaften eingesehen hat, die Möglichkeit synthetischer apriorischer Erkenntnis in unmittelbaren Anschauungen des Verstandes gefunden zu haben meint, bezeichnet Kant den Vater der Ideenlehre als den „Vater aller Schwärmerei mit der Philosophie".64 Damit bestimmt Kant Schwärmerei und Philosophie als eine Art Zwillingsgeschwister, die allerdings unterschieden werden müssen. Den Akademiker Piaton nämlich, den Philosophen, auch wenn er im Einklang mit Pythagoras in der Mathematik „etwas Überschwenglich-Großes" entdeckt, möchte Kant auf keinen Fall mit dem Briefautor Piaton, dem Schwärmer, verwechseln, in dessen Bann nicht nur die Neuplatoniker, sondern auch seine modernen Verehrer Schlosser und Stolberg ste-
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nissen, welche die Weisheit, wie sie gäng und gäbe war, nicht stillen konnte, hoch auf Flügeln der Ahndung gehoben, achtete er, gegen diese Ahndung, ja selbst gegen diese unbefriedigten Bedürfnisse, das menschliche Wissen satter Sophisten so viel als nichts". Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 389, 398. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 389. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 389, 391, 404. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 398.
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hen: Letzterer überschreite etwa im von Schlosser gepriesenen Siebten Brief auf geradezu mystische Weise die Grenze zwischen der Möglichkeit synthetischer apriorischer Erkenntnis und der „Ergreifung dessen, was kein Begriff erreicht".65 Dagegen hätte der Philosoph Piaton nicht „die Fackel zur Schwärmerei angesteckt", welche die Platonisierenden Gefühlsphilosophen weitertragen, hätte er im Sinne Kants eingesehen, daß die Anschauungen, die der legitimen synthetischen apriorischen Erkenntnis zugrunde liegen, sinnlicher statt intellektueller Natur seien. 66 Insofern ,Schwärmerei' für Kant „eine nach Grundsätzen unternommene Überschreitung der Grenzen" des menschlichen Erkenntnisvermögens bedeutet, nennt er jemanden wie etwa Schlosser .Schwärmer', der „sich eine andere Art möglicher Erfahrungen als durch die Sinne und eine andere Art möglicher Erkenntnis als durch Begriffe verspricht".67 Die erkenntnistheoretischen Prinzipien des Schwärmers sprengen den Rahmen, den die durch empirische bzw. reine Begrifflichkeit vollzogene Anordnung sinnlicher Erfahrung bildet: Beansprucht wird eine nicht-begriffliche bzw. -diskursive, also unmittelbare Erkenntnis, die sich auf eine nicht-sinnliche, also intellektuelle Erfahrung gründen soll. Der Streit mit Schlosser stellt eine Fortsetzung der transzendentalphilosophischen Vernunftkritik dar, in der Kant den Idealismus Platonischer Provenienz von Anfang an thematisiert. Denn es gilt für ihn: „Plato schwärmt mit Ideen
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Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 393, 398. Kant, Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton, 391-392, Anm. *. I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, in: Gesammelte Schriften, Bd. 5, Berlin 2 1913, 1-163, hier: 85; ders., Reflexionen zur Anthropologie, in: Gesammelte Schriften, Bd. 15, Berlin, Leipzig 2 1923, 810. - Den Enthusiasmus dagegen assoziiert Kant, Reflexionen zur Anthropologie, 145 sowie 217, mit der praktischen Realisierung der Idee des Guten. Vgl. bereits ders., Versuch über die Krankheiten des Kopfes, in: Gesammelte Werke, Bd. 2, Berlin 2 1912, 257-271, hier: 267: Der „zweideutige Anschein von Phantasterei in an sich guten, moralischen Empfindungen ist der Enthusiasmus, und es ist niemals ohne denselben in der Welt etwas Großes ausgerichtet worden. Ganz anders ist es mit dem Fanatiker (Visionär, Schwärmer) bewandt. Dieser ist eigentlich ein Verrückter von einer vermeinten unmittelbaren Eingebung und einer großen Vertraulichkeit mit den Mächten des Himmels". Auch in der Nachfolge Schaftesburys behauptet ders., Kritik der Urteilskraft, in: Gesammelte Werke, Bd. 5, 165-485, hier: 271-272: „Die Idee des Guten mit Affect heißt der Enthusiasm. Dieser Gemüthszustand scheint erhaben zu sein, dermaßen daß man gemeiniglich vorgiebt: ohne ihn könne nichts Großes ausgerichtet werden"; ebd., 275: „Wenn der Enthusiasm mit dem Wahnsinn, so ist die Schwärmerei mit dem Wahnwitz zu vergleichen, wovon der letztere sich unter allen am wenigsten mit dem Erhabenen verträgt, weil er grüblerisch lächerlich ist. Im Enthusiasm als Affect ist die Einbildungskraft zügellos; in der Schwärmerei als eingewurzelter brütender Leidenschaft regellos. Der erstere ist vorübergehender Zufall, der den gesundesten Verstand bisweilen wohl betrifft; der zweite eine Krankheit, die ihn zerrüttet."
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überhaupt", 68 weil sich dieser durch die Ideen eine prinzipiell unmögliche Erweiterung der Erkenntnis verspricht. Die Ideen seien für Piaton, so heißt es in der Kritik der reinen Vernunft, „Urbilder der Dinge selbst und nicht bloß Schlüssel zu möglichen Erfahrungen, wie die Kategorien" bzw. die reinen Verstandesbegriffe, denen nach der Auffassung Kants keine Vorstellungen entsprechen können. 69 Vorgestellt werden die Ideen allein durch die Denkkraft selbst, dies jedoch ohne den wesentlichen Bezug auf die empirische oder auch die reine Anschauung, der die Verstandesbegriffe auszeichnet. Das Platonische Schwärmen, das die Möglichkeit sinnlicher Erfahrung derart übersteigt, ebendadurch aber die transzendentalphilosophischen Bedingungen der Erkenntnis nicht erfüllt, versinnbildlicht Kant in der Einleitung zur Kritik der reinen Vernunft auf eindrucksvolle Weise: Wie eine Taube, die sich nach dem freien Fluge im luftleeren Raum sehnt, „verließ Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstände so enge Schranken setzt, und wagte sich jenseit derselben, auf den Flügeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes", wo er allerdings „keinen Widerhalt" hatte, „gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kräfte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen". 70 Indem Kant durch die Vernunftkritik dem Höhenflug des Schwärmers in Form der unmittelbaren Anschauung ein Ende setzt, will er dem Fortkommen des Philosophen nützlich sein. Schlossers Kritik an Kant im Namen Piatons wird selbst heftig kritisiert. Im Jahre 1798 votiert Schelling fur den Königsberger Denker als richtungweisenden „Erfinder eines großen Systems" der Philosophie gegen den Schriftsteller Schlosser, der seiner Meinung nach die für den theoretischen sowie praktischen Vernunftgebrauch bahnbrechenden „Entdeckungen des Zeitalters ... nicht ein-
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Kant, Reflexionen zur Anthropologie, 406. - Im Hinblick auf George Berkeley stellt I. Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, in: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Berlin 2 1911, 253-383, hier: 375, Anm. *, eine wesentliche Verbindung zwischen dem Platonischem Idealismus und der Schwärmerei fest, um daraufhin den eigenen „kritischen" Idealismus von beiden zu unterscheiden: „Der eigentliche Idealismus hat jederzeit eine schwärmerische Absicht und kann auch keine andre haben; der meinige aber ist lediglich dazu, um die Möglichkeit unserer Erkenntniß α priori von Gegenständen der Erfahrung zu begreifen, welches ein Problem ist, das bisher noch nicht aufgelöset, ja nicht einmal aufgeworfen worden. Dadurch fallt nun der ganze schwärmerische Idealism, der immer (wie auch schon aus dem Plato zu ersehen) aus unseren Erkenntnissen α priori (selbst denen der Geometrie) auf eine andere (nämlich intellectuelle) Anschauung als die der Sinne Schloß, weil man sich gar nicht einfallen ließ, daß Sinne auch α priori anschauen sollten."
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I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., in: Gesammelte Schriften, Bd. 3, Berlin 1911, B370. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B9; vgl. Kritik der reinen Vernunft, 1. Aufl., ebd., Bd. 4, Berlin 1911, A5.
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mal versteht"; er verwirft zudem dessen „Anschauung des Uebersinnlichen" in Form von „Visionen" als einen mit der Schwärmerei wesensgleichen vernunftlosen „Mysticismus". 71 Später opponiert auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel nicht nur gegen schwärmerische Hellseher, sondern auch diejenigen wie Schlosser und Stolberg, die „an den platonischen Vorstellungen vom Enthusiasmus leicht eine Autorität für ihren Glauben an die Hoheit der Offenbarungen des somnambulen Schauens zu haben meynten". 72 Dagegen sei die „Liebe zu den Ideen ... das, was Piaton Enthusiasmus nennt". 73 Ähnlich fällt seine Bewertung der Kampfvokabel .Schwärmerei' aus: Sachgemäß verwendet, bedeute sie das Setzen der „Wahrheit in ein Wesen, das zwischen der Wirklichkeit und dem Begriffe steht, das nicht Wirklichkeit ist, noch auch begriffen, - ein Wesen der Einbildung"; als Vorwurf gegen den Piatonismus und insbesondere den Neuplatonismus Plotins jedoch bezeichne sie eigentlich die - gemeinhin mißverstandene - „Erhebung zu spekulativen Wahrheiten, welche den Kategorien des endlichen Verstandes widersprechen". 74 Damit folgt Hegel nur Schelling, indem er gegen die Gefühls- für die Transzendentalphilosophie einerseits, andererseits gegen die Vernunftkritik Kants für die Ideenlehre Piatons Partei ergreift.
IV. Die Auseinandersetzung zwischen Fichte und Schelling Auf eine Darlegung der Fortsetzung und Rezeption des Streits zwischen Schlosser und Kant kann an dieser Stelle verzichtet werden, zumal darin dessen expli-
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Vgl. F. W. J. Schelling, [Schlosser-JRecension, in: Sämmtliche Werke, Bd. 1, 483-487, hier: 484, 486-487. - Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, 169, rechnet Schlosser zusammen mit Johann Caspar Lavater den mit Jacobi nahestehenden „Offenbarungsgläubigen, den sogenannten Superrationalisten oder Supernaturalisten" zu. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830), § 406 Anm., in: Gesammelte Werke, Bd. 20, unter Mitarbeit von U. Rameil hrsg. von W. Bonsiepen, H.-C. Lucas, Hamburg 1992, 409, Anm. *; vgl. ders., Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, in: ders., Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, hrsg. von H. Glockner, Stuttgart 3 1959, Bd. 18, 268-269: „Man macht Plato zum Schutzpatron des bloßen Enthusiasmus; das ist also ganz falsch." G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 199; vgl. ebd., 206-207: „Im Phädrus spricht er davon, ,um zu zeigen, daß der Eros eine göttliche Raserei, und uns zur größten Glückseligkeit gegeben sey.' Es ist dieß ein Enthusiasmus, der hier eine mächtige, Alles überwiegende Richtung auf die Idee hat, Bewußtseyn, Wissen des Idealen, nicht Anschauen, nicht der Enthusiasmus der Brust, der Empfindung." G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Dritter Band, in: Sämtliche Werke, Stuttgart 3 1959, Bd. 19, 42, 44.
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zit gemachte Platonische Aspekte in den Hintergrund treten. Abschließend sei vielmehr ein kurzer Blick auf eine andere Kontroverse innerhalb der klassischen deutschen Philosophie geworfen, die durch gegenseitige Vorwürfe der Schwärmerei geprägt ist, nämlich die zwischen Fichte und Schelling selbst. Es handelt sich um den Disput über die Gestalt der ersten Philosophie in der Nachfolge der Vernunftkritik Kants. 75 Darin zeigt sich nämlich, inwiefern Schellings Ablösung von Fichte mit seiner Annäherung an Piaton einhergeht, und dies in Verbindung mit der Rechtfertigung des Piatonismus gegenüber dem Vorwurf der Schwärmerei. Daß Piaton ein Schwärmer im Sinne Kants gewesen sei, bestreitet Schelling seit seinem 77maews-Kommentar von 1794. Dort heißt es: „Hätte Plato angenommen, daß jedem Weltwesen objektiv ein unsichtbar, aber physisch existirendes Grundwesen, das den Charakter seiner ganzen Gattung enthielte, zu Grunde liege, so wäre diß Schwärmerei, d. h. es wäre Übertragung des bloß sinnlichen, des bloß der empirischen Anschauung zugehörigen a u f s übersinnliche gewesen. Allein gerade gegen diese Meinung protestirt ja Plato beständig". 76 Piaton, so Schelling, habe gerade nicht die Ideen als wirkliche Substanzen aufgefaßt: Sie hätten für ihn eher die Bedeutung der Verstandesbegriffe. Um dann die eigene sowie die Platonische Denkweise von der Transzendentalphilosophie abzusetzen, auf die er sich noch hier beruft, prägt Schelling in seiner Auseinandersetzung mit Fichte einen anders gearteten Begriff der Schwärmerei. In einer Hinsicht scheint Fichtes Kritik an Schelling prädestiniert zu sein. Von Anfang an assoziiert Fichte die Schwärmerei philosophischer Art mit den Pythagoreern und Piatonikern, 77 und die Platonischen Dimensionen der Identitätsphilosophie, die besonders in Schellings Abhandlung Philosophie und Religion zum Ausdruck kommen, können ihm nicht verborgen bleiben, zumal sich Schelling selbst ausdrücklich auf Piaton bezieht. Beide, bemerkt Fichte in seinem Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben von 1806, ließen nur „.durch den Abfall vom Urbilde ... die Seele von ihrer ersten Seligkeit herabsinken' ,Es war ein Gegenstand der geheimeren Lehre in den - griechischen Mysterien auf welche Plato nicht undeut-
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Zu diesem Streit im Zeichen der Naturphilosophie vgl. C.-A. Scheier, Synthesis a priori. Zur ersten Philosophie zwischen 1781 und 1817, in: Transzendentalphilosophie und Spekulation, hrsg. von Jaeschke, 1-12. F. W. J. Schelling, „Timaeus." (1794), hrsg. von H. Buchner. Mit einem Beitrag von H. Krings: Genesis und Materie - Zur Bedeutung der „ Timaeus "-Handschrift für Schellings Naturphilosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, 32. Vgl. J. G. Fichte, Versuch einer Kritik aller Offenbarung, 2. Aufl., in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky, Bd. 1/1, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von M. Zahn, R. Schottky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1964, 127-162, hier: 145.
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lieh h i n w e i s t . ' N u n , w e n n Plato u n d die g r i e c h i s c h e n M y s t e r i e n das a n n e h m e n , so w e r d e n wir andern w o h l R e s p e k t haben, und e s u n s g l e i c h f a l s g e f a l l e n laßen m ü ß e n ; sollte e s sich auch finden, daß in der g a n z e n Lehre durchaus kein Sinn und V e r s t ä n d e s e y , und daß das a n g e m u t h e t e n i e m a l s i m w i r k l i c h e n D e n k e n v o l l z o g e n , sondern nur g e s a g t w e r d e n könne". 7 8 S c h e l l i n g s P l a t o n i s c h inspirierte Lehre v o m A b f a l l der S e e l e handelt v o n der Freiheit. „ D a s a u s s c h l i e ß e n d Eig e n t h ü m l i c h e der A b s o l u t h e i t ist", s o S c h e l l i n g , „daß s i e ihrem G e g e n b i l d mit d e m W e s e n v o n ihr selbst auch die Selbständigkeit verleiht. D i e s e s in-sichs e l b s t - S e y n , d i e s e e i g e n t l i c h e und w a h r e Realität d e s ersten A n g e s c h a u t e n , ist Freiheit."19
D i e S i n n l o s i g k e i t und der Unverstand, d i e F i c h t e dieser Lehre vor-
wirft, s p i e g e l n e i n e n seiner M e i n u n g nach w e n i g durchdachten B e g r i f f des A b s o l u t e n wider: „ D e n n w a s soll d o c h d a s j e n i g e seyn, das da abfällt v o m A b s o l u ten? E s sind nur z w e i Fälle m ö g l i c h : e n t w e d e r n e m l i c h ist e s das A b s o l u t e selbst, in w e l c h e m Falle d i e s e s v o n sich selbst abfallen d. h. sich in sich selber und durch sich selber vernichten müste, w e l c h e s absurd ist. Oder es ist nicht das a b s o l u t e selbst; s o ist e s v o n , aus, durch sich selber, u n d w i r h a b e n der A b s o l u ten z w e i an der Zahl, w e l c h e s abermals absurd ist." 8 0 E i n v o n sich selbst abfal-
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J. G. Fichte, Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben, 1806/7, in: Gesamtausgabe, Bd. 11/10, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, M. Ivaldo, P. K. Schneider, A.-M. Schurr-Lorusso, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, 11-74, hier: 59; zitiert wird F. W. J. Schelling, Philosophie und Religion, in: Sämmtliche Werde, Bd. 7, 11-70, hier: 38-39 (mit leichter Veränderung). Dazu vgl. W. Janke, „Der Piaton tritt in jeder Stunde unverkennbar bei ihm hervor". Von der Erfahrung des Seins in Fichtes Vollendung des Platonischen Idealismus, in: Sein und Werden im Lichte Piatons. Festschrift für K. Albert zum 80. Geburtstag am 2. Oktober 2001, hrsg. von E. Jain, S. Grätzel, Freiburg, München 2001, 77-91, bes. 87-88. - Nicht nur Fichte bringt den Piatonismus der Identitätsphilosophie mit der Schwärmerei in Verbindung: Schellings Zuhörer H. C. Robinson, Brief an Th. Robinson vom November 1802, in: Schelling im Spiegel seiner Zeitgenossen, hrsg. von X. Tilliette, Turin 1974, 99-100, hier: 99, spricht nicht unkritisch von „hearing the modern Plato read for a whole hour his new metaphysical Theory of Aesthetick Or the Philosophy of the Arts; I shall in spight of the obscurity of a philosophy compounded of the most profound abstraction, and enthusiastick mysticism, be interested by par[ticu]lar ingenious remarkfs] and amused by extravagant Novelties." (Text emendiert.)
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Schelling, Philosophie und Religion, 39; dazu vgl. R. F. Brown, Is Much of Schelling's Freiheitsschrift (1809) Already Present in his Philosophie und Religion (1804)?, in: Schellings Weg zur Freiheitsschrift. Legende und Wirklichkeit. Akten der Fachtagung der Internationalen Schelling-Gesellschaft 1992, hrsg. von Η. M. Baumgartner, W. G. Jacobs, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, 110-131. Fichte, Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre, 59; dazu vgl. C. Asmuth, Das Begreifen des Unbegreiflichen. Philosophie und Religion bei Johann Gottlieb Fichte 1800-1806, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, 342-361, bes. 358: „Interessanterweise erwähnt Fichte Schellings Theorie der Freiheit nicht." Siehe femer F. Moiso, Filosofia e
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lendes Absolutes sowie ein dem Absoluten entgegengesetztes - gegenbildliches - Selbständiges: Beide Alternativen - wobei nur die letztere der Lehre Piatons und Schellings entspricht - sind für Fichte unstatthaft. Folglich gilt ihm der Abfall der Seele als ein Beispiel für das schlaffe und geistlose philosophische Beurteilungsvermögen des Zeitalters. Dieses Zeitalter und diese Lehre stehen nach Fichte im Zeichen der Schwärmerei. Zwar befürwortet er selbst in seinem popularphilosophischen Traktat über Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters von 1804 das „Leben in den Ideen" 81 - eine selbst wohl Platonisch inspirierte Formulierung - als Medium des Philosophierens, diagnostiziert aber zugleich die oft damit fälschlicherweise verwechselte Schwärmerei im Anschluß an Kant als den verderblichen Hang des Zeitalters, sich über alle mögliche Erfahrung hinaus zu erheben. Implizit gemeint ist hier besonders Schelling, insofern dieser die vorwiegend erkenntnistheoretisch angelegte Wissenschaftslehre durch eine ontologisch ausgerichtete Naturphilosophie ergänzen will. Darin sieht Fichte einen Rückfall des Denkens in die vorkritische Metaphysik, welche die Notwendigkeit des Denkens mit der Gegebenheit des Seins gleichsetzt. Freilich erkennt er an, daß der Schwärmerei dies mit der Vernunftwissenschaft gemein sei, die „blosen sinnlichen Erfahrungsbegriffe nicht fur das Höchste gelten" zu lassen und damit sich 82
„über alle Erfahrung hinaus" erheben zu wollen. Auch die Vernunftwissenschaft - die Wissenschaftslehre - erhebt den Anspruch auf apriorische Wahrheit. Aber die Schwärmerei fordert, so Fichte, „daß die Natur sich nach ihren Gedanken richte; - worin sie freilich recht haben würde, wenn sie zuförderst den rechten Gedanken hätte, und wenn sie ferner wüßte, wie weit diese Bestimmung der Natur a priori gehe, und in welchem Gebiete sie durchaus zu Ende sey, und nur das Experiment entscheiden könne". 83 Demzufolge vermag die Schwärmerei vita: Dialogo e polemico tra Fichte e Schelling, in: Annali della Facoltä di lettre e Filosofia 16 (1983), 211-250; R. Lauth, Kann Schellings Philosophie von 1804 als System bestehen? Fichtes Kritik, in: Kant-Studien 85 (1994), 48-77. 81
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J. G. Fichte, Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, in: Gesamtausgabe, Bd. 1/8, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, I. Radrizzani, P.-K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, 189-396, hier: 287. Fichte, Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 283. Vgl. bereits J. G. Fichte, Brief an F. W. J. Schelling vom 31. Mai 1801, in: Gesamtausgabe, Bd. III/5, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von E. Fuchs, K. Hiller, P.-K. Schneider, M. Zahn, Stuttgart-Bad Cannstatt 1982, 43-53, hier: 44: „Sie teilten mir Ihre Ansicht der Naturphilosophie mit. Ich sah hierin wieder den alten Irrthum"; dazu C. Danz, Die Duplizität des Absoluten in der Wissenschaftslehre von 1804 2 - Fichtes Auseinandersetzung mit Schellings Identitätsphilosophischer Schrift .Darstellung meines Systems' (1801), in: Fichte-Studien 12 (1997), 225-250, Asmuth, Das Begreifen des Unbegreiflichen, 329-341. Fichte, Die Grundzüge
des gegenwärtigen
Zeitalters,
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weder Rechenschaft über ihre eigenen Gedanken abzulegen noch sich innerhalb der rechtmäßigen Grenzen möglicher Erkenntnis zu halten. Eindeutig auf Schelling bezieht sich dann das vernichtende Urteil: Alle „Schwärmerei ist, und wird nothwendig, Natur-Philosophie". 84 Noch 1801 kann Fichte ermahnend von sich und seinem Adressaten Schelling sprechen als „Männern, die dieselbe Wissenschaft bearbeiten" - jetzt freilich nicht mehr: Nach seiner endgültigen Auffassung schöpft Schelling sein Denken aus der Quelle der Schwärmerei, nicht aus der Wissenschaft oder der Lehre davon. 85 Während für Fichte die „letzten Gründe der Natur" keinen legitimen Gegenstand der „ächten Spekulation" bilden können, so daß der echten Vernunftwissenschaft das „Experiment", also die Erfahrung prinzipiell unerklärt gegenübersteht, 86 kehrt Schelling in seiner Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre den Spieß um: Er setzt die Schwärmerei mit der Transzendentalphilosophie Kants und Fichtes gleich. Diese vermöge über das Selbst-Denken hinaus zum An-sich-Sein und damit zur 87
absoluten Voraussetzung der Natur und des Geistes nicht zu gelangen. „Wir glauben", so Schelling im selbstbewußten Unterschied zu seinen unmittelbaren Vorgängern, „daß dieß eben schon die ganze und volle Schwärmerei ist, eine eigne Welt des Gedankens und eine eigne der Wirklichkeit zu setzen." 88 Schwärmerei - das ist nun für Schelling nicht einfach die Übertragung des Empirischen auf das Übersinnliche, sondern die eigenwillige Auseinanderhaltung von Denken und Sein. Rhetorisch fragt er: „Wer hat ... ärger, lauter und im
Schelling im Brief an K. F. Beyme vom 10. Mai 1806, in: Gesamtausgabe, Bd. III/5, 357-358, hier: 358: „Es gibt keine Naturphilosophie; und wer ein Philosoph zu seyn glaubt, ohne von Religion und Moral auszugehen, und gerade darin seine Stärke zu besitzen, ingleichen, wer an eine selbständige Natur in der Spekulation glaubt, der befindet sich im Irrthume." 84
Fichte, Die Grundzüge
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Fichte, Brief an Schelling vom 31. Mai 1801, 43. Vgl. J. G. Fichte, Wissenschaftslehre (1805), in: Gesamtausgabe, Bd. II/9, hrsg. von R. Lauth, H. Gliwitzky unter Mitwirkung von J. Beeler, E. Fuchs, I. Radrizzani, P.-K. Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 173-311, hier: 234: Schellings intellektuelle Anschauung sei das wahre „Princip der tollsten Schwärmerei, wo wir noch von gutem Glüke zu sagen haben, wenn sie nicht das allerheilloseste hervorbringt, wozu sie nach ihrem Systeme das unbeschränkteste Recht hat".
des gegenwärtigen
Zeitalters,
286-287.
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Fichte, Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, 288. Vgl. F. W. J. Schelling, Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre. Eine Erläuterungsschrift der ersten, in: Sämmtliche Werke, Bd. 7, 1-126, bes. 26, Anm. 1, 35-48, 72-74, 95, 120; dazu Asmuth, Das Begreifen des Unbegreiflichen, 362-370.
88
Schelling, Darlegung des wahren Verhältnisses ten Fichteschen Lehre, 35.
der Naturphilosophie
zu der
verbesser-
Perspektiven der Schwärmerei
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eigentlichsten Sinn geschwärmt als eben Hr. Fichte?", um daraufhin antworten zu können: Fichtes „System ist nie und nirgens in anderer Gestalt aufgetreten als der eines bloß subjektiven Zusammenhangs; nicht durch eine lebendige Expansion und Gestaltung des Princips selbst, sondern lediglich durch und für die Reflexion des Denkenden sich erzeugend und anschießend. Er setzt irgend eine Einheit, die aber bloß formal ist, da sie nicht zugleich ihre Mannichfaltigkeit begreift; ein Unvollständiges, das eines anderen bedarf, sonach ein durch Abstraktion von diesem anderen Erzeugtes, welches andere dann wiederum nicht vollständig seyn darf; wie weit die Mangelhaftigkeit reiche, ist abermals beliebig, nämlich es hängt von der gemachten Abstraktion ab, und auch es selbst erhält nicht seine volle Ergänzung in einem selbst Vollendeten auf einmal, ... bis denn zuletzt der progressus in infinitum (die letzte Zuflucht aller Philosophie, welche nicht die Totalität schon im ersten Princip erkennt) der Noth ein Ende macht." 89 Es bedarf keiner eingehenden Analyse dieser Persiflage der ersten drei Grundsätze der Wissenschaftslehre sowie deren systematischer Weiterentfaltung, um zu erkennen, daß das schwärmerische Prinzip, das nach Schelling die Philosophie Fichtes zum Scheitern verurteilt, nichts anderes als die Subjektivität ist. Schon 1801 kritisiert Schelling dies am System seines Briefpartners: „Entweder müssen Sie ... aus der Subjektivität heraus, ... oder gehn Sie einmal heraus, auf Einen auch unbegreiflichen Realgrund, so gilt jenes ganze Zurückweisen an die Subjektivität nur vorläufig, bis das wahre Princip gefunden ist." 90 Zum Inbegriff der Schwärmerei erklärt Schelling nun die Wissenschaftslehre, weil diese durch das Prinzip des sich selbst setzenden Ich bedingt wird eine nach seiner Auffassung bloß formale Einheit, der es von Anfang an bis ins Unendliche an wirklicher Objektivität mangelt. Die Genese und Entwicklung des Fichteschen Systems hält Schelling deshalb fur sowohl beliebig als auch unvollständig, also schwärmerisch, weil dessen Zusammenhang weder in den Dingen selbst noch im eigenen Prinzip, sondern allein im Denkenden - im sich selbst bestimmenden Ich - besteht. Dies heißt aber: Das Element der Schwärmerei, das Schelling nach eigener Angabe in den Vorlesungen Zur Geschichte der neueren Philosophie in seinem Denken überwunden, insofern sich dieses über die Wissenschaftslehre hinaus entwickelt hat, und das er ferner vom wesensverwandten Platonischen Denken unterschieden haben will, ist der Idealismus. Somit spricht er vom „subjektiven Idealismus" der Wissenschaftslehre Fichtes: Im Unterschied dazu stellt die von Schelling angestrebte „völlige Selbsterkenntnis" des Ich in seiner Entgegensetzung gegen eine immer schon daseiende Welt, die bereits im System des trans89 90
Schelling, Darlegung des wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichteschen Lehre, 47. F. W. J. Schelling, Brief an J. G. Fichte vom 3. Oktober 1801, in: Fichte, Gesamtausgabe, Bd. III/5, 80-90, hier: 82.
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zendentalen Idealismus im Keim angelegt sein soll, den Versuch dar, „den Fichteschen Idealismus mit der Wirklichkeit auszusöhnen, oder zu zeigen, wie gleichwohl, auch unter Voraussetzung des Fichteschen Satzes, daß alles nur durch das Ich und für das Ich ist, die objektive Welt begreiflich sey". 9 ' Folglich bedeutet für den rückblickenden Schelling, „wieder ins Objektive zu kommen", d. h. dieses begreiflich zu machen, dies: die „Hülle des Fichteschen Gedankens" zu durchbrechen und die „Seele des von Fichte unabhängigen Systems" zu befreien, und zwar dadurch, daß der ,froceß, ... in welchem sich das Ich eben durch den Akt des Selbstsetzens unbeabsichtigter, aber nothwendiger Weise verwickelt sieht", erklärt wird. 92 Gerade in der Erklärung dieses Prozeßes - dieser Geschichte - entdeckt der rückblickende Schelling seine Nähe zu Piaton sowie zur Platonischen Anamnesislehre und Sokratischen Maieutik. Diese späte Selbstinterpretation stimmt dann mit einer anderen Selbstinterpretation überein, die Schelling kaum ein Jahr nach Erscheinen seines Systems des transzendentalen Idealismus, also noch in der Blütezeit der Identitätsphilosophie, an Fichte weitergibt: Bereits mit seinen Philosophischen Briefen über Dogmatismus und Kriticismus von 1795 habe er ein Dokument vorgelegt, daß für ihn „die Wahrheit höher liege, als der Idealismus geht". 93 Höher als der Idealismus geht aber der Piatonismus. Denn in den Philosophischen Briefen behauptet Schelling: Die nur als Nachahmungen einer freiheitlichen Selbstanschauung erklärbaren empirischen Handlungen wären „nicht begreiflich, hätten wir nicht - um in Piatons Sprache mich auszudrücken - irgend einmal in der intellektualen Welt ihr Vorbild angeschaut", auch wenn wir im Platonischen Sinne gefallene Wesen seien, „seitdem wir aufhörten, die Dinge an sich anzuschauen". 94 Ebendieser Platonischen Lehre vom Abfall der Seele aus ihrem vorgeburtlichen Leben in der Ideenwelt will Schelling nach seiner Selbstinterpretation in seinem früheren transzendentalphilosophischen - Denken und wiederum in seiner späten - geschichtlichen - Philosophie auf eigene Weise Geltung verschaffen.
V. Schellings Platonisierende Selbstinterpretation Schellings retrospektive Hervorhebung des anamnestischen Grundmotivs seiner Transzendentalphilosophie in seinen Münchener Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie ist keine revisionistische Selbstinterpretation, die nachträglich im früher Gedachten den Keim einer späteren Beschäftigung 91 92 93 94
Schelling, Schelling, Schelling, F. W. J. Sämmtliche
Zur Geschichte der neueren Philosophie, 92. Zur Geschichte der neueren Philosophie, 97. Brief an Fichte vom 3. Oktober 1801, 85. Schelling, Philosophische Briefe über Dogmatismus Werke, Bd. 1, 281-341, hier: 318, 325.
und Kriticismus,
in:
Perspektiven der Schwärmerei
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mit dem Geschichtlichen angelegt finden will. Bereits in seiner Allgemeinen Deduktion des dynamischen Prozeßes oder der Kategorien der Physik von 1800 heißt es: „Wenn die ganze Natur sich bis zum Bewußtseyn potenzirte, oder wenn sie von den verschiedenen Stufen, die sie durchläuft nichts - kein Denkmal - hinter sich zurückließe, so würde sich zu reproduciren ihr selbst mit der Vernunft unmöglich seyn, deren transscendentales Gedächtniß, wie bekannt, durch die sichtbaren Dinge angefrischt werden muß. Die platonische Idee, daß alle Philosophie Erinnerung sey, ist in diesem Sinne wahr; alles Philosophiren besteht in einem Erinnern des Zustandes, in welchem wir eins waren mit der Natur." 95 Die Wiedererinnerung an das ursprüngliche Eins-Sein mit der Natur durch die Darlegung der transzendentalen Vergangenheit des Selbstbewußtseins ist die Aufgabe, mit der Schelling die Philosophie schon damals konfrontiert und vor die er sich selbst gestellt sieht. Auch das, was Schelling als die verwerfliche Schwärmerei der Transzendentalphilosophie - der Auffrischung des transzendentalen Gedächtnisses, in dem diese Vergangenheit aufbewahrt ist - betrachtet, wenn er auf den Entwicklungsgang des eigenen Denkens vor und nach dem System des transzendentalen Idealismus zurückblickt, nämlich den Idealismus selbst, fuhrt er prinzipiell bereits 1804 aus. Im System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere behauptet er mit Bezug auf Kant und ebenfalls Fichte in Anlehnung an das Höhlengleichnis Piatons und auf eine Weise, die seine eigene Annäherung an Piaton deutlich erkennen läßt: „Kant", so Schelling, „ist mehr oder weniger mit in der Höhle gewesen: er sah jedoch ein, daß die Schattenbilder nicht die wahren Dinge seyen, und merkte das Licht. Aber er näherte sich ihm nur rückwärts, so daß er eigentlich immer noch die Scheindinge im Auge behielt und nie in den Besitz des Lichts selbst kam, noch genau wissen konnte, ob er aus der Höhle heraus sey oder nicht". 96 Dementsprechend ist die Transzendenzbewegung des Philosophen, der bei der Kritik der Verstandes- bzw. Reflexionsbegriffe verharrt, einseitig und in sich befangen; sie distanziert sich wohl vom Schein der empirischen Welt, erreicht jedoch nicht die absolute Vernunft, die sich in allem - wie die durch das Licht symbolisierte, als unbedingtes Seins-, Erkenntnis- und Wertprinzip geltende Platonische Idee des Einen-Guten - energisch durchdringt. Ebendies ist jedoch fur Schelling die Schwärmerei des bloßen, d. h. dem Realismus entgegengesetzten Idealismus, der im Unterschied zur eigenen Denkweise nicht zum Absoluten anamnestisch wiederaufzusteigen und dieses konstruktiv zu erfassen vermag.
95 96
F. W. J. Schelling, Allgemeine Deduktion des dynamischen Prozeßes oder der Kategorien der Physik von 1800, in: Sämmtliche Werke, Bd. 4, 1-78, hier: 77 F. W. J. Schelling, System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere, in: Sämmtliche Werke, Bd. 6, 131-576, hier: 524.
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Im gleichen Jahr kritisiert Schelling in der Einleitung zu Philosophie und Religion nicht so sehr seine philosophischen Gegner, sondern vielmehr die eigenen Bewunderer, die sich „ohne Beruf zu unerbetetenen Anhängern einer Lehre machen und, ohne begeistert zu seyn, zu gleichem Skandal der Klugen und der Einfältigen den Thyrsus tragen".97 Den Thyrsus tragen - das ist Zeichen des gottbegeisterten Bacchanten. Die Profanierung der Identitätsphilosophie durch Anhänger, denen die angemessene Begeisterung fehlt, beschreibt Schelling ferner mit Bezug auf die Metaphorik in Piatons Dialog Ion: Ohne diese wahre Anziehungskraft kann die ursprüngliche Lehre nur verfälscht werden. „Denn über alles gerathen die Deutschen ins Schwärmen, den geschlechtslosen Bienen, obwohl nur darin gleich, daß sie emsig davonzutragen und zu verarbeiten suchen, was unabhängig von ihnen blüht und producirt ist."98 Schließlich sammeln die Bienen Honig, während die Schwärmer - im Gegensatz zu den philosophisch versierten Enthusiasten - die „Mysterien der Wissenschaft zur Caricatur ausdehnen, oder die Wahrheit... in einzelnen oberflächlichen Sätzen ausprägen, die keinen Sinn haben ...; oder ... ein hohles Gemüth, mit gutem Willen sonst, in solche Worte kleiden, welche ihre schwache Imagination lebhaft gerührt haben."99 Gegen diese ideenlose Schwärmerei ruft Schelling zum „Selbstdenken" 100 im Sinne der Identitätsphilosophie - und d. h. auch des Piatonismus auf, also zur anamnestischen Selbsterkenntnis.
97
Schelling, Philosophie und Religion, 14-15. - Zum Thyrsus-Tragen vgl. Plutarchus, De Iside et Osiride, 364e, ed. W. Sieveking, in: Moralia, vol. II/3, Leipzig 1935: ,,καί γ ά ρ νεβρίδας περικαθάπτονται καΐ θύρσους φοροΰσι και βοαίς χρώνται κ α ι κίνησε σ ι ν ώσπερ οί κ ά τ ο χ ο ι τοις περί τόν Δ ι ό ν υ σ ο ν όργιασμοΐς." - Schelling zitiert diese Schrift Plutarchs, in der die ägyptischen Gottheiten u. a. mit Hilfe von Pythagoreischer und Platonischer Begrifflichkeit interpretiert werden, bereits in seiner Magisterdissertation Antiquissimi de prima malorum humanorum origine philosophematis Genes. III. explicandi tentamen criticum et philosophicum, in: Sämmtliche Werke, Bd. 1, 1-40, hier: 11, Anm. 2; vgl. auch Schellings Verweis auf De Iside et Osiride im Zusammenhang mit der Arbeit am Gnostizismus im Studienheft 28, 189; dazu Franz, Schellings Tübingener Platon-Studien, 267, Anm. 119. Schelling bringt De Iside et Osiride besonders zur Geltung in der Spätphilosophie im Rahmen seiner Prinzipientheorie bzw. seiner Deutung ihrer mythologischen Gestaltung. Dazu vgl. F. W. J. Schelling, Die Mythologie, in: Sämmtliche Werke, Bd. 12, 133-674, hier: 216, 218, 302, 366, 368-369, 375379, 381, 384, 387, 391, 398, 429, 436-437, 501, 581-582, 655, 667; ders., Der Philosophie der Offenbarung erster Theil, in: Sämmtliche Werke, Bd. 13, 175-530, hier: 401402, 418, 436, 477, 480, 484, 524; ders., Der Philosophie der Offenbarung zweiter Theil, in: Sämmtliche Werke, Bd. 14, 1-334, hier: 126, 136, 244.
98 99 100
Schelling, Philosophie Schelling, Philosophie Schelling, Philosophie
und Religion, und Religion, und Religion,
15. 15. 15.
Perspektiven der Schwärmerei
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Als Fazit dieses Streifzuges durch Perspektiven der Schwärmerei um 1800 läßt sich also im Hinblick auf Schellings sich entwickelndes philosophisches Selbstverständnis folgendes behaupten: 1. Piatonismus ist keine Schwärmerei. 2. Idealismus ist Schwärmerei. 3. Piatonismus ist kein Idealismus. Die Platonischen Dimensionen der neuesten Philosophie hat Socher herausgestellt und mit deren idealem Schwung identifiziert, der sich in einer Begeisterung für Piaton ausdrückt. Dagegen sprengt der Piatonismus Schellings den Idealismus, und ,Schwärmerei', eine Kampfvokabel der Antiplatoniker der deutschen Aufklärung sowie der Transzendentalphilosophie, dient der Rechtfertigung des eigenen Denkens des Absoluten sowie des Piatonismus selbst.
JENS HALFWASSEN
Freiheit und Transzendenz bei Schelling und Plotin
Das metaphysische Denken Europas entfaltet sich geschichtlich in einer Vielfalt von Gestalten und Traditionszusammenhängen, die auf den ersten Blick verwirren kann. Wer es bei solcher Verwirrung nicht belassen will, der wird danach fragen müssen, was denn eigentlich metaphysisches Denken als solches grundlegend ausmacht; 1 eine Grundgestalt der Metaphysik, nach der damit gefragt ist, wird sich zugleich historisch ausweisen lassen müssen. Die m. E. überzeugendste Antwort auf diese Frage hat Werner Beierwaltes gegeben, indem er metaphysisches Denken als Denken des Einen bestimmt hat. 2 Solches Denken des Einen ist geschichtlich realisiert im antiken Piatonismus, wie er sich von Piaton bis zu Proklos und Damaskios historisch entfaltet hat; aufgrund seiner unvergleichlichen Wirkungsgeschichte, besonders in der denkenden Selbstauslegung des Christentums in Spätantike, Mittelalter und Renaissance und dann noch einmal im spekulativen deutschen Idealismus, kann der Piatonismus als die Grundgestalt der europäischen Metaphysik angesehen werden. Nun kann eine im emphatischen Sinne Erste Philosophie keine bloße Theorie bleiben, sondern muß zugleich eine die Lebensführung bestimmende Kraft entwickeln. Der antike Piatonismus hat das getan: Für ihn war das Eine das Gute selbst, an dem sich die vernünftige Lebensgestaltung des Einzelnen wie der Gemeinschaft zu orientieren hatte. 3 Im Zentrum der praktischen Philosophie der Neuzeit steht spätestens seit Kant das Thema der Freiheit. Läßt sich, so muß man fragen, auch der Freiheitsgedanke in die Metaphysik des Einen so integrieren, daß Freiheit im absoluten Einen ihre letzte Begründung und Rechtfertigung findet? Die Antwort auf diese Frage suche ich bei demjenigen unter den Idealisten, dessen Denken die größte systematische Affinität zum Neuplatonismus aufweist, also bei Schelling. 4 Dabei geht es mir zugleich um die Frage nach der
1
Vgl. J. Halfwassen, Zur Entdeckung der Transzendenz in der Metaphysik, in: ZiF-Mitteilungen 2 (2002), 1-12; ders., Metaphysik und Transzendenz, in: Jahrbuch fiir Religionsphilosophie 1 (2002), 13-27.
2
Vgl. W. Beierwaltes, Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen ihrer Wirkungsgeschichte, Frankfurt a. M. 1985.
3
Grundlegend dazu bleibt H. J. Krämer, Arete bei Piaton und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie, Heidelberg 1959. Zu Schellings Verhältnis zum Neuplatonismus vgl. W. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, Frankfurt a. M. 1972, 67-82, 100-144, sowie die Auswahl der von Windischmann wohl 1805 für Schelling auf dessen Bitte übersetzten „Stellen aus Plotinos",
4
Philosophie
und
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Jens Halfwassen
bleibenden philosophischen Relevanz der Metaphysik des Einen auch in praktischer Hinsicht. Der deutsche Idealismus ist seit Kant wesentlich Idealismus der Freiheit.5 Kants praktische Philosophie war für das neuzeitliche Freiheitsverständnis darum so grundlegend, weil sie die vielfältigen und schon in der Antike behandelten Aspekte des Freiheitsbegriffs wie Willensfreiheit, Handlungsfreiheit und Wahlfreiheit6 umfassend dem Grundgedanken der Autonomie ein- und unterordnet, also Freiheit grundlegend als Selbstbestimmung und Selbstgesetzgebung aus praktischer Vernunft begreift. Freiheit ist so eigentlich die reine Spontaneität der Vernunft selber: „Denn frei ist, was nur den Gesetzen seines eigenen Wesens gemäß handelt und von nichts anderem weder in noch außer ihm bestimmt ist"7 - so formuliert Schelling in der Freiheitsschrift diesen den Idealisten seit Kant gemeinsamen Grundgedanken der Freiheit des Selbstseins. Daß diese metaphysische Dimension der Freiheit, ihr intelligibler Charakter, das Fundament auch der praktischen Freiheit ist, hat Kant ausgesprochen. Philosophisch eingehend analysiert wird diese metaphysische Freiheit des Selbstseins in den idealistischen Freiheitslehren von Fichte, Hegel und Schelling. Fichte und Hegel begründen sie subjektivitätstheoretisch: nämlich in der Tathandlung des sich selbst setzenden Ich bzw. in dem reinen Beisichselbst-Sein des sich selbst denkenden absoluten Begriffs. 8
ebd., 210-214; ders., Absolute Identität. Neuplatonische Implikationen in Schellings Bruno, in: ders., Identität und Differenz, Frankfurt a. M. 1980, 204-240; ders., Plotins Gedanken in Schelling, in: ders., Das wahre Selbst. Studien zu Plotins Begriff des Geistes und des Einen, Frankfurt a. M. 2001, 182-227; ferner Th. Leinkauf, Schelling als Interpret der philosophischen Tradition. Zur Rezeption und Transformation von Piaton, Aristoteles, Plotin und Kant, Münster 1998, 31-43. - In der mangelhaft nachgewiesenen Behauptung konkreter historischer Beeinflussung problematisch, aber dennoch anregend ist H. Holz, Spekulation und Faktizität. Zum Freiheitsbegriff des mittleren und 5
späten Schelling, Bonn 1970. Vgl. K. Düsing, Subjektivität und Freiheit. Untersuchungen zum Idealismus von Kant bis Hegel, Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. - Zur mittelalterlichen Vorgeschichte des idealistischen Freiheitsdenkens ist instruktiv Th. Kobusch, Die Entdeckung der Person. Metaphysik der Freiheit und modernes Menschenbild, Darmstadt 2 1997.
6
Zu diesem antiken Hintergrund vgl. H. J. Krämer, Die Grundlegung des Freiheitsbegriffs in der Antike, in: Freiheit. Theoretische und praktische Aspekte des Problems, hrsg. von J. Simon, Freiburg, München 1977, 239-270.
7
F. W. J. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, in: ders., Sämmtliche Werke, hrsg. von K. F. A. Schelling, Stuttgart, Augsburg 1856-1861, Bd. 7, 384. - Zu Kants Freiheitsbegriff vgl. K. Düsing, Spontaneität und Freiheit in Kants praktischer Philosophie, in: ders., Subjektivität und Freiheit, 211-235.
8
Für Hegel vgl. K. Düsing, La determinazione della volontä libera e la libertä del concetto in Hegel, in: La libertä nella filosofia classica tedesca. Politico e filosofia tra Kant, Fichte, Schelling e Hegel, a cura di G. Duso, G. Rametta, Mailand 2000, 133-146.
Freiheit und Transzendenz
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Auch Schelling begreift Freiheit zunächst subjektivitätstheoretisch, aber seit der Freiheitsschrift unterscheidet er die in der Struktur der Subjektivität verankerte endliche Freiheit des Menschen nicht bloß graduell, sondern prinzipiell von der Freiheit des Absoluten. Dabei entwickelt er einen Begriff von absoluter Freiheit, der nicht mehr in der Struktur der Subjektivität, sondern in der Transzendenz des absoluten Einen, des Grundes der Subjektivität, fundiert ist. Das heißt aber: Schelling denkt Freiheit zuletzt henologisch. Absolute Freiheit bedeutet für ihn Transzendenz, präziser Transzendenz über das Sein. Genau darin berührt sich der späte Schelling mit Plotin, den er, wie Beierwaltes gezeigt hat, seit etwa 1805 kannte. 9 Dies möchte ich nun in drei Schritten entwickeln. Erstens skizziere ich Schellings Begriff der spezifisch menschlichen Freiheit im Anschluß an die Freiheitsschrift von 1809. Zweitens hebe ich davon Schellings Verständnis der Freiheit des Absoluten ab, wie es zuerst in den Weltalter-Fragmenten - und zwar besonders deutlich schon in dem ersten Druck von 1811 - artikuliert wird. Drittens vergleiche ich abschließend Schellings Begriff von absoluter Freiheit mit Plotins Explikation der Freiheit des absoluten Einen in der Enneade VI 8, Über den freien Willen und das Wollen des Einen.
I. Schellings Bestimmung der menschlichen Freiheit Das spezifische Wesen der menschlichen Freiheit besteht Schelling zufolge darin, daß sie das Vermögen zum Guten und zum Bösen ist.10 Genau darin unterscheidet sich menschliche Freiheit von der Freiheit Gottes, die als reine Güte die Möglichkeit einer Selbstbestimmung zum Bösen ausschließt. Für Schelling folgt daraus, daß die menschliche Freiheit einen von Gott unabhängigen Grund haben muß. Dieser Grund kann jedoch nicht im Sinne eines manichäischen Dualismus ein Gott entgegengesetztes Prinzip des Bösen sein, da Schelling an der Allbegründung Gottes unbedingt festhält. Für ihn ist die Welt in Natur und Geschichte gar nichts anderes als die Selbstoffenbarung Gottes. Doch schließt die reine und uneingeschränkte Güte Gottes es auch aus, daß Gott selber der Ursprung des Bösen ist. Dies ist das klassische Theodizee-Problem, dessen klassi-
9 10
Vgl. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, 100-110 mit 202-214. Vgl. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 352. - Das Folgende faßt Überlegungen zusammen, die ich eingehender entfaltet habe in: J. Halfwassen, Die Bestimmung des Bösen in Schellings .Freiheitsschrift' und in der Moderne, in: Gewalt. Strukturen - Formen - Repräsentationen, hrsg. von M. Dabag, A. Kapust, B. Waldenfels, München 2000, 81-96, bes. 84-92 (dort auch weitere Literatur). - Zum Freiheitsbegriff Schellings in der Freiheitsschrift vgl. auch S. Peetz, Die Freiheit im Wissen. Eine Untersuchung zu Schellings Konzept der Rationalität, Frankfurt a. M. 1995.
Jens Halfwassen
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sehe Lösungen von Plotin über Augustin bis Leibniz Schelling indes nicht befriedigen. 11 Schelling löst das Problem dadurch, daß er als Grund der Möglichkeit des Bösen und damit zugleich der menschlichen Freiheit ein Moment in Gott ansetzt, das zwar ein konstitutives Moment Gottes, das aber gleichwohl nicht Gott selbst ist. Dieses Moment in Gott, „was in Gott selbst nicht Er selbst ist", 12 nennt Schelling den „Grund" in Gott, den er von Gott als existierendem unterscheidet, der aber zugleich als Grund der Existenz Gottes von Gott unabtrennbar ist; für diese Unterscheidung von Grund und Existenz in Gott beruft sich Schelling auf die traditionelle Bestimmung Gottes als causa sui, die als Selbstbegründung zugleich eine Selbstunterscheidung in Gott selber impliziert. 13 Den Grund denkt Schelling als das erste Moment innerhalb der trinitarischen Selbstkonstitution Gottes und zugleich - da die Welt die Selbstexplikation Gottes ist - als das erste Prinzip der Weltbegründung, die erste Potenz des weltbegründenden Absoluten. Schelling unterscheidet seit seiner Frühzeit drei derartige Potenzen, die er gleichermaßen als Wesensmomente Gottes wie als Prinzipien der Weltbegründung denkt. 14 In der Freiheitsschrift entwickelt er die trinitarische Selbstvermittlung des Absoluten in drei Stufen, in denen jeweils dem Geist als dem Moment der Einheit in dieser Selbstvermittlung die Schlüsselrolle zufällt. Die erste und grundlegende Stufe ist die Selbstvermittlung des vor- und überweltlichen Gottes in sich, womit Schelling die christliche Trinitätsspekulation aufnimmt, die er durch die Prinzipientriade aus Piatons Philebus auslegt. Das erste Moment der göttlichen Selbstvermittlung ist fur Schelling der Grund, der als reine Spontaneität und d. h. als reines Aus-sich-Hervorbringen Realität überhaupt setzt, dabei aber als solcher noch völlig unbestimmt bleibt; er entspricht damit Piatons Prinzip des άπειρον. Das zweite Moment ist die Existenz in Gott, die Piatons begrenzendem Prinzip entspricht: Dies ist die Idee als der Inbegriff reiner Bestimmtheit, die
11
Zur klassischen Lösung dieses Problems durch die Privationstheorie des Bösen vgl. die ertragreiche Studie von C. Schäfer, Unde malum? Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002.
12
Schelling, Philosophische 359.
13
Vgl. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 357-360. Schelling gewinnt seine drei Potenzen bereits in seinem Kommentar zu Piatons Timaeus von 1794 durch eine spekulative Deutung der drei Prinzipien des άπειρον, des πέρας und des νοΰς (als der Einheit von άπειρον und πέρας) aus Piatons Philebus, 15al-c3, 23c4-27cl. Vgl. F. W. J. Schelling, „Timaeus." (1794), hrsg. von H. Buchner. Mit einem Beitrag von H. Krings: Genesis und Materie - Zur Bedeutung der ,, Timaeus "Handschrift für Schellings Naturphilosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 1994, 27-29, 353 7 , 6 1 - 6 3 u. ö.
14
Untersuchungen
über das Wesen der menschlichen
Freiheit,
Freiheit und Transzendenz
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sich als das eigentlich oder wahrhaft Seiende zum Kosmos der Ideen differenziert und damit im Sinne des christlichen Piatonismus der die Welt bestimmende λόγος ist; der λόγος setzt aber die ursprüngliche Seinssetzung durch den spontan aus sich hervorbringenden Grund immer schon voraus und ist so erst das Zweite. Gott ist „Er Selbst" aber erst als die Einheit der spontan hervorbringenden Kraft des Grundes und der reinen Seinsbestimmtheit der Idee; diese Einheit ist der νους, der Geist als das dritte Moment der Trinität, in dem produktive Spontaneität und ideenhafte Bestimmtheit vereint sind. Als Geist kehrt Gott aus seiner Selbstunterscheidung in Grund und Existenz in die Einheit zurück und ist als erfüllte Selbstvermittlung und Selbstbeziehung allererst wahrhaft Gott. Die zweite Stufe der göttlichen Selbstoffenbarung ist sodann die Kosmogonie, die Schelling als das Auseinandertreten der Momente Gottes zu eigenständiger Wirksamkeit denkt. Dieses Auseinandertreten der Momente des Grundes, der Idee oder des λόγος und des Geistes zu eigenständigen weltbestimmenden Prinzipien und Mächten ergibt sich aber gerade aus ihrer vorweltlichen Einheit in Gott als Geist, da zum Geist gehört, daß er sich in einem von ihm verschiedenen Anderen manifestiert. Dieses Andere des Geistes ist die Welt, die nur als von Gott verschiedene der Schauplatz seiner Offenbarung und Selbstoffenbarung sein kann. Die Verschiedenheit der Welt von Gott entspringt dem, was in Gott nicht Gott selbst ist, also dem Grund, der als das ursprünglich weltsetzende Prinzip den Charakter des Platonischen Materialprinzips aus dem 77maeus annimmt. 15 Dieses Materialprinzip ist als das Worin des Werdens kein bloß passiv aufnehmender Stoff, sondern das wirkende Prinzip der Veränderung und der Individuation aller Weltwesen; Schelling deutet es mit Plutarch als ursprunghafte Lebendigkeit, die spontan hervorbringt, das Hervorgebrachte aber sogleich wieder in sich verschließt und damit Züge einer irrational dämonischen Macht annimmt. 16 Zur Entstehung einer gestalteten und geordneten Welt kommt es darum erst dadurch, daß der göttliche λόγος die ihm innewohnenden Ideen in die unbestimmt fluktuierende Lebendigkeit jener Urmaterie hineinbildet und 15
Vgl. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 360: „So also müssen wir die ursprüngliche Sehnsucht uns vorstellen, wie sie zwar nach dem Verstände sich richtet, den sie noch nicht erkennt, wie wir in der Sehnsucht nach unbekanntem namenlosem Gut verlangen, und sich ahndend bewegt, als ein wogend wallend Meer, der Materie des Piaton gleich, nach ungewissem dunklem Gesetz, unvermögend etwas Dauerndes für sich zu bilden." Schelling bezieht sich hier auf Piaton, Timaeus 52d4-53b5. Vgl. zum Strebecharakter des Platonischen Materialprinzips H. J. Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Piatonismus zwischen Piaton und Plotin, Amsterdam 2 1967, 326-329; H. Happ, Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff, Berlin, N e w York 1972, 203-208.
16
Zu Plutarchs Deutung der Platonischen Materie als einer irrationalen Urseele, die für Plutarch die Grundlage der Weltschöpfung ist, vgl. W. Deuse, Untersuchungen zur mittelplatonischen und neuplatonischen Seelenlehre, Mainz, Stuttgart 1983, bes. 12-27.
Jens Halfwassen
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dadurch ans Licht und zur Entfaltung bringt, was in ihr verborgen ist. Dieses Zusammenwirken der spontan produzierenden Kraft des Grundes und der gestaltgebenden und entfaltend aufschließenden Kraft der Idee ist nur möglich aufgrund der Einheit dieser beiden Prinzipien im Geist; es ist darum der Geist, der die Welt als frei schaffender, allmächtiger Wille erschafft, um sich in ihr als frei über sich hinausgehende, sich mitteilende Güte oder Liebe zu offenbaren. Der Geist kann in seiner Einheit aber nur in einem Wesen offenbar werden, das selber Geist ist und das somit als die Identität der Spontaneität des Grundes mit der Bestimmungskraft der Idee wie Gott selber geisthafter Wille ist, der sich frei zu sich selbst bestimmt: Dies ist der Mensch. Die dritte Stufe der göttlichen Selbstoffenbarung ist darum die Geschichte, in der sich die Selbstbestimmung des menschlichen Geistes als Wille vollzieht und die darum anders als die von Notwendigkeit bestimmte Natur eine Geschichte der Freiheit ist. Für Schelling ist im Menschen anders als in allen Naturwesen der Grund mit der Idee nicht bloß in einer bestimmten Konfiguration verbunden, sondern beide Prinzipien sind in der Einheit des Geistes zu vollkommener Identität verschmolzen. 17 Wie jedes Naturwesen ist auch der Mensch kraft des Grundes ein in sich zentriertes, selbständiges Individuum, das kraft der Idee ein sich entfaltendes, über seinen jeweiligen Zustand hinausgehendes Leben hat. Der Mensch realisiert in dieser Entfaltung aber nicht bloß einen Ausschnitt aus der Wesensftille der Ideen, sondern den λόγος selbst als die ganze Fülle der Ideen. Darum ist das zum λόγος aufgeschlossene menschliche Selbst anders als das aller Naturwesen auch nicht bloß individuell, sondern selber λόγος-haft und geistig, d. h. fähig zum freien Hinausgehen über seine individuelle Besonderheit und Begrenztheit im vernünftigen Ausgriff auf das Ganze der Wirklichkeit. Auf dieser Geistigkeit beruht die Freiheit des Menschen. Sie ist aber noch nicht die spezifisch menschliche Freiheit. Das Spezifische der menschlichen Freiheit besteht vielmehr darin, daß im Menschen das Verhältnis von λόγος und Selbst selber ein frei bestimmtes ist: Das „Band der Prinzipien in ihm ist kein notwendiges, sondern ein freies", 18 so Schelling. An sich ist in der Einheit des Geistes der λόγος als Inbegriff der Ideen von sich her das Bestimmende und das dem Grund entsprungene Selbst von sich her das Bestimmte. Schelling nennt dieses Verhältnis der Prinzipien den Universalwillen, der sich von der Allgemeinheit des λόγος bestimmen läßt. Der Mensch ist aber frei, dieses Verhältnis
17
Vgl. - auch zum Folgenden - Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 363-364; dazu J. Halfwassen, Die Bestimmung des Menschen in Schellings ,Freiheitsschrift', in: Aktive Gelassenheit. Festschrift für Heinrich Beck, hrsg. von E. S. Kim, E. Schädel, U. Voigt, Frankfurt a. M., Bern 1999, 503515.
18
Schelling, Philosophische 374.
Untersuchungen
über das Wesen der menschlichen
Freiheit,
Freiheit und Transzendenz
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der Prinzipien in sich umzukehren, also sein individuelles, begrenztes Selbst in sich bestimmend werden zu lassen und ihm den λόγος als eine bloß noch instrumenteile Vernunft unterzuordnen. Eine solche Verkehrung der Prinzipien nennt Schelling den Partikularwillen und bestimmt sie als das Wesen des Bösen. 19 In einer solchen Prinzipienverkehrung, in der Selbst und λόγος die Rollen vertauschen, wendet sich der Geist gleichsam gegen sich selbst und verfehlt sein eigentliches Wesen, das gerade auf der Allgemeinheit des λόγος beruht. Die Möglichkeit zu solcher Verkehrung und Selbstverfehlung liegt aber unaufhebbar in der Freiheit des Menschen. Der Mensch bleibt auch als Partikularwille Geist; er bleibt bestimmt durch das Hinausgehen der Vernunft über jede naturhafte Begrenzung im Ausgriff auf das Ganze. Aber gerade diesen vernünftigen Ausgriff auf das Ganze stellt der Partikularwille in den Dienst der Eigensucht seines begrenzten Ego. - Die spezifisch menschliche Freiheit liegt also für Schelling darin, daß der Mensch sich frei dazu bestimmen muß, entweder die Allgemeinheit der Vernunft oder den Eigenwillen seines individuellen Selbst zur Maxime seiner Handlungen und zum bestimmenden Prinzip seines Lebens zu machen; darin besteht seine Freiheit zum Guten oder zum Bösen.
II. Schellings Bestimmung der absoluten Freiheit Den Gedanken einer absoluten Freiheit in Absetzung von dieser spezifisch menschlichen Freiheit entwickelt Schelling in der Freiheitsschrift noch nicht, sondern erst in den Weltalter-Fragmenten. Doch den entscheidenden Ansatz dazu enthält schon die Freiheitsschrift: nämlich die Transzendenz des Absoluten. Schelling deckt sie als die Voraussetzung des Potenzenverhältnisses auf, und er argumentiert dabei genuin henologisch. Als Selbstbestimmung beruht Freiheit auf dem Verhältnis der Prinzipien des spontan produzierenden Grundes und der bestimmenden Idee, und zwar genauer auf der Identität dieser Prinzipien im Geist. Gerade diese Identität der von sich her verschiedenen Prinzipien bedarf aber selber eines Grundes. Der Einheitsgrund, der das Verhältnis der Potenzen ursprünglich ermöglicht, kann nun nicht der Geist sein; denn die Identität von Grund und Idee setzt deren Unterschied ja schon voraus. Jede Unterscheidung aber setzt ihrerseits eine allem Unterschied ursprünglich vorgängige Einheit voraus: die reine Einheit, in der kein Unterschied mehr ist und die darum den Potenzen und ihren Verhältnissen transzendent bleibt. So behauptet Schelling: Es „muß vor allem Grund und allem Existirenden, also überhaupt vor aller Dualität, ein Wesen seyn; wie können wir es anders nennen als den Urgrund
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Vgl. Schelling, Philosophische heit, bes. 365.
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oder vielmehr Ungrundl Da es vor allen Gegensätzen vorhergeht, so können diese in ihm nicht unterscheidbar noch auf irgendeine Weise vorhanden seyn. Es kann daher nicht als die Identität, es kann nur als die absolute Indifferenz beider bezeichnet werden ... Die Indifferenz ist nicht ein Produkt der Gegensätze, noch sind sie implicite in ihr enthalten, sondern sie ist ein eigenes von allem Gegensatz geschiedenes Wesen, an dem alle Gegensätze sich brechen, das nichts anderes ist als eben das Nichtseyn derselben, und das darum auch kein Prädicat hat als eben das der Prädicatlosigkeit, ohne daß es deßwegen ein Nichts oder ein Unding wäre." 20 Diese absolute Priorität der reinen Einheit der Indifferenz ist das henologische Fundament der Freiheit; und genau darin zeigt sich Schellings Verwandtschaft mit dem Piatonismus am deutlichsten. Zwar stammt der Terminus „Ungrund" von Jacob Böhme; doch Schelling benutzt ihn wohl nur, um auszudrücken, daß die reine Einheit der Indifferenz ursprünglicher ist selbst als der Grund, die erste Potenz; das Absolute ist somit nicht selber Moment innerhalb der Relationalität der Potenzen, auch nicht deren Ganzheit, sondern deren transzendenter Ursprung, dem die Potenzen ihre relationale Einheit im Geist verdanken. Mit dieser Begründung der Selbstvermittlung des Geistes in einem transzendenten Prinzip unterschiedslos einfacher Einheit nimmt Schelling unbeschadet seiner Kritik am Emanationsgedanken die Grundkonstellation der Metaphysik Plotins auf. 21 Schellings Anknüpfung an den Piatonismus wird noch deutlicher, sobald er die Transzendenz des Absoluten genauer expliziert. Bereits im ersten WeltalterDruck von 1811 spricht Schelling nämlich mit Berufung auf die Tradition - und zwar unverkennbar die des Piatonismus - die Seinstranszendenz des Absoluten aus: „Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren, daß das Seyn schon ein tieferer Zustand des Wesens, und daß sein urerster unbedingter Zustand über allem Seyn ist." 22 Schelling erläutert dies ganz im Sinne von Piatons
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Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 406. Zu Plotin vgl. W. Beierwaltes, Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit. Plotins Enneade V 3. Text, Ubersetzung, Interpretation, Erläuterungen, Frankfurt a. M. 1991. Zum Verhältnis von Neuplatonismus und Idealismus speziell hinsichtlich des Verhältnisses von Geist und absolutem Einen vgl. J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung, Bonn 1999. F. W. J. Schelling, Die Weltalter. Erstes Buch: Die Vergangenheit. Druck I, 1811, in: ders., Die Weltalter. Fragmente. In den Urfassungen von 1811 und 1813, hrsg. von M. Schröter, München 4 1993, 14. - Zum Übersein des Absoluten bei Schelling vgl. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, 80-82, 111-113; Plotins Gedanken in Schelling, spez. 205-206 (mit zahlreichen weiteren Belegstellen). - Zu Schellings Spätphilosophie, die von dieser Konzeption eines transzendenten, überseienden Absoluten aus-
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Gleichsetzung des Guten mit dem Einen: „Wir haben sonst das Höchste ausgesprochen als die wahre, die absolute Einheit von Subjekt und Objekt, da keins von beyden und doch die Kraft zu beyden ist ... Ihr Wesen ist nichts als Huld, Liebe und Einfalt" - Einfalt im Sinne von reiner, unterschiedsloser Einfachheit, Huld und Liebe aber, weil die reine Einfachheit sich allem Seienden neidlos mitteilt: „Sie ist im Menschen die wahre Menschheit, in Gott die Gottheit." 23 Denn jedes Seiende ist das, was es ist, nur kraft der Einheit, die es dem Übersein verdankt, das Schelling wie Plotin sogar „Nichts" nennt. 24 Die Selbstmitteilung des Einen entspringt gerade seiner überseienden Nichtigkeit, die zugleich absolute Fülle ist, wie Schelling durch eine Methodenreflexion deutlich macht: „Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Innere oder Aeußere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß Eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten." 25 Gerade aufgrund seiner inneren Überfülle also kann das Eine keine Eigenschaften, keine ihm zukommenden Bestimmungen haben. Die Negation aller Prädikate meint so die reine Transzendenz dessen, dem sie abgesprochen werden. Was Schelling intendiert, ist also eine transzendierende Negation im Sinne von Plotin und Proklos. 26 Wie für Plotin, Proklos und Dionysius Pseudo-Areopagita ist das überseiende Eine auch für Schelling nicht Gott, sofern Gott trinitarisch sich selbst ver-
geht, bleibt grundlegend W. Schulz, Die Vollendung des deutschen Idealismus in der Spätphilosophie Schellings, Pfullingen 2 1975. - Zur neuplatonischen Konzeption der absoluten Transzendenz des Einen und zu ihrer Herkunft von Piaton und Speusipp vgl. J. Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Piaton und Plotin, Stuttgart 1992. - Ausgesprochen hat die Seinstranszendenz des Absoluten als erster Piaton, Res publica 509b6-10; Parmenides 141e3-142al; Test. Plat. 50 Gaiser (Speusipp). Zu Piatons Gleichsetzung des Guten mit dem Einen vgl. Aristoteles, Metaph. XIV 4, 1091bl315; Eth. Eud. 18, 1218al5-30. 23 24
Schelling, Die Weltalter. Druck I, 15-16. Vgl. Schelling, Weltalter. Druck I, 14-15: „Den meisten, weil sie jene höchste Freyheit nie empfanden, scheint es das Höchste, ein Seyendes oder Subjekt zu seyn; daher fragen sie: was denn über dem Seyn gedacht werden könne? und antworten sich selbst: Das Nichts, oder dem Aehnliches. Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Freyheit ein Nichts ist." Vgl. Plotinus, Enn. III 8, 10, 28 (Creuzer hatte diese Schrift Plotins 1805 ins Deutsche übersetzt, Schelling hat sich Exzerpte aus ihr gemacht; vgl. Beierwaltes, Piatonis mus und Idealismus, 103-104).
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Schelling, Weltalter. Druck I, 15. Vgl. zur Negation als Ausdruck der Transzendenz W. Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, Frankfurt a. M. 2 1979, 339-366, bes. 348-357. - Zu Hegels Versuch einer spekulativen Aufhebung der negativen Theologie vgl. J. Halfwassen, Hegels Auseinandersetzung mit dem Absoluten der negativen Theologie, in: Der Begriff als die Wahrheit. Zum Anspruch der Hegeischen ,subjektiven Logik', hrsg. von A. F. Koch, A. Oberauer, K. Utz, Paderborn 2002, 31-47.
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mittelnder Geist ist: „Daher wir gewagt, jene Einfalt des Wesens über Gott zu setzen, wie schon einige der Aelteren von einer Ueber-Gottheit geredet." 27 Inwiefern ist aber die Transzendenz des Einen die letzte Begründung der Freiheit? Und wieso kann sie selber als absolute Freiheit begriffen werden? Die Antwort auf beide Fragen ergibt sich aus Schellings eigenwilliger Argumentation für das Übersein, die nicht leicht zu durchschauen ist und nur von der Potenzenlehre der Freiheitsschrift her einleuchtet. Schelling sagt nämlich: „Einem jeden von uns wohnt das Gefühl bey, daß Die Nothwendigkeit dem Seyn als sein Verhängnis folgt." 28 Gemeint ist wohl folgendes: Das ursprünglich seinssetzende Prinzip ist der Grund, der als blind produzierende Kraft für sich das Gegenteil vernünftiger Freiheit, nämlich wie Piatons Materie blinde, bewußtlose Notwendigkeit, ανάγκη, ist; kraft seiner Herkunft aus dem Grund folgt dem Sein die Notwendigkeit als ein Verhängtes, ein der freien Wahl Entzogenes. Daß ich existiere, ist kein Akt meiner Freiheit, sondern ich muß mein Sein als ein unvorgreiflich vorgegebenes Faktum oder Fatum hinnehmen. Für den späten Schelling wird dies ein entscheidender Einwand gegen Hegel, der eine autonome Selbstbegründung der Vernunft, wie sie Hegels Logik intendiert, in Schellings Augen zum Scheitern verurteilt. 29 Aus dem Notwendigkeitscharakter des Seins folgt zugleich, daß allem Seienden immer nur eine eingeschränkte, aber keine absolute Freiheit möglich ist. Auch die sua sponte vollzogene Selbstentfaltung, durch die sich die Wesensfülle des λόγος im Seienden realisiert, ist kein reines Freiheitsgeschehen. Denn durch diese vom λόγος bestimmte Entfaltung kommt Schelling zufolge nur ans Licht und zur Aktualität, was in der Unbestimmtheit des Grundes implicite und im Modus der Möglichkeit schon enthalten war. Der Grund ist keine leere Projektionsfläche der Ideen, sondern er enthält die Totalität aller Ideen schon in sich, nur unaufgeschlossen und verborgen. 30 Die Entfaltung des Seienden zur Aktuali-
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Schelling, Weltalter. Druck I, 16. Schelling bezieht sich damit wohl auf Dionysius Pseudo-Areopagita, De divinis nominibus IV 1; XI 6 (diese Stelle ist zitiert bei dem von Schelling oft benutzten J. Gerhard, Locorum Theologicorum Tomus Tertius, Tübingen 1764, 72); XIII 3; De mystica theologia. I 1. Daß das überseiende Absolute mehr als Gott ist, formuliert schon Plotinus, Enn. VI 9, 6, 12-16 (Auszüge aus Enn. VI 9 fand Schelling in Windischmanns „Stellen aus Plotinos"); ebenso Proclus, In Parmenidem 1108, 29-1109, 7 Cousin u. ö. Schelling, Weltalter. Druck I, 14. Vgl. dazu Schulz, Die Vollendung des deutschen Idealismus, passim; ferner M. Frank, Der unendliche Mangel an Sein. Schellings Hegelkritik und die Anfänge der Manschen Dialektik, Frankfurt a. M. 1975, bes. 135-154; M. Theunissen, Die Aufhebung des Idealismus in der Spätphilosophie Schellings, in: Philosophisches Jahrbuch 83 (1976), 1-29; ders., Die Idealismuskritik in Schellings Theorie der negativen Philosophie, in: Ist systematische Philosophie möglich?, hrsg. von D. Henrich, Bonn 1977, 173-191. Vgl. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Frei-
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tät seines vollen Wesens erfolgt dämm zwar spontan, aber kraft einer ontologischen Intentionalität, die aller Selbstbestimmung vorausgeht und ihr gerade als ihre Ermöglichung ewig entzogen bleibt, so daß Schelling sagen kann: „Wollen ist Ursein." 31 Ebendiese Intentionalität des Seins ist fur Schelling nun aber Ausdruck eines Mangels: Die unaufgeschlossene Latenz des Grundes hält es bei sich nicht aus, sie muß über sich hinaus. Das Seiende ist aufgrund des Grundes nicht frei, sich zu entfalten oder nicht zu entfalten: „Alles Seyende hat den Stachel des Fortschreitens, des sich Ausbreitens in sich, Unendliches ist in ihm verschlossen, das es aussprechen möchte", 32 so Schelling. Dies ist das Wesensgesetz alles Seienden. Auch die bewußte Selbstbestimmung des Geistes vollzieht sich immer schon eingelassen in ein Entfaltungsgeschehen, über das der Geist nicht Herr ist, weil es vor allem Zusichkommen des Geistes immer schon in Gang gesetzt ist. Reflexives Zusichkommen setzt somit ein Seinsgeschehen voraus, das nicht die Reflexion, sondern die blinde, unbewußte Intentionalität des Grundes in Gang setzt und in Gang hält. Für Schelling folgt daraus: „Nur über dem Seyn wohnt die wahre, die ewige Freyheit. Freyheit ist der bejahende Begriff der Ewigkeit oder dessen, was über aller Zeit ist." 33 „Ewigkeit" heißt das überseiende Eine vor dem Hintergrund des ontologischen Zeitkonzepts der Weltalter, das Zeit nicht als Verlaufsform von Naturprozessen oder Bewußtseinsströmen versteht, sondern als das Ganze jenes Entfaltungsgeschehens, durch das sich das Seiende aus der Verschlossenheit des Grundes zu sich und zu seiner Erfüllung im Geist vermittelt. Als Einheitsgrund der dieses Entfaltungsgeschehen konstituierenden Potenzen ist das Eine darum in keiner Zeit, sondern Ewigkeit über aller Zeit. Der positive Begriff dieses allein Überzeitlichen und Überseienden ist Schelling zufolge Freiheit, allerdings nicht Freiheit im Sinne des sich reflexiv selbst bestimmenden Willens, des Geistes. Freiheit ist das Absolute vielmehr gerade aufgrund seiner Überseiendheit, durch die es dem Ganzen des durch den blinden Grund initiierten und in Gang gehaltenen Geschehens der Seinsentfaltung entnommen ist. Weil alles Sein sich zuletzt der blinden Notwendigkeit des Grundes verdankt, darum ist absolut frei allein das, was über allem Sein ist. Absolute Freiheit meint also keine Erfüllung einer Intention und kein Wollen, sondern gerade umgekehrt das Freisein von aller Intentionalität, wie Schelling an der Paradoxie eines nicht-wollenden Wil-
heit, 361: „Weil nämlich dieses Wesen ... nichts anderes ist als der ewige Grund zur Existenz Gottes, so muß es in sich selbst, obwohl verschlossen, das Wesen Gottes [d. h. die Einheit aller Ideen] gleichsam als einen im Dunkel der Tiefe leuchtenden Lebensblick enthalten." 31 32 33
Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen 350. Schelling, Weltalter. Druck I, 14; ähnlich Plotinus, Enn. IV 8, 6, 6-16. Schelling, Weltalter. Druck I, 14.
Freiheit,
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lens erläutert: Die lautere Freiheit ist ein Nichts, „wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Er ist Nichts, inwiefern er weder selbst wirkend zu werden begehrt, noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist Alles, weil doch von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird." 34 Absolute Freiheit ist hier also gerade nicht als Selbstbestimmung gedacht, sondern als Freiheit von aller Bestimmtheit und eben darum auch zu aller Bestimmtheit. Diese Freiheit von aller Bestimmtheit ist aber keine Leere, sondern vielmehr die absolute Erfüllung, die gerade als absolute ohne reflexives Beisichsein und darum auch ohne Wissen von sich ist, wie Schelling deutlich macht: „Es ist die reine Frohheit in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, die stille Innigkeit, die sich freut ihres nicht Seyns." 35 Die zitierte Formulierung macht zugleich deutlich, daß die absolute Freiheit in sich selbst Tätigkeit ist, aber eine reine oder absolute Tätigkeit, die gerade als absolute ohne ein Tätiges, ohne ein Subjekt ist, das sich in dieser Tätigkeit bestimmt. Diese absolute Tätigkeit hat darum, wie Walter Schulz zu Recht betont hat, auch nicht mehr den Charakter der Subjektivität, sondern sie ist das, was die Subjektivität zu ihrer tätigen Selbstvermittlung allererst ermächtigt. 36 Die von ihr ermächtigte Selbstvermittlung aber ist gerade aufgrund ihrer reflexiven Struktur keine reine, sondern nur noch eine derivierte Freiheit. Subjektivität, Sich-Wissen, Selbstbewußtsein, das durch seine Tätigkeit zu sich kommt, bestimmt darin sich selbst und ist so zwar frei, es kommt zu sich selber aber nur durch jenes ontologische Entfaltungsgeschehen, über das das Selbstbewußtsein nicht Herr ist. Es ist darum nicht frei, sich selbst zu setzen oder nicht zu setzen, sondern es muß sich in und vor aller Selbstbestimmung immer schon als ein bereits existierendes hinnehmen, es hat anders gesagt nur sein Wassein als ein selbstbestimmtes, sein Daßsein, das Faktum seiner Existenz, aber als ein unvordenklich vorgegebenes. Dagegen ist das absolute Eine, wie Schelling dann in seiner Spätphilosophie weiter ausführt, gerade zufolge seiner Transzendenz über das Sein frei, das Sein zu setzen oder nicht zu setzen. In dieser Freiheit, das Sein zu setzen oder nicht zu setzen, ist es „Herr des Seyns", 37 Herr über den theogonischen und kosmogonischen Prozeß der Seins34
Schelling, Weltalter. Druck I, 15. - Zum Einen als Nichts und Allem in diesem Sinne vgl. Plotinus, Enn. V 2, 1, 1-7; III 9, 4.
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Schelling, Weltalter. Druck I, 16. Vgl. Schulz, Die Vollendung des deutschen Idealismus, bes. 52-72. Vgl. F. W. J. Schelling, Darstellung des philosophischen Empirismus. Aus der Einleitung in die Philosophie, in: Sämmtliche Werke, Bd. 10, 260-263; ders., Philosophische
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entfaltung. Als die reflexionslos in sich wesende, seinslose reine Tätigkeit, die alle Selbstvermittlung allererst zu ihr selbst ermächtigt, ist das Eine auch über diese Ermächtigung selber noch mächtig, es ist frei, die Selbstvermittlung der Subjektivität zu ermächtigen oder nicht. Absolute Freiheit meint so ein Doppeltes: 1. das Herausgenommensein aus dem Entfaltungszusammenhang des Seins im ganzen; 2. die freie Macht, diesen Entfaltungszusammenhang in seiner Totalität zu setzen oder nicht zu setzen. Diese freie, weil durch nichts, auch nicht durch sich selbst bestimmte Mächtigkeit zur Setzung des Seinszusammenhangs ist selber kein Setzen, sondern reiner Überschwang, „absolute Transscendenz". 38 Erst dies ist die absolute Freiheit. Die absolute Freiheit der Transzendenz ist zugleich der absolute Ursprung jeder endlichen Freiheit. Denn das Übersein ermächtigt in einem Akt unvordenklicher und unvorgreiflicher Freiheit die Potenzen zu ihrer relationalen Einheit und damit zur prozessualen Entfaltung des Seins. Der letzte Grund der menschlichen Freiheit ist somit nicht der Grund, sondern jener Urgrund oder „Ungrund", dessen erste, unbestimmteste und in jedem Sinne des Wortes vorläufigste Manifestation der Grund selber ist. Als Freiheit aber manifestiert sich der überseiende Urgrund nicht im Grund und auch nicht im λόγος, sondern erst in der freien Selbstbestimmung des Geistes. Der Freiheitsschrift zufolge ist der Geist frei, weil in ihm das dem Grund entsprungene Selbst selber zum λόγος aufgeschlossen und dadurch von der blinden Notwendigkeit des Grundes befreit ist; genau dies macht den Geist zur Person. 39 Als das ermächtigende Prinzip dieser geistigen Freiheit der Person kann Schelling das überseiende Absolute den „absolut freien Geist" und die „absolute Persönlichkeit" nennen. 40
Einleitung in die Philosophie der Mythologie oder Darstellung der reinrationalen Philosophie, in: Sämmtliche Werke, Bd. 11, 564, 571; ders., Philosophie der Mythologie. Der Monotheismus, in: Sämmtliche Werke, Bd. 12, 33; ders., Einleitung in die Philosophie der Offenbarung oder Begründung der positiven Philosophie, in: Sämmtliche Werke, Bd. 13, 160; ders., Andere Deduction der Principien der positiven Philosophie, in: Sämmtliche Werke, Bd. 14, 350 u. ö. - Analog dazu ist Piatons Benennung des Einen als „König von Allem" (Ep. II 3 1 2 e l - 2 ) und der mit dem Einen identischen Idee des Guten als „Herrin, die Wahrheit und Geist gewährt" (Res publica 517c4). 38 39
Schelling, Einleitung in die Philosophie der Offenbarung, 128, 132, 1 6 5 , 2 1 5 , 2 4 0 , 2 5 6 . Vgl. Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, 364: „Das aus dem Grunde der Natur emporgehobene Princip, wodurch der Mensch von Gott geschieden ist, ist die Selbstheit in ihm, die aber durch ihre Einheit mit dem idealen Princip Geist wird. Die Selbstheit als solche ist Geist, oder der Mensch ist Geist als ein selbstisches, besonderes (von Gott geschiedenes) Wesen, welche Verbindung eben die Persönlichkeit ausmacht."
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Vgl. F. W. J. Schelling, Philosophie
der Offenbarung
1841/42
(Paulus-Nachschrift),
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Dabei besteht die Freiheit dieses absoluten Geistes Schelling zufolge gerade in seiner Transzendenz über sein eigenes Geist-Sein: „Der absolute Geist ist der auch von sich selbst, von seinem als Geist Seyn wieder freie Geist; ihm ist auch das α/s-Geist-Seyn nur wieder eine Art oder Weise des Seyns; - dieß, auch an sich selbst nicht gebunden zu seyn, gibt ihm erst jene absolute, jene transcendente, überschwengliche Freiheit, deren Gedanke ... erst alle Gefäße unseres Denkens und Erkennens so ausdehnt, daß wir fühlen, wir sind nun bei dem Höchsten, wir haben dasjenige erreicht, worüber nichts Höheres gedacht werden kann. — Freiheit ist unser Höchstes, unsere Gottheit, diese wollen wir als letzte Ursache aller Dinge." 41
III. Zum Freiheitsbegriff Plotins In Schellings Begründung der Freiheit im Übersein erreicht das idealistische Freiheitsdenken seine äußerste Möglichkeit und insofern seine Vollendung. Sie denkt Freiheit nicht nur als Autonomie des Selbstseins und seiner Selbstbestimmung, sondern darüber hinaus als den Herrn des Seins, der alles selbstbestimmte Selbstsein kraft seiner eigenen Überseiendheit allererst frei zu sich ermächtigt. Sie begreift also Freiheit als Transzendenz. Damit ist zugleich der Beweis erbracht, daß die Metaphysik des Einen den neuzeitlichen Freiheitsgedanken nicht nur zu integrieren vermag, sondern daß gerade sie die letzte metaphysische Begründung und Rechtfertigung der Freiheit leistet. Darum kann das Denken des Einen auch unter den philosophischen Bedingungen der Moderne noch den Anspruch erheben, mehr zu sein als bloße Theorie und den vernünftigen Gebrauch der Freiheit zu leiten. Ist nun diese freiheitstheoretische Wendung der Metaphysik des Einen, wie sie Schelling vollzieht, eine spezifische Entwicklung erst des neueren Idealismus? Daß das nicht der Fall ist, soll ein abschließender Blick auf Plotin zeigen. In seiner Schrift Über den freien Willen und das Wollen des Einen (Enneade VI 8) begründet Plotin die menschliche Freiheit in dreifacher Schrittfolge in der absoluten Transzendenz des Einen, die er, wie Schelling, selber als absolute Freiheit auslegt. 42 In einem ersten Schritt begründet er die praktische Freiheit
41
42
hrsg. von M. Frank, Frankfurt a. M. 2 1993, 174-175; ders., Urfassung der Philosophie der Offenbarung, hrsg. von W. E. Ehrhardt, Teilband 1, Hamburg 1992, 78-79. Schelling, Der Philosophie der Offenbarung erster Theil, in: Sämmtliche Werke, Bd. 13, 256. Vgl. Philosophie der Offenbarung 1841/42, 174: „Gott ist der absolut freie Geist, der auch über das, worin er Geist ist, sich schwingt, auch an sich als Geist nicht gebunden ist oder sich als Geist nur als eine Potenz von sich behandelt: das ist erst das Überschwengliche·." Zur Interpretation dieser Schrift vgl. W. Beierwaltes, Einfuhrung zu Plotin: Geist -
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des Willens (βούλησις) und des von ihm geleiteten Handelns (πράξις) in der Freiheit des Geistes, des νους. 43 Denn frei ist eine Handlung Plotin zufolge nicht schon dann, wenn sie frei von äußerem Zwang erfolgt, sondern erst und ausschließlich dann, wenn sie aus vernünftiger Einsicht vollzogen wird. Handlungen, die ohne äußeren Zwang aus blinder Leidenschaft oder sonst aus einem nicht vernunftgeleiteten Impuls des Handelnden erfolgen, sind dagegen nicht freigewollt (έκούσιον) und selbstbestimmt (αύτεξούσιον) zu nennen, weil das sie Bewirkende nicht unser eigentliches Selbst ist, als das Plotin mit Piaton die Vernunftseele ansieht. Das Prinzip des freien Willens ist somit die Einsicht, und darum ist der eigentliche Ort der Freiheit der νους als der Inbegriff aller Einsicht. Der Geist selber ist darum im eminenten und paradigmatischen Sinne frei. Der absolute Geist aber ist ewig und unveränderlich, so daß seine eminente Freiheit nicht mehr als einsichtsgeleitete Wahl zwischen Handlungsalternativen begriffen werden kann. Vielmehr besteht die eminente Freiheit des Geistes darin, daß er sein eigenes Wesen ungehindert verwirklicht oder zeitlos immer schon verwirklicht hat. Die Tätigkeit des absoluten Geistes, das ewige Denken seiner selbst, ist selber das Sein und Wesen des Geistes. Insofern diese Tätigkeit, wie jede Tätigkeit, eine Intention voraussetzt, die aber in ihr als ewiger Tätigkeit immer schon erfüllt ist, sind im νους sein Sein (ουσία), seine Tätigkeit (ένέργεια) und sein Wollen (βούλησις) identisch: „Sein Wille ist sein Denken" (ή δέ βούλησις ή νόησις), 44 so Plotin. Somit ist die Freiheit des Geistes die Freiheit des Selbstseins, die zugleich die Grundlage der praktischen Freiheit der vernünftigen Seele bildet. Freiheit ist sie, weil der Geist in seiner Tätigkeit, die er selbst ist, nur sich selbst bestimmt, indem seine Tätigkeit sein eigenes Sein vollzieht. 45 Mit diesem Gedanken der Freiheit des νους als intelligibler Selbstbestimmung erreicht Plotin die Dimension der idealistischen Freiheitslehren. In einem zweiten Schritt begründet Plotin die Freiheit des Geistes sodann in seinem Transzendenzbezug zum absoluten Einen. 46 Als Selbstbestimmung ist Freiheit eine sich zu sich selbst vermittelnde Einheit; ihr Vollzug schließt die Selbstunterscheidung in Bestimmendes und Bestimmtes und deren Vereinigung
Ideen - Freiheit. Enneade V 9 und VI 8. Griechischer Lesetext und Übersetzung von R. Harder, in einer Neubearb. fortgeführt von R. Beutler, W. Theiler, eingel., mit Bemerkungen zu Text und Übers, und mit bibliographischen Hinweisen versehen von W. Beierwaltes, Hamburg 1990, XI-XLII, bes. XXIX-XLII. Aufschlußreich sind ferner P. Henry, Le probleme de la liberie chez Plotin, in: Revue Neoscolastique 33 (1931), 50-79, 180-215, 318-339; G. Leroux, Plotin. Traite sur la Liberie et la Volonte de l'Un, Paris 1990; D. J. O'Meara, The Freedom of the One, in: Phronesis 37 (1990), 145-156. 43 44 45 46
Vgl. Plotinus, Enn. VI Plotinus, Enn. VI 8, 6, Vgl. Plotinus, Enn. VI Vgl. Plotinus, Enn. VI
8, 1-6. 36. 8, 4, 26-32; 6, 32-45. 8, 4, 4-22. 33-40; 6, 38-43; 7, 1-6. 27-32; 12, 13-22.
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in die Einheit des sich bestimmenden Selbst ein, so daß sie eine „Zweiheit als Einheit" (δύο ώς έν) 47 ist, die als solche die reine Einheit immer schon voraussetzt und von ihr zu ihrem Selbstvollzug als Einheit allererst ermächtigt wird. Vollendete Freiheit ist der Geist ferner auch darum, weil er das in allem freien Handeln angestrebte Ziel, das Gute, immer schon realisiert hat und immer schon besitzt. Das wahrhaft Gute aber ist nichts dem Handelnden selber Äußerliches, sondern gemäß Platonischer Lehre die vollendete Einheit des Handelnden mit sich selbst, in der sich sein Wesen erfüllt, im Falle des Geistes also sein vollkommenes Beisichselbstsein, seine ewige intellektuelle Selbstanschauung. Indem der Geist das Gute als seine vollkommene Einheit mit sich selbst realisiert, bestimmt er sich selbst als das, was er sein soll, und ist dabei zugleich - da sein Denken sein Wille ist - das, was er selbst sein will. Diese Selbstbestimmung zum Guten aber setzt immer schon den leitenden Vorblick auf das Eine selbst als das Gute schlechthin voraus, um sich vollziehen zu können. So verdankt der Geist seine Freiheit, die in seinem absoluten Selbstbezug liegt, seinem Transzendenzbezug auf das absolute Eine. Im dritten Schritt legt Plotin nun die absolute Transzendenz des Einen selbst als absolute Freiheit aus. 48 In ungeheuer dichten und intensiven Meditationen schlingt er dabei drei Gedankenreihen ineinander, von denen die erste gemäß der Methode der transzendierenden Negation das Eine selbst als das absolute Prinzip von Freiheit und Selbstbestimmung in seiner reinen Transzendenz auch über Freiheit und Selbstbestimmung hinaushebt, wie sie als Seinsbestimmungen zuhöchst im Geist gedacht werden. 49 Dagegen schreibt die zweite Gedankenreihe gemäß der Methode der Analogie und unter dem immer wieder erneut eingeschärften Vorbehalt der Uneigentlichkeit - angezeigt jeweils durch ein ,οΐον' - dem Einen selber Freiheit und Selbstbestimmung, ja Selbstliebe, Sich-selbst-Wollen und absolute Selbstbegründung zu, 50 und zwar so, daß sie den Selbstbezug im Sich-selbst-Lieben, Sich-selbst-Wollen und Sich-selbstBegründen bis zur unterschiedslos einfachen Einheit seiner Relata steigert und intensiviert und dadurch gerade jene Unterschiedenheit der Momente «Versteigt, die den Selbstbezug des Geistes als Selbstbezug im eigentlichen Sinne konstituiert; so erscheint die Freiheit des Absoluten in analogischer Perspektive als „Quasi-Geist im Einen, der nicht Geist ist, weil er absolute Einheit ist" (οΐον έν
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Plotinus, Enn. VI 8, 12, 35. Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 8-21. Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 7, 6-10; 8, 1-15 und 19-21; 12, 17-37; 15, 11-23. Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 7, 47-53; 9, 44-45; 13 ganz; 14, 40-42; 15, 1-10; 16, 12-39; 17, 24-27; 18, 38-53; 20 ganz; 21, 7-24. Dazu vgl. im einzelnen die eindringliche Auslegung von W. Beierwaltes, Causa sui. Plotins Begriff des Einen als Ursprung des Gedankens der Selbstursächlichkeit, in: Das wahre Selbst, 123-148.
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ένν νουν οϋ νοΰν δντα· εν γάρ). Die dritte Gedankenreihe hebt sodann diese uneigentliche und transzendente Quasi-Selbstbeziehung, Quasi-Selbstbegründung und Quasi-Selbstbestimmung des Absoluten erneut in die allumfassende Negation des άφελε π ά ν τ α auf, 52 aber nicht, um die in jenem Quasi-Selbstbezug intendierte Freiheit des Absoluten nun schlußendlich zurückzunehmen, sondern gerade umgekehrt, um die reine und absolute Transzendenz selbst, wie sie nur in radikaler Negation ausgrenzbar ist, als die absolute, die überschwengliche Freiheit einzusehen. Jene affirmativen Quasi-Prädikationen, die Plotin dem Einen in der zweiten Gedankenreihe zuspricht, erweisen sich damit als ein Durchgangsstadium seiner Argumentation, das die negative Theologie weder durchbricht noch einschränkt. Aber dieses Durchgangsstadium erweist sich gerade in seiner Vorläufigkeit als aufschlußreich und unentbehrlich, um die reine Transzendenz selber als absolute Freiheit einzusehen. Wenn der Quasi-Selbstbezug dem Einen auch nur unter Vorbehalt zugesprochen und in der Negation wieder zurückgenommen wird, so könnte er darum für Plotins Argumentationsziel doch keineswegs ebensogut ganz unterbleiben, weil erst die Übersteigerung der Selbstvermittlung des Geistes zur UnUnterscheidbarkeit ihrer Momente in einem absolut einfachen Selbstbezug, der eben durch seine absolute Einfachheit kein Se\bst-Bezug mehr ist, im Scheitern dieses Gedankens an seiner eigenen Unvollziehbarkeit die absolute Transzendenz in ihrer jede Relationalität übersteigenden Absolutheit als absolute Freiheit einsehen läßt. Denn die reine Transzendenz vollendet oder überbietet, was Freiheit schon auf der Stufe des Geistes und der vernünftigen Seele ausmacht. Plotin denkt Freiheit als dasjenige, wodurch Geist und Seele jeweils sie selbst sind, also als Selbstsein. 53 Positiv gedacht, bedeutet dies Selbstbestimmung, also Sich-selbstBejahen, Sich-selbst-Wollen und zuletzt Sich-selbst-Begründen. Als Selbstbestimmung hat positive Freiheit somit den Charakter einer Selbstbeziehung. Freiheit aber ist sie für Plotin offenbar nicht aufgrund des Beziehungscharakters dieser Selbstbeziehung, gemäß der sie sich selbst in Bestimmendes und Bestimmtes unterscheidet, sondern vielmehr aufgrund der in dieser Beziehung tätigen Selbstheit, die Bestimmendes und Bestimmtes zur Selbstbestimmung eint. Und doch ist gerade das sich selbst bestimmende Selbst kraft seiner Selbstbeziehung sowohl es selbst als auch relational ein anderes. Also begreifen wir absolu-
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Plotinus, Enn. VI 8, 18, 21-22. Im gleichen Sinne sagt Plotin von dem Einen, es sei „οίον έγρήγορσις ... και ύπερνόησις ... έγρήγορσίς έστιν έπέκεινα ουσίας και νου και ζωής εμφρονος ... ένέργεια ϋπέρ νοΰν και φρόνησιν και ζωήν" (Enn. VI 8, 16, 31-36). Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 9, 45-47; 10, 18-38; 11 ganz; 12 ganz; 19 ganz; 21, 24-33. Vgl. Plotinus, Enn. VI 8, 4, 4-12. 24-32; 5, 30-34; 6, 3-10. 32-43; 7, 36-37; 12, 3-17; 13, 20-24; 15, 23-26; vgl. 20, 30-36 (analogisch übertragen auf das Eine).
Jens Halfwassen
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te Freiheit erst dann und gerade dann, wenn wir das Selbst von der Beziehungshaftigkeit der Selbstbestimmung ablösen und in seiner Absolutheit transrelational für sich allein nehmen. Nur in dieser reinen Transzendenz liegt die absolute, die überschwengliche Freiheit. Genau diese transzendierende Herauslösung des relationslosen oder transrelationalen absoluten Selbst aus der Relationalität des Selbstbezugs vollzieht Plotin mit seiner Argumentation für die absolute Freiheit der Transzendenz; und dazu wird der Quasi-Selbstbezug des Einen zunächst experimentierend eingeführt und dann negierend überstiegen. Denn einzig und allein die reine Einheit in ihrer absoluten Transzendenz enthält nicht mehr den Unterschied von bestimmendem Selbst und mindestens relational davon unterschiedenem bestimmtem Selbst. Als das aus jedem Selbstbezug herausgenommene absolute Selbst ist das jenseitige Eine „ursprünglich Er Selbst und über das Sein hinaus Er Selbst" (πρώτως αυτός και ΰπερόντως αυτός), 5 4 und allein kraft dieser absoluten Transzendenz „ist Es als einziges in Wahrheit frei, weil Es auch sich selbst nicht dient, sondern nur Es Selbst und absolut Es Selbst ist [μόνον αυτό καν όντως αυτό], wo doch alles andere sowohl es selbst als auch ein anderes ist". 55
IV. Schlußbemerkung Blicken wir von Plotin zurück auf Schelling, so zeigt sich jetzt ihre präzise Übereinstimmung darin, absolute Freiheit als reine Transzendenz zu denken: Liegt sie für Schelling darin, daß das Absolute als „Herr des Seins" auch an sich selbst nicht gebunden ist, so besteht sie für Plotin darin, daß das Eine selbst „auch sich selbst nicht dient"; Schellings absoluter Geist, der von seinem eigenen Geist-Sein frei ist, entspricht so Plotins „Quasi-Geist im Einen, der nicht Geist ist": 56 Beide meinen das absolute, transzendente, vom Selbstbezug gelöste 54 55 56
Plotinus, Enn. VI 8, 14, 42. Plotinus, Enn. VI 8, 21, 30-33. Schelling kannte Auszüge aus Enn. VI 8 - Plotins .Freiheitsschrift' - durch Windischmanns „Stellen aus Plotinos". Er beruft sich in einer Münchener Vorlesung über das System der Weltalter von 1827/28 sogar auf eine zentrale Aussage Plotins in dieser Schrift zur Bestätigung seiner eigenen Auffassung von absoluter Freiheit, der zufolge Gott als „Herr des Seins" auch an sein eigenes Sein nicht gebunden sei: „Daraus läßt sich auch das Wort eines Platonikers verstehen: ,Gott ist nicht wie er sich trifft, sondern wie er selbst wirkt und wollende Ursache seiner selbst ist.' Er ist vor sich selbst und durch sich selbst. Ursache seines Seins will er selbst sein und er ist, was er will. Der Wille, das zu sein, was er ist, ist er selbst, er selbst ist eben nur der Wille, er selbst zu sein; er ist nicht ohne seinen Willen" (System der Weltalter. Münchener Vorlesungen 1827/28 in einer Nachschrift von Ernst von Lasaulx, hrsg. von S. Peetz, Frankfurt a. M. 1990, 135). Dazu vgl. Beierwaltes, Plotins Gedanken in Schelling, 223-227.
Freiheit und Transzendenz
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und genau darum schlechthin freie Selbst, das, gerade weil es nicht auf sich selbst bezogen ist, frei ist, alles andere zu setzen, und zwar so zu setzen, daß es dies andere zu seinem eigenen Freiheitsvollzug ermächtigt. Darin aber zeigt sich die eminente praktische Bedeutung der Metaphysik des Einen als einer Metaphysik der Freiheit.
CLAUDIA BICKMANN
Der Geist-Begriff in Piatonismus und Idealismus: Hegels systemtragendes Prinzip jenseits von Subjektivität und Objektivität
Finden wir in den letzten Jahren vielfach die Bemühung, das Prinzip der Subjektivität oder das Prinzip der Tätigkeit aus dem Bannkreis der neuzeitlichen cartesischen Selbstbewußtseinsdebatte bis in die Spuren des Platonismus-Neuplatonismus zurückzuverfolgen, um auf diese Weise eine spezifisch neuzeitliche Problemstellung im Horizont ihrer Vorläufermodelle zu relativieren, 1 so scheint es an der Zeit, das auf diesen Fährten Verdrängte erneut zu Bewußtsein zu bringen: Verdrängt wurde, so die These der folgenden Überlegungen, in der Fixierung auf das neuzeitliche Prinzip der Subjektivität, daß selbst in den ausgereiftesten Modellen dieser Traditionslinie, in den Systemen Schellings und Hegels, nicht eigentlich das Prinzip der Subjektivität, sondern vielmehr ein Prinzip dominiert, das als ein Indifferenzierungsprinzip - die Gegensätze vermittelnd - jenseits dieser Gegensätze angesiedelt werden kann. Mit dieser These wird umgekehrt der Einfluß des platonisch-neuplatonischen Geistbegriffs bis in die Systementwürfe des Idealismus hinein verfolgt und Schellings und Hegels Rezeption des aristotelisch-neuplatonischen Geistbegriffs als Grundlage ihrer eigenen Fundierungsabsichten ausgelegt. Mit Blick auf die Sphäre des νους - des Geistes oder der Vernunft - wird der Subjektpol dann nur mehr als eine Seite eines Verhältnisses erscheinen, an dessen Indifferenzierung es Schelling wie Hegel gleichermaßen gelegen ist. Das Subjektprinzip wird nach dieser Interpretation als systemtragendes Prinzip allein im Horizont jener Sphäre begreiflich gemacht, die ihrerseits den Gegensatz von Subjektivität und Objektivität hinter sich zu lassen versucht. Auch wenn die Rolle des absoluten Geistes in Hegels Logik als Prinzip der Selbstbezüglichkeit, als Prinzip des Sich-Bestimmens, verstanden werden muß, so sind doch in der absoluten Idee - jener organisierenden Mitte zwischen den Polen - beide Seiten in ihrer 1
Vgl. W. Beierwaltes, Piatonismus und Idealismus, Frankfurt a. M. 1972; ders., Identität und Differenz, Frankfurt a. M. 1980; ders., Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte, Frankfurt a. M. 1985; Selbstbewußtseinstheorien von Fichte bis Sartre, hrsg. und mit einem Nachwort vers, von M. Frank, Frankfurt a. M. 1991; K. Düsing, Subjektivität und Freiheit, Untersuchungen zum Idealismus von Kant bis Hegel, Suttgart-Bad Cannstatt 2002; Selbst - Singularität - Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum Deutschen Idealismus, hrsg. von Th. Kobusch, B. Mojsisch, O. F. Summerell, Amsterdam - Philadelphia 2002.
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Claudia Bickmann
Trennung wie ihrem Gegensatz zueinander gerade aufgehoben. Denn es soll, so Hegel in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, „der Gegensatz, die Einseitigkeit der Subjectivität mit der Einseitigkeit der Objectivität, aufgehoben" werden. 2 Analoges gilt für Schellings Vernunftbegriff in der Fassung von 1801: In ihm ist der Gegensatz von Subjektivität und Objektivität erloschen. Demjenigen, so Schellings Überlegung, der sich auf den Standpunkt der totalen Indifferenz zwischen beiden Polen stellt, „hört die Vernunft unmittelbar auf etwas Subjektives zu seyn, wie sie von den meisten vorgestellt wird, ja sie kann selbst nicht mehr etwas Objektives genannt werden, da ein Objektives oder Gedachtes nur im Gegensatz gegen ein Denkendes möglich wird, von dem hier völlig abstrahirt ist". 3 Schellings Vernunft-Prinzip ist darum nicht das Prinzip der Subjektivität, sondern die Vernunft gilt ihm als das Absolute - als das wahre An-sich das den Gegensatz beider Sphären überwunden hat. Jenseits der Gegensätze also, jenseits jener höchsten Urdualität zwischen Materiellem und Intelligiblem, Subjektivem und Objektivem, so die Überlegung, müssen wir suchen, wenn wir nach den Fundierungsabsichten der Systementwürfe Schellings und Hegels fragen. Erst dann, so die These, auf der Grundlage einer gemeinsamen Aufgabenstellung, begreifen wir auch die Unterschiede bezogen auf die systemtragenden Prinzipien in den Entwürfen Piatons, Aristoteles' und Plotins einerseits wie der Systementwürfe des nachkantischen Idealismus in der Gestalt Schellings und Hegels andererseits. Auch wenn dann etwa für Hegel gilt, daß er den höchsten Systemort, jenes Indifferenzierungsprinzip der absoluten Idee, aus seiner prinzipiellen Jenseitigkeit, die jenem Prinzip in Plotins Enneaden noch zukommen sollte, in den Prozeß dynamisch zurückzubinden sucht, so ist doch jenes Prinzip der Dynamisierung und Vermittlung des obersten Prinzips im Prozeß der Kategoriengenese gleichwohl von der indifferenzierenden Idee einer .coincidentia oppositorum' getragen: Im Resultat sollen die Gegensätze eben nicht nur in der Idee, sondern auch der Sache nach aufgehoben sein.
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Q. W. F. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundriße (1830), § 225, in: ders., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 20, hrsg. von W. Bonsiepen, H.-C. Lucas, Hamburg 1992, 222. F. W. J. Schelling, Darstellung meines Systems der Philosophie, in: ders., Sämmtliche Werke, hrsg. von K. F. A. Schelling, Bd. 4, Stuttgart, Augsburg 1859, 114. - Zum Identitätssystem Schellings im allgemeinen siehe B. Rang, Identität und Indifferenz. Eine Untersuchung zu Schellings Identitätsphilosophie, Frankfurt a. M. 2000. Zum Zusammenhang mit dem Piatonismus vgl. C. Bickmann, Schellings Identitätsform im Lichte der platonischen Dialektik, in: Das antike Denken in der Philosophie Schellings, hrsg. von J. Jantzen, Stuttgart-Bad Cannstatt, im Druck.
Der Geist-Begriff
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Die These meiner Überlegungen lautet darum im folgenden: Bezogen auf die Fundierungsabsichten der Schellingschen und Hegeischen Dialektik, ist beiden der Horizont der platonisch-aristotelischen Fragestellung näher, als es eine Verengung ihrer Problemstellung auf ein radikalisiert subjektphilosophisches Programm sichtbar werden läßt. Beide Positionen werden nach dieser Interpretation in einen Bezugsrahmen gestellt, dem es nicht primär an den Fragen des Subjekts oder des Bewußtseins gelegen war. Die Perspektive der Subjektivität bleibt in Schellings wie Hegels Ausdeutung zwar das eigentlich Treibende, den Prozeß Vorantreibende - gemäß der Leitidee: die Substanz solle als Subjekt auszulegen sein - , im Resultat aber wird die vermittelnde, treibende Perspektive des Prinzips der Subjektivität oder Tätigkeit nur mehr als eine Seite eines Verhältnisses erscheinen, dessen Ziel- und Fluchtpunkt, dessen τέλος auf der Indifferenzierung beider Extreme beruht. Eine solche Indifferenzierung hat dann aber die Gestalt, durch welche die beiden Extreme, indem sie sich in sich selbst mit ihrem anderen Extrem zusammenschließen, als Extreme zugleich aufgehoben sind. Eine solche Indifferenzierung gelingt aber nur im Horizont eines Theorieentwurfes, in dem auch die theoretische und praktische Perspektive als nur mehr zwei komplementäre Seiten der Einen Seinssphäre oder der Einen Vernunft aufgefaßt werden. Denn nicht soll das Prinzip des Sich-Bestimmens nur ideell antizipiert und im Horizont einer reinen Kategoriengenese bündig zur Darstellung gebracht werden, sondern das Prinzip des Sich-Bestimmens soll auch als das geheime τέλος, als das Prinzip des Seinsganzen, mithin als das Prinzip der Wirklichkeit selbst sichtbar werden können. Als τέλος einer zur Vernunft gekommenen Wirklichkeit soll es die Wirklichkeit der Vernunft selbst erweisen können. Ähnlich dem Aristotelischen und Plotinischen νους wird dieses Resultat jedoch erst in einer Sphäre erreicht, die als sich wissendes Selbstverhältnis, mithin als , Geist' bezeichnet werden kann. Denn erst in der Sphäre des Geistes ist jene wahre Übereinstimmung von Begriff und Realität erreicht, indem hier das Sein nicht mehr bloß gegebenes oder vorausgesetztes, sondern durch einen freien Akt - den Begriff - gesetztes Sein ist und in diesem freien Setzen zugleich sich selbst durchsichtiges Sein geworden ist. In jener Sphäre des Geistes ist der Begriff dann das Medium wie sein eigener Gegenstand: Gegenstand und Begriff fallen im ,Begriff des Begriffs' zusammen; sie sind eins geworden. Jene höchstmögliche Form der Übereinstimmung zwischen Denken und Sein scheint erreicht, das Sein ist gewußtes, sich selbst durchsichtiges Sein geworden und das Wissen objektives - oder sachhaltiges - Wissen. Dies aber wird erst erreicht, wenn das Sein in seinen Grund und dann schließlich auch in das Prinzip des Sich-Bestimmens zurückgegangen ist. Aber diese Übereinstimmung, so Hegel, ist auch nur in der Sphäre des Geistes möglich; die Wirklichkeit des Vernünftigen ist von der Sphäre des
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Claudia Bickmann
Geistes zugleich unabtrennbar. Alles Endliche bleibt demgegenüber kontingent und von äußeren Quellen bestimmt.
I. Der dialektische Horizont der Annäherung an das systemtragende Prinzip Als Methode der Annäherung an dieses systemtragende Prinzip des Geistes gilt Schelling wie Hegel die Dialektik. 4 Diese sei allein imstande, die Art des Zusammenhangs wie der Verbindung der Extreme zu reflektieren und zur Darstellung zu bringen. Dabei gilt es, bezogen auf ihren Begriff wie ihre Funktion, zunächst folgendes zu unterscheiden: Eines ist es, von der Dialektik als der Kunst des Entgegensetzens, der Verbindung und Vereinigung des Verschiedenen zu sprechen, ein anderes ist es, von einem Problemfeld zu sprechen, das allein in dialektischer Gestalt zu bewältigen ist.5 Im ersten Falle liegt das Gewicht auf der methodischen und formalen Dimension der Dialektik, im anderen wird das Worumwillen, der Sachbezug, einer jeglichen dialektischen Reflexion thematisiert. Welches, so fragt sich, ist die Trag- und Reichweite der Dialektik als Methode sowie als sachaufschließende Weise der Annäherung an einen möglichen Gegenstandsbereich der Philosophie? Dies zu beantworten setzt eine weitere Unterscheidung voraus: die Unterscheidung von analytischer und dialektischer Logik. Ihr gemäß wird innerhalb der Sphäre des Logischen die Analyse der formalen Beschaffenheit unserer Urteile vom Bezug dieser Urteile auf ein Sachhaltiges, auf ein Etwas oder auf die Idee des Seinsganzen unterschieden. Im letztgenannten Sinne ist Gegenstand der Annäherung eine stufenweise Annäherung an die quidditas, die Washeit einer Sache, so daß alle logischen Operationen dann ihr Maß in der begrifflichen Entfaltung dieser Sache finden. Als Grundsatz der reinen Form des Denkens gilt Hegel der Satz der Identität und des auszuschließenden Widerspruchs. Dieser aber, so sein Argument, betrifft nur die Form der Rede und ist in seiner Geltung darum auf die reine Übereinstimmung des Denkens mit sich beschränkt. „Die Unvollständigkeit dieser Weise, das Denken zu betrachten, welche die Wahrheit auf der Seite läßt", so schließt Hegel an, „ist allein dadurch zu ergänzen, daß nicht bloß das, was zur äußern Form gerechnet zu werden pflegt, sondern der Inhalt mit in die denkende Betrachtung gezogen wird." 6 Dem formal Bestimmten, dem Gehalt des Gedach4 5 6
Zum Verhältnis von Dialektik und systemtragendem Prinzip vgl. J. E. Pleines, Dialektik als Letztbegründung, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 46 (1992), 591-599. Vgl. dazu im allgemeinen Y. Kubo, Der Weg zur Metaphysik. Entstehung und Entwicklung der Vereinigungsphilosophie beim frühen Hegel, München 2000. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die objektive Logik. Erster Band.
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ten, können dann kontradiktorisch entgegengesetzte Prädikate zugesprochen werden, ohne dem Grundsatz der Identität zu widersprechen. 7 Denn, so Hegel: „Es zeigt sich von selbst bald, daß was in der nächsten gewöhnlichsten Reflexion als Inhalt von der Form geschieden wird, in der That nicht formlos, nicht bestimmungslos in sich, seyn soll." 8 Diese formale Bestimmtheit des Gedachten wird nur, wie Hegels spekulativer Satz verdeutlicht, in einer dialektischen Logik zu erfassen sein. Insofern nämlich der Satz „Seyn und Nichts ist eins und dasselbe", den Hegel zu Beginn der Logik in seiner Wahrheit zu erweisen sucht, „die Identität dieser Bestimmungen ausspricht, aber in der That ebenso sie beyde als unterschieden enthält", scheint er sich in sich selbst zu widersprechen und damit aufzulösen. 9 Hier aber liegt nicht ein Widerspruch der Form nach, sondern allein bezogen auf den Gehalt der Sache vor. Für die gesuchte Übereinstimmung von Denken und Sein, Subjektivität und Objektivität in der Sphäre des Geistes ist jedoch nicht nur, wie wir sahen, die Widerspruchsfreiheit unseres Denkens richtungweisend, sondern, insofern unsere gedanklichen Operationen auf einen Gehalt bezogen sind, wird zugleich darüber zu entscheiden sein, wann und unter welchen Bedingungen sich uns eine Sache derart erschließt, daß wir von sachhaltigem Wissen bzw. einer gewußten Sache sprechen können. Dies aber ist dann nicht mehr allein das Problem einer logisch-argumentationstheoretischen Analyse, sondern einer Analyse, welche die Beziehung zwischen Wissen und Gewußtem, Denken und Gedachtem, zum Leitfaden ihrer Annäherung nimmt. Es ist dies zugleich die Perspektive, die traditionell das Aufgabengebiet von Transzendentalphilosophie, Wissenschaftslehre und dialektischer Logik sowie Phänomenologie bestimmt hat. 10 Diesen Positionen war es nicht allein an den Formen des Wissens, sondern ebensosehr an dem gelegen, was sich in diesen Formen je als ein Gewußtes erschließt. Ihnen
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Die Lehre vom Sein (1832), in: Gesammelte Werke, Bd. 21, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1985, 17. - Zum Themenkreis von Subjektivität und Logik siehe K. Düsing, Das Problem der Subjektivität in Hegels Logik. Systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen zum Prinzip des Idealismus und zur Dialektik, Bonn 3 1995. Vgl. Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 17. Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 17. Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 77. - Zum Seinsbegriff am Anfang der Wissenschaft der Logik siehe H. F. Fulda, Über den spekulativen Anfang, in: Subjektivität und Metaphysik. Festschrift für Wolfgang Cramer, hrsg. von D. Henrich, Frankfurt a. M. 1966, 109-128; ferner C. Bickmann, Spekulation und Erfahrung. Hegels Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Seinsfrage, in: Erfahrung und Urteilskraft, hrsg. von R. Enskat, Würzburg 2000, 83-111. Vgl. dazu C. Bickmann, Differenz oder das Denken des Denkens. Topologie der Einheitsorte im Verhältnis von Denken und Sein im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants, Hamburg 1996.
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sollte darum gelten: So, wie der Grundsatz der Identität und der Widerspruchsfreiheit für eine analytische Logik grundlegend ist, sollten elementare Kategorien und Grundsätze auch für die Analyse unserer Gegenstandserkenntnis zu finden sein. Mit dem Seins- bzw. Gegenstandsbegriff - sei es des Einzelnen oder der Ordnung insgesamt - war dann aber zugleich ein Widerpart in das Denken gesetzt, dessen Beschreibung allein in einer Begriffsform möglich war, die als transzendentale, dialektische oder spekulative Betrachtungsart beiden Seiten stets gleichermaßen Rechnung zu tragen versucht: der Form wie dem formal Bestimmten, dem Denken und dem Gedachten gleichermaßen. Beide galten ihnen nur mehr als die irreduziblen Pole der Binnenstruktur des Denkens. Für die Analyse des spekulativen Satzes im Sinne des Ausgangs der Hegelschen Logik bedeutet dies: Insofern das ,Sein' hier nicht sinnlich Erfaßtes oder ein bereits bestimmtes Sein thematisiert, sondern den obersten und leersten Seinsgedanken im reinen Wissen zur Sprache bringt, ist es auch nur im und durch ein Bewußtsein gesetzt. ,Sein' ist also nicht unabhängig davon, ob es gedacht wird oder nicht. Darum hebt sich das, was im Bewußtsein ob seiner leeren Unbestimmtheit ebensowohl als ,Nichts' aufgefaßt werden kann, tatsächlich ins ,Nichts' auf, wie umgekehrt das ,Nichts' qua Gedachtsein ebensowohl als ,Sein' aufgefaßt werden kann. Beide: Sein wie Nichts, sind darum - aufgrund dieser Identität mit ihrem Gegenteil - in ihr je Anderes immer schon übergegangen. Aus diesem Grunde kann Hegel auch sagen, daß das ,Sein', insofern es sich in seiner leeren Unbestimmtheit als dasselbe wie das .Nichts' erweist, als ,Sein' ins ,Nichts' wie auch das ,Nichts' ins ,Sein' übergeht bzw. genauer: immer schon übergegangen ist. Beide sind also dasselbe. Aus diesem Grunde, wonach beide nicht ,sind', sondern in ihrem jeweiligen Gegenteil immer schon verschwunden sind, kann Hegel auch sagen: Sie ,sind' nicht, sondern .werden' immer nur. Damit nun soll in einem dritten Schritt dann zugleich die Kategorie .Werden' gewonnen sein. Diese sei, so Hegel, aus der Analyse des spekulativen Satzes direkt abgeleitet. Dieses Prinzip des Umschlags der Gegensätze ineinander ist für die Hegelsche Logik insgesamt leitend. Denn Hegel sucht - bezogen auf die Zielsetzung des Gesamtunternehmens - zu zeigen, wie die beiden Pole der Einen Seinssphäre, das subjektive wie das objektive Prinzip, jeweils immer schon ineinander übergegangen sind. Dies soll im folgenden in der Auseinandersetzung mit dem Prinzip des νους, des Geistes, näher gezeigt werden. Die gesuchte Einheit von Identität und Nicht-Identität, die in ihrer Höchstform erst der Geist repräsentiert, ist nicht mehr das Problem einer bloß formalen Logik, sondern einer Logik, die Denken und Gedachtes in ihrem spannungsreichen Verhältnis zueinander zu betrachten sucht. Bereits Aristoteles hat den Ort jener reflexiven Selbstbetrachtung νους oder das .Denken des Denkens' genannt
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und mit ihm dasjenige systematisiert, was Piaton der Methode der Dialektik, der Sphäre des noetischen Denkens, zugesprochen hatte. 11 Aufgehellt und systematisch beschrieben werden kann dieser Einheitsgedanke als das Ideal eines durchgängig bestimmten Ganzen darum, so Hegel, nur im Horizont einer Theorie, in der Denken und Gedachtes, Subjektives und Objektives in ihrer inneren Verbindung zueinander zur Sprache gebracht werden. Wie aber, so wird zu fragen sein, soll der Gegensatz beider Sphären, des Denkens als Tätigkeit und des Gedachten als des Gegenstandes dieser Tätigkeit, in der absoluten Idee zugleich überwunden sein?
II. Hegels Versuch, die μέθεξις-Frage zu lösen Das Problem der Teilhabe der zwei heterogenen Seiten des Denkens und des Seins oder des Subjektiven und des Objektiven aneinander kann freilich als Piatons Grundfrage: das Problem der μέθεξις, aufgefaßt werden, das er vornehmlich in seinen Dialogen Phaedo, Phaedrus, Timaeus, Theaetetus, Sophistes und Parmenides auseinanderzulegen versucht. Im Dialog Parmenides, dessen Frage auf die Bedingungen der Denkbarkeit des ersten Prinzips, des εν, gerichtet ist, greift Piaton dieses Problem in zweifacher Weise auf. In seinem ersten und in seinem zweiten Teil wird das Teilhabeproblem bezogen auf die Frage nach der rechten Bestimmung des Verhältnisses von Einem und Seiendem zur Sprache gebracht. Dabei gilt es zunächst - im ersten Teil des Dialoges - nach der Art der Teilhabe der Dinge an den Ideen zu fragen, um daraufhin im zweiten Teil auf einer nächst höheren Ebene - aus der Annahme eines allen Ideen zugrundeliegenden Einen - die Frage nach der Denkbarkeit des Einen wie der Teilhabe des Mannigfaltigen und Differenten an diesem Einen zu stellen. Piatons μέθεξις-Problem wird im Sinne Hegels dann in die Frage transformiert, wie denn ein Subjektives sich in das Objektive hineinbilden kann und 11
Vgl. dazu C. Bickmann, Evidenz und Vergewisserung. Zum Verhältnis von noetischem und dianoetischem Denken bei Piaton, in: Philosophisches Jahrbuch 103 (1996), 29-48. Diesen Unterschied zwischen analytischer und dialektischer Logik müssen wir deutlich im Bewußtsein behalten, wenn wir dialektische Logik heute vielfach im Horizont analytischer Verfahren interpretiert sehen. Häufig sind in einer solchen analytischen Annäherung Ausgang und Ziel der dialektisch verfaßten Systemanlagen längst aus dem Auge verloren. Vgl. dazu M. Frank, Selbstbewußtsein und Selbsterkenntnis. Essays zur analytischen Philosophie der Subjektivität, Stuttgart 1991; ferner Hegels Seinslogik: Interpretationen und Perspektiven, hrsg. von A. Arndt, C. Iber, Berlin 2000. - Zur Rezeption der Aristotelischen Philosophie bei Hegel siehe W. Kern, Die Aristotelesdeutung Hegels. Die Aufhebung des Aristotelischen ,Nous' in Hegels ,Geist', in: Philosophisches Jahrbuch 78 (1971), 237-259; A. Ferrarin, Hegel and Aristotle, Cambridge 2001.
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wie ein Objektives zugleich als vom Subjekt gesetzt aufgefaßt werden kann. In diesen nachkantischen Annäherungen wird Piatons überseiender Einheitsgrund sukzessive in den Prozeß zurückgebunden und damit zugleich seiner Radikalität als eines gänzlich Anderen zu allem Anderen beraubt. 12 1. Der freie Geist als Ort zwischen den Polen Mit der Frage nach der Art der Übereinstimmung beider polar entgegengesetzter Sphären ist im Sinne Piatons zugleich der Raum betreten, den er im Liniengleichnis der Res publica als Vernunft und den Aristoteles im zwölften Buch seiner Metaphysica als die Sphäre des νους - des Geistes - bezeichnet hat. Für diesen sollte es kennzeichnend sein, daß er nicht auf ein anderes, ein vom ihm verschiedenes Mehr bezogen ist, sondern als reine Selbstbeziehung aufgefaßt werden kann. Diese ist aber weniger mit unserem natürlichen Weltverhältnis oder aber unserem wissenschaftlichen Weltbezug in einer intentio recta gegeben, sondern ihre Aufgabenstellung ist eher derjenigen Sphäre überantwortet, die in der Rückwende des Blicks im Sehen des Anderen zugleich sich selbst zu sehen vermag. Da sich uns nämlich die Sache - das Einzelne wie die Ordnung insgesamt nur unter Einschluß der Formbedingungen unseres Denkens, mithin der Vernunftfunktionen unseres Gemütes, in ihrem zureichenden Grunde erschließt und wir darum die Formbedingungen des Gedachten nicht allein vor der Klammer, sondern auch in der Klammer thematisieren müssen, wie dies einzig in der Sphäre des Geistes geschieht, so kann die Reflexion auf einen solchen zureichenden ontologischen Grund nur unter Einschluß der Reflexion auf die Bedingungen des Denkens - im Selbstverhältnis des sich wissenden Absoluten - möglich sein. Denn ohne den Selbsteinschluß des Denkens, so die These, bliebe der zureichende Bestimmungsgrund aller Seinssphären unbegreiflich. Darum sollte umgekehrt gelten, daß allererst in der vollständigen Entwicklung des Geistbegriffs sich uns auch diejenige Sphäre erschließt, in der das Seinsganze in seine Selbstdurchlichtung überfuhrt werden kann. Auf diese Weise ist dann auch erst - so Schelling wie Hegel - die causa finalis des Seinsganzen zureichend erfaßt, wenn das Sein - Einwirken - und Sich-Bestimmen des Geistes als das konstitutive, das Sein selbst nicht nur reflektierende, sondern frei setzende Prinzip - als Prinzip des Seinsganzen - verstanden worden ist.
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Zur ethischen Dimension dieser A u f h e b u n g siehe G. Römpp, Ethik des Selbstbewußtseins. Der Andere in der idealistischen Grundlegung der Philosophie: Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Berlin 1999.
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2. Piatons und Plotins Suche nach dem Urprinzip , vor dem Geiste' Mit dem Geistbegriff - der Sphäre des sich selbst denkenden Denkens - ist im eigentlichen Sinne auch erst der Ort der Suche nach einem systemtragenden Prinzip erreicht. Denn erst diese intensivste Form der Einheit zwischen Denken und Gedachtem, die der Geist repräsentiert, macht in einem nächsten Schritt auch die Suche nach dem einheitsstiftenden Prinzip dieser in sich differenzierten Einheit möglich, mithin also die Suche nach der Explikation desjenigen Prinzips, das ,vor dem Geiste ist', welches darum selbst noch die Urspannung von Subjektivität und Objektivität, Denken und Sein, umgreift und übersteigt. Die These lautet - und darin sind Piaton, Plotin, Schelling und Hegel sich einig - , daß erst ein Denken der Einheit zwischen den Polen in der Sphäre des Geistes ein Andenken an jenes indifferenzierende Urprinzip erlaubt. Daß Piaton und Plotin dann über jenes Andenken an das einige Urprinzip hinaus aus systematischen Gründen nicht mehr versuchen, die Sphäre des Geistes zu bemühen, um im Begriffe zu erfassen, was einer jeden begrifflichen Annäherung sich entzieht, stellt zugleich den entscheidenden Unterschied zu den nachkantischen Versuchen dar, das Indifferenzierungsprinzip, sei es im Horizont der absoluten Idee oder aber der absoluten Vernunft, zu thematisieren. Mit Bezug auf die Sphäre des νους wird jedoch für Aristoteles wie fur Hegel zugleich auch das τέλος der Gesamtbewegung gesetzt: Im Denken soll die höchste Einheit zwischen Denken und Sein zu erreichen sein. Im Horizont der Hegeischen Philosophie lautet das Prinzip dann näher, wie folgt: Nichts soll als Gegebenes - als Objektives - zurückbelassen werden, das bloß gegeben oder vorausgesetzt und nicht von einem bestimmenden Prinzip, dem Prinzip der Subjektivität, frei gesetzt ist. Als τέλος der Gesamtbewegung gilt darum die Selbstbewegung und Selbstdurchlichtung der absoluten Idee. Diese Selbstdurchlichtung der absoluten Idee wird dabei gemäß der beiden in ihr vereinten Pole in einem doppelten Sinne zur Sprache gebracht: Sie ist zum einen - im Sinne eines genetivus obiectivus - das Wissen von der Idee wie ineins damit - im Sinne des genetivus subiectivus - das Wissen der Idee selbst. In dieser Form der reinen Selbstbezüglichkeit - im Denken des Denkens - ist der freie, sich bestimmende Geist dann das agens wie sein eigener Gegenstand. In der Artikulation des höchsten Prinzips ist die Hegeische Vernunftkritik darum Selbstentäußerung und Selbstbestimmung ihrer Vernunft zugleich. a. Der Geist in subjektiver und objektiver Gestalt Beide Seiten der Bewegung des Geistes erhalten im Prozeß der Gesamtbewegung jedoch je unterschiedliche Funktionen: Das Geistprinzip in der Funktion als Prinzip der Tätigkeit, d. h. als subjektives Prinzip, bringt, indem der Geist
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sich selbst hervorbringt, zugleich sein Anderes hervor. 13 Das Andere, der Gegenstand dieser Tätigkeit oder das Gedachte, auf das dieses Denken bezogen ist, soll sich, als von jenem Prinzip aus ermöglicht, dem Prinzip zugleich gemäß erweisen. Als von jenem Prinzip des Sich-Bestimmens erzeugt und bewegt, wird das solchermaßen Bewegte erst dann diesem Prinzip entsprechen, wenn auch die objektive Seite des Prozesses, der objektive Geist, jenes Prinzip in sich aufgenommen hat und von ihm durchdrungen ist. So ist es die Realität des höchsten göttlichen Prinzips hervorzubringen, was ihm selbst ähnlich und gemäß ist. Das Prinzip muß somit zugleich hervorbringen, daß jene Anähnlichung sei. Das Prinzip nämlich setzt, indem es sich selbst hervorbringt und schließlich im Gleichen ein Gleiches sieht, zugleich den Fluchtpunkt der Gesamtbewegung frei: Das Hervorbringende, soll es sich im Hervorgebrachten sehen und als das Eigene aneignen und verstehen können, muß das Hervorgebrachte sich selbst gemäß erzeugen. Das Verobjektivierte, das Veräußerte dieses produktiven Aktes, wird darum auch erst dann als adäquater Spiegel, Bild und Ausdruck jenes Prinzips erscheinen können, wenn es dem Prinzip ähnlich geworden ist, d. h. wenn es selbst als objektive Sphäre zugleich Geist geworden ist, mithin also, wenn alles je Veräußerte zugleich als ein Innerliches, als ein Geistiges erscheinen kann. Der Prozeß der Entäußerung aus jenem Prinzip ist darum nicht nach dem Muster eines Werkbaumeisters gedacht, der präexistente Ideen als formbildende Instanzen mit der Materie der Dinge verknüpft; auch wird er nicht nach dem Muster einer creatio ex nihilo aufgefaßt; sondern er ist ewiges Werden, ewiges Sichselbst-Hervorbringen, ewiges Produzieren. Doch wohnt diesem ewigen Produzieren ein τέλος inne, das den Prozeß von fern her lenkt und bestimmt: Bestimmbares wie das reine Sein im Ausgang der Seinslogik soll am Ende der Begriffslogik in sich bestimmtes, sich frei setzendes Sein genannt werden können; das άπειρον des unbestimmten reinen Seins im Ausgang der Logik von 1812 wird durch das Prinzip πέρας - Begrenzung und Bestimmung - zu einem Bestimmten: Ein Bestimmtes wird somit aus der Schwebe zwischen Bestimmbarkeit (dem reinen Sein) und Bestimmung (der von fern her leitenden Idee der durchgängigen Bestimmung) hervorgebracht. Diese Spannung zwischen unbestimmtem reinem Sein und durchgängig bestimmter, von fern her leitender Idee treibt darum die Gesamtbewegung nicht nur voran, sondern setzt ihr zugleich auch ein Maß und Ziel. Zwischen dem Hervorgang aus jenem höchsten Prinzip: dem reinen An-sich-Sein der Seinslogik, und dem Vorausgesetzt-Sein, d. h. fur ein anderes Sein der Wesenslogik, hin zum reinen Sich-selbst-Bestimmen und Sich-Wissen des höchsten Prinzips am 13
Vgl. dazu D. Henrich, Andersheit und Absolutheit des Geistes, in: ders., Selbstverhältnisse. Gedanken und Anlegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie, Stuttgart 1982, 142-173.
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Ende der Begriffslogik vollzieht sich ein doppelter Bewegungssinn. Dieser besteht im Hervorgang aus dem höchsten Prinzip sowie der Rückkehr in den Grund der Möglichkeit jener Hervorbringungen. b. Hervorgang und Rückkehr Die Bewegung von Hervorgang aus jenem höchsten Prinzip und Rückkehr in den Grund der Möglichkeit jener Hervorbringungen aus dem höchsten Prinzip ist eine Bewegung, die in sich selbst zurückkehrt - sich veräußert und verinnerlicht ineins. 14 Beide inversen Bewegungsrichtungen des höchsten Prinzips sind dabei dem Prinzip wesentlich; denn um sich zu finden, muß sich das Prinzip veräußert haben, an sein Anderes verloren haben; und um das Veräußerte, Verobjektivierte, als das eigene Selbst zu erkennen und aneignen zu können, muß diese Fremdheit zugleich zurückgenommen werden: Das Fremde muß als das veräußerte Eigene eingesehen werden können. Beide Sphären sind darum im Grunde wesensgleich, Eigenes und Fremdes, Subjektiv-Setzendes und Verobjektiviertes sowie Entäußertes, vor ihrer Entzweiung eins und einig. Im Prinzip des Geistes oder des Sich-Bestimmens sind beide in eine Indifferenz gebracht, nach der Tätiges und Gegenstand dieser Tätigkeit ununterscheidbar geworden sind. Im Gesamtprozeß bleibt das subjektive Prinzip, das Prinzip des Sich-Bestimmens, das eigentlich Treibende; denn es ist jenes Prinzip des Sich-Bestimmens: das Prinzip der Tätigkeit, das diktiert, daß im Resultat nichts zurückbleiben soll, das nicht von diesem Prinzip gesetzt ist, und daß nichts Gesetztes, nichts Objektives mehr existieren soll, das nicht zugleich auch von diesem Prinzip angeeignet und begriffen ist. Das Prinzip des Absoluten sucht, indem es sich selbst hervorbringt, ein Gleiches im Gleichen und sucht somit neben dem produktiven Impuls jenes Prinzips auch die Angleichung des Prinzipiierten an dieses Prinzip: In all seinen Entäußerungen ist das Prinzip darum bestrebt, sich im Anderen zu finden. Sich dort zu finden, bedeutet aber, die Fremdheit des Anderen aufzuheben und das Andere sich selbst gleich zu machen. Doch war die Fremdheit von Anbeginn an bloßer Schein: Als vom und durch das Prinzip gesetzt, war jenes Andere, das reine unbestimmte Sein im Ausgang der Seinslogik, bloß dem Scheine nach als das Andere der Vernunft aufgefaßt. In der Wesenslogik konnte dieser Schein des ,reinen Seinsgedankens' durch die relationalen Bestimmungen von Ursache und Wirkung, Wesen und Erscheinung, Identität und Differenz usw. als bestimmt durch ein Anderes durchsichtig gemacht werden. Ein solchermaßen bloß vorausgesetztes Sein, d. h. durch anderes bewirktes Sein, kann aber dem Begriffe des freien, sich selbst 14
Vgl. zum Folgenden W. Beierwaltes, Hegel und Proklos, in: Hermeneutik und Dialektik. Aufsätze II. Sprache und Logik, Theorie der Auslegung, hrsg. von R. Bubner, K. Cramer, R. Wiehl, Tübingen 1970, 243-273.
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setzenden und durchsichtigen Seins noch nicht entsprechen. Jenes bloß vorausgesetzte Sein ist noch nicht zu sich gekommen; das göttliche Prinzip ist darum in ihm noch nicht zu seiner vollständigen Erscheinung gelangt, verbleibt noch auf der Ebene bloßer Gewißheit. Bloße Gewißheit seiner selbst bedeutet aber bloß unbestimmtes Ahnen, sich seiner selbst als Wissen noch nicht bewußt geworden zu sein; eine solche Gewißheit wäre mithin also bloßer Glaube. Das sich hervorbringende Prinzip des Sich-Bestimmens erfordert aber, um im Anderen vollends bei sich zu sein: völlige Selbstdurchsichtigkeit; denn erst die völlige Selbstdurchsichtigkeit läßt das Objektive nicht als ein opakes, bloß geahntes, bloß subjektiv Empfundenes mehr erscheinen, das gegenüber der Sphäre des Subjektiven das Andere zum Subjekt darstellen könnte. Es gewinnt ein Bewußtsein seiner selbst erst als ein frei sich selbst setzendes und sich seiner selbst bewußt gewordenes Prinzip, d. h. in der Sphäre des Begriffs des Begriffs. Ein göttliches Prinzip nämlich, das sich in seiner Veräußerung nicht selbst verstanden hätte, wäre widersprüchlich in sich. Das Andere muß somit im Resultat der Selbsthervorbringung des Prinzips im Kern gar nichts vom Prinzip Verschiedenes mehr sein; es muß vielmehr mit dem Prinzip identisch geworden sein, muß selbst dieses Prinzip verkörpern, muß adäquate Gestalt des Prinzips selbst sein können, so daß es im Resultat ebensoviel wäre zu sagen: ,Das Seinsganze ist konkretisierte göttliche Idee', wie: ,Die Idee des Göttlichen hat ihr Sein nur in jener veräußerten Gestalt'. So gedacht aber müssen Sein und Idee - die beiden Eckpfeiler der Hegeischen Philosophie - in ihrem Gehalte konvergieren. Das Sein als gewußtes und frei gesetztes Sein ist die Idee, wie umgekehrt die Idee im Seinsganzen allererst ihre konkretisierte Gestalt gefunden hat. Beide Extreme sind darum im Resultat nicht mehr als Extreme präsent, sondern werden durch ihre wechselseitige Transformation ihr jeweiliges Übergehen ineinander - als Extreme zugleich aufgehoben. c. Das Ziel: der freie Geist Die Objektivität der gegebenen Seinsbestimmungen wie auch die Subjektivität des Prinzips des Sich-Bestimmens oder der Idee haben im Resultate ihrer Vermittlung - am Ende des Prozesses von Hervorgang und Rückkehr - ihr je Anderes in sich aufgehoben. Hegels systemtragendes Prinzip operiert darum jenseits der Gegensätze von Subjektivität und Objektivität, jenseits der Spannung zwischen Sein und Idee; denn im Resultat gilt ihm das Sein als Idee wie auch die Idee in ihrem durchgängig entfalteten Sein. Darum ist seine Philosophie auch nicht eigentlich ein Ausdruck des radikalisierten Prinzips der Subjektivität, sondern eher ein Vorbote für eine Depotenzierung des Prinzips Subjektivität. Subjektivität als a priori eingebettet in eine Totalität von Seinsbestimmungen ist nicht abstrakt formaler Gegenpol zur Sphäre der Objektivität, sondern selbst ob-
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jektiv geworden, wie umgekehrt die Seinsbereiche auch nur als subjektbestimmte ihre Wahrheit finden. Diese wechselseitige Durchdringung der Pole zur Darstellung zu bringen, dies ist es, was eine dialektische Logik als Onto-Theo-Logik zu leisten hat. Dies gilt, weil sie zeigen muß, wie Begriff und Realität, Denken und Sein, Subjektivität und Objektivität nur mehr als zwei Seiten eines Gesamtverhältnisses aufgefaßt werden können, in deren höchstem Prinzip sie als Gegensätze zugleich erloschen sind. Erst am Ende des Durchgangs durch jene Wechseldurchdringung der Pole haben wir uns dann zu demjenigen Prinzip vorgedacht, aus dem heraus dieser Gesamtprozeß allein begreiflich zu machen ist. Die These lautet: Erst der freie Geist, jenseits von Veräußerung und Rückkehr, wird die Gegensätze von Subjektivität und Objektivität wirklich hinter sich gelassen haben. Denn erst in der Sphäre des absoluten - des freien - Geistes ist auch das Prinzip zu sich selbst gekommen. Erst, wenn es im Anderen sich selbst als dessen Bestimmungsgrund erkannt hat, ist die höchstmögliche Einheit der Gegensätze erreicht. Es ist diese höchstmögliche Einheit der Gegensätze, die zugleich , Realität des Prinzips' genannt werden kann. In ihr ist jenes Prinzip nicht mehr bloße Idee, sondern die Idee zugleich in ihrer Realität aufgefaßt. Gegenüber Kant hatte Hegel dies als seine entscheidende Aufgabe begriffen: nicht bloß die Idee des höchsten Prinzips, sondern auch seine Realität zu erweisen - ohne dabei in eine Subreption der Vernunftbegriffe zu verfallen. Als das verbindende Dritte fungiert in diesem polar entgegengesetzten Prozeß somit die Sphäre des Geistes, die als indifferent gegenüber den Differenzen aufgefaßt werden kann; denn dieser ist Prinzip und Realität des Prinzips zugleich. Der absolute Geist, jene im engeren Sinne Sphäre des Göttlichen, ist darum allererst die wirklich vollzogene Einheit von Subjektivität und Objektivität, mithin also jene indifferent subjektiv-objektive Ineinsbildung der Pole, der als sich selbst setzendes wie selbst sehendes Vermögen Setzen und Gesetztes, Sehen und Gesehenes, Denken und Gedachtes gleichermaßen genannt werden kann. So ist das Prinzip nichts ohne seine Entäußerung, seine Entzweiung, und nur im erfüllten Durchgang durch alle Stadien seiner Entäußerung haben wir das Prinzip in seiner vollendeten Gestalt. Erst im Resultate jenes Durchgangs durch alle Sphären der Seinstotalität läßt sich finden, was wir den obersten Bestimmungsgrund des Gesamtprozesses nennen können: Im Hegeischen Sinne ist dies das Geistprinzip in seiner Doppelgesichtigkeit als subjektives, all-ermöglichendes, sowie objektives Prinzip, als allumfassendes Prinzip. Es ist mithin seine eigene Identität, die hier zur Erscheinung kommt; es ist das Sich-Bestimmen des höchsten Grundes.
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Es ist auch dieses höchste Prinzip notwendig ein Selbstverhältnis, da nur durch seine Eigenschaft als selbstbezügliches Prinzip das prinzipiell Jenseitige des platonisch-neuplatonischen Urprinzips an den Prozeß der Entfaltung von Differenz und Mannigfaltigkeit zurückgebunden werden kann. Als neuplatonisch Jenseitiges aber hat es, so Hegel, einen der subjektiven Reflexionsphilosophie vergleichbaren Status: Es bleibt indifferent gegenüber dem Prozeß seiner Entfaltung. So sei es an der Zeit, fordert Hegel, zur Selbsterkenntnis der göttlichen Vernunft zurückzukehren; und das fiktive Jenseitige, zu dem es in platonisch-neuplatonischer Philosophie verurteilt sei, erneut in den Horizont der Vernunft zurückzuholen, um Prinzip und Prinzipiiertes, wie Aristoteles dies in seinem νους versucht, wieder einander anzunähern. 15 Indem Hegel dieses Prinzip dann allererst im Durchgang durch alle Negationsstufen erreicht, werden Prinzip und Prinzipiiertes direkt aneinander angeschlossen. Doch gilt auch für Hegel, daß jene Indifferenzierungsform der absoluten Idee, die als Grund der Einheit der Gegensätze gelten soll, nur ex negativo - in der Negation der Negation - zu erfassen sei. So ist für Hegel das höchste Prinzip nicht mehr prinzipiell jenseits der Pole, sondern nur in deren dynamischer Differenzierung und Entdifferenzierung in ihrer Veräußerung greifbar geworden. Auch wenn sich das höchste Prinzip für Hegel dann nur auf dem Wege der Negation der Negation erschließt, so bleibt für ihn gleichwohl der Geist der Horizont, in dem sich jenes Urprinzip auszulegen und zu entfalten sucht. In Hegels Dialektik ist jener Indifferenzierungsprozeß dann in allen Stadien des Hervor- und Rückgangs derart zur Durchführung gebracht, daß sich an den Extremen selbst der Umschlag vollzieht. Indem die Extreme stets gesetzt und wieder aufgehoben werden, heben sich die Pole in ihrem Gegensatz zueinander auf und erweisen sich im Wesen als eins und einig. Sein und Idee, Sein und Setzen - die zwei Gegenpole der Hegeischen Dialektik - konvergieren somit in ihrem Gehalt: Sein ist in Wahrheit vom Geiste gesetztes, gezeugtes Sein, das im freien, sich selbst bestimmenden Sein allererst seine Erfüllung und Vollendung findet und somit die Finalität des Seinsganzen allererst auf der Ebene des sich selbst frei setzenden Geistes erreicht. Ganz Aristotelisch ist dies der sich selbst sehende und im Sehen zugleich sich selbst setzende und sich selbst bestimmende Geist, dem allein eine vita contemplativa - von äußeren Zwecken befreit - in reiner Reflexion auf die Gründe der Möglichkeit des Seinsganzen Rechnung zu tragen vermag. In der symmetrischen Bewegung des Hervorgangs aus jenem höchsten einheitstiftenden Prinzip wie dem gleichzeitigen Rückgang in den Grund der Möglichkeit der freien Selbstentfaltung dieses Prinzips wird dann zu15
Vgl. dazu J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung, Bonn 1999.
Der Geist-Begriff
209
gleich eine gegenläufige Bewegung in Gang gebracht, an deren äußersten Enden beide Extreme zusammenfallen, so daß der Gegensatz von Subjektivität und Objektivität in den Extrempolen von Sein und Idee je wechselseitig vermittelt ist. 3. Die triadische Gestali des systemtragenden
Prinzips
Im Resultat werden diese Bewegungen in ihrer Teilhabe am je anderen Pol durchsichtig. Ein Umschlag der Extreme ineinander ist vollzogen; die coincidentia oppositorum ihr insgeheim leitendes Prinzip. 16 Dies ist somit Hegels Versuch, Piatons μέθεξις-Frage zu lösen. Als Gegensatz sind beide Extreme - ähnlich dem Indifferenzierungsprinzip Schellings - aufgehoben, als Entgegenstehende wesentlich als Einheit gesetzt, so daß ihre Unterschiede, wie Schelling dies methodologisch in der Darstellung seines Systems von 1801 auszudeuten versucht, nur quantitativer, nicht aber qualitativer Art mehr sein können. Damit ist jenes höchste Prinzip dann weder monistisch noch dualistisch, sondern triadisch angelegt. Denn das Prinzip ist nichts ohne seine Entäußerung. Bliebe nun aber die Entäußerung bloße Negation des indifferent Einen, dann wäre eine Dualität von Bestimmtheitsprinzip und Prinzip der Bestimmbarkeit nach dem Muster der Dualität von πέρας und άπειρον die Konsequenz. Doch schließt sich im Sinne Hegels das Ur-Prinzip im sich wissenden Selbstverhältnis erneut mit sich zusammen und hebt damit die Negation in einer doppelten Negation erneut auf. Ähnliches gilt schließlich fur die Identitätsform des Schellingschen Identitätssystems. Das Prinzip Α = Α, das die Sphären des Intelligiblen wie des Realen dominiert, abstrahiert, so Schelling einleitend in seiner Darstellung meines Systems der Philosophie, sowohl vom subjektiven Prinzip, dem denkenden Ich, als auch von der Sphäre der Objektivität, da jene Unterscheidung erst in derjenigen Sphäre zur Erscheinung kommt, die dem Absoluten gegenüber nachgeordnet, mithin nachträglich ist.
16
Vgl. dazu P. Trawny, Die Zeit der Dreieinigkeit: und Schelling, Würzburg 2002.
Untersuchungen zur Trinität bei Hegel
EDWARD C. HALPER
Positive and Negative Dialectics: Hegel's Wissenschaft der Logik and Plato's Parmenides
O f the m a n y p h i l o s o p h i c a l w o r k s that H e g e l d i s c u s s e s , n o n e r e c e i v e s
more
a c c o l a d e s than P l a t o ' s Parmenides.
[erha-
benste
Dialektik]
H e c a l l s it the „ m o s t s u b l i m e d i a l e c t i c
e v e r g i v e n " 1 and „the greatest art w o r k o f a n c i e n t d i a l e c t i c " ; 2
h e c l a i m s that it (as w e l l as t h e Sophistes
and Philebus)
e x p r e s s e s „ t h e abstract
s p e c u l a t i v e I d e a in its pure c o n c e p t " ; 3 h e e n d o r s e s the N e o p l a t o n i c n o t i o n that it is P l a t o ' s „true t h e o l o g y " ; 4 a n d it s e e m s to f o r m the b a s i s f o r h i s o w n d i a l e c t i c . In an early Jenaer p i e c e , „ V e r h ä l t n i s s d e s S k e p t i c i s m u s zur P h i l o s o p h i e " , h e praises the d i a l o g u e ' s d e s t r u c t i o n o f t h e p o s s i b i l i t y o f all k n o w i n g . 5 H e g e l a l s o directs s o m e sharp c r i t i c i s m a g a i n s t t h e Parmenides. schaft
der Logik
However,
His
Wissen-
c r i t i c i z e s its n e g a t i v e results and s u g g e s t s that t h e y s t e m f r o m
the t y p e o f d i a l e c t i c it e m p l o y s . 6 M o r e o v e r , b y the t i m e o f the Logik,
Hegel has
clearly c o m e t o think that k n o w l e d g e is p o s s i b l e . In short, in r e s p e c t o f b o t h its
1
G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Erster Band, in: id., Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, hrsg. von H. Glockner, Stuttgart 3 1959, Bd. 17, 308. This phrase does not appear in the critical edition of Hegel's last set of lectures on the history of philosophy, but there, as in other editions, Hegel does call the dialogue „the most famous masterpiece of Platonic dialectic". Cf. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II. Plato bis Proklos, in: id., Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, hrsg. von P. Garniron, W. Jaeschke, Bd. 8, Hamburg 1996, 33.
2
G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: id., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, hrsg. von W. Bonsiepen, R. Heede, Hamburg 1980, 48. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, in: Sämtliche Werke, Bd. 18, 230. Hegel discusses the dialogue at ibid., 240-247. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II, 33-34. Cf. G. W. F. Hegel, Verhältniss des Skepticismus zur Philosophie, Darstellung seiner verschiedenen Modificationen, und Vergleichung des Neuesten mit dem Alten, in: Gesammelte Werke, Bd. 4, hrsg. von H. Buchner, O. Pöggeler, Hamburg 1968, 207, where Hegel asserts that the parmenides ... das ganze Gebiet jenes Wissens durch Verstandesbegriffe umfaßt und zerstört".
3 4 5
6
G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die Objective Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832), in: Gesammelte Werke, Bd. 21, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1985, 87. This passage is quoted and discussed below.
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Edward C. Halper
method and results, the Parmenides seems to receive Hegel's highest praise and his sharpest criticism. Some aspects of this seeming contradiction have been adequately explained; others are more difficult, but surmountable, as we will see. More troubling than Hegel's apparent vacillation about the Parmenides are the features of the dialogue that he fastens upon, its dialectical method and the negative results of its second part. Most contemporary readers have been reluctant to call the dialogue's results negative or positive, emphasizing instead their apparent contradictoriness. There is disagreement about whether anything positive emerges. 7 And contemporary readers have been more baffled than impressed by the method of Parmenides'' second part: Both the description of the method and its illustration are ambiguous, many of the arguments seem quite weak and even eristical, while ,dialectic' seems a misnomer for what is closer to a lecture and, certainly, quite different from the dialectic we find in other dialogues. At the same time, Hegel is silent on the two issues that have most troubled contemporary readers: whether Plato can overcome the criticisms of the forms presented in the dialogue's first part and the relation of the dialogue's second part to its first.8 There is a substantial body of literature on Hegel's understanding of the Parmenides. There are three main issues: 1. how Hegel developed from his Jenaer notion that the Parmenides makes a case for skepticism, 9 2. whether or 7
F. M. Comford, Plato and Parmenides: Parmenides' Way of Truth and Plato's Parmenides, transl. with an intr. and running comm. by F. M. Cornford, London 1939, repr. Indianapolis n. d., 244-245, insists that the dialogue's conclusion is merely „ostensible" in order to challenge readers to discover for themselves the ambiguities in the hypotheses and fallacies in the deductions. He thinks that different hypotheses deal with different Ones. In contrast, R. E. Allen, Plato's Parmenides: Translation and Analysis, Minneapolis 1983, 186, 198-199, argues that One cannot be ambiguous and that the dialogue aims to lay out a series of unresolved aporiae.
8
Both Mitchell H. Miller, Jr. and Kenneth Sayre argue, on quite different grounds, that Parmenides' arguments against the forms are fatal to a certain account and that the second part proposes a different and more profound way to understand forms. According to Miller, Plato's Parmenides: The Conversion of the Soul, Princeton 1986, 169-171, Socrates' account of the forms errs in treating them as if they were material entities and this is corrected, in the second part, with a profound treatment of forms as non-material and an account of participation. According to Sayre, Parmenides' Lesson, Notre Dame/Ind. 1996, 92-97, it is Plato's own separate forms that are under attack in the first part, and the second part skirts the problem with an account of immanent forms. C. C. Meinwald, Plato's Parmenides, New York 1991, 162-163, takes a completely different approach to the relation. She argues that the criticisms of the first part are answered by a distinction between two types of predication that is found in the second.
9
K. Düsing, Hegel und die Geschichte der Philosophie: Ontologie und Dialektik in Antike und Neuzeit, Darmstadt 1983, 55-67, has a good discussion of the literature to that
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not he correctly understood Plato 10 and 3. whether or, rather, how his dialectic differs from Plato's." The first issue has been adequately treated. Hegel's discussion of skepticism belongs to the period when he still thought of logic as a propaedeutic to metaphysics, before he identified the two. Addressing the second issue requires a solid understanding of the Parmenides, but despite the large literature on this dialogue, there is no consensus even on basic issues. Although Hegel is surely mistaken on some points of detail, it is important to allow for the possibility that his method, his choice of problems or his unstated systematic assumptions could arise from this dialogue and even, perhaps, reflect a deep understanding of it. But the problems here are too large and difficult to tackle directly all at once. So let me set aside, for now, the second issue. The focus of my attention will, then, be the third issue, how Hegel's dialectic differs from Plato's. I shall begin from Hegel's claim that Plato's dialectic is negative, and my guiding questions are: 1. whether, how and why Plato's dialectic is negative; 2. why Hegel understands it to be negative and what he does to make dialectic positive. Before addressing these questions, we need to distinguish between a form or category and the dialectic that arrives at it or springs from it. This distinction is crucial because Hegel aims to overcome it; and in the final logical category, Absolute Idea, content and method, that is, idea and dialectic are identical. This means that the degree of separation between idea and dialectic serves as a measure of the adequacy of the idea. The answers to the two questions that I will argue here are as follows: 1. Plato's dialectic is negative in the sense that the
point. Düsing, ibid., 68-74, discusses the role of the Parmenides in Hegel's development. R. Schäfer, Die Dialektik und ihre besonderen Formen in Hegels Logik, Hamburg 2001, has a similar view of Hegel's development. 10
See H.-G. Gadamer, Hegel und die antike Dialektik, in: id., Gesammelte Werke, Bd. 3, Tübingen 1987, 20. Gadamer thinks that Hegel misunderstood the literal meaning o f Plato's dialectic, but grasped, at least in the Sophistes, its deeper truth as a foundation for the hermeneutical understanding of speech. - M. Gessman, Skepsis und Dialektik. Hegel und der Platonische Parmenides, in: Skeptizismus und spekulatives Denken in der Philosophie Hegels, hrsg. von H. F. Fulda, R.-P. Horstmann, Stuttgart 1996, 51, also questions whether Hegel has correctly understood the Parmenides. He argues, ibid., 5657, that Hegel has projected his own development of ideas on to Plato.
11
G. Maluschke, Kritik und absolute Methode in Hegels Dialektik, Bonn 1974, 54, sees the decisive difference to lie in Hegel's reconstruction of the categories into a system. K. Düsing, Formen der Dialektik bei Plato und Hegel, in: Hegel und die antike Dialektik, hrsg. von M. Riedel, Frankfurt a. M. 1990, 190-191, notes, among other differences, that the meaning of the forms remains unaltered in Platonic dialectic, whereas the categories are altered and enriched in Hegelian dialectic. Gessman, Skepsis und Dialektik, 51, contrasts the inconclusive flux of Platonic dialectic with Hegel's systematic, scientific method that purports to arrive at knowledge.
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movement of thought, negation, lies outside of the form; the reason for this is that form is strictly one and dialectic is generally the negation of its sensible representations. Contrary to Hegel's view, Plato's dialectic does reflect the character of form. The dialectic of the Parmenides has another dimension: It is also negative because it aims to know the particular by expounding all the negations of form. 2. Hegel thinks that Plato's dialectic is negative because he takes a Platonic form to be complex and contradictory, and recognizes that the complex dialectical movement through which it is known lies outside of it. He makes his own dialectic positive by including the movement of thought as part of the form or category. For him this movement is a positive self-relation that, usually, adds internal content to the category and transforms it into an instance of itself - a particular, as it were. This means that Hegel's categories are not strictly one, though they do acquire other sorts of unity. Hegel models his own forms on what he takes Plato's to be and develops a dialectic that reflects their character. Hence, Plato and Hegel differ on both the nature of form and the character of dialectic, and it will emerge that they represent polar positions on the nature and role of first principles. At the root of these differences, as well as the larger similarities they presuppose, is a problem that is discussed explicitly in neither the Wissenschaft der Logik nor the second part of the Parmenides, the problem of participation. It is a token of their respective idealisms that neither philosopher thinks this problem can be properly formulated; but we can, I suggest, come to a deep understanding of how each uses the method of dialectic by seeing how this method works to resolve, in effect, this unstated and unstateable problem. It will be clear from this brief statement that this essay is speculative. The Parmenides and the Wissenschaft der Logik are each too complex and enigmatic to interpret definitively in the present setting, nor even in lengthier venues, if we are to judge from the extensive literature on each. My plan here is to use each work to illuminate the other. We stand to learn something about the Parmenides by considering Hegel's view of it; and, conversely, by contrasting this work with the Wissenschaft der Logik, we could come to learn something about the latter. Part of the value of comparing them is that it helps to focus attention on the philosophical points at issue, points that Plato and Hegel think at the center of philosophy: what ideas are, how they are related to their instances and whether and how dialectic yields philosophical knowledge. I submit that the opportunity to pursue these issues with Plato and Hegel, as it were, should trump anxieties that a speculative interpretation, though compatible with the texts, cannot be definitive. We will, however, begin on firm ground. The next section shows that the seemingly contradictory characterizations Hegel gives of both the form and dialectic of the Parmenides are consistent. Section II contrasts Plato's conception
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of form with Hegel's and considers why dialectic is and is not external to form. Section III explores Plato's problem of participation and section IV explains how his dialectic is a response to this problem. Section V argues that Hegel's dialectic resembles Plato's in this essential feature and can, therefore, be understood as a response to the same problem. Section VI compares the two responses, and the final section briefly notes the different assumptions about fundamental principles that are at work in each philosophy.
I. The Consistency of Hegel's Treatment of the Parmenides In one respect, Hegel's praise of the skepticism of the Parmenides in his Jenaer work is easy to reconcile with his evident affirmation of knowledge in the Wissenschaft der Logik. We need only look carefully at his words and note his use of technical terminology. Hegel claims in his „Skepticismus" essay that the skepticism that emerges from the Parmenides would „encompass and destroy the entire realm of knowing through concepts of understanding". 12 The key word here is .understanding'. Skepticism about concepts of the faculty of understanding is not skepticism about the possibility of all knowing. 13 Indeed, Hegel goes on to call skepticism „the negative side of knowledge of the Absolute", adding that „it immediately presupposes reason as the positive side". 14 Skepticism about the understanding's claims to knowledge remains a cornerstone of Hegel's philosophy, but he consistently endorses knowledge through reason. The difference between these two faculties, as Hegel goes on to explain, is that whereas the understanding grasps concepts as isolated from each other and considers how they can be combined, reason shows these concepts to be united with each other in a contradictory way and, thereby, transcended. 15 Hegel gives, as examples of concepts of reason, individual propositions that each contain an internal contradiction. In the Logik he elaborates this distinction by explaining
12 13
Hegel,Verhältniss des Skepticismus zur Philosophie, 207. Μ. Forster, Hegel on the Superiority of Ancient Over Modern Skepticism, in: Skeptizismus und spekulatives Denken in der Philosophie Hegels, hrsg. von Fulda, Horstmann, 64-82, discusses this essay in the context o f Hegel's early skepticism without the distinction between faculties that I make here.
14
Cf. Hegel, Verhältniss des Skepticismus zur Philosophie, 207: „Dieser Skepticismus ... ist selbst die negative Seite der Erkenntniß des Absoluten, und setzt unmittelbar die Vernunft als die positive Seite voraus." See Düsing, Hegel und die Geschichte der Philosophie, 69. This phrase is repeated by Schäfer, Die Dialektik und ihre besonderen Formen in Hegels Logik, 81, who also takes the role of skepticism, for Hegel, to lie in destroying the aspirations of the understanding to knowledge.
15
Hegel, Verhältniss des Skepticismus zur Philosophie, 208.
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that a concept of reason contains movement within itself, in contrast to the static determinations of the faculty of understanding.16 For the „Skepticismus" essay, then, what emerges from the Parmenides is that determinations of the understanding cannot be defended because they are no more true than their negations. Any simple assertion could always be negated. The proper remedy for this defect is a determination that includes the assertion along with its negation. This would be a determination of reason, and Hegel thinks that in the Parmenides Plato recognizes that form must be a determination of reason. It is an insight that Hegel uses, for it is from such determinations that he himself builds his own system. Thus, Hegel's early endorsement of the Parmenides'' skepticism represents a particular understanding of Platonic form, an understanding that is not only compatible with Hegel's later confidence in having attained knowledge, but an important ground for that confidence. Another apparent inconsistency between the Wissenschaft der Logik and Hegel's Jenaer essay is more difficult to resolve. It turns on his conception of dialectic. In an important passage in the Wissenschaft der Logik, Hegel terms the Parmenides' dialectic „external" and speaks of its negative results: „The dialectic employed by Plato in treating of the One in the Parmenides is also to be regarded rather as a dialectic of external reflection. Being and One are both Eleatic forms which are the same thing. But they are also to be distinguished; and it is thus that Plato takes them in that dialogue. [1.] After removing from the One the various determinations of whole and parts, of being-within-itself, of being-inanother, etc., of shape, time, etc., he reaches the result that Being does not belong to the One, for Being belongs to any particular something only in one of these modes. [2.] Plato next deals with the proposition: the One is, and we should refer to Plato himself to see how, starting from this proposition, he accomplishes the transition to the non-being of the One. He does it by comparing the two determinations of the proposition put forward: the One is\ it contains the One and being, and ,the One is' contains more than when we only say: the One. It is through their being different that the moment of negation contained in the proposition is demonstrated. It is evident that this course has a presupposition and is an external reflection."17 Hegel is clearly discussing the first two hypotheses of the Parmenides. (I have inserted numbers to mark each.) His point is that the first hypothesis clears all content out of the One, including Being; whereas the second hypothesis starts from the being of One but, by emphasizing the difference of One and Being, shows the non-being of One. In both hypotheses, Being and One remain external 16 17
Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 8. G. W. F. Hegel, Hegel's Science of Logic, trans, by Α. V. Miller, London 1969, 100101. (I have slightly altered Miller's capitalization.) Cf. Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 87.
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to each other and yet, nonetheless, presuppose each other. It might s e e m that Hegel means to make the same point about the Parmenides as the Jenaer „Skepticismus" essay, the rejection o f concepts o f the understanding because they are always determined by their opposites. But this cannot be his intention, because the sole concern o f the Wissenschaft der Logik is with concepts o f reason. The quoted passage appears in a comment on the category o f Becoming; Hegel clearly takes at least the Parmenides' first two hypotheses to expound determinations o f reason that belong to his positive treatment in the „Logic o f Being". His v i e w o f the Parmenides would, thus, seem to have altered: Whereas the „Skepticismus" essay takes the Parmenides to expose the inadequacy o f determinations o f the understanding and, therefore, as a mere propaedeutic to reason, the Logik takes the dialogue to exhibit the initial steps o f reason in logic. 1 8 W e also find the latter conception o f the Parmenides in the Vorlesungen über die Geschichte
18
Düsing, Formen der Dialektik, 187, speaking about the present text from the Logik, stresses Hegel's continued negative evaluation of the results of the Parmenides' dialectic. His view is that Hegel takes the Parmenides as a kind of negative dialectic preparing the ground for the positive results which Plato achieves in the Sophistes. Hegel's appreciation of these results is recorded not in the Logik, but in students' notes on his lectures on the History of Philosophy (ibid., 187-188). Düsing's view may be influenced by the fact that Michelet's second edition (1840) of Hegel's lectures places the discussion of the Sophistes immediately after that of the Parmenides. However, in both Michelet's first and third edition (the latter is the basis of the Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie edited by Glockner) and the recent critical edition of Hegel's final set of lectures on this topic by Gamiron and Jaeschke (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II), Hegel discusses the Parmenides after the Sophistes and the Philebus. In any case, I do not think that Düsing takes adequate account of the overall positive context of the Logik. From Hegel's point of view, Plato's identification and distinction of One and Being in the Parmenides is equivalent to the recognition of the unity of Being and Not-being, and it counts as insight into Becoming, a major positive result. - On the other hand, Düsing, ibid., 189-190, argues that Hegel's identification of the Other in itself (an sich) with Plato's τό ετερον of the Sophistes correctly expresses the positive result of this dialogue, even though it involves Hegel's own speculative dialectic and has no counterpart in Plato's highest genera. Düsing thinks that Other, rather, has the conceptual status of Individual. I do not see any ground for supposing that the categorial relations Hegel discusses in this passage from the Lectures fall outside the logic of Being. The category of Other, in this passage, has the same external determination that all categories in the sphere of Being receive: It is self-predicated. So, too, when, in the Logik, Hegel takes the Parmenides to determine Being and One by each other and by Other, he is ascribing positive predications to them. To be sure, such predications are external in the way I explain: They add content to their subjects, Being and One, and thereby transform them into richer categories. Again, Hegel sees both Parmenides and Sophistes as having positive results that fall under the logic of Being. The Parmenides is negative in respect of the faculty of understanding, but positive in respect of reason. More on this issue below.
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der Philosophie: There, unlike the „Skepticismus" essay, Hegel maintains that determinations of reason, such as the One that is also Many, are Plato's unstated conclusion in the Parmenides,19 The issue here is whether the Parmenides makes the break with the faculty of understanding or inaugurates the new regime of reason, that is, whether the dialogue's dialectic is merely destructive or leads to positive knowledge. 20 There is a difference, but, I propose, it is more one of emphasis than substance: The same dialectic that undermines the understanding's grasp of the One is the dialectic through which reason grasps the One. The problem with this equation, however, is that the dialectic through which reason grasps a category must belong to that category, but the dialectic we find in the Parmenides does not belong entirely to the One. As the quoted passage makes clear, this dialogue's dialectic expounds the One by showing its relations with Being and other forms, 21
forms that remain distinct from the One and, thus, external to it. To know a determination of reason is to grasp the internal process of assertion and denial that constitutes it. Since the One is also determined by its opposite, Many, Hegel takes the One to be a determination of reason; but since its dialectic is external to it, it seems not to be knowable as a determination of reason. It seems, then, that Plato's dialectic of the One undermines any possibility that the One could be grasped by the understanding but fails to be the dialectic through which reason grasps the One. This conclusion is false. Hegel's brief discussion of the Parmenides in the Logik, quoted above, shows implicitly why; thereby, it removes the obstacle to the Parmenides' dialectic providing positive knowledge of the One. The key idea is22 that the dialectic of the Parmenides is a dialectic of „external reflection". To judge from our passage, the determinations which the One receives are „external" because neither they nor the process of affirming or denying them 19 20
Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II, 36. M. Baum, Kosmologie und Dialektik bei Plato und Hegel, in: Hegel und die Antike Dialektik, hrsg. von M. Riedel, Frankfurt a. M. 1990, 207, notes that in the „Skepticismus" essay, Hegel ascribes the positive dimension of these determinations not to Plato's Parmenides, but rather to Spinoza.
21
Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 246, says that this dialectic „is not quite pure because it begins from this union of two determinations".
22
It seems odd to encounter the category of reflection, which figures prominently at the beginning of Essence, in the sphere o f Being, but here Hegel speaks o f „external reflection", whereas in Essence he calls the category „reflection" and means internal reflection. I suggest that .reflection' amounts to what we might ordinarily call thinking. In Essence, thinking stands behind what appears, but really pervades it, as we discover. In Being, the process of thinking lies outside of the categories.
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is contained in the One. Indeed, it is true in general of categories from the logic of Being that they do not include within their contents their relations to other categories or to themselves. We can grasp this „externality" by comparing these categories with those from other logical spheres. Categories from Essence are, by definition, related to their contraries; each is defined through the negation of its opposite. Categories from the logic of Concept are also self-related by definition; they are each defined through a self-relation that somehow includes its opposite. Thus, as the Logik develops, its determinations become progressively more internal, until it is the very nature of a category to be its own self-relation and self-negation. In speaking of Being and One near the beginning of the Logik as determinations of „external reflection", Hegel locates them at the beginning of this development of reason. He thinks that any attempt to understand them will, eventually, lead us to qualify them by their opposites, but the dialectical process through which we come to such qualifications lies outside of Being or the One. This externality implies, on one hand, that Being and the One cannot be adequately known. On the other, recognizing that determinations of the One and Being are external and, indeed, because of the simplicity of the One and Being, must be external is itself a way of knowing them. Again, in respect of its content, a category from the logic of Being admits only external determinations; therefore, to determine it in this manner is to grasp it as it is. What seemed to be an obstacle to knowledge turns out to be a dialectic that reflects the character of the form it knows. In short, the Jenaer essay takes the Parmenides to set out a negative dialectic that undermines determinations of the understanding. The Wissenschaft der Logik sees the same dialectic as positive because it takes the externality of this dialectic to reflect properly the forms it seeks to know and because it takes this external dialectic to stand at the beginning of dialectical process of progressive internalization. So understood, Hegel's view of the Parmenides is not only consistent, but we can see something about why he holds the dialogue in such high regard and thinks that it provides the basis for his own dialectic. We could end here with our new insight into Hegel's use of this dialogue; but we have not learned much about the dialogue itself because Hegel does not really discuss its details and because it is hard to connect what he does say with the central issues of the dialogue. Nor is it clear why Plato, if he has the kind of insight into form that Hegel ascribes to him, does not himself propose a way to overcome externality and construct a positive dialectic or how Hegel could be oblivious to the participation issue central to the dialogue, an issue that should apply equally to his own notion of category. Further, despite what has emerged about the program of the Logik, it remains unclear how Hegel transforms dialectic from the discovery of
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contradiction that it seems to be in the Parmenides to the positive and complete 23 development it becomes in the Logik.
II. Form Why is Plato's dialectic „external" and must it remain so? Although Hegel credits Plato with a profound dialectic in the Parmenides, he does not think that Plato is fully aware of his achievement. In a passage from the Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie that is not about this dialogue, he proposes a very interesting reason for the externality of Plato's dialectic: „The Concept of true dialectic is to show forth the necessary movement of pure Concepts, without thereby resolving these into nothing; for the result simply expressed is that they are this movement, and the universal is just the unity of these opposite Concepts. We certainly do not find in Plato a recognition that this is the nature of dialectic, but we find dialectic itself present; that is, we find absolute existence thus recognized in pure Concepts, and the representation of the movement of these Concepts ... This dialectic is, indeed, also a movement of thought, but it is really only necessary in an external way and for reflecting consciousness, in order to allow the universal, what is in and for itself, unalterable and immortal, to come forth." 24 Here Hegel separates the dialectic through which a Concept emerges from the Concept that emerges from it. Dialectic is, apparently, a sort of motion of thought, whereas the Concept it produces, the content of the thought, is an „unalterable and immortal" universal. Hegel's point is that the Platonic dialectic is a motion that not only fails to be intrinsically connected with the conceptual content that it makes manifest, but is, in itself, opposed to that content; for Plato uses a process of change to convey something immune from change. We see in this passage the notion, mentioned earlier, that dialectic ought, properly, to reflect the form or category that it makes manifest. Hegel is contrasting Plato's dialectic, where the movement of thought lies outside of the Concept, with his
23
24
Düsing, Formen der Dialektik, 185, claims, plausibly, that Hegel learned from Plato the force of negation of negation. My concern here goes beyond Hegel's appropriation of Platonic insights and his development to showing how his dialectic enables him to resolve a central problem in the Parmenides. G. W. F. Hegel, Lectures on the History of Philosophy. Plato and the Platonists, transl. by E. S. Haidane, F. H. Simson, vol. 2, Lincoln/Nebraska 1995, 49-50, 52. This translation of Michelet's second edition of the lectures differs in its arrangement from Glockner's text based on Michelet's third edition. Cf. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 222-223, 225.
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own ,true' dialectic, where the movement is within the Concept or, rather, just is the Concept. He makes similar remarks about the Socratic method.25 Hegel also speaks similarly near the end of the Wissenschaft der Logik. Just before he explains his own conception of dialectic, which has been at work throughout the Logik, he looks back at previous notions of dialectic: „The fundamental prejudice in this matter is that dialectic has only a negative result, a point which will presently be more precisely defined. First of all as regards the abovementioned form in which dialectic is usually presented, it is to be observed that according to that form the dialectic and its result affect the subject matter under consideration or else subjective cognition, and declare either the latter or the subject matter to be null and void, while on the other hand the determinations exhibited in the subject matter as in a third thing receive no attention and are presupposed as valid on their own account."26
25
Discussing the Socratic dialogues of Plato, today designated as the ,early dialogues', Hegel claims of Socrates: 1. „Was er damit bewirken wollte, war, daß sich die Anderen äußern, ihre Grundsätze vorbringen sollten. Und aus jedem bestimmten Satze oder aus der Entwicklung entwickelte er das Gegentheil dessen, was der Satz aussprach; d. h. er behauptet es nicht gegen jenen Satz oder Definition, sondern nimmt diese Bestimmung und zeigt an ihr selbst auf, wie das Gegentheil von ihr selbst darin liegt. Oder zuweilen entwickelt er auch das Gegentheil aus einem konkreten Falle" (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 60). - 2. „Sokrates' bestimmte Ironie ist mehr Manier der Konversation, die gesellige Heiterkeit, als daß jene reine Negation, jenes negative Verhalten darunter verstanden wäre, - nicht Hohngelächter, noch die Heuchelei, es sei nur Spaß mit der Idee. Aber seine tragische Ironie ist sein Gegensatz seines subjektiven Reflektierens gegen die bestehende Sittlichkeit, - nicht ein Selbstbewußtseyn, daß er drüber steht, sondern der unbefangene Zweck, zum wahren Guten, zur allgemeinen Idee zu fuhren" (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 64). - 3 . Hegel also describes Socrates' aim as provoking thought: „Diese Verwirrung hat nun die Wirkung, zum Nachdenken zu führen; und dies ist der Zweck des Sokrates. Diese bloß negative Seite ist die Hauptsache" (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 69). But Hegel also notes the positive side, the idea of the Good: „Dies Affirmative ist nichts als das Gute, insofern es aus dem Bewußtsein durch Wissen hervorgebracht wird, - das gewußte Gute, Schöne, was man die Idee nennt, das Ewige, Gute, an und für sich Allgemeine, das durch den Gedanken bestimmt ist; dieser freie Gedanke bringt nun hervor das Allgemeine, das Wahre und, sofern es Zweck ist, das Gute" (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 69-70). - 4. „Die Sokratische Dialektik geht gegen dies Wissen des ungebildeten Geistes von seinem Inhalte; es macht ihn wankend, zeigt, daß er, so wie er ihm erscheint, keine Wahrheit hat. Das Bewußtseyn verliert diese Vorstellung von seiner Wahrheit als diesem zerstreut geltenden Inhalte, und wird frei" (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 89).
26
G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Zweiter Band. Die subjektive Logik (1816), in: Gesammelte Werke, Bd. 12, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1981, 243. (Translation according to Hegel, Science of Logic, 832-833.)
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Hegel had identified the dialectic that leads to the negation of subject matter with the Eleatic dialectic. The dialectic that negates cognition is, it seems, that of Socrates and Plato. That is to say, the dialectical approach to knowledge of forms leads to the conclusion that either there is nothing for us to know or our human ways of knowing forms are inadequate; what it does not do is truly to examine the forms themselves. Putting these two texts together, we could say that Platonic dialectic negates itself and all human cognition while showing to that cognition an entity beyond it. The dialectical process through which Plato seeks to grasp form stands apart from the form it grasps. In general, Plato has his Socrates show that an interlocutor's views of some form are contradictory in order to give readers a glimpse of a non-contradictory and immobile form that, unlike the dialectic through which it comes to appear, is real. It follows that the interlocutor's views as well as his cognitive processes are unreal. The Parmenides appears to be something of an exception, and we can see at once why Hegel holds it in the highest regard; for there contradictory dialectical arguments yield insight into an internally contradictory form. Yet, even in this dialogue, Hegel thinks there remains something of the externality between form and dialectic that is so prominent elsewhere. First, the result of its dialectic is presented as negative. The dialogue ends with a contradiction, and Hegel thinks that Plato aims to destroy finite assertion about and cognition of the One by the understanding. As we saw, Hegel also thinks that the same dialectic has a positive significance that Plato failed to grasp fully. This distinction between the negative dialectical process and the positive form that emerges from it is one way that the externality of form and dialectic manifests itself in the Parmenides. A second manifestation of this externalilty lies in the difference between Parmenides' indefinite number of arguments to support the qualification of One with its opposites and the unitary and complete notion of One that Hegel, at least, thinks emerges from the arguments. It is worth dwelling a moment on more typical manifestations of Plato's separation of form and dialectic. We can most easily appreciate the problem in the sphere of ethics: Plato's Socrates often encounters an interlocutor who thinks himself virtuous. Since it seems necessary to know what Virtue is in order to be virtuous, the interlocutor assumes, at least implicitly, that he has knowledge of Virtue; but he invariably proves himself unable to give a consistent account. In refuting the proposed definitions, Plato's Socrates shows what each Virtue cannot be. He is, in effect, emptying out the presumed content of the Virtue. Everything we thought was a candidate for, say, Justice turns out, on closer examination, to contradict other assumptions; yet Justice must exist if some acts are to be more or less just than others. The problem is that this negative, elenctic procedure is somehow supposed to yield a positive insight into the nature of form.
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Instead, in showing the interlocutor to contradict himself, the dialectic appears to show itself inadequate to positive knowledge. One objection that might be made to this contention is that it ignores what we might call the self-instantiating dimension of the dialogues: In the course of seeking to define the virtues, interlocutors often seem to display the virtue sought. Thus, Laches exhibits courage while seeking Courage, Socrates and Lysis become friends while seeking to understand Friendship etc. However, apparent exhibitions of virtue are deeply problematic because without the knowledge of the form that the dialogue seeks, we are not in a position to say whether these apparent instances of forms are genuine. Moreover, even if interlocutors do imitate forms, their actions are mere representations that must fall short. Insofar as form is unalterable and immortal, all representations will fail to instantiate it fully. The self-instantiating character of Platonic dialogue cannot count, then, as an adequate response to the problem Hegel identifies. There is, however, a nice dialectical response to this problem, for even while pointing out the unbridgeable gulf between the Platonic form and the dialectic that seeks to know it, Hegel's account suggests a way to know form. Insofar as dialectic can prove its own inadequacy to the form, that is, insofar as dialectic can make clear that it cannot provide knowledge that is truly inalterable and immortal' and that knowledge has just this latter character, dialectic does provide a glimpse of form. Its very failure should count as its success because in failing, it makes clear what character knowledge would have to have. This mode of thought is traditionally termed ,negative dialectic'. Although he does not quite say so, Hegel comes close to ascribing it to Plato in the passage from the Wissenschaft der Logik last quoted. This point would put the role of dialectic in a somewhat different light: If Plato's dialectic is intrinsically different from the form it is supposed to reveal, and if it reveals that form by displaying its difference, then the dialectic is not external to the form but a revelation of form's nature as something distinct. Consider how this point plays out in the Parmenides. The subject of the dialogue is the One, the character that Plato regularly uses to describe form 27 and that he has Socrates use here in Parmenides' first part to denote form. Insofar as a form is strictly one, no process of thought or subject-predicate assertion could express it. The notion that dialectic brings us gradually closer to knowing form must be rejected because there can be no partial knowledge of what has no parts. On the other hand, to recognize that any dialectical movement or any a characterization would be a plurality and, therefore, inadequate to form is to recognize the character of form. So it is possible, at least in principle, to come to see form in the act of recognizing one's failure. If, however, the denial of
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Cf. Plato, Phaedo 78d5; Symposium 21 l b l .
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plurality yields a positive understanding of form, then plurality is intrinsically connected with form. Again, it is just because we can see form to be what it is by denying plurality to it that we must recognize plurality to be intrinsically connected with it. This, I submit, is a way of expressing Hegel's notion that the Platonic form passes over into its contrary in the Parmenides. Its qualification with contrary characters stems from its inherent relations with other forms, and because these relations belong to it, the one form becomes many. Again, if to know what is One, we must know it in its relations to a plurality, then what is One also stands in these relations and is not One. So understood, the Parmenides is indeed the culmination of Platonic dialectic and provides the basis for the beginning of Hegel's own dialectic. In short, although it requires some reflection on our part, we can see how Hegel's reading of the Parmenides could have played a pivotal role in the construction of his system. As brilliant as Hegel's treatment of the problem of the relation of form and dialectic is, it is, I think, mistaken. What Hegel misses or ignores is the transcendence of Plato's form. To recognize that we come to grasp form through plurality is not to add to its content, but to distinguish what we can know from it form stands beyond human knowledge. Hegel seems to recognize this point in the Logik passage quoted above, but he does not make use of it. The reason lies, perhaps, in Hegel's own insistence that forms or categories be thoughts that, pure though they be, do not lie beyond us. Because we can think categories, they are not different from the relations that we understand them to have with other categories, and these relations, consequently, can be included within their content; truly transcendent forms would not include such relations. The transcendence of the form would prohibit the dialectic which I have just proposed as Hegel's version of why a form passes over into its contrary. Nonetheless, this dialectic requires only slight modification to become genuinely Platonic. Suppose, at least for the moment, that form does transcend our experience. It follows that we cannot properly grasp it and that any dialectic through which we become aware of form's existence must be external to it. Now suppose, on the contrary, that it became clear that we could not grasp a form in our experience. The dialectic that made this point clear to us could, insofar as it belongs to our experience, constitute no part of form. In this case, the inherent externality of the dialectic serves as a sign of the transcendence of the form.28 That is to say, the negativity and externality that Hegel takes to be the failure of Plato's dialectic could, rightly understood, well be its success; for it is just in recognizing dialectic as inevitably external to form that we recognize form as beyond experience, as transcendent. Moreover, if this line of thought is correct,
28
See E. C. Halper, The „Socrates" of Plato's Early Dialogues, in: Form and Reason: Essays in Metaphysics, Albany/N. Y. 1993, 13-33.
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then the negative dialectic of Plato is not external to form, but the consequence of form's essential character. In its plurality and motion, dialectic reflects its own separation from the unitary and immobile form it pursues. In short, the externality and negativity of Plato's dialectic count as support for his separation of form. If this reasoning is correct, then Hegel is wrong about the externality of Plato's dialectic. But he is not entirely wrong. Even though form's transcendence can account for the dialectic, it does not account for all the particular steps the dialectic takes. There are an indefinite number of possible dialectics (or dialogues) about any one form. There is no way to predict or determine thoroughly the course of a dialectic from the form it pursues. The dialogue is, in general, a function of the interlocutors. The course of the second part of the Parmenides may seem an exception, inasmuch as it follows a plan which Parmenides lays out and is not set by the interlocutors.29 The details of this dialectic, however, are not determined by the form explored. In the dialogue's first hypothesis, for example, Parmenides offers a series of arguments each showing that some form could not belong to One. There seems to be no order to the consideration, nor is it clear that Parmenides has considered all forms. The dialogue's second hypothesis argues that a One-that-is would be determined by all forms, but again the order in which particular forms are considered does not follow from the One. The same could be said of subsequent hypotheses, and the sequence of the hypotheses themselves also seems to be external to the form under consideration. In short, there is an apparently insurmountable arbitrariness to the second part of the Parmenides that renders it, in some respects, external to the One. Nonetheless, this dialectic follows a plan designed to insure the consideration of every possible relation between One and the others. As Zeno explains, truth requires „ranging ... over the entire field".30 Just what are we to make of the fact that within and between each branch of the dialectic, we encounter contradiction? Following Hegel's reasoning about the externality of dialectic (but not his conclusion), I propose that the intrinsically contradictory character of the dialectic about the One counts as evidence that the One transcends dialectic. It is just because the dialectic ,,rang[es] ... over the entire field" and shows that all ways of thinking the One lead to contradiction or ignorance that we should conclude the One is beyond our ken. Hegel drew a very different conclusion, as we have seen. He takes the dialogue to show that One or any other determination of thought must pass over into its opposite. What is really striking here is the contrast between Hegel's acceptance that form must be constituted by moments and, therefore, lack strict
29 30
Plato, Parmenides, 136a4-c5. Plato, Parmenides 136el-3.
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unity and Plato's insistence that form must be one. If form must be strictly one, then it cannot be identified with the dialectic we find in the Parmenides; conversely, the latter dialectic could serve as a kind of proof of form's unity and separation. On the other hand, Hegel would overcome this separation by making the form a sort of plurality, as, indeed, it must be if it is a determination of reason. What Hegel calls ,reason' and takes to be equivalent to Plato's νους, the faculty that grasps the highest principles, more closely resembles Plato's διάνοια, the faculty of dynamic thought; for νους consists of a simple intuition of a simple principle. 31 If a form can have multiple moments, then a dialectic that thought through them could well be identical with the form itself. In that case, the negativity within a form would be equivalent to the negativity intrinsic to dialectic. In contrast, Platonic form contains no plurality or negativity; its priority stems from its simplicity.
III. The Problem of Participation in Plato Plato's exploration of One through its relations to other, externally related forms supports Hegel's notion that the Parmenides is the determination of this idea with other ideas. As such, the dialogue bears strong affinities with his own Logik·, for he understands this latter work as the se/f-unfolding of the categories which occurs through some sort of categorial self-determination. Does this understanding of the dialogue's second part help to resolve the issue in the first part that has most concerned contemporary scholars, the problem of participation? Many scholars have looked to the second part to help resolve this problem, yet without reaching any consensus. 32 Hegel has nothing to say about it, nor does he himself address this problem. Indeed, he could not even formulate this problem. We would like to say that the problem of participation is how a form or an idea could be present in something else, some matter or, at any rate, some non-idea. But for Hegel there is nothing that is not an idea; his whole philosophy consists of relations of ideas. Hence, to ask about the presence of an idea in something else is to ask about the relation of two ideas. Hegel often speaks of the Platonic form as a universal. At one point he complains about Plato's use of
31 32
Cf. ?\aXo, Respubl. 510cl-511e4. See notes 7 and 8. The literature is too large to mention, let alone discuss, here. It has been argued that the second part shows a rejection of the forms and the endorsement of linguistic analysis, the modification of forms (Sayre), a set of unanswered aporia about the forms (Allen), an analysis of predication (Meinwald), and a treatment of form and participant (Miller).
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terms like „participation", when what he means is individuality. For him, Plato's problem of participation is the problem of how the universal manifests itself in an individual, where both individual and universal are logical categories. Similarly, speaking of the Timaeus, he claims that although matter is the principle of the individual, it must be universal; and he notes that to speak of sensuous things is to point to that in them which is fixed and persists, that is, to their universality. 34 In short, for Hegel the problem of participation is a problem about the relation of ideas. Even though Hegel cannot properly speak of participation, he cannot avoid the problem. Anyone who identifies principles needs to explain how these principles account for and are related to that of which they are principles. We could call this the problem of instantiation and recognize participation as one type of instantiation, the instantiation of a form in a matter. For Hegel, the problem of instantiation of principles is the problem of individuation; he speaks often of abstract categories becoming more concrete. In general, his categories are instantiated by receiving additional categorial determination. With these thoughts in mind, let us take a look at the problems with participation that emerge in the Parmenides. The philosophical portion of the dialogue begins with Socrates recounting a paradox, apparently from the beginning of Zeno's book: „If things (τά δντα) are many, then it is necessary that these be like and unlike. But this is impossible." 35 The impossible consequence could be avoided, Socrates proposes, if Zeno will join him in distinguishing between forms and what partakes of them: Like itself cannot be Unlike, but there is no contradiction if something that is like is also unlike. More generally, though a form cannot partake of its own contrary, something else could partake of both contraries. Parmenides asks Socrates whether he has distinguished between forms and what partakes of them, between Likeness itself and the likeness we have. 36 He goes on to press Socrates to characterize the relation between form and participant. The arguments that follow are so rich and interesting that they have received a great deal of attention individually. If, however, we step back and consider the context of these arguments, we can see that nearly all the rest of the dialogue's first part explores different ways to characterize the relation between form and participant. Parmenides first suggests that the form is a whole of which the participant would be a
33
Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 240. The term .Individuality' does not appear in the parallel passage in the edition edited by Garniron and Jaeschke, 32.
34
Hegel, Vorlesungen
35 36
Plato, Parmenides Plato, Parmenides
über die Geschichte 127e 1-3. 130b 1 -5.
der Philosophie.
Zweiter Band, 264.
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part; 37 then that form might be the sameness or likeness that distinct or unlike participants somehow share; 38 and finally that form is known in contrast with what knows. 39 Each proposal opens up a variety of possible relationships: The whole might be in each part as a whole, separate from each part etc. However, each relationship in each proposal proves, upon examination, to be contradictory. Most readers take these arguments to be a devastating critique of the forms. They are, therefore, surprised that almost immediately after presenting them Parmenides declares: „If, in view of all these difficulties and others like them, a man refuses to admit that forms of things exist or to distinguish a definite form in each case, he will have nothing on which to fix his thought, so long as he will not allow that each thing has a character which is always the same; and in so doing he will completely destroy the significance of all discourse (dialectic)." 40 Evidently, the previous arguments do not thoroughly undermine the forms. It is worth noticing that what Parmenides indirectly affirms in this passage is the existence of „forms of things" (εϊδη των όντων). Only a few lines earlier, he had raised the question whether characters of things exist and someone could mark off each form as something itself.41 In asking about characters or forms, Parmenides assumes the existence of the things of which they would be forms. His question is, thus, whether form exists in addition to things, and an answer would need to explain the relation between form and things. Parmenides suggests that our inability to explain this relation casts doubt on the forms, but he also affirms the existence of the forms on the ground that without them we would have nothing on which „to fix ... thought" and about which to discourse. Hence, he sets up a paradox: The forms cannot exist, but they must exist. The solution to this aporia does not lie in affirming either branch. Instead, the text calls for us to examine the assumption that generates aporia. In this case, it is clearly Socrates' distinction that is at issue. Recall that Socrates introduces this distinction to avoid Zeno's conclusion that Like is unlike 42 and that Parmenides' subsequent questioning of Socrates shows the difficulty or, perhaps, impossibility of maintaining the distinction. While most readers have focused on Socrates' assertion of form, I think it is rather the participant that causes the problems. Zeno speaks of Like, Unlike and other forms; it is the participant that Socrates introduces into the discussion. He must define it
37 38 39 40 41 42
Plato, Plato, Plato, Plato, Plato, Plato,
Parmenides Parmenides Parmenides Parmenides Parmenides Parmenides
130e4-131e5. 132al-133a6. 133b4-134e8. 135b5-c3. 135al-3. 128e5-130a2.
Positive and Negative Dialectics
229
and distinguish it from the form, but this turns out to be no easy task. Indeed, I think that Parmenides shows it to be impossible. The usual way to speak of the participant is to refer to the form X of which it partakes; thus, one could say ,what is X' or ,some X thing' in contrast with the ,form X' or ,X itself. But this is clearly inadequate, because all these phrases could also designate the form itself. We might, instead, propose to designate the participant through some relation it has to a form, for example, by recognizing the participant as having, to a lesser degree, whatever character the form has. This is what Socrates tries to do here and what we sometimes see in other dialogues. However, to grasp the participant as falling short of a form is, in effect, to introduce another form for the participant. It is necessary to spell out the relationship between the two forms - a relationship that Socrates is unable to explain in this dialogue. Moreover, an immanent form in the participant itself faces the same problem: What is it that partakes of it? Regress threatens. In short, the problem here is how to understand the participant apart from the form when all thought and discourse are about forms. Once we appreciate the problem, we can understand why Socrates founders in the dialogue's first part. Parmenides presses him to explain the relation between form and participant. If the form is to account for the character of the participant, there must be some relation, and it must be possible to understand the participant apart from the form that comes to explain it. But, as Parmenides eventually makes clear, we „fix ... thought" on a form. Hence, in order to think or speak about the participant, it must have its own form. If this is so, then the problem of how form explains a particular is a problem about the relation of two forms - in something of the way that Hegel sees it. Indeed, we find that this is exactly how Parmenides treats this problem in first part of the dialogue. He speaks about the participants as Many, as Like etc. and he considers whether their forms are a Part of the form of which they partake or the Whole of this form, whether their forms are the Same or Like the form of which they partake and so forth. It cannot be accidental that Wholeness, Sameness, Likeness and other forms that Parmenides proposes here are types of unity. A form is assumed to be one. One problem Socrates faces is explaining how form could retain its unity and still cause a character in the many other forms of participants. Moreover, if the participants already have their own forms, what is gained by speaking of still other forms? This is the basis for what Parmenides calls the „greatest difficulty", 43 the problem that if one form is defined through its relation to another, its sensible imitation will be defined in relation to the sensible imitation of the other, and, consequently, form and imitation will not be essentially related, nor since we are sensible and knowledge is a
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Plato, Parmenides
133b4.
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relation, will form be knowable to us. 44 In short, Socrates cannot defend his distinction between forms and participants because in order to speak about the participants he must already treat them through forms. Nor can Parmenides diagnose Socrates' problem by referring to the difficulty of speaking about the participant, since he himself is no more able than Socrates to speak of it; instead, he speaks of the issue as the existence of the „forms of things [lit. Beings]", as we have seen. In one sense, then, there is no problem of participation in the Parmenides, just as there can be no problem of participation for Hegel: Both can only deal with the relation of some forms to other forms. But, of course, the inability to express the problem does not make it go away; it just means that the problem will manifest itself differently.
IV. Dialectic in Plato The problem manifests itself in Parmenides' dialectic and in a corresponding portion of Hegel's dialectic. Recognizing the problem enables us to appreciate a common feature of their dialectical methods, a feature that is otherwise mysterious and troubling, although it seems to have been thoroughly ignored in the literature. It is hard to talk about dialectic as a method and, indeed, about any philosophical method, particularly methods of works that have been well-mined for content. In order to speak about the movement of thought that constitutes method, it is necessary to recount familiar content; yet because the discussion of method often adds little to the content, it can seem to make no advance. With this caution, let us notice some thought movements in the Parmenides. As we just saw, Parmenides discusses the participant through the form that it possesses, but he is also concerned to explain the relation of this form to the form of which it partakes. This latter relation must itself be understood through forms, and Parmenides considers whether participating and partaken forms are related as part and whole, whether they are the same or like etc. The problem arises because the form of a participant has both: 1. some ideational content, such as Beauty, One etc., and 2. a character that belongs to it in respect of its relation to the form of which it partakes. Both are constituents of formal content, and they can conflict with each. Thus, consider 1. the form in the participant that makes it equal; since this form is part of Equal itself, 2. it will, as a part, be smaller than Equal itself. It follows that the form that makes a participant be equal is itself less than Equal and, thereby, unequal 45 In much the same way, 1.
44 45
Plato, Parmenides 133b5-8. Plato, Parmenides, 131 d4-5.
Positive and Negative Dialectics
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the ideational formal content of a partaken form can conflict with 2. the relational formal content that it acquires through a relation with its participant. Thus, if something is small through a part of Smallness, then since a whole is larger than its part, 1. the form Smallness will be qualified by its opposite 2. large. 46 In other cases, the relation between form and participant results in additional formal content that itself is related to form and participant and, consequently, results in yet more formal content. Thus, the much discussed largeness regress 47 - usually called the ,third man argument' - arises from the assumption that the participant's form and the form of which it partakes are the same. Whenever there is a multiplicity of instances that are the same, there must be some form in respect of which they are the same. But this form itself shares the same form with the multiplicity; hence, form and multiplicity together constitute a new multiplicity whose instances are, again, the same. Consequently, there must be still another form in respect of which they are the same, and so on ad infinitum. There would be an infinite number of forms, and the participants would be what they are in respect of all these forms, contradicting the assumption that there is but one form in respect of which participants are what they are. To put the argument in the terms I have been using here, sameness is a relation among forms that adds formal content to the related forms. But this new formal content itself stands in the relation of sameness with the particulars' forms, producing still more formal content, which, again, stands in the relation of sameness with other forms, and so on. This exploding formal content undermines the unity of form and its ability to account for the participant. These arguments belong to Parmenides' attack on Socrates' proposal, a proposal that was advanced to avoid the contradictions that Zeno drew from the assumption of plurality. Let us look again at Zeno's reasoning. Socrates' summary, quoted above in part, is: „If things (τά οντά) are many, then it is necessary that these be like and unlike. But this is impossible because the Unlike cannot be like nor the Like unlike." 48 Zeno intends this as a reductio argument to disprove the hypothesis that things are many. As noted earlier, Socrates' distinction between forms (Like and Unlike) and what partakes of them (the many) is supposed to avoid the need to conclude that contraries are qualified by their opposites. Clearly, Zeno is not making this distinction. For him, the Like and Unlike are, respectively, the many like and unlike things. Presumably, he is reasoning here that if there are many things (= Many), then these things would have to be unlike to be counted as
46 47 48
Plato, Parmenides, Plato, Parmenides, Plato, Parmenides
131 d7-e 1. 132a l-b2. 127el-4.
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many, but like insofar as all are things. Hence, Like (i. e., what is like) is unlike (i. e., what is unlike). It is hard not to share Socrates' reservations about this argument, but Zeno's reasoning fits into the pattern we have already seen in Parmenides' arguments against Socrates. He assumes that the forms are 1. things with some character - here it is being many - as well as 2. things possessing characters by virtue of relationships with each other - here they are both like and unlike. Since there is no distinction between the form and things that partake of it, if the same things are like and unlike, Like is Unlike. We see much the same type of reasoning throughout the dialogue's second half. Having examined and refuted Socrates' proposed distinction between forms and what partakes of them, Parmenides undertakes to demonstrate the training necessary to discuss the forms. He begins with the hypothesis that the One is. Parmenides asserts that if the One is, it cannot be Many; and he goes on to reason that the One will be neither Part nor Whole because either would require that it have parts and thereby be Many. The key assumptions are: „the Part is a part of some whole" and „the Whole is that from which no part is absent". 49 These last formulae define Part and Whole by spelling out the relation that an instance of the one will have to an instance of another. Thus, to say that One is not a Whole is to say that it is something without parts. The One here is the instance, something One, and, by virtue of its formal ideational content, it lacks relational content, at least as far as Whole and Part go. The entire first hypothesis goes on to argue that something that is One could have no relational content. Parmenides' subject is the form One, but he treats it as if it were an instance, in just the way that Zeno treats Like in his discourse. Since Socrates' attempt to undermine Zeno's dialectic by distinguishing between form and participant failed, it is natural to identify the Parmenidian and Zenonian dialectics. Where they differ is that the method sketched in 136a4-c5 and put into practice in the dialogue's second part ranges over the entire field of possibilities, while Zeno considers only one strand of possibilities, the consequences of the existence of Many for the Many. I suggest that Zeno's excusing his book's having been written with the contentiousness of youth 50 is an acknowledgement of its incompleteness: a very young man aims to make his point, rather than to work through the whole of his subject. (And for an old man like Parmenides, working through the entire field may be too strenuous. 51 )
49 50 51
Plato, Parmenides 137c6-8. Cf. Plato, Parmenides 128b7-e3. Cf. Plato, Parmenides 136e9-137a7.
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The notion that a discussion of the One is a treatment of something One can be found throughout Parmenides' lengthy dialectic. At the beginning of the second hypothesis, for example, he considers the One-that-is, but this turns out to be a composite whole with two constituent parts, One and Being. 52 Since, moreover, these parts cannot stand alone - each must be present with the other the One-that-is turns out to be an indefinite plurality. 53 Even this small bit of the reasoning makes it clear that Parmenides is not discussing One itself or a special kind of unity; he is talking about something that is One, but something whose unity does not constitute the whole of it. In exactly the same way, the third hypothesis speaks of the Others not as a collection of forms or a single form of Otherness, but as a thing that, in some way, partakes of One. 54 This thing is other because of its relation to One, and because it lacks, in itself, what it acquires through this relation, it is an indefinite plurality. 55 Thus, what Parmenides considers in the third hypothesis are things that are Other. We can better appreciate the peculiarity of Parmenides' dialectic by contrasting it with what we find in other dialogues. In the Euthyphro, for example, Socrates seeks to explain Piety as a part of Justice, the part concerned with care of the gods in contrast with the part that concerns human beings, just as, in the Meno, he suggests that there are many kinds of Virtue, though all share in common the character of Virtue. 56 In the Symposium he speaks of love as born from Resource and Need and aiming at Beauty. 57 Though not all these are, in fact, Plato's considered views - he argues, for example, that all the Virtues are one - they illustrate the most obvious kind of relation among forms: One form is part of another when the second's content includes the first's. A part of Virtue would be its species. The type of relations between forms that Plato normally considers divide form by their content. As he has Socrates say in the Phaedrus, they cut up reality at its joints. 58 The Parmenides is not dividing the form in this way. The issue here is rather what character an instance of a form must also have by virtue of being an instance of a form. Again, whereas Plato examines the proper parts of a form itself when he considers what part of Justice Piety is, in the Parmenides he considers the parts of One not by examining the nature of One or of its species, as we might have expected, but by considering whether or not something that is One also has parts. Again, to say in this dialogue that One is (or is not) a whole
52 53 54
Cf. Plato, Parmenides Cf. Plato, Parmenides Cf. Plato, Parmenides
55 56 57 58
Cf. Cf. Cf. Cf.
Plato, Plato, Plato, Plato,
142dl-5. 142d9-e2. 157b8-c2.
Parmenides 158c2-7. Euthyphro 1 2 c l 0 - d l 0 ; Meno 74a7-10. Symposium 203c3-d8. Phaedrus 2 6 5 e l - 3 .
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is not to claim that Whole is somehow included in the formal content of One, but to assert that an instance of One will, by virtue of its relations with One or with others, also instance the form Whole. Unfortunately, the distinction between forms that are related through their formal content and forms related through their instances is not always noticed. 59 It ought to be central in discussions of how Plato thinks that one form partakes of another. Why does Plato explore the One by considering something One? My proposal is that Parmenides' dialectic in the second part of the dialogue reflects the problematic context of the first part, the problem of participation. Plato understands Parmenides' dialectic (both the one he puts in Parmenides' mouth and that of the historical Parmenides) as, in effect, a treatment of the participant; but Parmenides cannot say this because he cannot distinguish between form and participant. Hence, Plato employs a rhetorical strategy to make readers aware of the issue. He has Socrates introduce a distinction between form and participant as an objection to Zeno's partial Parmenidean dialectic. He then has Parmenides show Socrates that the distinction cannot be sustained because the participant can only be understood through the forms that it possesses. The dialogue concludes with Parmenides' lengthy dialectic. Plato does not explain how this dialectic addresses the problem of participation of the first part because he could not do so: There is no way to talk about the participant apart from the form or forms it must possess. Rather, the reader, appropriately prepared by the dialogue's first part, is supposed to see that the arguments are not about forms themselves but instances of forms. In short, the meaning of the Parmenidean dialectic as a treatment of the particular becomes apparent when it is placed in the context of Socrates' attempts to discuss the participant. I shall say more later about what we learn about the participant from Parmenides' dialectic. The points to be emphasized now are, first, that what Parmenides terms the One is something that has this form, what we would have termed the participant', second, that One represents this ideational formal content of
59
Even when it is noticed, it is not always properly applied. G. Vlastos, The Unity of the Virtues in the Protagoras, in: id., Platonic Studies, Princeton 1981, 252-54, argues that Socrates' assertions of the identity of virtues ought to be understood to claim that something that has one virtue has the others. He terms such claims „Pauline predications". Vlastos, ibid., 259-265, thinks that Plato is sometimes ambiguous on whether or not a predication is Pauline, but he proposes that self-predications of forms are Pauline predications. In my view, most of Plato's claims about relations of forms concern their content and are, thus, not Pauline. Parmenides' dialectic in the second part of the dialogue does depend on what could be called „Pauline predications", though I do not think this phrase adequately expresses the variety and necessity of formal relationships explored here.
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what is One, and, third, that the thing that is One may have additional formal content that belongs to it through its relations, internal and external.
V. Dialectic in Hegel What does all this have to do with Hegel? Quite a lot, I think. My contention is that, like Plato, Hegel explores a form or a category by, in effect, treating it as something that has the category, although here relational and ideational moments are either reversed or interchangeable. This is a point about his dialectical method, and, again, it is hard to speak about method without surveying large portions of text in a way that may seem either inadequate or superficial. In order to focus on the movement of thought rather than the details of doctrine, I shall sketch briefly a text from the logic of Being whose doctrine is well-known. Initially, Hegel understands Determinate Being, Dasein, simply as the unity of Being and Nothing. However, he goes on to predicate Quality of it; this latter is the positive dimension of Determinate Being posited as being a determinateness (als seiende Bestimmtheit).60 That is to say, the Quality of Determinate Being is just its own Being, now understood to belong to it. On one hand, this Being belongs to and expresses Determinate Being's nature: Determinate Being's Quality is just what it is. On the other, Quality expresses only a part of Determinate Being's nature and, therefore, is not what it is. Hence, Determinate Being determines itself, as it were, as Quality, and immediately negates this determination. But such an affirmation of its Being and immediate negation of Being is just what it is to be a Determinate Being. Hence, as determined and not determined by Quality, Determinate Being is in the act of being a Determinate Being: Determinate Being is itself an instance of the category of Determinate Being. Hegel marks the difference between a category and its instance grammatically by using the infinitive for the former, the participle for the latter. Thus, Dasein is defined initially as the unity of Being and Nothing; Daseiendes is something that is in the act of being a Dasein, something that is actively unifying Being and Nothing. Hegel shows that this category is self-predicated, but this adds new content to the category and, thereby, transforms it into a new category. As he puts it: ,JJas Dasein ist Daseiendes, Etwas,"61 The other main categories in the logic of Being are each brought into self-predication in order to transform them into new, richer categories. Though the path toward 60 61
Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 98. Hegel, Die Lehre vom Sein (1832), 103. - For a detailed discussion of self-relation in the opening categories of the logic of Being see E. C. Halper, Self-Relation in Hegel's Science of Logic, in: Philosophy Research Archives [now titled: Journal of Philosophical Research] 7 (1981), 89-133.
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self-predication depends on the category to be self-predicated, the dialectical mechanisms at work in this and other categories are sufficiently similar that we can use Determinate Being as a kind of paradigm of the dialectic of categories from the logic of Being. It is interesting to consider Hegel's dialectic of Determinate Being in the context of the dialectic we saw in Plato's Parmenides. The two moments of the latter, distinguished here as ideational and relational formal content, have close counterparts in Hegel's implicit distinction in the logic of Being between a category's subject and predicate roles. The predicate, participial form, expresses the relations that the category has to other categories, and such relations contribute to the formal content of a category. In the Parmenides, the title character exploits the possibility of a conflict between ideational and relational content to argue against Socrates' proposed distinction between form and participant, as we have seen. Hegel avoids such a conflict by arguing for self-predication: To predicate a category of itself is to assert a kind of identification between a category's relational and ideational contents. In the logic of Being, this identification itself adds new content, thereby transforming the category. Ironically, the selfpredication of a category not only expresses what it is, but also negates and transforms it. Hegel does not use self-predication to avoid contradictions like those in the Parmenides, but to use productively what he takes to be intrinsic contradictions. What was particularly striking about the dialectic of the Parmenides was its treating forms like One as something that is One, rather than as a mere form. Hegel, too, clearly treats his categories as entities constituted by their defining characters. Although Determinate Being is a category of thought, it is not simply the idea that has as its content the unity of Being and Nothing; it is the entity that is constituted as this unity and, as such, it admits of properties, is related to other such entities and contains these relations within its content. Most importantly, Determinate Being is the sort of entity that can be an instance of a category. We know this because the argument shows it to be an instance of itself. We must distinguish between an identity statement and a predication: The former equates conceptual content, the latter subsumes an instance under a character. I submit that Hegel's treatment of his logical categories not as mere thought contents but as entities capable of a full range of properties and relations is the most distinctive and significant feature of his dialectic. Anyone who works through his argumentation must implicitly recognize this feature, but it is not discussed in the literature nor, consequently, is the affinity between his dialectic and Plato's properly appreciated. The Parmenides, I have proposed, treats a form through its instance in order to be able to give an account of the participant. In respect of being One or not being One, the participant can be said, in various respects, to possess or not
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to possess other forms. Hegel's dialectic does not originate from this problem, and his initial characterization of a category is not so much a characterization of something that has a character as of a character that is a something. That is to say, Hegel begins not with a participant but with an abstract category. For him, the participant emerges when this category is shown to be an instance of itself: The category becomes, as it were, a participant through self-predication. This means that the movement in the Hegelian dialectic is fundamentally different from that of Plato's dialectic, but both can be seen as ways of dealing with the participant in the face of the apparent impossibility of fixing one's thought on what would seem, in itself, to lack form. Both dialectics speak of forms when they mean to speak of form instances. Thus, the Many are many beings, the One one being; in Hegel's structural parallel, Determinate Being is a Determinate Being. Although the parallel holds for the logic of Being, it helps to explain the later portions of the Logik. In Essence and Concept, Hegel is still dealing with the relation of instances and character but they do not exist apart from each other, as objects of .external reflection', as they do in the sphere of Being. I have noted that categories from the spheres of Essence and Concept are defined through self-relation, in contrast with categories of Being, where the selfrelation is external to their initial ideational content. Inasmuch as self-relation functions as instantiation, we can say that Essence and Concept contain their instances within themselves: they are self-instantiating. Categories from Essence contain in their content a relation to their instance, but since this relation is made through a contrary category, the instance is still partially distinct; categories from Concept contain both relation and instance. Hegel's notion that a category could and should be an instance of itself and his use of self-relation to achieve this end amount to an interesting solution to what I have called the problem of instantiation. Ultimately, there should be no difference between principle and instantiation: An adequate principle is one that includes its instantiation. In contrast, Plato understands an instance of a form through the entire plurality of forms that it also has or lacks. What makes something an instance of One and not One itself is the presence of some form besides One, such as Being or Other. As a plurality, Plato's instance stands in sharp contrast with the strictly unitary forms that are its principles. For him, the ontological difference between principle and instance is insurmountable. One potential objection to the idea that both the Logik and the Parmenides deal with participants or instances is Hegel's endorsement of the Neoplatonic view that this dialogue contains „the pure Platonic doctrine of Ideas" and pre-
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sents Plato's theology. Indeed, since, for Plato, there is something beyond the participant, namely, the form, it is inappropriate to speak of an account of the participant, even one that turns on relations of ideas, as a theology. Hegel, of course, has nothing beyond logic: It is his treatment of ideas. From his perspective, the Parmenides is indeed a theology.
VI. Positive and Negative Dialectics The similarity in the dialectics of the Parmenides and the Wissenschaft der Logik raises the question why they proceed so differently and come to such different ends. Hegel's dialectic comes to a proper completion in the final logical category, Absolute Idea. This latter not only includes all the preceding categories but is itself the self-unfolding that constitutes the entire categorial development of the Logik. The Parmenides is striking in its apparent lack of completion. Its conclusion is that the One and the Others are and are not, appear and do not appear to be, everything in themselves and in relation to each other. 63 On its face, this is a baffling contradiction. Why is Hegel able to arrive at a positive conclusion that completes the sphere of logic, whereas Plato's conclusion seems entirely negative and external? To be sure, Hegel speaks of the Parmenides'' conclusion as positive; he thinks it shows the unity of Being and Not-Being - the unity that constitutes his own category of Becoming, as we have seen. 64 For him, Plato's problem lies in his not developing the dialectic beyond this point. I have argued against this interpretation here. It is just because the Platonic form is strictly one that a dialectic that aims to grasp it must remain external and its results, ultimately, negative. In this context, the Parmenides' conclusion is not baffling; it reflects the necessarily external relations between forms, since forms are strictly one. Hegel's rejection of the unity of form opens the possibility for a positive development and completion of the dialectic. How, though, does he accomplish this?
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63 64
Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 244 . See also Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II, 35-36. Cf. Plato, Parmenides 166c2-5. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil 3. Griechische Philosophie. II, 35; Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 243, claims that Plato's conclusion shows the unity of contradictories. Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Zweiter Band, 245, claims that this identity of contradictories is present in the Parmenides even though Plato does not actually express it.
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Ultimately, Hegel overcomes the externality of dialectic and form by equating the dialectic with the form. This equation is nowhere clearer than in the final category of logic, Absolute Idea, where method (dialectic) is identical with content. This final equation is achieved gradually in the course of the Logik through a stepwise bringing of self-relation into the categories. This process has already been discussed from various sides here. Let me now bring these together and sketch the movement of thought. In the logic of Being, self-relation is self-predication. This involves showing the category to be an instance of itself by showing its own parts to stand toward each other in the very relation that it signifies. This relational moment, even though it is the same as the initial ideational moment, constitutes an addition to the category's formal content and, thus, transforms it into a richer category. That is to say, in the logic of Being, self-relation is external to a category; at the same time that it affirms the content of the category, it negates that content and transforms the category. In the logic of Essence, categories are each defined through their relation to their contrary and the negation of this contrary. Hence, their self-relation is achieved through a negation of something that stands outside the category and, thus, contains some externality. Here, the relational moment is included within the category, but it still negates the category. One example is the category of identity: It is a self-relation, but one that is attained by being different from difference and, thus, includes within its definition a distinct category that it must also negate and exclude. In the logic of Concept, a category's self-relation and its negation stand within itself. Consider a well-known category, the category of Universal Concept that opens this sphere. Universal is a character that is common to Particulars, and these latter must, as instances of the Universal be distinct from it; but the Particulars are also instances of the Universal and, therefore, cannot be distinct from it. Thus, the Universal is what it is by virtue of its distinguishing itself from a contrary that it also includes. To the extent that this movement of the Universal is selfcontained, it is complete. However, the movement also introduces other categories, Particular and Individual, that stand as both moments of the Universal and distinct categories. So it, too, contains an element of externality, albeit less externality than is present in other spheres. A category from the sphere of Concept would overcome externality and, therefore, be complete if the movement of selfrelation required no relations to other categories, that is, if its self-relation introduced no new formal content. In this case, the category's (self-) relational content is its ideational content. This, as I said, is what we find in the final category from the logic of Concept. Absolute Idea is not complete by being free from negativity, but instead by including all its negativity within itself. In contrast, the One that is the subject of the Parmenides excludes all its negativity from itself. As such, its dialectic cannot transform it, nor can it reach the kind of completion we see in the Logik. Thus, whereas Hegelian dialectic is
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a transformation of ideas, the dialectic in the Parmenides explores the negations that are external to the One. We can identify three distinct negations: plurality, otherness and non-being. Understanding how these modes of negation figure in the dialectic of the Parmenides will help us to appreciate the sorts of negativity that Hegel must incorporate to attain a complete category and the sort of unity this latter acquires. We have seen that in order to come to grips with the participant, Plato must treat it and, indeed, speak about it through the form that it possesses. 65 Insofar as it is understood through this form, the participant is one; just one and nothing else. The first hypothesis of Parmenides' discourse argues that something One cannot be anything else without becoming a plurality. The result is true of whatever is One, but it does require something that is One; the reasoning would not apply to a concept whose content is unity. Part of what makes it plausible to think that the something that is One intended here is what Socrates would have called the participant is that the dialogue's first part emphasizes the difficulty of speaking about the participant. Moreover, in an otherwise puzzling passage, Parmenides reasons that because One cannot be in time, it cannot partake of Being. 66 This is quite true if the One here, that is, the thing that is One, is the participant. 67 This participant is One, but it is also other characters besides this form. And in general any participant will be the form of which it partakes, but also something else that is other than that form. This multiplicity is, I suggest, the basis for the second hypothesis. We cannot identify the participant apart from its form, but we can mark its status as a participant by showing that it must partake of other forms. Insofar as it is not merely the One of which it partakes, the participant Is and is Other and, through the relations of these forms, can be shown to be Many and still more forms. Whereas the first hypothesis ultimately needed to deny even Being to what is One to preserve its unity, the second insists on its Being and is led to ascribe all other characters to it. I shall now very briefly argue that each of the dialogue's remaining hypotheses is concerned with some sort of negation of the form One that is present in the participant. The appendix to the second hypothesis - Cornford calls it hypothesis 2a aims at a kind of reconciliation of the first two hypotheses. In order to avoid the possibility of contradiction if the first two hypotheses are both true at the same time or if hypothesis two is true alone, it posits an instant, a point that is out of 65
66 67
In order to explain how Plato treats the participant through the form, it will be necessary for me to do in the following paragraphs what cannot properly be done, namely to speak about the participant apart from its form. It is important to bear in mind why Plato must resort to what appear initially to be circumlocutions. Cf. Plato, Parmenides 141d4-el0. On the ambiguity of ,τό εν' in Greek, see Cornford, Plato and Parmenides, 111.
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time, when the One has no character, but that is also somehow between the times that the One has contrary characters. While it might seem that such a One is just the One of the first hypothesis, the discourse here speaks of this One as „between" Not-being and Becoming, 68 implying that it is neither the non-existent One of the first hypothesis nor the existent One of the second. This One is, thus, a kind of negation of the first two Ones. The participant cannot be identified with either the form that makes it what it is or the other forms that characterize it. It is neither of these, and for that reason cannot have any characters. Hypotheses three and four examine what is Other than the One, as Parmenides specifies in his scheme of the discourse. 69 The Sophistes argues, famously, that ,Not-being' is some form other than the form of Being; but we do not need to refer to that argument to see that the others here constitute some sort of negation of One. Hypothesis three examines the Others insofar as they are unified by their partaking of the One. In respect of their not being, in themselves, the unity they receive, the Others are indefinite pluralities. That is, through their relation to One, they acquire formal content, but their initial formal content is their being other than One, that is, their being indefinite pluralities. Hypothesis four, on the other hand, insists that the Others individually and collectively lack any sort of unity. They lack all relational content and, thereby, all characters. Why does a discussion of the Others emerge in this treatment of unity? My contention that the participant is the implicit subject of Parmenides' discourse suggests an answer that is completely consonant with the content of hypotheses three and four. Just as One is the character of the participant insofar as it is a form, the Others are that within the participant that takes on the form. Whereas hypothesis two argues that other forms belong to the participant by virtue of its being something One, the issue here is what, if any, forms belong to the participant by virtue of not being One. This could be understood in two different ways: First, if the participant is One by virtue of its form, then everything in the participant that is organized by the form must, in itself, lack unity. What lacks unity is the contrary to unity, namely, the indeterminate. This is what we find in hypothesis three. 70 On the other hand, if the form makes the participant intelligible,
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Cf. Plato, Parmenides 156e7-157a3. Cf. Plato, Parmenides 136a4-c5. Miller, Plato's Parmenides, 126-139, argues that only the third hypothesis is an account of the participant and that the fourth hypothesis is a kind of reductio for the necessity of participation. He takes, ibid., 122, the first and second hypotheses to treat, respectively, form and thing. Although I think that the character of the dialectic counts against this interpretation, there are evident similarilities with the interpretation being argued here: Where Miller takes the subject of the first hypothesis to be the form, I take it to be the participant considered through its form. Something similar could be said of our treatments of the other hypotheses.
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then to take away the form is to make it unintelligible and, thus, lacking in all characters. JThis is what we find in hypothesis four. The fifth through eighth hypotheses consider what belongs to One and the Others if the One does not exist. Non-being is still another way of negating the One. It seems that here, as in the first hypothesis, Being amounts to physical existence. Hence, something One that lacks Being could still be thought, and on this basis Parmenides ascribes characters to the One-that-is-not. Indeed, he argues that it also has a Being, a Motion, and so forth. So, too, a non-existent particular could be thought through a form; insofar as it belongs to someone thinking, the thought has its own Being and its own Motion (it both comes to be and ceases to be in thought and language). Consequently, the contradictory characters ascribed in the fifth hypothesis to the non-existent One belong, on the same grounds, to non-existent participants. The sixth hypothesis denies every sort of Being to the One, and the result is that no characters at all can be ascribed to it. The seventh and eighth hypotheses explore the consequences for the Others of the One's not being. The seventh argues that without a One, the Others can only be other than each other. As in the third hypothesis, Others without One will be an indefinite plurality, but here they merely appear to have this plurality, and they must also merely appear to be One. Without a form through which to understand them, the Others cannot be thought; hence, they are grasped as appearances. Again, a participant that cannot be grasped through some form could only be an appearance. Finally, the eighth hypothesis rejects even the appearance of unity for the Others. If there is no form, then there could not be or even seem to be a participant. Evidently, both thought of what does not exist and appearance that is not real constitute ways of negating unity. The negations of these thoughts and appearances count as complete negations of unity. In sum, each hypothesis serves as an account of some aspect of the participant. Only the first actually affirms the character of the form of which it partakes, but ironically it must reject all other characters, including Being. The other hypotheses all constitute ways of negating the unity of the partaken form. These hypotheses are built upon three modes of negating unity, plurality (hyp. 2), otherness (hyp. 3-4) and non-being (hyp. 5-8), but all three modes appear in each hypothesis. We get a different understanding of the thing that is One and what belongs to it depending on whether we are speaking about it as One, as a Being, as what the Others have, as something thought, as an appearance or as the negation of any of these. What belongs to One in this discourse is often a consequence of its relation or necessary lack of relation to other forms. What we have here is a multifaceted picture of the participant in terms of all its modes of being and negation. It is a cubist picture: The facets have been separated from each other in distinct hypotheses. They are not reconcilable with each other, but then Plato says repeatedly that sensibles are not intelligible.
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What is crucial to see is that we are not really dealing with the sensible thing there is no access to it apart from forms that it has; what we are dealing with are instances of forms, and the negations here are aspects of the thing that are not its form. There are multiple ways in which a thing is and is not form, and it is these that the Parmenides aims to explore. Ironically, the exploration must be conducted through what is intelligible, form. If this is right, it is important to the Parmenides that the dialectic does not reach consistency or completeness. Its failure in this regard is a token of its subject. On the other hand, it does contain a kind of completeness: it explores all possible negativities. Parmenides covers the complete range. The full range of inconsistencies in a participant does not speak against the existence of a transcendent form; on the contrary, irreconcilable contradiction among sensibles supports the existence of separate form, as we have seen. However, the dialectic remains separate from or external to this form, and the various ways of treating the participant remain external to each other - all of which recalls Hegel's claim about the externality of dialectic. We see here a point mentioned earlier, that the various strands of argument do not transform the One. The dialectic of negations of the One remains external to it. In contrast, in the dialectic of the Wissenschaft der Logik, various modes of negation become internal to categories and transform them into richer categories until Absolute Idea completes the development by including within itself the entire categorial unfolding, as we noted. Relations to other categories do not transform this category because its formal content already includes its relations to other categories. Indeed, it is the process of categorial relation and transformation, coming to completion by including all possible negations. When, at the end of the Logik, Hegel again contrasts the negative and external dialectic of Plato with his own dialectic, he emphasizes that in the final category content is equivalent to method. 71 The negative brought into relation with itself becomes positive and complete. The completeness of the dialectic signals a recovery of unity that stands in stark contrast with Plato's cubist picture of the participant. While we cannot say that Hegel aims in the Logik to think a sensible participant through an intelligible form, the character of his dialectic shows, I contend, that he is concerned to think what I have called, for lack of a better term, an instance. To be sure, what counts as an instance varies through the categorial development that constitutes the Logik. Each category functions as both instance and that of which it is the instance, but only in the logic of Being do these two moments exist externally to
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Hegel, Die subjektive Logik (1816), 243-253. This lengthy discussion argues that what seems to be external movements between logical categories is properly understood as the internal movement of Absolute Idea.
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each other. The overcoming of this separation and the encompassing of both moments in a dialectical unity is not just the task of subsequent logical spheres, it is the task of logic itself. Whereas the Parmenides produces an account of the instance that argues its incoherence and unintelligibility, Hegel produces an account that aims to make the instance intelligible by showing its contradictions to be intrinsic to its nature and our thought about it.
VII. Conclusion Why is it that the Parmenides' exploration of the negativity of One remains external to the One? The immediate answer is that Plato insists that form is simply one, whereas Hegel allows plurality and negativity as part of the content of his categories. And why does Plato insist that form is one? Again, the contrast with Hegel is instructive. Hegel's ideas are categories of thought. Thought is a process that proceeds by finding discontinuities and somehow removing them; the negative is intrinsic to thinking. Plato's ideas are things. They have to be one in order to be. Indeed, a central motivation for Plato's philosophy is to find a unity that is prior to the multiplicity inherent in motion and sensation. He cannot let negativity into the primary things without their losing their primacy. That Plato's forms are transcendent things ultimately beyond human thought is what dictates that the dialectic that aims at them be external. Hegel overcomes this externality and includes negativity within the forms, but only by making them thoughts. Likewise, for Plato, the dialectic that knows the instances of a form must remain negative and external to the form; whereas for Hegel, form becomes its own instance because it is identified with the transformation through which form instantiates itself. Along with this contrast, there is a change in what counts as priority. For Plato the one or simple is always prior; although Hegel begins with what is simple, Being, his final category, Absolute Idea, is logically prior because it is complete. The real issue after all this remains the nature of a first principle and its relation to what it grounds. If it is prior by virtue of being simple, then it will not be able to account for the manifold parts of dialectic or any other method. If, on the other hand, the principle is prior by being complete, then it can include method, but it can be one only insofar as it has recaptured unity from plurality through some sort of completeness, and this latter is less one than simple unity. So there are both grounds for and problems with each type of principle - that is
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the dilemma. We have seen, however, that one positive requirement of principles that each can meet is the ability to account for its own instance.72
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An earlier version of this paper was presented at a meeting of the Society of Systematic Philosophy held in conjunction with the Eastern Division of the American Philosophical Association. I am grateful to that audience as well as to the audience at the Bochum TransCoop conference for lively discussions, especially, however, to Mitch Miller and Orrin F. Summereil for additional conversations about this paper. Let me also thank the Deutsch-Amerikanisches Akademisches Konzil, the University of Georgia and the German-American Fulbright Commission for financial support for this research.
THOMAS Η . CURRAN
Hegel on World History after Socrates: Necessary, Providential, Rational
It is possible to assert that Georg Wilhelm Friedrich Hegel's lectures at the University of Berlin in the 1820s are the most influential series of lectures ever offered at an academic institution tout court. Their encyclopedic scope and universal aspirations are perfectly realized in the five semesters in which Hegel lectured on the philosophy of world history. .Encyclopedic' here is understood not in the sense of an aggregation, that is to say, a heap of facts, but rather as expressing the systematic and universal with respect both to content and organization. In offering this subject matter, even to the philosophically uninitiated, 1 Hegel, in a way, requires a belief in reason (Glauben an die Vernunft), a requirement which he then immediately rescinds, since this first principle (viz. „that world history has been rational in its course") 2 is at one and the same time presupposition and result. In these lectures, world history will be revealed as the „rational and necessary evolution of the world spirit". 3 In working out this doctrine, Hegel continues the Platonic and Neoplatonic speculation which establishes a genuine reciprocity between divine providence and human destiny. This reciprocity is what allows Hegel to raise the possibility of spiritual reconciliation in his lectures.
1
2 3
Cf. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, in: id., Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, hrsg. von H. Glockner, Bd. 11, StuttgartBad Cannstatt 5 1971, 35 [= Introduction to the Philosophy of History, transl. by L. Rauch, Indianapolis 1988, 13]. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 34 [= Introduction to the Philosophy of History, 12]. G. W. F. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, in: Vorlesungsmanuskripte (1816-1831), in: id., Gesammelte Werke, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft hrsg. von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 18, hrsg. von W. Jaeschke, Hamburg 1995, 142 [= Lectures on the Philosophy of World History, Introduction: Reason in History, transl. by Η. B. Nisbet, Cambridge 1980, 29],
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I. Before Hegel: Anaxagoras, Aeschylus and Plato's Socrates Hegel immediately launches into his proposition that the „history of the world is a rational process" 4 with a consideration of Greek antiquity and the Platonic dialogue Phaedo in particular. The farewell discourses of Socrates report his misplaced enthusiasm for the doctrines of Anaxagoras, who seemed initially to offer the axiom that mind is said to know and to control all things. 5 One fragment asserts: „And Mind rules all things that possess life - both the larger and the smaller." 6 The closer examination of the writings of Anaxagoras, however, exposed an apparently unbridgeable gulf between the theoretical and the practical, between the potential and the actual, between the principle and its execution: Socrates' reading of Anaxagoras does not yield up the promised order of reason, but only that of external causes: „air and ether and water and many other oddities". 7 As Hegel explains, the objection of Socrates was not to the preSocratic principle as such (that νους, mind, orders the world), but to its lack of concrete application and development - without which the principle remains purely abstract. Hegel's lectures on world history are meant to provide the concrete manifestation of reason in its application to human affairs. This application is to be sought, now following religious consciousness, in the notion of providence: „For divine providence is wisdom with infinite power, realizing its own ends" (der absolute, vernünftige Endzweck der Welt). 8 With this assertion of the absolute self-realization of what already is in principle, Hegel is also able to address the contemporary silence concerning the divine providence. Hegel's philosophy in general, and his lectures on the philosophy of religion in particular, have taken up the challenge of the defence of „the content of religion" against its modern theological interpreters. 9 Hegel follows Socrates in both praising Anaxagoras for articulating - really for the first time - the ruling principle of philosophy, and then condemning Anaxagoras for his pusillanimous realization of his own idea. 10 It is perfectly 4 5 6 7 8 9 10
Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 142 [= Reason in History, 29], Cf. A Presocratics Reader, ed. by P. Curd, transl. by R. D. McKirahan, Indianapolis 1996, 54. Anaxagoras, Fragm. 59 Β12, in: Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von H. Diels, W. Kranz, Bd. 2, Berlin 6 1952, 38 [= Presocratics, 57], Plato, Phaedo 98b6-c2. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 39 [= Introduction to the Philosophy of History, 16]. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 41 [= Introduction to the Philosophy of History, 17]. Cf. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 145 [= Reason in His-
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just that we establish this link between Anaxagoras, Socrates and Hegel in our profession of world history, since all three are united in having been condemned for this acknowledgment of the divine government of the world. In each case, the reward for enlarging the idea of divine government in nature, and then in human affairs, was to be charged with impiety, which led in turn to exile, death or excommunication. In fact, the historical Socrates weaves together these two notions of the rational and providential government of the world in conversations passed down to us in Xenophon's Memorabilia. These encounters between Socrates and Aristodemus the Dwarf 11 and Socrates and Euthydemus (a conversation which was overheard by Xenophon himself 12 ) essentially come to the following conclusions: 1. Mind, which is alone without mass, may be invisible, but it is no less a governor of the world than the invisible soul is the governor of the human body. Hegel also clearly aligns himself with this principle in his notion of Weltgeschichte, where matter is described as the antithesis of spirit, 13 and mankind is treated as the antithesis of nature; 14 matter has gravity, but spirit has freedom. 2. The divine government is confirmed down to the very details of human design. We were not only given eyes: The forethought of the gods, by which they express their ,service' to mankind, did not neglect the further gift of eyelids (to help us sleep), eyelashes (by which we are protected) and eyebrows (by which the „sweat of your face" 15 is prevented from falling into the eyes). Every detail of the human body is an instance of the providential design by which mankind is favoured: his upright stance, his possession of limbs which end in hands, the lack of oestrus in human sexuality are all indisputable evidences of the providential attention which the gods exercise in their care for mankind. Indeed, this argument is so convincing that Euthydemus even declares himself unsure whether the gods have time for any other activity than their constant concern for our welfare. 16 When Euthydemus dares to hint that the animal kingdom does not seem to be lacking this providential care either, he is reproved by being reminded that the whole of that kingdom was designed for the service of man-
11 12 13 14 15 16
tory, 34], Cf. Xenophon, Memorabilia, lib. I, cap. iv, in: id., Memorabilia transl. by E. C. Marchant, Cambridge/Mass. 1923, 53-65. Cf. Xenophon, Memorabilia, lib. IV, cap. iii; 297-309.
and
Oeconomicus,
Cf. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 44 [= Introduction to the Philosophy of History, 20], Cf. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 151 [= Reason in History, 44]. Genesis 3:19. Cf. Xenophon, Memorabilia,
lib. IV, cap. iii, par. 9; 302-303.
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kind's needs and satisfaction: in goat's cheese, in lamb's wool, and in the nobility which is offered to human beings in their riding of horses. The very particular benefits that we human creatures enjoy are the possession of hands, and the „blessing of fire" 17 by which we conquer both the cold and darkness, and in which we find our tool for every art and technique. Famously, it is from the divine „forethought", Prometheus himself, and his „philanthropic" disposition, that the gift of fire was received. 18 Aeschylus' treatment of this question may stem from fifth-century Athens, but his tragedy Prometheus vinctus has every right to claim the Olympian mantle of immortality. In one of his very last philosophical utterances on the island of Capri 19 in 1994, HansGeorg Gadamer rightly emphasized that, in Aeschylus, the use of fire is only listed as the second of the honours that Prometheus bestows on mankind: His primary offering, the one that Prometheus mentions first, is that he prevented mortals „from foreseeing their death". 20 This „gracious" ignorance is enhanced by Prometheus' implanting „blind hopefulness" 2 1 into the hearts of mankind. It is only after this transgression (and blessing) is out of the way that the gift of fire is then added to the benefits for which Prometheus is responsible. It is a most paradoxical reflection, that, while we discuss the forethought (πρόνοια) that the gods have exercised for our benefit, we so treasure our inability to share this curse of the exact foreknowledge that Prometheus possesses. With respect to each individual destiny (as the venerable proverb puts it best: Death transforms every human life into a destiny), ignorance is always better than knowledge. 22 Aeschylus, then, is not able wholly to support all aspects of what Socrates tells Aristodemus the Dwarf. For Socrates, the human being's upright stance is a telling indication of the divine favour: It brings with it a wider range of vision. Ironically, Prometheus has done all he can to restrict the extent of that vision, as humans seek to peep around the corner of the present into the dark alleys of the future. But Socrates has not finished extolling the divine liberality: The most telling gift is that humans alone have been blessed with the ability to worship the gods. Consequently, cities, the chief evidences of civilization, are the most pious forms of human association, and religion belongs to the most reflective stage of
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Cf. Xenophon, Memorabilia, lib. IV, cap. iii, par. 7; 300-301. Cf. Aeschylus, Prometheus vinctus, 1. 28. See H.-G. Gadamer, Gespräche auf Capri Februar 1994, in: Die Religion, hrsg. von J. Derrida, G. Vattimo, Frankfurt a. M. 2001, 245-246 (= Dialogues in Capri, in: Religion, ed. by J. Derrida, G. Vattimo, Stanford 1996,205-206).
20
Aeschylus, Prometheus vinctus, 1. 248. See the Commentary on this line in: id., Prometheus Bound, ed. by M. Griffith, Cambridge 1983, 133. Aeschylus, Prometheus Bound, transl. by P. Vellacott, Baltimore 1961,1. 252; 28. Cf. Aeschylus, Prometheus vinctus, 1. 624.
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each individual human life. 23 This deliberation brings us back to Hegel. The whole of his concept of Weltgeschichte is infused with Socratic piety: Religion is „the innermost region of Spirit"; 24 Scripture has established that the human profession is „not only to love God but also to know God"; 25 and, as part and parcel of that highest vocation, the enterprise of discovering „God's will for the world" 26 is here the pious obligation. Since Anaxagoras, the divine government, the comprehensible rationality of the world, has been the dominating principle of philosophical reflection, with the early exception of Epicurus, „who attributed everything to chance"}1
II. After Hegel: Darwin and Nietzsche There is no more striking witness to our modern „transvaluation of values" 28 than in our inability to share Socrates' praise for the nobility of human physical configuration. Now, every admirable detail of our bodies is itself apparently the result of chance and random mutation. Charles Darwin's language of natural selection covers over a much deeper abyss. The language seems to suggest rationality; but the reality is, as Darwin explains, with admirable economy of expression in his The Descent of Man, that „variability is the necessary basis for the action of selection, and is wholly independent of it." 29 One looks in vain for reason in the Epicurean processes of nature. In the generation following Darwin, Friedrich Nietzsche is the titan who does not fail to draw out all the fatal implications for any residual promotion of providential reason. By 1878, Nietzsche gave philosophy its fullest expression of the dilemma: „How can something arise from its opposite - for example, reason from unreason, sensation from the lifeless, logic from the illogical?" 30 By
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Cf. Xenophon, Memorabilia, lib. I, cap. iv, par. 16; 62-63. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 45 [= Introduction to the Philosophy of History, 21], Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 41 [= Introduction to the Philosophy of History, 17], Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte: „was Gott mit der Welt will" [= Introduction to the Philosophy of History, 23]. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 144 [= Reason in History, 34], F. Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse: Vorspiel einer Philosophie der Zukunft, § 203, in: id., Werke, hrsg. von G. Colli, M. Montinari, Bd. VI/2, Berlin 1968, 128. C. Darwin, The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex, vol. 2, Princeton 1981,398. F. Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches: Ein Buch für freie Geister, § 1, in: Werke, Bd. IV/2, Berlin 1967, 19 [= Human, All Too Human, transl. by Μ. Faber, Lin-
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1881, in his Morgenröte, Nietzsche provides the only possible answer: „How has reason appeared in our world? In an irrational way, only through the accident of chance." 31 Nonetheless, Zarathustra's praise for divine coincidences, for the heavenly roll of the dice, 32 does not blind Nietzsche to the fact that dice often come in pairs. And so, in his ,joyous science", Nietzsche offers these simple historical evaluations: First, „ohne Hegel kein Darwin", and second, all Germans happen to be Hegelians, and this fact would not be endangered even if Hegel himself had never existed. 33 But the issue here, in philosophical, as opposed to extramoral, 34 science (Wissenschaft) is the transition from Willkür to Notwendigkeit, from the arbitrary to the necessary: what Zarathustra identitifies as "Du Wende aller Noth". 3 5 In this matter, Hegel is the author of a unique consistency that stretches from his unpublished Verfassungsschrift (circa 1802) to the final manuscript (1830) of his lectures on world history. The task is to avoid caprice at all costs: What is, is not what it is by way of arbitrariness and chance, but it is what it must be. As Hegel explains with great precision in this relatively early manuscript, it is the great task of every rational human being, first, to recognize necessity, and then, having once recognized necessity, to think it. 36 This spirit which requires us to recognize necessity, and then actually to think what we recognize, pervades the whole enterprise known as Hegel's ,world history'. The lecture manuscript puts the proposition in its canonical form: „World history is the progress of the consciousness of freedom - a progress whose necessity it is our business to comprehend." 37 Again, this Hegelian spirit of necessity goes far beyond what Seneca - the Latin Socrates - initially offers in his De Providentia·. For Seneca, it is our igno-
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33 34 35 36
37
coln/Nebr. 1996, 13], F. Nietzsche, Morgenröte, § 123, in: Werke, Bd. V / l , Berlin 1971, 114: „Wie die Vernunft in die Welt gekommen ist? Wie billig, auf eine unvernünftige Weise, durch einen Zufall." Cf. F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra: Ein Buch für Alle und Keinen (1883-1885), 3. Teil, „Vor Sonnen-Aufgang", in: Werke, Bd. VI/1, Berlin 1968, 205-206: „dass du mir ein Tanzboden bist für göttliche Zufälle, dass du mir ein Göttertisch bist für göttliche Würfel und Würfelspieler!" F. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, § 357, in: Werke, Bd. V/2, Berlin 1973, 280281. Cf. Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, § 201; 124: „aussermoralisch". Nietzsche, Also sprach Zarathustra, 3. Teil, „Von alten und neuen Tafeln", § 30; 264. G. W. F. Hegel, Fragmente einer Kritik der Verfassung Deutschlands (1799-1803), in: Gesammelte Werke, Bd. 5, hrsg. von M. Baum, K. R. Meist, Hamburg 1998, 163 [= Hegel's Political Writings, transl. by Τ. Μ. Knox, Oxford 1964, 145], Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 153 [= Reason in History, 54].
World History after Socrates
253
ranee of the remoter causes which leads us to the mistaken assumption that natural phenomena are „confused and irregular" (confusa et incerta); because we have no immediate explanation for the patch of warm water in the middle of the ocean, we take that as confirmation of the random motion of matter, and that there can be natural events which are, strictly speaking, groundless, that is to say 38
sine ratione. But Seneca's clarification of natural causes is just the opening gambit in a much grander project. As Seneca informs his correspondent, Lucilius, the purpose of this treatise is „to reconcile you with the gods" (in gratiam te reducam cum diis). 39 Here again, there is an immediate connection with Hegel's notion of .Weltgeschichte', which is also a work of reconciliation (Versöhnung); the lectures call for both „eine versöhnende Erkenntnis und eine Aussöhnung". 4 0
III. The Neoplatonic Conception of Divine Providence The most comprehensive and influential consideration of the divine providence from antiquity („the finest of all Greek contributions to theodicy" 41 ) belongs to the Enneades of Plotinus (Enn. Ill, 2-3). What immediately distinguishes Plotinus' treatise is the confidence that it displays in the λόγος as the „rational forming principle" of everything that is. Therefore, this universal principle can justly be compared to the general of an army who „gives the lead", as, simultaneously, all the „subordinates work in unity with him". 42 The telling point for this discussion is the absurdity of giving in to the temptation of asking why men and women are not better than they are. 43 This would be like asking a plant why it cannot have depth perception, or a tree why it has no hands. The point is not the hierarchy whereby one thing can be perceived as less noble than another; the only question can be the sufficiency of the thing towards its own nature. As the universe is a multiplicity, it cannot be an undifferentiated mass: A hierarchy is necessary to bring out the reason of the whole. This elegantly simple Neoplatonic proposition becomes one of the cornerstones of the whole of Western Latin Catholic Christianity. The philosophical
38
Seneca, De Providentia, bridge/Mass. 1 9 6 3 , 4 .
lib. I, cap. 3, in: id., Moral Essays,
transl. by J. Basore, Cam-
39 40
Seneca, De Providentia, lib. I, cap. 5; 6-7. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 42-43]; Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Philosophy of History, 18].
41
A. H. Armstrong, III. 2 and 3. On Providence: Introductory Note, in: Plotinus, Enneads III. 1-9, with an English transl. by A. H. Armstrong, Cambridge/Mass. 1967, 38.
42 43
Cf. Plotinus, Enn. Ill 3, 2, 4-6. Cf. Plotinus, Enn. Ill 3, 3, 9.
150 [= Reason in 42 [= Introduction
History, to the
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turning point for Augustine of Hippo comes in his reading of the Platonic books, and this argument from the Enneades seems to be adopted more or less unaltered at the crisis described in his Confessiones. Following Plotinus, Augustine writes: „I no longer wished individual things to be better, because I considered the totality. Superior things are self-evidently better than inferior. Yet with sounder judgment I held that all things taken together are better than superior things by themselves." 44 Could Augustine have achieved this „sounder judgment", this wholesome insight, without the support of Plotinus' providential treatise and its rousing conclusion that the hierarchy of creation is not a sign of abandonment by God, but itself another living expression of the divine goodness? Plotinus makes the case convincingly that there must be lesser things as well as the greater, because all are parts in the whole: As „in the world above every thing is all things, but the things below are not each of them all things", therefore our reason consists in understanding the world in its totality, and our piety consists in offering our consent to what we have understood. 45 The lasting inspiration that Plotinus' treatise provides is not yet exhausted. A further remarkable insight is provided in Enn. Ill 2, 9 where Plotinus asserts: „Providence ought not to exist in such a way as to make us nothing. If everything [were] providence and nothing but providence, then providence would not exist: For what would it have to provide for? There would be nothing but the divine." 46 This unpretentious assertion provides the basis for another huge component of the religious consciousness: God is all in all, but human beings are still responsible for their own actions, and especially their follies. This has its roots in Plotinus as well: Providence is mistaken, Plotinus claims in Enn. Ill 2, 8, as a miraculous cure for our own imprudence and vice. We wish by the divine providence to be saved from the consequence of our own ill-considered or evil action. But the benefit of the divine providence is preserved for those who act providentially, that is to say prudently. Providence can never be turned into an agent or companion of injustice. For the divine providence to counter (or even correct) the natural, predictable, necessary consequences of the thoughtless, careless or insolent behaviour of the impious, that would represent the sacrilegious (and irrational) transformation of providence into a retainer of injustice. Plotinus' precision in these matters just cannot be bettered: The divine justice demands that the harvest be offered to those who both pray and „look after their land". 47 Nor can the result of a life of dissolution be the request for a restoration to health, injustice. There are then two components to the divine ordering of the 44 45 46 47
Augustinus, 1991, 129. Cf. Plotinus, Cf. Plotinus, Cf. Plotinus,
Confessiones,
lib. VII, cap. xiii, par. 19, transl. by H. Chadwick, Oxford
Enn. Ill 2, 14, 15-16. Enn. Ill 2, 9 1-4. Enn. Ill 2, 8, 38-39.
World History after Socrates
255
universe: providence and justice - and, however providence can be understood, this comprehension cannot come at the expense of justice. Augustine lays full claim to this Neoplatonic teaching as well, now converted in Christian terms to a contest between the divine providence and the responsibility of human beings for their own shortcomings. From the conclusion of Plato's Res publica, we have the essence of the governing principle of all discussion of the divine relation to human affairs: "The fault lies not with God, but with the soul that makes the choice". 48 For the whole Platonic tradition (which includes Augustine), any other assertion, any other principle, any other suggestion is to level the divine justice, the divine ordering of the world, to the arbitrariness of a whim, to make chance or fortune the fundamental expression of the divine providence. This is literally unthinkable, since it would make the divine harmony irrational. Augustine has no option but to require two principles of providence and justice (or providence and free will) to stand side by side in all their „unmitigated rigour ... otherwise we shall only succeed in confusing but never in uniting them". 49 In book V of his Civitas Dei, he concludes that the „religious mind chooses both, confesses both, and maintains both by the faith of piety". 50 The notion that two principles might be distinguished and yet prove inseparable is also taken from classical antiquity. The ideal identified as κ α λ ο κ α γ α θ ί α is a hybrid of the beautiful (τό καλόν) and the good (τό άγαθόν). In itself, each term is perfectly comprehensible, but what they are in themselves is only fully realized when they are held together and maintained in their complementary unity. „Ethical, musical, literary, athletic instruction: All aimed at the ideal to which a young Hellenic man aspired"; 51 life in the πόλις was at one and the same time the highest άγαθόν and the most splendid καλόν. They were distinguishable, but not separable. This is the precise situation in which the religious mind needs to position the reality of the divine providence and the divine justice. They may be separable as a matter of theoretical definition, but the reality of the religious life means that they are indistinguishable: truly, two sides of the same coin. I have already alluded to Charles Darwin's The Descent of Man, and it is
48
Plato, Res publica, 617e4-5 (translation after id., The Republic, D. Lee, London 2 1987, 452).
49
F. Schiller, On the Aesthetic Education of Man: In a Series of Letters, ed. and transl. by Ε. M. Wilkinson, L. A. Willoughby, Oxford 1982, 18th Letter, § 4; 123. For this quotation (and much else), I am indebted to R. D. Crouse, The Doctrine of Providence in Patristic and Medieval Theology, in Proceedings of the 22nd Atlantic Theological Conference, forthcoming Charlottetown/Prince Edward Island 2003. Cf. Augustinus, De civitate Dei, lib. V, cap. 9.
50
51
ed. and transl. by
For this discussion, I am indebted to Rainer Friedrich (Dalhousie) and his address o f January 16, 1997 in „The Habermas Seminars" entitled „After Adorno".
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Thomas Η. Curran
here necessary to confirm the surprising correspondence that Darwin maintains first with Socrates and then with Augustine. Following precisely the argument of the Socratic Xenophon, Darwin acknowledges, „The belief in God has often been advanced as not only the greatest, but the most complete of all the distinctions between man and the lower animals." 52 Human beings are marked out by their ability to worship the gods. In response to Augustine, Darwin writes: „The idea of a universal and beneficent Creator of the universe does not seem to arise in the mind of man, until he has been elevated by long-continued culture." 53 This may be interpreted ironically, since the complex thought of two apparently exclusive and incompatible principles, viz. providence and justice, or providence and individual responsibility, can only be united by a religious mind of great sophistication, apparently holding fast to principles which lesser (less cultured) minds might find in terminal opposition.
IV. Hegel's Notion of World History Now we are able to return to the conceptual foundations of Hegel's lectures on Weltgeschichte. The first principle: that „reason rules the world ... in the form of the religious truth that the world is not subject to chance and to external contingencies", is to be supported by the explanation of history, revealing „the passions of human beings, their talents, their active powers". 54 The confidence of these axiomatic statements is provided by Hegel's understanding of ,Geist': „The first traces of Spirit virtually contain all history" is the statement of the beginning; but later, vitally, Hegel adds: "It is the essence of Spirit to act, to make itself explicitly into what it is implicitly - to be its own deed, and its own work." 55 Goethe understood this imperative perfectly, when, in Faust's famous Biblical translation, he has the enlightened doctor offer, as his ultimate translation of the beginning of John's Gospel, the majestic „Am Anfang war die Tat": In the beginning was the Deed! 56 Everything I want and need to say has already been anticipated in the early formulation of the Verfassungsschrift, ,just as the germ of the plant carries
52 53 54 55 56
Darwin, The Descent of Man, vol. 2, 394. Darwin, The Descent of Man, vol. 2, 395. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 39 [= Introduction to the Philosophy of History, 15-16]. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 45, 113 [= Introduction to the Philosophy of History, 21, 77]. J. W. von Goethe, Faust, 1. Teil, in: id., Werke, Bd. 3, hrsg. von Ε. Trunz, Hamburg 1949 [= Faust: Part One, ed. and transl. by D. Luke, Oxford 1987,1. 1237],
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within itself the entire nature of the tree". 57 In this manuscript, Hegel informs us that we are made „irascible and resentful" by the fact that the world „is not as it ought to be". 58 A reconciliation, however, might be possible if we could recognize that the world is as it must be, and that our world is not just the result of arbitrariness and chance. This necessity, which this earlier essay wants us first to recognize and then to think, belongs, if I may speak this way, to all mankind. My attitude here is formed by Goethe's famous letter to Thomas Carlyle, dated July 20, 1827, where Goethe describes .Weltliteratur' as writing that belongs to all mankind. 59 What is true of our literature cannot be less true of the reason in our history: It belongs to all mankind. At virtually the same time as Goethe was articulating his thoughts on ,world literature', he was also constructing the true masterpiece of the last stage of his life. The concluding sentences of his Novelle (first published in 1828) suggest that Goethe might have been transformed in his old age into the archetype of German Idealism. It is at least in this spirit that Goethe addresses his reader: „Ist es möglich zu denken, daß man ... einen Ausdruck ... von dankbarer Zufriedenheit habe spüren können, ... so geschah es hier." 60 Goethe challenges the reader to establish, in thought, the possibilities offered by the story; in taking up the challenge, the reader helps to bring these possibilities to fruition. Something similar is to be found in Hegel's lectures on world history: „To him who looks at the world rationally, the world looks rational in return. The relation is mutual." 61 The capacity for understanding the world as rational and as conforming to the „necessary evolution of the world spirit" 62 is given to every human being, if only individual human beings would rouse themselves to the labours of recognizing necessity. It is in the toil of recognizing and then thinking necessity that we move from the potential to the actual, from the implicit to the explicit, from the theoretical to the practical - in our speculative work, we actually build the bridge which eluded Anaxagoras. This same thought has been given a powerful impetus in a speech which Martin Walser gave in honour of Friedrich Hölderlin in 1996. What Walser says, in essence, is that a poet like Hölderlin is essential for our encounter with any 57 58 59
60 61
62
Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 45 [= Introduction to the Philosophy of History, 21]. Hegel, Verfassungsschrift, 163 [= Hegel's Political Writings, 145]. J. W. von Goethe, letter to Th. Carlyle, July 20, 1827: „daß es [das wahrhaft Verdienstliche] der ganzen Menschheit angehört", in: Weltliteratur: Die Lust am Übersetzen im Jahrhundert Goethes, hrsg. von R. Tgahrt, Marbach am Necker 1982, 9. J. W. von Goethe, Novelle, in: Werke, Bd. 6, hrsg. von E. Trunz, Hamburg 1951, 512. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 37: ,,[W]er die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an: Beides ist in Wechselbestimmung" [= Introduction to the Philosophy of History, 14]. Hegel, Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1830/31, 142 [= Reason in History, 29],
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world: Without the poetic vocabulary, we must remain tongue-tied, speechless and dumb. The unhappy consequence is that what we encounter is deprived of all speech as well: What we encounter is without any means of communication (stumm). The Psalmist puts it this way: „There is neither speech nor language; their voice cannot be heard." 63 Walser, in his turn, refers us to Jakob Böhme and his principle: „Der innere Himmel zündet den äußern an". 64 The heaven of religious tradition, of poetic language, and all human aspiration, only comes to consciousness through the agency of speech and language: It is the divine word which wakes us out of sleep. Naturally, the appropriation of the world through language, and the display of the world under the auspices of reason do not in themselves eliminate the fact that our histories are full of injustices. But then we are also reminded of the principle ascribed to Goethe: ,rather injustice than disorder'. For George Steiner, 65 this formula must be engaged when attempting an exposition of Sophocles' Antigone, where, ironically, the city of Thebes survives its own injustice towards its citizens. But it is essential that the city survive, for its survival is, in truth, the necessary condition for the maintenance of any justice in the world whatsoever: However many generations it may take, if the state manages to survive, there is at least the possibility of some restitution of the injustice which has been suffered. For any restitution there must still be an institution which comprehensively transcends the transitory, ephemeral passions of men and women. The world, we learn, is rational to him who chooses to view it rationally. Here I turn again to the final decade of the thought of Hans-Georg Gadamer. By this means I am able to draw on the profound conclusions of a whole philosophical century - or at least most of one: In an extremely reflective (and late) consideration entitled Der Anfang der Philosophie, Gadamer goes back to his own earliest experiences of philosophy. He remembers distinctly how Heidegger „spoke of the moment in which man raised his head for the first time and posed a question to himself'. 6 6 In a quite ingenuous way, of course, we are here being told not only of the origins of speculation for mankind, but also of the origins of speculation for this particular philosophical spokesman of mankind. There are two weighty considerations that flow from this mediation. The first is, as always, the „great riddle of language", which, in its sacred mystery, must have been - for Nietzsche at least - a fabrication (Erfindung) of God 67 The
63 64 65
Psalm 19:3. M. Walser, Umgang mit Hölderlin: Zwei Reden, Frankfort a. Μ. 1997, 22. Cf. G. Steiner, Two Suppers, in: id., No Passion Spent: Essays 1978-1995, 1996, 393.
66
H.-G. Gadamer, Der Anfang der Philosophie, Stuttgart 1996, 15 [= The Beginning Philosophy, transl. by R. Coltman, N e w York 2000, 13]. Cf. Gadamer, Der Anfang der Philosophie, 15 [= The Beginning of Philosophy, 14].
67
N e w Haven of
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259
second point of greater immediate interest is that, in a speculative discussion of the „beginning" (principium) of philosophy, it is not possible to evade the question of the „end or goal" (Ende oder Ziel) for which this is the beginning: „Something is only ever a beginning in relation" to such an end or goal. 68 In Gadamer's discussion, the end clearly determines the beginning, in the same way that the beginning anticipates the end. In this way, we have demonstrated how our very use of language itself requires us to see the world in its actual dialectical integrity. It is by attending to language in this manner that we are able to take hold of the idea of ,Tätigkeit', of historical activity, as the „middle term" between the internal universal and the external objectivity. 69 The principle at work here is beautifully summarized in Gadamer's famous dictum: „Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache." 70 Mutatis mutandis, now we are converting this dictum for our understanding of history: The discrete events of history, when understood rationally, become the ingredients of an universal order, world history. For Hegel, the very articulation of the notion of world history demands that we move decisively beyond what Nietzsche will later identify as „only a perspective seeing, only a perspective ,knowing'". 71 In world history there is no place for that kind of partiality; indeed, from the perspective of that kind of partiality, the subject itself could never come to be: „The perspective adopted by the philosophical history of the world is accordingly not just one among many general perspectives, an isolated abstraction singled out at the expense of the rest. Its spiritual principle is the sum total of all possible perspectives ... [,] a universal thought which runs throughout the whole." 72 In the end, it is the sub-
68
69 70
71
72
Cf. Gadamer, Der Anfang der Philosophie, 17: „Anfang meint immer das Ende mit ... Die Vorwegnahme des Endes ist eine Voraussetzung für den konkreten Sinn von Anfang." Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 56 [= Introduction to the Philosophy of History, 29]. This famous sentence from H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 3 1972, 450, has been adopted as the title for a Festschrift in Gadamer's honour by Suhrkamp Verlag. Cf. Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache: Hommage an Hans-Georg Gadamer, hrsg. von R. Bubner, Frankfurt a. M. 2001. F. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 3. Abhandlung, § 12, in: Werke, Bd. VI/2, Berlin 1968, 383 [= On the Genealogy of Morals, transl. by W. Kaufman, R. J. Hollingdale, New York 1989, 119]. G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte: Berlin 1822/23, in: id., Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Bd. 12, hrsg. von Κ. H. Ilting, K. Brehmer, Η. N. Seelmann, Hamburg 1996, 15. For this specific passage cf. id., Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. I: Die Vernunft in der Geschichte, hrsg. von J. Hoffmeister, Hamburg 5 1980, 32 [= Reason in History, 30].
260
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ject matter itself that forces us to adopt the standpoint of what is rational, which is to say the .totality' of all the perspectives. The failure to do this implies the destruction of that spiritual principle which is itself the ground for that philosophical discipline (Weltgeschichte), which, in turn, comes into concrete being in the same moment in which it is identified in language. In a telling passage of his introduction to these lectures on world history, Hegel takes issue with that subjective reason which insists on maintaining itself in its negative moment: „It is easier to discern the shortcomings in individuals, in states, in providence, than to see their true significance. For in negative faultfinding one stands above the thing, nobly and with a superior air, without being drawn into it, i. e., without having grasped the thing itself in its positive aspect." 73 To appreciate the full significance of what Hegel is saying here, it must be remembered that in both editions of his Wissenschaft der Logik, Hegel offers this same formulation as one of the principal components in his definition of speculation: A mark of speculative reason is its grasping of the „positive within the negative" (in dem Fassen ... des Positiven im Negativen). 74 Here, with remarkable simplicity of concept and language, Hegel offers an invaluable insight into the immense power unleashed by the discipline of world history: It represents the banishment from consciousness of every partiality, every one-sided sentiment and reflection, every appeal to something less than the whole. We are all of us supporting actors in the theatre of world history; but equally we also have the capacity for speculation, by which, with divine insight, we can transcend the cruelties, injustices and disappointments of history by grasping the unity with ourselves of what is set over against us, 75 by grasping the „positive within the negative". Hegel's speculative method provides the ultimate answer to all the alleged incomprehensibility of the world: „The individual [in speculation] then incorporates the entire system. There isn't anything at all to the system that he does not encompass." 76
73 74
75
76
Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 67 [= Introduction to the Philosophy of History, 38-39]. G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Band. Die Objektive Logik (1812/1813) in: Gesammelte Werke, Bd. 11, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1978, 27; id., Wissenschaft der Logik. Erster Teil. Die Objektive Logik. Erster Band. Die Lehre vom Sein (1832), ebd., Bd. 21, hrsg. von F. Hogemann, W. Jaeschke, Hamburg 1985, 40-41. Hegel, Wissenschft der Logik. Die Lehre vom Sein (1832), 40-41: „in dem Fassen des Entgegengesetzten in seiner Einheit, oder des Positiven im Negativen, besteht das Speculative." So J. R. Searle, Minds, Brains, and Programs, in: Reason and Responsibility, ed. by J. Feinberg, Belmont/Cal. 7 1989, 301.
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261
World history cannot, therefore, as Nietzsche suggests, be something that only happens in the „crania" 77 of some few individuals fortunate enough to have heard Hegel's Berlin lectures in person. The more profound truth is just as Ferdinand Christian Baur expressed it in an address on Reformation Day in 1841. The Hegelian philosophy, he argued, was not to be understood as the „chance product of a few particular individuals, but rather the necessary and natural result of a long series of aspirations of the human spirit, coherent in themselves and directed to their highest goal". 78 This is simply to follow Hegel's own consistent form of expression: The Hegelian philosophy is itself not a result of arbitrariness or chance, but is instead a necessary expression of what must be. Our task is to recognize the necessity (historically and speculatively) of what must be, and once having recognized it, then we must make the further step of actually thinking it. Let Plotinus, then, have the last word: „Providence ought not to exist in such a way as to make us nothing." 79 For the world to be governed by providence, we have first to recognize it, and then, having recognized it, move on to think it.
77
F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachtheil der Historie fiir das Leben, § 8, in: Werke, Bd. III/l, Berlin 1972, 304: „innerhalb der Hegelischen Hirnschalen".
78
F. C. Baur, Rede zur Feier des Gedächtnisses der fünfundzwanzigjährigen Regierung Seiner Majestät des Königs Wilhelm von Württemberg, am 31. Oktober 1841, auf der Universität Tübingen gehalten, in: Gratulationsschrift des Gymnasiums zu Tübingen fiir die vierte Säcularfeier der Universität Tübingen, 9-11 August 1877, Tübingen 1877, 18. Cf. H. Harris, The Tübingen School, Oxford 1975, 39-40.
79
Plotinus, Enn. III 2, 9, 1-2.
Verzeichnis der Dialoge Piatons
Apologia Socratis 151 Epistula II 187; VII159-160, Euthyphro 233
162
Ion XIII, 142, 144-146, 150, 152, 160, 172 Meno 5, 146, 151,233 Parmenides XIV-XV, 74, 92, 94, 97, 101, 106, 183, 201, 211-220, 223-233, 236-240, 243-244 Phaedo 201, 223, 248
PhaedrusXIII, 119-121, 123, 134-135, 151, 156, 160, 164, 201,233 Philebus 74, 97, 117, 146, 178,211,217 Res publica 96, 183, 187, 202, 226, 255
Sophistes XV, 78, 97, 122, 133, 136, 201,211,213,217, 241
Symposium 120-121, 148, 156-157, 160, 223,233 Theaetetus 3, 6, 201
Timaeus 74, 92, 117, 146, 178-179, 201, 227
Namenregister
Adorno, Th. W. 137 Aelianus 145 Aeschylus XV, 248, 250 Albrecht, M. 21 Alcibiades (persona dialogi) 148, 156 Alcinous 23-24 Alexander Aphrodisiensis 28 Allen, R. E. 212, 226 Amelius 27 Ammianus Marcellinus 27 Anaxagoras XV, 248-249, 251, 257 Aphrodite 156 Apollon 156 Apollonius Tyanensis 28 Apuleius 23-24 Aristodemus 249-250 Aristoteles IX, 1, 4, 6, 8-10, 14-15, 91-92, 96, 183, 196, 200, 202203, 208 Armstrong, Α. H. 253 Arndt, A. 201 Asmuth, C. XII, 59-64, 71, 84, 107, 109, 111, 166-168 Augustinus XV, 121, 135, 178, 254-256 Aulus Gellius 148 Ayres, P. 151 Bacchus 136 Baltes, M. 145 Bardiii, C. G. 117 Basore, J. 253 Baum, M. 218, 252 Baumgarten, A. G. 43, 52, 145
Baumgartner, Η. M. 77-78, 87-88, 108, 111, 166 Baur, F. C. 261 Becher, W. 101 Beeler, J. 76, 91, 106, 167-168 Behler, E. 122, 155-156 Beierwaltes, W. 79-81, 87, 91, 128, 175, 177, 182-183, 188-190, 192,195, 205 Berkeley, G. 163 Beutler, R. 79, 189 Beyme, K. F. 168 Bickmann, C. XIV, 195-196, 199, 201 Biester, J. E. 155 Blumenberg, H. 135 Boeckler, J. H. 159 Böhm, B. 149 Böhme, J. 182, 258 Bonsiepen, W. 119, 139, 164, 196, 211 Bose, J. A. 158 Braun, L. 4, 6, 11 Breazeale, D. 64 Brehmer, K. 259 Brinkmeyer, F. 148 Brown, R. F. 166 Brucker, J. J. XI, 1-3, 6, 11-14, 1925,28, 143-146, 148, 158 Brugnoli, G. 145 Bubner, R. 17, 157, 205,259 Buchner, H. 73, 104, 165, 178, 211 Budde, J. F. 21 Budde-Burmann, M. 74, 101, 114 Büsching, A. F. XI, 6-7
266
Namenregister
Büttner, S. 142 Carlyle, Th. 257 Carus, F. A. 29 Cäsar, Κ. A. 8 Casaubon, I. 21 Casaubon, M. 143 Ceming, K. 101, 114 Chadwick, H. 254 Cicero 6, 23-24, 27, 52, 145 Colli, G. 251 Coltman, R. 258 Conrad, H. 149 Conring, H. 158 Cooper, A. A. (Third Earl of Shaftesbury) 42, 48, 150-151, 154155, 162 Coreth, E. 91, 111 Comford, F. M. 212, 240 Cousin, V. 92, 101, 184 Cramer, K. 205 Creuzer, F. 183 Crouse, R. D. 255 Cudworth, R. 28 Cummins, P. D. 33 Curd, P. 248 Curran, Th. Η. XV, 247 Cürsgen, D. XII-XIII, 91 Dabag, M. 177 Damascius 92, 175 Danz, C. 167 Darwin, C. XV, 251-252, 255-256 Delius, H. 48 Derrida, J. 250 Descartes, R. 56 Deuse, W. 179 Dewender, Th. 118, 148 Diels, H. 91, 248 Diez, I. C. 25 Diogenes Laertius 21, 158 Dionysius II 158
Dionysius Pseudo-Areopagita 128, 183-184 Dionysos 156, 172 Dodds, Ε. R. 92 Dörrie, Α. 145 Dörrie, Η. 145 Drück, F. F. 27-29 Düring, I. 96 Düsing, K. 121, 176, 195, 199, 212213,215,217, 220 Duso, G. 176 Echardus de Hochheim 104, 128 Ehret, H. 101 Ehrhardt, W. E. 188 Eichhorn, J. G. 147 Engel, J. J. XI, 4-6 Engelhardt, W. E. 144 Enskat, R. 199 Epicurus 41, 48, 251 Eros 156,164 Euripides 142 Eusebius 24 Euthydemus 249 Faber, M. 251 Feinberg, J. 260 Ferber, R. 106 Ferrarin, A. 201 Fichte, I. H. 65, 107 Fichte, J. G. IX, XII-XIII, 59-76, 77-78, 81-90, 91-92, 101-117, 119, 123, 125-127, 130-132, 139-141,153, 164-171, 176 Forberg, F. K. 29 Förster, E. 53 Forster, M. 215 Frank, Μ. XI, 122, 172, 184, 188, 195,201 Franz, A. 89
Namenregister
Franz, Μ. 7, 19-20, 25, 119-120, 123, 143-144, 147 Fricke, C. 49 Friedrich, R. 255 Fuchs, E. 61-62, 65, 67-68, 76, 82, 85,91,102,104,106,108, 110, 113, 117,166-168 Fulda, H. F. 199,213,215 Fülleborn, G. G. XI, 13-15, 19, 2831 Gadamer, H.-G. 213, 250, 258-259 Gaiser, K. 183 Garniron, P. 135, 211, 217, 227 Garve, C. 29 Gedike, F. 157 George, Ε. E. 136 Gerhard, J. 184 Gerhardt, C. J. 21 Gessmann, M. 213 Giomini, R. 145 Girndt, H. 130 Gliwitzky, H. 60-62, 76, 82, 91, 102, 104, 106, 108, 110, 117, 165-168 Glockner, H. 20, 164, 211, 217, 220,247 Gloy, K. 84, 92, 101, 106 Gloyna, Τ. 1, 8, 12, 147 Goethe, J. W. von 256-258 Grätzel, S. 101, 166 Green, Th. H. 155 Gregor, K. 59 Griffith, M. 250 Grimm, J. 132 Grimm, W. 132 Gritsch, E. W. 153 Grose, Th. H. 155 Gründer, K. 153 Guillelmus de Ockham 28 Guyer, P. 58
267
Hadot, P. 78 Haidane, E. S. 220 Halfwassen, J. XIV, 24, 77-78, 80, 87-88, 111, 175, 177, 180, 182-183,208 Halper, E. C. XIV-XV, 211, 224, 235 Hammacher, K. 64, 130 Hansch, M. G. 143 Happ, H. 179 Harder, R. 79, 189 Harris, H. 261 Hatfield, G. 58 Hattstein, M. 109 Heckmann, R. 107 Heede, R. 119, 139, 211 Hegel, G. W. F. IX, XI, XIV-XV, 20-21, 24-25, 28, 60, 72-73, 75, 80, 91, 93, 102-104, 107108, 119-120, 123, 125, 127, 130, 133, 135, 139, 164, 176, 183-184, 195-203, 206-209, 211-227, 229-230, 235-240, 243-244, 247-249, 251-253, 256-257, 259-261 Heidegger, Μ. IX-X, XV, 111, 137, 258 Heidemann, D. H. 111 Heimsoeth, H. 16, 43, 51 Heinemann, F. H. 151 Heinz, M. 36 Henrich, D. 16, 25, 53, 117, 119120, 123,127, 184, 199, 204 Henry, P. 189 Heraclitus 2,44, 121 Hercher, R. 145 Hercules 136 Herder, J. G. 150 Herrmann, F.-W. von IX Hiller, K. 62, 108, 117, 167 Hinske, N. 42, 153-154, 157
268
Namenregister
Hissmann, Μ. 4 Hoffmeister, J. 259 Hogemann, F. 93, 103, 199, 211, 221,260 Hölderlin, F. XIII, 25, 119-137, 257 Hollingdale, R. J. 259 Holz, H. 176 Holz, Η. H. 144 Homerus 142 Horatius 21 Hörisch, J. 122 Horn, G. 20 Horstmann, R.-P. 213, 215 Hosius, C. 148 Hühn, L. 108 Hume, D. 45, 154-155 Husserl, Ε. 111 Hutter, A. 140 Iamblichus 27-28 Ian, L. 145 Iber, C. 201 Iesus Christus 62-63, 75, 116, 136 Ilting, Κ. H. 259 Ioannes116, 256 Ioannes Scotus Eriugena 128 Ion (persona dialogi) 142 Isis 160 Ivaldo, M. 85,91, 110, 166 Jacob, H. 91, 103, 125 Jacobi, F. H. 30, 61, 164 Jacobs, W. G. 78, 89-90, 166 Jaeschke, W. 93, 103, 135, 155, 165, 199, 211, 217, 221, 227, 247, 260 Jain, E. 101, 166 Jamme, C. 117, 121-122, 130, 133 Janke, W. 64, 74, 83, 101, 107, 166 Jantzen, J. 25, 196 Jehl, R. 19
Junker, P. 114 Kahnert, K. 64, 71 Kant, I. IX, XII-XIII, 1, 7-10, 12, 14-17, 33-58, 60-63, 70-71, 75, 87, 89, 101, 105, 116117, 119-121, 124-125, 127, 130, 132-133, 139, 146, 156165, 167-168, 171, 175-176, 207 Kapp, E. 96 Kapust, A. 177 Karlstadt, A. von 153 Kaufman, W. 259 Kempf, C. 145 Kern, W. 201 Kim, E. 59, 180 Kitcher, P. 58 Kleuker, J. F. 150, 157 Klibansky, R. 93 Kluckhorn, P. 150 Knaupp, M. 119 Knox, Τ. M. 252 Kobusch, Th. 176, 195 Koch, A. F. 183 König, P. 49 Korshin, P. J. 143 Kostaras, G. P. 77-78, 81, 90 Krämer, H. J. 92, 128, 175-176, 179 Kranz, W. 91, 248 Kreienbrink, I. 157 Kreimendahl, L. 153-155 Kreuzer, J. XIII, 119-121, 128, 130, 132-133, 135-136 Krings, H. 165, 178 Kristeller, P. O. 13 Kubo, Y. 198 Labowsky, L. 93 Laches (persona dialogi) 223 Lachmann, K. 150
Namenregister
Lambert, J. H. 44 Lasaulx, E. von 192 Lauth, R. 60-62, 65, 68, 76, 82, 91, 102-104, 106, 108, 110, 113, 117, 125, 165-168 Lavater, J. C. 164 Lawitschka, V. 120 Laywine, A. 36 Lee, D. 255 Leibniz, G. W. 6, 11, 21, 38-39, 45, 56, 70, 143-144, 178 Leinkauf, Th. 176 Lemke, A. 133 Leroux, G. 189 Leroy, A. 151 Lessing, G. E. 150, 152-153, 156 Liebrucks, B. 130 Locke, J. 4, 6, 11, 15, 45, 70, 154155 Loewe, J. H. 78, 86-87 Lucas, H.-C. 164, 196 Lucilius 253 Luke, D. 256 Luther, M. 153 Lysis (persona dialogi) 223 Mähl, H.-J. 87, 150 Malebranche, N. de 6 Malusa, L. 20 Maluschke, G. 213 Mann, F. 145 Manz, H. G. von 113 Manzana, J. 117 Marchant, E. C. 249 Marc-Wogau, K. 35 Marsilio Ficino 116, 119, 157 Mau, J. 6 Maximus Tyrius 28 Mayer, J. F. 143 Mayhoff, C. 145 McKirahan, R. D. 248
269
Meiners, C. XI, 19, 25-28, 158 Meinwald, C. C. 212, 226 Meist, K. R. 252 Menage, Ae. 21 Mendelssohn, M. 148, 155 Michelet, K. L. 217, 220 Miller, Α. V. 216 Miller, M. H„ Jr. 212, 226, 241, 245 Moiso, F. 167 Mojsisch, B. 71, 195 Mollowitz, G. 14 Montinari, M. 251 Mörchen, Η. 111 Moretto, G. 85 Mosheim, J. L. von 144 Mues, A. 110 Müntzer, Th. 153 Napoleon 65 Nenon, Τ. 111 Neuffer, C. L. 119-120 Newton, I. 36 Nicolaus Cusanus 128 Nicolin, F. 25, 28 Nidditch, P. H. 155 Nieke, W. 21 Niethammer, F. I. 29, 120, 157 Nietzsche, F. IX, XV, 251-252, 258-259, 261 Nisbet, Η. B. 247 Novalis 87, 89, 150 Nuzzo, Α. XII, 33, 48, 54 O'Meara, D. J. 189 Oberauer, Α. 183 Olearius, G. 22 Olympiodorus 145 Parmenides (persona dialogi) 222, 225, 227-234, 240-243
270
Namenregister
Parmenides 91-92, 234 Pasch, J. G. 158 Patzig, G. 48 Paulus 21 Paulus, Η. E. G. 12, 187 Peetz, S. 177, 192 Petersen, Th. 49 Phaedrus (persona dialogi) 151, 156 Phocas 145 Piaton IX-XVI, 1-4, 6-11, 12-17, 19-27, 29, 33, 40, 42-54, 56, 59-63, 74-76, 78, 84, 91-92, 96, 101, 105-106, 116-117, 119-122, 133-137, 139-152, 156-167, 170-173, 175, 178179, 182-184, 187, 189, 196, 201-203, 209, 211-220, 222238, 240-244, 248, 255 Pleines, J. E. 198 Plessing, F. V. L. XI, 7-10, 12 Plinius maior 145 Plotinus XII-XV, 23, 26-27, 30, 7782, 84-90, 92, 102, 104-105, 111, 114, 121, 128, 164, 175, 177-178, 182-186, 188-192, 196, 203, 253-254, 261 Plutarchus 26, 151, 172, 179 Plutarchus (Pseudo-) XI, 6-7 Pöggeler, O. 73, 104, 121, 130, 211 Poppe, B. 146 Porphyrius 26-27, 96 Portus, Ae. 26 Proclus XII-XIII, 26, 80, 92-100, 110, 112, 118, 128, 175, 183184 Prometheus 250 Pythagoras 9, 44, 150, 161 Quint, J. 104
Radrizzani, I. 76, 91, 106, 113, 167168 Rameil, U. 164 Rametta, G. 176 Rang, B.196 Rauch, L. 247 Reich, K. 36, 48,51-52 Reinhold, K. L. 29 Riedel, M. 213,218 Riginos, A. S. 145 Ritter, J. 21, 153 Robinson, H. 33 Robinson, H. C. 166 Rockmore, T. 36, 64, 74 Römpp, G. 202 Rößler, C. F. 25, 27 Rousseau, J.-J. 52-53 Ruelle, C. E. 92 Ruff, E. 82, 104 Saffrey, H. D. 92 Samuel, R. 150 Santinello, G. 20 Sattler, D. E. 136 Sayre, K. 212, 226 Schad, J. Β. XIII, 117-118 Schädel, E. 59, 180 Schäfer, C. 178 Schäfer, R. 213,215 Scheier, C.-A. 165 Schelling, F. W. J. IX, XI, XIIIXIV, 25, 28, 60, 91, 108, 1 Π Ι 18, 120, 123, 139-141, 146147, 153-154, 163-173, 175188, 192, 195-198, 202-203, 209 Schelling, K. F. A. 139, 176, 196 Schieche, W. 108 Schiller, J. C. F. 120, 122, 157, 255 Schlegel, F. 155-156
Namenregister
Schleiermacher, F. 19, 140, 156157 Schlosser, J. G. XIII, 150, 157-164 Schmid, D. 62 Schmidig, D. 84 Schmidlin, M. J. C. 28 Schmidt, E. 156 Schmidt-Biggemann, W. 1, 19 Schmitt, A. R. 157 Schmucker, J. 48 Schneider, P. K. 61-62, 65, 68, 76, 82,91,102,104, 106,108, 110, 113,117,166-168 Schneider, U. J. 4 Schopenhauer, Α. IX Schottky, R. 165 Schräder, W. H. 77-78, 82-83, 85, 89 Schrimpf, G. 87 Schröder, K. G. 155 Schröder, W. 153 Schröter, M. 182 Schüler, G. 28 Schulz, G. 150 Schulz, W. 183-184, 186 Schumann, D. W. 158 Schurr-Lorusso, Α. M. 64, 91, 110, 166 Schüßler, I. 111 Searle, J. R. 260 Seelmann, Η. N. 259 Sell, Α. XII, 77 Sellars, W. 55 Seneca 252-253 Sepp, H. R. 111 Shell, S. 36 Siaveking, W. 172 Simon, J. 176 Simson, F. H. 220 Socher, J. 141-142, 148, 173
271
Socrates XV, 2,7, 62, 148-149,222, 247, 249-251,256 Socrates (persona dialogi) XV, 142, 144, 147, 151, 156, 160, 212, 221, 223, 227-234, 236, 240, 248 Sophocles 258 Souverain, M. 144 Speusippus 183 Spinoza, B. de 20, 91, 101-102, 218 Stammen, Th. 1, 19 Stanley, Th. 20, 22 Stein, H. von 139, 144 Steiner, G. 258 Stolberg, F. L. Graf zu 157, 160161, 164 Stolzenberg, J. 119 Strauss, L. 148 Suabedissen, D. Th. Α. XI, 1, 14-17 Summerell, O. F. IX, XIII, 118, 139, 148, 195,245 Suphan, B.150 Surber, J. P. 64 Swedenborg, E. 51, 53, 56 Szondi, P. 134 Tennemann, W. G. XI, 11-14, 19, 148-149, 158 Tgahrt, R. 257 Theiler, W. 79, 189 Theunissen, Μ. 184 Thomasius, C. 21 Tiedemann, D. XI, 11, 19, 30, 87, 148, 158 Tilliette, X. 128, 166 Traub, H. 76 Trawny, P. 209 Trouillard, J. 91, 95 Trunz, E. 256-257 Twesten, A. D. C. 67
272
Namenregister
Utz, K. 183 Valerius Maximus 145 Vancamp, B. 101 Vattimo, G. 250 Vellacott, P. 250 Viellard-Baron, J.-L. 4 Vlastos, G. 234 Voigt, U. 59, 180 Vos, L. de 83 Waibel, V. L. 123 Waitz, G. 156 Waidenfels, B. 177 Walser, M. 257-258 Welt, Th. 118, 148 Westerink, L. G. 92, 145 Weyenschops, J. 25 Wiater, W. 143 Wiehl, R. 205 Wieland, C. M. 149-152, 158 Wilkinson, Ε. Μ. 255 Willoughby, L. Α. 255 Wimmer, F. 4 Windischmann, K. J. H. 175, 184, 192 Winkler, Κ. T. 154 Wolff, C. 36, 38-42, 46, 48, 56, 151 Wundt, M. 1,4,21,40, 60 Xenophon 149, 249-251, 256 Yolton, J. W. 4 Zahn, M. 62,64, 102-103, 125, 165, 167 Zarathustra 252 Zart, G. 4 Zedier, J. H. 154 Zehnpfennig, B. 74, 101 Zeno Eleaticus (persona dialogi) 225,228, 231-232, 234
Zeno Eleaticus 92, 227 Zeno Citieus 7 Zeus 129 Zöller, G. 33,47,55, 85, 113