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German Pages 344 [348] Year 1975
de Gruyter Lehrbuch Phänomenologische Thermodynamik
Max Päsler
Phänomenologische Thermodynamik mit einer Einführung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse von Jürgen U. Keller
W G DE
Walter de Gruyter * Berlin ' New York · 1975
Professor Dr. Max Päsler Ordinarius für Theoretische Physik Technische Universität Berlin Privatdozent Dr. techn. Jürgen U. Keller Institut für Thermodynamik Technische Universität Berlin
Das Buch enthält 51 Abbildungen
ISBN 3 11 004937 6 © Copyright 1975 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner F o r m (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: IBM-Composer Walter de Gruyter & Co., Berlin. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin.
Vorbemerkung für den Leser
Dieses Buch wendet sich vornehmlich an Studierende der Physik, Chemie und solcher technischer Disziplinen, zu deren Verständnis die Kenntnisse der Haupttatsachen der Phänomenologischen Thermodynamik unerläßlich sind. Von diesem (in dieser Schrift allein behandelten) Gebiet werden nachstehend seine Grundgesetze („Hauptsätze") erörtert und diese zur quantitativen Beschreibung von bekannten thermodynamischen Erscheinungen verwendet. Im Anschluß an die Darlegung der „Klassischen Phänomenologischen Thermodynamik" wird in einem letzten Abschnitt angestrebt, den Leser mit den Grundlagen der „Phänomenologischen Thermodynamik irreversibler Prozesse" und ihrer Anwendungen auf einige zeit- und ortsabhängige thermodynamische Vorgänge vertraut zu machen. Auf die Anwendung der behandelten thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten auf Probleme der Thermochemie wird in dieser Schrift nicht eingegangen. Um den nachfolgend dargelegten Stoff zu verstehen, bedarf es, daß der Leser gewisse Vorkenntnisse besitzt. Es wird verlangt aus der Physik: die qualitative Kenntnis der Hauptbegriffe der Wärmelehre, etwa in dem Umfang, wie sie in den Vorlesungen über Experimentalphysik erörtert werden. Aus der Mathematik: Beherrschen der Grundtatsachen der Differential- und Integralrechnung, etwas über gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen und ihre Lösungen und schließlich zum Verständnis des letzten Abschnittes einige Kenntnisse aus der linearen Algebra und aus der Tensorrechnung. Berlin, Januar 1975
M. Päsler
Vorwort
Im Jahre 1914 erschien Band I des bekannten mehrteiligen Werkes von Clemens Schaefer, „Einführung in die Theoretische Physik" (Verlag de Gruyter, Berlin), dem die Veröffentlichung von drei weiteren Bänden folgte. Diese vier Bände haben seit ihrem ersten Erscheinen mehrere — jedoch im wesentlichen unveränderte — Auflagen erlebt. Etwa um 1960 äußerte ihr (inzwischen verstorbener) Verfasser den Wunsch, daß für den Fall weiterer Auflagen seines Werkes die einzelnen Bände überarbeitet werden sollten. Dies geschah zunächst mit Band I, der 1970 in gänzlicher Neufassung in 7. Auflage erschien. Nach dem Erscheinen dieses Buches wurde mit dem Verlag beschlossen, als nächstes den Band II, „Theorie der Wärme" zu überarbeiten. Das Ergebnis dieser Bearbeitung ist das vorliegende Lehrbuch. Es erscheint indessen nicht in der gleichen äußeren Form wie die letzte Auflage von Band I. Der Grund hierfür läßt sich wohl treffend durch einen Satz angeben, den Clemens Schaefer in dem Vorwort eines seiner Bücher aussprach:,,... dies Opfer mußte gebracht werden, um den Preis des Buches nicht ins Ungemessene zu steigern". Um einige Bemerkungen zu diesem Lehrbuch zu machen, sei folgendes gesagt: Es beginnt nicht mehr, wie es bisher in den Lehrbüchern über Thermodynamik weitgehend der Fall ist, mit einer Einführung in die „Theorie der Wärmeleitung". Vielmehr wird nun einiges aus diesem Erscheinungsbereich in dem Kapitel „Thermodynamik der irreversiblen Prozesse" angegeben. Dieses Teilgebiet der Wärmelehre wurde — was in einem heute erscheinenden Lehrbuch über „Thermodynamik" wohl unerläßlich ist — als zusätzlicher Abschnitt aufgenommen, womit einem früher geäußerten Wunsch von Clemens Schaefer nachgekommen wird. Darüber hinaus wurde einiges aus der „Thermodynamik mehrvariabler Systeme" dargelegt und fernerhin etwas aus der „Thermoelastizität" behandelt. Diese Dinge sind (bedauerlicherweise) den Physikern fast unbekannt. Schließlich wurde an den Anfang einiger Abschnitte ein Kapitel mit „Historischen Bemerkungen" gesetzt, wofür die Meinung ausschlaggebend war, daß sich ein jeder nicht nur allein mit dem Inhalt seines Fachgebietes, sondern auch etwas mit seiner Geschichte befassen sollte. Es werden daher in einem Anhang über die im Text gemachten „Historischen Bemerkungen" hinausgehend noch „Biographische Notizen" über die in diesem Band genannten Forscher und eine „Zeittafel" angegeben. In diesem Buch wird die Thermodynamik nur phänomenologisch und nicht auch vom statistischen Standpunkt aus behandelt. Leser, die sich für die statistische Darstellung der Thermodynamik interessieren, seien auf folgendes Buch hingewiesen: F. Reif: Physikalische Statistik und Physik der Wärme. Bearbeitung und wissenschaftliche Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe von W. Muschik. Verlag de Gruyter, BerlinNew York 1975. Bei der Abfassung dieses Buches erhielt ich eine wesentliche Hilfe durch Herrn Dr. J. U. Keller. Dieser verfaßte den Abschnitt „Thermodynamik der irreversiblen Prozesse" selbstständig und in eigener Verantwortung. Er ist auch Autor des Kap. 35 und
Vorwort
VII
hat Erweiterungen der Kap. 3 und 48 vorgenommen. Ich bin Herrn Dr. Keller für seine Mitarbeit und eine Vielzahl von Diskussionen über die Gestaltung dieses Buches zu großem Dank verpflichtet. Herr Dr. Keller wird im Anschluß an dieses Vorwort zu dem von ihm verfaßten Abschnitt noch selbst einige Bemerkungen machen. Es ist noch weiterhin Dank auszusprechen an Frau E. Schöneberg, die unermüdlich das mehrfach geänderte Manuskript in Reinschrift brachte und die sich außerdem höchst intensiv bei der Korrektur der Fahnenabzüge betätigte. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Zusammenarbeit mit dem Verlag — vertreten durch Herrn Dr. Weber — nicht nur reibungslos, sondern in erfreulich ersprießlicher Weise ablief. Auch dafür ist Dank auszusprechen. Berlin, Januar 1975
M. Päsler
Vorwort zum Abschnitt: Einführung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse
Die Thermodynamik der Nichtgleichgewichtserscheinungen in kontinuierlicher Materie ist im vorliegenden Werk durch ein eigenes Kapitel vertreten. Dies erscheint gerechtfertigt, da diese Wissenschaft die physikalischen Grundlagen und die Gleichungen fur viele verschiedenartig erscheinende Zweige der Natur- und Ingenieurwissenschaften, wie etwa der Hydromechanik, der Astrogasdynamik, der Thermoelastizitätstheorie, der phänomenologischen Elektrochemie oder der Verfahrenstechnik bereitstellt. Die Darstellung beschränkt sich bewußt auf die Prinzipien und wichtigsten Resultate der von L. Onsager begründeten „Klassischen Thermodynamik der irreversiblen Prozesse". Diese Theorie der Vorgänge in Materie spielt auch heute noch für Anwendungen unter allen zur Verfügung stehenden Kontinuumstheorien die weitaus größte Rolle: sie ist eigentlich eine universell anwendbare Methode, Vorgänge in kontinuierlicher Materie zu beschreiben. Die in ihr getroffenen Voraussetzungen, insbesondere die Hypothese vom lokalen thermodynamischen Gleichgewichtszustand, sind in der überwältigenden Mehrzahl der in Physik und Technik auftretenden Prozesse erfüllt. So erscheint es gerechtfertigt, zumal in einer einführenden Schrift, andere Theorien der Vorgänge in kontinuierlicher Materie, etwa die nichtlinearen Feldtheorien der Mechanik und ihre thermodynamischen Erweiterungen oder die entropiefreie Thermodynamik der Vorgänge nur am Rande zu erwähnen. Auf Übungs- und Anwendungsbeispiele mußte zum größten Teil aus Platzgründen verzichtet werden. Sie werden aber an anderer Stelle (J. U. Keller, Einfuhrung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse mit Aufgaben und Lösungen, Verlag de Gruyter, in Vorbereitung) gebührend berücksichtigt. Der Unterzeichnete möchte die Gelegenheit nützen und an dieser Stelle eine Dankesschuld abtragen. Zunächst an Frau E. Schöneberg (TU Berlin) für das Schreiben des Manuskriptes und das Mitlesen der Korrekturen. Sodann an Frl. S. Gräbner (TU Berlin) für die gewissenhafte Anfertigung etlicher Zeichnungen und Figuren. Ferner an Herrn Prof. Dr. M. Päsler (TU Berlin) für zahlreiche wertvolle Diskussionen. Herrn Prof. Dr. H. Knapp (TU Berlin) danke ich für die großzügige Gewährung eines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten von Amerika, während dessen wesentliche Teile des vorliegenden Artikels geschrieben worden sind. Den Professoren Dr. J. A. Clark (University of Michigan, Ann Arbor), Dr. W. Muschik (TU Berlin) und Dr. E. Schütt (TU Berlin) möchte ich für die mit ihnen geführten Diskussionen danken. Dem Verlag de Gruyter & Co. gilt mein spezieller Dank für die stets erfreuliche und reibungslose Zusammenarbeit. Berlin, Januar 1975
J. U. Keller
Inhalt
Vorbemerkung für den Leser Vorwort Vorwort zum Abschnitt: Einführung in die Thermodynamik irreversibler Prozesse
Einleitung und Vorbereitendes 0. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Liste der in diesem Buch verwendeten Symbole und deren Bedeutung Historisches und Einteilung der Theorie der Wärme Erinnerung an Differentialformen und den integrierenden Faktor Der Begriff des Systems Zustandsgrößen und der Begriff der Zustandsgieichung Thermodynamische Prozesse Die Aufgabe der Thermodynamik
V VI VIII
1 1 6 8 14 15 19 20
Der Nullte Hauptsatz
22
7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
22 23 24 28 32 36 43
Formulierung des Nullten Hauptsatzes Bemerkung zum Begriff der empirischen Temperatur Vorläufiges zur Temperaturmessung Die thermischen Koeffizienten Die Zustandsgieichung Idealer Gase Die van der WAALSsche Zustandsgieichung Angabe einiger anderer Zustandsgieichungen
Der Erste Hauptsatz
47
14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
47 49 55 59 61 65 66 72 73 75 77 80 82
Erinnerung an den Energiesatz der Mechanik Die ursprüngliche und die heutige Auffassung vom Wesen der Wärme Formulierung des Ersten Hauptsatzes Die spezifischen Wärmekapazitäten Verschiedene Formen des Ersten Hauptsatzes Die Enthalpie Adiabatische Vorgänge Die Adiabatengleichung für ein Ideales Gas Veranschaulichung im Arbeitsdiagramm Der Begriff der Polytropen Die Polytropengleichung für ein Ideales Gas Vorläufiges zum Überströmversuch von Gay-Lussac Vorläufiges zum Drosselversuch von Joule-Thomson
Der Zweite Hauptsatz
85
27. 28. 29. 30. 31.
85 85 91 95 99
Qualitative Charakterisierung des Zweiten Hauptsatzes Der Carnotsche Kreisprozeß mit einem Idealen Gas Der Carnotsche Kreisprozeß mit einer beliebigen Substanz Die Thermodynamische Temperaturskala Der Begriff der Entropie
X 32. 33. 34. 35.
Inhalt Das Wärmediagramm Die Clausiussche Ungleichung Eine Extremaleigenschaft des Wirkungsgrades eines Carnot-Prozesses Bemerkungen zum Zweiten Hauptsatz in der Thermodynamik irreversibler Prozesse . . .
Folgerungen aus dem Ersten und dem Zweiten Hauptsatz und Anwendungen
103 104 107 109
...
118
36. Ausdrücke, die sich durch Kombination der beiden Hauptsätze ergeben 37. Angabe von Gleichungen zur Bestimmung der Inneren Energie und der Entropie eines beliebigen Stoffes 38. Innere Energie und Entropie von (Realen und Idealen) Gasen 39. Bemerkungen über die Zustandsgieichung von Stoffen, deren Innere Energie nur von der Temperatur abhängt 40. Innere Energie und Entropie von Flüssigkeiten und Festkörpern 41. Einige Gesetzmäßigkeiten für die spezifischen Wärmekapazitäten c p und Cy von beliebigen Stoffen 42. Weiteres zum Gay-Lussac- und zum Joule-Thomson-Versuch 43. Temperaturänderung eines Stabes infolge von Dehnung
118
133 136 140
Thermodynamische Potentiale und Gleichgewichtsbedingungen
145
44. 45. 46. 47. 48.
145 150 152 154 156
Die Thermodynamischen Potentiale Eine charakteristische Eigenschaft der Thermodynamischen Potentiale Die Maxwellschen Relationen Die Gibbs-Helmholtzsche Gleichung Gleichgewichtsbedingungen und thermodynamische Stabilität
120 123 127 129
Einiges aus der Thermodynamik mehrvariabler Systeme
163
49. 50. 51. 52. 53.
163 163 166 168
54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63.
Vorbemerkung Der Erste und der Zweite Hauptsatz für mehrvariable Systeme Ein Beispiel für die Nichtexistenz eines integrierenden Faktors für dQ Der Begriff der Phase eines Stoffes Einige Gesetzmäßigkeiten für Mehrstoffsysteme mit Berücksichtigung von Massenveränderlichkeit Das heterogene Einstoffsystem Die Clausius-Clapeyronsche Gleichung Einige Näherungslösungen der Clausius-Clapeyronschen Gleichung Anwendung der Clausius-Clapeyronschen Gleichung auf H2Ο Die „Spezifische Wärme des gesättigten Zustandes" Das Verhalten von gesättigten Dämpfen bei adiabatischen Zustandsänderungen Die Gibbssche Phasenregel Der Tripelpunkt ' Verallgemeinerung einiger Formeln für den Fall, daß η > 2 unabhängige Variable vorliegen Einiges aus der Thermodynamik Deformierbarer fester Körper (Thermoelastizität) . . . .
169 173 176 178 179 183 185 187 190 191 197
Der Dritte Hauptsatz
203
64. Das Nernstsche Wärmetheorem und seine Erweiterung durch Planck 65. Folgerungen aus der durch Planck erweiterten Fassung des Nernstschen Wärmesatzes . . 66. Der Verlauf der Inneren Energie und der Freien Energie in Abhängigkeit der Temperatur Τ in der Nähe von Τ = 0 Κ 67. Die Unerreichbarkeit des Absoluten Temperaturnullpunktes
203 205 209 211
Inhalt
XI
Theorie der Wärmestrahlung
215
68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76.
215 216 218 219 223 224 227 230 234
Die Aufgabe der Strahlungstheorie Historische Bemerkungen Erklärung einiger Begriffe aus der Strahlungstheorie Ein Satz von Kirchhoff Das Stefan-Boltzmannsche Strahlung^esetz Die Entropie der Schwarzen Strahlung Das Rayleigh-Jeanssche Strahlungsgesetz Das Wiensche Strahlungs-(Verschiebungs-) Gesetz Bemerkungen zum Planckschen Strahlungsgesetz
Einführung in die phänomenologische
Thermodynamik
irreversibler Prozesse
. . .
240
(J. U . K e l l e r ) 77. 78. 79. 80. 81.
Allgemeines und Historisches Darlegung von Grundbegriffen Anwendung auf nur zeitabhängige thermodynamische Prozesse Anwendung auf zeit- und ortsabhängige thermodynamische Prozesse Abschließende Bemerkungen und Ausblick
Schrifttum Biographische Notizen Zeittafel Sachwortverzeichnis
240 242 259 277 307 318 321 328 330
Einleitung und Vorbereitendes 0. Liste der in diesem Buch verwendeten Symbole und deren Bedeutung In dieser Schrift werden als Symbole für die in der Thermodynamik auftretenden Größen überwiegend, jedoch nicht ausschließlich, jene Zeichen verwendet, die in dem „DIN-Taschenbuch 22" des Deutschen Normenausschusses (DNA) 1 , in der von der SUN-Kommission aufgestellten Liste „Symbols, Units and Nomenclature in Physics" 2 und deren deutschen Übersetzung 3 angegeben sind. Bedauerlicherweise stimmen die in den drei genannten Schriften enthaltenen Vorschläge zur Verwendung von Symbolen für physikalische Größen und deren teilweise neu eingeführte Bezeichnungsweise nicht gänzlich überein. Wir werden, sofern diesbzgl. Verschiedenheiten vorliegen, jene Symbole und Bezeichnungen verwenden, die bisher überwiegend gebräuchlich waren. Was die schon vor mehr als einem Jahrzehnt vorgeschlagenen neuen Bezeichnungen für verschiedene thermodynamische (und auch andere) Begriffe anbelangt, so ist festzustellen, daß sie in der inzwischen erschienenen Literatur nur in beschränktem Maße verwendet werden. Wir werden sie in der nachstehenden Liste und in den späteren Ausführungen angeben, wobei es wohl zweckmäßig erscheint, auch die bisher traditionell gebräuchlichen Bezeichnungen noch zu nennen.
A 4 Ar
Arbeit chemische Affinität des i-ten Stoffes relative Atommasse (früher: Atomgewicht) Temperaturleitfähigkeit stöchiometrische Koeffizienten
•S"
als Symbol für die Größe
II
Buchstabe
Β
magnetische Induktion
C = mc
Wärmekapazität (= Quotient aus zu- oder abgeführter Wärmemenge und dadurch bedingter Temperaturänderung)
1 2
3
DNA: Normen für Größen und Einheiten. (AEF-Taschenbuch). Berlin, Köln, Frankfurt/M.: Beuth-Vertrieb GmbH 1972. Document U. I. P. 9 (SUN. 6 1 - 4 4 ) 1961. SUN-Kommission = Commision for Symbols, t/nits and Nomenclature, eine Kommission der International Union of Pure and Applied Physics (IUPAP). Svmbole. Einheiten und Nomenklatur in der Physik. Braunschweig: F. Vieweg 1965. (BestellNr. 8200.)
2
Einleitung und Vorbereitendes
Cm Cmp Cmv Q c- —
molare Wärmekapazität (früher: Molwärme) isobare molare Wärmekapazität isochore molare Wärmekapazität
cv
isochore spezifische Wärmekapazität (früher: spezifische Wärme bei konstantem Volumen) isobare spezifische Wärmekapazität (früher: spezifische Wärme bei konstantem Druck) isochore molare Wärmekapazität (früher: Molwärme bei konstantem Volumen) isobare molare Wärmekapazität (früher: Molwärme bei konstantem Druck) Bezeichnung der Temperatureinheit bei Verwendung der Celsius-Skala
c
p
Cmv Qnp C
d d D D df=n°df =(dfy,df2,dfz)
spezifische Wärmekapazität
Symbol dafür, daß der hinter d stehende Ausdruck ein totales Differential ist Symbol dafür, daß der hinter d stehende Ausdruck ein nichttotales Differential ist Diffusionskoeffizient dielektrische Verschiebung Oberflächenelement
Ε Ε e
Gesamtenergie eines Systems elektrische Feldstärke spezifische Gesamtenergie eines Systems
F Ff
Freie Energie (Helmholtz-Funktion) spezifische äußere Kraft auf die i. Komponente eines Mehrstoffsystems spezifische Freie Energie molare Freie Energie
/ Fm G g gi Gm
Freie Enthalpie (Gibbs-Funktion) spezifische Freie Enthalpie spezifische Freie Enthalpie des /-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems molare Freie Energie
Η Η h
Enthalpie magnetische Feldstärke spezifische Enthalpie
0. Liste der in diesem Buch verwendeten Symbole und deren Bedeutung
nach Clausius: die „spezifische Wärme des gesättigten Zustandes" molare Enthalpie Plancksches Wirkungsquantum (manchmal auch als h = 2irh bezeichnet)
Hm fi
Je Λ Ji
elektrische Stromstärke generalisierter thermodynamischer Fluß Diffusionstrom der i. Komponente eines Mehrstoffsystems Wärmestrom ^ Flußdichte der Quantitätsgröße Ε
Jq /e Κ
Bezeichnung der Temperatureinheit bei Verwendung der thermodynamischen Temperaturskala (Kelvin-Temperatur). Bis 5. 7. 1975 Verwendung der Bezeichnungsweise °K zugelassen.
L
Loschmidtsche Zahl = Anzahl der Moleküle in einem Mol eines Stoffes (manchmal als Avogradosche Zahl bezeichnet) Phänomenologische Koeffizienten
Z,ft (oder / Λ ) m rrij Mr rrifk
n°
Gesamtmasse eines Systems Masse des i-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems relative Molekülmasse (früher Molekulargewicht genannt) Masse eines Moleküles der ^.Komponente eines Mehrstoffsystems Normaleneinheitsvektor
η = rr
Anzahl der Mole eines Systems
n(
Anzahl der Mole des i-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems
Ο
Oberfläche eines Körpers
Ρ Pk Ρ = (Peiß)
Druck kritischer Druck dynamischer Spannungstensor
Mr
3
4
Einleitung und Vorbereitendes
Q Qe q
Wärmemenge elektrische Ladung Wärmestromdichte
R r r* r = {x, y, z]
allgemeine Gaskonstante spezifische Phasenumwandlungswärme molare Phasenumwandlungswärme Ortsvektor
S s sf Sm
Entropie spezifische Entropie spezifische Entropie des i-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems molare Entropie
Τ Tk t
thermodynamische oder Kelvin-Temperatur kritische Temperatur Zeit
U u «,·
Innere Energie spezifische innere Energie spezifische Innere Energie des i-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems molare innere Energie
Um V Vm vjf ν v,· ν ν =
ί
(vih vi2 > vi3)
Volumen molares Volumen (früher Molvolumen) molares kritisches Volumen spezifisches Volumen spezifisches Volumen des i-ten Stoffes eines Mehrstoffsystems barizentrische Geschwindigkeit Geschwindigkeit der i. Komponente eines Mehrstoffsystems.
»v
Winkelgeschwindigkeit
Χι f jc,· = η,/ Σ rij /= 1
generalisierte thermodynamische „Kraft" Molenbruch des i-ten Stoffes
Ζ Zk
Gleichgewichtszustand eines Systems Chemisches Symbol der k. Komponente eines Mehrstoffsystems
0. Liste der in diesem Buch verwendeten Symbole und deren Bedeutung
α
Längenausdehnungskoeffizient
β Γ,· 7
Volumenausdehnungskoeffizient Massenproduktionsdichte der /. Komponente eines Mehrstoffsystems Polytropenindex
χi = Pilρ Ε e e = pe
Massenkonzentration des i-ten Stoffes eine Quantitätsgröße spezifischer Wert der Quantitätsgröße Ε Dichte von Ε
η % ην ö κ
Wirkungsgrad Schubviskosität Volumenviskosität Celsius-Temperatur Verhältnis der Wärmekapazitäten c p /c v bzw.
CPICV λ
\· A,· Aft μ = g lρ μ,· ρ pe Pi ο oe φ φ = φ(Γ, t) χ
Wärmeleitfähigkeit auch Symbol für den integrierenden Faktor eines nichttotalen Differentials Reaktionsrate der i. chemischen Reaktion chemische Viskosität des /'. Stoffes chemische Reaktionskonstante spezifisches chemisches Potential spezifisches chemisches Potential des i-ten Bestandteiles eines Mehrstoffsystems Massendichte elektrische Ladungsdichte Massendichte des i-ten Stoffes Konstante im Stefan—Βoltzmannschen Strahlungsgesetz ^ Produktionsdichte von Ε Energiedissipation elektrisches Potential Kompressibilität
5
6
Einleitung und Vorbereitendes
1. Historisches und Einteilung der Theorie der Wärme Die Theorie der Wärme ist jener Teil der Physik, der zur Beschreibung von Naturvorgängen außer den von der Mechanik und der Elektrodynamik entwickelten Begriffen noch die Begriffe Temperatur und Wärme benötigt. Aus der Erfahrung ist jedem der Begriff Wärme bekannt, da der Mensch vermöge eines Sinnes verschiedene „Warmheiten" von Körpern feststellen kann. In einer groben Einteilung wird im täglichen Leben die Verschiedenheit der „Warmheit" von Stoffen, oder — wie man es gelegentlich auch ausdrückt — deren Wärmeinhalt durch die Eigenschaftswörter: kalt, lau, warm, heiß gekennzeichnet. Im Bemühen, anstelle dieser qualitativen Begriffe zur Beschreibung eines Warmheitsgrades eine quantitative Größe einzuführen, wurde um etwa 1500 der Begriff der Temperatur geprägt. Man versuchte ein Instrument zur quantitativen Messung des Wärmeinhaltes eines Körpers, ein Thermometer, herzustellen. Ausgenutzt wurde hierbei die Tatsache, daß sich die Volumina der meisten Körper monoton mit deren Wärmeinhalt ändern. An manchen Stellen in der Literatur1 findet sich die Bemerkung, daß dieses „Prinzip" auf Galilei zurückgehe, der, dieses ausnutzend, einer der ersten gewesen sein soll, welcher ein Thermometer konstruierte. In anderen Artikeln über die Geschichte der Physik2 wird dieses jedoch bestritten. Sicher scheint es aber zu sein, daß sich mit der Konstruktion eines Thermometers Toricelli, v. Guericke u. a. befaßt haben. Ihre Bemühungen waren zwar nicht erfolglos, jedoch unbefriedigend: die Angaben der verschiedenen Thermometer stimmten, bedingt durch die Verwendung verschiedener Stoffe als „Thermometersubstanz" und durch technische Mängel, i. allg. nicht überein. Diese Schwierigkeiten wurden im ersten Viertfei des 18. Jahrhunderts durch Fahrenheit überwunden, der deshalb manchmal als Vater der Thermometrie bezeichnet wird. Die Thermometrie ist eine von einer Reihe anderer (teilweise inzwischen selbständig gewordenen) Disziplinen, die in ihrer Gesamtheit die Theorie der Wärme ausmachen. Nachdem die Thermometrie begründet war, entstand aufgrund von Arbeiten von Fourier als weiteres Teilgebiet die Theorie der Wärmeleitung. Fourier legte seine Überlegungen zu diesem Problemkreis in dem 1822 erschienenen Buch „Theorie analytique de la chaleur" nieder. In diesem Werk wird die Wärmeleitungsgleichung hergeleitet und für eine Reihe von Fällen mit speziell vorgegebenen Randbedingungen gelöst. Hierbei werden erstmalig diejenigen Hilfsmittel verwendet, die heute als Fourier-Reihe und als Fourier-Integral bekannt sind. Das von Fourier angegebene Verfahren zur Lösung einer Randwertaufgabe aus der Wärmeleitungstheorie hat sich auch zur Lösung von Randwertaufgaben anderer Differentialgleichungen der Physik (ζ. B. der Wellengleichung, der Poissonschen oder der Laplaceschen Gleichung) bewährt. Es hat daher W. Thomson (der spätere Lord Kelvin) die „Theorie de la
1 2
ζ. B. bei Voigt, W.: Thermodynamik Bd. 1., G. J. Göschensche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1903. s. etwa Hoppe, E.: Handb. der Physik (Herausgegeben von Geiger und Scheel). Bd. 1, S. 30ff., J. Springer, Berlin 1926.
1. Historisches und Einteilung der Theorie der Wärme
7
chaleur" als ein „Großartiges mathematisches Gedicht" bezeichnet, während Sommerfeld dieses Buch die „Bibel des mathematischen Physikers" nennt. Bei der Aufstellung der Wärmeleitungsgleichung ging Fourier von der damals herrschenden — wie man glaubte, experimentell gesicherten - Annahme aus, daß Wärme ein unzerstörbares „Fluidum" sei („Wärmestofftheorie"). Man beobachtete jedoch mit fortschreitender Zeit eine Anzahl von Erscheinungen, die sich mit der „Wärmestofftheorie" nicht erklären ließen. Es entstand daher die Aufgabe, sich über die Natur der Wärme eine neue Vorstellung zu beschaffen, mit der man weiter kommt, als mit der „Wärmestofftheorie". Es waren wohl zunächst Carnot und Joule, die aufgrund von Ergebnissen einiger von ihnen durchgeführten Versuche der Auffassung zuneigten, daß Wärme äquivalent mit Arbeit ist. Klar hat dieses jedoch erst 1841/42 Mayer ausgesprochen. Nach anfänglicher Ablehnung dieser Ansicht, die sich dann später, wenn auch sehr zögernd, doch durchsetzte, entstand ein weiteres Teilgebiet der Wärmetheorie: die Thermodynamik. Dieses Gebiet versucht, beobachtete Wärmeerscheinungen (Phänomene) o h n e Benutzung von Modellen zu erklären, weshalb man auch häufig von der Phänomenobgischen Thermodynamik spricht. Die von ihr gefundenen Gesetzmäßigkeiten versuchte man für Zwecke des täglichen Lebens auszunutzen, woraus die Technische Thermodynamik entstand. Da man bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts der Meinung war, daß eine physikalische Erscheinung erst dann „richtig" erklärt ist, wenn man sie auf die Mechanik zurückführen kann („Mechanisches Weltbild"), versuchte man auch thermodynamische Erscheinungen „mechanisch" zu erklären, oder — wie man es früher bezeichnete — eine Mechanische Wärmetheorie zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, ging man von der Tatsache des molekularen Aufbaus der Materie aus. Man entwarf hierfür gewisse Modelle und führte verschiedene Betrachtungsweisen durch. Dadurch entstanden einige eigene Teilgebiete, von denen das erste die Kinetische Gastheorie war. Ihre Anfänge (1738) gehen auf D. Bernoulli zurück. Ausgebaut wurde diese Theorie jedoch erst etwa ein Jahrhundert später, insbesondere durch Arbeiten von Krönig, Clausius, Maxwell und Boltzmann. Die Kinetische Gastheorie legt ihren Betrachtungen die Vorstellung zugrunde, daß ein Gas aus einer Vielzahl von gleichartigen Gebilden (Moleküle, Atome) besteht, auf welche die Gesetze der Mechanik angewendet werden können. Es gelang in der Tat aufgrund dieser Vorstellung eine Reihe von makroskopischen Eigenschaften von Gasen quantitativ zu erklären. Man hat dann später ob dieser Erfolge die in der Kinetischen Gastheorie durchgeführten Überlegungen auch auf Flüssigkeiten und Feste Körper übertragen, womit die Kinetische Theorie der Materie entstand. Etwa parallel zur Entwicklung der Kinetischen Gastheorie entstand eine andere Disziplin, die heute (nicht ganz einheitlich) als Statistik schlechthin, als Statistische Mechanik oder auch als Statistische Physik bezeichnet wird. Ihre Anfänge gehen auf Boltzmann und Maxwell zurück. Die von diesen Forschern durchgeführten Betrachtungen wurden später von Gibbs zu der von ihm begründeten Statistischen Mechanik ausgebaut.
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Einleitung und Vorbereitendes
Wir haben noch ein weiteres Teilgebiet der Wärmetheorie zu nennen, das zwar meistens als eigene Disziplin behandelt wird, dennoch aber zum Gesamtbereich der Theorie der Wärme gehört. Es ist die Theorie der Wärmestrahlung. Sie hat die Aufgabe, die Gesetzmäßigkeiten zu ermitteln, denen die Wärmestrahlung unterliegt, oder, wie man es kurz ausdrückt: Strahlungsgesetze aufzustellen. Diese Aufgabe läßt sich, wie man im Laufe der Zeit erkannte, mit den Hilfsmitteln der Klassischen Physik nicht lösen. Nachdem schon einige Strahlungsgesetze bekannt waren, die sich jedoch als nur beschränkt gültig erwiesen, gelang es 1900 Planck, das heute nach ihm benannte Strahlungsgesetz zu finden, welches sich uneingeschränkt bewährt hat. Mit dem Aufstellen seines Gesetzes begründete Planck die Quantentheorie. Schließlich muß noch als jüngster Zweig der Wärmelehre die Thermodynamik irreversibler Prozesse - oder, wie man es manchmal auch nennt, die Thermodynamik von Nichtgleichgewichtszuständen — erwähnt werden. Als ihr Begründer wird meistens Onsager (1931) angesehen, obwohl schon vor ihm, 1854, von W. Thomson (dem späteren Lord Kelvin) irreversible Vorgänge mit thermodynamischen Methoden behandelt wurden. Zu der Entwicklung der - wie sie meistens genannt wird — Linearen Theorie der Thermodynamik irreversibler Prozesse im Anschluß an die Arbeiten von Onsager trugen später u. a. Casimir, Eckart, de Groot, Meixner und Prigogine bei. Außer der Linearen Theorie der irreversiblen Prozesse gibt es eine andere, von Truesdell und seinen Mitarbeitern aufgebaute Theorie, die als Rationale Thermodynamik bezeichnet wird. Schließlich erwähnen wir, daß 1967 von Meixner vorgeschlagen wurde, eine „Entropiefreie" Thermodynamik zu entwickeln.
2. Erinnerung an Differentialformen und den integrierenden Faktor Im Folgenden werden wir es vielfach mit Linearkombinationen von Differentialen, d. h. mit Ausdrücken von der Form
0φ = F,(x,,jc 2 , . . .,xn)dxi η = Σ Ffdxi i=i
+F2(xi,x2,
. . .,xn)dx2
+ .. . + Fn(x:x,x2,..xn)
dxn (2,1) (2,2)
zu tun haben. Hierin bedeuten x j , x2 . . ., xn voneinander unabhängige Variable und Fi, F2, • • Funktionen dieser η Unabhängigen. Der Differentialausdruck (2,2) wird als Pfaffsche Form bezeichnet.
Fn
Es ist bei Betrachtungen, in denen eine Pfaffsche Form auftritt, oft von Wichtigkeit zu wissen, ob diese ein totales (exaktes) oder ein nichttotales (unexaktes) Differential ist. Dies läßt sich anhand von Kriterien entscheiden, die als Integrabilitätsbedingungen bezeichnet werden. Wir nehmen zunächst an, es sei (2,1) ein totales Differential 1 . Diese Größe gibt p. def. den linearen 1
Ein solches bezeichnen wir, wie üblich, mit άφ, während ein nichttotales Differential durch das Symbol 3φ gekennzeichnet werden soll.
9
2. Erinnerung an Differentialformen und den Integrierenden Faktor Anteil der Änderung einer skalaren Funktion φ = φ(Χ\, x2,. . ., xn) an, wenn sich ihre Argumente Χι, X2,..xn voneinander unabhängig um dx\, dx2 dxn ändern. Die Differentialrechnung lehrt, daß dann
η , = Σ £dx dxj i=l i
(2,4)
ist. Ein Vergleich mit (2,1/2) ergibt, wenn dieser Ausdruck ein totales Differential ist, daß dann die η Relationen Fl· /, /' ->· k, k -* i, so erhält man die zwei weiteren Gleichungen
Fk
Fi
3λ 3Xj 9λ dx k
3λ ,d F.- 3 Fk, Fi = \(—L.—*) ' dxk dxk 3Xj Fk
3λ
,3Fl. =λ(— dXf bXg
(2,14)
t>Fi . ?-). dXk
(2,15)
Aus den letzten drei Gleichungen lassen sich der (unbekannte) Multiplikator λ und seine Ableitungen eliminieren. Dies gelingt, indem man diese Gleichungen mit Fk, F,·, Fj multipliziert und danach addiert. Das ergibt, nach einer geringfügigen Umstellung der einzelnen Summanden und Vornahme eines Vorzeichenwechsels die Relation fdFic Fi(— K ' dXj
3Fi ^ , dFi l ) + F i ( — J K bXk ' hXk
dFk\ 3 Xi
+
/üF; 3Xj
3Fi dXj
s
) = 0.
„ . (2,1
*
·
Diese Gleichung wird in der Literatur vielfach mit Verwendung der Schreibweise der symbolischen Vektorrechnung in anderer Weise dargestellt. Hierzu wird ein Vektor Α eingeführt, dessen Komponenten die nachstehend in der geschweiften Klammer angegebenen Größen sind: A = {Ä!=
F
u
A2=F2,A3=F3]
.
(2,20)
Aus>1 erhält man nach den Regeln der symbolischen Vektorrechnung 1 den neuen Vektor Β = rot A
(2,21)
mit den Komponenten Β = rot A = { f i , = r o t ! A = - - — , . . . [ l
dx2
/
3 F3
dF2
^
dx2
dx3
dx3
)
\
= {5! = - ^ - - ^ , . . . / .
(2,22)
(2,23)
'
Bildet man nun im Sinne der symbolischen Vektorrechnung das skalare Produkt (= Überschiebung) der beiden Vektoren Α und B, so erhält man A
B =A
rotA=A1Bl
+ A2B2
+A3B3
.
(2,24)
Drückt man in dieser Gleichung die Komponenten von .4 und Β gemäß (2,20) und (2,23) durch U F 2 , F 3 aus, so ergibt sich
F
Χ-rot/1
v3x2
-—)+... dx3
.
(2,25)
Die zwei durch Punkte angedeuteten Glieder ergeben sich aus dem ersten Glied durch zyklische Vertauschung der Indizes 1, 2, 3. Schreibt man dies aus und vergleicht das sich dann ergebende Resultat mit der Integrabilitätsbedingung (2,19), so sieht man, daß diese in der symbolischen Form A · rot >4 = 0
(2,26)
geschrieben werden kann. Diese Schreibweise für die Integrabilitätsbedingung für eine Pfaffsche Form ist nur möglich, wenn sie vom Grade n = 3 ist. Ist n > 3, so lassen sich die dann zu erfüllenden/? > 1 Integrabilitätsbedingungen (2,16) ebenfalls in anderer Form ausdrücken. Man erhält eine solche von ihr, indem die Hilfsgrößen
1
s. hierzu etwa Kap. 5 in Bd. I dieses Werkes, 7. Auflage, 1970.
2. Erinnerung an Differentialformen und den Integrierenden Faktor 1
(bFi
d F
'\
13 ,Ί-νη
eingeführt werden. Mit ihnen geht (2,16), wenn dieser Ausdruck durch F i F j F k dividiert wird, über in Pij + Pjk + Pki = 0. (2,28) Wir geben zum Abschluß dieses Kapitels noch einen allgemeinen Satz über die Existenz eines integrierenden Faktors an, der von Caratheodory stammt und auf den später Bezug genommen werden wird. Um zu diesem Satz zu gelangen, gehen wir von dem Ausdruck 3φ = 0
(2,29)
aus, der als Pfaffsehe (manchmal auch als totale) Differentialgleichung bezeichnet wird. Existiert für 3φ ein integrierender Faktor λ, so erhält man aus (2,29) die gewöhnliche lineare Differentialgleichung λ3ψ = ά φ = 0 . (2,30) Ihre (sog. eigentliche) Lösung lautet φ(χι, x2,..
.,xn)
= c (= const).
(2,31)
Durch sie wird im n-dimensionalen Raum eine Schar von Hyperflächen beschrieben. Wir betrachten eine von ihnen, etwa , x2, • •
xn) = cι (= const).
(2,32)
Faßt man auf dieser „Lösungsfläche" einen beliebigen Punkt P i ( c j ) ins Auge, so kann man von ihm aus zu jedem anderen in der Fläche ψ = c j liegenden Punkt P 2 ( c i ) , ^ ( c j ) , . . . auf einem beliebigen Wege gelangen, der in der Fläche ψ = Cj liegt und daher der Bedingung (2,30) genügt. Wir betrachten nun neben ψ = c ι eine ihr benachbarte Lösungsfläche:
14
Einleitung und Vorbereitendes
Ist nun P(c2) ein auf ihr liegender Punkt, so kann man von einem auf der Fläche ψ = cι liegenden Punkt P(Ci) nach P(c2) niemals auf einen Weg gelangen, der (2,30) genügt, weil man dann die Fläche ψ = c ι verlassen muß, daher also 0
(2,34)
ist. Dies ist geometrisch evident und für den Fall η = 3 in Abb. 2,3 dargestellt. Es hat nun Caratheodory den Satz bewiesen: Für ein nichttotales Differential 3ψ existiert dann ein integrierender Faktor, wenn es „Lösungspunkte" Ρ von (2,30) gibt, in deren Umgebung andere Punkte liegen, die man von Ρ aus nicht auf Wegen erreichen kann, die der Pfaffschen Differentialgleichung δφ = 0 genügen. Diese Aussage wird häufig als Unerreichbarkeitsprinzip bezeichnet.
3. Der Begriff des Systems Wir werden in den folgenden Ausführungen vielfach den Begriff System gebrauchen und haben daher anzugeben, was damit gemeint ist. Als System bezeichnet man eine Anzahl von Objekten, die als Gesamtheit betrachtet werden müssen, wenn gewisse ihrer physikalischen Eigenschaften untersucht werden sollen. Der einfachste Fall eines Systems liegt vor, wenn es aus nur einem (festen, flüssigen oder gasförmigen) homogenen und isotropen Körper besteht. In diesem Fall spricht man von einem homogenen System. Das Gegenteil ist das heterogene (inhomogene) System, welches aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt ist, die ungleiche physikalische Eigenschaften besitzen und auch in chemischer Hinsicht ungleich sein können. Zu einer weiteren Unterteilung der Systeme gelangt man, indem man als Charakteristikum die Wechselwirkung des Systems mit seiner Umgebung verwendet. Hat das System eine solche Begrenzung (Wand), die einen Energie- und Massenaustausch mit der Umgebung verhindert, so spricht man von einem abgeschlossenen System („Kasten"). Einen Sonderfall stellt das adiabatisch isolierte System dar, welches an seine Umgebung weder Wärme abgeben noch aus jener Wärme aufnehmen kann. Ist das System so geartet, daß es mit seiner Umgebung zwar keine Masse, wohl aber Energie austauschen kann, so liegt ein geschlossenes System vor. Weiterhin nennt man ein System, das mit seiner Umgebung sowohl Masse als auch Energie austauschen kann, ein offenes System. Ändern sich innerhalb eines Systems die dieses beschreibenden physikalischen Größen (ζ. B. Temperatur, Druck) örtlich in stetiger Weise, so spricht man von einem kontinuierlichen System. Unterliegt ein System nur der Einwirkung von Potentialkräften, so nennt man es ein konservatives System. Für ein solches gilt der Energieerhaltungssatz der Mechanik in der formelmäßigen Darstellung Ε = •ß'kin + £pot = const. Hierbei bedeutet Ε die Gesamtenergie des Systems, £kin dessen kinetische und Epot seine potentielle Energie. Wirken auf ein System auch Nichtpotentialkräfte (ζ. B. Reibungskräfte), so gilt die vorstehend angegebene Form des Energiesatzes der Mechanik nicht mehr und man spricht dann von einem dissipativen System. Gemeint ist damit, daß irgendeine Energieform des Systems durch äußere Einflüsse (eben ζ. B. durch Reibungskräfte) oder durch besondere seiner
4. Zustandsgrößen und der Begriff der Zustandsgieichung
15
Eigenschaften (Ohmscher Widerstand eines elektrischen Leiters) in Wärme umgewandelt werden. Diese Umwandlung, die bei jedem sich natürlich abspielenden physikalischen Vorgang unvermeidlich auftritt, nennt man Energiedissipation. In der Wärmelehre spielt der Begriff des thermodynamischen Systems eine große Rolle. Damit meint man, zunächst in vereinfachender Form ausgedrückt, ein beliebiges System, zu dessen Beschreibung eines Zustandes, in dem es sich befindet, es der Angabe der Temperaturen der einzelnen Systemteile bedarf. Diese Kennzeichnung eines thermodynamischen Systems im allgemeinen Sinn ist aber zu eng: es wird zugelassen, daß bei einer Veränderung eines solchen Systems ein Austausch von Wärme, Arbeit und Masse zwischen den einzelnen Teilen des Systems und auch seiner Umgebung stattfinden kann, aber nicht unbedingt stattfinden muß. Man kann geradezu thermodynamische Systeme als solche Systeme definieren, die mit ihrer Umgebung nur dadurch in Wechselwirkung stehen, daß sie mechanische oder/ und elektrische Arbeit, Wärme und Masse austauschen. Diese auf W. Schottky zurückgehende Definition eines thermodynamischen Systems hat gegenüber anderen den Vorzug, keine Begriffe zu enthalten, die streng genommen nur in Gleichgewichtssituationen erklärt sind, wie etwa der Temperaturbegriff. Sie kann daher auch bei der Untersuchung von Nichtgleichgewichtserscheinungen verwendet werden. Tatsächlich ist sie für die klassische Thermodynamik1 der irreversiblen Prozesse von grundlegender Bedeutung. Werden bei einer Systemveränderung nicht gleichzeitig Arbeit, Wärme und Masse ausgetauscht, so hat man es mit Sonderfällen von thermodynamischen Systemen zu tun, die vorstehend angegeben worden sind.
4. Zustandsgrößen und der Begriff der Zustandsgieichung Es sei Α ein System, dessen thermodynamisches Verhalten untersucht werden soll. Hierzu bedarf es zunächst einer Abgrenzung von Α gegenüber seiner Umgebung, die einen „äußeren Einfluß" auf Α ausüben kann, der ggf. bei einer durchzuführenden thermodynamischen Betrachtung zu beachten ist („äußere Bedingungen"). Die zur Beschreibung der Umgebung von ,4 benötigten Größen werden als äußere Parameter des Systems bezeichnet. Ist das betrachtete System etwa ein in einem Gefäß eingeschlossenes Gas, so gehören zu den äußeren Parametern u. a. jene Größen, die die Form des Gefäßes und dessen Lage, ζ. B. im Schwerefeld der Erde oder in einem elektromagnetischen Feld, beschreiben. Da die Erdbeschleunigung £ auf das System „von außen" einwirkt, welcher Einfluß in manchen Fällen berücksichtigt werden muß (wie ζ. B. bei der Herleitung der barometrischen Höhenformel), ist£ ein Beispiel für einen äußeren Parameter. Der Zustand eines betrachteten Systems wird durch Größen beschrieben, die man innere Parameter nennt.
16
Einleitung und Vorbereitendes
Die Gesamtheit der Parameter, die man benötigt, um das physikalische Verhalten eines Systems zu beschreiben, nennt man dessen Zustandsgrößen. Da sich diese unter der Einwirkung äußerer Einflüsse i. allg. ändern, spricht man auch von Zustandsvariablen und sagt, wenn sich eine oder mehrere von ihnen geändert haben, das System hat eine Zustandsänderung erfahren. Der Zustand eines Systems läßt sich als Punkt in einem Zustandsdiagramm darstellen. Gemeint ist hiermit ein Koordinatensystem in einem Raum, dessen Dimensionszahl η gleich der Anzahl der zur Beschreibung des Verhaltens eines Systems erforderlichen Zustandsvariablen ist. Nehmen wir — aus Gründen der Anschaulichkeit — an, es sei η = 3 und die drei Zustandsvariablen heißen Χ\,Χ2,Χζ, dann ist das Zustandsdiagramm ein dreidimensionales Koordinatensystem, so wie es in der räumlichen Analytischen Geometrie verwendet wird. Längs der Achsen dieses Systems werden die Einheiten der drei Variablen χ ι , χ 2, aufgetragen und jeder Punkt in diesem Bezugssystem stellt einen bestimmten Zustand eines Systems dar. Als Zustandsgröße kann man nicht jede beliebige Größe wählen. Dies ergibt sich aus der folgenden Betrachtung: man denke sich einmal ein System aus einem ersten Zustand Z 1 („Anfangszustand") durch irgendeine Veränderung (Prozeß) in einen anderen Zustand Z 2 („Endzustand") gebracht. Dann möge ein zweites Mal das System durch eine andere Prozeßführung (auf „anderem Wege") wiederum aus dem Zustand Z j in den Zustand Z 2 gebracht werden. Um diesen eindeutig zu beschreiben, kann man nur solche Größen verwenden, die unabhängig davon sind, auf „welchem Weg" der Übergang Zx -> Z 2 erfolgte. Dies verlangt, daß zur Beschreibung des Zustandes eines Systems nur solche Größen gewählt werden können, deren Änderungen nicht von der Art der Prozeßführung abhängen. Mathematisch ausgedrückt heißt dies, daß das Differential dG einer Zustandsgröße G ein vollständiges Differential ist, Kap. 2. Man unterteilt die Zustandsgrößen in zwei Klassen. Denkt man sich ein im Gleichgewicht befindliches abgeschlossenes System in mehrere Teile zerlegt, ohne daß dabei irgendwelche äußeren Einflüsse auf das System einwirken, so werden sich gewisse Zustandsgrößen nicht ändern, d. h. sie sind volumenunabhängig. Solche Größen bezeichnet man als Intensitäts- oder intensive Größen. (Beispiel: die einheitliche Temperatur Τ eines Systems.) Dagegen bezeichnet man Größen, die sich bei einer Aufspaltung eines Systems in Teilsysteme ändern, als Quantitäts- oder extensive Größen. (Beispiel: das Volumen V eines Systems). Eine Bemerkung zu einer anderen Erklärung von Intensitäts- bzw. Quantitätsgrößen im Anschluß an Sommerfeld: Eine Intensitätsgröße ist eine solche, durch welche die Antwort auf die Frage: „Wie stark?" gegeben wird. Dagegen ist eine Quantitätsgröße eine solche, die man benötigt, um auf die Frage: „Wie viel?" zu antworten.
Oftmals ist es zweckmäßig, nicht mit einer Quantitätsgröße — sie möge mit Γ bezeichnet werden — zu rechnen, sondern diese auf die Volumeneinheit des Systems zu beziehen
17
4. Zustandsgrößen und der Begriff der Zustandsgieichung
Dadurch erhält man die neue Größe 7 = Γ/Κ,
(4,1)
die man als die Dichte von Γ bezeichnet. Das bekannteste Beispiel einer Dichte ist wohl das „spezifische Gewicht" ρ eines Körpers von der Masse m (= Quantitätsgröße), die das Volumen Κ einnimmt. Nach (4,1) ist
Ρ = m/V.
(4,2)
Die Bezeichnung „spezifisches Gewicht" für ρ war lange Zeit gebräuchlich, ist jedoch inzwischen durch den Begriff Massendichte ersetzt worden, wofür man meistens Dichte schlechthin sagt.
Neben der Dichte y einer Quantitätsgröße Γ verwendet man auch oft den Begriff ihrer spezifischen Größe 7. Sie wird - im Gegensatz zur Dichte — nicht auf die Volumeneinheit, sondern auf die Masseneinheit bezogen. Es gilt daher die Beziehung 7 = T/m,
(4,3)
wobei m die Gesamtmasse des Körpers (Systems) bedeutet. Als Beispiel einer spezifischen Größe nennen wir das spezifische Volumen ν eines mit der Masse m ausgefüllten Volumens V. Man erhält nach (4,3) für ν = V/m = 1/p,
(4,4)
eine Beziehung, die wir späterhin noch mehrfach verwenden werden.
Zwischen der Dichte 7 einer Quantitätsgröße Γ und ihrer spezifischen Größe 7 besteht ein Zusammenhang, der sich unmittelbar aus (4,1/3) ergibt. Danach ist Γ = yV = ym,
(4,5)
woraus folgt y
m
f = K
1 = p =
,. .. (4
v·
'6)
Man hat also die Relationen
7 = P7
bzw.
7 = νγ.
(4,7)
Es mag noch eine Bemerkung zur verwendeten Symbolik für die spezifische Größe bzw. die Dichte einer Quantitätsgröße gemacht werden. Eine solche wird i. allg. mit einem großen Buchstaben bezeichnet, so ζ. B. das Volumen mit V, die elektromagnetische Energie mit t/(s. Abschnitt „Wärmestrahlung") usw. Man bezeichnet nun die Dichten von Quantitätsgrößen mit den entsprechenden kleinen Buchstaben. Ebenfalls wählt man kleine Buchstaben für die spezifische Größe einer Quantitätsgröße, jedoch müssen jene, um eine Verwechslung mit einer Dichte auszuschalten, mit einem Zeichen versehen werden. Wir haben dies vorstehend durch Verwendung eines „Daches" getan. Nun kommt es nicht vor, daß bei einer Betrachtung die Dichten und spezifischen Größen von Quantitätsgrößen nebeneinander auftreten. Dies hat zu der vereinfachenden Schreibweise gefuhrt, daß man als Symbol für beide dieser Begriffe den gleichen kleinen Buchstaben verwendet, ohne sie durch ein besonderes Zeichen zu unterscheiden. Man begnügt sich damit zu bemerken, daß die
18
Einleitung und Vorbereitendes
bei Beginn einer Überlegung eingeführten kleinen Buchstaben durchgehend entweder Dichten oder spezifische Größen von Quantitätsgrößen sind, womit Verwechslungen ausgeschaltet werden. Aus diesem Grund haben wir das spezifische Volumen in (4,4) nicht - wie es konsequent gewesen wäre - mit v, sondern mit ν bezeichnet, welches Symbol für diesen Begriff allgemein gebräuchlich ist. -
Die zur Beschreibung des Zustands eines Systems erforderlichen Zustandsgrößen G0, Gl, G2,..., von denen in der Thermodynamik eine die Temperatur, etwa G0 = T, ist, sind nicht voneinander unabhängig. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, daß i. allg. die Änderung von nur einer Zustandsgröße auch eine Änderung der anderen Zustandsgrößen zur Folge hat. Es besteht also zwischen den Zustandsgrößen eine Verknüpfung, die in implizierter Form geschrieben 2 voneinander unabhängige Zustandsgrößen, so soll künftig (ebenfalls auf Voigt zurückgehend) von einem mehrvariablen System gesprochen werden. Gelegentlich spricht man auch von einer zweivariablen (oder auch „eingeschränkten") bzw. von einer mehrvariablen Thermodynamik. Die vorstehend genannten, von Voigt eingeführten Begriffe haben in der Literatur keinen Eingang gefunden und sind daher heute kaum geläufig. Wir wollen aber in den folgenden Ausführungen die Voigtschen Bezeichnungen dennoch verwenden, weil sie besonders prägnant formuliert sind und daher nicht in Vergessenheit geraten, sondern benutzt werden sollten.
5. Thermodynamische Prozesse Wir haben im vorstehenden Kapitel den Begriff Zustandsänderung eingeführt, womit gemeint ist, daß sich die einen Gleichgewichtszustand eines Systems charakterisierenden Größen (die Zustandsgrößen) infolge irgendwelcher Einflüsse zeitlich ändern. Man sagt dann dafür kurz: in dem System spielt sich ein Prozeß (Vorgang) ab. Nun verläuft jeder physikalische Vorgang stets mit endlicher Geschwindigkeit. In der Thermodynamik versteht man aber unter dem Ablauf eines Prozesses eine solche Zustandsänderung eines Systems, die „unendlich langsam" vor sich geht. Selbstverständlich gibt es in der Natur keine sich „unendlich langsam" abspielenden Vorgänge. Wenn aber die Thermodynamik dennoch ihren Betrachtungen eine beliebig langsam (in der Grenze: unendlich langsam) verlaufende Änderung eines Systems zugrunde legt, so geschieht das deshalb, weil aufgrund dieser Vorstellung angenommen werden kann, daß sich das seinen Zustand verändernde System zu jeder Zeit im Gleichgewicht befindet. Dieses muß die Thermodynamik verlangen, damit sie die von ihr aufgestellten — eben nur für das Gleichgewicht eines Systems gültigen — Zustandsgieichungen anwenden kann. Man nennt eine sich mit beliebig geringer Geschwindigkeit abspielende Zustandsänderung einen quasistatischen Prozeß.
20
Einleitung und Vorbereitendes
Wir werden im folgenden noch drei weitere Arten von „Prozeßführungen" benötigen: Läßt sich eine Zustandsänderung Z j Z 2 irgendwie so rückgängig machen (Z 2 daß nach dem Erreichen des Anfangszustandes Ζ λ in der Natur keine Änderungen zu beobachten sind, dann nennt man den Vorgang einen reversiblen Prozeß. Für den Fall, daß eine ZustandsänderungZj -*Z 2 zwar rückgängig gemacht werden kann (Z 2 -*• Zx) dann aber, wenn Zx wieder erreicht ist, sich in der Natur irgendwelche Änderungen feststellen lassen, so spricht man von einem irreversiblen Prozeß. Ob die in der Natur sich abspielenden Vorgänge reversibel oder irreversibel sind, läßt sich a priori nicht sagen, sondern muß durch die Erfahrung entschieden werden. Diese erwies, da& jeder physikalische Vorgang irreversibel ist. Wird ein System einer Folge von Änderungen unterworfen und gelangt das System, wenn die Folge der vorgenommenen Veränderungen beendet ist, wieder in seinen Anfangszustand zurück, so sagt man, der betrachtete Körper habe einen Kreisprozeß durchlaufen. Dieser Begriff, der in der Thermodynamik eine tragende Rolle spielt, wurde 1824 von Carnot geprägt, der als erster einen speziellen Kreisprozeß betrachtete, welcher heute nach ihm benannt wird, Kap. 28.
6. Die Aufgabe der Thermodynamik Der Thermodynamik obliegt die Aufgabe, Zustände eines beliebigen Systems und Vorgänge (Zustandsänderungen), die sich in diesen abspielen können, zu beschreiben, wenn das System mechanischen, elektrischen,... und thermischen Einwirkungen unterliegt. Zu dieser Beschreibung bedarf es der Verwendung von Begriffen aus der Mechanik, Elektrodynamik,. . z u denen als neue Größe die Temperatur Γ hinzukommt. Die Erfahrung hat nämlich erwiesen, daß sich bei einer Änderung von Τ die mechanischen, elektrischen u. a. Eigenschaften eines Systems ändern und umgekehrt: eine Änderung von mechanischen, elektrischen und anderen Größen, die zur Kennzeichnung des Zustands eines Systems erforderlich sind, haben i. allg. auch eine Änderung der Temperatur des Systems zur Folge. Um ihre Aufgabe zu erfüllen, hat die Thermodynamik die Gesamtheit der von ihr zu beschreibenden Erscheinungen zu klassifizieren und möglichst wenige Grundgesetze aufzustellen, mit denen man möglichst viele in den Bereich der Thermodynamik gehörende Erscheinungen in „einfacher Weise" beschreiben kann. Um dieses zu erreichen, Schloß man anfangs allein an Erfahrungstatsachen an. Dadurch entwickelte sich jenes Teilgebiet der Physik, das heute als Phänomenologische Thermodynamik, vielfach auch als Klassische Thermodynamik, bezeichnet wird. Diese Disziplin setzte es sich zur Aufgabe, nur jene Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, die für Systeme gelten, welche sich im thermodynamischen Gleichgewicht befinden. Damit ist ein Zustand eines Systems gemeint, der dadurch gekennzeichnet ist,
6. Die Aufgabe der Thermodynamik
21
daß sich keine der zu seiner Beschreibung erforderlichen Größen zeitlich ändert, d. h. daß diese zeitunabhängig sind. Es tritt daher in keiner Gleichung der Klassischen Phänomenologischen Thermodynamik die Zeit t auf, weswegen es konsequent wäre, die Bezeichnung Thermodynamik durch Thermostatik zu ersetzen. Diese schon vor Jahrzehnten in Vorschlag gebrachte Bezeichnung wird zwar heute schon vielfach, aber noch nicht durchgehend verwendet. Oftmals wird anstelle von Thermostatik das Wort Gleichgewichts-Thermodynamik verwendet. Die Thermostatik beschränkt ihre Betrachtungen nicht allein auf die Beschreibung einzelner Gleichgewichtszustände von Systemen, sondern untersucht auch den Ablauf von Vorgängen, die sich in einem System abspielen können. Allerdings geschieht dies (gemäß der Konzeption der Thermostatik) wieder mit Verwendung von idealisierten Begriffen: es wird vorausgesetzt, daß ein sich abspielender Prozeß quasistatisch verläuft und reversibel ist (Kap. 5), so daß das betrachtete System als sich stets im Gleichgewicht befindlich angesehen wird. Man kann daher auch sagen, daß die Behandlung von Zustandsänderungen eines Systems im Sinne der Thermostatik die Betrachtung einer Folge von benachbarten Gleichgewichtszuständen des ins Auge gefaßten Systems ist. Trotz dieser sehr einschränkenden Voraussetzung, die die Klassische Thermodynamik ihren Betrachtungen zugrunde legt, vermag sie dennoch eine Vielzahl von mit der Erfahrung gut übereinstimmenden Aussagen zu machen. Indessen ist - eben wegen der in Strenge nie erfüllten Voraussetzung — die Leistungsfähigkeit der Thermostatik naturgemäß begrenzt. Nachdem ihre Entwicklung zu einem gewissen Abschluß gebracht war, entstand die Aufgabe, die Gleichgewichts-Thermodynamik zu erweitern, indem deren einschränkende Voraussetzung fallen gelassen wird. Diese Aufgabe ist inzwischen weitgehend durch die Begründung und Entwicklung einer Nichtgleichgewichts-Thermodynamik erledigt worden. Dieses Gebiet wird heute überweigend als Thermodynamik irreversibler Prozesse oder als Thermodynamik der Vorgänge bezeichnet. Mit Hilfe der von ihr aufgestellten Gesetzmäßigkeiten vermag die Nichtgleichgewichts-Thermodynamik quantitative Aussagen über den Ablauf von Vorgängen in einem System zu machen, was die Gleichgewichts-Thermodynamik nur in eingeschränktem Maße oder auch manchmal gar nicht kann. Wir werden nachstehend zunächst die von der Gleichgewichts-Thermodynamik aufgestellten Grundgesetze, die als Hauptsätze bezeichnet werden, behandeln, was den überweigenden Teil dieses Buches ausfüllen wird. In einem abschließenden Abschnitt sollen dann die Grundtatsachen der Thermodynamik irreversibler Prozesse dargelegt werden.
Der Nullte Hauptsatz 7. Formulierung des Nullten Hauptsatzes Die Erfahrung führte zu der Erkenntnis, daß es gewisse Fixpunkte der Temperatur gibt, bei denen sich — unter sonst gleichen Umständen — bestimmte Vorgänge stets wiederholen. Die bekanntesten Fixpunkte sind der Schmelzpunkt von Eis (auch Eis- oder Gefrierpunkt genannt) und der Temperaturpunkt, in welchem Wasser verdampft (Siede- oder Kochpunkt). Aus diesen und anderen Beobachtungen, ζ. B. stets gleiche Änderung des Gefrierpunktes bei bestimmten Kältemischungen, folgerte man, daß die Temperatur eine Zustandsgröße ist, d. h., die Temperatur eines Systems in irgendeinem Zustand ist unabhängig davon, wie das System in den betrachteten Zustand gebracht wurde. Man sagt dafür auch häufig: die jeweilige Temperatur eines Systems ist unabhängig von dessen Vorgeschichte oder auch „unabhängig vom Weg". Die Erfahrung hat weiterhin gelehrt: werden zwei verschieden temperierte Körper (Systeme) A χ und A2 in Kontakt gebracht, so tritt eine Temperaturänderung in Α χ und A 2 auf. Die Temperatur des anfangs wärmeren Systems, etwa Α χ, nimmt ab, während die Temperatur vonA2 größer wird. Nach einiger Zeit hört der Temperaturausgleich auf: die Temperaturen von Α χ und A 2 sind dann gleich. Man sagt in diesem Fall, die beiden Systeme .4 χ und befinden sich im thermischen Gleichgewicht (auch Wärmegleichgewicht genannt). Damit dieser Begriff in sinnvoller Weise verwendet werden kann, muß folgendes erfüllt sein: befinden sich Α χ und A 2 im thermischen Gleichgewicht und ist dies ebenfalls für A 2 und ein drittes System A 3 der Fall, so müssen auch/ΐχ und^4 3 im thermischen Gleichgewicht sein. Anders ausgedrückt: es muß dann in den drei Systemen und ebenfalls in jedem Teil von ihnen die gleiche Temperatur herrschen. Dies wird durch das Experiment bestätigt und als Transitivität der Temperatur bezeichnet. Die vorstehend angegebenen Erfahrungstatsachen führten zur Aufstellung des folgenden Satzes: Die Temperatur ist eine Zustandsgröße. Durch die Gleichheit der Temperatur zweier Systeme wird deren thermisches Gleichgewicht definiert, für welches das Gesetz der Transitivität gilt. Diese Aussage wird nach einem Vorschlag von Fowler heute vielfach als Nullt er Hauptsatz bezeichnet. Dieser Begriff wird in der Literatur jedoch nicht immer erwähnt. Die Bezeichnung „Nullter" Hauptsatz mag vielleicht zunächst etwas überraschen. Sie wird aber aus der folgenden historischen Bemerkung verständlich. Man hatte bereits im vorigen Jahrhundert zwei Gesetze gefunden, die man als Ersten und Zweiten Hauptsatz bezeichnete, auf denen die Klassische Thermodynamik basiert. Anfang dieses Jahrhunderts wurde von Nernst ein neuer Wärmesatz ausgesprochen, der nach einer Erweiterung durch Planck heute als Dritter Hauptsatz bezeich-
8. Bemerkung zum Begriff der empirischen Temperatur
23
net wird. Erst etwa 30 Jahre später wurde dann von Fowler der Vorschlag gemacht, die Erfahrungstatsache, daß die Temperatur eine Zustandsgröße ist, ebenfalls als Hauptsatz zu bezeichnen und diesen an die Spitze der drei vorstehend genannten Hauptsätze zu stellen und prägte in diesem Zusammenhang, weil die drei ersten Nummerierungen bereits vergeben waren, den Begriff des Nullten Hauptsatzes.
8. Bemerkung zum Begriff der empirischen Temperatur Wir haben in Kap. 6 den Begriff des thermodynamischen Gleichgewichts eines Systems eingeführt. Dieses ist als jener Zustand eines Systems definiert, der dadurch gekennzeichnet ist, daß kein Parameter, der zur Beschreibung des Zustandes des Systems verwendet werden muß, sich zeitlich ändert. In analoger Weise wird das thermodynamische Gleichgewicht zwischen zwei miteinander in Kontakt stehender Systeme A \ und Α·χ definiert: es darf sich im Gleichgewichtszustand des Gesamtsystems (symbolisch: Α ι + Α ι ) keine seiner Zustandsgrößen ändern, auch dann nicht, wenn der Zusammenhang zwischen Α ι und A 2 unterbrochen wird. Für das thermodynamische Gleichgewicht gilt erfahrungsgemäß ebenso wie für das thermische Gleichgewicht das Gesetz der Transitivität: sind zwei Systeme A \ und A i miteinander im Gleichgewicht und herrscht zwischen A2 und einem dritten System A3 ebenfalls Gleichgewicht, so besteht dieses auch zwischen den Systemen A1 und A3. Aus der Eigenschaft der Transitivität des thermodynamischen Gleichgewichts kann man eine Aussage folgern, die gelegentlich als Theorem der Existenz der Temperatur bezeichnet wird. Um dieses anzugeben, gehen wir von einem einfachen, leicht zu verallgemeinernden Fall aus. Wir betrachten drei miteinander im thermodynamischen Gleichgewicht stehende Systeme Α1, A2, A3. Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß es sich um „zweivariable" Systeme handelt, d. h. um Systeme, deren Zustände durch nur zwei voneinander unabhängige Zustandsgrößen vollständig beschrieben werden können. Wir wählen als solche den Druck ρ und das Volumen V des jeweils betrachteten Systems. Die Erfahrung hat nun erwiesen, daß thermodynamisches Gleichgewicht zwischen den Systemen A1 und A2 nicht für beliebige Drucke und beliebige Volumina eintritt, sondern nur dann, wenn zwischen diesen Zustandsgrößen der beiden Systeme eine Verknüpfung besteht, die in impliziter Form geschrieben FniPi,
Vltp2,
V2) = 0
(8,1)
lautet. Hierbei bedeuten ρ ι , Vi Druck und Volumen des Systems Ai u n d p 2 , V2 die entsprechenden Zustandsparameter des Systems A2· Da nun auch zwischen den Systemen A2 und A 3 thermodynamisches Gleichgewicht herrschen soll, muß neben (8,1) die zu ihr analoge Gleichung F23(P2,
V2,P3,
K3) = 0
(8,2)
gelten. Weil nun aufgrund der Transitivität des thermodynamischen Gleichgewichts auch Α1 und A 3 im Gleichgewicht sind, gilt noch weiterhin die Gleichung ^13(Pl, Vi, ρ 3 , K 3 ) = 0.
(8,3)
Löst man (8,1) und (8,2) nach p2 auf, so erhält man einerseits P2
=
fi2(P11
Vi,
V2)
(8,4)
24
Der Nullte Hauptsatz
und andererseits P2 =/23(P3. Vy, V2).
(8,5)
Aus den beiden letzten Ausdrücken folgt f\2(ρι»
vlt
V2) = f23(p3,
V3, V2) •
(8,6)
Diese Gleichung muß für jeden Wert von V2 gelten. Bildet man von (8,6) den Logarithmus und differenziert dann nach V2, so erhält man
— dV2
I n / 1 2 = — l n / 2233 dV2
(8,7)
oder -^-(ln/ a v2
1 2
-ln/
2 3
) = - ^ l n ^ = 0. 9 v2 j23
Diese Gleichung sagt aus, daß In f\2if23 also fniPx·
Vu
V2)
und daher auch f\2lf23
0(Pi, Vlt p3,
/23(P3, V3. V2)
(8,8) von V2 unabhängig sind. Es ist
(8,9)
V3).
Da bei der Quotientenbildung die V2-Abhängigkeit herausfällt, muß diese bei/ 1 2 und f23 die gleiche sein und als gesonderter Faktor auftreten, d. h. es müssen die beiden Funktionen von der Form fn(Pi,Vi.
)
=
Ψι(Ρι·
/23θ»3. Vi. V2) = φ2(ρ3,
Vi)HV2)
(8,10)
V3) ψ(Κ 2 )
(8,11)
sein. Aufgrund von (8,6) folgt hieraus * ι ( Ρ ι , νθ = φ3(ρ3,
V3).
(8,12)
Man kann nun die gleiche Betrachtung mit Verwendung von (8,1) und (8,3) durchführen, indem man diese Gleichungen nach P i auflöst und dann nach Vt differenziert. Dann liefert die vorstehend angegebene Überlegung die weitere Gleichung Ψ2(Ρ2, ν2) = φ3(ρ3,
V3).
(8,13)
Mit ihr erhält man in Verbindung mit (8,12) die Doppelgleichung φανι,ρι)
= φ2(ν2,ρ2)
= ψ3(ν3,ρ3)=Τ.
(8,14)
Die den drei sich im thermodynamischen Gleichgewicht befindenden Systemen Αχ, A 2 , A 3 gemeinsame Größe Τ bezeichnet man als deren „empirische" Temperatur und es ist (8,14) der formelmäßige Ausdruck für das eingangs erwähnte sogenannte „Theorem der Existenz der Temperatur".
9. Vorläufiges zur Temperaturmessung In Kap. 1 wurde schon bemerkt, daß der Mensch mittels einer ihm von der Natur verliehenen Sinnesempfindung imstande ist, verschiedene Grade der Warmheit von Kör-
9. Vorläufiges zur Temperaturmessung
25
pern festzustellen. Natürlich ist dies eine rein subjektive (wie auch qualitative) Beurteilung des Warmheitsgrades eines Stoffes, die übrigens mehr oder minder starken Täuschungen unterliegen kann. Um diese auszuschalten, wurden im 16. Jahrhundert die ersten Schritte unternommen, den Warmheitsgrad eines Stoffes in objektiver Weise zu beschreiben. Dies führte zur Prägung des Begriffes Temperatur, durch welche Größe die Warmheit einer Substanz quantitativ angegeben werden sollte. Hierzu bedurfte es eines von menschlichen Empfindungen unabhängigen Instrumentes, das als T h e r m o m e t e r bezeichnet wird. Um sich ein solches zu beschaffen, ging man von der Erfahrungstatsache aus, daß sich (fast) alle Eigenschaften eines Stoffes mit dessen Warmheitsgrad ändern. Wohl am längsten bekannt ist die Abhängigkeit des Volumens V eines Stoffes von dessen Warmheitsgrad, was sich insbesondere bei Flüssigkeiten (Quecksilber oder Alkohol) und Gasen deutlich wahrnehmen läßt. Es war nun gerade die Abhängigkeit des Volumens eines Stoffes von seinem Warmheitsgrad, die man anfänglich ausnutzte, um ein Thermometer zu konstruieren. Man legte daher zunächst als Maß für die Temperatur die Abweichung des Volumens einer „Thermometersubstanz" von einem (beliebig zu wählenden) „Nullzustand" fest. Um auf diese Weise jedoch eindeutige Temperaturangaben machen zu können, kann man nur solche Stoffe als Thermometersubstanz verwenden, deren Volumen sich mit dem Warmheitsgrad gleichsinnig (monoton) ändert. Dieses trifft für die meisten Stoffe zwar zu, indessen gibt es Ausnahmen. So weist ζ. B. Wasser (was wohl am bekanntesten ist) bei Änderung des Warmheitsgrades innerhalb eines gewissen Bereiches ein Volumenverhalten auf, welches in Abb. 9,1 (qualitativ) dargestellt ist. Diese Erscheinung wird als „Anomalie des Wassers" bezeichnet.
subjektive Skala der „Warmheit" des Wassers ( k a l t — l a u — » · warm — » • heiß) Abb. 9,1. Anomalie des Wassers. Ein ähnliches Verhalten weisen auch verschiedene Kautschuksorten auf, deren Volumen sich bei gewissen Erhöhungen von Warmheitsgraden nicht vergrößert, sondern verringert.
Als den „Nullzustand" des Volumens einer Thermometersubstanz wählte man jenes Volumen der Substanz, welches sie einnimmt, wenn sie mit schmelzendem Eis im thermischen Gleichgewicht ist, wobei der auf das Eis wirkende äußere Druck ρ = 1 atm ist. Dieser Zustand wird Eispunkt genannt. Er ist erfahrungsgemäß ein
26
Der Nullte Hauptsatz
Fixpunkt. Das Volumen V, welches der als Thermometersubstand gewählte Stoff im Eispunkt hat, möge mit VE bezeichnet werden. Um die Abweichung des Volumens V einer Thermometersubstanz von ihrem Volumen VE durch eine Skala anzugeben, benötigt man noch ein zweites Fundamentvolumen. Als solches wählt man das Volumen der Substanz, wenn sie mit siedendem Wasser im Wärmegleichgewicht ist, wobei wiederum der auf dem siedenden Wasser lastende Druckp = 1 atm ist. Dieser Zustand heißt Siede- oder K o c h p u n k t , der ebenfalls ein Fixpunkt ist. Das Volumen, welches die Thermometersubstanz im Siedepunkt einnimmt, soll mit Vs bezeichnet werden. Man kann nun die Differenz Vs - VE beliebig unterteilen, wodurch man eine willkürlich festgelegte Temperaturskalen erhält. So ergibt sich die heute überwiegend gebräuchliche Celsius-Skala, indem man den Unterschied Vs - VE in 100 gleiche Teile zerlegt. Je einen Teil dieser Skala nennt man ein Grad Celsius und verwendet als Symbol dafür 1 °C. Wir wollen die Celsius-Temperatur mit d bezeichnen. Die Temperatur des Eispunktes setzt man in der Celsius-Skala willkürlich d = 0 °C, so daß die Temperatur des siedenden Wassers ΰ = 100 °C ist. Temperaturen, die unterhalb ΰ = 0 °C liegen, werden negativ gerechnet. Natürlich kann man, was auch getan wurde, dem Eis- bzw. Siedepunkt andere Gradzahlen zuordnen, womit man andere Temperaturskalen erhält. Am bekanntesten sind die nach Reaumur und Fahrenheit benannten Skalen.
Als Temperatur eines Körpers bezeichnet man nun jene Marke einer Skala, die man auf ihr abliest, wenn sich die Thermometersubstanz mit dem fraglichen Körper im thermischen Gleichgewicht befindet. Damit kann man nun sicher die Temperatur eines Körpers objektiv, indessen noch nicht absolut festlegen. Es wurde nämlich erkannt, daß sich die Volumina von unterschiedlichen Stoffen bei einer gleichen Änderung von deren Warmheitsgrad in ungleicher Weise ändern. DiesJiat zur Folge, daß die Anzeigen von Thermometern mit verschiedenen Thermometersubstanzen (ζ. B. Quecksilber oder Alkohol) zwar am Eispunkt, & = °C, und am Siedepunkt, ά = 100 °C p. def. übereinstimmen, jedoch innerhalb dieses Intervalls voneinander abweichen. Es schien sich nun die Möglichkeit zu bieten, Thermometer zu konstruieren, die zwischen # = 0 °C und ά = 100 °C stets den gleichen Temperaturgrad anzeigen, wenn als Thermometersubstanz ein Gas verwendet wird. Es wurde nämlich die — wie man anfänglich glaubte, allgemein gültige - Beziehung gefunden, daß das Volumenverhältnis eines Gases, unabhängig von seiner Natur, bei zwei verschiedenen Temperaturen eine Konstante ist. Die ersten Beobachtungen ergaben, daß zwischen den Volumina Vs und VE eines Gases das Verhältnis Vs : VE = 313 : 273
(9,1)
besteht. Wir wissen zwar heute aufgrund inzwischen weiter gewonnener Erfahrung, daß dem empirischen Gesetz (9,1) keine Allgemeingültigkeit zukommt, sondern es nur ein
27
9. Vorläufiges zur Temperaturmessung
Näherungsgesetz ist (Kap. 11). Nimmt man jedoch zunächst an, daß (9,1) uneingeschränkt für jedes Gas gültig ist, so kann man ein beliebiges Gas als Thermometersubstanz verwenden. Um für ein solches G a s t h e r m o m e t e r eine Skala zu gewinnen, legt man (willkürlich) fest, daß sich das Volumen einer Gasmenge bei Erwärmung linear ausdehnt. Mit Verwendung der Celsius-Temperatur i? soll also für die Volumenabhängigkeit V = F(#) die Beziehung W
=
1 + β*) = V0( 1 + ßö)
(9,2)
gelten. Hierbei bedeutet β eine Konstante, die als Volumen-Ausdehnungskoeffizient1 bezeichnet wird, Kap. 10. Er gibt, wie unmittelbar aus (9,2) abzulesen ist, die relative Änderung des Gasvolumens an, wenn sich # um 1 °C ändert. Der Betrag von β für ein Gas läßt sich aus den vorstehend angegebenen Gleichungen unschwer bestimmen. Für den Siedepunkt (# = 100 °C) erhält man aus (9,2): Vs =VE(l+
lOOß) =V0(1+
100®,
(9,3)
woraus VS:VE=
1 + 100/3
(9,4)
folgt. Beachtet man (9,1), so erhält man 1 + 100(3 = 373 : 273 = 1 + i^Q ,
(9,5)
woraus sich für den Volumen-Ausdehnungskoeffizienten für ein Gas β = 1/273 pro 1 °C ergibt. Die inzwischen verbessert durchgeführten Messungen haben für β = 1/273,15 pro 1 °C ergeben. Jedoch gilt dieser Wert für ein beliebiges Gas, d. h. unabhängig von seiner Natur, nur für sehr kleine Drucke: ρ 0, vgl. Kap. 11. Mit dem heute als zutreffend angesehen Wert von β ersieht man aus (9,3), daß für die Temperatur & = - 273,15 °C
(9,6)
das Volumen der gasförmigen Thermometersubstanz V=Q
(9,7)
ist. Natürlich ist es sinnlos, von einem verschwindenden Volumen einer endlichen Gasmenge zu reden. Man hat daher den Temperaturgrad d = - 273,15 °C als das untere Ende der Celsius-Skala anzusehen, das man als absoluten Nullpunkt bezeichnet. Dieser kann als Nullpunkt einer neuen Skala gewählt werden, indem man die neue Temperatur Τ=ϋ+
273,15 Κ
(9,8)
einführt. Die Größe T, die stets > 0 ist, heißt thermodynamische oder Kelvin-Temperatur. Man hat sie bis vor kurzem, um sie von der Celsius-Temperatur zu unterscheiden, 1
Früher: kubischer Ausdehnungskoeffizient, meistens als Ausdehnungskoeffizient schlechthin bezeichnet.
28
Der Nullte Hauptsatz
mit °K gekennzeichnet und sie Grad Kelvin genannt. Jedoch ist 1968 von der „Generalkonferenz fur Maß und Gewicht" beschlossen worden, das bis dahin verwendete Symbol °K durch Κ zu ersetzen. Gleichzeitig wurde vereinbart, für die Einheit der Temperatur die Bezeichnung Kelvin zu verwenden. Bei Verwendung der Celsius-Skala soll jedoch weiterhin eine Temperaturangabe durch das Symbol °C gekennzeichnet werden. Die Benutzung von Einheiten anderer Skalen, die man durch eine andere Unterteilung der Volumendifferenz Vs - VE einer Thermometersubstanz erhält (ζ. B. Reaumur, Fahrenheit) soll in Zukunft unterbleiben. Wir hatten schon erwähnt, daß die Unterteilung der Volumendifferenz V = Vg- VE einer Thermometersubstanz in eine Anzahl von Einheiten willkürlich durchgeführt werden kann. Ebenso ist es willkürlich und keineswegs zwingend, wenn man annimmt, daß sich das Volumen einer Substanz, so insbesondere eines Gases, mit der Temperatur linear ändert. So kann man etwa zu einer anderen Temperaturskala gelangen, indem man diese durch die Forderung festlegt, daß die relative Volumenänderung dV/Veines Gasvolumens der Temperaturänderung proportional ist. Bezeichnet man diese mit dr (Änderung der Bezeichnungsweise, weil eine neue Temperaturskala eingeführt wird), so wird die vorstehende Forderung quantitativ durch y=ß'dr
(9,9)
ausgedrückt. In dieser Gleichung bedeutet ß' eine dem Raumausdehnungskoeffizienten β analoge Konstante. Integriert man (9,9) zwischen zwei Zuständen, so erhält man In V - In Γ 0 = In V/V0 = β'(r - r 0 ) .
(9,10)
Hierin bedeutet Ko=K(ro),
(9,11)
wobei tq ein beliebiger, aber fester Wert von τ ist. Aus (9,10) folgt F(r) = r 0 e ^ T ° /
T
= V0eßT.
(9,12)
(9,13)
Durch diese Formel wird eine Temperaturskala festgelegt, mit deren Verwendung sich das Volumen einer Substanz mit der Temperatur exponentiell ändert. Würde man eine solche Temperaturskala benutzen, so entspräche der Celsius-Temperatur tf = - 273 ° C -»· τ = -
(9,14)
weil dann in beiden Fällen V = 0 wird. Die τ-Skala hat also, ebenso wie die (reelle) Zahlengrade, ein „unteres" Ende bei - 00 und kann daher als deren Analogon angesehen werden.
10. Die thermischen Koeffizienten In Kap. 4 wurde bereits bemerkt, daß zwischen den Zustandsvariablen eines Systems erfahrungsgemäß ein Zusammenhang besteht, der als Zustandsgieichung bezeichnet wird. Für ein zweivariables System lautet sie, wenn neben der Temperatur Τ als wei-
29
10. Die thermischen Koeffizienten
tere Zustandsvariablen das Volumen V und der Druck ρ gewählt werden, in impliziter Form ausgedrückt φ(Τ,ρ,ν)=0.
(10,1)
Eine solche Gleichung, die für eine beliebige Substanz in Strenge gilt, ist — wie auch schon bemerkt — nicht bekannt. Es lassen sich jedoch allein aus der Existenz der Zustandsgieichung (10,1) drei Größen definieren, durch die gewisse Eigenschaften eines Körpers beschrieben werden. Diese drei Größen nennt man die thermischen Koeffizienten des betrachteten Stoffes. Man erhält sie, indem man Zustandsänderungen betrachtet, bei denen eine der drei Variablen Τ, V, ρ sich nicht ändert. Man spricht dann, wenn Τ konstant bleibt (dT = 0) von einem isothermen Prozeß, wenn V konstant bleibt (dV = 0), von einem isochoren Prozeß und wenn ρ konstant bleibt (dp = 0) von einem isobaren Prozeß. Um zu den drei thermischen Koeffizienten zu gelangen, denken wir uns (10,1) einmal nach V und ein anderes Mal nach ρ aufgelöst. Dies Ergibt V=V(T,p)
(10,2)
p=p(T,V).
(10,3)
bzw.
Aus (10,2) ist zu ersehen, daß sich (bei einem isobaren Vorgang) das Volumen V eines Systems mit seiner Temperatur Τ ändert. Diese Volumenänderung ist durch die partielle Ableitung von (10,2) nach Τ gegeben. Man bezieht jedoch aus Zweckmäßigkeitsgründen die Ableitung auf ein Anfangsvolumen V0. Als solches kann man zwar ein beliebiges Volumen wählen. Man hat aber vereinbart, als K0 jenes Volumen des betrachteten Körpers zu wählen, das er am Eispunkt (# = 0 °C) bei dem Druck ρ einnimmt. Als Ausdruck für die relative Volumenänderung eines Körpers bei einer Temperaturänderung erhält man daher die Größe β(Τ) = ± φ
ρ
.
(10,4)
Sie wurde bisher als (isobarer kubischer) Ausdehnungskoeffizient bezeichnet. Dieser Begriff ist neuerdings durch die Bezeichnung Volumen-Ausdehnungskoeffizient ersetzt worden. Für die meisten Stoffe ist β > 0, d. h. sie dehnen sich bei Temperaturerhöhung aus. Es gibt aber auch einge Substanzen, für die innerhalb gewisser Temperaturbereiche β < 0 ist. Das bekannteste Beispiel hierfür ist H 2 0 zwischen 0 °C und 4 °C (Kap. 9). Bei Körpern, die zwei Dimensionen haben, welche gegenüber der dritten Dimension (Länge /) so klein sind (Draht, Saite), daß sie und auch ihre Änderungen in erster Näherung außer Betracht
30
Der Nullte Hauptsatz
bleiben können, verwendet man anstelle von β den in Analogie zu dieser Größe definierten LängenAusdehnungskoeffizienten
8)
V
V
V
2
ein anderes Mal werden die der Idealen Gasgleichung (13,1) hinzugefügten Korrekturglieder als Potenzen von ρ geschrieben: Ρ
=Ί Μ
+
Β
Ι ( Τ
) Ρ + Β2(Τ)Ρ2
+.
(13,9)
45
13. Angabe einiger anderer Zustandsgieichungen
Die in den beiden letzten Gleichungen auftretenden Größen Α ι , A2, • .., Βγ, Bi ... nennt man Virialkoeffizienten. Sie sind Funktionen der Temperatur T, die sich allerdings in allgemeiner Form (noch) nicht durch theoretische Betrachtungen ermitteln lassen. Jedoch gibt es verschiedene experimentelle Methoden, mit denen man die Temperaturabhängigkeit der Virialkoeffizienten innerhalb relativ großer Temperaturintervalle bestimmen kann. Da dies auch für nichtgasförmige Stoffe möglich ist, kann man sagen, daß der Virialgleichung als Verallgemeinerung der Idealen Gasgleichung ein besonders großer Gültigkeitsbereich zukommt,
5. Zustandsgieichungen für Feste und Flüssige Körper. Die vorstehend angegebenen Zustandsgleichungen sind vornehmlich aufgestellt worden, um das thermische Verhalten von Gasen zu beschreiben. Da aber die Thermodynamik Aussagen machen soll, die für alle in der Natur vorkommenden Stoffe gelten, hat sie auch Feste und Flüssige Körper in den Bereich ihrer Betrachtungen mit einzubeziehen. Es ist daher erforderlich, auch für solche Substanzen Zustandsgieichungen aufzustellen, was - ebenso wie bei Gasen — nur näherungsweise gelungen ist.
Der einfachste Fall liegt vor, wenn man eine inkompressible Flüssigkeit betrachtet. Da Inkompressibilität gleichbedeutend ist mit Druckunabhängigkeit des Volumens V, ist die Zustandsgieichung eines solchen Stoffes von der Form V= V(T). Einen näherungsweise gültigen expliziten Ausdruck für V erhält man aus der Definitionsgleichung des (isobaren) Volumen-Ausdehnungskoeffizienten
indem dieser zwischen einer Anfangstemperatur T0 und einer Endtemperatur Τ integriert wird. Man erhält dann, unter der Voraussetzung, daß β im Temperaturbereich Τ - T 0 in erster Näherung als konstant angesehen werden kann, V0ß(T-T0)=
V- V0,
(13,11)
woraus sich als näherungsweise gültige Zustandsgieichung für einen inkompressiblen Stoff V=V0[l+ß(T-T0)]
(13'12>
ergibt. Diese Zustandsgieichung ist von der gleichen Form wie das Gay-Lussacsche Gesetz. Die Erfahrung hat erweisen, daß durch (13,12) die Temperaturabhängigkeit des Volumens Flüssiger und Fester Körper innerhalb kleiner Temperaturbereiche zufriedenstellend beschrieben wird.
Man kann auf ähnlichem Weg, wie er vorstehend beschritten wurde, auch eine (eingeschränkt gültige) Zustandsgieichung für Stoffe erhalten, wenn deren Kompressibilität berücksichtigt wird. Dann ist das Volumen V nicht nur temperatur- sondern auch druckabhängig; V=V{T,p).
(13,13)
Hieraus folgt dV-{£)pdT+dQ1 1
(15,11)
Die bisher gebräuchliche Bezeichnung Kalorie (cal) als Einheit der Wärmemenge soll ab 1. 1. 1978 durch die neue Bezeichnung Joule ersetzt werden. Zwischen dieser neuen Größe und der Kalorie besteht die Bezeichnung: 1 cal = 4,1868 Joule.
52
Der Erste Hauptsatz
ist. Es erhebt sich die Frage: wie ist die Differenz äQ = äQ2-äQl
(15,12)
>0
zu deuten? Die Wärmestofftheorie erklärte äQ durch folgende Annahme: hat man zwei gleiche Gasmengen, die zwar die gleiche Temperatur haben, jedoch verschiedene Volumina ausfüllen, so enthält das Gas, welches das größere Volumen einnimmt, mehr „Wärmestoff' als das gleiche Gas, das sich in einem kleineren Volumen befindet. Mit dieser Auffassung läßt sich zwar äQ> 0 erklären, jedoch ist noch offen, ob diese Annahme auch zutrifft. Dies kann lediglich das Experiment entscheiden. Ein solches wurde erstmalig von Gay—Lussac und danach von Thomson und Joule in abgeänderter Form verbessert durchgeführt. Wir werden auf diese Versuche später, Kap. 25/26, eingehen. Hier genügt es zunächst zu bemerken, daß ihre Ergebnisse die vorstehend angegebene Annahme der Wärmestofftheorie widerlegten. Es hat nun Mayer, gemäß seiner Auffassung, daß Wärme mit Arbeit äquivalent ist, die Differenz äQ = m(cp - cv) dT
(15,13)
als die Arbeit gedeutet, die das Gas infolge seiner Ausdehnung gegen den auf ihm lastenden Außendruck ρ leistet. Um diese Arbeit zu berechnen, nehmen wir zunächst der Einfachheit halber an, das Gas befinde sich in einem Zylinder, dessen Berandung bis auf einen reibungslos verschiebbaren Teil F ( „Stempel") starr sei, Abb. 15,1. Ändert sich das ursprüngliche Volumen V des Gases, das dieses bei der Temperatur Τ einnahm, infolge einer Temperaturerhöhung dT um dV, d. h. wird der Stempel um die Strecke dx verschoben, so ist — wie unmittelbar aus Abb. 15,1 ersichtlich — dV = Fdx .
(15,14)
ι V
F
•Λ— dV
Abb. 15,1. Zur Berechnung der Arbeit eines sich ausdehnenden Gases gegen einen gleichförmigen äußeren Druck p.
Durch die Verschiebung des Stempels um dx infolge der Ausdehnung des Gases hat dieses eine Arbeit 3A gegen den (zunächst als gleichförmig vorausgesetzten) Druck ρ geleistet. Nun ist einerseits p. def. das Arbeitselement äA = Kdx
(15,15)
(= „Kraft · Weg") und andererseits — weil der Druck ρ eine auf die Flächeneinheit bezogene Kraft ist —: Κ = pF.
(15,16)
53
15. Die ursprüngliche und die heutige Auffassung vom Wesen der Wärme
Hiermit ergibt sich aus (15,15): äA = pFdx
(15,17)
oder unter Beachtung von (15,14): aA=pdV.
(15,18)
Nach Mayer soll nun aQ = a Q 2 - a Q 1 = a A ,
(15,19)
d. h. mit Verwendung mit (15,13) und (15,18): m(cp -Cy)dT
= pdV
(15,20)
sein. Nimmt man an, daß das sich (bei konstantem Druck) ausdehnende Gas ein Ideales Gas ist, d. h. der Zustandsgieichung pV=nRT
(15,21)
genügt, so folgt aus ihr für eine isobare Zustandsänderung (dp = 0): pdV = nRdT.
(15,22)
Geht man damit in (15,20) ein, so erhält man m(cp-cv)
= nR=j^R
(15,23)
Mr(cp - cv) = Cmp - Cms = R .
(15,24)
oder
Dies ist eine prüfbare Aussage über die isobare bzw. isochore molare Wärmekapazitäten Cmp bzw. Cmv. Sie wurde durch das Experiment bestätigt und spricht daher für die Annahme Mayers von der Äquivalenz von Wärme und Arbeit. Wir wollen noch eine Bemerkung machen, die sich auf den durch (15,18) angegebenen Ausdruck fur das Arbeitselement 3A bezieht. Es könnte nämlich die Meinung aufkommen, daß (15,18) nur dann gilt, wenn ein System die spezielle durch Abb. 15,1 dargestellte Form hat: ein starrwandiger Zylinder, in dem sich ein reibungslos beweglicher Stempel befindet und weiterhin noch die Voraussetzung erfüllt sein muß, daß auf dem Stempel ein gleichmäßiger Druck ρ lastet. Indessen gilt (15,18) auch dann, wenn das betrachtete System eine beliebige Berandung hat, die auch einem ungleichförmigen Druck unterliegen kann. Um dieses einzusehen, betrachten wir ein beliebiges System, das von der in Abb. 15,2 mit F bezeichneten Oberfläche begrenzt sei. Da wir auch einen ungleichförmigen Druck zulassen, so ist dieser ortsabhängig: ρ = p(r), wobei r den Ortsvektor eines Flächenelementes df\on F
54
Der Erste Hauptsatz
Abb. 15,2. Zur Berechnung der Arbeit eines sich ausdehnenden Gases gegen einen ungleichförmigen äußeren Druck ρ = ρ (r).
bedeutet, Abb. 15,2. Dehnt sich nun das System infolge Temperaturerhöhung Wärmezufuhr) aus, so geht die ursprüngliche Begrenzungsfläche F in die neue Berandung F' über. Dabei möge das Flächenelement df um die Strecke dh verschoben werden, wozu die Arbeit dA = dKdh = pdfdh
(15,25)
geleistet werden muß. Nun ist, wie unmittelbar aus Abb. 15,2 ersichtlich, dfdh =dV
(15,26)
ein Volumenelement des geänderten ursprünglichen Volumens. Aus den beiden letzten Gleichungen folgt dA
=p(r)dV.
(15,27)
Dieser Ausdruck stimmt zwar formal mit (15,18) überein, jedoch ist er eine Verallgemeinerung dieser Formel für den Fall eines u n g l e i c h f ö r m i g e n Druckes. Die Gesamtarbeit, die das System bei einer Ausdehnung gegen diesen Druck zu leisten hat, ist A12= / ν
P(r)dV,
(15,28)
wobei V das ursprüngliche Volumen und V' das Volumen nach der Ausdehnung ist. Das Integral ist daher über das Volumen AV= V' - V zu erstrecken, das in Abb. 15,3 gestrichelt veranschaulicht ist. F'
Abb. 15,3. Veranschaulichung des (gestrichelt gezeichneten) Bereiches, über welchen das Integral (15,28) zu erstrecken ist.
55
16. Formulierung des Ersten Hauptsatzes
16. Formulierung des Ersten Hauptsatzes Wenn die Auffassung zutrifft, daß Wärme äquivalent mit Arbeit ist, so muß der in Kap. 14 angegebene Energiesatz der Mechanik
(16,1)
dA = dE
erweitert werden. Nach dieser Aussage erhöht eine am System geleistete Arbeit dessen Gesamtenergie E. Gilt die Äquivalenz von Wärme und Arbeit, so muß auch eine dem System z u g e f ü h r t e Wärmemenge äQ dessen Gesamtenergie vergrößern, so daß anstelle von (16,1) nun aA+dQ
=
dE[=d(Ekbl+Epot)\
(16,2)
zu schreiben ist. Hierbei haben wir durch Verwendung des Symbols ä zum Ausdruck gebracht, daß die dem System zugeführte Wärmemenge 3Q und die an dem System geleistete Arbeit äA i. allg. keine totalen Differentiale sind, was noch zu beweisen sein wird. Vorher wollen wir jedoch eine Bemerkung zur rechten Seite der letzten Gleichung machen. Da die Klassische Thermodynamik nur ruhende Systeme betrachtet, ist in (16,2) für die kinetische Energie £"kin = Ozu setzen. Andererseits beschränkt sich die Thermodynamik nicht nur auf die Betrachtung von Systemen, die eine potentielle Energie Epot im Sinne der Klassischen Mechanik haben (gelegentlich als „äußere" potentielle Energie bezeichnet), sondern berücksichtigt auch andere Energieformen, die in einem System gespeichert sein können. So kann dieses etwa elektrische, magnetische, chemische u. a. Energieformen enthalten. Nach einem Vorschlag von Thomson nennt man die Summe aller dieser Energieformen die Innere Energie eines Systems und bezeichnet sie üblicherweise nach einem Vorschlag von Clausius mit U. Mit Verwendung dieses Symbols und unter Beachtung, daß für thermodynamische Systeme Ekin = 0 ist, können wir daher statt (16,2):
aQ + aA= du
(16,3)
schreiben. Diese Gleichung wird als der Erste Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet. In ihm kommt durch die früher eingeführte Symbolik, Kap. 2, zum Ausdruck, da&dU ein totales Differential ist oder anders formuliert, daß U eine Zustandsgröße ist, d. h. nur von dem jeweils betrachteten Zustand des Systems, nicht aber davon abhängt, wie das System in den jeweils betrachteten Zustand gelangt ist. Die Aussage, daß die Innere Energie U eines Systems eine Zustandsgröße ist, läßt sich — im Sinne der Mathematik — nicht beweisen, vielmehr kann sich die Physik nur auf die Erfahrung berufen. Hierbei wird wie folgt geschlossen: Man denke sich ein abgeschlossenes System aus einem Anfangszustand 1 in einen anderen Zustand 2 gebracht. Der Übergang 1 -*• 2 möge in irgendeiner Weise erfolgen,
Der Erste Hauptsatz
56
die in einem ρ F-Diagramm etwa durch das Kurvenstück / dargestellt wird, Abb. 16,1. In diesem Fall ist die Änderung der Inneren Energie (16,4)
tfn^'fdU.
ι ΡΛ
Abb. 16,1. Zum Nachweis, daß dU ein totales Differential ist.
Wir denken uns nun ein zweites Mal einen Übergang 1 2, jedoch in anderer Weise wie vorher durchgeführt, etwa so, wie er in Abb. 16,1 durch den Kurvenast// angegeben ist. Bei dieser Zustandsänderung 1 ^ 2 ist die Änderung der Inneren Energie
V?2 = " f
(16,5)
dU.
Wir nehmen nun an, daß U[2 und Uf2 voneinander verschieden sind, sagen wir etwa, es sei U[2 > U\2. Dann ist AU=U{2-U{{ 2
=
7
2
/ dU~n
1
2
f dU =
1
1
I
1
f dU+
11
f
dU
(16,6)
2
= f d U > 0. Hierbei bedeutet § dU die Gesamtänderung der Inneren Energie U des Systems, wenn dieses von einem Anfangszustand 1 nach Durchlaufen einer Reihe anderer Zustände schließlich wieder in den Anfangszustand 1 zurückgekehrt ist, oder anders ausgedrückt, wenn das betrachtete System einen Kreisprozeß durchlaufen hat. Weil sich nach Ablauf eines solchen der Zustand des Systems p. def. nicht geändert hat (Endzustand = Anfangszustand), würde bei Gültigkeit von (16,6) diese Ungleichung aussagen, daß es möglich sein müßte, durch einen Kreisprozeß die Innere Energie eines Systems zu vergrößern, ohne daß sonst etwas passiert. Es würde dann, wenn sich dies realisieren ließe, wie man es auszudrücken pflegt, Energie „aus nichts" erzeugt werden können 1 . 1
Hätte man angenommen, daß i / 1 2 < i / o ist, d. h. das in (16,6) das < Zeichen steht, so würde die vorstehende Überlegung ergeben, daß - sofern die Ungleichung richtig ist - es möglich sein müßte, mittels eines Kreisprozesses Energie „in nichts" zu vernichten.
57
16. Formulierung des Ersten Hauptsatzes
Es hat nun die Verwirklichung dieses Falles die Menschheit schon im Altertum beschäftigt. Man versuchte jahrhundertelang Energie ohne Arbeitsaufwand — oder, wie man eben sagt: „aus nichts" — zu gewinnen. Indessen ist jeder der zahlreichen Versuche, die unternommen wurden, um dieses Ziel zu erreichen, negativ ausgelaufen. Wir sind heute aufgrund einer vielfältigen Erfahrung davon überzeugt, daß es nicht möglich ist, eine (so Planck) „periodisch funktionierende Maschine" zu konstruieren, die fortwährend Energie „aus nichts" erzeugt. Eine solche Maschine nennt man ein Perpetuum mobile (erster Art). Die Erkenntnis, daß man zwar eine Energieform in eine andere überfuhren kann, jedoch stets nur so, daß dabei der Gesamtbetrag der Energie unverändert bleibt, bezeichnet man schlagwortartig als Energieprinzip. Gemeint ist damit die Aussage, daß die Energie, so insbesondere auch die Innere Energie eines abgeschlossenen Systems, eine E r h a l t u n g s g r ö ß e ist. Sie läßt sich durch keinen, wie auch immer sich abspielenden Kreisprozeß, verändern. Es ist daher aufgrund dieser Erfahrungstatsache (16,6) durch (16,7)
fdU= 0
zu ersetzen. Hieraus folgt nach den Ausführungen in Kap. 2, daß dU ein totales Differential ist. Es verbleibt zu zeigen, daß dQ und äA i. allg. nichttotale Differentiale sind. Hierzu schließen wir an eine Ausführung in Kap. 15 an. Sie besagt, daß für eine gleiche Zustandsänderung (dort: Erzielung der gleichen Temperaturänderung dT der gleichen Massem eines Gases) zwei verschiedene Wärmemengen 3Ql bzw. dQ2 benötigt werden, je nachdem, ob der Vorgang unter der Bedingung dV = 0 bzw. dp = 0 durchgeführt wird. Dieses eine Beispiel - und ein Beispiel genügt bereits - zeigt, daß dQ kein totales Differential ist. Die Zustandsänderung Τ ->· Τ + dT auf den beiden verschiedenen durch dV= 0 bzw. dp = 0 gekennzeichneten Wegen ist in Abb. 16,2 veranschaulicht.
Ρ
V Abb. 16,2. Darstellung zweier verschiedener „Wege" {dp = 0, d V = 0), auf denen man die gleiche Temperaturänderung T-* Τ + dΤ erreichen kann.
Nachdem sich dQ als nichttotales Differential erwiesen hat, muß nach (16,3) auch dA ein nichttotales Differential sein, weil anderenfalls aus der zuletzt genannten Gleichung folgen würde, daß das nichttotale Differential dQ gleich einem totalen Differential ist, was natürlich einen Widerspruch bedeutet.
58
Der Erste Hauptsatz
Daß 3A tatsächlich (i. allg.) kein totales Differential ist, läßt sich mit dem im vorstehenden Kapitel angegebenen Ausdruck für das spezielle Arbeitselement 3A=pdV
(16,8)
leicht geometrisch veranschaulichen. Hierzu betrachten wir ein System, das von einem Anfangszustand 1, nach Durchlaufen verschiedener Zwischenzustände, in einen Endzustand 2 gebracht wird. In einem ρ K-Diagramm möge der Übergang 1 -» 2 durch das in Abb. 16,3 angegebene Kurvenstück I sich widerspiegeln. Ist der Übergang 1 -» 2 mit einer an dem System geleisteten oder von ihm geleisteten Arbeit verbunden, so ist diese
A\2=If
pdV.
(16,9)
1
Abb. 16,3. Darstellung der durch (16,9/10) ausgedrückten Arbeiten durch Flächen im Arbeitsdiagramm. Dieser Ausdruck stellt, wie die Integralrechnung lehrt, in der ρ K-Ebene ein Flächenstück dar, Abb. 16,3. Man nennt daher die ρ K-Ebene auch vielfach das Arbeitsdiagramm. Aus ihm ist unmittelbar zu ersehen, daß bei einem anderen Übergang 1 ->· 2, der etwa durch den Kurvenzug II gekennzeichnet sei, eine andere Fläche begrenzt wird, d. h. daß
An = " f PdV Φ a\2
(16,10)
ist. Dadurch kommt anschaulich zum Ausdruck, daß A \ i vom Weg abhängt, der von 1 nach 2 führt und dies bedeutet eben, daß 3A ein nichttotales Differential ist. -
Wir wollen den Ersten Hauptsatz (16,3) für den Sonderfall eines zweivariablen Systems (Kap. 4) angeben, d. h. eines solchen, dessen Zustände sich durch die Zustandsvariablen: Temperatur T, Volumen V und einem senkrecht zur Oberfläche wirkenden äußeren Druck ρ beschreiben läßt. Dann lautet das Arbeitselement äA = -pdV.
(16,11)
Dieser Ausdruck unterscheidet sich von (15,18) durch ein Minuszeichen. Der Grund hierfür ist der, daß man im Ersten Hauptsatz mit äA eine am System geleistete Arbeit meint, während in Kap. 15 eine vom System (gegen den äußeren Druck ρ) geleistete Arbeit betrachtet wurde. In diesem Fall nimmt das Volumen V des Systems zu, während bei einer Leistung des äußeren Druckes ρ am System sich dessen Volumen verkleinert. Dies kommt durch das in (16,11) auftretende Minuszeichen zum Ausdruck.
59
17. Die spezifischen Wärmekapazitäten
Mit (16,11) nimmt der Erste Hauptsatz (16,3) die spezielle Form
äQ = dU + pdV
(16,12)
an. Obwohl es sich bei diesem Ausdruck um einen Sonderfall von (16,3) handelt, kann man mit Verwendung von (16,12) immerhin eine Vielzahl von thermodynamischen Erscheinungen beschreiben, wie wir es nachfolgend zeigen werden. Das (16,12) jedoch erweitert werden muß, wenn das System nicht allein einem äußeren Druck, sondern auch noch anderen äußeren Einflüssen unterliegt, ist klar. Wir werden darauf später zu sprechen kommen (Kap. 62).
17. Die spezifischen Wärmekapazitäten In Kap. 15 wurde bereits erwähnt, daß aufgrund der Erfahrung als Zusammenhang zwischen einer Wärmemenge äQ, die einer Substanz von der Masse m zugeführt wird und der dadurch hervorgerufenen Temperaturerhöhung dT die Beziehung
äQ = mcdT
(17,1)
besteht. Der in dieser Gleichung auftretende Proportionalitätsfaktor c heißt die spezifische Wärmekapazität (früher: die spezifische Wärme) der betrachteten Substanz. Diese (etwas unglücklich gewählte) Bezeichnung wurde seinerzeit deswegen geprägt, weü man ursprünglich der Ansicht war, daß c eine für jeden Stoff charakteristische Konstante ist. Man erkannte jedoch später, daß c nicht nur von der Temperatur T, sondern überdies auch von der „Richtung" des Prozesses abhängig ist, unter der die Temperaturerhöhui.«? der Substanz von Τ auf Τ + dT vorgenommen wird. Ein Beispiel hierfür ist schoii bekannt: Wird die Temperaturerhöhung isochor (dV = 0) durchgeführt, so ist die spezifische Wärmekapazität c v , dagegen tritt die von dieser Größe verschiedene spezifische Wärmekapazität cp auf, wenn die Zustandsänderung isobar (dp = 0) durchgeführt wird. Es hängt also c erfahrungsgemäß außer von Τ noch von den Zustandsgrößen ab. Wir wollen uns auf den Fall beschränken, daß diese außer Τ nur noch der Druck ρ und das Volumen V sind. Da Τ, V, ρ miteinander durch die Zustandsgieichung φ(Τ, V, ρ) = 0 verknüpft sind, kann eine der drei Variablen durch die beiden anderen ausgedrückt werden. Wählen wir als Unabhängige ρ und V, so ist nach (17,1):
äQ = mcdT(p, V).
(17,2)
Drückt man hierin äQ durch (16,12) aus, so erhält man
mcdIXp, V) = dU(p, V) + pdV,
(17,3)
60
Der Erste Hauptsatz
woraus
zrr m c =
~
d j ^ V )
—
(17
'4)
folgt. Hieraus ergeben sich zwei spezielle Werte für c: 1. Wird die Temperaturerhöhung von Τ auf Τ + dT bei konstantem Druck ρ vorgenommen (dp = 0), so ist die spezifische Wärmekapazität
Der an c angehängte Index gibt, wie es in der Thermodynamik üblich ist, diejenige Größe an, die sich bei einer Zustandsveränderung nicht ändert. Man nennt cp die isobare spezifische Wärmekapazität. 2. Wird die Temperaturerhöhung von Τ auf T+dT bei konstantem Volumen V vorgenommen (dV= 0), so ist die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen (isochore spezifische Wärmekapazität)
Geht man mit (17,6/7) in (17,5) ein, so erhält man für C
cA%\äp,ce(fv)päV ττψ κψ
(I/,8)
·
Addiert und subtrahiert man im Zähler der vorstehenden Formel den Ausdruck 7\T v(p>)p dV, s o erhält man nach geeigneter Zusammenfassung
c
c = cv + - ^ OLL· (%\dpHfv)PdV = cv +
a T 1 +
(179)
>
Ä
. Ä
(17,10)
r^i
Dies läßt sich schließlich in eine noch einfachere Form bringen, wenn man beachtet, daß aus dTip, ν ) = φ
ν
α
ρ
+
(^)ραν
(i7,ii)
61
18. Verschiedene Formen des Ersten Hauptsatzes
die Verknüpfung
folgt. (Zur Erinnerung: diese Formel drückt, abgesehen von uninteressanten Faktoren, den zwischen den drei thermischen Koeffizienten bestehenden Zusammenhang aus, Kap. 10). Setzt man(17,12) in(l7,10) ein, so erhält man als endgültigen Ausdruck für die spezifische Wärmekapazität
c = c
v +
C
P"Cv
,
·
(17,13)
Hierin bedeutend Fund dp die Änderungen des Volumens Fund des Druckes ρ, welche Größen bei der vorstehenden Betrachtung als Unabhängige gewählt wurden. Es können daher die Änderungen dV und dp beliebig gewählt werden, so da&dV/dp nicht einen Differentialquotienten darstellt. Um dies zum Ausdruck zu bringen, wurde in (17,10/13) dp/dV in eckige Klammern gesetzt. Man sagt häufig, daß durch [dp/dV] die „Richtung" einer Zusatndsänderung festgelegt wird. Da man den Zustand eines Systems in beliebiger (natürlich möglicher) „Richtung" ändern kann, folgt aus (17,13), daß jede mögliche Zustandsänderung eine für sie charakteristische spezifische Wärmekapazität hat. Es hat also keinen Sinn, von der spezifischen Wärmekapazität schlechthin zu sprechen, weil c — zumindest im Prinzip — jeden beliebigen Wert annehmen kann oder anders ausgedrückt: es gibt unendlich viele spezifische Wärmekapazitäten. Zwei von ihnen, cp und c v , kennen wir schon, zwei weitere Sonderfalle von c werden wir noch kennenlernen. Die vorstehenden Betrachtungen, bei denen nur die drei Variablen Τ, ρ, V der zweivariablen Thermodynamik verwendet wurden, lassen sich ohne Schwierigkeiten für den Fall erweitern, daß neben Τ noch η weitere Variable xl,x2,..xn vorliegen. Dem Leser wird empfohlen, dieses als Übungsaufgabe durchzuführen (vgl. hierzu auch Kap. 62).
18. Verschiedene Formen des Ersten Hauptsatzes Der Erste Hauptsatz für ein System, dessen Zustände sich schon zufriedenstellend mit Verwendung der nur drei Variablen Τ, V, ρ beschreiben lassen („eingeschränkte" Thermodynamik) lautet nach (16,12): äQ = mcdT = dU + pdV.
(18,1)
62
Der Erste Hauptsatz
Dieser Ausdruck nimmt verschiedene äußere Formen an — die natürlich inhaltlich gleichwertig sind — je nachdem welche zwei von den drei Variablen Τ, V, ρ als Unabhängige gewählt werden. Dies kann in dreifacher Weise geschehen, indem entweder 1: (Τ, V)
oder 2: (Τ, ρ)
oder 3: (ρ, V)
(18,2)
als Unabhängige gewählt werden. Man erhält für den Fall 1: (Τ, V) : dQ = mcdT = dU(T, V) + pdV =φ
ν (
1 Τ
+
[ φ
τ
(18,3)
+ Ρ]άν,
(18,4)
2: (Τ, ρ): äQ = mcdT = dU(T, p) + pd V{T, p) =φ
dT+ φ
ρ
α
Τ
+Ρ[φρ
Ρ
(18,5) dT+ φ
τ
ά ρ ]
= [ φ ρ +P(gf)p]rf7'+ [ φ τ + ρ φ τ ] ά ρ ,
(18,6) (18,7)
3: (ρ, V): dQ = mcdT = dU(p, V) + pdV =( | )
v
^
+
[(f)
p +
p]^.
(18,8) (18,9)
Es ist nun bemerkenswert, daß sich die drei vorstehenden Ausdrücke für dQ durch die spezifischen Wärmekapazitäten cp und c v , sowie (bis auf uninteressante Faktoren) durch zwei thermische Koeffizienten ausdrücken lassen. Dies läßt sich wie folgt zeigen. Zunächst folgt aus (18,3/4), daß ™ν =φ
(18,10)
ν
und aus (18,5/7), daß η:ορ = φ
ρ
+
Ρ
φ
ρ
(18,11)
ist. Somit lassen sich zunächst (18,3/4) und (18,5/7) in der Form dQ = mcydT+Fx(T,
V)dV
(18,12)
dQ = mcpdT + F2(T, p) dp
(18,13)
18. Verschiedene F o r m e n des Ersten Hauptsatzes
63
schreiben, wobei die Größen F ^ T , ν) = φ
+ρ
τ
(18,14)
+
(18,15)
bedeuten. Analog zu (18,12/13) läßt sich der Erste Hauptsatz in der Form (18,9) durch äQ = F3(p, t) dp + F4p,
t) dV
(18,16)
ausdrücken. Es obliegt nun die Aufgabe, die vorstehend gemachte Behauptung zu beweisen, daß die Funktionen F j , . . . , F 4 durch die spezifischen Wärmekapazitäten cp und c v und durch thermische Koeffizienten ausgedrückt werden können. Dieses läßt sich sofort für F3 und F 4 zeigen. Es ist nach dem Obigen 08,17) oder unter Beachtung von (18,10): F3=mcv(2L)V.
(18,18)
Ferner gilt für ^4 = ( § γ ) Ρ + Ρ =
φ
ρ
φ
ρ
(18,19)
+
(ι8-20)
Ρ
= [ φ ρ + ρ φ ρ ] φ
ρ
·
(18,21)
Unter Beachtung von (18,11) wird daher F 4 = m cCPp ( (ff £ ) p .
(18,22)
Aus (18,18) und (18,22) ist ersichtlich, daß sich die rechten Seiten von F 3 und F 4 durch die spezifischen Wärmekapazitäten c v und cp ausdrücken lassen. Das gleiche gilt auch für F t und F 2 . Um dies nachzuweisen, knüpfen wir an (18,12/13) an. Gemäß diesen Gleichungen ist äQ = mCydT
+ FldV
= mcpdT
+ F2dp.
(18,23)
Die hierin auftretenden Differentiale dT, d F u n d dp sind wegen der Existenz der Zustandsgleichung F(T, V, ρ) = 0 nicht voneinander unabhängig.
64
Der Erste Hauptsatz
Wählt man1 — willkürlich — etwa Γ und V als Unabhängige, so ist dp(T, ν) = φ
ν
ά Τ + φ
ά ν .
τ
(18,24)
Geht man damit in (18,23) ein, so wird mcydT+
F idV=
[mcp + F2(&)v]dT
+F2(&)TdV.
(18,25)
Ein Koeffizientenvergleich ergibt
mcv=mcp+F2(^)v
(18,26)
φ τ ,
(18,27)
Fx=m(cp-cv)(^)p,
(18,28)
F2=-m(cp-cy)(^)v
(18,29)
woraus
folgt. Hierbei wurde bei der Bestimmung von F2 von der aus der Zustandsgieichung T= T(p, V) folgenden Beziehung
Φ ' - Φ ^ - Φ ο Gebrauch gemacht.
Geht man mit den gefundenen Ausdrücken für F y , . . . , F 4 in die Gleichung (18,12/13) und (18,16) ein, so erhält man, je nach der getroffenen Wahl der Unabhängigen für den Ersten Hauptsatz die folgenden Ausdrücke äQ = m {cydT + (cp - cv) φ = m [cpdT-(cp = m fcv(ξ)vdp
-cy)
+
c
ρ
dV}
i^)Vdp}
p
φ
ρ
(18,31) (18,32)
dV} .
(18,33)
Die hierin neben den spezifischen Wärmekapazitäten cp und c v auftretenden Differentialquotienten sind, von einem uninteressanten konstanten Faktor abgesehen, der reziproke Volumen-Ausdehnungskoeffizient β und die reziproke Kompressibilität χ, d. h. der Kompressibilitätsmodul K. 1
s. Zusatz 1 am Ende dieses Kapitels.
65
19. Die Enthalpie Zusatz 1: Wir bemerken, daß sich die letzten drei angegebenen Gleichungen natürlich ebenfalls ergeben, wenn man die im Anschluß an (18,23) durchgeführten Rechnungen nicht mit dem Unabhängigenpaar Τ, V, sondern mit Τ, ρ oder ρ, V durchgeführt hätte.
Zusatz 2: Man kann den ersten Hauptsatz formal noch anders ausdrücken, als es durch (18,31/33) geschah, indem man die Tatsache ausnützt, daß dU ein totales Differential ist. Wir weisen hier nur darauf hin, ohne diese Form anzugeben, weil sie später - im Gegensatz zu den vorstehend angegebenen Gleichungen - nicht benötigt wird.
19. Die Enthalpie Es ist, wenn man anfänglich als unabhängige Zustandsvariable die Temperatur Τ und das Volumen V eines Systems gewählt hat und dann zu den Variablen Τ und dem Druck ρ übergehen will, zweckmäßig, anstelle der Inneren Energie U = U(T, V) eine andere, von Γ und ρ abhängige Energiefunktion zu verwenden. Zu einer solchen gelangt man, indem man auf der rechten Seite des Ersten Hauptsatzes 3Q =dU + pdV
(19,1)
den Ausdruck Vdp addiert und subtrahiert. Dies ergibt äQ = dU + pdV + Vdp - Vdp = dU + d(pV)~
(19,2)
Vdp
(19,3)
= d(U + pV)-Vdp.
(19,4)
Führt man nun die neue Energiegröße H=U + pV
(19,5)
ein, so erhält man als Gegenstück zu (19,1) als eine andere Darstellung des Ersten Hauptsatzes dQ = dH - Vdp.
(19,6)
Die Größe Η wurde in die Thermodynamik von Gibbs als „Wärmefunktion" eingeführt. Heute wird Η allgemein als Enthalpie bezeichnet. Die Enthalpie ist als Funktion von Γ und ρ anzusehen, d. h. es ist mit Η = H(T,p) = U(T, V(T,p))+pV(T,p)
(19,7)
gemeint. Damit wird (19,6), ausfuhrlich geschrieben, dQ = mcdT= φ
ρ
dT+ [(|^)r
- V]dp .
(19,8)
66
Der Erste Hauptsatz
Hieraus folgt p. def. für die isobare spezifische Wärmekapazität (19Λ Dieser Ausdruck ist das Gegenstück zu der isochoren spezifischen Wärmekapazität _ 1 ,W(T, m
dT
V) '
(19,10)
Natürlich muß es möglich sein, zu (19,9) auch durch eine geeignete Umformung des Ausdruckes (18,11) für cp zu gelangen. Um dies zu zeigen, beachten wir, daß die in (18,11) vorzunehmende Differentiationen bei konstantem ρ durchzuführen sind. Dies erlaubt (18,11) in der Form
zu schreiben und diese ergibt unter Beachtung des Enthalpiebegriffes (19,5) genau (19,9). Was die physikalische Bedeutung der Enthalpie betrifft, so ist aus (19,5) zu ersehen, daß Η die Energie eines Systems beschreibt, welches ursprünglich die Innere Energie U besaß und dann durch Wärmezufuhr bei konstantem Druck dilatiert wurde. Man nennt daher die Enthalpie eines Systems gelegentlich auch dessen „Wärmeinhalt bei konstantem Druck".
20. Adiabatische Vorgänge Es gibt Vorgänge, bei denen sich die Temperatur eines Systems ändert, obwohl ihm weder Wärme zugeführt noch entzogen wird. Man kann sich ein solches System als von einer wärmeundurchlässigen Wand begrenzt denken und sagt dann, es sei adiabatisch isoliert.1 Ein Vorgang, der sich in einem solchen System abspielt, wird entsprechend als adiabatische Zustandsänderung bezeichnet. Sie ist, weil kein Wärmeaustausch zwischen dem System und seiner Umgebung stattfinden soll, durch äQ = 0 gekennzeichnet.
δ
taßaive
ιι> = hindurchgehen.
(20,1)
67
20. Adiabatische Vorgänge
Wegen des Bestehens einer Zustandsgieichung F(T, V,p) = 0
(20,2)
können von den drei Variablen Τ, V, ρ zwei als Unabhängige beliebig gewählt werden, wonach dann die dritte durch (20,2) festgelegt ist. Wenn nun neben (20,2) noch die Adiabatenbedingung (20,1) erfüllt sein soll, so hat dies zur Folge, daß dann die beiden gewählten Unabhängigen bzw. ihre Änderungen durch (20,1) in eindeutiger Weise miteinander verknüpft werden. Um diesen Zusammenhang zu finden, betrachten wir die drei Fälle, in denen (Τ, V), (Τ, ρ) oder (ρ, V) die Unabhängigen sind. Was sich dann für den Fall der Adiabasie ergibt, folgt aus dem Ersten Hauptsatz in den Formen (18,31—33), in Verbindung mit (20,1). Mit (18,31) erhält man äQ = m { c v dT + (c p - c v ) ( | £ ) „ dV^ = 0,
(20,3)
woraus (20,4) folgt. Durch diesen Ausdruck wird die Temperaturänderung angegeben, die in einem System auftritt, wenn sein Volumen adiabatisch geändert wird. Um die Aussage von (20,4) in Worte zu fassen, bedarf es der Kenntnis der Gesetzmäßigkeit cp - c v > 0 .
(20,5)
Den Beweis für dieses angegebene Gesetz können wir vorerst noch nicht erbringen. Er wird später, in Kap. 41, geführt werden. Das in (20,5) auftretende Gleichheitszeichen gilt nur in sehr wenigen Ausnahmefällen, von deren Betrachtung wir hier absehen wollen. Dann gilt nach der letzten Gleichung ^ = κ>1. Cy
(20,6)
Mit dieser neuen Bezeichnung geht (20,4) in 0 ist, so hat eine adiabatische Volumenverkleinerung ( d V < 0, Kompression) eine Temperaturerhöhung ( d T > 0) und umgekehrt, eine Volumenvergrößerung (dV> 0, Dilatation) eine Temperaturerniedrigung zur Folge. Man bezeichnet diese oft als „adiabatische Abkühlung". Hat dagegen ein Stoff einen negativen Volumen-Ausdehnungskoeffizienten, β < 0, wie ζ. B. Wasser unterhalb von 4 °C oder einige Kautschuksorten, so sollte bei einer adiabatischen Dilatation eine Temperaturerhöhung (dΤ > 0) und bei einer adiabatischen Kompression eine Temperaturerniedrigung (dT < 0) eintreten. Diese aus (20,8) folgenden Aussagen sind durch das Experiment ausnahmslos bestätigt worden. Zu dem gleichen Ergebnis muß man natürlich auch gelangen, wenn nicht Τ, V, sondern Τ, ρ als Unabhängige gewählt werden. In diesem Fall wird man an die Form (18.32) des Ersten Hauptsatzes anschließen. Man erhält dann für einen adiabatischen Vorgang dQ = m {cp dT - (cp - c v ) ( | P ) y dp) = 0 .
(20,9)
Hieraus folgt dT
a d
=
C
-^ φ
ν
ά
Ρ
=0-\)i%)vdp.
(20,10)
(20,11)
Hierin läßt sich die partielle Ableitung durch den thermischen Koeffizienten a > 0 ausdrücken, was zu d T
«
=
7^o
d p
(20,12)
führt. Aus diesem Ausdruck ersieht man, weil κ > 1, daß eine adiabatische Druckerhöhung dp > 0 (entspricht einer Kompression, dV< 0), eine Temperaturerhöhung dT> 0 und eine adiabatische Entspannung, dp < 0, (entspricht einer Volumendilatation, dV> 0,) eine Abkühlung dT < 0 zur Folge hat. Es handelt sich also um die gleiche Aussage, die aus (20,8) folgt, wie es auch sein muß. Wir wollen noch untersuchen, welche Gleichung sich für eine adiabatische Zustandsänderung ergibt, wenn man als Unabhängige ρ und V wählt. In diesem Fall ist an (18.33) anzuschließen, wonach für den Fall der Adiabasie äQ = m { c v f f i v d p + cp( ! £ ) p
Φ>-%ϊ-Τν·
Geht man damit in (20,3) ein, so erhält man als Differentialgleichung für die Adiabate CydT + (cp - c v ) ψ.άν= 0 .
(21,3)
Ihre Integration läßt sich durch Trennung der Variablen ausführen: nach Division durch Τ und c v erhält man f + ( K - 1 ) ^ = 0,
K=C p /C v ,
(21,4)
woraus durch Integration Τ V K ' 1 = const
(21,5)
folgt. Dies ist die Adiabatengleichung eines Idealen Gases, ausgedrückt durch die Unabhängigen Τ und V.
73
22. Veranschaulichung im Arbeitsdiagramm
Wählt man neben Τ als zweite Unabhängige den Druck p, so erhält man die zu (21,5) analoge Gleichung aus (20,9) in Verbindung mit (21,1). Dies ergibt die Differentialgleichung cpdT-(cp-cv)^dp
= 0,
(21,6)
woraus durch Integration T p ^ = const
(21,7)
folgt. Die beiden vorstehend angegebenen Adiabatengleichungen sind für die späteren Anwendungen von geringerem Interesse als die „Gasadiabate", ausgedrückt in den Unabhängigen ρ und V. Man erhält sie aus (20,13) in Verbindung mit (21,1). Dies liefert + Ρ
= o,
(21,8)
V
woraus man pV K = const
(21,9)
erhält. Von der Adiabatengleichung in dieser Form werden wir später noch mehrfach Gebrauch machen. Wir bemerken, daß man die drei (äußerlich) verschiedenen Formen der Adiabatengleichung nicht unbedingt jeweils einzeln herzuleiten braucht. Es genügt allein die Kenntnis von nur einer AdiabatenGleichung, um die zwei anderen zu finden. Dies gelingt, indem man aus einer bekannten Adiatengleichung mit Hilfe der Zustandsgieichung (21,1) jeweils eine Variable eliminiert. Hat man ζ. B. die Adiabatengleichung in der Form (21,5) gefunden — Unabhängige Τ und V - und will sie in den Unabhängigen ρ und V ausdrücken, so hat man mittels (21,1) in (21,5) die Temperatur Τ durch ρ und Κ auszudrücken. Dies ergibt dann genau (21,9).
22. Veranschaulichung im Arbeitsdiagramm Das zuletzt gefundene Gesetz (21,9), welches eine adiabatische Zustandsänderung eines Idealen Gases beschreibt, läßt sich, wie auch andere schon früher besprochene spezielle Zustandsänderungen, in dem in Kap. 16 eingeführten Arbeitsdiagramm veranschaulichen. Wir beginnen mit zwei einfachen Fällen, in denen die „Arbeitssubstanz" ein beliebiger Stoff ist. Er möge sich in einem Anfangszustand befinden, dessen Abbild in der ρ V Ebene der Punkt 1 sei, Abb. 22,1. Wird das System nun isobar ( φ = 0) in einen anderen Zustand gebracht, so ist dessen Abbild ein Punkt einer von 1 ausgehenden zur F-Achse
74
Der Erste Hauptsatz
Ρ
V Abb. 22,1. Darstellung verschiedener Zustandsänderungen durch die sie charakterisierende Kurven im pV-Diagramm.
parallelen Geraden. Diese wird als Isobare bezeichnet. Wird dagegen der Anfangszustand 1 isochor (dV= 0) geändert, so wird der neue Zustand im ρ F-Diagramm durch einen Punkt dargestellt, der auf einer zur p-Achse parallelen Geraden liegt, die Isochore heißt. Ebenso kann man auch eine durch den Punkt 1 des ρ F-Diagramms gehende Kurve zeichnen, deren Punkte alle jene ρ und F-Werte von Zuständen angeben, zu denen man gelangen kann, wenn der Anfangszustand 1 isotherm (dT = 0) verändert wird. Sinngemäß nennt man diese Kurve Isotherme. Ihr Verlauf in der ρ F-Ebene wird durch die Zustandsgieichung festgelegt, wenn in ihr T- T0 = const gesetzt wird. Die allgemeine Gleichung der Isothermen lautet daher in impliziter Form (22,1)
(22,2) Da eine für einen beliebigen Stoff gültige Zustandsgieichung nicht bekannt ist, läßt sich auch keine allgemein gültige Isothermengleichung angeben. Sie wird, je nachdem, welche Zustandsgieichung man zugrunde legt — im Gegensatz zur Isobaren und Isochoren — jeweils eine andere Form haben. Für den Sonderfall, daß es sich um die Zustandsgieichung eines Idealen Gases handelt, erhält man als Gleichung für dessen Isothermen pV = nRT0 = const.
(22,3)
Diese Gleichung besagt, daß eine Isotherme eines Idealen Gases im ρ F-Diagramm eine gleichseitige Hyperbel ist, deren Asymptoten die p- bzw. V-Achse sind, Abb. 22,1, (Kurve dT = 0).
75
23. Der Begriff der Polytropen
Wir kommen nun auf die eingangs gemachte Bemerkung zurück, daß sich die „Gasadiabate" pVK = const (22,4) auch geometrisch veranschaulichen läßt. Dies ist klar, denn (22,4) ist eine ρ K-Beziehung, die im ρ K-Diagramm als Kurve dargestellt - wegen des Auftretens des Exponenten κ > 1 - eine „höhere" Hyperbel ist. Gemeint ist mit diesem Ausdruck, daß die Adiabate in bezug auf die K-Achse „stärker abfällt", als die Isotherme. Anders ausgedrückt: die durch den Zustandspunkt 1 in der ρ K-Ebene gehende Isotherme und Adiabate schneiden sich nur in 1 und sonst in keinem anderen Punkt mehr. Die Neigung von Isotherme und Adiabate wird durch die Differentialquotienten ihrer Gleichungen angegeben. Für die Isotherme ist er nach (22,3): pdV+ Vdp = 0 ,
(22,5)
woraus
folgt. Dagegen erhält man aus (22,4) für die Adiabate VKdp + κρ VK~l dV= 0,
(22,7)
(j|)ad = - * £ ,
(22,8)
also
was in Verbindung mit (22,6): {%U
(22,9)
ergibt. Beachtet man die geometrische Bedeutung eines Differentialquotienten („Richtungstangente"), so besagt die letzte Gleichung, daß in der Tat die Neigungen von Isotherme und Adiabate gegen die K-Achse verschieden sind. Ferner ersieht man aus (22,9), daß das Verhältnis der Richtungstangenten von Adiabate und Isotherme gleich κ = Cp/Cy ist. Diese Aussage ist nicht nur, wie man zunächst glauben könnte, auf ein Ideales Gas beschränkt, sondern ist ein für einen beliebigen Körper gültiger Satz. Der Nachweis für diese Behauptung ist bereits erbracht: es ist die Aussage (20,18). Diese Gleichung wurde durch Umformung von (20,13) gefunden, ohne daß ein spezieller Stoff zugrunde gelegt oder einschränkende Voraussetzungen gemacht wurden.
23. Der Begriff der Polytropen Wir haben bisher vier spezielle Zustandsänderungen kennengelernt, die dadurch gekennzeichnet sind, daß während des Überganges von einem Anfangszustand eines
76
Der Erste Hauptsatz
Systems in einen anderen Zustand eine bestimmte Größe unverändert bleibt. So ist gekennzeichnet ein isochorer Prozeß isobarer Prozeß isothermer Prozeß adiabatischer Prozeß
durch durch durch durch
dV = 0 dp = 0 dT - 0 äQ= 0.
(23,1) (23,2) (23,3) (23,4)
Man kann die vorstehend angegebenen Zustandsänderungen aber auch dadurch kennzeichnen, daß für sie die spezifische Wärmekapazität c einen bestimmten Wert hat. So ist beim Ablauf eines isochoren Prozesses isobaren Prozesses adiabatischen Prozesses
c = cv c = cp c = c ac j = 0 .
(23,5) (23,6) (23,7)
Im vorstehenden Kapitel haben wir gezeigt, daß jeder dieser Prozesse in einem Zustand sdiagramm, insbesondere in derpF-Ebene, sich durch eine Kurve darstellen läßt. Man kann diese also auch als eine Kurve „konstanter spezifischer Wärmekapazität" ansehen. Da nun aber, wie in Kap. 17 gezeigt, die spezifische Wärmekapazität c jeden beliebigen Wert annehmen kann, lassen sich Zustandsänderungen definieren, bei denen die spezifische Wärmekapazität einen beliebig vorgegebenen Wert c hat, der sich während der Zustandsänderung n i c h t ändert. Eine solche Zustandsänderung nennt man einen polytropischen Prozeß und die Kurve, die ihn in einem Zustandsdiagramm, insbesondere im Arbeitsdiagramm, geometrisch darstellt, eine Polytrope. Die Gleichung einer Polytropen für ein bestimmtes Variablenpaar (F, 7), (ρ, T) oder (ρ, V) erhält man aus den früher hergeleiteten Ausdrücken für die spezifische Wärmekapazität c. Beschränken wir uns auf das Arbeitsdiagramm (p F-Ebene), so ist nach (17,13): C =
•
(23,8)
In dieser Gleichung müssen wir nun, im Gegensatz zu Kap. 17, die eckigen Klammern bei dp/dV fortlassen. Diese wurden dort als Symbol dafür eingeführt, daß dp und dV voneinander u n a b h ä n g i g sind. Je nachdem, wie sich ρ und Fändern, wird eine Zustandsänderung beschrieben, für welche die spezifische Wärmekapazität c aus (17,13) bestimmt werden kann. Nun ist aber aufgrund der Definition der Polytropen die spezifische Wärmekapazität c vorgegeben, so daß jetzt (23,8) eine Bestimmungsgleichung für dp/dV ist. Man erhält nach einfacher Rechnung dp _c-cp f3p K dV c-cy dV
(23,9)
77
24. Die Polytropengieichung für ein Ideales Gas
Für den in dieser Gleichung rechtsseitig auftretenden Quotienten schreibt man (23.10) und nennt ihn die Ordnungszahl der Polytrope. Aus den Ausführungen des folgenden Kapitels wird verständlich werden, daß y auch vielfach als Polytropenexponent bezeichnet wird. Mit Verwendung der Abkürzung 7 lautet die Differentialgleichung der Polytropen in den Variablen ρ und V für einen beliebigen Körper (23.11) Ein Integral dieser Differentialgleichung ließe sich ermitteln, wenn die Abhängigkeit der in γ auftretenden spezifischen Wärmekapazitäten cp und c v von den gewählten Variablen ρ und V sowie die Zustandsgieichung allgemein bekannt wären. Aber dies ist weder für die eine noch fur die andere Gesetzmäßigkeit der Fall, weswegen sich auch aus (23,11) kein allgemeiner Ausdruck für die Polytrope angeben läßt. Man muß sich dabei auf Sonderfälle beschränken, von denen wir nachstehend den Fall behandeln wollen, daß die „Arbeitssubstanz" ein Ideales Gas ist.
24. Die Polytropengieichung für ein Ideales Gas Für ein Ideales Gas gilt die Zustandsgieichung PV=nRT,
woraus
dp
(24,1) DT, nRT _ F2
_
ρ V
(
'
'
folgt. Geht man damit in (23,11) ein, so erhält man als Differentialgleichung für die Gaspolytrope p - y
p
f
(24,3)
Trennt man die Variablen, so ergibt sich Φ /
=
dV
(24,4)
woraus sich durch Integration ρ V7 = const
(24,5)
78
Der Erste Hauptsatz
als Gleichung für die Gaspolytrope in den Variablen/? und V ergibt. Mit Verwendung von (24,1) erhält man in anderen Variablenpaaren geschrieben, als Gleichungen der Gaspolytropen TV7'1 Tp
= const
1-τ ? = const.
(24,6) (24,7)
Hierbei bedeutet nach (23,10):
(24 8)
·
'
wobeie eine v o r g e g e b e n e Größe ist. Das Auftreten von γ in den letzten Gleichungen als Exponent erklärt, wie schon erwähnt, daß man γ auch als Polytropenexponenten bezeichnet. Historisch sei folgendes bemerkt: Vergleicht man ( 2 4 , 5 - 7 ) mit den Adiabatengleichungen ( 2 1 , 9 / 5 / 7 ) eines Idealen Gases, so findet man formale Übereinstimmung. Es waren nun eben diese Adiabatengleichungen, durch deren Verallgemeinerung 1887 der Begriff der Polytrope von Zeuner eingeführt wurde, der den als konstant vorausgesetzten Quotienten κ = cpjc y durch einen Exponenten 7 ersetzte, der einen beliebigen Wert haben kann.
Wir untersuchen, was man aus den vorstehenden Gleichungen für spezielle Werte von 7 erhält: a) Setzt man γ = 0, so liefert (24,5) als Polytropengleichung ρ = const,
(24,9)
d. i. eine Isobare. Die für sie gültige spezifische Wärmekapazität c ergibt sich aus (24,8) zu c = c p , wie bereits bekannt. b) Für γ = 1 erhält man aus (24,5): pV = c o n s t ,
(24,10)
d. i. die Gleichung einer Isothermen eines Idealen Gases. Die spezifische Wärme c = c i s , die den Ablauf einer isothermen Zustandsänderung kennzeichnet, erhält man aus (24,8). Danach ist
«-is - LV
1 " '"Vi1· is
oder Cv/Cis - CplCis •
(24,12)
Da cp und c v voneinander verschieden sind, kann die vorstehende Gleichung nur bestehen, wenn c i s = c r = 00
(24,13)
79
24. Die Polytropengleichung für ein Ideales Gas
ist. Diese Aussage war zu erwarten, denn ein Gas, das einer isothermen Zustandsänderung unterworfen wird, soll trotz der Zufuhr einer endlichen Wärmemenge seine Temperatur nicht ändern. c) Setzt man γ = κ = cp/cv, so erhält man die früher hergeleiteten Adiabatengleichung (21,9), die, wie unschwer aus (24,8) folgt, sich auch durch die spezifische Wärmekapazität c a( | = 0 kennzeichnen läßt. d) Wählen wir schließlich noch als Polytropenexponenten γ = (24,5), welche Gleichung auch in der Form ι pyV= const
so erhält man aus
(24,14)
geschrieben werden kann, V= const.
(24,15)
Dies ist die Gleichung der Isochoren eines Idealen Gases. Die für sie charakteristische spezifische Wärmekapazität ist nach (24,8): c = c v , wie es auch sein muß. Stellt man die vorstehend besprochenen Sonderfälle von Gaspolytropen tabellarisch zusammen, so erhält man aus (24,5) für den Polytropenexponenten γ=0
die Isobare ρ = const,
c = cp
(24,16)
00
(24,17)
γ=1
die Isotherme Τ = const,
c=
γ =κ =— cv
die Adiabate ρ V* = const,
c=0
(24,18)
γ = 00
die Isochore V = const,
c = cv .
(24,19)
Eine graphische Veranschaulichung des Verlaufes von c in Abhängigkeit des Polytropenexponenten 7 gibt Abb. 24,1 wieder.
lytropenexponenten γ.
80
Der Erste Hauptsatz
25. Vorläufiges zum Überströmversuch von Gay-Lussac Wir wollen nun, soweit es die bisher zur Verfügung stehenden Hilfsmittel erlauben, den in Kap. 15 nur dem Namen nach erwähnten Versuch von Gay—Lussac behandeln. Wir erinnern: die Wärmestofftheorie erklärte die Verschiedenheit von cp und c v bei der gleichen Temperaturänderung dT eines Gases dadurch, indem sie annahm, daß die gleiche Gasmenge bei gleicher Temperatur Τ einen umso größeren Wärmeinhalt (= Wärmestoffmenge) hat, je größer das Volumen ist, welches das Gas ausfüllt. Diese Annahme ist experimentell prüfbar, was erstmalig von Gay-Lussac mit Hilfe des von ihm erdachten Überströmversuchs ausgeführt wurde. Der Versuch besteht darin, daß man ein Gas, welches sich in einem starrwandigen Gefäß Α vom Volumen Vx befindet, in ein ebenfalls starrwandiges, ursprünglich evakuiertes zweites Gefäß Β vom Volumen V2 überströmen läßt (Abb. 25,1). Beide Gefäße befinden sich in einem Wasserbad.
Abb. 25,1. Zum Überströmversuch von Gay-Lussac.
Nach der vorstehend erwähnten Auffassung der Wärmestofftheorie sollte sich das Gas nach dem Überströmen in das evakuierte Gefäß abkühlen, weil es, ohne seine Masse geändert zu haben, nun das neue Volumen V = Vx + V2 > V1 einnimmt. Eine solche eintretende Abkühlung muß dann ebenfalls eine Abkühlung des Wasserbades zur Folge haben, die man beobachten kann. Nach den Messungen von Gay-Lussac wies indessen das Wasserbad keine Temperaturänderungen auf, was wir durch dTGL = 0
(25,1)
ausdrücken wollen. Aus diesem Ergebnis folgt, daß auch das Gas seine anfängliche Temperatur Τ nicht geändert haben kann. Dieses widerspricht aber der Annahme der Wärmestofftheorie, nach welcher der Wärmeinhalt (= Menge des „Wärmestoffes") eines Gases bei gleicher Temperatur Τ vom Gasvolumen V abhängig sein soll. Wir wollen untersuchen, was sich mit Verwendung des Ersten Hauptsatzes 3Q = dU + pdV
(25,2)
zum Gay—Lussacschen Versuch sagen läßt. Da während des Überströmens dem Gas weder eine Wärmemenge zugeführt noch entzogen wird, ist äQ = 0. Weiterhin leistet das Gas keine Arbeit, weil es in den ursprüng-
81
25. Vorläufiges zum Überströmversuch von Gay-Lussac
lieh evakuierten (p = 0) Raum Β strömt: es ist daher auch pdV = 0. Somit reduziert sich im vorliegenden Fall (25,2) auf dU = 0 .
(25,3)
Aus diesem Ausdruck ist ersichtlich, daß der Gay-Lussacsche Versuch ein Vorgang ist, bei dem die Innere Energie U des Gases konstant bleibt. Für einen solchen Prozeß läßt sich nun aus (25,3) sofort ein Zusammenhang zwischen einer VolumenänderungdFund der dabei eintretenden TemperaturänderungdT angeben, wenn man U als Funktion von Γ und V ansieht: U = U{T, V). Dann lautet (25,3) ausführlich geschrieben dU(T, ν) = φ
ν
ά Τ +φ
τ
ά ν .
(25,4)
Hieraus folgt für die Temperaturänderung K 7SV)T ... (zvh dT=--^j~dV=--^—dV. Vx, hat dieses eine Arbeit - A12 geleistet, die sich aus -An
v2 = fpdV Vi
(28,3)
ergibt, wenn man hierin für ρ seinen Wert aus der Gasgleichung unter Beachtung der Isothermie ( V2 gebracht wird, Abb. 28,2. Hierbei kühlt sich das Gas ab und seine ursprüngliche Temperatur 7\ geht in T2 < Tx über. Die vom Gas bei der Zustandsänderung 2 -> 3 geleistete Arbeit - ^ 2 3 ergibt sich, unter Beachtung, daß nun die Adiabatengleichung (21,9) verwendet werden muß, zu
-A23 = f3pdV= Pc^dV v2 v2 V _ COnSt / T/-1-K K
1
-κ {Vr -V2
(28,7)
iy-1-κ
)·
(28,8)
Dieser Ausdruck läßt sich umschreiben, indem man beachtet, daß die Adiabatengleichung (21,9) sowohl für den Zustand 2 als auch für 3 gilt. Es ist daher pVK = const = p2 V2 = p
3
.
(28,9)
Mit diesen Werten für die Konstante erhält man aus (28,8):
-A23 = T1r-K(p3V3-p2V2)
.
(28,10)
Die nächste Phase des Carnot-Prozesses besteht darin, daß das sich im Zustand 3 befindende Gas durch eine isotherme (dT 2 = 0) K o m p r e s s i o n in einen Zustand 4 übergeführt wird. Hierzu ist eine Arbeit>134 a u f z u w e n d e n , für die man durch sinngemäße Abänderung von (28,5): ,434
= nRT2
In F 4 / F 3
=-nRT2
In F3/K4
(28,11)
erhält. Die beim Übergang 3 -»· 4 an dem System zu leistende Arbeit erzeugt in ihm eine Kompressionswärme Q2. Da der Übergang 3 -*• 4 jedoch isotherm vollzogen werden soll, muß das Gas die Kompressionswärme Ö2 an ein zweites Reservoir („Kühler") abgeben. Wir bezeichnen dieses Reservoir miti?2> wobei nun der Index 2 daraufhinweisen soll, daß die Wärmeabgabe bei der Temperatur T2 geschieht. Da Q2 dem Gas durch den Kühler entzogen wird, ist es mit einem negativen Vorzeichen versehen, so daß man aus (28,11):
28. Der Carnotsche Kreisprozeß mit einem Idealen Gas
89
-Q2=-nRT2\nV3IV4
(28,12)
erhält. Als den Zustand 4 wählen wir jenen, von dem aus man durch eine adiabatische Kompression wieder in den Anfangszustand 1 gelangt. Hierbei ist die Arbeit
(28>13) aufzuwenden, welchen Ausdruck man durch sinngemäße Abänderung von (28,10) erhält. Die Gesamtarbeit Α nach Durchlaufen eines Carnot-Zyklus ist daher A = -A12
-A23
+
+ A34
+A4l
=nR[T1
In V2jVx)
-P2V2 +Pl vt -P4K4] .
- T2 In V3/V4]
(28,14)
(28,15)
Dieser Ausdruck läßt sich vereinfachen, indem man von der Tatsache Gebrauch macht, daß fur die Zustände 1 und 2 sowie 3 und 4 die Isothermengleichung Pi VI=P2V2,
p3V3=p4V4
(28,16)
gilt. Damit entfällt das zweite in (28,15) auftretende Glied, d. h., die längs der Adiabaten 2 3 und 4 1 geleisteten bzw. aufgebrachten Arbeiten kompensieren sich. Es verbleibt also A =
In V2/Vt
- T2 In V3/V4]
=Öi-ß2·
(28,17)
(28,18)
Aus der letzten Gleichung ersieht man, daß beim Carnot-Prozeß n i c h t die gesamte dem Gas zugefiihrte Wärmemenge Q\, sondern nur ein Teil von ihr in Arbeit umgewandelt wird, weil — wie aus (28,12) hervorgeht — die beim Übergang 3 -»• 4 vom Gas abgegebene Wärmemenge Q2 immer Φ 0 ist. Die letzte Gleichung läßt sich noch weiter vereinfachen, wenn man beachtet, daß die Zustände 2 und 3 und ebenso die Zustände 4 und 1 auf je einer Adiabaten liegen. Es gelten daher die Gleichungen ΡιΆ=Ρ*νξ p4*4
(28,19) •
(28,20)
Kombiniert man diese mit den gleichzeitig geltenden Gleichungen (28,16), so erhält man ν 2 ΐ ν λ = V3IV4 . (28,21) Geht man damit in (28,17) ein, so ergibt sich Λ = Qx - Q2 = nR(Tx - T2) In K 2 /K, > 0 .
(28,22)
90
Der Zweite Hauptsatz
Weiterhin ergibt sich aus (28,6) bzw. (28,12):
Q± = nR]nV2/V1
(28,23)
Μ
Ö2_ ψr2 = •Ii
nR In
F 3 /F 4 = nR In
V2/Vi
,
(28,24)
woraus die Beziehung (28.25) folgt, die man
Carnotsche Proportion nennt.
Sie wird meistens in anderer Form geschrieben, die sich ergibt, wenn man den Unterschied zwischen einer einem System zugeführten bzw. einer von ihm abgegebenen Wärmemenge nicht durch verschiedene Vorzeichen kennzeichnet, wie wir es hier tun. Bezeichnet man etwa die bei der Temperatur Τγ = Τ aufgenommene Wärmemenge mit einem Strich: ö i = Q' und die bei der Temperatur T2 = Τ' abgegebene Wärmemenge mit zwei Strichen: - ß 2 = Q", so wird aus (28,25):
Q' Q"
ψ + ψ τ = 0.
(28,26)
In dieser Form wird (28,25) in der Literatur meistens angegeben. Wir wollen jedoch weiterhin unter Qx oder ß 2 den absoluten Betrag von Wärmemengen verstehen und Zufuhr bzw. Entzug durch das + bzw. -Zeichen kennzeichnen. Wir führen nun den Begriff des Wirkungsgrades η ein, den wir als den Quotienten aus der beim Kreisprozeß gewonnen Arbeit Α und der zugeführten Wärmemenge ß t definieren, also
* = £
=
^ Γ -
2 = ι
- § 7 ·
(28 27)
·
Setzt man die vorstehend gefundenen Ausdrücke (28,6) und (28,12) für Qi und Q2 ein und beachtet (28,21), so erhält man = (28,28) Μ Μ Zu dem gleichen Ausdruck gelangt man, wenn die Defmitionsgleichung (28,27) für η mit (28,25) kombiniert wird. Die Formel (28,28) bringt, was schon einmal erwähnt wurde, zum Ausdruck, daß bei einem Carnot-Prozeß — und dies gilt auch für jeden anderen Kreisprozeß - eine zugeführte Wärmemenge niemals vollständig in Arbeit umgewandelt wird. Weiter liest man aus (28,28) ab, daß der Wirkungsgrad η umso größer ist, je größer die Temperaturdifferenz 7\ - T2 der beiden Reservoire R j und R2 ist, zwischen denen der Carnot-Prozeß verläuft. Von dieser Aussage macht die Technische Thermodynamik beim Bau von „Wärmekraftmaschinen" Gebrauch.
91
29. Der Carnotsche Kreisprozeß mit einer beliebigen Substanz
29. Der Carnotsche Kreisprozeß mit einer beliebigen Substanz Die im vorstehenden Kapitel angegebenen Ausdrücke (28,27/28) für den Wirkungsgrad η
öl
Qi
(29,1)
Tx
sowie die Carnotsche Proportion (28,25): Ö1_Ö2
(29,2)
wurden mit Verwendung der für ein Ideales Gas gültigen Zustands- und Adiabatengleichung gefunden. In diesen treten auf: die absolute Gaskonstante/?, die Anzahl der Mole η = m/Mr und der Polytropenexponent γ = κ = cp/cy, durch welche Größen gewisse Eigenschaften des Idealen Gases beschrieben werden. Es ist nun bemerkenswert, daß keine dieser Größen in den beiden vorstehend angegebenen Gleichungen erscheint, obwohl man dieses hätte erwarten können. Es entsteht die Frage: ist — und bejahendenfalls wie — (29,1) abzuändern, wenn der Camot-Prozeß nicht mit einem Idealen Gas (/-Prozeß), sondern mit einer beliebigen (allgemeinen = a) Arbeitssubstanz durchgeführt wird. In diesem Fall könnte es zwar sein, daß in (29,2) ebenfalls das = Zeichen gilt, es kann aber von vornherein nicht ausgeschlossen werden, daß an seine Stelle entweder das < oder das > Zeichen tritt. Bei einem Camot-Prozeß mit einer beliebigen Arbeitssubstanz (α-Prozeß) bestehen also zunächst die drei Möglichkeiten, daß ög < a)
Qi
Ί\
(29,3)
> T2