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German Pages [331] Year 2014
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Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments
Herausgegeben von Jan Christian Gertz, Dietrich-Alex Koch, Matthias Köckert, Hermut Löhr, Joachim Schaper, David Andrew Teeter und Christopher Tuckett Band 259
Vandenhoeck & Ruprecht
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Otto Kaiser
Philo von Alexandrien Denkender Glaube – Eine Einführung
Vandenhoeck & Ruprecht
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Amico Martino
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Inhalt
Karte der Stadt Alexandria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
Karte des Römischen Reiches um 14 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . .
18
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
Teil I Philos Leben und Schriften 1.
Philos Leben und Bildung . . . . . . . . . . . . 1.1 Der Philosoph geht auf in seinem Werk . 1.2 Philos Familie . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Philos Bildung . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Philos Schweigen über sein Leben . . . .
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25 25 25 26 28
2.
Philos Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Schriften der ersten Periode . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Schriften der Zwischenperiode . . . . . . . . . . . 2.3 Die Schriften der Spätzeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die dialogisch angelegten Quaestiones et Responsiones in Gen et Ex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Die Sondergruppe der Philosophischen Schriften . . .
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30 30 33 35
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37 38
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43 43 43 47 49 49 50 51 51 51 52 53 55 56
Teil II Philos Welt 3.
Philos geographische und städtische Welt . . . . . . . . . . . 3.1 Philos geographische Welt . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Alexandria – die Stadt seines Lebens und Wirkens . . 3.3 Ägypten als Land und Inbegriff des zuchtlosen Lebens 3.4. Philos städtische Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Paläste, Miet- und Einzelhäuser . . . . . . . . . 3.4.3 Von der Ausstattung der Häuser . . . . . . . . . 3.5 Der Einzelne in seiner Familie und Freundschaft . . . 3.5.1 Der Einzelne als Glied seiner Familie . . . . . . 3.5.2 Die Großfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern . . 3.5.4 Die Sonderstellung der Jungfrauen . . . . . . . 3.5.5 Das Unglück des Ehebruchs . . . . . . . . . . .
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Inhalt
3.5.6 3.5.7 3.5.8 3.5.9 4.
5.
Das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zum Haushalt gehörenden Bediensteten . Gastmähler als Demonstration des Reichtums Von den Freunden und der Freundschaft . . .
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56 57 59 60
Von den erziehenden und erkennenden Wissenschaften . . . . . . 4.1 Von der Schule, ihren Lehrern und Schülern sowie dem Ziel des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Der Unterricht in der Synagoge als der besten Form der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern . . . 4.1.3 Die Eltern als die natürliche Autorität ihrer Kinder . 4.1.4 Die Ziele der gymnasialen Erziehung mittels der Enzyklika Paideia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Die Bescheidenheit des Gebildeten angesichts der Begrenztheit alles menschlichen Wissens . . . . . . . 4.2 Vom Vorzug und Aufgabenbereich der Philosophen . . . . . 4.2.1 Die den Philosophen kennzeichnende Sorgfalt des Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Der notwendige Übergang von der Kosmologie zur Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Die Ethik oder die Lehre vom Glück der Tugend . . . 4.2.4 Zur Frage, wie sich Einsicht und Leidenschaft im praktischen Leben eines Philosophen verhalten, am Beispiel des Weingenusses erörtert . . . . . . . . . . 4.3 Philos Blick auf die Geschichte der Philosophie . . . . . . . 4.3.1 Die Vorsokratiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Sokrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Platon und Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Die hellenistische Schulphilosophie . . . . . . . . . . 4.3.4.1 Die Stoiker Zenon und Chrysipp . . . . . . . 4.3.4.2 Epikur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.3 Die Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4.4 Die Gymnosophisten . . . . . . . . . . . . . 4.4 Von den Sophisten als Lehrern und Rednern . . . . . . . . . 4.5 Von der Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Von der Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Von der Astrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
Von den Dichtern und ihrer Darstellung der Götter . . . 5.1 Philos Kriterien für die Beurteilung der Dichter . 5.2 Homer und Hesiod . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Solon und Lykurg als Vertreter der Sieben Weisen 5.4 Elegiker und Tragiker . . . . . . . . . . . . . . .
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68 69 69 71 71 73 74 75 76 76 77 78 79 80 82 82 82 84 84
9
Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
5.5 5.6 5.7 6.
Pindar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hellenistische Dichter von Menander bis zu Theokrit . . . . Von den Olympischen Göttern . . . . . . . . . . . . . . . .
Von den praktischen Berufen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Von den Ärzten und ihren Patienten . . . . . . . . 6.2 Von der Seefahrt und den Steuermännern . . . . . 6.3 Von den Fischern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Von den Risiken der Seefahrt und der Ungewissheit des menschlichen Schicksals . . . . . . . . . . . . . 6.5 Von den Handwerkern . . . . . . . . . . . . . . . .
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86 87 88
. . . .
91 91 94 96
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96 97
7.
Vom Leistungssport und der Musik . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Vom Leistungssport und den Athleten . . . . . . . . . . . 7.2 Von den Pferderennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Von der kosmischen Wurzel der Musik und den Musikern 7.4 Philos Klage über den Niedergang der Künste und Feste .
. 98 . 98 . 101 . 102 . 103
8.
Vom Krieg, den Waffengattungen, Offizieren und Soldaten . . . . 8.1 Habsucht und Ruhmsucht als Ursachen der Kriege . . . . 8.2 Von der Sicherung der Macht durch Waffen und Truppen und der Friedensherrschaft der Weisen . . . . . . . . . . . 8.3 Die Bedeutung des obersten Truppenführers . . . . . . . . 8.4 Von den Truppengattungen und ihrer Bedeutung im Krieg 8.5 Von der Motivierung der Truppen und die entscheidende Rolle der Reiterei im Kampf um den Sieg . . . . . . . . . .
. 104 . 104
9.
. 104 . 105 . 105 . 106
Von den Randgruppen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Die Randgruppen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Vom Los der Sklaven und der Pflicht, sie menschlich zu behandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Von der Prostitution und Päderastie . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Die Abhängigkeit von Philos Urteilen von der Bestimmungen der Thora . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Philos Kritik an den Prostituierten . . . . . . . . . . 9.3.3 Philos Kritik an der Päderastie . . . . . . . . . . . . 9.4 Von Dieben, Räubern und Mördern . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Von den Kleiderdieben oder Spitzbuben . . . . . . . 9.4.2 Von der Habsucht und Begehrlichkeit als Wurzeln der Verbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.3 Die Menschenräuber als die schlimmsten Verbrecher
108 108 108 111 111 111 112 114 115 115 116
10. Von den Pflanzen in Philos Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 10.1 Vom Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren . . . . . . . 118
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Inhalt
10.2 10.3 10.4
Vom Lebensbereich der Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . . 118 Von der Aufzucht und dem Schutz der Pflanzen . . . . . . . 121 Von der Baumblüte und Ernte . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
11. Von den Tieren in Philos Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Vom Streit über die Vernunft der Tiere . . . . . . . . . . . 11.2 Tiere als Strafwerkzeuge Gottes? . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Tiere in Philos Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Von den Vögeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Vom Hund als Begleiter und Wächter des Menschen und seiner Herden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Von Rindern, Ziegen und Schafen, ihrer Zucht und ihrem Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Die Sonderrolle des Schweins . . . . . . . . . . . . . . . . 11.8 Von Eseln, Maultieren und Kamelen . . . . . . . . . . . . 11.9 Von Pferden und Reitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.10 Von Raubtieren als Feinden des Menschen . . . . . . . . . 11.11 Von den Insekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.12 Von den Fischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.13 Vom Unterschied zwischen Menschen und Tieren . . . . . 11.14 Von der Torheit des ägyptischen Tierkultes . . . . . . . . 11.15 Philos Erwartung eines universalen Friedens zwischen Menschen und Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Philo und die Kennzeichen jüdischer Existenz . . . . . . . . . 12.1 Jüdisches Leben im Schatten der Thora . . . . . . . . . 12.2 Das Gebot der Sabbatheiligung . . . . . . . . . . . . . 12.3 Das Verbot des Blutgenusses . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Das Gebot der Beschneidung . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Philo und das Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Die Wallfahrten nach Jerusalem als Zeichen von Philos Gehorsam gegen die Gebote der Thora . . . . . . . . .
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13. Rückblick: Die Bestimmung von Philos Sicht auf seine Welt durch sein Lehrziel eines dem Gesetz der Natur und dem Gesetz Moses gemäßen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Philo als aufmerksamer Beobachter seiner Welt . . . . . . . 13.2 Das Gesetz der Natur und das Gesetz Moses als Maßstäbe der Urteile Philos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Philos kritischer Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit . . . . 13.4 Philos denkender Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Philos Botschaft von der Ausrichtung alles Strebens auf das Ziel des ewigen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11
Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Teil III Philo als denkender Ausleger der Thora 14. Philo als Exeget . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Philo als philosophisch gebildeter Ausleger der Thora . . . . 14.2 Die Allegorische Auslegung als Erbe der stoischen Homerexegse und Philos jüdische Vorgänger in Alexandrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Textimmanente Gründe für Philos Allegoresen . . . . . . . . 14.4 Die Gottesbezeugungen der Thora als Ermöglichungsgrund sinnvoller Rede von Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Vom Verhältnis zwischen dem Gesetz der Natur und den Geboten der Thora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6 Beispiele für Philos exegetische Methoden . . . . . . . . . . 14.6.1 Die Allegorese von Gen 2,10 – 14 in Leg.I.63 – 65 als Beispiel seiner frühen Auslegungskunst . . . . . . . 14.6.2 Ein Beispiel für seine späten Auslegungen mit klarer Trennung von Textsinn und Allegorese in De Abrahamo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6.3 Die Auslegung der beiden ersten Gebote des Dekalogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.6.4 Der Vergleich zwischen Tugend und Laster als Parabel in Sacr.20 – 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Philos Mittelplatonische Kosmologie . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Eudoros von Alexandrien als Vorgänger Philos . . . . . . 15.2 Die Sapientia Salomonis als Vorläuferin von Philos Kosmologie und Soteriologie? . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Philos mittelplatonische Kosmologie . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Philos Rede vom Kosmos . . . . . . . . . . . . . . 15.3.2 Philos Lehre von der ersten Schöpfung als Idee Gottes und ihrer irdischen Verwirklichung nach seiner Schrift De Opificio Mundi . . . . . . . . . . 15.3.3 Vergleich der Kosmologie des Eudoros und der Philos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Der Logos als Schöpfungsmittler . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Die Aussagen über den Logos als Beispiel für den aspektiven Charakter seiner Aussagen über das Verhältnis zwischen Gott und Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Philos Lehre von den Sternen als den sichtbaren Göttern und den unsichtbaren Geistern . . . . . . . . . . . . . . . 15.7 Anhang 1: Philos Verständnis der Zeit . . . . . . . . . . . 15.8 Anhang II: Philos Blick auf die reale Welt . . . . . . . . . 15.8.1 Der Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.8.2 Erdgeschichtliche Veränderungen . . . . . . . . . .
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Inhalt
15.9
Philos Zurückhaltung gegenüber naturwissenschaftlichen Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
16. Philos Lehre von Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Der transzendente Gott als der ganz Andere . . . . . . . . . 16.2 Die Grenzen der Theologia negativa . . . . . . . . . . . . . 16.3 Gottes Wirken als Schöpfer und Lenker der Welt . . . . . . 16.4 Der Kosmos als Tempel Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Gott als der wahre Weltbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6 Die Vorsehung Gottes als Akt der Fürsorge für die Welt und die Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.7 Die Gottesbeweise als Erhebung des denkenden Glaubens zu Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.7.1 Die vier Gottesbeweise der Stoa . . . . . . . . . . . . 16.7.2 Philo und der physikoteleologische Gottesbeweis . . 16.7.3 Philos Gottesbeweis aufgrund des göttlichen Vorherwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.7.4 Vier Arten der Prophetie bei Philo und Platon . . . . 16.7.5 Philo und der kinetische Gottesbeweis . . . . . . . . 16.8 Philos Ausweichen vor dem Theodizeeproblem . . . . . . . 16.9 Philos Lehre von Gott auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . 17. Philos Lehre vom Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Der Mensch als Leib, Seele und Geist . . . . . . . . . . . 17.2 Philos Lehre vom Aufbau des Leibes . . . . . . . . . . . 17.3 Die Lehre von der Seele und den Affekten bei Platon und Aristoteles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Die stoische Lehre von der Welt und der Seele . . . . . . 17.5 Die stoische Lehre von den Affekten . . . . . . . . . . . 17.6 Die stoische Lehre vom Schicksal und der Verantwortlichkeit des Menschen . . . . . . . . . . . . . 17.7 Philos Lehre von der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.8 Das Herz als Zentralorgan des Lebens . . . . . . . . . . 17.9 Philos erkenntnistheoretische Voraussetzungen . . . . . 17.10 Philos Lehre vom Gewissen . . . . . . . . . . . . . . . . 17.11 Philos Lehre von den Affekten, der Handlungsfreiheit und dem Tod der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.12 Das Problem des Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.13 Vom gleichen Rang aller Menschen als den Geschöpfen Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
18. Philos Ethik I: Die Lehre von den Tugenden und Lastern und dem Ziel des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Die Lehre von den Tugenden und dem Ziel des Lebens bei Platon, Aristoteles, Theophrast und Epikur . . . . . . . . . 18.2 Die stoische Lehre von Tugend und Laster und dem naturgemäßen Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Das stoische Ideal des selbst beherrschten Menschen und seinen durch die Oikeiosislehre bestimmten Pflichten . . . . 18.4 Die Stoische Lehre von den Adiaphora . . . . . . . . . . . . 18.5 Philos Lehre von den Tugenden und Lastern . . . . . . . . . 18.6 Philos Aufnahme der stoischen Lehre von den zweifachen Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7 Philos erweiterter Tugendbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 18.8 Die Proselyten als Zeugen des Segens der Umkehr . . . . . . 18.9 Philos Urteil über die Leidenschaft und ihre Folgen . . . . . 18.10 Philos Lasterkataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.11 Philos Lehre der Empfänglichkeit des Menschen für das Böse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.12 Philos Lehre vom Sündenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.13 Exkurs I: Die Rolle der Frau in Philos Denken . . . . . . . . 18.14 Philos Absage an der Begehrlichkeit dienende Lustbarkeiten 18.15 Vom Ziel des tugendhaften Lebens . . . . . . . . . . . . . . 18.16 Die stoische Lehre von Tugend und Laster und Philos Bewertung der Umkehr als Tugend . . . . . . . . . . . . . . 18.17 Die Selbstbeherrschung des Weisen als Ausdruck seiner Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Philos Ethik II: Die Lehre von den Gütern und der Wahlfreiheit . . 19.1 Die Begründung der Ethik bei Philo, Platon und in der Stoa. 19.2 Philos Lehre von den Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3 Die Tugend und die Lebensalter oder Philos erste platonische Korrektur der stoischen Ethik . . . . . . . . . . 19.4 Die positive Bedeutung der Affekte oder Philos zweite platonische Korrektur der stoischen Ethik . . . . . . . . . . 19.5 Exkurs I: Die Bedeutung der Erziehung für die Einsicht in Tugend und Laster bei Philo . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Exkurs II: Das Ideal des Vita contemplativa . . . . . . . . . 19.7 Die Urteilsfreiheit und Wahlfreiheit des Menschen als selbstverständliche Denkvoraussetzung Philos . . . . . . . . 19.8 Die stoische Lehre von der Freiheit, dem Schicksal, der Notwendigkeit und der göttlichen Vorsehung . . . . . . 19.9 Das Problem der Vereinbarkeit der Allmacht Gottes und der Verantwortlichkeit des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . 19.10 Noch einmal: Die Rolle der Vorsehung bei Philo . . . . . . .
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Inhalt
19.11 Das Problem des Bösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 19.12 Das Problem der Allmacht Gottes und der Verantwortlichkeit des Menschen bei Philo und dem Apostel Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 20. Philos Politisches Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Die antiken Lehren von den Staatsformen und ihrem Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Ist Philos ideale Demokratie mit dem Römischen Reich oder der in der Heilszeit die Weltherrschaft antretenden jüdischen Theokratie identisch? . . . . . . . . . . . . . . . 20.3 Das Theokratische Ideal der Mosaischen Verfassung . . . 20.4 Der jüdische Weltstaat als partizipatorische Demokratie . 20.5 Die Ochlokratie, Oligarchie und Tyrannenherrschaft als schlechte Staatsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.6 Tyrannen als Nothelfer Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . 20.7 Die Mitte als das politisch Beste . . . . . . . . . . . . . . . 20.8 Die Menschen als Bürger einer einzigen Weltstadt und das jüdische Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Philos Heilserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1 Philos individuelle Heilserwartungen . . . . . . . . . . . . 21.1.1 Platons Lehre von den Sternen als der Heimat der Seelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1.2 Die antike Vorstellung vom Äther als der höchsten und reinsten Region des Himmels . . . . . . . . . . 21.1.3 Der Äther als die wahre Heimat der Seele . . . . . 21.1.4 Das unterschiedliche Los der Toten . . . . . . . . . 21.2 Philos kollektive Heilserwartungen . . . . . . . . . . . . . 21.3 Die unaufgelöste Spannung zwischen beiden Heilserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Der denkende Glaube bei Philo und die natürlichen Wurzeln der Sittlichkeit und des Glaubens an Gott und des Menschen Unsterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Philo als mittelplatonischer Denker . . . . . . . . . . . . . 22.2 Die Theologisierung des philosophischen Denkens in der hellenistischen Philosophie und ihre Fortsetzung durch Eudoros und Philo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Philos Lehre von der doppelten Schöpfung der Welt . . . . 22.4 Philos Lehre von den Tugenden und Gütern . . . . . . . . 22.5 Philos Abgrenzungen von der Stoischen Philosophie . . . 22.6 Philos Lehre als Urbild des denkenden Glaubens . . . . . 22.7 Philo als Ausleger der Thora . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
22.8 22.9 22.10 22.11
22.12 22.13 22.14 22.15
Philos Aussagen über Land und Leute und die Natur als Spiegel der wissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit . . Das Problem der Harmonie zwischen den Gesetzen der Natur und der Thora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die anthropologische Voraussetzungen der Ethik . . . . . . Die exzentrische Positionalität des Menschen im Jetzt und Hier und die Erschließung seiner Innenwelt, Außenwelt und Mitwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Dasein zum Tod als Voraussetzung des Glaubens an Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philos Verständnis der Gottessschau als Vorspiel der Heimkehr der Seele zu Gott . . . . . . . . . . . . . . . . Philo als menschenfreundlicher Lehrer für ein gelingendes Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Exeget Philo als Wegbereiter der allegorischen Auslegung der Bibel in der Alten Kirche und der Kirche des Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23. Philo und das Neue Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1 Der Problemhorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Astraler Unsterblichkeitsglaube und christliche Auferstehungshoffnung oder Philo und Paulus . . . . . . . . 23.3 Philos Bewertung des Amtes des Hohen Priesters als kosmischem Mittler und das hohepriesterliche Amt Jesu nach dem Hebräerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.4 Apg 7,48 – 50 oder der Kosmos als der Tempel Gottes . . . . 23.5 Philos Lehre vom Logos und die Lehre von Jesus Christus als dem Schöpfungsmittler und fleischgewordenen Logos im Prolog des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . 23.6 Die dogmengeschichtlichen Folgen der Identifikation des irdischen Jesus mit dem göttlichen Logos für das Bekenntnis der Christlichen Kirche . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Abkürzungen . . . . 1. Werke Philos . . . . . . . 2. Andere Antike Autoren . 3. Sammelwerke und Lexica
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Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
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Karte der Stadt Alexandria
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Karte der Stadt Alexandria
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Universität Trier, Zeichnungssammlung des Instituts für klassische Archäologie.
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Karte des Römischen Reiches um 14 n. Chr.
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Karte des Römischen Reiches um 14 n. Chr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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WBG, Darmstadt. Entnommen aus: Karl Galinsky, Augustus. Sein Leben als Kaiser, Darmstadt 2013, S. 6 – 7.
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Vorwort
Nachdem meine Forschungen seit den frühen 90er Jahren dem Thema „Judentum und Hellenismus“ galten und ich es bis einschließlich der Schriften des Flavius Josephus erhellt hatte, war es an der Zeit, die verbliebene Lücke zu schließen und nicht länger an Philo von Alexandria vorüberzugehen. Als historisch-kritisch geschultem Exegeten hatten seine Allegoresen mich als Auswuchs eines phantasievollen Umgangs mit der Thora abgestoßen. Als ich mir vor einigen Jahren darüber klar wurde, dass diese Haltung sich mit der eines Historikers nicht vereinbaren lässt, begann ich seine Schriften unter dem Gesichtspunkt seiner Tugendlehre zu lesen, die sich alsbald als ein in sich zusammenhängendes Ganzes erwies und mit ihrer Nähe und ihren Abgrenzungen zur stoischen Ethik ein eigenes Profil zu erkennen gab. Nachdem ich mir Einblick in die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen seiner allegorischen Methode verschafft hatte, konnte ich daran gehen, mir das Ganze seines Lebens und Denkens zu vergegenwärtigen. Ein knappes Gespräch, das ich vor fünf Jahren mit meinem dem nach menschlichem Ermessen zu früh in die Ewigkeit abberufenen Marburger Kollegen Friedrich Avemarie führte, gab mir den letzten Impuls, eine in deutscher Sprache fehlende Einführung in Philos Leben und Denken zu verfassen. Ich habe sie in drei Teile gegliedert und im ersten sein Leben und seine Schriften, im zweiten seinen Blick auf seine Umwelt im weitesten Sinn und im dritten seine Lehren in ihrem inneren Zusammenhang vorgestellt. Dabei war ich bestrebt, nicht nur die Lehren seiner philosophischen Gewährsmänner sondern auch seine Aussagen über seine Umwelt mit den verfügbaren antiken Quellen zu vergleichen. Ich hoffe, dass ich auf diese Weise meiner Absicht gerecht geworden bin, Philo als einen tief in den Vorstellungen seiner Zeit verwurzelten Gelehrten vorzustellen, der seine Leser durch seine nicht voneinander zu trennende Menschlichkeit und Frömmigkeit über die Jahrhunderte hinweg zur Selbstprüfung und zur Gelassenheit des Glaubens anzuleiten vermag. In Philos Schriften begegnet uns der erste biblische Theologe, der sich zur Daseins- und Existenzerhellung philosophischer Lehren bediente, ohne ihnen ein Einspruchsrecht gegen den Glauben an den persönlichen Gott zu gewähren, der Israel als sein Volk zum Heil der ganzen Welt erwählt hat. Damit ist Philo zum Urbild aller biblischen Theologen geworden, die ihren Glauben denkend vertreten. Als ein solcher verdient er es, nicht nur Spezialisten der Auslegungs- und Philosophiegeschichte sondern auch einem breiteren Kreis von Geisteswissenschaftlern und Theologen vorgestellt zu werden. Dazu möchte die vorliegende Darstellung das Ihre beitragen.
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Vorwort 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Für Hilfe bei der Beschaffung zahlreicher Textausgaben bin ich Frau Christine Schmidt-Oehlenschläger von der Buchhandlung Lehmanns Media Universitätsbuchhandlung Elwert in Marburg und für eine kritische Lektüre des Manuskripts meinem Freund Herrn Dr. Jörg Garscha in Dankbarkeit verbunden. Dem Verlag Philipp von Zabern (WBG) in Mainz danke ich für die freundlich erteilte Genehmigung, die Karte des Römischen Reiches im Jahr 14 n. Chr. von Karl Galinsky, Augustus. Sein Leben als Kaiser, 6 – 7 (2013) abzudrucken und dem Ärchäologischen Institut der Universität Trier sei ebenfalls herzlich für die Erteilung der Abdruckrechte für den Stadtplan von Alexandrien gedankt. Des Weiteren möchte ich dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die Möglichkeit der Publikation, Herrn Moritz Reissing für die Betreuung der Drucklegung und nicht zuletzt den Herausgebern der Reihe „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments“ für die Aufnahme meines Werkes danken. Marburg, im März 2014
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Otto Kaiser
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Teil I Philos Leben und Schriften
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1. Philos Leben und Bildung 1.1 Der Philosoph geht auf in seinem Werk Trotz seiner Bedeutung als der wohl wichtigste jüdisch-hellenistische Schriftsteller sind Philos genaue Lebensdaten unbekannt. Allein die Tatsache, dass er im Jahre 39/40 die Delegation der jüdischen Gemeinde Alexandriens anführte, die beim Kaiser Caius (Caligula) Protest gegen die von dem Provinzstatthalter Flaccus tolerierten dortigen antijüdischen Ausschreitungen einlegen sollte,1 weist darauf hin, dass er ein Vertreter einer, wenn nicht der einflussreichsten jüdischen Familie seiner Heimatstadt war. Da er sich damals bereits als ein alter Mann fühlte (vgl. Leg.Gai.1 u. 182), dürfte er in den letzten Jahrzehnten des vorausgehenden Jahrhunderts geboren sein.2 Vermutlich hatte bereits sein Großvater das römische Bürgerrecht erhalten, so dass ihm alle Bildungsmöglichkeiten offen standen. Dass er eine klassische Bildung besessen hat, belegen seine Schriften und die in ihnen wiederholt ausgesprochene Hochschätzung der sie vermittelnden Enzyklika Paideia, des klassischen Bildungsprogramms.3
1.2 Philos Familie Nach Jos.Ant.XVIII.259 (vgl.158) war sein Bruder Alexander ein erfolgreicher Banker und darüber hinaus Alabarch und das bedeutet vermutlich: Verwalter der Staatlichen Steuern und Zolleinnahmen der kaiserlichen Provinz Ägypten (Jos. Ant.XVIII.158).4 Sein Reichtum gestatte es ihm nicht nur, dem König Agrippa I. und seiner Gemahlin Kypros eine erhebliche Summe zu leihen (Jos.Ant.XVIII.159 – 160), sondern auch die Tore des Jerusalemer Tempels mit Gold- und Silberbelägen schmücken zu lassen (Jos.Bell.V.201 – 206). Nachdem ihn Gaius (Caligula) gefangen gesetzt hatte, gab ihm Claudius die Freiheit zurück, weil er mit ihm als dem Finanzverwalter seiner Mutter Antonia be1 Vgl. dazu E.M. Smallwood, Jews, 235 – 245 und P. Borgen, Philo, 33 – 37. 2 Zu seiner Familie und seinem Leben vgl. Borgen, Philo, 14 – 29; D.R. Schwartz, Philo’s Life, 9 – 31 und die unterschiedlichen Einschätzungen der Zeit seiner Geburt einerseits z. B. E. Zeller, Geschichte der Philosophie III/2, 385 – 386 (zwischen 30 und 20 v. Chr.) und andererseits J. Morris, in: Schürer-Vermes III/2, 816 und D.R. Schwartz, 10 (zwischen 20 und 10 v. Chr.). 3 Vgl. zu ihr F. Ueberschaer, Weisheit, 123 – 134 und zu ihrer Rolle bei Philo Borgen, 17 und O. Kaiser, Arete¯ (DCLY 2011), 407 – 410 bzw. unten 63 – 64. 4 Vgl. dazu A. Kasher, Jews in Hellenistic Alexandria, 86 und Smallwood, Jews, 226 – 233.
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freundet war (Jos.Ant.XIX.276). Von seinen drei Kindern heiratete sein Sohn Marcus Julius Alexander, der nach epigraphischen Zeugnissen ebenfalls ein talentierter Geschäftsmann war,5 die Tochter des jüdischen Königs Agrippa I., die sich nach dessen Tod mit seinem Bruder Herodes vermählte, dem Claudius das Königreich Chalkis verliehen hatte (Jos.Ant.XIX.277).6 Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Familie Philos selbst mit den Hasmoneern verwandt war. Sein zweiter Sohn Tiberius Julius Alexander bekleidete hohe römische Staatsämter, darunter von 46 – 48 das des Procurators der Provinz Judaea (Jos.Bell.II.220) und von 66 – 70 das des Praefekten der kaiserlichen Provinz Ägypten (Jos.Bell.IV.616; Tac.Hist.I.11).7 Als solcher hat er 69 die Ausrufung Vespasians durch die in Ägypten stationierten Legionen zum Kaiser veranlasst (Tac.Hist.II.79 – 80; Jos.Bell.IV.616 – 618). Nachdem Vespasian den Feldzug gegen die Juden seinem Sohn Titus übertragen hatte, wurde er durch Tiberius Alexander bei der Belagerung und Eroberung Jerusalems und seines Tempels unterstützt (Jos.Bell.VI.236 – 242).8 Dass der Tempel entgegen beider Absicht in Flammen aufging, war nicht ihr Verschulden (Jos.Bell.VI.249 – 255). Als drittes Kind Alexanders können wir eine in der Überlieferung nicht erwähnte Tochter postulieren, als deren Sohn Lysimachus anzusehen ist, der in Anim.2 Tiberius Alexander als seinen Onkel und zugleich als seinen Schwiegervater bezeichnet. Er führt in Anim1 – 9 und 72 – 76 ein Gespräch mit „dem ehrwürdigen“ Philo.9
1.3 Philos Bildung Wenden wir uns Philo selbst zu, so hatten ihm als Angehörigem einer der reichsten und einflussreichsten jüdischen Familien in Alexandrien alle Möglichkeiten offen gestanden, eine fundierte griechisch-hellenistische Allgemeinbildung zu erwerben.10 Dabei wurde sein metaphysisches Denken außer durch Plato und vermutlich den Begründer des Mittleren Platonismus Eudoros von Alexandrien und sein ethisches vor allem durch einen platonisch 5 Vgl. dazu L.H. Feldman, Josephus XIX (LCL 433), 343 f. 6 Vgl. dazu E.M. Smallwood, Jews under Romen Rule, 181 – 200. 7 Zum Status des von Augustus als kaiserliches Privateigentum annektierten Ägypten vgl. A.H.M. Jones, Greek City, 59 – 79; F. Jaques/J. Scheid, Rom und das Reich, 184 – 185 und zu dem stets vor den Toren Alexandrias einquartierten Kern des ägyptischen Heeres 157 bzw. A.K. Bowman, Povincial Administration and Taxation (CAH2 X), 346 – 347 und 365 – 370. 8 Vgl. auch die tabellarische Übersicht seines Lebens bei A. Terian, Philonis Alexandrini De Animalibus, 32. 9 Vgl. dazu Terian, 25 – 27. 10 Wie Philo seine klassische Bildung erworben hat, ist umstritten. Nach Borgen, Philo, 165 hätte er ein hellenistisches Gymnasium besucht, nach A. Kasher, Jews, 233 – 261 und bes. 255 – 257 eine entsprechende Einrichtung der jüdischen Gemeinde, und nach Runia, Philo and Timaeus, 255 – 257 Privatunterricht erhalten.
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gebrochenen Stoizismus,11 aber auch durch aristotelisch-peripatetisches Gedankengut beeinflusst.12 Nicht zu übersehen, sind die pythagoreischen Motive, bei denen es unklar ist, ob sie auf ein neues Interesse am Pythagoreismus in Alexandria zurückgehen oder ein durch den Platonismus vermitteltes Erbe darstellen.13 Daher wird man zögern, Philos Freude an der Rückführung zeitlicher Erscheinungen auf Zahlen einseitig entweder auf Platon oder auf pythagoreische Einflüsse zurückzuführen.14 Sie machen sich zumal in Philos Kosmologie in dem Gedanken der Mathematisierbarkeit der Welt bemerkbar. Die Welt ist kein Chaos, sondern ein Kosmos, weil ihre Gestalt und ihr Verlauf durch mathematisierbare Proportionen bestimmt werden.15 Dass Philo bei seiner Schöpfungstheologie die Siebenzahl der Wochentage in Gen 1,1 – 2,4a einen gleichsam natürlichen Anknüpfungspunkt für seine kosmische Arithmetik lieferte, darf man nicht übersehen.16 Würden wir derartige Nachweise der Bestimmtheit kosmischer Erscheinungen als Zahlenspiele bewerten, hätten wir sie vollständig missverstanden: Die Pythagoreer und Platoniker waren überzeugt, dass diese Zahlenverhältnisse einen für die entsprechenden Objekte konstitutiven Charakter besitzen.17 Philos breite klassische Bildung, welche die Kenntnis der griechischen Dichtung von Homer bis zu Theokrit,18 des Historikers Herodot und des Sokratikers Xenophon und der vorsokratischen, platonischen, aristotelischen
11 Vgl. dazu C. Lvy. Philo’s Ethics, 150. 12 Vgl. dazu Lvy, 150 – 152, der 152 drauf hinweist, dass Philos Behandlung der Andreia in Virt.1 – 15 sokratische Züge trägt. Weiterhin ist daran zu erinnern, dass Philos Überzeugung, dass ein endliches Wesen notwendig sündhaft ist, seine Tendenz zur Herabsetzung der Sinnlichkeit erklärt. Ihr kam die strenge stoische Ethik entgegen, nur dass er deren ungebrochenes Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der Tugend durch das Vertrauen auf den transzendenten Gott und seine Offenbarung in der Thora ersetzt hat, vgl. dazu Zeller, Geschichte III/2, 449 – 455. Zu aristotelischen Einflüssen auf Philos Denken vgl. Decal.30, wo er offensichtlich auf die aristotelische Kategorienlehre Top.A.9.103b20 – 25 bzw. Cat.IV.1b25 – 28 zurückgreift sowie auf seine Bestimmung der Tugend als Mitte zwischen zwei Extremen in Spec.IV.108; vgl. auch Migr.147 und Prob.43 und dazu Aristot.Eth.Nic.II.1106b36 – 1107a11. 13 Vgl. M. Frede (DNP VIII/2000), 879 – 880 und zum mathematischen Pythagoräismus Platons Ph.S. Horkey, Plato, passim. 14 Vgl. z. B. Opif.13.47 – 50.89 – 102 und Decal.20 – 23 sowie zur die Objekte konstituierenden Bedeutung der Zahlen und Proportionen bei Platon z. B. Tim.35b – 36b, dazu Zeller, Geschichte II/ 1, 777 – 784 und zum pythagoreischen Verständnis der Zahlen als den Elementen der Welt Aristot.Pyth.frg.13 (Ross) und weiterhin ausführlich W.C.K. Guthrie, History I, 212 – 301, Riedweg (DNP X/2001), 651 – 652; ders., Pythagoras, 108 – 119 und bes. L. Couloubaritsis, Origines, 94 – 101 und zuletzt Ph.S. Horky, Plato and Pythgoreanism, 3 – 35 und 166 – 199 und zur Bedeutung der Zahlen bei Philo als Mittel der Schriftauslegung z. B. O. Arndt, Zahlenmystik, 167 – 171. 15 Vgl. dazu unten, 78 – 80. 16 Vgl. dazu D.T. Runia, Philo and Timaeus, 417 Anm. 23. 17 Vgl. Aristot.Metaph.V5.985b23 – 986a3 (partim DK 58 B 4) und das einschlägige Aristoteles Zitat in Jambl.Scient.Math.25.78.8 – 26 bei Horkey, Plato, 31. 18 Vgl. dazu unten, 82 – 88.
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und hellenistischen Philosophen umfasste, ist schlechthin bewundernswert.19 Die Grundlage seiner Exegesen bildeten indes die fünf Bücher Moses in der griechischen Übersetzung der Siebzig, die er als der Hebräischen Bibel gleichwertig erachtete.20 Sie bildete den Ausgangs- und Endpunkt seines Denkens. Als Glied der vermutlich führenden jüdischen Familie Alexandrias dürfte das Griechische nicht nur seine Schrift- sondern auch seine Muttersprache gewesen sein. Dem Geschmack seiner Zeit entsprechend, ist sein griechischer Stil asianisch und d. h. breit und verschränkt.21 Seine Hebräischkenntnisse beschränkten sich auf die Fähigkeit, ein Onomasticon hebräischer Begriffe und Namen zu benutzen.22 Dass der Tempel in Jerusalem für ihn das nach Gottes Anweisung errichtete zentrale Heiligtum war, belegt der Bericht über die an Moses ergangene Anweisung zum Bau des Zeltheiligtums und damit des Vorläufers den Jerusalemer Tempels in II Mos 66 – 108. 136 – 140 – Dass er vermutlich öfter nach dort gepilgert ist, lässt sich aus Prov.II.107 erschließen.
1.4 Philos Schweigen über sein Leben Als Mensch verschwindet Philo für uns hinter seinen Schriften. Wir erfahren abgesehen von seinem Bericht über die Führung der Delegation der Juden Alexandriens zum Kaiser Gaius im Jahr 43/44 n. Chr. nichts über seine äußeren Lebensumstände oder über seine Eltern und Geschwister. Selbst in seiner dem zum Heidentum konvertierten Neffen gewidmeten Schrift über die göttliche Vorsehung (De Providentia) bleibt der Empfänger hinter den Argumenten verborgen, die ihn von der Wahrheit des jüdischen Glaubens überzeugen sollen. Aus seiner insgesamt traditionellen und innerhalb dieses Rahmens ausgewogenen Beurteilung des Charakters und der sozialen Rolle der Frau lässt sich kein sicherer Rückschluss auf seinen Familienstand ziehen, obwohl man sich ihn instinktiv als einen seine Ruhe liebenden Junggesellen vorstellt.23 Vermutlich bezieht sich seine Klage in Spec.III.1 – 5 über die durch politische Sorgen verursachte und nun überstandene Störung seiner philosophischen Studien und seiner Betrachtung des Kosmos auf seinen Einsatz für seine Glaubensgenossen. Selbst wenn ihm nur eine kurze Zeit der Stille und Ruhe 19 Vgl. die Zusammenstellungen von Willy Theiler, Sachweiser zu Philo (W. in d. Ü. VII), 388 – 392 und Borgen, Philo, 16 – 17. 20 Vgl. Mos.II.25 – 44 mit Ps.Arist.9 – 10.301 – 311; Jos.Ant.XII.34 – 39.101 – 109 und zur tatsächlichen Geschichte der Entstehung der Septuaginta knapp W. Kraus/M. Karrer, Septuaginta Deutsch, IX – X bzw. A. A. Fischer, Text des Alten Testaments, 115 – 128, zur Bewertung ihrer Entstehungslegende im Aristeasbrief 118 – 121 und zu Philos mangelhaften hebräischen Sprachkenntnissen Kamesar, Interpretation, 71 – 72. 21 Zu seiner Grammatik, Stilistik und Rhetorik vgl. Th.M. Cowley, Philo’s Rhetorics, 343 – 371. 22 Vgl. dazu F. Siegert, Interpretation, 165. 23 Vgl. dazu den Exkurs über die Rolle der Frau bei Philo, unten, 228 – 229.
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von politischen Unruhen gegönnt würde, wolle er sich beschwingt über die Wogen erheben und gleichsam in den Lüften schweben, in denen ihn das Wehen der Wissenschaft umfächelten. Man spürt seinen geradezu poetischen Worten das Glück des Gelehrten an, der endlich wieder in die Ruhe seines Studierzimmers zurückkehren und sich dort den Grundfragen über Gott, Welt und Mensch widmen kann. Wenn wir im II. Teil der vorliegenden Darstellung Philos Lebenswelt rekonstruieren, frönen wir damit keiner Schlüsselloch-Perspektive, sondern versuchen, den Lebensraum und den breiten Bildungshorizont zu rekonstruieren, die beide in seinen Schriften vorausgesetzt werden. Denn er erstreckt sich nicht nur auf die griechische Philosophie und Dichtung, sondern umfasste auch ein breites Realienwissen, das von den Pflanzen und Tieren, der Großfamilie und ihrer Helfer über die unterschiedlichsten Berufe bis zu den Randgruppen der damaligen Gesellschaft reichte. In seinen eingestreuten Werturteilen spiegelt sich nicht nur sein leidenschaftliches Eintreten für ein tugendhaftes Leben sondern auch die Menschlichkeit und Frömmigkeit seiner Gesinnung, die in der Einbeziehung der Menschenliebe und der Umkehr in seinen Tugendkatalog ihren Ausdruck gefunden hat.24
24 Vgl. dazu unten, 220 – 223.
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2. Philos Schriften 2.1 Die Schriften der ersten Periode Seine Schriften lassen sich in drei zeitliche Perioden und zwei weitere Sachgruppen gliedern: Zu den ältesten und mithin zur 1. Periode gehören die 21 Schriften, in denen er Gen 2,1 – 41,7 allegorisch auslegt1. Sie werden durch die Legum Allegoria oder Allegorische Auslegung der Gesetze (Leg.I – III) eröffnet: In I behandelt Philo Gen 2,1 – 17, in II Gen 2,18 – 3,1a und in III Gen 3,8b – 19. Offenbar fehlt ebenso der Gen 3,1b – 8a wie der Gen 3,20 – 23 gewidmete Teil; denn De Cherubim (Cher.) legt Gen 3,24 – 4,1 aus. De Sacrificiis Abelis et Caini oder Über die Opfer Kains und Abels (Sacr.) schließt mit seiner Bearbeitung von Gen 4,2 – 3 lückenlos den vorausgehenden Traktat an. Dass Philo in Sacr, die Erzählung von Herakles am Scheidewege auf den Wettstreit zwischen Lust und Tugend übertragen und in sie den umfangreichsten Lasterkatalog des Altertums eingefügt hat (Sacr.32),2 sei schon hier erwähnt. Philos Auslegung von Gen 4,5 – 7 ist nicht überliefert; denn Quod Deterius Potiori insidiari soleat oder Warum der Schlechtere dem Besseren nachzustellen pflegt (Det.) befasst sich mit Gen 4,8 – 15. Der Grundgedanke, dass alles Schlechte dem Guten nachstellt, aber das Gute trotzdem siegt, gibt Det. seine thematische Geschlossenheit. Der nächste Traktat De Posteritate Caini oder Über die Zukunft Kains (Post.) schließt mit der Auslegung von Gen 4,16 – 25 (ohne 23 – 24) lückenlos Det. an. Dann folgen die Schriften De Gigantibus oder Über die Giganten (Gig.), die Gen 6,4b auslegt3 (so dass die Toledot in Gen 5,1 – 32 unkommentiert bleiben) und mit ihrer Lehre von den Engeln nachgewirkt hat, sowie Quod Deus immutabilis sit oder Warum Gott unveränderlich ist (Imm.), eine allegorische Auslegung von Gen 6,4 – 12. Beide Schriften bildeten nach dem Zeugnis Eusebs ursprünglich ein einziges Buch. Dann bleibt eine Gen 6,13 – 9,19 entsprechende Lücke, denn De Agricultura oder Über Noah als Ackerbauer (Agr.) behandelt bereits Gen 9,20a. Diese Schrift lässt sich in zwei Teile gliedern: Der 1. Agr.1 – 123 umfassende handelt von den Unterschieden zwischen Landwirtschaft und Ackerbau, Hirten und Viehzüchtern sowie Kunstreitern und Reitern und ihrer übertragenen Bedeutung, der 2. in Agr.124 – 180 vorliegende von den Anfängen eines tugendhaften Lebens, worauf 181 zusammenfassend feststellt, dass Noah nur den Anfang der
1 Vgl. dazu unten, 161. 2 Vgl. dazu unten, 164 – 166. 3 Die Toledot in Gen 5,1 – 32 hat Philo nicht kommentiert.
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Landwirtschaftskunst und mithin der Frömmigkeit besaß.4 Bei der folgenden Schrift De Plantatione oder Über Noah als Gärtner (Plant.), die Gen 9,20b auslegt, handelt es sich eigentlich um eine zweite Abhandlung über die Landwirtschaft. Sie befasst sich zunächst mit Gott als dem Pflanzer der Welt und des Menschen (Plant.2 – 72), dann von dem Weisen als Pflanzer der Frömmigkeit (Plant.73 – 92) und abschließend von den Durchschnittsmenschen als Pflanzer der mittleren Pflichten (Plant.93 – 177). Im Hintergrund scheint eine stoisch beeinflusste allegorische Auslegung der Welt als eines Baumes zu stehen.5. An diese Schrift schließen De Ebrietate oder Über Noahs Trunkenheit (Ebr.) und De Sobrietate oder Über Noahs Nüchternheit (sobr :) an, die Gen 9,1 bzw. Gen 9,24 – 27 allegorisch auslegen Nach Euseb und Hieronymus soll Philo zwei Bücher über die Trunkenheit Noahs geschrieben haben, wobei diskutiert wird, ob das erhaltene das erste oder das zweite ist. Angesichts der auffallenden Kürze von De Sobrietate erhebt sich die Frage, ob es ursprünglich mit De Confusione linguarum zusammen ein einziges Buch bildete.6 Die Toledot in Gen 9,28 – 10,32 hat Philo nicht berücksichtigt. Denn als nächstes legt er in De Confusione Linguarum oder Über die Verwirrung der Sprachen (Conf.) Gen 11,1 – 9 aus. In ihr wendet er sich in Conf.2 – 8 gegen jüdische Apostaten, die unter Berufung auf entsprechende griechische Mythen die Erzählung vom Turmbau zu Babel und der Verwirrung der Sprachen als eine Fabel beurteilten. Nach einer knappen Richtigstellung in Conf.9 – 15 geht Philo zu einer allegorischen Auslegung von Gen11,8 über, die Conf.16 – 198 umfasst. Daran schließt sich De Migratione Abrahami oder Über die Wanderung Abrahams (Migr.) mit einer allegorischen Auslegung von Gen 12,1 – 6 an, wobei Philo der Sache nach die sechs göttlichen Geschenke behandelt, die Abraham in Gestalt der Öffnung der Augen für die himmlische Weisheit (Migr.1 – 52), der Erhebung seiner Seele über alles Irdische und Sterbliche in Gestalt eines Wachstums der Erkenntnis des Guten (Migr.53 – 69), eines großen Namens (Migr.86 – 105) und des ihm zuteil gewordenen Segens (Migr.118 – 126) erhalten hat. Aus Gen 12,4aa leitet Philo dann die stoische Forderung ab, nach der Natur zu leben (Migr.127 – 147). Anschließend wird die Begleitung durch Lot als Symbol eines verführerischen Schwankens gedeutet, dessen Überwindung das Glück des Weisen begründet, das sich nach dem Aufbruch Abrahams aus Chaldaea und Haran in der wahren Erkenntnis der Gottheit als des ungeschaffenen Schöpfers erfüllt (Migr.148 – 195). Abschließend wird das Alter Abrahams von 75 Jahren allegorisch auf das Denken und die fünf Sinne bezogen, wobei der vollkommene Weise sich von allem Sinnlichen trennt und also aus Charan, dem Inbegriff der Sinnlichkeit, löst, so
4 Vgl. zu ihr ausführlich A.C. Geljon/D.T. Runia, Cultivation, 1 – 41, bes. 28 – 32. 5 Vgl. dazu I. Heinemann, Phil.W.d.Ü. IV, 147 – 152. 6 Vgl. dazu M. Adler, Phil.W.d.Ü. V, 76 und J. Morris, 837.
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Philos Schriften
dass sich sein Nous, seine Vernunft, über die seelischen Affekte erhebt und Unrecht und Laster hinter sich lässt (Migr.196 – 225). Philos Auslegung von Gen 12,7 – 15,1 ist nicht überliefert; denn in Quis Rerum Divinarum Heres sit oder Wer der Erbe der göttlichen Dinge ist (Her.) legt er bereits Gen 15,2 – 18 aus. Die in dem Titel gestellte Frage wird in Her.1 – 132 dahin gehend beantwortet, dass es der Mensch ist, der seine irdische Existenz hinter sich lässt und sein Leben Gott vertrauensvoll übergibt. Im zweiten Teil des Traktates (Her.132 – 229) geht es dann um die Teilung in Gleichheiten und Gegensätze, die jeweils in zahlreichen Beispielen vorgeführt wird. Im dritten (Her.230 – 316) wird Gen 15,10 – 18 allegorisch ausgelegt, wobei in Her.293 – 299 im Anschluss an Gen 12,16 eine Lehre von den vier Lebensaltern der Seele vorgestellt wird, in der die unausgeprägte Seele (1.) nach dem Ansturm der Sünde (2.), die krankhaften Affekte abstößt (3.) und vollkommene Gesundheit und Stärke erlangt (4.). Dabei überstiegen der Philosoph und der Prophet, die beide die Verkettung der Ursachen erkannt hätten, diese Welt, indem sie ihre Leitung einem Wesen zuschrieben, das über dem Weltall wie ein Wagenlenker und Steuermann thronte (vgl. Plat.Phaidr.246e). Dann bleiben Gen 15,19 – 21 ausgespart, weil De Congressu quaerendae Eruditionis gratia oder Über die Bedeutung der Vorstudien (Congr.) bereits Gen 16,1 – 6 und De Fuga et Inventione oder Über Flucht und Finden (Fug.) Gen 16,6 – 14 (ohne V.10) auslegen. Auch Gen 16,15 – 16 werden ausgespart, denn De Mutatione Nominum oder Über die Änderung der Namen (Mut.) geht sogleich zu Gen 17,1 – 22 über. Möglicherweise ist die nur Armenisch überlieferte und von Folker Siegert ins Griechische zurückübersetzte fragmentarische Schrift De Deo oder Über Gott, die Gen 18,2 auslegt, hier anzuschließen.7 In De Somniis oder Über die Träume (Somn.) I werden Gen 28,10 – 15; 31,11 – 13 und in II Gen 37,5 – 11; 40,9 – 13 und 41,1 – 7 behandelt. Man erkennt an den Lücken der ausgelegten Texte die Unvollständigkeit der Überlieferung. Die Eigenart dieser die Genesis behandelnden Auslegungen besteht in ihrer durchgehend allegorischen Behandlung der Texte, wobei sie das Frage-Antwort-Schema aufnehmen, das für die alsbald vorzustellenden Quaestiones in Genesin et Exodum typisch ist. Der Methode nach stellen Philos allegorische Auslegungen eine jüdische Spielart der stoischen Homerexegese dar, wie sie beispielhaft in der Epidrome (9pidqolµ t_m jat± tµm :kkgmijµm heokoc¸am paqadedol´mym) des Lucius Annaeus Cornutus überliefert ist.8 Das eigentliche Interesse Philos scheint in diesem allegorischen Genesiskommentar darin zu liegen, die unterschiedlichen guten und bösen Charaktere in ihrer Beziehung 7 Vgl. aber Siegerts Vorschlag (WUNT 46), 7 sie zu den Schriften der letzten Periode von Philos Wirken zuzuweisen. 8 Vgl. die Ausgabe von P. Busch und J.K. Zangenberg (Texte zur Forschung 95) und zur Sache F. Siegert, Interpretation, 137 – 139; J.-F. Procop, Greek Philosophy and Hermeneutics, 462 – 472; M.R. Niehoff, Jewish Exegesis, 75 – 94 und bes. S.N. Svendson, Allegory Transformed, 9 – 16.
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Die Schriften der Zwischenperiode 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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zueinander wie zu Gott und zur sinnlich wahrnehmbaren Welt darzustellen. Der Leser wird in ihnen Zeuge überaus kleinteiliger Lehrvorträge Philos, die aus seiner Diskussion mit anderen Schriftgelehrten erwachsen sein dürften.9 Dabei bleibt das Verhältnis zwischen wörtlicher und allegorischer Auslegung nicht immer durchsichtig.10 Zudem konnte Philo mehrfach zur Überraschung des Lesers das Thema wechseln und damit seine Geduld auf die Probe stellen. Leider war Philo Quintilians Warnung unbekannt, den Leser nicht durch eine zu lange Abfolge von Allegorien zu ermüden (Quint.Inst.VIII.6.15 – 16).11
2.2 Die Schriften der Zwischenperiode Eine Stufe zwischen 1. und 3. Periode dürfte sich in seiner Schrift De Opificio Mundi/Über die Schöpfung der Welt (Opif.) spiegeln. Ihr methodisches Schillern könnte darauf zurückgehen, dass in ihm eine ältere, aus der 1. Phase stammende Schrift später als Einleitung zu den Büchern der dritten Phase überarbeitet worden ist.12 In ihr kommen nicht nur die Freunde pythagoreischer Zahlenkünste sondern auch die von Platons Timaios auf ihre Kosten.13 Seine in dieser Schrift vorgenommene Umdeutung der Platonischen Ideen in die Gedanken Gottes sollte die christliche Theologie nachhaltig beeinflussen.14 In diese Zwischenperiode könnten auch die von den Gräueltaten des römischen Statthalters von Ägypten Flaccus und seinem verdienten Ende (In Flaccum oder Gegen Flaccus: Flacc.) und von dem Verlauf der von Philo geleiteten Delegation an den Kaiser Gaius (Caligula)15 (De Legatione ad Gaium: Leg.Gai.) handelnden Schriften gehören.16 Sie sollen hier wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung etwas ausführlicher vorgestellt werden. Beide Schriften beziehen sich auf die Verfolgungen der jüdischen Gemeinde Alex9 Vgl. dazu Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 26. Nach ihm ist der Kommentar aus generationsübergreifenden Gesprächen und Diskussionen eines kundigen, kontemplativen Kreises erwachsen, der sich im spielerischen Umgang mit der Allegorese auskannte. 10 Vgl. dazu die Analyse von Leg.I bei P. Borgen, Philo, 124 – 139 und die knappe von F. Siegert, Early Jewish Interpretation, 178 – 179. 11 Vgl. auch M. Fuhrmann, Antike Rhetorik, 129 – 130. 12 Siegert, 181. 13 Zu der durchgehenden Benutzung von Platons Timaios in Philos Schriften vgl. die Nachweise von D.T. Runia, Philo and Timaeus, 365 – 399 und 406 – 411 und zu Philos teils ablehnendem teils zustimmendem Verhältnis zur griechischen Philosophie und Kultur M.R. Niehoff, Jewish Identity, 137 – 158. 14 Vgl. Opif.15 – 16.36 und Spec.I.327 – 329 und dazu z. B. R. Radice, Philo’s Theology, 131 – 135. 15 Zur Situation der jüdischen Gemeinde in Alexandria nach den Berichten Philos vgl. A. Kasher, Jews in Hellenistic and Roman Egypt, 233 – 261, bes. 259 – 261. 16 Zu dem von Philo, Josephus und Sueton erhobenen Vorwurf, der Kaiser sei geisteskrank gewesen, vgl. Aloys Winterling, Caligula, 176 – 178.
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andriens im Jahr 38 n. Chr.17 Beide Werke lassen sich als Trostschriften für die von den Alexandrinischen Juden anlässlich der wegen ihrer Glaubenstreue erlittenen Leiden verstehen. Ihrer Gattung nach sind sie jedoch verschieden. Denn während es sich bei In Flaccum um eine romanhaft ausgestaltete Biographie mit dem Charakter einer Trostschrift für die verfolgten Juden handelt, lässt sich die Legatio in Gaium kaum einer klassischen literarischen Gattung zuordnen. In Flaccum berichtet er zunächst von den guten Anfängen des Praefekten Ägyptens und seinen durch den Tod des Kaisers Tiberius erzwungenen Gesinnungswechsel (Flacc.1 – 19). Dann folgt ein Bericht über die von ihm geduldete Judenverfolgung in Alexandrien, die mit der öffentlichen Verspottung des vom Kaiser eingesetzten und dort einen Zwischenstopp auf seiner Reise von Rom nach Palästina einlegenden Königs von Juda Agrippa begann und nach der von Flaccus verfügten Aberkennung der jüdischen Sonderrechte als eigenes Politeuma mit unsäglichen Leiden der Judenschaft Alexandriens endete (Flacc.20 – 96). Der dritte und letzte Teil handelt von seiner Verbannung und seiner als gerechter göttlicher Strafe gedeuteten Hinrichtung (97 – 191).18 Die nach dem Tod des Kaisers im Jahr 41 n. Chr. überarbeitete Legatio ad Gaium lässt sich nur schwer einer bestimmten literarischen Gattung zuweisen. Ihrem Vorwort Leg.Gai.1 – 7 gemäß soll sie als eine Rechtfertigung des Glaubens an Gottes über dem Geschick seines Volkes waltende Vorsehung verstanden werden, doch fehlt der Schrift ein entsprechender Schluss. Vermutlich hätte die in Leg.Gai.373 als notwendig erklärte Palinodie einen Bericht über die Ermordung des Kaisers enthalten, so dass sich der Erzählungsbogen von dem Prooemium bis zu dem den Glauben an Gott als dem Beistand seines Volkes rechtfertigenden Schluss gereicht hätte (vgl. Praem.172).19 In diesem Rahmen stehen die Berichte über die Abartigkeit des Kaisers (Leg.Gai.8 – 119), das große Judenpogrom des Jahres 38 n. Chr. (Leg.Gai. 120 – 161),20 die judenfeindliche Einstellung des Kaisers (Leg.Gai.162 – 171), die jüdischen Gesandtschaften an den Kaiser im Mai 40 (Leg.Gai.172 – 183),21 der Bericht über den Befehl des Kaisers zur Aufstellung seines Standbildes im Tempel von Jerusalem (184 – 338),22 die Deutung des Verhaltens des Kaisers aus seinem Wesen und seiner verblendeten Selbstvergottung (Leg.Gai.339 – 348) und die zweite Gesandtschaft an den Kaiser im Herbst 40 (Leg.Gai.349 – 372). Auch Philos bei Euseb nur fragmentarisch überlieferte Hypothetica oder 17 Zu den Problemen der beiden Bücher vgl. J. Morris, Philo, 859 – 862 und zu Leg.Gai überdies E.M. Smallwood, Legatio, 2 – 43. 18 Vgl. dazu die Einleitung von K.-H. Gerschmann (Philo.WdU VII), 122 – 126 und weiterhin z. B. J.R. Royse, Works, 50 – 55 sowie zu Flaccus Ende als Gottesgericht R. Barraclough, Philo’s Politics, 467. 19 F.W. Kohnke (Philo W.d.Ü.VII), 169 – 170. 20 Vgl. dazu E. Mary Smallwood, Philonis Alexandri Legatio ad Gaium, 19 – 23. 21 Vgl. dazu Smallwood, 24 – 27. 22 Vgl. dazu Smallwood, 31 – 36.
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Apologia pro Judaeis (Hyp.), eine Apologie der Juden, dürfte hier einzuordnen sein. In ihrem ersten erhaltenen Teil bietet sie einen kurzen rationalisierenden Bericht über die Gründe für den Auszug Israels aus Ägypten und seine weitere Geschichte bis zur Landnahme, während der zweite einen solchen über die Gemeinden der Essener enthält, an den sich De vita contemplativa mit seiner Würdigung der Therapeuten anschließt (Vit.Cont.).23 Zusammen mit Flacc. und Leg.Gai. nehmen diese beiden Schriften thematisch eine Sonderstellung in seinen Werken ein,24 wobei sich in beiden die sich verschlechternde äußere Situation der Juden in Alexandrien spiegelt.25
2.3 Die Schriften der Spätzeit Der 3. und letzten Periode der Schriften Philos dürften seine geringere Ansprüche an biblische Vorkenntnisse stellenden und daher vermutlich an Anfänger aus dem Kreise von Juden, Proselyten und interessierte Heiden gerichteten Auslegungen der Gebote des Dekalogs und der wichtigsten Einzelgesetze angehören.26 Sie zeichnen sich gegenüber dem Allegorischen Kommentar der ersten Periode dadurch aus, dass Philo in ihnen säuberlich zwischen Wortsinn und Allegorese unterscheidet. Diese Reihe wird durch die Traktate über Abraham (De Abrahamo oder Über Abraham: Abr.) und Joseph (De Josepho oder Über Joseph: Jos) eröffnet. Beide sind Reste eines Zyklos, der auch das Leben Isaaks und Jakobs behandelte, deren exemplarischer Wandel als Vorbild dienen sollte. Dabei stand das Leben Abrahams für die durch Lernen erreichte Tugend, das Leben Isaaks für die angeborene Tugend und das Leben Jakobs für die durch Handeln erworbene Tugend, während das Leben Josephs ein Beispiel für das Leben eines Weisen darstellt, der seine Weisheit in seinem Leben und seinem Handeln bewährt hat.27 Von den beiden folgenden Büchern über Moses (De Vita Mosis oder Über das Leben Moses: Mos.I – II) behandelt das erste seine Kindheit, Erziehung und seine Haupttaten bis zum Zug an den Jordan, das zweite aber sein Wirken als Gesetzgeber, Hoher Priester und Prophet. Besonders sei auf die in Mos.II.25 – 44 enthaltene Legende über die Entstehung der Griechischen Übersetzung der Tora hingewiesen, in der die Wurzeln des Glaubens an die Inspiration des Alten Testa23 Zum Unterschied der in Gemeinschaften lebenden Essener und der in Einsiedeleien lebenden Therapeuten vgl. O. Betz (TRE X), 387 – 391, bes. 390 bzw. H. Lichtenberger (RGG4 III), 1590 – 159, bes. 1592. 24 Zu weiteren nur fragmentarisch auf Armenisch überlieferten Kleinschriften vgl. J. Morris, Philo, 868. 25 Vgl. Siegert, Interpretation, 182. 26 Zur Diskussion vgl. Ch.A. Anderson, Physical World, 18 – 22; Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 58 bezeichnet diese Schriften als missionstheologisch. 27 Zu den Problemen vgl. Morris, 846 – 847.
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ments zu suchen sind. Mos.II endet sachgemäß in 288 – 291 mit dem Bericht von der Entrückung Moses, in der er aus der Zweiheit von Leib und Seele in einen einzigen strahlenden Geist verwandelt worden sei. Dabei hätte er weit in die Zukunft voraus blickend, nicht nur den Zwölf Stämmen Israels ihr Geschick (Gen 49), sondern auch die Umstände seines Todes und seines Begräbnisses vorausgesagt (Dtn 34). Damit hätte er einen letzten Beweis für seine prophetische Begabung (Mos.II.181 – 287) abgelegt, die ihn zusammen mit der als Gesetzgeber (Mos.II.1 – 16) und Hoher Priester (Mos.II.66 – 186*) vor allen anderen Menschen ausgezeichnet hätte (vgl. Mos.II.2.–3.292).28 Dann folgen sachgemäß die Auslegungen des Dekalogs (De Decalogo oder Über den Dekalog: Decal.) und der Speziellen Gesetze (De Specialibus Legibus), die Philo in vier Büchern nach ihrer Abfolge im Dekalog zusammenhängend behandelt (De Specialibus Legibus oder Über die Speziellen Gesetze: Spec.I – IV). Nachdem in Spec.IV bei der Auslegung der Einzelgebote die Tugenden der Klugheit, Selbstbeherrschung und Frömmigkeit und abschließend auch die der Gerechtigkeit (Spec.IV.132 – 135) zur Sprache gekommen waren, schließt sich das Buch über die Tugenden (De Virtutibus oder Über die Tugenden: Virt.) als Ergänzung an.29 In ihm werden der Reihe nach die vier Tugenden der Tapferkeit, Menschlichkeit, Bußfertigkeit und vornehmen Abkunft behandelt.30 Diese Serie wird durch die Schrift De Praemiis et Poenis oder Über die Belohnungen und Strafen (Praem.) abgeschlossen. Sie gliedert sich in eine Einleitung (Praem.1 – 3) und einen Anhang (Praem.169 – 172) und die zwischen beiden stehenden Teile, die ihrerseits zweigeteilt sind. So werden in dem ersten Teil zunächst am Beispiel der Urväter Enos, Henoch und Noah, der Erzväter Abraham, Jakob und Isaak und schließlich Moses die Belohnungen der Guten (Praem.4 – 66) und anschließend an dem Kains und der Rotte Korachs die Bestrafungen der Bösen vorgestellt (67 – 78). Hinter 78 klafft eine Lücke; denn 79 geht ohne jede Überleitung zu den Segnungen derer über, welche die Gebote der Thora befolgen, die bis einschließlich 125 behandelt werden. Dann leitet 126 zu den Flüchen über die Abtrünnigen über, die in 127 – 161 vorgestellt werden. Das Buch endet in 162 – 172 mit Verheißungen der Wiederherstellung der Büßenden und der Erneuerung der Blüte des Volkes.31 Möglicherweise ist in dieses Werk eine ursprünglich selbständige Abhandlung über die Flüche eingearbeitet worden. In den Kreis dieser Schriften könnte auch die bereits oben erwähnte fragmentarisch in einer armenischen Übersetzung erhaltene Schrift „Über die Gottesbezeichnung ,wohltätiges Feuer‘“ (De Deo)32 einzuordnen sein, die der 28 Zu den Problemen vgl. Morris, 854 – 858. 29 Zu den Problemen vgl. knapp Morris, 850 – 853 bzw. ausführlich W.T. Wilson, Philo of Alexandria On Virtues, 8 – 37 und zum apologetischen Charakter des Buches 8 – 10. 30 Zu den Problemen vgl. Morris, 850 – 853. 31 Zu den Problemen vgl. Morris, 853 – 854. 32 Vgl. dazu Siegert (WUNT 46), 7.
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Auslegung von Gen 18,1 – 2 und Jes 6,1 – 2 gilt. Sie ist von Folker Siegert ins Griechische zurückübersetzt33 und dadurch allgemein zugänglich geworden. Die zuletzt genannten Bücher zeichnen sich sämtlich dadurch aus, dass in ihnen zunächst jeweils der Wortsinn der behandelten biblischen Texte zusammenhängend referiert wird, worauf ihre allegorische Auslegung folgt (vgl. z. B. die methodische Bemerkung Jos.28). In Philos Festhalten am Textsinn tritt der Unterschied zwischen seiner und der stoischen Allegorese zutage: Während es den Stoikern bei ihrer Homerexegese darum ging, das Alter ihrer monotheistischen Theologie mittels der Unterscheidung von Zeus als dem höchsten Gott und göttlichem Feuer und den ihm untergeordneten kosmischen Kräften nachzuweisen,34 war die Philos in einer stoisch revidierten Platonischen Ontologie verwurzelt, nach der zwischen der Transzendenz und der Immanenz eine Analogie besteht, die den Rückschluss von der einen Sphäre auf die andere ermöglicht.35 Durch die klare Unterscheidung der beiden Textebenen haben seine Schriften seit den Q.Gen und Q.Ex gegenüber denen der ersten Periode deutlich eine Übersichtlichkeit gewonnen, die es verhindert, dass der Leser den Faden verliert und vorzeitig ermüdet.36
2.4 Die dialogisch angelegten Quaestiones et Responsiones in Gen et Ex Ihr Frage- und Antwortspiel dürfte typisch für die Schulbücher der römischen Kaiserzeit gewesen sein, wie es sich auch aus dem Liber memoralis des Lucius Ampelius erschließen lässt. Es handelt der Sache nach von dem, was ein junger Römer auf den Gebieten von Natur und Geschichte wissen sollte.37 Es liegt daher nahe, aus Philos Bemerkung in Gig.26, dass Lehren das eigene Wissen befördere, auf seine entsprechenden Erfahrungen zurück zu schließen. Ihrer Zielsetzung nach sind diese Schriften psychagogisch, indem sie ihre Leser zur inneren Selbstbeherrschung auffordern, so dass sie zum absoluten Gottesbewusstsein als Vorstufe zur Gottesschau gelangen.38 Der Sache nach führen sie mithin zu dem höchsten Ziel, das ein Mensch in seinem irdischen Leben erreichen kann. Ob man sie deshalb ganz an den Schluss von Philos Schaffen oder vorher einzuordnen hat, sei hier vorsichtig offen gelassen. 33 Zu ihrem Programm, das sich bei der Einbeziehung von Opif. ergibt, vgl. Siegert, Interpretation, 180. 34 Vgl. dazu Siegert, Interpretation, 131 – 135. 35 Vgl. dazu S.N. Svendson, Allegory, 38 – 40. 36 Vgl. zu ihnen auch Royse, Works, 45 – 50. 37 Vgl. dazu Royse, Works, 34 – 38 und als vergleichbares Schulbuch Lucius Ampelius, Liber memoralis. Was ein junger Römer wissen muss. 38 Vgl. Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 146 – 154.
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2.5 Die Sondergruppe der Philosophischen Schriften Eine besondere Gruppe bilden seine Philosophischen Schriften. Von ihnen ist an erster Stelle sein ganz im Banne der stoischen Philosophie stehendes Werk Quod omnis probus liber sit oder Dass jeder wackere Mann frei ist (Prob.) zu nennen.39 Ob es zu seinen frühesten oder spätesten Schriften gehört, ist umstritten. Seinem Inhalt nach ist es eine Verteidigung des stoischen Paradoxons, dass allein der Weise frei ist.40 Es ist die einzige Schrift, in der die Erwähnung persönlicher Erlebnisse vermutlich nicht als belebendes Stilmittel sondern als echter Bericht zu verstehen sein könnte. Bei dem ersten handelt es sich um den Kampf von zwei Pankratisten (Prob.26) und bei dem zweiten um die Aufführung einer Tragödie des Euripides (Prob.141), in der der Satz „Der Name der Freiheit wiegt alles auf, und hat einer wenig, soll er glauben, Großes zu besitzen“ das Publikum zu beigeisterten Ovationen hingerissen hätte.41 Ein sicherer Rückschluss darauf, dass sich diese Szene nicht in Alexandrien sondern in Athen abgespielt hat, lässt sich schon deshalb nicht ziehen, weil Philo in Jos.124 – 130 den Verlust der politischen Freiheit Ägypten beklagt hat. Könnte man die Szene in Athen lokalisieren, so wiese sie gleichsam auf ein Postgraduierten Studium Philos in Athen hin. – Aus Prob.1 geht hervor, dass Philo eine weitere Schrift mit dem Titel „Quod omnis malus servus est („Dass jeder Schlechte ein Sklave ist“) verfasst hat, die das komplementäre stoische Paradox verhandelte. Diese Schrift wird von Euseb (Hist.ecc.II.18.6) aufgelistet, ist aber nicht erhalten. Philos Werk De Providentia oder Über die Vorsehung (Prov.I – II) ist vollständig nur auf Armenisch erhalten, während Teile des griechischen Originals durch Euseb überliefert sind.42 In dem ersten Buch ist die ursprünglich beide Teile bestimmende dialogische Form aufgelöst. Da sich der antike Herausgeber des Buches nicht nur darauf beschränkt, sondern auch in den Inhalt eingegriffen hat, ist das Buch nur unter Vorbehalt für die Rekonstruktion von Philos Gedankenwelt benutzbar. Dem Thema des Buches entsprechend geht es in ihm um die Bestreitung der Ewigkeit der Welt zugunsten der Annahme der Weltschöpfung und des Weltuntergangs sowie um den Nachweis des Waltens der göttlichen Vorsehung. Im II. Buch handelt es sich formal um einen siebenfachen Redewechsel zwischen Philo und seinem Neffen Tiberius Alexander. Dabei lässt Philo sei39 Vgl. zu ihm Kaiser, Glück, 210 – 230. 40 Vgl. zu ihr auch Kaiser, Glück (Tria Corda 1), 210 – 230. 41 Vgl. aber auch Anim.23 und 58, wo sich der Hinweis auf ein Ereignis von vorgestern sich als ein literarischer, aus einem Handbuch entnommener Topos erweist, vgl. mit Terian, De Animalibus, 55 – 56 Ael.Nat.V.26 bzw. Plin.Nat.Hist.VIII.160 – 161. 42 Zu den griechischen von Eus.Praep.Ev.VII.21.336b–337a und VIII.14.386 – 399 überlieferten Fragmenten der Schrift und ihrer Englischen Übersetzung von F.H. Colson vgl. Philo IX (LCL 363), 458 – 507.
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nen Neffen im Anschluss an die Epikuräer43 und Karneades, den Begründer der Neuen Akademie,44 den Glauben an die göttliche Vorhersehung (pq|moia/ prnoia) bestreiten, um sich am Ende jedoch durch die Argumente seines Onkels vom Gegenteil überzeugt zu erklären (Prov.II.116). Philo selbst hat die göttliche Vorsehung im Anschluss an die Stoiker45 verteidigt und dabei gleichzeitig die Bedeutung des Wortes dahingehend erweitert, dass sie nicht nur Gottes Fürsorge für den Kosmos sondern auch die göttliche Weisheit als vorsorgendes Weltdenken und die menschliche Fürsorge für Staat und Gesellschaft bezeichnet.46 Doch wie sich bei genauerer Betrachtung zeigen wird, schreckte er davor zurück, die volle Konsequenz aus der stoischen Lehre von der Vorsehung in Gestalt des schicksalhaften Verhängnisses und der Notwendigkeit zu ziehen, um Platz für das dialogische Verhältnis zwischen Gott und den Menschen zu behalten.47 Vermutlich gehört Prov.II wie die sogleich zu erwähnende ebenfalls dialogisch aufgebaute und nur Armenisch überlieferte Schrift De Animalium adversus Alexandrum oder Ob die vernunftlosen Lebewesen Vernunft besitzen (Anim.) ebenfalls zu den Spätschriften Philos; denn er gibt sich in 1 – 9 und 72 – 76 als ein alter Mann zu erkennen, der sich mit seinem jungen Verwandten unterhält, der ihn respektvoll anredet. Die Schrift selbst ist klar in zwei Teile gegliedert: Der 1. Teil umspannt die Abschnitte 1 – 71 und besteht aus einem einleitenden Dialog Philos mit seinem Neffen Lysimachos (1 – 9) und dem Text der von Philo gelesenen Denkschrift seines Neffen Tiberius Alexander über die Vernünftigkeit der Tiere aufgrund ihrer Tugenden und Fehler (10 – 71). Der 2. Teil wird durch einen kurzen Dialog zwischen Philo und Lysimachos eingeleitet (72 – 76). An ihn schließt sich in 77 – 100 die Widerlegung der verlesenen Schrift durch Philo an, der im Anschluss an biblische und stoische Argumente ihre Vernünftigkeit bestreitet. Vermutlich hat Philo die Alexander zugeschriebene Lehre, die ihre Vorläufer bei Platon und Aristoteles besaß, im Rückgriff auf das Gedankengut der durch Karneades (214/3 – 129/8 begründeten Mittleren Akademie ausgearbeitet.48 Wie in Prov.(I) und II dürfte es sich in dieser Schrift bei den Einwürfen seines Neffen um eine literarische Fiktion handeln. Unter dem Titel De Vita Contemplativa oder Über das Kontemplative Leben 43 Vgl. dazu A. A. Long, Philosophy, 44 – 45 und LS 23 E (Cic.Nat.Deor.I.43 – 49) sowie Epikurs Brief an Menoikeus Diog.Laert.X.133 – 135. Zur zeitlichen Einordnung von Ciceros Schriften vgl. noch immer M. Gelzer, Cicero. 44 Vgl. Sext.Emp.Math.IX.182 – 184/LS 70 E; Cic.Fat.26 – 33/LS 70 G; Cic.Nat.Deor.III10.97 – 85 und Long, Philosophy, 94 – 106, bes. 101. 45 Vgl. z. B. ihre Identifikation mit dem Willen Gottes, wobei die göttliche providentia und das fatum zusammenfallen (SVF.II.933 und dazu M. Pohlenz, Stoa I. 98 – 101; A. A. Long, Philosophy, 169 – 170 und zur Existenz der Götter SVF.II.1011(Cic.Nat.Deor.III.25 – 26) und SVF.II.1012/LS 54 E (Cic.Nat.Deor.II.6.16). 46 K. Früchtel, Philo W.d.Ü. VII, 268. 47 Vgl. dazu unten, 244 – 246. 48 Vgl. dazu A. Terian, De Animalibus, 49 – 53.
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(Vit.Cont.) stellt Philo das in der Nähe des Südufers des südlich von Alexandria gelegenen Mareotischen Sees von Männern und Frauen der Therapeutischen Gemeinschaft geführte und der Kontemplation gewidmete Leben als ein Vorbild eines wahrhaft glückseligen Lebens vor. Vermutlich gehört auch dieses Büchlein zu seinen Spätschriften.49 Sie belegt, dass dem christlichen bereits ein jüdisches Mönchtum in Ägypten vorausging.50 Umstritten war lange Zeit die Authentizität der unvollendeten Schrift De Aeternitate Mundi oder Über die Ewigkeit der Welt (Aet.), die in Auseinandersetzung mit der stoischen Lehre vom Weltbrand für die Ewigkeit der geschaffenen Welt eintritt. Nach einer lange anhaltenden Debatte über ihre Verfasserschaft hat sich inzwischen trotz ihres skizzenhaften Gesamteindrucks die Annahme ihrer Echtheit durchgesetzt,51 so dass sie fallweise in der folgenden Darstellung benutzt wird.
49 Vgl. Royse, Works, 57 – 58. 50 Vgl. dazu P. Brown, Body and Society, 36 – 40. 51 Vgl. dazu K. Bormann, Philo W.d.Ü. VII, 71 – 75. F. Siegert, Interpretation, 167 hat die Schrift treffend als „a notebook“ bezeichnet; vgl. weiterhin z. B. F.H. Kolson, Philo IX (LCL 368), 172 – 183; J. Morris, Philo, 558 – 559 und Royse, Works, 56 – 57, der auf die ausführliche Verteidigung der Schrift durch D.T. Runia (VC 35/1981), 105 – 151 verweist und zu ihren nichtjüdischen Adressaten R.M. Niehoff, Jewish Exegesis, 170.
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3. Philos geographische und städtische Welt 3.1 Philos geographische Welt Seine Welt besaß geographisch drei Mittelpunkte: 1. Jerusalem als das Zentrum des weltweiten Judentums (vgl. Leg.Gai.281 – 283), zu dem einst die Zerstreuten zurückkehren werden (Spec.I.69; Praem.108 – 117). 2. Griechenland und zumal Athen galten ihm als Zentrum der griechischen Dichtung und Philosophie (Prob.140) bzw. Athen und Sparta als die Vormächte des Landes (Prob.47) und 3. Alexandria und Ägypten als seine Heimat. Aber seine geographischen Kenntnisse reichten über das Mittelmeer hinaus. So wusste er, dass im Süden die Äthiopier und Araber leben (Q.Gen.III.48/LCL 380, 243) und im Norden der Rhein (gA/mor) die Grenze gegen die Germanen und im Osten der Euphrat die gegen die Parther, Sarmaten und Skythen bildet (Leg.Gai.10). Rom samt der dortigen jüdischen Kolonie rückt in seinen Schriften erst im Zusammenhang der Darstellung seiner Reise als Legationsführer der Gesandtschaft der Alexandrinischen Juden zum Kaiser Gaius (Caligula) in sein Gesichtsfeld (Leg.Gai.155 – 157). In diesem Zusammenhang erfahren wir, dass die Juden in Rom auf der rechten Seite des Tiber wohnten (Leg.Gai.155).1 Dass die Juden im ganzen Römischen Reich die Freiheit der Religionsausübung und damit den Status als religio licita oder „erlaubte Religion“ im Römischen Reich dem Kaiser Augustus verdankten und sie sich auch über seinen Nachfolger, Kaiser Tiberius, nicht zu beklagen hatten, hat Philo dem kaiserlichen Urenkel angesichts der den Juden seiner Heimatstadt zugefügten Verfolgung ins Gedächtnis gerufen (Leg.Gai.153 – 161.311 – 313).2
3.2 Alexandria – die Stadt seines Lebens und Wirkens3 Sachgemäß steht ein genauerer Blick auf Alexandria4 als der Hauptstadt der kaiserlichen, einem Präfekten unterstellten Provinz Ägypten5 und der Stätte von Philos Leben und Wirken im Mittelpunkt unserer geographischen Um1 Zur Lage der Juden in Rom in der frühen Kaiserzeit vgl. E.M. Smallwood, Jews, 201 – 219. 2 Vgl. dazu R. Barraclough, Philo’s Politics, 453 – 456. 3 Zur Stadt und ihrer vielsprachigen Bevölkerung vgl. auch M. Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 325 – 328. 4 Vgl. die großzügige Beschreibung der Lage der Stadt bei Plin.Nat.V.62 – 63. 5 Vgl. dazu A.H.M. Jones, Greek Cities, 75 – 79; A.W. Bowman, Provincial Administration (CAH2 X), 344 – 370, bes. 346– und 365 – 366.
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schau. Im Norden der an der Küste des Meeres gelegenen Stadt erhebt sich die durch etliche Untiefen eingeschossene Insel Pharos mit ihrem Leuchtturm (Mos.II.35). Auf ihr soll nach der Legende die Übersetzung der Thora ins Griechische erfolgt sein, was die Juden der Stadt dort alljährlich feierten (Mos.II.35 – 43). Durch sie war die Thora auch den Völkern des Westens zugänglich geworden, so dass sie nach Philos Überzeugung gewiss eines Tages ihre eigenen Gesetze zu deren Gunsten aufgeben würden (Mos.II.44). Die nach Norden eingebuchtete halbmondförmige Insel war nach Süden durch einen Damm mit der Stadt verbunden, auf dessen Ostseite der Große und der Städtische Hafen lagen.6 Südöstlich der Halbinsel lag der gewaltige Bezirk der Basileia, in dem der römische Praefekt residierte (Flacc.92).7 Er umfasste Wohnpaläste einschließlich dem Repräsentationstrakt des Megiston Peristylon; der „Größten Säulenhalle“, Gärten, Heiligtümer, das Museion samt der Bibliothek, das Zeughaus, die Sema mit dem Grab Alexanders des Großen, einen Tempel für Caesar (Leg.Gai.151) und die Gräber der ptolemäischen Könige. Von diesen Bauwerken sei die Bibliothek besonders hervorgehoben. Sie war die größte des Altertums, enthielt Ende des l. Jh. v. Chr. 700000 Buchrollen und wurde von namhaften Gelehrten wie Erathostenes, einem Universalgelehrten und zweiten Aristoteles geleitet und war bis zu ihrem Brand im Jahr 272 n. Chr. das Zentrum der hellenistischen Philosophie und Bildung, an dem bedeutende Philosophen, Mediziner und Naturwissenschaftler wirkten.8 Weiterhin waren das Dionysos Theater und eine Palaistra in diesen Bezirk integriert. Am Nordwestufer lag der Königliche Hafen samt einem Poseidontempel, einem Speicher und einem Königlichen Emporion oder Handelszentrum. Im Süden schlossen sich ein weiterer Handelsplatz, eine Agora und vermutlich auch ein Gymnasium sowie die Tempel für Isis, Serapis, Ptolemaios IV. und Arsinoe, Pan und das in einem Hain gelegene Dikasterion oder Gerichtsgebäude an. Östlich und südwestlich des ganzen Bezirks erstreckten sich die Nekropolen.9 In der Nähe lag nach Strabon XVII.10 auch ein Hippodrom, eine Pferderennbahn. Im Stadtgebiet selbst soll es sog. Eurychoriai, unbebaute Flächen gegeben haben, die zu Volksaufläufen dienen konnten.10 Am Ostrand der Stadt sollen die Vergnügungsviertel gelegen haben. Im Stadtzentrum hatte man einen künstlichen Berg errichtet, von dessen Gipfel man die Stadt bewundern konnte.11 Die Stadt selbst war durch eine geräumige Mittel und Querstraße klar gegliedert.12 6 Zum großen Hafen der Stadt vgl. Strabon XVII.1.6 – 10 (LCL 267), 22 – 43, dazu M. Pfrommer, Alexandria, 11 – 19, zur Leistungsfähigkeit der Hafenanlagen C. Schneider, Welt des Hellenismus, 260 und zu ihren Kranen und Hebewerken B. Cech, Technik, 76 – 79. 7 Vgl. dazu H. Lauter, Architektur, 86 – 87 und den Stadtplan bei M. Pfrommer, Alexandria, 6 – 7. 8 Zum Problem ihres angeblichen Brandes im Jahr 47 v. Chr. vgl. K. Vössing (DNP II), 641. 9 Vgl. Strabon XVII.1.10. 10 Lauter, Architektur, 79 – 80. 11 Lauter, Architektur, 89.
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Bei ihren Wohnhäusern ist zwischen mehrstöckigen aus Mörtelwerk aufgeführten Mietskasernen13 und Hofhäusern mit einer beliebigen Zahl von Räumen zu unterscheiden. Ein jüdisches Hofhaus scheint einen Frauen und einen Männern vorbehaltenen Trakt enthalten zu haben (Leg.III.40). Eine offizielle Wasserversorgung scheint es in der Stadt nicht gegeben zu haben. Stattdessen besaß ein Teil der Häuser eigene Zisternen, die durch unterirdische Kanäle mit Nilwasser versorgt wurden. Die Menge der Bevölkerung musste sich dagegen das Wasser direkt aus dem Nil schöpfen.14 Die Bevölkerung war in fünf Gaue eingeteilt, die den fünf Stadtvierteln entsprachen.15 Von ihr besaß nur ein geringer Teil das Bürgerrecht und noch kleiner war die Schicht derer, die Funktionen in der Stadtverwaltung ausüben konnten. Sie war auf die „Mitglieder des Gymnasiums“ als einer begünstigten erblichen Klasse beschränkt.16 Mithin besaß der größte Teil der vermutlich ihrer Abstammung nach ägyptischen Einwohner kein Bürgerrecht,17 während die Juden ein eigenes pok¸teula, eine eigene bürgerliche Körperschaft bildeten. Das Griechische war die offizielle Sprache der Verwaltung der Stadt und des Landes, so dass Tausende von Griechisch geschriebenen Verwaltungsurkunden erhalten sind.18 Dabei ist es erstaunlich, in welchem Umfang es auch auf dem Lande gesprochen oder zumindest verstanden wurde und in welchem Umfang zum Beispiel in dem provinziellen Oxyrhynchus Fragmente großer griechischer Dichtungen gefunden worden sind.19 Alexandria besaß offensichtlich samt seinem Hinterland eine überwiegend Griechisch sprechende Bevölkerung, Der wirtschaftlichen Belebung der Stadt dienten Betriebe, die das weit verbreitete Luxusbedürfnis der Oberschicht des Reiches durch die Herstellung von Purpurfarbe, Parfümen, Salben und Ziergläsern befriedigten. Weiterhin diente die Papyrusherstellung staatlichen und kulturellen Zwecken.20 An der Südseite des südwestlich der Stadt gelegenen Mareotischen Sees lag auf einem Hügel die von Farmgebäuden und Dörfern umgebene klösterliche Siedlung der Therapeuten (Vit.Cont.21). Die zwischen dem Meer und dem See gelegene Stadt selbst war von den Ptolemäern in fünf Viertel aufgeteilt, die nach den ersten Buchstaben des Alphabets benannt waren. Von ihnen wurden zwei von den meisten Juden bewohnt (Flac.55). Sie besaßen in jedem von 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Lauter, Architektur, 80. Lauer, Architektur, 224 und zur Mörtelherstellung B. Cech, Technik, 45 – 47. A.H.M. Jones, Greek City, 215. Jones, 158 – 159. Jones, 174. Jones, 16, zu den Freigelassenen und ihren Nachkommen als einer besonderen Klasse, 172. Jones, 288 und 292. Vgl. dazu H.I. Bell, Egypt, 1 – 18. Vgl. dazu Jones, Greek City, 262 und A.Tarn/G.T. Griffith, Civilization, 259 – 261 = Kultur, 309 – 311.
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ihnen bewohnten Stadtteil mehrere Gebetshäuser (pqoseuwa¸/proseucha), die bei der Judenverfolgung geplündert oder bis auf die Fundamente zerstört wurden (Leg.Gai.132). In der Stadt gab es mehrere Gymnasien, die für die Ausbildung der Epheben unerlässlich waren und in denen sich auch Männer ihre Zeit vertreiben und dabei z. B. gegen König Agrippa demonstrieren konnten (Flacc.34 – 39). Vermutlich fand diese Demonstration in dem von Kleopatra II. gegründeten und mit ihrer Statue geschmückten Gymnasium statt (Flacc.135).21 In anderen Zusammenhängen werden Stadion und Theater als Austragsstätten sportlicher oder musischer Wettkämpfe erwähnt. Dass man das Theater auch zur Vorführung gefangener Juden benutzen konnte, sei angemerkt (Flacc.74 – 75.95). Doch darüber dürfen die Märkte die !coqa¸, als öffentliche und wirtschaftliche Zentren der Stadt nicht vergessen werden. Auf ihnen boten Marktschreier ihre Waren an (Flacc.138) und kauften die Einwohner z. B. die nötigen Lebensmittel (Flacc.64). Auf ihnen konnte man aber auch aufgegriffene Juden zusammentreiben und misshandeln (Flacc.95), das ihnen geraubte Gut aufteilen (Leg.Gai.122) und sie selbst wie Vieh zerfleischen (Leg.Gai.131). Der große Schatten, der sich im Sommer 38 n. Chr. über die Juden Alexandriens legte, macht die Rekonstruktion der Stadtgeschichte teilweise zu einem makabren Geschäft. Rechtlich besaßen die in Alexandria lebenden Juden nach Philos Schilderung nicht dasselbe Bürgerrecht wie die einheimischen Bewohner der Stadt, sondern gehörten einem eigenen Politeuma an, in dessen Rahmen sie nach den väterlichen Sitten leben durften.22 Aufgrund dieser Rechtslage sollten sie sich, wie Kaiser Claudius 41 n. Chr. entschied, keinesfalls in die der Ephebenausbildung dienenden Spiele eindrängen23 Andererseits besaß Philo das volle Bürgerrecht, so dass er de jure am öffentlichen Leben der hellenistischen Polis teilnehmen konnte. In den von Flaccus ausgelösten Verfolgungen des Jahres 38 n. Chr. wurden die Juden aus vier der Stadtvierteln vertrieben und in dem ihnen vorbehaltenen zusammengedrängt, das sie nicht aufnehmen konnte, so dass viele auf Dunghaufen oder in Buchten und Gräbern Zuflucht suchten (Flac.56).24 Ebenso wurden 38 Mitglieder des von Augustus eingesetzten Rates der Ältesten auf den Befehl des Präfekten in ihren Häusern aufgegriffen und in Ketten auf den Markt geführt (Flacc.74). Aber es ist hier nicht der Ort, all die Leiden zu erwähnen, die damals über die blühende jüdische Gemeinde in Alexandrien hereingebrochen waren, weil sie sich standhaft geweigert hatte, in ihren Synagogen Statuen des Kaisers aufstellen zu lassen (vgl. dazu Flacc.114 – 136).25 21 Vgl. die Stammtafel der Ptolemäer bei W. Huß, Ägypten, 854 – 855. 22 Vgl. dazu A. Kasher, Jews in Hellenistic and Roman Egypt, 260 – 261. 23 Vgl. den Text des Claudiusbriefes in Übersetzung bei L. Feldman/M. Reinhold, Jewish Life, 91 – 92 und Kasher, 310 – 321. 24 Vgl. dazu auch R. Barraclough, Philo’s Politics, 461 – 470, bes. 461 – 463. 25 Vgl. dazu E. Mary Smallwood, Jews, 233 – 242 und A.K. Bowman, Egypt (CAH2 X), 701.
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3.3 Ägypten als Land und Inbegriff des zuchtlosen Lebens Das vom Nil bewässerte Ägypten war in Philos Augen ein Land des Überflusses, in dem die Jahr um Jahr wiederkehrende Flut die Ebenen in Teiche verwandelte, die anschließend durch milde Winde für das Wachstum des Getreides sorgten (Abr.92; vgl. auch Aet.62; Leg.I.34 und Fug.179, wo er den Strom ausdrücklich als den „Fluss Ägyptens“ bezeichnet). In Fug.180 (vgl. Leg.I.34) erklärt er, dass der Nil (dessen Namen Me?kor/Neı˜los Philo nur in Fug.180, Mos.I.115 und Mos.II.195 erwähnt) bzw. der Fluss Ägyptens im Hochsommer für das Land das sei, was in anderen Ländern der Winter sei: Während in ihnen der Regen von oben auf die Erde fiele, bewässere er gleichsam die Erde von unten (Fug.180). In Mos.I.115 erklärt er genauer, dass in dieser Zeit aus dem Norden kommende Passatwinde den (von Süd nach Nord fließenden) Nil aufstauen, so dass er über seine Ufer träte und das Land überflutete.26 Leider gab es jedoch in dem „Fluss Ägyptens“ nicht nur Fische,27 die zusammen mit Gurken und Knoblauch zu den eigentümlichen Nahrungsmitteln des Landes gehörten (Ebr.102; Her.79 – 80), sondern auch gefährliche Krokodile und Nilpferde (Praem.90).28 Dass die Ägypter den Nil gleichsam als Gegenspieler des Himmels als Quelle ihres Wohlstandes als Gott verehrten,29 konnte natürlich nicht Philos Zustimmung finden (Mos.II.195).30 Im Blick auf den politischen Zustand des Landes konnte er geradezu pathetisch in Jos.134 – 136 auf den Wandel hinweisen, in dem es ihm nicht anders ging, wie allem, was in der Geschichte der Völker groß und mächtig gewesen war : „Denn nirgends ist irgendetwas das geblieben, was es einmal war ; denn überall war alles dem Wandel und Wechsel unterworfen. Ägypten besaß einst die Oberherrschaft über viele Völker, aber jetzt ist es versklavt. Die Makedonen blühten in den Tagen ihres Erfolgs so stark, dass sie die Herrschaft über alle bewohnten Teile der bewohnten Welt ausübten, aber jetzt müssen sie den Steuereinnehmern die ihnen von ihren Herren auferlegten jährlichen Tribute bezahlen. Wo ist das Haus der Ptolemäer und der Ruhm ihrer Nachfolger, deren Licht einst bis zu den Grenzen von Land und Meer leuchtete? Wo sind die Freiheiten der unabhängigen Völker und Städte, wo die Knechtschaft ihrer Vasallen? Beherrschten nicht einst die Perser die Parther, und jetzt die Parther die Perser, weil sich die menschlichen Verhältnisse wandeln und dabei in allen Richtungen verändern?“ 26 27 28 29 30
Zur sog. Nilüberschwemmung vgl. Plin.Nat.V.54 – 58 und. H. Kees, Ägypten, 19 – 26. Zum Fischfang im Altertum vgl. K.-W. Weeber. Alltag, 58 – 63. Zum Krokodil vgl. Ael.Nat.X.24 und zum Nilpferd Ael.Nat.V.53. Zur untergeordneten Stellung des Nils in der Götterwelt vgl. A. Erman, Religion, 16 – 17. Zur Nilschwelle vgl. Kees, Ägypten, 19 – 22, zu ihrem Verlauf, ihrer Bedeutung und nicht zuletzt zu den Rätseln, die sie den Alten bescherte, Sen.Quaest.Nat.IVa mit dem aporetischen Schluss in 30.9.
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Trotzdem war Ägypten auch unter der römischen Herrschaft das reichste Land des ganzen Reiches. Den Grund dafür hatten die Ptolemäer gelegt, die durch ihre Wirtschaftsreformen einschließlich der Vergrößerung der landwirtschaftlichen Anbauflächen und der Verbesserung von Ackerbau und Viehzucht den Ruf gewonnen hatten, die reichsten Könige ihrer Zeit zu sein.31 Seit Octavianus/Augustus im Jahre 31 n. Chr. Ägypten erobert hatte, war das Land ein kaiserlich- römisches Protektorat oder genauer gesagt: eine kaiserliche Provinz geworden, die der Leitung eines aus der Ritterschaft stammenden Legaten oder Präfekten unterstellt war.32 Über den durch Tiberius eingesetzten Präfekten über Ägypten und Alexandria Flaccus erfahren wir, dass es sich bei ihm um einen hochbegabten und entscheidungsfreudigen Mann handelte, der sich mit einem großen Mitarbeiterstab umgeben hatte, schnell im Denken, Reden und Handeln war und selbst das von seinen Partnern Unausgesprochene verstand. Er brachte zunächst auch seine Truppen auf Vordermann, so dass Offiziere und Soldaten ihre Pflichten erfüllten (Flacc.5). Erst bei einer Zwischenlandung des neu eingesetzten jüdischen Königs Agrippa I. in Alexandria ließ er dem Pöbel freie Hand, ihn zu verspotten, woran sich die Verfolgung der jüdischen Einwohner der Stadt und die Entweihung und Verwüstung ihrer Synagogen anschloss (vgl. Flacc.25 – 57 mit Leg.Gai.120 – 131), ohne dass Flaccus pflichtgemäß die Übeltäter bestraft und die Juden beschützt hätte: Das führte zu der von Philo geleiteten Delegation, die beim Kaiser Gaius Beschwerde über den Präfekten einlegen und die Bestätigung der Rechte der Juden auf freie Religionsausübung einholen sollte. Aufmerksam beobachtete Philo Besonderheiten in den Sitten der Ägypter. Dazu gehörte es z. B. dass die Priester ihre Köpfe aus Reinheitsgründen kahl schoren (Spec.I.5.).33 Sollten einzelne Ägypter zur jüdischen Gemeinschaft überzutreten wünschen, sollte man sie Dtn 23,7 gemäß mit offenen Armen aufnehmen und ihnen in der dritten Generation die volle Mitgliedschaft zuerkennen (Virt.106 – 108).34 Besonders abschreckend war für den reflektierten Monotheisten die etlichen Tieren von den Ägyptern erwiesenen göttlichen Ehren (Decal.80).35 Ägypten war für den Ausleger der Thora Philo natürlich in erster Linie das Land, in das die Erzväter gezogen und wo sie in die „ägyptische Knechtschaft“ geraten waren, aus der sie Moses als Werkzeug Gottes befreit hatte. Aber es hatte für ihn einen Beigeschmack als ein Land des sinnlichen Wohllebens und der Leidenschaften, die er als Einwohner ihres hellenistischen Zentrums kaum übersehen konnte. Daher konnte er Ägypten unkommentiert mit den Lei31 32 33 34 35
Vgl. dazu M. Rostoftzeff, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte, 318 – 325. Vgl. dazu K. Christ, Geschichte, 78 – 81. Vgl. dazu H. Bonnet, Reallexikon, 389. Vgl. dazu W.T. Wilson, Virtues, 260 – 262. Vgl. dazu unten, 140.
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denschaften (Leg.III.94.175; Conf.81) oder dem Leib (Post.62; Congr.85; Q.GenIII.19)36 gleichsetzen oder es ausdrücklich als Inbegriff der körperlichen Lüste (Post.96.155; Agr.57.88 – 89)37 bzw. leiblicher und äußerer Güter (Q.GenIII.16) bezeichnen.38 Im allegorischen Vergleich zwischen dem Fluss Ägyptens und dem Euphrat stand der eine für den Leib und der andere für die Seele (Somn.II.255 – 256). Entsprechend konnte er den König von Ägypten als Inbegriff einer gottlosen und vergnügungssüchtigen Lebensweise (Leg.III.212 ; vgl. auch Leg.III.38 und Ebr.111) oder als den Leib (Congr.l88; Abr.103) bezeichnen.39 Sich in Ägypten aufzuhalten, könnte geradezu bedeuten, sich einem Sturm der Leidenschaften auszusetzen (Det.95), denn die „Kinder Ägyptens“ und ihre Brüder waren in Philos Augen der Begierde, der Lust, dem Kummer, der Furcht, der Ungerechtigkeit, der Unvernunft und der Ausschweifung verfallen (Somn.II.266).
3.4. Philos städtische Welt 3.4.1 Die Stadt Wollen wir wissen, welche Bauwerke Philo als notwendige Bestandteile für eine von einem König in Auftrag gegebene Stadt betrachtete, brauchen wir uns nur an den Plan zu halten, den er in Opif.17 – 18 von einem Architekten entwerfen lässt.40 Danach gehören zu ihr Tempel, Gymnasien, Amtsgebäude (pqutame?a/prytaneı˜a), Marktplätze, Häfen und Dockanlagen, Straßen, Stadtmauern,41 Wohnhäuser und weitere öffentliche Gebäude. Somn.I.122 benennt er Gerichtsgebäude (dijast¶qia), Rathäuser (boukeut¶qia) und Theater (he²tqoi) als von den sog. Glücklichen (eqda¸lomer) bevorzugte Aufenthaltsorte. Dass die Stadt von einer Mauer (peq¸bokor) (Mos.I.229) umgeben war und ihre Tore (p¼kai) nicht anders als die Türen der Wohnhäuser bewacht werden mussten,42 möge Philos Bild der Stadt abrunden (vgl. Flacc.122). 36 Vgl. auch Fug.18.180; Mut.90; Congr.21 und Som.II.109 sowie Som.II.255 – 256, wo er den Fluss Ägyptens mit dem Leib und den Leidenschaften und den Euphrat mit dem, was die Seele liebt, identifiziert. 37 Vgl. auch Post.156; Migr.18; und Congr.165 sowie Gelon/Runia, On Cultivation, 181 – 182. 38 Vgl. dazu Baraclough, Philo’s Politics, 484. In ähnlicher Weise hat Philo Edom (Imm.166.180; Migr.146), Kanaan (Congr.83.85), Syrien (Congr.41) und Babylonien (Gig.66; Abr.188) negativ gekennzeichnet. 39 Vgl. dazu umfassend S.J.K. Pearce, Land of the Body. 40 Vgl. dazu Plat:Tim.30c – 31a und dazu D.T. Runia, Philo and Timaeus, 158 – 168, bes. 165 – 169. 41 Zu den Festungsanlagen in hellenistisch-römischer Zeit vgl. Lauter, Architektur, 71 – 74. 42 Vgl. dazu unten, 50.
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3.4.2 Paläste, Miet- und Einzelhäuser Bei den Wohnhäuern gilt es weiterhin zwischen Königspalästen (bas¸keia) (vgl. z. B. Sobr.66; Conf.113; Jos.123; Flacc.92; Leg.Gai.299) und normalen Wohnhäusern (oWjor) zu unterscheiden. Schlechte Hausbewohner müssen in Mietshäusern guten weichen (Somn.I.149). Einblick in den „Großen Saal“ (b l´car oUjor) des römischen Kaiserpalasts gibt Leg.Gai.367: Seine Fenster sollten auf den Befehl des Kaisers verglast werden, um Licht einzulassen und die Winde abzuhalten. In einem anderen Raum sollten Originalgemälde (cqava· !qwt¼poi) aufgestellt werden. Doch von solchen Einrichtungen hat Philo im Blick auf die ihm sonst zugänglichen oder bekannten Häuser nichts zu berichten. Leider ist seine Lagebeschreibung des in einem Hof (aqk¶) gelegenen Hauses in Leg.III.40 einigermaßen unklar. Vermutlich handelt es sich um ein von Juden bewohntes Hofhaus, dessen Frauengemach (h²kalor/ thlamos) mit dem Männergemach oder Trakt (?) (!mdq¾m/andro¯n) durch einen Gang (aqk¾m/aulo¯n) verbunden war. Das Haus selbst wurde durch einen Portalbau (puk¾m/pylo¯n) betreten.43 In einem zentralen Raum befand sich der Herd (2st¸a/hesta) (vgl. Sacr.103; Agr.79; Ebr.59 mit Migr.96). Er galt als das heilige Zentrum des Hauses und der Familie,44 aber auch als Koch- bzw. Bratstelle. Berührte ihn ein Schutzflehender, wurde ihm damit Asyl gewährt (Virt.124).45 So wie heute das Vaterhaus oder die Heimat Inbegriff der Geborgenheit sind, war es für Philo wie damals üblich der väterliche Herd (Her.27). Einen weiteren Überblick über die Aufteilung der Wohnräume sucht man bei Philo vergeblich. Nur in einem Zitat von Dtn 22,8 wird das Dach (d_la/ do¯ma) samt dem dazugehörigen Dachkranz (stevam¶/stephane¯) erwähnt, der die sich auf ihm Aufhaltenden vor einem Sturz in die Tiefe bewahren soll (Agr.170).46 Dass die einzelnen Räume (vgl. z. B. Ebr.49) und ebenso das Haus (vgl. z. B. Fug.144) durch eine Tür (h¼qa/thy´ ra) nach außen abgeschlossen werden konnten und die Haustür durch einen Türhüter (pukyqºr/pylo¯rs)47 bewacht wurde (Abr.15), war ein Erfordernis der Sicherheit (vgl. z. B. Ebr.49; Fug.144). Am Türpfosten (vkia¸/phlia) ihres Hauses pflegten Juden gemäß Dtn 6,10 das Schema einzuritzen (Spec.IV.142).
43 Zu den Wohnhäusern und der Wohnkultur der hellenistisch-frühkaiserzeitlichen Epoche vgl. Carl Schneider, Welt des Hellenismus, 119 – 131 und z. B. P. Zanker, Pompeji, 16 – 32 und 142 – 210, bes. 147 – 161 mit zahlreichen Plänen. 44 Vgl. auch Kleanthes ( SVF. I.500), der nach Plut.Mor.923a die Erde als Herd und damit als Mittelpunkt der Erde bezeichnete: vgl. auch Corn.Epidr.28.2 und bes. 5. 45 Vgl. dazu Wilson, Virture, 266 – 289. 46 Vgl. Dtn22,8 (G). 47 Zu den Torhütern an den Außentoren des Tempels vgl. Spec.I.156.
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3.4.3 Von der Ausstattung der Häuser Zur unentbehrlichen Einrichtung eines Hauses gehören einerseits ihre Möbel48 und andererseits die Ess- und Trinkgeräte. Wenn Philo das Wort „Sessel/Stuhl“ (5dqa/dra) auch nur im übertragenen Sinn verwendet (Sacr.42; Aet.136), so setzt das doch voraus, dass er dieses Möbel kannte. Das Parallelwort hqºmor/thrnos ist bei ihm nur einmal belegt und bezeichnet dort in der Tat den Thron des Kaisers (Congr.116). Über die luxuriöse Ausstattung mit Prunkbetten und goldenen oder silbernen Kelchen informiert Philo seine Leser mehrfach, indem er diesem abgehobenen Luxus das einfache Leben entgegenstellt. So berichtet er, dass es bei der Oberschicht ein Bett (b joWtor) bzw. eine kostbare Liege (pokutekµ jk¸mg/polytele¯ klne¯) und eine mit Blumen verzierte Decke (eqamt´statg stqylm¶ (euantstate¯ stro¯mne¯) für den nächtlichen Schlaf gäbe (Somn.I.23). Das aber geißelt er als Nachahmung weiblichen Luxus, wobei er den Frauen an und für sich eine bequemere Lebensart zugesteht (vgl. auch Vit.Cont.49). Dagegen verweist er Somn.I.126 für die einfachste Ausrüstung auf einen Athleten, der auf dem Boden schläft und sich mit einem Stein als Kopfkissen zufrieden gibt. In Somn.II.56 berichtet er in ähnlicher Absicht von den indischen Gymnosophisten, die auf der Erde liegen und sich mit einem Lager aus Stroh (stib²r/stibs) oder unbehauenen Steinen oder gewöhnlichem Holz begnügen.49 Nur selten behandelt Philo einen Einrichtungsgegenstand oder ein Gelage, ohne sein abwertendes Urteil beizufügen.
3.5 Der Einzelne in seiner Familie und Freundschaft 3.5.1 Der Einzelne als Glied seiner Familie Zum Leben des Einzelnen gehörte im Altertum stets eine Familie als Hintergrund. Das galt selbst dann, wenn seine Wege ihn in die Fremde geführt hatten. Daher ist es nicht auffällig, wie genau Philo über die Probleme im Leben einer Großfamilie mit der Vielzahl ihrer Verwandtschaftsgrade, ihrer zahlreichen Bediensteten einschließlich der Sklaven und ihres weiteren Umkreises in Gestalt von Freunden zu berichten wusste.
48 Zur Vielfalt der Möbel und Einrichtungsgegenstände in der hellenistischen Epoche vgl. Schneider, 132 – 134. 49 Zu Philos asketischem Ideal des einfachen Lebens und Schlafens vgl. unten, 242 – 243.
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3.5.2 Die Großfamilie Wenden wir uns seinen Angaben über die Familie zu, tritt uns das ganze breite Spektrum der Großfamilie entgegen (Praem.109). So erwähnt er natürlich in seinen Schriften die Eltern (come?r/goneı˜s bzw. toje?r/tokeı˜s),50 aber auch den Vater (pat¶q/pate¯r)51 bzw. Erzeuger (cemmgt¶r/genne¯te¯s)52 und die Mutter (l¶tgq/me¯te¯r)53 und ebenso beide zusammen.54 Darüber darf auch der Schwiegervater (pemheqºr/penthers) nicht vergessen werden (Fug.4). Bei den Müttern galt es gegebenenfalls den Unterschied zwischen einer legitimen (!st¶/aste¯) und einer Neben- oder Kebsfrau (pakkaj¶/pallake¯) zu berücksichtigen (Congr.43), aber auch die Stiefmutter (lgtqui²/me¯tryi) durfte nicht übergangen werden.55 Weiterhin ist natürlich vom Bruder (!dek¦or/adelphs) (oder den Brüdern (!dek¦o¸/adelpho)56 die Rede, wobei zwischen einem Bruder aus dem gleichen Mutterleib (b !dekv¹r b bloc²stqior) (Mut.92; Somn.II.41 und den Bastardbrüdern (mºtoi !dek¦o¸/ntoi adelpho) (Sobr.12) zu unterscheiden ist. Seltener und meistens im übertragenen Sinn werden die Schwester (!dekv¶/adelphe¯)57 bzw. die Schwestern (!dekvaR/adelpha) (Migr.60) erwähnt. Auch von den Vettern ist einmal die Rede (!mexio¸/anepsio) (Leg.Gai.54). Dazu kommen aus der Generation der Eltern die Onkel (he?oi/theı˜oi) (Leg.Gai.54) und Tanten (he?ai/theı˜ai) (Spec.II.127). Dann folgen in der absteigenden Linie die Vorfahren (pqºcomoi/prgonoi) (Prob.10; Leg.Gai.232) oder Väter (Sacr.48; Post.89; Agr.59; Mut.23), von denen der Großvater (p²ppor/pppos) oder genauer bezeichnet z. B. „der Vater seiner Mutter (Post.76), die Großväter,58 der Urgroßvater (pqºpappor/ prpappos) (Leg.Gai.240) und einmal die Großmutter (pqol²llg/prommme¯) (Leg.Gai.292) erwähnt werden. Philos Aussagen sind grundsätzlich gehalten und in der Regel biblisch 50 Vgl. z. B. Opif.90; Leg.III,10; Det.145, Her.171 bzw. Plant.118; Ebr.33; Her.115; Abr.195; Praem.158. 51 Vgl. z. B. Leg.III.85.90.181; Det.49.124.159; Post.90; Gig.62; Imm.92; Plant.59; Fug.3; Som.I.159; Som.II.111; Abr.173; Jos.262; Mos.I.58; Mos.II.234 – 235; Spec.I.129; Spec.III.14; Spec.IV.184; Virt.224 und Prob.37. 52 Vgl. z. B. Conf.149; Som.II.178 und Decal.53. 53 Vgl. z. B. Leg.III.180; Det.106; Imm.11.39; Her.53; Som.I.46; Som.II.7; Spec.I.332; ferner Plant.15. 54 Vgl. Leg.II.51; Det.52; Ebr.14.29.30; Her.171; Abr.67; Jos.9; Mos I.135; Mos II.193; Spec.II.226.261; Spec.III.14 und Praem.109, ferner Decal.94. 55 Vgl. Post.162; Jos.232; Spec.II.135; Spec.III.20 und Virt.224 – 225. 56 Vgl. z. B. Leg.III,26; Sacr.129; Det.5; Imm.119; Ebr.95; Migr.159; Fug.127; Som.II.108; Leg.Gai.54. 57 Vgl. z. B. Opif.151; Cher.40; Sacr.1; Agr.154; Migr.78; Fug.23. In den Belegen wird das Wort überwiegend in übertragenem Sinn benutzt. 58 Vgl. z. B. Sacr.43; Det.14; Som.I.159; Abr.9.31; Spec.I.101 und Leg.Gai.298.
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begründet. Bei denen über das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern auf der einen und den Geschwistern auf der anderen Seite spielten außerdem dem Altertum gemeinsame Vorstellungen und vermutlich auch eigene Beobachtungen eine Rolle. So wusste Philo natürlich, dass sich Brüder innerhalb ihrer Familien am nächsten stehen (Det.25). Von ihnen musste er ohnehin in seinen Kommentierungen der Erzählungen von Kain und Abel und der Josephgeschichte berichten. Dass er die Base (!mexi²) überhaupt nicht erwähnt, fällt auf, zumal er sich häufig über die Jungfrauen (paqh´moi/parthnoi) in der Einund der Mehrzahl äußert. Das dürfte damit zusammenhängen, dass unverheiratete Frauen in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen und sie nach der Tora ihre Jungfräulichkeit bis zur Ehe unverletzt erhalten sollten.59
3.5.3 Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern Fragen wir nach dem von den Kindern erwarteten Verhalten gegenüber ihren Eltern, so betrachtete Philo die Pflicht, Vater und Mutter und die weiteren Vorfahren gemäß dem 5. Gebot zu ehren als selbstverständlich (Decal.51; Spec.IV.178). Er erwähnt auch die Meinung gewisser „kühnerer Geister“, die Vater und Mütter als die sichtbaren Götter bezeichnen, weil sie das Werk des ungewordenen Schöpfers des Lebens nachahmen (Decal.120). Diese Ansicht haben nach der Auskunft von Colson der um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. wirkenden Stoiker Hierokles60 und nach ihm bereits der im frühen 4. Jh. v. Chr. lebende Dichter Dikaiogenes61 vertreten. Nach Diog.Laert.VII.120 dürfte es die normale stoische Lehre gewesen sein, dass man Eltern und Geschwister an zweiter Stelle nach den Göttern ehren solle, während die Liebe guter Eltern zu ihren Kindern natürlich sei. Wer jedoch Vater und Mutter verachtete, versündigte sich dadurch gegen Gott (Mut.226). Der attische Redner Isokrates (436 – 338) hat in seiner Rede an Demonikos (Isokr.I.16) die sittlichen und religiösen Forderungen seiner Zeit auf die Formel gebracht: „Fürchte die Götter, ehre die Eltern, achte Deine Freunde und gehorche den Gesetzen.“ Setzt man die Götter in den Singular und ersetzt man die Gesetze durch die Gebote der Thora, gilt diese Formel auch für Philos Denken. Die Achtung vor und der Gehorsam gegen die Eltern galt im Altertum (und letztlich wohl auch noch heute) als selbstverständlich. Ihre Stellung gleich hinter den Göttern bzw. Gott fand bei Philo z. B. darin zuAusdruck, dass er angesichts des 2. Gebotes des Dekalogs, das es verbietet, Gottes Namen zu missbrauchen, den Rat gab, falls ein Eid unbedingt erforderlich sei, zu Lebzeiten der Eltern ihn bei ihrer Gesundheit und ihrem Wohlergehen zu leisten, nach ihrem Tode aber bei ihrem Gedächtnis. „Denn“ so begründet er diesen Rat, „die Eltern sind Abbilder und 59 Vgl. dazu ausführlich unten, 55 – 56 u. 228 – 229. 60 Vgl. zu ihm E.G. Schmidt (Kl.P. II), 1133 bzw. B. Inwood, übers. T. Heinze (DNP.V), 541. 61 Vgl. zu ihm F. Stoessl (KlP II), 21.
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Ebenbilder der göttlichen Macht, weil sie Nichtseienden zum Sein verholfen haben“ (Spec.II.2). Aber am lobenswertesten seien Menschen, die es ablehnten zu schwören und deren Ja und Nein einem Eid gleichwertig seien (vgl. Mt 5,37). Wollten sie aber noch etwas hinzufügen, so könnten sie sich statt auf die höchste und erste Ursache (aUtiom/ation) auf die Erde, die Sonne, die Sterne, den Himmel oder den ganzen Kosmos berufen (Spec.II.4 – 5).62 In keinem Fall aber würde Gott einen Eidbruch straffrei ausgehen lassen (Spec.II. 253).63 Doch umgekehrt könne die gefühlsmäßige Bindung (t¹ p²hor/t pthos) eines Vaters an seinen Sohn wie im Fall der Abrahams an seinen Sohn Isaak stärker als jede keusche Liebe und Freundschaft sein (Abr.194). Aber wenn Eltern ihre Kinder allzu zärtlich behandelten und rundum gut versorgten, könnte das einigen unter ihnen zum Nachteil gereichen, weil sie dadurch zu einem luxuriösen und sinnlichen Leben verführt werden könnten (Spec.II.240). Im Blick auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern lassen sich nach Philo grundsätzlich vier Arten von Kindern unterscheiden, die in den verschiedensten Städten, Ländern und Völkern leben. Die erste Gruppe der Kinder sei beiden Eltern gleichmäßig gehorsam, während die zweite beide missachte. Von den beiden verbleibenden gehorche die eine dem Vater von Herzen, missachte aber die Anweisungen der Mutter. Die andere dagegen sei der Mutter ergeben und diene ihr in jeder Weise, während sie sich um die der Väter am wenigstens kümmere. Von diesen vier Gruppen verdiene die erste die Siegespalme, die zweite würde dagegen zugrunde gehen. Von den beiden zuletzt genannten verdiene den zweiten Preis die Gruppe derer, die ihren Vätern gehorche, und den dritten die, die ihren Müttern gehorche (Ebr.35). Wie nicht anders zu erwarten, konnte Philo das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, auch allegorisch auslegen und den Vater mit dem moOr/nou¯s, der Vernunft, und die Mutter mit der aUshgsir/asthe¯sis, dem sinnlichen Wahrnehmungsvermögen, gleichsetzen. Unmittelbar danach konnte er auch Gott als den Schöpfer mit dem Vater und die Weisheit als die Mutter bezeichnen,64 durch derer beiden Tätigkeit der Kosmos vollendet wurde (Det.52 – 53).65 Und schließlich war es ihm möglich, neben den Logos als Vater auch die paide¸a/ paidea, die Erziehung, als Mutter zu stellen (Ebr.34 – 35). So hat sich Philo in einem breiten Horizont über Vater und Mutter geäußert, aber eine persönliche Note wie etwa die, dass die Mutter ihrem traurigen Jungen tröstend mit der 62 Vgl. aber Mt 5,34 – 35. 63 Dass Jungfrauen und Ehefrauen als Personen, die nicht über sich selbst bestimmen dürfen, das Schwören in der Schrift untersagt ist (Num 30,4 – 5), hält Philo für sachgerecht, weil sie entweder den Wert des Beeideten nicht abzuschätzen vermöchten oder aber ihrem Ehemann einen Schaden zufügen könnten. Daher könne ein Ehemann mit Recht das von ihm gehörte Gelübde seiner Frau bekräftigen oder auflösen. Vaterlose Witwen aber sollten sich beim Schwören zurückhalten, weil sie sich sonst schweren Schaden zufügen könnten (Spec.II.24 – 25). 64 Vgl. auch Conf.49. 65 Vgl. auch Post.162, wo Philo auf die anerkannte These hinweist, dass die Natur die Mutter der irrationalen Geschöpfe und die Stiefmutter der Menschen sei.
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Hand über den Kopf streicht, suchen wir bei ihm vergeblich: Anders als es heute teilweise üblich zu sein scheint, „outet“ er sich Fremden gegenüber nicht über das, was allein ihn selbst anging. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Philo die biblischen Bestimmungen über die Familienmitglieder als angemessen beurteilte. Daher erhob er auch keinen Einspruch gegen die dem Vater über seine Kinder und seine Sklaven eingeräumten Rechte, die von der väterlichen Ermahnung bis zur Todesstrafe reichten (Spec.II.232). Angesichts dessen, was die Eltern für die Aufzucht ihrer Kinder aufgewendet hätten, verdienten Kinder keine besondere Anerkennung, wenn sie ihre Eltern ehrten, wohl aber Tadel und Anklage, wenn sie ihnen als ihren Wohltätern und Herren nicht gehorchten (Spec.II.233 – 234). Kinder aber könnten ihre Eltern nicht besser ehren als indem sie bescheiden und unverstellt nach einem tugendhaften Leben strebten (Spec.II.235). Darüber hinaus sollten sie nach dem biblischen Gebot nicht nur ihre Eltern, sondern alle die ehren, die diesen an Alter glichen, indem sie ihnen den ersten Platz einräumten und gegebenenfalls den Weg frei gäben (vgl. Lev 19,32). Die Furcht vor den Eltern würde (Lev 19,3) der Zuneigung gegen sie vorgeordnet, um den ihnen geschuldeten Gehorsam zu sichern. Darüber hinaus aber wäre es unpassend, wollte ein Gesetzgeber die kindliche Anhänglichkeit befehlen, weil sie ihnen die Natur von den Windeln an wie einen Trieb eingepflanzt hätte (Spec.II.237 – 239). Wer sich seiner Eltern annehme, dürfe keinen weiteren Lohn dafür erwarten, weil der Kampfpreis (%hkom/thlon) in ihrem Tun selbst liege (Spec.II.261). In Zeiten großer Hungersnot könne freilich das Widernatürlichste geschehen, so dass Eltern ihre Kinder, Brüder ihre Brüder, Kinder ihre Eltern fräßen, wofür Philo an die Geschichte von Thyestes erinnert (Praem.134 – 136).66
3.5.4 Die Sonderstellung der Jungfrauen Was nun speziell die Jungfrauen beträfe, so sollten sie nach den biblischen Geboten ihre Jungfräulichkeit bis zur Ehre unverletzt erhalten. Erst durch die (geschlechtliche) Vereinigung (s¼modor/sy´ nhodos) zum Zweck der Zeugung von Kindern werden Jungfrauen zu Frauen (cuma_jar/gynakas). Dabei zeigen die beiden folgenden Sätze, dass es nach Philos Ansicht beim Beischlaf nicht um den Lustgewinn, sondern um die Kinderzeugung ging. Denn er erinnert sogleich daran, dass Gott im Verkehr mit der Seele die unmännlichen Leidenschaften entferne und statt ihrer die unbefleckten Tugenden in sie pflanze (Cher.50). Im Gebären ahme die Erde mit Platon nicht die menschliche Mutter, sondern diese die Erde nach (Opif.133 ; Plat.MenEx238a). Die Seele einer wahren Jungfrau aber sei rein, aufrichtig und unbefleckt und mithin allein unter allem Erschaffenen schön und gut. Das aber entspräche der 66 Vgl. zu ihr H.J. Rose, Mythologie, 251
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stoischen Lehre, dass allein das sittlich Schöne auch gut sei (vgl. Post.132 mit Diog.Laert.VII.101).67 Daher konnte Philo auch die Tugend selbst als eine Jungfrau bezeichnen, die zahlreiche Nachkommen zeuge (Somn.I.200). Man stimme ihr gern mit Worten zu, während man keine Gelegenheit ausließe, frevelhaft und unsittlich zu handeln (Mut.196).
3.5.5 Das Unglück des Ehebruchs68 Der Ehebruch aber machte nach Philos Überzeugung alle Beteiligten unglücklich: 1.) den Ehemann, der unter dem Bruch des Ehegelübdes seiner Frau litte und sich um den erhofften legitimen Nachwuchs gebracht sähe; 2.) den Ehebrecher und 3.).die Ehebrecherin, deren beide Familien im Fall der Aufdeckung ihres Vergehens entehrt worden seien (Decal.126). 4.) aber litten auch die aus solchen Verhältnissen hervorgegangenen Kinder angesichts der Unsicherheit ihrer Herkunft (Decal.128) oder aber, wenn sie bekannt geworden sei, unter dem Unglück weder zur Familie ihres tatsächlichen Vaters noch zu der ihres bis dahin vermeintlichen Vaters zu gehören (Decal.130). Die Ausführlichkeit, mit der Philo auf diese Verhältnisse eingeht, bezeugt ebenso, dass er grundsätzlich von vorehelichen Reinheit und der Unverletzlichkeit der Ehe als sittlichen Grundforderungen überzeugt war, wie er beide in seinen Tagen und vermutlich besonders in einer Großstadt wie Alexandrien bedroht sah.
3.5.6 Das Erbrecht Der Vorrang der Familie vor dem Einzelnen geht aus dem von Philo in Spec.II.124 – 128 vertretenen Erbrecht hervor.69 Beim Tod des Familienvaters sollten die Söhne und nur wenn es solche nicht gab die Töchter des Erbe antreten (Num 27,8 – 11). Sollte er Töchter hinterlassen, denen die Mitgift noch nicht ausgesetzt war, sollten sie das gleiche Erbrecht wie die Söhne haben. Außerdem sollte die zuständige Behörde sich um den Schutz, den Unterhalt und die Erziehung der unverheirateten Mädchen kümmern und nach Möglichkeit mit den bestmöglichen Männern aus derselben Sippe verheiraten, damit die Mitgift nicht in andere Stämme übergingen. Stürbe je67 SFV II.30 68 Zum alttestamentlichen Verständnis der Ehe und ihrer Spielräume vgl. R. de Vaux, Institutions I, 45 – 65, zur Situation der Witwen 67 – 69 bzw. F. Nötscher, Altertumskunde, 75 – 88 und zu den Witwen, 88 – 89; zum dem im archaischen und klassischen Athen C. Reinsberg, Ehe, 12 – 79 und zur Ehe und ihrem Problemen und den Spielräumen des Sexualverhaltens in der römischen Kaiserzeit einschließlich der Stellungnahme des Apostels Paulus R. Knapp, Römer, 33 – 43 und 73 – 83. 69 Zum biblischen Erbrecht vgl. de Vaux, Insitutions I, 89 – 91 bzw. Nötscher, Alltertumskunde, 89 – 90.
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mand ohne Nachkommen, sollte sein Vermögen seinen Brüdern oder gegebenenfalls den Onkeln (he?oi/theı˜oi) oder Tanten (he?ai/theı˜ai) väterlicherseits und falls es keine solchen gab anderen Nächstverwandten zufallen. Stürbe jemand, der keine Verwandten besäße, sollte die Hinterlassenschaft an Angehörige desselben Stammes als der erweiterten Familie fallen. Das Erbrecht stand mithin im Dienst der Vermögenssicherung der Familie bzw. der Sippe oder des Stammes. Dabei gehen die Bestimmungen über die Erziehung und Verheiratung der Töchter wohl unter hellenistischem Einfluss über die in Num 27,8 – 11 enthaltenen Regeln hinaus. Vielleicht können wir diesen Abschnitt nicht besser als mit einem Zitat aus Praem.108 – 110 schließen, in dem Philo das ganze Geflecht einer Sippe vorbeiziehen lässt, um seinen Lesern einzuprägen, dass alle ihre Glieder lange leben und nicht vorzeitig sterben würden, wenn sie das Gesetz bewahrten:70 „Alle aufrichtigen Gottesverehrer werden das Naturgesetz der Kindererzeugung erfüllen: die Männer werden Väter sein und kinderreiche Väter, die Frauen werden Mütter sein und mit Kindern gesegnete Mütter, und so wird jedes Haus eine zahlreiche Verwandtschaft bilden, worin kein Teil und keine Bezeichnung, die von Angehörigen gebraucht wird, fehlen soll, weder in aufsteigender Linie, also die Namen der Eltern, Oheime und Großeltern, noch in absteigender Linie, also die Namen der Söhne, Brüder, Bruderskinder, Enkelkinder von Sohn und Tochter, Vettern, Kinder der Vettern und aller Blutsverwandten. Auch eines raschen oder frühzeitigen Todes wird kein Gesetzestreuer sterben, ein jeder wird alle Lebensstufen erreichen, die Gott dem Menschengeschlechte zuerteilt hat: vom Säuglingsalter an nacheinander wie auf Stufen aufsteigend, wird er in bestimmten Zeitabschnitten die festgesetzten Alterstufen durchmessen und schließlich zu der Stufe gelangen, die dem Tode oder vielmehr der Unsterblichkeit benachbart ist; er wird in Wahrheit ein schönes Alter haben und ein mit guten und zahlreichen Kindern gesegnetes Haus an seiner Stelle zurücklassen.“
3.5.7 Die zum Haushalt gehörenden Bediensteten Von dem zu einem gehobenen Haushalt gehörenden Bediensteten (heqapºmter/therapntes) seien zuerst Philos Aussagen über die Erzieher (paidacoco¸/ paidagogo) referiert. Sie müssten anders als die Eltern, für die das Kind „von Natur aus ihr Sklave“ (t_m l³m v¼sei doOkor/to¯n mn phfflsei doffllos) sei, mit deren Kindern reden (Post.109). Denn die Eltern besäßen nicht nur ein natürliches Herrschaftsrecht über ihre Kinder, sondern auch über die in ihrem Hause geborenen und durch Kauf erworbenen Sklaven. Das Recht, über die eigenen Kinder zu bestimmen, ginge schon daraus hervor, dass sie für diese vergleichsweise mehr als für einen gekauften Sklaven ausgäben, indem sie Ammen, Erzieher und Lehrer bezahlten, darüber hinaus die Kosten für ihre 70 Übersetzung von Leopold Cohn ( Philo. W.d.Ü. II), 409 – 410.
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Ernährung und Bekleidung erlegten und von Geburt an über ihre Krankheit und Gesundheit wachten (Spec.II.233). Philos Urteil über die Erzieher war freilich gespalten. Denn einerseits anerkannte er den positiven Einfluss von Gymnasiarchen, Erziehern, Lehrern, Eltern und anderen, den sie durch Tadel und Bestrafung auf die ihnen anvertrauten Kinder ausübten, wobei sie grundsätzlich von gutem Willen und Zuneigung geleitet würden (Migr.116).71 Darüber hinaus hielte schon das Zusammenleben mit den Älteren die Jüngeren zu einer sie zierenden Bescheidenheit (aQd_r/aido¯s) und Selbstzucht (syvqos¼mg/so¯phrosfflne¯) (Mut.217) an. Aber andererseits konnte er ihnen allen vorwerfen, dass sie die Kinder z. B. durch das Erzählen von mythischen Erdichtungen auf einen falschen Weg führten (vgl. Her.295 mit Virt.178). Als Musterfälle für die heqapaim¸r/therapains, die Dienerin oder Handmagd, kann Philo auf das Verhältnis zwischen Sara und Hagar, Lea und Bilha und Rahel und Silpa (Virt.223) hinweisen und es allegorisch auf andere Sachverhalte übertragen. Es reicht im vorliegenden Zusammenhang, wenn wir an den Musterfall Sara-Hagar erinnern (Post.130; Fug.202), aus dem hervorgeht, dass die aus einer solchen Verbindung hervorgegangenen Kinder als mºtoi/ntoi, als Bastarde, galten (Fug.73), während die Nebenfrau selbst der Hauptfrau oder Herrin (juq¸a/kyra) dienen musste (Fug.205). Philo gewährt uns auch einen Blick in die gehobene und die einfache Küche seiner Zeit, indem er das dazugehörige Personal und seine verfeinerten Künste vorstellt:72 Es handelt sich bei ihnen um den Mundschenken (oQmowºor/oinochos), den Speisemeister oder Bäcker (sitopoiºr/sitopois) und den Koch (l²ceiqor/mgeiros).73 Philo konnte sie seinem Ideal vom selbst beherrschten Menschen gemäß abwertend als Diener der Gelüste (Bdoma¸/he¯dona) bezeichnen (Det.26; vgl. auch Migr.19 und Mut.173). Normalerweise versorgten sie allerdings die Menschen mit Getränken, Brot und Fleisch und erfüllten damit ihre natürlichen Bedürfnisse (Ebr.214). Aber in verfeinerter Form befriedigten sie mit einem größeren Angebot z. B. von Milch- und Honigkeksen und anderen Backwerken sowohl die Augen wie den Gaumen. In ähnlicher Weise unterschieden sie zwischen Weinsorten, die auch schnell getrunken keine Kopfschmerzen hinterließen, zwischen ihrem unterschiedlichen Geschmack und ihrer Blume und ihrer je zweckdienlichen Mischung. So könnte auch die Zubereitung und Aufmachung von Fischen, Vögeln und dergleichen zu einer geradezu wissenschaftlichen Aufgabe werden, mit denen die Obermundschenken den Gipfel ihrer Kunst erstiegen (Ebr.214 – 219).
71 Von der Amme (B tih¶mg) spricht Philo nur im allegorischen Sinn, z. B. Ebr.31; Conf.49 und Her.38 und 52. 72 Zur hellenistischen Esskultur vgl. ausführlich C. Schneider, Welt des Hellenismus, 156 – 182. 73 Zur Küchenausstattung vgl. Schneider, 134 – 136.
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3.5.8 Gastmähler als Demonstration des Reichtums Philos ganzer Unwillen galt den Gelagen der Reichen, die dabei von dem in Italien üblichen Gesichtspunkt der Üppigkeit und des Luxus ausgingen, wie er sich in der Folge auch bei Griechen und Barbaren verbreitet hatte. Daher handle es sich bei ihren Gelagen eher um einen Beweis ihres Reichtums als um ein Fest.74 Dazu gehörte eine Ausstattung, die ihren Reichtum sinnenfällig demonstrierte, wie z. B. mit Schildpatt und Edelsteinen verzierte Triklinen (Dreierliegen), mit echtem Purpur gefärbte und mit zu Blumengewinden verwobenen Goldfäden verzierte Polster. Darüber hinaus würden alle nur denkbaren Trinkgefäße vom Schöpfgefäß (ju²tgr/kute¯s) und der Weinkanne (oQmowo¶/oinochoe¯) über die Spendeschale (vi²kg/phile¯) und dem goldenen oder silbernen Kelch (j¼kin/ky´lix) samt dem dazu gehörigen Mischgefäß (jqat¶q/krate¯r) aufgestellt (vgl. dazu auch Somn.II.60 – 61). Dazu gössen ganz junge Sklaven den Wein ein, während etwas ältere das Wasser (zum Mischen) reichten und andere, die früher das Spielzeug ihrer päderastischen Herren gewesen seien, denen schon der Bart sprosse, die schwereren Schüsseln mit den Speisen herbei brächten. Wir verzichten auf die Wiedergabe des Speisezettels, der vom Fisch bis zum Vogel und dem Nachtisch in Gestalt von Früchten alles enthielt, was sich ein Genießer damals wie heute erträumen mochte (vgl. auch Ebr.217). Philo bricht seinen Bericht angewidert mit der Bemerkung ab, dass Menschen vor allem darum beten müssten, nicht zu verhungern oder zu verdursten, statt an solchen Bewirtungen mit ihrem Durcheinander von Speisen und Getränken teilzunehmen (Vit.Cont.48 – 56). Wer mit einem kleinen Becher voll Wein begönne und dann nach solchem aus größeren Schöpfkellen verlange, verlöre am Ende die Kontrolle über sich selbst, sofern er nicht in einen tiefen Schlaf fiele (Ebr.221). Dass sich Reichtum durchaus mit einem soliden Lebensstil verträgt, konnte er mit dem Hinweis auf hochgestellte Beamte belegen, die ihren Reichtum nicht zur Schau stellten, sondern wie die einfachen Leute einen irdenen Becher benutzten und dazu Spitzbrote und als Delikatesse Oliven aßen und im Sommer ein gegürtetes Hemd und im Winter einen Wollmantel trugen Sie wollten nichts von Elfenbeinbetten mit all ihrem kostbaren Schnickschnack wissen, weil sie dazu erzogen waren, das Interesse der einfachen Menschen über das der herrschenden Klasse zu stellen (Spec.II.20 – 21). Vermutlich darf man seine eigene Familie in diesen Kreis einschließen, der bescheidene Zurückhaltung im Äußeren bewahrte.
74 Als Karikatur eines solchen Gelages vgl. das „Gastmahl des Trimalchio bei Petronius, Satyrica 26.9 – 78.
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Philos geographische und städtische Welt
3.5.9 Von den Freunden und der Freundschaft Da der Sonderfall der Liebesbeziehungen zwischen Männern gesondert behandelt wird,75 ist ein Blick auf ihren normalen Verkehr unter dem Gesichtspunkt der Freundschaft, der vik¸a/phila, angebracht. Gehen wir vom spezifischen Wortgebrauch im Sinn einer festen inneren und gegebenenfalls auch äußeren Verbindung zwischen zwei Jünglingen oder Männern aus, für die in der Antike Freundespaare wie Pylades und Orest76 oder im Alten Testament David und Jonathan (vgl. 1Sam. 18,1 – 4; 20 und 2Sam.1,26)77 das Muster darstellten, so ist das Ergebnis unbefriedigend: Denn Philo gibt an keiner der Belegstellen einen Hinweis auf ein für ihn mit dem Wort verbundenes persönliches Gefühl. Stattdessen lassen sich bei ihm einige grundsätzliche Äußerungen über die Freundschaft finden, die zeigen, dass er über den Wert und die Probleme der Freundschaft genau nachgedacht hatte. So stellte er z. B. fest, dass man Freundschaft nur denen erweisen dürfe, die ihrer aufgrund ihres Verhaltens würdig seien, während ein Bösewicht (pomgqºr/pone¯rs) niemals ein wahrer Freund sein könne (Spec.III.155); oder dass man Freundschaft nicht mit Schmeichelei (jokajRa) und den Freund nicht mit dem Schmeichler (jºkan) verwechseln dürfe (Leg.III.182), denn durch Schmeichelei würde die echte und gesunde Zuneigung durch eine krankhafte vertrieben (vgl. auch Agr.164).78 Zudem müsse man bei Schmeichlern darauf gefasst sein, dass sie sich ihren angeblichen Freunden gegenüber als Feinde erwiesen (Leg.II.10; vgl. auch Conf.48).79 Dagegen könne man Freundschaft und Kameradschaft (2taiq¸a) uneingeschränkt nebeneinander stellen (Det.15). Es waren vor allem zwei Eigenschaften, die der Freundschaft in Philos Augen ihren besonderen Wert verliehen. Das war zum einen der Freimut im Miteinander und zum anderen die Absicht, dem Freund Gutes zu erweisen: So hat er zum einen das innere Verhältnis zwischen den Freunden auf die Formel gebracht, dass Freimut (paqqgs¸a/parre¯sa) die Gefährtin der Freundschaft ist (Her.21). In der wahren Freundschaft ginge es darum, dass beide einander um des anderen willen Gutes wünschten (Plant.106). Das Symbol für eine solche Freundschaft aber bestand für Philo in der gemeinsamen Teilhabe an Tisch und Salz (Jos.210).80 75 Vgl. dazu unten, 112 – 114. 76 Zum Verständnis der Freundschaft in der Antike vgl. umfassend D. Konstan, Friendship, und zur Bedeutung von Liebe und Freundschaft bei Platon und Aristoteles A.W. Price, Love and Friendship. 77 Sie wird von Philo nirgends erwähnt. Zur Freundschaft im Alten Testament vgl. F. Nötscher, Altertumskunde, 49 – 50 und zu ihrer Rolle bei Jesus Sirach J. Corley, Ben Sira‘s Teaching, passim und bes. 213 – 218. 78 Vgl. dazu auch A.C. Geljon/D.T. Runia, Cultivation, 249. 79 Vgl. auch Theophr.Char.II. 80 Zur Bedeutung des Salzes in der Antike vgl. K.-W. Weeber, Alltag, 238 – 239.
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Die Grenzen der Freundschaft waren für Philo identisch mit der Rechtschaffenheit, zu der es gehört, den Freund zu keiner ungerechten und gesetzwidrigen Handlung zu verleiten (Decal.89), ja, ihn anzuzeigen, wenn er straffällig geworden sei (Spec.II.26). Ebenso meinte Philo mit Recht davor warnen zu müssen, sich auf eine Freundschaft mit einem hochmütigen und arroganten Menschen einzulassen,81 der seine Freundschaften und Feindschaften ebenso schnell schließe, wie er sie aufgäbe, und der, falls er nach leiblich Schönen strebte, sich als Verführer, Ehebrecher, Päderast, Schmeichler und Lüstling betätige, als ob es sich bei diesen Übeln um die höchsten Glücksgüter handele (Spec.IV.86 – 90). Von einem solchen Mann konnte er an anderer Stelle sagen, dass er Sklaven als Vieh,82 Freie als Sklaven, Verwandte als Fremde, Freunde als Parasiten und Mitbürger als Fremde behandle (Virt.173). Während man sich vor solchen Menschen hüten solle, sei es gegenüber den Proselyten, den 1pgk¼tair/epe¯lffltais), die ihre Verwandtschaft und Freundschaft aufgrund ihrer Frömmigkeit verlassen hätten, angebracht, sie durch eine besondere Freundschaft und reichliche Zuneigung (eumoia/ efflnoia) zu entschädigen (Spec.I.52; vgl. auch Virt.103).83 Schließlich hielt Philo es angesichts der mit jeder Freundschaft verbundenen Unsicherheit für einen bewundernswerten Rat der Alten (der nach Diog.Laert.I.87 von Bias, einem der sieben Weisen stammt), dass man beim Schließen einer Freundschaft die Möglichkeit im Auge behalten müsse, dass aus ihr eine Feindschaft würde. Daher dürfe man sich einem neuen Freund gegenüber daher keine Blöße geben, die er eines Tages gegen einen selbst ausspielen könnte (Virt.152).84 Das Ideal eines freundschaftlichen Zusammenlebens hatten nach Philos Überzeugung die Essener verwirklicht, in der alle frei waren und alle einander dienten (Prob.79).85
81 Vgl. auch Theophr.Char.XXIV. 82 Vgl. als abschreckendes Beispiel Varro Rust.III.xviii.7 – 8, der von Hortensius berichtet, dass er sich um einen kranken Fisch in seinem Teich mehr Sorgen machte als um einen erkrankten Sklaven. 83 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 355 – 357. 84 Vgl. dazu Publilius Syrus, Sententiae.A 54 par Gell.XVII.xiv.4.Nr. 10: „Amico ita prodesto, ne nocas tibi.“ Der Dichter war Mitte des 1. Jh. v. Chr. als Sklave aus Syrien nach Rom gekommen, wo er bis in der 1.Jh. n. Chr. hinein als Mime und Mimograph wirkte, vgl. zu ihm L. Benz (DNP X) 582 – 583. 85 Zu den Eigenheiten der Essener und zumal ihrer Gütergemeinschaft vgl. Hartmut Stegemann, Essener, 227 – 278, bes. 245 – 264 bzw. knapper F.G. Martnez, The Men and the Community of Qumran, 35 – 41.
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4. Von den erziehenden und erkennenden Wissenschaften
4.1 Von der Schule, ihren Lehrern und Schülern sowie dem Ziel des Wissens 4.1.1 Der Unterricht in der Synagoge als der besten Form der Schule Wenden wir uns dem kulturellen und beruflichen Umfeld Philos zu, so lässt es sich im Einzelnen schwer entscheiden, wie weit die im Folgenden zusammengestellten Kenntnisse auf seine eigene Erfahrung oder auf das Studium einschlägiger Handbücher zurückgehen.1 Was das Schulwesen seiner Zeit betrifft,2 so hielt er – wie bei ihm als Juden nicht anders zu erwarten – die Synagoge für die vollkommene Schule (didasjak¸a/didaskala). Denn in ihr wurde das Volk zu seiner Erbauung und Besserung an jedem siebten Tag im Studium der Weisheit unter der Anleitung eines kompetenten Leiters (Bcel¾m/ he¯gemo¯n) an Hand der Philosophie ihrer Väter (und d. h.: der Thora) darüber belehrt, was es zu reden und zu tun hätte. Daher seien die jüdischen Schulen nicht nur Stätten des Gebets, sondern zugleich solche, in der die vier klassischen Tugenden der Selbstbeherrschung, Tapferkeit, Weisheit und Gerechtigkeit und darüber hinaus Frömmigkeit, Heiligkeit und sämtliche Pflichten gegen Gott und Menschen erwogen und eingeprägt würden (Mos.II.215 – 216).3
4.1.2 Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern Was das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern betrifft, so hassten törichte Kinder grundsätzlich ihre Lehrer und Erzieher (Sacr.51). Wenn Hauslehrer (paidacoco¸/paidagogo), Lehrer, Eltern, Älteste, Beamte und Gesetze (sic!) die ihnen zur Erziehung Anvertrauten tadelten oder bestraften, wollten sie deren Seelen bessern. Denn niemand von ihnen sei ein Feind seiner Schüler, sondern sie seien alle ihre Freunde (Migr.116). Darüber hinaus gäbe ein guter Lehrer seinem Schüler die Möglichkeit, selbstständig seine Kräfte zu erproben und ihn auf diese Weise umso nachhaltiger zu erziehen (Mut.270). Die Tugend 1 Vgl. dazu A. Terian, De Animalibus, 55. 2 Zu Erziehung und Unterricht vgl. C. Schneider, Welt des Hellenismus, 94 – 108. 3 Vgl. auch Decal.40; Spec.II.63; Praem.66 und zu dem ihnen durch Augustus erteilten Privileg Leg.Gai.312.
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des Anfängers bestünde darin, die eigene Unvollkommenheit durch das Nachahmen der Vollkommenheit seiner Lehrer zu überwinden (Sacr.65). Doch wenn sich die Schüler die Lehren ihrer Erzieher einverleibt hätten, dann würden sie selbst zu Lehrern und Wächtern der Tugend, die ihre Prinzipien mit ihren einstigen Lehrer erörterten (Det.64 – 65). Im Hintergrund dieser Thesen dürften die in der Synagoge geführten Diskussionen zwischen den Rabbinern und den schriftkundigen Gemeindegliedern stehen.
4.1.3 Die Eltern als die natürliche Autorität ihrer Kinder Eine Sonderstellung in der pädagogischen Provinz nahmen die Eltern ein, weil sie kraft ihrer natürlichen Autorität die Älteren, die Lehrer, Wohltäter und Herren (heute würde man vermutlich beschönigend sagen: „älteren Freunde und Berater“) ihrer Kinder zugleich seien (Spec.II.232). Doch wer weise geworden sei, suche und brauche keinen Menschen mehr als seinen Lehrer, sondern Gott, während die Unvollkommenen sich einem Lehrer zuwenden müssten (Her.19). Darüber hinaus bestünde offensichtlich ein Unterschied zwischen einem Gebildeten, der stets die Stimme seines Lehrer im Ohr hätte, und einem Praktiker : Denn der Praktiker (!sjgtBr/aske¯te¯s) strebe nur danach, seine eigene Entschlusskraft (t¹ 2jo¼siom/t hekofflsion) zu trainieren und die ihm von Natur anhaftenden Leidenschaften zu überwinden, um dann ermüdet in seine alte Art zurückzufallen. Er sei geschickter als der Gebildete, der aber trotzdem glücklicher sei (Mut. 85). Als gänzlich abartig beurteilte Philo die Transvestie und Päderastie seiner Tage, deren Vertreter nicht davor zurückscheuten, sich als Anleiter und Lehrer der Unmännlichkeit und Verweichlichung von Jünglingen zu betätigen, die sie angesichts ihrer blühenden Schönheit verzärtelten, statt ihre Kraft und Stärke zu trainieren (Spec.III.59).4
4.1.4 Die Ziele der gymnasialen Erziehung mittels der Enzyklika Paideia Gute Eltern und Lehrer sind, so können wir zusammenfassend sagen, für ihre Kinder und Schüler nötig, um sie auf den Pfad des Wissens und der Tugend zu führen. Aber Philo war davon überzeugt, dass Gott grundsätzlich denen, die er für dessen würdig hielte, auch ohne Lehrer Vernunft (kºcor/lgos) und Einsicht (1pist¶lg/episte¯me¯) als Lebensgefährten an die Seite stellen könne (Post.78), ein Urteil, das Philo auch im Blick auf den Bildungsgang der Enzyklika Paideia, des klassischen Bildungsgangs der griechischen Welt wiederholte.5 4 Vgl. dazu unten, 111 – 114. 5 Vgl. dazu M. Niehoff, Philo on Jewish Identity, 180 – 186 und zu seinem ausschließlichen Interesse an der Erziehung von Knaben, 183 – 185.
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Von den erziehenden und erkennenden Wissenschaften
Zur körperlichen und geistigen Grundschulung schickten die Eltern ihre Knaben (pa¸der/pades) in das Gymnasium, wo sie durch Leibesübungen Muskelkraft gewönnen und gerade Haltung und elegante Bewegung erlernten.6 Anschließend sollten die vier niederen Wissenschaften der „Encyclica Paideia“ in Gestalt der Grammatik, Arithmetik, Geometrie und Musik ihr Denken disziplinieren.7 Dann aber sollten sie durch die beiden höheren Künste der Rhetorik und Dialektik auf das Philosophische Denken vorbereitet werden (Spec.II.230). In seiner Schrift über die Frauen der Patriarchen De congressu quaerendae eruditionis gratia hat er über die Inhalte und Ziele der einzelnen Fächer Auskunft gegeben: Danach sollte der grammatische Unterricht den Schülern einerseits Kenntnisse der Literatur und Geschichte8 und andererseits durch die Dichtungen über die überwundenen Leiden der Heroen ihre Illusionen als leere Einbildungen zu verachten lernen (Congr.14; vgl. 74). Darüber hinaus gebe ihnen der Musikunterricht ein Gefühl für Rhythmen und Harmonie (vgl. auch Ebr.116),9 während die paradigmatisch für die Mathematischen Fächer genannte Geometrie in ihnen ein Verständnis für Gleichheit und Entsprechungen und auf diese Weise außer einer logischen Schulung zugleich den Sinn für Gerechtigkeit entwickle (Congr.15 – 16; vgl. 75 – 76). Die weiterführenden Fächer der Rhetorik und Dialektik aber schulten nicht nur die Ausdrucks-, sondern stärkten auch die Urteilskraft, so dass die Schüler zwischen echten und falschen Argumenten unterscheiden könnten. Wolle der Schüler jedoch das eigentliche Ziel erreichen, so dürfe er diesen Unterricht nur als eine Vorbereitung für das Studium der Philosophie als der (nach ihrer stoischen Definition)10 „Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge und ihrer Gründe“ betreiben (Congr.79, vgl. 144 – 145). Denn durch sie würde er es lernen, seinen Bauch, „die darunter befindlichen Teile“ (d. h. die Geschlechtsorgane) und seine Zunge zu beherrschen (Congr.80). Philo selbst hat nach seiner Auskunft diesen klassischen Bildungsgang von Anfang an im Blick auf das Endziel der Gotteserkenntnis durchlaufen (Congr.74 – 76).11 6 Vgl. dazu auch Plat.Tim.18a 9 – 10 und 88b5–d1. 7 Vgl. dazu F. Ueberschaer, Weisheit aus der Begegnung, 123 – 134. 8 Bei den Lehren der Geschichte dachte Philo offenbar an ihre Beispiele dafür, dass das Glück der Tyrannen nur scheinbar ist, vgl. seine Ausführungen Prov.II.4 – 6 und 25 – 27 über den älteren Dionysios von Syrakus; dessen Misstrauen gegen jedermann als Beispiel für das Scheinglück des Tyrannen in Prov.II.26 – 27 geschildert wird. Dabei zeigt ein Vergleich seiner Aussagen über Polykrates mit Hdt.III.45, dass Philo seine Grausamkeiten ähnlich wie im Fall des Kaisers Gaius übertrieben hat; vgl. Leg.Gai.8 – 13 mit A. Winterling, Caligula, 173.180. Als Gegenbeispiel verwies er in Prov.II.11 auf den Philosophen Anacharchos (um 340 v. Chr.), der durch den Tyrannen von Kypros Nikokreon, in einem Mörser zerstampft worden und trotzdem in seinen schrecklichen Leiden standhaft geblieben sei (Diog.Laert.X.58). 9 Vgl. auch Aristot.Cael.II.9. 290b (DK 58 B. 35), H. Balss, Astronomie, 86 – 87. 10 Vgl. dazu SVF.II.35 (LS 26 A); vgl. auch Cic.fin.36 – 37 und Tusc.IV.57; V.7; Off.II.2 und 4Makk 1,17. 11 Zur Diskussion über die Bedeutung der Encyclica Paeideia vgl. z. B. das von Platon Rep.II.376c – 412b über die Erziehung der Wächter und über die der Philosophen in Rep.VII.521c – 535a
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4.1.5 Die Bescheidenheit des Gebildeten angesichts der Begrenztheit alles menschlichen Wissens Doch es ehrt ihn, dass er daraus keinen Hochmut und kein Überlegenheitsgefühl gegenüber den in der Erkenntnis Zurückgebliebenen ableitete. Denn die wahre Einsicht bestünde darin, dass selbst die Tugend ohne Gottes Leitung nicht ausreiche, Gutes zu bewirken (Det.61). Darüber hinaus seien Frömmigkeit und rechte Gottesverehrung nicht verdienstvoller als die Dienste, die ein Sklave seinem Herrn leiste, weil Gott keinerlei Bedürfnisse besitze (Imm.56 – 59). Denn der Mensch könne Gott als dem Schöpfer aller Dinge nur darbringen, was jenem schon längst gehöre (Imm.6). Denn alle Eigenschaften seines Leibes und Fähigkeiten seines Geistes seien ihm von Gott als ein Lehen gegeben, das ihm Gott jederzeit wieder nehmen könne, weil ihm die ganze Erde gehöre und die Menschen nur Beisassen und Fremdlinge vor ihm seien (Cher.113 – 119; vgl. Lev 25,23). Wer dagegen wähne, dass er der Herr seines Schicksals sei, weil ihm entweder der Sinn für die Gott geschuldete Dankbarkeit fehle oder er sich selbst für den Urheber seines Glücks halte, verweigere Gott die geschuldete Ehre (Sacr.54). Schließlich aber gäbe es Menschen, denen Gott als besonderes Zeichen seiner Gnade eine natürliche Standhaftigkeit (rpolom¶/hypomone¯ bzw. 1pilom¶/epimone¯) verliehen habe, die sie aller Mühen und Anstrengungen, auf den Weg der Tugend zu gelangen und auf ihm zu bleiben, enthebe. Daher könne der Betroffene nur um die Erhaltung dieser Gabe beten (Congr.37 – 38). Was aber das dem Menschen mögliche Wissen überhaupt betreffe, so sei es jedem Einsichtigen bekannt, dass alle Wahrnehmungen unsicher seien und alle Urteile lediglich Wahrscheinlichkeitscharakter besäßen.12 Daher sei Zurückhaltung in allen Urteilen zu empfehlen (Ebr.169 – 202). Das eben mache den Unterschied zwischen dem Weisen und dem Toren aus, dass der Erste wisse, dass er angesichts der unbegrenzten Größe der Natur nur wenig oder nichts wisse.13 Dieses Nichtwissen hob nach Philos Überzeugung die Gültigkeit der mit dem Weltgesetz gleichen Thora nicht auf,14 setze aber dem Selbstgefühl des Weisen sachgemäße Grenzen.
Gesagte, dazu auch W. Jaeger, Paideia III, 306 – 324 sowie Platons Ausführungen über das Ziel der Erziehung in Leg.I.643 – 644c und dann die Erwägungen von Aristoteles in Pol.VIII.1337a 11 – 1342b 11 und dazu den Überblick über die Erziehung in Griechenland und in Rom bis zur frühen Kaiserzeit von J. Christes (DNP IV) 110 – 117. 12 Vgl. dazu die Ansichten der sog. Neuen Akademie, deren Hauptvertreter Arkesilaos und Karneades waren, Plut.Mor.1122a–f (LS 69 A); Sextus Empiricus Math.VII.158 (LS 69B); 166 – 175 (LS 69D) bzw. VII.176 – 184 (LD 69E) und Diog.Laert. VII.171 (LS 69 C); und dazu W. Görler (GGPh.Phil.Ant.IV/2), 849 – 989 und zu Cicero G. Gawlick/W. Görler, ebd., 890 – 1168, bes. 1089 – 1125. 13 Vgl. dazu Plat.Apol.23q5–b4 und dazu Th.C. Brickhouse/N.D. Smith, Plato’s Socrates, 30 – 35 und E. Heitsch, Apologie (Platon Werke, Übersetzung und Kommentar I/2), 87 – 92 bes. 89. 14 Vgl. dazu unten, 149 – 151.
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Daher konnte Philo als das eigentliche Ziel des richtigen Denkens die Einsicht in die Begrenztheit alles dem Menschen möglichen Wissens erklären; „denn sein Nichtwissen zu erkennen, ist das letzte Ziel des Wissens; denn der einzige Weise ist der einzige Gott“ (Migr.134).
4.2 Vom Vorzug und Aufgabenbereich der Philosophen Hinter den im Folgenden zusammengestellten Äußerungen Philos über die Philosophie und die Philosophen kann man unschwer das Idealbild des besonnenen, seine Betrachtungen fortschreitend von der Welt auf Gott lenkenden Denkers erkennen, dem er selbst nachgestrebt hat. Ebenso werden die Grenzlinien deutlich, die er zu einer um sich selbst kreisenden Logik und einer ziellosen Skepsis gezogen hat, wobei die Anklänge an seine Kritik der Sophistik nicht zu übersehen sind. Gleichzeitig belegt der abschließende Nachweis der namentlichen Erwähnung einzelner Philosophen und Schulrichtungen, die von Pythagoras bis zu den Stoikern reichen, noch einmal anschaulich die Breite seiner philosophischen Bildung. Dass er das reichliche Angebot der philosophischen Schulrichtungen seiner Zeit wahrnahm und ihren Hintergrund bis zu den Vorsokratikern kannte, ihm jedoch nur selektiv und fallweise als Interpretationshilfen soweit folgte, als sie seinen Glauben an einen persönlichen Gott nicht negierten, sei schon hier angemerkt.
4.2.1 Die den Philosophen kennzeichnende Sorgfalt des Denkens Die Philosophen zeichnen sich nach Philos Überzeugung grundsätzlich dadurch gegenüber anderen Menschen aus, die nicht zu unterscheiden wissen oder aus Streitlust alles durcheinander bringen, dass sie alles, was ihnen begegnet, sorgfältig untersuchen, jedem den ihm zustehenden Platz einräumen und dabei der Wahrheit treu bleiben (Cher.129). Dabei wird von einem Philosophen selbstverständlich erwartet, dass er das nötige logische Rüstzeug für eine klare Argumentation besitzt, um die zureichenden und die dazu kommenden Gründe eines Geschehens zu unterscheiden (Her.301). Dazu gehöre ebenso die Kunst der Definitionen räumlicher Verhältnisse (Congr.146 – 147) wie der Versuch, eine wahrscheinliche Antwort auf die Frage nach den Ursachen für den Umlauf und den Glanz der Gestirne zu finden (Spec.I.37). Um Philos Bild des Philosophen nicht allzu theoretisch ausfallen zu lassen, sei daran erinnert, dass er in Mos.II.2 in Anspielung auf Plat.Rep.473e11–d6 erklärt, dass Staaten (pºkeir/pleis) allein dann zum Besseren fortschreiten
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könnten, wenn entweder die Könige Philosophen oder die Philosophen Könige würden, wobei Moses beide Funktionen wahrgenommen habe.15
4.2.2 Der notwendige Übergang von der Kosmologie zur Theologie Außerdem fordere das grandiose Zusammenspiel der Schöpfungswerke vom Umlauf der Sterne und Jahreszeiten angefangen bis hin zu den Früchten der Erde, die nicht nur die Tiere ernähren, sondern auch die Menschen erfreuen, die Sehnsucht nach einer philosophischen Antwort heraus (Spec.I.322).16 Lässt sich der Philosoph auf die Frage nach den Gründen des Geschehens ein, so kann es nach Philos Ansicht nicht ausbleiben, dass er sich im Fortgang vor die Frage nach dem letzten Grund gestellt sieht, nach dem, der den Kosmos lenkt und steuert, und d. h. vor die Frage nach Gott, dem großen Lenker des geflügelten Weltwagens (vgl. Her.301 mit Plat.Phaidr.246e5).17 Zwar ist dem Menschen die unmittelbare Anschauung Gottes verwehrt, (Spec.I.40), aber auf sein Gebet hin wurde Moses Gottes Antwort insoweit zuteil, dass er nicht darauf hoffen könne, die Kräfte seines Wesens zu verstehen, er aber versuchen könne, durch die Betrachtung des Kosmos und seines Inhalts mit den Augen der Vernunft näher an das erstrebte Ziel zu gelangen (Spec.I.49). Auf diese Weise wird der wahre Philosoph also notwendigerweise zum Theologen (vgl. auch Fug.141). So erweist sich Philo die Philosophie als das Höchste Gut und als nützlich für das ganze Leben der Menschen, indem ihr logischer Teil für die Richtigkeit der Sprache, ihr ethischer für die Verbesserung der Sitten und ihr physikalischer für das Verständnis des Himmels und das Kosmos sorgt (Spec.I.336; vgl. auch Spec.III.191).18 Aber die wahre Lehre der Philosophie ist gemäß Dtn 4,4, dass alle, die Gott anhängen, leben: Denn die Seele des Gottlosen ist tot, während die, die dem einzigen Gott dienen, zu denen gehören, die niemals sterben (Spec.I.345).19
4.2.3 Die Ethik oder die Lehre vom Glück der Tugend Auf dem Gebiet der Ethik stimmt Philo die Lehre der Philosophen zu, die behaupten, dass die Tugend mit einem Glücksgefühl verbunden sei (Mut.167 – 168; vgl. SFV III.431; LS 65F). In seiner allegorischen Auslegung von Gen 15,18 in Q.GenIII.16 begrüßt Philo die von Pythagoras, Aristoteles und den Peripatetikern vertretene Lehre von den dreifachen Glücksgütern in Gestalt der 15 16 17 18 19
Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 534. Vgl. Plat.Tim.47a4–b2. Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 214 – 215. Vgl. dazu auch Runia, 273. Vgl. dazu auch Runia, 345; E. Wasserman, Death of the Soul, 60 – 67 und unten 261 – 263.
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inneren, körperlichen und äußeren Güter.20 Solange die Menschen jung sind, sind ihnen die körperlichen und äußeren Güter wie Gesundheit und Funktionsfähigkeit der Sinne, Schönheit und Stärke und andererseits Verkauf und Gewinn, Ackerbau und Handel wichtig. Mit dieser Argumentation nähert er sich seiner Lehre von den Lebensaltern.21 Der asketische Zug Philos kommt in seinem Vergleich zwischen einem Philosophen und einem Athleten deutlich zum Ausdruck: Beide unterschieden sich dadurch, dass der Athlet alles auf das Wohlergeben des Leibes beziehe, während es dem Philosophen an erster Stelle um das seiner Seele gehe. Um den Leib kümmere er sich nur insoweit, dass seine Seele durch ihn nicht gestört würde (Leg.III.72).22 Aber auch im Vergleich zu den Menschen, die nicht die Fähigkeit besäßen, unterschiedliche Sachverhalte (pq²clata/prgmata) auseinander zuhalten, und daher der Belehrung bedürften, und zu denen, die durch ihre Streitlust verführt, ihre Worte und Gedanken durcheinander brächten, nähmen die Philosophen eine Sonderstellung ein, weil sie alles, was ihnen begegnete, sorgfältig untersuchten, um ihm den gebührenden Ort einzuräumen (Cher.129). Ließen sie sich auch nicht durch Sophistereien täuschen, sondern suchten sie diese zu widerlegen, so dass ihr Urteilsvermögen immer mehr zunähme, ohne dass sie sich etwas darauf einbildeten, so würden sie als Weise gelten (Agr.160 – 161).23 Denn von allen Philosophen ließe es sich zu Philos Bedauern nicht behaupten, dass es ihnen allein um die Wahrheit ginge, weil sie entgegen ihrer Behauptungen, nach einer sicheren und widerspruchlosen Gewissheit zu streben, in Abteilungen und Lager getrennt seien und dabei oft unterschiedliche und einander entgegen gesetzte Lehren verträten, die einander nicht nur in Einzelheiten sondern in fast allen Punkten widersprächen (Ebr.198). Diese Kritik weist Philo als einen bewussten Eklektiker aus, dem es nicht um die Behauptung von Schulmeinungen, sondern um die Erkenntnis der Wahrheit ging.
4.2.4 Zur Frage, wie sich Einsicht und Leidenschaft im praktischen Leben eines Philosophen verhalten, am Beispiel des Weingenusses erörtert Da man sich unter einem Philosophen einen sich seinen Lehren gemäß selbst beherrschenden Mann vorstellt, mag die in Philos Tagen aufgeworfene Frage überraschen, ob ein Weiser sich betränke. Die normale Antwort hätte nach seinem Bericht (wie man es nicht anders erwartet) so gelautet, dass ein Weiser weder zu viel starke Getränke einnähme noch einer Sünde verfiele. Andere hätten dagegen die Meinung vertreten, dass ein einsichtiger Mann, der zu20 Vgl. dazu z. B. Aristot.Eth.Nic.I.2.1095a.14 – 28 und I.3.1095b.14 – 1096a.10 und dazu W.F.R. Hardy, Aristotle’s Ethical Theory, 12 – 27; M. Forschner, Glück, 1 – 21 und H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 67 – 105. 21 Vgl. zu ihr unten, 238 – 240. 22 Vgl. dazu Runia, 321. 23 Zum stoischen Hintergrund vgl. mit A.C. Geljon/D.T. Runia, Cultivation, 247 und LS 61 T.
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treffend erkläre, dass schwerere Getränke ihm gut bekämen, in der Lage sei, allen schädlichen Einflüssen zu widerstehen,24 weil seine Einsicht die Leidenschaften dämpfe, gleichgültig, ob sie durch den Stachel glühender Liebe (5qyr/ro¯s) oder die Hitze zu großen Weingenusses entflammt seien.25 Es verhielte sich dabei wie bei Menschen, die in einen tiefen Fluss oder in das Meer gefallen seien: Von ihnen würden die, die nicht schwimmen könnten, ertrinken, die es aber verstünden, gerettet (Plant.142 – 144; vgl.156).26 Zusammenfassend können wir also festhalten, dass Selbstbeherrschung und Selbsterkenntnis zusammengehören.
4.3 Philos Blick auf die Geschichte der Philosophie 4.3.1 Die Vorsokratiker Lassen wir die Reihe der von Philo namentlich erwähnten Philosophen passieren, so ist an erster Stelle Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) zu erwähnen, dessen Lehre von den ineinander umschlagenden Gegensätze27 er in mehreren Abwandlungen zitiert und unterschiedlich bewertet hat.28 Nach ihm ist in der zeitlichen Abfolge auf Anaxagoras von Klazomenoi (ca. 500 – 428), den Freund des Perikles hinzuweisen, den Philo lobt, weil er aus Liebe zur Tugend ähnlich wie Demokrit sein reiches Erbe verschmäht hätte (Prov.II.12 – 13; vgl.Vit.Cont.14).29 Während man den Kosmos in der Regel mit dem All identifizierte, hätte Anaxagoras unter ihm den Himmel verstanden (Aet.4).30 Den drei herkömmlich als Eleaten zusammengefassten Philosophen Xenophanes (ca. 580 – 480),31 Parmenides (geb. 515)32 und Empedokles (ca. 492 – 24 Zu den Beschwerden ungeübter Weintrinker vgl. Probl.III.2 – 871a 8 – 16. 25 Beispiel für die Fähigkeit eines Weisen, viel Wein zu trinken, ohne schläftig zu werden und die Selbstbeherrschung zu verlieren, ist Sokrates; vgl. Plat.Symp.223b6–d12. 26 Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 194 – 195. 27 Vgl. dazu Runia, 529 und weiterhin E. Hussey, Heraklit, 80 – 102, bes. 84 – 89 bzw. D. Brenner u. R. Dilcher, Heraklit, 610 – 615. 28 Vgl. Her.214 mit DK 22 B frg.51 MP 49; leg I 108; Q.GenI.151 mit frg. 77 (MP 15) = Leg.III.7 (vgl. Spec.I.208) mit frg.65 und 90 (MP 20 und 95); Spec.IV.60; vgl. Migr.39 mit frg.101a; Fug.61 mit frg.96 (MP 22); Prov.II.109 mit frg.118 (MP 101) und Aet.111 mit frg.36 (MP 58). 29 Vgl. Diog.Laert.II.6 – 7 und zu seiner Lehre G. Rechenauer, Anaxagoras, 748 – 781. 30 Vermutlich spielt Philo in seinem Referat in Aet.47 (vgl. auch Som.I.22) über den Weltenbrand mit dem Hinweis auf die Lehre vom Himmel als einem glühenden Metallklumpen auf eine entsprechende Lehre des Anaxagoras an; vgl. Diog.Laert.II.8. In ähnlicher Weise dürfte zu den in Fug.10 lobend erwähnten Vertretern der Lehre, dass der moOr/nou¯s, die Weltvernunft, alle Dinge ordne, wiederum Anaxagoras gehören; vgl. Diog.Laert.II.6. 31 Zu seiner Lehre vgl. Th. Schirren, Xenophanes, 343 – 367. 32 Zu seiner Lehre vgl. M. Kraus, Parmenides, 449 – 496. In Prov.II.60 – 61 sucht Philo die Frage zu beantworten, warum Gott in der wüsten Mitte des Weltalls die Erde gegründet hätte. Er beantwortet sie dahingehend, dass das Leichtere vom Schweren nach oben getrieben würde, so
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432)33 bescheinigt er, dass sie sich in anständiger Weise der Naturbetrachtung hingegeben und ihr ganzes Leben der Frömmigkeit und dem Lob der Götter gewidmet (Prov.II.39), aber den Geist der Musen nicht empfangen hätten, obwohl sie Theologie betrieben hätten. Sie mussten sich mit der Erforschung der Wahrheit zufrieden geben und hätten besser auf das Dichten verzichtet (Prov.II.42).34 Übrigens hätten sie wie später die Stoiker Zenon und Kleanthes gelehrt, dass das Weltall unentstanden und ewig sei (Prov.II.48).35 Im Blick auf die Zahlenlehre der Pythagoreer hebt er im Zusammenhang mit der Feststellung, dass Himmel und Erde von Gott in sieben Tagen erschaffen worden sind, in Opif.100 hervor, dass die 7 auch bei ihnen eine besondere Bedeutung besitze; denn von ihnen würde diese mutterlose Zahl mit (der Siegesgöttin) Nike identifiziert, die aus dem Haupt des Zeus hervorgekommen sei (vgl. auch Leg.I.15).36 Die Zahl 7 sei daher der ursprüngliche Herrscher und Anführer, so dass sie ein Symbol von „IHM“ sei, wie es Philolaos von Kroton bzw. Tarent (ca. 470 – 385) gelehrt habe. Denn nach ihm sei Gott der höchste Herrscher über alle Dinge und immer einer, ein einziger, unbewegter, der allein sich selbst gleich und von allem Anderen verschieden ist.37 Philo sieht sich also zu keinerlei Abgrenzungen genötigt, weil dieses Gottesverständnis seinem eigenen entspricht. In Prob.2 zitiert er den pythagoreischen Grundsatz, auf keiner Hauptstraße zu wandeln, um es anschließend allegorisch dahingehend auszulegen, dass wir uns in unseren Worten und Taten nicht auf den von allen begangenen Bahnen bewegen sollten (vgl. Diog.Laert.VIII.17).38 Von den Philosophen des 5.Jh. v. Chr. erwähnt Philo außer Sokrates und dem ebenfalls in Athen wirkenden und oben bereits erwähnten Naturphilosophen Anaxagoras (ca. 500/496 – 428 v. Chr.) und dem Atomisten Demokritos aus Abdera (ca. 460 – 380/70 v. Chr.)39 auch noch den Demokriteer Ana-
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dass Empedokles richtig festgestellt hätte, dass Äther, Luft und Feuer in die Höhe gerissen den Himmel gebildet, während die Erde ihren Platz in der Mitte gefunden hätte; vgl. dazu M. Kraus, Parmenides, 491. Zur Lehre des Empedokles vgl. O. Primavesi, Empedokles, 649 – 721; zur Kritik an seinem Werk als Dichtung durch Aristoteles vgl. Primavesi, 724. Zum Streit über die dichterische Qualitäten von Parmenides vgl. Kraus, Parmenides, 447 – 448. Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 397 – 398. In seiner in Prov.II.66 vorgetragenen Verurteilung derer, die Teile der Natur für überflüssig erklären, zitiert er deren Bezeichnung des Meeres „als Schweiß der Erde“ und damit ohne Namensnennung Empedokles, vgl. DK Empedokles B frg.55; MP 7 frg.85. Vgl. dazu auch Runia, 529. Vgl. DK 44 Philolaos B. Zweifelhaftes frg.20. – Zu seiner Naturphilosophie und seiner Lehre von den Zahlen vgl. C.A. Huffman, Pythagoreische Tradition 3. Philolaos, 72 – 79 bzw. L. Zmund, Pythagoreer, 421 – 424. MO 3 103 Nr. 4 (Jamb.Protr.21/DK 58 C 69). Zur Lehre der Atomisten Leukipp und Demokrit vgl. G. Rechenauer, 846 – 914, zu der Anspielung in Prov.II.13 auf eine angebliche Heilung des wahnsinnig gewordenen Demokrit durch seinen Zeitgenossen, den Arzt Hippokrates von Keos (ca. 460 – 370) vgl. den Hinweis von L. Früchtel (Phil W.d.Ü. VI), 329 Anm. 2 auf die gefälschten Hippokratesbriefe als Quelle.
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xarchos aus Abdera (ca.380 – 320 v.Chr), den zu den Sophisten gezählten Nachfolger Demokrits, und den Skeptiker Zenon von Elea (geb. ca. 495 v. Chr.),40 weil beide die ihnen von grausamen Tyrannen zugefügten Foltern verachtet41 und ihnen die Liebe zur Erkenntnis über den Affekten und dem Leibe gestanden hätte (Prob.106 – 109).42
4.3.2 Sokrates Den Namen des Sokrates (ca. 470 – 399) deutete Philo als die griechische Form des hebräischen Namens Terach. Sein lebenslanges Thema sei das cm¾hi sautºm/gno¯thi sautn („Erkenne dich selbst!“) gewesen (vgl. Somn.I.58 mit DK I.62 – 63). Aus Vit.Cont.57 – 63 geht hervor, dass Philo die beiden Berichte Xenophons und Platons über die Gastmähler kannte, an denen Sokrates im Hause des Kallias (Xen.Symp.) bzw. des Agathon (Plat.Symp.) teilgenommen hatte. Er beurteilte beide kritisch, weil die in ihnen verherrlichte Knabenliebe auf Dauer zur Verödung der Städte führe (62).43 Das Wort des Sokratikers Antistehnes (ca. 455 – 360),44 dass der Weise wegen der Unerschütterlichkeit seiner Überzeugungen schwer zu ertragen sei,45 referierte er kommentarlos, aber dem Zusammenhang nach zustimmend (Prob.28).
4.3.3 Platon und Aristoteles Dass Philo mehrfach ausdrücklich Platon und zumal dessen Timaios zitiert (und noch öfter auf ihn und andere seiner Werke anspielt), sei hier besonders hervorgehoben, weil dieses Werk neben der Tora die größte Bedeutung für sein Denken besessen hat.46 So beruft er sich z. B. Opif.119 in freier Weise auf Platons Lehre von dem Mund als Eingang und Ausgang in Tim.75d5–e2.47 In Opif.133 verweist er zugunsten der Bezeichnung der Erde als Demeter oder Mutter Erde auf Platons These in Menexenos 238a, dass die Erde nicht die Frauen, sondern die Frauen die Erde nachahmten. In Prob.13 zitiert er Phaidr.243n und in Fug.63 Tht.176a1–b2. Zugunsten der Lehre, dass die Welt entstanden und unzerstörbar sei, beruft er sich in Aet.13 – 14 (vgl. auch Aet.27) auf Tim.41a, wobei er zu erkennen gibt, dass die Auslegung dieser Stelle 40 Zu seinem berühmten Paradox, dass der langsamste Läufer von dem schnellsten nicht eingeholt wird, vgl. R.D. McKirahan Jr., Zenon, 120 – 144, bes. 129 – 137. 41 Vgl. dazu Diog.Laert.XI.26 – 27 und zu Anaxarchos auch Prov.II.11. 42 Vgl. MP 9 frg.19 – 26. 43 Vgl. dazu unten, 112 – 114. 44 Vgl. zu ihm K. Döring, Anthisthenes, 268 – 280. 45 Vgl. immerhin Diog.Laert.VI.11. 46 Vgl. dazu umfassend D. Runia, Philo and Timaeus sowie unten, 171. 47 Vgl. dazu Runia, 317.
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umstritten ist. In Aet.52 sichert er seine These, dass die Welt einen zeitlichen Anfang besitzt mit einem Verweis auf Tim.37d–e ab, wonach die Zeit ein bewegtes Abbild der Ewigkeit ist. In Aet.141 berichtet er im Anschluss an Tim.24e–25d von der Größe und dem Untergang der sagenhaften Insel Atlantis.48. Aristoteles aus Stagira (384 – 322 v. Chr.), der Philos Denken mannigfach beeinflusst hat, wird von ihm in Aet.10 als fromm (eqseb_r/eusebo¯s) und gottgefällig (bs¸yr/hoso¯s) argumentierend bezeichnet, weil er im Gegensatz zu den Stoikern die Welt als unerschaffen und unzerstörbar beurteilt und sich gegen die Ansicht solcher Denker gewandt hatte, die keinen Unterschied zwischen handgefertigten Götzen und den Gestirnen als den sichtbaren Göttern machten.49 Damit hat er ihm eine zurückhaltende, aber doch deutliche Reverenz erwiesen. Philo erwähnt weiterhin, dass die von ihm vertretene Lehre von der Unerschaffenheit und Ewigkeit der Welt bereits auf einige Pythagoreer zurückginge (Aet.12). In der Tat wird diese Lehre durch Stob.Ecl.20.2 bereits Philolaos zugeschrieben. Doch wird das einschlägige Zitat in DK I, 44, Nr. 21, 417 – 418 inzwischen als unecht bezeichnet. Philo verweist zugunsten der These der Ewigkeit der Welt in Aet.12 auch auf die Schrift des Ocellus Lucanus „Über das Werden des Alls“. Bei ihr handelt es sich um eine in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. entstandene Pseudepigraphe, welche die aristotelische Lehre durch die Autorität des Pythagoras bekräftigen sollte.50 Philo gibt in Aet.17 – 18 zu erkennen, dass er weiß, dass die Deutung des Chaos bei Aristoteles den Raum voraussetzt51 und er dafür auf Hesiods Theogonie verweist (vgl. Aristot.Phys.IV.1.208b.25 – 209a.2 mit Hes.Theog.116 – 117).52 Im Zusammenhang seiner Argumentation zugunsten der Ewigkeit der Welt konnte sich Philo auch auf den Nachfolger des Aristoteles in der Leitung des Peripatos Theophrast (372/70 – 288/86) berufen, der die Lehre derer, welche die Erschaffung und Vernichtung der Welt vertreten hatten, als Folge sie täuschender Naturphänomene erklärt hatte (Aet.117 – 131).53 Außerdem wies Philo auch noch auf die Verteidigung der aristotelische Lehre von der Ewigkeit der Welt durch das spätere Schulhaupt des Peripatos Kritolaos (um die Mitte des 2. Jh. v. Chr.) hin.54 Ohne den Namen des Stagiriten zu nennen, erwähnt er in Cher.125 seine Lehre von den vier Ursachen, die einen Gegenstand kon48 Nach Plat.Tim.24e zog das Herr von Atlantis gegen ganz Europa und Asien. 49 Dabei beruft sich Philo vermutlich auf seine nur in Fragmenten überlieferte Schrift Peq· Vikosov¸ar (Über die Philosophie), vgl. mit Karl Bormann, Philo W.d.Ü. VII, 81 Anm. 4; W. Ross, Aristotelis Fragmenta Selecta, Philo Aet.10 = frg.18. Cic.Luc.119/Lact.Inst.II.10 = frg.20. 50 Vgl. die DK I, 440 unter Nr. 48 zusammengestellten Fragmente und dazu M. Folkerts (DNP VIII), 2000, 1155 – 1156. 51 Zur Bedeutung des Raumes in der Physik des Aristoteles vgl. H.G. Zekl, Aristoteles’ Physik (PhB 380), XXXVIII – XLIII bzw. H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 251 – 254. 52 Zu Hes.Theog.116 – 117 und dem mit Abgrund zu übersetzenden W²or (Chaos) vgl. Hesiod Theogony, ed. M.L. West, 192 – 193. 53 Vgl. dazu R.W. Staples, Post-Aristotelian Peripatetics, 57 – 59. 54 Vgl. dazu Staples, 99 – 61.
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stituieren (vgl. Phys.II.3.194a16 – 195b37; vgl. Met.I.7.983b6 – 993a27).55 In Abr.5 erinnert er an die Philosophen, nach denen die Erde in der Mitte des Alls liegt, eine Ansicht, auf die Aristot.Cael.II.293a als die im Gegensatz zu den Pythagoreern vertretene Mehrheitsmeinung hingewiesen hat.
4.3.4 Die hellenistische Schulphilosophie Unter den hellenistischen Schulphilosophien bzw. Philosophen hat Philo die aus dem Kreis des Sokrates stammenden Kyniker Aristippos aus Kyrene bzw. Sinope (ca. 435–nach 366) und Diogenes aus Sinope (ca. 411 – 324/21) erwähnt und dabei den Namen der Schule erklärt. Über die Gelassenheit des Diogenes, als er nach seiner Gefangennahme durch Piraten als Sklave verkauft werden sollte, berichtet er ausführlich in Prob.121 – 125.56 An den nacharistotelischen Peripatetikern ist er, wie zumal seine Schrift De Aeternitate Mundi und seine Auseinandersetzung mit den Leugnern der Vorsehung Gottes in De Providentia zeigt, nicht vorübergegangen.57 Dass nicht nur Demokrit,58 sondern auch Epikur aus Samos (341 – 270)59 und die meisten Stoiker die Erschaffung und Zerstörung der Welt auf unterschiedliche Weise lehrten (Aet.8); dass die Stoiker die These vertraten, dass die Welt aus Feuer entstanden sei und durch ihr Ende im Feuer eine neue Welt entstünde (Aet.89),60 die Zeit daher keinen Anfang und kein Ende besitze (Aet.53 – 54), es nur eine Welt gäbe und Gott der Urheber ihrer Entstehung und ihrer Vernichtung sei (Aet.8), war ihm bekannt.61 Die Welt sollte sich bei ihrer Vernichtung nach Kleanthes aus Assos (331/30 – 232/31 v. Chr.)62 dem Schüler des Schulbegründers Zenon aus Kition, in Feuer und nach Kleanthes Schüler Chrysipp aus Soloi (281/77 – 208/204 v. Chr.)63 in Licht auflösen (Aet.90; vgl. aber SFV II.596).64 Philo hielt die ganze Theorie vom Weltbrand und der Welterneuerung für in sich unschlüssig, weil ohne eine äußere Zutat aus dem Verbrannten nichts Neues entstehen könnte (Aet.90 – 112).
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Vgl. dazu H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 212 – 215. Vgl. Diog.Laer.VI.29 – 36. Vgl. dazu R.W. Sharples, Philo and Post-Aristotelian Peripatetics, 55 – 73. Zu den physischen Prinzipien der Atomisten vgl. C.C.W. Taylor, Atomisten, 165 – 186, bes. 165 – 168. Vgl. dazu M. Erler, Epikur, 144 – 145. Vgl. dazu unten, 201. Vgl. dazu unten, 201 – 202. Vgl. zu ihm P .Steinmetz, Stoa, 566 – 579. Vgl. zu ihm Steinmetz, 584 – 625. Vgl. SVF.II.596.
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4.3.4.1 Die Stoiker Zenon und Chrysipp Dem Schulgründer der Stoa Zenon aus Kition (332 – 262 v. Chr.) hat Philo einen unübertroffen tugendhaften Lebenswandel bescheinigt und seine entsprechenden Lehren gut geheißen (Prob.53). Zenos Ausspruch, dass die Sklaverei die angemessene Lebensweise der Toren sei, wagte Philo auf eine Anleihe aus Gen 27,40 zurückzuführen (Prob.57). Eindrucksvoller kommt Zenons Freiheitsbewusstsein in seiner Feststellung zum Ausdruck, die Philo zur Unterstreichung der inneren Freiheit des indischen Musterweisen Kalanos zitiert (Prob.97): „Ein mit Luft aufgeblasener Sack sinkt leichter als das ein tugendhafter Mann etwas tut, was er nicht wünscht“ (SVF.I.363/LS 67N).65 Chrysippos aus Soloi, den er sachgemäß als den berühmtesten unter den Stoikern bezeichnete,66 wirft er in Aet.48 – 51 vor, in seiner Untersuchung „Über [das Argument vom] Wachsenden“ (SVF.II.379/LS 28 P), in der er vermutlich die Materie zum einzigen Individuationsprinzip erklärt hat,67 die Providenz zerstört zu haben, die jedoch ebenso unzerstörbar wie die Welt selbst sei.68 Dagegen hat Philo mit Zustimmung die beiden in der ersten Hälfte des 2. Jh. v.Chr wirkenden stoischen Philosophen und Schüler Chrysipps Diogenes von Babylon (Seleukia),69 dessen Schüler Boethos aus Sidon70 und den die schroffen stoischen Lehren abmildernden Panaitios von Rhodos (ca. 185 – 109 v. Chr.)71 erwähnt, weil sie alle drei im Laufe der Jahre die Lehre vom Weltbrand zugunsten der von der Unzerstörbarkeit der Welt aufgegeben hätten (Aet.76 – 77). Der Einfluss, den die Stoiker auf das Denken Philos ausübten und den wir bei der Erörterung seiner Lehre über Tugend und Leidenschaft ausführlicher bedenken werden,72 belegt nichts eindrücklicher als die Tatsache, dass Johannes von Arnim in seine Fragmente der älteren Stoiker über 200 Zitate Philos aufgenommen hat.73 Andererseits gilt es festzustellen, dass wir ohne die philosophischen Schriften Ciceros, in denen er die Grundlehren der helle65 66 67 68
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Vgl. zu ihm Steinmetz, Stoa, 518 – 554. Vgl. zu ihm Steinmetz, Stoa, 584 – 625. Vgl. dazu ausführlich L S 28 P. Zur stoischen Kosmologie vgl. J.B. Gould, Philosophy of Chrysippus, 123 – 125; A. A. Long, Philo and the Stoic Physics, 121 – 140, bes. 125 – 130 und R. Salles, Chrysippus on Conflagration, 118 – 131, bes. 130 – 131, die bezeugen, dass Chrysipp das von Kleanthes nur unvollkommen behandelte Problem mittels der Umwandlung des Kosmos in ein Feuer gedeutet habe, das nicht durch und durch zerstörerisch sondern mit dem Keim für die Entstehung einer neuen Welt identisch sei. Vgl. zu ihm Steinmetz, 629 – 633. Vgl. zu ihm Steinmetz, 635 – 636. Vgl. zu ihm Steinmetz, 646 – 660. Vgl. dazu unten, 215 – 220. Dass Philo den Lehrer Ciceros und Erneuerer der stoischen Philosophie Poseidonios aus Apameia (ca 135 – 51 v. Chr.) nicht erwähnt, sei immerhin festgestellt.
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nistischen Philosophie zusammenhängend erörterte, kaum in der Lage wären, die Stellungnahmen und Entlehnungen Philos sachgerecht einzuordnen. In diesem Sinne dürfte Velleius Paterculus Nachruf auf den ermordeten Senator und Philosophen ein dankbares Gehör finden, dass der für seine Hinrichtung verantwortliche Antonius ihm Ruhm und Ehre seiner Taten und Worte (famam vero gloriamque factorum atque dictorum) nicht rauben konnte und er im Gedächtnis aller Zeiten weiterleben würde (Hist.Rom.II.66), bei allen, die sich mit der Philosophie des Hellenismus und der frühen römischen Kaiserzeit beschäftigen, ein dankbares Ohr finden. Das sollte jedoch unsere Hochschätzung Philos nicht mindern, der uns manches Votum der hellenistischen Philosophen überliefert hat und trotzdem zwischen philosophischen Meinungen und biblischem Glauben zu unterscheiden wusste.
4.3.4.2 Epikur Philo hat Epikur (geb. 341 v. Chr. in Samos, gest. 270 v. Chr. in Athen) in seinen erhaltenen Schriften nur dreimal namentlich erwähnt.74 In Aet.8 greift er in einem Atem die Kosmologie der Atomisten Demokrit und Epikur an, weil beide mit dem Entstehen und Vergehen mehrerer Welten rechneten.75 In Post.2 beurteilt er Epikurs Lehre über die Körperlichkeit der Götter76 als unfromm und den Tierdienst der Ägypter als gottlos. Beide Denker standen in der Tat im schärfsten Kontrast zu Philos Verständnis von Gott als körperlosem Geist.77 Darüber hinaus bestreitet er in Prov.II.5078 Epikurs Weisheit, weil er die Vorsehung leugne.79 Götter, die sich weder um die Menschen kümmerten noch den Lauf der Welt bestimmten, seien in der Tat für die Menschen bedeutungslos. Nicht weniger war die Ethik Epikurs; in der die Lust das Höchste Gut darstellte, mit Philos biblisch und naturrechtlich begründeter Ethik inkompatibel. Über Epikurs Bestimmung, dass nur ein sittliches Leben lustvoll sei,80 ging Philo aus welchen Gründen auch immer in seinen Polemiken stillschweigend hinweg. Der epikureischen Lehre, dass die Lust in der Erinnerung an einstige, dem Genuss der gegenwärtigen und der Hoffnung auf künftige Freuden bestünde (vgl. Somn.II.209), stellt er in Leg.III.160 die These ge74 Zu Epikur vgl. M. Erler, Epikur, 29 – 202 und zu Philos Auseinandersetzung mit ihm ausführlich G. Ranocchia, Anti-Epicurean Polemic, 75 – 102. 75 Vgl. dazu Epikurs Brief an Pythokles (Diog.Laert.X.89 – 90). 76 Zur Körperlichkeit der Seele vgl. Epikurs Brief an Herodot (Diog.Laert.X.67). 77 Zu dem fehlenden Interesse der Götter an den Menschen vgl. Epikurs Brief an Menoikeus (Diog.Laert. X.123 – 124), vgl. auch Epic.rat.sent.I (Diog.Laert.X.139). 78 Vgl. die Übersetzung von L. Früchtel, Phil.W.d.Ü. VII, 302. 79 Vgl. auch Q.GenIV.87. 80 Vgl. Epic.rat.sent.V (Diog.Laert.X.140), Übers. O. Apelt (PhB 50/54), 288: „Ein lustvolles Leben ist nicht möglich ohne ein einsichtsvolles, lobwürdiges und gerechtes Leben, und ein einsichtsvolles, lobwürdiges und gerechtes Leben nicht ohne ein lustvolles.“ Vgl. auch den Brief an Menoikeus Diog.Laert.X.132.
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genüber, dass die Lust kein ruhiger und stetiger sondern ein sich stürmisch bewegender Zustand sei, der wie eine Flamme die Ruhe der Seele verzehre. Philos platonisch abgemilderte stoische Ethik konnte sich schon wegen ihrer biblischen Rückbindung weder auf den kosmologischen Atomismus noch die ethisch gezähmte Lehre von der Lust Epikurs einlassen.
4.3.4.3 Die Therapeuten Dass Philo die jüdische Sekte der Therapeuten als Philosophen bezeichnete (Vit.Cont.2) spricht dafür, dass für ihn trotz der Hochschätzung der griechischen Philosophie die Thora erkenntnisgemäß die Quelle aller Weisheit und Gotteserkenntnis war und blieb.81 Schließlich hat Philo auch den Kaiser Augustus nicht nur als großen Herrscher, sondern auch als einen hinter keinem anderen zurückstehenden Philosophen bezeichnet, weil er mit der Übernahme für die Kosten des täglichen Ganzopfers im Jerusalemer Tempel zu Lasten seiner eigenen Vermögens dem unsichtbaren, durch kein sichtbares Bild verehrten Gott einen Ehrenplatz eingeräumt hätte (Leg.Gai.317 – 318).82
4.3.4.4 Die Gymnosophisten Eine gewisse Freude am Exotischen dürfte sich hinter seinen Erwähnungen der indischen Gymnosophisten, der „Nackten Weisen“ verbergen, die ihm auf den Straßen der Weltstadt Alexandria begegnet sein dürften.83 Nachdem er in Prob.73 die Sieben Weisen als Beispiele für die in Griechenland seit langem bestehende geistige Blüte bezeichnet hatte, wies in Prob.74 auf die Magier in Persien hin, die schweigend die Natur erforschten, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen.84 Ihnen stellte er dann die Gymnosophisten, die nackten Weisen Indiens an die Seite, die sich dem Studium der Natur und der Ethik hingäben und ihr ganzes Leben zu einem Erweis ihrer Tugend machten. Als Musterfall hat er von dem Inder Kalanos berichtet, der Alexander den Großen bis in die Persis begleitete, wo er sich auf einem Scheiterhaufen verbrannte (Strab.XV.1.64), eine Sitte, die Philo in Abr.182 – 183 genauer erklärt. In Somn.II.56 – 57 kommt er im Zuge seiner Kritik der überfeinerten Ansprüche der oberen Gesellschaftsschichten seiner Zeit erneut auf die Gymnosophisten zu sprechen, deren Anspruchslosigkeit in ihren Schlafgewohnten 81 Vgl. dazu C.A. Andersen, Views of the Physical World, 140 – 143. 82 Vgl. dazu auch E.M. Smallwood, Legatio, 311. 83 Zur asketischen Haltung der Gymnosophisten vgl. H. Zimmern, Philosophie und Religion Indiens, 528 – 529. 84 Zu den Magiern der parthischen Periode vgl. G. Widengren, Religionen Indiens, 210 – 213.
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auf der Erde, einem Strohlager, einem Stein oder Brett zeige, wie überflüssig (die bei der Oberschicht beliebten) Elfenbeinbetten seien.
4.4 Von den Sophisten als Lehrern und Rednern Kehren wir aus den Höhen der Philosophie auf die Erde zurück, so ist das Urteil Philos über die Sophisten überfällig. Dabei lässt es sich nicht in allen Fällen sicher entscheiden, ob er bei ihnen vorrangig an Lehrer der Rhetorik bzw. Redner, an philosophierende Dichter oder an Philosophen dachte, deren Lehren ihm missfielen, weil sie seinen religiös-ethischen Grundsätzen widersprachen.85 Als Gegensatz zum Sophisten betrachtete er jedenfalls den Philosophen, der sich als wahrhaft Gebildeter durch die Umsicht seiner Reden auszeichne (vgl. auch Q.GenIV.104). Der Sophist besäße zwar als Redner ebenso die Gewandtheit, kunstvolle Reden zu erfinden (Leg.III.232; vgl. auch Migr.71.171; Mut.257 und Vit.Cont.31), wie er als Lehrer der Beredsamkeit kleinteilige Untersuchungen über die Elemente der Sprache und die Bedeutung von Wörtern vorzutragen vermöge (Agr.136).86 Andererseits suche er in seinem Unterricht vieles zu verschweigen, damit seine Schüler nicht besser als er selbst zu reden verstünden und sie dadurch sein Einkommen schmälerten (Post.150; vgl. auch Mos.II.212). Der Sophist war also für Philo ein geltungssüchtiger, sich als allwissend ausgebender und zugleich auf seinen Vorteil bedachter Mann.87 Seinen tatsächlichen Kenntnissen nach sei er in Wahrheit nichts als ein den Grundstudien entlaufener (Cher.8.10; vgl. auch Q.GenIII.23), den guten Sitten schädlicher (Det.38; vgl. auch Q.GenIV.92) und verlogener Schwätzer, der anders rede als er denke: Denn während er in seinen Reden die Tugenden priese, frönte er in seinem Leben den Lastern (Det.72 – 73; vgl. Post.86; Congr.67 und Q.GenIII.19). Das hätte schon die klassischen 85 Zum Aufkommen und Wirken der Sophisten in der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. und dem der Rhetorik im 1. Jh. v. Chr., das im 2.–3. Jh. n. Chr. zu der sog. Zweiten Sophistik führte, vgl. G. B. Kerferd/H. Flashar (GGPh. A II/1), 1 – 10. 86 Vit.Cont.4 schreibt er den Sophisten auch die Deutung der Götternamen mittels Naturerscheinungen (wie sie in der stoischen Homerauslegung üblich war) zu. Unklar bleibt die Beziehung der Sophisten zu der Lehre von der Vergänglichkeit der Welt, die ihnen in Aet.132 zugeschrieben wird und im Horizont der ewigen Wiederkehr von Werden und Vergehen sowohl von den Stoikern wie den Epikureern gelehrt wurde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Philo verallgemeinernd spricht und den epikureischen Dichter und Naturphilosophen Lucretius meint, der das Ende der Welt in De Natura II.1105 – 1174 und bes. 1144 – 1145 vertreten hat: „Sic igitur quoque circum moenia mundi/expugnata dabunt labem purtisque ruinias (Also werden dereinst auch die mächtigen Mauern des Weltrunds/Endlich erliegen dem Sturm und in Schutt und Moder zerfallen.“ Übers. H. Diels, Lukrez (STusc), 189. Zur stoischen Lehre vom Weltbrand und der ewigen Wiederkehr vgl. z. B. SVF. II.624; LS 52 F) und dazu z. B. Ricardo Salles, Chrysippus on Conflagration, 118 – 134 und unten, 201 – 202. 87 Vgl. Plat.Soph.223b1 – 7.
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Sophisten gekennzeichnet, die im Triumph von einer Stadt in die andere gezogen waren und fast die Bewunderung der ganzen Welt durch ihren Scharfsinn und ihre Erfindungsgabe gewannen, sich aber in ihrer Lebensführung (b_or/bos) von den niedrigsten und schlechtesten Menschen nicht unterschieden, sondern darin den Schweinen geglichen hätten (Agr.143 – 144).88 Für den Sophisten sei zudem nicht Gott, sondern dem Ausspruch des Protagoras gemäß die menschliche Vernunft das Maß aller Dinge (Post.35).89 Dabei seien sie ausgesprochen streitlustig (Migr.129; Fug.209), eine Eigenschaften, die sie mit den Akademikern und Stoikern teilten, von denen jeder auf seiner Schulmeinung beharre (Q.GenIII.33). Statt mit ihnen einen Wortstreit zu führen und sich dabei durch ihre rhetorischen Tricks verwirren und durch ihre Ausfälle gegen die Tugend gefährden zu lassen, sei es das Beste, ihnen aus dem Weg zu gehen (Agr.159 – 160; vgl. auch Conf.39).90 Nur wer hinreichend gebildet sei und seine Kräfte richtig einzuschätzen verstehe, könne im Streit mit den Sophisten auf einen Sieg hoffen. Wer sich dagegen selbst überschätze und die Tricks seiner Gegner nicht kenne, der hielte ihre Lügen für wahr, so dass er sein Vertrauen in die Wissenschaft (1pist¶lg/ episte¯me¯) und seine sittliche Gewissheit verlöre (Agr.162 – 164). So lasse sich der Unterschied zwischen einem Sophisten und einem Weisen auf die Formel bringen, dass sie sich in ihren Kenntnissen wie ein törichter Knabe zu einem ausgewachsenen Mann verhielten. Denn während der Sophist nur mit den Anfangsgründen der Enzyklika Paideia vertraut sei, kenne der wahrhaft Gebildete auch die Wissenschaft von den Tugenden (Sobr.9). Am Ende aber sei es Gott selbst, der so, wie er die Ägypter im Meer vernichtet hat (Ex 14,30), auch dem sophistischen Gerede gegen die Tugend ein Ende bereiten werde (Somn.II.281).
4.5 Von der Geometrie Die ceyletq¸a (Geometrie) oder Kunst der Erdvermessung faszinierte Philo dank der von ihren Vertretern hergestellten Verbindungen zwischen Zahlenverhältnissen und ihnen entsprechenden räumlichen Dimensionen, weil sie dem Denken und Anschauen Ordnung verleihen. Ginge man von den 88 Lev 11,4 und Dtn 14,8. 89 DK 89 B frg.1 (II), 262.30 – 263.13; Plat.Tht.151d8 – 253a4; Krat.385e6 – 386a und Sext.Adv.Math.VII.60. Zum sog. Homomensurasatz vgl. Erik Wolf, Rechtsdenken I, 18 – 55, bes. 24 – 29, wo er darauf hinweist, dass Protagoras mit ihm keinen absoluten ethischen oder rechtlichen Relativismus das Wort geredet, sondern sich für ihn aus der Relativität menschlicher Erkenntnis ein Verzicht auf absolute Aussagen ergeben habe. Damit hätte er jedoch den Einzelnen nicht von der Pflicht entbunden, sich nach dem jeweils geltenden Recht zu richten. Was aber die Götter beträfe, so hielt er wie später Kant die menschliche Vernunft in Fragen des göttlichen Seins für unzuständig. Ich füge hinzu: Auch ein Skeptiker kann gerecht und fromm sein. 90 Vgl. dazu auch C. Geljon/D.T. Runia, Cultivation, 74 – 75.
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einfachsten Zahlenverhältnissen zwischen 1 und 4 aus, so besäße man den Schlüssel für die Zahlenordnung an sich und ihre Übersetzung in die Gegenständlichkeit. So bezeichne die 1 einen Punkt, die 2 eine Linie ohne Breite, die 3 füge die Breite hinzu und die 4 die fehlende Tiefe, so dass die Vorstellung von einem dreidimensionalen Gegenstand erreicht sei, der seiner Natur nach als Erstes im Bereich der Wahrnehmung begegne. Als Figur bleibe das Dreieck im Bereich der Zahl 3, lege man eine Nuss auf ein solches, erhielte man eine Pyramide. 4 Punkte ergäben ein Quadrat, wobei die 4 sowohl aus 2 mal 2 wie 2 + 2 entstehe. Die 4 Elemente bildeten den Ausgangspunkt für die Erschaffung des Kosmos, während das Jahr aus 4 Jahreszeiten bestehe. Wenn die 4 ein derartiges Gewicht besitze, sei es nicht erstaunlich, dass Gott am 4. Tag die Himmelskörper als Quellen allen Lichts erschaffen hätte (Opif.49 – 52).91 Was heute als Zahlenspielerei erscheinen mag, war damals der Schlüssel zu der Einsicht, dass die Welt kein Chaos, sondern eine in Zahlen fassbare Ordnung besitzt und dadurch einen Kosmos darstellt, wobei die Zahlenverhältnisse für die jeweiligen Objekte als konstitutiv betrachtet wurden.92 Von dieser Voraussetzung erwies sich Philo die biblische Botschaft, dass der göttliche Logos aus der gestaltlosen Materie eine geordnete Welt erschaffen hat, als plausibel.93
4.6 Von der Astronomie Die Nähe der Geometrie zur Astronomie, zur Himmelskunde, zeichnet sich ab, wenn wir Philos Ausführungen über die Erschaffung der Himmelslichter in Opif.58 heranziehen. Hier erinnert er zunächst daran. dass die Himmelskörper nach Gen 1,14 – 17 am 4. Tage erschaffen worden sind und vier Zwecke als Leuchtkörper, zur Unterscheidung zwischen Tag und Nacht, als Zeichen und Ermöglichung der Unterscheidung von Zeiten in Gestalt von Tagen und Jahren besitzen. Sie seien also 1. himmlische Lampen, 2. gliederten sie den gezählten Tag in die beiden Hälften des Tages und der Nacht, wobei der Tag von der Sonne und die Nacht vom Mond regiert wird. 3. ermöglichten sie die Zeitrechung nach Tagen, Monaten und Jahren und 4. seien sie Zeichen, nämlich sowohl Anzeichen als auch Vorzeichen. Aus der Art ihres Aufgangs oder Untergangs und den Zeiten ihres Erscheinens und Verschwindens oder Änderungen in ihren Bewegungen94 könnten Menschen künftige Ereignisse wie gute oder schlechte Ernten, Zuwachs oder Abnahme tierischen Lebens, gutes oder schlechtes Wetter wie Unregelmäßigkeiten in den Jahreszeiten, ja selbst 91 Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 224, der feststellt, dass die Zahl 4 im Timaios keine Rolle spielt. 92 Zu diesem von Aristoteles beschriebenen mathematischen Pythagore smus vgl. Ph.S. Horkney, Platon, 3 – 35. 93 Vgl. dazu S. Sandmel, Philo Judaeus, 24 – 26. und unten, 174 – 175. 94 Gemeint sind vermutlich Sternschnuppen.
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bevorstehende Erdbeben erkennen (Opif.58).95 Nehme man die durch den Umlauf der Gestirne ermöglichte Zeitrechung hinzu (vgl. Opif.60), die ihrerseits die Einrichtung fester Termine ermögliche, so erwiese es sich auch auf diesem Gebiet, in welchem Umfang dem kosmischen Geschehen bestimmte Zahlenverhältnisse zugrunde lägen.96 Philo hat es auch nicht versäumt, auf die Bedeutung der Zahl 12 hinzuweisen, die den Durchgang der Sonne durch die Zwölf Tierkreiszeichen in den 12 Monaten eines Jahres und die 12 Stunden des Tages und die 12 Stunden der Nacht bestimmt und biblisch in den 12 Stämmen Israels und den 12 beschrifteten Steinen in der Orakeltasche des Hohen Priesters (Ex 28,15 – 21) wiederkehrt (Fug.184 – 185). In ähnlicher Weise bewundert Philo in Leg.I.8 die in den sieben Mondphasen herrschende Zahl 7. Dass die Siebenzahl auch den Verlauf des Menschenlebens bestimmt, hat Philo im Rückgriff auf eine Elegie Solons (frg.19 Diehl) in Opif.104 dargelegt, in der der große Athener die sieben Lebensalter des Menschen beschrieben hat. Im Unterschied zum neuzeitlichen experimentellen Umgang mit der Natur beließen es die Pythagoreer und die von ihnen beeinflussten Denker einschließlich Philo dabei, sich mittels der in der Natur waltenden Zahlenverhältnissen die den Kosmos gestaltende Kraft des göttlichen Logos zu vergegenwärtigen, der zwischen dem jenseitigen Gott und der von ihm erschaffenen Welt vermittelt.97 Anders als die neuzeitlichen Naturwissenschaften ging es mithin den Alten nicht darum, die Natur mittels der von ihnen erworbenen Kenntnisse zu manipulieren, sondern ihre logische Struktur zu erkennen. Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass Philo bei der Erwähnung der Voraussage von Erdbeben in Opif.59 nicht an astrologische Omina sondern an natürliche Vorzeichen wie z. B. für derartige Ereignisse signifikante Nebelbildungen gedacht haben dürfte.
4.7 Von der Astrologie Zur Astrologie hat Philo dagegen eine scharfe Trennlinie gezogen.98 Seine Verwendung des Wortes !stqomol¸a/astronoma in Migr.178 zeigt zwar, dass 95 Dass ein Gerechter angesichts der Zerstörung der Ernte durch Hagel, Regengüsse und andere Unglücksfälle keinen Schmerz empfinde, weil er nichts besitze, was ihm geraubt werden könne, merkt Philo Prov.I.56–,57 an; denn wenn alles nach Gottes Vorsehung geschehe, könne er das durch sie Verfügte so wenig tadeln, wie ein Arzt seinen Patienten tadele, wenn er einer Erkrankung durch die Einnahme eines Medikaments zuvorgekommen sei. 96 Zu den Schwierigkeiten der Voraussagen der Astrologen und der unglücklichen Wirkung auf die, die ihnen glauben, vgl. die Gell.XIV.i.1 – 36 referierte einschlägige Rede des zur Zweiten Sophistk gerechneten Rhetors Favorinus (ca. 80 – 90–um 150 n. Chr.). 97 Zum stoischen Hintergrund vgl. Diog.Laert.VII.134. 98 Vgl. dazu P. Frick, Providence, 119 – 138.
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es zugleich die Astrologie bezeichnen konnte; denn hier berichtet er, dass die Chaldäer in dem Ruf stünden, mehr als alle anderen Völker von ihr und der cemehkiakocij¶/genethlialogike¯, der Berechnung von Horoskopen, zu verstehen.99 Dabei gingen sie von einer zwischen Himmel und Erde bestehenden Harmonie aus, wobei der sichtbare Kosmos das einzige Existierende wäre, sei er nun selbst Gott oder sei Gott die Seele des Ganzen. Das hätte zur Folge, dass sie das Schicksal (eRlaql´mg/heimarmne¯) und die Notwendigkeit (!m²cjg/ angke¯) vergöttlichten und die guten und bösen Ereignisse im Menschenleben als Folgen der Umläufe der Sonne, des Mondes und der anderen Gestirne betrachteten (Migr.179).100 Während Moses die zwischen allen Dingen aufgrund ihrer Teilhabe an denselben Elementarstoffen bestehende Sympathie anerkannt hätte, hätte er weder die Welt, noch die Weltseele für den höchsten Gott erklärt noch die Bewegungen der Sterne als die ursprünglichen Ursachen des menschlichen Schicksals betrachtet. Stattdessen hätte er gelehrt, dass der Schöpfer das All durch unsichtbare Kräfte zusammenhielte. Mit der Aussage in Dtn 4,39, dass Gott im Himmel oben und unten auf der Erde sei, sei mithin nicht Gottes Sein, sondern seine Macht gemeint, mit der er das All ausgestaltet habe. Diese Macht bestünde vor allem in seiner liebenden Güte. Daher sei er überall im Widerschein, aber nirgends in der Erscheinung erkennbar (Migr.180 – 183). Das aber bedeute, dass es keine unmittelbare, sondern nur eine durch die Schöpfungsordnung vermittelte Gotteserkenntnis geben könne.
99 Zur Astrologie der Babylonier vgl. C. Bezold, Astrologie, 1 – 14 bzw. T. Barton, Ancient Astrology, 9 – 18 und zur Bedeutung im ptolemäischen Ägypten 23 – 29. 100 Vgl. auch Prov.I.81 – 88 und zur Sache ausführlich P. Frick, 119 – 138.
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5. Von den Dichtern und ihrer Darstellung der Götter 5.1 Philos Kriterien für die Beurteilung der Dichter Da die Verbindung zwischen Philosophie und Dichtung bei den Griechen überaus eng war (man denke nur an die Lehrgedichte des Parmenides und Empedokles über die Natur), ist es angemessen, wenn wir im unmittelbaren Anschluss an jene auch Philos Urteile über die Dichter behandeln. Dabei wird es sich zeigen, dass er ihnen gewogen war, soweit sie die Götter als gerechte Lenker menschlicher Schicksale darstellten, während er Anspielungen auf ihre grausamen Kämpfe gegeneinander als gottlos ablehnte.
5.2 Homer und Hesiod In einer Stadt, in der Aristarch um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. die methodische Textkritik eingeführt und die weiterhin verbindlichen Ausgabe Homers, Hesiods, Pindars und anderer Dichter herausgegeben hatte,1 konnte es in einer Zeit, in der Homer zum gymnasialen Lehrprogramm gehörte, nicht ausbleiben, dass Philo mit den Werken dieser Dichter vertraut war.2 Wie hoch er den Dichter der Ilias und Odyssee schätzte, geht daraus hervor, dass er Homer in Conf.4 zur Einführung des Zitats über die versuchte Stürmung des Himmels Od.XI.315 als Beispiel der gottlosen Leugnung der Gebote als den größten und angesehendsten Dichter bezeichnet (vgl. auch Prov.II.15).3 In Abr.10 erklärt er es für angemessen, dass man Homer angesichts seiner herausragenden Eigenart trotz der Unzahl an Poeten neben ihm als „den Dichter“ bezeichne. In Prob.3 l (vgl. Jos.2). lobt er Homer, weil er des Öfteren von den Königen als Hirten der Völker spreche (vgl. z. B. Il.I.263). Vor allem aber stimmte er Homers Bezeichnung des Zeus als Vater der Götter und Menschen zu, weil sich in ihr die Vorzüge der Natur in Gestalt der Führung und Fürsorge verbinden, die der Aufgabe der Eltern entspricht (Prov.II.15; vgl. z. B. Il.I.544). Zustimmend zitiert er weiterhin die These, dass nicht viele sondern nur einer König sein
1 Vgl. dazu F. Montanari, Aristarchos 4: von Samothrake (DNP I/1995), 1090 – 1094. 2 Zu den homerischen Epen vgl. umfassend H. Fränkel, Dichtung, 6 – 103; A. Lesky, Geschichte, 27 – 101 bzw. A. Dihle, Literaturgeschichte, 15 – 32. 3 Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 111.
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solle (Il.II.204 – 205), indem er den Satz auf Gott bezieht (Conf.170, vgl. Leg.Gai.149).4 Seinen Neffen Alexander lässt Philo in Prov.II.39 – 40 geltend machen, dass Homer in seinen Gedichten die Götter in schmutzigster Weise maßlos gelästert habe, weil er Zeus den Hephaistos am Fuße packen und aus dem Olymp herabwerfen ließ, so dass er lahm wurde (Il.I.590 – 594).5 Bei dieser Gelegenheit hätte er auch Aphrodite eine unheilbare Wunde beigebracht. Aber in diesem Punkt hat Philo sein Gedächtnis getäuscht, denn nach Il.V.350 – 539 wurde die Göttin durch den Tydiden Diomedes verwundet. Pathetisch erklärt Philo, dass statt des wegen des Wettkampfes mit den Musen seiner Augen beraubte Thraker Thamyris alle die bestraft würden, welche die Götter gelästert hätten, in dem sie z. B. erzählten, dass Hermes die sicherste Zuflucht der Diebe, der Kriegsgott Ares ein Ehebrecher oder Zeus der Verführer aller Verbrecher sei. In Prov.II.34 – 35 lässt er Alexander auch Hesiod6 kritisieren, weil er in seiner Theogonie7 von der Kastration des Uranos durch seinen Sohn Kronos8 sowie von dem Raub seiner Herrschaft und Stürzung in den Tartarus durch Zeus erzählt9 und trotzdem die Götter in Theog.23 selbst zu seinem Lehrer in der Dichtkunst erklärt hat (Prov.II.36).10 Philo hält dem in Prov.II.40 entgegen, dass, nachdem sich der Ruhm Homers und Hesiods über den ganzen Erdkreis verbreitet hatte, es die in ihren Dichtungen enthaltenen Gedanken gewesen seien, die weiterhin viele Männer mit Bewunderung ausgedeutet hätten. Wenn sie aber in einigen Punkten geirrt hätten, dürfe man sie deshalb doch nicht tadeln, weil sie mit vielen richtigen Aussagen dem Fortschritt des Lebens gedient hätten. Zustimmend spielt er in Plant.128 – 130 auf die Mythe von der Zeugung der Musen durch Zeus in Hes.Theog.50 – 51 an: Es zieme sich durchaus, Gott in Prosa und Dichtung als Schöpfer der Welt zu preisen. In ähnlicher Weise weiß er in Aet.13 – 17 über ihn zu berichten, dass einige Hesiod für den Vater der 4 Vgl. dazu auch E.M. Smallwood, Legatio, 229 – 230 und weiterhin Det.178 mit Od.XII.118; Migr.156 mit Il.V.484; Migr.159 mit Od.IV.392; Her.189 mit Il.IX.97; Fug.31 mit Od.XXI.294; Fug.61 mit Od.XII.118; Som.I.57 mit Od.IV.392; Som.I.150; Decal.56 mit Od.XI.303; Spec.I.74 mit Od.XX.379; vgl. Plat.ThAet.176d; Som.I.233 mit Od.XVII.485 – 487; Som.II.52 mit Od.V.529; Som.II.148 mit Il.XXII.60; Spec.II.6 mit Il.VI.266; Prob.112 mit Il.VI.407; Vit.Cont.17 mit Il.XII.5 – 6; Vit.Cont.40 mit Od.IX.373; Prov.II.16 mit Il.XX.234; Prov.II.19 mit Od.I.443; Prov.II.37 mit Il.XVI.384 – 392; Prov.II.52 mit Plat.Krit.46b; Il.XXII.451 – 452; Prov.II.95 mit Od.IX.106 – 111; Aet.127 mit Il.XVIII,397; Aet.131 mit Od.VI.233 und Q.Gen.IV2 mit Od.XVII.485 – 488. 5 Vgl. auch Plat.Rep.II.377b11 – 380c3; Leg.636c7–d4; 672b3 – 8 und 941b2–c2 und dazu G.R. Morrow, Cretan City, 443 – 445. 6 Vgl. zu ihm Fränkel, Dichtung, 104 – 146; Lesky, Geschichte, 113 – 116 bzw. Dihle, Literaturgeschichte, 33 – 41. 7 Vgl. zu den von ihm verarbeiteten Mythen und Genealogien sowie ihrer Entstehung M.L. West (Hg.), Hesiod, Theogony, 18 – 48. 8 Hes.Theog.178 – 182. 9 Hes.Theog.71 – 74 vgl. 468 – 506. 10 Vgl. dazu Platons Kritik an den gewalttätigen Göttergeschichten Plat.Rep.378b-e3.
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platonischen Lehre von der Weltentstehung in Tim.41a6 – 8b hielten (vgl. Hes.Theog.116 – 117). Auch das Sprichwort, dass der Anfang die Hälfte des Ganzen ist (Det.64; Her.116), könnte Philo aus Hes.Op.40 oder Plat.Leg.VI.e6 entlehnt haben. In seiner Auslegung von 1Sam 1,15 in Ebr.149 – 150 zitiert er aus Hes.Op.286.288 – 291 Worte „der Alten“. Es zeigt sich also auch im Fall seiner Zitate aus Hesiods Epen, dass er das mit der philosophischen und biblischen Theologie und Ethik Kompatible zustimmend, das mit ihr Unverträgliche aber (nach dem Vorbild Platons)11 ablehnend zitiert hat.
5.3 Solon und Lykurg als Vertreter der Sieben Weisen Von dem unter die sieben Weisen gerechneten athenischen Staatsmann Solon (gest. ca 560)12 führt er in Opif.104 – 105 dessen Lehre von den Sieben Lebensaltern an (frg.27), die er später selbst aufgenommen und abgewandelt hat.13 Außerdem erinnert er an dessen (sonst nicht belegtes) Gesetz über die Heirat zwischen Verwandten (Spec.III.22 und Prob.47). Darüber hinaus erwähnt er ihn zusammen mit dem König von Sparta Lykurg14 als die beiden Gesetzgeber, welche die Freiheit von Athen und Sparta durch ihre Gesetze gesichert hätten (Prob.47).15
5.4 Elegiker und Tragiker Von den Elegikern zitiert er in Prob.155 ohne Nachweis aus dem unter dem Namen des Theognis von Megara16 überlieferten Sammelwerkes den Spruch (Thgn.I.535 – 536): „Noch nie ist ein sklavisches Haupt gerade geworden, immer ist es krumm und hält den Nacken schief.“17 Von den Tragikern der klassischen Zeit zitiert Philo Aischylos, Sophokles, seinen spärlich überlieferten Zeitgenossen Ion von Chios und vor allem den 11 Vgl. die vorausgehende Anm. 12 Vgl. zu ihm Fränkel, 249 – 273; Lesky, Geschichte, 148 – 155 bzw. Dihle, Literaturgeschichte, 69 – 72. 13 Vgl. dazu unten, 238 – 240. 14 Zu seiner widersprüchlichen Datierung zwischen dem 11. und dem 8. Jh. und seiner Gesetzgebung vgl. Karl Joachim Hölkeskamp (DNP VII), 579 – 580. 15 Zu der mustergültigen Gesetzgebung Solons und Lykurgs vgl. z. B. Cic.Off.I.75. Von den Sieben Weisen erwähnt Philo außer Solon nur noch in Prob.153 eine Anekdote über Bias von Priene, nach der er dem ihn belagernden König Kroisos von Lydien den Rat erteilt hätte, Zwiebeln zu essen. Nach Diog.Laert.I.83 wäre sein Gegner Alyattes, der Vater des Kroisos gewesen. 16 Vgl. zu ihm Fränkel, Dichtung, 455 – 483; Lesky, Geschichte, 200 – 204 bzw. Dihle, Literaturgeschichte, 97 – 98. 17 Übers. D.U. Hansen, Theognis, 83.
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sentenzenreichen Euripides. Von dem Athener Aischylos (525 – 465)18 zitiert er in Prob.143 das frg.20 N, ein auf der Argo geltendes Verbot, dass sie von Sklaven betreten würde; in Aet.5 frg.12 N, einen Wahrspruch, nach dem im Tod die Teile zerfallen, die sich zerstreut in anderer Gestalt wieder zusammenfügen; in Prov.II.8 frg.344 N die von ihm sogleich unter Verweis auf Sokrates zurückgewiesene Aussage, dass Zeus bei den Verbrechern das Gesetz streiche; in Prov.II.90 frg.345 N die Schilderung des Völker vernichtenden Wütens der Pest. Die Aischylos Zitate dienen Philo mithin dazu, prägnante Sachverhalte des menschlichen Lebens kritisch zu bedenken. Sophokles (506 – 401)19 zitiert er ein einziges Mal in Prob.19 mit dem Orakelspruch „Gott ist mein Herr, jedoch kein Sterblicher“ (frg.688.3; vgl. mit Theiler Aristot.EthEud.1242a39). Von seinem jonischen Zeitgenossen Ion (ca. 480 – 421)20 zitiert er in Prob.134 zur Unterstreichung der mutigen Verteidigung Athens durch Miltiades in den Perserkriegen frg.33, nach dem ein Hahn bis zu seinem Tod kämpfe, weil er den Tod der Knechtschaft vorziehe. Am häufigsten von den Tragikern hat Philo den sentenzenreichen Eurypides (ca. 480 – 406)21 herangezogen. Aus seiner die Leiden des Krieges am Beispiel der troischen Königin Hekabe und ihrer Kinder vergegenwärtigenden gleichnamigen Tragödie hat er in Prob.116 als Beispiel der unbedingten Freiheitsliebe von Frauen und Jünglingen aus dem Botenbericht des Talthybios die Worte der Königstochter Polyxene in dramatischer Zuspitzung (Eur.Hek.548 – 551) eingefügt. In Jos.78 lässt er in einer aus Phön.521 und einem verlorenen Satyrdrama frg.687 zusammengesetzten Rede Joseph die innere Freiheit des wahren Staatsmannes selbst angesichts des drohenden Todes hervorheben. In ähnlichem Kontext zitiert er in Spec.IV.47 eine abgewandelte Form von frg.220 und in Prob 141 frg.277.3 – 4 und in Leg.III.202 erneut frg.687, vgl. auch Prob.25 und 99. Aus dem Satyrspiel Syleus zitiert er als Beispiel für ein freies Selbstbewusstsein die Sätze, in denen Hermes Herakles erklärt, dass er wegen seiner offensichtlichen Angriffslust unverkäuflich sei, was sich nach dem Kauf durch Syleus insofern bewahrheitete, als er den sogleich wie seinen Sklaven behandelt (Prob.101 mit einem aus Eur.frg.688. 689 und 690 zusammengestellten Zitat und in Prob.103 frg.691). Den Wandel aller Dinge belegt Philo in Leg.I.7 mit Eur.frg.839.12 – 14, vgl. Aet.5, 30 und 144. Dagegen zitiert er in Somn.I.154 das aus dem Ion stammende Eur.frg.420.2 – 3, das den raschen Wechsel des Schicksals auf eine prägnante Formel bringt, und in Prob.22 Eur.frg.950, das die Todesfurcht als 18 Zu seinem Leben und Werken vgl. z. B. M. Pohlenz, Tragödie, 39 – 148; A. Lesky, Tragische Dichtung, 65 – 70; ders., Geschichte, 279 – 281 bzw. Dihle, Literaturgeschichte, 112 – 128. 19 Zu seinem Leben und Werk vgl. z. B. Pohlenz, Tragödie, 168 – 234. 317 – 352; Lesky, Tragische Dichtung, 169 – 175; ders., Geschichte, 311 – 316.353 – 475; Dihle, Literaturgeschichte, 128 – 140 und H. Flashar, Sophokles, 30 – 41. 20 Zu seinem Leben und Wirken vgl. z. B. Lesky, Dichtung, 523. bzw. ders., Geschichte, 462 – 464. 21 Zu seinem Leben und Werk vgl. Pohlenz, Tragödie, 235 – 324.353 – 486; Lesky, Dichtung, 275 – 280 bzw. ders., Geschichte, 409 – 412.
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Eigenschaft eines Sklaven anprangert. Nach Prob.141 hat er selbst die Aufführung einer Tragödie des Euripides besucht, in der ein Zweizeiler über die Freiheit als das Höchste Gut begeisterte Ovationen der Zuschauer auslöste.22 Kein Zweifel, Philo konnte sich als Ausweis seiner literarischen Bildung zumal für allgemein menschliche Verhaltensweisen auf das Zeugnis der griechischen Tragiker berufen und damit zugleich das Naturgemäße seiner Ausführungen unterstreichen.
5.5 Pindar Über diesen Tragödiendichtern darf freilich der aus einem vornehmen böotischen Geschlecht stammende Lyriker Pindar (518 bis nach 546)23 nicht vergessen werden. In Virt.172 tadelt Philo den Überheblichen, der sich selbst „wie Pindar sagt“ nicht für einen Halbgott sondern für ein gänzlich göttliches Wesen (fkom da¸loma) hält. Sollte er damit auf Ol.II.2 anspielen, wo der Dichter Zeus als Gott und Herakles als Halbgott preist, so hätte er den Vers gänzlich aus seinem Zusammenhang gerissen, um seiner Argumentation dadurch Glanz zu verleihen. In Prov.II.80 zitiert er dagegen kritisch die auf eine Sonnenfinsternis anspielende erste Strophe des 9.Päans (frg.44 Bowra), der den Thebanischen Siegern in den Isthmischen Spielen gewidmet ist, als unphilosophisches Zeugnis des Aberglaubens, von dem die „wirkliche Kenntnis derartiger Erscheinungen“ befreie.24 Wegen Schönheit sei die Strophe hier in der Übertragung von Oskar Werner zitiert:25 Strahl der Sonne, was hast du ersonnen, vielschauender, Mutter der Augen, Stern, allerhöchster, dass Am Tage hinweg du dich stiehlst? Warum machtest du ratlos, die Kraft den Menschen, ungangbar der Weisheit Weg? Bringst, dunklen Pfades fortstürmend, du ein Neues, Schlimmres auf uns, als es vordem gab? Aber bei Zeus, schnelle Lenkerin der Rosse, fleh Ich dich an: Wende in Segen, in Leidlosen, für unser Theben, Herrin, Das alle erschreckt, dies Wunder um! 22 Vgl. auch oben, 85. 23 Zu seinem Leben und Wirken vgl. C.M. Bowra, Pindar, 355 – 401; Fränkel, Dichtung, 483 – 576; Lesky, Geschichte, 225 – 238; O. Werner, Pindar, 550 – 561 bzw. Dihle, Literaturgeschichte, 84 – 96. 24 Vgl. dazu seine Erklärung metrologischer und kosmischer Erscheinungen, als Folgeerscheinungen im Ablauf der Natur, wobei Gott niemals der Urheber von irgendetwas Schlechtem sei, in Prov.II.99 – 102. 25 Pindar (STusc) 390 – 393.
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In Aet.121 aber greift er auf die Begrüßung der „gottgeschaffenen Tochter der Flut“, d. h. der aus ihr aufgetauchten Insel Delos (frg.17 Werner = 78 Bowra) als eine angemessene Umschreibung der Entstehung der Insel zurück. So wählte Philo auch aus den Dichtungen Pindars das mit dem biblisch begründeten Glauben Kompatible aus, während er das in seinen Augen Überholte als abergläubisch zurückwies.
5.6 Hellenistische Dichter von Menander bis zu Theokrit Von Pindar springen wir über die Philosophen des 5. Jh. hinweg in das Hellenistische Zeitalter : An erster Stelle ist dann der „bedeutendste Dichter der Neuen Komödie in Athen“ Menander (342 – 290) zu nennen.26 Als Beleg für seine These, dass Mut zur freien Rede vor Höheren eine bewunderungswürdige Tugend ist, zitiert Philo einen Satz aus einer seiner unbekannten Komödien, der dazu auffordert, dem Diener ein gewissen Maß an freier Rede zuzugestehen (Her.5). Als Beleg dafür, dass der Reichtum des Bodens die Sitten der Einwohner von Sodom zerrüttete, spielt er auf das Wort Menanders an, dass allzu große Güter die Hauptursache der menschlichen Übel seien (Abr.134, vgl. Mos.II.13).27 Es gehörte sich für den Alexandriner Philo, dass er auch die in seiner Heimatstadt entstandenen Dichtungen aus dem 3. Jh. kannte. So spielt er in Conf.6 vermutlich auf eine von Kallimachos aus Keos (ca. Ende 4. – Mitte 3. Jh. v. Chr.)28 erzählte Mythe an, nach der ursprünglich Menschen und Tiere dieselbe Sprache gesprochen hätten.29 In Prov.II.89 zitiert er einen Satz von dessen Schüler Eratosthenes aus Kyrene, Bibliothekar in Alexandrien,30 der in einer mythologischen Dichtung die Milchstraße als die Spuren des Zeus bezeichnet hatte.31 Erathostenes war seinem Lehrer zwar nicht als Dichter wohl aber als Gelehrter weit überlegen. Auf ihn geht nebenbei die noch heute übliche Bezeichnung der Sprachforscher als Philologen zurück.32 Und schließlich scheint er in Imm.90 die sprichwörtliche Wendung „denn von derartigem (gibt es) weder Wort noch Zahl“ aus einem Gedicht Theokrits aus Syrakus 26 Vgl. zu ihm Lesky, Geschichte, 718 – 745; Dihle, Literaturgeschichte, 285 – 290; H.-G. Nesselrath (DNP VII), 1215 – 1219 bzw. W.G. Arnott (OCD3), 956a – 957b. 27 Nachweise bei Theiler, Philo W.d.Ü. VII, 389. 28 Vgl. zu ihm A.W. Mair (LCL 129), 1 – 16; Lesky, Geschichte, 787 – 807 bzw. knapp P.-J. Persons (OCD3), 276b – 277b bzw. L. Lehnus (DNP VI), 188 – 194. 29 Nachweis bei Theiler, 389. 30 Vgl. zu ihm R. Tosi (DNP IV), 44 – 47 bzw. P.M. Frazer (OCD3), 553b – 554b. 31 Für den Nachweis Erathosthenes frg.14 (Powell, Collectanea Alexandrina, 61) vgl. Theiler, Phil.W.d.Ü. VII, 386 Anm. 5. 32 Lesky, Geschichte, 880.
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(Blütezeit ca. 300 – 260), der ebenfalls am Alexandrinischen Hof wirkte,33 entlehnt zu haben.34 Das sind gegenüber den altgriechischen Epen und klassischen Tragödien leichtgewichtige Zitate, aber wie bereits angedeutet, zollte Philo so den Dichtern, die in seiner Heimatstadt gewirkt hatten, einen freundlichen Tribut.
5.7 Von den Olympischen Göttern35 Dass wir im Anschluss an Philos Verhältnis zu den griechischen Dichtern einen Blick auf das zu den Olympischen Göttern werfen, ist insofern sachgemäß, weil sie von ihm als einem Verehrer Homers als Produkte dichterischer Phantasie betrachtet wurden, deren religiöse und sittliche Qualitäten es fallweise zu beurteilen galt. Schon ein Blick auf ihre Behandlung im Vorspann zum Ersten Gebot in Decal.52 – 58 lässt keinen Zweifel daran, dass diese Götter alle gegenüber dem höchsten und ehrwürdigsten Gott, dem Schöpfer, dem Herrscher über die große Weltstadt36 und Feldherrn über das unbesiegbare Heer, als Personifikationen kosmischer Größen zu betrachten seien: So bezeichneten manche die Erde als Kore, Demeter oder Pluto, oder das Meer als Poseidon, wobei ihm ein großes Gefolge an männlichen und weiblichen göttlichen Wesen (da¸lomer/damones) beigelegt würde. Die Luft bezeichneten sie als Hera,37 das Feuer als Hephaistos,38 die Sonne als Apollon, den Mond als Artemis, den Morgenstern als Aphrodite und den Glänzenden als Hermes, wobei die Mythographen auch den anderen Sternen Namen verliehen hätten. Gemäß der Theorie von einer oberen und einer unteren Himmelskugel wären sie beide mit den Dioskuren identifiziert worden, die abwechselnd einen Tag lang lebten und an dem folgenden tot seien (vgl. Od.XI.300 – 304).39 Fragen wir nach der Zeus von Philo zugestandenen Rolle, so wusste er, dass der Gott in der stoischen Lehre mit dem Feuer identifiziert wird, in dem sich in der Ekpyrosis, dem kommenden Weltbrand, die bestehende Welt auflösen und aus dem die nächste entstehen sollte (Aet.81 – 82).40 : Aber Philo kannte auch Episoden aus dem Leben des Gottes wie die, dass die jungfräuliche Göttin Nike aus seinem Haupt entsprungen sei (Opif.100),41 oder die, dass er Semele von der Last des Vgl. zu ihm Lesky, Geschichte, 807 – 818; A.H. Griffiths (OCD3),1498a–1499. Text der Vorlage Theokrit XIC.48 bei F.C. Colson, Philo III (LCL 24/), 55 Anm. d. Vgl. zu ihnen W. Burkert, Griechische Religion, 189 – 289. Zum stoischen Konzept der Weltstadt vgl. ausführlich K.-M. Vogt, Law, 65 – 110. Vgl. Plat.Krat.404c. Zur Identifikation der vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer mit Demeter, Poseidon, Hera und Hephaistos durch die Stoiker vgl. Diog.Laert.VII.147. 39 Zu den Dioskuren vgl. auch H.J. Rose, Mythologie, 227 – 229 und den Artikel DNP III, 673 – 677. 40 Vgl. Diog.Lart.VII.137 mit SVF.II.1045 = Plut.Mor.926e und dazu unten, 201 – 202. 41 Zur komplexen Verbindung zwischen Nike und Athene, die ebenfalls dem Haupt des Zeus 33 34 35 36 37 38
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in ihrem Leibe gereiften Dionysos befreit hätte, um ihn unter die himmlischen Götter zu versetzen (Prob.130).42 Wie genau Philo über die Herrschaftsbereiche der olympischen Götter Bescheid wusste, zeigt sein polemischer Vergleich mit dem sich gänzlich unberechtigt mit ihren Attributen schmückenden Kaiser Gaius (Caligula) in Leg.Gai.86 – 92.43 In Leg.Gai.78 – 85 hatte er ihm vorgeworfen, dass er sich unberechtigt mit Dionysos, Herakles und den Dioskuren identifiziert hätte. Denn Herakles hätte zu Lande und zur See unter großen Mühen die Menschheit von lebensgefährlichen Gefahren befreit (Leg.Gai.81),44 Dionysos den wilden Wein kultiviert und aus ihm einen für Leib und Seele wohltätigen Trank hergestellt (Leg.Gai.82 – 83),45 während die Dioskuren die Unsterblichkeit untereinander aufgeteilt hätten; denn um einander nicht in Ewigkeit zu betrauern, lebten sie abwechseln je einen Tag (Leg.Gai.84 – 85; vgl. auch Somn.I.150 und Decal.56). Dagegen fehle es Gaius an brüderlicher Liebe. Denn er hätte seinen Bruder kaltblütig ermordet und seine Schwestern in der Blüte ihrer Jahre verbannt (Leg.Gai.86 – 87).46 Auch habe er die bewohnte Welt mit keinen neuen Wohltaten erfüllt, sondern aus Ost und West und Nord und Süd alles gestohlen, was gut und wertvoll war (Leg.Gai.88 – 89), und schließlich anders als Herakles weder mühevolle und Mut erfordernde Heldentaten vollbracht oder Länder und Inseln mit Rechtlichkeit und Gerechtigkeit, Fruchtbarkeit und Wohlergehen erfüllt, sondern ihre Städte ausgeplündert. So gehöre er weder neben die einander liebenden Dioskuren gestellt noch kämen ihm die Ehren des Herakles zu (Leg.Gai.90 – 92). In keiner Weise aber könne er sich mit Apollon vergleichen, dem mit einem Strahlenkranz gekrönten. Denn während Gaius Dunkelheit und Nacht wegen seiner gesetzlosen Taten willkommen seien, Untaten, die nicht das Tageslicht ertrügen, sondern im untersten Tartaros verborgen sein sollten (Leg.Gai.103), sei Apollon ein Erfinder von Heilmitteln gewesen.47 Gaius aber hätte sich als Mörder betätigt, um die
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entsprungen sein soll, vgl. Pind.Ol.VII.35 – 38; Eur.Ion.454 – 457 und dazu J. Scherf (DNP VIII), 907. Vgl. dazu H.J. Rose, Mythologie, 149. Zur Verehrung des Kaisers als Gott vgl. Suet.Cal.22.2 – 4; Cass.Dio.59.2.6.10 und zu der nach dem Ermordung Caesars einsetzenden Titulierung bzw. Verehrung der Kaiser als Götter A. Winterling, Caligula, 139 – 152, bes. 140 – 146, zu dem durch Philo, Josephus und Sueton erhobenen und von Cassius Dio aufgenommenen Vorwurf vgl. 146 – 151. Zu den Zwölf Taten des Herakles vgl. H.J. Rose, Mythologie, 216 – 223. Vgl. dazu Rose, Mythologie, 154. Beide Vorwürfe sind unbegründet; denn sein Bruder Drusus starb im Jahre 33 auf Betreiben des Kaisers Tiberius bzw. seines Vertrauten Sejan den Hungertod im Gefängnis des Palatin, Winterling, Caligula, 41, während seine Schwestern Agrippina (Sohn: der spätere Kaiser Nero) und Drusilla mit Männern aus angesehenen Familien verheiratet wurden, Winterling, 46. Als Drusilla im Jahr 38 starb, soll Caligula sie tief betrauert und ihr, gestützt auf einen Senatsbeschluss, göttliche Ehren erwiesen haben, Winterling, 79 – 81. Gemeint dürfte der ihm im Heiligtum zu Delphi geweihte Lorbeer sein, der „als mächtiges Reinigungsmittel von Zauberkrankheiten“ galt, Rose, Mythologie, 132.
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Von den Dichtern und ihrer Darstellung der Götter
Reichtümer der Römer und des restlichen Italiens in seinen Besitz zu bringen (Leg.Gai.106 – 108). Und während Apollon auch als Prophet zum Wohl der Menschen tätig gewesen sei,48 hätte Gaius durch seine misstönenden Sprüche Armut, Ehrlosigkeit, Verbannung und Tod für die Angehörigen der oberen Kreise allerorten „prophezeit.“ (Leg.Gai.109). – Wir brechen die von Philo gegen den Kaiser erhobenen Anklagen an dieser Stelle ab, weil es uns nicht um sie als solche, sondern um die Art der Argumentation zugunsten der Götter geht: Soweit die über sie umlaufenden Geschichten mit Philos Ethos vereinbar war, konnte er sie als Geschichten einsetzen, um den Kaiser als eine unsittliche Person zu entlarven.
48 Zum Orakel von Delphi vgl. V. Rosenberger, Griechische Orakel, 140 – 147 und zum dortigen Apollontempel mit dem Sitz der Pythia M. Maass, Delphi, 122 – 124.
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6. Von den praktischen Berufen 6.1 Von den Ärzten und ihren Patienten Es ist auffällig, wie häufig sich Philo zu Fragen der Gesundheit und Krankheit und damit verbunden zur ärztlichen Kunst äußert. Vermutlich hat seine Familie einen tüchtigen Hausarzt besessen, so dass er sich in den Fragen der richtigen Ernährung ebenso auskannte wie in denen des richtigen Umgangs des Arztes mit seinen Patienten und den von ihm durchgeführten Operationen und der Wundversorgung.1 Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass seine Hinweise mehr allgemeiner als spezieller Art sind, so dass sie kein besonderes Fachwissen voraussetzen. So hat er sich z. B. zur richtigen und falschen Ernährung geäußert:2 Von Frauen erzogene Männer entwickelten einen verweichlichten Geschmack, von Männern erzogene fragten anders als jene nicht danach, was angenehm, sondern was geeignet sei, sie wie einen Athleten zu kräftigen (Somn.II.9; vgl. auch 129 und Spec.I.173 – 174).3 Dass gesundes Wachstum und ein gesunder Magen die Folgen richtiger Ernährung sind und es fettleibige Kinder gibt, denen kein Arzt mehr helfen kann, hat er richtig beobachtet (Q.Gen.IV.200). Dass ein guter Arzt seinen Patienten nicht sofort behandelt, sondern es erst der Natur erlaubt, den Weg zur Besserung einzuschlagen, galt ihm als beispielhaft (Q.Gen.II.41). Dass der Arzt wie der Philosoph ihren jeweiligen Befund schriftlich erheben konnten, hielt Philo für erwähnenswert; weil es sie als gebildete Männer ausweist (Plant.173).4 Beobachtungen wie die folgenden setzen kaum ein Spezialwissen voraus, sondern dürften auf alltäglich möglichen Erfahrungen Philos beruhen: Dass es Menschen gibt, die zum Essen zu schwach geworden waren und durch die ihnen von ihren Ärzten verabfolgten Mittel wieder dazu befähigt wurden, mag er an einem alten Sklaven, Verwandten oder Freund beobachtet haben (Somn.I.51; vgl. auch Decal.12). Dazu gehörte es, dass der Arzt gegebenenfalls zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit Abführmittel verordnet (Hyp.7.16/361);5 dass Fieberanfälle zu bestimmten Tageszeiten
1 Zur üblichen Behandlung des Patienten kam der Arzt in der Regel in dessen Haus, doch gab es auch Praxisräume vgl. A. Krug, Heilkunst, 70 – 73. 2 Zur antiken Diätlehre vgl. Krug, 49 – 51. 3 Zu der von den Athleten geforderten Selbstbeherrschung vgl. auch Q.Gen.III.20; IV.29 und 129. 4 Vgl. dazu Krug, 71. 5 Zum Stuhlgang vgl. Hippokr.Prog.XI (LDL 148), 22 – 25 und zur Verabreichung von Abführmitteln Cels.Med.I.iii.25 – 26. Zu dem römischen Enzyklopädisten A. Cornelius Celsus, der in der 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. wirkte, vgl. Klaus Sallmann (DNP II), 1051 – 1052.
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wiederkehren (Conf.151)6 und schleichende Krankheiten den ganzen Organismus ergreifen können (Spec.IV.83).7 Dass das Atmen lebensnotwendig ist und sein längeres Aussetzen tödlich wirkt (Spec.I.338),8 dürfte damals wie heute neben dem Aussetzen des Herzschlags zu den allgemein bekannten Anzeichen des eingetretenen Todes gehört haben. Dagegen darf man Philos Mitteilung in Leg.II.6, dass nach den besten Ärzten das Herz gleichsam wie der Kiel vor einem ganzen Schiff vor dem ganzen Körper gebildet wird, als ein gelehrtes Wissen betrachten. Denn diese Theorie wurde bereits von Aristoteles (Gen.An.42b35) und anschließend (nach Galen) auch von den Peripatetikern und Stoikern gelehrt (LS 53 D).9 Dass ihm auch medizin-ethische Probleme nicht unbekannt waren, zeigen seine folgenden Hinweise: Wenn z. B. der Arzt einen Patienten mit dem Messer oder einem heißen Eisen zu behandeln beabsichtige10 und ihm die Wahrheit darüber vorenthielte,11 damit er nicht bereits vor Beginn der Behandlung kollabierte, entspräche sein Verhalten der sittlichen Pflicht (Cher.15; vgl. auch Imm.66 – 67 und Q.Gen.III.25).12 Dass er in gefährlichen Fällen einzelne Körperteile amputieren muss (Praem.53)13 und er zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit Abführmittel verordnet (Hyp.7.16/361),14
6 Zur Behandlung periodisch wiederkehrender Fieberanfälle vgl. Cels.Med.III.xvi.1– xviii.18. 7 Zu den an bestimmten Jahreszeiten gebundenen epidemischen Erkrankungen vgl. schon Hippokr.Epid. I – III (LCL 147), 146 – 287 mit zahlreichen Fallbeschreibungen. 8 Vgl. Hippokr.Resp.IV.3 – 11 (LCL 148), 230 – 233 und zu weiteren Anzeichen des eingetretenen Todes Cels.Med.II.vi.5 – 6. 9 Vgl. dazu auch H. Fassbender, Entwicklungslehre, 23 und R. Ritter vom Töply, Geschichte der Anatomie, 179, der auch auf den zur Enkelgeneration des Empedokles gehörenden Arzt Chrysipp von Knidos als Vertreter dieser Lehre verweist; vgl. zu ihm F. Kudlien Chrysipp (4) in: (KlP I), 1170 – 1171 und zur griechischen Medizin zwischen den Hippokratikern und den Alexandrinern E.D. Philipps, Greek Medicine, 122 – 138. Für freundschaftliche Literaturhinweise danke ich Herrn Prof. Dr. med. Stefan Ross, Essen. 10 Vgl. dazu A. Krug, Heilkunst, 79 – 83. 11 Vgl. Hippokr.Dec.XVI (LCL 148), 296 – 299; nach Plat.Rep.III.389 sollte der Arzt dem Patienten stets die Wahrheit sagen. 12 Vgl. dazu Cels.Med.VII.Prooem.4: „Esse autem chirurgus debet adulescens aut certe adulescentiae propior; manu strenua, stabili, necumquam intremescente; eaque non minus sinistra quam dextra promptuss; acie oculorum acri claraque; animo intrepidus; misericors sic, ut sanari velet eum, quem accepit, non ut clamore eius motus vel magis quam res properet, vel minus quam necesse est secet; sed perinde faciat omnia, ac si nullus ex vagitibus alterius afectus oriatur (Ein Chirurg solle ein junger Mann oder jedenfalls der Jugend näher als dem Alter sein; mit einer starken und kräftigen Hand, die niemals zittert; so mitleidig, dass er den, den er als Patienten angenommen hat, zu heilen wünscht; durch dessen Schreien nicht dazu veranlasst, weiter zu gehen als es die Sache erfordert, oder weniger abzuschneiden als es nötig ist; sondern er alles ebenso ausführt, gerade als ob das Wimmern kein Mitgefühl in ihm erregte).“ 13 Zu den mit einer Amputation verbundenen Gefahren vgl. Cels.Med.VII.xxxiii.1 – 2 mit dem Hinweis „Verum hic quoque nihil interest, an satus tutum praesidium sit, quod unicum est (Auch spielt es keine Rolle, ob der ganze Eingriff sicher genug ist, denn er ist der einzige).“ 14 Zum Stuhlgang vgl. Hippokr.Prog.XI (LDL 148), 22 – 25 und zur Verabreichung von Abführmitteln Cels.Med.I.iii.25 – 26.
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wird von Philo kommentarlos mitgeteilt und also gebilligt.15 Es verhält sich nach Philos Überzeugung ähnlich bei den Ärzten wie bei den Lehrern: Beide müssen gelegentlich schmerzhaft eingreifen, ohne damit ihren Patienten oder Schülern zu schaden (Q.Gen.III.25). Grundsätzlich war er davon überzeugt, dass der Arzt rechtzeitig eingreifen müsse (Sacr.121; vgl. auch Decal.150). Ob es auch in einem aussichtslosen Fall angebracht wäre, hat er unterschiedlich beurteilt (vgl. Sacr.123 mit Q.Gen.II.79). Wäre es dem Arzt gelungen, den Patienten zu heilen, so sollte er ihm erklären, dass er selbst alles in seiner Kunst Stehende getan hätte, er aber selbst weiterhin darauf achten müsse, keinen Rückfall zu erleiden (Q.Gen.III.45). So wie der Steuermann über den Erfolg der Reise, der Landmann über den Ertrag der Felder, der Hirte über die Vermehrung der Herde und der Stratege über den Sieg in der Schlacht entschied, hing in Philos Augen die Gesundheit der Patienten von ihrem Arzt ab (Mut.221; vgl. aber auch Spec.IV.186). Denn nur er besaß die Kenntnis, Drogen und Salben richtig zu mischen (Q.Gen.IV.76).16 Von einer Wortmedizin, die den Kranken durch bloßes Zureden heilen wollte, hielt er nichts: Krankheiten seien durch Medikamente (v²qlajoi/phrmakoi)17, chirurgische Eingriffe (weiqouqc_ai/cheirourgai)18 oder Diätvorschriften (d_aitai/daitai),19 aber nicht mit Worten zu behandeln (Congr.53). Allerdings würde ein guter Arzt nicht versuchen, den Kranken an einem Tag zu heilen, weil er ihm damit eher schaden als helfen würde (Q.Ex.II.25).20 Philo schätzte Kunst und Geschick der Ärzte grundsätzlich so hoch, dass er ihr Wirken als Akte der Stellvertretung Gottes betrachtete (Leg.III.178).21 Aber er wusste auch, dass es vorkommt, dass ein Patient trotz aller ärztlichen Eingriffe stirbt oder ohne sie gesundet (Leg.III.226; Spec.I.252). Daher sei es wie in anderen vergleichbaren Fällen wie z. B. in der Landwirtschaft das Beste, auf Gott zu vertrauen und nicht auf die menschlichen Künste (Leg.III.228).
15 Zur Beschneidung vgl. ausführlich Q.Gen.III.47 – 48; Cels.Med.VII.xxv.1 – 2 und unten, 144 – 146. 16 Zur Schwierigkeit, bei frischen Fällen das richtige Mittel zu finden, und zwar das dem jeweiligen Patienten bekömmliche vgl. Cels.Med.III.1.5 – 6. Vgl. auch das Verzeichnis der Diäten und Heilmittel Cels.Med.II.18 – 33 und die grundsätzlichen Überlegungen Cels.Med.I.ii.8 – 10. 17 Vgl. dazu A. Krug, Heilkunst, 103. 18 Zum reichlichen Instrumentarium vgl. Krug, 76 – 103. 19 Vgl. dazu Cels.Med.II.xviii.8–xxxiii.6. 20 Zu den erforderlichen Überlegungen zu Beginn der Behandlung eines neuen Patienten vgl. Cels.Med.Prol.51 – 53. 21 Zum wesentlichen Unterschied zwischen Platos und Philos Beurteilung von Krankheit und Heilung besteht nach Runia, Philo and Timaeus, 319 – 321 darin, dass Plato den religiösen Aspekt völlig vernachlässigt, während er für Philo im Zentrum stand.
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6.2 Von der Seefahrt und den Steuermännern Dass Philo als Bewohner einer Hafenstadt und Angehöriger einer der reichsten Familien des Ortes über die Seefahrt Bescheid wusste, nimmt nicht wunder.22 Auch in diesem Fall konnte er aus ihr eine ethische Lehre ziehen, weil die Menschen, die von ihrer wahren Vernunft (aqh¹r kºcor/orths lgos), in der sie einen Steuermann besäßen, der sie sicher geleitete, keinen Gebrauch machten, sondern sich stattdessen gleichsam auf dem Gebiet der Seefahrt (mautik¸a/nautila) unerfahrenen Männern anvertrauten, mit ihrem Lebensschiff ins Schwanken gerieten, während sie andernfalls seine Bestimmung bei ruhiger See sicher erreicht hätten (Imm.129).23 Dass die Seefahrt auf das Sommerhalbjahr eingeschränkt war (Prob.67)24 und man sich vor dem Antritt einer Seereise vor dem Auslaufen des Schiffes an Land zu proviantieren hatte (Decal.14)25 und dafür bei einer größeren Zahl von Passagieren in weiteren Häfen Zwischenstopps eingelegt werden mussten (Leg.Gai.252), war Philo wohl aus eigener Erfahrung bekannt. Was die Fahrt selbst betrifft, so würde ein Steuermann oder Kapitän nicht bei stürmischer See auslaufen,26 sondern im Interesse einer sicheren Fahrt eine günstige Briese abwarten (Somn.II.86). Kriegsschiffe operierten besser in Küstennähe und Handelsschiffe waren besser für Hochseefahrten geeignet (Leg.Gai.251).27 Was die Entlohnung der Seeleute betrifft, so sollte ein Matrose (ma¼tgr/nafflte¯s) auf Kaufhandelsschiffen nicht denselben Lohn wie Steuermänner, Ruderer und Matrosen auf Kriegsschiffen oder wie ihre Kapitäne und Admirale (mau²qwoi/ naurxoi) erhalten, weil eine nominelle Gleichheit in diesem Fall eine Ungleichheit wäre (Spec.I.121).28 Aufgrund eines von Kaiser Caligula dem jüdischen König Agrippa erteilten und ihm bekannt geworden Rat wusste er, dass es für die Seereise nach Rom zwei Routen gab, eine längere die über die Syrische Küste nach Brindisium (Brindisi) und eine kürzere, die über die offene See nach Diakaiarchia (Puteoli) führte (Flacc.26 – 27; vgl. auch Apg 28,11 – 13).29 Eine gefahrlose und ihr Ziel erreichende Reise (Virt.176) hing jedenfalls von der Tüchtigkeit (!qet¶/ 22 Zur Schifffahrt vgl. umfassend Carl Schneider, Welt des Hellenismus, 248 – 267. 23 Vgl. mit Colson, Philo III (LCL 247), 489 Plat.Rep.488a6 – 489c7. 24 Nach Plin.Nat.Hist.I.VI.104 begann die Schifffahrt mitten im Sommer vor dem Frühaufgang des Hundsterns oder unmittelbar darauf und d. h. nach VI (STusc), 211 am oder bald nach dem 18. Juli und damit zu Beginn des Wehens der Etesischen Winde. 25 Vgl. dazu auch Schneider, 259. 26 Zum Unterschied der Wirkung von Nord- und Südwinden auf die Wellenbildung vgl. Gell.II.xxx.1 – 11 (LCL 195), 228 – 231. 27 Zu den Schiffstypen vgl. Schneider, 249 – 250 bzw. B. Cech, Technik, 167 – 174. 28 Zu den Rängen der Schiffsoffiziere und Matrosen vgl. Schneider, 262. 29 Zu den Vorteilen der Lage der Stadt vgl. Strabon XVII.1.7, C 792 – 793 (LCL 267), 28 – 31. Zur Fahrtdauer zu den hauptsächlichen Zielen vgl. Schneider, Welt des Hellenismus, 258; J. Gray Landels, Technik, 193 – 195 bzw. B. Cech, Technik, 175 – 177.
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arete¯) des Steuermanns (jubeqm¶tgr/kuberne¯te¯s) ab (Mut.148;30 vgl. aber auch Prov.I.75). Die Navigation erfolgte nach dem Stand der Gestirne (Spec.IV.155).31 Der Steuermann war für die Sicherheit der Passagiere und der Ladung verantwortlich und am Heck des Schiffes platziert (Opif.88).32 Er war nach Philos Ansicht ebensoviel wert wie die ganze übrige Besatzung (Virt.186). Denn solange er das Ruder fest in Händen hielt, liefe das Schiff seinen graden Kurs. Kam ein stürmischer Gegenwind auf, so konnte es kentern (Leg.III.223). Umgekehrt konnten sich bei einer Flaute oder einem (erträglichen) Gegenwind die Ruderer (pqºsjypoi‘/prskopoi) auf die Ruderbänke auf beiden Seiten des Schiffes setzen und mit den kräftigen Schlägen ihrer Ruderblätter das Schiff so in Fahrt bringen, als flöge es nur so dahin (Plant.152).33 Dass manche Menschen das Unglück geradezu anlocken, stellte Philo in Rechnung: Dass ein Kaufmann oder ein Kapitän (ma¼jkgqor/nafflkle¯ros), der zur See fahrend regelmäßig von Unglück betroffen würde, besser davon abließe und seinen Beruf wechselten, hielt Philo für angemessen (Sacr.116). Wenn z. B. ein Schiff durch in Gegenrichtung verlaufende stürmische Winde so hin und her gerissen wurde, dass es weder die Segel setzen noch den Anker werfen konnte,34 und es von einer Seite auf die andere rollte, konnte es zum Schiffbruch kommen (Post.22): Hatte der Steuermann sein Schiff aufgegeben, so griffen alle Versuche, es auf Kurs zu bringen, fehl, so dass sein Untergang besiegelt war (Det.141). Fielen Menschen, die nicht schwimmen können, in einen tiefen Fluss oder ins Meer, so waren sie, gingen sie unter, verloren (Opif.144). Zwischen einem Händler, einem Kapitän, einem Politiker und einem Athleten entdeckte Philo insofern eine Analogie, als alle vier ihre Tätigkeit in der Hoffnung auf Erfolg betrieben, das aber wäre auch das Ziel derer (und damit war die Anwendung gewonnen), die sich dem Studium der Weisheit in der Hoffnung ergäben, dadurch das Wesen von allem, was es überhaupt gäbe, zu erkunden und in Übereinstimmung mit der Natur zu leben (Praem.11).35
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Zu den Steueranlagen vgl. John Gray Landels, Technik, 167 – 169. Vgl. Prov.II.75. Zur Navigation vgl. Schneider, 256 – 258 und B. Cech, Technik, 174 – 175. Vgl. auch die Parabel vom rechten Steuermann Plat.Rep.VI.887e7 – 489c7. Zur Anordnung der Ruderer Cech, Technik, 170 – 172 und zu ihrer Heuer Schneider, 263. Zur Größe und Konstruktion der Anker vgl. Schneider, 252. Zu dem stoischen Ideal, der Natur gemäß zu leben vgl. z. B. Diog.Laert.VII.87 – 89 = SVF.III.Nr. 4/LS 63 C und dazu M. Pohlenz, Stoa, 116 – 118; P. Steinmetz, Stoa, 612 – 513 und knapp K.M. Vogt, Law, 103.
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6.3 Von den Fischern Als Bewohner einer Hafenstadt, in der es weder an Fischern noch Fischhändlern auf dem Markt fehlen konnte, wusste Philo natürlich, dass Fische zusammen mit Gurken und Knoblauch zu den eigentümlichen Nahrungsmitteln in Ägypten gehörten (Her.79 – 80) und also in ausreichender Menge auf den Markt gebracht werden mussten. Deshalb bedienten sich die Hochseefischer großer Netze, die sie in die Tiefe hinab ließen, um möglichst viele Fische zu fangen (Agr.24).36 Dass sie sich beim Angeln eines Köders bedienten (Plant.102), gehört zu den überzeitlichen Praktiken der Fischer (und Sonntagsangler).37 Hinter seiner Bemerkung, dass die Fische auf hoher See mit ausgestreckten Flossen schwimmen, so dass sie größer erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind (Ebr.182), spricht entweder für seine scharfe Beobachtungsgabe oder eine aufmerksame Lektüre eines Lehrbuches. Dass es Menschen gibt, die sich wie Fische im Wasser bewegen, um abzutauchen und in der Tiefe Purpurschnecken, aus denen die gleichnamige Farbe gewonnen wird (Congr.117), oder Austern zu sammeln (Opif.147), war in Philos Augen ein Zeichen dafür, dass sich die Menschen auch im dritten Element zu bewegen verstünden (Opif.147).
6.4 Von den Risiken der Seefahrt und der Ungewissheit des menschlichen Schicksals Mag die Seefahrt mit ihren einst unwägbaren Risiken besonders geeignet gewesen sein, an die Zufälle zu erinnern, denen das menschliche Leben ausgesetzt ist, so war Philo sich doch darüber im Klaren, dass Gefahren zum Dasein des Menschen als solchem gehören. So hat er die über ihm liegende Unsicherheit in Jos.138 – 141 mit unbestechlichem Blick beschrieben: Da gäbe es Athleten, die stolz auf ihre Muskeln und die Kraft ihres Leibes wären, so dass sie ohne Zweifel auf ihren Sieg hofften, aber trotzdem oft genug die Prüfung nicht überstanden und von dem Wettkampf ausgeschlossen oder aber zugelassen wurden und trotzdem unterlagen, während andere, die gerade noch auf den zweiten Platz hofften, als Sieger aus ihm hervorgingen und bekränzt wurden. Da gab es Menschen, die im Sommer als der sicheren Jahreszeit eine Seereise unternahmen und trotzdem schiffbrüchig wurden, und Kaufleute, die 36 Zu den gewerbsmäßigen Seefischern vgl. Schneider, 206 – 210 und Weeber, Alltag, 59 – 63 und zur metaphorischen Rede von den Netzen als solchen der Ungerechtigkeit und Lust Cher.57; Sacr.29 und Deus.153. 37 Zu den unterschiedlichen Methoden des Fischfangs mit einem Netz, einem Stock, einem Catcher oder einem Haken vgl. Ael.Nat.XII.43.
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ihrem anscheinend sicheren Gewinn zueilten, ohne eine Vorkenntnis von dem zu haben, was sie erwartete, und alles verloren, während andere, die mit Verlusten gerechnet hatten, große Gewinne erzielten. Daraus könnte man erkennen, dass die menschlichen Angelegenheiten wie von ungleichen Gewichten emporgehoben oder in die Tiefe gezogen würden. Daher sei die Unsicherheit und Dunkelheit, die über den Vorhaben der Menschen liege, schrecklich: Zudem verliefe das Leben wie eine Prozession, deren Spitze außer Sicht geraten sei, oder wie ein Winterbach, dessen gewaltige Strömung sich der Beobachtung entzöge: So eilten die Ereignisse unseres Lebens davon, die selbst wenn sie fortzudauern schienen, nicht einen Augenblick verharrten, sondern fortgespült würden. Doch wer den Schlägen des Schicksals standhielte, weil er wisse, dass es nichts Neues im Leben der Menschen gebe (Koh 1,9) und Gott allein die Ehre einer ewigen Ordnung und des Glücks besitze, der sei ein freier Mann und ein Philosoph (Prob.24; vgl. auch Prob.48).
6.5 Von den Handwerkern38 Dass Philo auch andere als die bisher erwähnten Berufe bekannt waren, sei summarisch mit einem Hinweis auf die Aufzählung und Bewertung in Sobr.36 – 42 belegt, nach der die Tätigkeiten der Handwerker und ihre Namen einander entsprechen: Der Zimmermann (tejtomijºr/tektoniks) bearbeite Holz. Der Maler (fycqavºr/zo¯graphs) mische seine Farben und zeichne die Umrisse der Figuren auf eine Holztafel. Der Bauer (ceyqcºr/geo¯rgs) lege Furchen in die Erde, um in ihnen den Samen zu versenken, Weinreben und Baumschösslinge zu pflanzen und später die Pflanzungen zu begießen, während der Musikant (lousijºr/mousiks) Metrum, Rhythmus und Melodie an seine Flöte oder Harfe oder gar nur die Noten an seine Stimme anpasse (Sobr.36).
38 Vgl. dazu Carl Schneider, Welt des Hellenismus, 185 – 190 und zu den städtischen und ländlichen Unterschichten G. Alföldy, Sozialgeschichte, 179 – 197.
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7. Vom Leistungssport und der Musik 7.1 Vom Leistungssport und den Athleten1 Nicht anders als heute füllten sportliche Wettkämpfe in der Römerzeit die Stadien und Palaistren. Dabei waren blutige, in den Amphitheatern abgehaltene Spiele, in denen Männer gegen wilde Tiere oder Gladiatoren oft bis zum Tode gegeneinander kämpften, besonders beliebt.2 Philo kannte sich als Absolvent eines Gymnasiums in den sportlichen Wettkämpfen aus,3 bevorzugte sie aber auch eindeutig gegenüber den brutalen Veranstaltungen, weil ihm die sportliche Ausbildung im allgemeinen wie die der beruflichen Athleten und ihre Bereitschaft, ihr ganzes Leben ihrer Einsatzfähigkeit zu unterwerfen, als Beispiele für ein tugendhaftes Streben und Leben erschienen. Die Schüler der Gymnasien sollten neben den geistigen Fähigkeiten unter der Aufsicht eines Sportlehrers (culmastijºr/gymnastiks) auch körperliche Kraft und Eleganz gewinnen (Spec.III.230).4 Die bis ins Einzelne gehenden Kenntnisse Philos über die athletischen Wettkämpfe dürften darauf zurückgehen, dass er in Alexandrien reichliche Gelegenheiten hatte, sie zu besuchen (Prob.26). Demnach ist damit zu rechnen, dass er nicht nur an den damals üblichen Festmählern teilgenommen (Leg.III.155 – 156), sondern neben sportlichen auch musische Wettkämpfe und Konzerte besucht hat, die in der Palaistra,5 dem Stadion, im Theater (Opif.78; Imm.36; Agr.35.113; Ebr.177)6 oder Odeion7 stattfanden. Vor allem aber erweist er sich mit den athletischen8 und Boxwettkämpfen9 vertraut, für die jeweils vor dem Eintreffen der Zuschauer die nötige Zahl von 1 Vgl. dazu auch Schneider, 290 – 297. 2 Vgl. dazu M. Bead, Pompeji, 354 – 367. 3 Daher wusste er nach Prov.II.63, dass man für die Knaben im Gymnasium besonders leichte Bälle und Diksusscheiben verwendete. 4 Vgl. dazu Schneider, Welt des Hellenismus, 98 – 99. 5 Vgl. z. B. die kleine und die große Palaistra in Pompeji und dazu F. Coarelli, Pompeji, 159 – 160 und 254 – 257 bzw. P. Zanker, Pompeji, 49 – 56 mit dem Plan Abb.12 auf 51 und 123 – 125 mit dem Plan auf 125. 6 Auch hier mag das Theater in Pompeji als Beispiel dienen, vgl. Coarelli, 145 – 153 bzw. Zanker, 52 – 53 mit der Abb.13 auf 53 und M. Beard, Pompeji, 346 – 354. Dass in den Theatern eine besonders gute Akustik herrschte, war Philo aufgefallen (Post.104). Man kann das noch heute am besten im Theater in Epidauros beobachten. Aus Prob.141 geht hervor, dass Philo (in seinen jüngeren Jahren?) Aufführungen von klassischen Dramen besucht hat, im vorliegenden Fall ein solches des Euripides. 7 Wort bei Philo nicht belegt. 8 Vgl. Hyp.11.6 und z. B. Spec.II.60. 9 Prob.26.
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Wettkämpfern bereitgestellt werden musste (Opif.78).10 Von ihnen fanden die Ring- und Zehnkämpfe und das Wettschwimmen in einer Paleistra und die Wettläufe in einem Stadion statt, das als solches die Ansprüche Philos erfüllte, dass geräumige Ebenen dafür die besten Kampfplätze seien (Det.2).11 Die von ihm in Mut 160 erwähnten Tierkämpfe fanden wie die der Gladiatoren in Amphitheatern statt. Dabei waren die Gladiatoren in besonderen Kasernen zusammengefasst.12 Der Athlet war für Philo (trotz seiner in Leg.III.72 geäußerten Vorbehalte), der Inbegriff körperlicher Kraft und Gewandtheit: Der Wettkämpfer konnte sich z. B. im Boxen als Teil eines Pankration, eines Kampfes, bei dem alle Griffe erlaubt waren, wenn es um den Siegeskranz ging, mit einem Arm gegen seinen Angreifer wehren und seinen Nacken so drehen und wenden oder sich auf seine Zehen stellen, dass die gegen ihn gerichteten Schläge ihn nicht trafen und die Hände seines Gegners ins Leere griffen (Cher.80; vgl. auch Leg.III.202). Während ein Sklave sich den gegen ihn gerichteten Schlägen ausliefern musste, erwartete man vom Athleten, dass er sich verteidige und zurückschlüge (Leg.III.201). War er im Training außer Atem gekommen, legte er eine Pause ein, um ihn zu beruhigen (Leg.III.14; vgl. auch Ebr.207, Spec.II.60 und Spec.IV.214). Hatte er sich übernommen, konnte er während des Kampfes erschöpft auf die Erde fallen (Virt.6; vgl. Praem.29). Aber ebenso schnell konnte er sich wieder erholen und aufstehen (Praem.6.157). In Prob.26 berichtet er von einem von ihm erlebten Pankration, in dem ein seine Hiebe gezielt einsetzender Kämpfer am Schluss von seinem standhaften Gegner besiegt wurde, nachdem er erschöpft auf den Boden gefallen war. Nach ihrer ersten Kampfrunde pflegten die Athleten gewöhnlich eine Pause einzulegen. (Imm.38). Erkannte einer von ihnen, dass er den ersten Preis nicht gewinnen konnte, so kämpfte er um den zweiten (Spec.I.38), sah er aber ein, dass er überhaupt keinen Sieg mehr erringen konnte, so brach er den Kampf ab (Sacr.116; vgl. auch Congr.164). Mancher von ihnen hätte die eigenen Kräfte überschätzt und auf einen unfehlbaren Sieg gehofft, sei aber trotzdem nicht zum Wettkampf zugelassen oder hätte versagt, während andere, die nicht einmal gehofft hatten, den zweiten Preis zu erlangen, den Siegeskranz davontrugen (Jos.138). Der Sieger aber wurde durch Kampfpreise (ühka/thla bzw. bqabe¸a/brabea) und Kränze (st´vamoi/stphanoi) geehrt (Migr.27.133 – 134). Unter diesen Rahmenbedingungen war es verständlich, dass ein Athlet alles einschließlich seiner Seele für das Wohlbefinden seines Leibes (wir würden heute sagen: für seine Form) zu opfern bereit war (Leg.III.72). Die Trainer 10 Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 272. 11 Zu den großen sportlichen Festen und den Arten des Sports in der hellenistisch-römischen Zeit vgl. Schneider, Welt, 290 – 297, zu dem damit verbundenen Starwesen 293 – 294. 12 Zur Herkunft und den Kämpfen der Gladiatoren vgl. R. Knapp, Römer, 298 – 325; zu der Gladiatorenkaserne in Pompeji vgl. Zanker, 54 Abb. 14 und zum dortigen Amphitheater Zanker, Tafel 3.2 hinter 32 und zu den in ihn ausgetragenen Kämpfen M. Beard, Pompeji, 354 – 367.
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sorgten dafür, dass ihre Schützlinge durch die ihnen auferlegten Übungen die für den Wettkampf erforderlichen Kräfte entwickelten (Somn.I.129; vgl. auch Spec.II.91), unterbrächen jene aber rechtzeitig, bevor die ihnen anvertrauten jungen Männer sie erschöpft abbrechen mussten.13 Die Trainer überwachten auch die Verpflegung ihrer Schüler und konnten gegebenenfalls auch die für sie geltenden Speisevorschriften lockern,14 damit sie sich an Leib und Seele wohl fühlten (Spec.II.98). In ähnlicher Weise sorgten sie auch dafür, dass die Athleten ihre Speisen langsam kauten und nicht hastig verschlängen, damit sie kräftiger würden (Leg.I.98).15 Allein die Tatsache, dass die Athleten in den Olympischen Spielen anträten und gegen- und miteinander um den ersten Preis kämpften, mache sie der Ehre wert, auch wenn nicht alle den ersten oder zweiten Preis gewinnen könnten (Agr.119 – 120).16 Dass die Leiber der Sieger im Einzel- wie im Doppellauf und im Pankration und nicht ihre Beine oder Hände mit Binden17 und bei den Musikalischen Aufführungen nicht die Instrumente, sondern die herausragenden Spieler geschmückt würden, diente Philo als ein etwas eigenartiges Beispiel für die Vollstreckung der Todesstrafe an Söhnen, die ihren Vätern nicht gehorchen (Spec.II.246). In einem „heiligen Wettkampf“ soll es vorgekommen sein, dass zwei gleich starke Athleten jeden Angriff des anderen parierten, bis sie beide zusammenbrachen und starben (Prob.112).18 Aber, so fährt Philo fort, wäre es dann für einen Weisen nicht ehrenvoller für die Freiheit zu sterben (Prob.113)? Ob Philo so oft aus Kampfbegeisterung auf die Athleten und ihre Wettkämpfe zu sprechen gekommen ist oder weil sie ihm als Beispiele für ein engagiertes Leben dienten, lassen wir am besten offen, zumal das Eine das Andere nicht ausschließt. Als Beispiel für das Ringen um Tugend statt um Reichtum diente ihm jedenfalls die Krönung der Sieger im Olympischen (Imm.147) als dem wahrhaft heiligen Wettkampf (!c¾m/ago¯n) (Agr.119 – 121). Dem entsprechen auch seine Vergleiche zwischen schwächlichen Nachkommen olympischer Sieger und den missratenen Kindern gerechter Eltern, die in beiden Fällen keinen Nutzen aus den Vorzügen ihrer Vorfahren ziehen könnten (Virt.193 – 194). In ähnlicher Weise konnte er auch die Athleten, die in nüchternem Wettkampf im Stadion vor den Augen aller Griechen um Sieg und Ehrenkranz ringen, mit ihren Zerrbildern vergleichen, die in nächtlichen Gelagen zur Schmach ihrer Opfer jene voll Hinterlist nachäfften (Vit.Cont.41 – 42). So dienten die Athleten trotz ihrer Konzentra13 Vgl. auch Q.Gen.IV.29. 14 Vgl. dazu auch Hippokr.Nutr.LI. 15 Zu der in Elis stattfindenden Vorbereitung der Athleten auf die Olympischen Spiele vgl. L. Drees, Olympia, 47 – 53. 16 Vgl. dazu auch A.C. Geljon/D.T. Tunia, Cultivation, 66. 17 Zur Bekränzung der olympischen Sieger mit einem Kranz vom Ölbaum und dem ihm durch das Preislied Unsterblichkeit verleihenden Ruhm vgl. L. Drees, 116 – 118. 18 Gemeint ist der tödliche Ausgang eines Allkampfs oder Pankrations; vgl. mit Drees, 98 Anm. 135 Plut.Quaest.conv.V.2.675 C; Moralia VIII (LCL 424), 388 – 389.
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tion auf ihre körperliche Kraft und Gewandtheit als Beispiele für zielstrebiges Handeln, wie es für das Erringen eines tugendhaften Lebens erforderlich ist. Darauf, dass sie gefährlich lebten, weil schon Unterbrechungen ihres Trainings sich negativ auf ihre Gesundheit auswirkten und sie wegen ihrer Übergewichtigkeit schneller alterten und erkrankten, hat er nicht hingewiesen.19
7.2 Von den Pferderennen20 Pferderennen pflegten in einem Hippodrom, einer elliptischen Bahn statt zu finden, die an ihren Wendpunkten durch ein Steinmahl oder dergleichen begrenzt wurden.21 Wie zwiespältig Philo den Pferderennen gegenüberstand, mögen seine Äußerungen über Pferdezucht (Rppotqov¸a/hippotropa), Pferderennen (Rppodqol¸a) und Reitergefecht (Rppolaw¸a/hippomacha)22 belegen: nach seiner Meinung sollte man die Pferdezucht nach Philos Meinung nicht geschäftsmäßig betreiben; denn viele dieser vernunftlosen Tiere seien mehr wert als manche Menschen (Agr.90). Aus den Ställen entsprechender Liebhaber kämen die Pferde für die heiligen Pferderennen an den großen nationalen Festen, durch die nicht nur die Zuschauer erfreut, sondern auch der Sinn für vornehme Ziele gestärkt würde. Denn Männer, die in ihren Tieren den Ehrgeiz zum Siegen erweckten, seien auch selbst mit der Liebe zur Ehre erfüllt (Agr.91).23An dem krassen Unterschied zwischen den wohlgenährten Rennpferden und ihren kümmerlich entlohnten Pflegern und Führern nahm er sittlichen Anstoß. Den Züchtern lagen solche Überlegungen fern, denn sie behaupteten, dass sie durch das Training von Rennpferden Glanz zu den heiligen Wettkämpfen und den allenthalben veranstalteten nationalen Festen beisteuerten und dadurch nicht nur den Zuschauern Freude bereiteten, sondern auch die Beschäftigung mit sittlichen Zielen beförderten. Denn Menschen, die bei Tieren den Vorsatz zu siegen entdeckten, würden auch selbst mit Ehrliebe und Begeisterung für edlere Zwecke erfüllt, so dass sie sich bereitwillig derartigen Mühen unterzögen.24 So bedenklich dieser Betrieb auch sein mochte: Ein Reiter, der die Kunst des 19 Vgl. dazu Cels.Med.I.i.3: „Sed ut huius generis exercItationes cibique necessariae sunt, sic athletici supervacui: nam et intermissus propter civiles aliquas necessitates ordo exercitationis corpus adfligit, et es corpora, quae more eorum repleta sunt, celerrime et senescunt et aaegrotant.” 20 Vgl. dazu Schneider, Welt des Hellenismus, 296. 21 Vgl. dazu F. Coarelli, Rom, 314 – 317 mit der Abb. 314 – 315. 22 Nur Det.7. 23 Zum Pferdesport vgl. Schneider, Welt des Hellenismus, 296. 24 Zu den olympischen Wagenrennen vgl. L. Drees, Olympia, 296. und z. B. das Preislied Pindars auf Aristomenos von Kyrene, Sieger im Waffenlauf Pind.Pyth.8.95 – 100 (rec. C.M. Bowra, ad loc.), in dem der Mensch als ein durch und durch hinfälliges Wesen besungen wird, dem gottgegebener Glanz sein Dasein erhellt, und dazu M. Theunissen, Pindar, 217 – 225.
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Wagenlenkens gelernt hätte, würde auf sein Pferd steigen und es so lenken, dass es keinesfalls unter dem Gelächter der Zuschauer mit ihm schwer verwundet zu Boden stürzte.25 Ein guter Reiter würde zudem, wenn ihn ringsum Feinde bedrohten, unverletzt entkommen. So hätte Moses mit Recht den Untergang der „Aufsitzenden“ (!mab²mter/anabntes) besungen, aber den Reitkünstlern (Rppe?r/hippeı˜s) in Gen 49,7 – 8 Heil gewünscht (Agr.91 – 93).26 Anderseits konnte es bei Pferderennen zu schweren Unfällen kommen, wenn die Zuschauer in die Bahn traten und dann von den Pferdefüßen und Rädern zermalmt wurden und so den Lohn für ihre Torheit empfingen (Prov.II.103). Das Thema Pferd und Reiter hat Philo jedenfalls meisterhaft beherrscht und für seine ethischen Ratschläge als eindrucksvolle Beispiele benutzt.
7.3 Von der kosmischen Wurzel der Musik und den Musikern Musikalische Aufführungen standen in kleineren, zur Schallsicherung abgedeckten Auditorien statt, die man als Odeon bezeichnete.27 Als Urbild und Vorbild aller irdischen Musik betrachtete Philo in Übereinstimmung mit pythagore schen Lehren die kreisförmigen, nach Zahlen harmonisch erfolgenden Umläufe der Gestirne und die dadurch erzeugte Sphärenmusik.28 Entsprechend interessierten ihn an ihr vor allem ihre mathematischen Proportionen, wie sie sich in den Quarten, Quinten und Oktaven ausdrücken,29 wobei er die siebensaitige Leier als das diesen Harmonien am besten angepasste Instrument betrachtete (Leg.I.14). Bei ihrem Spielen kam es auf seine volle Beherrschung an; denn verfehlte der Musikant mit seinem Bogen auch nur eine Note, so war es um die ganze Harmonie geschehen (Ebr.116).30 Daher gehörten Flöte und Leier nach Philos Ansicht grundsätzlich nur in die Hände eines geschulten Musikanten (Sacr.18).
25 Vgl. dazu Xen.Equi.VIII.10. 26 Vgl. dazu A.C. Geljon/D.T. Runia, Cultivation, 61 – 62. 27 Zum pompejanischen Theatrum Tectum oder Odeion vgl. F. Coarelli, Pompeji, 155 – 158 bzw. P. Zanker, Pompeji, 73 – 75 mit Abb. 27 auf 75. 28 Vgl. Opif.78.126; Som.I.36 – 37 sowie Congr.51 – 52; Q.Gen.III.1 (LCL 380), 81; Virt.74; Ps.Plat.Epin.991d8 – 992a; Ps.Aristot.Mund.391b14 – 19; den Traum Scipios in Cic.Rep.VI.13 – 29. und zum pythagoreischen Ursprung der Vorstellung von der Sphärenmusik Porph.Vit.Pyth.30; Jambl.Vit.Pyth.65; dazu z. B. S. Sambursky, Physical World, 58 – 59 oder C. Riedweg, Pythagoras, 46 – 47 und zur Nachwirkung der oben angeführten Stelle aus der Epinomis P.S. Horkey, Plato and Pythagoreanism, 196 – 198. 29 Vgl. Opif.48.95 – 96; Leg.III.121; Agr.137 und Q.Gen.III.38. 30 Vgl. auch Q.Gen.IV.29.
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7.4 Philos Klage über den Niedergang der Künste und Feste Starb ein Musiker oder Grammatiker, so ging ihr persönliches Fachwissen zugrunde, während das Grundwissen (Qd´ai/idai) überlebte (Det.76; vgl. auch Her.15 und Mut.78 – 80.122). Aber während einst Dichtung und Beredsamkeit blühten und ihre Vertreter die Ohren der Menschen weder durch ihre Rhythmen noch durch ihre Sprache verweichlicht hätten, schien es Philo ihren späten Nachfolgern nur noch darum zu gehen, die Bastion der Vernunft zu schleifen (Agr.159). In den Festen und Volksversammlungen seiner Tage ging es den Alexandrinern nach seiner Überzeugung vor allem um Freiheit und Ungebundenheit, ausgelassene Trunkenheit, Schwelgerei und unzüchtige Vergnügungen (Cher.92 – 93).31 Wohl aus keinem anderen Grund seien die Theater der ganzen Welt damals so gut besucht gewesen, als dem, dass ihre Besucher durch Schauspiele und musikalische Aufführungen zu Sklaven der Lust gemacht wurden:32 Denn während schon das Flöten- und Harfenspiel effeminierend wirkte und Tänzer33 und Schauspieler unzüchtige Haltungen und Bewegungen vorführten,34 beklatschten die Zuschauer den Kampf auf der Bühne und dächten dabei nicht an ihre eigene Vervollkommnung oder die des Gemeinwesens, sondern zerstörten mit Auge und Ohr ihr eigenes Leben (Agr.35).35 An dem allem ist sicher etwas Wahres, das geradezu zum Vergleich mit der Gegenwart herausfordert. Aber dass Philo im vorliegenden Zusammenhang das Negative in den Vordergrund rückte, entsprach seiner didaktischen Absicht, seine Leser zu einem tugendhaften Leben zu ermahnen. Es sei noch einmal daran erinnert, dass Philo in Prob.141 ganz Anderes von den Besuchern der Aufführung einer Tragödie des Euripides zu berichten wusste.36 Dass ihm als einem philosophisch gebildeten und interessierten Mann auch die von Philosophen bzw. Sophisten in Vortragsräumen (!jqoat¶qia/akroate¯ria) bzw. Theatern gehaltenen Vorlesungen nicht entgangen sind, sei der Vollständigkeit halber angemerkt (Congr.64).37
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Vgl. auch Schneider, Welt des Hellenismus, 289 – 290. Vgl. auch Plat.Tim.47d2–c2. Vgl. dazu Schneider, Welt des Hellenismus, 298 – 300. Offensichtlich denkt Philo an Aufführungen der Neuen Komödie. Vgl. auch Colum.Agr.I.Praef.15 – 17. Zu den zur Erziehung in der Polis abzulehnenden oder zu empfehlenden Dichtungen vgl. Plat.Rep.III.394d–398c, zu den Entsprechungen in der Musik 398c–403d und dazu W. Jäger, Paideia II, 285 – 305. 36 Vgl. dazu oben, 86. 37 Vgl. dazu A.H.M. Jones, Greek City, 236 – 237.
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8. Vom Krieg, den Waffengattungen, Offizieren und Soldaten1
8.1 Habsucht und Ruhmsucht als Ursachen der Kriege In den zahlreichen Kriegen, die zu allen Zeiten die Völker überzogen und unzählige Opfer gekostet haben, sah Philo das Ergebnis von Habsucht und Leidenschaft. In Spec.IV.85 skizziert er, dass die Heere zu Land und zur See von beiden angetrieben Länder und Meere mit zahllosen Übeln überzogen, wobei die Schrecken der Seekriege wie Ebbe und Flut zurückweichend und wiederkehrend die Meere erfüllten. Flotten und Landstreitkräfte nähmen die größten Gefahren um körperlicher Freuden und äußerer Güter willen auf sich, von denen keine der Prüfung durch die alles überführende Zeit standhielte (Post.119). Das Verlangen nach Ruhm, Frauen oder anderen Gegenständen der Lust hätte Verwandte einander entfremdet, volkreiche Länder verwüstet und mit immer neuem, durch Seeschlachten (maulaw¸ai) und Landfeldzüge (pefa· stqatia¸) verursachtem Unglück erfüllt (Decal.151 – 152, vgl. auch Spec.IV.28 – 29).
8.2 Von der Sicherung der Macht durch Waffen und Truppen und der Friedensherrschaft der Weisen Andererseits konnte Philo sachlich feststellen, dass Waffen, Belagerungsmaschinen, Trieren, Kavallerie, Infanterie und Seestreitkräfte die Grundlagen für die Sicherung der Macht darstellten (Abr.220). Aber auch das sollte nicht sein letztes Wort zur Sache sein, denn Abr.261 stellt er den Königreichen, die auf Kriegen, Feldzügen und zahlreichen Übeln begründet sind, die das wechselseitige Abschlachten mit sich bringe, das Königtum des Weisen als eine Gottesgabe gegenüber, dessen wackere Männer kein Übel, sondern den Erwerb und Gebrauch guter Dinge für all seine Untertanen bringe, für die er der Bote von Frieden in einem von guten Gesetzen regierten Land sei. Das aber wäre (so fügen wir erläuternd hinzu) das Messianische Friedensreich am Ende aller Tage, als dessen Vorläufer man die Königsherrschaft Moses betrachten kann, der sein Reich nicht auf Truppen und Waffen, Schiffe, Fußtruppen und 1 Vgl. dazu C. Schneider, Welt des Hellenismus, 223 – 248; R. Knapp, Römer, 221 – 265 und N. Pollard/J. Bery, Legionen Roms, 122 – 129.
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Von den Truppengattungen und ihrer Bedeutung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Reiterei gründete (Praem.53 – 54; vgl. Mos.I.216)2, die ihn bei der Ausführung des ihm übertragenen militärischen Auftrags unterstützen (vgl. Decal.178).
8.3 Die Bedeutung des obersten Truppenführers Solche grundsätzlichen Erwägungen hinderten Philo nicht daran, das konkrete Militärwesen genauer zu beobachten. So ging für ihr die Unersetzlichkeit des kommandierenden Generals daraus hervor, dass er ihn für ebensoviel wert hielt wie seine ganze Armee (Virt.186; vgl. auch Spec.IV.186). Denn eine Armee als ganze und jede ihrer Abteilungen wäre ohne klare Befehle und damit eine sichere Führung im Ernstfall verloren. Da ein Heer jederzeit vom ersten bis zum letzten Mann einsatzbereit und einsatzfähig sein müsse, würde ein vernünftiger General darauf verzichten, kranke Männer zum Kriegsdienst zu zwingen (Virt.25). Andererseits müsste er aus einsichtigen Gründen Deserteure bestrafen (Decal.178).
8.4 Von den Truppengattungen und ihrer Bedeutung im Krieg Ihrer Bewaffnung nach lassen sich bei den Fußtruppen Speerträger, (doquvºqoi/doryphroi),3 Lanzenträger (kocwgvºqoi/logche¯phroi) (Flacc.38) und Leichtbewaffnete oder Schildträger (pektaste?r/peltasteı˜s) (nicht belegt) unterscheiden. Die Reiter (oT Rppe?r/ho hyppeı˜s) werden von einem Reiteroberst (Vppaqwor/hpparchos) (Spec.I.121) befehligt. In Friedenszeiten sei es entscheidend, dass die Fußtruppen, die Reiter und die Lichtbewaffneten samt ihren Offizieren laufend in Bereitschaft stünden und für den Einsatz eingeübt würden. Dabei dürfe ihnen ihr Sold nicht vorenthalten werden, damit sie nicht zu Raub und Plünderung verleitet würden und jedem von ihnen bewusst bliebe, dass sie außerhalb ihres militärischen Auftrags Frieden zu halten hätten (Flacc.5). Dabei stelle die Kavallerie den größten Aktivposten für einen König dar, ja sie könne im Ernstfall bedeutender als die Infanterie oder eine Flotte sein (Agr.85),4 obwohl über ihr die Infanterie und Marine nicht vergessen werden dürfe. Reitergefechte sollten nach Möglichkeit nicht in bergigem Gelände, sondern in der Ebene ausgetragen werden, weil sich sonst die Bodenbeschaffenheit nachteilig bemerkbar machte (Det.2). Man wird durch 2 Als Gegenbeispiel das Flaccus in den Mund gelegte Zeugnis seiner militärischen Macht in Flacc.163 bzw. die Beschreibung der Caligula zur Verfügung stehenden Infanteristen, Kavalleristen und Schiffe Leg.Gai.9. 3 Bei Philo im Sinn von Leibwächter gebraucht (vgl. z. B. Leg.III.115; Det.33; Conf.18; Her.286; Spec.IV.92; Flacc.30. 4 Zu den Pflichten des Kavalleriekommandeurs vgl. Xen.Hipp.III.1 – 8; IV.6 und IX.1 – 2.
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Vom Krieg, den Waffengattungen, Offizieren und Soldaten
diese Feststellungen unmittelbar an die Alexanderschlacht bei Issos erinnert, in der das Eingreifen der Reiter dem Makedonen den Sieg über den Perserkönig Dareios sicherte.5
8.5 Von der Motivierung der Truppen und die entscheidende Rolle der Reiterei im Kampf um den Sieg Als Beispiel für den unerschrockenen Einsatz der Soldaten nennt Philo in Prob.131 – 132 den Hahnenkampf, in dem sich die Tiere ohne nachzugeben ineinander verbeißen (bis einer der beiden tot zusammenbricht). Ihn hätte der Athener Miltiades seinen Soldaten beim Nahen des Persischen Heeres gezeigt, um sie zu äußerster Tapferkeit anzuspornen.6 Als Beispiel für die Motivation eines Heeres weist er auf das Verhalten der Griechen in den Zeiten hin, in denen sie in unaufhörlichen Kriegen und Fehden miteinander verwickelt waren. Damals hätten die höheren Offiziere und Hauptleute (kowaco· ja· tan¸aqwoi/lochago ka taxarchoi) ihre Soldaten jeweils daran erinnert, dass es in dem bevorstehenden Kampf um Freiheit oder Knechtschaft ginge und es ihre Aufgabe sei, dafür zu sorgen, dass sie die Freiheit nicht verlören (Prob.138 – 139). Philo wusste, dass in den Schlachten des Altertums die Reiterei die entscheidende Rolle spielte. Weiterhin müsse der Kommandeur, um die Phalangen seines Heeres ordentlich aufzustellen, Führer in Gestalt der Lochagen und Taxiarchen (wir würden sagen: der Regimentskommandeure und Kompanieführer) einsetzen, die in der Lage sind, die taktisch und strategisch richtigen Befehle zu erteilen (Agr.86 – 87). Als Muster für die Aufstellung, Einübung und Behandlung einer realen Armee in Philos Tagen sei auf seinen Bericht über den Aufbau des Heeres durch Flaccus nach der Übernahme seiner Praefektur verwiesen, in dem er besonders hervorhebt, dass jener den Sold nicht zurückgehalten (vgl. auch Spec.I.121) und dadurch Plünderungen und Räubereien verhindert hätte (Flacc.5).7 Im Fall der Belagerung einer Stadt galt es Palisaden und Türme zu errichten, um sie abzuschließen und ihre inneren Bewegungen ebenso zu beobachten wie zu ver5 Vgl. dazu die Schilderung der Schlacht durch Arr.An.II.VII.1I-XI.10 und dazu A. Demandt, Alexander, 140 – 142. Zu der bei den Persern üblichen Trainierung der Pferde für den militärischen Einsatz vgl. Ael.Nat.XVI.25. 6 Nach Ael.Var.II.28 hat nicht Militiades sondern Themistokles den Hahnenkampf als Beispiel benutzt, um die Athener zum tapfersten Widerstand gegen die Perser zu ermutigen. 7 Während der Regierungszeit des Kaisers Augusts waren nach Strabon XVII.1.12 (LCL 267; 48 – 49) drei Legionen in Ägypten stationiert, von denen eine in der Stadt (gemeint sein dürfte Nikopolis) und zwei außerhalb ihren Standort besaßen. Unter ihnen dürften sich wahrscheinlich die Legion III Cyrenaica und die Legion XXII Deiotariana befanden, während die dritte unbekannt ist, vgl. N. Pollard/J. Berry, Legionen, 123 – 126 und zum Leben der Soldaten Knapp, Römer, 221 – 265, bes. 264 – 265.
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hindern, und Leitern für die Erstürmung der Mauern bereit zu stellen (Spec.IV.229). Gewiss war Philo kein militärischer Spezialist, aber er besaß Grundkenntnisse, welche die Disziplinierung und Einsatzbereitschaft der Truppe im Frieden und die Einteilung und Aufstellung der Truppenteile für die Schacht umfasste. Obwohl er die Kriege verabscheute, hat er seine Augen trotzdem nicht vor der Wirklichkeit und Notwendigkeit der staatlichen Selbstverteidigung verschlossen.
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9. Von den Randgruppen der Gesellschaft 9.1 Die Randgruppen der Gesellschaft Die Randgruppen setzten sich aus den Sklaven, die sich ganz in der Gewalt ihrer Herren befanden, den Hurern und Huren, die ihren Leib zum sexuellen Vergnügen verkauften, und der breiten Palette der Diebe, Räuber und Mörder zusammen. Auch die Gladiatoren, die zur Befriedigung der perversen Lüste ihrer Zuschauer auf Tod und Leben miteinander kämpften, wären in diesem Zusammenhang zu erwähnen, werden aber von Philo stillschweigend übergangen.1
9.2 Vom Los der Sklaven und der Pflicht, sie menschlich zu behandeln2 Wendet man sich Philos Ausführungen über das Verhältnis zwischen Herrn und Sklaven zu, so wird deutlich, dass er es unter stoischem Einfluss so weit wie möglich humanisieren und dem Sklaven sein Lebensrecht gewahrt wissen wollte. Denn nach stoischer Lehre gab es (anders als es Aristoteles Pol.1255b18 – 20 gelehrt hatte)3 von Natur keine Sklaven, sondern waren alle Menschen zur Freiheit geboren. (so Anfang 5. Jh. Alkidamas frg.1 bei Pohlenz, Stoa II, 75; vgl. auch Cic.Leg.I.29 – 32).4 Weil die Stoiker die Freiheit im Selbstverständnis des Menschen und nicht in seinem rechtlichen Status verorteten, lag ihnen der Gedanke fern, die Sklaverei rechtlich zu beseitigen, so dass sie sich mit der Forderung seiner menschlichen Behandlung zufrieden gaben. Anders verhielte es sich für Philo freilich, wenn man die Sklaverei überhaupt abschaffen würde, wie es bei den Essenern der Fall war (Prob.79). Im Rahmen der Institution der Sklaverei aber sollten Diener und Dienerinnen jeder Art vollen Anteil an der Sabbatruhe erhalten, so dass sie an diesem Tag 1 Zu den Gladiatorenkasernen in Pompeji vgl. Filippo Coarelli, Pompeji, 52 und 320. 2 Zum Dasein der Sklaven vgl. R. Knapp. Römer, 143 – 192; zur Verbreitung der Sklaven in den städtischen Zentren der Zeit des Principats vgl. G .Alföldy, Sozialgeschichte, 185 – 186, und zu dem aufgrund von Grabinschriften errechneten Höchstalter der städtischen Sklaven von 30 Jahre 189. 3 Vgl. auch Plat.Polit.309a5 – 6 und Rep.IX.590c5–d2 sowie seine in Rep.V.469b8 – 470a7 erhobene Forderung, keinen Hellenen zu versklaven, um mit größerem Eifer die äußeren Feinde zu bekriegen (und zu versklaven). 4 Vgl. dazu M. Pohlenz, Stoa I, 136 und die Belege zu S.135 – 137 in II, 75.
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ihren Herren keinerlei Dienstleistung schuldeten (Spec.II.66 – 67). Darüber hinaus ermahnte Philo die Sklavenhalter grundsätzlich daran zu denken, dass der Mensch, den sie einen Sklaven nannten, ein Lohndiener und jedenfalls ein Mensch und also im höchsten Sinne mit ihm verwandt sei, der möglicherweise aus demselben Volk stamme und nur durch Not in seine jetzige Lage gekommen sei. Daher solle er ihn auch wie einen Lohnarbeiter behandeln, denn dann würde er ihm unverdrossen dienen (Spec.II.81 – 83). Darüber hinaus forderte er die sog. Herren (oT kecºlmoi despºtai/ho legmnoi desptai) dazu auf, ihren Sklaven keine schwer ausführbaren und sie körperlich und seelisch überfordernden Befehle zu erteilen.5 Umsichtig gegebene Befehle würden bereitwillig ausgeführt, ganz abgesehen davon dass die jugendliche Kraft der Sklaven auf diese Weise länger erhalten bliebe (Spec.II.91).6 Andererseits erklärte er jedoch, dass die Sklaverei nicht aufgehoben werden könne, weil sonst das Institut der Sklaverei aus der staatlichen Gemeinschaft (pokite¸a/politea) verschwände (Spec.II.122 – 123).7 Er betrachtete es also für wirtschaftlich unentbehrlich, ein Urteil, das verständlich wird, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die antike Wirtschaftsverfassung auf Hörigkeit und Sklaverei beruhte.8 Doch grundsätzlich sollten die Herren bedenken, dass der zwischen Herren und Sklaven bestehende Unterschied ein solcher des Zufalls (t¼wg/ty´che¯), aber nicht der Natur (v¼sir/phy´sis) sei, die beide gleichstelle. Gottes Maß (jam¾m/kano¯n) der Gerechtigkeit richte sich aber nach der Natur :9 Daher dürften Herren die Macht über ihre Sklaven nicht maßlos ausüben, indem sie sich ihnen gegenüber arrogant und verächtlich und grausam verhielten.10 Das alles seien Zeichen einer friedlosen Gesinnung („Seele“), die maßlos ihre Verantwortlichkeit verleugne und sich den Tyrannen zum Vorbild 5 Vgl. auch Plat.Leg.777d3–e4. 6 Vgl. auch Varro Rust. I.xvii.3 – 7 und zu den pro Joch nötigen Sklaven xviii.1 – 7 bzw. Cato Agr.V.1 – 2. 7 Ähnlich Aristoteles, vgl. J.M. Rist, Human Value, 44 – 47 und 143. 8 Vgl. dazu R. von Pöhlmann, Geschichte der sozialen Frage II, 544 – 547; zur Position Platons in den Nomoi G. R. Morrow, Plato’s Cretan City, 148 – 152 und Chr. Bobonich, Plato’s Utopia, 105 – 105 und zu der von Aristoteles H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 110 – 113. 9 Vgl. dazu E. Zeller, Philosophie der Griechen III/1, 308 – 309 und z. B. Sen.Epist.V.47.10: „Vis tu cogitare istum, quem servum tuum vocas, ex isdem seminibus ortum, eodem frui caelum aeque spirare, aeque vivere, aeque mori! Tam tu illum videre ingenium potes, quam ille te servum (Wolle du bedenken, dass der, den du einen Sklaven nennst, aus denselben Samen entstanden ist, sich desselben Himmels erfreut, atmet gleich, lebt gleich, stirbt gleich! So kannst du ihn als frei geboren ansehen, wie er dich als Sklaven).“ Übers. M. Rosenbach, Sen. Phil. Schriften III, 367, vgl. auch :XV.95.52 – 53. und Sen.Ben.III.XXVIII.2 – 6. 10 Vgl. auch Cic.Off.I.41: „meminerimus autem etiam adversus infimos iustitiam esse servandam. Est autem infima condicio et fortuna servorum, quibus non male praecipitunt qui ita iubent uti ut mercenariis, operam exigendam, iusta praebenda“ (Denken wir aber daran, dass auch gegen die Geringsten Gerechtigkeit zu wahren ist. Es ist aber die niedrigste Stellung die der Sklaven. Nicht schlechte Anweisung geben die, die sie so zu behandeln heißen wie Tagelöhner, dass man die Arbeitsleistung fordern soll und den entsprechenden Lohn geben.“ (Übers. Karl Büchner, 39).
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Von den Randgruppen der Gesellschaft
nähme. Hätte ein Herr seinen Sklaven zu Tode geprügelt, so sollte der Fall gerichtlich streng untersucht und der Herr gegebenenfalls hingerichtet werden, wobei jedoch die biblisch festgelegte Frist von zwei Tagen zwischen dem Vollzug der Prügelstrafe und dem Eintritt des Todes des Sklaven zu beachten sei, in welchem Fall er straflos bliebe (Spec.III.137 – 142; vgl. Ex 21.21 und weiterhin Spec.III.196 – 197 und Ex 21,27).11 Erinnert sei aber auch daran, dass für Philo der wahre Unterschied zwischen einem Freien und einem Sklaven nicht in seinem bürgerlichen Status, sondern in der inneren Freiheit lag, das Schicksal zu ertragen und den Tod nicht zu fürchten (Prob.24 – 25).12 Philo wusste auch von geborenen Sklaven zu berichten, die praktisch das Leben eines Freien führten, weil ihnen die Verwaltung des ganzen Besitzes ihrer Herren einschließlich der Herrschaft über ihre Mitsklaven anvertraut war, und die sich der Witwen und Waisen ihrer Herren angenommen hatten,13 die aber trotzdem Sklaven geblieben waren (Prob.35).14 Grundsätzlich konnte er Prob.36 und 41 kurz und bestimmt erklären, dass niemand gern ein Sklave sei und kein Sklave glücklich sein könne. So nimmt es nicht wunder, dass er die Einstellung der Essener zur Sklaverei lobend hervorhebt: Bei ihnen gäbe es keinen einzigen Sklaven, sondern seien alle frei und dienten alle einander (Prob.79). Darüber hinaus bezichtigten sie die Sklavenhalter der Ungerechtigkeit, weil sie gegen das Gesetz der Gleichheit und damit gegen das Gesetz der Natur verstießen, die alle Menschen wie eine Mutter geboren und nicht nur dem Namen sondern auch der Sache nach als wahre Brüder erschaffen habe. Diese Verwandtschaft sei jedoch durch hinterlistige Habsucht verdunkelt, die Zuneigung (vik¸a/phila) in Feindschaft verwandelt hätte. Dass Philo sich mit solchen Gedanken in der Nähe zu der stoischen Lehre von der natürlichen Gleichheit aller Menschen und der Achtung vor dem Sklaven als Menschen befand, ist offensichtlich.15 Entsprechend hat er auch die stoische Lehre vertreten, dass nur der Weise frei, alle Schlechten aber Sklaven seien (Diog.Laert.VII.119).
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Vgl. Spec.III.137 – 142 mit Ex 21.21 und weiterhin Spec.III.196 – 197 mit Ex 21,27. Vgl. dazu Kaiser, Paradoxien der Stoiker, 171 – 230, bes. 220 – 221. Vgl. auch Plat.Leg.VI.776d5–e2. Beeindruckender sind die Beispiele, die Seneca in Ben. III.XVIII.2–XIX.4 von Wohltaten bietet, die Sklaven ihren Herren nicht nur im Alltag, sondern auch in Not und Gefahr erwiesen haben. 15 Zum Menschenjäger als dem größten Verbrecher vgl. Spec.IV.14 – 15 und. unten, 116.
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9.3 Von der Prostitution und Päderastie16 9.3.1 Die Abhängigkeit von Philos Urteilen von der Bestimmungen der Thora Philos Ansichten über Prostitution und Homosexualität waren durch die einschlägigen biblischen Bestimmungen festgelegt, die den Beischlaf zwischen Männern mit der Todesstrafe belegten (Lev 18,22 und 20,13) und Hurer (pºqmoi/prnoi)17 und Huren (pºqmai/prnai) samt ihren Kindern (Dtn 23,3.18 – 19; vgl. Conf.144) sowie die Eunuchen (Dtn 23,2; vgl. Leg.III.8) aus der Gemeinde Israels ausgrenzten (Dtn 23,18 – 19).18 Daher wusste sich Philo auf sicherem Boden, wenn er die verführerische Aufmachung und das sittenlose Auftreten der Huren geißelte19 und alle gleichgeschlechtlichen sexuellen Beziehungen ablehnte.
9.3.2 Philos Kritik an den Prostituierten Sarkastisch sind die Beschreibungen Philos über das Auftreten und die Aufmachung der Prostituierten. So konnte er in Leg.III.62 feststellen, dass die hässlichsten 2ta¸qai/hetarai („Gefährtinnen“) ihr Gesicht und ihre Augen untermalten, um ihre Hässlichkeit zu verdecken. In Sacr.21 – 24 beschrieb er mit einer sich geradezu überschlagender Ironie das verführerische Gebaren der Lust, die in der Aufmachung einer Straßendirne, einer pºqmg/prne¯ oder walait¼pg/chamaitfflpe¯, auf dem Markt auftrete und mit allen ihr zur Verfü-
16 Zur Prostitution in der Gesellschaft der Römerzeit vgl. umfassend R. Knapp, Römer, 266 – 297. 17 Vgl. Leg.III.8. Zu den männlichen Prostituierten, die vermutlich in der Mehrzahl Sklaven waren vgl. E. Hartmann, Prostitution II (DNP X), 452 – 454 und zu den homosexuellen Beziehungen der Herren zu ihren jungen Sklaven dies., Homosexualität (DNP V), 705 – 706 und zur Illustration z. B. die pompejanischen Graffiti Nr. 10 – 16; 47; 98 – 99.114.142 und 156.158 bei V. Hunink, Ort, 29 – 31.43.72.77 und 78 und zur römischen Sexualkultur unter besonderer Berücksichtigung der einschlägigen Befunde in Pompeji vgl. M. Bear, Pompeji, 319 – 329. 18 Zur Schutzlosigkeit der Prostituierten gegenüber den sie vergewaltigenden und oft auch körperlich verletzenden Kunden vgl. Knapp, 267; zu ihrer seit der Mitte des 1. Jh. n. Chr. erfolgenden Besteuerung 270 – 272, zum Zahlenverhältnis zwischen Gesamtbevölkerung und Huren am Beispiel Pompejis, wo auf 100 Einwohner eine Hure kam, 276 und es ungefähr 25 Bordelle gab, vgl. Coarelli (Hg.), Führer, 302, zu den Preisen für einen Beischlaf je nach Qualität, der bei 2 – 4 Ass einsetzte und damit dem einer Kanne billigen Landweins oder eines Pfundes billiger gefärbter Wolle entsprach, vgl. Bary, Pompeji, 291 – 292 und Coarelli (Hg.), 302 – 303, zur Belieferung des Marktes durch Sklavenhalter und der Ausübung des Verkehrs im Bordell oder Lupanar Bary, 277 – 279. 19 Zum griechischen Hetärenwesen, dem das alexandrinische entsprochen haben dürfte, vgl. dazu umfassend C. Reinsberg, Ehe, Hätärentum und Knabenliebe, 80 – 162, zu dem der römischen Epoche R. Knapp, Römer, 266 – 297.
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gung stehenden Künsten versuche, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.20 In der Rolle einer solchen wird in Congr.124 auch Thamar (Gen 38) vorgestellt. Wenn sich eine „Gefährtin“ (2ta¸qa/hetara) freundlich gegen ihren Liebhaber verhielte, dürfe man nicht übersehen, dass ihre Freundlichkeit den von ihm erwarteten Gaben (Leg.III–182) bzw. drastischer : dem von ihm erwarteten klingenden Lohn gälte (Plant.104). Ihrem Gewerbe pflege allerdings das Alter eine Grenze zu setzen; denn wenn ihre Frische wie die Blüte einer Blume verwelkt sei, würde sie von keinem Freier mehr aufgesucht (Spec.I.282). Der Hurenlohn durfte biblischen Bestimmungen gemäß nicht dem Tempel geweiht werden (Spec.I.280). Selbst wenn eine Hure ihr Geschäft (1qcas¸a/rgasa) aufgegeben und einen anständigen Wandel angenommen hatte, durfte sie nach biblischen Bestimmungen als unrein an Leib und Seele keinem Priester nahen (Spec.I.102). Philo beklagt jedoch das unglückliche Los der Kinder einer Hure, die wie die einer Ehebrecherin nicht wussten, wer ihr Vater sei, und daher nicht in die Kultgemeinde Israels aufgenommen wurden.21 Der Gegensatz zwischen Heiden- und Judentum findet darin seinen krassen Ausdruck, dass es nach Philo den Jünglingen anderer Völker von ihrem 14. Lebensjahr an erlaubt gewesen sei, mit Huren, Straßendirnen und allen, die aus dem Umgang mit ihren Leibern ein Geschäft machten, zu verkehren, während bei den Juden Frauen dieser Art nicht einmal leben dürften, womit Philo Dtn 23,18 wohl überinterpretiert hat (Jos.43; vgl. Spec.III.51).
9.3.3 Philos Kritik an der Päderastie Absolut verständnislos stand Philo dem „Symposion“ Xenophons und Platons gegenüber. Bei Xenophons „Gastmahl“ hielt er sich an den vordergründigen Klamauk (Vit.Cont.58),22 ohne die ernsthaften Gespräche zu würdigen, in denen es allerdings unter anderem auch um die Liebe zwischen Männern und Jünglingen und das Verhältnis zwischen geistiger und körperlicher Anziehung geht (Xen.Symp.VIII.1 – 41). Platons „Gastmahl“ war ihm schon deshalb ein Gräuel, weil es in ihm nicht allein um das Begehren von Männern nach Frauen und damit um die mit den Gesetzen der Natur übereinstimmenden Leidenschaften, sondern auch um die intimen Beziehungen zwischen Männern geht, die sich nur durch ihr Alter unterscheiden.23 Obwohl er erkannte, dass Platons Ausführungen durch die Differenzierung zwischen Himmlischer Liebe und Aphrodite einen humoristischen Beiklang besitzen (Vit.Cont.60), lehnte er die 20 21 22 23
Vgl. dazu unten, 164 f. Vgl. Conf.144; Fug.205; Mut.205; Decal.8; Spec.I.326 und 332 mit Dtn 23,3. Vgl. dazu F.H. Colson, Philo IX (LCL), 521. Zu Platons Vorbehalten gegen homosexuelle Akte vgl. einerseits Plat.Phaidr.256a1–e1 mit der Schilderung des gescheiterten Versuchs von Alkibiades, Sokrates zu verführen, Plat.Symp.218b8 – 219d2 und der Erklärung in Plat.Rep.403a4–b3 zugunsten eines besonnenen Umgangs der Liebenden.
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in ihm geschilderten Liebesverhältnisse entschieden ab. Denn in ihnen würde das Jünglingsalter durch die Reduktion des Knaben auf ein wie ein Mädchen geliebtes Wesen beschmutzt und die Liebhaber (1qaste?r/erasteı˜s) an ihrem Leib, ihrer Seele und ihrem Eigentum beschädigt, weil sie alle anderen Interessen hinter dem Werben um die Gunst ihres Lieblings zurückstellten (Vit.Cont.61).24 Dass Platon auch Grenzen im Verhältnis zwischen dem Liebenden (1qast¶r/eraste¯s) und dem Geliebten (1qyl´mor/ero¯mnos) gesetzt wissen wollte (vgl. z. B. Rep.III.403b4–c2) wird – aus welchen Gründen auch immer – von Philo nicht erwähnt. Im Hintergrund seiner Polemik stand Philos Erschrecken darüber, dass in seinen Tagen die einst wegen ihrer allgemeinen Ablehnung kaum erwähnte Päderastie ein Gegenstand des Sich-Rühmens sowohl bei den aktiven wie den passiven Partnern geworden war, wobei sich der passive ohne zu erröten auch äußerlich durch Schminke, Parfümierung und Haartracht an das weibliche Geschlecht anglich (Spec.III.37), ein Verhalten, das freilich wenig mit dem der platonischen Liebespaare im Symposion zu tun hatte. Wenn Philo das Umsichgreifen der Knabenliebe zur Ursache der Entvölkerung ganzer Landstriche erklärte (Spec.III.39; Vit.Cont.62), schoss er zweifellos über das Ziel hinaus, weil dafür eher Nahrungsmangel und auf ihm beruhende Kindesaussetzungen25 sowie Sklavenjagden26 verantwortlich waren. Die Knabenliebe stand für ihn auf demselben Niveau wie die durch das Verlangen nach leiblicher Schönheit ausgelösten Verführungskünste, Ehebruch, mangelnde Enthaltsamkeit und wollüstige Ausschweifungen (Spec.IV.89). Die allgemeine Zunahme der Lüsternheit meinte Philo zumal bei der oben bereits erwähnten luxuriösen Ausgestaltung der Symposien zu erkennen,27 die bei den Möbeln und Trinkgeräten einsetzte und der Bedienung endete, die aus Knaben als Mundschenken und kräftigeren, frisch rasierten Jünglingen (boupa¸der/boupades) als Kellnern bestand. Während die Knaben mit geschminkten Gesichtern und kunstvoll aufgesteckten Haaren das Wasser reichten, beginne bei den als Kellnern tätigen Jünglingen der Bart gerade zu sprossen, wobei sie vermutlich noch kurz vorher den Vergnügungen des päderastischen Gastgebers gedient hätten (Vit.Cont.48 – 52).28 Entscheidend ist die Einsicht, dass solche Assoziationen Philo Platons 24 Zu den Problemen von Platons Gastmahl vgl. A.W. Price, Love and Friendship, 15 – 54; F.C.C. Sheffield, Plato’s Symposium, 233 – 239 und Kaiser, Weg zum pädagogischen Eros, 261 – 289 und zur institutionalisierten Knabenliebe im antiken Griechenland C. Reinsberg, Ehe, Hetärentum und Knabenliebe, 163 – 215 bzw. knapp E. Hartmann (DNP IX), 139 – 141. 25 Vgl. dazu M. Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 899 und 1015, A. Tarn/G.T. Griffith, Civilization, 101 – 102 = Kultur, 117 – 119. 26 Vgl. dazu M. Rostovtzeff, 616 – 623 und 1012 – 1016 und A.Tarn/G.T. Griffith, Civilization, 266 – 267 = Kultur, 317 – 318. 27 Vgl. oben, 59. 28 Zu den wegen des für sie geltenden Heiratsverbotes bestehenden sexuellen Beziehungen römischer Legionäre zu Sklaven, Strichjungen und auch untereinander vgl. Knapp, Römer, 251 – 253.
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Gastmahl verleideten. Sie veranlassten ihn als Schüler Moses, auch über den Seelenmythos in Plat.Symp.189c2 – 193d5 voller Verachtung hinweg zu gehen, weil er mit seiner Neuheit zwar das Ohr ködere, aber von ihm als wahrheitswidrig durchschaut sei (Vit.Cont.63).29
9.4 Von Dieben, Räubern und Mördern Bei seiner Behandlung der am untersten Rand der Gesellschaft stehenden Diebe, Räuber, Mörder und sonstigen Verbrecher30 ging es Philo vor allem um den Nachweis, dass die von ihnen begangenen Untaten Folge eines irregeleiteten Begehrens seien. Daher bleiben seine Ausführungen abgesehen von seinen Auslassungen über die Menschenräuber im Wesentlichen auf die Täter bezogen, während die von ihnen begangenen Verbrechen in der Regel übergangen werden. So demonstrierte er am Beispiel Josefs, dass jemand in ein Gefängnis geworfen werden und trotz des Verkehrs mit den dort versammelten Verbrechern so untadlig bleiben kann, dass er zu ihrem Aufseher ernannt wird. Damit fiel Josef insofern aus der Reihe, weil sich nach Philos Einsicht das Verhalten der Menschen in der Regel nach ihrem Umgang richtet. Das hätte zur Folge, dass wer mit Guten verkehre, besser, und wer mit Schurken umginge, schlechter würde (Jos.82 – 83). Anschließend zählt Philo die Mitglieder der sozialen Unterwelt auf, mit denen ein Gefängniswächter seine Tage verbringt, und präsentiert uns damit eine entsprechende Liste (Jos.84): Denn ein solcher hätte es täglich mit Spitzbuben (wörtlich: Kleiderdieben kypod¼teir/lo¯podfflteis), Dieben (jk´pteir/klpteis), Einbrechern (toiwyq¼woi/toicho¯rfflchoi), Gewalttätern (rbqiste?r/hubristeı˜s), Gesetzesbrechern (bia¸oi/biaoi), Verführern (vhoqe?r/phtoreı˜s), Mördern (!mdqovºmoi/androphnoi), Ehebrechern (loiwo¸/moicho) und Tempelräubern (Reqosºkoi/hierosloi) zu tun.31 In dieser wie in der alsbald vorzustellenden weiteren Liste der Verbrecher fehlt allerdings der von ihm als der schwerste von allen beurteilte, der Menschenräuber bzw. Seelenverkäufer (!mdqapod¸stgr/andropodste¯s), auf den wir abschließend eingehen.
29 Zu seinem humoristischen Charakter vgl. F.C.C. Sheffield, Plato’s Symposium, 22 – 23. 30 Vgl. dazu G. Alföldi, Sozialgeschichte, 213 und Knapp, Römer, 330 – 353. 31 Vgl. auch seine Auslegung des 6.–10. Gebots in Decal.165 – 174. Danach untersagt das 6., gegen den Ehebruch gerichtete Gebot alle verführerischen Handlungen einschließlich der Päderastie, während er beim 10. besonders auf das Begehren als die Wurzel der meisten widergesetzlichen Handlungen verweist.
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9.4.1 Von den Kleiderdieben oder Spitzbuben Auf den kypod¼tgr/lo¯podfflte¯s, den Kleiderdieb oder Spitzbuben, kommt er in Somn.I.98 ein zweites mal im Zusammenhang mit der Hartherzigkeit von Schuldnern zu sprechen, die dem Armen nicht einmal eine Tetradrachme oder eine geringere Münze schenken, oder als Sicherheit seinen Mantel verpfänden, was der Bestimmung in Ex 22,25 – 26 par Dtn 24,12 – 13 (vgl. Am 2,8) widerspricht; denn sie verfügt, dass der Mantel vor Anbruch der Nacht zurückzugeben ist. Dass Philo die biblischen Bestimmungen über den Umgang mit Dieben für sachgemäß hielt, geht aus Spec.IV.7 – 12 hervor. Dass die Nacht Beihilfe für den Diebstahl leistet, hat er in Her.302 im Zusammenhang eines Tadels des Missbrauchs der Sprache durch Betrüger (cºgter/ge¯tes), Schmeichler und die Erfinder wahrscheinlich klingender Trugreden erwähnt. Als Betrüger konnte Philo in Spec.I.315 auch einen falschen Propheten bezeichnen. Sachlich rechnet er auch alles das, was die Menge bewundert, zu den Betrügern, nämlich Ruhm, Reichtum und Lust und die Vergötterung lebloser Dinge, die wie ein Mauerbrecher alle Städte angriffe und mit ihren Listen jede Stadt verlocke und die Seelen der Jungen für sich einnähme (Praem.24 – 25).
9.4.2 Von der Habsucht und Begehrlichkeit als Wurzeln der Verbrechen Ein drittes und letztes Mal hat Philo den Kleiderdieb im Zusammenhang einer größeren Abrechnung mit der Begierde als der Wurzel aller Übel in Spec.IV.84 – 89 erwähnt. Diebstahl und Räuberei, Schuldeintreibungen und falsche Bezichtigungen, Verführungen, Ehebrüche, Morde und dergleichen, ob an Einzelnen oder Gemeinschaften, an Tempelgut oder Profanem begangen, kämen aus derselben Wurzel der Begierde. Bedenke man, welches Unheil leidenschaftliches Verlangen (als Ursache der trojanischen Kriege) angerichtet hat, so erkenne man, dass die Begierde (1pihul¸a/epithyma) wie giftige Tiere oder tödliche Gifte alle zum Schlechten verführe, die von ihr heimgesucht würden: Sei das Begehren auf Geld gerichtet, erzeuge es Diebe und Beutelschneider, Kleiderdiebe und Spitzbuben, Leute, die ihren Schulden gegenüber den Gläubigern verleugneten und Bestechungen, Tempelraub und dergleichen vollführten. Ginge es den von der Begierde angetriebenen dagegen um ihr Ansehen (dºna/dxa), so würden sie anmaßend, überheblich, übermütig und unzuverlässig, unfähig, auf andere zu hören, niedergeschlagen oder hochgemut aufgrund des unaufhörlichen willkürlichen Flusses an lobenden und tadelnden Stimmen. Entsprechend unzuverlässig verhielten sie sich (wie oben bereits angemerkt)32 in ihren Freundschaften. Sei der Gegenstand ihres Verlangens jedoch körperliche Schönheit, so würden sie zu Ver32 Vgl. dazu oben, 61.
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führern, Ehebrechern, Päderasten, denen Ausschweifungen und Geilheit als höchste Glücksgüter erschienen. So würde es offensichtlich, wie schmal der Graben zwischen Hoch und Niedrig, zwischen tadellosen Gliedern der Gesellschaft und Verbrechern sein könne, weil die Begehrlichkeit nach Philos Erfahrung keine Klassenschranken sondern (wie weiter unten gezeigt wird)33 nur den Unterschied zwischen den nach der Tugend Strebenden und den dem Laster Verfallenen kenne. Angesichts der Tatsache, dass es hochgestellte und zugleich oligarchisch gesinnte Diebe gab, die unter dem Namen der Herrschaft und Führerschaft Diebstahl in hohem Maße betrieben, hielt es Philo für angebracht, Menschen von ihren ersten Lebensjahren an einzuprägen, dass sie nichts stehlen dürften, was einem anderen gehört, weil sie sonst im Lauf ihres Lebens von kleineren zu immer größeren Diebstählen übergingen (Decal.136 – 137).
9.4.3 Die Menschenräuber als die schlimmsten Verbrecher Die größten Verbrecher waren in seinen Augen nicht die Diebe, die sich die Sache eines anderen aneigneten, sondern die Menschenräuber.34 Denn der !mdqapod¸stgr/andrapodste¯s stehle nicht irgendeinen leblosen Gegenstand oder ein niedrig stehendes Tier, sondern einen Menschen, dem sein Los die erste Stelle unter allen Geschöpfen anweise. Für den normalen Diebstahl hätte die Tora die angemessenen Ersatzforderungen aufgestellt. Der Mensch dagegen stehe Gott einerseits durch die Teilhabe am kºcor unter allen Geschöpfen am nächsten, während er ihm andererseits aufgrund eines tugendhaften Lebens die Unsterblichkeit verliehen habe. Daher stünde jeder Tugendhafte einem Menschenräuber unversöhnlich gegenüber. Wenn die Freilassung im Hause geborener oder gekaufter Sklaven eine lobenswürdige Tat sei,35 wie groß müsse dann die Verdammung derer ausfallen, die oft nicht nur Menschen fremder Völkerschaften sondern selbst freie Landsleute und Angehörige der eigenen Stammes um ihres eigenen Profites willen ihrer Freiheit beraubten, des höchsten Gutes, für das alle Edlen zu sterben bereit seien – und sie dann an Sklavenhändler verkauften. Denn dann müssten die Verkauften ein verachtetes Leben in der Fremde führen, aus der sie nie mehr in ihre Heimat zurückkehren könnten und denen man obendrein die als frei Geborenen geschuldete Achtung vorenthielte. Die Täter aber sollten unerbittlich mit dem Tode bestraft werden (Spec.IV.13 – 19). Blicken wir zurück, so können wir feststellen, dass Philo durch sein na33 Vgl. dazu unten, 223 – 224. 34 Bei ihnen handelt es sich um Piraten, die Menschen einfingen, um sie anschließend auf dem Sklavenmarkt (im Zweifel auf Delos) zu verkaufen; vgl. dazu Schneider, Welt des Hellenismus, 269 – 271 und R. Knapp, Römer, 343 – 353. 35 Zum Schicksal der Freigelassenen vgl. Knapp, Römer, 193 – 220, bes. 219 – 220.
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turrechtliches Denken immer wieder an die Grenze geführt wurde, an der er nach heutigem Empfinden die Abschaffung der Sklaverei hätte fordern müssen. Aber da die Sklavenhaltung selbst in der westlichen Welt bis weit in das 19. Jh. hinein aus wirtschaftlichen Gründen als unentbehrlich galt und erst die Ersetzung billiger Arbeitskräfte durch noch billiger zu betreibende Maschinen zu ihrer schrittweise erfolgten, aber weltweit noch immer nicht vollendeten Abschaffung führte, wird man Philo bescheinigen, dass er mit seinem Eintreten für eine menschliche Behandlung der Sklaven seiner Zeit Genüge getan hat.
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10. Von den Pflanzen in Philos Welt 10.1 Vom Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren Ehe wir uns Philos Äußerungen über die Pflanzen und ihre Lebenswelt widmen, gilt es festzustellen, dass nach seiner von den Stoikern übernommenen Meinung Pflanzen und Tiere keine Seele, geschweige denn Vernunft besitzen und daher weder tugend- noch lasterhaft sein können (Opif.73). Beide seien daher auf die Fürsorge der Menschen angewiesen (Opif.88). Pflanzen besitzen wie z. B. Haare und Nägel des Menschen die Fähigkeit zu wachsen, während ihnen die zusätzliche Kraft der Wahrnehmung und des Handelns (Leg.II.22) und damit Antriebskraft und Selbstwahrnehmung fehlen (Imm.41). Zusammen mit den Tieren können sie sich nicht aufgrund einer Entscheidung bewegen (Imm.48), Andererseits können sie bei entsprechender Bewässerung wachsen (Post.125; Imm.37). Oder in die trichotomische Seelenlehre übertragen: Die Pflanzen haben nur eine vegetative1 und die Tiere darüber hinaus eine sensitive Seele, während die Menschen als einzige Geschöpfe Vernunft besitzen. Demgemäß konnte Philo grundsätzlich zwischen Pflanzen und Lebewesen/Tieren (f`a/zo¯a) unterscheiden (vgl. z. B. Sacr.98; Agr.51; Spec.I.16.34.339; Spec.III.191). Im Hintergrund steht die stoische Auseinandersetzung darüber, ob die Pflanzen eine Seele besäßen, oder nicht (vgl. SFV II.708 mit 709).2
10.2 Vom Lebensbereich der Pflanzen3 Wenden wir uns dem Lebensbereich der Pflanzen zu, so müssen wir zwischen ihrem Vorkommen im Garten (j/por/ke¯pos), auf dem Acker (!cqºr/agrs) und im freien Feld (w~qa/cho¯ra) unterscheiden, so unscharf sie sich auch voneinander abgrenzen lassen. Nach Philos Beobachtungen wuchsen Maulbeerbäume, wilde Feigenbäume,4 wilde Ölbäume, Trüffeln und Wicken in großem Überfluss ohne landwirtschaftliche Pflege. Dagegen gediehen Pfir1 Zu Aristoteles Verständnis der Pflanzen vgl. Zeller, Geschichte II/2, 509 – 512, zu dem von Theophrast, 838 – 845 bzw. Wehrli, Peripatos, 486 – 489 und 507 – 508. Zur Möglichkeit der Urzeugung von Pflanzen und Tieren vgl. z. B. Aristot.Gen.An.I.I.715b16 – 25.III.XI.762b9 – 18 und zu der von Pflanzen Theophr.Caus.Plant.I.I.5. 2 Vgl. dazu A.H. Wolfson, Philo I, 361 – 363. 3 Zu den Landarbeitern und Bauern vgl. C. Schneider, Welt des Hellenismus, 194 – 210. 4 Zur Pflanzung der Feigenbäume bei kaltem Wetter vgl. Colum.Arb.XXI.1.
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sich- und Apfelbäume Dattelpalmen, Olivenbäume und Weinstöcke selten ohne menschliche Betreuer, die manchmal nicht mehr erlebten, dass die von ihnen gepflanzten Bäume Früchte trügen (Prov.II.93). Veilchen, Rosen, Krokus und Narde,5 ja auch Myrrhe und Weihrauch, die man zu Salben verarbeite, gäbe es im Frühjahr reichlich in Gärten, Grünanlagen und auf Feldern. Dass die aus ihnen gewonnenen Salben schädlich seien, hielt Philo für eine Lüge.6 Die Natur biete viele Dinge, die den Menschen täglich Freude bereiten und nützen und auf diese Weise die göttliche Vorsorge für die Menschen bezeugen. Die Einsamkeit des Gartens war bei den von Philo besonders geschätzten Essenern eine bevorzugte Stätte der Meditation, weil er sie vor unwillkommenen Begegnungen mit Andersgesinnten beschützte (Vit.Cont.20). Dass selbst der römische Kaiser in seinen Gärten am Tiber Erholung suchte und dort die von Philo angeführte Delegation huldvoll begrüßte (Leg.Gai.181),7 könnte ihrer Rolle als locus amoenus, als angenehmer Ort der Erholung entsprechen, wie ihn z. B. Vergil in seinen Georgica IV beschrieben hat.8 Doch abgesehen von dieser gehobenen Nutzung von Ziergärten waren die Gärten damals wie heute vor allem Stätten des Anbaus von Gemüse und Blumen.9 Das Feld ist demgegenüber der Ort, auf dem nach dem Frühjahrsregen das Grass sprosst, von dem sich das Wild ernährt (Leg.III.251), während der tugendhafte Landmann seine besten Früchte erntet (Det.114). Im Übrigen ist es nicht einfach, viele der von Philo genannten Pflanzen auf die beiden Orte zu verteilen. So könnte z. B. der Maulbeerbaum (loq´om/ moron) (Virt.112) ebenso gut im Garten wie am Feldrain gestanden haben. Dass Gott im (Paradies) Garten Rebstöcke (%lpekoi/mpeloi), Olivenbäume (5kaioi/laioi), Apfelbäume (lek´ai/melai), Granatäpfelbäume (Noio¸/rhoio) „oder dergleichen“ pflanzte, ehe es noch Menschen gab, hält Philo für unsinnig, so dass er Gen 2,8 allegorisch auslegte (Plant.33 – 34). Aber vielleicht kann man die genannten Bäume trotzdem dem Garten zuweisen.10 Dagegen hat Philo die Pappeln (aQce¸qoi/ageiroi),11 Zedern (j´dqoi/kdroi),12 Pinien (pe¼jai/pefflkai), Tannen (1k²tai/eltai),13 hohen Eichen (dq}oi/dry´oi)14 und 5 Vgl. Colum.Agr.IX.IV.5. 6 Zur medizinischen Verwendung von aromatischen Pflanzen vgl. Theophr.Hist.Plant.IX.4 – 8. 7 Zu den von Agrippina, der Mutter des Kaisers, oder Germanicus auf dem rechten Ufer des Tibers angelegten Gärten mit einer Terrasse und einem Portico auf der Wasserseite, die den Circus des Gaius und Nero enthielten und auch als Circus Vaticanus bekannt waren, vgl. E.M. Smallwood, Legatio, 253 – 254. 8 Vgl. dazu P. Haß, locus amoenus, 68 – 69. 9 Vgl. dazu Theophr.Caus.Plant.III.19; Varro Rust.I.xxiii.5 und K-W. Weeber, Alltag, 73.79 und 34 – 38. 10 Vgl. Colum.Agr.X.400 – 413. 11 Vgl. zu ihnen Theophr.Hist.Plant.III.14. 12 Vgl. zu ihnen Theophr.Hist.Plant.III.12. 13 Vgl. zu ihren Arten Theophr.Hist.Plant.III.9. 14 Vgl. zu ihnen Theophr.Hist.Plant.III.16; zur Bedeutung der Eicheln als Viehfutter Colum.Agr.IX.I.5.
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Von den Pflanzen in Philos Welt
andere wild wachsende Bäume dem unbebauten Land und den Bergen zugewiesen (Aet.64).15 Die wegen ihrer Früchte geschätzte Dattelpalme (vo¸min/phonix) wird man dagegen wie noch heute in den südlichen Ländern eher auf freien Plätzen der Stadt und möglicherweise auch in Oasen (Fug.183; Mos.I.188) oder am Feldrain und Flussufer als in Hofgärten zu suchen haben.16 Der Palmzweig wurde zusammen mit einer Binde zur Ehrung von Siegern verwendet (Fug.187). Seiner Abneigung gegen die Ruhmsucht derer, die sich mit äußeren Ehrenzeichen bekränzt wünschen, verdanken wir Philos schönste Liste der einschlägigen Pflanzen und Blumen (Somn.I.62): Sie reicht vom Lorbeer (d²vmg/ dphne¯) und Efeu (j¸ttor/kttos) bis zu den duftenden Veilchen (Ua/a) und Lilien (jq¸ma/krna), der Rose (Nºdom/rdon),17 dem Ölzweig (h²kkor/thllos) „oder irgendeiner Blume“ (E timor %mhour/e¯ tinos nthous)18– womit denn auch schon die einzige Erwähnung des Wortes vorgestellt ist. Immerhin gibt uns diese Aufzählung einen Einblick in die Welt der Philo vertrauten Blumen und Ziersträucher.19 Dass der Wein auf einem Weinberg oder Weinfeld (!lpek¾m/ampelo¯n) wächst,20 kommt zumal in den von Philo erwähnten einschlägigen biblischen Schutz- und Tabubestimmungen für sie selbst oder ihren Besitzer zur Sprache.21 In ähnlicher Weise wiederholt er in einem Bericht über das Murren der aus Ägypten gezogenen Israeliten und ihre Sehnsucht nach den ihnen dort zur Verfügung stehenden Speisen die Liste aus Num 11,5, in der außer Fischen auch Gurken (sij¼ai/siky´ai),22 Melonen (p´pomai/pponai), Lauch (pq²sa/ prsa),23 Zwiebeln (jqºllua/krmmya)24 und Knoblauchzehen (sjºdqa/ skdra)25 aufgezählt werden.26 Mit dieser Aufzählung werfen wir vermutlich zugleich einen Blick auf die Speisekarte des einfachen Ägypters. 15 Zur Holzverwertung vgl. Theophr.Hist.Plant.V.5 – 9 und Weeber, Alltag, 115 – 119. 16 Zur Vermehrung der Dattelpalme vgl. Theophr.Hist.Plant.II.6 bzw. Caus.Plant.II.3 – 5 und zu ihrer Kultivierung Theophr.Caus.Plant.III.17.2 und V.17.3 – 6. 17 Zur Pflege von Veilchen, Krokus, Rosen und duftendem Thymian vgl. Theophr.Caus.Plant.VI.20.2 – 3 und zur Verwendung von Iris, Rosen und Veilchen als Zusätzen zu Medikamenten die Nachweise in Celsus II (LCL 304), XXXVIII, LI und LIX. 18 Vgl. Colum.Agr.X.96 – 109. 19 Zur Pflege von Gartenblumen, Stauden und Gemüsearten vgl. Theophr.Caus.Plant.III.19. 20 Zu den Weinstöcken und ihrem Anbau vgl. Theophr.Caus.Plant.III.11 – 16. 21 Vgl. z. B. Agr.148.157; Fug.175; Spec.II.105; Spec.IV.203 und Virt.28.91. Philo zitierte natürlich auch die Bezeichnung Israels als dem Weingarten Jahwes; vgl. Jes 5,1 mit Som.II.172 – 173. Zur Anlage eines Weinbergs und der Pflege der Schösslinge vgl. Colum.Arb.XI.ii.1–iii.7. 22 Vgl. mit einem Schuss Humor Colum.Agr.XI.iii.48 – 51. 23 Vgl. Colum.Agr.X.167.355 – 356; XI.iii.16.32. 24 Vgl. Colum.Agr.X.311 – 317. 25 Vgl. Colum.Agr.XI.iii.16.31 – 32. 26 Ähnlich wie im Fall des Weinanbaus wurde unter den Ptolemäern auch der von Knoblauch durch den Import berühmter griechischer Sorten angehoben. Vgl. die Nachweise bei Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 282. Zu den Küchenkräutern, ihrer Aussaat, Düngung und Bewässerung vgl. Theophr.Hist.Plant.VII.1 und 5.
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10.3 Von der Aufzucht und dem Schutz der Pflanzen Dass Säen und Pflanzen dem Wachstum vorausgehen, wobei die Wurzeln in die Tiefe und die Pflanzen in die Höhe streben, wobei die Bewässerung und die Temperaturen eine Rolle spielen, hat Philo Opif.41 breit entwickelt (vgl. auch Cher.102). Feststellungen wie die, dass man Samen nicht in das Wasser eines Flusses oder Sees werfen dürfe, weil er dort nicht Wurzeln schlagen könne (Post.163); dass man Bäume beschneiden müsse,27 um ihren Ertrag zu steigern (Agr.6 – 7), dasselbe aber auch durch Einsetzen von Pfropfreisern erzielen könne (Det.107);28 dass man vorzeitig reifende Früchte von einem jungen Baum entfernen müsse, um die Qualität der später reifenden Früchte nicht zu gefährden (Virt.157); der Stamm eines Baumes gesund sein müsse, wenn er gute Früchte tragen soll (Aet.96); man fruchtbare Bäume aber nicht niederbrennen dürfe (Virt.154), zeigen wie gründlich sich Philo in der Gartenwirtschaft auskannte.29 In Virt.155 – 159 kommt er ausführlicher auf das Thema der Aufzucht zumal von Obstbäumen zu sprechen: Ein guter Obergärtner (!cah¹r pqost²tgr/agaths prostte¯s) sorge dafür, dass neu gesetzte Obstbäume drei Jahre lang besonders sorgfältig ernährt würden.30 Er ließe durch seine Untergebenen Wildwuchs zur Kräftigung und zur Vermeidung der vorzeitigen Erschöpfung der jungen Bäume ausschneiden,31 so dass sie nicht überlastet zusammenbrächen. Daher entfernten viele Fachleute (ce¾pomoi/ geo¯ponoi) im Frühling die unreifen Früchte von den jungen Bäumen zu ihrer Schonung, so dass sie nach drei Jahren fest im Boden verwurzelt sind und im vierten Jahr reichlich Frucht ansetzen.32 Die Arbeiter dürften sie aber auch in diesem Jahr nicht zum eigenen Genuss pflücken, weil sie als Erstlinge Gott dargebracht werden müssten (Ex 23,19; Dtn 26,11). Aber von den Gemüsesorten, seien sie nun im Garten oder auf dem Feld gezogen, hat er abgesehen von den in oben gebotenen Listen erwähnten nur die von irdisch Gesinnten bevorzugten Zwiebeln und Knoblauchzehen, vor deren brennendem Geruch man die Augen schließen müsse, sowie den übel riechenden Lauch (pq²som/prson) noch einmal erwähnt (Her.79 – 80). Die Äcker mit ihren Fruchtbäumen und ihrem Gemüse wurden (wie man es 27 Vgl. z. B. Colum.Agr.XI.ii.11. 28 Vgl. dazu die Anweisungen bei Cato, Agr.XL1–XLII; Varro, Rust.I.xi.5–xli.3; Colum.Arb.XXVI.1–XXVII.4 und zur Sache auch Theophr.Hist.Plant.II.8. Zu Marcus Porcius Cato (234 – 149 v. Chr.) vgl. W. Kierdorf (DNP II), 1033 – 1035 und zu Marcus Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.) K. Salldorf (DNP XXII/1), 1130 – 114. 29 Zur richtigen Zeit des Fällens von Bäumen vgl. Theophr.Hist.Plant.V.1. 30 Nach Colum.Agr.V.viii.1 – 2 bedarf der Ölbaum gegenüber allen anderen Bäumen der geringsten Pflege. Zur Bewässerung neu gesetzter Pflanzen vgl. Colum.Arb.XXVIII.3; zu den antiken Obstgärten vgl. K.-W. Weeber, Alltag, 209 – 210 und zu den Bewässerungseinrichtungen in Gestalt der herkömmlichen Wasserräder und (im Delta) von Pumpen vgl. Rostoftzeff, 287 – 288. 31 Dass das auch bei Weinreben zu geschehen habe, merkt Colum.Arb.V.2 – 3. 32 Zur Züchtung und Pflege von Bäumen vgl. Theophr.Hist.Plant.II.7.
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noch heute in Nordafrika beobachten kann) durch Mauern aus Feldsteinen abgegrenzt und dadurch vor Wildschäden (von Philo nicht erwähnten Sandstürmen) geschützt (Agr.14 – 15).33 Der Landmann (ceyqcºr/geo¯rgs) ziehe pflügend zur rechten Zeit Furchen in die Erde34 und streue dann in sie den Samen.35 Ebenso pflanze er Rebstöcke36 und andere Schösslinge von Bäumen, die es gegebenenfalls anschließend zu bewässern gelte (Sobr.36).37 Vielleicht ist dies auch der rechte Ort Philos Beschreibung des Lagers eines selbst beherrschten und Maß haltenden Mannes in Somn.I.125 – 126 einzuschalten, die im Kontrast zu der zuvor in Somn.I.121 – 123 gebotenen Beschreibung des üppigen Nachtlagers der reichen, der Lust und dem Wohlleben ergebenen Menschen steht, weil sie eine Liste der dazu verwendeten Naturalien enthält: Er bette sich auf der Erde, lege sein Haupt statt auf ein Polster auf einen Stein und bereite sein Lager mittels Buschwerk (h²lmor/thmnos), Heu (pºa/pa),38 Häcksel (bot²mg/botne¯) und aufgehäuftem Laub (v¼kkom/ phy´llon). Dann betete er (wie Jakob in Gen 28,20) um Brot und einen Mantel als den natürlichen Reichtum. Ähnlich dachte Philo im Blick auf die Genussmittel: Sie sind nach seiner Überzeugung wie z. B. der Wein für den Menschen durchaus entbehrlich, während er auf Brot und frisches Wasser angewiesen ist (Jos.155). Als natürliche Leckerbissen betrachtete man Zwiebeln, Gemüse, mancherlei Baumfrüchte und Käse, wozu für Nichtvegetarier noch Fisch und Fleisch gehörte (Somn.II.49).39
10.4 Von der Baumblüte und Ernte In Mos.II.186 hat Philo eine Beschreibung des Mandelbaums im Verlauf eines Jahres gegeben, die jeden Kenner der Mittelmeerländer erfreuen wird: Von allen Bäumen, die gewöhnlich im Frühling ausschlagen, ist der Mandelbaum (B !lucd²kg/amygdle¯) nämlich der zuerst blühende, der damit eine reiche Ernte seiner Früchte verspräche, um dann als letzter sein Laub abzuwerfen und so Jahr um Jahr am längsten zu grünen.40 Er bezog ihre sich regelmäßig erneuernde Blüte und ihr langes Grünen auf den priesterlichen Stamm seines 33 Zu den Bruchsteinmauern vgl. Cato Agr.XV und Colum.Arb.XVIII. – Zum Vergleich Philos der Philosophie mit einem Garten vgl. Mut.74 – 75 und SVF.II.38 (Sext.Emp.Math.VII.16). 34 Vgl. dazu Cato Agr.XLIX.2 und Colum.Agr.II.iv.10 – 11. 35 Zu den Zeiten der Aussaat von Getreide und Hülsenfrüchten vgl. Theophr.Hist.Plant.VIII.1 und zum erneuten Sprießen von vorjährigem Getreide VIII.7.5. 36 Zu Anlage und Pflege einer Weinpflanzung vgl. umfassend. Theophr.Caus.Plant.III.11 – 17 und Colum.Arb.I.3–VI.5. 37 Vgl. dazu auch Cato Agr.XL, XXLIV, XLIX und LXI und Colum.Arb.XX.1 – 3. 38 Zur besten Erntezeit und Einbringung von Heu im frühen Winter vgl. Colum.Agr.II.xviii.1 – 3. 39 ’Vgl. auch Vit.Cont.34 – 37. 40 Vgl. Colum.Arb.XXII.1.
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Volkes, der als der erste und der letzte des ganzen Menschengeschlechts blühen würde, wenn Gott seinem Volk einen neuen Frühling schenken würde. Vergessen wir darüber nicht: Die Erntezeit des Weizens und anderer Feldfrüchte41 war und ist in den Mittelmeerländern der Frühling, die des Weins, der Oliven und anderer Baumfrüchte (wie in unseren nördlichen Ländern) der Herbst (Opif.116)42. Das biblische Urbild des Weingärtners (!lpekouqcºr/ampelourgs) und seiner Gefährdung, sich am Wein zu berauschen und dadurch die Kontrolle über sein Verhalten zu verlieren, war natürlich auch für Philo Noah als der erste Weinbauer (Plant.1; vgl. auch Agr.157 und dazu Gen 9,20 – 21).43 Philo sah es als ein Zeichen sklavischer Gesinnung und Gottlosigkeit an, wenn ein Besitzer seinen Olivengarten oder Weinberg aus Besitzgier restlos aberntete, um auf diese Weise eine zweite Gersten- und Weizenernte zu ermöglichen, ohne sich um das Gebot in Dtn 24,20 – 22 zu scheren, das die Nachlese zugunsten der personae miserae verbietet (Virt.92). Er erinnerte aber auch daran, dass die schönste Getreideernte durch eine Wolke einfallender Heuschrecken, die Fülle der Trauben durch Würmer und die Aussicht auf eine große Ernte von Früchten durch ein Unglück (oder besser : eine Strafe für die !s´beia/asbeia, die Gottlosigkeit) oder durch eine unzeitige Dürre vernichtet werden könne, so dass die Betroffenen ihre Lektion zu lernen hätten (Praem.130 – 133; vgl. 101).44 Anders als im Zeitalter einer globalisierten Wirtschaft waren die Menschen damals durchweg von einer guten Ernte auf ihren Feldern und in ihren Wein- und Olivengärten abhängig,45 auch wenn man in Großstädten die Folgen von Missernten durch Importe mildern konnte. Es kam aber auch vor, dass neidische Nachbarn die Felder ihrer Feinde überfielen und den Weizen und andere Gewächse zerstörten und ihnen damit einen empfindlichen Schaden zufügten (Somn.I.105). Denn Oliven und Wein besaßen für die Menschen damals eine besondere Bedeutung; weil man Krankheiten des Leibes mit Öl und Sorgen der Seele mit Wein zu behandeln pflegte (Aet.63).46 Aber wer weder Felder noch Gärten besaß oder seine Ernte 41 Vgl. die Aufzählung der Getreidearten und des von ihnen benötigten Bodens Colum.Agr. II.ix.1 – 6 und die der Arbeitszeiten, die nötig sind, um verschiedene Getreidearten, Bohnen und Lupinen auszusäen und weiterhin zu ernten und zur Tenne zu bringen, Agr.II.xii.1 – 6. 42 Vgl. dazu K.-W. Weeber, Alltag, 47 – 53. 43 Zur Weinlese vgl. Cato Agr.XXV und Weeber, Alltag, 274 – 277. 44 Wein wurde in Ägypten schon unter den Pharaonen angebaut, stand aber nicht im Mittelpunkt des Landbaus, weil die Ägypter vor allem Bier tranken. Erst seit den Ptolemäern wurde zur Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse der griechischen Bevölkerung die Anbaufläche für Wein zumal auf Lehensgütern vergrößert und dazu Pflanzen aus den alten Anbaugebieten Großgriechenlands eingeführt; vgl. dazu die Nachweise P.Cairo.Zen.59159; 59162; 59222; 597436 und 91599 bei Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 279. 45 Zur Olivenernte vgl. Theophr.Caus.Plant.VI.8.1 – 8; Cato Agr.XXXI; Colum.Agr.I.ii.83; XII.lii und dazu Weeber, Alltag, 51 – 53. 46 Zur medizinischen Verwendung von Wein vgl. die Zusammenstellung von W.G. Spencer in Cels.Med.I (LCL 292), 496 – 497.
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verloren hatte, musste den Wein (oWmor/onos) an der Presse (kBmor/le¯nos)47 und Weizen (s?tor/sı˜tos) und Gerste (jqih¶/krithe¯) auf der Tenne (ûkym/ hlo¯n) sowie das Olivenöl und andere Früchte bei den Erzeugern kaufen (Spec.I.134).48 Im Übrigen würde sich nach Philos Überzeugung ein Mann, der sich mit Vernunft an einer Tafel niederließe, anders als Tauchervögel (aUhuai/ athyai) nicht maßlos überfressen oder bis zur Selbstvergiftung betrinken, um dann wie ein Tor zu schwatzen, weil ihn seine Vernunft davor bewahre (Leg.III.155 ; vgl. auch 159). Blicken wir zurück, so sind Philos Anspielungen auf den Garten- und Feldanbau auch heute noch denen verständlich, deren Kindheit in die Zeit vor der Technisierung fällt und die bei Reisen nach Nordafrika nicht nur die Altertümer besichtigt haben. Mithin nimmt es nicht wunder, dass sich auch Philo in den Grundfragen des Gartenbaus und der Feldwirtschaft in großen Zügen auskannte. Vermutlich erklärt sich das einfacher als mittels der Annahme des Gebrauchs von einschlägigen Handbüchern dadurch, dass zum Hause bzw. den Häusern seiner Familie Gärten gehörten, die von zünftigen Gärtnern betreut wurden. Ähnliches lässt sich im Blick auf die Landwirtschaft vermuten. Möglicherweise besaß seine Familie römischen Senatoren vergleichbar auch einen gewissen Landbesitz, so dass er schon aus Tischgesprächen die hier zusammengestellten Grundkenntnisse erwerben konnte. Aber das Gegenteil, dass sich Philo diese Kenntnisse (auch) durch die Lektüre von Handbüchern verschafft hat, lässt sich natürlich nicht ausschließen.
47 Zur Ausstattung der Wein- bzw. Ölpresse vgl. Cato Agr.XII – XIII. XVIII – XIX und Colum.Agr.I.vi.18. 48 Erst die Ptolemäer haben in Ägypten den Anbau von Oliven vergrößert, weil die griechische Bevölkerung von Kindheit an den Gebrauch von echtem Olivenöl gewöhnt war. Dabei wurde der größte Teil des Öls in der Arsinoitischen Provinz gewonnen (Strabo XVII.1.35).
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11. Von den Tieren in Philos Welt 11.1 Vom Streit über die Vernunft der Tiere Wenden wir uns Philos Sicht der Tierwelt zu, so liegt uns dazu sein Dialog De Animalibus contra Alexandrem vor, in dem er seinen Neffen Alexander die in der Neuen Akademie in der Nachfolge des Karneades vertretene Rationalität der Tiere verteidigen lässt, während er selbst die stoische Kritik an dieser These übernimmt.1 In beiden Fällen scheint er auf einschlägige Handbücher zurückzugreifen (vgl. z. B. Anim.50 und 80), die dieses Wissen zusammenfassten.2 Angesichts der Breite des von Philo vorgelegten Materials, können im vorliegenden Zusammenhang nur einige Beispiele für und gegen diese Hypothese angeführt und keine umfassende Liste aller in dieser Schrift erwähnten Tiere vorgelegt werden. Soweit diese in seinen anderen Schriften belegt sind, soll freilich darauf hingewiesen werden. So lässt er Alexander zugunsten der Vernunft der Tiere z. B. auf die Nachahmung menschlicher Stimmen durch Krähen und Papageien (Anim.13 – 14), die kunstvollen Netze der Spinnen (Anim.18),3 die Nester der Schwalben (22),4 Dressurstücke der libyschen Elefanten (27),5 dass Tiere gleich nach der Geburt ihren Appetit zähmen (48), den Kampf zwischen einem Python und einer Kobra, den letztere durch kluges Abwarten und Eingreifen gewinnt (52), den zielvollen Einsatz ihrer Kräfte von Pferden bei Wagenrennen (58) und die zweckmäßige Arbeitsteilung der Bienen (65)6 und die Liebesgeschichte zwischen einem Delphin und einem Knaben (67) verweisen.7 Zugunsten der Weisheit der Schildkröten lässt Philo seinen Neffen in (39) vorbringen, dass sie, sollten sie aus Gefräßigkeit Wespen verschluckt haben, zu ihrer Entgiftung Majoran äßen, eine Vorstellung, die nach Terrian bei Aristot.Hist.Anim.612a – 24 – 28 und Plin.Nat.Hist.VIII.98 ihre Entsprechungen besitzt.8 Aus solchen Beobachtungen lässt Philo seinen Neffen Alexander in (71) den Schluss ziehen, dass 1 Vgl. dazu A. Terian. De Animalibus, 49 – 53 und R. Bees, Oikeiosislehre, 77 – 84 und z. B. Sen.Epist.XIX – XX.121.5 – 24. Zur Verteidigung der akademischen Lehre von der Vernünftigkeit der Tiere gegen ihre stoischen Bestreiter vgl. auch Plutarch, De Sollertia Animalum (Mor.959 – 985, bes. 959b–965e). 2 Vgl. dazu Terian, 55 – 56 und Bees, 110 – 119. 3 Vgl. Ael.Nat.I.21. 4 Vgl. dazu Ael.Nat.III.24. 5 Vgl. Ael.Nat.II.11. 6 Vgl. dazu Ael.Nat.V.11. 7 Vgl. die Liebesgeschichte zwischen einem karischen Jungen und einem Delphin bei Gell.VI.viii.1 – 7 und Ael.Nat.VI.15. 8 Vgl. Terian, 151 – 152.
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Von den Tieren in Philos Welt
nicht nur Menschen, sondern auch Tiere die Gabe der Vernunft erhalten hätten und Tugend und Leidenschaften besäßen. Aber Philo wendet dagegen z. B. ein, dass die Maus nicht aufgrund einer Belehrung in ihren Schlupflöchern verschwände noch die Schwalbe die Schädlinge aufgrund einer Belehrung fange noch das Pferd des Aristogeiton, das lahmend den Sieg errang, bewusst betrogen hätte (Anim.81 – 83). Tiere besäßen eben auch gute Eigenschaften, zu denen z. B. gehöre, dass ein Pferd seinen Kopf und seine Nüstern erhebe, dass Reh und Hase (zum Selbstschutz) angstvoll seien und ein Löwe bei absehbarer Niederlage die Flucht anträte (85 – 87). Angeborene Verhaltensweisen dürften nicht als Tugenden beurteilt werden. Ebenso wenig dürfte die Vorsorge der Tiere wie z. B. die der Bienen als Ausdruck eines bewussten Unternehmens verstanden werden, denn in solchen Fällen habe es die Natur so eingerichtet, dass die Tiere ihr Leben erhalten könnten (92 – 94). Tiere handelten nie aufgrund einer rationalen Wahl, obgleich manche ihrer Akte den menschlichen glichen. Daher wäre es unrecht, Tieren den Stand der menschlichen Rasse oder gar eine bewusste Zurückhaltung (und mithin eine Tugend) zuzuschreiben (91 – 100). Dass diese These nicht bedeutet, dass Tiere den Menschen in allen Fällen unterlegen seien, hat Philo sehr wohl erkannt und wird am Ende dieses Kapitels belegt werden.
11.2 Tiere als Strafwerkzeuge Gottes? Beim Abschreiten des Feldes möglicher Strafwerkzeuge Gottes kommt Philo in Prov.II.103 auch auf die wehrhaften und wilden Tiere zu sprechen. Sie scheinen für ihn aber weniger ein Zuchtmittel Gottes als Übungsmittel für die Ausdauer von Kriegern und Jägern zu sein. Die von Natur Friedlichen hielten sich nicht nur innerhalb der Stadtmauer, sondern auch in verschlossenen Häusern auf, wo sie in ganzen Herden gehalten würden. Dagegen würden sich Wildschweine, Löwen und ähnliche Tiere von den Städten fern halten, weil sie sicher vor menschlichen Nachstellungen sein wollten. Wer sich unbewaffnet in ihren Bereich begäbe (wie z. B. die Zuschauer die beim Pferderennen in die Bahn stürzten), wäre selbst schuld, wenn er dabei Schaden nähme. Auch die giftigen Kriechtiere wären nicht von der Vorsehung geplant, sondern entstünden, wenn sich vorhandene Feuchtigkeit stärker erwärmte. Manche würde auch aus der Fäulnis entstehen, wie z. B. Eingeweidewürmer und Läuse.9 Aus giftigen Tieren aber würden von den Ärzten Heilmittel gewonnen,10 während andere meinten, sie seien als Zuchtmittel für Sünder bereitgestellt (Prov.II.104). Solche Tiere suchten in der Regel keinen Unterschlupf in Häu9 Vgl. dazu Aristot.Gen.Anm.I.xvi.721a9 – 11. 10 Vgl. z. B. die von Cels.Med.V.8 und 12 angegebenen, aus der Asche und den Exkrementen von Tieren bestehenden Medikamente.
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sern, denn man könne sie entweder auf dem freien Feld oder in Kehrichthaufen finden, deren Fettdampf anziehend auf sie wirke. Was Philo in diesem Abschnitt bietet, ist eine eigenartige Mischung von Aberglauben und sicheren Beobachtungen, die zeigen, dass die in der Antike als eine beschreibende Wissenschaft betrieben Zoologie viele der sich ihr stellenden Probleme nicht zu lösen vermochte.
11.3 Tiere in Philos Umwelt Werfen wir nun aufgrund seiner anderen Schriften einen Blick auf die zu seiner Umwelt gehörenden Tiere, so erwähnt er in ihnen nicht nur Haustiere wie Hunde und Nutztiere wie Esel, Pferde, Maulesel, Rinder, Ziegen und Schafe, sondern auch solche, die gelegentlich in den Höfen und Gärten erschienen, wie den sich zu einem stachligen Knäuel zusammenrollenden Igel (1w?mor/echı˜nos) (Sacr.95).11 Dass die Katzen dünn sind und Mäuse fangen, lässt er Alexander in Anim.22 erwähnen.12 Außerdem kommt Philo auf die Katze (aUkouqor/alouros) nur noch im Zusammenhang mit der ägyptischen Vergötterung der Tiere zu sprechen.13 Ob man daraus erschließen kann, dass im Palastbereich seiner Familie keine Katzen geduldet oder sie von Philo lediglich mit Missachtung bedacht worden sind, bleibe dahingestellt. Wenn er dagegen die Freundschaftsbezeugungen eines Malteserhündchens beschreibt,14 das seine Zuneigung mit einem Wedeln seines Schwänzchen ausdrückt (Praem.89), so zeigt sich Philo darin in seiner menschlichen Güte; denn wer das Verhalten eines Schoßhündchens nicht nur wahrnimmt, sondern auch für der Erwähnung wert hält, muss ein freundlicher Mensch gewesen sein. Angesichts der Nähe des Nils und der ihn säumenden Grenzgebirge mit ihren zahlreichen wilden Tieren waren Philon natürlich auch die von ihnen ausgehenden Gefahren ebenso bekannt wie die positive Bedeutung der domestizierten Tiere in Gestalt von Hunden, Schafen und Rindern, Eseln, Maultieren und Pferden. So spiegelt sich in seinen Aussagen über die Tiere die breite Alltäglichkeit, aber in mancher Beziehung auch Absonderlichkeit des Lebens in Alexandrien und seinem Hinterland. Die bereits von Arist.Gen.Anm.761b15 – 20 erwähnten im Feuer geborenen Lebewesen (vgl. Gig.7 und Plant.12), brauchen uns im vorliegenden Zusammenhang nicht zu 11 Zur Verteidigung seiner Jungen vgl. Ael.Nat.II.42, der zuvor vermutlich legendäre Geschichten über die Treue des Igels zu seinem Halter erzählt. 12 Zu den Katzen vgl. auch Ael.Nat.IV.44 und zu den Mäusen in Ägypten Ael.Nat.VI.41. 13 Vermutlich hängt das mit seiner gepflegten Wohnung zusammen, zu der Katzen keinen Zutritt hatten; denn Katzen sind in Ägypten seit dem 16. Jh. v. Chr. als Haustiere belegt, F.E. Zeuner, Geschichte der Haustiere, 329. 14 Der Besitz eines Malteserhündchens war nach Theophr.Char.21.9 ein Zeichen von Reichtum.
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beschäftigen, weil es in ihm nur um die realen in der Luft, auf der Erde und im Wasser lebenden Tieren geht (Opif.147; Det.151).
11.4 Von den Vögeln Beginnen wir bei den Lufttieren, so hat Philo in Opif.62 – 63 zusammen mit der Erschaffung der Land- und Meertiere summarisch auch die Arten der Vögel (t± c´mg t_m pgm_m/t gne¯ to¯n pe¯no¯n) erwähnt. Dass von bestimmten Vögeln die Tauben (peqisteqa¸/peristera) mehrfach erwähnt werden, ist eine Folge davon, dass sie zu den jüdischen Opfertieren gehörten (vgl. z. B. Mut.233 – 234.245.248). Immerhin beschreibt er ihren im Sonnenlicht vielfarbig schimmernden Hals (Ebr.173). Darüber hinaus unterscheidet er zwischen Taube und Turteltaube (tquc¾m/trygo¯n).15 Dabei hebt er die Fähigkeit der Tauben, schnell aufzufliegen besonders hervor (Her.126 – 127). Zusammen mit den Tauben und Turteltauben16 habe Moses auch die Kraniche (c´qamoi/ granoi) und Gänse (w¶mer/che¯nes)17 zu den zahmen und sanfteren Arten gerechnet und sie daher als Speisen freigegeben (Spec.IV.117).18 Außerdem berichtet Philo, dass er auf der Reise nach Jerusalem in Askalon eine ungeheure Menge von Tauben gesehen habe und ihm Einwohner erklärt hätten, dass das die Folge davon sei, dass ihnen der Genuss von Taubenfleisch seit alters untersagt sei (Prov.II.107). Zusammen mit den Nachtigallen (!gdºmer/ ae¯dnes)19 erwähnt er auch die Schwäne (j}jmoi/kfflknoi)20 : Sie sängen so hervorragend, dass alle Instrumentalmusik hinter ihnen als bloße Nachahmung zurückbliebe (Post.104). Als Beispiel für das Verlangen der Weisen nach Freiheit führt Philo die Hähne (!kejtquºmer/alektrynes) an, die mit solcher Tapferkeit miteinander kämpfen, dass sie selbst dann, wenn sie ihre Kraft verließe, mit Mut (eqtokl¸a/eutolma) den Kampf bis zu ihrem Tode fortsetzten. Auf ihr Bespiel hinweisend, habe Miltiades seine Mitkämpfer zur Verteidigung Athens gegen die Perser ermutigt (Prob.13.133).21 Weiterhin erinnert Philo an das fürsorgliche Verhalten der Störche (pekaqco¸/pelargo), deren jüngere über Land und Meer flögen, um dort für die an das Nest gebundenen Alten Futter zu sammeln und ihnen dadurch den geschuldeten 15 Zum Taubenhaus für die Turteltauben vgl. Varro, Rust.III.VII.1 – 3. 16 Vgl. auch Her.234 und zu beider Opfer Mut.233 – 234.245.248; Spec.I.162 und Spec.IV.117 – 118 und weiterhin Anim.15 und dazu Colum.Agr.VIII.ix.1 – 2. 17 Zur Einrichtung eines Gänsehauses und der Gänsezucht vgl. Colum.Agr.VIII.xiv.1 – 11. 18 Vgl. Lev 11,13 – 19. 19 Zur reinen und musikalischen Stimme der Nachtigall vgl. Ael.Nat.I.43 und dann Asristot.Hist.An.632b18 – 26. 20 Zum legendären Gesang der Schwäne bei ihrem Tode vgl. Aristot.Hist.An.615b26 und Ael.Nat.II.32. 21 Diese Episode wird in Ael.Var.Hist.II.28 von Themistokles erzählt.
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Vom Hund als Begleiter und Wächter des Menschen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Dank abzustatten.22 Sie dienen ihm als Beispiel dafür, was die Natur mittels des Instinkts zu leisten vermag, so dass Menschen, die sich nicht um ihre Eltern kümmerten, ihre Gesichter schamvoll verhüllen müssten (Decal.116 – 118). Die Schwalbe (wekid¾m/chelido¯n) wird abgesehen von ihrer Erwähnung in der Rede Alexanders in Anim.122 im Zuge eines Vergleichs der kleinsten mit den größten Tieren (Her.154) und ein weiteres Mal als Beispiel mit den Menschen zusammenlebender Tiere (Prov.II.106) erwähnt.23 Auch der Falke (Req²n/hierx)24 und Adler (!etºr/aets) werden nur als Beispiel für eine die der Menschen übertreffende Weitsichtigkeit vorgestellt (Post.161).25 Dass wilde Ziegen (Rehe?), Hirsche und Hasen ebenso wie die Drosseln, Birkhühner, Wildtauben, Rebhühner, Schwärme von Wildgänsen und Kranichen26 öde Gegenden den bewohnten vorziehen, blieb auch Philo nicht verborgen (Prov.II.92). Auch der krächzende Rabe (jºqan/krax) war ihm bekannt (Anim.15),27 während die diebische Elster (j¸tta/ktta), die sich ebenfalls für einschlägige Vergleiche eignete, nicht erwähnt wird. Trotzdem hat er eine für einen Großstädter erstaunlich breite Kenntnis des Verhaltens von Vögeln besessen und sich ausweislich von Anim. auch für es interessiert. Drastisch, wenn nicht gar schauerlich klingt allerdings, was er über das Schicksal ausgesetzter Kinder zu berichten weiß,28 die von Fleisch fressenden Vögeln (Adlern oder Aasgeiern?)29 zerrissen und aufgefressen werden konnten (Spec.III.115).
11.5 Vom Hund als Begleiter und Wächter des Menschen und seiner Herden30 Unter den Landtieren sei an erster Stelle der Hund als treuer Begleiter und Wächter des Menschen und seiner Herden angeführt.31 Mit dem Wort „Hund“ 22 Vgl. Ael.Nat.I.57. 23 Vgl. Ael.Nat.I.52. – Colum.Agr.XI.ii.21 berichtet, dass die Schwalben nach dem 20. Februar einzutreffen pflegen. 24 Vgl. auch Phil.Anim.37. 25 Vgl. Ael.Nat.I.42 und unten, 138. 26 Zum Zug der Kraniche vgl. Ael.Nat.II.1. 27 Vgl. auch Ael.Nat.II.51. 28 Vgl. dazu M. Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 494 und 702. 29 Zum Aasgeier vgl. Ael.Nat.II.46. 30 Zur Auswahl von Hunden beim Kauf vgl. Varro, Rust.II.ix.6 – 7, zu ihrer Haltung, Aufzucht und Pflege IIix.8 – 15, zu ihrer der Größe der von ihnen zu bewachenden Herde gemäßen Zahl II.ix.16 und zu den Jagdhunden und den von ihnen zu erwartenden Fähigkeiten Xen.Kyn.III.1–V.11. 31 Vgl. zu den Hunden als Wächter des Hofes und der Herden Colum.Agr.VII.xii.1–xiii.3. Er preist ihn in xii.1 als klugen Wächter und treuen Diener seines Herrn an: „Nunc ut exordio priore sum pollicitus, de mutis custodibus loquar; quamquam canis falso dicitus mutus custos, Nam quis hominum clarius aut tanta vociferatione bestiam vel furem praedicat, qua miste latratu? Quis
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(j¼ym/ky´o¯n) wurden nebenbei ganz unterschiedliche Tiere wie der Land- und der Seehund, ja selbst der Hundsstern und die Kynische Philosophenschule bezeichnet (Plant.151).32 Auf Philos Freude an dem verspielten kleinen Malteserhund haben wir oben schon hingewiesen.33 Jetzt ist von den Wachhunden zu reden, die ihre Herren bei plötzlich auftretenden Gefahren beschützen,34 den Hütehunden, die ihre Herden und ihren Herrn verteidigen (Decal.114 – 115),35 aber leider auch von angriffslustigen Wildhunden (Vit.Cont.40) und schließlich, wenn auch nur durch ihren Namen mit jenen verbunden, den überaus lästigen Hundsfliegen: Sie vereinigten gleichsam die negativen Eigenschaften des Hundes und der Fliege (lu?a/myı˜a), die hier zum ersten und letzten mal erwähnt wird (Mos.I.130). Jagdhunde kommen dagegen bei ihm nicht vor.36
11.6 Von Rindern, Ziegen und Schafen, ihrer Zucht und ihrem Nutzen Unter den zahmen Landtieren nahmen natürlich die Esel (emoi/noi), Pferde (Vppoi/hppoi) und Maultiere (aqe¼r/oreffls)37 als Reittiere, die Schafe (pqºbatoi/prbatoi) und Ziegen (aUcer/ages) als Nutz- und die Rinder (bºer/bes) als Nutz- und Arbeitstiere den ihnen gebührenden Platz ein. Halten wir uns zunächst an Rinder, Schafe und Ziegen, so werden sie von Philo so häufig erwähnt, dass sie sich unschwer samt ihren Hirten vorstellen lassen (Opif.85; Sacr.104; Somn.II.152).38 Diese waren für das Wohl der ihnen anvertrauten
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famulus amantior domini? Quis fidelor comes? Quis custos incoruptior? Quis excubitor inveniri potest vigilantior? Quis denique ultor aut vindex constantior?“ „Nun will ich, wie im ersten Teil meiner Abhandlung versprochen, von dem dummen Wächter der Herden sprechen, obgleich es falsch ist, vom Hund als einem dummen Wächter zu sprechen. Denn welches menschliche Wesen warnt deutlicher vor einem wilden Tier oder einem Dieb, wie es ein bellender Hund tut? Welcher Diener ist seinem Herrn ergebener als ein Hund? Welcher Wächter ist unbestechlicher? Welcher Begleiter treuer? Welchen wachsameren Nachtwächter kann man entdecken? Wer endlich ist ein standhafterer Rächer oder Verteidiger?“ Die Charakterisierung des Hundes in Ael.Nat.IV.40 bedarf der Ergänzung durch VI.62; VII.10.29.40 mit ihren Beispielen für ihre Treue und Anhänglichkeit. Zu den von Philo nicht erwähnten Jagdhunden vgl. umfassend Xen.Kyn.III.1–V.11. Vgl. zu ihr K. Döring, (GGPh.PhA II/1), 267 – 321. Vgl. dazu oben, 127. Vgl. zu ihnen Weeber, Alltag, 265 – 266. Zu den nötigen Eigenschaften eines Hütehundes vgl. Colum.Agr.VII.xiii.8 – 10. Nach dem Zenonpapyrius P.CairoZen.59075, zitiert bei M. Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte, 283 wurden unter den Ptolemäern Schäfer- und Jagdhunde nach Ägypten importiert. Zu dieser Kreuzung zwischen Esel und Pferd vgl. Spec.III.47. Zum Verhalten von Schafen und Ziegen vgl. Aristot.Hist.An.610b20 – 611a9; zu den an einen Hirten zu stellenden Anforderungen vgl. Varro Rust.II.x.1 – 11, zu ihrer Stellung als freier
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Herden verantwortlich und hafteten für Schäden, welche die von ihnen geweideten Tiere fremden Feldern zugefügt hatten (Spec.IV.22).39 Die Rinderherde (t¹ boujºkiom/t bouklion)40 wurde von einem Rinderhirten (b boujºkor/ho bouklos) betreut (Opif.85; Somn.II.152).41 Seine Herde setzte sich aus Stieren (oT taOqoi/ho tafflroi, sing. taOqor/tau¯ros), Kühen (boo¸/boo, sing. boOr/bou¯s) und Kälbern (lºswoi/mschoi, sing. lºswor/mschos) zusammen.42 Entsprechend stand der Schafherde (B po¸lmg/ pomne¯) der Schafhirt (b poil¶m/ho poime¯n) vor (Sacr.11; Post.66 – 67).43 Seine Herde bestand aus Widdern (oT jqio¸/ho krio, sing. jqiºr/krs) (Fug.132), Schafen (pqºbata/prbata) (Sacr.11) und Lämmern (%lmoi/mnoi) (Spec.I.198).44 Seine Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass der tägliche Lebensbedarf seiner Herde befriedigt wurde und sie nicht von selbst bewirkten oder eingeschleppten Krankheiten befallen würde, aber auch darin, sie durch angemessene Disziplinierungen vor ihrer Zerstreuung und Zersprengung zu bewahren.45 Daher gelte das Hirtenamt als etwas so Ehrwürdiges und Förderliches, dass die Dichter die Könige Völkerhirten nennen. Dagegen bezeichne „unser Gesetzgeber“ (d. h.: Moses) die Weisen als die einzigen wahren Könige, indem er sie als Herrscher vorstellt, die wie ein Hirte über die vernunftlosen Seelenteile aller Menschen herrschen (Agr.39 – 41). In ähnlicher Weise wurde die Ziegenherde (t¹ aQpºkiom/t aiplion) von einem Ziegenhirten (aQpºkor/aiplos) gehütet (Somn.II.152). Sie setzte sich aus Ziegenböcken (oT tq²coi, sing. tq²cor/trgos) (Fug.132), Ziegen (aT %icer/ aiges, sing. aUn/ax) (Somn.I.197). und den Böckchen bzw. Zicklein (oT/aT 5qivoi/ho/ha riphoi) (Spec.I.198) zusammen.46 All diese Tiere mussten von ihren Hirten auf die Weide (mol¶/nome¯) geführt werden (Spec.I.163). Das war nach Philos Einsicht (Somn.II.152, vgl. Opif.85) kein allzu schweres Geschäft, denn während die wilden Tiere noch auf ihre Zähmung warteten, gehorchten und folgten die Rinder-, Schaf- und Ziegenherden ihren Hirten bereitwillig.47 Obwohl die natürlichen Anführer von Schafen und Ziegen ihre jeweiligen Böcke seien (Somn.I.197 – 198), wären sie trotzdem die gutmütigsten und folgsamsten Tiere, die selbst ein kleiner
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Landarbeiter und ihrer literarischen und künstlerischen Hochschätzung vgl. C. Schneider, Welt des Hellenismus, 206 – 207. Zu den Pflichten der Hirten vgl. Weeber, Alltag, 109 – 115. Vgl. z. B. Sacr.89; Spec.I.136; Virt.126; Praem.103 und Aet.7.9. Zur Rinderzucht vgl. umfassend Varro Rust.II.v.2 – 18. Zum Weiden der Rinderherde vgl. Colum.Agr.VI.ii.5. Zur Schafzucht vgl. umfassend Varro Rust.II.ii.1 – 20. Nach P.Cairo Zen.59195 wurden milesische und nach 59433.22 f arabische Schafe und Schäfer nach Ägypten importiert, um den Bedarf der griechischen Bevölkerung an Wolle bester Qualität für ihre Kleidung zu decken, M. Rostoftzeff, Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte I, 283. Zu dem ihrer Aufgabe entsprechenden Alter und ihrer Zahl vgl. Varro Rust.II.x.1 – 4. Zur Ziegenzucht vgl. Varro Rust.II.iii.1 – 10. Zu den Schafherden vgl. auch Aristot.Hist.An.610b20 – 611a 9 und zu den Rinderherden 575a30 – 575b7.
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Junge auf die Weide und zurück in den Pferch führen könne (Spec.I.163). Rinder, Schafe und Ziegen sicherten den Hirten dank ihrer Milch48 und dem aus ihr hergestellten Käsen ein gutes Einkommen (Virt.144).49 Darüber hinaus lieferten die Schafe alljährlich dank der im Frühling erfolgenden Schur durch ihre Hirten die begehrte Wolle (Opif.85; vgl. Cher.79).50 Die Stiere pflügten das Land bei Tage und oft auch bei Nacht mit tief eingeschnittenen Furchen, wobei sie ein einziger Landarbeiter (ceypºmor/geo¯pnos) lenkte (Opif.85).51 Aus der Beobachtung, dass an die Herrschaft der Menschen gewöhnte Tiere, gleichgültig ob es sich bei ihnen um in der Luft, auf dem Land oder im Wasser lebende handelt, stets nach ihren Herren verlangten und sie nur so lange zusammenhielten, wie sie von ihren Führern betreut würden, sich ihrer beraubt jedoch zerstreuten und zugrunde gingen, zog Philo den parallelen Schluss, dass die Welt ihr höchstes Glück der Führerschaft Gottes verdanke (Somn.II.288 – 289).
11.7 Die Sonderrolle des Schweins52 Eine Sonderrolle unter den von Menschen gezüchteten Tieren spielte bei Philo das Schwein (sOr/sys): Es galt ihm biblischen Tabubestimmungen gemäß als das exemplarisch unreine Tier (vgl. Lev 11,7; Dtn 14,8). Weil es sich in seinem Kot wälzt, erscheint es ihm als Sinnbild von Menschen, denen es nach ihrem lüsternen Genuss von Wein und Leckerbissen nicht anders erginge (Spec.I.148).53 Ebenso wenig schmeichelhaft ist sein Vergleich von Männern, die Frauen heiraten, die ihre Unschuld bereits vor der Ehe verloren hatten, mit dem Kopulieren von Schweinen und Ziegen (Spec.III.36; vgl. auch 113). Obwohl Philo gehört hatte, dass kein Fleisch besser als Schweinefleisch schmecke (Spec.IV.161),54 stammte es für ihn von einem exemplarisch unreinen Tier, das er mithin als Jude nicht essen durfte. Dagegen wurde es von der griechischen Bevölkerung nicht nur für Opfer sondern auch als Delikatesse benötigt. Um den Bedarf zu decken, wurden nach den Zenon-Papyri auch Schweine aus Sizilien importiert.55 48 Zur Milch und zum Melken vgl. Aristot.Hist.An.521b26 – 523a12. 49 Zu Käseherstellung vgl. Varro Rust.II.xi.3 – 5 und Weeber, Alltag, 129 – 131. 50 Zur Schafschur vgl. Varro Rust.IIxi.5 – 9; zur wirtschaftlichen Bedeutung der Schafe als Woll-, Käse- und Milchlieferanten vgl. Colum.Agr.VII.ii.1 und Weeber, 280 – 284. 51 Zum Pflügen mit Stieren vgl. z. B. Opif.85; Spec.IV.12.205; ferner Spec.II.69 – 70 und zur Sache Weeber, 227 – 230. 52 Zur Massenzucht von Schweinen im Altertum vgl. Weeber, Alltag, 89. 53 Zur Schweinezucht vgl. umfassend Varro Rust.II.iv.1 – 22 und Colum.Agr.VII.ix.1–xii.3. 54 Vgl. Aeal.Nat.IX.28: „Es wird generell angenommen, dass das Schweinefleisch süßer als alles andere ist“. 55 P.Cairo.Zen.59710 und 59711, zit. bei Rostoftzeff, 283.
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11.8 Von Eseln, Maultieren und Kamelen Da der Esel (emor/nos) wegen der Größe seines Penis als geil galt, konnte Philo erklären, dass der Sohn Sichems Hamor (Gen 24,25 G) schon durch seinen wortgleichen Namen entsprechend gekennzeichnet sei, hätte er doch eine schamlose Unvernunft besessen (Migr.224; vgl. Mut.193).56 Auch der Esel in der Bileamerzählung (Num 22,29) repräsentiere das Prinzip eines vernunftlosen Lebens (Cher.32).57 Obwohl er ein geduldiger und unentbehrlicher Lastträger war, der keinen größeren Anspruch an sein Futter stellte,58 konnte ihn Philo wegen seiner negativen Konnotation nicht als Beispiel für Genügsamkeit und Leistungsbereitschaft einsetzen. Dass die aus der Kreuzung von Pferdehengsten mit Eselstuten entstandenen Maultiere (aqe?r/oreı˜s) mit ihrem kompakten Körperbau besonders gut als Lastträger geeignet sind, war schon in Philos Zeiten anerkannt.59 Doch als gesetzestreuer Jude merkte Philo an, dass solche Kreuzungen dem biblischen Verbot widersprächen (vgl. Dtn 22,9 – 11 mit Spec.III.47). Das biblische Gebot, dass man einen Esel und einen Ochsen nicht zusammenspannen dürfe, weil der Esel unrein und der Ochse rein sei (Dtn 22,10), erklärt Philo seiner apologetischen Tendenz gemäß als einen Akt der Rücksicht auf den Esel als das schwächere Tier ; denn das Gesetz nehme trotz seiner kultischen Unreinheit Rücksicht auf die Schwäche des Esels (Virt.146 – 147). Nach den Zenon-Papyri wurden unter den Ptolemäern auch Pferde und Esel aus Syrien nach Ägypten importiert.60 Als Reit- und Lasttier spielte natürlich auch das bedürfnislose Kamel (j²lgkor/kme¯los)61 bei Fernreisen, die durch aride Gegenden führten, eine große Rolle.62 In Ägypten selbst wurde es zum Transport von Lasten verwendet.63 Philo hebt besonders hervor, dass es seinen Kot wiederkäue,64 freiwillig niederknie, um sich mit einer schweren Last beladen zu lassen und dann mit erstaunlicher Spannkraft zu erheben (Post.148 – 149; vgl. auch Agr.133).65
56 Zu den Arten, der Aufzucht und Verwendung von Eseln vgl. Varro Rust.II.vi.1 – 5. 57 Zur Verbesserung der Bestände an Pferden und Eseln haben die Ptolemäer durch Importe aus Syrien gesorgt, P.Cairo.Zen. 59075, zit. bei Rostoftzeff, 283. 58 Colum.Agr.VII.i.1 – 3. 59 Vgl. zu den Kreuzungen zwischen Pferd und Esel und Esel und Pferd Varro Rust.II.viii.1 – 6 und Colum.Agr.VI.xxxvi.1–xxxvii.11. 60 P.Cairo.Zen.59075, zit. bei Rostoftzeff, 285. 61 Zum Körperbau der Kamele vgl. Aristot.Hist.An.499a13 – 30. 62 Nach Ael.Nat.XVII.7 vermag ein Kamel acht Tage lang ohne Wasser zu leben. 63 P.Cairo.Zen.59143; 58207; P.Mich.Zen.103, zit. bei Rostoftzeff, 284. 64 Was ihm nach Agr.131 die Einordnung als einem unreinen Tier eingetragen hätte. 65 Zum Vorkommen von Kamelen (Dromedaren) in Ägypten vgl. F.E. Zeuner, Geschichte, 297 – 301.
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11.9 Von Pferden und Reitern Aber eine besondere Rolle spielten bei Philo das Pferd (Vppor/hppos), sein Reiter (Rppe¼r/hippeffls), der Pferdezüchter (Rppotqºvor/hippotrphos), die Pferdezucht (Rppotqov¸a/hippotropha),66 das Pferderennen (B Rppodqol¸a/ hippodroma)67 und auch der einmal von ihm erwähnte Reiterkampf (Rppolaw¸a/hippomacha) (Det.2.). Selbst das Pferd, das von allen Tieren das mutigste sei, ließe sich leicht am Zaum führen, drücke seinen Rücken durch, um dem Reiter einen bequemen Sitz zu bieten und brächte ihn im Galopp an sein Ziel. So nehme der Reiter Leib und Beine eines anderen Lebewesens in seinen Dienst (Opif.84 – 86). Gehorche ihm das Pferd, streichle er es lobend; ginge es mit ihm durch, risse er es zurück, so dass es langsamer galoppiere (Agr.69 – 71).68 Bocke das von seinem Reiter in die Seite geschlagene Pferd, so stürze er rückwärts herunter (Leg.II.99).69 Stiege der Boden an, so lege der abgesessene Reiter dem Pferd einen Zaum ins Maul, springe auf und halte sich an seiner Mähne fest, wobei er entgegen dem Anschein die Führung behielte (Agr.67). Natürlich müssten die Pferde und gegebenenfalls auch die Hunde vorher entsprechend trainiert werden (Det.55).70 Diese Beobachtungen dürften belegen, dass Philo entweder selbst ein guter Reiter oder ein scharfer Beobachter in der Reitbahn gewesen ist.
11.10 Von Raubtieren als Feinden des Menschen Wenden wir uns seinen Bemerkungen über wilde Tiere zu, so erfahren wir, dass Löwen,71 Panther und andere für den Menschen gefährlich wären, weil sie sein Fleisch frässen und wie die Löwen und ihre Jungen sein Blut tränken (Mos.I.284; vgl. 291). Aber auch die in Ägypten vorkommenden Nattern (Kobras) seien sehr zu fürchten, weil ihre Bisse den sofortigen Tod bewirkten. (Mos.I.109).72 Zusammen mit Löwen und Krokodilen seien sie die gefährlichsten Tiere in Ägypten (Decal.78).73 Bemerkenswert und in mancher Be66 Vgl. dazu auch Colum.Agr.VI.xxvii.1 – 3 und der von ihm kritiklos mitgeteilten Mär von der gelegentlichen Zeugung eines Pferdes ohne Kopulation in xxvii.4 – 7 vgl. schon Varro Rust.II.i.9. 67 Vgl. auch. Anim.58 und Ael.Nat.I.55. 68 Zu unruhigen Pferden vgl. Congr.158. 69 Vgl. dazu auch die Anweisung Xen-Equi.IX-2 – 5 an die Reiter, ihr Pferd nicht zu reizen. 70 Vgl. dazu Xen.Equi.VI.4–VIII.9 und Kyn.VI.1–VII.26. – Dass Philo die Herrschaft des Reiters über sein Pferd auch allegorisch auslegen und auf den Sieg über die Leidenschaften beziehen konnte, wird durch Leg.II.104 (vgl. auch Leg.III.128) belegt. 71 Vgl. die ausgewogene Charakterisierung des Löwen bei Aristot.Hist.An.629b8 – 630a8 und knapp Ael.Nat.IV.34. 72 Vgl. auch Anim.52. 73 Vgl. die knappe Beschreibung der Flusskrokodile Aristot.Hist.An.II.503a8 – 14.
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ziehung erstaunlich ist sein Hinweis in Prov.II.108 auf das feine Unterscheidungsvermögen der Krokodile, die sich in Massen zeigten, wenn sie verehrt würden,74 wenn sie verfolgt würden, aber untertauchten und an manchen Stellen so gefährlich seien,75 dass selbst kühne Schiffer es nicht wagten, auch nur die Fingerspitze ins Wasser zu tauchen, während anderenorts selbst ganz Feige ins Wasser springen und um sie herumschwimmen könnten. Während einige Tiere die Menschen als ihre Herren anerkennten und ihnen dienten, befänden sich alle wilden Tiere zu Wasser und zu Lande (wie z. B. Wölfe (k}joi/ly´koi) mit den Lämmern und allen Menschen im Krieg (Praem.85 – 86). Löwen,76 Bären77 und Panther78 ließen sich jedoch durch ihre Pfleger oder ihnen ähnliche Menschen zähmen (Decal.113). Sie und die indischen Elefanten und Tiger könnten durchaus ihr Leben aufs Spiel setzen, um einen Artgenossen vor dem Tode zu retten (Praem.89).79 Wenn gekaufte und damit versklavte Löwen sich gegen ihren Herrn wendeten, müsse dieser lernen, wie grausam und schrecklich es sei, jemandes Sklave zu sein (Prob.40; vgl. auch das Euripides-Zitat in Prob.101). Oben wurde bereits erwähnt, dass ausgesetzte Kinder von Fleisch fressenden Vögeln zerrissen und aufgefressen werden konnten (Spec.III.115).
11.11 Von den Insekten Dass Gott sich um die Ägypter zu bestrafen der in alle Körperöffnungen kriechenden und juckende Stiche versetzenden Stechmücken bediente, obwohl ihm dafür Bären, Panter, Löwen und andere Fleisch fressende Tiere sowie durch ihren Biss tötende Nattern zur Verfügung gestanden hätten, zeige, dass es Gott darum gegangen sei, die Ägypter zu warnen und nicht zu vernichten. Andernfalls hätte er sie unmittelbar vom Himmel mit Hungersnot und Pest (kil` ja· koil`/limo¯ ka loimo¯) heimsuchen können (Mos.I.106 – 110).Von dem großen Heer der Insekten hat Philo außer den eben genannten Stechmücken (sjumipo¸/skynipo)80 nur wenige der Erwähnung wert gehalten. Zu ihnen gehören die Ameise (l¼qlgn/my´ rme¯x),81 die Biene (l´kissa/mlissa// 74 75 76 77
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Vgl. auch Ael.Nat.V.23. Vgl. Ael.Nat.X.24. Vgl. die Erzählung von Androclus und dem Löwen bei Gell.V.XIV.1 – 30 und Ael.Nat.VII.48. Vgl. die Erzählung von Eudemos und den von ihm als Jungtieren gezähmten Tieren, einem Hund, einem Bär und einem Löwen, von denen der herangewachsene Hund von dem Bären und der Bär zur Strafe von dem Löwen zerrissen wurden, bei Ael.Nat.III.21. Vgl. Ael.Nat.XV.14. Zum Elefanten als dem zahmsten und freundlichsten Tier vgl. Aristot.Hist.An.630b19 – 22 und zum Schutz, den Elefanten einander gewähren Ael.Nat.VII.15. Zur Diskussion über die Bedeutung des Wortes vgl. F.H. Colson, Philo VI (LCL 289), 330 – 331Anm.b. Vgl. zu ihr auch Aristot.Hist.An.622b19 – 22 und Ael.Nat.II.25.
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l´kitta/mlitta), die Wespe (sv¶n/sphe¯x),82 die Zikade (b t´ttin/ho tttix)83 und die Spinne84. Die Ameise setzt er als eines der kleinsten Tiere in Her.154 in ein Verhältnis zum Elefanten. Die Hundsfliege (jumºluia) steht für das ganze lästige Heer der Fliegen (Mos.I.130).85 Die Spinne aber wurde wegen ihres Geschicks im Weben von Netzen bewundert (Anim.18).86 Dass Bienen durchaus aggressiv werden und Menschen wie einst nach Dtn 1,43 – 44 die Amoriter in die Flucht schlagen können (Imm.99), gehört zu den unübersehbaren Erfahrungen mit diesen sonst so nützlichen Insekten.87 Über die im Bienenstaat herrschende Verteilung der Aufgaben lässt er Alexander in Anim.65 ausführlich berichten.88 Der von ihnen erzeugte Honig (l´ki/mli) gehörte nach Philos Ansicht freilich nicht zu den unentbehrlichen Grundnahrungsmitteln wie Gerstenkeks und (Süß-) Wasser, sondern zu den entbehrlichen, weil dem Lustempfinden dienenden Genussmitteln (Somn.II.48). Philo hielt es weiterhin für erwähnenswert, dass die Essener in ihren Siedlungen Bienenschwärme unterhielten (Hyp.11.8). Trotz seiner Bedenken schätzte er den Honig so hoch ein, dass er den Satz in Dtn 32,13, dass Gott Israel Honig aus dem Felsen saugen ließ, allegorisch auf den Felsen der göttlichen Weisheit als der Mutter des Alls bezogen hat (Det.115 – 118). Bedenkt man, dass Honig in alten Zeiten bis zum Siegeszug der Zuckerrübe das wichtigste Mittel zum Süßen von Speisen und Getränken war,89 tritt der asketischen Zug in Philos Äußerungen über ihn besonders deutlich hervor. Entsprechend hielt er es für gerechtfertigt, dass er wie auch der Sauerteig nach dem Verbot in Lev 2,11 nicht als Opfer zugelassen war (Congr.169). In Spec.I.291 gibt er dafür freilich aufgrund einer häufigen Verwechslung mit der Schlammfliege oder Mistbiene (Eristalis tenax L.)90 als Grund an, dass die Biene unrein sei, weil sie sich vom verfaulenden Fleisch toter Ochsen wie die
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Vgl. zu ihr auch Ael.Nat.I.28 und V.15 – 16. Vgl. zu ihr auch Ael.I.20. Vgl. zu ihr auch Ael.I 21. Vgl. zu ihr auch Ael.Nat.IV.51=VI.37. Vgl. auch Aristot.Hist.An.555b1 – 8. Zur Domestikation der Bienen in Ägypten vgl. F.E. Zeuner, Geschichte, 411 – 412, zur Nutzung der Bienen 418 – 420 und zu Bienenzucht und Honiggewinnung in der Antike Aristot.Hist.An.VIII (IX).623b5 – 627b22; Varro Rust.III.xvi.6 – 38, Verg.Georg.IV.1 – 94 und wohl am ausführlichsten Colum.Agr.IX.ii.1–xvi.2 und knapp K.-W. Weeber, Alltag, 31 – 34. 88 Schon Aristot.Hist.An.622b19 – 627b22 und Gen.Anm.759a1 – 761a1 hatte große Schwierigkeiten, die Organisation des Bienenstaates und seine Vermehrung zu verstehen, so das er – wohl zeitgenössischen Vorstellungen folgend – seine Leitung einem König statt einer Königin zuschrieb (vgl. auch Ael.Nat.I.11) und dann mit ihrer Vermehrung ohne Kopulation zwischen männlichen und weiblichen Bienen rechnete (eine Ansicht, die Colum.Agr.IX.ii.4 – 5 als für studiosis literarum, aber nicht für Bauern relevant erklärt hat). Auch er sprach der traditionellen Ansicht gemäß vom König und nicht von einer Königin der Bienen; vgl. Colum.Agr.IX.x.1 – 5. 89 Philo rechnet Det.118 auch das Manna dazu. 90 Vgl. dazu F.E. Zeuner, Geschichte, 416.
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Wespen (sv/jer/sphe¯kes) von dem toter Pferde ernährten.91 Von dem Zirpen der Zikaden (tett¸cer/tettges) weiß er zu berichten, dass sie über ihrem Musizieren das Essen vergäßen (Vit.Cont.35).92 Von den Wespen aber wusste er außer dem bereits Berichteten nur noch zu vermelden, dass Gott versprochen habe, sie gegen solche Menschen zu senden, die menschlicher Feinde unwürdig seien (Praem.96, vgl. immerhin Ex 23,29). Dass es im Reich der Insekten auch höchst gefährliche gibt, deren Biss tödlich ist, merkte Philo im Blick auf das vak²cciom/phalggion, eine in der Antike allgemein als äußerst giftig betrachtete Spinne93 an, der er die Natter (Kobra)94 bzw. die Eber (s}er/sy´es)95 als gefährliche Tiere an die Seite stellte, die sich allenfalls durch Beschwörungen zähmen ließen (Somn.II.88 – 89). Doch nach diesen Höhenflügen sei nüchtern angemerkt, dass Philo weder gewöhnliche Spinnen (!q²wmai/archnai), Flöhe (x}kkai/psy´llai), oder Wanzen (jºqeir/kreis) erwähnt hat, von denen letztere allenfalls in der attischen Komödie eine pikante Rolle spielten (Aristoph.Nub.144 – 152.634.711 – 715).
11.12 Von den Fischen Von den im Wasser lebenden Tieren wurden das Krokodil und das Nilpferd bereits erwähnt. So verbleibt es, noch Philos Äußerungen über die Fische vorzustellen.96 In Opif.63 differenziert er zwischen allen Arten von Fischen (Qwhe?r/ichtheı˜s) und Seeungeheuern (jgto¸/ke¯to), die sich nach ihrer Gestalt, ihrer Größe und ihrer Beschaffenheit voneinander unterschieden (vgl. auch Opif.147).97. In Opif.66 weist er ihnen wohl unter stoischem Einfluss eine eigentümliche Stellung zwischen Tieren und Nichttieren zu. Ihr Wesen hätte mehr am Leiblichen als am Seelischen teil, so dass sie bewegte Leblose (jimgt± %xuwa/kine¯t psycha) seien. Es sei ihnen nämlich nur soviel Seelisches beigemischt, um die Dauer ihrer Leiber zu bewirken, gerade wie Salz dem Fleisch zugesetzt würde, um sein Verderben aufzuhalten.98 Philo überrascht seine Leser darüber hinaus mit der Mitteilung der genauen Beobachtung, dass Seefische größer aussehen als sie sind, weil sie beim Schwimmen ihre Flossen 91 Vgl. Varro Rust.II.v.6; III.xvi.4; Verg.Georg.IV.281 – 314 und Ael.Nat.II.57, wonach die Bienen im Kadaver eines Ochsen geboren würden. 92 Vgl. Aristot.Hist.An.556a14–b20 und Ael.Nat.I.20. 93 Vgl. z. B. Aristot.Hist.An.542a1 – 17 und Ael.Nat.XVI.27. 94 Vgl. Ael.Nat.I.54 und VI.38 und zum Selbstmord Kleopatras mittels des Bisses einer Natter IX.61. 95 Zur aggressiven Sturheit des Ebers vgl. Aristot.Hist.An.488b14 – 15. 96 Zur Fischzucht in Süßwasserbecken und bei Reichen in Salzwasserbecken vgl. Varro Rust. III.xviii.1 – 9. 97 Das Wort astq´om ist vieldeutig, denn es bezeichnet auch die Muschel im Allgemeinen wie die Auster und die Purpurfarbe. 98 Vgl. (SVT II.721); Cic.Fin.38 (SVF.II.723), ferner Cic.Nat.Deor.II.129 und dazu M. Pohlenz, Stoa I, 83 und II, 49.
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ausstrecken (Ebr.182). Vermutlich hat er sie aus einem Lehrbuch, wenn nicht direkt aus Aristot.Mot.An.709b14 – 19 entnommen. Dass er die Erzählung von der ersten ägyptischen Plage in Ex 7,17 – 22, in der alle Fische im Nil starben, in Mos.I.93 dahingehend abändert, dass sie in einem großen Netz gefangen wurden, bezeugt sein apologetisches Interesse. Dass Fische zu den Leckerbissen gehörten, welche die Israeliten auf ihrem Wüstenzug vermissten, hielt er für vermutlich aus innerer Zustimmung für berichtenswert (vgl. Num 11,5 – 6 mit Her.79 – 80 und Spec.IV.126). Die in seiner Zeit durchaus aktuelle Frage der Fischzucht hat er in seinen Schriften jedoch nicht aufgenommen.99
11.13 Vom Unterschied zwischen Menschen und Tieren Menschen und Tiere unterscheiden sich nach Philo dadurch voneinander, dass allein die Menschen sprechen und Vernunft (kºcor/lgos) besitzen, während die Hunde bellen, die Kühe brüllen und die Löwen röhren (Somn.I.108; vgl. auch Somn.II.262 – 263). Vor allem aber handelten Tiere nicht aufgrund eines Planes, einer rationalen Überlegung, sondern aufgrund ihrer natürlichen Eigenschaften (Anim.80).100 So seien auch ihre Fluchtbewegungen und Angriffe keine Folge von Überlegungen, sondern ihrer jeweiligen natürlichen Disposition oder, wie wir heute sagen würden, ihrer Reflexe (Anim.86; vgl. auch Imm.48).101 Sie seien zwar den Pflanzen durch ihre sinnlichen Wahrnehmungen überlegen (Imm.44 – 45). Aber weil sie anders als die Menschen keine Vernunft (moOr/nu¯s) besäßen, eigne ihnen auch keine Wahlfreiheit. Daher verdienten Pflanzen und Tiere weder Lob noch Tadel, weil ihre Bewegungen und ihr wechselndes Verhalten keine Folge eigener Wahl, sondern ihrer Konstitution seien (Imm.48). Andererseits hatte er in De Agricultura berichtet, dass Pferde positiv auf das Lob eines Reiters reagieren (Agr.70 – 71.96).102 Das entspricht der stoischen Oikeiosislehre, nach der die sensitive Seele Menschen und Tieren gemeinsam ist:103 Denn Lob und Tadel sind eben nicht lediglich intellektuelle Urteile, sondern besitzen zugleich einen auf die sensitive Seele einwirkenden Stimmungswert.104 Die Überlegenheit des Menschen über die Tiere zeige sich darin, dass er sie zu beherrschen und zu benutzen verstehe. So könne ein einzelner unbewaffneter, nur mit einem Schafsfell bekleideter Mann unzählige Tiere anführen und ihnen mit einem Stab anzeigen, in welche Richtung sie ziehen sollten 99 Vg. dazu Colum.Agr.VIII.xvi.1–xvii.16 und zu Fischfang und Fischzucht in der römischen Zeit auch Weeber, Alltag, 56 – 66. 100 Zitiert nach R .Bees, Oikeiosislehre, 78 – 79. 101 Zitiert nach R .Bees, Oikeiosislehre, 78 – 79. 102 Vgl. dazu oben, 134. 103 Vgl. dazu unten, 216 – 217. 104 Zum Stolz der Pferde vgl. Ael.nat.II.10.
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(Opif.84; vgl. Spec.I.163). Es gäbe Schaf,– Ziegen- und Rinderherden und solche, die aus Schafen und Rindern bestünden und von Natur stärker ausgerüstet als ihr Hirte seien und sich trotzdem vor ihm duckten und seine Befehle befolgten. So würden Stiere an den Pflug gespannt, um tags und gelegentlich auch noch nachts von einem einzigen Bauern gelenkt die Erde mit langen, tief einschneidenden Furchen zu pflügen.105 Und im Frühling legten sich mit dickem Vlies beladene Widder friedlich nieder, um sich vom Schafhirten scheren zu lassen.106 Die Überlegenheit der Menschen über die Tiere zeige sich weiterhin darin, dass ihre Gedanken schneller als die Vögel flögen (Sacr.66). Aber auf anderen Gebieten könnten sich ihnen Tiere durchaus als überlegen erweisen: So können die Menschen zum Beispiel anders als die Vögel nicht fliegen (Det.152). Darüber hinaus besäßen Tiere noch andere Fähigkeiten, mit denen sie die Menschen in den Schatten stellen: So sähen der Falke (Req²n/hierx) und der Adler (!etor/etos) weiter als jeder Mensch, seien Bulle (taOqor/ tafflros) und Elefant (1k´var/elphas)107 stärker als jeder Athlet und ein Hund (sj¼kan/sky´lax) oder Häschen (kaccyd²qiom/laggo¯drion) schneller als jeder Wettläufer (dqole}r/dromeffls) (Post.161).108 Außerdem rieche ein Hund auf größere Entfernungen besser als ein Mensch sehe (Post.161; vgl. Somn.I.49). Andererseits gliche das Verhalten zuchtloser Menschen dem von Hunden, die sich erst bei einem einschmeichelten und ihn dann plötzlich anfielen, um ihn durch ihren Biss gefährlich zu verletzen (Gig.35). Im Zusammenhang einer Betrachtung über die proportionale Gleichheit des Körperbaus der größten und der kleinsten Lebewesen hat Philo u. a. die Ameise (l}qlgn/my´ rme¯x) und den Elefanten, die Schwalbe (wekid¾m/chelido¯n) und den Adler (!etºr/aets), die Seebarbe (tq¸cka/trgla) und den Walfisch (j/tir/ke¯tis) einander gegenübergestellt und betont, dass nicht nur ihr Körperbau, sondern auch ihre Empfindungen einander entsprächen (Her.154). Daraus hätten manche gefolgert, dass der kleinste Mensch als das schwächste aller Lebewesen trotzdem der ganzen Welt entspräche, weil jeder ihrer Bewohner aus einem Leib und einer vernünftigen Seele bestünden, so dass der Mensch eine kleine Welt und die Welt ein großer Mensch sei (Her.155).
105 Zum Alter der Ochsen beim Kauf und zu ihrer Verwendung beim Pflügen vgl. Varro Rust.I.xx.1 – 5. 106 Zum Schafhirten vgl. Weeber, Alltag, 112 – 115. 107 Vgl. Aristot.Hist.Nat.II.497b23 – 30. 108 Vgl. immerhin Ael-Nat.VI.47.
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11.14 Von der Torheit des ägyptischen Tierkultes Den Höhepunkt der Torheit im Umgang mit Tieren stellten in Philos Augen die Ägypter mit ihrer göttlichen Verehrung völlig ungezähmter und überaus wilder Tiere wie der von Löwen,109 Krokodilen und unter den Reptilien die der giftigen Natter (gemeint ist die Kobra) dar, denen sie Tempel und geheiligten Vorhöfen widmeten, die sie mit Opfern verehrten und mit Festversammlungen, Prozessionen und dergleichen auszeichneten. Denn nachdem die Ägypter Erde und Wasser auf der Suche nach ihren schrecklichsten Bewohnern durchwühlt hätten, seien sie auf ein Krokodil gestoßen, das gefährlicher als ein Löwe ist. Außerdem hätten sie andere Tiere wie Hunde, Katzen, Wölfe und unter den Vögeln den Ibis110 und die Falken, ja selbst Fische ganz oder einzelne ihrer Körperteile als Götter verehrt. Darüber könne jeder, der zum ersten Mal nach Ägypten komme, sich als über einen Wahn nur totlachen oder aber die Ägypter für geringer als die von ihnen verehrten Tiere halten (Decal.76 – 90; vgl. auch Vit.Cont.8 und Leg.Gai.139).111 Für Philo als gläubigen Juden war das alles ein Gräuel, weil es gegen die beiden Hauptgebote des Dekalogs verstieß, welche die Alleinverehrung Jahwes und dem bildlosen Gottesdienst fordern. (Decal.52 – 76).
11.15 Philos Erwartung eines universalen Friedens zwischen Menschen und Tieren Philos Denken über die Tiere gipfelte in seiner Hoffnung auf das Kommen eines universalen, Menschen und Tiere friedlich vereinigenden Zeitalters, wie es in Jes 11,6 – 9 verheißen war.112 Denn einst würde Gott um friedlich gesinnter Menschen willen, die brüderliche Gesinnung und Gemeinschaftsgeist pflegen und keinen Neid kennen,113 dafür sorgen, dass auch die wilden Tiere zu zahmen würden (Praem.87 – 88). Er begründete diese Hoffnung damit, dass es den Indern gelänge, Bären, Löwen, Panther und die nur in ihrem Land beheimateten Elefanten114 und Tiger so zu zähmen, dass sie von ihnen als Herren
109 Vgl. dazu H.A. Wolfson, Philo I, 13 – 17; A. Erman, Religion, 33 – 45; H. Bonnet, Reallexikon, 812 – 824a und zur Sache E. Hornung, Der Eine und die Vielen, 101 – 117. 110 Zum nur in Ägypten vorkommenden und verehrten Ibis vgl.Ael.Nat.II.38. 111 Zu der in dem Vorwurf liegenden Beleidigung der Alexandriner als Verehrer von Tieren vgl. E.M. Smallwood, Legatio, 225 – 226; zum Verständnis der Tiere als Bilder des Göttlichen in Plutarchs De Iside et Osiride vgl. R. Hirschberg-Luipold, Plutarchs Denken, 211 – 224. 112 Vgl. dazu O. Kaiser (FRLANT 249), 185 – 189. 113 Gemeint sind die Juden. 114 Die Elefanten haben sich von Indien aus in der Perser- und Alexanderzeit nach Westen ver-
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anerkannt würden. Als Musterbeispiel für die Anhänglichkeit eines Tieres an seinen Herren führte er das Malteserhündchen an, dass seine Zuneigung mit einem freundlichen Wedeln seines Schwanzes ausdrücke (Praem.89). So hoffte Philo, dass eines Tages auch die Skorpione, Schlangen und sonstigen Reptilien von ihren Giften keinen Gebrauch mehr machen würden. Doch in dem „Ägyptischen Nachbarn“ (gemeint ist der Nil) gab es in erreichbarer Nähe auch Menschen fressende Tiere wie die Krokodile und Nilpferd. Darüber hinaus lebten in den Meeren Tausende schrecklicher Tiere. Sie alle aber sollten dann einem tüchtigen und gottesfürchtigen Mann nicht mehr schaden, so dass er sich ungefährdet und unangefochten unter ihnen bewegen könnte, weil Gott die Tugend ehre und ihr das Vorrecht eingeräumt habe, dass ihr niemand (und also auch keine Bestie) widerstehen könne (Praem.89 – 90).
breitet, während die kleineren afrikanischen erst unter den Ptolemäern gezähmt wurden, F.E. Zeuner, Geschichte, 253.
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12. Philo und die Kennzeichen jüdischer Existenz 12.1 Jüdisches Leben im Schatten der Thora Dass Philo als Ausleger der Thora als dem Innbegriff des verbindlichen Gotteswortes für die Lebensführung der Juden und letztlich aller Menschen auch deren Einzelbestimmungen befolgte, dürfte im Vorausgehenden immer wieder deutlich geworden sein. Dass er das Erste und Zweite Gebot des Dekalogs und damit die Hauptgebote der Thora in besonderen Ehren hielt, dürfen wir getrost unterstellen, wird aber im Zusammenhang mit seiner Gotteslehre noch ausdrücklich zur Sprache kommen.1 Doch schon jetzt seien seine Auslegungen der in der Priesterschrift festgelegten Kriterien jüdischer Existenz in Gestalt des Einhaltens der Sabbatruhe (Gen 2,3; Ex 20,8 – 11; vgl. 31,12 – 17), des Verzichts auf Blutgenuss (Gen 9,4 vgl. Lev 3,7; 17, 10 – 14) und der Beschneidung (Gen 17,10 – 14) als Erweis seiner Treue gegenüber den göttlichen Geboten vorgeführt. Dabei wird sich zeigen, dass sich auch bei der Behandlung dieser Gebote seine grundsätzliche Tendenz spiegelt, die biblischen Gebote und Verbote als vernunftgemäß zu erweisen.2 Das so gewonnene Ergebnis sei dann durch einen Ausblick auf seine Äußerungen über die Kraft des Betens anhand seiner Auslegung biblischer Psalmverse erweitert, weil sich im Gebet die Lebendigkeit des Glaubens erweist.
12.2 Das Gebot der Sabbatheiligung3 Das 4. Gebot des Dekalogs gebietet den Menschen, dass sie all ihre Arbeiten in sechs Tagen verrichten und am siebten ruhen sollten.4 Philo erläutert es in 1 2 3 4
Vgl. dazu unten, 163. Vgl. dazu unten, 160. Vgl. dazu J. Leonhardt-Balzer, Jewish Worship, 53 – 100, bes. 95 – 100., Zu den religionsgeschichtlichen Problemen des Sabbats vgl. umfassend A. Grund, Entstehung, des Sabbats, bzw. die einschlägigen Beiträge von C: Körting/H: Spieckermann (TRE XXIX). 518 – 521 und Eckart Otto (RGG4, VII), 212 – 213. Nach ihnen geht das hebräische Wort Schabbat auf die entsprechende akkadische Bezeichnung des 15. Monatstages als dem Vollmondstag zurück. In vorexilischer Zeit sei wahrscheinlich zwischen dem 7. Tag der Woche als Ruhetag (Ex 23,12) und dem als Sabbat bezeichneten Vollmondstag zu unterscheiden. Die während der Exilszeit erfolgte kultische Neuorgansation hatte zur Folge, dass der monatliche Vollmondstag sistiert und der wöchentlich begangene Ruhetag als Sabbat bezeichnet wurde (vgl. Ex 20,9 – 11 und Dtn 5,12 – 15: Dabei setzt die Exodusfassung des Sabbatgebots bereits den priesterlichen Schöpfungsbericht voraus.
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Decal.96 – 101 dahingehend, dass sechs Arbeitstage ausreichten, um den Lebensunterhalt zu sichern, der siebte aber nach Gottes Urbild (!qw´tupor/ archety´pos) der beiden besten Lebensweisen in Gestalt der praktischen und der theoretischen dazu bestimmt sei, dass der Mensch philosophierend und die Wahrheiten der Natur bedenkend das eigene Leben daraufhin prüfe, ob es den Gesetzen entsprochen habe oder er seinen Lebenswandel korrigieren müsse. In Spec.II.56 – 70 fügte er in 62 – 64 den Hinweis auf die jüdische Praxis hinzu, nach der an diesem 7. Tag in jeder Stadt tausende von Schulen der Selbstzucht, der Weisheit, der Tapferkeit und Gerechtigkeit offen stünden. In ihnen löschten die Schüler aufmerksam ihren Wissensdurst, indem sie den Ausführungen ihrer Lehrer folgten: Philo stellt hier die Unterweisung in der Thora als die Anleitung zu einem tugendhaften Leben dar und hebt besonders hervor, dass die Schüler hier neben ihren Pflichten gegen die Menschen auch die gegen Gott kennen lernten, so dass sie ebenso über ihre Gott geschuldete Frömmigkeit und Heiligkeit wie über ihre den Menschen geschuldete Liebe (vikamhqyp¸a/philanthro¯pa) und Gerechtigkeit belehrt würden (Spec.II.62 – 63).5 Da überdies die Herren an diesem Tage lernten, die Dienste ihre Sklaven zu tun, würde an ihm ein Stück der ihnen als Menschen eigenen Gleichheit hergestellt (Spec.II.67 – 68). Auf die weiteren mit dem Sabbat verbundenen biblischen Gebote, die von der Einbeziehung der Tiere in die Sabbatruhe, dem Verbot des Feueranzündens an diesem Tag bis zu den Vorschriften des Sabbatjahres reichen, braucht im vorliegenden Zusammenhang nur hingewiesen zu werden (Spec.II.69 – 89). Dagegen verdient der das Thema beschließende Rat Philos eine Hervorhebung; denn nach ihm ihm sollten Menschen grundsätzlich davon absehen, irgendjemandem, sei es einem Tier oder einem Menschen, unerträgliche Lasten aufzuerlegen. Würden die Herren aufhören, ihren Sklaven derartige Befehle zu erteilen, würden sie die jugendliche Kraft ihrer Sklaven nicht zerstören, so dass ihre Seele noch vor ihrem Leib zusammenbräche. Legten sie ihnen ihren Kräften entsprechende Pflichten auf, würden sie ihre jugendliche Kraft verlängern, so dass sie bereitwillig die ihnen erteilten Aufgaben erfüllten (Spec.II.90 – 91). So kommt auch in der Auslegung der Sabbatgesetze die Menschlichkeit Philos zum Zuge, dem auch das Wohl des jungen Sklaven am Herzen liegt. Diesen Ratschlägen entsprechen andere in Virt.121 – 124 über die Behandlung von Sklaven, die ihn wiederum als Menschenfreund ausweisen.6 Nach ihnen sollte man einen gekauften Sklaven wie einen Freund behandeln und ihn wie einen gemieteten Diener versorgen, aber keinesfalls wie ein Vieh einsperren 5 Daher war es ein schwerer Verstoß gegen die Rechte der jüdischen Gemeinden im römischen Reich und eine Gotteslästerung, dass der römische Statthalter Flaccius die größte und vornehmste Synagoge Alexandriens im Zuge der Unruhen der frühen 40er Jahre entweihte (Leg.Gai.134). Borgen, Philo, 17 vermutet, dass sie mit der in b.Sukkah 5b und t.Sukkah 4.6 erwähnten „doppelten Säulenhalle“ in Alexandria identisch ist 6 Vgl. auch die einschlägigen Züge seiner Schilderung des Zusammenlebens der Essener in Prob.86 – 88, die er 88 als „Athleten der Tugend“ bezeichnet.
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Philo und die Kennzeichen jüdischer Existenz
oder grausam behandeln. Dazu gehöre, dass man ihm Zeit und Raum für seine Erholung einräume (Spec.II.82 – 83) und ihm im Fall einer unverschuldeten Misshandlung die Freiheit gäbe (Spec.III.201).
12.3 Das Verbot des Blutgenusses Das Verbot des Blutgenusses in Gen 9,4 wird von ihm damit begründet, dass im Fleisch das Blut des Lebens sei.7 Philo unterscheidet in seiner Erklärung in Q.Gen.II.59 zwischen den ernährenden, wahrnehmenden und rationalen Teilen der Seele. Von ihnen sei der rationale göttlich, weil der göttliche Geist sein Wesen sei (vgl. Gen 2,7).8 Dagegen sei das Blut die Substanz der wahrnehmenden und vitalen Seele, denn nach Lev 17,14 ist das Blut die Seele des Fleisches. Da aber Gen 9,4 zwischen dem Blut und seiner Seele einen Unterschied mache, seien Blut und Seele nicht identisch und die Seele untrüglich Geist. Dabei seien Blut und Seele in den Gefäßen miteinander vermischt, wobei in den Venen mehr Blut und in den Arterien mehr Atem sei. Aber seiner tieferen Bedeutung nach bezeichne die Schrift mit dem Blut des Lebens die feurige Tugend und Aufrichtigkeit des Menschen. Daher verachte, wer mit Weisheit erfüllt sei, alle sinnlichen Genüsse und Freuden, die zum Bauch und Unterleib gehören. Wer sich dagegen selbst genieße und Anstrengungen vermeide, falle gleichsam auf den Boden und lecke auf, was auf ihm liege, um sein Leben ohne den Genuss der himmlischen Speise der Weisheit zu beschließen. So hat Philo dem Verbot eine ethische Lehre entnommen, ohne eine eigentliche Begründung für es zu finden.
12.4 Das Gebot der Beschneidung Mit der Behandlung der Beschneidung als einem bei vielen verlachten Akt hat Philo Spec.I in 1 – 11 eröffnet und dabei zu zeigen versucht, dass sie sich auf 7 Die Einsicht, dass es sich beim Blut um „einen besonderen Saft“ handelt, spiegelt sich in zahlreichen ethnographischen und religionsgeschichtlichen Belegen, wobei Blut und Leben als zusammengehörig empfunden wurden, H. Wißmann (TRE V), 727 – 792. Zu den biblischen und frühjüdischen. Vorstellungen vgl. Otto Böcher (TRE VI),729 – 736 bzw. E. Cortese (RGG4 I), 1648 – 1650. Nach der alttestamentlichen Anschauung wohnt die „Seele“ und mithin das Leben im Blut, so dass sein Genuss streng verboten war (Gen 9,4 Lev 17,11 – 14; Dtn 12,23) und mit der Todesstrafe geahndet wurde (Lev 7,27; 17,10 – 14). Andererseits konnte unschuldig vergossenes Blut nur durch das Blut des Mörders gesühnt werden (Gen 9,6; Num 35,53). Im Passahritus dagegen besaß die Bestreichung des Türrahmens mit Blut einen apotropeischen Charakter, zur Widersprüchlichkeit von Ex 12,21 – 27 und dem ursprünglichen Zusammenhang des Ritus mit dem Totenglauben vgl. Kaiser, Gott I, 318 – 319. 8 Vgl. dazu unten, 205.
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realistischer wie symbolischer Ebene als ein vernünftiger Brauch erweist.9 So merkt er vorab an, dass die Beschneidung der Geschlechtorgane bei vielen Völkern und besonders bei den Ägyptern Sitte sei, einem Volk, das durch seinen Bevölkerungsreichtum, sein Alter und seine Philosophie herausrage. Daher sollten die Verächter des Ritus von ihrem kindlichen Spott absehen und besonnener nach den Ursachen für ihn forschen. Obwohl ihr Vollzug den Betroffenen schwere Schmerzen bereite,10 ließen sich zu seinen Gunsten die folgenden vier Gründe vorbringen: 1. vermindere er die Anfälligkeit für eine als Anthrax (Karbunkel) bezeichnete und überaus schmerzhaften Vorhautendzündung. 2. verstärke er die Reinheit des ganzen Leibes, um deretwillen die ägyptischen Priester ihren ganzen Leib scherten, weil sich unter den Haaren und der Vorhaut Schmutz ansammle. 3. gebe es eine Ähnlichkeit des beschnittenen Gliedes mit dem Herzen, weil beide der Erzeugung dienten, das Herz der von Gedanken und die Geschlechtsorgane der von lebenden Wesen. Doch 4. und vor allem diene sie der Fruchtbarkeit, weil sich der Same nicht in den Falten der Vorhaut verliere, so dass sich die beschnittenen Völker durch eine beschleunigte Vermehrung und einen entsprechenden Bevölkerungsreichtum auszeichneten. Philo hat mithin versucht, den Ritus einerseits als dem consensus gentium entsprechend und andererseits als eine der Gesundheit des Gliedes und zugleich der Fruchtbarkeit förderliche Maßnahme zu erklären.11 Zu diesen vier Gründen fügte Philo als einen weiteren hinzu, der sich ihm aus der allegorischen Deutung ergibt, die auf der Deutung der Beschneidung als Symbol für die Entfernung der Lüste aus dem Denken beruht, unter denen die Freuden des Geschlechtsverkehrs die stärksten seien.12 Darüber hinaus lehre sie die Menschen, sich selbst zu erkennen und ihre Seele von dem Dünkel der Eigenmächtigkeit zu befreien, als seien sie die Schöpfer ihrer Kinder, während doch Gott der wahre Urheber alles Werdens sei. Das aber hätten sie schon daran erkennen können, dass es viele zeugungsunfähige Männer und 9 Nach Prov.I.84 hätten die Juden das entsprechende Gesetz aufgrund freier Wahl eingeführt. 10 Zur Technik der Beschneidung vgl. Cels.Med.VII.25. 11 H. Wißmann (TRE V), 716; zum religionsgeschichtlichen Befund vgl. Arnold van Gennep. Übergangsriten (Les (rites de passage), 75 – 78 und Wißmann, 715 – 716, der auf seinen komplexen Charakter hinweist. Vgl. mit O. Betz (TRE V), 716 – 717 auch Hdt II.104.1 – 3, nach dem die Rite zuerst von den Kolchern, Ägyptern und Äthiopen vollzogen worden sei. Nach Jer 9,24 – 25 war sie auch bei den Edomitern, Ammonitern, Moabitern und arabischen Stämmen üblich. Da die Philister ausgrenzend als die Unbeschnittenen bezeichnet wurden (Jdc 14,3; 1Sam 14,6), kann man davon ausgehen, dass sie auch bei den sonstigen Einwohnern Kanaans ausgeübt wurde. Das Besondere ihrer göttlichen Verordnung in der sekundär priesterlichen Erweiterung in Gen 17,10 – 14 besteht darin, dass sie zum Zeichen des zwischen Gott und Abrahams Samen geschlossenen Bundes erklärt und nicht nur die Abrahamiten (sprich: Israeliten), sondern auch deren männliche Sklaven einschließt. Dadurch ist sie zum Erkennungszeichen der Juden in der hellenistisch-römischen Welt geworden (vgl. Tac.Hist.V.1.5). Zu ihrer Bedeutung im Islam vgl. Ulrich Rebstock (RGG4 I), 1358. 12 Vgl. auch Migr.92.
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Philo und die Kennzeichen jüdischer Existenz
unfruchtbare Frauen gebe, deren Beilager wirkungslos sei, so dass sie kinderlos alterten.
12.5 Philo und das Gebet Religiöses Leben vollzieht sich vor allem im Gebet und der rituellen Feier mit ihrer Verlesung der Gründungsmythen und Grundgeboten des Glaubens. Demgemäß hinterließen wir eine unverzeihliche Lücke in unsrer Darstellung des Lebens und der Lehren des jüdischen Religionsphilosophen Philo, wenn wir ihm nicht auch zum Gebet als Ausdruck des Wissens um unsere schlechthinnige Abhängigkeit von Gott das Wort erteilten.13 Dabei ergibt sich freilich die Schwierigkeit, dass sich Philo in keiner seiner zahlreichen Schriften systematisch über das Gebet geäußert hat. Seine gelegentlichen Hinweise auf den einen oder den anderen Psalm zeigen, dass er sie den vielfachen Gattungen dieser Dichtungen gemäß unterschiedlich in seine Lehren einbeziehen konnte. So hat er z. B. Ps 22 G (23 M) als Mahnwort zum Gottvertrauen behandelt (Agr.49 – 54) oder die Bitte Moses in Ex 15,17 – 18, das befreite Israels in das heilige Land zu führen, allegorisch auf die Leitung der Seelen bezogen, die der Einpflanzung der „richtigen Vernunft“, des aqh¹r kºcor/orths lgos, als dem Mittler zwischen Gott und Mensch bedürfe. Er würde die Beter entsprechend zu einem tugendhaften Wandel und damit zum ewigen Leben anleiten (Plant.46 – 60). Wichtiger ist es unter systematischen Gesichtspunkten wohl, dass er die Danksagung als Äußerung einer vernünftigen und tugendhaften Natur bezeichnet hat (Plant.135).14 Dass Philo von der Macht des Gebetes überzeugt warm belegen Migr.121 – 124, Q.Gen.I.70 und IV.70: Im ersten Teil der der Schrift De migratione Abrahami 1 – 147 geht es um die sechs Geschenke die Gott Abraham auf seiner Wanderung in das verheißene Land machte. Dabei bestand das sechste darin, dass alle Teile seiner Seele von Gott gesegnete wurden, so dass er (wie ein Stoiker) gemäß der Natur lebte und der „richtigen Vernunft“ folgte. Daraus zieht Philo in Mirg.124 die Folgerung, dass wir darum beten müssten, dass der Nou¯s (die göttliche Vernunft) in der Seele und der gerechte Mann im Menschengeschlecht nicht fehlten. Ziehen wir noch Q.GenI.70 und IV.70 heran, so wird in der zuerst genannten Stelle Gen 4,10 und in der zweiten Gen 20,17 – 18 ausgelegt: Aus Gen 4,10 („Die Stimme deines Bruders schreit nach mir aus dem Felde“) könne man entnehmen, dass Gott die Gebete der Frommen auch noch nach ihrem Tode erhöre, und aus Gen 20,17 – 18, wo berichtet wird, dass Gott die Frau und die Mägde des König Abimelek von Gerar auf Abrahams Gebet hin heilte, dass 13 Vgl. zum Folgenden Kaiser, Gebet bei Philon, 625 – 644. 14 Vgl. dazu H.A. Wolfson, Philo II, 237 – 238 und J. Leonhardt-Balzer, Jewish Worship, 117 – 141. bes. 138 – 141.
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Die Wallfahrten nach Jerusalem als Zeichen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Gott aus seiner besonderen Gnade gegen den Weisen die unwillentlichen Sünden des Königs und seiner Höflinge vergeben hätte. Eine besondere Rolle spielte seit der Perserzeit das Gebet als stellvertretendes Opfer (vgl. z. B. Ps.50 (49 G).15 Es trat, ob laut oder nur im Herzen gesprochen, in der Diaspora gleichberechtigt neben das nur im Jerusalemer Tempel vollziehbare Dankopfer (vgl. Prov.frg.II.64 mit Spec.I.272). Das bedeutete natürlich keine Verwerfung der in der Thora gebotenen Opfer, darf aber als ein Zeichen für die zunehmende Verinnerlichung der Gottesbeziehung bewertet werden. Aber man war überzeugt, dass sie nur dann bei Gott zählten, wenn sie mit reinem Herzen dargebracht wurden.16 Wir können verallgemeinernd festhalten, dass Philo davon überzeugt war, dass ein gesundes und gesegnetes Leben von Gott erbeten sein will und die Fürbitte heilende Kräfte freisetzt. Was nun Philo selbst betrifft, so haben wir keinen zureichenden Grund, anzunehmen, dass ihm selbst Bitte und Fürbitte fremd gewesen sind. Aber als ein Mann, dem es darum ging, Andere auf den richtigen Weg zu einem gelingendem und ewigen Leben zu führen, hat er über das eigene Innerste einen Vorhang gezogen.
12.6 Die Wallfahrten nach Jerusalem als Zeichen von Philos Gehorsam gegen die Gebote der Thora Jerusalem war mit seinem Tempel in Philos Augen nicht nur der gegenwärtige Mittelpunkt der Welt für die Juden, sondern nach seiner sich auf die wachsende Zahl der Proselyten stützende Erwartung gemäß der Weissagungen der Propheten dazu bestimmt, das geistliche Zentrum der Welt zu werden (vgl. Jes 56 mit Jes 60).17 Dieser Stellung fand in der Thora in dem Gebot seinen Ausdruck, dass alles, was männlich ist, dreimal im Jahr und zwar am PassaMassot, an dem Israel des Auszugs aus Ägypten gedachte, am Schebuot oder Wochenfest, wenn die Getreideernte abgeschlossen war, und am Lese- oder Laubhüttenfest im Herbst vor dem Herrn an dem von ihm erwählten Heiligtum erscheinen soll (vgl. Ex 23,14 – 19; Dtn 16,1 – 17; Lev 23,4 – 43). Dort, und nur dort konnten dem Herrn Sündopfer, Dankopfer und Brandopfer dargebracht werden (Lev 17,1 – 9). Dort, und nur dort waltete der Hohepriester, um Israel schon jetzt und künftig die Bevölkerung der ganzen Erde mit dem Herrn zu versöhnen (Lev 16). Dass Philo grundsätzlich bereit war, sich dieser Forderung nicht zu entziehen, geht daraus hervor, dass er in Prov.II.107 davon berichtet, dass er auf der Reise nach Jerusalem, wo er beten und opfern wollte, 15 Vgl. dazu auch Kaiser, Gott II, 205 – 206. 16 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 242 – 245.f 17 Vgl. dazu unten, 263 – 264.
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Askalon passiert hätte.18 Wie oft er dieser Pflicht genügte, wissen wir nicht. Aber sie sollte uns zusammen mit seinem Festhalten an den an den Juden gerichteten Grundforderungen der Sabbatheiligung, des Verzichtes auf Blutgenuss und der Beschneidung als dem Zeichen der Zugehörigkeit zu dem Bundesvolk Israel daran erinnern, dass im Hintergrund seiner allegorischen Auslegungen und der durch sie vermittelten Kosmologie, Theologie, Anthropologie und Ethik das konkrete Dasein des gesetzestreuen Juden Philo stand. Oder anders ausgedrückt: Der Religionsphilosoph Philo und der gesetzestreue Jude lassen sich nicht voneinander trennen.
18 Zu den Pilgerfahrten nach Jerusalem und der geschätzten Zahl der Festpilger vgl. Joachim Jeremias, Jerusalem, 86 – 98.
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13. Rückblick: Die Bestimmung von Philos Sicht auf seine Welt durch sein Lehrziel eines dem Gesetz der Natur und dem Gesetz Moses gemäßen Lebens
13.1 Philo als aufmerksamer Beobachter seiner Welt Blicken wir auf die in den vorausgehenden Kapiteln vorgestellten Bereiche von Philos sozialer, kultureller und biologischer Welt zurück, so erweist er sich als ein universal gebildeter und universal interessierter Mann, den man keineswegs als einen lebensfernen Intellektuellen bezeichnen und damit auf die Seite schieben kann. Er hat offensichtlich aufmerksam beobachtet, was ihm in Haus, Garten und Hof, in der Welt der Pflanzen und Tiere und im beruflichen und kulturellen Umfeld Alexandrias als der damals bedeutendsten Hafenstadt des Mittelmeeres und (gezwungen durch das von dem Präfekten Flaccus geduldete Pogrom gegen die Juden in Alexandria) auch in der großen Welt des Kaiserhofes begegnet ist. Dabei hat ihn der Handel als solcher offensichtlich weniger interessiert als die durch ihre unterschiedlichen Berufe und soziale Stellung geprägten und gegebenenfalls auch belasteten Menschen. Sein gesellschaftlicher Blick reicht von der Großfamilie, ihren Mitgliedern und ihren Bediensteten bis zu den äußersten Randgruppen der Gesellschaft, von denen er das bedauernswerte Los der Sklaven mit besonderer Anteilnahme dargestellt und beurteilt hat.
13.2 Das Gesetz der Natur und das Gesetz Moses als Maßstäbe der Urteile Philos Dieses ganze Wissen wurde von ihm jedoch nicht um seiner selbst willen in seine Traktate und Exegesen einbezogen, sondern am Gesetz der Natur und dem offenbarten Gesetz Gottes gemessen.1 Dabei bildeten die natürlichen Abhängigkeitsverhältnisse und die sich daraus ergebenden Herrschaftsrechte den Maßstab für die Beurteilung des zwischenmenschlichen Verhaltens, weil sie gleichsam das Recht der Natur auslegten. Andererseits hat er den sich aus dem Recht der Natur ergebende Grundsatz, dass alle Menschen von Natur aus frei sind,2 im Blick auf die Sklaven nur zugunsten ihrer menschlichen Be1 Vgl. dazu unten, 160. 2 Vgl. dazu oben, 108.
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Die Bestimmung von Philos Sicht auf seine Welt
handlung, aber nicht ihrer rechtlichen Stellung ins Feld geführt.3 Dem Treiben der Menschenräuber, die freie Menschen aufgriffen und auf dem Sklavenmarkt verkauften, galt jedoch sein besonderer Abscheu.4 Doch während er Hab- und Herrschsucht als die eigentlichen Motive für die die Geschichte der Menschheit durchziehenden Kriege verantwortlich machte und gleichzeitig dazu aufrief, beide im eigenen Herzen dem sittlichen Wollen zu unterwerfen,5 lag ihm der Gedanke fern, diese Einsicht auch auf das Institut der Sklaverei anzuwenden und daher ihre Abschaffung zu verlangen, weil die Wirtschaft nicht nur seiner Zeit auf billige Arbeitskräfte angewiesen war. Wie sehr die Menschen der Habsucht unterworfen sind, zeigt sich daran, dass die Sklaverei erst in dem Maße schrittweise zurückgedrängt wurde, in dem die manuelle Arbeit billiger und effektiver durch Maschinen ersetzt wurde, und das liegt noch keine 200 Jahre zurück. Darüber hinaus wurde seine sittliche Urteilskraft durch den Glauben an die göttliche Inspiration der Thora ebenso befruchtet wie begrenzt: Falls das, was in ihr geboten oder verboten war, nicht mit dem Recht der Natur und dem sich aus ihm ergebenden Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor Gott übereinstimmte,6 besaß ihre konkrete Entscheidung des Falls den Vorrang vor dem Gesetz der Natur. So blieb selbst in Philos Bild der Heilszeit, in der alle Völker dem Herrn dienen und seine Gebote halten sollten, für die Ammoniter und Moabiter kein Platz frei, weil ihre Aufnahme in die jüdische Gemeinde nach Dtn 23 verboten war.7 Und während er aus dem Grundsatz, dass alle Menschen von Natur aus gleich seien, die Forderung der menschenwürdigen Behandlung der Sklaven ableitete, teilte er doch kommentarlos die Bestimmung aus Ex 21,20 – 21 mit, dass der Sklavenbesitzer frei ausgeht, wenn der von ihm gezüchtigte Sklave erst nach einem oder zwei Tagen stirbt.8 Ebenso wenig kam Philo auch nur der Gedanke, dass eine gewerbliche Unzucht treibende weibliche oder männliche Person zur Aufgabe ihres Gewerbes veranlasst werden und danach wieder in die Gemeinde aufgenommen werden könnte, weil die Thora in beiden Fällen anders entschieden hatte (Dtn 23,19). Gegen das Gebot, die Kinder einer Hure in die Gemeinde aufzunehmen (Dtn 23,3), erhob er trotz ihres beklagenswerten Loses keinen Einwand.9 Alle gleichgeschlechtlichen intimen Beziehungen waren für ihn wegen ihrer Ächtung in Lev 18,22 und 22,13 ein Gräuel, die er mit zweifelhaften bevölkerungspolitischen Gründen zu rechtfertigen suchte.10 Die in Jesu Umgang mit den Zöllnern, Sündern und Huren aufleuchtende Macht der alle Menschen zur 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. dazu oben, 108 – 109. Vgl. dazu oben. 116. Vgl. dazu oben, 104. Vgl. dazu unten, 211 – 212. Vgl. dazu unten, 264. Vgl. dazu oben. 110. Vgl. dazu oben. 112. Vgl. dazu oben, 112 – 114.
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Buße rufenden und zugleich umfassenden göttlichen Liebe (Mt 21,31) war ihm fremd. Dass es genetische Veranlagungen für das Sexualverhalten gibt, setzt sich erst heute durch und trifft dabei auf tief verwurzelte Widerstände.
13.3 Philos kritischer Blick auf die Gesellschaft seiner Zeit Über solchen auf die seinem insgesamt aufgeklärten Denken gesetzten Grenzen sollte man nicht übersehen, mit welch offenen und kritischen Augen Philo auf die Gesellschaft seiner Zeit blickte. Denn in ihr waren nach seinen Beobachtungen die ein gesittetes Zusammenleben begründenden Maßstäbe durch das Streben nach Reichtum, die Demonstration des luxuriösen Besitzes und eine hedonistische Unsittlichkeit auf eine ihn mit Abscheu erfüllende Weise korrumpiert. Er teilte damit die Ansichten der Philosophen, wobei er sich in Sonderheit durch die leidenschaftliche Ablehnung eines auf den Lustgewinn abzielenden Lebens durch die Stoiker inspirieren ließ. Insofern war er auf dem Felde der Ethik in Übereinstimmung mit den von ihm übernommenen zumal stoischen und platonischen Lehren und ihrer naturrechtlichen Begründungen im Blick auf seine Auslegung der biblischen Gebote in heutiger Sicht ein wertkonservativer Denker.
13.4 Philos denkender Glaube Sein Glaube war denkender Glaube, der sich bei der Welt- und Existenzerhellung der Lehren der großen Denker der griechisch-hellenistischen Welt bediente, ohne ihnen einen Einspruch in seinen Glauben an Gott als Grund und Ziel des Lebens zu gestatten und die Erwählung Israels durch diesen einen und einzigen Gott in Frage zu stellen. Dank dieser biblischen Rückbindung seines Glaubens, war ihm die Existenz des transzendenten Gottes als dem Schöpfer, Hirten und Hüter der Menschen gewiss.11 Daher wurde sein Verhalten zu den philosophischen Lehren durch das Prinzip von Anknüpfung und Widerspruch bestimmt: In allen Bereichen der Existenz- und der Welterhellung bediente er sich mit einem gesunden Unterscheidungsvermögen der philosophischen Lehren, ohne jede seiner Überlegungen biblisch abzusichern. Im Bereich der Theologie blieb dagegen die Möglichkeit der Rückkoppelung der Gedanken der Philosophen an die biblischen Aussagen entscheidend. Sowie jene sich mit dem Glauben an den lebendigen und persönlichen Gott als unvereinbar erwiesen, versagte er ihnen die Gefolgschaft.12 11 Vgl. dazu unten, 186 – 188. 12 Vg. dazu z. B. unten, 245 – 247.
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Die Bestimmung von Philos Sicht auf seine Welt
Dass denkender Glaube und der konkrete Gehorsam gegen die Gebote der Thora in seiner Person zusammengehörten, sei noch einmal in Erinnerung gerufen.
13.5 Philos Botschaft von der Ausrichtung alles Strebens auf das Ziel des ewigen Lebens Die Philosophen von Pythagoras bis zu Hegel haben diese Welt mehrheitlich auf ihren göttlichen Grund hin befragt und das irdische Leben als einen Abschnitt im ewigen Leben beurteilt. Zu ihnen gehört auch Philo, der seine breite Weltkenntnis dazu benutzte, seine Leser zum Kampf um die eigene sittliche Integrität aufzurufen. So stellte er ihnen die Athleten, die ihre ganze Lebensführung darauf ausrichteten, im nächsten Wettkampf den Sieg zu erringen, oder die Ärzte, die alles tun, um ihre Patienten zu heilen, oder die Offiziere, deren ganzes Handeln unter dem Leitgedanken steht, ihre Armee zum Sieg zu führen, oder die Steuermänner, die alles tun, um ihre Schiffe sicher durch Stürme und Wogen in den bestimmten Hafen lenken, oder die Hirten, die treu ihre Herden hüten, als Beispiele für ein Verhalten vor, das alles einem einzigen Ziel unterordnete. Das aber war ein gemeinschaftsgerechtes und gottwohlgefälliges Leben als eine Etappe auf dem Weg zum ewigen Leben. Das Mahnwort in 2Tim 2,5, dass niemand gekrönt wird, er kämpfe denn recht, entspricht ganz der Absicht, mit der Philo seine Leser zu einem tugendhaften Leben und der Hoffnung auf das ewige Leben ermutigen wollte. Doch die entsprechenden Grundsätze, die in seinen Äußerungen über seine Welt und seine Zeitgenossen aufleuchten, werden erst voll einsichtig, wenn wir uns im Folgenden seiner Behandlung der großen Themen der Kosmologie, Theologie, Anthropologie und Ethik einschließlich seiner politischen Ideale und seiner Endzeiterwartungen zuwenden.
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Teil III Philo als denkender Ausleger der Thora
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14. Philo als Exeget 14.1 Philo als philosophisch gebildeter Ausleger der Thora Als Grundlage seiner Exegesen und Reflexionen dienten ihm die fünf Bücher Moses in der griechischen Übersetzung der Siebzig, der Septuaginta, die er als der Hebräischen Bibel gleichwertig erachtete.1 Sie bildeten seiner Überzeugung nach eine innere Einheit, deren Texte es gemäß ihrem Schrift- und ihrem allegorischen Sinn zu deuten galt, (vgl. Q.Gen.III.3/LCL 380,178 – 179 mit Abr.131), mögen sie sich nun mit der Schöpfung oder heilsgeschichtlichen Ereignissen beschäftigen oder Anweisungen zum richtigen Handeln enthalten (Praem.1 – 3).2 Philo hat in seinen Schriften keine anderen biblischen Bücher außerhalb des Pentateuchs kommentiert, auch wenn er gelegentlich weitere biblische Belege herangezogen hat.3 Die Autorität der Thora beruht nach Philos Überzeugung darauf, dass sie Moses auf wunderbare Weise von Gott selbst offenbart worden ist, der selbst ohne Stimme eine solche als Offenbarungsmittler erschuf (Decal.32 – 35). Die Aufgabe, den der Menge verborgenen philosophischen Sinn der Schrift zu entschlüsseln (Spec.III.6), stellte sich ihm deshalb, weil sich Moses in der Thora nach seiner Überzeugung selbst allegorisch ausgedrückt hatte (Jos.28). Das bedeutet, dass ihre scheinbar abstrusen erzählenden Aussagen („Mythen“)4 von vornherein nicht wörtlich verstanden, sondern mittels der Allegorese auf didaktischen Sinn hin befragt werden sollen (Spec.III.6).5 Dabei dienten ihm die Konzepte der griechischen und der hellenistischen Philosophie als erlaubte Hilfsmittel, diesen Sinn zu bestimmen, weil nach seiner 1 Vgl. Mos.II.26 – 44 mit Ps.Arist.9 – 10.301 – 311 und Jos.Ant.XII.34 – 39.101 – 109, dazu Siegert, Interpretation, 172 – 176 sowie zur tatsächlichen Geschichte der Entstehung der Septuaginta knapp W. Kraus/M. Karrer, Septuaginta Deutsch, IX – X bzw. ausführlicher A. A. Fischer, Text des Alten Testaments), 115 – 128, zur der Bewertung der Entstehungslegende im Aristeasbrief bes. 118 – 121. Philos Hebräischkenntnisse dürften sich auf den Gebrauch von Onomastica beschränkt haben, die hebräische Ausdrücke und Namen zusammenstellten und erklärten; vgl. dazu z. B. J. Morris (Schürer-Vermes III/2), 869 – 870; Siegert, Interpretation, 173 und weiterhin Kamesar, Interpretation, 71 – 72. 2 Dass Philo mit seinen Allegorien gelegentlich auf den Widerspruch von anderen Auslegern stieß, die auf dem Wortsinn beharrten, geht aus Somn.I.102 hervor. 3 Bezeichnender Weise umfasst der von J.W. Earp zusammengestellte Index der Philo zitierten Pentateuchtexte in LCL 379 die S.191 – 259a und der der restlichen biblischen Bücher der LXX die S.259b–265a. Für die Existenz eines fest umrissenen dreiteiligen Kanons gibt es in seinen Schriften keine Anhaltspunkte. 4 Zur Bedeutung des Mythos als Plan oder Plot einer nachahmenden Erzählung vgl. Aristot.Poet.1450a3 – 5. 5 Vgl. zum Folgenden auch C.A. Anderson, Physical World, 24 – 29.
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Überzeugung die griechische Weisheit im umfassenden, die Gesetzgebung einschließenden Sinn von der Thora abhängig war.6 Der Gedanke, dass solche Übereinstimmungen soziologische oder anthropologische Gründe besitzen, lag jenseits des antiken Problemhorizontes.7 Dass Platons Timaios für Philo gleichsam die Bedeutung einer zweiten Bibel besaß, wird sich im Fortgang unserer Untersuchung immer wieder zeigen, wurde aber von David R. Runia längst umfassend belegt.8 Trotzdem sah sich Philo nicht genötigt, sich mit einer einzigen philosophischen Schule zu identifizieren. Daher war sein Umgang mit den Meinungen der Philosophen eklektisch:9 Er interpretierte die kosmologischen Texte im Licht von Platons Timaios,10 die anthropologischen im Licht der die Schulen verbindenden dreischichtigen Seelenlehre,11 wobei die stoische Oikeiosislehre die Anthropologie mit der Ethik verknüpfte,12 um dann deren Härten mit Hilfe platonischer Gedanken und einer eigenen Lebensalterlehre abzumildern.13 Die Grenze zwischen den Konzepten der Philosophen und seinem eigenem Denken wurde durch die Unantastbarkeit seines Glaubens an den persönlichen Gott bestimmt. Insofern kann man mit einem gewissen Recht behaupten, dass er eher ein philosophisch angehauchter Prediger als ein eigentlicher Philosoph gewesen ist.14 Doch auch dieses Urteil wird man relativieren, indem man ihm einen denkenden Glauben zuerkennt, dessen scheinbare philosophische Flexibilität insofern programmatisch war, als es ihm um den Nachweis der Wahrheit und mithin der Denkbarkeit des Glaubens an den einen lebendigen und persönlichen Gott ging.15 Dabei dienten ihm die Einsichten der Philosophen als Hilfsmittel zur Existenz- und Welterhellung. 6 Vgl. z. B. Her.214, wo er erklärt, dass Heraklit These, dass zwei Gegensätze ein Ganzes bilden, bereits von Moses vertreten worden ist; oder Prob. 57, wonach Zeno seine Gedanken dem Gesetzbuch der Juden entnommen habe; oder Spec.IV.61, wonach griechische Gesetzgeber die Vorschrift, dass eine auf dem bloßen Hören beruhende Aussage eine Zeugen nicht gültig sei, aus den „heiligen Tafeln Moses“ (vgl. Ex 23,8) entnommen hätten: oder Mut.167 – 168, wonach die Lehre griechischer Philosophen, dass die Tugend von einem Glücksgefühl begleitet sei, auf Moses (vgl.. Ex 4,14) zurückginge, und nicht zuletzt Mos.II.19 – 20 wonach Barbaren und Griechen, Bewohner des Festlandes und der Inseln, Europas und Asiens durch die jüdischen Gesetze angezogen würden, während sie sonst fremde Gesetze ablehnten; vgl. dazu auch Zeller, Geschichte III/2, 393–394. 7 Vgl. dazu den Vergleich, den A.C. Hagedorn in seiner Abhandlung „Between Moses and Plato über die Stellung des Individuums und der Gesellschaft im Deuteronomium und Altgriechischem Recht“ vorgelegt hat und seine Zusammenfassung 278 – 284. 8 Philo of Alexandria and the Timaeus of Plato. 9 Vgl. dazu H.A. Wolfson, Philo I, 93 – 115 und J. Dillon, Middle Platonists, 146 – 153. 10 Vgl. dazu unten, 173 – 174. 11 Vgl. dazu unten, 205. 12 Vgl. dazu unten, 216 – 217 u. 219 – 220. 13 Vgl. dazu unten, 238 – 240. 14 Vgl. Wolfson, 98, der hinzufügt: „That he was a good preacher—in fact, the founder of the at of preaching as we know it—and perhaps the greatest philosophic preacher that has ever lived, can be wrightly admitted.” 15 Für diese Einsicht bin ich meinem verstorbenen Freund Carl Heinz Ratschow dankbar, der sie in
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14.2 Die Allegorische Auslegung als Erbe der stoischen Homerexegse und Philos jüdische Vorgänger in Alexandrien Da Moses nach Philos Überzeugung keine Mythen und d. h. der Unterhaltung dienende Erzählungen in sein Werk aufgenommen hatte, ergab es sich für Philo von selbst, dass es sich bei den entsprechenden Texten des Pentateuchs um Allegorien handelt, die der Ausleger entschlüsseln müsste (Opif.2).16 Die von ihm dabei angewandte Methode hat Philo nicht selbst erfunden, sondern aus der stoischen Homerexegese übernommen. Als ein Beispiel für sie kann auch die stoische Götterlehre des Lucius Annaeus Cornutus gelten, der um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. in Rom wirkte.17 Er identifizierte z. B. Zeus mit der Seele des Kosmos, Hera mit der Luft, Poseidon mit dem Feuchten rund um die Erde herum und Hades mit der dichtesten, erdnächsten Luft (Corn.Epidr.1 – 5). Von seinen jüdisch-alexandrinischen Vorläufern sind besonders der Chronograph Demetrius (3. Jh. v. Chr.), der Historiker Aristoboulos und der Verfasser des Aristeasbriefes (Mitte 2. Jh. v. Chr.) zu nennen. Von Demetrius Schrift sind nur sechs Fragmente erhalten, in denen chronologische Fragen der Genesis und des Buches Exodus diskutiert werden.18 Dadurch hat er daran erinnert, dass die Bibel einen historischen Hintergrund besitzt. So könnte er Philo dazu angeregt haben, sich in seiner nur fragmentarisch erhaltenen Verteidigungsschrift des Judentums, seinen „Hypothetica“, um einen historischen Bericht vom Auszug aus Ägypten und von der Einwanderung in das gelobte Land sowie um den Nachweis der Vernünftigkeit der mosaischen Gesetze zu bemühen.19 Darüber hinaus könnte die Methode, biblische Texte in Frage- und Antwort im aristotelischen Stil zu erklären, wie sie in Q.Gen und Q.Ex praktiziert wird, auf Demetrius zurückgehen.20 Dagegen hat der ebenfalls nur fragmentarisch überlieferte Historiker Aristoboulos21 bereits die anthropomorphen Aussagen über Gottes Handeln funktional erklärt (frg.2)22 und die These vertreten, dass Platon von Moses abhängig sei (frg.3).23
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seinen Aufsätzen „Das Christentum als denkende Religion“ und „Von den Wandlungen Gottes“, beide in ders., Hg. C. Keller-Wentorf/M. Rapp, Wandlungen, 3 – 23 und 117 – 139 entwickelt hat. Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 414 und ders., On the Creation, 48 – 49 und zur Bedeutung, die Philo den Büchern Moses als göttlicher Offenbarung zulegte, Bousset-Gressmann, Religion, 439 – 440. Zu seinem Leben und Werk vgl. P. Busch/J.K. Zangenberg, (Texte zur Forschung 95), 19 – 34 und zur stoischen Grundlage seiner Physik 39 – 41. Vgl. die Bearbeitung von Nikolaus Walter (JSHRZ III/4), 280 – 292. Vgl. die Einleitung und Übersetzung durch F.H.Colson, Philo IX, 407 – 443. Vgl. dazu auch J. Hanson (OTPII), 843 – 847 und M.R. Niehoff, Jewish Exegesis, 38 – 57. Zur judenfreundlichen Regierung des damaligen Königs Ptolemaios VI. (180—145) vgl. W. Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit, 590 – 591. Walter, Fragmente, 270 – 273. Walter, 273 – 274 und dazu F. Siegert. Early Jewish Interpretation, 154 – 162 und S.N. Svendson, Allegory Transformed, 23 – 28.
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Schließlich hatte Pseudo-Aristeas, der sich in seinem Brief als Hofbeamter Ptolemaios II. Philadelphos (285 – 246) ausgibt, eine romanhafte Erzählung über die Entstehung der Septuaginta bzw. genauer des griechischen Pentateuchs vorgelegt. Nach ihr hätten die 72 aus den Zwölf Stämmen Israels stammenden Abgesandten, die der Hohepriester auf Bitte des Ptolemäers nach Alexandria gesandt hatte, zunächst in einem siebentägigen Gespräch mit dem König die Überlegenheit der jüdischen über die griechisch-hellenistische Bildung erwiesen (Ps.Arist.187 – 294). Dann aber hätten die 72 die Übersetzung in wunderbarer Weise in 72 Tagen vollendet. Daraufhin hätte der für ihre Betreuung zuständige Demetrios die Übersetzung vor der jüdischen Gemeinde Alexandrias verlesen lassen, wonach alle Beteiligten die künftige Unveränderlichkeit dieser Übersetzung beschlossen und jeden verflucht, der sie verändern würde (Ps.Arist.308 – 311).24 Philo hat diese Legende in Mos.II.25 – 44 übernommen und um den Zug erweitert, dass die 72 bei ihren abendlichen Vergleichen feststellen mussten, dass sie alle trotz des überaus umfangreichen griechischen Wortschatzes die Texte wortwörtlich gleich übersetzt hatten (Mos.II.37), was sich nur als ein Wunder göttlicher Inspiration erklären ließ. Daher können wir Philo als den Vater des Glaubens an die Verbalinspiration bezeichnen, die alsbald auf alle biblischen Bücher einschließlich derer des Neuen Testaments ausgedehnt worden ist.
14.3 Textimmanente Gründe für Philos Allegoresen Trotzdem zeigen Philos Auseinandersetzungen mit einschlägigen Ansichten, dass es bei den alexandrinischen Schriftgelehrten auch „abgebremste“ textkritische Diskussionen gegeben hat (vgl. z. B. Imm.141 – 142; Congr.178; Q.Gen.IV.168 und Mut.61 – 62), die jedoch in den Versuchen endeten, den überlieferten Text trotz seiner inhärenten Schwierigkeiten verständlich zu erklären.25 Da Moses nach Philos bereits erwähnter Überzeugung in der Thora keine dichterischen Erzählungen oder „Mythen“ berichtet hatte, behandelte er in seinem allegorischen Kommentar alle biblischen Texte, in denen Gott als in der Welt anwesend und handelnd vorgestellt wird, als Rätsel, deren verborgenen Sinn es mittels ihrer allegorischen Auslegung zu ermitteln gelte.26 Dabei dienten ihm Widersprüche biblischer Aussagen ebenfalls als Hinweise darauf, dass sie allegorisch zu verstehen seien. 24 Vgl. dazu auch Siegert, Early Jewish Interpretation 144 – 154 und Svendson, 18 – 23. 25 Vgl. dazu Niehoff, Exegesis, 112 – 129. 26 Während Aristoteles die Aneinanderreihung von Metaphern Poet.1458a22 – 27 als Rätsel bezeichnet hat, geht die Bezeichnung als Allegorie nach Liddle/Scott 69a erst auf die vermutlich fälschlich Demetrius von Phaleron zugeschriebene Schrift De elocutione oder Über den Stil II.99 – 102 – 243 zurück; vgl. auch Cic.Or.27.94, und zu Demetrius F. Wehrli, Peripatos, 559 – 560 und Fuhrmann, Rhetorik, 40.
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Betrachtet man seine allegorische Auslegung der Genesis genauer, so wird deutlich, dass seine Adressaten noch zögerten, die allegorische Methode zu akzeptieren, ihr aber auch keinen aktiven Widerstand entgegensetzten, indem sie auf der wörtlichen Deutung bestanden. Literarisch ging Philo von der Voraussetzung aus, dass die ganze Thora auf Moses als ihren einzigen Autor zurückginge. Daher wies er gelegentlich auf besondere, von ihm auf Moses zurückgeführte Textstellen hin, ohne kritische Emendationen vorzunehmen (vgl. Her.22). Offenbare Widersprüche zwischen einzelnen Aussagen benutzte er dazu, auf die Notwendigkeit der allegorischen Auslegung hinzuweisen, die nach seiner Überzeugung vom Autor beabsichtigt war (vgl. z. B. Sobr.16 – 17 oder Leg.III.59 – 60). Zwischen Philos frühem Kommentar zur Genesis und seinen späteren Quaestiones und dem Kommentar zu den speziellen Gesetzen besteht insofern ein Unterschied, als er in den beiden zuletzt genannten unter dem Einfluss der platonischen Ontologie mit ihrer Unterscheidung zwischen Transzendenz und Immanenz deutlich zwischen dem wörtlichen und dem allegorischen Sinn unterschieden und damit dem Leser das Verständnis seiner Argumentationen wesentlich erleichtert hat.27
14.4 Die Gottesbezeugungen der Thora als Ermöglichungsgrund sinnvoller Rede von Gott Wer ein zusammenhängendes Bild von Philos Denken gewinnen will, muss sich vorab vergegenwärtigen, dass er der Überzeugung war, dass Gott dem menschlichen Denken absolut entzogen ist, wir aber trotzdem über seine an die Juden und damit zugleich an alle Menschen gerichteten Forderungen durch die Moses auf wunderbare Weise offenbarte Thora (Decal.32 – 35) unterrichtet sind, die mit ihren Bestimmungen dem Weltgesetz entspricht (Opif.3).28 Wenn in ihr von dem körperlosen Gott auf anschauliche Weise wie von einem Menschen geredet würde, der ankomme und fortgehe, niederfahre und aufsteige, von seiner Stimme Gebrauch mache, dem sündige Taten missfielen, der unerbittlich in seinem Zorn sei und der sich darüber hinaus Pfeiler, Schwertern und anderer Mittel als Werkzeuge seiner Rache bediene, so nur deshalb, weil die Menschen normalerweise auf keine andere Weise zur Selbstkontrolle angehalten werden könnten.29 Denn in Wahrheit gelte der Grundsatz aus Num 23,19, dass Gott kein Mensch ist und er daher weder 27 Vgl. dazu Svendson, Allegory Transformed, 39. 28 Vgl. dazu H.A.W. Wolfson, New, 25, M.R. Niehoff, Jewish Identity, 251 – 252 und C.A. Anderson, View, 139 – 143. 29 Vgl. dazu auch H.A. Wolfson, Philo II, 126 – 138.
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menschliche Körperteile besitze noch menschliche Werkzeuge benutze (Somn.I.236 – 238).
14.5 Vom Verhältnis zwischen dem Gesetz der Natur und den Geboten der Thora Dass das Weltgesetz der Thora sachlich vorgeordnet war, ergibt sich daraus, dass weder der erste Mensch (Opif.143) noch heidnische Weise (Prob.62 – 63) oder die Patriarchen sie kannten, aber ihre Gebote trotzdem hielten, weil sie dem ungeschriebenen Gesetz der Natur folgten (Abr.5; vgl. 275 – 276).30 Umgekehrt hielte das Gesetz der Natur, wer die Gebote der Thora befolgte (Spec.I.155). Oder um es mit Charles A. Anderson zu sagen, ontologisch und temporal besaß für Philo das Gesetz der Natur die Priorität, epistemologisch aber das Mosaische Gesetz, weil jenes nur wenigen bekannt war.31 Dieser ontologische Vorrang erweist sich in Philos Auslegungen der mosaischen Gesetze darin, dass er den entsprechenden Nachweis zu führen suchte, dass sie dem Gesetz der Natur entsprächen. Auf den Dekalog angewandt wies er z. B. darauf hin, dass ihre Zahl der vollkommensten Zehn entspricht, deren einzelne Zahlen sowohl die ausdehnungslose wie die ausgedehnte Natur umfassen (Decal.20 – 29). Gleichzeitig aber wiese die Zehnzahl den Lehren der Philosophie gemäß auf die zehn Kategorien der Substanz, Qualität, Quantität, Relation, Aktivität, Passivität, des Zustands, der Position, der Zeit und des Ortes hin, an denen alle Dinge teilhaben: Denn im Blick auf die Substanz habe der Mensch an den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer teil, aus denen die Welt gebildet ist. Seiner Qualität nach sei er ein Mensch, nach seiner Quantität besitze er eine bestimmten Wuchs (Bkijºtgr/ he¯likte¯s), seiner Relation nach befinde er sich rechts oder links von jemand anderem, seiner Aktivität nach z. B. riebe oder rasiere er etwas (tq¸bym ti C je¸qym), seiner Passivität nach erlitte er z. B. entweder das eine oder das andere. Seinem Zustand nach trüge er z. B. Waffen, seiner Position nach sitze oder liege er, dabei befinde er sich notwendiger Weise in Raum und Zeit, weil keine der anderen Komponenten ohne sie beide existieren könne (Decal.30 – 31). Dass er damit einen eigentümlichen Gebrauch von der Liste des Aristoteles in Cat.4.1b25 – 28 und Top.I.9.103b.20 – 24 macht, sei angemerkt, weil er sie aus dem logischen Feld der möglichen Prädikate oder der Art und Weise zu urteilen auf die ontologische Ebene übertragen hat.32 30 Vgl. dazu Weeber, Gesetz bei Philon, 78 – 87 und 102 – 114. 31 Anderson, 140 – 143. 32 Vgl. dazu F.H. Colson, Philo VII (LCL 320), 609 – 610 und zur aristotelischen Kategorienlehre Guthire, History IV, 138 – 141 und H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 185 – 190.
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14.6 Beispiele für Philos exegetische Methoden 14.6.1 Die Allegorese von Gen 2,10 – 14 in Leg.I.63 – 65 als Beispiel seiner frühen Auslegungskunst Als Beispiel für seine frühen ethisierenden Allegoresen sei seine Auslegung der vier Ströme angeführt, in die sich der eine Fluss spaltet, der aus Eden hervorgeht (Gen 2,10 – 14) in Leg.I.63 – 65 (vgl. auch Somn.II.241 – 242). Danach bedeute der Fluss die allgemeine Tugend und Eden die Weisheit Gottes: Mithin sei Gottes Weisheit die Quelle der Tugend, die den Garten der besonderen Tugenden bewässert und sich dann in die vier Ströme und d. h. die vier Tugenden der Klugheit (vqºmgsir/phrne¯sis), Tapferkeit (!mdqe¸a/andrea), Selbstbeherrschung (syvqos¼mg/so¯phrosy´ne¯) und Gerechtigkeit (dijaios¼mg/dikaiosy´ne¯) aufteilt, aus denen die angemessenen Taten (jatoqh¾lata/ kathortho¯mata) hervorgehen.33 So hat Philo im Anschluss an die stoische und letztlich die Platonische Ethik an der Einheit der vier Kardinaltugenden in ihrer Verschiedenheit festgehalten.34
14.6.2 Ein Beispiel für seine späten Auslegungen mit klarer Trennung von Textsinn und Allegorese in De Abrahamo Als Beispiel für seine späten Allegoresen sei auf seine Schrift De Abrahamo zurückgegriffen. In ihr erzählt Philo das Leben des Patriarchen von seinem Aufbruch aus Chaldäa bis zum Tod Sarahs jeweils in sinnvollen Abschnitten, die anschließend jeweils allegorisch ausgelegt werden, um dann am Ende des Buches den Glauben Abrahams zu preisen. Natürlich sah er sich vor die Frage gestellt, wie es möglich war, dass Abraham nach Gen 26,5 das göttliche Gesetz und die göttlichen Gebote befolgte, die doch damals Moses noch gar nicht offenbart waren. Er beantwortete sie dahingehend, dass die unaufgeschriebene Natur seine Triebe lenkte, so dass er sich selbst das Gesetz (mºlor/ nmos) und das ungeschriebene Gebot (hesl¹r %cqa¦or/thesms graphos) war (Abr.275 – 276).35 Dieses ungeschriebene Gesetz entspräche dem natürli-
33 Vgl. auch Leg.I.93 und zum stoischen Begriff der jatoqh¾lata/katortho¯mata unten, 216 f. 34 Vgl. dazu LS 61 D und LS 61 F (Plut.Mor.1046e–f) und dazu Zeller, Geschichte III/1, 243 – 250 und zum Platonischen Hintergrund der Lehre von der Einheit der vier Kardinaltugenden in ihrer Verschiedenheit Plat.Rep.IV.441c – 443b und dazu Zeller, Geschichte II/1, 882 – 886, bes. 884 und T. Irvin, Plato’s Ethics, 347 – 348. 35 Vgl. dazu auch Noack, Gottesbewusstsein, 58 und zur ontologischen Vorordnung des natürlichen und der epistemologischen des mosaischen Gesetzes und dem stoischen Hintergrund des Problems Anderson, Views, 140 – 146; zu der von Philo vorausgesetzten Harmonie zwischen dem Gesetz und dem Kosmos vgl. Opif.3 und dazu Runia, Philo and Timaeus, 532 und zum
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chen Gesetz, das nach Jos 29 – 31 mit dem stoischen Gesetz der Natur identisch ist36 und als Wort der Vernunft in der Megalopolis, der die ganze Erde bildenden „großen Stadt“37 oder „Weltstadt“38 seine Verwirklichung findet. Die Empfänglichkeit, sich durch die eigene Erfahrung belehren zu lassen und also dem Gesetz gemäß zu handeln, beruhe nach Abr.61 darauf, dass jeder, „der die Ordnung in der Natur und die über alle Worte erhabene Verfassung der Welt betrachtet, es lernt, ohne dass ihn jemand darüber belehrt, ein dem Gesetz gemäßes und friedliches Leben zu führen, indem er zu dem Vorbild der Edlen aufblickt.“39
Was nun die in den Schriften beschriebenen Wanderungen Abrahams betrifft, so handele es sich bei ihnen im Wortsinn um die eines weisen Mannes, nach den Gesetzen der Allegorie aber um eine die Tugend liebende Seele, die sich auf der Suche nach dem wahren Gott befunden habe (Abr.68). So sei Abraham zunächst durch die Astrologie der Chaldäer, die alle Bewegungen der Sterne erforscht hatten und davon überzeugt waren, dass der Lauf der Welt durch ihre berechenbaren Bewegungen bestimmt würde, darüber belehrt worden, dass die Welt selbst mit Gott identisch sei (Abr.69).40 Aber als er das Auge seiner Seele41 wie aus einem tiefen Schlaf erwachend öffnete, hätte er erkannt, dass ein unsichtbarer Lenker der Welt fürsorglich über ihr wache (Abr.70 – 71).42 So deutet Philo die Reise Abrahams nach Syrien allegorisch als eine geistige, auf der er das wahre Wesen Gottes und der Welt erkannte. Seinem Zug in ein wüstes Land (Gen 12,9) aber habe seiner Liebe zur Einsamkeit und damit einem Leben abseits der großen Menge entsprochen. Das aber sei natürlich, weil die, die Gott suchen und ihn finden wollen, die Einsamkeit liebten (Abr.85 – 87).43 So kann Philo abschließend feststellen, dass er beiden Aspekten des Textes mit seiner Auslegung gerecht geworden sei, dem buch-
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griechischen Konzept des ungeschriebenen Gesetzes V. Ehrenberg, Anfänge, 358 – 379, bes. 364 – 368. Vgl. z. B. Cic.Leg.I.xii.33 (SVF.III.317). Vgl. auch Opif.19; Jos 29; Mos.II.51; Decal.53; Spec.I.34; Flacc.163; Prov.II.44 (Eus.Praep.Ev.VIII.14.386 – 399/SVF.II.1141) und nicht zuletzt Deus 176 und dazu J.M. Dillon, Middle Platonists, 154, R. Weeber, Gesetz bei Philon, 87 – 102 und zuletzt K.M. Vogt, Law, 65 – 110 sowie zu dem der richtigen Vernunft innewohnenden Gesetz Cic.Rep.III.27 [33]=SVF.III.325/LS 67 S. Zum stoischen Verständnis des Naturrechts vgl. E. Zeller, Geschichte II/2, 226 – 228 und jetzt vor allem R. Bees, Oikeiosislehre, 309 – 313 und zu seiner Nachwirkung bei Philo Levy, Philo’s Ethics, 168 – 171. Vgl. Opif.3.142.143; Gig.61; Conf.106; Migr.59; Mos.I.157 und Spec.II.45. Zu der hier vorliegenden Vermischung von griechischen und jüdischen Vorstellungen vgl. Borgen, Philo, 219. Vgl. auch Opif.45 und Spec.IV.149 – 150 und dazu Runia, Philo and Timaeus, 200 – 201. Mit ihm nimmt die Seele himmlische und irdische Zusammenhänge wahr, die sich dem einfachen Sehakt entziehen. Vgl. dazu unten, 158. Zum physikoteleologischen Gottesbeweis vgl. unten, 192. Vgl. auch Fug.35; Praem.20 und Vit.Cont.10 – 12 und dazu J.E. Taylor, Jewish Women, 74 – 104 und knapp P. Brown, Body, 38 – 38 und Kaiser, in: Egger-Wenzel/Corley (Hg.), (DCLY 2011), 413 – 416.
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stäblichen Sinn, der sich auf den Mann Abraham, und dem allegorischen, der sich auf dessen Seele bezieht. Das Lob Abrahams, mit dem er den ersten Teil seines Berichts beschloss, rühmt ihn als einen Mann, der einerseits dem Befehl Gottes wörtlich gehorchte und sich aus schwer zu lösenden Banden losriss, und der sich andererseits in seinem Geist von der sichtbaren Welt löste, so dass er erkannte, dass Gott der Schöpfer und Herrscher der sichtbaren und der unsichtbaren Welt ist (Abr.88).44 Das ist eine klare, in sich geschlossene Auslegung, die zeigt, zu welcher Meisterschaft es Philo inzwischen als Exeget gebracht hatte.
14.6.3 Die Auslegung der beiden ersten Gebote des Dekalogs Als Beispiele für Philos Auslegung einzelner Gebote der Thora seien wegen ihrer grundlegenden Bedeutung die des 1. und 2. (Ex 20,2 – 6) in Decal.52 – 65 und als Beispiel eines sozialen die des 7. Gebotes in Decal.123 – 134 ausgewählt: In Decal.53 – 57 kritisiert er den Polytheismus in Gestalt der Verehrung der Elemente und der Gestirne, die unter der verschiedensten Namen verehrt und mit Mythen verbunden werden: „Aber den höchsten und ehrwürdigsten, den Schöpfer, den Beherrscher der Weltstadt (lecakºpokir) den Feldherrn der unbesiegten Heeres, den Lenker, der stets alle Dinge (t± s¼lpamta/t sympnta) sicher anordnet,“
den haben sie verdrängt, indem sie den Objekten ihrer Verehrung irreführende Titel beilegten, wie er es dann ausführlich und unter Hinweis auf die irrtümliche Auslegung der sphärischen Bewegungen der Gestirne belegt (Decal.57). Es zieme sich aber, statt den Gestirnen, die eigentlich unsere Brüder seien,45 dem Unerschaffenen und Ewigen, der Ursache von Allem zu dienen und dem Gedanken, dass viele Götter existieren, keinen Raum zu geben (Decal.64 – 65). Dass bei der Diskussion des 2. Gebotes die göttliche Verehrung der Tiere durch die Ägypter als die schrecklichste Verirrung des menschlichen Geistes gebrandmarkt wird (Decal.76 – 80), wurde oben bereits ausgeführt,46 sei aber trotzdem noch einmal in Erinnerung gerufen.47 Als Beispiel für Philos naturrechtliche Begründung biblischer Gebote sei seine Auslegung des bei ihm nach der G-Fassung in Dtn 5,18 hinter dem 44 Vgl. auch seinen Hinweis auf die ihm bekannte nicht ohne guten Grund vorgetragene allegorische Auslegung von Gen 12,10 – 20 in Abr.99 – 106 anderer vusij_m !mdq_m/physiko¯n andro¯n, „Naturphilosophen” und d. h. Theologen (vgl. F.H. Colson, LCL 289, 597). Sie zeigt, dass Philo bis in sein Alter im Zwiegespräch mit anderen jüdischen Exegeten geblieben ist. 45 Zu ihrer Eigenart als vernünftige göttliche sichtbare Wesen vgl. Opif.144; Gig.8 – 9; aber auch Virt.212. 46 Vgl. oben, 140. 47 Vgl. dazu H.A. Wolfson, Philo I, 27 – 32.
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Philo als Exeget
Verbot des Ehebruchs an siebter Stelle eingeordneten Verbot des Mordes angeführt (Decal.132 – 134): „Denn da die Natur den Menschen als das geselligste und sozialste Lebewesen geschaffen hat, hat sie ihn zur Eintracht und Gemeinschaft berufen indem sie ihm den Verstand (kºcor/lgos) gab, der zur Harmonie und Verbindung der Sitten (jq÷sir At_m/kra¯sis e¯to¯n) führt.“
Daher solle man den Mörder wissen lassen, dass er sich gegen die Gesetze und Satzungen der Natur vergangen und Gott seines heiligsten Besitztums beraubt habe, das mehr als alle Opfer wert sei: „Denn der Mensch, ist dank des besten in ihm, seiner Seele, dem reinsten Teil des Bestehenden, dem Himmel, dem reinsten aller seienden Dinge, und wie die meisten zugestehen, auch mit dem Vater der Welt am engsten verwandt, weil er von allen Geschöpfen auf Erden die engste Ähnlichkeit mit dem Vater der Welt besitzt, weil er in seiner Vernunft das Abbild der ewigen und glückseligen Idee empfangen hat.“48
Über die den Mörder gebührende Todesstrafe verliert Philo angesichts eines solchen fundamentalen Verbrechens keine weiteren Worte (Decal.132 – 134).49 Das holt er aber in seiner parallelen Auslegung des Gebots in Spec.III.83 – 85 ausführlich nach, wobei er sie in 86 – 87 selbst für potentielle Mörder fordert.
14.6.4 Der Vergleich zwischen Tugend und Laster als Parabel in Sacr.20 – 40 Wohl auf den Spuren der von Xen.Mem.Soc.II.1.21 – 34 (DK 84 [77] B. frg.2) berichteten Erzählung des Prodikos über Herakles am Scheidewege hat Philo in Sacr.20 – 40 eine Parabel erzählt, in der die Tugend und das Laster als zwei einander eifersüchtig hassende Frauen im Haus der Seele wohnen.50 Von ihnen sei die Lust bei den Menschen beliebt, während die Tugend bei ihnen verhasst sei. Die grell geschminkte, mit Schmuck und Blumen im Übermaß behängte und wohlriechend gesalbte Lust gebärde sich wie eine freche Straßendirne, der die Verschlagenheit, Rücksichtslosigkeit, Treulosigkeit, Schmeichelei, Täuschung, Verlogenheit, Meineidigkeit, Gottlosigkeit, Ungerechtigkeit und Verschwendungssucht als ihre besten Freunde folgten. Sie verspräche ihren Verehrern ein von allen Anstrengungen freies nur den Genüssen und Freuden hingegebenes Leben (Sacr.22 – 23). Demgegenüber stelle sich die Tugend als 48 Vgl. auch seine entsprechende Verurteilung des Menschenräubers als des schlimmsten Verbrechers, oben, 116 – 117. 49 Vgl. auch den Grundsatz in Gen 9,6. 50 Vgl. dazu den Kommentar zu Xenophons Memorabilien II von O. Gigon, 58 – 84 und die Erwähnung der Parabel in Plat.Symp.177b und Plat.Prot.340d. Dass sie auch in den Reden der Frau Weisheit und der Frau Torheit in Prov 9 verarbeitet ist, sei angemerkt; vgl. dazu M. Neher, Wesen und Wirken, 53 – 58. Die Parabel ist auch von Philostrat Vit.Apoll.VI.X.(LCL 17), 32 – 35 aufgenommen.
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eine freie Frau mit festem Gang und ruhigem Blick in einfacher Tracht und dem Schmuck der Selbstbeherrschung und der Tugend vor, der 34 weitere Arten anständigen Verhaltens folgen, die von der Frömmigkeit, der eqs´baia/ eusbaia, bis zur Tüchtigkeit, der !cahºtgr/agathte¯s, reichen (Sacr.26 – 27). In ihrer Gegenrede enthüllt die Tugend die Falschheit und Tücke der Rede der Lust und zählt dabei nicht weniger als 146 negative Folgen auf, die einen Anhänger der Lust erwarten (Sacr.31 – 32).51 Doch statt nun ihren Freunden eine entsprechende Liste der sie erwartenden Wohltaten zu präsentieren, lässt die Tugend den Zaudernden nicht im Zweifel darüber, dass alle von ihr vermittelten Güter nur mittels Anstrengungen, mittels pºmoi/pnoi erworben werden können (Sacr.33 – 37, Zit. 37): „Wähle von den Gütern, welches du willst, und du wirst finden, dass es mit Mühe zustande kommt und gefestigt wird. Frömmigkeit und Heiligkeit sind gut, aber wir können sie nicht erhalten, ohne Gott zu dienen. Dienst aber ist mit den Mühen des Wetteifers verbunden. Besonnenheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit sind allzumal noble und vollendete Güter, aber sie sind nicht mit Leichtigkeit zu erwerben, sondern man muss zufrieden sein, wenn sie uns durch fortgesetzte Bemühungen freundlich gesinnt werden.“
Zusammenfassend aber heißt es in Sacr.40:52 „Du siehst also, dass alle Güter aus der Mühe wie einer einzigen Wurzel hervorgehen und sprießen. Niemals darfst du es wagen, sie fahren zu lassen, denn du würdest damit zugleich ohne es zu merken, alle Güter miteinander verlieren. Zwar ist der Lenker des ganzen Himmels und des Weltgebäudes (jºslor/ksmos) im Besitz der Güter und gewährt sie denen, wenn er will, in ganzer Mühelosigkeit, da er auch diese ganze Welt einst ohne Mühe erschaffen hat und jetzt und für immer niemals aufhört, sie zu erhalten53 – denn Unermüdlichkeit ist für Gott die angemessenste Eigenschaft – keinem Sterblichen aber hat die Natur den Besitz eines Gutes ohne Mühen geschenkt, so dass Gott auch in dieser Hinsicht als der allein glückliche unter allen Geschöpfen zu preisen ist.“54
Als Begründung für die These, dass es für die Sterblichen kein Gutes ohne Mühen gebe, lässt sich auch auf den Vergleich in Opif.168 – 169 verweisen: Hier heißt es, dass so wie Sonne und Mond noch immer der ihnen bei der Schöpfung von Gott zugewiesene Bahn folgen, weil sie von dem Bösen auf Erden weit entfernt sind, auch die Erde noch ohne die Mühen der Feldarbeit im Jahreslauf reichlich Frucht tragen würde, wenn Gott nicht die immer fließenden Quellen seiner Gunsterweisungen (waqRtym/charto¯n) geschlossen 51 Vgl. dazu S. Wibbing, Tugend- und Lasterkataloge, 26 – 30 und Kaiser, Arete¯, in: Egger-Wenzel/ Corley (Hg.) (DCLY 2011), 379 – 429, bes. 396 – 397. 52 Dass Philo hier ein platonisches Thema benutzt, merkt Ruinia, Philo, 235 an. 53 Vgl. Opif.9 – 11. 54 Zum Platonischen Hintergrund in Tim.41a7–d3 vgl. Runia, Philo and Timaeus, 235, der die Vorlage auf 41a–b begrenzt.
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Philo als Exeget
hätte, damit sie nicht Unwürdigen zu teil würden. Aber in seinem Erbarmen habe er die Strafe gemildert, so dass er die Menschen am Leben ließ, sie aber die Nahrung nicht mehr genussfertig vorgesetzt bekämen, damit sie nicht, durch die beiden Übel des Nichtstuns und der Üppigkeit verführt, sündigten und frevelten.55
55 Vgl. dazu Runia, De Opifico. Commentary, 387 – 388.
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15. Philos Mittelplatonische Kosmologie 15.1 Eudoros von Alexandrien als Vorgänger Philos Da Philo wie der einer Generation vor ihm angehörende Begründer des Mittelplatonismus Eudoros in Alexandria lebte und wirkte, ist ein Seitenblick auf diesen Philosophen angebracht, dessen Denken sich leider nur an Hand der Auszüge aus seinen Werken bei späteren Doxographen rekonstruieren lässt.1 Die erhaltenen Fragmente lassen erkennen, dass er in eigentümlicher Weise pythagoreische, platonische, peripatetische und stoische Lehren miteinander verbunden hat. Die ihn und seine Nachfolger kennzeichnende Grundfrage war die nach der Vermittlung des transzendenten „über-drobigen Gottes“ (rpeq\my he|r/hyperno¯ thes) (Eudor. frg.4 Mazz)2 mit dem Kosmos. Gleichzeitig kündigte sich bei ihm eine entschlossene Wendung zum Religiösen an, die das philosophische Denken weiterhin bestimmen sollte und schließlich zur Weltflucht führte. Das zeigt sich darin, dass er den Weg zu einem tugendhaften Leben anders als die Stoiker nicht mehr mit einem der Natur entsprechenden Leben (Diog.Laert.VII.87; SVF.I. 551//LS 63 C/Cic.Fin.III.26), sondern im Rückgriff auf Plato (Plat.Tht.176b) mit einem Gottähnlichwerden, mit der blo_ysir heoO/homoo¯sis theou¯, soweit sie einem Menschen möglich ist, identifizierte (vgl. Eudor.frg.25 Mazz).3 Andererseits bestimmte er das Glück als !taqan_a/ataraxa, als Unerschütterlichkeit der Seele (Eudor.frg.28), dem jüngeren Äquivalent für die stoische !p\heia/aptheia.4 Darüber hinaus
1 Zu seiner Person und der Quellenlage vgl. M. Neher, Wesen, 218 – 219. 2 Text und Übersetzung auch bei Neher, Wesen, 221 – 222. Die Gottesbezeichnung kehrt auch bei Phil.Congr.105 wieder, vgl. zu ihr auch den „überhimmlischen Ort“, zu dem sich Plat.Phaidr.247c3 die Seelen der Gerechten zwischen den Inkarnationen erheben und an dem sich das wahrhaft Seiende, die Tugenden selbst und das wahre Wissen befinden, und dazu H. Dörrie, Platoniker, 34. 3 Zum Platonischen Gedanken der Angleichung an Gott und dem Nachweis, dass ihn Plato nicht von Pythagoras übernommen hat, vgl. D. Roloff, Gottähnlichkeit, 198 – 206. Noch der Neuplatoniker Jamblichus (vgl.Jambl.V.P.86) bestimmt als Ziel der pythagoreischen Philosophie, die Menschen dahin zu führen, dass sie in ihrer ganzen Lebensgestaltung Gott folgten. 4 Vgl. den Buchtitel des stoischen Philosophen und Schülers Zenons Dionysios von Herakleia, Diog.Laert.VII.166/SVF.I.422, vgl. zu ihm Heinrich Dörrie, Dionysios 15, KlP II, 69 und weiterhin Anonymus in Aristot.Eth.Nic/SVF.III.201 und z. B. Arr.Epiktet.IV.6.34; vgl. schon Aristot.Eth.Nic.1104b24 – 26: „Daher bestimmt man wohl auch die Tugend als eine gewisse Unempfindlichkeit (!p\heia) und Ruhe (Bleq_a); aber zu Unrecht, weil man sie schlechthin fordert, statt zu sagen, wie man unempfindlich sein muss und wie nicht, und wann, und was sonst noch hierher gehört.“ Übers. E. Rolfes (PhB 5,30). Zum Adjektiv !pah¶r vgl. Themistius Or.32, p. 385 Hard/SVF.I.449; zum Schüler Zenons Persaios von Kition und dem Gebrauch des Adjektivs als
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Philos Mittelplatonische Kosmologie
erkannte er den körperlichen und äußeren Gütern insofern einen Nutzen zu, als sie von der Tugend geleitet am Guten teilhätten (Eudor.frg.31 Mazz.) bzw. wenn Trieb und Handlung übereinstimmten (Eudor.frg.23 Mazz.). Das mutet wie eine Mischung platonischer5 und peripatetischer6 Gedanken an und dürfte kaum mit dem Denken des Begründers der sog. Alten Akademie Antiochus von Askalon (geb. ca 120 v. Chr.) zusammenhängen, der zwischen dem Glück des Tugendhaften und dem vollen Glück unterschieden hat, zu dem neben der Tugend auch seelische, körperliche und äußere Güter nötig seien (Cic.Fin.IV.81; Tusc.V.22; vgl. Aristot.Eth.Nic.1178b33 – 1179a10).7 Mit der stoischen Güterlehre lässt es sich jedenfalls nicht vereinbaren, nach der allein die Tugend ein Gut war und alles andere zu den !di\¦oqa/adiphora, den Gleichgültigkeiten, gehörte (vgl. SVF.I.190 und 192; Cic.Fin.III.15).8 Schon diese knappen Hinweise geben zu erkennen, dass die Grenzen zwischen den herkömmlichen Schulrichtigen damals durchlässig geworden waren. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man sich der Kosmologie des Eudoros zuwendet. Sie zeigt, dass er das spätestens seit den Tagen des Parmenides9 und Empedokles10 und vor allem seit Platos Parm.137c – 166c11 und Tim.37b12 diskutierte Eine als den ursächlichen Grund aller Dinge (!qw^/arche¯) betrachtete (Eudor.frg.3 Mazz.)13 und mit dem transzendenten Gott identifi-
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allgemeine stoische Aussage über den Weisen vgl. Diog.Laert.VII.117/SVF.I.448; vgl. schon Aristot. Eth.Nic.1104b24 – 26: „Daher bestimmt man wohl auch die Tugend!“ Vgl. z. B. T. Irwin, Ethics, 332 – 338; Erler, Plato, 438 – 439; A. Kenny, History I, 209 – 211, dazu Plat.Leg.I.631b3–d6, dazu K. Schöpsdau, Nomoi I – III, 179 – 183 und weiterhin Plat.Phil.64e5 – 65a5 und Leg.IV.716 b8 –d 4. Vgl. Aristot.Eth.N.I.1094a1 – 17; X.1177a12 – 1178a8; 1178a9 – 5 – 1178b32 und 1178b33 – 1179a32; E.Eeth. 1152b1 – 1154b31; 1219b35 – 39; 1249a35 – 39; 1237a3 – 9; 1249a18 – 21 und dazu W.F.R. Hardie, Aristotle‘s Ethical Theory, 12 – 27; F. Buddensieck, Theorie, 248 – 257; Kenny, History I, 213 – 219 und besonders Ursula Wolf, Sinn, 83 – 108. Vgl. dazu W. Görler ; Antiochos, 961 – 965 und zur Bekanntschaft Philos mit dem Denken des Antiochos von Askalon J.M. Dillon, Philo, 223 – 224. Zu den Adiaphora vgl. M. Forschner, Stoische Ethik, 116 – 117 und spezifiziert nach den großen stoischen Lehrern P. Steinmetz, Stoa, 542 – 543 (Zenon), 575 – 576 (Kleanthes), 615 – 616 (Chrysippos) und 692 (Poseidonios) sowie zusammenfassend Kenny, History, 222 – 227. DK 28 frg.8.5 – 21 par K./R./S. Nr. 296 samt Kommentar 274 – 275 6 und dazu auch W.K.C. Guthrie, History II, 26 – 31. DK 31 frg.17,1 – 13 par K./R./S. Nr. 348 mit Kommentar 316 – 317. Vgl. dazu Erler, Plato, 227 – 231. Vgl. dazu Erler, Plato, 457 und zum „Einen“ in der ungeschriebenen Lehre 428. Text und Übersetzung auch bei Neher, Wesen, 221 – 222. Die Echtheit des als Zeugnis für die Einführung des Einen in den philosophischen Diskurs durch Pythagoras herangezogene Fragment des Philolaos von Kroton DK 44 B frg 8 wird wegen seiner späten Tradierung bei Jamblichus angezweifelt und ist von Kirk/Raven/Schofield und Mansfield/Primavesi nicht mehr aufgenommen. Beide gehen aber 360 davon aus, dass die Zahlen nicht erst durch Philolaos eingeführt worden sind, sondern dass Zahl und Harmonie schon zu den Schlüsselvorstellungen des Pythagoras gehörten; vgl. auch Aristot.Metaph.A.5.985b23 – 986a21* (R./K./S. Nr. 430) wo die Ansichten der Pythagoreer referiert werden. Zur Rolle des Einen bei Plotin En.6.9 [9] vgl. Erler, Plato, 527.
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zierte (frg.4 Mazz.).14 Ihm entspräche auf der Ebene der Welt das andere Eine oder die Monade, die geordnet, begrenzt, erkennbar, überfließend, gerade und Licht ist. Ihr stünde die unbegrenzte, formlose unerkennbare Dyade gegenüber,15 die Finsternis ist (frg.5 Mazz.).16 Die Dyade wird von der Monade formatiert, die selbst die Formen oder Ideen von dem Einen erhält (frg.2 Mazz.).17 Sachlich aber gründeten sie alle in dem ersten Einen (frg.4).18 Da Eudoros die Erzählung über die Erschaffung der Welt durch den Demiurgen in Platos Timaios als Veranschaulichung eines ewigen Verhältnisses betrachtete (vgl. Plut.Mor.1013a/Eudor.frg.6 Mazz.), bedurfte er keines weiteren Mittlers zwischen Gott und der Dyade. Die Welt wurde ewig durch die Monade formatiert, wobei für beide das Eine die Ursache ist (Eudor.frg.2 Mazz.).19 Die Lebensaufgabe des Menschen aber bestünde (wie oben bereits angedeutet) nach Sokrates, Platon und den Pythagorern darin, Gott ähnlich zu werden (vgl. Eudor.frg.25 Mazz.).20
15.2 Die Sapientia Salomonis als Vorläuferin von Philos Kosmologie und Soteriologie? Werfen wir, ehe wir uns der Kosmologie Philos zuwenden, einen Blick auf die vermutlich in der frühen Kaiserzeit und mithin im ausgehenden 1. Jh. v. Chr. anzusetzende Sapientia Salomonis, die vermutlich ebenfalls in Alexandria verfasst worden ist.21 Auch in ihr wird das typisch mittelplatonische Problem 14 Text und Übersetzung auch bei Neher, 222. 15 Zum Hintergrund der Rede von der Monade und der Dyade vgl. M. Bonazzi, Renewal, 234. 16 Text und Übersetzung auch bei Neher, Wesen, 223 – 224, der !qw^/arche¯ allerdings mit „Anfang“ statt wie C. Mazzarelli mit „principio“ übersetzt. Vgl. dazu die von Alex.Polyhist.FGrHist (Jac) 273 F.93 = Diog.Laert.VIII.25 mitgeteilte pythagoreische Lehre: „Der Anfang von allem sei die Einheit (Monade); aus der Einheit aber stamme die unbegrenzte Zweiheit (Dyade), die gleichsam als Materie der Einheit, ihrer Ursache, zugrunde liege. Aus der Einheit ferner und der unbestimmten Zweiheit stammen die Zahlen; aus den Zahlen die Punkte, aus diesen die Linien, aus diesen die Flachengestaltungen, aus den Flächen die stereometrischen (mathematischen) Körper, aus diesen die sinnlich wahrnehmbaren Körper, deren Elemente, vier an der Zahl, folgende sind: Feuer, Wasser, Erde, Luft […].“ Übers. O. Apelt (PhB 54), 122 und zur Sache auch Porph.Vit.Pyth. (Nauck) 38.2 – 39.1. 17 Text und Übers. auch bei Neher, Wesen, 222 – 223. Zum Hintergrund des Gedankens im zeitgenössischen, pythagoreisch beeinflussten Platonismus vgl. Bonazzi, Renewal, 241 – 243. 18 Neher, 221 – 222. 19 Zum stoischen Hintergrund vgl. Plut.Mor.1085b (SVF.II Nr. 313) und zur Untrennbarkeit der beiden Prinzipien Chalcidicus in Tim.c.292 (SVF.I..88). 20 Zum platonischen Gedanken der Angleichung an Gott und dem Nachweis, dass ihn Plato nicht von Pythagoras übernommen hat, vgl. D. Roloff, Gottähnlichkeit, 198 – 206. Noch der Neuplatoniker Jamblichus (vgl. Jambl.Vit.Pyth.86) bestimmt als Ziel der pythagoreischen Philosophie, die Menschen dahin zu führen, dass sie in ihrer ganzen Lebensgestaltung Gott folgten. 21 Vgl. dazu M. Kepper, Hellenistische Bildung, 96.
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der Vermittlung zwischen dem transzendenten Gott und der Welt verhandelt und durch die Zuweisung dieser Rolle an die als ein pmeOla/pneu¯ma, als eine geistige Wesenheit verstandene Weisheit gelöst (Sap.Sal.1,1 – 10).22 Auch in ihr ist die Freundschaft mit Gott das Ziel des irdischen Lebens (Sap.Sal.7,27), das für die Gerechten in das ewige Leben münden wird (vgl. Sap.Sal.2,23 mit 3,1 – 12). Wie bei Philo war die Verleihung der Unsterblichkeit auch in ihr an den Besitz der Weisheit und damit an ein tugendhaftes Leben geknüpft (Sap.Sal.8,7 – 13).23 Darüber hinaus fehlen auch in ihr nicht die asketischen Züge, wird doch den keuschen Jungfrauen ein himmlischer Ehrenkranz prophezeit (Sap.Sal.4,1 – 2). Aber anders als bei Philo enden die Frevler im Jüngsten Gericht (Sap.Sal.5,1 – 14), eine Vorstellung, die der jüdischen Apokalyptik entnommen ist (vgl. z. B. Dan 12,2 – 3; 1Hen 104,1 – 5), die aber bei Philo wegen ihres mythischen Charakters keine Rolle spielte. Dass der Verfasser der Sapientia das Problem der Vermittlung zwischen Gott und Welt Eudoros verdankt, ist wahrscheinlich, aber nicht sicher zu beweisen.24 Trotzdem kann man der Sache nach seine Einschaltung der als Geist verstandenen Weisheit als Vermittlerin zwischen Gott und Welt als eine Zwischenlösung betrachten, die Philo durch die Einfügung des Logos wirkungsvoller lösen sollte.
15.3 Philos mittelplatonische Kosmologie 15.3.1 Philos Rede vom Kosmos Philos selbständige Stellung innerhalb des Mittelplatonismus erschließt sich am einfachsten, wenn man seine Kosmologie mit der seines Vorgängers Eudoros vergleicht. Vorab sei Philos Definition des Kosmos in Aet.4 mitgeteilt: Danach bezeichnet das Wort Kosmos das System, das vom Himmel und seinen Sternen bis zur Erde mit ihren Pflanzen und Lebewesen reicht.25 In engerer Bedeutung kann es wie bei Anaxagoras die chorischen Bewegungen und Umläufe der Sterne und im dritten stoischen Sinne das bezeichnen, was un22 Vgl. dazu M. Neher, Wesen und Wirken, 89 – 98, 153 und 226; Kaiser, Weisheit Salomos, 72 – 77 und zur Rolle der Weisheit statt des Logos 87 und weiterhin M.V. Blaschke, Eschatologie, 264 – 270, die auf den Unterschied der Sapientia zu den jüdischen Grabinschriften aus Alexandrien hinweist, die keine eschatologischen Vorstellungen enthalten. 23 Vgl. auch die Nachträge in 8,19 – 20 und 9,15, die nach meiner Einsicht mit der Reinkarnation rechnen; vgl. dazu Kaiser, Weisheit Salomos, 63 – 64. 24 Vgl. dazu vorsichtig Neher, Wesen und Wirken, 153 und 226 und zuversichtlicher Kaiser, Weisheit Salomos, 72 – 77 und zu der von der Weisheit übernommenen Rolle des Logos 87. 25 Vgl. Diog:Laert.VII.137 (SVF.II.526/LS 44 F); Chrysipp (SVF.II.527); SVF.II.528/LS 67 L; Poseidonios (Diog.Laert.VII.138 (frg.14 Kidd) und nicht zuletzt Ps.Arist.Mund.391b9 – 20.
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unterbrochen existiert und den Weltbrand überdauert.26 Philo selbst aber gebraucht das Wort nicht nur hier (Aet.4) sondern auch sonst im zuerst genannten Sinn.
15.3.2 Philos Lehre von der ersten Schöpfung als Idee Gottes und ihrer irdischen Verwirklichung nach seiner Schrift De Opificio Mundi27 Als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion seiner Kosmologie empfiehlt sich seine Schrift De opificio mundi. In ihr ist seine Abhängigkeit von der Platonischen Tradition und zumal von Platos Timaios unübersehbar.28 Sie tritt am deutlichsten in der These zutage, dass der Schöpfungsbericht in Gen 1 von dem göttlichen Plan für die Erschaffung der Welt handelt, so dass die reale Welt ein Abbild der unkörperlichen Ideen Gottes als ihrem Urbild darstellt (Opif.129 – 130; vgl. Q.Gen.I.2).29 Allerdings verläuft der Erkenntnisweg gerade umgekehrt: Der jºslor mºgtor, kosms ne¯tos, die intellektuelle Welt der ewigen Formen, die das Urbild für die irdische als ihr Abbild darstellt, kann nur in einem Rückschluss von der sichtbaren Welt her erschlossen werden (Somn.I.186). Als Voraussetzung für diese Konstruktion benennt Philo die nach seiner Überzeugung von Moses stammende, in Wahrheit aber stoische Einsicht, dass der Kosmos aus zwei Teilen bestehen müsse, einer aktiven Ursache (aQt_om/aiton) und einem passiven Objekt (pahgt|m/pathe¯tn).30 Dabei sei der aktive Teil die vollendet reine und lautere Vernunft (moOr/nou¯s) des Ganzen, die jede Tugend und alles Wissen übertreffe, während der passive von sich aus ohne Leben und Bewegung sei, bis ihm beide durch den moOr/nou¯s verliehen wurden. Dadurch sei die von der Monade formatierte Dyade zu dem vollkommensten Meisterstück (tekei|tatom 5qcom/teleitaton rgon) in Gestalt des Kosmos geworden (Opif.8 – 9).31 Wer dagegen die Welt als ungeworden (!c]mgtom/agne¯ton) betrachte, entziehe ihr damit das, was für 26 Vgl. dazu Chr. Anderson, Physical World, 75 – 82. 27 Zur göttlichen Vorsehung als dem Mittel, die Welt für den Menschen wohnlich zu gestalten, vgl. unten, 190 – 191. 28 Auf die Abweichungen der Zitate bei Philo, die auf eine ältere Kommentierung zurückweisen, hat W. Theiler, Philo, bei Zintzen, 52 – 63 hingewiesen. Die Zitate und Anspielungen diskutiert ausführlich Runia, Philo and Timaeus, 71 – 334; zu den stoischen und peripatetischen und mittelplatonischen Beeinflussungen, die im Gegensatz zu Plato nicht zwischen philosophischen Prinzipien und theologischen bzw. mythologischen Größen unterscheiden und den Schwerpunkt auf die Schöpfungslehre und die Stellung des Menschen im Kosmos legen, vgl. Runia, 476 – 519 und bes. 491 – 494. 29 Vgl. dazu auch unten, 189. 30 Vgl. Diog.Laert.VII.134 (SVF.I.85); Cic.Acad.24 und dazu z. B. A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 153 – 154; M. Forschner, Stoische Ethik, 25 – 29 und U. Wicke-Reuter, Providenz, 22 – 23. 31 Vermutlich handelt es sich bei dieser Gegenüberstellung um eine freie Interpretation des Timaios unter stoischem Einfluss, die auf die Alte Akademie bzw. Antiochos von Askalon zurückgeht, Dillon, Philo, 224 – 225.
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die Frömmigkeit am nützlichsten und notwendigsten sei, die (göttliche) Vorsehung (pq|moia/prnoia) (Opif.9; Aet.10).32 So wie ein Architekt vor dem Bau einer Stadt einen Stadtplan entwerfe, habe auch Gott vor der Erschaffung der sichtbaren Welt, des aqat¹r j|slor/orats ksmos, erst ihren Plan in Gestalt eines j|slor mogt|r/ksmos noe¯ts, einer intellegiblen Welt entworfen (Opif.16 – 18).33 Da diese den Ideen Platos entspricht, ist Philo zumindest der erste Zeuge für ihre Deutung als Gedanken Gottes.34 Diese ideale Welt, die zunächst nur aus einem unkörperlichen Himmel, einer unsichtbaren Erde und der Form (Qd]a/ida) der Luft und des Leeren bestand (Opif.29) und in Gottes Vorstellung begrünt, beleuchtet und belebt war, hätte allein in der göttlichen Vernunft, dem he?or k|cor/theı˜os lgos (Opif.24 und 26) existiert.35 Wenn es in Gen 1,27 heißt, dass Gott den Menschen nach seinem Bild erschaffen habe, so konnte es sich nach Philos Verständnis logischerweise um keine körperliche oder seelische Ähnlichkeit handeln, weil er davon überzeugt war, dass Gott weder eine menschliche Gestalt (noch einen menschlichen Leib noch seelische Gefühle oder Leidenschaften)36 besitzt. Daher beruhe die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott auf seiner Teilhabe am moOr/nou¯s, an der Vernunft des Ganzen, die als solche der Archetyp der in allen vernünftigen Wesen wirkenden Vernunft sei (Opif.69; vgl. auch Q.Gen.I.8).37 Denn was vom Ganzen der Welt gelte, gelte auch für jedes seiner Teile: Beide seien ein Abdruck des Siegels des göttlichen Logos (Opif.25; vgl. Q.Gen.I.2 und 4). Nach dem Plan der nur in seiner Vernunft, seinem Logos existierenden Welt habe Gott dann die sichtbare erschaffen (Opif.36 – 37).38 Mit dieser Einfüh32 Vgl. dazu H.A. Wolfson, Philo I, 295 – 300, und zu Philos Kritik an Epikurs Vielzahl der Welten und Leugnung der Vorsehung in Aet.170 – 172 Borgen, Philo, 68. – Die Bedeutung von Philos Schrift De aeternitate mundi liegt vor allem in ihrem Wert als Informationsquelle über die Diskussion des Problem der Ewigkeit oder der Erschaffung der Welt in der aristotelischen und stoischen Philosophie und deren Kritik durch Theophrast. 33 Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 158 – 171, zum Erstbeleg der Rede vom j|slor mogt|r/ ksmos noe¯ts bei Philo vgl. J. Hurwitz, Untersuchungen, 74; Runia, Philo and Timaeus, 162, und ders, Creation, 132 – 141 mit dem Nachweis 136. 34 J.M. Dillon, Middle Platonists, 158 – 160, der 159 darauf hinweist, dass die Ideen nach Opif.102 (vgl. auch Her.156) Zahlen sind; und zur Sache weiterhin R. Radice, Theology, 132. 35 Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 443, der mit Recht darauf hinweist, dass Gott und der Logos im vorliegenden Zusammenhang nicht anders als der König und der Architekt zwar konzeptuell, aber nicht aktuell von einander abgetrennt werden können. Gott ist einer, dessen Wesen sich nicht in seiner kreativen Fähigkeit erschöpft, sondern sie transzendiert. Zum Logos als erstgeborenem Sohn Gottes und Lenker der Welt vgl. Phil.Agr.51, dazu Runia, Philo and Timaeus, 242; zu seiner Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen vgl. Timaios 37b mit Conf.146 – 147 und zu der so entstandenen unaufgelösten Spannung Morris, Philo, 884 und C. Termini, Potenze, 122 – 123. 36 Imm.52. 37 Vgl. dazu Termini, Potenze, 156 – 165; Kaiser, Gott II, 279 und 304 – 308 sowie J.D. Worthington, Creation, 142 – 145. 38 Zum Problem des Logos bei Philo vgl. unten, 175 mit Anm.56.
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rung des Logos geht Philo ebenso über die beiläufige Weise hinaus, in der Plato im Timaios den k|cor/lgos erwähnt,39 wie er die Vermittlung zwischen dem transzendenten Gott und den beiden Welten anders als Eudoros bestimmt, ja bestimmen muss, weil die Welt für ihn nicht ewig ist, sondern einen Anfang besitzt. Wenn der Logos bei Philo als die Vernunft Gottes zum Bindeglied seiner Beziehung zur Welt geworden ist, erinnert das jedenfalls an die Rolle, die er in der stoischen Kosmologie spielt, wo er mit Zeus identifiziert wird, der die qualitätslose Substanz in sich enthält und formiert (Diog.Laert.135 – 137). Darüber darf man jedoch nicht übersehen, dass der göttliche Logos bei Philo nicht mit der qualitätslosen Substanz verschmilzt, sondern ihr gegenüber transzendent bleibt.40
15.3.3 Vergleich der Kosmologie des Eudoros und der Philos Vergleicht man die Kosmologie Philos mit der des Eudoros liegen die Parallelen und Unterschiede auf der Hand: Dem transzendenten Einen, das die Ideen in sich trägt, entspricht nun Gott bzw. sein Logos, dem zweiten Einen oder der Monade der j|slor mogt|r/kosms noe¯ts, die Welt im Geist Gottes.41 Der Dyade entspricht die ungeordnete Materie, die Philo für unerschaffen hält, die aber jedenfalls die Grundlage der sichtbaren Welt bildet.42 Diese ist ihrem Wesen nach ein sichtbares Abbild des unsichtbaren göttlichen Plans. Die Unterscheidung zwischen den beiden Welten ist jedenfalls bei Eudoros wie bei Philo bestes platonisches Erbe (Plat.Phaid.79a, vgl. auch Parm.129d – 131b; rep.479c-d.515d) und verweist auf den Timaios zurück (Tim.30a-c).43 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Meinungen darüber, ob Platos Bericht über die Weltschöpfung im Timaios als Beschreibung eines tatsächlichen Vorgangs oder symbolisch zu verstehen ist, seit alters auseinander gehen:44 Eudoros hat sich für die symbolische entschieden (Plut.Mor.1013b/Eudor.frg.6 Mazz.) und es bei einem statischen Gegenüber zwischen dem wahren Einen und dem zweiten Einen, der Monade, belassen, die ihrerseits die Dyade als Inbegriff der gestaltlosen Materie ewig formatiert. Philo hat sich auf Grund von Gen 1,1 für die realistische Deutung und damit für den zugleich mit der Zeit entstehenden Anfang der Welt 39 Vgl. die von H.-G. Zekl aufgeführten Belegstellen in: Plato, Timaios (PhB 444), 242b s.v. „Rede, Vernunft, rationales Verhalten“. 40 Vgl. Runia, Philo and Timaeus, 448 und zur Originalität von Philo Konzept des göttlichen Logos Bonazzi, Renewal, 245. 41 Vgl. auch Spec.Leg.II.176, wo Philo die Monade als unkörperliches Abbild Gottes bezeichnet. 42 Vgl. Eudor.frg.2 Mazz., Text und Übersetzung auch bei Neher, Wesen, 222 – 223. 43 Vgl. dazu M. Erler, Plato, 390 – 406 und 450 – 455. 44 Vgl. dazu umfassend M. Baltes, Weltentstehung I und II. und knapp Erler, Plato, 455 – 456, der sich dafür entscheidet, dass die Welt als eine werdende Größe erscheinen soll.
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(Opif.26 mit Plat.Tim.37d 3 – 38 8) ausgesprochen.45 Das ändert aber nichts daran, dass beide sowohl die intellegible wie die sichtbare Welt auf den transzendenten Gott zurückgeführt haben. Im Anschluss an Plat.Tim.42d5–c3 hielt Philo jedoch daran fest, dass Gott nur das Gute im Menschen, aber nicht für seine Anfälligkeit für das Böse verantwortlich war. Anders als Platon schrieb er sie jedoch den Helfern zu, die Gott bei seiner Erschaffung herangezogen hatte (Opif.75). Auch Philo konnte gelegentlich von der Monade sprechen und sie als Abbild des einen vollkommenen Gottes (Her.187) und damit zugleich als die vollkommene Zahl der 7 mal 7 bezeichnen (Spec.II.176). Er konnte sie aber auch als das zusammen mit dem Anfang gegenüber dem Ersten Jüngere bewerten und ihr damit den Platz zuweisen, den sie bei Eudoros eingenommen hatte (Q.Ex.II.68).46 Erinnert man sich daran, dass die Ideen nach Philos Überzeugung Zahlen sind, so bleibt der Zusammenhang mit seiner Schöpfungsund Gotteslehre bewahrt; denn Gott war für ihn „weit entfernt von allem Geschaffenen“ „vollkommen unnennbar (!jatam|lator/akatanmatos) und „unbegreiflich“ (!jat\keptor/akatleptos) (Somn.I.67).47 Für Philo als einem vom Offenbarungscharakter der Thora überzeugten Juden war die Erschaffung der Welt angesichts der biblischen Schöpfungsberichte eine nicht zur Disposition stehende Voraussetzung (Opif.7 – 12; vgl. aber auch die Übersicht in Aet.7 – 19, bes. 19).48 Daher war seine eigene Kosmologie in dem Sinne apologetisch, dass sie die biblische Lehre denkend in einer durch die heidnische Umwelt angefochtenen jüdischen Gemeinde verteidigte.49
15.4 Der Logos als Schöpfungsmittler Mit der Einfügung des Logos als dem Mittler zwischen den beiden Welten schlägt Philo die Brücke zwischen dem biblischen und dem philosophischen Denken.50 Denn nach der herrschenden Auslegung von Plat.Tim.28a war der Demiurg mit der Welt der Ideen identisch, so dass sein Aufblick zu ihr nur eine Weise der Veranschaulichung wäre. Jedenfalls bedurfte er keines weiteren Mittlers; denn indem er zu ihr aufblickte, schuf er alle Dinge. Dabei fällt bei 45 Vgl. dazu auch Kaiser, Deutung des Rätsels der Zeit, 415 – 416. 46 Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 189 und weiterhin Leg.all.II.3 und Imm.11. 47 Vgl. D. Winston, Ethical Theory, 401 – 402, P. Frick, Providence, 39 – 41 und 43 – 45 und den Überblick über Philos Gotteslehre bei Siegfried, Philo, 199 – 211. 48 Vgl. dazu Kaiser, Rätsel der Zeit, 418 – 421. Zur Eigenart dieser Schrift als Kompendium der antiken Lehren über die Ewigkeit der einen zeitlichen Anfang besitzenden Welt vgl. F.H. Colson (LCL 363), 172 – 183; Borgen, in: Stone, 249; Morris, Philo, 858 – 859 und bes. Runia, Creation, 110 – 114. 49 R. Radice, Theology, 132 – 134 mit einem Schema der Sechstagewerke auf 133. 50 Vgl. dazu auch H.A. Wolfson, Philo I, 325 – 328.
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Platon kein Wort über den göttlichen Charakter der Ideen.51 Indem Philo zwischen der göttlichen Welt der Ideen und der irdischen Welt den Logos als Mittler einfügte, unterstellte er die intellegible Welt ausdrücklich Gott, während er gleichzeitig den Gegensatz zwischen der Transzendenz und der Immanenz verabsolutierte. Um Gen 1,1 – 2,4 gerecht zu werden, verlegte er die Ideen in das Denken Gottes, der gemäß Gen 1,1 – 2,4 die Welt durch sein Wort als Inbegriff aller denkenden und gestaltenden Vernunft und schöpferischen Kraft erschuf.52 Die Anknüpfung an das biblische Konzept ist nicht zu übersehen, aber ebenso wenig, dass Philo es – sei es unter dem Einfluss der platonischen Lehre von der Weltseele53 oder (unter Ausschaltung des pantheistischen Elements) aus der stoischen von dem das ganze All durchdringenden und gestaltenden Logos als der die Welt bis in die Einzelheiten hinein bildenden und zusammenhaltenden Kraft –54 ausgestaltet hat (vgl. z. B. Q.Ex.II.68).55 Es ist eine schöne Arabeske seiner Schöpfungslehre, dass er den alljährlichen Frühling, in dem alles grünt und blüht, als eine Erinnerung Gottes an seine Schöpfung gedeutet hat (Spec.II.152).
15.5 Die Aussagen über den Logos als Beispiel für den aspektiven Charakter seiner Aussagen über das Verhältnis zwischen Gott und Welt Vergleicht man Philos Aussagen über den Logos und betrachtet man sie als ontologische Aussagen über das Verhältnis zwischen Gott und der Welt, so erscheinen sie als widersprüchlich.56 Liest man sie statt perspektivisch 51 Vgl. dazu M. Erler, Platon, 458 – 459. 52 Vgl. dazu Kaiser, Gott II, 262 – 264. 53 Vgl. Plat.Phaidr.245c – 246a und dann Tim.27c – 37c.41d-e, vgl. auch Leg.869a, und dazu Erler, 386 – 388. 54 Vgl. Diog.Laert.VII.134/LS 44 B; Diog.Laert.VII.135 – 136/LS 46 B; Phil.Opif.43 und dazu Zeller, Philosophie II/1, 141 – 152; A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 152 – 158 und M. Forschner, Stoische Ethik, 54 – 55 und Radice, Theology, 137 – 138. 55 Vgl. Diog.Laert.VII.139/SVF.II/LS 44 B; zu den lgoi spermatiko, den samenhaften Prinzipien, welche die einzelnen Dinge formieren, vgl. Phil.Opif.43 mit Diog.Laert.VII.135 – 136/SVF.I.102 /LS 46 B bzw. SFV II.1027/LS 46 A); dazu Radice, Theology, 137 – 138 und zur Übertragung der kosmischen Rolle der ¦ik_a, die über Plato und Empedokles bis zu Pythagoras zurückreicht, auf den Logos Runia, Philo and Timaeus, 180. 56 Vgl. die Kennzeichnung des Logos bei Philo durch C. Siegfried, Philo, 219 als „Urbild der Dinge, produktive Kraft Gottes, immanente Weltvernunft, jüdischer Erzengel, Hoherpriester, Inbegriff der göttlichen Emanationswelt, einzelnes Wesen, Vielheit, Gott selbst, verschieden von Gott, Eigenschaft Gottes, selbständiges Wesen“. Vgl. weiterhin E. Zeller ; Geschichte, III/2, 418 – 426, der mit Recht dafür plädiert hat, die Spannungen nicht aufzulösen. Das gilt auch für die zwischen der Vorstellung von Gottes Allgegenwart (Conf.136) und der eines Mittlers zwischen ihm und der Welt, C. Termini, Potenze, 89, vgl. auch die Zusammenstellung und Diskussion der einschlägigen Texte bei C. Colpe, Logoslehre, 91 – 97 und das Urteil von Runia; Philo and
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aspektiv, indem man nach ihrer jeweiligen Funktion fragt,57 so erfüllen sie im Horizont der jeweiligen Fragestellung durchaus ihre Aufgabe, die Vermittlung zwischen Transzendenz und Immanenz paradigmatisch zu erhellen. Heißt es, dass der Logos weder ungezeugt noch gezeugt ist (Her.206), so entspricht diese Aussage seiner Mittlerstellung zwischen Gott und Welt. Innergöttlich vermittelt er zwischen Gottes Macht und Liebe (Cher.27 – 28), weil er das Verhältnis zwischen beiden ins Gleichgewicht bringt, so dass Gott seine Schöpfung weder aus Gerechtigkeit vernichtet, noch aus Liebe in ein ethisches Chaos versinken lässt. Wenn der Logos zwischen Gott und den Menschen und den Menschen und Gott vermittelt (Gig.52; Fug.108), so weist das darauf hin, dass einzig die Vernunft den Brückenschlag zwischen Gott und Mensch vollziehen kann. Wenn Philo den Logos zu einem Sohn der Weisheit erklärt, die Gott zusammen mit dem All erschaffen habe (Fug.109; Det.115 – 116; vgl. auch Ebr.30 – 31),58 so bedeutet das ontologisch, dass der Kosmos eine weise Schöpfung Gottes ist. Aus dieser Einsicht aber lässt sich dann der analoge Satz ableiten, dass nur der Weise vernünftig handelt.59 Bei gedanklichen Widersprüchen in seinen Schriften muss man weiterhin in Rechnung stellen, dass sich ihre Aufzeichnung über Jahrzehnte erstreckt haben muss,60 in denen sich auch sein Denken den veränderten Situationen gemäß in einzelnen Zügen wandeln konnte. Dabei blieben seine Auskünfte über den in seinem Denken eine zentrale Stelle einnehmenden Gegensatz zwischen Tugend und Leidenschaft durchaus konsistent,61 wenn auch die aus ihm gezogenen Konsequenzen z. B. durch ihre Beurteilung im Rahmen der unterschiedlichen Aufgaben der Lebensalter das Zwanghafte verloren, das
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Timaeus, 207 – 208, dass der Logos bei Philo einerseits dieselbe Mittlerrolle wie die Weltseele bei Plato spielt, er aber andererseits der Träger des jºslor mogtºr (Opif.19; Mos.II.74 – 76) oder die Idee der Ideen (Opif.25) und so im Horizont des Timaios beurteilt, Urbild und Weltseele zugleich ist. Philo konnte ihn aber auch als Erzengel bezeichnen, der Gottes Offenbarungen der Welt eröffnet (Conf.146) und als Mittler zwischen Gott und Welt und der Welt und Gott als Hoher Priester waltet (Gig.52; Fug.108). Zur Gleichsetzung des Logos mit dem Hohen Priester vgl. Winston/Dillon, Commentary Gig., 264 z.St., die auf die Parallelen in Fug.108ff; Migr.102 und Som.I.215 verweisen. Bei Philos Aussagen, dass die Weisheit als Mutter der Schöpfung zusammen mit Gott als Vater den Logos und das All erschaffen habe, wird man auch an ihre Rolle als Schöpfungsmittlerin in Prov 8,22 – 31 zu denken haben; vgl. dazu M. Neher, Wesen, 44 – 51. Zum Problem des Logos bei Philo vgl. auch Zeller, Geschichte III/2, 426 – 429; Morris, Philo, 884; Runia, Philo and Timaeus, 208 und Couloubaritsis, Origines, 642 – 646. Vgl. dazu E. Brunner-Traut, Frühformen, 7 – 14 und das, was H. Frankfortm, Religion, 4 über die „multiplicity of approaches“, die „Vielfalt der Zugänge“ im mythischen Denken gesagt hat: Die im Mythos gegebenen Antworten gelten nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Frage. Dass Philo diese Rolle statt der Weisheit auch dem Logos zugeschrieben hat, zeigt z. B. Cher.127; vgl. dazu C.A. Anderson, Views, 40 – 41. Vgl. dazu Morris, 875 und 879 und S. Sandmehl, Philo, 22. Vgl. dazu ausführlich P. Borgen, Philo, 46 – 62 und zu den die Schriften miteinander verbindenden Hauptgedanken 65 – 79 mit dem Katalog 65 – 66 sowie nicht zuletzt Philos eigene Übersicht über seine Auslegung der Gesetze Moses Praem.1 – 3 und dazu Borgen, 77. Vgl. dazu unten, 218 – 219.
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Philos Lehre von den Sternen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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ihnen im stoischen System eigen war.62 Lediglich in der Frage, wie sich Gottes Allmacht und des Menschen Verantwortung zueinander verhalten, verblieb in seinem Denken eine Spannung, die sich aber nicht nur in seinem Fall gegen eine logische Auflösung sperrt.63 Versucht man seine Lehren über Gott, Welt und Mensch systematisch darzustellen, so zeigt es sich, dass sie je ihr eigenes Profil besitzen, obwohl sie gleichzeitig miteinander korrespondieren.
15.6 Philos Lehre von den Sternen als den sichtbaren Göttern und den unsichtbaren Geistern Einen Blick über die Grenzen der sichtbaren Welt hinaus öffnet sich, wenn wir uns Philos Lehre von der Erschaffung der den vier Elementen zugeordneten Lebewesen in Gig.6 – 18 (vgl. Somn.I.135) zuwenden: Dort gibt er eine umfassende Übersicht nicht nur über die Bewohner der sichtbaren, sondern auch über die der unsichtbaren Welt. In ihr erfahren wir, dass Gott den ganzen Kosmos mit den ihn konstituierenden vier Elementen mit Lebewesen füllte: Daher beleben die als Dämonen oder Geister bezeichneten fliegenden Seelen, die Luft, während die Landtiere die Erde und andere Tiere, die das Meer und die Flüsse füllen, im Wasser leben. Zum Feuer aber gehören die den Himmel füllenden Sterne. Sie seien ihrer Natur nach göttlich und zögen als Besitzer des moOr/nou¯s in seiner reinsten Form ihre Kreisbahnen (Gig.6 – 8; vgl. auch Opif.55.73.144; Plant.12 und dazu Plat.Tim.39e10 – 40a7).64 Diese wahrnehmbaren Götter besäßen aber keine uneingeschränkte Macht, sondern ihnen hätte Gott einen untergeordneten Herrschaftsbereich zugewiesen (Spec.I.19).65 Von besonderer Bedeutung sind seine Ausführungen über die Bewohner der Luft, weil Philo bei ihnen in diesem Zusammenhang nicht an die Vögel,66 sondern an nur mit der Vernunft erkennbare vernünftige Wesen oder Seelen denkt (Gig.9).67 Von ihnen wären die einen dem Dienst des Vaters und
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Vgl. dazu unten, 238 – 240. Vgl. dazu unten, 246 – 247. Vgl. auch Ps.Aristot.Mund.391b14 – 19. Zum Problem, ob es sich um eine lediglich referierte oder Philos eigene Meinung handelt vgl. A.H. Wolfson, Philo I, 363 – 366. 66 Eigenartigerweise hat er sie auch bei der Besprechung der Werke des 5. Tages in Opif.62 – 64 nicht erwähnt. 67 Zum Hintergrund in der Dämonologie des frühen Platonismus vgl. mit John M. Dillon, Dämonologie, 123 – 141; Plat.Symp.202e – 203a; Phaid.108b.113d; Rep.620d–e; Phaidr.247a; Leg.VIII.848d; Polit.271d–e; Leg.IV.713d; Xenokrates bei Plut.Mor.360e–361b; 416c–e. Besonders interessant ist, dass in Ps.Plat.Epin.981c–d.984b–e jedem der Elemente bestimmte Luftbewohner bzw. Dämonen zugeordnet werden; zum Unterschied bei Philo Gig.6 – 9, vgl. Dillon, 134 – 136. Nicht auszuschließen ist allerdings auch, dass Poseidonios Philos Geisterlehre mit
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Schöpfers (dgliouqcºr)68 geweiht, während andere zu Dienern und Helfern der Menschen bestimmt seien. (Gig.12).69 Mit dieser Deutung sind nach Philos Ansicht alle Gründe für eine abergläubische Dämonenfurcht beseitigt, weil „Seelen“ und „Dämonen“ nur unterschiedliche Bezeichnungen der mit ihnen gemeinten Geister seien Der Sache nach handele es sich in beiden Fällen um Engel, von denen die einen als Gesandte in beiden Richtungen zwischen Gott und den Menschen vermittelten, während andere unrein und einer solchen Bezeichnung unwürdig seien (Gig.16; Somn.I.141; vgl. Plat.Symp.202d13–e1).70 Was man von letzteren zu gewärtigen habe, zeige eben die Erzählung von den Engelehen in Gen 6,1 – 3 (Gig.17 – 18). Wieder andere Seelen aber führen in irdische Leiber und würden dabei wie im Wirbel eines Stroms mitgerissen. Von ihnen stemmten sich einige gegen die Strömung, um an ihren himmlischen Ausgangsort zurückzukehren. Das seien die genuinen Philosophen, die während ihres ganzen Lebens danach streben, dem Leibe abzusterben, damit sie zu einem unsterblichen und körperlosen Leben in der Gegenwart des Ungewordenen und Unsterblichen (Gottes) gelangten (Gig.13 – 14; vgl. auch Somn.I.135 – 141 und dazu Plat.Tim.42b3 – 5). Aber es gebe auch andere Seelen, welche die Weisheit verachteten und in dem Strom versänken, weil sie sich, durch eine falsche Meinung (xeudoOr dºngr/pseudou¯s dxe¯s) getäuscht, den wechselhaften und zufälligen (tuwgqo?r/tyche¯roı˜s) Dingen und d. h. dem Leib und leblosen Dingen wie Ruhm, Reichtum, Ämter und Ehren und anderen Illusionen ausgeliefert und daher nicht zur wahren Schönheit (pq¹r !k¶heiam jak\/prs ale¯theian kal) aufgeblickt hätten (Gig.14 – 15).71
15.7 Anhang 1: Philos Verständnis der Zeit Weltliches Dasein ist zeitlich. Mithin gilt es die Frage zu beantworten, wie Philo Welt und Zeit miteinander verbunden hat. Dabei muss von vornherein daran erinnert werden, dass die Griechen zwischen wq|mor/chrnos als dem Zeitverlauf und jaiq|r/kairs als dem für ein bestimmtes Handeln geeigneten Augenblick unterschieden haben. Dabei ist der jeweilige jaiq|r ein qualitativ ausgezeichnetes Moment im Gesamtablauf der Zeit (vgl. Koh 3,1 – 9). Entscheidend ist für Philon Zeitverständnis Gen 1,1: Denn die !qw^, der Anfang, in dem Gott den Himmel und die Erde zuerst in der Idee und mithin in seinem
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beeinflusst hat, vgl. Poseid.frg.24 Kidd. Zum antiken Dämonenglauben einschließlich des jüdischen vgl. umfassend O. Böcher, Dämonenfurcht, 18 – 160, zu den Abwehrpraktiken 161 – 316. Zum Begriffspaar poigt¶r und pat¶q (Schöpfer und Vater) vgl.Plat.Tim.28c3. Vgl. auch Plat.Phaidr.246a und Ps.Plat.Epin.985b und dazu H.A. Wolfson, Philo I, 366 – 385. Vgl. dazu J. Dillon, Philo’s Doctrine of Angels, in: Winston/ders., Two Treaties, 197 – 205. Vgl. dazu auch H.A. Wolfson, Philo I, 407 – 413.
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Geist schuf, von welcher Schöpfung Gen 1,1 – 2,4 nach seinem Verständnis handelt, besitzt als jenseitiges Geschehen keinen zeitlichen Charakter. Zeit und reale Welt hängen derart eng zusammen, dass es vor der Erschaffung der realen Welt keine Zeit geben konnte, weil es in der Welt der Ideen oder im Geist Gottes keine Bewegungen gab. Die Zeit für älter als die Welt zu erklären, wäre daher „unphilosophisch“ (!vik|sovor/aphilsophos) oder schlichter ausgedrückt: unbedacht. Denn die Zeit ist „gemessener, durch die Bewegung der Welt bestimmter Raum“ (Opif.26), bzw. das „Maß der Bewegung“ (Aet.4), wobei Philo an dieser Stelle diese Definition mit Recht auf die Stoiker zurückführt, die nach Diog.Laert.VII.141 die Zeit als unkörperlich und als Maß der Bewegung bestimmt haben.72 Wenn es in Gen 2,1 heiße, dass Gott seine Werke in sechs Tagen beendet habe, so sei die Annahme töricht, dass die Welt in sechs Tagen oder überhaupt innerhalb einer Zeitspanne erschaffen worden sei, weil jede zeitliche Periode eine Abfolge von Tagen und Nächten sei, denn eine solche gäbe es nur aufgrund der Sonne, die sich teils über und teils unter der Erde bewege. Die Sonne aber sei ein Teil des Himmels und die Zeit mithin jünger als die Welt. Korrekt müsse es daher heißen, dass die Welt nicht in der Zeit, sondern die Zeit mit der Welt entstanden sei. Denn die Bewegung des Himmels habe das Wesen der Zeit zu erkennen gegeben (Leg.I.2). Damit aber endet er statt bei den Stoikern bei Platon, der Tim.38b6–c6 erklärt hatte, dass die Zeit zugleich mit dem Himmel entstanden sei.73
15.8 Anhang II: Philos Blick auf die reale Welt 15.8.1 Der Himmel Immerhin stimmten nach Conf.5 die mit solchen Problemen befassten Philosophen darin überein, dass die Erde das Zentrum des Kosmos bildet. Dass sie selbst eine Kugelgestalt besitzt, war seit Pythagoras anerkannt und wird von Philo Prov.II.62 mit ihrer Zweckmäßigkeit begründet. Aristot.Cael.II.297b23 – 31 hat sie an den konkaven Verdunkelungen der Mondphasen und dem konvexen Vollschatten der Mondfinsternisse demonstriert, die durch die Stellung der Erde zwischen der Sonne und dem Mond hervorgerufen wird.74 Was Philo faszinierte war der Blick zu dem Sternenhimmel, der sich in 72 Vgl. auch SVF.II. 509/LS 51B, wo Chrysipp auf die Gegenwärtigkeit der Zeit und ihre in beiden Richtungen liegende Grenzenlosigkeit verweist. Da aber alles Kontinuierliche unendlich teilbar sei, sei es auch die Zeit. Daher sei keine Zeit exakt gegenwärtig und die Gegenwart selbst eine mehrere Augenblicke umspannende Breite. Vgl. auch Plut.Mor.1081c – 1082a = LS 51 C und zur Sache A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 138. 73 Zum Zeitverständnis von Platon und Aristoteles vgl. auch Kaiser, Rätsel der Zeit, 415 – 418. 74 Vgl. dazu S. Sambursky, Physical World, 75 – 9 und zur aristotelischen Kosmologie 80 – 103.
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ewiger Ordnung bewegt, ein Anblick, der noch nach Immanuel Kant zusammen mit dem moralischen Gesetz in uns das Gemüt mit Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt (KpV.II.Beschluss.1787 288/Vorländer, 186). Aber Philo beließ es (so wenig wie Kant) bei der bloßer Bewunderung, sondern hatte sich so eingehend über die Grundbewegungen des Sternenhimmels informiert, dass er sie skizzieren konnte: So bewege sich der ganze Sternenhimmel nach ewiger Ordnung (Her.87; vgl. Cher.23; Mut.72) und lenke dadurch die Philosophie zum Blick empor zur ätherischen Himmelsregion und dem geordneten Lauf der Gestirne, ihren Auf- und Untergängen, den Mondphasen und dem Sonnenlauf, um darin Gottes Vorsehung zu erkennen, die über das Ganze und seine Teile wache (Spec.III.187 – 189). Dabei erweise sich die äußerste Sphäre der Fixsterne als ungeteilt, während die Bahnen der Planeten sieben Kreise bildeten (Her.233; vgl. auch Decal.102). Der Himmel drehe sich beständig (Decal.57), wobei sich der äußerste Himmel der Fixsterne von Osten nach Westen und die sieben Sphären der Planeten von Westen nach Osten bewegten (Cher.22; vgl. Decal.104). Dabei liefen die Sonne, der Morgenstern und der Sprinkler (Merkur) ihren Bahnen mit gleichen, die anderen Planeten jedoch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (Cher.22). Philo konnte durchaus die Ansicht vertreten, dass der obere Himmel aus dem 5. Element, dem Äther, einem brennenden Feuer bestünde (Conf.156), aus dem auch die Seele gebildet sei (Leg.III.161; vgl. auch Her.283) und in dessen Nähe die reinsten Geister sich aufhielten (Plant.14). Aber er war sich anderenorts durchaus bewusst, dass man schon bei der Frage, ob die Sterne beseelte und vernunftbegabte Wesen oder ohne jedes Bewusstsein seien, über Vermutungen nicht hinauskomme (Cher.23). Andererseits gab es grundsätzliche Beobachtungen wie die, dass der Mond regelmäßig zu- und abnimmt und die Sonne mit ihrem Lauf die Jahreszeiten bestimmt (Spec.III.188). Die Annahme, dass der Mond anders als die übrigen Himmelskörper aus einer Mischung von irdischer und ätherischer Substanz bestünde und sein sog. Gesicht aus vermischter Luft bestünde, setzte er in seine Traumtheorie ein (Somn.I.145).75 Dass er in Her.78 – 79 ohne Vorbehalt von den Bewohnern der Unterwelt spricht, sei angemerkt.76
15.8.2 Erdgeschichtliche Veränderungen Dass es erdgeschichtliche Veränderungen gegeben hat, so dass Inseln aus dem Meer auftauchten und zusammenhängende Länder auseinander gerissen wurden, merkt Philo in Aet.138 – 142 zur Stütze seiner Lehre von der Unvergänglichkeit der Welt an. Dabei beruft er sich vor allem auf die „berühmte 75 Vgl. dazu Colson, Philo V (LCL 275), 600 mit dem Hinweis auf eine von Stobaeus berichtete ähnliche Ansicht von Aristoteles. 76 Zum Problem vgl. unten, 262.
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Geschichte“ der Straße von Sizilien (Messina), die den ursprünglichen Zusammenhang von Kalabrien und Sizilien unterbricht, wonach Rhegion auf ihrem Ostufer gegründet worden sei (vgl. Strabo 6.1.6/C 258), um dann an den von Platon in Tim.24–e1 – 25d6 berichteten Untergang von Atlantis zu erinnern, an dessen Stelle sich seither das nach ihm genannte Meer erstreckt. Doch mit der Bemerkung, dass die Lebenszeit des Menschen angesichts der Vielzahl der Teile und selbst der wichtigsten des Kosmos zu kurz sei, und selbst mehr Jahre, als den Menschen zugestanden sind, nicht ausreichten, sie zu beschreiben (Mos.I.212 – 213), konnte Philo sich und seine Leser vor ihrer genaueren Beschreibung bewahren, die als einem Verkünder der Größe Gottes nicht sein Geschäft war.
15.9 Philos Zurückhaltung gegenüber naturwissenschaftlichen Problemen Philo war nach heutigen Einordnungen ein Geistes- und kein Naturwissenschaftler. Daher fühlte er sich angesichts der auseinandergehenden Auskünfte der Naturwissenschaftler überfordert, sich eine eigene feste Meinung zu bilden. Darin gibt sich eine kluge Selbstbescheidung zu erkennen, die man ihm keinesfalls zum Vorwurf machen sollte. So wirft er in Somn.I.22 – 23 die Fragen auf, ob der Himmel eine feste kristallene Masse besäße oder er reines Feuer sei; ob er aus einem fünften Element (dem Äther) bestünde, dass sich in kreisförmiger Bewegung befinde; ob die äußerste Sphäre77 eine Tiefe besäße und damit einer geometrischen Figur gliche; ob die Sterne aus einem Gemisch von Erde und Feuer, aus feurigem Metall oder aus komprimiertem Äther bestünden; ob sie lebende und zugleich intelligente Wesen wären oder ihnen beides abginge; ob ihre Bewegungen durch Wahl oder Notwendigkeit bestimmt seien; ob der Mond sein Licht von der Sonne geborgt hätte oder beide an seinem Zustandekommen beteiligt seien, um dann mit der Bemerkung zu schließen, dass all diese und ähnliche Annahmen ihrer Natur nach ungewiss und unbegreifbar seien, weil sie auf Vermutungen und nicht auf sicheren Erwägungen beruhten.78 Philos Skepsis ging so weit, dass er erklärte, man 77 Zur Entwicklung der antiken Sphärentheorie vgl. Sambursky, Physical World, 58 – 64. 78 Vgl. auch die von Theophr.Metaphys. formulierten 25 Aporien in der Zusammenstellung von G. Damschen und E. Rudolph (PhB 516), XXII – XXVI und zum Stand der damaligen Naturwissenschaften in Alexandria J. Freely, Platon, 53 – 81. Zu einer ähnlichen Skepsis von Empirikern im medizinischen Bereich vgl. Cels.Med.Prooem.27 – 28: „obscurarum vero causarum et naturalium actionum quaestionem ideo supervacuam esse contendunt, quoniam non comprehensibilis natura sit. Non posse vero comprehendi patere ex eorum, qui de his disputarunt, discorida, cum de ista re neque inter sapientiae professores, neque inter ipsos medicos conveniat ([Denn sie vertreten die Ansicht,] dass eine Untersuchung über verborgene Ursachen und natürliche Abläufe überflüssig ist, weil die Natur unbegreiflich sei. Dass sie nicht verstanden
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könne zuversichtlich einem Eid vertrauen, nach dem kein Sterblicher jemals dazu fähig sei, diese Fragen eindeutig zu beantworten (vgl. auch Her.224). Mochte er auch bereit sein, alle speziellen kosmologischen Fragen offen zu lassen, so hielt er doch an dem schon in seinen Tagen in weiten Kreisen bestrittenen Glauben an Gott als dem Schöpfer und Herrn der Welt fest: Die Ansicht, dass alles in der Welt unabhängig von jeder göttlichen Leitung ihren Gang nähme und alle konkreten Ordnungen des menschlichen Zusammenlebens allein das Werk des menschlichen Geistes sei (vgl. Plat.Leg.XII.966d9 – 967d2) war in seinen Augen Torheit, weil der menschliche Geist ohne Gottes Beistand sich nicht zu helfen wisse (Leg.III.29 – 30; vgl. auch Spec.II.173 – 174). Ontologischer Atheismus und existentieller Glaube lassen sich nicht miteinander versöhnen.
werden könne gehe aus der Uneinigkeit derer hervor, die solche Dinge diskutierten; denn in dieser Sache gäbe es keine Übereinstimmung, weder unter den Professoren der Philosophie noch unter den Ärzten selbst).”
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16. Philos Lehre von Gott 16.1 Der transzendente Gott als der ganz Andere Philo ging bei seinem Nachdenken über das Wesen Gottes von den beiden Grundsätzen aus, dass Gott kein Mensch ist (Num 23,19), aber der Mensch trotzdem nur auf anthropomorphe Weise von ihm reden kann (Sacr.94; vgl. Imm.60; Somn.I.236 – 237). Obgleich jede derartige Rede eigentlich eine Gottlosigkeit sei, ließe sie sich aus pädagogischen Gründen nicht vermeiden (Conf.135). Damit ist jedoch bereits eine grundlegende anthropologische Bestimmung erfolgt, nach der die Erkenntnismöglichkeiten im vollen Sinne auf den Bereich der Immanenz begrenzt sind. Aussagen über Gott und das Verhältnis zwischen ihm und der Welt sind jedoch insofern möglich, als alles Vergängliche ein Gleichnis des Unvergänglichen bzw. eine Verkörperung der Ideen Gottes ist.1 Sie beruhen mithin auf Analogieschlüssen. Im Blick auf die Möglichkeit Gott zu erkennen, gilt in verstärktem Maße die Grenze, die der Einsicht in die himmlischen und irdischen Dinge überhaupt gezogen ist: Daher kommt der Mensch auf diesem Gebiet nicht über Wahrscheinlichkeitsurteile hinaus (Ebr.167 – 169). Entsprechend bestimmt Philo das eigentliche Ziel des richtigen Denkens dahin gehend, dass es darauf ankommt, die eigene Begrenztheit anzuerkennen: „denn sein Nichtwissen zu erkennen, ist das letzte Ziel des Wissens; denn der einzige Weise ist der einzige Gott“ Migr.134). Gott ist für Philo in seiner absoluten Transzendenz der ganz andere. Als solcher besitzt er keinerlei Ähnlichkeit mit den von ihm erschaffenen Wesen, deren Kräfte eines Tages erlöschen, während er selbst unerschaffen und immer tätig ist (Gig.42). Unter Berufung auf ein angebliches Wort des aus Kroton stammenden und zuletzt in Theben wirkenden pythagoreischen Philosophen Philolaos, dass Gott der höchste Herrscher aller Dinge und immer der eine, beständige und unbewegte ist, der nur sich selbst gleicht,2 vertrat Philo die Ansicht, dass Gott als der Herrscher und Anführer (%qwym ja· Bcel¾m) weder sich selbst noch etwas anderes bewege (Opif.100; vgl. auch Post.19). Er, der alle Dinge geschaffen hat, bedarf selbst keiner Gaben (Imm.107). Für diesen verborgenen Gott gibt es keinen angemessenen Namen (Mut.11), denn er gestattet es nur dank seiner Güte, ihn als „Gott den Herrn (j¼qior b heºr)“ zu bezeichnen (Mut.12): In seiner Selbstvorstellung in Ex 3,14 habe er sich als der 1 Vgl. dazu J. Dillon, Nature of God, 222: “God can’t be known or described as to His essence, he can be characterised variously in His relation to man and the world.” 2 DK 44 frg.20 (II), 416.
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Philos Lehre von Gott
in Wahrheit allein existierende und unaussprechliche offenbart (vgl. Det.160 mit Mut.11 – 12; Somn.I.230 – 231). Nur den ihm dienenden köperlosen Seelen (und d. h. den Engeln) erscheine er als der, der er ist, während er sich den Menschen allenfalls als Engel zeige (Somn.I.232).3 Grundsätzlich aber sei dieser Gott in sich Gipfel und Grenze und mithin der Inbegriff der Glückseligkeit (eqdailom¸a/eudaimona) und der Vollkommenheit (b´ktysir/blto¯sis). Da er die Quelle alles Schönen und Guten ist, sei alles Schöne und Gute in der Welt nur ein Abbild des Urbildes seiner unerschaffenen, gesegneten und unvergänglichen Schönheit (Cher.86).4 Natürlich konnte der transzendente Gott die Zehn Gebote Israel am Sinai nicht selbst offenbaren (Ex 20), da er weder einen Mund noch eine Luftröhre zum Sprechen besitzt. Er hat daher nach Philos Überlegungen ein Wunder getan, indem er einen unsichtbaren Ton erschuf, der die Harmonie aller Musikinstrumente übertraf und eine rationale Seele besaß, die der Luft Gestalt und Spannung gab und sich in ein flammendes Feuer verwandelte und laut wie eine Trompete den Dekalog offenbarte (Decal.32 – 35).5
16.2 Die Grenzen der Theologia negativa Sieht man von der speziellen Offenbarung des Moses offenbarten Dekalogs ab, so wurde die als Theologia negativa zu bestimmende natürliche Theologie nach Philos Überzeugung auf zweierlei Weise eingegrenzt: 1. Dadurch, dass die menschliche Vernunft, der menschliche moOr/nou¯s, Rückschlüsse auf den göttlichen moOr ziehen und auf diese Weise gleichsam eine aktive Gotteserkenntnis von unten nach oben gewinnen könne. Sie sind also nicht mit den gewöhnlichen Augen als die äußere Welt erschließenden Sinnesorganen, sondern nur mit „dem Auge der Seele“ und d. h. mittels Analogieschlüssen von der sichtbaren Welt auf hinter ihnen stehende unsichtbare göttliche Akte zu erkennen.6 Zu den Menschen, denen das gelungen war, zählte für Philo jedenfalls Moses, der sich durch die Lehren der Astrologen über die Göttlichkeit des Kosmos nicht irritieren ließ, sondern erkannte, dass dieser Gott weder mit dem Kosmos noch mit dessen Seele identisch ist, so dass die Gestirne und ihre Umläufe nicht der erste Grund aller Dinge sein können. Das Ganze würde vielmehr durch unsichtbare Mächte (dum²leir/ dynmeis) zusammengehalten, die der Schöpfer von den Enden der Erde bis 3 Zu Philos Vorstellungen über die Geister und Engel vgl. auch Gig.6 – 11, und zur Aufgabe der Engel als Mittler zwischen Gott und den Menschen wie den Menschen und Gott Gig.16; vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 228 – 229. 4 Vgl. mit Runia, Philo and Timaeus, 254 Tim.41d8. 5 Vgl. dazu R. Weeber, Gesetz bei Philon, 68 – 78. 6 Vgl. dazu oben, 171.
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zu den Grenzen des Himmels reichen ließe, so dass das All wie durch eine unzerstörbare Kette zusammengehalten würde (Migr.181). Das bedeutete aber darüber hinaus, dass die Vergöttlichung der vier Elemente und der Gestirne und ihre Verehrung mit den unterschiedlichsten Namen für den philosophisch Denkenden durchschaubar wurde und er einsah, dass nicht irgendwelche Teile des Alls sondern allein der allmächtige und unerschaffene Gott zu verehren sei, der die Welt in seiner Vorsehung als unzerstörbar geschaffen hat (Decal.53 – 57). Diesen Schritt hätten seither alle nachvollzogen, die aus der Ordnung der Welt auf ihren Schöpfer zurück geschlossen haben (Praem.41 – 42).7 2. Aber man könne dadurch zur Gotteserkenntnis gelangen, dass Gott dem Menschen auf Grund seiner Gnade eine solche von oben nach unten schenke (Praem.46):8 „Zur Wahrheit gelangen nur die, die Gott durch Gott schauen, durch das Licht das Licht.“9 Entsprechend gebe es einen inneren Weg, auf dem sich die Seele von der sinnlichen Wahrnehmung lösen und zur unkörperlichen geistigen Schau der himmlischen Welt aufsteigen könne, um mit Gott vereinigt zu werden (Q.Gen.III.3/LCL 380, 183 – 184).10 Diesen Weg schlügen freilich nur die Seelen ein, die als wahre Philosophen vom ersten bis zum letzten Tages ihres Lebens darnach strebten, dem leiblichen Leben abzusterben (Plat.Phaid.64b), um in seiner Gegenwart unsterblich und körperlos im ewigen Theater des Alls voll Freude die göttlichen Dinge zu sehen und zu hören, nach denen sie sich schon immer mit unersättlicher Liebe gesehnt hätten (Gig.31).11 Schon der Rückschluss von der in ihren Abläufen geordneten Welt auf ihren unsichtbaren Schöpfer und Herrn ist seiner logischen Struktur nach ein Analogieschluss (Spec.I.34). Die innere Struktur der Welt und selbst die des Menschenlebens samt den Verhältnissen zwischen den Tieren erschlössen sich nicht anders als die Umläufe der Gestirne in analogen Zahlenverhältnisse (vgl. Opif.97 – 105; Her.152 – 154 mit Sacr.75); denn Gottes Schöpfungswerke würden alle durch proportionale, analoge Ordnungen bestimmt (Her.160). Wir erinnerten schon oben daran, dass der eigentliche Gewinn der Absolvierung der vier unteren Zweige der gymnasialen Ausbildung auf dem Gebiet der Grammatik, der Musik, der Geometrie und der Rhetorik bzw. Dialektik nach Philos Urteil darin besteht, dass die Schüler auf diese Weise durch literarische und historische Studien ihre Phantasie zu zügeln lernten und ihre sittliche Urteilskraft schärften, während die Musik unordentliche Laute in eine Melodie verwandelte, die Geometrie sie zwischen gleichen und analogen Verhältnissen zu unterscheiden lehre, während die Rhetorik ihre Ausdrucksfähigkeit und die Dialektik ihre Urteilsfähigkeit schärfe und sie 7 Dass die besondere Fürsorge dieses Gottes seinem Volk Israel gilt, musste am Ende auch der Judenfeind Flaccus erkennen (Flacc.170). 8 Vgl. dazu G. Sellin, Gotteserkenntnis 58 – 65, bes. 63. 9 Vgl. auch Her.76.256; Leg.III.40 – 41.44 und Opif.71. 10 Vgl. dazu C. Noack, Gottesbewusstsein, 139 – 141. 11 Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 347.
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dazu befähige, wahre Urteile von falschen zu unterscheiden (Congr.14 – 18) Dadurch würde der Einzelne gleichsam in die große kosmische Ordnung eingefügt, die über sich selbst auf Gott als ihren Schöpfer hinausweist. Denn der ganze Kosmos samt der schicksalhaften Fügung aller Dinge (eRlaql´mg/ heimarmne¯), ihrer Abfolge und ihren Verhältnissen, würden wie durch eine unzerbrechliche Kette zusammengehalten, so dass sie auf Gott allein verwiesen, dem das Szepter und die Königsherrschaft eigne (Mut.135). Alle Aussagen, die auf einer intellektuellen Einsicht beruhen, werden nämlich nicht mittels der Sinne, sondern mittels Analogieschlüssen von sichtbaren auf unsichtbare Verhältnisse gewonnen (Somn.I.186 – 187). Entsprechend nähmen die leiblichen Augen nur innerweltliche Erscheinungen wahr, während das unsichtbare und nur mit der Vernunft (moOr) wahrnehmbare Licht ein Abbild des göttlichen Logos, der „Urvernunft“ sei (Opif.30 – 31). Daher besitzt der moOr/nou¯s, die Vernunft als Lebensprinzip für den Menschen dieselbe Bedeutung wie die Pupille für das Auge (Opif.66).12 3. war Philo davon überzeugt, dass die Moses offenbarte Thora und die sich in ihr ausdrückende Erwählung Israels eines Tages zum Segen aller Völker auswirken würden. Denn es war kein anderer als der Schöpfergott, der Israel als sein Eigentumsvolk erwählt (Post.89; Plant.59; vgl. Dtn 32,7 – 9; Conf.56; vgl. Ex 24,11; Fug.208 und Leg.Gai.3 – 4) hatte. Darüber hinaus war es eben dieser Gott, der sein Volk dadurch vor allen Völkern der Welt ausgezeichnet hatte, dass er ihm nicht nur die unmittelbare Gottesschau gewährt (Praem.44 – 46), sondern ihm auch die teils von ihm selbst mittels einer geheimnisvollen Stimme offenbarten (Decal.32 – 35) und teils von Moses als dem besten Gesetzgeber aller Zeiten verkündigten und aufgezeichneten Gesetze (Mos.II.12 – 16) gegeben hatte. Dieses Gesetz aber zeichne sich durch eine Menschenfreundlichkeit (¦ikamhqyp¸a/philanthro¯pa) (Virt.80 – 124) aus, die auch Freundlichkeit gegen Tiere (Virt.125 – 147) und selbst Pflanzen einschließe (Virt.148 – 160).
16.3 Gottes Wirken als Schöpfer und Lenker der Welt Während alle Dinge der Welt dem Wechsel unterworfen sind, ist Gott für Philo immer derselbe, der sich anders als seine Geschöpfe weder wendet noch wandelt, weil er %tqeptor/treptos und !let²bkgtor/ametble¯tos, unwandelbar und unveränderlich ist. Daher befand und befindet er sich, obwohl er alle Dinge erschaffen hat und erschafft, zu allen Zeiten in Ruhe (Cher.89 – 90). Er überblickt das Unsichtbare, ehe es in Erscheinung tritt. Dabei ist er sein eigenes Licht und Auge, das zur Wahrnehmung keines anderen Lichtes bedarf. Wer jedoch der Meinung ist, dass Gott nur die äußere Welt wahrnehme, be12 Vgl. dazu oben, 172.
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fände sich in einem Irrtum. Denn er ist sein eigenes Licht und als solches ein urbildlicher Glanz, aus dem abertausend Strahlen ausfließen, die unsichtbar und nur im Denken erkannt werden können (Cher.97). So macht der Rechtschaffene, der die Natur der Dinge erkundet, dabei die überraschende Entdeckung, dass alle Dinge Gnadengaben Gottes sind, und die Schöpfung selbst nichts verschenken kann, weil alle Dinge ihm gehören, so dass auch die Gnade allein sein Eigentum ist.13 Mit zahlreichen Metaphern konnte Philo Gottes Eigenschaften als Herr und Lenker der Welt bezeichnen:14 Er war der Schöpfer und Vater (poigt¶r ja· pat¶q/poie¯te¯s ka pate¯r) der unsichtbaren wie der sichtbaren Welt, der als Hersteller (dgliouqcºr/de¯miourgs) die sichtbare Welt geschaffen hat (vgl. Opif.7 und 10 mit Plat.Tim.28c3.41a7).15 Als Vater und Schöpfer des Alls hat er dem Kosmos seine Ordnung, Beschaffenheit, Beseeltheit, Gestalt, inneren Zusammenhang und Harmonie gegeben (Opif.21 – 22),16 Als Vater hat er die Zeit in Tag und Nacht aufgeteilt (Opif.56.).17 Dass Gottes schaffendes Wirken ewig währt und zu seinem Wesen gehört, beschreibt Philo in Leg.I.25, indem er ihn mit der erhitzenden Eigenschaft des Feuers und der abkühlenden des Schnees vergleicht: So wie das Feuer notwendigerweise erhitzt und der Schnee seinem Wesen nach abkühlt, höre Gott nie auf zu handeln, weil er seiner Natur nach stets tätig (poi_m/poio¯n) ist. In seiner Eigenschaft als unsichtbarer Lenker der Welts bezeichnet Philo Gott als den Herrscher des Alls (b p²mtym Bcel¾m/ho pnto¯n he¯gemo¯n (Opif.75).18 Als der Unsichtbare und Körperlose ist er die Vernunft des Alls 13 Vgl. dazu auch A. Dihle, Vorstellung, 102. 14 Vgl. dazu künftig Kaiser, Metaphern (DCLY 2013). 15 Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 165 – 166; ders., Commentary, 132 – 145 und F. Calabi, God’s Acting, 28. 16 Vgl. dazu Runia, 141 – 143, der auf die hier vorliegende Adaption von Tim.29e – 30a hinweist, und weiterhin Borgen, Philo, 68 und Calabi, 11 – 12. 17 Vgl. mit Runia, 242 n.5 Plat.Phaidr.246e 4 – 6 und weiterhin ders., Commentary, 204 – 205. Religionsgeschichtlich ist an die Bezeichnung des Zeus als Vater der Götter und Menschen zu erinnern (vgl. z. B. Hom.Od.I.28). Wegen seines Wohlwollens gegen alle Menschen wie als Urheber des Menschengeschlechts wurde er als Vater, wegen seiner Übermacht als Höchster und König und wegen seiner weisen Ratschläge als guter und weiser Ratgeber bezeichnet (Diod.V.72.2). In der ägyptischen Mythologie wurden mehrere Götter als „Vater der Götter“ oder als Vater bezeichnet. In sumerischen Texten erscheint Enlil als Vater aller Götter, in akkadischen werden als solche Anu, Enlil, Sin und Assur erwähnt. Anu aber wurde als Ausdruck seiner schöpferischen Macht und Autorität als „Vater des Himmels und der Erde“ bezeichnet. Jahwe wird im Alten Testament selten Vater genannt. So ist von ihm z. B. in Ex 4,22 als Vater Israels die Rede. In seiner Eigenschaft als Schöpfer und Urheber Israels wird er in Dtn 32,6 als Vater bezeichnet; vgl. auch Jes 64,7 und 63,16. Als Vater des Königs wird er in 2Sam 7, 14, vgl. Ps 89,27 – 28 und Ps 2,7, benannt, während einer der Thronnamen des erwartete König der Heilszeit in Jes 9,5 „Ewigvater“ lautet. Dass Jesus Gott seinen Vater nannte und die Seinen dazu anhielt, ihn als ihren Vater anzurufen, belegt die Anrufung im Herrengebet Lk 11,1 par Mt 6,9; vgl. dazu H. Ringgren, Artikel ab (ThWAT I/1971, 1 – 19; O. Michel (EWNT2 III/1982), 125 – 135 und Bauer/Leander, Handwörterbuch6 1988, 1281 – 1283. 18 Vgl. mit Runia, Philo and Timaeus, 242 und Calabi, 123, die beide auf Plat.Tim.42d-e verweisen.
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(moOr/nou¯s) und der Archetyp aller Vernunft, an welcher der Mensch als das nach seinem Bild geschaffene Wesen Anteil hat (Opif.69).19 Aber er ist gemäß Ps 23,1 (G 22,1) auch der Hirte (poil¶m/poime¯n):20 Denn die ganzen Welt, Land und Wasser, Luft und Feuer, Pflanzen und Lebewesen, sie mögen sterblich oder göttlich sein, samt dem Himmel mit seinen Umläufen von Sonne und Mond wie den rhythmisch kreisenden Gestirnen sind wie eine Herde unter der Hand Gottes, ihres Hirten und Königs (Agr.50 – 51). Er regiert die Welt nicht wie ein Tyrann, sondern er lenkt den Himmel und die ganze Welt mit Gerechtigkeit und erweist sich darin als ihr Vater (Prov.II.15). Dabei ist Gott allein der Urheber des Guten und nicht des Bösen. Das gilt auch für den Menschen: Sofern der Mensch seiner Vernunft gehorcht und tugendhaft lebt, handelt er dem Willen seines Schöpfers gemäß. Wenn er aber in Gedanken oder mit Taten sündigt, so zeigt sich darin, dass Gott an seiner Erschaffung ihm untergeordnete Kräfte beteiligt hat (Opif.72; Conf.180 – 181; Agr.128 – 129 und Plant.53 mit Plat.Tim.41d4 – 42e4). Da Gott nur der Urheber des Guten ist, bestraft er die Sünder auch nur auf indirekte Weise, indem er ihnen die Gelegenheit zum Sündigen verschafft. Dabei ist die Strafe (jºkasir) ihrer Intention nach keine Schädigung, weil sie der Vorbeugung gegen weitere und der Korrektur der bereits getanen Sünden dient (Conf.171, vgl. auch Prov.II.15 – 16).21 Ihn als den Großen König, als l´car basike¼r/mgas basileffls, in seinem Lichtglanz zu schauen, gilt der von der sichtbaren Welt zur intellegiblen Welt aufsteigende Blick der endlichen Vernunft (Opif.70 – 71; vgl. auch 88).22 Es ist also auch nicht der Gang der Gestirne, der das Geschick der Menschen bestimmt, sondern allein der „erste Gott“ (Migr.194; vgl. auch Her.99; Mut.71 – 72; Somn.I.53; Abr.69 – 70; Decal.53 – 57; Spec.I.13 – 14; Prov.I.81 – 82). Diese Welt aber ist mit allen ihren Gütern eine Gabe der Freundlichkeit Gottes (Leg.III.73 und 78). Bringe ihm der Mensch ein Opfer dar, so gäbe er ihm nur sein Eigentum zurück (Sacr.97; vgl. Imm.107). Darüber hinaus empfinge er sich selbst von niemandem außer von Gott (Ebr.106). Und mithin sei es einleuchtend, dass der Mensch, wie es Moses gelehrt hat, niemanden anbeten dürfe als Gott allein (Congr.133 – 134).
19 Vgl. dazu Runia, Philo and Tiameus,A, 330 – 331; ders., Commentary, 224 – 229 und Calabi, 226. 20 Zur Bezeichnung von Göttern und Königen im Alten Orient als Hirten vgl. H. Waetzold, Artikel Hirt A./Philologisch) § 15 (RlA IV), 1972 – 1975, 424b – 425a und weiterhin in Hellas z. B. und die Bezeichnung Agamemnons als Hirte der Völker Hom.Il.II.85.243; ferner Soph.Aj.36 l0: Eur.Supp.674 und zur biblischen Rede von Jahwe als Hirten Ps 23,1; 80,2; Gen 48,15; 49,24 und Jer 17,16 bzw. vom König der Heilszeit Ez 34,23 und Sach 13,7; vgl. auch die entsprechende Selbstbezeichnung Jesu Joh 10,12.16 bzw. als Bezeichnung Jesu 1Petr 2,25 und Heb 13,20 und dazu auch den altor.-ägypt. Raum einbeziehend G. Wallis (ThWAT VII), 1993, 566 – 576 und H. Goldstein (EWNT III2), 301 – 305. 21 Anthropomorpher wird von Gottes Zorn und Strafe in Prov.I.35 – 36 gehandelt. 22 Vgl. Plat.Phaidr.247b6–d1; Leg.III,100 – 193, Borgen, Philo, 238 und Calabi, 102 – 104.
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16.4 Der Kosmos als Tempel Gottes Gottes höchster und wahrhaft heiliger Tempel ist nach Philos Ansicht der ganze Kosmos, dessen Votivgaben, die Sterne, und dessen Priester die Engel sind. Bei ihnen handele es sich um körperlose Seelen, die durch und durch vernünftig sind und als Diener seiner Mächte (dum²leir/dynmeis) und das heißt: seiner Herrschaft walteten (Spec.I.66). Ihnen entsprächen Gottes vielgestaltige Eigenschaften in Gestalt seiner Güte und Macht, die Welt zu erschaffen, seine Vorsehung und sein Wirken als Retter und Wohltäter (Spec.I.209). Seine Güte und seine Macht seien seine „ersten“ und d. h. grundlegenden Kräfte (dum²leir/dynmeis), denn mit seiner Güte hätte er alles erschaffen und mit seiner Macht regiere er alles. Zwischen beiden Eigenschaften aber vermittle der Logos (Cher.27). Die Menschen würden jedoch die machtvolle Gegenwart Gottes nicht ertragen, so dass er im unmittelbaren Verkehr mit ihnen auf seine Vollkommenheit verzichte (Abr.107 – 118). Trotzdem sei er allgegenwärtig, denn seine Allgegenwart sei die notwendige Entsprechung zu seiner absoluten Transzendenz. Daher sei es nicht erstaunlich, dass er sich im Gewissen jedes Menschen zu Wort melde, oder vorsichtiger ausgedrückt: zu Wort melden könne.23
16.5 Gott als der wahre Weltbürger All seine Geschöpfe besäßen gleiche Ehre und gleiche Rechte, aber vor Gott seien und blieben sie Gäste und Fremdlinge, die in diese Welt wie in eine fremde Stadt gekommen seien, an der sie vor ihrer Geburt keinen Anteil gehabt hätten und in der sie nur verweilten, bis die ihnen zugemessene Lebensspanne erschöpft sei. Daher sei Gott allein der wahre (Welt) Bürger, während alle Geschöpfe Gäste und Fremdlinge seien (Cher.120 – 121). Wie es in Ps 22,1 (G) heißt, ist er der Hirte, der den ganzen Kosmos lenkt: „Denn Erde und Wasser, Luft und Feuer, alle Pflanzen und alle Lebewesen, sie seien sterblich oder göttlich, dazu der Himmel mit dem Kreislauf der Sonne und des Mondes und den rhythmischen Umläufen der anderen Himmelskörper, sie sind wie eine Herde, die Gott der König nach Recht und Gerechtigkeit leitet (Agr.51).“24 23 Vgl. dazu unten, 207 – 208. 24 Zu dem Bild von Gott als König vgl. mit Geljon/Runia, Cultivation, 149 z. B. Cher.29; Post.101; Gig.45; Imm.159; Conf.170; Congr.116, als Hirt und König Mut.116; als König der Könige Cher.99; Decal.41; III Macc.5,35 und zu Gott als König auch Plat.Crat.396a8; Rep.597e7 und Leg.904a6; vgl. auch Ps 5,3; 23,7 – 9; 46,3; 47,3; 83,4 (G 9); 4Makk 2,2; Jub 128 und zum Königtum Gottes in den Psalmen umfassend M. Sauer, Königspsalmen.
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Selbst für die Spötter und Gottesverächter sei er, wenn alle menschliche Hilfe versage, die letzte Zuflucht (Sacr.70 – 71). Er selbst aber habe keinerlei Bedürfnisse und bedürfe keiner Gaben von seinen Geschöpfen (Cher.123), weil er die causa formalis, materialis, efficiens et finalis aller Dinge (Cher.127)25 und überdies allgegenwärtig sei, so dass jedermann stets unmittelbar vor ihm stehe (Sacr.67 – 68).
16.6 Die Vorsehung Gottes als Akt der Fürsorge für die Welt und die Menschen Philo war fest davon überzeugt, dass der Glaube an Gott als Schöpfer der Welt ohne den an seine fürsorgliche Vorsehung (pqºmoia/prnoia) unvollständig wäre.26 Denn erst durch sie wird gesichert, dass die Welt den Lebewesen insgesamt und zumal dem Menschen alles bietet, dessen er zum Leben bedarf. Gottes Vorsehung ist daher für ihn in erster Linie mit Gottes Fürsorge für seine Geschöpfe identisch. Von allen Lehren über die Erschaffung der Welt sei daher die als die beste anzusehen, nach der Gott der Welt seine Fürsorge angedeihen lässt: „Denn dass der Schöpfer für seine Welt Sorge trägt, ist nach den Gesetzen und Bestimmungen der Natur notwendig, denen zur Folge auch Eltern für ihre Kinder sorgen.27 Wer alle diese Grundsätze nicht nur mit dem Ohr, sondern auch mit dem Geiste erfasst und seiner Seele tief eingeprägt hat, dass Gott ist und waltet, dass der wahrhaft Existierende einzig ist, dass er die Welt geschaffen und nur diese eine geschaffen, indem er sie, wie gesagt, sich selbst durch die Einheit gleichmachte, und dass er stets für die von ihm geschaffene Welt Sorge trägt, der wird, durchdrungen von den Lehren der Gottesfurcht und Frömmigkeit, ein glückliches und seliges Leben führen (Opif.172 – 173).“28
Dass die Vorsehung zu Gottes Wesen gehört, hat Philo Spec.I.209 betont: Er ist nicht nur als der Schöpfer aktiv, sondern zu ihm gehört gleichzeitig, dass er voraus denkt, er pqomogtijºr/pronoe¯tiks ist.29 Für die Stoiker war der Glaube an Gottes Vorhersehung ein Pfeiler ihrer kosmologischen Theologie, nach der alles Irdische durch einen kausalen Zusammenhang miteinander verbunden war, wobei ein Weltenzyklus den anderen ablöste, ohne dass sich auch nur das Geringste in ihm änderte. Der 25 Vgl. auch Decal.30 und dann Aristot.Top.I.9.103b20 – 25 und Cat.1b25 – 30 und z. B. Celson (LCL 320), 609 – 610. 26 Vgl. dazu umfassend P. Frick, Divine Providence, bes. 89 – 118. 27 Vgl. auch Opif.10. 28 Übersetzung J. Cohn (Philo W.d.Ü I), 88 – 89. 29 Frick, Providence, 51 – 52.
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Stoiker Balbus hat sie in Cic.Nat.Deor.II.74 mit einem Satz in in die Diskussion eingeführt: „providentia deorum mundum administrari (Das Weltall wird durch die Vorsehung der Götter regiert).“ Die dadurch begründete Ordnung der Welt bestünde darin, dass jedes Geschehen wie Ursache und Wirkung mit einem vorausgehenden und einem folgenden verbunden sei (SVF.II.945/LS 55 N; vgl. auch Cic.Div.I-127/SVF.I.944/LS 55 O). Dass hatte seine Folge für das Problem der menschlichen Freiheit und Verantwortung, das im Zusammenhang mit Philos Ethik zu bedenken ist. Philo hat dem Problem der göttlichen Vorsehung ein zweibändiges Werk gewidmet, in dem er seinen Neffen Alexander die Providenzlehre allerdings erfolglos bestreiten lässt, während es Philo selbst im achten und letzten Redegang gelingt, ihn von ihrer Richtigkeit und Notwendigkeit zu überzeugen (Prov.II.85 – 116). Die Gegenargumente Alexanders, mit denen er auf die Zwecklosigkeit von Naturerscheinungen hinweist (Prov.II.85 – 97), beantwortet Philo, indem er sie entweder für allgemein nützlich oder für ein Nebengeschehen nützlicher Phänomene erklärt und die durch sie erfolgenden Schädigungen von Menschen auf ihre Achtlosigkeit zurückführt (Prov.II.98 – 112).
16.7 Die Gottesbeweise als Erhebung des denkenden Glaubens zu Gott 16.7.1 Die vier Gottesbeweise der Stoa Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Vernünftigkeit des Glaubens an Gott selbst. Ihn zu rechtfertigen, dienten die Gottesbeweise, von denen es nach stoischer, von Kleanthes bezeugter Lehre vier verschiedene Ausformungen gab: So berufe sich der 1. auf das sich in Vorzeichen kundgebende göttliche Vorauswissen,30 während es sich bei dem 2. um den Rückschluss aus der zweckmäßigen Beschaffenheit des Klimas, der Fruchtbarkeit der Erde und der Fülle anderer Annehmlichkeiten (aliarum commoditatum) auf ihren Urheber handle. Als den 3. führt er dafür die Schrecken an, die durch Blitze, Unwetter, Schneestürme, Erdbeben und dergleichen ausgelöst werden; und als den 4. und wichtigsten die gleich bleibende Umdrehung des Himmels, der Sonne und des Mondes und ähnlicher Himmelserscheinungen, „quarum rerum aspectus ipse satis indicaret non esse ea fortuita (deren Anblick ausreiche, um anzuzeigen, dass ihr Dasein nicht zu30 Vgl. dazu auch Chrysipp nach Cic.Divin.II.130 (SVF.II.1189 und zur Kundgabe der Zukunft durch Vorzeichen als allgemeinstoische Lehre Cic.Divin.I.82 – 83 (SVT II.1192), LS 42 D und dazu E. Zeller, Geschichte III/1, 348 – 355; M. Pohlenz, Stoa, 106 – 108 und zur stoischen Theologie A. Kenny, Western Philosophy, 241 – 243 und zur Divination und Astrology 243 – 245.
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fällig sei)“ (Cic.Nat.Deor.II.13 – 15 = SVF.I.528/LS 54 C). Dieses letzte Argument entspricht dem sog. physikoteologischen oder kosmologischen Gottesbeweis, der auf Platon Tim.28a4 – 6 zurückgeht, nach dem alles Werdende eine bestimmte Ursache besitzen muss.31
16.7.2 Philo und der physikoteleologische Gottesbeweis Mustern wir unter diesen Gesichtspunkten Philos einschlägige Äußerungen, so zeigt es sich, dass auch er den physikoteleologischen Gottesbeweis anerkannte, indem er die von Menschenhand gefertigten Kunstwerke mit dem gigantischen Kosmos als dem Werk eines göttlichen Schöpfers, Vaters und Regenten (Bcel¾m/he¯gemo¯n) verglich: Eine in sich stimmige Welt müsse eine zureichende Ursache besitzen (Spec.I.34 – 35; vgl. auch Fug.12; Migr.185 – 186; Mos.I.212 mit Plat.Tim.28a4 – 6).32 Oder anders ausgedrückt: Das Seiende muss eine aktive Ursache (dqast¶qiom aQt¸om/draste¯rion aiton) und ein Leidendes (pahgtºm/pathe¯tn) besitzen, wobei die aktive Ursache reiner Geist und das Schöne selbst ist (Opif.8). Das erinnert an Platons Schönes selbst, dass allem irdischen Schönen seine Schönheit verleiht (Plat.Symp.210e – 211c).33 Bekanntlich hielt Kant diesen Beweis zwar für unhaltbar,34 erklärte aber trotzdem, dass er „jederzeit mit Achtung genannt zu werden“ verdiene, weil er „der älteste, klarste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten angemessene“ sei und er sich produktiv auf die Naturforschung auswirke (KrV.A 623/B 651).35 Dass sich zugunsten dieses Beweises auch heute noch gute Gründe anführen lassen, hat Richard Swinburne gezeigt.36
16.7.3 Philos Gottesbeweis aufgrund des göttlichen Vorherwissens Den von Kleanthes an 1. Stelle genannten Beweis der Existenz Gottes aus seinem Vorwissen bzw. aus den entsprechenden Vorzeichen nimmt Philo in Spec.I.219 auf, indem er die Leber für solche Phänomene verantwortlich macht,37 die für den schlafenden Geist zum Spiegel kommender Ereignisse 31 Zur Entwicklung von Platons Theologie vgl. A. Kenny, Western Philosophy, 231 – 238. 32 Vgl. dazu auch S. Sandmel, Philo Judaeus, 23 und vor allem Wolfson, Philo II, 73 – 75. 33 Vgl. dazu Zeller, Geschichte II/1, 987 – 938; W.K.C. Guthrie, History IV, 374 – 377; M. Erler, Platon, 197 und Kaiser, Weg, 261 – 289, bes. 279 – 283. 34 Vgl. dazu W. Cramer, Gottesbeweis, 112 – 161. 35 Hg. R. Schnidt (PhB 37a); 590 – 591. 36 Vgl. dazu R. Swinburne, Existence of God, 116 – 132. 37 Die Leber galt im Alten Orient wie das Herz als Sitz von Gemütsbewegungen, R. Labat (RlA IV), 367, in der Hepatoskopie oder Leberschau wurden die Veränderungen unter der Voraussetzung einer Synchronizität determinierter Ereignisse als Vorzeichen gedeutet; vgl. I. Starr, Rituals of the Deviner, 1 – 12. Die Zurückführung prophetischer Träume auf die Leber durch Philo ist eigenartig, einen Gewährsmann dafür habe ich nicht entdeckt.
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mittels Träumen werden.38 Weniger spektakulär ist seine einfache Erklärung in Migr.191, dass Gott der Seele ohne entsprechende Sinneseindrücke die Kraft verleihen könne, geistige Dinge wahrzunehmen.39
16.7.4 Vier Arten der Prophetie bei Philo und Platon Abgesehen davon unterschied Philo im Anschluss an den biblischen Befund zwischen vier Arten der Prophetie als einer göttlichen Voraussage der Zukunft durch inspirierte Personen.40 Als Urbild dafür galt ihm Moses, der als priesterlicher Prophet wirkte, indem er 1. auf göttlichen Befehl das Heiligtum baute (Mos.II.75); durch den Gott 2. die Thora offenbarte (Mos.II.188 – 189); er 3. unsichtbare, mit den Sinnen nicht erfassbare Sachverhalte erkannte (Mos.II.76) und 4. zukünftige Ereignisse voraussagte (Mos.II.190).41 Mit dieser vierfachen Unterscheidung der mantischen Fähigkeiten könnte Philo an die vierfachen Aufgaben der Mantiker in Platons Phaidr.244b–245a anknüpfen, wo er Sokrates eine entsprechende Lehre über die göttliche Besessenheit vortragen lässt. Nach ihr bestünde die 1. in der Weissagung der Zukunft durch mantisch besessene Personen wie die Prophetin zu Delphi42 oder die Priesterin zu Dodona,43 die 2. in der Deutung von Vorzeichen wie z. B. aus dem Vogelflug, die 3. in mantisch begründeten Fähigkeiten, einen Geschlechterflucht zu lösen und die 4. in von den Musen inspirierten Dichtungen.44
16.7.5 Philo und der kinetische Gottesbeweis Dagegen handelt es sich bei Philos These in Post.28, dass ein unbewegtes Seiendes wie ein Herrscher das Unbewegte bewegt, um den von Aristoteles begründeten kinetischen Gottesbeweis. Nach ihm gibt es ein unpersönliches erstes Bewegendes, das durch sein bloßes Dasein „wie etwas, das geliebt wird, alles Andere bewegt“ (Met.XII.1072c3 – 4; vgl. Phys.VIII.258a1 – 2). Es ist mit dem Denken des Denkens“ und damit dem unsterblichen Gott identisch (Met.XII.1072.20.28 – 30).45 Dieser Beweis setzt sich von der platonische Form 38 In Cic.Div.I verteidigt Ciceros Bruder die stoische Lehre von den Vorzeichen mit Beispielen, während er selbst sie in II. im Anschluss an Karneades skeptisch beurteilt; vgl. bes. Div.II.149 – 150. 39 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 81 – 82, der die „geistigen Dinge“ mit den Ideen gleichsetzt. 40 Vgl. zum Folgenden Wolfson, Philo II, 11 – 22. 41 Zu Philos Auslegungen biblischer Prophetie vgl. Wolfson, 22 – 59. 42 Vgl. dazu M. Maass, Delphi, 1 – 20. 43 Zum Problem der Priesterin im Heiligtum von Dodona vgl. H.W. Parke, Oracles of Zeus, 69 – 76. 44 Dass sie nicht mit Platons eigenen Ansichten verwechselt werden darf, betont E. Heitsch, Phaidros, 92. 45 Vgl. dazu H.G. Zekl, Aristoteles Metaphysik, 68 – 69, ders. (Hg.), Aristoteles’ Physik II, 236 – 241,
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des kinetischen Gottesbeweises ab, nach der die Bewegung, die sich selbst bewegt, den Anfang aller Bewegungen bewirkt, der mit der Seele identisch ist (vgl. Plat.Leg.X.894b–895 mit Phaidr.245c–246a).46 Dagegen rückt er die von Platon Leg.894b6 – 7 daneben gestellte, aber nicht entfaltete Möglichkeit einer Bewegung, die immer nur andere Dinge bewegt, sich selbst aber niemals bewegt, in den Mittelpunkt. Gottesbeweise besitzen wohl nur für den Überzeugungskraft, der bewusst oder unbewusst bereits an Gott glaubt. Insofern sind die von Philo geführten Beweise ein Beleg für sein Prinzip des denkenden Glaubens, der sich auf von den Philosophen vertretene Ansichten einlässt, um sich im Dialog mit ihnen des eigenen Glaubens zu versichern. Denn Gottesbeweise sind mit Hegel ihrem Wesen nach „Beschreibungen des sich Erhebens zu Gott“47 und damit Selbstvergewisserungen des denkenden Glaubens.
16.8 Philos Ausweichen vor dem Theodizeeproblem Philo hat offensichtlich alles versucht, um Gott von den Übeln und dem Bösen in der Welt zu trennen. Allerdings hat er damit das Problem nur um eine Ebene verschoben, weil sich unwillkürlich die Frage aufdrängt, warum Gott den Menschen nicht so vollkommen geschaffen hat, dass er zum Sündigen unfähig war. Weil er Gott und Welt grundsätzlich voneinander getrennt halten wollte und Gott für ihn der Inbegriff alles Guten und der allein Handelnde war (Cher.77 – 78. 83 und 86), musste er dem Theodizeeproblem konsequent aus dem Wege gehen. David T. Runia hat gezeigt,48 dass er dafür vor allem vier Argumentationen eingesetzt hat. Die 1. bestand darin, dass er Gott grundsätzlich von allen Übeln getrennt hat.49 Nach der 2. können einzelne Übel zum Wohl des Ganzen beitragen. Nach der 3. besitzt Gott gegenüber der Welt nur gute Absichten. Wenn von ihm oder seinen Helfern die nötigen Strafen vollzogen werden,50 sollen die Betroffenen oder die Beobachter seiner Züchtigung dadurch erzogen werden.51 Dabei überwiege die pädagogische Funktion die
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A. Kenny, Western Philosophy I, 234 – 238 und H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 226 – 233 und 261 – 263. Zur Diskussion vgl. dazu K. Schöpsdau, Nomoi Buch VIII – XII, 412 – 415. F.G.W. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Der Begriff der Religion (1827), 210 = PhB 494, 312. Runia, Theodicy, 576 – 604, bes. 603 – 604. Vgl. Prov.II.82, auch bei Runia, 586. Vgl. erneut Opif.74 – 76, auch bei Runia, 592 und weiterhin Conf.168 – 183; Fug.68 – 72; Mut.30 – 32 und Q.Gen.I.54 und Abr.143. Vgl. z. B. seine Auslegung von Gen 6,7 – 8 durch eine geradezu sophistische Lesung des Textes die Rede von Gottes Zorn aus dem Weg schafft, um zu erklären, das der Zorn der Menschen die Quelle ihrer Verfehlungen sei, während vernünftiges Denken (kocislºr) zu richtigen Handlungen (jatoqh¾lata) führe. So wird aus Gottes Strafgericht ein von den Betroffenen selbst
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strafende.52 Doch wenn alle derartigen Überlegungen nicht zum Ziel führten, konnte er 4. darauf hinweisen, dass Gottes Wege nur ihm selbst bekannt, der Menschheit aber unzugänglich seien (vgl. z. B. Prov.II.29).53 Wir ergänzen diese Überlegungen durch das 5. Argument, dass Naturkatastrophen nicht nur als Strafen Gottes, sondern auch als Folgen sich in der Natur abspielender Prozesse verstanden werden können.54 Dass Philo andererseits mit Gottes unmittelbarem Eingreifen in menschliche Situationen zumal zum Wohl seines erwählten Volkes rechnete, zeigte ihm der plötzliche Umschlag des Verhaltens des Kaisers Gaius gegen die von ihm angeführte Delegation der Juden Alexandrias in Leg.Gai.367. Fragen wie, dieses Kapitel abrundend, ob Philo wohlberaten das Theodizeeproblem und die Frage, wie sich Gottes Allmacht und menschliche Freiheit zueinander verhalten, nicht zu Ende zu bedenken, so müssen wir ihm bescheinigen, dass ein Verzicht auf letzte Antworten angesichts der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis sehr wohl angemessen sein kann. Die Möglichkeit, zwischen Wahlfreiheit und Willensfreiheit zu unterscheiden, die in der Konsequenz der aristotelischen Handlungstheorie liegt, hat er aus welchen Gründen auch immer nicht erkannt.55 Sie macht den Menschen für seine Wahl verantwortlich, obwohl er als solcher nicht anders wählen und handeln kann und stellt ihn damit vor das Rätsel der göttlichen Prädestination.
16.9 Philos Lehre von Gott auf einen Blick Im Schluss seines Werkes über die Schöpfung hat Philo eine präzise Zusammenfassung seiner ganzen Gotteslehre in fünf Punkten gegeben, die uns wegen ihrer Schlüssigkeit der Bemühung um eine eigene enthebt (Opif.170 – 172): Diese Punkte lauten 1. dass Gott existiert und als Gottheit (t¹ he?om/t theı˜on) waltet; 2. dass Gott (nur) einer ist; 3. dass er die Welt geschaffen hat; 4. dass die Welt ebenso wie Gott nur eine einzige ist und 5. Gottes Vorsehung über dieser Welt waltet. Mit dem 1. Argument grenzte sich Philo gegen den
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verschuldeter Untergang. Doch weil sich Gott an seine vollkommene Güte erinnerte, hätte er, obwohl sich die Menschen durch ihre übermäßigen Sünden selbst das Verderben bereitet hätten, sogleich seine rettende Hand ausgestreckt, damit die menschliche Rasse nicht als ganze zugrunde ginge (Imm.70 – 73). Dass eine scheinbare Strafe wie der vorzeitige Tod Abels in Wahrheit den Heimgang zu Gott bedeuten kann, zeigt Philo am Beispiel des Todes Abels in Det.47 – 49, während das lange Leben Kains in der Gottesferne eine Strafe war, Post.8 – 9; vgl. dazu Runia, 597 – 599. Runia, Theodicy, 603 – 604. Vgl. Prov.II.102 (auch bei Runia, 586 – 587) mit Sen.nat.quaest.VI.3.1 und dazu B. Inwood, Reading Seneca, 178 – 185 und natürlich Plat.Tim.22b8–d6, vgl. aber auch 22d6–e2 und Philos Erklärung der Fruchtbarkeit Ägyptens Abr.92 und dazu immerhin Plat.Tim.22d5 – 6. Vgl. dazu Chr. Jedan, Willensfreiheit, 154 – 164 und Kaiser, Aristotelische Handlungstheorie (Tria Corda 1), 52 – 61.
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Atheismus ab, der die Rede von Gott als einen Mythos betrachtete, mit dem 2. gegen den Polytheismus, der gleichsam die Ochlokratie, die Pöbelherrschaft,56 von der Erde in den Himmel versetzte; mit dem 3. gegen die Lehre von der Ewigkeit der Welt, die Gott keinen Raum für sein Wirken lässt; mit dem 4. gegen die Lehre von einer unendlichen Vielzahl der Welten, wie sie die Stoiker vertraten, mit dem 5. und letzten aber schrieb er Gott die fürsorgliche Herrschaft über die Welt zu, wie es den Gesetzen der Natur entspricht; denn mittels seiner Vorsehung, versorgt er sie wie Eltern ihre Kinder. Damit grenzte er sich unausgesprochen zugleich von der Astrologie ab, nach deren Lehre die Gestirne alles irdische Geschehen mit schicksalhafter Notwendigkeit bestimmen und die menschliche Verantwortlichkeit aufgehoben ist (Prov.I.81 – 82).57
56 Vgl. zu ihr unten, 254 – 255. 57 Vgl. dazu ausführlich P. Frick, Divine Providence, 119 – 138.
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17. Philos Lehre vom Menschen 17.1 Der Mensch als Leib, Seele und Geist Halten wir inne und vergegenwärtigen wir uns Philos Verständnis des Menschen, so war er für ihn mit seinem sterblichen Leib ein Teil der Erde, während sein führender Teil in Gestalt der Seele unsterblich war (Opif.135; Imm.46).1 Daher sehnten sich die rechtschaffenen Menschen nach ihrer Rückkehr in die himmlische Welt zu dem Stern zurück, von dem sie in diese Welt gekommen waren (Her.283); denn sie fühlten sich in dieser Welt nach der pythagoreischen, von Plato und Philo aufgenommenen Metapher in ihrem Leibe gleichsam wie in einem Grab ihrer Seele (Leg.I.108; Spec.IV.188).2 Der Lebensraum des Menschen umfasse alle vier Elemente wie er denn auch selbst aus ihnen bestünde. Er bewegte sich auf dem Erdboden wie ein Landtier, schwimme, tauche und segele wie ein Wassertier, während sich sein Leib über der Erde erhebe, so dass man ihn als einen Luftwandler bezeichnen könne (Opif.147). Seine leiblichen Augen nähmen nur innerweltliche Erscheinungen wahr,3 während das unsichtbare und nur mit der Vernunft (moOr/nou¯s) wahrnehmbare Licht ein Abbild des göttlichen Logos, der „Urvernunft“ sei (Opif.30 – 31). Dabei besitze der moOr, die Vernunft, als „die Seele der Seele“ für den Menschen dieselbe Bedeutung wie die Pupille für das Auge (Opif.66).4
17.2 Philos Lehre vom Aufbau des Leibes Suchen wir eine Antwort auf die Frage, wie Philo sich den Aufbau des menschlichen Leibes konkret dachte, müssen wir uns auf seine Rühmung der Bedeutung der Zahl Sieben einlassen.5 Denn sie bewährte sich nach seiner Überzeugung nicht nur im Makrokosmos mit seinen sieben Planeten und den 1 Wolfson, Philo II, 404 weist zu Recht darauf hin, dass Philo in seinen Schriften die leibliche Auferstehung nicht erwähnt sondern nur von der Unsterblichkeit der Seele spricht. 2 Vgl. Plat.Gorg.493a1 – 3 und dazu Philolaos D.K 44 B 14 (vgl. auch Jambl.V.Pyth.85) und E.R. Dodds, Plato Gorgias, 300; W.J. Dalfen, Plato Werke VI/3 Gorgias, 368 – 369, weiterhin Runia, Philo and Timaeus, 252 – 266; C. Riedweg, Pythagoras, 144 – 145 sowie Plat.Krat.400c1 – 9; vgl. auch Plat.Phaid.81c 4 – 11 und dazu T. Ebert, Platos Werke I/4 Phaidon, 273 – 274. 3 Zur Erklärung des Sehaktes bei den Stoikern und Platon vgl. den skeptischen Bericht von Gell.V.xvi.1 – 5. 4 Vgl. dazu oben, 186. 5 Vgl. dazu auch Gell.III.x.7 – 15.
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sieben Mondphasen sondern auch in den sieben Monaten des Embryonalzustandes des Menschen.6 Weiterhin gliederte sich sein Leben in die jeweils sieben Jahre des Erwachens seines vernünftigen Denkens, des Einsetzens seiner Zeugungsfähigkeit und der Erreichung seiner Größe (Leg.I.9 – 10). In ähnlicher Weise verfüge der Leib über sieben Bewegungen, über sechs instrumentale und eine kreisförmige. Dazu kämen seine sieben Organe in Gestalt des Magens, des Herzens, der Milz, der Leber, der Lunge und den beiden Nieren. Dem entspreche die Gliederung des Körpers in Kopf, Hals, Brust, Hände, Magen, Unterleib und Füße (wobei er die Zweizahl der Hände und Füße ausspart). Und zum Glück konnte Philo dieses intelligente Spiel auch am Kopf selbst fortsetzen, besitzt er doch sieben Öffnungen in Gestalt von zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöchern und einem Mund. Dazu kämen schließlich sieben Ausscheidungen in Gestalt von Tränen, Schleim, Spucke, Sperma und aus den beiden Abzugsleitungen für die Exkremente. Darüber hinaus zeigte sich Philo die Bedeutung der Sieben auch darin, dass der siebte Tag bei Kranken der kritischste ist und die monatliche Reinigung der Frauen sieben Tage währt (Lev 15,19 – 33) (Leg.I.11 – 13). Der Mensch ist jedoch wie alle anderen Lebewesen kein statisches, unveränderliches Wesen, sondern er durchläuft Stadien seines Lebensweges, die von ihren kleinkindlichen Anfängen über die Blüte zum Altern und Sterben führen.7 Philo hat, um das zu belegen, auf ein einschlägiges Gedicht des Atheners Solon zurückgegriffen und es dadurch vor der Vergessenheit gerettet (Opif.103 – 104; Solon frg.19 Diehl = frg.27 Edmonds).8 Nach ihm lassen sich maximal zehn in je sieben Jahre gegliederte Stadien unterscheiden: In den ersten Sieben Jahren wachsen und verlieren die Kinder ihre ersten Zähne. Am Ende der zweiten sieben Jahre lässt der Knabe erkennen, dass seine Jugendblüte bevorsteht. In dem dritten werden seine Hüften breiter und beginnt ihm der Bart zu sprossen. In den vierten hat er die volle Manneskraft erreicht, die ein Merkmal seiner !qet¶/aret, seiner „Bestform“ ist. In den fünften ist es an der Zeit, dass er heiratet und Kinder zeugt. Im sechsten ist er geistig allem gewachsen, ohne ungerechten Gedanken Raum zu gewähren. In den siebten und achten Siebenjahren hat er seine volle Einsicht im Handeln und Reden erreicht, während er im neunten milder wird und sein Reden und Handeln an Kraft verliert. Erreicht er aber das volle zehnte, so trifft ihn das Todesgeschick (lo?qa/moı˜ra) nicht zu unrechter Zeit.9 Wir werden weiter unten sehen, welche ethische Bedeutung die Lehre von den Lebensaltern für ihn besaß und zu welchen Einschränkungen der stoischen Ethik sie ihn führte.10 6 7 8 9
Zu seinem Schwanken zwischen 7 und 10 Monaten vgl. Gell.III.xvi.1 – 8. Vgl. dazu Plin.Nat.Hist.VII.i.4 – 5. E. Diehls, Anth.Graec.I,38 – 39 bzw. J.M. Edmonds, Elegy and Jambus I, 140 – 143. Vgl. dazu H. Fraenkel, Dichtung, 269: „Künstlerisch hat das trostlose Gedicht kein Interesse, aber bemerkenswert ist die gelassene Sachlichkeit, mit der Solon die naturgemäße Entwicklung in ihrem Aufstieg und Abstieg hinnimmt.“ 10 Vgl. dazu unten, 238 – 240.
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17.3 Die Lehre von der Seele und den Affekten bei Platon und Aristoteles Hinter dieser Gliederung der Seele in drei Teile samt ihrer Verbindung mit bestimmten Körperteilen steht letztlich die reife Lehre Platons, wie er sie seit der Politeia und besonders im Timaios vertreten hat: Danach besteht die Seele aus einem erkennenden (kocistijºm/logistikn), einem begehrenden (1pihulgtijºm/epithyme¯thikn) und einem affektiven (huloeid´r/thymoeids) Teil (Plat.Rep.435b – 437c; vgl. 439d)11, von denen allein der zuerst genannte unsterblich ist (Polit.309c; Tim.41a7 – 42e4; 90a2–d11; vgl. auch Rep.611a – 612a). Nach Tim.69b2 – 72e1 wird die sterbliche Seele in den Panzer der Brust eingefügt, ihr mutiger, auf Sieg bedachter Teil in den Bereich zwischen Hals und Zwerchfell, ihr begehrlicher in den zwischen Zwerchfell und Nabel, während im Kopf als Herrschersitz die vernünftige Seele wohnt (Tim.44d – 5–6).12 Die Affekte selbst aber seien aus Freude und Leid gemischte Leibesempfindungen, die zusammen mit Furcht und Mut und ihren Gegensätzen sowie dem Wahrnehmungsvermögen der in einen Leib eingegangenen Seelen bestünden (Tim.42a3–b2). Wer seine Leidenschaften meistern könne, würde gerecht, wer von ihnen beherrscht würde, auf ungerechte Weise leben. Wer jedoch seine Lebenszeit gerecht verbracht hätte, dürfe nach seiner Rückkehr auf den ihm zugewiesene Stern ein glückliches und ihm vertrautes Leben führen, während die Gestrauchelten als Frauen und bei weiterem Versagen als Tiere auf Erden wiedergeboren würden, bis sie durch Denken Herr ihrer Leidenschaften (und mithin erlöst) würden (Tim.42b3–d2).13 Wie nahe sich die Seelenlehre des reifen Platon und die seines Schülers Aristoteles standen und wie weit beide trotzdem ganz verschiedene Wege eingeschlagen hatte, wird deutlich, wenn wir kurz die des Stagiriten skizzieren:14 Nach De Anima II.415b8 war die Seele Ursache (aQt¸a/aita) und Prinzip (!qw¶/arche¯) des Leibes. Als solche war sie unkörperlich und zugleich nur in einem Leib anwesend (An.II.413; vgl. Gen.Anim.II.736). Die Seele des Menschen unterscheidet sich von der allen anderen Lebewesen und also auch der der Pflanzen dadurch, dass sie außer der ernährenden (An.II.4.23) und der nur den Tieren und Menschen zukommenden wahrnehmenden (An.II.5–III.2) und vorstellenden Seele (An.III.3.427a17 – 429a9) auch noch die nur ihm eigene denkende Seele besitzt (An.III.4.429a10 – 8.432a14). Dabei sei für die Seele die Vernunft, der moOr/nou¯s, das, was das Auge für den Leib ist (Eth.Nic.I.1096b29). 11 12 13 14
Im Phaidros rechnete er noch mit einer Zweiteilung der Seele, vgl. Phaidr.246a-d. Zur Diskussion vgl. M. Erler, Platon, 375 – 390. Vgl. aber auch Plat.Rep.X.614b2 – 621d3 und bes. 617d6–e5. Vgl. dazu vor allem E. Zeller, Geschichte II/2, 479 – 505 und weiterhin W.K.C .Guthrie, History V, 295 – 301 und H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 297 – 308.
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Philos Lehre vom Menschen
Auf der Suche nach dem zum Glück des Menschen führenden Leben nimmt Aristoteles eine über Platon hinausgehend Teilung im Bereich der denkenden Seele vor, in dem er auf der Frage nach dem bestimmten Werk des Menschen in seiner Vernunft zwischen einem „hinhörenden“, der Vernunft gehorchenden passiven und einem (aktiven) Teil, der sie hat und denkt, unterscheidet, womit der Weg gefunden ist, der zu einem tugendgemäßen und daher glücklichen Leben führt (Eth.Nic.I.1097b25 – 1098a21). In Eth.Nic.VI.1139a4 – 15 gliedert er den vernunftbegabten Seelenteil in einen wissenden (1pistglomijºm/ episte¯monikn) und einen folgernden (kocistijºm/logistikn), von denen der erste zwischen wahr und falsch unterschiede, während der zweite für das Begehren zuständig sei und die richtige Wahl vollziehe (1139a17 – 31). Hier stehen sich also ein theoretischer und ein praktischer Aspekt gegenüber. Die nutritive und die sensitve Seele eines Blut besitzenden Lebewesens lokalisierte Aristoteles im Herz, denn die Funktionen der anderen Organe stünden in seinem Dienst, während es selbst zugleich das Zentrum aller sensitiven Fähigkeiten sei, auch wenn einige Sinne im Kopf lägen (Aristot.Juv.469a6 – 23, vgl. auch Gen.Anim.II.735a23 – 29). Mit seiner These, dass die Seele die Entelechie15 und damit der formgebende, körperlose und zugleich belebende „Programmierer“ des Leibes sei, schloss Aristoteles Leib und Seele so eng zusammen, dass für eine Unsterblichkeit der individuellen Seele kein Platz blieb; denn wenn es keinen Leib ohne eine Seele gebe, könne es auch keine Seele ohne einen Leib geben (An.I.414a15 – 20).16 Damit hatte er der pythagoreischen Vorstellung von der Seelenwanderung den Weg verlegt (An.I.407b12 – 26). Andererseits unterschied Aristoteles zwischen einer tätigen Vernunft, die alles bewirkt, und einer leidenden, die alles wird (An.III.430a10 – 17). Von beiden sei nur die zuerst genannte frei von allen Leiden, ewig und unsterblich, während die persönliche und zugleich leidende mit dem Leib verginge (An.III.430a17 – 25).17 Sofern sich die Vernunft auf Zwecke beziehe und dabei das Begehren bestimme, bezeichnete er sie als praktische oder überlegende Vernunft (An.III.433a15 – 17; vgl. Eth.Nic.VI.1139a35–b1). Die der Wahl (bo¼kgsir/bofflle¯sis) entsprechende vernünftige Handlung kommt nach Aristoteles dadurch zustande, dass sich das Denken (di²moia/dinoia) das Begehren (eqenir/rexis) dem Ziel 15 Zum Begriff vgl. J. Beere, Doing, 161 – 166. 16 Um auf die weitere Entwicklung des Peripatos hinzuweisen, sei daran erinnert, dass bereits Dikaiarch von Messene (geb. ca. 376) und Aristoxenos von Tarent (geb. um 370 v. Chr.) die Unsterblichkeit der Seele geleugnet und das Seelenleben auf eine bloße Funktion des Leibes reduziert hatten. In ähnlicher Weise hat Straton von Lampsakos (340/330 – 270/267 v. Chr.), der Nachfolger Theophrasts (472/396 – 280/285 v. Chr.) in der Leitung des Peripatos, das Entelechieprinzip und damit die aristotelische unsterbliche Geistseele verworfen und das ganze Seelenleben ebenfalls auf seine physiologischen Funktionen reduziert und auf diese Weise eine scharfe Trennlinie zu Platon und der Akademie gezogen vgl. dazu F. Wehrli, Paripatos, zu Dikaiarch 535 – 537, Aristoxenos 540 und Straton von Lampsakos 569 und 573. 17 So auch nach der stoischen Lehre, vgl. unten, 201 – 202.
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Die stoische Lehre von der Welt und der Seele 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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seiner Wahl gemäß unterwirft. Das Begehren ist mithin zu seiner Verwirklichung auf die praktische Vernunft angewiesen, widerstrebt jedoch ihren Anforderungen und überwältigt sie nicht selten (An.III.433a22 – 30). Damit ist bereits gesagt, dass es sich bei den Affekten der Begierde, des Zorns, der Furcht, der Zuversicht, des Neides, der Freude, der Liebe, des Hasses, der Sehnsucht, der Eifersucht, des Mitleides und aller mit Lust oder Unlust verbundenen Empfindungen (Eth.Nic.II.1105b19 – 23) um seelische Regungen handelt, die durch die Vernunft gezügelt werden müssen.18
17.4 Die stoische Lehre von der Welt und der Seele Wenden wir uns im Interesse der Vollständigkeit unserer Darstellung kurz der stoischen Seelenlehre und Handlungstheorie zu, so müssen wir von ihrem kosmischen Dualismus in Gestalt des stofflichen Gegensatzpaares Logos und Hyle, Vernunft und „Materie“ ausgehen. Dabei ist der mit Zeus identische Logos das aktive und die Hyle das passive Prinzip; wobei auch der Logos als Pneuma oder „Geist“ stofflich ist. Aus der ersten Verbindung zwischen dem göttlichen Feuer und der Hyle sind die vier Elemente entstanden, aus deren Mischung alle konkreten Gegenstände des Kosmos bestehen und in die sie sich auch wieder auflösen, wenn sie im großen Weltenbrand untergehen, der jedes Große Jahr beschließt (Diog.Laert.VII.134).19 Das Problem, warum sich Hyle und Logos miteinander verbinden, scheinen die Stoiker als solches nicht gesehen zu haben. Sie begnügten sich mit der Auskunft, dass Gott ursprünglich bei sich selbst war, um dann die ganze erste Materie durch Luft in Wasser zu verwandeln und sich weiterhin selbst als kºcor speqlatijºr/lgos spermatiks, als „samenhafter Logos“ in es zu versenken und dann die übrigen Dinge zu erzeugen (Diog.Laert.VII.136). Gott selbst war für sie der unerschaffene Grund alles Seins und der unvergängliche und ungewordene Schöpfer (dgliouqcºr/de¯miourgs) der geordneten Welt, die er nach Ablauf eines „Großen Jahres“, an dem alle Planeten alle Tierkreiszeichen durchlaufen hatten,20 in sich selbst zurücknahm, um dann die-
18 Zum Problem der Wahlfreiheit im Rahmen eines „deterministischen Kompatilibismus“ vgl. C. Jedan, Willensfreiheit, 154 – 175 und zur aristotelischen Handlungstheorie auch Kaiser, Glück (Tria Corda 1), 52 – 62. 19 Vgl. dazu E. Zeller, Geschichte III/1, 154 – 160 und R. Salles, Chrysipus on Conflagration, 118 – 131. Dass Heraklit DK 22 frg.30 = K./R./S. 217 bzw. MP 62 im Hintergrund steht, sei angemerkt. – Zur Vorstellung vom Großen Jahr als der Weltperiode, in der die Planeten nach ihrem Durchlaufen des Tierkreises zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren, vgl. B.L. Van der Waerden, Pythagoreer, 254 – 264 und 432 – 434. 20 Zum Großen Jahr vgl. B. L. Van der Waerden, 254 – 264 und 431 – 433.
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selbe Welt erneut zu erzeugen (Diog.Laert.VII.137).21 Unter dem Gesichtspunkt der Totalität der Welt heißt der Grund alles Seins Zeus,22 unter dem des notwendigen inneren Verlaufs der Welt aber Vorsehung (pqºmoia/prnoia) (Diog.Laert.VII.147).23 Nicht anders als Platon und Aristoteles gingen auch die Stoiker davon aus, dass die Seele dreiteilig ist; weil sie aus einer vegetativen, einer sensitiven und einer denkenden Schicht besteht. Dabei besitzen Pflanzen, Tiere und Menschen die vegetative, Tiere und Menschen die sensitive und nur die Menschen die denkende Seele. Auf dieser Dreiteilung beruht ihre Oikeiosislehre oder Lehre von dem, was dem jeweiligen Lebewesen angemessen ist.24 Über die sich aus dieser Lehre ergebenden grundsätzlichen Folgerungen über die unterschiedlichen Pflichten des Menschen wird unten im Rahmen der Vorstellung der stoischen Ethik genauer zu berichten sein.25 Die Seele selbst hielten die Stoiker für körperlich26 und im ganzen Leib verbreitet. Weil der lebendige Leib warm ist, hielten sie auch die Seele bzw. das pmeOla/pneu¯ma für einen feurigen oder doch warmen Hauch, der an das Blut gebunden ist.27 Entsprechend suchten sie das Zentrum des Lebens nicht im Gehirn, sondern in der Brust bzw. genauer im Herz, von dem aus sich die Teile der Seele in die einzelnen Körperteile ergössen. Daher bestimmte Chrysipp das Herz als den Sitz der Seele.28 Von den drei Schichten der Seele ist die vernünftige, das Bcelomijºm/he¯gemonikn, ihr führendes oder als das kocistijºm/logistikn ihr denkendes Vermögen.29 Die Seele des Einzelnen verhält sich zur Weltseele wie das Teil zum Ganzen, so dass ihre Vernünftigkeit mit dem Göttlichen verbunden ist.
17.5 Die stoische Lehre von den Affekten Der durchgehende Rationalismus des stoischen Denkens tritt am deutlichsten in ihrer Lehre von den Affekten zutage. Denn diese wurzelten nach ihrer Ansicht in falschen Vorstellungen (Diog.Laert.VII.110).30 Sie ließen sich auf vier Gattungen verteilen. Aus den unvernünftigen Meinungen über gegen21 Vgl. dazu auch Zeller, Geschichte III/1, 132 – 149 bzw. A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 147 – 160. 22 Vgl. dazu auch T. Bnatou l, Zeus, 23 – 43. 23 Vgl. zu ihr unten, 216 – 217. 24 Vgl. zu ihr umfassend R.Bees, Oikeiosislehre. 25 Vgl. dazu unten, 219 – 220. 26 Vgl. SVF.I 518; LS 45 C. 27 Vgl. LS 47 C (Cic.nat.deor. II.23 – 30*). 28 Vgl. SVF.II.879/LS 53 G bzw. SVF.II.886/LS 65 H und Philo Spec.I.6. 29 Vgl. dazu SVF.II 836/LS 53 H. 30 Vgl. dazu M. Forschner, Stoische Ethik, 114 – 141.
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Die stoische Lehre vom Schicksal 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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wärtige Güter entsprängen die Affekte der Lust, aus denen über künftige Güter die der Begierde, aus falschen Vorstellungen über gegenwärtige Übel aber käme der Schmerz und aus solchen von erwarteten Übeln die Furcht. Dagegen seien die Gemütszustände der Freude, Vorsicht und Gutwilligkeit nicht zu tadeln; denn die Freude sei im Gegensatz zur Lust eine vor der Vernunft gerechtfertigte Gemütserregung, die Vorsicht aber stehe im Gegensatz zur Furcht als ein wohlbegr ündetes Ausweichen gegen über Gefahren und das W ü nschen (bo¼kgsir/bofflle¯sis) in einem solchen zur Begierde (Diog.Laert.VII.116). Die Affekte waren für die Stoiker mithin keine Empfindungen, sondern wurden unter dem Einfluss Chrysipps als das Ergebnis menschlicher Stellungnahmen und mithin des Denkens verstanden (LS 65 G).31 Oder knapp mit den Worten Forschners gesagt: „Die Stoa versteht die menschliche Seele als freie Vernunft, die in sich die Momente des Denkens, Strebens und Fühlens (Selbstempfindens) vereint. Die Kehrseite dieses geschlossenen monistischen Seelenmodells ist die Eleminierung all jener Momente aus dem Begriff der menschlichen Person, die nicht in Dispositionen, Akten und Zuständen des Denkens, bewussten Strebens, Zustimmens und bewussten Fühlens aufgehen.“
17.6 Die stoische Lehre vom Schicksal und der Verantwortlichkeit des Menschen Das menschliche Wählen und Wollen ist fest in den Lauf der Welt eingebunden, der durch die in ihm waltende Kausalität unabänderlich ist. Daher besteht die Freiheit des Menschen in seiner Zustimmung zum notwendigen Verlauf der Welt, mit deren Brand auch die Seele des Einzelnen in den Urstoff bzw. die Gottheit zurückkehrt. Dass durch die Eingebundenheit des Menschen in den alles bestimmenden kausalen Zusammenhang die Verantwortung des Menschen für sein Tun und Lassen nicht aufgehoben ist, suchte Chrysipp mit seinem vieldiskutierten Walzengleichnis zu erklären. In ihm löste er das Problem mittels der Unterscheidung von Haupt- und Nebenursachen. Die Hauptursache für das Rollen einer Walze auf einer Schräge ist seine eigene Form, die Nebenursache ist der von außen kommende Anstoß, der sie ins Rollen bringt. Entsprechend entscheiden sich die Menschen aufgrund ihrer Sinneseindrücke, ob sie sich so oder anders verhalten oder anders ausgedrückt: geben sie ihnen ihre Zustimmung (sucjat²hesir/sygkatthesis) oder halten sie diese zurück (Cic.Fat.39 – 44/SVF.II.974 bzw. Gell.Noct.Att.VII/2/ SVF.II.1000).32 Ihre auf äußere Situationen hin erfolgenden Akte der Zu31 Vgl. dazu M. Forschner, Stoische Ethik, 134 – 141, bes. 138 – 139. 32 Zu dem von Zeno eingeführten Begriff vgl. SVF.I.61.66/LS.66 (LS 41 A und B), und zum Problem
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stimmung oder Ablehnung wären mithin ihre eigenen freien Entscheidungen. Dass sie diese aufgrund ihres ererbten und erworbenen Habitus fällen, spielt dabei keine Rolle.33 Am einfachsten lässt sich das stoische Verständnis vom Zusammenwirken von Schicksal und Zustimmung in dem Beispiel von dem an einen Karren gebundenen Hund verdeutlichen: Stimmt er dem vom Karren eingeschlagenen Weg zu, so fällt sein individuelles Verhalten mit der Notwendigkeit, der !m²cjg/angke¯ zusammen, verweigert er die Zustimmung, so muss er trotzdem folgen (SVF.II.975/LS 62 A).34 Daher rief Kleanthes nach einem in Epiktets Enchiridion 53 überlieferten Gebet Zeus und das Schicksal an, sie mögen ihn zu dem Ziel führen, das sie ihm längst bestimmt hätten. Er wolle ihnen ohne Zögern folgen; denn wollte er es nicht, wäre er schlecht, aber folgen müsste er trotzdem (SVF.II.527; LS 62 B). Bei Seneca Epist.107.11 lautet es: Duc, o parens celsique dominator poli, Quocumque placuit: nulla parendi mora est, Adsum inpiger. Fac nolle, comitabor gemens Malusque uolentam fata, nolentem trahunt.35
Oder einfach ausgedrückt und zusammengefasst: Die Freiheit des Menschen besteht nach stoischer Ansicht in seiner inneren Zustimmung zu dem ihm beschiedenen Schicksal. Doch in einer extremen, für ihn unerträglichen und aussichtslosen Lage, gilt das Wort, das Seneca Prov.6.7 der Vorsehung selbst in den Mund legt: „si pugnare non vultis, exire licet (Wenn ihr nicht kämpfen wollt, steht euch die Flucht frei).“36 Das Anziehende der stoischen Lehre von der Freiheit gegenüber dem Schicksal wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass ihre Wurzeln in den ihrer Freiheit beraubten griechischen Poleis liegen, die seit dem späten 4. Jh. v. Chr. zum Spielball der Großmächte geworden waren und deren Bevölkerung im 2. Jh. zu großen Teilen versklavt wurde. Sie gewann erneut an Aktualität, als die römische Oberschicht der Willkür der Caesaren ausgeliefert war, und schließlich wurde sie zum Trost für den Kaiser Marc Aurel, der sich schweren
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einschließlich des Walzengleichnisses M. Pohlenz, Stoa I, 104 – 106; A. A. Long, Philosophy, 163 – 168; U. Wicke-Reuter, Göttliche Providenz, 13 – 54, bes. 42 – 54 und am ausführlichsten S. Bobzien, 239 – 290. Vgl. dazu Bobzien, 290 – 291. Vgl. dazu M. Pohlenz, Griechische Freiheit, 141 – 142. „Führe, o Vater und Herrscher des hohen Himmels,//wohin immer du willst: ich zögere nicht zu gehorchen,//da bin ich, unverdrossen. Gesetzt, ich wollte nicht – folgen werde ich unter Stöhnen//und widerwillig erdulden, was mir freistünde im guten.//Es führt einen das Schicksal, wenn man zustimmt, wenn man sich weigert, schleppt es uns fort.“ Text und Übersetzung M. Rosenbach, Seneca Phil. Schriften IV, 632 – 635. Zu Senecas Schrift De providentia vgl. G. Maurach, Seneca, 140 – 145 und zum letzten Ausweg mittels der Selbstentleibung 144 bzw. B. Inwood. Reading Seneca, 307.
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Das Herz als Zentralorgan des Lebens 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Herzens für die Pflicht entschieden hatte, die östlichen Grenzen des Reiches zu verteidigen.
17.7 Philos Lehre von der Seele37 Wenden wir uns Philos Lehre von der Seele zu, so wird sogleich deutlich, dass es sich bei ihr um eine Spielart der seit Platon vorherrschenden Vorstellung von ihrer dreifachen Schichtung handelt. Denn sie bestand auch für ihn aus den drei uns inzwischen bekannten Komponenten: 1. dem denkenden Teil, dem der Kopf entspricht, 2. dem mutig strebenden, dem die Brust entspricht und 3. dem begehrenden, dem der Bauch entspricht.38 Aber er konnte es auch bei einer Zweiteilung in einen rationalen und einen irrationalen Bereich belassen (Leg.III.1 – 2). Von beiden wäre der rationale von Gott selbst nach seinem idealen Vorbild erschaffen (vgl. Opif.71; Decal.134 mit Plat.Tim.69c), während für den anderen seine Helfer eingetreten wären (vgl. Opif.74 – 75; Conf.179 – 182 mit Tim.69c). Damit ist auch bereits entschieden, dass es sich bei den p²ha/ptha, den Leidenschaften, bzw. den 1pihul¸ai/epithymai, den Begierden, um Zustände der irrationalen Seele handelt, die entsprechend lokalisiert sind. Dabei stützen sich die vernunftlosen Seelenteile auf die fünf Sinne sowie das Sprach- und Zeugungsvermögen, so dass sie insgesamt sieben sind (Leg.I.11; Agr.30; Det.168; Her.232 – 233), rechnete man die Vernunft hinzu, so wären es acht (Opif.117; Aet.97).
17.8 Das Herz als Zentralorgan des Lebens Nachdem sich Platon für den Kopf (Tim.44d2 – 8) bzw. das Gehirn (Tim.73c6–d2) als das herrschende Organ angesprochen hatte, auf dessen Gefühle das Herz (mit den Kanälen der Luftröhre als Dämpfer und Kühler) reagiere (Tim.70a7–d6), während sich Aristoteles für das Herz als das Zentrum des Fühlens und Denkens entschieden hatte (Part.Anim.II.vii.652a28),39 fiel es Philo offenbar schwer, sich zwischen den beiden Autoritäten zu ent37 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo I, 389 – 393. 38 Vgl. Leg.I.71; Leg.III.115 – 116; Conf.21; Spec.IV.92 – 94 mit. Plat.Phaidr.245c5 – 248c1 und vor allem Plat.Tim.69 – 72. 39 Zum hippokratischen Hintergrund vgl. H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 310 – 311; zu den Schwierigkeiten, die Aussagen des Stagiriten über Herz und Hirn auf eine in sich stimmige Formel zu bringen, vgl. seine einzelnen Aussagen zur Eigenschaft des Hirns als dem kältesten Körperteil Part.Anim.II.652a 28; zu seiner abkühlenden Wirkung des Hirns auf das Herz Part.Anim.II,652b7 – 10; zum Herz als Quelle der Versorgung der Blutgefäße Part.Anim.III.665b10 – 16, zu ihm als Zentrum der Bewegung Part.Anim.III.666b14 und zu Lunge, Leber und Nieren als dem Sitz der Gefühle Part.Anim.III.667b10 – 12.
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scheiden, zumal im Alten Testament das Herz ganz eindeutig als solches galt.40 Aber da für ihn Platons Timaios zu seiner zweiten Bibel geworden war, war ihm dessen Lokalisierung der Vernunft im Kopf bzw. Hirn bekannt. Daher entzog er sich angesichts dieser Divergenzen mehrfach einer Stellungnahme, indem er entweder, ohne eine Entscheidung zu treffen, auf beide Möglichkeiten verwies (Somn.I.32; Spec.I.213) oder ihre Beantwortung den Fachleuten überließ (vgl. Sacr.136; Post.137). Darüber hinaus konnte er an die den Kosmos umfassende Reichweite des moOr/nou¯s, der Vernunft und damit der Seele erinnern, angesichts derer diese Streitfrage belanglos sei (Det.89 – 90).
17.9 Philos erkenntnistheoretische Voraussetzungen41 Aus dem gerade Ausgeführten geht bereits hervor, dass Philo zwischen solchen Erkenntnissen, die durch Sinneswahrnehmungen gewonnen werden, und solchen, die auf Vernunftschlüssen beruhen, unterschieden hat. Für die einen ist das leibliche und für die anderen das seelische Auge der Ermöglichungsgrund (vgl. Leg.I.21 mit z. B. Sacr.78). Die Sinneswahrnehmungen bzw. Sinnesempfindungen aber seien ihrerseits auf entsprechende äußere Reize angewiesen (Leg.I.25). Darüber hinaus fehle ihnen die letzte Sicherheit, weil sie Täuschungen wie dem Versehen, Verkennen oder Verhören und damit Irrtümern ausgeliefert seien (Cher.65), die durch leidenschaftliche Empfindungen begünstigt würden (Leg.II.11; Leg.III.63 – 64). Daher gebe es für die auf Sinneswahrnehmungen beruhenden Erkenntnisse keine letzte Sicherheit (Ebr.166), zumal die menschlichen Fähigkeiten selbst mancherlei Wandel unterworfen sind und z. B. Rauschzustände der Seele und übergroße Nahrungsaufnahmen die sinnliche Wahrnehmung trüben (Leg.III.183). Daher besäßen selbst Vernunftschlüsse nur einen Wahrscheinlichkeitscharakter (Ebr.169 – 170). Mit ihr aber müsse sich der Sterbliche begnügen (Prov.II.72), sofern er sein Urteil nicht überhaupt zurückhalten wolle (Ebr.205), denn die volle Wahrheit kenne nur Gott allein (Opif.72).42 40 Vgl. z. B. Dtn 4,29 – 30 mit Fug.142; 6,4; Dtn 8,12 – 14 mit Sacr.55; Dtn 29,4 mit Fug.123; Dtn 30,12 – 14 mit Post.85 und Mut.237. Zum Herz als vegetativem, emotionalem und kognitivem Zentrum des Menschen im Alten Testament vgl. H.J. Fabry, Artikel leb/lebab (ThWAT IV), V.1 – 4, 425 – 435 und H.-W. Wolff, Anthropologie, 68 – 90. 41 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 3 – 9. 42 Mustert man die skeptische erkenntniskritische Haltung der sog. Neueren (oder Mittleren) Akademie, deren Hauptvertreter Arkesilaos (316/5 – 244/43), vgl. W. Görler, Alterer Pyrrhonismus (GGPhA IV/2), 796 – 806, und Karneades (214/13 – 129/28). Görler 859 – 877, gewesen sind, und die auch von Philon aus Larissa (159/58 – 84/83) und in Auseinandersetzung mit den Stoikern auch von Antiochos von Askalon (geb. zwischen 140 und 105, gest. 69, vgl. Görler. 952 – 955), dem Lehrer Ciceros (Gawlick/Görler, Cicero, PhGGA IV/2, 1059 – 1099), geteilt wurde, so entspricht Philos Haltung der skeptischen Offenheit des Antiochos.
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17.10 Philos Lehre vom Gewissen43 Um die Seele vor einem Abfall zum Bösen zu bewahren, sei ihr ein Mahner (5kecwor/legchos) zur Seite gestellt, der zugleich ihr Ankläger und ihr Richter sei: Er beschäme sie, indem er ihr ihre Vergehen vorhielte, und er richte sie, indem er sie ermahne, ihr Leben zu ändern. Gelänge ihm dies nicht, so begleite er den Menschen tags und nachts mit seinen Anklagen, bis der Lebensfaden risse (Decal.87). Dieser Mahner zöge als ein wahrer Priester in uns ein, um unsere tadelnswerten Handlungen aufzudecken und auf diese Weise das Haus unserer Seele zu reinigen (Imm.135; vgl. Fug.118). Dieser Mahner, das göttliche Wort, begleite uns also wie ein Engel, der die Hindernisse auf unserem Wege beseitige (Imm:182; vgl. auch Det.24 und Post.59): Kein Zweifel: Bei diesem göttlichen Mahner handelt es sich um das Gewissen, die sume¸dgsir/ synede¯sis, von der Philo andernorts ausdrücklich spricht: Wer von ihm überzeugt sich selbst wegen seiner ungerechten Handlungen anklage und um Vergebung bitte und seine Buße durch die Tat bewähre, der soll nach den Anordnungen des Gesetzgebers Vergebung erlangen (Spec.I.235). Doch wer seine Ermahnungen überhöre, würde von seinen eigenen Leidenschaften verwundet ein jähes Ende nehmen (Imm.183; vgl. auch Her.76 – 77). Moses aber hätte durch die Bestimmungen seiner Gesetze dafür gesorgt, dass sich alle am siebten Tag der Philosophie widmeten, um ihre Sitten zu verbessern und der Erforschung ihres Gewissens unterzögen (Opif.128). Besser wäre es, wenn wir durch unser Gewissen von der Ungerechtigkeit unseres Handelns überzeugt Gott anriefen, uns zu bestrafen als uns allein zu lassen, denn dann würde er uns auf angemessene Weise zurecht weisen, indem er in unsere Seelen sendete, das uns durch seinen Tadel rettete (Det.146): Der Schlechte würde sich dagegen mokant über die Ermahnungen des Gewissens hinwegsetzen, aber weiterhin an seinen immer größeren Ausschweifungen scheitern (Spec.I.49 – 50).44 Man braucht sich nur an Cicero, Seneca und Epiktet zu halten, um zu erkennen, welche grundlegende Bedeutung das Gewissen im politischen und ethischen Diskurs der Spätzeit der Republik und der frühen Kaiserzeit gewonnen hatte, um auf diese Weise Philos Lehre vom Gewissen ebenso in die damaligen Zeitströmungen einzuordnen, wie auf den religiös bedingten Unterschied hinzuweisen, der auf seinem Glauben an Gott als dem Gegenüber zum Menschen beruht. Im Ruf des Gewissens meldet sich dieser Gott selbst zu Wort, um die Menschen zur Umkehr und Buße zu führen.45 Werfen wir einen Blick auf ausgewählte Zeugnisse der philosophischen 43 Vgl. dazu R.T. Wallis, Idea of Conscience, 207 – 216. 44 Vgl. dazu auch A. Dihle, Vorstellung, 105 – 108. und zu Philos Lehre vom Gewissen Ph. Bosman, Conscience, 106 – 190, bes.175 – 190. 45 Vgl. dazu A. Dihle, 106 – 109.
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Philos Lehre vom Menschen
Gewissenslehre, um Nähe und Unterschiede der Gewissenslehre Philos zu jener zu verdeutlichen: Dabei wird deutlich, dass die religiöse Interpretation des Phänomens nahe lag, aber nicht unbedingt zu ihr gehören musste. So konnte Cicero Cat.III.27 an die schützende Macht des Gewissens appellieren, das ihn gegen unverdiente Angriffe schützen würde. Selbst wenn das Gewissen keine göttliche Begründung besäße, wäre das Bewusstsein des rechten und schädlichen Verhaltens unentbehrlich (Cic.Nat.Deor.III.85); denn ihm bedeutete sein eigenes Gewissen mehr als alles Gerede der Menge (Cic.Att.XII.30 [28].2): „mea mihi conscientia pluris est quam omnium sermo.“ Nach Epiktets Überzeugung besaß jeder Mensch einen ihm von Gott beigegebenen Wächter in Gestalt eines Genius (da¸lym/damo¯n), der niemals schliefe, sich niemals irrte und ihn ständig begleite, damit er niemals gegen Gottes Fügungen verstieße (Epikt.Diatr.I.XIV.11 – 16). Für Seneca war die conscientia eine qualifizierte Form des Wissens als Ergebnis einer Selbstprüfung (Sen.Ira.III.36.1 – 3). Der Weise aber sei niemals ohne Freude, weil sie die Folge seiner virtutum conscientia, seines tugendhaften Gewissens sei (Epist.VI.59.16; vgl. auch Epist.X.81.20).46
17.11 Philos Lehre von den Affekten, der Handlungsfreiheit und dem Tod der Seele Ehe wir uns Philos Ethik zuwenden, müssen wir uns sein Verständnis der Affekte vergegenwärtigen, deren vollständige Beherrschung des Ziel der Stoiker gewesen ist. Dabei müssen wir von der Vernunft (moOr/nou¯s) als dem führenden Teil der Seele ausgehen (Opif.69). Sie befähigt den Menschen dazu, den Bereich des wahrnehmbaren Seins auf den intellegiblen hin und diesen auf den Großen König und d. h. auf Gott hin zu überschreiten (Opif.71). Mithin seien es Vernunft und die Teilhabe am Logos, der göttlichen Urvernunft, in denen wie in einem Haus Schlechtigkeit und Tugend wohnten. Dabei sollte die Vernunft als Haupt über die Sinne herrschen (Mos.II.82). Der vernunftlose Teil der Seele bestünde (wie wir oben bereits feststellten) nach Opif.117 und Leg.I.11 aus sieben Teilen, 1. den fünf Sinnen, 2. dem Sprachvermögen und 3. dem in den Geschlechtsteilen wohnenden Zeugungsvermögen.47 Die himmlischen Gestirne wurden von Philo ganz und gar als vernünftige Lebewesen (f`a moeq²/zo¯a noer) betrachtet (vgl. Gig.7 – 8 mit Plat.Tim.40a2 – 8), während andere – wie die Menschen – gemischter Natur und daher ebenso zur Weisheit wie zur Torheit, zur Selbstbeherrschung wie zur Zügellosigkeit, zur Tapferkeit wie zur Feigheit, zur Gerechtigkeit wie zur Ungerechtigkeit fähig seien (Opif.73 – 74; vgl. Plat.Tim.42a3–d2). Wenn die 46 Vgl. dazu auch H. Reiner ( HWBPh III), 574 – 578. 47 Vgl. dazu oben, 205.
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Menschen untadlig handelten, so sei Gott als der Herrscher des Alls die Quelle, während für ihre schlechten Taten andere aus der Zahl seiner Untergebenen verantwortlich seien (Opif.75). Im Gegensatz zu der paradiesischen Zeit, in der irrationale Lüste die Seele noch nicht beherrscht hätten, gäben sich die geschichtlichen Menschen ungezügelt ihren Leidenschaften und maßlosen Begierden hin.48 Deshalb hätte sie Gott dadurch bestraft, dass sie sich die nötigen Lebensbedürfnisse nur mit großen Mühen beschaffen könnten. Wenn die maßlosen Antriebe (fqlai) der Leidenschaften durch Selbstbeherrschung gezügelt würden, so dass an ihrer Stelle Friede einzöge, bestünde die Hoffnung, dass Gott als Freund der Tugenden und des tugendhaften Wirkens ihnen die nötigen Güter genussfertig darbieten würde (Opif.79 – 82). Aus diesen Überlegungen Philos geht einerseits hervor, dass auch nach seiner Ansicht die Affekte in der Seele wirken und in der Seele besiegt werden müssen, und andererseits, dass die Gleichung von Gerechtigkeit und Leben das Fundament von Philos ethischem und zugleich theologischen Denken bildet und auch seine eschatologischen Hoffnungen auf die Rückkehr paradiesischer Verhältnisse trägt.49 Wie ernst der Kampf zwischen den Leidenschaften und Tugenden nach seiner Überzeugung zu nehmen ist, zeigt seine in Leg.I.105 – 106 vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Tod als Trennung von Leib und Seele und dem Tod als Vereinigung von Leib und Seele. Wenn nämlich der Leib die Oberhand über die Seele gewönne, würde die Tugend vernichtet und regierte an ihrer Stelle die Schlechtigkeit (vgl. auch Leg.II.77 – 78).50 Damit aber sei der Mensch bereits tot, obwohl sein Leib noch lebe. Nur dieser Tod der Seele ist für Philo eine Strafe. Über das weitere Schicksal der Seelen der den sinnlichen Lüsten ergebenen Menschen erteilt er Gig.14 – 15 Auskunft: Zu ihnen gehörten alle, die Geld oder Ruhm, Gymnastische Übungen und körperliche Stärke liebten.51 Sie würden nach dem Verlassen ihrer Leiber und ihrem Aufsteigen in die Höhe in einen Strudel gerissen, der sie wieder zur Erde hinab risse.
17.12 Das Problem des Willens Während es in der nachchristlichen Welt selbstverständlich ist, dass die menschlichen Handlungen Ausfluss seines Willens sind, war das in der vorchristlichen keineswegs selbstverständlich.52 So unterschied Platon zwischen 48 Zu Philos Lehre vom Sündenfall vgl. unten, 228. 49 Vgl. dazu oben, 140 – 141 und unten, 263 – 264 und zum alttestamentlichen Hintergrund vgl. Kaiser, Eine Gott, 264 – 274. 50 Vgl. dazu E. Wasserman, Death of the Soul, 62 – 67. 51 Gig.37; vgl. auch Gig.43 – 44 und die Gegenüberstellung beider Gruppen in Cher.73 – 74 und Gig.60. 52 Vgl. zum Folgenden knapp, aber übersichtlich Ch. Horn, 769 – 763.
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den drei Teilaspekten des rationalen Strebens, des Unterscheidungs- und des Entscheidungsvermögens sowie eines psychischen Antriebspotentials (Plat.Rep.588c7–d5).53 Nach Plat.Rep.617e gestattet dem Mensch sein Entscheidungsvermögen, bestimmte Handlungen auszuwählen Nach Plat.Leg.III.687e–d ist er in der Lage, bestimmte Wünsche (bo¼kgseir/bofflle¯seis) in Handlungen umzusetzen, auch wenn die eines Kindes in manchen Fällen besser unerfüllt blieben. Es gibt für ihn eben keinen Willen als solchen, sondern nur ein rationales Streben, das allerdings durch störende Impulse am Erreichen seines Zieles gehindert werden kann. Das lässt Platon Sokrates mit dem Beispiel der Redner und Tyrannen belegen, die nicht ihrem rationalen Entscheidungsvermögen, sondern dem folgten, was ihnen (aus utilitaristischen Gründen) das Beste zu sein schien (Plat.Gorg.466d5–e2). Nach Aristoteles wird das Handeln des Menschen teils durch äußere notwendige und teils durch innere, auf Gewohnheit oder Begehren (eqenir/rexis) beruhende Antriebe bestimmt. Demgemäß ließen sich alle Handlungen auf sieben Ursachen in Gestalt von Zufall, Natur, Antrieb, Gewohnheit, vernünftige Überlegung, Zorn und Begehren zurückführen (Ariostot.Rhet.I.X.1368b32 – 1369a7). Nach An.III.432a15 besitzt die menschliche Seele die beiden grundlegenden Fähigkeiten (dum²leir/dynmeis) zu urteilen und Bewegungen in Gang zu setzen. Dem Menschen eignet mithin im Rahmen seiner endlichen Möglichkeiten die Freiheit, das, was er gewählt hat, zu verwirklichen (Eth.Nic.III.1113a 9 – 14). In diesem Sinne besitzt er eine Wahl-, aber noch lange keine Willensfreiheit.54 Man darf mithin Wahl- und Willensfreiheit keinesfalls verwechseln. Wenden wir uns Philo zu, so müssen wir vorab feststellen, dass die alttestamentlichen Äquivalente für das, was wir heute als Wollen und Willen bezeichnen, Handlungen des Begehrens bedeuten. So gibt GesHWAT18, 22 und 1421 für das Verb ‘wh im Piel die Bedeutung „wünschen, begehren“ und für das abgeleitete Nomen ta’awa¯h entsprechend „Begehren, Verlangen, Wunsch“ an. Man darf sich durch die den Willensbegriff benutzenden Ausführungen zur alttestamentlichen Anthropologie nicht darüber täuschen lassen, dass es sich dabei um Deutungen aufgrund des inzwischen siegreichen Willensbegriffes handelt.55 Mustern wir Philos einschlägiges Vokabular, so setzen wir am besten mit dem Verb bouke¼y/boulefflo¯ „sich beraten, Rat halten, überlegen, planen, beschließen“ein. In Cher.73 wird das Verb mit der Bedeutung „planen“ zusammen mit dem Denken, Bedenken, Urteilen und Untersuchen zu den noetischen Fähigkeiten des Menschen gerechnet. Entsprechend bezeichnet bouk¶/boule¯ den Ratschluss (Abr.101), die Beratung und die Ratsversamm53 Vgl. dazu T. Irwin, Plato’s Ethics, 202 – 222. 54 Vgl. dazu ausführlich C. Jedan, Willensfreiheit, 71 – 134 und Kaiser, Zur Aristotelischen Handlungstheorie, in: ders., Glück (Tria Corda 1) 52 – 62. 55 Vgl. H.-W. Wolff, Anthropologie, 65 – 67 und 84 – 90.
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lung (vgl. auch Post.36): So ist Gott nach Leg.III.205 für sich selbst Richter, Entscheidung, Rat, Gesetz, Verfahren und Herrschaft: Irdisch ist es z. B. die Ratsversammlung, an die ein schlecht beleumundeter Mann sein Anliegen nur durch einen Vertreter richten kann (Det.134). Im übertragenen Sinne führt die Vernunft gleichsam den Vorsitz in ihr, während die Erwägung den Fall prüft und die Zustimmung ihr beipflichtet (Ebr.165; vgl. auch Ebr.203). Das Nomen bo¼kgla/bofflle¯ma bezeichnet bei Philo den Beschluss56 oder den Wunsch (Mos.II.31; Leg.Gai.33.263.311). Letzterer wird auch durch das Wort bo¼kgsir/ bofflle¯sis bezeichnet (vgl. z. B. Plant.106, Her.246 und Decal.135). Schließlich bezeichnet das Verb bo¼kolai/boffllomai in breiter Spanne die Akte des Wünschens, Erwartens57, Beabsichtigens58 und Vorziehens (Decal.9); wobei die Zuordnungen der Belege offen ist. Blicken wir zurück, so fanden sich keine Anhaltspunkte für ein Verständnis, das über die Zuordnung der in unseren Augen zum Willen gerechneten Phänomene in den noetischen Bereich hinausgeht, aber auch nicht dafür, dass Philo an der Entscheidungsfähigkeit des Menschen gezweifelt hat.59
17.13 Vom gleichen Rang aller Menschen als den Geschöpfen Gottes Als Geschöpfe besitzen nach Philos Überzeugung alle Menschen gegeneinander das gleiche Recht und den gleichen Rang, gerade als wenn sie alle den längsten Stammbaum und die vornehmste Geburt besäßen.60 Aber vor Gott seien sie Fremdlinge (1p¶kutoi/epe¯lytoi) und Beisassen (paqo_joi/parokoi), weil sie in diese Welt wie in eine fremde Stadt gekommen seien, in der sie vor ihrer Geburt kein Bürgerrecht besessen hätten und in der sie sich nur eine abgemessene Zeitspanne aufhielten. Dagegen sei Gott nach einer anderen überaus weisen Lehre allein im vollen Sinn ein Bürger, während alle anderen Geschöpfe und auch die so bezeichneten Menschen es nur einer sprachlichen Gewohnheit nach seien. Nur die Gott als dem einzigen Bürger an die Seite gestellten Weisen empfänden es als eine Auszeichnung als Fremdlinge und 56 Vgl. z. B. Her.272; Abr.204; Mos.I.95, den Ratschlag (Spec.I.323), den Plan (Somn.II.117), die Absicht (Opif.3; Det.72, Fug.209; Mos.I.287; Spec.II,132; Spec.III.85.121.136.176; Leg.Gai.331). 57 Vgl. z. B. Opif.138.149; Post.145; Imm.164; Agr.5.73; Plant.87; Her.92.225; Congr.38; Fug.165; Mut.53; Somn.II.92; Abr.9.207; Jos.90; Spec.I.36.68.203; Spec.II.48.123; Spec.III.71; Virt.119; Praem.121; Prob.59. 58 Vgl. z. B. Opif.16.44; Leg.I.4; Leg.II.17.37; Leg.III.45; Sacr.23; Det.29.154; Imm.75; Plant.94; Ebr.195; Conf.57.83.196; Migr.2.162; Her,44; Fug.30; Mut.129; Somn.I.15.188; Somn.II.24; Mos.I.110; Decal.37.81; Spec.III129; Spec.IV.69.104; Virt.18; Vit.Cont.40; Flacc.51. 59 Vgl. dazu ausführlich D. Winston, Doctrine of Free Will, 181 – 195. 60 Damit überschritt er die Grenzen der antiken philosophischen Anthropologie, die den Menschen nach seiner Stellung in der Gesellschaft und der Art seiner Teilhabe am Logos bewertete, aber keine Würde des Menschen an sich kannte; vgl. dazu umfassend J.M. Rist, Human Value, bes. 132 – 144.
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Beisassen bezeichnet zu werden, während die Toren nicht einmal diesen Rang behaupten könnten, weil sie nichts als outcasts in ihr seien (Cher.121).61
61 Zur individuellen Eschatologie vgl. unten, 260 – 263.
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18. Philos Ethik I: Die Lehre von den Tugenden und Lastern und dem Ziel des Lebens
18.1 Die Lehre von den Tugenden und dem Ziel des Lebens bei Platon, Aristoteles, Theophrast und Epikur Wenden wir uns der Ethik Philos zu, sind wir gut beraten, wenn wir uns vorab einen Überblick über die Lehre von den Tugenden und dem Ziel des Lebens in den Schulphilosophien seit Platon verschaffen, um auf diese Weise einigermaßen die Übersichtlichkeit der Darstellung zu bewahren. Dabei wird es sich zeigen, dass die Unterschiede in der Theorie teilweise größer waren als in der Praxis, so dass Antiochus von Askalon (ca. 120 – 68 v. Chr.), der diese Meinung vertrat, bei seinen Zeitgenossen nicht nur auf Beifall stieß (Cic.Acad.I.17 – 18; Fin.V.14).1 Trotzdem waren sich Platon und seine Akademischen Erben,2 Aristoteles und seine Perpatetischen Nachfolger,3 die Stoiker und selbst Epikur darin einig, dass das Ziel des Lebens in der eqdailom¸a/eudaimona bestünde, ein Wort, dass man statt mit „Glück“ besser mit „Wohlsein“ übersetzen sollte, weil „Glück“ den Zufall einschließt.4 Sehen wir genauer zu, so waren die Lehren darüber, wie man dieses Wohlsein erreichen könnte, verschieden: Für Platon und seine Erben bestand das Ziel des Lebens darin, Gott ähnlich zu werden (Plat.Tht.176b1 – 3; Rep.X.613b1).5 Das erreichte man jedoch nur, indem man Gott zum Maß aller Dinge machte und mithin ein maßvolles Leben führte (Plat.Leg.IV.716c1–d4, vgl. auch Rep.X.619a5 – 8).6 Aristoteles bestimmte dieses Maß als die Mitte zwischen den Extremen (Aristot.Eth.Nic.1106b23 – 27)7, während für ihn das erstrebte Wohlsein in einer ausreichenden Versorgung mit äußeren Gütern, Gesundheit des Leibes (Eth.Nic.1179b33 – 359), echten Freunden (Eth.Nic.1169b8 – 14) und der Betrachtung der ewigen Ordnung des Kosmos 1 Vgl. dazu Zeller, Geschichte III/1, 622 – 624 und zu seiner Bedeutung A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 228 – 229. 2 Zu ihrer als Akademie bezeichneten Schulanlage vgl. I. Travlos, Topographie des Antiken Athens, 42 – 51 mit den Abb. 52 – 64. 3 Zu ihrem Sitz, dem Lykeion vgl. Travlos, 345 – 347 und den Lageplan Abb. 379 auf S. 291. 4 Vgl. dazu Sir David Ross, Aristotle, 190. 5 Vgl. dazu D. Roloff, Gottähnlichkeit, 198 – 206. 6 Vgl. dazu Kaiser, Gott als Lenker, 8 – 103, bes. 93 – 95. 7 Vgl. dazu U. Wolff, Mesotheslehre, 83 – 108, bes. 88 – 94, bzw. knapp H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 77 – 79 mit der Tabelle 79.
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Philos Ethik I
bestand (Eth.Nic.1177a12 – 1179a32), sofern dies alles das ganze Leben hindurch dauert (Eth.Nic.1177b24 – 26).8 Ein Stoiker9 konnte sich aus alsbald zu benennenden Gründen mit dieser Erklärung des Glücks nicht zufrieden geben, weil es den Menschen nicht vor den Launen des Zufalls beschützte. Denselben Einwand erhoben seine Gegner auch gegen Theophrast (371 – 287 v. Chr.), der seit 322 der Nachfolger seines Lehrers Aristoteles in der Leitung des Peripatos war. Zwar hatte Theophrast in seiner Schrift über das glückliche Leben (Vita beata) versucht, sich durch eine Aufteilung der Güter in zwei Gruppen dagegen zu sichern, indem er zwischen einer ersten, die dem Körper und der Seele besteht, und einer zweiten, zu der Freunde, Verwandtschaft und Vaterland in andere äußere Güter gehören, unterschied und nur die erste um ihrer selbst willen für erstrebenswert hielt. Die Güter der zweiten Gruppe seien zwar erstrebenswert, könnten aber den Gütern des Leibes und der Seele nicht gleichgesetzt werden, weil sie nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen stünden, so dass es – rechnet man sie zu den Bedingungen des Wohlseinsunter Umständen für einen Menschen überhaupt keine Möglichkeit gäbe, glücklich zu sein (vgl. Cic.Fin.68 – 69). Aber auch auf diese Weise hatte er dem Zufall nach der Überzeugung seiner Kritiker einen zu großen Einfluss eingeräumt, weil wir letztlich auch über unsere Gesundheit nicht verfügen (Cic.Fin.V.12), zumal er selbst erklärt hatte, dass das Leben eines Gefolterten nicht glücklich sein könne (Cic.Tusc.V.24; Fin.V.77) und das Leben öfter vom Zufall (fortuna) als von der Weisheit regiert würde (Cic.Tusc.V.25). Für Epikur und seine Schüler stellten sich solche Fragen nicht, weil die eqdailom_a/eudaimona für sie in einem zurückgezogenen, im Kreise gleich gesinnter Freunde geführten tugendhaften Leben bestand.10 Während Philo nur gelegentlich in der Nachfolge des Aristoteles das Maßhalten als ethische Norm anerkannte,11 lehnte er die epikureischen Lehre grundsätzlich ab, weil er ihre Identifizierung eines lustvollen mit einem tugendhaften Leben entweder nicht kannte oder aufgrund einer affektiven Hemmung nicht zur Kenntnis zu nehmen bereit war.
8 Vgl. dazu Flashar, 98 – 105 und T. Irwin, Develpoment of Ethics I, 114 – 133. 9 Die Stoiker tragen ihren Namen nach ihrem Versammlungsort in der vermutlich am Nordwestrand der athenischen Agora gelegenen bunt ausgemalten und daher als Stoa Poikile bezeichneten Säulenhalle, vgl. Travlos, Plam Abb. 722 auf 577 und Athenian Agora, Plan Abb. 17. 10 Vgl. zu ihm Zeller, Geschichte III/2, 373 – 493, bes. 452 – 480; Long, Hellenistic Philosophy, 61 – 74 und Irwin, Development of Ethics I, 257 – 284. 11 Vgl. Migr.146 – 147. Hier fordert Philo Aristot.Eth.Nik.II.1106b36 – 1107a8 entsprechend dazu auf, von dem eingeschlagenen Weg der Tugend weder nach rechts noch nach links abzuweichen, sondern einer milden und sozialen Form der Philosophie zu folgen, nach der die Tugenden das jeweils mittlere sind; vgl. dazu Wolfson, Philo II, 272 – 274.
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18.2 Die stoische Lehre von Tugend und Laster und dem naturgemäßen Leben Unter den philosophischen Systemen des Hellenismus und der frühen Kaiserzeit hat das stoische schon deshalb eine besondere Rolle gespielt, weil es dem Einzelnen in einer Epoche, in der die griechischen Poleis erst zum Spielball der rasch wechselnden hellenistischen Großmächte und dann zu untergeordneten Verwaltungseinheiten im Römischen Reich geworden waren, eine von allen äußeren Umständen unabhängige Seelenruhe zu gewähren versprach und schließlich selbst die Großen des Reiches (wie es das Beispiel Senecas lehrt)12 ihres Lebens nicht sicher waren und am Ende der Epoche selbst der in den Donauländern die Grenzen des Reiches verteidigende Kaiser Mark Aurel ihres Trostes bedurfte (Mark Aurel VI.2): „Mache bei der Erfüllung deiner Pflichten keinen Unterschied, ob du sie frierend oder schwitzend tust, du müde oder ausgeschlafen bist, du beschimpft oder gelobt wirst, ob du stirbst oder anderes tust. Denn auch das Sterben gehört zum Leben. Es genügt also, wenn man auch dabei anständig bleibt.“
Die bei genauerem Betrachten einigermaßen komplizierte stoische Ethik lässt sich zunächst auf den einfachen Nenner bringen, dass ein Mann, der sein Leben den vier Tugenden der Klugheit, Besonnenheit, Mannhaftigkeit und Gerechtigkeit widmet, die Bedingung für die Erlangung des Glücks erfüllt.13 Ganz in diesem Sinne heißt es bei Cic.Parad.II: „In quo virtus sit; ei nihil deesse ad beate vivendam (Wer Tugend besitzt, dem fehlt nichts, um glücklich zu leben).”14 Sachlich aber entspricht ein tugendhaftes Leben der stoischen Grundforderung, mit der Natur in Übereinstimmung zu leben, weil er von Natur aus ein vernunftbegabtes Wesen ist.15 Damit ist zugleich gesagt, dass die Tugenden in einer entsprechenden vernünftigen Einsicht gründen. So besteht die Klugheit in der Einsicht in das, was zu tun und zu lassen ist; die Besonnenheit in der, was zu wählen und was zu vermeiden ist; die Gerechtigkeit in der, jedem das Verdiente zuzuteilen, und die Mannhaftigkeit in der, was zu fürchten und nicht zu fürchten ist (SVF.III.262/LS 64 H). Obwohl die Natur selbst den Menschen zur Tugend anhielte (Zenon/Diog.Laert.VII.87/ SVF.I.179/LS 63 B), müsse der Mensch sie durch Selbstprüfung oder Erziehung lernen,16 eine Konsequenz, die Philo jedenfalls ebenfalls gezogen hat.17 12 Vgl. dazu Suet.Nero.35.5 und M. Fuhrmann, Seneca, 307 – 328. 13 Vgl. zum Folgenden auch S. Wibbing, Tugend- und Lasterkataloge, 15 – 20. 14 Vgl. Diog.Laert.VII.102 – 103, LS 58 A; Cic.Acad.I.36; Stob.Ecl.II.57,18/SVF.I Nr. 190 und Cic.Fin.III.26. 15 Vgl. Diog.Laert.VII.87 – 89/SVF. I.179*/LS 63 C; vgl. Cic.Fin.III.26; Off.I5. 16 Zur Diskussion über die Lehrbarkeit der Tugend bei den Sophisten und Plato vgl. M. Erler, Plato, 440. 17 Vgl. dazu oben unter 63 – 66.
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18.3 Das stoische Ideal des selbst beherrschten Menschen und seinen durch die Oikeiosislehre bestimmten Pflichten Da die Menschen von Natur zum Zusammenleben, zur Vergesellschaftung und Staatenbildung bestimmt sind und die Welt gleichsam eine durch die Götter verwaltete Polis und mithin der gemeinsame Staat aller Götter und Menschen ist,18 wird ein tugendhafter und weiser Mann („vir bonus et sapiens“) den Gesetzen gehorchen, mehr für das Wohl aller als für sein eigenes sorgen und wenn es die Situation fordert, für den Staat den Tod auf sich nehmen, da ihm jener teurer als sein eigenes Leben ist (Cic.Fin.III.64). Entsprechend wird er bereit sein, den Staat zu verwalten und zu regieren – wie er, um der Natur zu genügen, heiraten und Kinder zeugen wird (Cic.Fin.III.68). Andererseits galt den Stoikern die Freundschaft als ein wahrhaft nützliches Gut. Wer seine Freunde jedoch nur um der Vorteile und des von ihnen erwarteten Nutzens schätzte, wäre ein unzuverlässiger Freund (Cic.Fin.III.70). Daher könne es Freundschaft nur unter Tüchtigen (spouda_oi/spoudaoi) als eine Gemeinschaft für das ganze Leben geben, in der man den anderen wie sich selbst behandelte (Diog.Laert.VII.124/SVF.631), womit auch Aristoteles völlig einverstanden gewesen wäre.19 Grundsätzlich ergaben sich für den Stoiker die Pflichten einerseits aus seinem biologischen sozialen Wesen, das er mit den Tieren teilt, und andererseits aus seiner vernünftigen Einsicht, die ihn aus seiner physischen und sozialen Einbettung löst und ihn verpflichtet, sich auch Fremden gegenüber sittlich zu verhalten.20 Diese Unterscheidung geht auf die sog. Oikeiosislehre oder Lehre von dem, was dem Menschen als Menschen bei seinem Handeln zu tun gebührt, zurück.21 In ihrem Hintergrund steht die Einsicht, dass die 18 Vgl. dazu K.M. Vogt, Law, 86 – 98. 19 Vgl. Diog.Laert.VII.124/SVF.III.631/LS 67 P; Cic.Fin.III.70 und dazu Aristot.Eth.Nic.1156b6 – 12: „Vollkommen ist die Freundschaft der Guten und an Tugend einander Gleichen; denn sie wünschen einander gleichmäßig das Gute, weil sie gut sind, gut aber sind sie ihrem Wesen gemäß. Die aber den Freunden um ihrer selbst willen Gutes wünschen, sind echte Freunde, weil sie es an sich und nicht aus anderen Gründen sind; so dauert nun ihre Freundschaft so lange sie gut sind.“ Vgl. dazu auch A.W. Price, Love,102 – 130. Und zur Freundschaft als höchstem Gut bei Epikur vgl. rat.sent XXVII (Diog.Laert.X.148): „Von allem, was die Weisheit zur Glückseligkeit des ganzen Lebens in Bereitschaft hält, ist weitaus das wichtigste der Besitz der Freundschaft.“ Zu ihrem Zusammenhang mit dem Nutzen Epik.Gnom.Vat.23 und 39 (LS 22 F): „Jede Freundschaft ist aus sich selbst heraus eine Tugend, aber ihren Ursprung nimmt sie vom Nutzen.“ „Ein Freund ist weder der, der den Nutzen in allem sucht, noch der, der den Nutzen niemals mit der Freundschaft verbindet. Denn der eine verschachert sein Wohlwollen gegen Entgelt, und der andere schneidet die zuversichtliche Erwartung im Hinblick auf die Zukunft ab.“ Zur Freundschaft bei den Epikureern und Stoikern vgl. D. Konstan, Friendship, 108 – 114. 20 Vgl. dazu M. Pohlenz, Stoa, 133 – 17; M. Forschner, 183 – 211 und weiterhin R. Bees, Oikeiosislehre, 213 – 340, bes. 339 – 340. 21 Vgl. dazu A. A. Long, Philosophy, 185 – 187; M. Forschner, 150 – 159, R. Bees, Oikeiosislehre, 309 – 313 und zu seiner Nachwirkung bei Philo Levy, Philo’s Ethics, 168 – 171.
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Die Stoische Lehre von den Adiaphora 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Menschen ihre unbewussten vegetativen Fähigkeiten mit Pflanzen und Tieren teilen, ihre Sympathie mit allem Verwandten mit den Tieren, während die Vernunft sich auch darüber erhebt. Nach dieser Lehre sind alle spontanen Zuwendungen zu Artgenossen wie bei den Tieren in der sozialen Natur begründet: Sie sind daher jeweils jah¶jomta (sing. jah/jom (kathe¯kon), oder „Zukommende“ (wir könnten auch übersetzen: „Artgemäße“(Diog.Laert.VII.107). Darüber hinaus gibt es eigentliche Pflichten, die allein in der sittlichen Vernunft wurzeln. Sie gehören in den Bereich des jatºqhyla/katrtho¯ma, des dem richtigen Denken entsprechenden Handelns.22 Zu den naturgemäßen Zuwendungen oder Kathe¯konta gehört es z. B., dass man Eltern, Brüder und Vaterland in Ehren hält und mit Freunden herzlich verkehrt. Dagegen wäre es naturwidrig, sollte man sie rücksichtslos behandeln (Diog.Laert. VII.108 – 109). Der richtigen Vernunft aber entspricht es, eine sittliche Handlung aus Einsicht ohne Rücksicht auf natürliche Verpflichtungen auszuführen (SVF.III.516/LS 59 G; SVF.III.501/LS 59 M).23 Philo bietet dafür zwei sehr gute Beispiele: Wenn ein Arzt vor einem schmerzlichen Eingriff wie z. B. einer Amputation oder dem Ausbrennen einer kranken Stelle dem Patienten seine Absicht vorenthält,24 damit er nicht schon vor dem Eingriff die Besinnung verliert, so handelt er scheinbar gegen das Angemessene (das stets zur Wahrhaftigkeit verpflichtet), aber doch in der Situation richtig (Cher.15)25. Oder wenn ein Feldherr bei der Aufstellung einer Armee vor einem Krieg weder Schwächlinge noch Ängstliche aufnimmt (Virt.25), so handelt er pflichtgemäß, dem jatºqhyla/katrtho¯ma gemäß, weil er mit kranken und feigen Männern keinen Sieg erringen kann.
18.4 Die Stoische Lehre von den Adiaphora Die Stoiker lehrten im Anschluss an ihre Grundthese, dass nur die Tugenden gut und die Laster schlecht seien, dass man die äußeren Güter wie Gesundheit, Kraft, Reichtum und Ehre und die schlechten wie Krankheit, Schmerz, Hässlichkeit, Armut und dergleichen als gleichgültige Dinge oder !di\¦oqa/ adiphora (Diog.Laert.VII.101 – 103/SVF.III.117*/LS 58 A) zu betrachten habe. Doch zugleich relativierten sie diese Unterscheidung dadurch, dass sie die zuerst genannten zu den „bevorzugten“ (pqogcl]ma/prohe¯gmna) und die zweiten zu den „zurückgestellten“ (!popqogcl]ma/apoprohe¯gmna) Gütern 22 Zu dem nicht unbedingt im Stoff, sondern in der Einstellung des Handelnden liegenden Unterschied ziwschen den Kathe¯konta und den Katortho¯mata vgl. Pohlenz, Stoa, 131 und zur Abhängigkeit Ciceros in Off.I.46 von der Pflichtenlehre des Panaetius A. A. Long, Hellenisctic Philosophy, 212 – 214. 23 Vgl. z. B. Phil.Cher.14 – 15 und dazu oben, 92. 24 Vgl. dazu auch Plat. Pol.293a9–c3. 25 Vgl. dazu auch oben, 92 – 93.
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rechneten (S.Emp.Math.XI.64 – 67/SVF.I.361/LS 58 F).26 Entsprechend schrieben sie positiven Dingen wie Gesundheit, Unverletztheit der Sinnesorgane, Schmerzlosigkeit, Ehre, Reichtum einen relativen Wert und ihrem Gegenteil einen entsprechenden Unwert zu.27
18.5 Philos Lehre von den Tugenden und Lastern Wenden wir uns Philos Lehre von den Tugenden und Lastern bzw. Leidenschaften im Allgemeinen zu, so entspricht sie in ihren Grundzügen der platonischen, aristotelischen und stoischen Ethik. Daher bilden die vier klassischen Tugenden das freilich erweiterungsfähige Grundgerüst seines ethischen Denkens. Ihnen stellt Philo ebenfalls die vier Leidenschaften in Gestalt der Begierde (1pihul_a/epithyma), der Lust (Bdom^/he¯done¯), des Kummers (p²hg/pthe¯) und des Schmerzes gegenüber (Decal.142 – 145). Wenn er in seinen Schriften immer wieder zu dem Thema der Tugenden und der Laster zurückkehrt und letztere in teilweise überbordenden Katalogen mit einem an die Stoiker erinnernden Pathos geißelt, so hat er doch das Grundsätzliche über die zerstörerischen Wirkungen der Begierde in Decal.151 – 153 zusammengefasst: Das Gelüst (5qyr/ro¯s) nach Geld, Frauen, Ruhm und allem, was Lust bewirkt, ist die Ursache aller kleinen und großen Übel (jaj\/kak): Es entzweit Verwandte, verwandelt ihre natürliche Zuneigung (eumoia/efflnoia) in tödlichen Hass, zerstört volkreiche Staaten und Länder durch inneren Aufruhr (st\sir/stsis) und erfüllt Länder und Meere mit Land- und Seeschlachten. „Denn alle Kriege, den Griechen und Barbaren nach der Art der Tragödien unter- und gegeneinander geführt haben, sind der einen Quelle der Begierde nach Besitz oder Ruhm oder Lust entsprungen. Eben dadurch befindet sich das Menschengeschlecht in Not und Sorge (jgqa_mei).“28
Dabei galt ihm die 1pihul_a/epithyma oder Begehrlichkeit schon deshalb als die schlimmste von allen Leidenschaften, weil sie im Inneren des Menschen verwurzelt ist und mithin freiwillig (2jo}sior/hekofflsios) geschieht (Decal.142). Nach Philos Überzeugung sollten Staaten, ehe sie mit Waffen und Kriegsmaschinen gegeneinander zögen, um ihre Feinde zu versklaven oder gar vollständig zu vernichteten, vorher ihren eigenen, großen und andauernden Aufruhr (st²sir/stsis) in sich selbst überwinden, der das Urbild aller Kriege ist (vgl. auch Opif.81 und Decal.153). Denn dann erführe das Men26 Vgl. dazu A. A. Long, Hellenistic Philosophy, 189 – 199. und zu dem erst spät aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch durch Epiktet übernommenen Begriff der !taqan_a, der seelischen Unerschütterlichkeit oder Festigkeit und ihrer Zusammenordnung mit der !p\¢eia vgl. SVF.III.201 und dazu Max Pohlenz, Stoa I, 331 und II, 163. 27 Vgl. Cic.Fin.50 – 57. 28 Vgl. dazu auch oben, 104.
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schengeschlecht, was Frieden ist, und würde, durch das Gesetz der Natur belehrt, Gott ehren und ihm dienen und sich damit die Quelle ihres Glücks und seligen Lebens erschließen (Post.185).29 Fragt man nach Philos Bestimmung des Lebensziels, so ist vorab festzuhalten, dass die Gottähnlichkeit für ihn als solches ausschied, weil sie für die Menschen kein Ziel, sondern die Bestimmung ihres Wesens ist, weil sie nach Gottes Bild geschaffen worden sind (Opif.69 – 72). Besser eignete sich die stoische Formel, dass die Menschen der Natur gemäß leben sollen (Opif.143).
18.6 Philos Aufnahme der stoischen Lehre von den zweifachen Pflichten In der Entwicklung des Menschen steht nach Philos Einsicht sein sittliches, den stoischen jatoqh¾lata (katortho¯mata) entsprechendes Verhalten freilich nicht am Anfang, sondern am Ende der Individualentwicklung. Sein Verantwortungsbewusstsein setzt erst ein, wenn er seine biologischen Fähigkeiten erworben hat, die als solche ohne sittlichen Wert sind (Sacr.73; vgl. auch Post.11). Denn sittliches Handeln setzt richtiges Denken (aqhºtgtor kºcor/ orthte¯tos lgos) voraus (Imm.72). Dabei sind die vollkommenen rechten (sittlichen) Handlungen (t± jatoqh¾lata/t katortho¯mata) den angeborenen sittlichen Handlungen oder einfachen Pflichten (t± jah¶jomta/t kathe¯konta) überlegen (Leg.I.56 – 57; Leg.III.126). Denn während es sich bei diesen um soziale Reflexe handelt (Sacr.73), beruhen jene auf einer durch philosophische Belehrung (die auch durch die Thora erfolgt, Mut.236) bestätigten Einsicht in das Sittlich Gute (Imm.72; Her.297), das seinerseits in einem den vier Tugenden gemäßen Handeln besteht (Leg. I.97). Daher verdienen nur die freiwillig vollbrachten pflichtgemäßen Handlungen gelobt zu werden, aber nicht die unwillentlichen, instinktmäßigen (Post.72; Abr.186; vgl. Spec.IV.193 und Post.11). Der biblischen Tugendlehre gemäß bilden die rechten Handlungen (jatoqh¾lata/katortho¯mata), gleichgültig, ob es sich um Gedanken, Worte oder Taten handelt, den Gegensatz zu den Sünden ("laqt¶lata/hamarte¯mata) (Mut.236; vgl. auch Somn.II.198). Dabei bewährt sich auch auf diesem Gebiet der Gegensatz zwischen selbst beherrschter Einsicht (¦qºmgsir/phrne¯sis) und Torheit (!¦qos¼mg/aphrosy´ne¯) dadurch, dass jene mit den einfacheren Tugendpflichten beginnt und bei den höchsten endet, während die Umkehrung der Reihenfolge zum Scheitern führe (Somn.II.197 – 198). Eine derartige Selbstbeherrschung hätten der Feldherr Pinchas und seine 29 Zum stoischen Verständnis des Naturrechts vgl. E. Zeller, Geschichte II/2, 226 – 228 und jetzt vor allem R. Bees, Oikeiosislehre, 309 – 313 und zu seiner Nachwirkung bei Philo Levy, Philo’s Ethics, 168 – 171.
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Kampfgenossen nach ihrem Sieg über die Midianiter bewiesen, indem sie die Beute nicht untereinander aufteilten, sondern sie sich ordnungsgemäß verhalten und das eroberte Gut Moses zur Verteilung an alle Teilnehmer des Feldzuges übergeben hätten (vgl. Mos.I.313 – 314 mit Num 32,25 – 31). Die Umsicht Moses als Gesetzgeber aber zeige sich darin, dass er den Großhändlern, Kleinhändlern und Inhabern eines Marktstandes, die zu ihrem Lebensunterhalt feste und flüssige Waren verkauften und der Aufsicht von Marktkontrolleuren unterstanden, befahl, aus freiem Willen gerechte Waagen, Maße und Gewichte zu benutzen, um keinen ihrer Kunden zu schädigen. Denn auf diese Weise würden sie wegen ihres sich selbst auferlegten rechtschaffenen Verhaltens (aqtoj´keustom jat|qhyla/autokleuston katrtho¯ma) als ehrenhafter betrachtet werden, als wenn sie es unter Zwang täten (Spec.IV.193 – 194; vgl. Lev 29,35 – 36 und Dtn 25,13 – 15). Die Besonderheit des Volkes Israels aber bestünde auf sittlichem Gebiet darin, dass sie diesen höchsten sittlichen Ansprüchen in ihrem Lebenswandel und in ihrem richtigen Denken (kºcom jatoqh¾lata/lgon katortho¯mata) genügen (Migr.54). Oder um es auf einen Punkt zu bringen: Der Gute und Gebildete (!ste?or/asteı˜os) handelt allezeit besonnen. Er allein ist frei, denn er lässt sich weder durch andere zu einer Handlung antreiben noch von einer Handlung abhalten. Daher könne der Rechtschaffene (spouda?or/spoudaı˜os) seinem Wesen nach kein Sklave sein; denn seine Handlungen wären durchgehend rechtschaffen und tugendhaft (Prob.60). Fragt man, welche Kräfte die Menschen zu einem solchen Leben befähigen, so lautet die Antwort, dass sie von der Hoffnung auf Gott als der Quelle des Lebens getragen und von der Gewissheit, dass er nichts Schlechtes täte. Mithin sei es gewiss, dass niemand ein ganzer Mensch sein könne, der seine Hoffnung nicht auf Gott setze (Praem.12 – 14).
18.7 Philos erweiterter Tugendbegriff Zusammenhängend hat Philo die Tugenden weiterhin z. B. Spec.IV.136 – 238 und Virt. behandelt, sie dabei allerdings auch abgewandelt und ihre Zahl erweitert. So setzt er in Spec.IV.136 mit der Gerechtigkeit ein und endet in Virt.187 – 227 mit der Wohlgeborenheit oder edlen Abkunft. Dabei wird die Gerechtigkeit von ihm als Qs|tgr/iste¯s, als Gleichheit definiert. Sie entspräche der kosmischen Harmonie, die darauf beruht, dass jedes Gestirn sich an seine Bahn hält und jede Jahreszeit sich in den Ablauf des Jahres einfügt und ihm so seine Vollendung verleiht (Spec.IV.230 – 236).30 Der Gleichheit im Kosmos entsprächen die Gleichheit in der demokratischen als der besten Verfassung, denn in ihr herrschten die Bürger unter dem Gesichtspunkt der proportio30 Zur Harmonie der Gegensätze als einem Prinzip, das Gott bei der Schöpfung der Welt anwandte, vgl. Wolfson, Philo I, 332 – 333.
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nalen Gleichheit,31 und im Leben des Einzelnen die Gesundheit des Leibes und die jakojacah_a/kalokagatha), die tugendhafte Ausgewogenheit der Seele. Dagegen sei die Ungleichheit, die im vorliegenden Zusammenhang als Unausgewogenheit der Seele zu deuten ist, Ursprung der Krankheiten und Laster (Spec.IV.237 – 238).32 Entsprechend hat Philo die Spezialisierung der !mdqe_a/andrea oder Mannhaftigkeit auf die kriegerische Tapferkeit aufgehoben (vgl. schon Leg.I.65 und 68).33 Er bezog sie stattdessen vor allem auf eine Charakterstärke, die sich durch eigene Leiden des Leibes und Lebens wie Armut und Verachtung nicht beugen läßt und die Misshelligkeiten des Lebens, mit Umsicht (¦q|mgsir/phrne¯sis) und Adel der Gesinnung (cemmaiºtgr/gennaite¯s) gegürtet, zu ertragen vermag (Virt.5 – 7).34 Trotzdem gehörte auch für Philo die Bereitschaft dazu, im Kampf für die Freiheit des Landes im Vertrauen auf Gott zu den Waffen zu greifen (Virt.43 – 49). Bedenkt man die Lage des Judentums im Allgemeinen und in der Diaspora im Besonderen, so wird es verständlich, dass Philo seine Glaubensgenossen vor allem dazu aufforderte, sich an das Gerechte und das Heilige zu halten, weil die Freundschaft mit Gott die Bedingung ihres Glückes sei (Virt.50). Weiterhin behandelte er die Menschenliebe (¦ikamhqyp_a/philanthropia) oder wie die Lateiner übersetzten, die humanitas (Virt.51 – 174).35 Sie erweise sich nicht allein in den biblischen Verboten der Zinsnahme von einem Glaubensbruder (vgl. Virt.82 mit Ex 22,25, Dtn 23,19 und Lev 25,36 – 37) und der Bereitwilligkeit den Armen auf jede Weise zu helfen (Virt.83 – 87),36 sondern schließe auch die aus den Völkern „Dazukommenden“ (1pik}teir/epilfflteis) oder (wie wir heute üblicher Weise sagen) die Proselyten ein: Sie seien als Glieder des Volkes zu betrachten und als Freunde und Hausgenossen mit 31 Vgl. dazu Imm.176; Agr.45; Conf.108; Abr.242; Virt.180 und die sachliche Entsprechung der als Gleichheit des Zeus bezeichneten in Plat.Leg.VI.757b1–cd2; vgl. auch Aristot.Pol.V.1301b26 – 38; dazu Wolfson, Philo II, 386 – 387 und Baraclough, Philo’s Politics, 520 – 523 sowie unten, 293. 32 Zu den wohltätigen Folgen der auf Qs|tgr als Gleichheit des Besitzes angelegten dorischen Verfassungen vgl. Plat.Leg.III.684d4–e5 und zum Zerfall der dorischen Staaten durch die mangelhafte Harmonie zwischen der Vernunft und den Affekten, zwischen der Vernunft auf der einen und der Lust und dem Schmerz auf der anderen Seite Plat.Leg.III.684e7 – 685b5 und dazu K. Schöpsdau, Nomoi I – III, 391 – 396. Zu Platos Definition der Gerechtigkeit als Tun des Seinen vgl. Rep.433a 8– b1. 33 Vgl. Plat.Leg.I.633c8–d3, wo er den Kampf gegen die Lust als die andere Seite der Männlichkeit bezeichnet. Vgl. mit Schöpsdau, Nomoi I – III, 197 auch Plat.Laches.191d–e und Rep.429c9–d1. 34 Vgl. dazu auch W.T. Wilson, On Virtues, 102 – 105, der zum Reichtum der Natur in Virt.6 auf Epic.rat.sent.15 (Diog.Laert.X.144) und Plut.Mor.37a und zu den reichen Gaben der Natur auf Cic.Nat.Deor.II.156 verweist. 35 Vgl. dazu Winston, Ethical Theory, 391 – 405. 36 Vgl. Virt.82 mit Ex 22,25; Lev 25,36 – 37; Dtn 23,19; Prov 20,4; Sir 8,12; 4Makk 2,8; Virt.83 mit Lev 25,35; Dtn 15,10; Virt.84 mit Ex 22,24; Lev.25,35; vgl. Ps 71 – 13 – 14 8 8G), Prov 19,17; Sir 29,8 – 9, ferner Plat.Rep.495b8–c6; Virt.85 mit Fug.16 – 18; Somn.I.179; Plat.Rep.416d3 – 417b8; Virt.86 mit Lev 25,37; Dtn 23,20, vgl. Virt.104;130 und 148 – 160, Virt.87 mit Spec.III.167, Decal.97 – 98, und dazu Wilson, On Virtues, 208 – 216.
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ihrem Leib und ihrer Seele zu lieben und also gegebenenfalls auch zu versorgen (Virt.102 – 104; vgl. Eph 2,19).37 Aber zur Humanität gehörte für Philo nach biblischem Vorbild weiterhin z. B. nicht nur die Aufnahme von Sklaven, die aus Furcht vor ihren Herren entlaufen sind (Virt.124; vgl. Dtn 15,16),38 sondern auch ein schonender Umgang mit vernunftlosen Tieren und zumal ihren Jungen, die nicht sogleich verzehrt oder geopfert werden dürfen: Auch in solchen Fällen gelte es, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren und sich nicht brutal zu verhalten.39 Angesichts dieser Tatsachen hielt es Philo für angebracht, darauf hinzuweisen, wie ungerechtfertigt es sei, wenn Völker den biblischen Gesetzen Menschenfeindlichkeit vorwürfen:40 Denn die Gesetze hielten die Juden von Kindheit dazu an, ihre ungehorsamen Seelen zu zähmen (Virt.141).41 So würden sie dazu erzogen, sich nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch gegenüber vernunftlosen Tieren und Pflanzen rücksichtsvoll zu verhalten (Virt.148; vgl. Virt.125).42 Hinter der Menschenliebe stünde rangmäßig die let²moia/metnoia oder Umkehr als weitere Tugend. Ihr Wesen bestünde in der Abkehr vom Schlechten und in der Wahl des Ausgezeichneten (Praem.15 – 16; vgl. auch Mut.124). Wer sie zum Ratgeber nähme, erführe Gottes Gnade in Gestalt der vollen Vergebung der S ü nden (Somn.II.292). Gott k ö nne jedoch dem S ü nder ebenso Zeit zur Bu ß e einrä umen (Leg.III.106), wie sie ihm versagen (Leg.III.215). Grundsätzlich hätte er jedoch an der Umkehr dasselbe Wohlgefallen wie an der Freiheit von Sünden (Spec.I.187). Ihrer Bedeutung 37 Vgl. dazu Borgen, Philo, 208 – 209; Wilson, 257 – 260 und zu Moses als dem ersten Proselyten Virt.219. 38 Vgl. dazu auch mit Wilson, 288 und Spec.II.67.122 – 123 mit Spec.I.126. 39 Vgl. Lev 22,27 – 28 mit Virt.127 – 139 und weiterhin 140 – 145, sowie Dtn 22,10 mit Virt.146. 40 Vgl. z. B. aus dem 1. Jh. v. Chr. die Vorwürfe des Apollonios Molon bei Jos.Ap.II.258, dass die Juden Menschen mit anderen Ansichten über die Religion und Lebensweisen abwiesen, Jos.Ap.II.121, bzw. den ähnlichen Vorwurf des Antiochos VII. Sidetes bei Diod.XXXIV,1,1 – 4 oder den des Apion bei Jos.Ap.II.121, nach dem die Juden einen Eid geschworen hätten, Nichtjuden keinerlei Wohlwollen entgegen zu bringen. Am bekanntesten ist wohl das Urteil von Tacitus (ca 56 – 230 n. Chr.) Hist.V.2.3, der den inneren Zusammenhalt der Juden und ihre interne Hilfsbereitschaft lobt, ihnen aber wegen ihrer Absonderung von den Nichtjuden einen gegen alle anderen Menschen gerichteten Hass (adversus alios hostile odium) vorwirft; vgl. die entsprechenden Zusammenstellungen bei L. H. Feldman/M. Reinhold, Jewish Life, 384 – 386; zu den ihnen vorgeworfenen Gräueltaten und ihrer Lüsternheit 386 – 387 und ihren Bildungsmängeln, ihrer barbarischen Verfassung und ihrer charakterlichen Minderwertigkeit 388 – 395 und zu Philos Zurückweisung der Vorwürfe unter der Voraussetzung, dass die Thora mit dem Naturbzw. Weltgesetz übereinstimmt, in Spec.II.162 – 167, vgl.179 – 180 R. Weber, Gesetz II, 150 – 154. Zum Umfang und den Auswirkungen des Pogroms gegen die Juden in Alexandrien in den Jahren 38 – 40 n. Chr. vgl. Flac.54 – 96 bzw. Leg.Gai.114 – 119.120 – 131, dazu E. M. Smallwood, Jews, 233 – 250 und den Überblick über die Lage der Juden in Ägypten von Ptolemaios II. bis zu der selbstmörderischen Revolte der Jahre 115 – 117 n. Chr. bei Borgen, Philo, 30 – 37. 41 Vgl. auch Plat.Leg.791d – 793d. 42 Vgl. Dtn-20,19; Philo.Anim.79.80 und 94; Plat.Tim.77b–c; aber auch Aristot.An.II.413a20 – 413b10.
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nach stünde sie unter den Werten auf dem zweiten Platz unmittelbar hinter dem der Gesundheit, einer gefahrlosen Reise zur See bzw. der Genesung von Krankheit oder Rettung vor den Gefahren einer Reise (Virt.176). Groß sei die Belohnung für den, der Tag um Tag den Herrn zu seinem Gott erwähle; denn Gott zögere nicht den anzunehmen, der ihm wahrhaft und anhaltend diene, und rechne dabei den Willen als Tat an (Virt.184 – 185). Die Frömmigkeit, die nach Philos Überzeugung die wichtigste unter allen Tugenden ist, weil sie dem Geist des Menschen Unsterblichkeit verliehe, hat er in diesem Zusammenhang nicht erwähnt (vgl. Q.Gen.I.10).43
18.8 Die Proselyten als Zeugen des Segens der Umkehr Die Früchte der Umkehr zeigten sich nach Philos Urteil zumal bei den „Dazukommenden“ (1pgk¼tai/epe¯ly´ tai), den Proselyten, die ihren früheren frevelhaften Lebenswandel mit einem durch und durch tugendhaften vertauschen (Virt.182; vgl. auch Spec.I.52 – 53 und Virt.102 – 103). Daher war Philo davon überzeugt, dass die Gesetze seines Volkes dank ihrer einmaligen Vollkommenheit ihre volle Anziehungskraft auf die Völker ausüben würden, wenn Israels Geschick sich wenden und seine Blüte vor allen Augen offenbar würde. Dann würden sie ihre väterlichen Gesetze aufgeben und die Gesetze Israels ehren (Mos.II.44).44
18.9 Philos Urteil über die Leidenschaft und ihre Folgen Was die Leidenschaft betrifft so konnte Philo kurz und prägnant erklären (Spec.IV.79): „Jede Leidenschaft ist verwerflich; denn sowohl jeder ungeordnete (%letqor/metros) und sich steigernde Drang (fqlg/hrme¯) als auch eine der Natur widersprechende Bewegung der Seele gilt als verwerflich; denn sind beide irgendetwas anderes als der Ausbruch einer lang anhaltenden Leidenschaft? Wenn also jemand seine Triebe nicht maßvoll begrenzt und ihnen wie durchgehenden Pferden einen erzenen Zügel anlegt, wird er das Opfer einer ungesunden Leidenschaft, die ihn, noch ehe er es wahrnimmt, wie einen Wagenlenker von seinem durchgehenden Gespann in Schluchten und unentrinnbare Abgründe fortreißt, aus denen es schwerlich eine Rettung gibt.“45 43 Vgl. SVF.II.1181 und dazu J.B. Gould, Chrysippus, 158. 44 Vgl. dazu unten, 257. 45 Zum Wagenlenker vgl. Plat.Phaidr.246a3 – 247c2 und zum stoischen Einfluss. Morris, Philo, 887 – 888.
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18.10 Philos Lasterkataloge Wie oben bereits gezeigt46 und ein Blick auf seine weiteren Lasterkataloge unterstreichen könnte,47 war Philo ein scharfer Beobachter der Auswirkungen der Begierde oder des Verlangens (1pihul_a/epithyma) auf die von ihnen besessenen Menschen. Denn sie strebten unter ihrem Einfluss nach dem, was sie nicht besitzen, was ihnen aber gut schiene und sie daher derart quäle, dass sie auf schlechte Wege gerieten (Spec.IV.80 – 83).48 So würde die Begehrlichkeit zur Wurzel von Unterschlagungen, Räubereien, der Ableugnung von Schulden, von falschen Anklagen und Verfügungen, Ehebrüchen, Morden und schlechten Handlungen auf dem Gebiet des Profanen wie des Sakralen und im privaten wie im öffentlichen Leben (Spec.IV.84 – 85).49 Besonders drastisch hat Philo die Folgen der Begehrlichkeit in Spec.IV.86 – 91 gegeißelt: Ihre Auswüchse reichen von der Habsucht über die Ehr- und Ruhmsucht, das Streben nach einem öffentlichen Amt bis zur Befriedigung sexueller und kulinarischer Gelüste. Richte sich das Verlangen auf Geld, so mache es die von ihm Betroffenen zu Dieben, Beutelschneidern, Spitzbuben, Bettlern, Betrügern gegenüber ihren Gläubigern, Menschen, die ihnen anvertrautes Gut unterschlügen und Bestechungen annähmen und selbst vor Tempeldiebstählen nicht zurückschreckten (Spec.IV.86 – 87).50 Ginge es ihnen um Ruhm und Ehre, so würden sie zu angeberischen, hochmütigen und in ihrem Verhalten unzuverlässigen und unsteten Menschen, die durch das, was man zu ihrer Schande oder ihrem Lob rede, deprimiert oder übermütig würden und in ihren Freund- und Feindschaften sprunghaft seien. Strebten sie nach einem Amt, so seien sie parteiisch, unzuverlässig, hochfahrend, starrsinnig, Feinde ihrer Heimat, mitleidslos gegen Schwächere, unversöhnliche Feinde derer, die gleich stark wie sie selbst seien und Schmeichler gegenüber denen, die mächtiger als sie selbst seien, – eine Charakteristik, die dem heu46 Vgl. oben, 164 – 166. 47 Vgl. zu ihnen auch die Tabelle über die Laster in den neutestamentlichen und ausgewählten urchristlichen Katalogen und Schriften in A. Dietrich, Nekyia, 174 – 177. 48 Vgl. auch Q.Gen.I.47 – 49 und Q.Gen.IV.36 – 42. 49 Da Platos Phaidros Philos Denken offensichtlich beeinflusst hat, sei hier auf die Möglichkeit hingewiesen, dass er bei seiner Ableitung der Laster aus der 1pihul_a durch Phaidr.237d6 – 238b7 beeinflusst war. Hier lässt Plato Sokrates in seiner scherzhaften ersten Rede in einer volkstümlichen Anthropologie (Heitsch, Phaidros, 85) zwischen einer angeborenen Begierde nach Lust 1pihul_a Bdom_m und einer durch Erfahrung und Überlegungen erworbenen Meinung (dºna/dxa), die nach dem Besten strebt, unterscheiden. Behielte die dxa die Überhand, dann führte sie mittels des Denkens (kºcor/lgos) zur Besonnenheit (sy¦qos}mg/so¯phrosy´ne¯). Strebte die Begierde jedoch auf unvernünftige Weise nach der Macht, so sei die vbqir/hy´bris, die Maßlosigkeit, das Ergebnis, die je nach ihrem Ziel z. B. als Gefräßigkeit (castqilaqc_a /gastrimarga) Trunksucht (l]hg/mthe¯) oder Liebe (5qyr /ro¯s) bezeichnen lässt; vgl. das Schema bei Guthrie, History IV, 429. 50 Vgl. auch den Lasterkatalog Phil.Sacr.32, in dem 147 negative Eigenschaften des Liebhabers der Lust aufzählt.
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tigen Leser nicht fremd erscheinen dürfte (Spec.IV.89). Ginge es ihnen aber um schöne Leiber, so seien sie Verführer, Ehebrecher, Knabenschänder und auf Zuchtlosigkeit und Geilheit versessen. Aber man sollte sich auch daran erinnern, dass das Verlangen darüber hinaus zu einem zuchtlosen Umgang mit der Zunge führe und dadurch unendliche Schwierigkeiten bewirke, indem es darauf aus sei, was gesagt werden müsse, zu verschweigen, und was verschwiegen werden müsse, zu sagen, um jeweils das andere anzuklagen (Spec.IV.90). Richte sich das Verlangen aber auf den Bauch, so produziere es Völlerei, Unersättlichkeit, Schwelgerei und einen verzärtelten und üppigen Lebenswandel, der sich in Trunksucht, Leckerhaftigkeit, Unmäßigkeit und dergleichen äußere und die Betroffenen wie gierige kleine Hunde um die Speisesäle und Tische treibe und zu einem Leben führe, das elender als der Tod sei (Spec.IV.91).51 Auch in De opificio mundi bietet Philo einen vergleichbaren Lasterkatalog: Er setzt bei der Trunksucht (oQmo¦ik_a/oinophila), Verfressenheit (axo¦ac_a/ opsophagia) und Unersättlichkeit (kailaqc_ai/laimargai) ein, um dann zu betonen, dass sie Völlerei (castqilaqc_a/gastrimarga) und sexuelle Leidenschaft (oUstqoi/ostroi) im Gefolge habe, eine Verhaltensweise, die Philo mit lebhaften Farben nachzeichnet (Opif.158 – 160),52 um abschließend die Epikureer als ihre angeblichen Verteidiger und Vorkämpfer bloßzustellen (Opif.160).53 51 Vgl. Sir 37,27 – 31 und 40,28 – 30 und weiterhin Philo Ebr.214 – 219 und zu den nützlichen Eigenschaften, die der Weingenuss des nüchternen und beherrschten Menschen besitzen kann, Sobr.3, mit dem Lob des Nüchternen in Sobr.4 – 5. 52 „Diese (oben genannten Eigenschaften) entfesseln und erregen die Begierden des Bauches und verherrlichen die Völlerei, während sie gleichzeitig die sexuelle Leidenschaft erregen. Denn er leckt seine Lippen nach dem Ertrag der Mühen der Bäcker und Köche, während er den Kopf rundherum reckt, um den angenehmen Duft der Bratensoßen zu erhaschen. Und wenn immer er einen reich gedeckten Tisch erblickt, wirft er sich ganz auf ihn, um die bereiteten Speisen zu vertilgen und alles eifrig auf einmal zu verschlingen. Denn sein Ziel besteht nicht darin, sich zu sättigen, sondern nichts von dem Vorgesetzten übrig zu lassen. Daran erkennt man nicht weniger, als dass er sein Gift wie eine Schlange in seinen Zähnen trägt. Denn dies sind die Diener und Helfer der Völlerei, die alles Essbare zerschneiden und vertilgen, indem sie es zuerst der Zunge, der Richterin des Geschmacks zur Entscheidung übergeben, dann aber dem Schlund. Unmäßigkeit der Speisen ist von Natur tödlich und giftig, denn das Gegessene wird nicht verdaut, wegen der schnell aufeinander folgenden Nahrungsaufnahme, die geschieht, ehe das Frühere verdaut ist. Wenn gesagt wird, dass die Schlange menschliche Laute von sich gegeben hat, (so bedeutet das) dass die Lust zehntausend Verteidiger und Vorkämpfer benutzt, die für sie eintreten und sie verteidigen, um ihr zum Siege zu verhelfen, die es wagen, die Lehre zu verbreiten, dass sie die Macht über alle, die Kleinen und die Großen, befestigt hat und dass überhaupt niemand von ihr ausgenommen ist“ (Opif.158 – 160). Vgl. dazu den Kommentar von D.T. Runia, Creation, 377 – 379 und zur Sache auch G. Ranocchia, Moses, 92 – 93. 53 Die Verkennung Epikurs geht weit in das Altertum zurück, in dem man sich am Lustprinzip stieß, ohne anzuerkennen, dass ein sittliches Leben nach seiner Lehre die Hauptbedingung für ein lustvolles Leben war. Vgl. dazu grundsätzlich Michael M. Erler, Epikur, 153 – 159 und A. Kenny, History I, 220 – 222 und zur Illustration z. B. Epic.gnom.Vat.5: „Es gibt kein lustvolles Leben ohne ein verständiges, gutes und gerechtes. Wo dies nicht vorhanden ist, gibt es kein
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18.11 Philos Lehre der Empfänglichkeit des Menschen für das Böse Doch die Frage, wie aus der potentiellen eine aktuelle Bosheit werden konnte, beantwortete er als Ausleger der Thora natürlich von der Geschichte vom Sündenfall in Gen 3 her : Da hier die Verführung des Mannes von der Frau ausgeht, erkennt er als Wurzel aller Begierden nicht das Begehren an sich, sondern speziell das sexuelle in Gestalt der Lust (Bdom^/he¯done¯): Der aus Seele und Leib bestehende erste irdische Mensch, der nach seinem Urbild im vorausgegangenen j|slor mogt|r/ksmos noe¯ts, der intellegiblen Welt erschaffen war (vgl. auch Q.Gen.I.8),54 war nach seiner Überzeugung ursprünglich zugleich der vollkommenste Mensch aller Zeiten (Opif.139 – 140). Er war der einzige Bürger der Welt, die als ganze seine Polis und Heimat war,55 in der er ohne alle Feinde lebte (Opif.142). Wie oben bereits erwähnt wurde, hätte es schon damals eine wohlgeordnete pºkir/plis samt einer für die ganze Welt geltenden Verfassung, gegeben, die dem Wesen der Natur, dem aqh¹r kºcor t/r ¦¼seyr/orths lgos te¯s phy´seo¯s56 entsprochen und eine göttliche Ordnung (heslºr/thsmos) oder ein göttliches Gesetz (mºlor/nmos) gehabt hätte. Zu ihr hätten außer dem ersten Menschen auch unsichtbare und unkörperliche Geistwesen gehört, die ihn auf der Treppe der Tugenden dem Ziel der Ähnlichkeit mit Gott entgegen geführt hätten (Opif.143 – 144, vgl. Eudor.frg.25 Mazz). Dieser erste und vollkommenste Mensch sei nun nach Gen 2,8 von Gott in einen göttlichen Park (paq²deisom/pardeison) gesetzt worden, dessen sämtliche Pflanzen im Gegensatz zu den normalen mit einer beseelten und vernünftigen Seele versehen und deren Früchte Tugenden und unvergängliche Einsichten gewesen seien, die es ermöglicht hätten, zwischen dem Guten und dem Schändlichen zu unterscheiden.57 Dadurch hätten sie dem Menschen ein
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lustvolles Leben.“ Gnom.vat.77: „Die Frucht der Unabhängigkeit ist Freiheit.“ Epic.rat.sent.XVII: „Der Gerechte ist der unerschütterlichste, der Ungerechte voller Unruhe.“ Vgl. weiterhin die Vorstellung des epikureischen Weisen durch Lucius Manlius Torquatus in Cic.Fin.I.59 – 62. Vgl. dazu Runia, Philo and Timaeus, 336. Zum Vergleich der Welt mit einer Polis vgl. mit Termini, 107 Anm. 35 auch Ps.Arist.Mund.396b und weiterhin; Phil.Leg.III.99; Cher.120 – 121.127; Post.5.7; Som.II.248; Abr.71; Spec.I.13; II.45; Praem.41 und dazu ausführlich K.M. Vogt, Law, 65 – 110. Der aqh¹r kºcor ist die richtige Vernunft, die alles durchdringt und der gemäß der Mensch handeln soll; vgl. Diog.Laert.VII.67 (LS 63 C, vgl. auch SVF.III Nr. 4) und zur Geschichte des Begriffs M. Pohlenz, Stoa II, 35 – 36. Q.Gen.I.6 deutet Philo den Garten symbolisch als Weisheit und Verstand, die ein kontemplatives Leben ermöglichen und durch eine Schau der Ordnung der Welt und aller Dinge zum Lob des allmächtigen Vaters führen; zur Symbolik des Gartens als Ort der Schönheit und Erholung sowie als Insel der Seligen in der Antike vgl. P. Hass, locus, 68 – 126.
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von Krankheiten freies unvergängliches Leben verliehen (Opif.151; vgl. Q.Gen.I.8).58 Wer mit Philos allegorischen Künsten auch nur ein wenig vertraut ist, errät bereits, dass damit der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen und der Baum des Lebens aus Gen 2,9 gemeint sind. Philo begründet seine symbolische Auslegung damit, dass es derartige Bäume nie auf dieser Erde gegeben habe. Mit dem Paradies meine Moses daher den herrschenden Teil der Seele (t¹ t/r xuw/r Bcelomijºm/t te¯s psyche¯s he¯gemonikon) (Opif.154; vgl. auch Q.Gen.I.10).59 Entsprechend bedeute der Baum des Lebens die heos]beia/ theosbeia, die Gottesfurcht, als die größte Tugend, mittels derer der Mensch Unsterblichkeit (!hamas_a/athanasa) erlange,60 während unter dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen die ¦qºmgsir/phrne¯sis, die moralische Besonnenheit zu verstehen sei. Sie bestünde in dem Vermögen, zwischen den natürlichen Gegensätze zu unterscheiden:61 Denn diese Maßstäbe (eqoi/roi) hätte Gott der Seele des Menschen verliehen, um weiterhin wie ein Richter über ihr zu wachen und festzustellen, welchen Weg sie einschlagen würde.62
18.12 Philos Lehre vom Sündenfall63 Wenn in der biblischen Erzählung vom Sündenfall die Frau den Mann um seinen Verstand bringe, so repräsentiere der Mann den moOr/nu¯s, die Vernunft,64 und die Frau die aUshgsir/asthe¯sis, die sinnlichen Wahrnehmung. Die 58 Vgl. dazu auch D. Winston, Doctrine, 181. 59 Es bezeichnet nach der stoischen Lehre ihr Urteils- und Denkvermögen und ist gleichzeitig die Wurzel der Sinneswahrnehmungen. Vgl. SVF.III Nr. 29; Diog.Laert.VII.159/SVF.II Nr. 837 vgl. SVF. II Nr. 836/S/L 53 H und dazu z. B. Long, Hellenistic Philosophy, 171 – 172; J.M. Rist, Stoic Philosophy, 180; Forschner, Stoische Ethik, 59 – 60 bzw. kurz und präzise S. Bobzien, Determinism, 239: „According to the Stoics, the soul (psychÞ) is corporal, its substance pneuma. It consists of eight parts (five senses, procreative part, language part, and ruling part (hÞgemonikn). In the cae of human beings the ruling part is also called mind (dinoia). It is placed in the heart and encompasses four faculties or powers (dynmeis): impression (phanatasam visum), assent (sygkatthesis, adsensio), impulse (horme¯, adpetito, adpetitum) and intellect (lgos).” 60 Vgl. auch Q.Gen.I.10, ihr Lob in Sir 1,11 – 21 und zur Sache auch Sap.Sal.1,15 und 6,12 – 19. Ihr Verfasser vermeidet vermutlich aus apologetischen Gründen die Rede von der Gottesfurcht und erklärt daher die Weisheit, welche die Menschen den Weg zur Gerechtigkeit zeigt, als Vermittlerin der Unsterblichkeit. 61 In Q.Gen.I.6 bezieht Philo die Erkenntnis nicht nur auf irdische, sondern auch auf die „höchste und älteste Ursache aller Dinge“ und d. h.: auf die Gotteserkenntnis. 62 Vgl. dazu auch unten, 228. 63 Vgl. dazu Opif.151 – 169. 64 Der moOr/nou¯s verlieh dem Menschen Denken, das in der Seele durch Wahrnehmung, aUshgsir/ asthe¯sis, und Leidenschaften, p\hg/pthe¯ unterstützt, seine Urteilskraft begründet, Leg.II.5, bzw. nach Som.II.5 – 7, seine Erinnerung ermöglicht, Spec.III.37 – 38, und das Vermögen der Sprachbildung enthält, Leg.II.15.
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Lust aber wende sich zunächst an die verführerischen Eindrücke, welche die Sinne vermitteln und damit die Vernunft übertönen, so dass sie aus dem Herrn ihrer Sinne zu ihrem Sklaven würden (Opif.165). Entsprechend hätten die Ureltern für den Preis der Lust so teuer bezahlen müssen, wie es in Gen 3,10 – 19 berichtet wird (Opif.167 – 168). Damit sei es ein für alle mal deutlich, welchen Preis die Anhänger der Lust zu entrichten hätten: Erst meinten sie, sich einem harmlosen Vergnügen hinzugeben, dann aber zögen sie das Schlechte der Tugend vor (Opif.170).65 So stellt Philo seine Leser vor die Wahl, sich für die Tugend oder das Laster und d. h. zwischen der Liebe zu Gott oder der Selbstliebe zu entscheiden (Sacr.2 – 4).
18.13 Exkurs I: Die Rolle der Frau in Philos Denken Philos Beurteilung der Frauen ist im Wesentlichen konventionell, ohne frei von Zügen zu sein, die einem heutigen Leser misiogyn erscheinen können. So geht er davon aus, dass Frauen eine geringere Ehre als Männer besitzen und dazu bestimmt sind, ihrem Mann zu dienen (Q.Gen.I.27* zu Gen 2,21). Entsprechend hielt er die Frauen und das Weibliche als solches für den Männern und dem Männlichen unterlegen (Gig.4 – 5).66 Das bestätigte sich ihm darin, dass Frauen leichter verführbar als Männer seien (Q.Gen.I.33 zu Gen 3,1, und Q.Gen.I.43 zu Gen 3,8). Andererseits würden die Menschen aussterben, wenn die Frauen die ihnen von Gott zugewiesene Aufgabe, Kinder zu gebären (Sacr.103), nicht erfüllten, wobei die Frauen der unter der schnellen Abfolge der Geburten leidende Teil seien (Q.Gen.I.49 zu Gen 3,16). Von der sittlichen Reinheit einer jungen Frau war er grundsätzlich überzeugt (Spec.I.105). Die ideale Frau war für ihn – wie aus seiner Auslegung von Jer 3,4 und Gen 18,11 in Cher.50 hervorgeht – die Jungfrau, in die sich Frauen wieder verwandeln können, wenn Gott in ihrer Seele zu reden beginnt, indem er ihre „bartlosen und unmännlichen Begierden, die sie verweiblicht hatten, entfernt und beseitigt und die echten und lauteren Tugenden an ihrer Stelle einfügt“67. Die Seelen der Menschen selbst verfügen nach Philos Sicht über einen männlichen und einen weiblichen Teil, wobei aus dem weiblichen das Böse und die Leidenschaft und aus dem männlichen die Gesundheit der Seele und die Tugend kämen (Sacr. 103). Grundsätzlich sollten die Männer und die Frauen nicht danach streben, Aufgaben des jeweils anderen Geschlechts auszuüben. Wenn Frauen darnach streben sollten, Aufgaben von Männern und Männer darnach solche von Frauen zu übernehmen, betrögen sie ihr Geschlecht und gewönnen dadurch einen schlechten Ruf. Eine ganze Reihe von Tugenden sei ge65 Vgl. auch die allegorische Deutung von Gen 3,14 – 15 in Q.Gen.I.48. 66 Vgl. dazu auch J.M. Rist, Human Value, 27 – 29 und 138 – 139. 67 Vgl. dazu oben, 55.
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schlechtsgebundener Art, die selbst durch anhaltende Praxis nicht zum Gemeingut werden könnten. So sei es ausschließlich die Aufgabe der Männer, zu säen und zu zeugen, wie es umgekehrt eine gute Sache sei, dass die Frauen Kinder gebären und aufziehen (Sacr.100 – 101). Die Frauen aber gehörten nach Philos konservativer, mit den jüdischen Sitten seiner Zeit übereinstimmender Ansicht nicht in die Öffentlichkeit, sondern in die den Frauen vorbehaltenen Gemächer (Spec.III.171; Flacc.89). Der Schwäche der Frauen sollte die Pflicht der Männer entsprechen, ihren ganz auf sie angewiesenen Frauen achtungsvoll zu begegnen (Q.Gen. I.29* zu Gen 2.24). Dass ihre Männer sie nicht vergewaltigen sollten, merkt er Spec.III.9 ausdrücklich an. Den Ehebruch eines Mannes mit einer verheirateten Frau beurteilte er als ein Verbrechen gegen das ganze Menschengeschlecht, das mit dem Tod zu bestrafen sei (Spec.III.11).68
18.14 Philos Absage an der Begehrlichkeit dienende Lustbarkeiten69 Es versteht sich nach diesem Einblick in Philos Lehre von den Leidenschaften als dem Gegensatz zu den Tugenden von selbst, dass er sowohl in den religiösen Festen der heidnischen Menge (Cher.91 – 97) als auch in den Symposien der Gebildeten (Vit.Cont.48 – 63)70 nichts anderes als einen Dienst an der Nichtigkeit sah (Cher.91). Denn was seien die zu Ehren der Götter gehaltenen Feste anderes geworden als Anlässe zu Ausschweifungen aller Art? Denn während die Teilnehmer Freiheit von den Beschwerlichkeiten ihres Alltags suchten (vgl. ihre in einen Lasterkatalog mündende Aufzählung in Cher.92 – 93), würde selbst bei den religiösen Festgelagen die Tugend verlacht und das Verhältnis zwischen richtigem und falschem Handeln auf den Kopf gestellt: Harmonische Musik,71 Philosophie, zuchtvolles Leben (paide_a/paidea), kurz alle göttlichen Abbilder der göttlichen Seele würden zugunsten von solchen Künsten verdrängt, die den Freuden des Bauches und Unterleibes dienten (Cher.93).72 Andererseits solle man Einladungen zu uppigen Gastmählern auch nicht von vornherein ausschlagen, weil der Beherrschte auf diese Weise die Unersättlichen beschämen könne (Fug.28.32).
68 Vgl. dazu M. R. Niehoff, Philo, 102 – 105 und J.E. Taylor, Women, 229 – 236 und 266 – 274. 69 Vgl. dazu auch oben, 59. 70 Als besonders bekannte Beispiele werden die Symposia Xenophons und Platos herangezogen, die ihm beide im Vergleich zu den Festmählern der Therapeuten als lächerlich erscheinen: In beiden gehe es um die Bdoma_, die Lüste bzw. Vergnügen, wobei es bei Xenophon um volkstümliche (Cont.58), bei Plato aber um den homoerotischen Eros und mithin um ein p\mdglom jajºm, ein nationales Unglück ginge (Cont.62). 71 Vgl. dazu Jambl.V.P.64 – 67. 72 Vgl. dazu auch oben, 59 u. 151.
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18.15 Vom Ziel des tugendhaften Lebens Die Tugend aber führe über die Selbstbeherrschung hinaus, indem sie die Menschen lehre, die sinnlichen und unvernünftigen Teile der Seele und d. h. die ihnen entsprechenden Regungen zu verachten.73 Sie übe sie darin ein, alles das für gering zu schätzen, was dessen wert ist, wie Ansehen, Reichtum und Lust und was die den Sinnen verfallene Masse sonst noch für bewunderungswürdig und begehrenswert hielte (Congr.27).74 Im Hintergrund der Tugendlehre steht Philos Überzeugung, dass die Seele im Tode aus dem Leib wie einem Gefängnis zum eigentlichen Leben befreit wird (Leg.I.108).75 Während die ganze Welt das Eigentum Gottes sei, weile der Mensch nur als ein Fremdling in ihr (Lev 25,23), denn er stamme aus einer anderen Welt und sei in die irdische wie in eine fremde Stadt gekommen, die er nach der ihm zugemessenen Zeitspanne wieder verlassen müsse (Cher 119 – 120).76
18.16 Die stoische Lehre von Tugend und Laster und Philos Bewertung der Umkehr als Tugend Abgesehen von dieser nicht unwesentlichen Einschränkung ist es offensichtlich, dass Philo seine Lehre von dem durch die Unersättlichkeit des Strebens nach Lust bewirkten Verlust der Leitung des Handelns durch die Vernunft der stoischen Psychologie und Tugendlehre verdankt. Nach Zenos Definiton ist das pthos, der Affekt oder die perturbatio, die Verwirrung oder Leidenschaft, eine unvernünftige und der Natur widersprechende Regung der Seele oder ein unersättlicher Trieb (Diog.Laert.VII.110/Cic.Tusc.IV.47; vgl. auch Off.I.136/ SVF.I.205). Dabei gibt es zwischen Tugend und Laster kein Drittes (Diog.Laert.VII.227/SVF.III.536): Wer die Tugend verloren hat, muss lasterhaft handeln (Cic.Tusc.IV.29/LS 61 O). Aber diese Unterscheidung unterliegt bei dem schriftgelehrten Juden einer Einschränkung. Denn den biblischen Aufforderungen zur Umkehr gemäß77
73 Zur der Rolle, die Philo den äußeren Gütern als Stufe der Erkenntnis zugesteht, vgl.Q.Gen.III.16, und dazu oben, 59. 74 Vgl. das Platonische Erziehungsprogramm Plat.Symp.209e5 – 211c8, dazu F.CC. Sheffield, Symposium, 113 – 133, vgl. auch Rep.VII.518c4 – 10; 521c5 – 8, und zu seinen Adaptionen durch Plot.Enn.I.6 (Harder 1).1,1 – 6 und Jambl.V.P.XV.64 – 67, dazu Michael Lurje, Vita, 227 – 233. 75 Vgl. dazu unten, 262 sowie Fug.36 – 38, dazu Winston, Ethical Theory, 407 und weiterhin Sap.Sal 9,15 und vor allem Plat.Gorg.493a 1 – 3; Phaidr.81c4 – 11, Krat.400b1 – 9. 76 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo I, 398 – 410. 77 Vgl. z. B. Dtn 4,30; 30,2; 1Sam 7,3; 1Kön 8,33; Hi 22,23; Ps 22,28; Jes 10,21; 51,15; Jer 26,3; 31,18; Klgl. 3.40; Ez 18,21 – 23; Hos 12,7; 14,2; Am 4,4 – 7; Jon 3,10 und Mal 3,7; 4,23 – 24; Sir 5,7; vgl.
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Die stoische Lehre von Tugend und Laster 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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musste es auch für den Lasterhaften eine entsprechende Möglichkeit geben. Daher sollten die Weisen danach streben, die dem Bösen verfallenen Toren zu retten und sich darüber zu freuen, wenn sie erkennen, dass in jenen ein Same keimt, der sie zu einem besseren und festeren Leben führt (Sacr.123). Die Möglichkeit zur Umkehr zu einem tugendhaften Leben liege wie ein Same in der Seele, aus dem sich die kostbarsten und besten Dinge im Leben der Menschen entwickelten, durch den Staaten begründet und die Zahl der Menschen der Völker vermehrt würde (Praem.172).78 So nimmt es nicht wunder, dass Philo der let\moia/metnoia, der Umkehr, in seiner Abhandlung über die Tugenden einen eigenen Abschnitt gewidmet hat (Virt.175 – 186).79 Dass jeder Mensch der Umkehr bedarf, begründet er damit, dass allein Gott völlig ohne Sünde sei und allenfalls noch ein „Gottesmann“, ein he_or !m¶q/theos ane¯r. Daher sei die Umkehr von der Sünde zu einem untadligen Leben grundsätzlich jedem Menschen möglich, der nicht völlig unwissend über das ihm Zuträgliche (t¹ s¼lveqom/t sy´ mpheron) sei (Virt.177). Vor allem aber gewähre Gott dem, der umkehre und sein törichtes Verhalten vor ihm bekenne (Leg.III.211), volle Vergebung (Somn.II.292; vgl. auch Leg.II.60). Allerdings könne Gott auch beschließen, einem Sünder nicht zu vergeben (Leg.III.213). Denn Gott erhöre nur die Gebete derer, die sich ihm mit reinem Gewissen nahen (Praem.84). Als der Archetyp für die Umkehr galt ihm in einer eigenwilligen Auslegung von Gen 5,22 – 24 der Urvater Henoch. Vermutlich deutete Philo die dort zwischen den 65 Jahren bis zur Zeugung seines Sohnes Metuschelach und den folgenden 300 Jahren bis zu seinem Tode liegende Zäsur als einen Hinweis darauf, dass er damals eine so vollkommene Umkehr vollzogen hätte, dass ihn Gott vor sein Antlitz entrückte (Q.Gen.I.83 – 85). Als eindrucksvolle Beispiele seiner eigenen Zeit aber berief er sich auf die Proselyten: Wenn sie sich auf der Suche nach dem Guten von den Irrtümern der Göttermythen abgewendet und sich entschlossen hätten, dem wahren Gott zu dienen, so könne man beobachten, dass bei ihnen an die Stelle von Unverstand Einsicht, von Torheit Weisheit, von Maßlosigkeit Selbstbeherrschung, von Ungerechtigkeit Gerechtigkeit und von Feigheit Kühnheit getreten sei (Virt.180 – 181), so dass sie zugleich besonnen (s¾vqym/so¯phro¯n), enthaltsam (1cq²tgr/engkrte¯s)), bescheiden (aQd¶lym/aide¯mo¯n), milde (Eleqor/he¯meros), rechtschaffen (wqgstºr/chre¯sts), human (vik²mhqypor/philnthro¯pos), ehrbar (selmºr/semns), gerecht (d_jaior/dkaios), hoch gesinnt (lecakºvqym/megalphro¯n) und wahrheitsliebend (!kghe_ar 1qast¶r/ale¯theas eraste¯s) geworden seien. Sie
auch Test.Asser.6; CD XX,23; 4,2; 1 QS V.22 und dazu A. Graupner und J. Fabry, ThWAT VII (1993),1118 – 1176, bes. 1153 – 1176 bzw. Kaiser, Gott des AT II, 49 – 65 und III, 61 – 80. 78 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 252 – 259. 79 Vgl. dazu Wilson, On Virtuese, 359 – 364 und zu Abraham und Thamar als Urbildern der Umkehr vgl. Abr.68 – 88, bes. 84 – 88 und Virt.220 – 222 und dazu Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 52 – 55.
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hätten ihre Begierden und Lüsten besiegt und also auch den Gefallen an den Freuden des Magens und des Unterleibes verloren (Virt.182). Die Bekehrung besteht in Philos Sicht in erster Linie in der Umkehr zu dem einzigen und wahren Gott, aber sie hat ein tugendhaftes Leben in ihrem Gefolge.80 Da Gott allein ohne Sünde ist, muss jedermann angesichts seiner Sünde zu einem sündenfreien Leben umkehren und seinen Unverstand durch Einsicht, seine Zügellosigkeit durch Enthaltsamkeit, seine Ungerechtigkeit durch Gerechtigkeit und seine Feigheit durch Tapferkeit ersetzen (Virt.177 und 180). Dieser Bewertung der Umkehr zu Gott als der Bedingung für ein tugendhaftes Leben und der sich daraus ergebenden brüderlichen Gesinnung gegen die Proselyten (Opif.179)81 entspricht das, was Philo (seine Schrift über die Tugend beschließend) zur Frage der guten Herkunft (eqc´meia/eugneia) zu sagen weiß: Edel ist nicht, wer eine lange Ahnenreihe aufzuweisen hat, sondern eine Gesinnung (di²moia/dinoia) besitzt, die ihn als selbst beherrscht (s¾vqym/so¯phro¯n) und gerecht (d_jaior/dkaios) ausweist.82 In diesem Sinne könne ein im Hause geborener oder im Handel erworbener Sklave edel sein, während den schlechten Kindern guter Eltern der Bereich des Adels verschlossen sei (Virt.189 – 190),83 – es sei denn (so können wir nach dem über die Umkehr Gesagten hinzufügen), sie bekehrten sich von ihrem sündhaften Denken und Handeln zu Gott und ließen ihn den Herrn ihres Lebens sein. Den Ausschlag für den Adel eines Menschen gibt nach Philos Überzeugung mithin nicht seine Abstammung, sondern der Besitz oder das Fehlen der Tugenden (Virt.226 – 227).84 Gewiss gehörte ein asketisches Leben zu den Idealen der Stoiker und Epikureer,85 es war aber auch für Philo Ausdruck eines tugendhaften Lebens. Das belegt seine Hochschätzung des kontemplativen Lebens, der Jungfräulichkeit und der Keuschheit.86 Aber sie hinderte ihn nicht daran, spektakuläre Akte der Selbstkasteiung als Zeichen der Verwahrlosung abzulehnen, weil sie 80 Vgl. auch Borgen, Philo, 212 – 213. 81 Zur feindlichen Reaktion ihrer Verwandten auf den Übertritt zum Judentum vgl. Spec.Leg.IV.178. 82 Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund in Gestalt sozialer Spannungen vgl. Borgen, Philo, 173. 83 Vgl. auch Prob.16 – 17: „Das Wort Sklaverei wird einerseits im Blick auf den Leib und andererseits die Seele gebraucht; Leiber haben Menschen zu ihren Herren, Seelen ihre Tugenden oder Leidenschaften. Dasselbe gilt hinsichtlich der Freiheit: die eine Freiheit gewährt Sicherheit gegenüber den Leibern vor Menschen mit überlegener Stärke, die andere bewirkt die des Denkens (dinoia) von der Beherrschung durch die Leidenschaften.“ Diese wahre Freiheit aber gewinne nach Prob.20 nur, wer Gott allein zu seinem Führer hätte. Er würde dadurch in die Lage versetzt, auch zum Führer anderer Menschen zu werden. 84 Vgl. dazu auch Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 40 – 42. 85 Vgl. zum Beispiel die entsprechenden Nachrichten über die Lebensmaximen und Lebensweisen von Epikur (Diog.Laert.X.117 – 121 nebst 15 – 16), Zenon (Diog.Laert.VII.13 – 19 nebst 28 – 29), Kleanthes (Diog.Laert.VII.168 – 176) und Chrysipp (Diog.Laert.VII.179 – 185). 86 Vgl. Post.135; Fug.50 und im Blick auf männliche Enthaltsamkeit Mos.II.68.
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Die Selbstbeherrschung des Weisen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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nichts mit echter Selbstbeherrschung und wahrer Heiligung zu tun hätten (Det.19 – 21).
18.17 Die Selbstbeherrschung des Weisen als Ausdruck seiner Freiheit Sucht man bei Philo nach einem Beispiel des selbstbeherrschten Menschen, so braucht man sich nur an seine Vorstellung des zum Jüngling herangewachsenen Moses in Mos.I.25 – 26 zu halten: Moses habe sich, anders als üblicher Weise seine Altersgenossen, schon als Heranwachsender nicht den diesem Lebensabschnitt entsprechenden Lüsten hingegeben, sondern ein Leben in maßvoller Besonnenheit (syvqos¼mg/so¯phrosyne¯) und Selbstbeherrschung (jaqteq_a/kartera) geführt und auf diese Weise seine Leidenschaften (p\hai/ pthai) gezügelt und beruhigt. Wenn sie ihn aber trotzdem in abgemilderter Weise gestört hätten, so hätte er sich schwererer Züchtigungen als solcher durch Worte unterzogen: Er hätte nämlich schon die ersten einschlägigen Anzeichen und Antriebe (fqlai/hrmai) der Seele wie ein widerspenstiges Pferd beobachtet, damit sie nicht mit der Vernunft durchgingen und in einem allgemeinen Chaos (sumw´ysir/syncho¯sis, wörtlich: Mischmasch) endeten. Denn die Antriebe wären ebenso die Ursachen des Guten wie des Bösen, des Guten, wenn sie der Leitung der Vernunft gehorchten, und des Bösen, wenn sie sich der Zügellosigkeit (!maqw_a/anarcha) ergäben.87 Fragt man, wer der wahre Freie und wer der Sklave ist, so verweist schon der Titel seiner einschlägigen Schrift „Ut omnis probus liber sit“ (Dass jeder Wackere frei sei) auf die Antwort. Sowohl das Problem wie auch die Lösung werden dort im Ganzen auf den von den Stoikern gewiesenen Bahnen behandelt. Dabei stellt Philo die These an den Anfang, dass jeder schlechte Mensch ein Sklave sei (Prob.1), um dann am Gegensatz zwischen dem leiblichen und dem seelischen Sklaven den entscheidenden Unterschied herauszuarbeiten: Denn der zuerst genannte befindet sich im Besitz eines Herren, der zweite in dem seiner Schlechtigkeiten und Leidenschaft (jaj_ai ja· p\hg/ kakai kai pthe¯).88 In vergleichbarer Weise gebe es eine Freiheit als Sicherheit vor fremder Gewalt und eine solche des Denkens von der Beherrschung durch Leidenschaften (Prob.17 – 18). Aber in Wahrheit sei allein der frei, der Gott zu seinem Führer habe (Prob.20). Wer sich an die Tatsachen hielte, würde erkennen, dass Unabhängigkeit des Handelns und Freiheit zusammengehören. Beide aber kann nur der für sich in Anspruch nehmen, der von den Fesseln der Habsucht, Ruhmsucht und dem Verlangen nach Lust unabhängig ist (Prob.21) und sich weder vor seinem Tod noch vor Armut fürchtet (Prob.23). Ein so 87 Vgl. Plat.Phaidr.253c7 – 254e. 88 Vgl. dazu auch Kaiser, Glück, 218 – 228.
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gesinnter Mensch sei in der Lage, die Schläge des Schicksals (t¼wg/tfflche¯) zu ertragen, weil er wisse, dass es im Leben der Menschen nichts Neues gebe (vgl. Koh 1,9). Während die göttlichen Dinge durch ewige Ordnung und Glückseligkeit ausgezeichnet seien, würden alle menschlichen durch das Schwanken und Wogen der Umstände hin und her geworfen. Aber wer die Zufälle (t± sulp_ptomta/sympptonta) vornehm (cemma_yr/gennao¯s) erdulde, sei wahrhaft ein Philosoph und ein Freier, der sich selbst dem nicht unterwirft, der androht, ihn zu martern und gar zu rösten (Prob.24 – 25).89 Damit bezieht Philo hier die extremste stoische Position,90 und so nimmt es nicht wunder, dass er dem stoischen Grundsatz, dass nur der Weise frei sei, unter ausdrücklicher Berufung auf Zenon (Prob.97/SVF.I.218) zugestimmt hat. Zu diesem Ziel müsse eine ungeübte und gleichsam junge Seele geführt werden, so dass sie durch Zenon oder „eher ein höheres Orakel“91 das Ziel eines mit der Natur übereinstimmenden Lebens erreiche (Prob.160). Kein Zweifel: In dieser Zuordnung wird Moses über Zenon, den Begründer der Stoischen Schule, gestellt, aber Zenon eben doch als ein Seelenführer anerkannt. Mithin scheint das Urteil berechtigt, dass Philo im Blick auf die Freiheit des Weisen ein Vertreter der strengen stoischen Lehre gewesen ist. Es entspricht dem, dass Johannes von Arnim seinen Werken über 120 Zitate für die SVF entnommen hat, davon elf der Freiheitsschrift. Man sollte sich aber daran erinnern, dass es sich vermutlich bei ihr um eine Arbeit des jungen Philo handelt, als er seine philosophischen Studien noch frisch im Kopf hatte (Colson, LCL 363,3)92 und also abwarten, ob das in ihr Gesagte Philos letztes Wort zur Sache ist.
89 Hier und Prob.99 belegt durch Eurip.Syleus (frg.687 N.); vgl. Cic.Tusc.V.73 mit II.17, wo die Meinung auf den Epikureer Metrodoros zurückgeführt wird und II.29, wonach die Stoiker zwar forderten, dass man den Schmerz verachte, ihn aber als ein „zurückzustellendes Gut“ beurteilten. Vgl. SVF.III.574 – 578. 90 Vgl.Cic.Tusc.V.12 – 13 und dazu Kaiser, Ciceros Tusculanae Disputationes V, 376 – 381. 91 D.h. ein Wort der Thora. 92 Vgl. dazu auch oben, 38.
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19. Philos Ethik II: Die Lehre von den Gütern und der Wahlfreiheit
19.1 Die Begründung der Ethik bei Philo, Platon und in der Stoa Fragt man nach der Gewichtigkeit der Beziehungen Philos bei der Begründung seiner Ethik zu anderen philosophischen Lehren, so dürfte sich im Blick auf die Güterlehre die Nähe zu Platon enger als die zur Stoa erweisen. Für Platon war die Welt ein Kosmos, der Sterbliche und Unsterbliche umfasst (Plat.Tim.92b4 – 5), wobei der Mensch bei seinem Handeln Gott als dem Maß aller Dinge zu folgen hat (Plat.Leg.IV.716c4). Dem entspricht die Forderung Plat.Tht.176b1 – 3, ihm soweit es möglich ist, ähnlich zu werden.1 Bedenkt man aber, dass er nach stoischer Lehre als vernünftiges Wesen am göttlichen Logos teilhat, dem er bei seinem Handeln folgen soll,2 so wiederholt sich in ihr die gleiche Wechselbeziehung zwischen Gott und Mensch wie in der Kosmologie. Für den Juden und Schriftgelehrten Philo kam eine andere Begründung als durch Gott bzw. durch den in der Thora vorliegenden offenbarten Willen Gottes und damit dem Weltgesetz3 nicht in Frage. Das konnte er mit dem platonischen Lebensziel der Annäherung an die Gottähnlichkeit verbinden, zu dem schon der erste Mensch vor dem Sündenfall geführt worden sei. Denn damals hätte es eine für die ganze Welt geltende Verfassung (pokite_a/politea) gegeben, welche die „vernünftigen und göttlichen Naturen, einige körperlos und nur mit der Vernunft wahrnehmbar, andere nicht ohne Leiber wie die Sterne“ einschloss.4 Damals hätte der Mensch mit ihnen verkehrt und ihn der Geist Gottes Schritt um Schritt auf den Stufen der Tugenden zur Ähnlichkeit mit Gott geführt (Phil.Opif.144).5 Hinsichtlich der geschichtlichen Menschheit aber gelte, dass der Moses durch Gott unmittelbar offenbarte Dekalog 1 Vgl. zu ihr umfassend R. Bees, Oikeiosislehre, bes. die prägnante Explikation 338, bzw. Forschner, Stoische Ethik, 150 – 165, bes. 159 und 164 – 165 und Kaiser, Oikeiosis-Lehre, 63 – 68; zu der in ihr erfolgten Aufnahme einer Lehre Theophrasts vgl. F. Wehrli, Peripatos, 516. 2 Vgl. den Zeushymnus des Kleanthes Z.11 – 13, SVF.I.537/LS 54 I; J.C. Thorn, Hymn, 35 mit dem Kommentar 85 – 90. 3 Vgl. auch H.A. Wolfson, Philo II, 189. 4 Bei den körperlosen Seelen handelt es sich bei den sichtbaren um die Sterne; vgl. dazu gegen Wolfson, Philo I, 364 – 365 Dillon, Doctrine, 201 – 203. 5 Vgl. auch Fug.63 mit dem Zitat aus Plat.Tht.176b1 – 2 und Eudoros frg.25 Mazz. und dazu Runia, Creation, 343 – 344, der auch auf Plat.Rep.500c5; 613b1; Tim. 90c8 und den Nachklang bei den Mittelplatonikern Alkinous, Did.II.28; Plut.Mor.550d; Anon.Theat.Comm.VII.19 u. a. verweist. Zum Unterschied der Begründung der Tugendlehre Philos zur stoischen vgl. R. Radice, Philo and Stoic Ethics, 150 – 152.
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Philos Ethik II
(Mos.II.213) dem Menschen seine Pflichten zuweise: Er sei der Inbegriff der Thora (Decal.18 – 19), die ihrerseits der seit der Weltschöpfung geltenden kosmischen Ordnung entspreche (Opif.143). Daher sei die Thora nicht allein das Gesetz für Israel, sondern auch für die ganze Welt (Q.Ex.II.42).6 Trotzdem ist der stoische Einfluss in Philos Konzept des Weisen und in seiner Lehre von den Tugenden und Lastern und den unterschiedlichen Pflichten nicht zu übersehen, die in der stoischen Oikeiosisislehre, d. h. der Lehre von dem Pflanzen, Tieren und Menschen Gemeinsamen und Eigenem ihren Audruck gefunden hatte.7 Dieser Einfluss wurde aber durch platonisches Gedankengut begrenzt, das es ihm erlaubt, auch die positive Bedeutung der Affekte anzuerkennen, solange sie von der Vernunft geleitet werden.8 Am Ende aber steht der Leser von Philos Schriften vor der Grundfrage, ob seine in ihnen vorliegenden Konzepte von Gottes Allmacht und Allwirksamkeit das bei ihm reichlich bemühte biblische Konzept der Entscheidungsethik umschließt und ihn dadurch als Stoiker abstempelt, oder man diese Spannung unaufgelöst stehen lassen muss, weil sie andernfalls die Welt zu einem vorausberechneten Schauspiel Gottes macht. Um diese Frage zu beantworten, wird erneut die Einbeziehung von Philos Lehre von der göttlichen pqºmoia/prnoia erforderlich sein.9
19.2 Philos Lehre von den Gütern Wenden wir uns der Güterlehre Philos zu, so gewinnen wir gleichzeitig einen Vorblick auf seine Lehre von den spezifischen Aufgaben der Lebensalter. Denn nur unter diesem Vorzeichen lassen sich die auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen über das Glück in seinen Schriften Quod Deterius Potiori insidari solet und De Sobrietate Noae miteinander vereinbaren. In Det.7 – 9 deutet Philo den bunten Rock Josephs (vgl. Gen 37,3) als einen ethischen Flickenteppich, weil Joseph sich in seiner Güterlehre eher als ein geschickter Politiker denn als ein der Wahrheit verpflichteter Philosoph erweise. Denn er schließe die ihrer Natur nach streng voneinander getrennten seelischen, leiblichen (wie z. B. Gesundheit, Schönheit und Kraft) und äußeren Güter (wie z. B. Freunde, Besitz und Ruhm) zu einem einzigen vollkommenen und vollständigen Guten zusammen. Mithin betrachte er die einzelnen Güter den kosmischen Elementen vergleichbar als Teile, die erst durch ihre Vereinigung zu einem vollkommenen Ganzen würden.10 Er hätte aber, um zu einer 6 Vgl. dazu Runia, Creation, 340 – 341; R. Barraclough, Politics, 541 sowie Weber, Gesetz II, 68 – 69, 77 und 84 – 87 und weiterhin Sir 1,1 – 10, 17,1 – 11, bes. V.11 und dazu M. Witte, Gesetz, 77 – 81. 7 Vgl. zu ihr knapp M. Forschner, Stoische Ethik,150 – 159 und umfassend R. Bees, Oikeiosislehre, bes. 200 – 338. 8 Vgl. dazu unten, 263 – 264. 9 Vgl. dazu oben, 190 – 191. 10 Mit diesem kritischen Referat weist Philo auf die von ihm abgelehnte peripatetische, durch
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Philos Lehre von den Gütern 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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richtigen Einsicht zu kommen, zu Männern senden sollen, welche die Ansicht vertraten, dass allein das, was der Seele eigentümlich ist, für das wahre Gute (t¹ jak¹m !cahºm/t kaln agathn) zu halten sei, während die leiblichen und die äußeren Güter nur indirekt als solche bezeichnet werden könnten.11 Das eigentümlich Gute der Seele aber, so können wir ergänzen, ist ihre Tugend. Damit setzte sich Philo zugleich unausgesprochen von der Güterlehre des Begründers der sog. Alten Akademie Antiochos von Askalon (geb. ca 120 v. Chr.) ab, der zwischen dem seelischen Guten und dem vollendeten Guten, zu dem auch die leiblichen und äußeren Güter gehören (Cic.Fin.IV.81; Tusc.V.22; vgl. Aristot.Eth.Nic.1178b33 – 1179a10) unterschieden hatte.12 Wir halten fest: Das wahre Gute besteht nach Philos Überzeugung im Besitz der Tugend. Sie ist zugleich die Bedingung der eqdailom¸a/eudaimona, des Glücks oder Wohlseins.13 Um Philos Bestimmung des Verhältnisses zwischen den drei Arten der Güter genauer zu bestimmen, wenden wir uns nun dem Büchlein De sobrietate Noae 59 – 68 zu. In einer allegorischen Auslegung der Fürbitte Noahs für Japhet, Gott möge sein Zelt weit machen und ihn in den Häusern Sems und Kanaans wohnen lassen (Gen 9,27), erwägt Philo zunächst, dass man das Ziel des Strebens verenge, wenn man das sittlich Gute als einziges erstrebe. Denn es sei dann statt mit seinen tausendfachen Beziehungen zu seiner Umwelt auf das beherrschende Prinzip der Vernunft begrenzt. Verbände man es dagegen mit seinen drei verschiedenen Aspekten, nämlich dem der Seele, des Leibes und der äußeren Welt, so zerlege man das Gute in viele ungleiche Teile und erweiterte dadurch die Ziele des Handelns. So erbitte Noah für Japhet, dass er nicht nur von der Tugend der Seele wie z. B. Einsicht und Selbstbeherrschung Gebrauch mache, sondern sich daneben auch der Güter des Leibes z. B. wie Gesundheit, Sinnesschärfe, Stärke und Kraft sowie der äußeren Vorzüge wie Reichtum, Ehre samt den für die Vergnügungen unentbehrlichen Mitteln erfreue (Sobr.59 – 61). Aber Noahs weitere Bitte, Japhet in den Häusern Sems wohnen zu lassen, beziehe sich darauf, dass Japhet als einer, der allein die Theophrast geprägte Güterlehre hin (vgl. zu ihr Wehrli, Peripatos, 510). Ihm warfen seine stoischen Gegner aufgrund seiner Schrift De divina beatitudine (vgl. zu ihr Wehrli, 493 – 494) vor, dass er dem Zufall einen zu großen Einfluss eingeräumt habe, so dass der Weise nicht in der Lage sei, ein glückliche Leben zu gewinnen (Cic.Fin.V.12.85 – 86; Tusc.V.34 – 25)). Denn als um ihrer selbst willen erstrebenswerte Güter galten ihm die der Seele und des Leibes (Fin.37), dagegen bildeten Freundschaft, Verwandtschaft und Vaterland eine andere Kategorie. Diese seien zwar erstrebenswert, könnten aber den Gütern des Leibes und der Seele nicht gleichgesetzt werden, weil sie nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen stünden, so dass es unter Umständen für einen Menschen überhaupt keine Möglichkeit gäbe, glücklich zu sein. 11 Vgl. Post.133, wo er die Lehre, dass allein das sittlich Gute eine Tugend sei, ausdrücklich als stoisch bezeichnet. 12 Vgl. dazu W. Görler, Antiochos, 961 – 965 und zum Problem der Bekanntschaft Philos mit Antiochos von Askalon Dillon, Philo, 223 – 224. 13 Vgl. auch den von Cicero zitierten stoischen Grundsatz Cic.Paradoxa II: „in quo virtus sit, ei nihil deest ad beate vivendum (Wer Tugend besitzt, dem fehlt nichts um glücklich zu leben).“
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Philos Ethik II
leiblichen und äußeren Vorzüge für Güter hielte, zu dem einen Gut der Seele zurückkehren müsse und nicht der trügerischen Annahme verfallen dürfe, dass Güter, deren Wertschätzung er mit der Masse der schlechtesten Menschen teile, wahre Güter seien. Denn zwischen dem wahren Guten und dem von Natur Schlechten könne es keine Gemeinschaft geben. So solle Japhet für immer im Hause der Seele in Gestalt des wahren Guten (t¹ jak¹m !cahºm/t kaln agathn) wohnen. Daher dürfe er sich nur als Gast in den Häusern derer aufhalten, die auch die leiblichen und äußeren Dinge für wertvoll hielten (Sobr.67 – 69). Das klingt wie ein Kompromiss, wird sich aber alsbald im Zusammenhang der Erörterung der unterschiedlichen Aufgaben des Menschen in Jugend, Reife und Alter als eine sehr realistische Lebenssicht erweisen.14 Vorerst halten wir fest: Das wahre Gute besteht allein in einem tugendhaften Leben. Die leiblichen und äußeren Güter dürfen nur vorübergehend das Streben der Menschen bestimmen.15 Radikaler hatte sich Philo in Det.122 zu ihnen geäußert, indem er alles, was zwischen Laster und Tugend liegt, im Anklang an die stoische Lehre als 1nadiavoqoOsa/exadiaphorofflsa, als vollkommen gleichgültig erklärte.16 Nach Philo sollen selbstverständlich die guten Antriebe oder die Tugenden die Anführer sein, um die schlechten, lasterhaften zurückzudrängen (Q.Gen.II.79). Aber in Q.Gen.III.16, wo er sich ausdrücklich auf die Dreiteilung der Güter in geistige, leibliche und äußere als zum Glück nötige Mittel bei Aristoteles, den Peripatetikern und Pythagoras beruft, erklärt er, dass die Seele in der Jugend auf dem Wege zur Weisheit und Tugend eine Zeit durchlaufe, in der die leiblichen Güter der Gesundheit und Schärfe der Sinne, der Schönheit und Kraft wichtig seien. Erst danach könne sich die Seele der Kontemplation widmen. Diese Ansicht liegt gleichsam auf der Mitte zwischen der Lehre der Notwendigkeit der leiblichen und äußeren Güter für das vollkommene Glück und der stoischen, nach der allein die Tugend glücklich macht. Aber darüber hinaus erwartete Philo, dass der Tugendhafte im Alter auf ein glückliches Leben zurückblicken könne (Her.285 – 286).
19.3 Die Tugend und die Lebensalter oder Philos erste platonische Korrektur der stoischen Ethik Was sich auf den ersten Blick wie eine Inkonsequenz ausnimmt, lässt sich jedoch nicht einfach als ein Sieg des biblischen Realismus bezeichnen, weil es sich zeigt, dass Philo sich dabei an Platons Auskunft in Pol.VI.498b3–c4 anschließt. Dort lässt er Sokrates erklären, dass die heranwachsenden Knaben 14 Vgl. dazu unten, 239. 15 Vgl .auch Plat.Rep. 591c 5 – 592a4. 16 Vgl. dazu oben, 217 – 218.
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Philos erste platonische Korrektur der stoischen Ethik 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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(leiq²jia/meirkia) ihrem Alter gemäß unterwiesen werden müssten. Sie sollten sich nämlich während ihres Wachstums vor allem um ihren Leib kümmern, denn das käme ihrer weiteren Beschäftigung mit der Philosophie als dem Trainingsfeld der Seele zugute. Wenn sie jedoch die Zeit des Staatsund Kriegsdienstes hinter sich hätten, müssten sie ungebunden auf deren Feld weiden, um dann nach einem glücklich verbrachten Leben nach ihrem Tod „dort“ mit einem entsprechenden Los gekrönt zu werden. Hier werden also die drei Stadien der Jugend, des vollen Lebens und des auf den Tod zulaufenden Alters voneinander unterschieden und der körperlichen Erziehung in der Jugend der Vorzug eingeräumt (QGen IV.152). Um Philos Lehre von Tugend und Laster sowie von der Angleichung an Gott als dem eigentlichen Lebensziel (Fug.63) angemessen zu verstehen, muss man sie im Horizont seiner Güterlehre und der Beurteilung der bereits knapp erwähnten besonderen Pflichten der drei Lebensalter bedenken:17 Auch wenn die jungen Männer die Beherrschung ihrer Triebe gelernt hätten, gehöre es zu ihrem Alter dank ihrer 1pihul_a/epityma, ihrer Begierde, für die Erhaltung des menschlichen Geschlechts zu sorgen. Die Männer aber sollten sich ebenfalls nicht sogleich dem meditativen Leben hingeben, sondern zunächst ihren Aufgaben als Hausverwalter und Bürger gerecht werden (Fug.38). Dabei dürfen und müssen körperliche Güter (wie Gesundheit, Schönheit und Kraft) und äußere Güter (wie Besitz, Ruhm und Ehre) eine Rolle spielen (Sobr.59 – 61). Schließlich wäre es eine gekünstelte Einengung der Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt, wenn sie sich nur mit den seelischen Gütern begnügten. Entscheidend sei jedoch, dass man sich Zeit seines Lebens nicht an diese Güter verliere und sich ihres relativen Charakters bewusst bleibe (Sobr.67 – 69). Es kommt also ganz darauf an, wie man die Güter gebraucht: So könne ein Reicher durch die Art seines Umgangs mit seinem Besitz als Gegenbild zu einem sklavischen Geizhals bzw. einem Prasser und Verschwender wirken, indem er freigebig Freunde unterstützte, dem Vaterland Schenkungen gewährte und den Töchtern mittelloser Eltern durch eine Mitgift die Heirat ermöglichte, kurz indem er sein Eigentum fast als ein Gemeingut behandelte. Ebenso wenig solle sich jemand, der eine angesehene öffentliche Stellung einnehmen und dadurch den Guten Sicherheit verschaffen könne, vom Beifall der Menge abwenden, denn dann könnte er dem Ehr- und Prahlsüchtigen ein Bein stellen, der sein Ansehen lediglich missbrauchen und den Schlechten den Aufstieg ermöglichen würde. Und ebenso wenig brauche, wer sich zu beherrschen verstehe, Einladungen zu üppigen Gastmählern auszuschlagen, weil er auf diese Weise den Unersättlichen beschämen könne (Fug.28 – 32): So gelte 17 Vgl. auch Opif.104 – 106, wo er Solons Lehre von den nach Jahrsiebten geordneten Lebensaltern (Eleg.fr.19,1 – 21 Diehl), und weiterhin das in Q.Gen.IV.27 über die Lebensalter Gesagte. Nach Pap. Insinger 17.23 – 18.3, Übers. Heinz J. Thisssen (TUAT III/2), 300 verbringt der Mensch von seinen ihm von Thot gegebenen 60 Jahren 10 Jahre als Kind, 10 weitere in der Ausbildung, 10 weitere, um sich den nötigen Besitz zu verschaffen, 10 weitere, in denen er noch keinen Rat erteilt.
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es die, die sich über die bürgerlichen Beschäftigungen und Erwerbstätigkeiten ebenso wie über Ruhm und Lust erhaben dünken und ein Eremitendasein erstreben, zu fragen, bei welchen Erwerbstätigkeiten sie sich um ein gerechtes Verhalten bemüht, bei welchem Besitz sie sich als mäßig und bei welchem ehrenvollen Amt sie sich als bescheiden erwiesen und ob sie nicht erkannt hätten, wie nützlich die Tätigkeit im öffentlichen Leben, in der pokite¸a/politea ist (Fug.35). Die vita contemplativa (zu deren Lob Philo soviel zu sagen wusste und als deren Ideal ihm die sich aus Männern und Frauen zusammensetzenden Therapeuten dienten, die im Südwesten des Meroitischen Sees ihr Einsiedlerleben führten)18 sollte um der Erhaltung der Menschheit und des Wohlstands und der Ordnung in den Gemeinden willen erst auf die vita activa folgen. Daher lautet sein grundsätzlicher Rat: „Macht euch erst mit der Tugend gegen die Menschen vertraut, damit ihr auch die gegen Gott erreicht“ (Fug.38).
19.4 Die positive Bedeutung der Affekte oder Philos zweite platonische Korrektur der stoischen Ethik Philo bewies ein gesundes Urteilsvermögen, indem er Anregungen aus Platons Timaios aufnehmend das generell negative Urteil der Stoiker über die Affekte abwandelte und sie generell oder unter bestimmten Umständen als berechtigte und notwendige Seelenregungen beurteilte. So erweisen sich die sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeiten (aUsheseir/aistheseis) für die Erkenntnisfähigkeit des Menschen grundsätzlich als unentbehrlich; denn ohne das Sehvermögen würde er keine Dinge und ihre Farben, ohne Gehör keine Töne, ohne Geruchssinn keine Düfte und ohne den Tastsinn den Unterschied zwischen Glattem und Rauem nicht wahrnehmen (vgl. Leg.II.8 mit Plat.Tim.47b4–e4). Weiterhin sorgten die Lust (Bdom^/he¯done¯) und die Begierde (1pihul_a/ epithyma) dafür, dass die Menschheit nicht ausstürbe (vgl. Tim.42a6 – 7 mit Leg.II.8). Darüber hinaus können seelischer Schmerz (k}pg/ ly´pe) und Furcht (v|bor/phbos) die Seele vor unangebrachter Sorglosigkeit warnen (vgl. Tim.69d2 – 6 und 69c5–d6 mit Leg.II.8 und Mos.II.172), während sich der Zorn (aqc^/orge¯)19 als eine notwendige Waffe der Selbstverteidigung erweist (vgl. Tim.69d2 – 6 mit Leg.II.8, vgl. auch Aristot.Eth.Nic. 1149a24 und Poseid.frg.155 Kidd.). Der Unterschied zwischen erlaubter und unerlaubter Hingabe an die 18 Zur Siedlung und Zusammensetzung der Gruppe Therapeuten vgl. J.E. Taylor, Women, 74 – 104 und knapp P. Brown, Body, 38 – 39. Zu den heidnischen und zumal neuplatoischen Lebensgemenschaften vg. O. Seeck, Untergang III, 139 – 174; P. Brown, Antiquity, 54 – 80: zur christlichen Askese und dem altchristlichen Mönchtum K. Müller/H. von Campenhausen, Kirchengeschichte I, 498 – 523 und Brown, Body, passim und zur philosophischen Lebensgemeinschaft Augustins in Cassiacum und Hippo Regius Brown, Augustine, 108 – 120 bzw.123 – 138. 19 Zum Blick des Zornigen vgl. Abr.152,
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Affekte liegt offensichtlich in der Art ihres Gebrauchs und letztlich mit Platon darin, ob sie der Anweisung der Vernunft, des k|cor/lgos gehorchen oder nicht (Tim.70a2 – 7).
19.5 Exkurs I: Die Bedeutung der Erziehung für die Einsicht in Tugend und Laster bei Philo Um den Heranwachsenden für solche Einsichten reif zu machen, bedarf es nach Philos Überzeugung in der Regel ebenso eines natürlichen wie eines pädagogisch geleiteten Reifeprozesses.20 Denn die Kindheit sei die Zeit der Leidenschaft, des p\hor, das Jünglingsalter die Zeit der Torheit bzw. des Schlechten. Das wahre Leben aber (B pq¹r !k¶heiam fy¶/he¯ prs ale¯theian zo¯e¯) sei das Leben dessen, der den Urteilen und Anordnungen Gottes folge (Lev 18,1 – 5). Damit unterscheide er sich von der zum Tode führenden Lebensweise derer, die sich durch die Leidenschaften leiten und zu Lastern verführen ließen, denen die Menge der Frevler und Sünder huldige (Congr.86 – 87). Allerdings gebe es auch Menschen, denen Gott als besonderes Zeichen seiner Gnade eine gleichsam natürliche Standhaftigkeit (rpolom¶/hypomone¯ bzw. 1pilom¶/epimone¯) verliehen habe, die ihn aller Mühen und Anstrengen auf dem Weg zur Tugend bewahre, eine Gabe, um deren Erhaltung der Betroffene nur beten könne (Congr.37 – 38). Würde eine Seele von Gott verworfen, so verfalle sie der vernunftlosen Leidenschaft (%kocom p\hor/logon pthos) (Congr.56). Wessen Gesinnung jedoch mit der Liebe zu Gott erfüllt sei, dessen Wurzeln lasse Gott sich nach der Ewigkeit ausstrecken (vgl. Ps 1,3) und gebe ihm als reichliche Früchte den Erwerb und Genuss der der Tugenden 20 Nach Philos Überzeugung bedarf es zur Entwicklung der Fähigkeiten, zwischen den sich im Leben anbietenden Möglichkeiten richtig zu wählen, in der Regel einer Erziehung, wie sie die vier niederen Wissenschaften der “Encyclica“, des klassischen griechisch-hellenistischen Bildungsprogramms (Phil.Congr.79) in Gestalt der Grammatik, Musik, Geometrie, Rhetorik und Dialektik darstellen; vgl. auch Spec.Leg.II.230 und zur Sache K. Siegfried, Philo, 260 – 261 und M. Niehoff, Philo, 181 – 183. Er hat es in einer allegorischen Auslegung von Gen 16,1 – 6 entwickelt (Congr.15 – 18. 64 – 66; vgl. auch 142 – 144 und Cher.104 – 105 sowie zur hellenistischen Erziehung, ihrem Schulbetrieb und Lehrprogramm W. Tarn/G.T. Griffith, Kultur, 110 – 116; C. Schneider, Welt, 94 – 108 und bes. H. Koller, Enkyklios Paideia, 3 – 24). Auf diese Weise sollen die sinnlichen und geistigen Fähigkeiten der Schüler so entwickelt werden, dass sie am Ende ein klares Urteilsvermögen in der Welt der Erscheinungen, im aQshgt¹r jºslor, in der sichtbaren Welt besitzen (Congr.20 – 21; zum Verhältnis zischen Theorie und Praxis vgl. Congr.46). Diese Schulung bilde die Voraussetzung für den Weg zum Studium der Philosophie, die ihrerseits zur Weisheit führe und ihrem Wesen nach in der Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge und ihrer Gründe bestehe (Congr.79; vgl. dazu auch Siegfried, Philo, 262 – 265). So bereite die Erziehung den Schüler auf diese Praxis vor, indem sie ihn lehre, den Leib samt seiner sexuellen Triebe („die unterhalb des Magens“) und die Zunge zu beherrschen (80, zum Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler vgl. quaest.Gen.IV.104 – 106. Zur griechischen Erziehung und Bildung im palästinischen Judentum vgl. M. Hengel. Judentum, 130 – 143).
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(Congr.57). Entsprechend werde, wer (wie Henoch und Elia) ein vollkommenes und Gott wohlgefälliges Leben geführt habe, im Tode „vor die Erscheinung des göttlichen Angesichts“ entrückt (Q.Gen.I.86).21
19.6 Exkurs II: Das Ideal des Vita contemplativa In seiner Schrift De vita contemplativaa aber geht er in seiner von offensichtlicher Sympathie getragenen Beschreibung des Lebens der klösterlichen Gemeinschaft der Therapeuten am Meroitischen See (südwestlich von Alexandria), die sich aus Männern, Jungfrauen und Witwen zusammensetzte, einen Schritt weiter (Vit.Cont.21 – 23).22 Denn sie verkörperte in seinen Augen in vorbildlicher Weise das damals in Ägypten verbreitete jüdische Einsiedlertum (21), das mit seiner Enthaltsamkeit und praktischen Weisheit ein Gegenbild zu dem auf sinnliche Genüsse ausgerichteten Leben der hellenistischen Umwelt darstellte:23 Ihre männlichen und weiblichen Glieder hätten ihren Familien ihren Besitz überlassen (Vit.Cont.18)24 und lebten nun jeder für sich allein in einer Klause (24). Sie ernährten sich vorzüglich mit Brot und Wasser (37) und kleideten sich ebenso bescheiden in einen Wollmantel (38). Ihr Tag würde von Gebeten gerahmt (27) und wäre dem Studium der Heiligen Schriften und dem Dichten von Psalmen gewidmet (28 – 29). Am Sabbat aber versammelten sie sich in einem Sanktuarium, das in der Mitte abgeteilt war und auf diese Weise Männer und Frauen trennte (Vit.Cont.32; vgl. auch 69)25 zu einer Vollversammlung zum Zweck des gemeinsamen Gottesdienstes (30 – 31) und eines bescheidenen Mahles (37). Am Ende von sieben mal sieben Wochen feierten sie in weiße Gewänder gekleidet Gott anbetend in würdiger Ordnung ein Hochfest, dessen Verlauf Philo ausführlich schildert (65 – 89).26 Die Bescheidenheit der Therapeuten stand in Philos Augen in bewusstem Gegensatz zur Nichtigkeit der nach Lüsten Strebenden die doch nichts anderes als die Ursache aller Übel sind (Vit.Cont.39). Besonders hob er hervor, dass sie, weil jeder Mensch von Natur aus frei ist, keine Sklaven besaßen (70): Damit übertrafen sie die Stoiker, die wohl anerkannten, dass alle Menschen von 21 Vgl. Her.69 – 70 und dazu C. Noack, Gottesbewusstsein, 176 – 181 22 Zur Diskussion über ihre Echtheit vgl. das Referat von F.H. Colson (LCL 363), 106 – 108 und zur Sache O. Betz (TRE 10/1982), 390 und zu der Siedlung, Zusammensetzung der Gruppe J.E. Taylor, Women, 74 – 104. vgl. auch knapp P. Brown, Body, 38 – 39. 23 Vgl. dazu M. Niehoff, Philo, 145. 24 Man darf aber nicht übersehen, dass Philo die Reichen zu keinem grundsätzlichen Verzicht auf ihren Besitz aufgefordert hat, sondern nur wünschte, dass sie ihn zur Wohltätigkeit verwendeten. 25 Vgl. dazu J.E. Taylor, Women, 274 – 282. 26 Vgl. dazu J.E. Taylor, Women, 282 – 287.
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Natur gleich sind,27 sich aber damit zufrieden gaben, dass auch der stoische Sklave selbst in Fesseln innerlich ein freier Mann ist (Sen.Ben.III.20.2).28 Denn sie hielten bekanntlich die innere und nicht die äußere Freiheit für entscheidend. So befanden sich die Therapeuten nach Philos Urteil auf dem Weg zu einem wahrhaft glückseligen und unsterblichen Leben (Vit.Cont.13), das sie zu Freunden Gottes machte (90).29
19.7 Die Urteilsfreiheit und Wahlfreiheit des Menschen als selbstverständliche Denkvoraussetzung Philos Blicken wir zurück, so erweist es sich, dass Philo die Menschen, aber nicht Gott für ihr Tun und Treiben verantwortlich macht, eine Annahme, die auf den ersten und vielleicht auch letzten Blick durch Imm.47 – 48 bestätigt wird: Der Mensch besitzt Urteilfähigkeit und vollführt den größten Teil seiner Unternehmungen aufgrund seines willentlichen und selbst bestimmten Entschlusses (1hekouqc¹r ja· aqtoj´keustor cm¾lg/ethelourgs ka autokleustos) vorsätzlich (pqoaiqetijºr/proairetiks).30 Die Frage ist jedoch, ob es sich um eine begrenzte oder unbegrenzte Freiheit handelt.31
27 Vgl. Cic.Leg.I.29 – 32; Diog.Laert.VII.121 – 122/LS 67 M vgl. SVF.III.355 und dazu M. Pohlenz, Stoa I, 135 – 137. 28 Übersetzung M. Rosenbach (Seneca V, 251): „Der Körper ist daher, was dem Herrn das Schicksal gegeben hat; ihn kauft er, ihn verkauft er; jener innere Wesenskern kann nicht der Eigentumsübertragung ausgeliefert werden. Was immer aus diesem Kern kommt, ist frei; nicht nämlich können wir alles befehlen oder werden Sklaven in allen Punkten zu gehorchen gezwungen: gegen den Staat erteilte Befehle werden sie nicht ausführen, für ein Verbrechen werden sie die Hand nicht hergeben.“ Vgl. dazu Pohlenz, Stoa I,136, B. Inwood, Reading, 257. 29 Zu den Gründen, warum im rabbinischen Judentum für mönchische Ideale kein Platz blieb, vgl. Peter Brown, Body, 62 – 64. 30 Vgl. Winston, Doctrine, 182. 31 Vgl. dazu bejahend, Wolfson, Philo I, 436: “[…] when Philo says that God gave to the human mind a portion ‘of that free will which is His most peculiar possession and most worthy of His majesty’, and that by this gift of free will the human mind ‘in this respect has been made to resemble Him’ (Imm.48), it is quite evident that by man’s free will Philo means an absolutely undeterminded freedom like that enjoyed by God.” Und verneinend Winston, Doctrine, der 184 auf den Zusatz in Imm.48 verweist, nach dem Gott dem Menschen die Gabe einer seiner eigenen entsprechenden freien Wahl gegeben und ihn damit vom Zwang der Herrin Notwendigkeit befreit habe, „nach dieser ihm am meisten entsprechenden Ähnlichkeit“, was Winston mit Colson/Whitacker angemessen mit „soweit es möglich ist“ übersetzt und darin eine notwendige Begrenzung der dem Menschen verliehenen Fähigkeit erkennt, weil Gott sonst einen zweiten Gott geschaffen hätte.
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19.8 Die stoische Lehre von der Freiheit, dem Schicksal, der Notwendigkeit und der göttlichen Vorsehung Zieht man die stoische Lehre zum Vergleich heran, so kann man aus der Erklärung, dass die Affekte den einen Menschen nicht beeindrucken und den anderen in Besitz nehmen, nur den Schluss ziehen, dass das Schicksal bzw. Zeus das erste und das letzte Wort über den Charakter und das Schicksal des Menschen spricht. Idealiter besitzt jeder Mensch als vernünftiges Wesen die Freiheit, den Impulsen der Affekte seine Zustimmung zu geben (Chrysipp nach Cic.Fat.41 – 43).32 Wer die rechte menschliche Vernunft besitzt, ist damit zugleich in der Lage, abzuwägen und sich so oder anders zu entscheiden: Die in der Vernunft liegende Möglichkeit der Zustimmung oder Ablehnung zur jeweiligen Situation ist der Spielraum der Freiheit.33 Wenn aber einem Menschen die rechte Einsicht in das wahrhaft Gute fehlt, dass es außer in der Seele kein Gut oder Übel gibt, kann man ihn dafür letztlich nicht verantwortlich machen. Denn soweit die Quellen darüber Auskunft geben, machten die Stoiker für das menschliche Versagen Umwelteinflüsse in Gestalt von Vererbung (Kleanthes; vgl. SVF.I.518) oder schlechten Umgang zumal mit Verwandten (Plut.Mor.1041c/SVF. III.288) geltend. In solchen Fällen hätten die Menschen also in der Bestimmung des für sie Guten geirrt und ein Fehlurteil begangen. Darf man sie für die falsche Wahl verantwortlich machen, dass ihnen die rechte Vernunft fehlte?34 Oder sind am Ende nicht die Guten wie die Schlechten in der Hand des Schicksals? Die Stoiker haben dieses Problem nicht zu ende gedacht, sondern auf der Wahlfreiheit des Menschen und der mit ihr gegebenen Verantwortlichkeit beharrt. Aber vielleicht zeigt es sich, dass sie letztlich um die Begrenztheit der menschlichen Freiheit wussten, sofern sie von der der Allwirksamkeit Gottes (Diog.Laert.VII.147/SVF.II. 1021/LS 54 A) und von der alles durchdringenden und alles lenkenden Macht des Schicksals, der eRlaql´mg/heimarmne¯, dem Verhängnis, überzeugt waren. Sie bewirkte die Verkettung aller Ursachen des Seienden und lenkte damit als Logos die Welt und war demgemäß mit der Vorsehung identisch (Diog.Laert.VII.149/SVF.I.175 u. 174). Auf diesem Hintergrund kommt der stoischen Betonung der Wahlfreiheit nur ein pädagogischer Wert zu: Denn wenn der eine von Natur aus mit der richtigen Vernunft, dem aqh¹r kºcor/orths lgos, ausgestattet ist, der andere aber nur mit einer beschädigten, so rückt das Problem in den Horizont der göttlichen Vorsehung und des Schicksals.
32 Vgl. dazu die gründliche Analyse von S. Bobzin, Determinism, 234 – 313. 33 Vgl. dazu Bobzin, Determinism, 255 – 274 und U. Wicke-Reuter, Providenz, 44 – 47. 34 Vgl. dazu A. Graeser, Zenon, 125 – 135.
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19.9 Das Problem der Vereinbarkeit der Allmacht Gottes und der Verantwortlichkeit des Menschen Mithin stellt sich die Frage, wie sich der Glaube an die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun mit der göttliche Allmacht und Vorsehung, der pqºmoia/prnoia vereinbaren lässt. Im Blick auf den Umgang der Stoiker und Philos mit dieser Frage erhebt sich erneut die Frage, ob seine Ethik trotz ihrer platonischen und peripatetischen Einschläge nicht doch wesentlicher als nur in der Gegenüberstellung der Tugenden und der Affekte stoisch beeinflusst war. Nach stoischer Lehre ist die Vorsehung mit dem Schicksal, der gemeinsamen Natur, der Vernunft und der Entscheidungsgewalt (bo¼kgsir/bofflle¯sis) des Zeus identisch (Plut.Mor.1076 f/SVF.II.937/LS 54T). Sie äußert sich in der Fürsorge Gottes für die Welt (Diog.Laert.VII.147/SVF.II.1021/LS 54 A). Daher lag ihre zentrale Bedeutung für die Stoiker darin, dass Gott die ganze Welt auf den Menschen und seine Bedürfnisse hin geschaffen hat (Cic.nat.deo.II.64/ SVF.II.1153).35 Daraus ergab sich die Forderung, dass der Mensch das göttliche Gesetz, das die Welt lenkt, zu dem seinen macht (vgl. das Zeusgebet des Kleanthes SVF.I.537).36 So ist alles Geschehen einschließlich des Lebens der Menschen durch die pqºmoia, die göttliche Voraussicht oder Vorsehung, bzw. die eRlaql]mg/heimarmne¯, das Schicksal oder Fatum bestimmt (vgl. SVF.II.975/LS 62 A).37 Dabei bezeichnet die pqºmoia, die Voraussicht, die Vernünftigkeit des Weltplans (Prov.II.48/SVF.I.509) und die eRlaql]mg die Gesetzmäßigkeit des Geschehens (vgl.Diog.Laert.VII.149/SVF.II.915), so dass beide sich nur unter dem Blickwinkel unterscheiden.38 Der Mensch aber ist insofern frei, als er vor der Wahl steht, der ihn treffenden schicksalhaften Fügung seine Zustimmung zu erteilen vermag oder nicht.39 Das macht das auf 35 Vgl. dazu M. Pohlenz, Stoa I, 98 – 99; Wicke-Reuter, Providenz, 50 – 52. 36 Vgl. die Übersetzungen von Steinmetz, Stoa, 576 – 578 und die auf einer neuen Textherstellung beruhende von J.C. Thom, Cleanthes, 40 – 41. 37 Zu der stoischen Lehre von der den Kosmos durchwaltenden göttlichen pqºmoia, der das Schicksal bestimmenden eRlaql´mg und der relativen Freiheit des Menschen im Rahmen seiner schicksalhaften Bestimmung vgl. U. Wicke-Reuter, Providenz, 30 – 36 sowie zu der das Schicksal vollziehenden Kette der Ereignisse, in der ein aktiver Körper auf einen passiven wirkt, Susan Sauv Meyer, Fate, 71 – 90, bes. 73 – 78. Für Philo handelte es sich bei dem Glauben an die Macht des Schicksals um einen mit der Astrologie verbundenen Aberglaube, welcher der Grund für den Auszug Abrahams aus Mesopotamien war, dessen Wanderung allegorisch als der von der Astrologie zur Selbst- und Gotteserkenntnis zu verstehen sei, vgl. Phil.Abr.68 – 88 und Virt.213 – 214 dazu Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 46 – 51. Andererseits waren die Gestirne für ihn sichtbare Götter. 38 Vgl. dazu Pohlenz, Stoa I, 98 – 106; A. A. Long, Philosophy, 163 – 170; Wicke-Reuter, Providenz, 42 – 50 und den Zeushymnos des Kleanthes SVF.I.537 bzw. Text und Übersetzung bei J.C.Thom, Cleanthes Hymn,34 – 41 und den Kommentar 69 – 142 zu den Z. 7 – 31. 39 Zum Problem bei Zenon vgl. Peter Steinmetz, Stoa, 537 – 549, bes. 548 – 549 und dazu Andreas Graeser, Zenon, 135, bei Chrysipp das Walzenbeispiel (Cic.fat.43/SVF.II.974/LS 62 C/Gell.VII.2/
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Zenon und Chrysipp zurückgeführte Beispiel des an einen Karren gebundenen Hundes deutlich: Ob der Hund will oder nicht, mitlaufen muss er auf alle Fälle (SVF.II.975/LS 62 A). Denn dass die Vorsehung nach der Ansicht der Stoiker nicht nur für die Ausgestaltung des Kosmos verantwortlich war, sondern als Schicksal auch alle menschlichen Dinge bestimmte, geht daraus hervor, dass sie mit der göttlichen Providenz die Mantik rechtfertigten (Diog.Laert.VII.149/SVF.I.174; vgl. Cic.div.I.6).40 Wenn denn alles unter der Macht des Schicksals und der Vorherbestimmung steht, lautet die Lehre Übertragung Senecas des Kleanthes (Epict.Ench.53) in der (Sen.epist.XVII – XVIII.107.11/SVT I.527/LS 62 B) bündig: „ducunt volentem fata, nolentem trahunt (Den Willigen führt das Schicksal, den Unwilligen schleppt es davon).“ Wer sie beherzigt, beschwert sich nicht, sondern nimmt sein eigenstes Schicksal klaglos an.
19.10 Noch einmal: Die Rolle der Vorsehung bei Philo Auch bei Philo besitzt die göttliche Vorsehung einen doppelten Aspekt:41 Denn einerseits hat Gott durch sie die kosmischen Vorgänge unerschütterlichen Satzungen (h]sloi/thsmoi) unterworfen und sie gleichzeitig in den Dienst seiner Herrschaft und Fürsorge gestellt hat (Prov.II.15). Dem ersten entsprechen seine Aussagen in Deo.12 und 5: In Deo.12 erklärt er, dass der Schöpfer Erde, Wasser, Luft und Himmel ausgebreitet und (die beiden letzten) durch seine Vorsehung in die Höhe gehoben und zu Wächtern über den Kosmos erhöht hat.42 In Deo.5 hatte er die These vertreten, dass Gott das All durch seinen Logos gestaltet und es durch seine Vorsehung sprechend und vernünftig geworden und d. h. durch vernünftige Wesen belebt worden ist:43 Dem zweiten Aspekt entsprechen Aussagen wie die, dass er die menschlichen Sinnesorgane (Spec.I.28) und Verdauungsorgane des Menschen (Q.Gen.II.7)44 zweckmäßig eingerichtet habe. Auch Wunder wie die Geburt eines Sohnes durch eine sterile Frau konnte Philo als Werk der Vorsehung rühmen
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SVF.I.1000/LS 62 D) dazu Steinmetz, 610 – 612 und ausführlich J. B. Gould, Chrysippus, 137 – 152, bes. 148 – 152. Vgl. dazu Pohlenz, Stoa I, 106 – 108. Anders Winston, Ethical Theory, 377 – 381, der den Unterschied zur stoischen Lehre bestreitet, weil Philo die Freiheit des Menschen in den Schatten der Allwirksamkeit Gottes rücke, der auch das Handeln des Menschen bestimme, so dass er nur sekundär der Herr seiner Taten sei; vgl. Leg.I.82; Cher.128; Ebr.107. Offensichtlich hat Philo selbst den Widerspruch zwischen Gottes Allwirksamkeit und des Menschen Verantwortung nicht thematisiert, sondern ihn bestehen lassen. Vg. dazu F. Siegert, Philo, 134 – 135 und P. Frick, Providence, 114.l. Vgl. dazu Siegert, 82 – 85 und Frick, 113 – 114. Vgl. mit Frick, 110, Plat.Tim.73a.
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Noch einmal: Die Rolle der Vorsehung bei Philo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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(Q.Gen.III.18).45 All das lässt sich unschwer mit der die Welt gestaltenden Funktion der Vorsehung bei den Stoikern in Beziehung setzen. Der Gegensatz wird offenbar, wenn es um die Bedeutung der Astronomie geht: Philo grenzte sie auf die Beobachtung der Umläufe der Gestirne ein, bestritt aber, dass sie „erste Ursachen“ für die Geschicke der Menschen seien (Migr.179 – 181; vgl.194 und Prov.I.83).46 Die Gestirne waren für ihn sämtlich Geschöpfe der göttlichen Vorsehung (Prov.II.72 – 74). Das schloss nicht aus, dass er sie als lebende, gänzlich aus Vernunft bestehende Wesen betrachtete (Plant.12; vgl. Gig.7 – 8). Sie sind sichtbare Götter (Opif.27; vgl.55; Gig.7 – 8),47 besitzen aber keine selbständige Macht, sondern sind Unterbefehlshaber, die eine begrenzte und geordnete Verfügungsgewalt besitzen. Daher gebühre ihrem Herrn allein die Ehre (Spec.I.17 – 20). Entsprechend bestand Philo auf der Freiheit der Wahl als der Fähigkeit, zu tun, was einem beliebt (Prov.I.83). Dass auch sie ihren Ursprung in Gottes Vorsehung besitzt, merkt er in Prov.I.77 eher beiläufig an. Grundsätzlich besitzen nach Philos Überzeugung auch die irrenden Menschen den Spielraum der Wahl, den sie aber nur nutzen können, wenn Gott in seiner Barmherzigkeit ihnen die Zeit zur Besserung einräumt (Prov.II.15). Nutzen sie ihn nicht, so werden sie (mögen sie auch noch so reich und mächtig sein) entweder dauernden Ängsten ausgesetzt (Prov.II.25) oder von den verdienten Strafen ereilt (Prov.II.28). Im Übrigen aber seien die Urteile der Menschen und Gottes über Glück und Unglück nicht gleich (Prov.II.29), wobei manches augenblickliche Übel den Menschen zum Nutzen diene oder sie zu einem tugendhaften Leben ermuntere (Prov.II.31 – 33).48 So lässt Philo die Wahlfreiheit des Menschen und damit auch seine Verantwortlichkeit unangetastet.49 Gott hat dem Menschen, wie oben bereits besprochen, in seiner Vorsehung nach dem Verhältnis der Ähnlichkeit einen Abdruck von seinem Logos gegeben (Det.82 – 83; Opif.146). Damit besitzt der Mensch eine ausreichende Möglichkeit, die richtigen Entscheidungen zu fällen, sofern er nicht den Leidenschaften verfällt und auf diese Weise seinen Lenker, seine Vernunft (moOr/nou¯s) versklavt (vgl. Imm.47 – 48 mit Prov.II.15).
45 Vgl. dazu Wolfson, Philo I, 347 – 356. 46 Vgl. dazu oben, 79 – 80 und P. Frick, 121 – 133. Der Stoiker Diogenes Babylonius hat sie nach Cic.div.II.90 (SFV.III.Diog.36) nur insoweit anerkannt, als die Sterne den Charakter des Menschen bestimmen, während die Astrologie von Panaitios und Poseidonios schlechthin abgelehnt worden ist, vgl. Steinmetz, Stoa, 652 – 653. 47 Vgl. Plat.Tim.40d 4 und 41a 3 – 5. 48 Zur Rolle der göttlichen Providenz in Phil.Leg. und Flacc. vgl. M. R: Niehoff, Philo, 135 – 136. 49 Vgl. dazu Frick, Providence, 134 – 138.
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Philos Ethik II
19.11 Das Problem des Bösen Im Blick auf das Böse belässt es Philo bei der Feststellung, dass die göttliche Vorsehung zwar das All beherrsche, aber trotzdem nicht der Urheber des Bösen sei (Conf. 180; Prob.84; Prov.II.82).50 Der Satz, dass Gottes Vorsehung die Welt regiert, schließe nicht den anderen ein, dass er für alles verantwortlich ist, was in ihr geschieht; denn er sei gut und wohlwollend (Prov.II.81). Erdbeben und dergleichen seien in der Regel keine Mittel seiner Heimsuchung, sondern Folgeerscheinungen, die durch den Wechsel der Elemente bedingt seien (Prov.II.102, vgl. Lucr.VI.534a – 607;51 Ps.Aristot.Mund.395b18 – 396a16;52 Sen.Nat.quaest.VI.1 – 4.3).53 Gottes Vorsehung ist nach Philos Ansicht auf das generelle Geschehen in der Welt begrenzt. Alles, was seiner Güte widerspreche, gehe entweder auf eine Unruhe der Materie oder auf Bosheit zurück, aber nicht auf Gott. Wenn manchmal scheinbar Gute bei solchen Ereignissen umkämen, so könnte es sein, dass Gottes Vergeltung sie zu Recht treffe (Prov.II.102, vgl. Prov.II.82). Die Urteile Gottes und der Menschen über die religiös-sittliche Qualität eines Anderen stimmen nicht immer überein (Prov.II.102). Die Anfälligkeit des Menschen für das Böse aber führte Philo in seiner Auslegung von Gen 1,26 darauf zurück, dass sich Gott dabei untergeordneter Mächte bediente, ohne dass er ihren Anteil an der Konstitution des Menschen genauer bestimmte (Opif.75).54 Um einen sachlichen Ausgleich zwischen den Gütern und den Übeln angesichts der Allmacht Gottes mittels des stoischen Gedankens, dass beide zur Harmonie des Ganzen gehören, hat sich Philo anders als z. B. Chrysipp nicht bemüht.55 Blickt man zurück, so scheint der wesentliche Unterschied zwischen dem stoischen Konzept der Vorsehung als Auswirkung der allgemeinen Gesetzlichkeit des Weltgeschehens und dem Philos darin zu liegen, dass er sie als gütige Vorsorge Gottes für die Menschen beurteilt hat (vgl. Prov.II.82).56
50 Frick, 140 – 141; D.T. Runia, Theodicy, 585 – 587. 51 Zu dem epikureischen Dichter und seinem Werk vgl. E.G. Schmidt, in: Lukrez (STusc), 633 – 670 bzw. knapp. K. Sallmann, Lucretius III.L. Carus, T, der römische Dichter Lukrez (DNP VII), 472 – 476, bes. 473 – 474. 52 Zum Alter des Peudoaristotelischen Briefes vgl. D.J. Furley (LCL 400), 337 – 341, der als terminus post quem das Jahr 50 v. Chr. und als terminus ante quem das Jahr 140 n. Chr. angibt. 53 ’Vgl. dazu G. Maurach, Seneca, 145 – 157, bes. 151 – 152 – Arist.Meteor.VII- 365a 14– VIII.369a9 führt die Erdbeben auf die Wirkung von Winden zurück. 54 Vgl. dazu mit Runia, Theodicy, 593 auch Conf.163 – 183; Fug. 68 – 72; Conf.30 – 32 und QGen.54. 55 Vgl. SVF.II.1181 und dazu J.B. Gould, Chrysippus, 158. 56 Vgl. dazu oben, 246.
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19.12 Das Problem der Allmacht Gottes und der Verantwortlichkeit des Menschen bei Philo und dem Apostel Paulus Die Berufung auf die Allwirksamkeit Gottes (vgl.Leg.I.82; Cher.128; Ebr.107) würde das Problem der Verantwortlichkeit des Menschen nicht entschärfen,57 sondern das Paradox erhöhen. Philo hat daher auch keinen Versuch unternommen, sie mit der Verantwortung des Menschen in Beziehung zu setzen. Seine Leser sollten sich vielmehr mit der Auskunft zufrieden geben, dass Gott als der Schöpfer der guten Seiten des Menschen ihn hinreichend zu einem tugendhaften Leben ausgestattet hat. Dass Philo diese Fähigkeit so grundsätzlich wie die Stoiker voraussetzt, erhöht das Paradoxe, wenn man Gottes Selbstbegrenzung auf das Gute und das Gerechte seines Handelns und die Freiheit des Menschen und seine anerschaffene Anfälligkeit für das Böse einander gegenüberstellt: Denn wenn Gott alles vermag, warum hat er dann die Übel und das Böse zugelassen? Vielleicht war Philo gerade darin fromm, dass er diese Frage nicht zu beantworten suchte. Man denke an Kleanthes, der in seinem Zeushymnus (SVF.I.537)58 Gottes Allwirksamkeit unausgeglichen die Tatsache an die Seite stellte, dass die Menschen statt das Gute im Gehorsam gegen Gottes Weltgesetz in Ruhmsucht, Gewinn oder leiblichen Lüsten suchten, so dass er nur darum beten könne, dass ihnen Gott Einsicht verliehe. Oder man denke an den Apostel Paulus, der die Verantwortlichkeit des Menschen und die Allwirksamkeit Gottes hart und unausgeglichen in Phil 2,12 – 13 neben und gegen einander gestellt hat, indem er dazu aufforderte mit Furcht und Zittern das eigene Heil zu bewirken, und gleichzeitig feststellte, dass Gott das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen bewirke.59 Der Gaube kann offenbar so wenig auf die Verantwortlichkeit des Menschen wie auf seine Umschließung durch Gott verzichten. Denn „nicht von einem Mit- und Nebeneinander göttlichen und menschlichen Wirkens ist die Rede, sondern wirken heißt von Gott gewirkt sein; er ist der einzige Grund, der das Wirken des Einzelnen möglich macht.“60
Und so war wohl auch Philo wohlberaten, wenn er auf eine logische Auflösung des Problems verzichtete, sondern mit allem Nachdruck die Sünder zur Umkehr aufrief.
57 Vgl. Winston, Ethical Theory, 377 – 381, der den Unterschied zur stoischen Lehre bestreitet, weil Philo die Freiheit des Menschen in den Schatten der Allwirksamkeit Gottes rücke, der auch das Handeln des Menschen bestimme, so dass er nur sekundär der Herr seiner Taten sei. 58 Vgl. die Textausgabe und Kommentierung von J. C. Thom, Hymn. 59 Vgl. auch E.H. Merill, Predestination, 58. 60 Ernst Lohmeyer, Brief, Philipperbrief, 103.
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20. Philos Politisches Denken 20.1 Die antiken Lehren von den Staatsformen und ihrem Wandel Ehe wir uns Philos Äußerungen über den besten Staat zuwenden, ist es angebracht, einen knappen Blick auf die einschlägigen antiken Staatslehren von Platon bis zu Plutarch zu werfen. Sie waren sich im Wesentlichen darüber einig, dass das Königtum bzw. die Aristokratie als die Herrschaft weniger ein vorausgehendes patriarchalisches Stadium abgelöst haben, in denen das Herkommen den Ältesten den Vorrang über die weniger Einflussreichen und Jüngeren gab (Plat.Leg.III.680d7–e4). Dagegen standen in der Aristokratie bzw. dem Königtum durch ihren Besitz ausgezeichnete Einzelne der ärmeren Menge als Herrscher und Gesetzgeber gegenüber (Plat.Leg.III.681c7–d5; vgl. auch umfassend Aristot.Pol.III.14.1284b35 – 1285b 33). Aus der Aristokratie wie der Monarchie entstanden durch Monopolisierung der Herrschaft die Timokratie (Plat.Rep.VIII:545c8–d3; 547d4 – 548c8) bzw. die Oligarchie, in der Reichen die Armen beherrschten (Plat.Rep.VIII.550c8–d1; 551a12–b5; vgl. aber auch Aristot.Pol.III.vii.1279b7 – 8; V.vi.1305a37 – 1306b21). Sie stütze sich auf Arroganz und Vorurteile (Plut.Mor.827a). Beide wurden durch die Demokratie und damit durch den Sieg der Armen über die Reichen abgelöst (vgl. auch Aristot.Pol.III.7.8 – 9), die allen Bürgern dieselben Rechte zugestand und deshalb die Ämter durch Losentscheid besetzte (Plat.Rep.VIII.555b8 – 10; 557a2 – 5; Aristot.Ath.Pol.25.4 – 28.4). Sie stellte mithin zwischen Gleichen und Ungleichen eine gewisse Gleichheit her (Plat.Rep.VIII.558c3 – 6; aber auch Aristot.Pol.VI.4.1319a4 – 1309b32). Entsprechend bescheinigten Polybios und Plutarch der Demokratie, dass sie mit ihrem Prinzip, die Gleichheit exzessiv durchzusetzen, zur Ochlokratie, zur Diktatur der Masse geworden sei (Polyb.VI.4.10 – 11; Plut.Mor.827a). Nachdem die Reichen durch die Volksversammlung vertrieben oder hingerichtet waren, konnte sich ein entschlossener Mann der Herrschaft bemächtigen, der den Staat als Tyrann regierte (Plat.Rep.VIII.566c10 – 567c3).1 In einem idealen Staat, der eine gemischte Verfassung besitzt und damit die 1 Polybios VI.8 – 9 betrachtete sie als eine Zwischenform zwischen Monarchie und Aristokratie. Weil die einschlägigen Ausführungen der Philosophen zu kompliziert seien, gab er in VI.5.19.14 einen Abriss der Entwicklung der Staatsformen mit den Augen des Historikers. So sei durch das Hervortreten eines starken und tapferen Mannes die Monarchie entstanden. Später hätten nicht mehr die körperliche Stärke sondern die Gerechtigkeit und die geistigen Fähigkeiten den Ausschlag für die Wahl zum König gegeben. Ihre Entartung zu gesetzloser Gewalt hätte zur Einrichtung der Aristokratie geführt, die dann wegen entsprechendem Fehlverhalten durch die Oligarchie und diese durch die Demokratie abgelöst worden sei.
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Mitte zwischen der Monarchie und der Demokratie steht, sollte es daher darum gehen, statt einer numerischen Gleichheit, die mittels des Losverfahrens allen Bürgern die gleiche Chance einräumt, nach einer Entscheidung des Zeus eine proportionale Gleichheit herzustellen, die mit der Gerechtigkeit identisch ist, indem sie den Ungleichen das ihnen naturgemäß Gleiche zukommen lässt und auf diese Weise Elemente der Demokratie und der Monarchie bzw. der Oligarchie vereinigt (vgl. Plat.Leg.III.693d2–e2 und Aristot.Pol.VI.9.1294a30 – 1294b41). Aber um Unzufriedenheit auszuschließen, müsse sich auch dieser beste Staat in bestimmten Fällen des Losorakels bedienen (Plat.Leg.VI.757a–7458a1). Nach Aristoteles aber ist das Usom/son, das Gleiche, als das d_jaiom/dkaion das Gerechte (Aristot.Pol.V.1301b29 – 1302a8; Eth.Nic.V.1131a10 – 15). Lassen wir Platons utopische Staatsentwürfe auf sich beruhen2, so dürfen wir doch nicht an dem Entwurf des Stagiriten zur Politie, als einer Mischung aus Oligarchie und Demokratie vorübergehen (Pol.IV.8.1293b 33 – 40 und 1295a25 – 1296b12), die einen Gegenentwurf zu denen seines Lehrers darstellten. (Pol.VII.1 – 17).3 Beachtenswert ist im Blick auf Philos Staatslehre das Urteil von Polybios über die römische Verfassung: Sie besaß in den Konsuln ein monarchisches, im Senat ein aristokratisches und in der den Massen zugestandenen Macht ein demokratisches Element, wobei alle drei Elemente einander wechselseitig kontrollierten (Polyb.VI.11.11 – 13).
20.2 Ist Philos ideale Demokratie mit dem Römischen Reich oder der in der Heilszeit die Weltherrschaft antretenden jüdischen Theokratie identisch? Angesichts der Allgemeinheit der Aussagen Philos über die Demokratie als dem besten Staat gehen die Meinungen der Forscher darüber auseinander, ob er bei ihnen das Römische Kaiserreich oder die von ihm erhoffte, alle Völker der Erde einschließende jüdische Theokratie im Auge hatte.4 Denn es ist deutlich, dass Philo das von einem Kaiser geleitete Imperium Romanum als einen Rechtsstaat geschätzt hat, in dem Rechte und Pflichten miteinander korrespondierten.5 Mit seiner durchorganisierten Verwaltung und seiner ab2 Zu seinem utopischen Staat in Plat.Rep.und Leg. vgl. ausführlich Chr. Bubonich, Plato’s Utopia Recast, und seine Zusammenfassungen 81 – 88 und 473 – 479. 3 Zur Klassifizierung der Staatsverfassungen durch Aristoteles vgl. Sir David Ross, Aristotle, 250 – 254 und zu seinem idealen Staat 264 – 269, dazu auch H. Flashar, Aristoteles. Lehrer des Abendlandes, 128 – 137. 4 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 381 – 382. 5 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 386 – 390, der diese auf der distributiven Gerechtigkeit beruhende Staatsform mit der mosaischen Verfassung identifiziert.
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gestuften Zuteilung von Privilegien und Rechten wäre es grundsätzlich möglich, dass Philo sie als eine ideale Demokratie (Imm.176) betrachtete. Denn in ihm waren Legalität, Gleichheit vor dem Gesetz und eine distributive Gerechtigkeit miteinander verbunden (Abr.242; vgl. auch Spec.IV.237; Virt.180; Suet.Aug.32 und Spec.IV.46 – 47). Als Musterbeispiel für einen Tyrannen führt Philo Flaccus an, der sich als Ankläger und Richter über die Juden in Alexandria zugleich aufgespielt und damit das Prinzip des Rechtsstaates verletzt hatte (Flacc.54). Dagegen hätten die römischen Kaiser die Klagen der Gesandtschaften der Städte über römische Beamte erhört, die sich in den ihnen anvertrauten Ländern wie Tyrannen benommen hätten. Entsprechend hätte auch Kaiser Gaius Flaccus durch den Centurio Bassus in Alexandria verhaften lassen (Flacc.108 – 155). Damit hatte sich selbst dieser fragwürdige Kaiser schließlich als Rechtswahrer in seinem Reich erwiesen. Trotzdem erscheint es unwahrscheinlich, dass er unter der idealen Demokratie das Römische Kaisertum verstanden hat, denn bei aller distributiven Gerechtigkeit hatte in ihr der Caesar und nicht Gott die höchste Autorität.
20.3 Das Theokratische Ideal der Mosaischen Verfassung6 Da Philo den erwarteten jüdischen Weltstaat der Leitung des Hohenpriesters unterstellt und ihn damit als eine Theokratie verstanden hat, muss die in den Fünf Büchern Moses enthaltene Verfassung den Ausgangspunkt für die Rekonstruktion von Philos politischen Überzeugungen bilden. Nach ihr steht der Hohepriester aus dem Geschlecht Arons als Inhaber eines erblichen Amtes (Mos.II.186; vgl. Sir 45, 23 – 24) an der Spitze des Volkes mit der doppelten Funktion der Vertretung Gottes gegenüber dem Volk und der Vertretung des Volkes gegenüber Gott. Zur ersten Aufgabe gehörte seine Rolle als Lehrer der Thora und sein Amt als höchster Richter, zur zweiten die Darbringung der Opfer und seine Stellung als Fürbitter Israels (Spec.I.67).7 Zieht man die konstitutionelle Summe aus diesen Aufgaben des Hohenpriesters, so war das ideale Israel eine Theokratie (vgl. Decal.155), als die es Josephus denn auch unumwunden bezeichnet hat (Jos.Ap.II.165).
6 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 381 – 382. 7 Vgl. dazu J. Leonhardt-Balzer, Jewish Worship, 223 – 233, bes. 230 – 233.
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20.4 Der jüdische Weltstaat als partizipatorische Demokratie8 Daher dürfen wir davon ausgehen, dass die von Philo entworfene partizipatorische Demokratie eine Näherbestimmung der inneren Verhältnisse der jüdischen Theokratie darstellt. Ihr Grundgedanke ist offensichtlich die proportionale Verteilung von Rechten und Pflichten. Denn Gleichheit (Qs|tgr/ iste¯s) und Gerechtigkeit (dijaios¼mg/dikaiosy´ne¯) hängen nach seiner Überzeugung unauflöslich zusammen, wobei die Gleichheit gleichsam die Mutter der Gerechtigkeit ist. Sie ordne alles Geschehen im Himmel und auf Erden, während die Ungleichheit für alle Fehler im menschlichen Leben verantwortlich sei (Spec.IV.230 – 237). Bei dieser auffallenden Definition als Demokratie mag ihn die Erinnerung daran beeinflusst haben, dass Platon und Aristoteles das Prinzip der Demokratie in der Gleichheit der Bürger erkannt hatten und Platon zwischen der numerischen Gleichheit der attischen Demokratie und der auf einer Entscheidung des Zeus beruhenden proportionalen Gleichheit unterschieden hatte, die jedem das ihm von Natur Zukommende zuteilt (Plat.Leg.VI.757b1–c7).9 Im Gegensatz zu dieser wahren Gerechtigkeit, erkläre die Ochlokratie nach Philos Überzeugung die Ungleichheit zum Ideal, so dass Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit herrschten (Conf.108). Damit ist es jedenfalls ausgemacht, dass Philos positive Beurteilung der Demokratie keinen Staat im Sinne der klassischen Verfassung von Athen im Blick hat, sondern einen Staat, in dem eine distributive Gerechtigkeit besteht, die darauf beruht, dass die Rechte dem jeweiligen Aufgabenbereich angepasst waren, so dass Rechte und Pflichten und Vergehen und Strafen miteinander korrespondierten.10 Leider hat Philo nicht ausgeführt, welche Bestimmungen des Bundesbuches (Ex 21,1 – 23, 19), des Deuteronomiums (Dtn 12,1 – 26, 15) oder des Heiligkeitsgesetzes (Lev 19 – 26) er dabei konkret im Auge hatte. Dass in ihnen Vergehen und Strafe in einem proportionalen Verhältnis stehen, zeigt die in Ex 21, 23 enthaltene Lex Talionis mit ihrem Grundsatz des „Auge um Auge, Zahn um Zahn …“11. Jedenfalls gehörten für Philo Gleichheit vor dem Gesetz (Qs|tgr/iste¯s) und Gerechtigkeit (dijaios¼mg/dikaiosy´ne¯) unauflöslich zusammen. Da die Thora auch die Bestimmungen über die unterschiedlichen Ämter (vgl. z. B. Dtn 16, 18 – 20; 18, 1 – 8) und ihre Zuständigkeiten (vgl. z. B. Dtn 17, 8 – 13) enthielt, erfüllte sie auch in dieser Beziehung die Anforderungen, die an eine gerechte Verfassung zu stellen sind. In ihr waren in der Tat alle Rechtsvorgänge im Sinne der Gleichbehandlung vor dem Gesetz geregelt, 8 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 386 – 390, der diese auf der distributiven Gerechtigkeit beruhende Staatsform mit der mosaischen Verfassung identifiziert. 9 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 386. 10 Vgl. dazu auch Wolfson, Philo II, 386 – 390, der diese auf der distributiven Gerechtigkeit beruhende Staatsform mit der mosaischen Verfassung identifiziert. 11 Vgl. dazu E. Otto, Ethik, 73 – 81.
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indem sie das Ansehen der Person im Rechtsverfahren ausdrücklich untersagte (vgl. Dtn 16,19 mit Spec.IV.230 – 237). Mit dem unterstellten Grundsatz von Freiheit und Gleichheit und der Besetzung der Staatsämter mit den dafür Geeigneten entsprach Philos Definition der Demokratie mutatis mutandis der platonischen und aristotelischen besten Form des Staates, die Elemente der Demokratie und der Monarchie bzw. Oligarchie miteinander vereinigte (vgl. Plat.Leg.III.693d 2–e 2 und Aristot.Pol.VI.9.1294a 30 – 1294b 41). Auf ein entsprechendes stoisches Votum hätte er sich schon deshalb nicht berufen können, weil das Interesse der Stoiker in der Nachfolge Heraklits bei dem ungeschriebenen Gesetz und der Weltbürgerschaft lag. So hatte Chrysipp dieses Gesetz als den König aller Dinge, der göttlichen und menschlichen, und als Richtschnur des Gerechten und Ungerechten bezeichnet (SVF.III.325/LS 67R). Darin wirkte Heraklit (DK 22 B 114/KRS 250/MP 4.110) fort, nach dem das als Grundsatz gefasste Gesetz allen konkreten Gesetzen vorausgeht und ihnen, sollten sie ihm widersprechen, die Autorität entzieht.12 Philo könnte mithin durch Platon wie durch Aristoteles zu seiner eigentümlichen Beurteilung der jüdischen Theokratie als einer partizipatorischen Demokratie ermutigt worden sein.
20.5 Die Ochlokratie, Oligarchie und Tyrannenherrschaft als schlechte Staatsformen Als Gegensatz zur Demokratie bestimmte Philo in Agr.45 die Herrschaft der Masse, die awkojqat¸a/ochlokrata.13 Denn in ihr seien die Tage von Unordnung, Aufruhr und dem Kampf der Parteien (st²sir/stsis) erfüllt, so dass anarchische Zustände herrschten (Agr.45 – 46). In Opif.17114 hat er sie zur schlechtesten aller Staatsverfassungen erklärt und das in Conf.108 damit begründet, dass sie die Ungleichheit zum Ideal erhöbe und in ihr Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit herrschten (vgl. auch Fug.10). Die Oligarchie, die Herrschaft der Wenigen (akicaqw¸a/oligarcha) war in seinen Augen genauso schlecht wie die Ochlokratie (Decal.155), denn die Ochlokraten betrieben unter dem Namen der Herrschaft und Führerschaft Diebstahl im großen Stil (Decal.136).15 Eine oligarchisch regierte Stadt aber unterschiede sich nicht von 12 Vgl. dazu M. Pohlenz, Stoa I, 132 – 133, und II, 74 – 75. 13 Vgl. Opif.171; Virt.180 und Decal.155 mit Aristot.Pol.12992a 15 – 20. Der Begriff begegnet nach Lid.Sco. s.v. erstmals bei Polybios VI.4.6 – 7 und dann erneut bei Plut.Mor.826 f, wo er beide Male als Zerfallsprodukt der Oligarchie beschrieben wird. Zur Zügellosigkeit der Menge, des ewkor/chlos vgl. bereits Plat.Leg.V.734a8–c 1 und zur Sache Barraclough, Philo’s Politics, 524 – 529. 14 Vgl. auch Som.II.287 und Decal.155 und Virt.180 sowie Flacc.65 und Leg.Gai.132 als geschichtliche Beispiele. 15 Vgl. dazu Barraclough, 520 – 523
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einer durch Tyrannen beherrschten, weil die Oligarchen ebenso grausame und strenge Herrscher wie die Tyrannen wären (Prob.45). Die Tyrannei aber stünde auf dem Boden des Lasters und der Gottlosigkeit (Conf.196 – 197). Nicht anders als die Oligarchen seien die Tyrannen Diebe auf einem hohen Niveau, die ihre Räubereien als Herrschaft und Führerschaft bezeichneten (Decal.136). Dagegen sei ein gerechter König ein Feind des Tyrannen (Leg.III.79). So nimmt es nicht wunder, dass Philo die Tyrannen für die natürlichen Feinde der Städte hielt; denn nachdem sie sich in deren Akropolis eingenistet hatten, waren die Bürger ihren gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt (Agr.46; vgl. auch Mos.II.13).16 Andererseits konnte es für den, der sich ihrer Herrschaft widersetzte, den Tod bedeuten (Somn.II.83 – 84). Trotzdem käme es vor, dass ein im Dienst eines Tyrannen stehender Untergebener wie Joseph meinte, ihm nach seinen besten Fähigkeiten dienen zu müssen (Jos.76 – 77). Darüber hinaus zeige das Beispiel des Tyrannen Dionysios von Syrakus,17 dass ein Gewaltherrscher seine Macht so vollständig verlieren könne, dass er sein Leben nach seinem Sturz als Schulmeister fristen müsste (Jos.132).
20.6 Tyrannen als Nothelfer Gottes Die Gefahren für ein Volk oder einen Staat gehen nach Philos Überzeugung jedoch nicht nur von überstrengen Herrschern wie den Tyrannen aus, sondern auch von einem zu freundlichen Herrscher, weil er sich durch seine Milde Verachtung zuzöge, so dass er schließlich zur Abdankung gezwungen würde (Agr.47).18 Entsprechend konnte Philo für den Fall, dass Unvernunft in den Städten eingerissen war, einen von Natur mit Kraft und Überlegenheit ausgestatten Tyrannen als nützlich einstufen. Denn so wie die Staaten zum Schutz gegen Verbrecher Henker hielten, könnte Gott die Tyrannen als öffentliche Henker über von Lastern überflutete Städte setzen, um sie dann wegen ihrer Hartherzigkeit als Hauptmissetäter heimzusuchen (Prov.II.31).
16 Zur Eigenart und Entstehung der Tyrannenherrschaft als Reaktion der Menge gegen die sie bedrückenden Vornehmen vgl. Aristot.Pol-V.1310a 39 – 1310b 13 und zur Tyrannenherrschaft der Peisistratiden Aristot.Ath.Pol.14 – 19. 17 Zu seinem Misstrauen selbst gegen die eigene Gemahlin und seiner Furcht vor Mördern vgl. Prov.II.26 – 27. 18 Vgl. Geljon/Runia, Cultivation, 144, die auf das stoische Ideal des weisen Herrschers verweisen, der nicht zu milde sein darf (Diog.Laert.VII.123), und weiterhin Barraclough, 529 – 538.
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Philos Politisches Denken
20.7 Die Mitte als das politisch Beste Zieht man aus dem von Philo zu den einzelnen Staatsformen Gesagten die Summe, so liegt auch auf dem politischen Gebiet das Beste in der Mitte: Die Herrschenden dürfen im Staat weder zu hart noch zu milde regieren und in jedem Fall dem Recht zum Sieg verhelfen. Ein übermütiges Selbstbewusstsein steht den Herrschenden gegen ihre Untertanen nach Philos Überzeugung keinesfalls zu: Würde ein König oder ein Tyrann, die beide ihre machtlosen Untertanen verachteten, sich durch die heiligen Gesetze und d. h. die Thora belehren lassen, würden sie ihren Hochmut angesichts der Fürsorge verlieren, mit der der Unerschaffene, Unvergängliche und Ewige, der Wohltäter und König aller Könige und Gott aller Götter nach ihrem Zeugnis selbst den Geringsten behandelt (Decal.40 – 41; vgl. Spec.I.308). Denn Gottes Gericht diene nicht den Satrapen und Tyrannen, die Land und Meer beherrschen, sondern z. B. den „Dazukommenden“, den Proselyten, die ihre Verwandtschaft verlassen, für die sie zu Feinden geworden seien, sowie den vaterlosen Waisen und den schutzlosen Witwen (Spec.IV.177 – 178). Gott ist mithin der Beschützer der Kleinen Leute. Die den Juden von den Römischen Kaisern gewährte Sonderstellung aus dem Blick lassend konnte Philo erklären, dass sich das jüdische Volk unter den fremden Völkern in der Lage einer schutzlosen Waise befinde, von denen ihm keines zu helfen bereit sei, sondern allein der Herrscher über das Universum (Spec.IV.179 – 181).
20.8 Die Menschen als Bürger einer einzigen Weltstadt und das jüdische Gesetz Sehen wir von den konkreten Herrschaftsformen ab, so hat der stoische Gedanke, dass alle Götter und Menschen als Teilhaber an der einen Vernunft19 auch Bürger einer einzigen Kosmopolis oder Weltstadt seien und ein gemeinsames Gesetz besitzen,20 bei Philo ein lebhaftes Echo gefunden. Denn er hat in Opif.19 und Decal.53 den Kosmos mit der von Gott erschaffenen und regierten lecak|pokir/megalpolis identifiziert, die durch den Anblick ihrer Ordnung auf ihn als ihren Schöpfer zurückverweise (Spec.I.34).21 Diese Welt 19 Vgl. Cic.Leg.I.7.22 – 23/SVF.III.339; SVF.II.528/LS 67 L. 20 Vgl. Cic.Rep.III.33; SVF.III.325/LS 67 S; Plut.Mor.329 A-B/SVF.I.262/LS 67 A und zu den genetischen Problemen der stoischen Politik vgl. K.M. Vogt, 65 – 110. 21 Zum stoischen Hintergrund der Vorstellung vgl. K.M. Vogt, Law, 65 – 72. Zum gotteslästerlichen Anspruch des Flaccus, Alexandria als Weltstadt bzw. eine Vielzahl von Städten umfassende Stadt zu beherrschen, vgl. Flacc.163 – 165.
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besitze als solche eine einzige Verfassung und ein einziges Gesetz. Die lokalen Staatsverfassungen und Gesetze seien demgegenüber Zutaten und Erfindungen zu dem aqh¹r kºcor/orthos lgos, der „richtigen Vernunft“ (Jos.29). Dagegen bildeten die in der Thora von Moses aufgeschriebenen Ge- und Verbote samt ihren Erläuterungen das ähnlichste Abbild der Verfassung der Welt (Mos.II.51). Damit erfülle die Thora den in Opif.143 formulierten Anspruch, dass alle Bürger dieser Welt dieselbe Verfassung wie sie selbst besäßen. Diese Große Stadt hätte bereits vor den Menschen Bürger in Gestalt der unsichtbaren und sichtbaren göttlichen Naturen, den Sternen, bestanden, mit denen zu kommunizieren das Glück der Menschen ausmache (Opif.143 – 144). Trotzdem kam nach seiner Überzeugung keines der geschriebenen Gesetze dem seinem eigenen Volk von Gott offenbarten gleich. Denn dank Moses Weisheit bestünde die Thora nicht nur aus Gesetzen im eigentlichen Sinn, weil sie aus zwei Teilen, einem geschichtlichen und einem legalen bestand. Dabei setze der geschichtliche mit der Schöpfung der Welt ein, um dann von einzelnen Gestalten (gemeint sind die Ur- und die Erzväter) und weiterhin von der Belohnung der Gerechten und der Bestrafung der Frevler zu berichten. Zudem enthielte es in seinem legalen Teil anders als die Gesetze der Völker nicht nur einschlägige Bestimmungen, sondern es wende sich darüber hinaus auch immer wieder an das Verständnis seiner Adressaten. Auf diese Weise mache es deutlich, dass der Gesetzgeber zugleich der Vater und Schöpfer der Welt ist, und dass der, der es befolgt, damit zugleich dem Gesetz der Natur gehorcht,22 so dass seine Taten mit seinen Worten und seine Worte mit seinen Taten übereinstimmten (Mos.II.45 – 48).23 Daher war Philo davon überzeugt, dass alle Völker ihre ererbten Gesetze aufgeben und allein die Israels ehren würden, wenn seine Herrlichkeit im Licht seiner nationalen Blüte aufscheinen würde (II.Mos.44). Dann sollte die Prophezeiung Hos 14,5 in Erfüllung gehen und Israel erblühen wie eine Lilie (Q.Ex.II.76). Seine einstigen Feinde würden von Gottes Fluch getroffen und (soweit sie ihn überlebten) erkennen, dass sie sich nicht an irgendeinem unscheinbaren Volk vergangen hätten, sondern an einem von überaus vornehmer Geburt, dessen Ruhm nun wie eine entfachte Flamme aufleuchten würde (Praem.169 – 172). Damit würde zugleich offenbar, dass das jüdische Volk für das ganze Menschengeschlecht eine Bedeutung wie die eines Priesters in einem Staat besitze (Spec.II.162). Und ebenso läge es dann vor aller Augen, dass der jüdische Hohepriester nicht allein für Israel bete und opfere, sondern für das ganze Menschengeschlecht (Spec.I.97; vgl. 168).24 Am Ende seiner Schrift Quod Deus sit immutabilis lässt Philo seinen Blick über den Aufstieg und Fall der Reiche gleiten, von denen eines das andere 22 Zum Verhältnis zwischen dem Gesetz der Natur und der Thora vgl. C. A. Anderson, Pyhsical World, 135 – 143 und zu den sog. Gesetzen der Natur Wolfson, Philo I, 325 – 347. 23 Vgl. dazu C. A. Anderson, Physical World, 139 – 147. 24 Vgl. dazu auch Baraclough, Philo’s Politics, 480.
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ablöse, bis der Logos dem Weltstaat in Gestalt der wahren Demokratie den Weg bereitet hätte (Imm.175 – 176):25 „Was ist Europa und Asien und, um es kurz zu sagen, die ganze Welt? Wird sie nicht nach oben und unten gejagt und gestoßen wie ein Schiff auf hoher See, das bald günstigen, bald aber auch widrigen Winden gehorcht? Denn es dreht sich im Kreise der göttliche Logos, den die meisten Menschen Schicksal (t¼wg/ty´che¯) nennen; und dann strömt er jeweils über Staaten und Völker und Länder dahin und teilt den Besitz der einen den anderen und den aller allen zu, durch den Zeitenwechsel allein den Besitzstand der Einzelnen vertauschend, auf dass die ganze Welt, wie ein einzelner Staat, die Demokratie, die beste der Verfassungen, genieße.“
Aber wer die Ermahnungen des Logos nicht höre, der die Machtunterschiede auf Erden beseitige, der fiele seiner aus einer kranken Seele kommenden Torheit zum Opfer. Sein Unglück könne dann den noch nicht völlig Gereinigten zur Ermahnung dienen, den inneren Richter, sein Gewissen, gnädig zu stimmen (Imm.181 – 183). Ein rätselhafter Schluss, der den geforderten Glauben an die hinter dem Zufall stehenden Vernunft in der Geschichte mit der ethischen Forderung verbindet – und den Weg für die Hoffnung auf eine bessere Welt frei gibt.
25 Übersetzung Hans Leisegang, Philo W.d.Ü. IV,109.
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21. Philos Heilserwartungen 21.1 Philos individuelle Heilserwartungen 21.1.1 Platons Lehre von den Sternen als der Heimat der Seelen Ehe wir auf Philos Lehren über das Leben nach dem Tode eingehen, gilt es ein letztes Mal einen Blick in Platons Timaios zu werfen. Nach der dort entfalteten Lehre schuf der Demiurg aus den Resten der Seele des Alls soviel Seelen wie es Sterne gibt, um jedem Stern eine Seele zuzuweisen, ihr das All zu zeigen und ihr die unabänderlichen Gesetze des Schicksal (eRlaql´mg/heimarmne¯) zu eröffnen (Tim.41d4–e3).1 Wenn sie nach ihrer notwendigen Einpflanzung in einen Leib und ihrer Ausstattung mit einem entsprechenden Wahrnehmungsvermögen ihre Gefühle und Leidenschaften beherrschten, dürften sie nach der ihnen zugemessenen Lebenszeit zu den ihnen zugewiesenen Sternen zurückkehren, um dort ein glückliches und ihrer Art gemäßes Leben zu führen (Tim.42a3–b5). Andernfalls aber würden sie als Frauen oder als Tiere wiedergeboren, bis sie durch Denken ihre Unvernunft zu zähmen gelernt und so ihre Bestform erreicht hätten (Tim.42b5–d2).2
21.1.2 Die antike Vorstellung vom Äther als der höchsten und reinsten Region des Himmels Für Philos Unsterblichkeitshoffnung sind jedoch nicht weniger die Vorstellungen über den Äther entscheidend, der das 5. und reinste Element des höchsten Himmels bilde und die eigentliche Heimat der Seelen sei. Der junge Aristoteles hat ihn wie Ps.Plat.Epin.981c in De Caelo I.270b22 – 25 als das fünfte Element neben Erde, Feuer, Luft und Wasser bestimmt, aus dem der höchste Himmel besteht, und Anaxagoras getadelt, weil er es fälschlich als feurig bestimmt hätte. Nach Ps.Plat.Epin.984d5 – 985a1 wird er von den Göttern und Geistern bewohnt. Dort sind nach Soph.Oed.Rex.863 – 872 die ungeschriebenen Gesetze von Zeus festgelegt worden. Nach dem „Leben des Apollonius von Thyana“ des zur Zweiten Sophistik gerechneten Rhetors 1 Zur Vorstellung vom Himmel als der Heimat der Seelen und ihrem astrologischen Ursprung vgl. F. Cumont, Orientalische Religionen, 114 – 119. 2 Zu Platons Lehre von der Präexistenz und Wiedergeburt der Seele vgl. Zeller, Geschichte II/1, 817 – 443 und A. Drozek, Athanasia, 197 – 228.
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Philos Heilserwartungen
Philostrat (ca.160/170 – 244/49)3 seien auch die Götter aus diesem 5. Element gemacht (Philostr.Vit.Apoll.III.34), während auf der Erde die Seelen der Wahrsager an ihr teilhätten (III.42).
21.1.3 Der Äther als die wahre Heimat der Seele Wenden wir uns Philos individuellen Heilserwartungen zu, wird sich die Vermutung bestätigen, dass auch sie grundlegend von den im Timaios vorgetragenen abhängig sind, auch wenn seine eigenen gewisse Unschärfen enthalten. Eingangs sei daran erinnert, dass er in Übereinstimmung mit der platonischen, aristotelischen und stoischen Seelenlehre voraussetzte, dass die Seelen der Menschen aus einer vegetativen, sinnlichen und vernünftigen Schicht bestehen, von denen nur die zuletzt genannte unvergänglich (%vhaqtor/phthartos) (Imm.46 – 47) und unsterblich (!gh²mator/athnatos) ist (Prob.46; Congr.97; vgl. auch Spec.I.81).4 Das Leben der Menschen, die nach der Erzählung von den Giganten aus der Erde geboren sind, wird ganz durch ihre sinnlichen Gelüste ausgefüllt. Dagegen ertragen Menschen, die im Himmel geboren sind, ihre leiblichen Bedürfnisse als eine Belastung, weil sie sich dank ihrer Teilhabe am göttlichen moOr/nou¯s um eine Himmel und Erde umfassende Bildung bemühen (Gig.60). Ihr Urbild ist Abraham, der nach der Erkenntnis der überirdischen und ätherischen Region strebte (Gig.62). Denn das Verlangen nach dem Seienden Einen öffnet die Augen der Seele, so dass sie sich nicht nur bis in den Äther erstreckt, sondern den ganzen Kosmos hinter sich lässt, um zu dem Ungewordenen zu eilen (Plant.21 – 22; vgl. Her.79.283; Mut.179; Somn.I.186; Mos.II.194; Spec.IV.115; Praem.36 – 40). In diesem Sinne ist die Seele des Weisen bildlich gesprochen das Gegenstück zum Himmel, den sie wie der Äther mit den Augen der Seele übersteigt, die sich im Vergleich zu den leiblichen Augen wie die Sonne zu einer Kerze verhält (Her.88 – 89). Hat er sein Leben tugendhaft verbracht, so darf er grundsätzlich erwarten, dass er im Alter auf ein wahrhaft glückliches irdisches Leben zurückblicken kann (Her.285 – 286; vgl. Spec.IV.230 – 238). Zusammenfassend können wir festhalten, dass Philo die Heimat der Seelen in der höchsten Region des Himmels, im Äther suchte, und er wohl aus eigener Erfahrung wusste, dass es die Möglichkeit gibt, auch ihn noch zu übersteigen, um Gott zu schauen (Her.70).5
3 Vgl. zu ihm A. Lesky, Geschichte der Griechischen Literatur, 935 – 937. 4 Vgl. dazu Philos Diskussion über die Bedeutung von Gen 15,15 in Her.280 – 283 und dazu Wolfson, Philo I, 397 – 401. 5 Vgl. dazu Chr. Noack, Gottesbewusstsein, 180 – 183.
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21.1.4 Das unterschiedliche Los der Toten Um einen angemessenen Eindruck von Philos Lehre über das unterschiedliche Los der Seelen nach dem Tode zu gewinnen, gehen wir am besten von Somn.I.151 aus, weil er die Betroffenen hier in drei Gruppen einteilt: An der Spitze steht das Los der Weisen, die nach ihrem Tod in olympischen Höhen wohnen dürfen, die wir nach dem bisher Ausgeführten mit den Sternen gleichsetzen können. Im Gegensatz zu ihnen würden die Schlechten, die während ihres ganzen Lebens das Sterben (und d. h. den Tod ihrer Seele) zu ihrer Aufgabe gemacht hätten, in der dunkelsten Tiefe der Unterwelt enden. Zwischen beiden stünde die dritte Gruppe derer, die durch ihr besseres Teil nach oben und durch ihr schlechteres nach unten gezogen würden. Sie dürften mit denen identisch sein, die während der Entrückung ihrer Seelen nach dem Tode in himmlische Höhen aus Verlangen nach dem leiblichen Leben auf die Erde zurückkehren und solange in diesen Kreis der Wiedergeburten einbezogen bleiben, bis sie es gelernt haben, ihre Leidenschaften zu beherrschen. In Praem.152 stellt Philo das Los eines Proselyten, dem als Lohn für seine Verdienste ein Platz im Himmel sicher ist, dem eines wohlgeborenen Sünders gegenüber, der in die tiefe Finsternis des Tartarus gezogen wird. Diese Einweisung erweist sich jedoch insofern als problematisch, als Philo in Congr.57 erklärt, dass der Ort der gottlosen Seelen nicht mit dem mythischen Hades gleichzusetzen sei. Darf man sich an diese Feststellung halten, so ist die Rede vom Tartarus nicht wörtlich zunehmen, wie sie denn auch in Leg.Gai.49 metaphorisch die Verdrängung alles Schädlichen aus dem Zentrum des Reiches durch die Augusteischen Herrscher bezeichnet (vgl. auch Leg.Gai.103). Jedenfalls gilt die Aussage über den Tod der Seele nur für die den Leidenschaften verfallenen Menschen, bei denen der physische Tod den Tod ihrer Seele vollendet. Da ein Schwanken der Vorstellungen Philos nicht ausgeschlossen werden kann, lässt man es am besten offen, ob man sein Reden von der Unterwelt bzw. vom Tartarus in Praem.152 und Leg.Gai.40 und 103 als metaphorisch zu deuten hat oder nicht.6 Deutlicher tritt uns die Gruppe der Schlechten in Philos Behandlung des Problems im Rahmen einer Zweiteilung der Seelen hervor: Nach ihr sind die Lasterhaften in den Augen des Rechtschaffenen schon zu ihren Lebzeiten in einem Zustand, der schlimmer als der Tod ist (Opif.146; Spec.IV.91). Um das zu verstehen, muss man Philos Unterscheidung zwischen dem Tod, den alle Menschen erleiden und bei dem sich Leib und Seele trennen, und dem Tod der Seele des Schlechten unterscheiden. Mit ihm ist offensichtlich ihr rationaler Teil gemeint, den wir zugleich als Träger der individuellen Personalität in Rechnung stellen müssen. Ist er durch die Selbstübergabe an das Laster getötet, so vegetiert der Mensch als Sinnenwesen bis zu seinem realen Tod weiter, 6 Vgl. E.M. Smallwood, Legatio, 203.
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um dann zu verlöschen. Daraus ergibt sich, dass die Seelen der Menschen nur unter der Voraussetzung unsterblich sind, dass sie selbst beherrscht und tugendhaft gelebt haben (Abr.55). Denn bei einem Abfall zu einem lasterhaften Leben würde die Seele gleichsam in ihren Leidenschaften begraben.7 Oder anders ausgerückt: Wer sich einem lasterhaften Leben hingibt, ist damit so gut wie gestorben. Entsprechend hätte Moses unter der Wendung „den Tod sterben“, das Absterben der Seele eines Lasterhaften verstanden (Leg.I.107). Die Aufteilung der Seelen in die der Gerechten und die der Frevler lässt die dritte Gruppe der weder guten noch schlechten Seelen unberücksichtigt, die weiter an dem Erlösungsgeschehen teilnehmen. Denn während die ganz dem materiellen Leben zugeneigten sogleich wieder zur Erde zurückkehren, kehren andere erst nach den ihnen durch die Natur zugewiesenen Zeiten wieder zur Erde zurück. Das sind die jedenfalls besserungsfähigen Seelen, die den endgültigen Aufstieg zum Himmel grundsätzlich schaffen können (vgl. auch Somn.I.152). Die zur Gruppe der Gerechten gehörenden Seelen halten den Leib dagegen für ihren Kerker bzw. ihre Gruft, dem sie entfliehen, um sich auf leichten Flügeln zum himmlischen Äther zu erheben und dort in Ewigkeit zu bleiben (Somn.I.138 – 139; vgl. auch Leg.I.103). So wäre nach Philos Auskunft schon Heraklit Moses gefolgt, indem er erklärte, dass wir den Tod jener leben und wir ihren Tod sterben (DK 22 B. frg. 62; MP Heraklit 66),8 denn er hätte damit gemeint, dass unsere Seele tot und im Leib wie in einem Grab eingebettet sei, während uns der Tod von dem Leib, an dem wir gefesselt waren, erlöse (Leg.I.108).9 Der irdische Tod derer, die sich nach der himmlischen Welt zurücksehnen, ist daher mit ihrer pakccems¸a/paliggenesa, ihrer Wiedergeburt, identisch. Sie bezeichnet bei Philo mithin nicht die Stadien der Reinkarnation, sondern deren Abschluss als endgültige Rückkehr in die himmlische Heimat der Seele (Cher.114): Die Erfahrung des Aufstiegs der Seele in die himmlische Welt nimmt der Weise in seiner vollständigen Hingabe an Gott vorweg, die ihn ein übersinnliches, nur ihm selbst sichtbares Licht schauen und dabei seiner Unsterblichkeit gewiss werden lässt (Leg.III.6.41; Imm.46; Praem.51; vgl. auch Her.70 – 74 und Vit.Cont.10 – 12).10 Aber es gibt auch noch eine vierte Gruppe von Seelen: bei ihnen handelt es sich um die reinsten und besten, die niemals nach irdischen Dingen trachteten und daher als Statthalter des Allherrschers bzw. als seine Ohren und Augen alles sehen und hören.11 Sie würden gewöhnlich von den Philosophen als Dämonen bezeichnet, während sie angemessener im „heiligen Wort“ als Engel oder Boten tituliert würden, die zur Erde absteigend und zum Himmel auf7 8 9 10 11
Vgl. dazu E. Wasserman, Death, 60 – 76, bes. 62 – 64. Vgl. dazu D. Bremer/R. Dilcher (GGPh.Ph.A II/2), 622 – 623. Vgl. auch IV Q.Gen.152 und Her.214. Vgl. C. Noack, Gottesbewusstsein, 180 – 215, bes. 209 – 215. Vgl. Xen.Cyrup.VIII.2.10.
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fahrend als Mittler zwischen Gott und den Menschen walten (Somn.I.140 – 141). Dabei wird Platons Grundsatz, dass die Zahl der Sterne der Zahl der unsterblichen Seelen gleich ist, grundsätzlich eingehalten (vgl. Tim41d 8 mit Somn.I.137).12
21.2 Philos kollektive Heilserwartungen Entscheidend für Philos Blick auf die Geschichte seines Volkes und die damit verbundenen Hoffnungen war der Glaube an die Erwählung Israels zum Eigentumsvolk des wahren und einzigen Gottes. Ihr verdankte es die Offenbarung der Thora, deren Befolgung die gemeinsame Bürgerschaft begründet. Sie beruhe auf den Tugenden und Gesetzen, die allein das moralisch Schöne zum einzigen Gut erklären (Spec.II.73). Daher wäre das jüdische Volk als das Volk der Thora für die ganze menschliche Gemeinschaft das, was der Priester für einen Staat sei, dem es obliege, Leib und Seele zu reinigen und dafür zu sorgen, dass die göttlichen Gebote eingehalten werden, die den leiblichen Freuden eine Grenze setzen, so dass sich die irrationalen Sinne der Führung durch die Vernunft, den Logos, unterwerfen (Spec.II.162 – 163). Gott hätte Israel das Amt des Priesters und Propheten für die ganze Schöpfung anvertraut (Spec.I.97.168; III.131; Mos.I.149). Es nehme sein Amt wahr, indem es als ganzes die Reinigungsriten für Leib und Seele und die einschlägigen göttlichen Gesetze befolge und mithin die Freuden an leiblichen und zumal sexuellen Gelüsten meide (Spec.II.163). Wenn sich Nichtjuden als „Dazukommende“ oder Proselyten von ihrem eigenen Volk trennen und die Forderungen der Thora erfüllen, werden auch sie zu Gliedern des erwählten Volkes (Virt.102 – 104; vgl. Q.Gen.III.62).13 Der durch sein Glück erhöhte „Dazukommende“ würde von allen Seiten bewundert und für gesegnet gehalten, weil er sich Gott angeschlossen und dank seiner Verdienste einen Platz im Himmel gewonnen hätte (Virt.152). Denn seine besonderen Gaben wären ihm deshalb von Gott verliehen, damit sie wie bei einem öffentlichen Festmahl möglichst viele zur Teilnahme einlüden (Virt.169 – 170). Philo war fest davon überzeugt, dass sich der Ruhm der Thora so unter den Völkern verbreiten würde, dass sie das jüdische Gesetz freiwillig als ihr eigenes übernehmen würden, wenn der von ihm ausgehende Glanz vom Glück des jüdischen Volkes begleitet würde (Mos.II.44). Die Erlösung des Volkes von 12 Dass in Cher 114, vgl. Q.Ex.46, mit Colson, Philo II (LCL 227), 485 eventuell um das Überdauern der Seele im Weltenbrand zu denken ist (SVF.III Nr. 809 mit 811), erscheint mir fraglich, da Philo die Lehre vom Weltenbrand abgelehnt hat. 13 Vgl. dazu auch Wilson, Virture, 257 – 260, der auf den Roman von Joseph und Aseneth als Beispiel für jüdische Konvertiten im ägyptischen Umfeld verweist, wobei Aseneth nach 11,8 – 11 alle ihre Götzenbilder vernichtet und ihnen in 13,11 – 13 im Gebet zu Gott absagt, vgl. C. Burchard. Joseph und Aseneth, 660 – 661 und 669 – 670.
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Philos Heilserwartungen
seiner Knechtschaft unter den Völkern stellte mithin für Philo die Bedingung für das Entstehen eines einzigen, alle Völker der Erde einschließenden Gottesvolkes dar. Vergegenwärtigt man sich, dass Philo davon überzeugt war, dass z. B. attische Gesetzgeber, die es untersagten, aufgrund eines Hörensagens ein Zeugnis abzulegen, dabei die Bestimmung aus Ex 23,8 übernommen hätten (Spec.IV.61, vgl. Conf.141)14, so handelte es sich dabei in Philos Sicht um den Schlusspunkt eines weit in die Vergangenheit zurückreichenden Prozesses der Anerkennung der Thora durch die Völker. Die in der Fremde versklavten Juden würden eines Tages durch ein Signal befreit, weil sie von ihren bisherigen Herren freigelassen würden, die sie durch ihre Tugend beschämt hätten. Die Befreiten aber würden von einer göttlichen und übermenschlichen und nur von ihnen selbst gesehenen „Schau“ geleitet (Praem.165) von allen Seiten und aus allen Ländern in die Heimat ihrer Väter und Vorväter zurückkehren.15 Dann würden die Ruinen wieder bevölkert, das verlassene Land bewohnt, die kinderlosen Frauen fruchtbar und sie alle wie durch eine das ganze Jahr fließende Quelle durch einen Strom an Reichtümern beschenkt, so dass für den Neid kein Platz mehr bliebe (vgl. Jes 60; 62,10 – 12). Ihre Feinde aber würden erkennen, dass sich ihre Abneigung nicht gegen unscheinbare und zu vernachlässigende, sondern gegen wohl geborene Menschen von hoher Abkunft gerichtet hätte, so dass sich alle Völker der Erde zu einem einzigen überaus zahlreichen Volk zusammenschließen würden (Praem.169 – 172; vgl. auch Q.Ex II.76). Kein Zweifel: Im Hintergrund dieser Erwartungen stehen die einschlägigen Prophezeiungen der biblischen Prophetenbücher wie z. B. Jes 45,22 – 25; 2,1 – 5 par Mi 4,15; Jes 62,10 – 12; Ez 37,25 – 28).16 Allerdings kann Philo den Ammonitern und den Moabitern keinen Platz in dieser neuen Menschheit einräumen, weil sie nach Dtn 23,4 – 7 mit ihren Nachkommen bis ins zehnte Glied aus der Gemeinschaft mit Israel ausgeschlossen sind (Leg.III.81; Post.177). Auffallend ist, dass Philo sich außer in einer Anspielung auf Num 24,7 in Praem.95 aller Anspielungen auf das Kommen eines Messias als dem Befreier seines Volkes enthält.17 Das dürfte sich kaum aus Rücksicht auf die römischen Oberherren erklären, denen derartige Äußerungen als antirömische Umtriebe erscheinen konnten, zumal die Juden im ganzen Römischen Reich ihren Status als religios licita, als „erlaubte Religion“, dem Kaiser Augustus verdankten und sie sich auch unter seinem Nachfolger, dem Kaiser Tiberius, in dieser Hinsicht 14 Colson, Philo IV (LCL 261), 557 sieht darin eine Anspielung auf Attische Redner und verweist auf die Parallele bei Demosthenes, Eubulides, 1300. 15 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 414 – 415. 16 Vgl. dazu Wolfson, Philo II, 407 – 410 und zum alttestamentlichen Hintergrund Kaiser, Eine Gott, 151 – 172. 17 Vgl. dazu Wolfson, 413 – 414: “Whether Philo believed that the final redemption will take place under the leadershup of a particular person such as is known in Jewish tradition as the Messaih is not clear. Nowhere in his writings is there any explicit mention of a personale Messiah. There are vague statemens, however, which may refer in such a Messiah.”
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Die unaufgelöste Spannung zwischen beiden Heilserwartungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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nicht zu beklagen hatten (Leg.Gai.153 – 161.311 – 313).18 Man muss sich zur Erklärung dieses Schweigens vielmehr daran erinnern, dass der ideale Staat in Philos Augen die von einem Hohenpriester geleitete Theokratie darstellte: In ihr ist neben dem Hohenpriester kein Platz mehr für einen Messias frei.19
21.3 Die unaufgelöste Spannung zwischen beiden Heilserwartungen Blicken wir zurück, so richtet sich die Hoffnung der Einzelnen auf die endgültige Rückkehr ihrer Seelen zu ihrem himmlischen Stern, während die Weltgeschichte nicht in einer Katastrophe endet, sondern in den ewigen Frieden aller Völker mündet, die nun vereint mit Israel den einen Gott als ihren Herren anerkennen, so dass ihm alle Menschen dienen. Dabei stehen die individuellen und die kollektiven Heilserwartungen insoweit in einer Spannung, als die kollektive in die individuelle umschlagen müsste, so dass die Allversöhnung und Allverklärung das Ende der irdischen Geschichte wäre. Aber diese Konsequenzen hat Philo in einer Zeit sich anbahnender Judenverfolgungen nicht gezogen, sondern sich mit der Aussicht zufrieden gegeben, dass sein Volk einst von allen Völkern anerkannt für sie als Priester walten würde.
18 Vgl. dazu R. Barraclough, Philo’s Politics, 486. 19 Zum priesterlichen Gesalbten in 4 Q PsMos und 4 Q541, dem kein königlicher zur Seite steht, vgl. J. Zimmermann, Messianische Texte, 268 – 277 und 310 – 311.
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22. Der denkende Glaube bei Philo und die natürlichen Wurzeln der Sittlichkeit und des Glaubens an Gott und des Menschen Unsterblichkeit
22.1 Philo als mittelplatonischer Denker Ehe wir uns dem zentralen Problem der Gültigkeit der selbstverständlichen Denkvoraussetzungen des philosophischen Glaubens und der philosophischen Ethik nähern, auf deren Grundlage Philo sein theologisches und ethisches System begründet hat, sei noch einmal an seine philosophiegeschichtliche Stellung erinnert: Sie ist 1. dadurch bestimmt, dass er in der Nachfolge und Umgestaltung des durch seinen alexandrinischen Vorgänger Eudoros begründeten Mittelplatonismus der erste Philosoph dieser Richtung ist, dessen Schriften überliefert sind.1 Möglicher Weise besaß er in dem Verfasser der Sapientia Salomonis einen Vorläufer. Denn auch ihm ging es wie Eudoros und Philo um die Lösung des Problems der Vermittlung zwischen dem transzendenten Gott und der Welt. Dabei haben die beiden jüdischen Theologien dem biblischen Schöpfungsglauben gemäß daran festgehalten, dass die irdische Welt einen zeitlichen Anfang besitzt.2 In der Frage, ob sie ein reales Ende findet, waren beide allerdings unterschiedlicher Meinung. Denn während der Verfasser der Sapientia Salomonis unter dem Einfluss der jüdischen Apokalyptik ein die Geschichte beendendes Weltgericht erwartete, in dem die Frevler dem ewigen Tod verfallen, während die Gerechten in das ewige Leben eingehen (Sap.Sal.5,6 – 15), hat Philo derartige Vorstellungen als erdichtet abgelehnt und mit der Unvergänglichkeit der von Gott am Anfang zusammen mit der Zeit erschaffenen Welt gerechnet. Da er gleichzeitig scharf zwischen dem transzendenten Gott als dem Grund der physischen Welt und der von ihm geschiedenen sichtbaren Welt unterschied, musste er sich von der stoischen Kosmologie absetzen, nach der die Welt als solche eine Erscheinungsform des materiell gedachten Gottes war (SVF.II.1027/LS 46 A)3, die jeweils nach einem
1 Vgl. dazu auch Runia, Philo and Timaeus, 501. 2 Vgl. dazu oben, 169 – 173. 3 Zum stoischen Dualismus, der den Geist nicht ohne die Materie denkt und so die Welt als ganzes zum Gott macht, vgl. J. Moreaux, l’ame, 160 – 161 und L.P. Gerson, God, 145 – 146 und zur Seele des Menschen als einer ihm von Gott selbst eingehauchter Kraft bei Philo Zeller, Geschichte III/2, 444 – 445.
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Weltenjahr in einem Weltenbrand untergehen und auf identische Weise wiederkehren sollte (vgl. Aet.35 – 51 mit SVF.II.605; LS 46).4
22.2 Die Theologisierung des philosophischen Denkens in der hellenistischen Philosophie und ihre Fortsetzung durch Eudoros und Philo Den platonischen Elementen in Philos Denken entspricht die bei ihm zu beobachtende Theologisierung: Schon sein unmittelbarer Vorgänger Eudoros hatte in Anknüpfung an Plat.Tht.146b1 – 3 die blo_ysir heoO/homoo¯sis theou¯, der bestmöglichen Angleichung an Gott nach dem Maß des dem Menschen Möglichen zum Ziel des Lebens erklärt (Eudoros frg.25 Mazz.). Philo hat das in Fug.63 mit vollem Zitat des Platontextes übernommen. Die Tendenz zur Theologisierung des Denkens hatte bereits in den Lehren der beiden ersten Schulhäupter der platonischen Akademie Xenokrates (396 – 314)5 und Polemon (Schulhaupt von 314 – 265)6 begonnen und war dann auch von den Vertretern der mittleren Stoa Panaitios und Poseidonios aufgenommen worden.7 Aber auch die anhaltende Hochschätzung der der eqs´beia/eusbeia, der Frömmigkeit, von Platon bis hin zu Theophrast und Poseidonios darf in diesem Zusammenhang nicht übergangen werden. Für Platon stand es fest, dass kein Verhalten verdienstvoller sei als die Frömmigkeit gegen die Götter und gegen die Eltern (Pol.615c 3 – 5), weil beide für das Wohlergehen der Polis unentbehrlich seien (Leg.IV.717a2–b5).8 Aristoteles hat sie seiner einzigen Erwähnung in Virt.Vit.1250b22 24 an die Spitze aller Tugenden gestellt und noch Theophrast9 und Poseidonios10 haben ihr ein eigenes, leider verlorenes Buch gewidmet. Da sich Philo auch der pythagoreisch-platonischen Lehre vom Leib als Grab der Seele angeschlossen (Leg.I.108)11 und ihrer Erlösung in der Kette der Wiedergeburten zu eigen gemacht hatte,12 bekam sein philosophisches Denken ein zusätzliches religiöses Element, das sich mit seiner Tätigkeit als 4 Dass Nietzsches im Zarathustra entwickelte Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen aus einer stoischen Quelle schöpft, sei immerhin angemerkt. 5 Vgl. dazu J .Dillon, Heirs, 136 – 142. 6 Vgl. dazu Dillon, 160 – 162. 7 Vgl. dazu Steinmetz, Stoa, 657 – 658 und 692. 8 Vgl. auch Pseud.Plat.Epin.989b1 – 2 und Def.412e14 – 413a 2. 9 Die Schrift De Pietate ist verloren, lässt sich aber dank ihrer ausführlichen Benutzung in Porph.Abst. rekonstruieren; vgl. Wehrli, Peripatos, 492 – 493. 10 De Deis; vgl. frg. Kidd 20 – 23. 11 Vgl. auch Somn.I.181 und dazu Plat.Gorg,493a 1 – 3; Crat.400c 10 und Dalfen, Gorgias, 368 – 369. 12 Vgl. dazu oben, 261 – 263.
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Der denkende Glaube bei Philo
Ausleger der Thora unschwer vereinbaren ließ, zumal er Divergenzen mittels allegorischer Auslegungen beseitigen konnte. Weiterhin macht sich bei Philo ein gezügelter, aber trotzdem unübersehbarer asketischer Zug bemerkbar, der sich in den nächsten Jahrhunderten verstärken und schließlich zum mittelalterlichen Mönchtum überleiten sollte.13
22.3 Philos Lehre von der doppelten Schöpfung der Welt In einer für sein ganzes Denken grundlegenden Weise hat er das mittelplatonische Problem der Vermittlung zwischen dem transzendenten Gott und der immanenten Welt wohl unter Abwandlung des einschlägigen stoischen Konzeptes dem Logos, der göttlichen Vernunft, zugeschrieben, die den unendlichen qualitativen Abstand zwischen dem jenseitigen Gott und der Welt überbrückte. Konkret ist seine Kosmologie als eine Adaption der in Platons Timaios entwickelten an die beiden biblischen Schöpfungsberichte in Gen 1,1 – 2,4a und 2,4b – 3,24 zu beurteilen.14 Denn er deutete den ersten Schöpfungsbericht als den von der Erschaffung des Modells der endlichen Welt im Geist Gottes, während er den zweiten in eigentümlichen Überschneidungen mit dem ersten auf die Schöpfung der realen Welt bezog. Dabei legte er das Gott in Gen 1,26a in den Mund gelegte „Lasst uns Menschen machen…“ dahingehend aus, dass der transzendente Gott als Inbegriff des Guten keine Verantwortung für das im Menschen wohnende Böse besitzt, weil Gott untergeordnete Geister an der Menschenschöpfung beteiligte. Daher ist Gott selbst nur die Quelle der tadelsfreien Gedanken und Taten des Menschen, während die Geister für seine entgegengesetzten verantwortlich sind (Opif.75).
22.4 Philos Lehre von den Tugenden und Gütern Philos Lehre von den Tugenden entsprach grundsätzlich dem allgemeinen Denken der klassischen griechischen und der hellenistischen Epoche, doch hat er die klassische Zahl der vier Tugenden der Klugheit, Selbstbeherrschung, Tapferkeit und Gerechtigkeit durch eine Reihe weiterer ergänzt, zu denen außer der schon bei Platon begegnenden eqs´beia/eusbeia, der Frömmig13 Vgl. dazu O. Seeck, Untergang III, 139 – 174; P. Brown, Late Antiquity, 54 – 80, ders., Body and Society, passim und ders., Augustine, 108 – 120 und 123 – 128. 14 Vgl. dazu zusammenfassend Runia, 412 – 475 und zu Philos Benutzung von Timaios-Kommentaren 479 – 501.
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Philos Abgrenzungen von der Stoischen Philosophie 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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keit15, die ihrerseits die Zwillingsschwester der vikamhqyp_a/philanthro¯pa, der Menschenliebe (Virt.51 – 174), weiterhin die let²moia/metnoia, die Umkehr oder Buße (Virt.175 – 186) und die eqc´maia/eugnaia, die edle Abkunft (Virt.187 – 227) gehören. Dagegen war seine krasse Gegenüberstellung von Tugend und Laster durch die stoische Philosophie bestimmt.16 Ebenso hat er im Anschluss an die stoische Oikeiosislehre zwischen angeborenen sittlichen Regungen (jat¶jomta/kathe¯konta) und den eigentlichen sittlichen Pflichten (jahoqh¾lata/kathortho¯mata) unterschieden.17 Dagegen hat er die stoische Güterlehre von den Adiaphora (!di²voqa) oder belanglosen Gütern im Rahmen einer Lehre von den unterschiedlichen Aufgaben der Lebensalter unter platonischem Einfluss entkrampft und menschlicher ausgestaltet:18 Die Jugend hat ein Recht, sich an den Lüsten und leiblichen Gütern zu freuen, sonst würde die Menschheit aussterben. Der Erwachsene aber soll seinen Besitz wie ein Gemeingut verwalten und vermehren, der reife Mann sein Leben in den Dienst der Polis stellen und dabei Ruhm und Ehre nicht verachten, weil sonst Schlechtere die Ämter einnähmen. Auch ein Affekt wie der Zorn können unter bestimmten Bedingungen der Selbstverteidigung oder der Erziehung dienen.19 Erst, wer die Lebensstadien vom Kind bis zum reifen Mann durchlaufen und die ihm jeweils mit ihnen verbundenen Aufgaben in vorbildlicher Weise erfüllt hätte, dürfe das Denken an die himmlische Heimat seiner Seele in den Mittelpunkt rücken und sich einem meditativen Leben hingeben.20
22.5 Philos Abgrenzungen von der Stoischen Philosophie So intensiv sein Denken durch die stoische Unterscheidung zwischen Tugend und Laster bestimmt war, so deutlich hat er sich doch in vier Punkten von ihrer Anthropologie und Ethik abgegrenzt: 1. hat Philo als Ausleger der Thora anders als Aristoteles und die Stoiker nicht zwischen den Phänomenen der Wahl- und Willensfreiheit unterschieden, sondern an der vollen Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun und die in seiner Macht stehende Bereitschaft zur Umkehr festgehalten, so lange ihm Gott dafür Zeit lässt. Entsprechend hat Philo die Weisen in die Pflicht genommen, die an der Knechtschaft der Sünde Leidenden von ihr zu befreien und auf den Weg zu Gott und damit den Weg der Tugend zurückzuführen. 2. hat er als Platoniker die Unsterblichkeit der Seele der Gerechten und die Seelenwanderung als Möglichkeit der Besserung vertreten, während die 15 16 17 18 19 20
Plat.Eutyphr.13b4, Rep.X.615c3; Leg.IV.717b.1; vgl.Ps.Plat.Def.412e14 – 413a2. Vgl. dazu oben, 215 – 219. Vgl. dazu oben, 219 – 220. Vgl. dazu oben, 238 – 240. Vgl. dazu oben, 240 – 241. Vgl. dazu oben. 240.
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Der denkende Glaube bei Philo
Stoiker in der Regel nur mit einem kurzfristigen Überleben der individuellen Seelen nach dem Tode (SVF.II.809/LS 53 W) und ihrer identischen Wiederkehr in den künftigen Weltperioden rechneten. 3. hat er die von Gott geschaffene Welt für ewig gehalten und demgemäß ebenfalls anders als die Stoiker nicht mit der ewigen Wiederkehr des Gleichen in einander ablösenden Weltperioden gerechnet ( SVF.II.625/LS 52 C). 4. hat er den ethischen Rigorismus der stoischen Seelen- und Güterlehre unter platonischen Einflüssen abgemildert, indem er den Affekten ihr begrenztes Recht einräumte und der Lust einen notwendigen Raum im Leben der Jünglinge zuwies.
22.6 Philos Lehre als Urbild des denkenden Glaubens Blickt man auf die philosophischen Lehren ganz unterschiedlicher Herkunft, deren sich Philo als Hilfsmittel für seine Existenz- und Weltauslegung bedient hat, so kann man ihn einen Eklektiker nennen. Denn er hat sich keiner der von ihm übernommenen philosophische Lehren ganz angeschlossen, sondern sie mehr oder weniger abgewandelt, indem er sie in den Dienst der Einheit seiner eigenen Botschaft von dem lebendigen Gott gestellt und ausgestaltet hat. Daher erweist sich seine Lehre als Urbild der Theologie, die ihrem Wesen nach denkender Glaube ist, der sich zur Welt- und Existenzerhellung philosophischer Konzepte bedient, soweit sie das Herzstück seines Glaubens an den lebendigen Gott nicht in Frage stellen.
22.7 Philo als Ausleger der Thora Aber alles, was wir bisher in diesem Kapitel zusammengestellt haben, schwebte über den Tatsachen, wenn wir nicht nachdrücklich daran erinnerten, dass Philo seine Lehren vor allem als Auslegungen der Thora vorgelegt hat. Aufgrund seiner Überzeugung, dass sie als göttlich inspirierte Schriften keine erdichteten Erzählungen (Mythen) enthielt, legte er die dieser Gattung entsprechenden Texte als Allegorien aus, weil es sich bei ihnen nach seiner Überzeugung um entsprechend verschlüsselte theologische, kosmologische oder anthropologische Aussagen handele. Er war davon überzeugt, mit diesem Verständnis den eigentlichen Sinn der Texte zu entschlüsseln. Andererseits war er besonnen genug, um gegebenenfalls zwischen Wortsinn und Allegorischer Bedeutung zu unterscheiden, wie er es in seinen mittleren und späteren Kommentaren getan hat.21 Dass die hellenistische allegorische Bibel21 Vgl. dazu oben, 161 – 166.
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Das Problem der Harmonie zwischen den Gesetzen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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auslegung durch das Vorbild der stoischen Homerauslegung angeregt worden ist und damit ebenfalls den wissenschaftlich anerkannten Methoden seiner Zeit entsprach, sei noch einmal in Erinnerung gerufen.22
22.8 Philos Aussagen über Land und Leute und die Natur als Spiegel der wissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit Über seiner Eigenschaft als theologischer Lehrer darf man seine Kenntnisse über Länder, Menschen, Tiere und Pflanzen nicht stillschweigend übergehen, wie sie sich in den zahlreichen in seine Traktate eingestreuten Vergleichen spiegeln. Unsere Nachprüfung in den Kapiteln 3 – 10 hat ergeben, dass er mit ihnen nicht nur den landläufigen Meinungen sondern auch den wissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit entsprochen hat. Daher können wir ihn mit Recht als einen universal gebildeten Gelehrten bezeichnen.
22.9 Das Problem der Harmonie zwischen den Gesetzen der Natur und der Thora Wir haben bei unserer Untersuchung von Philos exegetischen Grundsätzen im Anschluss an Charles A. Anderson festgestellt, dass Philo die ungeschriebenen Gesetze der Natur sachlich den Rechtsbestimmungen der Thora vorgeordnet hat.23 Dabei ging er von der Voraussetzung aus, dass die Gesetze der Natur und die konkreten mosaischen Rechtssätze miteinander harmonieren (Opif.3). Daher gehorche, wer die Gesetze der Thora befolge, zugleich dem Gesetz der Natur (Spec.I.155). Trotzdem hat er sich z. B. im Fall des unfreiwilligen Mörders, der nach dem Gesetz der Natur den Tod verdient hätte, zugunsten der Bestimmung der Thora in Num 35,25 entschieden, wonach sich der Todschläger bis zum Tod des amtierenden Hohenpriesters in einer der Freistädte aufhalten und dadurch der Blutrache entziehen konnte (vgl. Spec.III.128 – 136).24 In ähnlicher Weise hat Philo zwar den Unterschied zwischen den Herren und ihren Sklaven für zufällig erklärt, weil sie von Natur aus alle Menschen frei seien (Spec.III.137) und entsprechend zustimmend berichtet, dass bei den Essenern alle Menschen als von Natur frei und vor Gott gleich behandelt würden (Prob.79). Daher hat er sich konsequent für eine menschliche Behandlung der Sklaven eingesetzt. Das hinderte ihn aber nicht daran, 22 Vgl. dazu oben, 157 – 158. 23 Vgl. dazu oben. 149 – 151. 24 Vgl. dazu Anderson, Physical World, 140.
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Der denkende Glaube bei Philo
das Institut der Sklaverei als solches zu tolerieren und die fragwürdige Rechtsbestimmung in Ex 21,17 kommentarlos mitzuteilen, nach der ein Sklavenbesitzer straflos blieb, wenn ein von ihm geprügelter Sklave erst am zweiten Tag nach seiner Züchtigung starb.25 Offenbar sind die Gesetze der Natur und das kodifizierte Recht nicht so deckungsgleich, wie es sich der Theorie nach verhalten sollte. Dabei liegt das Defizit auf Seiten des geschichtlich gewachsenen und bestimmte konkrete gesellschaftliche Verhältnisse schützenden Rechts. Im Blick auf die gegenwärtige Rechtswirklichkeit lässt sich feststellen, dass neben dem Prinzip der Gleichheit aller vor dem Recht in der staatlichen Verwaltung und wirtschaftlichen Organisation die konkreten Rechte von der jeweiligen Stellung und deren Kompetenzen abhängen. Wollte man auch in diesen Bereichen allen Mitarbeitern die gleichen Rechte erteilen, würden Staat und Gesellschaft im Chaos versinken. Auch das Rechtsdenken ist das Denken endlicher Menschen, die denkend und handelnd ihrer konkreten Situation verpflichtet sind. Philo ist dabei in die Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit eingetreten und erinnert auf diese Weise seine Leser daran, dass sie für ihre eigene Situation die nötige Entscheidungen fällen und vielleicht auch die nötigen Kompromisse eingehen müssen; denn das jeweilige positive Recht ist als solches zeitgebunden und daher als Ganzes nicht deckungsgleich mit dem ungeschriebenen Recht der Natur.
22.10 Die anthropologische Voraussetzungen der Ethik Die Stoiker waren durchaus im Recht, als sie im Rahmen ihrer Oikeiosislehre zwischen dem allen Tieren und Menschen gemeinsamen instinktiven sozialen Verhalten und den besonderen sich aus seinem Besitz der Vernunft erhebenden sozialen Pflichten unterschieden und damit die Konsequenzen aus dem seit Platon prinzipiell anerkannten dreischichtigen Aufbau der Seele zogen.26 Denn alle Rechtsbestimmungen und ethischen Appelle setzen diese doppelte Veranlagung des Menschen stillschweigend voraus, um aus ihnen die entsprechenden Folgerungen zu ziehen. Werden sie in einen religiösen Kontext eingeordnet, so werden die aus ihnen abgeleiteten Pflichten als göttliche Forderungen ausgelegt und durch entsprechende Sanktionen gesichert. Daher stellte Philo der Nachweis, dass es sich bei den Rechtssätzen des Pentateuchs um Ausformungen des ungeschriebenen Rechts bzw. des Gesetzes der Natur handelt, vor keine grundsätzlich unlösbaren Probleme. Wenn die aus der antiken Vulgärethik stammende und in hellenisticher Zeit vom Judentum übernommene „Goldene Regel“ das richtige Handeln am Anderen als an dem Nächsten auf die positive Formel bringt, den Anderen so 25 Vgl. dazu oben, 110. 26 Vgl. dazu oben, 216 – 217.
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zu behandeln wie man selbst behandelt werden will27, so steht die anthropologische Einsicht im Hintergrund, dass jeder Mensch sich von Natur aus selbst liebt. Noch ehe eine der klassischen Formeln im Pentateuch auftaucht, gab es Einzelvorschriften die auf denselben Status des Angeredeten mit der Person hinwiesen, die Ziel seines Handelns ist (vgl. Dtn 15,13 – 14 und Spec.II.82 – 85). Zudem waren die Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe als solche fest im Pentateuch verankert: Nach dem Schema, dem „Höre Israel“ in Dtn 6,5 soll Israel seinen Gott von ganzem Herzen und von ganzer Seele und mit allen Kräften lieben (vgl. auch Dtn 11,1 und 13,1).28 Dem Gebot der Liebe zu Gott entspricht das der Liebe zum Nächsten in Lev 19,18. Es ist seinem Kontext gemäß ein Gebot zur Feindesliebe29, in das nach Lev 19,34 (vgl. Virt.102 – 103) wiederum auf Grund einer Identität des Angesprochenen mit dem Objekt seines Handelns der Gastbürger und d. h. den im Land weilenden Ausländer einbezogen werden soll. Die Goldene Regel selbst ist im Hellenistischen Judentum zuerst im Aristeasbrief 207 und in Tob 4,15 überliefert. Im Hintergrund steht die Erfahrung, dass der Andere der Andere meiner selbst ist, aus der in der Regel die Folgerungen für das eigene Handeln gezogen werden. Daher wird diese Regel in Mt 7,12 zur Summe des Gesetzes und der Propheten erklärt und damit zugleich das erstmals in Lev 19,18 vorliegende Gebot der Nächstenliebe begründet: Es wurde bekanntlich von Jesus aus der jüdischen Tradition übernommen, in der es bereits mit dem Gebot der Liebe zu Gott zu einem Doppelgebot verbunden war (vgl. Mk.12,31 par Lk.10,27 und Mt.22,37 – 39):30 Aus der Solidarität der Menschen als den Geschöpfen Gottes ergibt sich die Forderung der unbegrenzten Solidarität der Menschen untereinander und mithin das Gebot der Feindesliebe. Wäre das Gottvertrauen größer als die Angst als dem Motor des Strebens nach Herrschaft und Macht, sähe die Geschichte der Menschheit mit Philo31 anders aus, als sie tatsächlich verlaufen ist. Internationale Abkommen zum Schutz des Rechts auf Leben und Auskommen suchen die öffentlichen Auswüchse des Egoismus zu steuern. Aber die Haltung des Einzelnen hängt davon ab, ob er seine Daseinsängste überwindet und damit Gott mehr vertraut als er die Anderen fürchtet. Die Tatsache, dass der Mensch von Natur aus ein Gemeinschaftswesen ist, spiegelt sich darin, dass es sich bei den Akten des Vertrauens, der Barmherzigkeit, der Aufrichtigkeit und der Wahrhaftigkeit mit Knud E. Løgstrup um spontane Daseinsäußerungen handelt. Sie gehen allen gesetzlichen Geboten und ethischen Regeln voraus und sind an konkrete Situationen gebunden, in 27 28 29 30
Zu ihrem Ursprung vgl. A. Dihle, Goldene Regel, 80 – 82. Zum Schema vgl. z. B. Timo Veijola, Das Bekenntnis Israels, 82 – 93. Vgl. dazu H.-P. Mathys, Liebe deinen Nächsten, 67. Zu ihrem Charakter als ein aus der antiken Vulgärethik übernommenes Lehen vgl. Dihle, 82 – 84 und zum jüdischen Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe und seinen Spielarten vgl. auch A. Nissen, Gott und der Nächste, 230 – 244. 31 Vgl. dazu oben, 104.
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denen sich der Einzelne sittlich und d. h. als Gemeinschaftswesen bewähren muss.32 Sittlich verantwortliches Handeln ist mithin einerseits biologisch und andererseits existential bedingt. Das Mitsein ist die Bewährung des Selbstseins.33 Die biologische Wurzel wird in der existentialen Bestimmung des Menschen aufgehoben und zu ihrem Ziel gebracht. Deutet man den Akt der Selbstübernahme der eigenen Endlichkeit als einen solchen des impliziten Gottvertrauens, ist der Kreis des Denkens geschlossen, der von der Natur über die Existenz zu Gott führt.34
22.11 Die exzentrische Positionalität des Menschen im Jetzt und Hier und die Erschließung seiner Innenwelt, Außenwelt und Mitwelt Aber nicht nur die Ethik, sondern auch die Religion besitzt eine anthropologische Grundlage. Um das zu belegen, bedarf es des Eingehens auf die Studie von Helmuth Plessner „Die Stufen des Organischen und der Mensch“, deren erste Auflage 1927 und damit im selben Jahre wie Heideggers „Sein und Zeit“ erschienen ist. Man kann sie durchaus als eine Aktualisierung der Stoischen Oikeiosislehre betrachten, weil sie die Daseinsweisen des Lebendigen überhaupt und mithin Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der Pflanzen, Tieren und schwerpunktmäßig der Menschen untersucht. Dabei erweist es sich, dass die Pflanzen eine offene und die Tiere eine geschlossene Organisationsform besitzen. Diese wird durch Zentralität und Frontalität bestimmt und zeichnet sich durch Intelligenz und Gedächtnis aus. Die Besonderheit des Menschen beruht auf seiner exzentrischen Positonalität (Stellung) im Jetzt und Hier. Sie zeigt sich darin, dass das Bewusstsein des Menschen nicht an das Jetzt und Hier gebunden ist, sondern er sich erinnernd in die Vergangenheit zurückversetzen und planend, hoffend oder sich ängstigend in die Zukunft ausgreifen kann. In beiden Fällen befindet sich der Mensch außerhalb seiner innerweltlichen Situation, so dass er über dem Nichts schwebt. Aufgrund dieser Position besitzt der Mensch eine Außenwelt, eine Innenwelt und eine Mitwelt.35 Als Teil der Außenwelt besitzt er einen Leib. In der Distanz zu seiner Leiblichkeit erschließt sich ihm seine Innenwelt, so dass er sich als er selbst begreift. In der verbleibenden Spannung zur Außenwelt entdeckt er den Anderen als ein Du.36 Die Möglichkeit, sich selbst in einer Außenwelt zu objek32 Vgl. dazu K. E. Løgstrup, Norm und Spontaneität, 6 – 36, bes. 35 – 36 und dazu J.Chr. Pöder, Evidenz, 50 – 68. 33 Vgl. dazu M. Heidegger, Sein und Zeit, 123: „Als Mitsein ,ist‘ daher das Dasein wesenhaft umwillen Anderer.“ Vgl. dazu G. Figal, Martin Heidegger, 118 – 123. 34 Zur Geschichte der natürlichen Theologie vgl. umfassend J. Barr, Biblical Faith, 21 – 173. 35 Plessner, Stufen, 293 – 297. 36 Plessner, Stufen, 300.
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Das Dasein zum Tod als Voraussetzung des Glaubens 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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tivieren, beruht auf dem Geist, der ihm auch sein Mitsein erschließt. Als Lebewesen besitzt er eine Seele, aber seine Kommunikation mit Anderen setzt die Sphäre des Geistes voraus.37 Denn Mitwelt wird durch die Sphäre des Geistes konstituiert, die ihn als Gemeinschaftswesen zur Kommunikation mit Anderen in die Lage versetzt. Das Tier steht zwar ebenfalls in einem Mitverhältnis, doch bleibt ihm dessen Art verborgen.38 Aufgrund dieser gespaltenen Ständigkeit seines auf ihn zentrierten In-derWelt-Seins und seiner exzentrischen Positionalität, ist er anders als das Tier nicht fraglos in seine Welt eingebunden, sondern besitzt er eine Welt, in der er sich aufgrund seiner technischen Fähigkeiten seine Umwelt planend und wirkend unterwirft und auf diese Weise sein Leben erhält und ausgestaltet. In diesem Sinne ergänzt die von ihm geschaffene Kultur die Natur so, dass sie zu seinem Lebensraum wird.39
22.12 Das Dasein zum Tod als Voraussetzung des Glaubens an Gott Trotzdem ist und bleibt der Mensch ein endliches Wesen, das sich als solches vor dem eigenen Tod ängstigt und damit den Sold für die Bodenlosigkeit seiner exzentrischen Position bezahlt. Denn wenn er sich fragt, wo er steht, lautet die Antwort: „Über dem Nichts!“40 In allen Ängsten fühlt sich der Mensch ihm ausgesetzt und nimmt er seinen Tod vorweg, der allem Erinnern, Wirken und Planen ein Ende setzt und ihn seiner Welt beraubt. Gewiss hat Plessner Recht, wenn er in dieser Erfahrung den Ursprung des Gottesgedankens sucht: „An der eigenen Haltlosigkeit, die dem Menschen zugleich den Halt in der Welt verbietet und ihm als Bedingtheit der Welt aufgeht, kommt ihm die Nichtigkeit des Wirklichen und die Idee des Weltgrundes – Exzentrische Positionsform und Gott als das absolute, notwendige, weltbegründende Sein stehen in Wesenskorrelation.“41
Doch es gibt bei dem Stehen über dem Nichts durchaus zwei Möglichkeiten, die eine belässt es bei der Auskunft, dass es das absolute Nichts gibt und der 37 Plessner, 306 – 306. 38 Plessner, 307. 39 Plessner, 320 – 321. Man kann alle technischen Errungenschaften als Mittel bezeichnen, die Halbheit des Menschen, seine Nacktheit und Gleichgewichtslosigkeit auszugleichen und dann die Kunst als Inbegriff dieses Ausgleichs bewerten. . 40 Plessner, 292: „Ortlos-zeitlos ermöglicht das Erlebnis seiner Ort- und Zeitlosigkeit als des außerhalb seiner selbst Stehens, weil der Mensch ein lebendiges Ding ist, das nicht mehr nur in sich selbst steht, sondern dessen ,Stehen in sich‘ Fundament seines Stehens bedeutet Er ist in seine Grenze gesetzt und deshalb über sie hinaus, die ihn, das lebendige Ding begrenzt. Er lebt und erlebt nicht nur, sondern er erlebt sein Erleben.“. 41 Plessner, 345; vgl. auch 342, wo er diese letzte Heimat gebende Bindung schenkende Kraft des Glaubens anerkennt, sich aber um der Wahrhaftigkeit willen gegen sie entscheidet.
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Tod dementsprechend das absolute Ende ist. Ihr entspricht die moderne ästhetische Haltung, die angesichts der Aussichtslosigkeit des eigensten Daseins den Schleier der Kunst über den Abgrund breitet. In diesem Sinne hat Nietzsche angesichts der Unausweichlichkeit des Nihilismus nach dem Tode Gottes42 die Kunst als „die große Ermöglicherin des Lebens und die große Verführerin zum Leben, das große Stimulanz zum Leben“ bezeichnet (Wille zur Macht Nr. 853.2). Kehren wir noch einmal zur Situation des Menschen angesichts des ihn erwartenden Nichts zurück, so gibt es für ihn eigentlich nur eine einzige positive Möglichkeit (denn die Verdrängung rächt sich durch eine Steigerung der Ängste). Sie besteht darin, die eigene Endlichkeit entschlossen zu übernehmen. In der entschlossenen Selbstübernahme der eigensten Endlichkeit wird aus der Unvermeidbarkeit des Todes wie bei den Stoikern die Freiheit zum Tode43, der seine Schrecken verloren hat, weil die Angst einer Gelassenheit weicht, die mit dem Frieden identisch ist, den die Welt nicht zu geben vermag (Joh 16, 33). Diese Selbstübernahme ist daher ihrem eigentlichen Wesen nach eine Selbstübergabe an Gott als den geheimen Grund des Daseins. Er beantwortet sie mit einer Gelassenheit, die den Frieden des Eingehens in Gott vorwegnimmt. So verwandelt sich die Bodenlosigkeit des Abgrundes der Existenz in ihren tragenden Grund, den wir der Sprache der Väter gemäß Gott nennen: Gottes nie endende Gegenwart bewirkt die Gelassenheit des Daseins. In seltenen Augenblicken kann sich dieser Friede als ein Aufgehen in einem übersinnlichen Licht ereignen, in dem Gott alles in allem ist und eine unendliche Freiheit herrscht, die nichts als Seligkeit ist.
22.13 Philos Verständnis der Gottessschau als Vorspiel der Heimkehr der Seele zu Gott Das ist eine mystische Erfahrung, und mit ihr hat sich der Kreis unsere Überlegungen geschlossen und wir sind wieder bei Philo angelangt, der wiederholt auf die Möglichkeit der Erhebung zur Gottesschau hingewiesen hat (vgl. Q.Ex II.29; Her 63 – 74; Vit.Cont.10 – 12).44 Sie bleibt freilich ein mo-
42 Vgl. Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft III. Nr. 125 (KGA V/2), 158 – 160 = KSA III480 – 482. 43 Vgl. dazu Heidegger, Sein und Zeit § 53, 266, der 264 aus dieser Freiheit das Verstehen des Daseins als Mitsein ableitet, was jedenfalls auch zutrifft, weil der gelassene Mensch nicht nur frei von der Angst des Todes sondern zugleich frei für den Anderen wird. 44 Zu Q.Ex 29 vgl. C. Noack, Gottesbewusstsein, 221 – 233, zum ekstatischen Gottesbewusstsein P. Tillich, Systematische Theologie I, 135 und zu Her.63 – 74 Noack, 226 – 232.
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mentanes Erleben, das auf die endgültige Heimkehr der Seelen der Gerechten zu Gott verweist.45
22.14 Philo als menschenfreundlicher Lehrer für ein gelingendes Leben So hat sich unser Bild von Philo als einem Weisen abgerundet, der wusste, dass kluges Abwägen, entschlossenes Vollbringen, eine unterschiedliche Ansprüche ausgleichende Weisheit und die Ehrfurcht vor Gott die Grundbedingungen gelingenden Lebens sind, weil Gott der tragende Grund und das Ziel des menschlichen Lebens ist. Er hat seine ethische Botschaft auf diese Weise dem Denken seiner Zeit gemäß im Rahmen der Tugendlehre vertreten und das auf eine sehr menschliche Weise, die ihm die Zuneigung des späten Lesers sichert. Gewiss war er, was ihn ehrt, ein Rationalist, aber einer, der trotzdem am Wunder der Offenbarung der Tora und dem ihrer griechischen Übersetzung und damit an dem der Erwählung Israels festhielt, weil er von dem Wunder des Glaubens an Gott her dachte. Darüber hinaus war er, wie jeder, der unbefangen die Probleme der Existenz zu Ende denkt und dadurch vor die letzten Fragen gestellt wird, auf die es für endliche Wesen keine Antwort gibt, nicht nur ein frommer Mann sondern auch ein Mystiker.
22.15 Der Exeget Philo als Wegbereiter der allegorischen Auslegung der Bibel in der Alten Kirche und der Kirche des Mittelalters Der Philologe hat damit seine Aufgabe gelöst und Philos Leben, Werk und Denken vorgestellt. Da das hellenistische Judentum die beiden Aufstände der Jahre 65 – 70 und 132 – 135 nicht überlebt hat, verdanken wir die Erhaltung seiner Schriften den Kirchenvätern und besonders Clemens von Alexandrien, Origenes und Euseb von Nikomedien. Von ihm führt eine Spur in den Osten zur Armenischen und über Ambrosius von Mailand zur Westlichen Kirche. Doch dies zu behandeln, sei den dafür zuständigen Kirchengeschichtlern überlassen. Der Exeget aber erinnert abschließend daran, dass Philo mit seinem Festhalten an der gleichnishaften Rede vom persönlichen Gott und seiner Deutung der biblischen Texte mittels einer philosophischen Welt- und Existenzerhellung das Urbild aller nachfolgenden Theologen darstellt. Denn 45 Vgl. dazu oben, 262 und zum Glauben an wiederholte Erdenleben M. von Brück, Ewiges Leben, 291 – 305.
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Der denkende Glaube bei Philo
Theologie ist denkende Rede von Gott und denkende Rede von Gott ihrem Wesen nach Religionsphilosophie.
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23. Philo und das Neue Testament 23.1 Der Problemhorizont Fragt man nach den Beziehungen zwischen Philo und dem Neuen Testament, so wird man einerseits auf Parallelen zwischen Philos Vorstellungen vom Seelentod, der Rückkehr der Seelen in die himmlische Welt und von der Entrückung in den beiden Korintherbriefen des Apostels Paulus und andererseits an die von der kosmischen Rolle des Hohenpriesters und ihre Entsprechung im Hebräerbrief und schließlich an die Lehre vom Logos als Schöpfungsmittler bei Philo und im Johannesprolog zu erinnern haben. Letztere hat in der Alten Kirche zu einer christologischen Diskussion über die Rolle Jesu Christi als dem Logos geführt, die erst im Nicaenum von 325 bzw. im Nicaeno-Constantinopolitanum von 385 ihr Ende gefunden hat und bis heute das Bekenntnis der Christlichen Kirche bestimmt.
23.2 Astraler Unsterblichkeitsglaube und christliche Auferstehungshoffnung oder Philo und Paulus Widmen wir uns an erster Stelle den Parallelen zwischen den Vorstellungen Philos und des Apostels Paulus über das Schicksal der Seele nach dem Tod, so ist vorab daran zu erinnern, dass es in späthellenistischer Zeit zwei miteinander konkurrierende Vorstellungen über die Unsterblichkeit gab: Von ihnen war die eine die weit aus Ägypten bis an den Rhein vordringende Isis-Religion, die ihren Mysten dank ihrer Identifikation mit Osiris die alljährliche Wiedergeburt oder die Unsterblichkeit verhieß.1 Die andere lässt sich zuerst in Plat.Tim.41d–42d nachweisen: Nach ihr schuf der Demiurg soviel Seelen wie es Sterne gibt.2 Zu ihnen dürfen die Seelen der Gerechten nach der ihnen zugewiesenen Lebenszeit zurückkehren, um dort ein seliges Leben zu führen. Diese Lehre von der astralen Heimat der Seelen hat sich durch die ihr anhängenden zahlreichen syrischen Kaufleute und Sklaven rund um das Mittelmeer verbreitet.3 Philo hat diese Lehre als Mittelplatoniker aus Platons Timaios übernom1 Vgl. dazu M.P. Nilsson, Geschichte II, 624 – 640, bes. der griechischen. 2 Vgl. dazu oben, § 21 und zu Platons Lehre vom Leben nach dem Tode und der Reinkarnation A. Drozdek, Athanasia, 210 – 228. 3 Vgl. auch dazu F. Cumont, Orientalische Religionen, 94 – 123, bes. 114 – 119.
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Philo und das Neue Testament
men.4 Nach ihm kehren die Weisen nach ihrem Tode für immer zu ihrem Stern zurück (Plant.21 – 22; Her.283; Spec.IV.115), um dort Gott zu schauen (Praem.39 – 40), während die durch und durch Schlechten in der Tiefe der Unterwelt enden und mithin den Tod ihrer Seelen erleiden (Leg.I.105 – 107). Zwischen beiden steht eine dritte Gruppe, die durch ihr besseres Ich nach oben und ihr schlechteres nach unten gezogen wird, so dass sie die Rückkehr in die himmlischen Gefilde abbricht und zur Erde zurückkehrt (Gig.14 – 15; Somn.I.151). Aber daneben gab es nach Philos Erfahrung auch noch die ganz andere Möglichkeit, die irdische und die himmlische Welt zu übersteigen und Gott selbst zu schauen (Her.70). Suchen wir bei dem Apostel Paulus nach entsprechenden Parallelen, so ist einerseits auf seinen Bericht über den Tod der Seele in Röm 7,7 – 25 zu verweisen, der nicht autobiographisch, sondern paradigmatisch zu verstehen ist,5 und andererseits an den von seiner Entrückung in den Himmel in II Kor 12,1 – 10 zu erinnern.6 Wenden wir uns seiner Botschaft von der Auferstehung der Toten in I Kor 15 zu, so entspricht ihre Unterscheidung zwischen den irdischen oder natürlichen und den himmlischen oder geistigen Leibern in den V.35 – 49 als solche der Philos zwischen den inkarnierten irdischen und den erlösten himmlischen Leibern. Der Glaube an die Rückkehr der Seele der Gerechten in die Sternenwelt gehörte allerdings nach z. B. 1Hen 104,1 – 27 und Dan 12,38 zum Arsenal der jüdischen Apokalyptik.9 Die Unterscheidung zwischen dem irdischen und dem himmlischen Menschen selbst wird bei Philo in einem anderen Zusammenhang bedacht als in 1Kor 15: Denn während Philo in seiner Auslegung der beiden mit der Erschaffung des Menschen befassten Texten Gen 1,26 – 27 bzw. 2,7 in Leg.I.31 – 32 zwischen dem nach dem Ebenbild Gottes entstandenen himmlischen Menschen und dem aus Erde gemachten Menschen und mithin zwischen der in Gottes Idee und Gottes real erschaffener Welt unterschied, ging es dem Apostel in 1Kor 15,49 darum, dem irdischen, aus Erde geschaffenen Menschen seinen künftigen herrlichen himmlischen Leib gegenüberzustellen, in den die Seinen bei der Wiederkunft Christi verwandelt werden. Anschießend soll der Tod vernichtet werden und Gott alles in 4 Vgl. zum Folgenden oben § 21.1 – 4. 5 Zum paradigmatischen Charakter des Ichs in Röm 7 vgl. E. Lohse, Brief an die Römer, 213 – 216. E. Wasserman, Death of the Soul, 114 – 118 beurteilt die Argumentation des Apostels in Röm 7,14 – 25 als Aneignung der platonischen Moralpsychologie vom Kampf der Seele zwischen der Vernunft und den niederen Seelenkräften, wobei sie auf Plat.Tim.86b–c und Rep. IV.440a hinweist. 6 Vgl. dazu F. Lang, Briefe an die Korinthebr, 346 – 350 und Noack, Gottesbewusstsein, 152 Anm. 467. 7 Vgl. dazu Kaiser, Gott Israels, 379 – 380. 8 Vgl. dazu Kaiser, 380 – 381. 9 Vgl. dazu J.J. Collins, Apocalyptic Imagination, 171 – 174.
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Philos Bewertung des Amtes des Hohen Priesters 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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allem sein und d. h. alles beherrschen (V.28).10 1Thess 4,13 – 18 belegt die Überzeugung des Apostels, dass seine Generation das mit der Wiederkunft Christi erfolgende Ende der alten Welt und die Entrückung in die Luft dem Herrn entgegen erleben würde. In diesem Sinne bezeugt das „wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune“ in 1Kor 15,28 ebenfalls die Naherwartung des Apostels. Sie ist als solche zugleich eine Mahnung, sich nicht der Traurigkeit des Todes und der Sünde hinzugeben (2Kor 7,10), sondern dem Aufbau der Gemeinde zu dienen (1Kor 15,58). So wie für Philo ein tugendhaftes, von den Leidenschaften unbesiegtes Leben die Bedingung der Rückkehr der Seele in das himmlische Licht war (Opif.55; Conf.77 – 79),11 war es für den Apostel ein durch Glauben, selbstlose Liebe und Hoffnung bestimmtes Leben (1Kor 13,4 – 13).12 Der paulinische Text ist jedenfalls von der Naherwartung geprägt, die zu Recht vor sittlicher Sorglosigkeit warnt (Mt 24,42). Sie aktualisiert sich im Wissen um den eigenen Tod, den jedermann zu der ihm bestimmten Zeit erleidet, wobei die Seelen aller Toten gleichzeitig vor Gott erscheinen, weil die Ewigkeit ein ewiges Jetzt ist.
23.3 Philos Bewertung des Amtes des Hohen Priesters als kosmischem Mittler und das hohepriesterliche Amt Jesu nach dem Hebräerbrief Die Suche nach Parallelen zwischen Philo und den paulinischen Briefen sei mit einem Seitenblick auf den Hebräerbrief abgeschlossen, der vermutlich zwischen 80 und 90 n. Chr. in Rom entstanden ist.13 Seine Botschaft von Christus als dem Hohenpriester des Neuen Bundes, der sich selbst für die Sünden der Welt in den Tod gegeben hat (Hebr 9,11 – 15),14 setzt das von Philo entworfene Bild des kosmischen Amtes des Hohenpriesters, der die ganze Welt mit ihrem Schöpfer versöhnt (Spec.I.85 – 88.95 – 97; Mos.II.132 – 133)15 nicht voraus. Denn der unbekannte Verfasser des Hebräerbriefes erklärt in 9,23 – 28 das irdische von Menschen errichtete Heiligtum samt dem in ihm vom Hohenpriester vollzogenen Dienst zu Abbildern (!mt¸tupa/anttypa) der himmlischen Dinge und mithin des himmlischen Heiligtums, in das Christus eingetreten ist, um vor dem Angesichts Gottes für die von ihm Geheiligten ein10 Vgl. dazu F. Lang, Briefe an die Korinther (NTD 7), 227. 11 Vgl. dazu Kaiser, Artete und Pathos, 379 – 429, bes. 416 – 420. 12 Ob 1Kor 15,41 auf astrale Züge der himmlischen Leiber hinweist oder nicht, ist umstritten; vgl. dazu H. Conzelmann (KEK V), 335 bejahend mit A. Lindemann (HNT 9/1), 385 verneinend. 13 Vgl. dazu E. Lohse, Entstehung, 124 – 127; H.W. Attridge, Paraenesis; 294 – 307, bes.306 – 307. 14 Vgl. dazu G. Gäbel, Kulttheologie, 181 – 184. 15 Vgl. dazu künftig Kaiser, Kosmische Bedeutung (DCLY 2015).
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zutreten.16 Denn während der Hohepriester alljährlich am Großen Versöhnungstag sein Volk mit Gott versöhne, sei Christus in den Himmel selbst eingegangen, nachdem er am Ende der Welt enmal auf Erden erschienen sei, um durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Seither, so dürfen wir ergänzen, haben die rituellen Opfer, wie sie der jüdische Hohepriester darbrachte, ihre Heilsbedeutung verloren. Die in Hebr 10,1 – 4 vorgenommene Gegenüberstellung von Urbild und Abbild ist ihrer Art nach typologisch und anders als bei Platon und Philo nicht ontologisch: Für beide ist die sichtbare Welt ein Abbild der unkörperlichen, vor ihrer Schöpfung allein in mente Dei existierenden (vgl. Plat.Phaid.79a; Parm.129d–131b; Rep.479c–d und Tim.30a–c mit Opif.36 – 37.129 – 130 und Q.Gen.I.2.).17
23.4 Apg 7,48 – 50 oder der Kosmos als der Tempel Gottes Das dem Apostel Stephanus in Apg 7 bei seinem Verhör durch den Hohenpriester in den Mund gelegte Bekenntnis gipfelt in den V.48 – 50, in denen er erklärt, dass Gott in keinen mit Händen gemachten Tempeln wohne, sondern der Himmel sein Thron und die Erde der Schemel seiner Füße sei. Die Vorstellung vom Kosmos als dem wahren Tempel begegnet bei Philo in Spec.I.66 – 67: Hier erklärt er den ganzen Kosmos zum Tempel Gottes, wobei der Himmel das Allerheiligste, die Sterne die Votivgaben und die aus körperlosen Seelen bestehenden Engel als Diener seiner Kräfte. Diesem kosmischen Tempel stellt Philo dann auf der Erde den einen mit Händen gemachte Tempel gegenüber, so dass die Menschen eine Stätte besitzen, an der sie ihrer Frömmigkeit durch Dank- oder Sündopfer Ausdruck geben können. Lukas könnte also eine Philos Ausführungen vergleichbare Lehre vom Kosmos als dem wahren Tempel gekannt haben.18 In V.49 zitiert er Jes 66,119. Damit leugnet er die Notwendigkeit eines irdischen Gegenstücks zum kosmischen Heiligtum. Offensichtlich befand sich Lukas in einer inneren Spannung, weil er einerseits den Tempel als Versammlungsort der Urgemeinde betrachtete, sie aber nicht am Opferdienst teilnehmen ließ. Auf diesem Hintergrund konnte er es wagen, Stephanus eine 16 Zu den Einzelheiten vgl. noch immer den überaus gründlichen Kommentar von Otto Michel (Kek XIII),1949. 17 Vgl. dazu § 15.3 – 4 und zum Fehlen einer entsprechenden Theorie im Hb vgl. Gäbel. Kultheologie, 120 – 127, bes. 126 – 127. 18 Vgl. dazu auch C. Werman, God’s House, 314 und zur Argumentation des Lukas E. Hähnchen (Kek III), 248 – 249. 19 Im Barnabasbrief 16.2 wird dieser Vers aufgenommen und der verheißene Wiederaufbau des Tempels in 16.7 – 10 auf die Buße der Frommen bezogen, welche die Vergebung der Sünden erfahren haben.
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vollständige Absage an den Jerusalemer Tempel erteilen zu lassen, die ausreichte, seine sofortige Steinigung zu bewirken.20
23.5 Philos Lehre vom Logos und die Lehre von Jesus Christus als dem Schöpfungsmittler und fleischgewordenen Logos im Prolog des Johannesevangeliums Die bedeutendste Analogie zwischen Philo und dem Neuen Testament besteht zwischen seiner Lehre vom Logos als Schöpfungsmittler und dem Prolog des Johannesevangeliums, in dem dieser Logos als Jesus von Nazareth Fleisch wird (Joh 1,1 – 18). Nach Philo schuf Gottes Logos die Welt als Idee, von der die irdische ein Abbild ist (Opif.24 – 25).21 Oder anders ausgedrückt: Aus dem göttlichen Logos entspringt die kreative und die herrschende Kraft, nach denen Gott als Schöpfer bzw. als Herr bezeichnet wird (Q.Ex.II.68). Philo konnte den Logos auch als Sohn der Weisheit bezeichnen, mit dem zusammen Gott den Kosmos erschaffen habe (Fug.109; Det.115 – 116).22 Damit ist das Stichwort für den Vergleich mit dem Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,1 – 18) gegeben. Er gehört zu seiner Grundschrift und nimmt die Mittlerfunktion des Logos zwischen dem transzendenten Gott und der immanenten Welt für Jesus als er den Fleisch gewordene Logos in Anspruch, der damit zu der die Welt formatierenden Kraft geworden Welt ist (vgl. Joh 1,1 und 14). Dem entspricht, dass er sich in 10,30 mit Gott eins erklärt. Als das „Lamm Gottes“ trägt er die Sünde der Welt (Joh 1,35), so dass „alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16). Während seines Erdenlebens blieb seine göttliche Herrlichkeit den Menschen allerdings verborgen, denn erst zu dem Auferstandenen bekennt sich Thomas als zu seinem Herren und Gott (Joh 20,28).23 Die Ähnlichkeit mit der Logoslehre Philos ist so auffallend, dass der Evangelist sie selbst24 oder eine ihr verwandte alexandrinische Spielart25 gekannt haben muss, wie ihn die ganze Grundschrift des Evangeliums als einen 20 Zur Entstehung der christlichen Hellenisten und dem Konflikt des Stephans und der in Röm 3.25 f. vorliegenden vorpaulinischen Kritik des Tempelkultes vgl. D.-A. Koch, Geschichte des Urchristentums2, 170 – 178. 21 Vgl. dazu auch oben, 174 – 175. 22 Vgl. dazu oben, 176. 23 Vgl. dazu H. Ritt (EWNT II), 886b–887, F. Siegert, Evangelium des Johannes, 719 – 721 und zur Geschichte der johanneischen Gemeinde in Ephesos K.-A. Koch, Geschichte des Urchreistentums, 218 – 228. 24 Vgl. dazu F. Siegert, Logos, 277 – 293 und vorsichtig z. B. J. Becker, Johanneisches Christentum, 128. 25 Vgl. dazu B. Decharneux, Logos, 317 – 333.
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gebildeten Mann erkennen lässt.26 Andererseits hat der Logos im Johannisprolog ein über Philo hinausgehendes Verhältnis zu Gott wie zur Welt und zur Geschichte, „eine Idee, die bei dem alexandrinischen Juden gänzlich fehlt.“27
23.6 Die dogmengeschichtlichen Folgen der Identifikation des irdischen Jesus mit dem göttlichen Logos für das Bekenntnis der Christlichen Kirche Die Bedeutung des Logos durch den alle Dinge erschaffen worden sind, ist für die christliche Dogmenbildung kaum zu überschätzen: Sie führte nach einer bei den Apostolischen Vätern einsetzenden Diskussion über die Rolle Jesu Christi als dem Logos zum Trinitarischen Glaubensbekenntnis der Synode von Nicea 325 n. Chr., das auf der Synode von Konstantinopel 381 n. Chr. bestätigt und so zum Bekenntnis der Reichskirche geworden ist. Nach ihm bilden Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist die in ihrem Wesen eine Gottheit.28 So fremd seine neuplatonische Begriffsmetaphysik der Moderne geworden ist, so hat es trotzdem den christlichen Glauben vor der Auflösung in Spekulationen gerettet, indem es Grenzen zog und damit die Heilsbedeutung Jesu Christi sicherte.29 So wirkt Philos Logoslehre in der Regel unerkannt bis in die Gegenwart im Bekenntnis der christlichen Kirche nach.
26 Vgl. aber H. Thyen, Johannesevangelium, 66. 27 A. Grillmeier, Jesus der Christus I, 129. 28 Zum Verlauf der Diskussion vgl. knapp, aber instruktiv K. Heussi, Kompendium § 24, 94 – 100 bzw. ausführlich A. von Harnack, Lehrbuch Dogmengeschichte I, 184 – 295 bzw. Grillmeier I., 133 – 477 bzw. D.M. Gwynn, Athanasius, 55 – 93. 29 Harnack, Lehrbuch II, 26 – 27. Die gegenwärtige systematisch-theologische Diskussion wird durch die Einheit der immanenten und der ökonomischen, d. h. heilsgeschichtlichen Trinitätslehre bestimmt; vgl. dazu z. B. K. Rahner, Grundkurs, 141 – 142; W. Kasper, Gott, 322 – 337; W. Pannenberg, Systematische Theologie I, 355 – 389 und W. Härle, Dogmatik, 384 – 405, bes. 390 – 405. Zur Aufgabe das Bekenntnis unter veränderten geistigen Bedingungen zu vermitteln vgl. Rahner, 180 – 312.
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Verzeichnis der Abkürzungen 1. Werke Philos (Phil.) Abr. Anim. Cher. Conf. Congr Decal. Det. Deus Ebr. Flacc. Her. Hyp. Imm. Leg.Gai Leg. Migr. Mos. Mut. Opif. Post. Praem. Prob. Prov. Q.Gen. Q.Ex. Sacr. Sobr. Somn. Spec. Virt. Vit.Cont.
Philo De Abrahamo De Animalibus De Cherubim De Confusione Linguarum. De Congressu quaerendae Eruditionis gratia De Decalogo Quod Deterius Potiori insidiari potest De Deo. De Ebriatate In Flaccum Quis Rerum Divinarum Heres Hypothetica Quod Deus immutabilis sit De Legatione ad Gaium Legum Allegoriae De Migratone Abrahami De Vita Mosis De Mutatione Nominum De Opificio Mundi De Posteritate Caini De Praemiis et Poenis Quod Omnis Probus Liber sit De Providentia Quaestiones et Solutiones in Genesin. Quaestiones et Solutiones in’ Exodum. De Sacrificiis Abelis et Caini De Sobrietate De Somniis De Specialibus Legibus De Virtutibus De Vita Contemplativa
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Verzeichnis der Abkürzungen
2. Andere Antike Autoren (Ael.) Var. Nat. (Alex.Polyhist.) Ps.Arist. (Aristot.) Ath.Rep. Cat. Cael. Gen.An. Hist.An. Mot.An. Part.An. E.Eth. Eth.Nic. Metaphys. Phys. Poet. Pol. Probl. Rhetor Top. Virt.Vit. (Ps.Aristot.) Mund. (Arr.) An. (Aristox) (Cass.Dio) (Cato) Agr. (Cels.) Med. (Cic.) Acad. Div. Fat. Fin. Leg Nat.Deor. Off.
Claudius Aelianus Varia Historia Natura Animalium Alexander Polyhistor Pseudo-Aristeasbrief. Aristoteles Atheniensium Respublica Categoriae De caelo De Generatione Animalium De Historia Animalium De Motu Animalium De Partibus Animalium Eudemica Ethica Ethica Nicomacha Metaphysica Physica Poetica Politica Problemata Rhetorica Topica De Virtutibus et Vitiis. Pseudo Aristoteles De Mundo Arrian Anabasis Aristoxenos Cassius Dio Cato De agricultura Celsus De Medicina Cicero Academici Libri De Divinatone De Fato De Finibus Bonorum et Malorum De Legibus De Natura Deorum De Officiis
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Andere Antike Autoren 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Or. Parad. Tim Tusc. (Colum.) Agr. Arb. (Corn.) (Diog.Laert.) (Diod.Sic.) (Epic.) Rat.Sent Gnom.Vat. (Epict.) Ench. (Eudor.) frg. Mazz. (Eur.) Hec. Ion Phoen. (Eus.) Hist.Ecc. Praep.Ev. (Gell.) (Hdt) (Hes.) Erg. Theog. (Hippokr.) Dec. Epid. Prog. Resp. (Hom) Il. Od. (Isokr.) (Jambl.) Protr. Vit.Pyth. (Jos.) Ant. Ap.
Orator Stoicorum Paradoxa Timaeus Tusculanae Disputationes Columella De Agricultura De Arboribus Cornutus Diogenes Laertius Diodorus Siculus Epicurus Ratae sententiae Gnomologicum Vaticanum Epictetus Enchiridion Eudorus von Alexandrien Fragment nach Mazzarelli Euripides Hecuba Ion Phoenissae Eusebios Historia Ecclesiastica Praeparatio Evangelica Gellius Herodotos Hesiodos Erga et Dies Theogonia Hippokrates De Decoro De Epidemiis Prognosticum De Respiratione Homeros Ilias Odyssee Isokrates Jamblichus Protrepticus De Vita Pythagorica Flavius Josephus Antiquitates Judaiciae Contra Apionem.
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Bell. (Lucr) (Paterc.) (Philostr.) Vit.Apoll. (Pind.) Ol. Pyth. (Plat.) Apol. Euthyphr. Krat. Leg. Parm. Phaid. Phaidr. Phil. Pol. Rep. Soph. Tht. Tim. (Ps.Plat.) Epin. Def. (Plut.) Mor. (Polyb.) (Porph.) Vit.Pyth. Abst. Marc. (Poseid.) Frag. Kidd. (SapSal.) (Sen.) Ben. Epist. Ira Nat.Quaest. Prov. (S.Emp) Math. (Soph.)
Verzeichnis der Abkürzungen
Bellum Judaicum Lucretius De Natura Velleius Paterculus Philostratos Vita Apollonii de Tyana Pindar Odes Olympicae Odes Pythicae Plato Apologia Eutyphron Kratylos Leges Parmenides Phaidon Phaidros Philebos Politikos Res Publica Sophistes Theaitetos Timaios Pseudo Platon Epinomis Definitiones Plutarch Moralia Polybios Porphyrius Vita Pythagorea De Abstinentia Ad Marcellam Poseidonios Fragments, ed. Kidd Sapientia Salomonis Lucius Annaeus Seneca De Beneficiis Epistulae morales ad Lucilium De Ira Naturales Quaestiones De Providentia Sextus Empiricus Contra Mathematicos Sophokles
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Oed.Rex. (Suet.) Vit. Cal. Ner. (Tac.) Hist. (Theogn.) (Theophr.) Char. Caus.Plant. Hist.Plant. Metaphys. (Varro) Rust. (Xen) Equ. Hipp. Kyn. Kyrop. Mem. Symp.
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Oedipus Rex Suetonius De Vita Caesarum Caligula Nero Tacitus Agricola Historiae Theognis Elegiae Theoprastus. Charakteres. De Causis Plantarum. De Historia Plantarum. Metaphysika. Varro Res Rusticae Xenophon De Equitandi Hipparchikos Kynegetikos Kyropaedia Memorabilia Symposion
3. Sammelwerke und Lexica DNP DK EWB Ges.HWB.AT HWPh JSHRZ K/R/S KP LS MP OTP SVF. ThWAT TRE RGG4 RlA
Der Neue Pauly Fragmente der Vorsokratiker : Hg. Diels/Kranz Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament Gesenius, Handwörterbuch über das Alte Testament Historisches Wörterbuch der Philosophischen Begriffe Jüdisches Schrifttum aus hellenistisch-römischer Zeit. Kirk/Raven/Schofield Die vorsokratischen Philosophen Der Kleine Pauly Long/Sedley, Hellenistic Philosophers/Hellenistische Philosophen Mansfeld/Primavesi, Vorsokratiker The Old Testament Pseudepigrapha Stoicorum Veterum Fragmenta coll. J. ab Arnim Theologisches Wörterbuch zum Alten Testaments Theologische Realenzyklopädie Religion in Geschichte und Gegenwart 4. Auflage Reallexikon der Assyriologie
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Allgemeines Literaturverzeichnis
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X: Historia Animalium. Books IV – VI. By A.E. Peck, LCL 438, Cambridge, Mass./London 1970. XI: Historia Animalium. Books VII – X., ed. and trl. By D.M. Bale, LCL 439, Cambridge, Mass./London 1991. XII: Parts of Animals. Books I – IV.By A.L. Peck; On Movement of Animals. Progression of Animals by E. S. Forster, LCL 323, 1937 (ND. XIII: Generation of Animals. By A.L. Peck, LCL 366, 1942 (ND). XIV: Minor Works. On Colours. On Things Heard: Physiognomics.On Plants. On Marvellous Things Heard. Mechanical Problems. On Indivisible Lines. Situations and Names of Winds. On Melissus, Xenophanes, and Gorgias by W.S. Hett, LCL 307, 1936 (ND). XV: Problems, Books I – XXI. By H. Rackham, LCL 317, 1937 (ND). XVI: Problems, Books XXII – XXXVIII. By.W.S.Hett. Rhetorica ad Alexandrum. By H. Rackham, LCL 317, 1937 (ND). XVII: Metaphysics Books I – IX. By Hugh Tredennick, LCL 271, 1933 (ND). XVIII: Metaphysics Books X – XIV. By Hugh Tredennick; Oeconomiaca and Magna Moralia: By A. Cyril Armstrong, LCL 287, 1935 (ND). XIX: The Nicomachean Ethics. By H. Rackham, LCL 73, rev., ed. 1934 (ND). XX: The Athenian Constitution. The Eudemic Ethics. On Virtures and Vices. By H. Rackham, LCL, rev., ed. 1952 (ND). XXI: Politics. With an English Translation: By H. Rackham, LCL 264, 1932 (ND). XXII: The Art of Rhetoric. By J.H. Freese, LCL 193, 1926 (N)D. XXIII: The Poetics. Longinus On the Sublime. By H.W.Fyve. Demetrius On Style. By W. Rhys Roberts, LCL 199, 1939 (ND). Aristoteles, Kategorien. Hermeneutik oder vom sprachlichen Ausdruck (De interpretatione). Beigegeben sind Porphyrios: Einführung in die Kategorien des Aristoteles (Isagoge), Pseudo-Aristoteles: Einteilungen (Divisiones), Pseudo-Platon: Begriffsbestimmungen (Definitiones). Griechisch-Deutsch. Hg., übers., mit Einltg. und Anm. von Hans Günter Zekl, PhB 493, Hamburg 1998. Aristoteles, Metaphysik. Übers. mit Einltg. u. Anmerkungen vers. v. Hans Günter Zekl, Würzburg 2002. Aristoteles, Nikomachische Ethik. Auf der Grundlage der Übersetzung von Eugen Rolfes hg. v. Günther Bien, PhB 5, Hamburg 1985. Aristoteles, Physik. Vorlesung über die Natur I: Bücher I (A)–IV (D). GriechischDeutsch. Übers., mit einer Einltg. u. mit Anm. hg. von Hans Günter Zekl, PhB 380, Hamburg 1987. Aristoteles, Physik. Vorlesung über die Natur II: Bücher V(E)–VIII (H). GriechischDeutsch. Übers. u. hg. Hans Günter Zekl, PhB 381, Hamburg 1988. Aristoteles, Politik. Übers. und mit Anm. von Eugen Rolfes. Mit einer Einleitung von Günther Bien, PhB 7, 4. Auflage Hamburg 1981 (ND 1990). Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach u. hg. von Hellmut Flashar, Berlin/Darmstadt. VI: Nikomachische Ethik. Übers. Franz Dirlmeier, 1956. VII: Eudemische Ethik. Übers. Franz Dirlmeier, 1963. Aristotelis De Anima,. Rec.W.D. Ross, SCBO, Oxford 1956 (ND). Aristotelis Athensium Respublica. Rec. F.G. Kenyon, SCBO, Oxford 1920 (ND).
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Allgemeines Literaturverzeichnis
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Allgemeines Literaturverzeichnis
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Allgemeines Literaturverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
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Stellenregister Werke Philos (In Auswahl) Abr. (De Abrahamo) 5 73, 160 10 82 15 50, 240 55 262 61 162 69–70 188 70–71 162 88 163 92 47, 195 101 210 103 49 107–118 189 131 155 134 87 182–183 76 186 219 194 54 242 221, 252 275–276 161 Aet. (De Aeternitate Mundi) 4 69, 170f, 179 5 72, 85 7–19 174 8 73, 75 10 72, 172 12 72, 83 13–14 71 17–18 72 27 71 35–51 267 48–51 74 53–54 73 62 47 63 123 64 120 76–77 74
81–82 88 89 73 90 73 90–112 73 96 121 97 205 117–131 72 121 87 136 51 138–142 180 141 72 Agr. (De Agricultura) 1–123 30 6–7 121 14–15 122 24 96 30 205 35 98, 103 39–41 131 45–46 254 47 255 49–54 146 50–51 188 51 118, 172, 189 57 49 59 52 67 134 69–71 134 70–71 138 79 50 85 105 86–87 106 90 101 91–93 102 91 101 96 138 113 98
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119–121 119–120 124–180 128–129 133 133 136 77 143–144 148 120 157 123 159 103 159–160 160–161 162–164 164 60 170 50
100 100 30 188
78
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Anim. (De Animalibus adversum Alexandrum) 1–9 39 10–71 39 13–14 125 15 128f 18 125, 136 22 125,127 27 125 39 125 48 125 50 125 52 125 58 125 65 125, 136 67 125 71 125 72–76 39 80 125, 138 81–83 126 85–87 126 91–100 126 92–94 126 122 129 Cher. (De Cherubim) 8 77 10 77, 241 15 92, 217 22 180
23 180 27 176, 189 32 133 50 55, 228 65 206 73 209f 77–78 194 79 132 80 99 86 184 89–90 186 91 229 92–93 103, 229 93 229 97 187 102 121 113–119 65 114 262 119–120 230 120–121 189, 226 121 212 123 190 125 72 127 176, 190 128 249 129 66, 68 Conf. (De Confusione Linguarum) 2–8 31 4 54, 58, 82 9–15 31 16–198 31 39 78 48 60 56 186 77–79 281 81 49 108 221, 253 113 50 135 183 141 264 144 111f 151 92 156 180 170 83, 189 171 188
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179–182 180–181 196–197
Stellenregister 205 188 255
Cong. (De Congressu quaerendae Eruditionis causa) 14–18 186 14 64 15–16 64 27 230 37–38 65, 241 43 52 51–52 102 57 241, 261 64 103 67 77 74 64 75–76 64 79 64, 241 80 64 85 49 97 260 116 51, 189 117 96 133–134 188 144–145 64 146–147 66 164 99 169 136 178 158 188 9 Decal. (De Decalogo) 36, 285 9 52, 211, 221 12 91 14 94 18–19 236 20–29 160 30–31 160 32–35 155, 159, 184, 186 40 62 40–41 256 51 53 52–58 88 52–65 163 52–76 140
53 52, 162, 256 53–57 163, 185, 188 57 163, 180 76–80 163 76–90 140 87 207 96–101 143 102 180 104 180 113 135 114–115 130 116–118 129 120 53 123–134 163 126 56 128 56 130 56 132–134 164 134 205 135 211 136 254f 136–137 116 142 218 142–145 218 150 93 151–152 104 151–153 218 155 252, 254 178 105 Deo (De Deo) 5 246 12 246 Det. (Quod Deterius Potiori insidiari potest)) 2 99, 105, 134, 211 7–9 236 15 60 19–21 233 24 207 25 53 26 58 38 77 52–53 54 55 134
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Flacc. (In Flaccum) 1–19 34 5 48, 106, 196f, 211 20–96 34 25–57 48 26–27 94 34–39 46 38 105 54 252 55 45 56 46 74–75 46 89 229 92 44, 50 95 46 108–155 252 114–136 46 122 49 135 46 138 46
Ebr. (De Ebritate) 34–35 54 35 54 49 50 59 50 102 47 106 188 107 246, 249 111 49 116 64, 102 149–150 84 165 211 167–169 183 169–170 206 169–202 65 173 128 177 98 182 96, 138 198 68 203 211 205 206 207 99 214 58 214–219 58, 225 221 59
Fug. (De Fuga et Inventione) 4 52 10 69, 176, 254, 283 12 52, 192, 206 28 229 28–32 239 35 162, 240 38 239 63 71, 235, 239, 267 73 58 101 283 118 207 132 131 141 67 144 50 175 120 179 47 180 47 183 120 184–185 80 187 120 202 58 205 58, 112 208 186 209 78, 211
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Stellenregister
Gig. (De Gigantibus) 4–5 228 6–8 177 6–18 177 7 127 7–8 208, 247 9 177 12 178 14–15 178, 209, 280 16 178, 184 26 37 31 185 35 139 42 183 60 209, 260 62 52, 260 Her. (Quis Rerum Divinarum Heres) 1–132 32 5 52, 87 15 103, 172 19 63 21 60, 69, 156, 262 22 159 27 50, 211 63–74 276 70 260, 280 70–74 262 76–77 207 78–79 180 79 260 79–80 47, 96, 121, 138 87 180 99 188 116 84 126–127 128 132–229 32 152–154 185 154 129, 136, 139 155 139 160 185 187 174 206 176 224 182 230–316 32 232–233 205
233 180 283 180, 197, 280 285–286 238, 260 293–299 32 295 58 297 219 301 66 302 115 Hyp. (Hypothetica) 7.16 91-92 11.8 136 Imm. (Quod Deus immutabilis sit) 6 65 36 98 37 118 41 118 44–45 138 46 197, 262 46–47 260 47–48 243, 247 48 118, 138, 243 56–59 65 60 183 66–67 92 72 219 99 136 107 183, 188 141–142 158 147 100 175–176 258 176 221, 252 181–183 258 183 207 Jos. (De Josepho) 2 82 28 37, 155 29 257 43 112 76–77 255 78 85 82–83 114 84 114 123 50
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124–130 38 132 255 134–136 47 138 99 138–141 96 155 122 210 60 Leg. (Legum Allegoria) I 2 108, 179, 243 8 80 9–10 198 11 205, 208 11–13 198, 208 14 102 15 70 21 206 25 187, 206 34 47 56–57 219 63–65 161 65 221 82 246, 249 97 219 98 100 103 262 105–106 209 107 262 108 197, 230 105–106 209 108 197, 230, 262, 267 II 8 240 11 206 22 118 77–78 209 III 1-2 205 6 261 29-30 182 38 49 41 261 59–60 159
63–64 206 79 255 94 49 106 222 126 219 155–156 98 155 124 159 124 160 75 161 180 175 49 178 93 182 112 183 206 191 118 212 49 213 231 223 95 226 93 228 93 232 77 251 119 Leg.Gai. (Legatio ad Gaium.) 1-19 34 1–7 34 3–4 186 8–119 34 10 43 33 211 34 47 40 261 49 261 54 52 78–85 89 81 89 82–83 89 84–85 89 86–87 89 86–92 89 88–89 89 90–92 89 103 89, 261 106–108 90 108–117 43 109 90
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320 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
Stellenregister
120–131 48 120–161 34 122 46 131 46 132 46 139 140 149 83 151 44 153–161 43, 265 155 43 155–157 43 162–171 34 172–183 34 181 119 184–338 34 232 52 240 52 251 94 252 94 281–283 43 292 52 299 50 311–313 43, 265 317–318 76 339–348 34 349–372 34 367 50, 195
171 77 179 81, 247, 260 179–181 247 180–183 81 181 185 185–186 192 194 188 196–225 32 224 133
Migr. (De Migratione Abrahami) 1–52 31 19 58, 193 27 99 53–69 31 54 220 71 77 86–105 31 96 50 116 58, 62 118–126 31 121–124 146 124 146 127–147 31 129 78 133–134 99 134 66, 183 148–195 31
II 1–16 36 2 36, 52, 66, 155 12–16 186 13 87, 255, 281 25–44 28, 35, 158 31 211 35 44 35–43 44 37 158 44 44, 223, 263 45–48 257 51 257 66–186 36 75 193 76 193 82 208 132–133 281
Mos. (De Vita Mosis) I 25–26 233 93 138 106-110 135 109 134 115 47 130 130, 136 149 263 188 120 212 192 212–213 181 216 105 229 49 284 134 291 134 313–314 220
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181–287 36 186 122, 252 188–189 193 190 193 194 260 195 47 212 77 213 236 215–216 62 Mut. (De Mutatio Nominum) 11 183, 189 11–12 184 12 183, 211 23 52, 206 61–62 158 71–72 188 72 180 78–80 103 92 52 124 222 135 186 148 95 167–168 67, 156 173 58 179 260 196 56 217 58 226 53 233–234 128 236 219 257 77 270 62 Opif. (De Opificio Mundi) 2 157 3 159, 271 7 187, 194 7–12 174 8 192 8–9 171 10 172, 190 16–18 172 17–18 9 19 162, 176, 256 21–22 187
24-25 283 24 172 25 172, 176 26 174, 179 27 247 29 172 30–31 186, 197 36–37 172, 282 41 121 49–52 79 55 177, 281 56 187 58 80 59 80 60 80 62–63 128 66 137, 186, 197 69 172, 188, 208 69–72 219 70–71 188 71 185, 205, 208 72 188, 206 73 118 73–74 208 74–75 205 75 174, 187, 209, 248, 268 78 98, 99, 102 79–82 209 81 218 84 139 84–86 134 85 131, 132 88 95, 118 97–105 185 100 70, 88, 183 103–104 198 104 80, 239 104–105 84 116 123 117 205, 208 119 71 128 207 129–130 171 133 55, 71 135 197 139–140 226
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Stellenregister
142 226 143 160, 219, 236, 257 143–144 226, 257 144 95, 163, 235 146 247, 261 147 96, 128, 137, 197 151 52, 227 154 227 158–160 225 165 228 167–168 228 168–169 165 170 228 170–172 195 171 254 172–173 190 179 232 Plant. (De Plantibus) 1 123 2–72 31 12 127, 177, 247 14 180 21–22 260, 280 33–34 119 53 188 59 186 73–92 31 93–177 31 102 96 104 112 106 60, 211 128–130 83 135 146 142–144 69 151 130 152 95 156 69 173 91 Post. (De Posteriate Caini) 2 75, 193 11 219 19 183 22 95 35 78
36 211 59 207 62 49 66–67 131 72 219 86 77 89 52, 186 96 49 104 98, 128 109 57 119 104 125 118 130 58 137 206 148–149 133 161 129, 139 177 264 185 219 Praem. (De Praemiis et Poenis) 1–3 36, 155, 176 4–66 36 6 99 11 95 12–14 220 15–16 222 24–25 115 36–40 260 44–46 186 51 262 53–54 105 66 62 67–78 36 78 36 79 36 79–125 36 84 231 85–86 135 87–88 140 89 127, 135, 141 89–90 141 90 47 95 264 96 137 108–110 57 108–117 43
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109 52 130–133 123 134–136 55 152 261 162–172 36 165 264 169–172 36, 257, 264 172 34, 231 Prob. (Quod omnis Liber probus sit) 1 38, 233 13 71, 128 17–18 233 19 85 20 233 21 233 22 85 23 233 24–25 110, 234 24 97 26 38, 99 28 71 35 110 36 110 45 255 47 43, 84 48 97 53 74 60 220 62–63 160 79 110, 271 97 234 103 85 101 85, 135 106-109 71 112 100 113 100 116 85 121–125 73 130 89 131–132 106 133 128 138–139 106 141 38, 85, 86, 103 143 85 151 84
155 84 Prov. (De Providentia) I 75 95 81–82 188, 196 83 247 II 1–9 39 1–71 39 8 85, 87 10 69 10–71 39 12–13 69 15 82, 188, 246, 247 15–16 188 25 248 28 247 29 195, 247 31 255 31–33 247 34–35 83 36 83 39 70 39–40 83 40 83 42 70 48 70, 245 62 179 72–74 247 72–76 39 77–100 39 80 86 81 248 82 248 85–97 191 85–116 191 89 87 90 85 92 129 93 119 102 195, 248 103 102, 126 104 126 106 129 107 28, 128, 147
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Stellenregister
108 135 116 39 Q.Gen. (Quaestiones et Solutiones in Genesin) I 2 171, 172 4 172 8 172, 226 10 223, 227 27 223, 228 29 229 43 228 49 228 83–85 231 II 7 246 59 144 79 93, 238 68 175 III 3 16 25 33 48
155, 185 67, 238 93, 238 78 43
IV 76 152 168 200
93 239 158 91
18 102 20–40 164 21–24 111 22–23 164 26–27 165 40 165 42 51 65 63 67–68 190 73 219 75 185 78 206 94 183 97 188 98 118 100–101 229 103 50, 228 104 130 116 95, 99 121 93 123 93, 231 136 206 Sobr. (De Sobrietate) 9 78 12 52 16–17 159 36 97, 122 59–61 237, 239 66 50 67–69 238f
Q.Ex. (Quaestiones et Solutiones in Exodum) II 25 93 42 236 68 174, 283 76 257, 264 Sacr. (De Sacrificiis Abelis et Caini) 2–4 228 11 131
Somn. (De Somniis) I 22–23 181 23 51, 160, 184 32 206 51 91 53 188 58 71 62 120 67 174 105 123 108 138 121–123 122 122 49
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Stellenregister 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
125–126 122 126 51 129 100 135 177 135–141 178 137 263 138–139 262 140–141 263 141 178 145 180 149 50 150 89 151 261 152 262 186 171, 260 186–187 186 197 131 197–198 131 230–231 184 236–237 183 II 9 91 41 52 56 51, 76 56-57 76 60–61 59 86 94 88–89 137 152 131 197–198 219 198 219 209 75 241–242 161 262–263 138 281 78 288–289 132 292 222, 231 Spec. (De Specialibus Legibus) I 5 48 13–14 188 16 118, 128 19 177 25 93
28 246 34 67, 116, 162, 185, 256 34–35 192 37 66 38 99 40 67 49 67 49–50 207 52 61 52–53 223 66 189, 282 67 252 69 43 81 260 97 257, 263 102 112 105 228 121 94, 105, 106 134 124 148 132 155 160, 271 163 131, 132, 139 168 257 173–174 91 187 222 198 131 209 189, 190 213 206 219 192 235 207 252 93 272 147 280 112 282 112 291 136 308 256 315 115 322 67 336 67 338 92 339 116 345 67 II 2 52, 54 4–5 54
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20–21 59 26 61 56-70 143 62–63 143 62–64 143 63 62 66–67 109 67–68 143 73 263 81–83 109 82–83 144 82–85 273 90–91 143 91 100, 109 98 100 105 120 122–123 109 124–128 56 127 52 152 175 162 222, 257, 263 162–163 262 163 263 173–174 182 176 174 230 64 232 55, 63 233 58 233–234 55 235 55 237–239 55 240 54 246 100 261 55 III 1–5 28 6 155 8 211 9 220 11 229 22 84 36 132 37 113, 227 39 113 47 130, 133
Stellenregister 51 112 59 63 83–85 164 115 129, 135 128–136 271 137 271 137–142 110 155 60, 271 171 229 187–189 180 188 180 191 67, 118 196–197 110 201 144 230 98 IV 7–12 115 13–19 116 22 131 28–29 104 46–47 252 47 85 61 156, 264 79 223 83 92 84–85 224 84–89 115 85 104 86–87 224 86-90 61 86–91 224 89 113, 225 91 225, 261 115 260, 280 117 128 126 138 132–135 36 136 220 136–238 220 142 50 155 95 161 132 177–178 256 178 53 179-181 256
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Stellenregister 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44
175–186 231, 269 176 94, 223 177 231, 232 178 58 180 221, 232, 252, 254 180–181 231 182 223, 232 184–185 223 186 95, 105 187–227 220, 269 189–190 232 193–194 100 226–227 232
186 93, 105 188 197 193 219 193–194 220 203 120 214 99 229 107 230–236 220 230–237 253, 254 230–238 260 237 221, 252 237-238 221 Virt. (De Virtutibus) 5–7 221 6 99, 221 25 105, 217 28 120 43–49 221 50 221 51–174 221, 269 80–124 186 82 221 83–87 221 92 123 102–103 223, 273 102–104 222, 263 103 61 106–108 48 112 119 121-124 143 124 50, 222 125 222 125–147 186 141 222 144 132 146–147 133 148 222 148–160 186 152 61, 263 154 121 155–159 121 157 121 169–170 263 172 86 173 61
Vit.Cont. (De Vita Contemplativa) 2 76, 119 8 140 10–12 162, 262, 276 13 243 14 69 18 242 20 119 21 45, 242 21–23 242 24 242 27 242 28-29 242 30–31 242 31 77 32 242 34–37 122 35 137 37 242 38 242 39 242 40 130 41-42 100 48-63 229 48–52 113 48–56 59 49 51 57–63 71 58 112 60 112 61 113 62 113
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Stellenregister
63 114 65–89 242 69 242
70 90
242 242
Flavius Josephus Ant. (Antiquitates Judaicae)) XVIII 158 25 159–160 25 259 25 XIX 277 26
IV 616–618 V 201–206 VI 236–242 249–255
Bell. (Bellum Judaicum) II 220 26
Ap. (Contra Apionem) II 165 252
26 25 26 26
Altes Testament Gen 1 171 1,1–2,4a 27, 268 1,1–2,4 175 1,1–2,5 179 1,26a 268 1,27 172 2,1–17 30 2,1–41,7 30 2,3 142 2,4b–3,24 268 2,7 144 2,8 119, 226 2,9 227 2,10–14 161 2,18–3,1a 30 2,21 228 2.24 229 3,1 228 3,8 228 3,8b–19 30 3,10–19 228 3,16 228 3,24–4,1 30
4,5–7 30 4,8–15 30 4,10 146 4,16–25* 30 5,1–32 30 5,22–24 231 6,4–12 30 6,4b 30 6,13–9,19 30 9, 4 31, 142, 144, 164 9,20 123 9,20a 30 9,20b 31 9,24–27 31 9,27 237 9,28–10,32 31 11,1–9 31 12,1–6 31 12,9 162 12,16 32 12,7-15,1 32 15,2–18 32 15,10–18 32 15,18 67
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16,6–14 32 17,1–22 32 17,10–14 142, 145 18,1–2 37 18,2 32 18,11 228 20,17–18 146 26,5 161 28,10–15 32 28,20 122 31,11–13 32 37,3 236 37,5–11 32 38 112 40,9–13 32 41,1–7 32 49 36 49,7–8 102 Ex 3,14 183 7,17–22 138 15,17–18 146 20 142, 184 20,2–6 163 20,8–11 142 21,1–23,19 253 21,17 272 21,20–21 150 21,21 110 21,23 253 21,27 110 22,25 221 22,25–26 115 23,8 156, 264 23,14-19 147 23,19 121 23,29 137 28,15–21 80 31,12–17 142 Lev 2,11 3,7 11,1 11,7
136 142 128 132
15,19–33 198 16 147 17,1–9 147 17,14 144 18,1–5 241 18,22 111, 150 19,3 55 19,18 273 19–26 253 19,32 55 19,34 273 20,13 111 22,13 150 23,4–43 147 25,23 65, 230 25,36–37 221 29,35 220 Num 11,5 120 11,5–6 138 22,29 133 23,19 159, 183 27,8–11 56f 32,25–31 220 35,25 271 Dtn 1,43–44 136 4,39 81 5,18 163 6,5 273 11,1 273 12,1–26,15 253 13,1 273 14,8 78, 132 15,13-14 273 15,16 222 16,1–17 147 16,18–20 253 16,19 254 17,8–13 253 18,1–8 253 22,9–11 133 22,10 133, 222 23 150
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Stellenregister
23,2 111, 221 23,3 111f, 150 23,4–7 264 23,18 112 23,18–19 111 23,19 150, 221 24,12–13 115 24,20–22 123 26,11 121 25,13–15 220 1Sam 1,15 84 18,1–4 60 20 60 2Sam 1,26 60 Ps 1,3 241 23,1 188 23 (22 G) 146, 23,1 (22 G) 189 50 (49 G) 147 Koh 1,9 97, 23 Jes 2,1–5 264 5,1 120
6,1–2 37 11,6–9 140 45,22–25 264 53,6 147 60 147, 264 62,10–12 264 Jer 3,4 238 Ez 25–28 264 Hos 14,5 257 Am 2,8 115 Sap.Sal. 2,23 170 3,1–12 170 4,1–10 170 5,1–14 170 5,6–15 266 Sir 45,23–24
252
Tob 4,15 273
Neues Testament Mt 5,37 54 7,12 2731 21,31 151 22,37–39 273 24,42 281 Mk 12,31
Lk 10,27
273
Joh 1,1–18 283 1,35 283 3,16 283 20,28 283
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Apg 7,48–50 280-281 28,11–15 Röm 7,7–25
Eph 2,19 222 Phil 2,12–13 249
280
1Kor 13,4–13 281 15,28 281 15 280 2Kor 7,10 281
1Thess 4,13–18 281 2Tim 2,5 152 Hebr 9,11–15 281 9,23–28 281 10,1–14 282
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