Pflug und Steuerruder: Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung 9783412217532, 9783412223557


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Pflug und Steuerruder: Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung
 9783412217532, 9783412223557

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Susan Richter Pflug und Steuerruder

BEIHEFTE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT KARL ACHAM, GÜNTHER BINDING, EGON BOSHOF, WOLFGANG BRÜCKNER, KURT DÜWELL, HELMUT NEUHAUS, GUSTAV ADOLF LEHMANN, MICHAEL SCHILLING HERAUSGEGEBEN VON

KLAUS HERBERS HEFT 75

PFLUG UND STEUERRUDER Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung

von

Susan Richter

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn und durch den Cluster of Excellence „Asia and Europe in a Global Context“.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: François-Marie-Antoine Boizot: Le Dauphin labourant. Kupferstich, 43 x 54,5 cm, 1769. Bibliothèque nationale des France, Paris. © 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Frank Schneider, Wuppertal Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22355-7

Inhalt

Dank  ................................................................................................................................ 

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1. Einleitung  .................................................................................................................  11

1.1 Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches  ..............................................  1.2 Quellenauswahl  ...............................................................................................  1.3 Forschungsstand  . . ............................................................................................  1.4 Aufbau des Buches  .......................................................................................... 

11 29 33 43

2. Die traditionelle Rolle der Herrscher in der Landwirtschaft  . . ........................  51

2.1 Zum traditionellen Verhältnis zwischen Herrschaft und Landwirtschaft in Europa  .. .............................................................................  51 2.1.1 Die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Bibel  .. ..  51 2.1.2 Die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Antike   53 a. Demeter und Triptolemos in den griechischen Staaten  .............  54 b. Das Ideal des römischen Bauernkriegers  ......................................  60 c. Ceres und Triptolemos in republikanischen und imperialen Kulten Roms  . . ...............................................................  63 2.1.3 Ackerbau und königliche Herrschaft in der Verschmelzung germanischer und antik-christlicher Tradition im Mittelalter  .......  71 2.1.4 Fazit  ........................................................................................................  80 2.2 Das Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft in China bis zur frühen Qing-Dynastie  . . ......................................................................  81 2.2.1 Shennong, der kaiserliche Ackerbaukult und die Bedeutung der Rituale  ...................................................................  85 2.2.2 Das kaiserliche Pflugritual  ...................................................................  92 2.2.3 Die Kaiserin als rituelle Förderin des Seidenanbaus  ........................  100 2.2.4 Landwirtschaft und Gelehrsamkeit – Persönliche Ansichten der Kaiser zur eigenen Rolle bei der Förderung der Landwirtschaft  ....  102 2.2.5 Präventive Maßnahmen der Kaiser zur Verhinderung von Hungersnöten  ................................................................................  109 2.2.6 Die Rolle der Arbeit im kaiserlichen China  .. ....................................  112 2.2.7 Fazit  ........................................................................................................  119

3. Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien  .. ........  124

3.1 Vom unspezifischen Bericht zur wissenschaftlichen Erhebung – Verfasser der China-Berichte und ihre Methoden  . . ....................................  124 3.1.1 Verdichtete Information – Die Kompendien der Jesuiten  . . ............  124

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Inhalt

3.1.2 Gezielte Wissenssammlung im Auftrag des Ministers – Chinas Landwirtschaft in Berichten von Jesuiten und Experten  .. ..  133 3.1.3 Instruierte Laien – Reisen im Auftrag der schwedischen Akademie der Wissenschaften  ............................................................  142 3.2 Interessen, Intentionen, Vorkenntnisse und Prägungen der Jesuiten in China im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert  ......................  144 3.3 Aspekte der chinesischen Landwirtschaft in der Berichterstattung  .........  152 3.3.1 Chinesische Landwirtschaftsbücher in europäischen Bibliotheken  152 3.3.2 Das Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft in den Reiseberichten und Kompendien  .......................................................  156 a. Gesellschaftsstruktur und Herrschaftssystem  ..............................  156 b. Die Rolle der Tradition und der Ahnen  .......................................  161 c. Steuer- und Abgabesystem  .............................................................  168 d. Staatliche Fürsorge zur Vermeidung von Hungersnöten  . . ..........  170 e. Das Pflugritual und die persönliche Verantwortung der Herrscher für die Landwirtschaft  .. ..........................................  185 f. Die Rechtsstellung der Bauern und das Auszeichnungswesen  . . ..  199 g. Die Protektion des Seidenanbaus  ..................................................  204 h. Kritische Berichte zum Zustand der Landwirtschaft in China  . 205 i. Fazit  ...................................................................................................  206 4. Der chinesische Kaiser als Vorbild – Die Rezeption im Alten Reich und Frankreich  . . ......................................................................................................  211

4.1 Herrschaft und Landwirtschaft im Kameralismus  .. ....................................  211 4.1.1 Allgemeine Kritik des Kameralismus am Zustand der Landwirtschaft  . . ..............................................................................  211 4.1.2 Quellen und Ziele Justis in seinen Vergleichungen  ..........................  219 4.1.3 Die China-Rezeption Justis in den Vergleichungen  . . .......................  227 a. Pater patriae sinensis und die gemäßigte Herrschaft  ...................  227 b. Von der Glückseligkeit, der Einheit der Gesellschaft und der produktiven Arbeit als ökonomischer Kategorie  .. ................  243 c. Herrschaft und Landwirtschaft  .. ....................................................  258 4.1.4 Justis Vergleichungen als Fürstenspiegel  ............................................  267 4.1.5 Die Konstruktion von Justis Modell  ..................................................  280 4.2 Herrschaft und Landwirtschaft in der Physiokratie  ...................................  286 4.2.1 Die Bedeutung der Landwirtschaft in der Physiokratie  .. .................  286 4.2.2 Die Rolle Chinas in der Physiokratie  . . ...............................................  293 4.2.3 Die physiokratische Propaganda und ihre Adressaten  .. ...................  299 4.2.4 Von der Bedeutung eines Motivs – Das Pflugritual als Bestandteil physiokratischer Vermittlungsstrategien  . . .....................  308 a. Vico, die Einheit der Kulturen und die visualisierte Philosophie  309

Inhalt

b. Das eigenhändige Pflügen des Monarchen – Gründe für die Auswahl eines Motivs  ..........................................  c. Die Verbreitung der Idee des pflugführenden Monarchen als Bestandteil der physiokratischen Theorie  ...............................  d. Die Konstruktion des physiokratischen Modells  ........................  e. Vom Erfolg der physiokratischen Vermittlungsstrategie – Le roi paysan  .....................................................................................  f. Erziehung zur Landwirtschaft?  . . ....................................................  g. Visualisierung des königlichen Pflügens: Der Dauphin als neuer Triptolemos und Vorbild für die Herrscher Europas  .......  4.2.5 Fazit  ........................................................................................................  4.3 Imperator arans – Joseph II. als pflügender Monarch im kollektiven Gedächtnis  . . .................................................................................  4.3.1 Die Rolle Chinas, der Landwirtschaft und der Physiokratie in der Erziehung Josephs  . . ....................................................................  4.3.2 Der pflügende Kaiser als Medienereignis  ..........................................  a. Memoria vor Ort – Pflug und Gedenksteine  .. .............................  b. Kupferstiche, Druckgrafik und Volkskunst  .................................  c. Die Glorifikation Josephs  ...............................................................  d. Fazit und Ausblick  . . .........................................................................  4.4 Herrschaft und Landwirtschaft in modellhaften Staatsentwürfen  ...........  4.4.1 Mercier und das glückselige Paris  .......................................................  a. Die Rolle Chinas  .............................................................................  b. Herrschaft und Landwirtschaft  .. ....................................................  c. Ackerbau und Arbeit  .. .....................................................................  d. Die Rolle der Bauern  . . .....................................................................  4.4.2 Wieland: Der Goldene Spiegel  ...........................................................  e. Herrschaft und Landwirtschaft  .. ....................................................  f. Die Rolle der Bauern  . . .....................................................................  4.5 Realisierte Utopie? Das Bild der Landwirtschaft und des Bauern in Festen während der Französischen Revolution – Ein Ausblick  ........... 

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325 327 333 336 357 365 382 386 387 391 393 400 403 407 410 412 416 419 423 427 428 435 440 443

Abbildungen  ..................................................................................................................  465 5. Fazit  .. .........................................................................................................................  485 Quellen- und Literaturverzeichnis  .............................................................................  492 Personenverzeichnis  . . ..................................................................................................  565 Orstverzeichnis  .............................................................................................................  570

Für meinen lieben Vater (†).

Dank

Die vorliegende Untersuchung wurde zum Wintersemester 2012/13 von der Philoso­ phischen Fakultät der Universität Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen und für die Drucklegung leicht überarbeitet. Sie ist das Ergebnis meiner Forschungen und meiner Tätigkeit als Leiterin einer Nachwuchsgruppe am Heidelberger Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“ zwischen 2008 und 2013. Die hervorragenden Forschungsbedingungen des Exzellenzclusters, der intensive und internationale Austausch mit den Asienwissenschaften sowie mit Fachvertretern der Geschichtswissenschaften aus anderen Epochen haben die disziplinären Grenzgänge dieser Arbeit angeregt, ermög­licht und fach­lich bereichert. Die Kaffeeküche des Exzellenzclusters war der Ort, an dem es sich wunderbar über das chinesische und europäische Verständnis von Ritualen, aktuelle und zeitgenössische Modelltheorien oder das Verständnis von geistiger bzw. körper­licher Arbeit in unterschied­lichen Kulturen diskutieren ließ. Dankbar bin ich für zahlreiche wunderbare Gespräche in diesem Kontext insbesondere Prof. Dr. Rudolph Wagner, Prof. Dr. Axel Michaels, Prof. Dr. Madeleine Herren-Oesch, Prof. Dr. Monica Juneja, Prof. Dr. Gita Dharampal-Frick und Dr. Ulrike Büchsel. Meine Habilitationsphase wurde durch meine drei Gutachter Prof. Dr. Thomas Maissen und Prof. Dr. Barbara Mittler in Heidelberg am Historischen Seminar bzw. dem E ­ xzellenzcluster sowie Prof. Dr. Walter Demel in München mit großer fach­licher und persön­licher Anteilnahme begleitet. Für all diese Unterstützung und das große Vertrauen, als frisch Habilitierte den Heidelberger Lehrstuhl für Frühe Neuzeit von Thomas Maissen vertreten zu dürfen, danke ich von Herzen. Zu großem Dank bin ich den Mitgliedern meiner Nachwuchsgruppe und meinen studentischen Mitarbeitern verpf­l ichtet: Dr. des. Sebastian Meurer M. A., Dr. des. ­Nicolas Schillinger, Michael Roth M.A., Shuo Wang M.A., Steve Bahn, Gregor Stiebert und Sebastian Schütte. Ihnen verdanke ich kompetente Sprachkorrekturen im Chinesischen, grundlegende Recherchen, geduldige Textkorrekturen, vor allem aber zahlreiche sehr wertvolle Diskussionen zu den Fragestellungen des Buches, das ohne dieses wundervolle Team nicht mög­lich gewesen wäre. Der ehr­liche und kritische Austausch in der kleinen Gruppe hat mir sehr viel bedeutet! Mein Dank gilt auch verschiedenen Forschungsinstitutionen, Bibliotheken und Archiven, die ihr Material gern und mit großem Interesse am Projekt zur Bearbeitung und zur Publikation in diesem Buch zur Verfügung gestellt haben: das Österreichisches Staatsarchiv Wien, die BnF in Paris, die Library of Congress in Washington DC, die Nationalbibliotheken in Singapore und Peking, die Herzog August Bibliothek Wolfen­büttel sowie das Museum der Verbotenen Stadt in Peking. Für die Finanzierung der Forschungsaufenthalte danke ich dem Exzellenzcluster und dem DHI Washington. Dem Cluster danke ich ebenso herzlich für die großzügige Unterstützung hinsichtlich der Druckkosten.

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Dank

Die Aufnahme des Buches in die Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte ist eine große Ehre für meine Untersuchungsergebnisse. Dafür danke ich allen Herausgebern der Reihe, insbesondere Herrn Prof. Dr. Klaus Herbers aus Erlangen. Die bereits bekannte, sehr gute Zusammenarbeit mit dem Böhlau-Verlag war der Grund, das Buch wieder in die Hände von Elena Mohr zu geben, der ich für die kompetente und freund­liche Betreuung des Projekts herz­lich danke. Für die Erstellung der Register und die Redaktion des Manuskripts haben sich dankenswerterweise Erika Lokotsch, Simon Schmitz und meine Freundin Sigrid Spies M. A. zur Verfügung gestellt. Das vorliegende Buch ist meinen lieben Eltern, Sieglinde und Peter Richter sowie meinem Lebensgefährten Uwe Pirl als Dank für alle Geduld während meiner langen Forschungsreisen und als Gabe für unglaub­lich gewinnbringende Gespräche und K ­ ritik gewidmet.

1. Einleitung

1.1 Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches

Der Verwaltungsbeamte und Dichter Georg August Bürger (1747 – 1794) fasste im Jahr 1773 die traurige Situation der Bauern seines Amtsbezirks in seinem Gedicht Der Bauer – An seinen durchlauchtigen Tyrannen prägnant zusammen. In der dritten Strophe hebt er die Missachtung der fürst­lichen Obrigkeit gegenüber dem Bauernstand hervor: Du Fürst hast nicht, bei Egg’ und Pflug, Hast nicht den Erntetag durchschwitzt. Mein, mein ist Fleiß und Brot! – Ha! Du wärst Obrigkeit von Gott? Gott spendet Segen aus; du raubst! Du nicht von Gott, Tyrann!1 Adressat und Ziel der Kritik Bürgers war der Monarch als Träger der Souveränität. Da sich frühneuzeit­liche Gemeinwesen als Schwurgemeinschaften 2 verstanden, zielte die Kritik auf ein Missverhältnis von Rechten und Pf­l ichten zwischen Untertanen bzw. Bauern einerseits und frühneuzeit­licher Obrigkeit andererseits. In diesem Zusammenhang stellte Nahrung 3 als Bestandteil bäuer­lichen Rechtsempfindens 4 und zugleich als Legitimationsfigur zur Ausübung der Herrschaft einen wesent­lichen Indikator dar. Die Bitte 1 Bürger, Georg August: Gedichte. Stuttgart 1981. S. 58. 2 Süßmann, Johannes: Vergemeinschaftung durch Bauen. Würzburgs Aufbruch unter den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn (Historische Forschungen, Bd. 86). (Habil.) Berlin 2007. S. 16. 3 Nahrung ist „Ziel“ (Schulze), „Grundwert“ bzw. „Lebensprinzip“ der „frühneuzeit­lichen Mangelgesellschaft“ (Szölösi-Janze). Schulze, Winfried: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit. In: Historische Zeitschrift 243 (1986). S. 591 – 626. Hier S. 601f. Szölösi-Janze, Margit: Notdurft-Bedürfnis. Historische Dimensionen eines Begriffswandels. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48/11 (1997). S. 653 – 673. Hier S. 659. Kocka, Jürgen: Weder Stand noch Klasse. Unterschichten um 1800. Bonn 1990. S. 67. Kaplan, Steven L.: Bread, Politics and Political Economy in the Reign of Louis XV. Bd. 1 (International Archives of the History of Ideas, Bd. 86). The Hague 1976. S. 48ff. 4 Zum Verständnis des bäuer­lichen Rechts Schulze, Winfried: Die Entwicklung des „teutschen“ Bauernrechts in der Frühen Neuzeit. In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 12 (1990). S. 127 – 163. Hier S. 129f. Troßbach, Werner: Soziale Bewegung und politische Erfahrung. Bäuer­licher Protest in hessischen Territorien 1648 – 1806. Weingarten 1987. S. 53. Zürn weist auf die Aushandelbarkeit des Rechts hin. Zürn, Martin: Ir aigen libertet. Waldburg, Habsburg und der bäuer­liche Widerstand an der oberen Donau 1590 – 1790 (Oberschwaben. Geschichte und Kultur, Bd. 2). Tübingen 1998. S. 69f.

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Einleitung

um das täg­lich’ Brot im Vaterunser offenbarte gleichermaßen gött­liche Gnade und gött­ liche Zuständigkeit für die Subsistenz der Menschen. In der Stellvertretung ­Gottes auf Erden übertrug sich diese Funktion auf die welt­liche Herrschaft. Die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung avancierte somit zu einer der wichtigsten Aufgaben frühneuzeit­ licher Herrschaft, die bei der Huldigung im herrschaft­lichen Versprechen, Schutz und Schirm zu gewähren, gegenüber den Untertanen auch offiziell übernommen wurde. Als Schutz und Schirm galt in ökonomischer Hinsicht, den Untertanen vor allem aus Güte, Milde und patriarchalischer Liebe Hilfe in Hungerkrisen und Kriegszeiten zukommen zu lassen, gleichzeitig aber auch eine fürsorg­liche Politik zur Befriedigung der Notdurft bzw. für das bonum commune zu betreiben.5 Dem herrscher­lichen Schutzversprechen stand seitens der Untertanen das Gelöbnis der Treue und des Gehorsams gegenüber.6 Brot wurde somit zu einem politischen Gut bzw. fehlende Nahrung zu einem Argument für bäuer­lichen Widerstand, der sich in Hungerunruhen 7 ­niederschlagen konnte.

5 Fürstenspiegel mahnten die Herrscher, gemäß ihren Pf­lichten für Frieden und Nahrung zu sorgen. Leopold von Hartmann schrieb beispielsweise 1787: Es ist weder der Wille Gottes, noch Anordnung der Natur, daß Tausende geschunden, Tausende hungern, oder mit der elendsten Kost sich sättigen. Hartmann, Leopold von: Abhandlung von den weisen Befehlen guter Regenten und dem willigen Gehorsam der Unterthanen, der Urquelle zum wesent­lichen Glücke der Nationen. Burghausen 1787. S. 15, Anmerkung 2. 6 Holenstein, André: Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800 – 1800) (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 36). Stuttgart/New York 1991. S. 454. Holenstein, André: Seelenheil und Untertanenpf­licht. Zur gesellschaft­lichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft. In: Blickle, Peter (Hg.): Der Fluch und der Eid. Die metaphysische Begründung gesellschaft­lichen Zusammenlebens und politischer Ordnung in der ständischen Gesellschaft (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15). Berlin 1993. S. 11 – 64. Die serments du sacre beinhalteten einen Eid des französischen Königs gegenüber den Untertanen zu Schutz und Schirm, der den Erhalt des Friedens, Schutz vor Raub sowie die Achtung der Rechte implizierte. Hartmann, Peter Claus: Französische Verfassungsgeschichte der Neuzeit (1450 – 2002). Ein Überblick. Berlin ²2002, S. 19. Mousnier, Roland E.: Les Institutions de la France sous la monarchie absolue, 1598 – 1789. (Histoire des Institutions.) Paris 1979. Bd. 1, S. 504. Dazu auch kurz Barbiche, Bernard: Les institutions de la monarchie française à l’époque moderne (XVIe-XVIIIe siècle). Paris 1999. S. 21f. 7 Hungerunruhen sind kollektive Proteste, die durch Mangel und Teuerung von Nahrungsmitteln bzw. der Furcht davor hervorgerufen wurden und darauf gerichtet waren, durch Selbsthilfe Ansprüche auf Nahrung gegenüber der Obrigkeit sicherzustellen. Sie äußern sich in Zusammenrottungen, Blockaden, Plünderungen bzw. sonstigen Handlungen mit Bedrohungscharakter. Schmidt geht davon aus, wo Obrigkeiten dem Anforderungsprofil an ihre Herrschaft nicht entsprachen, kam es zu tumultartigen Selbsthilfemaßnahmen. Schmidt, Georg: Die frühneuzeit­lichen Hungerrevolten. Soziale Konflikte und Wirtschaftspolitik im Alten Reich. In: Zeitschrift für Historische Forschung 18 (1991). S. 257 – 280. Hier S. 280. Gailus, Manfred/Volkmann, Heinrich: Nahrungsmangel, Hunger, Protest. In: Dies. (Hg.): Der Kampf um das täg­liche Brot. Nahrungsmangel, Versorgungspolitik und Protest 1770 – 1990 (Schriften des Zentralinstituts für Sozialwissenschaft­liche Forschungen der Freien Universität Berlin, Bd. 74). Opladen 1994. S. 9 – 23. Hier S. 9. Gailus, Manfred: Hungerunruhen in Preußen. In: Ibd. S. 176 – 199. Hier S. 176.

Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches

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Die Forderungen der Bauern hinsicht­lich des Umfangs der Hilfe in Krisen oder ihrer zu leistenden Abgaben orientierten sich immer am Althergebrachten. Beispielsweise ordnet James C. Scott Hungerproteste englischer Bauern als Versuche ein, tradierte Normen wieder in Kraft zu setzen.8 Dies galt gleichermaßen für das Alte Reich und für Frankreich.9 Die bewusste Hinwendung zur Tradition bedingte Stabilität und Verläss­ lichkeit in den Erwartungen. Die Proteste zielten somit immer darauf, die gewohnte patriarchalische Fürsorge der Monarchen zu erreichen. Für die territorialen Obrigkeiten des Alten Reichs wie auch für den französischen König ging es also bei Hungerunruhen darum, die gewohnte Subsistenznorm durch Hilfsmaßnahmen wiederherzustellen.10 Dies an Traditionen gebundene wechselseitige Pf­l ichtenverhältnis zwischen Herrscher und Bauern wurde – wie Manfred Gailus und Heinrich Volkmann nachweisen – im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert durch die zunehmende Tendenz eines „Übergangs vom traditionell subsistenzwirtschaft­lichen, an lokalen Marktbeziehungen orientierten Wirtschaftsverhalten zu früh-liberalen und früh-kapitalistischen, in überregionalen Zusammenhängen operierenden Marktwirtschaften“11 mit tiefgreifenden Folgen für die Bauern gestört. Die Erwartungen der Bauern an patriarchalisches Handeln wurden immer häufiger enttäuscht und oft nur noch in Notzeiten durch gewohnte Maßnahmen erfüllt. Folg­lich entstand bei Bauern, aber

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Für die Begriffe Brotrevolten und Teuerungsunruhen liegen keine Definitionen vor. Für Frankreich vgl. Rothkrug, Lionel: Opposition to Louis XIV. The Political and Social Origins of the French Enlightenment. Princeton 1965. S. 234 – 298. Markoff, John: The Abolition Of Feudalism: Peasants, Lords, and Legislators in the French Revolution. Pennsylvania 1996. S. 203 – 270. Zur englischen Food-riot-Forschung vgl. den Überblick von Nina Odenwälder. Dies.: Nahrungsproteste und moralische Ökonomie. Das Alte Reich von 1600 bis 1789. Saarbrücken 2008. S. 10ff. Scott, James C.: The Moral Economy of the Peasant. Rebellion and Subsistence in Southeast Asia. New Heaven 1976. S. 193f. Zum Hunger als Faktor frühneuzeit­licher kollektiver Angst und Erfahrung vgl. Hippel, Wolfgang von: Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit. (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 34). München 1995. S. 62ff. Odenwälder, Nahrungsproteste und moralische Ökonomie. S. 108ff. Blickle, Peter: „Handarbeit“, „gemeiner Mann“ und „Widerstand“ in der vorrevolutionären Gesellschaft. Zusammenfassende Thesen von den Referaten von W.-H. Goetz, V. Hunecke, D. Scheler, P.-J. Schuler, W. Schulze, F. Seibt und J. Voss. In: Mommsen, Hans/Schulze, Winfried (Hg.): Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung (Geschichte und Gesellschaft, Bd. 24). Stuttgart 1981. S. 234 – 239. Hier S. 237. Blickle, Peter: Auf dem Weg zu einem Modell der bäuer­lichen Rebellion – Zusammenfassung. In: Ders. u. a. (Hg.): Aufruhr und Empörung? Studien zum bäuer­lichen Widerstand im Alten Reich. München 1980. S. 298 – 308. Hier S. 300. Gailus/Volkmann, Nahrungsmangel, Hunger, Protest. S. 10. Zu den Intentionen der Getreidehandelspolitik in Brandenburg-Preußen, die auch Schutz der Getreideproduzenten im Blick hatte, vgl. Atdorf, Lars: Der König und das Korn. Getreidehandelspolitik als Fundament des brandenbur­gischen Aufstiegs zur europäischen Großmachtpolitik (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 17). (Diss.) Berlin 1999. S. 102ff.

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Einleitung

auch in der sich in diesem Zeitraum herausbildenden bürger­lichen Öffent­lichkeit 12 in Frankreich und im Alten Reich der Eindruck, dass die Obrigkeiten in den Territorien oder die Monarchie absolue in Paris 13 ihren Pf­lichten nicht mehr nachkam. Gerade in diesem Zeitraum wurde die Entfremdung von Pflug und Steuerruder, von Bauer und Herrscher als so groß wie nie zuvor und auch als Bruch mit den Traditionen wahrgenommen. Während die Fürsten des Alten Reiches im 16. und 17. Jahrhundert vor allem darum bemüht waren, den länd­lichen Raum durch landesherr­liche Ordnungs- und Normsysteme zu durchdringen und die Selbstverwaltung der Gemeinden 14 zurückzudrängen, weckte die Landwirtschaft in dieser Zeit kaum das fürst­liche Interesse. Es blieb bis weit ins 18. Jahrhundert hinein eher symbolischer Natur: Der Besuch von Dörfern durch die Fürsten – manchmal in Verbindung mit einer Jagd oder gezielt zur Weinlese – endete nicht selten in einem kleinen Fest. Die Obrigkeit begutachtete die Ernte, kostete und nahm an einem Weinfest mit Festmahl für die Bauern teil.15 Auch so genannte Bauernwirtschaften waren als fürst­liche Vergnügungen in einigen Territorien des Alten Reiches zu Anfang des 18. Jahrhunderts Tradition. Bei diesen Wirtschaften trat der Fürst als gastgebender Wirt auf und sein Hofstaat trug Kleidung verschiedener Handwerke und Berufe oder die Trachten der Bauern einer Region. Ein solches Fest galt als Ausweis des Reichtums, der Ernte- und Produktionsvielfalt des Landes und der dezidierten Wirtschaftsförderung durch den Fürsten.16 Doch die Realität und das Inter 12 Für diese Arbeit ist vor allem der anlassgebundenen Entstehung von Öffent­lichkeit nach J­ ohannes Kunisch zu folgen: „Öffent­lichkeit konstituierte sich von Fall zu Fall und aus heterogenen, jeweils sehr konkreten Anlässen.“ Kunisch, Johannes: Absolutismus und Öffent­lichkeit. In: Jäger, Hans-Wolf (Hg.): „Öffent­lichkeit“ im 18. Jahrhundert (Das achtzehnte Jahrhundert, Supplementa 4). Göttingen 1997. S. 33 – 49. Hier S. 47. Öffent­lichkeit bestand wiederum aus einer Vielzahl von Teilöffent­ lichkeiten. Für diese Arbeit erscheint die Aufteilung nach Faulstich anwendbar: 1. höfisch-repräsentativ, 2. religiös, 3. bürger­lich-städtisch, 4. standesspezifisch nach Zünften und 5. regional/ lokal-dörf­lich. Faulstich, Werner: Die bürger­liche Mediengesellschaft (1700 – 1830). Göttingen 2002. S. 11. Diese Arbeit nimmt vor allem die bürger­lich-städtische und die höfisch-repräsentative Öffent­lichkeit sowie deren Interaktionen in den Blick. 13 Die französische Monarchie war nach ihrem eigenen Anspruch absolut. Das Postulat leitete sich aus gött­lichem Recht her, das durch Römisches Recht untermauert wurde. Hartmann, Peter Claus: Französische Verfassungsgeschichte der Neuzeit (1450 – 2002). Ein Überblick. Berlin ²2002. S. 17. Mousnier: Les Institutions de la France, Bd. 1. S. 519. 14 Schildt, Bernd: Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft. Verfassung und Recht der Landgemeinde Thüringens in der frühen Neuzeit. Weimar 1996. S. 73ff. Abel, Wilhelm: Landwirtschaft 1648 – 1800. In: Handwörterbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Hg. v. Hermann Aubin/ Wolfgang Zorn. Bd. 1. Stuttgart 1971. S. 507ff. 15 Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der Grossen Herren […]. Berlin 1733 (Reprint Weinheim 1990. Hg. und kommentiert von Monika Schlechte). S. 878f. 16 Eine Reihe Kostümbilder von Winzern, Uhrmachern und anderen Berufen sind vom Hof Augusts des Starken in Sachsen erhalten. Abgebildet bei Czok, Karl: August der Starke und Kursachsen. Leipzig 1987. S. 233 – 237.

Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches

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esse der Monarchen blieben meist weit hinter der kostümierten Inszenierung zurück.17 Die Bauernwirtschaften visualisierten jedoch das aufkommende Ideal des Herrschers als Staatswirt.18 Georg von Buquoy definierte den Staatswirt 1814 in seiner Theorie der Nationalwirtschaft: Der Staatswirth vergesse nicht, daß nicht nur die Größe, sondern auch zugleich die Dauer der Wohlhabenheit der Nation seiner Obhut anvertrauet ist, und in so fern giebt es gewisse Zweige der Nationalindustrie, welche ungeachtet aller politischen Ereignisse, auf ewige Dauer Anspruch machen müssen, wenn der Reichthum der Nation auf einem unerschütter­lichen Fundamente ruhen soll; dahin gehören vor allen Dingen: der Landbau, und in einem gewissen Verhältnisse der Forstbau; dann auch die Fabrikation der unentbehr­lichen Bedürfnisse des großen Haufens.19 Der Staatswirt implizierte die Vorstellung väter­licher Fürsorge des Herrschers für seine Untertanen, der diese auf ein neues Fundament, auf das Gesetz des Handels stellte.

17 Eine Ausnahme bildet hier Brandenburg-Preußen. Lars Atorf bietet mit seiner Studie zur Getreidehandelspolitik Preußens unter Friedrich Wilhelm I. bis zu Friedrich Wilhelm III. ein Beispiel für ein Reichsterritorium, an dem sich die erfolgreiche Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft zeigte und die zur militärischen bzw. ökonomischen Stärkung Preußens beitrug. Die Bedeutung von Landwirtschaft erkannten die preußischen Könige als Voraussetzung einer ausreichenden Verpflegung der preußischen Armee und richteten somit ihr Augenmerk auf diesen Bereich. Vgl. Atdorf, Lars: Der König und das Korn. Getreidehandelspolitik als Fundament des brandenburgischen Aufstiegs zur europäischen Großmachtpolitik. (Diss.) Berlin 1999, S. 17ff. Preußen diente jedoch anderen deutschen Territorien oder Staaten Europas in dieser Hinsicht kaum als Vorbild. Der Blick Frankreichs konzentrierte sich ausschließ­lich auf die preußische Disziplin, den Drill, Taktik und Ausbildung sowie die Militärverwaltung. Zu Frankreichs Blick auf Preußen vgl. die gerade fertiggestellte, unpublizierte Habilitationsschrift meiner Kollegin Isabelle Deflers, mit der ich über den Austausch zwischen beiden Staaten zahlreiche anregende Diskussionen geführt habe (Arbeitstitel: „Der reflektierte Staat. Preußen im Spiegel französischer Reformdiskurse (1763 – 1806)“). 18 Beschreibungen verschiedener Wirtschaften bei Rohr, Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschaft der Grossen Herren, S. 824 – 833. Als Staatswirt wurde der Herrscher verstanden, der seinem Staat wie ein kluger Hausvater vorstand und ihn nach hausväter­lichen Gesichtspunkten organisierte. Diese Definition aus zeitgenössischen Quellen zum Lemma „Staatswirt“ findet sich im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde., in 32 Teilbänden. Leipzig 1854 – 1961. Hier Bd. 17, Sp. 668. Leipzig 1961. (Online-Version gesehen am 28.01.2014). Johann Friedrich Pfeiffer schrieb in seiner Prüfung der beträcht­lichen Verbesserungsvorschläge zur Vermehrung der Glückseligkeit und Macht Deutschlands 1786: Der Staatswirt muss also wechselseitige Gegenstände der Bedürfniße begünstigen, und dadurch jedermann zu einer besonderen Beschäftigung anlocken, auch genau darauf sehen, daß kein Theil der Industrie durch sein Übergewicht anderen Theilen derselben zum Nach­theil gereiche. Pfeiffer, Johann Friedrich von: Prüfung der beträcht­lichen Verbesserungsvorschläge zu Vermehrung der Glückseligkeit und Macht Deutschlands, worinn die Unzuläng­lichkeit dieser Vorschläge bemerket und zugleich wahrschein­lich sicherer Weg zu Erreichung dieses großen Endzweckes vorgelegt wird, Frankfurt/M./Mainz 1786. S. 67. 19 Buquoy, Georg von: Die Theorie der Nationalwirtschaft nach einem neuen Plane und nach mehreren eigenen Ansichten, Leipzig 1814. S. 236.

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Wesent­liche Gründe für die akuten Hungersnöte in den 1760er und 1770er Jahren lagen nicht nur in den klimatisch bedingten Missernten infolge der so genannten „Kleinen Eiszeit“ (15. – 19. Jahrhundert).20 Ein weiterer Faktor war im Alten Reich ebenso wie in Frankreich die lange Vernachlässigung der Landwirtschaft durch die territoriale Obrigkeit bzw. die französische Krone zugunsten der einseitigen Förderung merkantilistisch geprägter Produktion, einhergehend mit einer hohen Belastung der Bauern durch persön­liche Unfreiheit und/oder fehlenden Landbesitz, steigende Abgaben und hohe Fronleistungen sowie brachliegende oder durch fürst­ liche Jagden verwüstete Felder.21 Hinzu kamen Wissensdefizite in der Bauernschaft wie beispielsweise ungenügende Kenntnisse über Fruchtwechsel und neue Anbaumethoden als wesent­liche Gründe für die Rückständigkeit des französischen und deutschen Ackerbaus. Akuter Bevölkerungsrückgang durch erhöhte Sterb­lichkeit und verstärkte Auswanderung nach Übersee, Krankheits- und Seuchengefahr und lokale Unruhen als Gefährdung der inneren Sicherheit sowie mangelnde Produktivität durch fehlende agrarische Rohstoffe waren die Folge in Frankreich und dem Alten Reich. Die Verarmung der Landbevölkerung führte wiederum zur Verminderung der Nachfrage nach Manufaktur- und Handwerksprodukten im Inland. Im Ergebnis verfügten Frankreich und viele deutsche Territorien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts weder über eine leistungsfähige Landwirtschaft noch über ein effizientes Manufakturwesen.22 War die wechselseitige Verpf­lichtung zwischen Herrscher und Bauern durch die einseitige Nichterfüllung der Herrscherpf­licht gestört, bestand für die Bauern ein legitimer Grund zum Widerstand. Neuere Forschungen für das Alte Reich haben ergeben, dass sich die bisherige Annahme von nur wenigen – insgesamt 17 – Hungerprotesten vor 1790 als stark korrekturbedürftig erwiesen hat. Inzwischen sind 60 Fälle zwischen 1600 und 1789 bekannt. Die größte Dichte derartiger Vorkommnisse findet sich in den 1760er Jahren und zu Beginn der 1770er Jahre.23 Auch für Frankreich gilt, dass in

20 Behringer, Wolfgang: Kulturgeschichte des Klimas: Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. München 2007. S. 117 – 221. 21 Eckardt, Hans Wilhelm: Herrschaft­liche Jagd, bäuer­liche Not und bürger­liche Kritik (Veröffent­ lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 48). (Diss.) Göttingen 1976. S. 89. 22 In einigen Territorien des Alten Reiches wie in Sachsen führte die Hungerkrise von 1770/71 zu einem Bevölkerungsverlust von über 10 Prozent. Langer, Curt: Die Hungerjahre 1771/72 nach zeitgenössischen Quellen. In: Sächsische Heimatblätter 9 (1963). S. 362 – 377. Abel, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland. Göttingen 1986. S. 200f, S. 317ff. Vasold, Manfred: Die Hunger- und Sterb­lichkeitskrise von 1770/73 und der Niedergang des Ancien régime. In: Saeculum 59 (2008). S. 107 – 142. Montanari, Massimo: Der Hunger und der Überfluß. Kulturgeschichte der Ernährung in Europa. München 1999. Einleitung, S. 4. 23 Odenwälder, Nahrungsproteste und moralische Ökonomie, S. 61f, S. 108. Schmidt war davon ausgegangen, dass Hungeraufstände in den Territorien des Alten Reiches seltener vorgekommen seien, da großes Vertrauen in die Obrigkeiten bestanden habe und diese auch den Forderungen der

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diesen beiden Jahrzehnten ein signifikant höheres Aufkommen an Protesten zu verzeichnen ist, die Häufigkeit der Widerstandshandlungen an sich, aber auch höher als im Alten Reich war.24 In dieser Zeit sollte die Landwirtschaft umso stärker in den Blick der Obrigkeit im Alten Reich und der französischen Krone rücken. Neben den Hungerprotesten als bäuer­liche Handlungsoption eröffnete sich ein argumentatives und diskursives Feld für Ermahnungen und Erinnerungen der Herrschaft an ihre Pf­lichten und deren Einhaltung. Dieses Feld besetzten das gebildete Bürgertum und amtsadelige Funktionsträger in der Absicht, die traditionelle herrscher­liche Reaktion auf Hunger und Not durch eine präventive herrscher­liche Aktion zu ersetzen und Krisen so zu verhindern bzw. zu minimieren. Der zeitgenössische Zustand der Landwirtschaft sowie die Stellung des Bauerntums innerhalb der ständischen Gesellschaft wurden deshalb kritisch diskutiert. Denkschriften mit Anleitungen zur Verbesserung der Landwirtschaft, ökonomische Kalender und Bildwerke sollten die Landesherren im Alten Reich und den französischen König animieren, neuen Ideen und Vorstellungen im Bereich der Landwirtschaft eine Heimstatt sowie wichtige Entwicklungsmög­lichkeiten zu gewähren.25 Die Obrigkeit und die französische Monarchie absolue wurden, wie diese Arbeit zeigen wird, gemahnt, ihr Verhältnis zum Bauernstand zu ändern und die bestehende Kluft von Pflug und Steuerruder zu überwinden. Die Gründe für die Krisen standen im Fokus neu entstehender theoretischer Konzepte. Hierzu zählen der Kameralismus im Alten Reich und die Physiokratie in Frankreich sowie in einigen deutschen Territorien. Diese ökonomischen Konzepte suchten die Lösung in der Verflechtung teilweise traditionell patriarchalisch ausgerichteter Staats- mit neuen, liberal gedachten Wirtschaftsstrukturen, die miteinander zu strukturell neuen Herrschafts- und Gesellschaftskonzepten verwoben wurden. Sie sollten eine Reform der Monarchie initiieren und argumentativ stützen. Im Kontext der naturrecht­lichen Staats- und Herrschaftsvorstellungen der Physiokraten und Kameralisten gelangte das uralte synergetische Sonderverhältnis der Monarchen zur Natur in den Fokus der Betrachtung europäischer Staats- und Wirtschaftsdenker des 18. Jahrhunderts. Die Herrscher, selbst im status naturalis und libertatis verblieben, konnten und mussten es sein, die einen Staat und eine Gesellschaft auf der natür­lichen Grundlage der Versorgung

hungernden Bauern nachgekommen seien. Schmidt, Georg: Die frühneuzeit­lichen Hungerrevolten. Soziale Konflikte und Wirtschaftspolitik im Alten Reich. In: Zeitschrift für Historische Forschung 18 (1991). S. 257 – 280. Hier S. 264f, S. 280. Clark, Henry: Grain Trade Information: Economic Conflict and Political Culture under Terray. 1770 – 1774. In: The Journal of Modern History 76/4 (2004). S. 793 – 834. 24 Schulze, Winfried: Europäische und deutsche Bauernrevolten in der frühen Neuzeit. Probleme der vergleichenden Betrachtung. In: Ders. (Hg.): Europäische und deutsche Bauernrevolten in der frühen Neuzeit. Frankfurt/M. 1982. S. 10 – 52. Hier S. 37ff. 25 Zum Aufschwung der Landwirtschaft im 18. Jahrhundert vgl. Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 274 – 303.

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durch Landwirtschaft aufbauen konnten.26 Herrschaft gemäß den Naturgesetzen und die Rolle des Herrschers als Mittler zwischen Mensch und Natur waren es, nach denen die Physiokraten und die Kameralisten als Rollenvorbilder suchten. Das Ziel der Physiokraten und der Kameralisten bestand grundsätz­lich in einer engeren Bindung zwischen allen Ständen und dem Herrscher, die zu veränderten Interaktionshandlungen oder neuen Handlungsmotiven führen sollten. Beide ökonomischen Denkrichtungen gingen davon aus, dass diese historisch bereits existent und naturrecht­lich begründet waren und nur wiederhergestellt werden mussten. Sie würde sich allmäh­lich in einem Prozess etablieren. Insbesondere die Bauern, der Adel und der Monarch sollten gemäß ihren Wurzeln und Traditionen ihre ursprüng­liche Funktion (zurück-)erhalten. Diese Traditionen mussten den Trägern der Macht eindrück­lich durch geeignete Vorbilder vermittelt werden, denn ein Herrscher mit einem solchen Verständnis fehlte bislang im Europa des 18. Jahrhunderts. Fündig wurden sie in China, das in zeitgenössischen Reiseberichten als ein Staatswesen dargestellt wurde, in dem eine gelungene Verbindung zwischen Herrschaft und Landwirtschaft realisiert war. Die Vertreter beider ökonomischen Denkrichtungen wandten sich deshalb anstelle der bisher üb­lichen biblischen und antiken Exempel verstärkt China als Vorbild zu und nutzten das aus ihrer Sicht dort vorhandene i­ deale Verhältnis zwischen Herrschaft und Landwirtschaft sowie das alljähr­liche Ritual des kaiser­lichen Pflügens als Vorbild für die von ihnen angestrebten Verhaltensweisen europäischer Herrscher. Die Physiokratie und Kameralistik zielten darauf ab, neue Normen für das herrscher­liche Wirken im Bereich der Ökonomie und insbesondere der Landwirtschaft zu fixieren. Ihnen bot sich mit dem Selbstverständnis des chine­sischen Kaisers als erstem Landmann seines Staates und mit dem jähr­lichen chinesischen Ritual des eigenhändigen Pflügens des Monarchen eine standardisierte, normierte und inszenierte Handlungs­ sequenz eines Herrschers, die eine wesent­liche fürst­liche Funktion implizierte und eine Art der Pf­l ichterfüllung kommunizierte, die in Europa lange vernachlässigt worden war. Als Träger der Souveränität und im Einklang mit den Naturgesetzen sollten nun auch die Herrscher in Europa die Initiative zur Umsetzung eines neuen ökonomischen Staatsziels unter besonderer Berücksichtigung der Landwirtschaft und einer neuen Gemeinschaft ergreifen. Dies veränderte jedoch erheb­lich ihre bisherige Funktion. Es bedurfte somit einer erweiterten Herrschaftsauffassung, die auf die neue Bedeutung der Landwirtschaft und des Bauernstandes im Staat ausgerichtet wurde. Umsetzen konnte die Vorstellungen von Physiokraten und Kameralisten nur ein Herrscher, der durch entsprechende gesetzgeberische Rahmenbedingungen ebenso wie durch seine Person und sein Vorbild die Bedeutung der Landwirtschaft regelte und unterstrich.

26 Zum naturrecht­lichen Status des Menschen vgl. Habermas, Jürgen: Naturrecht und Revolution. In: Ders. (Hg.): Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien. Neuwied/Berlin 1967. Hier S. 52 – 88.

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Eine These der vorliegenden Studie lautet, dass dem König von Frankreich und den Territorialfürsten im Alten Reich durch die Physiokraten sowie die Kameralisten eine neue Funktion des „ersten Landmannes im Staat“ zuerkannt wurde. Den Monarchen sollte jeweils als Primus 27 die Rolle des Initiators für die Umsetzung der Konzepte sowie die Funktion des Vorbildes zukommen, einem neuen, ökonomisch ausgerichteten Staats- und Gesellschaftsideal sichtbar vorzustehen und es zu verkörpern. So wird von der These ausgegangen, dass von den französischen Physiokraten und den deutschen Kameralisten jeweils eine modifizierte Herrschaftsauffassung und ein neues Gesellschaftsverständnis entwickelt und gegenüber den Fürsten und allen Ständen vermittelt wurden. Nachgewiesen werden soll, dass, ausgehend vom Naturrecht und vom Naturzustand als idealem Zustand, das Ziel beider Bewegungen in der Annäherung aller Stände und des Herrschers an die Landwirtschaft sowie in der Sensibilisierung derselben für die gemeinsame Verantwortung gegenüber der Nahrungsmittel- und agrarischen Rohstoffproduktion bestand. Die ausschließ­liche Beschränkung dieser Verantwort­lichkeit auf den so genannten Nahrungsstand sollte künftig zugunsten einer neuen Gemeinschaft aller Menschen über alle Standesgrenzen hinweg abgelöst werden. Aufgrund der Erkenntnis eines gemeinsamen Interesses an der Landwirtschaft und der Einsicht eines gemeinsamen Bedürfnisses an Agrarprodukten sollte Frankreich den Physiokraten zufolge zu einer Nation agricole entwickelt werden. In den Territorien des Alten Reichs wollten die Kameralisten eine Aufwertung der Landwirtschaft erreichen. Die Vorschläge der Physiokraten und Kameralisten zielten auf die Stärkung des monarchischen Herrschaftssystems und damit gegenüber den Fürsten auf Herrschaftsverdichtung,28 welche die Ständegesellschaft weiter funktionalisieren und für ein neues ökonomisches Staatsziel stärker in den Dienst nehmen sollte.29 Es wird im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen, dass die beiden ökonomischen Bewegungen mit Blick auf das Gemeinwohl eine mög­liche Politik der Strukturtransformation forderten, welche in letzter Konsequenz dazu geeignet war, die ständische Ordnung mit den trennenden Elementen und spezifisch zugeordneten Wirkungs­ bereichen in eine überständische Ordnung umzugestalten.30 Anvisiert wurde in 27 Ideengeschicht­lich ist die Rolle des Herrschers als Primus und die damit verbundenen Erwartungen an ihn in der Frühen Neuzeit nicht erforscht. Es entsteht deshalb dazu gerade ein Aufsatz der Autorin. 28 Herrschaftsverdichtung wird hier als Wachstum der Staatsgewalt durch die Stärkung ihrer institutionellen Handlungsmög­lichkeiten mittels recht­licher und administrativer Verfahren sowie als Perfektionierung der Kontrollmechanismen verstanden, die das eigene Vertrauen und das der Untertanen in die Funktionsweise der Behörden und Gerichte steigern sollte. Brakensiek, Stefan: Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich. In: Ders./Wunder, Heide (Hg.): Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Köln/Weimar/Wien 2005. S. 1 – 20. Hier S. 7f. 29 Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen 1922. S. 289. 30 Zum Ergebnis einer solchen Tendenz kommt Johannes Süßmann im Kontext der fürst­lichen, adeligen und bürger­lichen Stadtbauten in der fürstbischöf­lichen Residenz Würzburg ab den

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Einleitung

Bezug auf die Landwirtschaft eine Vergemeinschaftung, die als Prozess bewusst mit jahrhundertealten Traditionen und den scheinbar gottgegebenen Legitimationen ständischer Trennung und Abgrenzung brach. Stattdessen sollte eine Annäherung bzw. Harmonisierung 31 im Sinne einer Integration stattfinden, die in Faktoren wie Moral, Arbeit sowie ökonomischen und sozialen Interessen die Grundlage zu einem neuen Zusammenhalt und einer neuen – in Anlehnung an Talcott Parsons – „gesellschaft­ lichen Gemeinschaft“ bzw. einer neuen Gesellschaft als moralischen Gemeinschaft nach Emile Durkheim sah.32 1750er Jahren. Auch Fürsten erkannten, dass privilegierte Gruppen von Verpf­lichtungen gegenüber dem Gemeinwesen ausgenommen waren und dies langfristig die Funktionstüchtigkeit des Gemeinwesens in Frage stellen würde. Süßmann bietet hierfür ein hervorragendes Beispiel fürst­ licher Aktion, Annäherung durch symbolische Nähe des gemeinsamen Wohnens in der Stadt zu erreichen. ­Johannes Süßmann legt seiner Arbeit jedoch kaum theoretische Reflexionen zur Verwendung des Begriffs „Vergemeinschaftung“ zugrunde. Da sich das Bauziel des Fürstbischofs gleichermaßen auf Adel und Bürgertum in Würzburg bezog und trennende Elemente der Stände überwunden werden sollten, kann anhand von Süßmanns Untersuchungen aber auch angenommen werden, dass es sich um die herrscher­liche Initiative zu einer neuen Gesellschaft als moralische und ökonomische Gemeinschaft handelte. Süßmann, Vergemeinschaftung durch Bauen, S. 17ff und S. 279. Michael Roth vertritt in seiner Untersuchung zur fürst­lichen Grundsteinlegung in Anlehnung an meine These von der physiokratischen Konstruktion des französischen Königs als erstem Landmann im Staat die These, dass sich der reformierte Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz durch die persön­lich vollzogene Grundsteinlegung während des Aktes mit der lutherischen Minderheitskonfession vergemeinschaftete und sich so als (erster) „Bauhandwerker“ am neuen Gotteshaus inszenierte. Die Deutung Roths erscheint durch die Symbolik des zeremo­niellen Aktes plausibel, auch wenn ihm keine Dauer durch die Wiederholung des Aktes, sondern nur in der Memoria verliehen wurde. Anders als bei Süßmann geht es in diesem Fall um eine gemeinschaftsstiftende Maßnahme einer konfessionellen Minderheit mit dem Landesherrn. Roth, Michael: „Ihr Churfl. Durchl. haben ihre Mildigkeit zu diesem Kirchenbaw erwiesen.“ Kurfürst Karl Ludwig und die Providenzkirche in Heidelberg. In: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 16 (2012). S. 63 – 88. Hier S. 75f. Die ähn­lichen Thesen der vorliegenden und Michael Roths Arbeit zu den Grundsteinlegungen haben zu langen und sehr ergiebigen Diskussionen geführt, wofür ich meinem Mitarbeiter herz­lich danke. 31 Nach Leibniz herrscht Harmonie dann, wenn sich mehrere Perspektiven in einer einheit­lichen Vorstellung vereinigen. Ausführ­lich zum Harmonieverständnis von Leibniz vgl. Busche, Hubertus: Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung. Hamburg 1997. S. 19. Zedlers Universal=Lexikon definiert die Harmonisierung am Beispiel der Musik als das geschickte Zusammenfügen ungleicher Klänge zu einem Ganzen, das dem Gehör angenehm und nicht verdrieß­lich sei. Zedler, Johann Heinrich (Hg.): Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste. Halle/Leipzig 1732 – 54. Bd. 12, Sp. 299. 32 Gemeinschaft entstand nach Parsons durch Zugehörigkeit. Diese wiederum entstand durch Inte­ grationsfaktoren wie die Motivation zu konkreten gemeinschaft­lichen Handeln und durch Konsens über gemeinsame Normen und Werte. Die Verpf­lichtung, sich diesen Faktoren zu unterwerfen, ist als Ergebnis der Vergemeinschaftung zu betrachten. Parsons, Talcott: The Structure of Social Action. Bd. 2: Weber New York 1968. S. 640 – 694. Münch, Richard: Soziologische Theorie. Bd. 3. Frankfurt/M. 2004. S. 84 und S. 92. Esser, Hartmut: Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt/M./New York ³1999. S. 337ff, S. 405 – 418.

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Der in dieser Studie gewählte Ansatz der Vergemeinschaftung und die Anwendung von Vergemeinschaftung als Begriff bricht bewusst mit Max Webers Unterscheidung der Vergemeinschaftung als notwendigem Zusammenschluss der Menschen auf der Basis affektiver oder traditionaler Zusammengehörigkeit der Beteiligten 33 von der ­Vergesellschaftung nach rein rationalen und marktwirtschaft­lichen Gesichtspunkten. Es wird vielmehr von einer Mischform beider Phänomene ausgegangen, die sich in den zu untersuchenden Vergemeinschaftungsbestrebungen und -phänomenen widerspiegelt. Die Erkenntnis knapper agrarischer Ressourcen und wirtschaft­licher Notwendigkeit war der Auslöser des Bedarfs nach rationalem Handeln.34 Dieses rationale Handeln wird sich in dem Spektrum der in dieser Arbeit untersuchten Vermittlungsstrategien von Vertretern der Physiokraten und Kameralisten zeigen, die jeweils für ihr Ziel um Einsicht warben und, um es mit einem Weber’schen Begriff zu formulieren, auf das Einverständnis aller hofften. Das angestrebte Ziel beider ökonomischen Denkrichtungen bestand darin, so lautet eine weitere zentrale These dieser Untersuchung, die ständische Gesellschaft als funktionale (moralische und ökonomische) Gemeinschaft zu formen. Es ging den Physiokraten und Kameralisten um ein gemeinsames Verständnis für den Grundwert von Nahrung des Menschen an sich und somit um eine solidarische Einigung zur Produktion, Protektion und Verfügbarkeit von Nahrung.35 Der Gedanke hatte seinen Ursprung im oikos, in der Haus- und Gutsgemeinschaft, der durch Kameralisten und Physiokraten neu belebt und dessen funktionale Abhängigkeitsbeziehungen durch Kooperation der Stände realisiert werden sollte. Es galt, die Stände von der anvisierten Kooperation zu überzeugen und einander dafür anzunähern. 33 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, § 9. S. 288. Tönnies ging von der Gemeinschaft als „von der vollkommenen Einheit mensch­licher Willen als einem ursprüng­lichen oder natür­lichen Zustand“ aus. Die Motivation zur Gemeinschaft sah er in der natür­lich gegebenen Einheit des Willens begründet. In der Gesellschaft sah Tönnies eher trennende Elemente: Gesellschaft definierte er als gesetzmäßig normalen Prozess des Verfalles aller Gemeinschaft und als Konstruktion eines Kreises von Menschen, „welche wie in Gemeinschaft, auf fried­liche Art nebeneinander leben und wohnen, aber nicht wesent­lich verbunden, sondern wesent­lich getrennt sind […].“ Das Band, welches den Menschen mit den anderen verbinde, sei dünn geworden. Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Darmstadt 1991. S. 7 und S. 34. König, René: Gemeinschaft und Gesellschaft, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 7 (1955). S. 348 – 420. Vgl. dazu Osterkamp, Frank: Gemeinschaft und Gesellschaft: Über die Schwierigkeiten einen Unterschied zu machen. Zur Rekonstruktion des primären Theorieentwurfs von Ferdinand Tönnies. Berlin 2005. Tegethoff, Hans Georg: Soziale Gruppen und Individualisierung. Ansätze und Grundlagen einer revidierten Gruppenforschung. Neuwied 1999. 34 Ein abgewogener Zweck soll im Sinne eines bestimmten Erfolgs in der Wirk­lichkeit realisiert werden und bedient sich dafür rationaler Mittel. Diese sind bei Weber so definiert, dass sach­lich notwendige Mittel eingesetzt werden. Loos, Fritz: Zur Wert und Rechtslehre Max Webers. Tübingen 1997. S. 122, FN 71. 35 Als Prozess der Verständigung und des gegenseitigen Verständnisses deutet Habermas Webers Begriff von Einverständnis. Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaft­liche Rationalisierung. Frankfurt/M. 1981. S. 377ff.

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Um die Annäherung aller Stände und letztend­lich eine Transformation der Stände­ gesellschaft zu erreichen, musste zunächst eine Annäherung bzw. Harmonisierung von bestimmten Gruppen wie z. B. dem Herrscher sowie in der Folge auch dem Adel einerseits und den Bauern andererseits im Sinne einer Vergemeinschaftung erfolgen. Diese bildete sich nach Weber auf der Basis von traditionalen und affektiven Bindungen. Das Affektive meint bei Weber die „subjektive Bedürfnisregung“ als Ur­­ sache für einen angestrebten Zweck wie etwa eine Interessensvereinbarung zwischen Menschen, die in eine paktierte Ordnung mündet. Die subjektive Bedürfnisregung bestimmt die Auswahl der Mittel, um diese Ordnung zu erreichen, und legitimiert diese zugleich.36 Die Herstellung einer solchen affektiven Bindung zwischen Herrscher und Bauer stellte das erklärte Ziel der Physiokraten und Kameralisten dar. Der Monarch sollte als erster „Landmann des Staates“ diese Bindung verkörpern und durch gezielte Interaktionen zwischen den Ständen eine funktionale Gemeinschaft herstellen bzw. formen sowie durch bindende Regelungen langfristig erhalten. Gerade die Ständegesellschaft besaß traditionell in ihrer Aufteilung die von Kameralisten und Physiokraten erhoffte funktionale Einbindung aller, die wechselseitig allen die Existenz ermög­lichen sollte. Doch Entfremdungstendenzen einzelner Stände wie des Adels zur Landwirtschaft und somit zum Nährstand hatten über Jahrhunderte zur Trennung der Stände und zur Vernach­lässigung ihrer Aufgaben geführt. Eine Rückbesinnung auf die traditionelle antike Haus- oder Gutsgemeinschaft mit der Bedeutung des Einzelnen als wichtiger, ökonomisch an der Gemeinschaft mitwirkender „Komponente“37 und die Einsicht, auch abhängige „Komponente“ der Gemeinschaft zu sein, sollten die Trennung überwinden helfen und zu einer erneuten Vergemeinschaftung führen. Während sich Vergemeinschaftung über Jahrhunderte in der europäischen Kultur über Zugehörigkeit und Ausschluss sowie sichtbare Ab- oder Ausgrenzung definierte und somit immer nur Gruppen mit gemeinsamen Zielen, gemeinsamen Hoffnungen

36 Loos, Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, S. 117, S. 122 und FN 73. 37 Nach Annette Voigt erfüllen Individuen mit ihrem Agieren auch Funktionen für das gesellschaft­ liche Ganze. Sie werden somit zu Komponenten des Ganzen und Teil einer Gemeinschaft. Voigt vergleicht das Verhalten zweckmäßig hierarchisch organisierter liberaler Gemeinschaften etwa bei Adam Heinrich Müller (1779 – 1829) mit dem überindividueller Einheiten bzw. Organismen in der Ökologie. Sie geht dabei von einer maschinenhaften Gemeinschaft aus, die dem Zweck eines überindividuellen Ganzen, der Befriedigung der Bedürfnisse aller dient. Voigt, Annette: Die Konstruktion der Natur: Ökologische Theorien und politische Philosophien der Vergesellschaftung. Stuttgart 2009. S. 130ff. Der äußerst schlüssig definierte und diskutierte Begriff der „maschinenhaften Gemeinschaft“ geht aber von der Übereinstimmung des Willens und der Bedürfnisse aller aus, weshalb Individuen für die Gemeinschaft agieren. Genau in dieser Übereinstimmung der Bedürfnisse erkannten Kameralisten und Physiokraten das Defizit ihrer Zeit. Der Begriff Voigts kann somit in dieser Arbeit nicht zur Anwendung kommen.

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oder ähn­licher Herkunft implizierte,38 die sich aus ihren Gemeinwesen ausgliederten, zielten die Bestrebungen von Kameralisten und Physiokraten darauf, bestehende Grenzen durch die rationale und zugleich moralisch-soziale Erkenntnis von Gemeinsamkeiten zu überwinden und in ein harmonisches Miteinander münden zu lassen. Es wird in diesem Buch gezeigt werden, dass es ihnen darum ging, das Gemeinwesen vor der Bedrohung des inneren Zerfalls (etwa durch Hungeraufstände) zu schützen, der aus bewusster Separierung und Abgrenzung einiger Stände vom Nahrungsproduktionsprozess resultierte. Notwendig war somit eine aktive Politik der Integration. Jean-Claude Hocquet definiert Integration als „eine Angleichung heterogener Elemente zu einem einheit­lichen System innerhalb eines sozialen Gebildes, eines Staates, einer Nation oder einer Gemeinschaft“.39 In der politisch vermittelnden und integrativen Rolle sahen die Kameralisten und die Physiokraten den Monarchen. Er sollte die heterogenen Auffassungen der Stände von ihrer ökonomischen Funktion annähern und dadurch eine funktionale Gemeinschaft stiften. Aus der etymologischen Bedeutung des Begriffs „Integration“ ergibt sich nach Herbst auch das Ziel: die Wiederherstellung oder Erneuerung eines früheren Zustandes.40 Dies bedingte zum einen, dass ein früherer, historischer 38 Der Begriff der Vergemeinschaftung wird zwar bei Lehmann in Abgrenzung zu Weber benutzt, jedoch hinsicht­lich seines zu untersuchenden Phänomens des Pietismus nicht definiert. Lehmann, Hartmut: Absonderung und Gemeinschaft. In: Albrecht, Ruth (Hg.): Geschichte des Pietismus. Glaubenswelt und Lebenswelten. Göttingen 2004. S. 488 – 497. Hier S. 488 – 490. Die hier für frühneuzeit­liche Vergemeinschaftung angewandten Kategorien der Gruppenbildung ergaben sich aus der kritischen Lektüre Lehmanns. Die Frage von Vergemeinschaftung im Hinblick auf den Adel wurde bisher nicht gestellt. Ronald G. Asch geht vom Adel als einer gesellschaft­lichen Formation aus, die mit ihren Strategien des „Obenbleibens“ eine Leitbildfunktion als Elite beanspruchen kann. Asch, Ronald G.: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung. Köln 2008. Asch lehnt sich damit an den Beitrag von Rudolf Braun an. Braun, Rudolf: Konzeptionelle Bemerkungen zum „Obenbleiben“. Adel im 19. Jahrhundert. In: Wehler, Hans-Ulrich (Hg.): Europäischer Adel 1750 – 1950. Göttingen 1990. S. 87 – 95. Begriffe und Prozesse der Bildung von Gemeinschaft und Vergemeinschaftung stellen nach wie vor ein vernachlässigtes Forschungsfeld der Soziologie dar. Den Blick auf Gemeinschaft schaffende Bindungsrationalitäten und Handlungsmotive richtet der Sammelband von Grundmann, Matthias/Dierschke, Thomas/ Drucks, Stephan/Kunze, Iris (Hg.): Soziale Gemeinschaften. Experimentierfelder für kollektive Lebensformen. Berlin 2006. Einleitung. 39 Hocquet, Jean Claude: Harmonisierung von Maßen und Gewichten als Mittel zur Integrierung in Deutschland im 19. Jahrhundert. In: Schremmer, Eckart: Wirtschaft­liche und soziale Integration in historischer Sicht. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg 1995. Stuttgart 1996. S. 110 – 123. Hier S. 110. Bei dem Begriff der Integration handelt es sich nicht um einen zeitgenössischen Quellenbegriff, sondern einen politischen und theoretischen Terminus, der im Kontext der Europäischen Einigung zwischen 1947 und 1950 seine Anwendung fand. Herbst, Ludolf: Die zeitgenössische Integrationstheorie und die Anfänge der Europäischen Einigung 1947 – 1950. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 2 (1986), S. 161 – 205. Hier S. 167. 40 Herbst verweist auf den häufigen antiken Gebrauch des lateinischen Verbs „integrare“ mit der Bedeutung: wiederherstellen, erneuern, wiederbeginnen. „Integrum“ verweist auf einen unverletzten, früheren Zustand. Herbst, Integrationstheorie, S. 164.

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Einleitung

Zustand als ideal verstanden wurde, und verwies zum anderen darauf, dass Integration immer einen Prozess bedeutete. Rudolf Smend unterstrich 1928 den Prozesscharakter von Integration und sah darin eine ständige Erneuerung. Er verstand in diesem Zusammenhang den Staat deshalb nicht als statisches Konstrukt, sondern als geistiges Kollektivgebilde, das sich nur durch erneuernde geistige Akte existent erhielt.41 Initiator und Durchführender, aber auch Teil dieser erneuernden geistigen Akte hatte aus Sicht der ökonomischen Schulen des 18. Jahrhunderts ebenfalls zunächst der Fürst zu sein. Albert Tanner verweist im Kontext der Erneuerung auf die notwendige „Herausbildung eines Kernbestands von gemeinsamen Leitbildern“42 innerhalb des ­Integrationsprozesses. Diese Leitbilder entwarfen die Kameralisten und Physiokraten auf der Basis von eigenen kulturellen Traditionen zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft sowie fremden Erfolgsmodellen. Durch gezielte Vermittlungsstrategien gegenüber dem Herrscher und allen Ständen sollten sie zu gemeinsamen Leitbildern und Idealen werden, die im Erneuerungsprozess der Vergemeinschaftung Orientierung boten. Gemäß Emile Durkheims Erkenntnis, dass Ideale ein natür­liches Produkt des gesellschaft­lichen Lebens sind und dass die von den Physiokraten und Kameralisten angedachte funktionale Gemeinschaft nicht außerhalb der wirk­lichen Gesellschaft steht, sondern vielmehr ein Teil von ihr ist,43 bedurfte es seitens der Physiokraten und der Kameralisten der Konstruktion und Vermittlung wirkungsvoller Modelle, die entweder zur eigenen Tradition gehörten oder selbst über eine eindrucksvolle Tradition und nachgewiesenen Erfolg in der Praxis verfügten. Dem chinesischen Kaiser und der ständelosen chinesischen Gesellschaft kamen deshalb in der Argumentation der Physio­kraten und Kameralisten wichtige Vorbildfunktionen zu. Die dort entlehnten Beispiele zeigten, wie auf der Grundlage der Harmonie aller Interessen eine Gesellschaft als Gemeinschaft, insbesondere als ökonomische Gemeinschaft funktionierte, deren Harmonisierung bei Brüchen eine der wesent­lichsten Aufgaben des Kaisers darstellte. Die vorliegende Studie wird zudem analysieren, wie sich Erfolg und Kritik der kameralistischen und physiokratischen Herrschafts- und Gesellschaftsvorstellungen in der zeitgenössischen Verarbeitung in literarischen, zukünftigen Staatsentwürfen (Utopien) widerspiegelten. Mit Louis-Sébastian Merciers (1740 – 1814) utopischem Entwurf von Paris L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fut jamais und Christoph Martin

41 Smend, Rudolf: Verfassung und Verfassungsrecht. München 1928. S. 18, FN 3. 42 Tanner, Albert: Direkte Demokratie und soziopolitische Integration des Mittelstandes, der Arbeiterschaft und Bauern in der Schweiz 1830 – 1914. In: Schremmer, Eckart (Hg.): Wirtschaft­liche und soziale Integration in historischer Sicht. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg 1995. Stuttgart 1996. S. 184 – 213. Hier S. 184. 43 Durkheim ging darüber hinaus davon aus, dass eine Gesellschaft auch durch die Idee geprägt wird, die sie von sich selbst macht. Durkheim, Emile: Les formes élémentaires de la vie religieuse. Paris 1979. S. 603f.

Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches

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Wielands (1733 – 1813) Staatsroman Der goldne Spiegel oder die Könige von Schechian finden sich zwei Werke, welche die neuen Vorstellungen und insbesondere das chinesische Vorbild einer hohen Wertschätzung der Landwirtschaft im Staat kritisch reflektieren. Beide Autoren bieten eine Brücke zwischen aktuellen politischen Zeitläuften (wie etwa der Hungerkrise 1770), der subjektiven kritischen Überprüfung der neuen Herrschafts- und Gesellschaftskonzepte und ihrer Literatur. Beide bedienen sich dabei der Überschneidung von fiktionalen und nichtfiktionalen Elementen, die in korrigierten und weiterentwickelten Entwürfen mündeten und gleichzeitig Anleitungen zur Realisierung erteilten. Von Interesse ist weiterhin die Frage, ob und wie die Vorstellung der Physiokraten von einer Nation agricole nach der Revolution in der Selbstdarstellung der französischen Republik aufgegriffen und an die neue Realität einer Gesellschaft von Gleichen angepasst wurde. Im vorliegenden Buch geht es nicht um die Idealisierung des Landlebens (laus ruris) als idealer Fiktion und moralischem Gegenentwurf zur höfischen politischen Sphäre, sondern gerade um die Verknüpfung oder zumindest eine Annäherung dieser beiden Sphären, die lange getrennt waren. Damit soll ein Beitrag zur Kultur- und Ideengeschichte der Landwirtschaft und ihrer engen Verflechtung mit Herrschaft geleistet werden. Dargestellt werden soll, wie althergebrachtes Wissen und Herrschaftstradi­tionen im 18. Jahrhundert neu arrangiert bzw. in neuen Begründungszusammenhängen eingesetzt wurden. Die Studie zeigt, wie die alten europäischen Traditionen ab den späten 1750er Jahren in Frankreich und Deutschland zunehmend wiederbelebt und durch außereuropäische Argumentationen begründet und gestützt wurden. Die Arbeit geht den Wegen und Darstellungsformen nach, über die biblische, antike und chinesische Vorstellungen von der Verflechtung von Landwirtschaft und Herrschaft im 18. Jahrhundert ökonomische Theorien, die Meinung von bürger­lichen und ­höfischen Teilöffent­lichkeiten, literarische Staatsentwürfe und nicht zuletzt die Festkultur der Französischen Revolution beeinflussten. Da im Mittelpunkt insbesondere die Vermittlungsstrategien zur Verbreitung der neuen Ideen stehen, liegt dieser Studie ein medienzentrierter Ansatz zugrunde, der in Anlehnung an Stuart Hall den Blick auf die Encodierung und Decodierung von Informationen,44 also zunächst die Perspektive der Produzenten von Argumenten, ihre Vermittlungsstrategien und ihre gewählten Medien sowie den Kreislauf der Zirkulation und ihren Gebrauch der Empfänger mit eigener Interpretation richtet. Die Arbeit wird

44 Encoding und decoding versteht Hall als Artikulation und autonomes Geschehen. Es gibt keine Korrespondenz zwischen der encodierten Bedeutung und dem Rezipienten. Hall, Stuart: Encoding and Decoding in the Television Discourse. Birmingham 1973. S. 1. Ders.: Who needs Identity? In: Ders./Gay, Paul du (Hg.): Questions of Cultural Identity. London 1997. S. 1 – 18. Hier S. 14. Winter, Rainer: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/decoding“-Modell zur Diskursanalyse. In: Hepp, Andreas/Ders. (Hg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen 1997. S. 47 – 63.

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Einleitung

anhand von Stuart Halls Kommunikationsmodell einzelnen Schritten nachgehen und zeigen, dass verschiedene Autoren und Akteursgruppen für sich bestimmte Formen der Kommunikations- und Informationsvermittlung entwickelten, weil diese ihre Zugehörigkeit zu einer Bewegung unterstrichen. Darüber hinaus versprachen sie aber auch den größten Vermittlungserfolg. Die Untersuchung analysiert aus diesem Grund ausführ­ lich, wie und in welcher Darstellung gerade das Wissen vom eigenhändigen Pflügen des chinesischen Kaisers Eingang in unterschied­liche symbolische, interessengesteuerte populäre und repräsentative Kommunikationsformen fand und so eine Definitionsmacht im Diskursfeld 45 um die zeitgenössische Bedeutung der Landwirtschaft einnahm.46 Es wird dafür in der Arbeit ein mehrschichtiges Verbreitungssystem des Wissens um die Rolle der Landwirtschaft im Herrschaftsverständnis der chine­sischen Kaiser aufgezeigt: Der Transfer über die Reiseberichte und die selektive Rezeption durch staatstheoretische und ökonomische Werke und ihre Modellkonstruktion, deren Rezeption in literarischen Staatsentwürfen der Zukunft (Utopien), die damit, und ergänzt um Wissen aus den Reiseberichten, die Modelle kritisch weiterdachten, und zuletzt die selektive Übertragung aus dem bisher monarchischen in den republikanischen Kontext der Französischen Revolution. Gemäß der Medienanalyse wird sich erweisen, dass die ,,ausgehandelte Lesart“, in der die Rezipienten von Medien deren Definition von Situationen und Ereignissen annehmen, aber auch kontextuales eigenes Wissen in dieses Verständnis mit einbringen, diejenige ist, die den Umgang mit allen in dieser Arbeit untersuchten Text- und Bildmedien charakterisiert. Die vorliegende Arbeit versucht, über die bisherigen Ansätze für die Untersuchung der Einflüsse des transferierten Wissens über China auf den politischen Prozess in Europa einen Schritt hinauszugehen und nicht nur nach den Rezeptionsinhalten zu fragen, sondern auch danach, welche Informationen und Selbstbilder der chinesischen Kaiser hinsicht­lich der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft Bericht­erstattern und Rezipienten überhaupt zur Verfügung standen. Die Arbeit untersucht deshalb in diesem Kontext die Bedeutung der Landwirtschaft für Qing-China im 18. Jahrhundert sowie den Transfer von landwirtschaft­lichem Herrschaftswissen und entsprechenden Herrschaftspraktiken von China nach Europa. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt darauf, aufzuzeigen, wie durch den Transfer des Wissens, insbesondere von Vorstellungen und Ideen zur Sichtbarkeit eines der Landwirtschaft verbundenen Herrschers im Motiv des pflügenden Kaisers, ein neues Herrscherbild nach Europa transferiert wurde, sich aber gleichzeitig während des Migrations­prozesses durch die unterschied­ liche Intention der Rezipienten wandelte. Die vorliegende Studie wird zeigen, wie so 45 Werner Schiffauer definierte das Diskursfeld als Arena von Debatten, in der jede Position auf andere Positionen antwortet. Schiffauer, Werner: Die Gottesmänner. Frankfurt/M. 2000. S. 142. 46 Hepp: Cultural Studies und Medienanalyse, S. 54f. Gött­lich, Udo/Albrecht, Clemens/Gebhardt, Winfried (Hg.): Populärkultur und repräsentative Kultur. Die Herausforderung der Cultural Studies. Köln 2002.

Gegenstand, Methoden und Ziel des Buches

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genannte hybride Elemente oder Mischideen im Sinne von transkulturellen Verflechtungen entstanden.47 Die Bedeutung von Migrating Ideas ist zwar für die Kulturgeschichte hervorgehoben, jedoch theoretisch kaum gefasst. In der Ideengeschichte hat der Begriff bisher keine Anwendung gefunden. Sein Gebrauch erscheint für die Untersuchung dieser Arbeit sinnvoll, denn er bedingt die Rückkehr zu konkreten, nachweisbaren Sachverhalten und Untersuchungsgegenständen unter ganz gezielter Berücksich­tigung und Betonung der Transferprozesse. Damit ermög­licht er, über die Ansätze der klassischen Ideengeschichte hinauszugehen, die bisher noch nicht nach spezifischen Bedingungen oder Mög­lichkeiten der Verbreitung von Ideen gefragt hat.48 Diese Arbeit wird mit der Untersuchung der Konstruktion von Modellen und der Medienanalyse ganz gezielt nach diesen Bedingungen fragen. Zwar hat sich die I­ ntellectual History dieses Vorgehen zum Ziel gesetzt, umgeht dabei aber die globale Perspektive.49 Da für diese Studie von der Prämisse Xys, Ideas migrate across time and space, ausgegangen wird,

47 Interkulturelle Kontakte unterschied­lichster Art führten schon immer zur Migration von Ideen und Vorstellungen in den verschiedensten Bereichen. Das Ergebnis sind hybride Elemente unterschied­ lichster Provenienz, die eine neue, mög­licherweise transkulturelle Realität aus der Verflechtung in dem jeweiligen Bereich schaffen, oder eine „Mischidee“ mit einer Verflechtung von west­licher und öst­licher Vorstellung, die eine neue Idee konstruiert. Espagne, Michel: Die Rolle der Mittler im Kulturtransfer. In: Lüsebrink, Hans Jürgen/Reichardt, Rolf (Hg.): Kulturtransfer im Epochenumbruch Frankreich – Deutschland 1770 – 1815. Bd. 1 (Deutsch-französische Kulturbibliothek, Bd. 9,1). Leipzig 1997. S. 309 – 330. Hier S. 310; Middell, Matthias: Kulturtransfer und Historische Komparatistik – Thesen zu ihrem Verhältnis. In: Comparativ 10 (2000). S. 7 – 41. Ders.: Von der Wechselseitigkeit der Kulturen im Austausch: Das Konzept des Kulturtransfers in verschiedenen Forschungskontexten. In: Langer, Andrea/Michels, Georg (Hg.): Metropolen und Kulturtransfer im 15./16. Jahrhundert. Prag – Krakau – Danzig – Wien. Stuttgart 2001. S. 15 – 51. Kultur wird für den Verlauf des Transfers in dieser Arbeit nach Espagne als stabile Einheit angenommen, auch wenn sie durch frühere „Hybridisierungen“ diese eigent­lich nicht ist. Espagne, Michel: Jenseits der Komparatistik. Zur Methode der Erforschung von Kulturtransfer. In: Mölk, Ulrich (Hg.): Europäische Kulturzeitschriften um 1900 als Medien transnationaler und transdisziplinärer Wahrnehmung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, philologisch-historische Klasse, Folge 3, Bd. 273). Göttingen 2006. S. 13 – 32. Hier S. 17. 48 Eine der wenigen Ausnahmen stellt Robert Darnton dar, der mit seinen Arbeiten insofern Bedingungen des Transfers von Ideen in den Blick nahm, indem er nach dem Vertrieb und der zur Verfügung stehenden Menge von Medien fragt. Vgl. etwa Darnton, Robert: The Forbidden Best-Sellers of Prerevolutionary France. New York 1995. 49 Die Frage nach Migrating Ideas als mög­liches Konzept wird auch von Brian Crown nicht gestellt. Crown, Brian: Intellectual, Social and Cultural History. Ideas in Context. In: Whatmore, Richard/ Young, Brian W. (Hg.): Palgrave Advances in Intellectual History. Basingstoke/New York 2006. S. 171 – 188. Pocock, John Greville Agard: Political Thought and History. Essays on Theory and Method. Cambridge 2010. Skinner, Quentin: Regarding Method (Visions of politics, Bd. 1). Cambridge 2002. Für einen guten Überblick als Studienausgabe Mulsow, Martin/Mahler, Andreas: Die Cambridge School der politischen Ideengeschichte (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1925). Berlin 2010.

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Einleitung

steht im Zentrum dieser Untersuchung die Migration der Idee:50 Sie bewirkt die für eine Gesellschaft gewinnbringende Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft, die einerseits eine eigenkulturelle Wurzel in den Mythen und im antiken Europa, andererseits eine in der Herrschaftstradition Chinas besitzt. Um die Migration dieser Idee aus beiden Kulturkreisen sowie ihre Verflechtung im 18. Jahrhundert aufzuzeigen, werden zeitgenössische und moderne Theorien zu Modellkonstruktionen herangezogen. Durch den Prozess der Migrating ideas offenbaren sich neue soziale und kulturelle Konfigurationen, die neue Bedeutungen und Werte erzeugen. Es wird davon ausgegangen, dass zunächst vom Ursprungsbereich einer Idee ein Vorstellungs-Modell für den noch unbekannten Zielbereich (das Explanandum) zur Verfügung gestellt wird, der mit einem vertrauten Begriffsvorrat oder Bildern dieser Idee versehen wurde.51 Das Vorstellungs-Modell einer Idee ist selektiv. Das im Zielbereich selektiv Erschlossene einer Idee kann, zumal wenn es sich um anschau­liche Bilder handelt (etwa der den Pflug führende Herrscher), in zweifacher Weise auf den Ursprungsbereich zurückwirken: Einmal, indem dadurch eine bestimmte Diskussion initiiert oder erneut belebt wird (und infolge der Rückübertragung neue Einsichten vermittelt), zum andern, indem die den Zielbereich kognitiv fassbar oder begreifbar machenden Vorstellungs-Modelle einer Idee als metaphorische Leitbilder bzw. Vorbilder ausgegeben werden. Eine These dieser Arbeit ist, dass dies umso leichter mög­lich war, wenn die nicht mehr verfügbare Antike greifbar und begreifbar geworden ist, weil die einst in der Antike lebendigen Vorstellungs-Modelle einer bestimmten Idee diese überdauert und nunmehr in China reale (wenn auch konstruierte) „Gestalt“ angenommen haben. Die Metapher oder das Vorstellungsmodell ermög­lichte bzw. erleichterte das Verständnis der beabsichtigten s­o zialen oder gesellschaft­lichen Transformation, die in der Nutzung des Modells intendiert ist. Zugleich weist Stuart Hall darauf hin, dass die Konstruktion, das Verständnis und die Nutzung von Modellen oder Metaphern klassenabhängig ist.52 Es wird im Verlauf dieser Studie gezeigt, dass dies auch für die frühneuzeit­lichen Stände gilt, die zunächst nicht als Zeichengemeinschaften gelten können. Durch gezielte Vermittlungsstrategien und geeignete (allgemeinverständ­liche oder aus dem Kontext der bildungsschwächeren Adressatengruppe entlehnte) Zeichen können sie jedoch zu Zeichengemeinschaften werden, die eine Interessengemeinschaft spiegelt. 50 Die Frage, was Migrating Ideas sind, diskutiert sehr kurz Scazzieri in der Einleitung zu seinem Band des wissenschaft­lichen Austauschs. Scazzieri, Roberto/Simili, Raffaella (Hg.): The Migration of Ideas. Boston 2008. Einleitung, S. 3. Eine kurze Definition gibt Choudhry, Sujit (Hg.): The Migration of Constitutional Ideas. Cambridge 2009. Einleitung, S. 16ff. 51 Drewer, Petra: Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens. Zur Rolle der Analogie bei der Gewinnung und Vermittlung wissenschaft­licher Erkenntnisse. Tübingen 2003. S. 19ff und S. 68ff. Hall, Stuart: Für Allon White. Metaphern der Transformation. In: Räthsel, Nora (Hg./Übers.): Stuart Hall. Cultural Studies. Ein politisches Theorieprojekt. In: Ausgewählte Schriften, Hamburg 2002. Bd. 3, S. 113 – 136. Hier S. 113f. 52 Hall, Für Allon White, S. 124.

Quellenauswahl

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1.2 Quellenauswahl

Angestrebt wird in der vorliegenden Arbeit eine episodische Darstellung der Migrating ideas zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft, weniger eine große Mastererzählung. Die Auswahl der Quellen zielt nicht darauf ab, die Entwicklung der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in Europa und China chronologisch lückenlos darzustellen. Das in dieser Arbeit diskutierte Quellenmaterial wurde stattdessen nach seiner Relevanz für die Vermittlungsstrategien insbesondere von Kameralisten und Physiokraten ausgewählt. Im Rahmen dieser Arbeit wird deshalb ein breites Corpus – mehrheit­lich gedruckter – schrift­licher und bild­licher Quellen zur Dokumentation agrarisch beeinflusster Herrschaftsauffassungen und Herrschaftsfunktionen in der Antike und deren Rezeption bis zum Ende des 18. Jahrhunderts untersucht. Ausgehend von biblischen und antiken Texten, die Herrschaftsvorstellungen als Ideal prägten, sowie Selbstdarstellungen von Monarchen als Ernährer des Volkes auf Münzen, Skulpturen und Kunstgegenständen, wird ein interepochaler Transfer von Herrschaftsauffassungen in das 18. Jahrhundert geprüft. Analysiert werden Mythen, wie beispielsweise der des Königs Triptolemos und der eleusischen Kulte, in denen vor allem die Funktion des Monarchen als der von Göttern und der Natur Auserwählte und Lernende sowie später als Vermittler der Kunst des Ackerbaus gegenüber den Menschen unterstrichen wird. Gleiches gilt für die Untersuchung der chinesischen Tradition des idealen konfuzianischen Bildes vom Herrscher als erstem Landmann des Staates mit festem Verhaltenskodex und klaren Verhaltenserwartungen im spirituellen, rituellen und politisch-ökonomischen Bereich, die an den Monarchen gerichtet wurden. Ausgewertet werden dafür vor allem Mythen, aber auch klassische Texte wie beispielsweise die Zusammenstellung der Vier Bücher nach Zhu Xi, Menzius, Lokal- und Dynastiegeschichten, Handbücher zur Landwirtschaft, verschiedene Ausgaben des Gengzhitu in der Rezeption der frühen Qing-Kaiser sowie staatsphilosophische Werke wie Guanzi und Wang Fu, die den Rahmen für den Pf­lichtenkanon des Kaisers als erster Landmann absteckten. Darüber hinaus werden Quellen ausgewertet, welche die Rezeption dieser Klassiker und deren Ideale kaiser­lichen Wirkens in der Landwirtschaft durch den Kangxi-Kaiser (1654 – 1722), den Yongzheng-Kaiser (1678 – 1735) und den Qianlong-Kaiser (1711 – 1799) transportieren.53 Es handelt sich dabei vor allem um Quellen wie eigene Dichtungen, persön­liche Aussagen und Reflexionen bzw. Selbstverpf­lichtungen der frühen Qing-Kaiser sowie rituelle Handlungen im Kontext der Landwirtschaft, die in Anlehnung an historische Vorbilder aufgegriffen und in eine neue Qing-Tradition gegenüber dem Landbau und den Bauern überführt wurden. Dies umfasst Schriften aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert, die in Übersetzungen vorliegen.

53 Die chinesischen Kaiser werden in Anlehnung an die Schreibweise der Sinologie nach ihrer Regierungsdevise benannt.

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Einleitung

Die Herrschaftsauffassung vom Kaiser als erstem Landmann floss mit der Gepflogenheit, als Kaiser von China auch als erster Gelehrter zu gelten, sehr oft zusammen, was sich in höfischer Auftragskunst anhand von illustrierten Buchserien und großformatigen Darstellungen kaiser­licher Pf­lichterfüllung als Landmann widerspiegelt. Dafür wurden Bestände aus den Sammlungen der Nationalbibliothek Peking und den Kunstsammlungen der Verbotenen Stadt untersucht. So wird in dieser Studie die über sechs Meter lange Darstellung des Pflugrituals des Yongzheng-Kaisers aus dem Jahr 1727, die in getrennten Teilen in Peking und Paris liegt, im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis des Kaisers, als erster Landmann zu wirken, beschrieben, eingeordnet und anhand neuer chinesischer Forschungen sowie zeitgenössischer jesuitischer Quellen analysiert und bewertet. Auch die Ermahnungen der Kaiser gegenüber ihren Untertanen, mit ihren Handlungen zur Achtung der Bauern und der Landwirtschaft beizutragen, wie beispielsweise durch das Heilige Edikt des Kangxi-Kaisers, werden eingehend analysiert. Daneben werden einige gezielte politische Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft bzw. zur Vermittlung ihrer Bedeutung im gesamten Reich ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt. Darin spiegelt sich jedoch nicht der reale Ist-Zustand des Ackerbaus oder der Viehzucht in China, sondern die ideale Leitlinie und ihre Bedeutung als ethisch-moralische und politische Zielvorstellung für die Herrscher der frühen Qing-Dynastie. Für den Wissenstransfer zur Verknüpfung von Landwirtschaft und Herrschaft in China wurden die bekannten Kompendien der Jesuiten wie die zwischen 1702 und 1776 von den Jesuiten Jean-Baptiste Du Halde, Charles le Gobien und anderen herausgegebenen Lettres édifiantes et curieuses, écrites des missions étrangères in 34 Bänden,54 die ebenfalls von Du Halde 1735 herausgegebene vierbändige Description géographique, historique, chronologique, politique, et physique de l’empire de la Chine 55 und eine Auswahl von etwa 200 Briefen und Berichten aus den frühen Lettres édifiantes, die der Jesuit Joseph Stöcklein (1676 – 1733) und seine Kollegen in deutscher Übersetzung in ihrem Kompendium Der Neue Welt-Bott im Zeitraum zwischen 1726 und 1761 ihren Lesern boten, ausgewertet.56 Daneben fanden zahlreiche weitere, nicht jesuitisch geprägte 54 Gobien, Charles le/Du Halde, Jean-Baptiste et al (Hg.): Lettres édifiantes et curieuses, éctites des missions étrangères […]. 34 Bde. Paris 1702 – 1776. 55 Du Halde, Jean-Baptiste: Description géographique, historique, chronologique, politique, et physique de l’empire de la Chine et de la Tartarie chinoise, enrichie des cartes générales et particulieres de ces pays, de la carte générale et des cartes particulieres du Thibet, & de la Corée; & ornée d’un grand nombre de figures & de vignettes gravées en tailledouce. 4 Bde. Paris 1735. 56 Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses. Stöcklein, Joseph (Hg.): Der Neue Welt=Bott mit allerhand so lehr- als geistreiche Brief, Schriften und Reis-Beschreibungen: welche von denen Missionariis der Gesellschaft Jesu aus beyden Indie, und andern über Meer gelegenen Ländern, seit an. 1642 biss [sic!] auf das Jahr 1726 in Europa angelangt seynd; jetzt zum erstenmal Theils aus handschrifft­lichen Urkunden, theils aus denen Französischen Lettres édifiantes. Verdeutscht und zusammengetragen von Joseph Stöcklein. 5 Bde. Augspurg/Grätz/Wien 1726 – 1758.

Quellenauswahl

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Reiseberichte Beachtung, die von Fachleuten und botanisch oder landwirtschaft­lich interessierten Laien verfasst wurden. Darüber hinaus gibt die Arbeit Einblick in die Interessen der französischen Regierung, die über Fragelisten der Minister Henri-­Léonard Jean Baptiste Bertin (1720 – 1792) und Anne Robert Jacques Turgot (1727 – 1781) an Jesuiten in Peking gerichtet wurden. Auch die hierauf erfolgten Antworten werden vorgestellt und analysiert. Außerdem wird der Briefwechsel zwischen Minister Bertin und den französischen Jesuiten in China zur Rolle der Landwirtschaft ausgewertet.57 Durch den Blick in die Kompendien sowie die Fragebögen und Briefe ergibt sich ein differenziertes Bild zufälliger und gezielter Wissensvermittlung nach Frankreich bzw. nach Europa. Deut­lich werden anhand des breiten Spektrums von Berichten Lücken, die später zu Fragen veranlassten, oder Korrekturen von falsch oder zu oberfläch­lich vermitteltem Wissen. Der untersuchte Zeitraum von Berichten aus China umfasst das 17. und gesamte 18. Jahrhundert. Bildquellen zur Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft gelangten kaum und wenn nur in Form von bebilderten chinesischen Büchern, vor allem aber in Form von Darstellungen auf Reispapiertapeten nach Europa. Die Untersuchung der Rezeption des Spektrums der biblischen, antiken und chine­ sischen Vorbilder für das erwünschte neue Herrschafts- und Gesellschaftsverständnis erfolgt durch ausführ­liche Analyse der physiokratischen Schriften von François ­Quesnay (1694 – 1774), Victor de Riqueti Marquis de Mirabeau (1715 – 1789) und Pierre Samuel Du Pont de Nemours (1739 – 1817) sowie den Autoren von Lehrbüchern zur Landwirtschaft Jean-Baptiste Dupuy-Demportes (?– 1770) und Simon Philibert La Salle de l’Etang (1700 – 1765), die gedank­lich den Physiokraten nahe standen. Auch die Zeitschriften, die den Physiokraten als Publikationsorgane dienten, werden für die Betrachtung der vermittelten Herrschaftsauffassung herangezogen. Im Fokus der Untersuchung der kameralistischen ökonomischen Strömung stehen hingegen die Werke des Altkameralisten Johann Joachim Becher (1635 – 1682) sowie Johann Heinrich Gottlob Justis (1717 – 1771). Zur Untersuchung ihrer Argumentationsstrategien werden zeitgenössische Assoziations- und Modelltheorien und Vorstellungen zur Einbildungskraft von Christian Wolff (1679 – 1754) und David Hume (1711 – 1776) wie etwa Humes Philo­ sophical Essays Concerning Human Understanding aus dem Jahr 174858 herangezogen. Die Frage, warum ausgerechnet China als Modell für Europa geeignet erschien, wird vor dem Hintergrund von Giambattista Vicos (1668 – 1744) These von der Einheit der Kulturen und der Historizität von Mythen in seinem geschichtsphilosophischen Werk La scienza nuova diskutiert.59

57 Cordier, Henri (Hg.): Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaries en Chine avec H. L. J. Bertin, 1744 – 1798. 12 Bde. Signatur: Bibliothèque de l’Institut de France, ms. 1515 – 1521. 58 Hume, David: Philosophical Essays Concerning Human Understanding. By the Author of the Essays Moral and Political. London 1748. 59 Vico, Giambattista: La scienza nuova. Hg. v. Fausto Nicolini. 2 Bde. Bari 1928/1931.

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Einleitung

Die breite Kenntnis des Pflugrituals in Europa und der damit ansatzweise verbundenen erweiterten Herrschaftsauffassung ist der schrift­lichen und münd­lichen Propaganda physiokratischer und kameralistischer Autoren zu verdanken. Sichtbare Früchte trug sie durch das eigenhändige Pflügen des zukünftigen französischen Königs ­Ludwig XVI . (1638 – 1715) sowie Kaiser Josephs II . (1741 – 1790). Untersucht wird anhand der bild­ lichen Fixierung dieser Geschehnisse durch Auftragskunst und in Massenmedien wie Kupferstichen, wie aus einem Geschehen durch den Einsatz unterschied­licher Medien ein Ereignis 60 wurde, das durch einen Kommunikationsprozess für die Zeitgenossen und auch für spätere Generationen einen überraschenden, nicht alltäg­lichen oder gar einzigartigen und außergewöhn­lichen politischen Sinn einer neuen Herrschaftsauffassung transportierte. Der Blick bis weit ins 19. Jahrhundert zeigt, wie Darstellungen des pflügenden römisch-deutschen Kaisers in Form von Druckgraphik, Gemälden und Münzen die Leutseligkeit des Herrschers im Umgang mit den Bauern unterstrichen und im kollektiven Gedächtnis aufrechterhielten, zugleich aber auch die Bedeutung der Landwirtschaft für die Staatsökonomie betonten. Bildmedien werden in dieser Arbeit weniger hinsicht­lich ihres künstlerischen Eigenwertes betrachtet, sondern bewusst im Sinne einer Quelle als Dokumente verstanden, die Fakten und Nachweise bieten.61 Die Analysen dieser Arbeit richten sich auf die Produktion und Rezeption von Bildern als Spiegel des Diskurses um die Frage nach der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft, da angenommen wird, dass sie mit den in schrift­lichen Quellen erzeugten mentalen Bildern einer neuen Herrschaftsauffassung in Zusammenhang stehen. 62 Zugleich ist mit den Bildern eine Erweiterung des hier untersuchten diskursiven Feldes verbunden, indem der Ästhetik von Bildern, aber auch der Literatur, eigenständige Wirkungsfelder des Politischen zugestanden werden. Die Arbeit bedient sich neben bild­lichen auch literarischer Quellen.63 Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen mit Justis Vergleichungen sowie Merciers und Wielands

60 Zum Begriff des Ereignisses vgl. Suter, Andreas: Kulturgeschichte des Politischen – Chancen und Grenzen. In: Zeitschrift für Historische Forschung 2005 Beiheft 35. S. 27 – 56. Hier S. 30. 61 Arnold, Dana: Sehen heißt glauben. Historiker und Bilder. In: Jäger, Jens/Knauer, Martin (Hg.): Bilder als historische Quellen? Dimension um historische Bildforschung. München 2009. S. 27 – 44. Hier S. 27. Arnold bietet einen guten Überblick über die Bildtradition in der angloamerikanischen Geschichtswissenschaft. 62 Jäger, Jens/Knauer, Martin: Bilder als historische Quellen? Ein Problemaufriss. In: Dies. (Hg.): Bilder als historische Quellen? Dimension um historische Bildforschung. München 2009. S. 7 – 26. Hier S. 17. Bredekamp, Horst: Bildakte als Zeugnis und Urteil. In: Flacke, Monica (Hg.): Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Bd. 1. Mainz 2004. 63 Harth, Dietrich: Historik und Poetik. Plädoyer für ein gespanntes Verhältnis. In: Eggert, Hartmut/ Profit­lich, Ulrich/Scherpe, Klaus R. (Hg.): Geschichte als Literatur. Formen und Grenzen der Repräsentation von Vergangenheit. Stuttgart 1990. S. 12 – 24. Hier S. 13. Brockmeier, Peter: Literatur als erfahrende Geschichte. Überlieferung und Erklärung erlebter Gegenwart bei Montaigne, Meslier, Voltaire und Primo Levi. In: Ibd. S. 40 – 55.

Forschungsstand

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utopischen Stadt- und Staatsentwürfen didaktische Gattungen wie Fürstenspiegel und Staatsromane. Es handelt sich dabei um lehrhafte Literaturgattungen, die aus der interessegeleiteten Perspektive der Untertanen ein Panorama von Herrschertugenden entwickelten und kollektive Wertvorstellungen an den Monarchen vermittelten.64 Daneben werden zahlreiche panegyrische Texte wie Gedichte und Reden analysiert, die im Rahmen des Fürstenlobs standes- oder amtsbedingte Handlungen und christ­ liche Tugenden fürst­licher Personen hervorhoben. Die vorliegende Untersuchung nimmt im Ausblick auf die Französische Revolution den Ablauf und einzelne Elemente der Landwirtschaftsfeste der jungen Republik in den Fokus. Betrachtet werden Inhalte und kommunikative Codes in Reden und Hymnen, Inhalte und Darstellungen ritueller Bestandteile sowie die wechselnden Rollen der Öffent­lichkeit als Zuschauer, Mitwirkende, Adressaten und Zeugen während der Feste. Hinsicht­lich der Reden handelt es sich um eine Quellengattung, die programmatisch Ziele der Republik anlassgemäß zusammengefasst kommunizierten und widerspiegelten. Die Hymnen boten diese Inhalte in verdichteter, vereinfachter und vor allem feier­ licher Form. Da die Reden und Hymnen in den Festabläufen zumeist chronologisch nacheinander standen, zeichnete sich in beiden aufeinander bezogenen Elementen eine intensive und direkte Kommunikation zwischen den Vertretern der Regierung und dem Volk in Form von Ansprache und einverständniserklärender Antwort ab. 1.3 Forschungsstand

China repräsentierte aus europäischer Sicht im 18. Jahrhundert eine reale, komplexe und weit entwickelte Erfahrungswelt, die polarisierte und entweder zum positiven Modell funktionierender und effizienter Staat­lichkeit oder als Negativbeispiel schlimmster Despotie diente. Diesem schillernden und gegensätz­lichen, durch Montesquieu und Voltaire geprägten Bild des chinesischen Kaiserreichs und seiner Herrschaftsform sind in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche bedeutende Studien gewidmet worden.65 Auch die Eignung der chinesischen Kaiser als Vorbild ist aus 64 Stammen, Theo: Lemma „Fürstenspiegel“ (gem. m. Michael Philipp). In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 3. Tübingen 1996. Sp. 495 – 507. Roberts, Michael: Lemma „Fürstenspiegel“. In: Der Neue Pauly. Bd. 4. Weimar 1998. Sp. 693 – 695. Die didaktische Literatur ist frei sich der unterschied­lichsten Gattungen und Formen aus Lyrik, Epik und Dramatik zu bedienen und sie für ihre lehrhaft-didaktischen Zwecke zu instrumentalisieren und einzusetzen. Henckmann, Gisela/ Schneider, Irmela: Johann Wolfgang Goethe: Über das Lehrgedicht (1827). In: Schriften zu Literatur und Theater. Sämt­liche Werke. Hier Bd. 13,1. 1992. S. 754. 65 Es kann hier nur ein grober Überblick über die große Menge an Literatur gegeben werden. Demel, Walter: Abundantia, Sapientia, Decadencia. Zum Wandel des Chinabildes vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Bitterli, Urs/Schmitt, Eberhard (Hg.): Die Kenntnis beider „Indien“ im frühneuzeit­ lichen Europa. München 1991. S. 129 – 153. Ders.: Europäisches Überlegenheitsgefühl und die

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Einleitung

völkerrecht­licher Perspektive untersucht.66 Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stand dabei immer wieder das Wissen, das über die Reiseberichte nach Europa gelangte.67 Vor allem der Einfluss Chinas auf die Philosophie, 68 das GeschichtsverEntdeckung Chinas. Ein Beitrag zur Frage der Rückwirkungen der europäischen Expansion auf Europa. In: Beck, Thomas/Menninger, Annerose/Schleich, Thomas (Hg.): Kolumbus’ Erben. Europäische Expansion und überseeische Ethnien im Ersten Kolonialzeitalter 1415 – 1815. Darmstadt 1992. S. 99 – 143. Ders.: The “National” Images of China in Different European Countries, ca. 1550 – 1800. In: Malatesta, Edward J./Ranguin, Yves (Hg.): Images de la Chine: le context occidental de la sinologie naissante (Acte du Vie Colloque International de Sinologie de Chantilly 11 – 14 septembre 1989). Paris 1995. S. 85 – 125. Fuchs, Thomas: The Changing Images of China in German Historical Writings, 1780 – 1850. In: Mak, Ricardo K. S./Paau, Danny S. L. (Hg.): Sino-German Relation since 1800: Multidisciplinary Explorations. Frankfurt/M. 2000. S. 135 – 147. Mackerras, Colin: Western Images of China. Hong Kong 1989. Osterhammel, Jürgen: Die Entzauberung A ­ siens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (Beck’sche Reihe, Bd. 1823). München 2010. Fisch, Jörg: Der märchenhafte Orient. Die Umwertung einer Tradition von Marco Polo bis Macaulay. In: Saeculum 35 (1984). S. 246 – 266. Guy, Basil: The French Image of China before and after Voltaire (Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, Bd. 21). Génève 1963. Berger, Willy Richard: China-Bild und China-Mode im Europa der Aufklärung (Literatur und Leben, N. F. 41). Köln/Wien 1990. 66 Richter, Susan: Die Bewertung des chinesischen Kaisers in europäischen Druckwerken des 17. und 18. Jahrhunderts als Spiegel seiner völkerrecht­lichen Gleichrangigkeit. In: Jahrbuch der Staat­lichen Kunstsammlungen Dresden 34 (2008). S. 27 – 39. Demel, Walter: Kaiser außerhalb Europas? Beobachtungen zur Titulatur außereuropäischer Herrscher zwischen „deskriptiver“ Reiseliteratur und politischen Interessen. In: Beck, Thomas et al (Hg.): Beiträge der jüngeren Forschung. Festschrift anläss­lich der Gründung der Forschungsstiftung für vergleichende europäische Überseegeschichte 1999 in Bamberg. Stuttgart 1999. S. 56 – 75. 67 Brancaccio, Lavinia: China accommodata. Chinakonstruktionen in jesuitischen Schriften der Frühen Neuzeit. Berlin 2007. Li, Wenchao: Die christ­liche China-Mission im 17. Jahrhundert. Stuttgart 2000. Osterhammel, Jürgen: Distanzerfahrung. Darstellung des Fremden im 18. Jahrhundert. In: König, Hans-Joachim/Reinhard, Wolfgang/Wendt, Reinhard (Hg.): Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 7). Berlin 1989. S. 9 – 42. Demel, Walter: Als Fremde in China. Das Reich der Mitte im Spiegel frühneuzeit­licher europäischer Reiseberichte. (Habil.) München 1992. Guy, Basil: Ad majorem Societatis gloriam: Jesuit Perspectives on Chinese Mores in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. In: Rousseau, George S./Porter, Roy (Hg.): Exoticism in the Enlightenment. New York 1990. S. 66 – 85. Mungello, David E.: The Seventeenth Century Jesuit Translation Project of the Confucian. In: Ronan, Charles E. (Hg.): East Meets West: The Jesuits in China, 1582 – 1773. Chicago 1988. S. 252 – 272. Roehner, Bertrand M.: Jesuits and the State: A Comparative Study of their Expulsions (1590 – 1990). In: Religion 27/4 (1997). S. 165 – 181. Collani, Claudia von: Der Neue Welt-Bott. A Preliminary Survey. In: Sino-Western Cultural Relations Journal 25 (2003). S. 16 – 43. 68 Rutherford, Donald: Idealism Declined. Leibniz and Christian Wolff. In: Lodge, Paul (Hg.): Leibniz and His Correspondents. Cambridge 2004. S. 214 – 237. Lee, Eun-Jeung: Anti-Europa: die Geschichte der Rezeption des Konfuzianismus und der konfuzianischen Gesellschaft seit der frühen Aufklärung; eine ideengeschicht­liche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. Berlin/Hamburg/Münster 2003. Poser, Hans: Leibnizens Novissima Sinica und das europäische Interesse an China. In: Li, Wenchao/Poser, Hans/Gottfried-WilhelmLeibniz-­Gesellschaft (Hg.): Das Neueste über China: G. W. Leibnizens Novissima Sinica von 1697.

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ständnis 69 und die Kunstentwicklung in Frankreich, England und im Alten Reich mit der Herausbildung der Chinoiserie und späterer Modeströmungen stand gerade in den letzten Jahren erneut im Fokus des Forschungsinteresses.70 Auch die Stilisierung des chinesischen Verwaltungssystems zum Muster und Argument in der europäischen Staatstheorie geriet neuerdings wieder in den Blick der Forschung.71 Stuttgart 2000. S. 11 – 28. Riley, Patrick: Leibniz’s Political and Moral Philosophy in the Novissima Sinica, 1699 – 1999. In: Journal of the History of Ideas 60,2. (1999). S. 217 – 239. Hsia, Andreas: Nachwort. In: Ders. (Hg.): Deutsche Denker über China. Frankfurt/M. 1985. S. 369 – 389. ­Albrecht, Michael: Einleitung. In: Wolff, Christian. Oratio de Sinarum philosophia practica. Hg. v. Michael Albrecht (Philosophische Bibliothek, Bd. 10). Hamburg 1985. S. IX – LXXX. Ho, John: Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff. Hong Kong 1962. Lach, Donald F.: The Sinophilism of Christian Wolff (1679 – 1754). In: Journal of the History of Ideas 14 (1953). S. 561 – 574. Ders.: Leibniz and China. In: Journal of the History of Ideas 6 (1945). S. 436 – 455. Merkel, Franz Rudolf: Leibniz und China. Berlin 1952. 69 Pigulla, Andreas: China in der deutschen Weltgeschichtsschreibung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert (Veröffent­lichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum, Bd. 43). (Diss.) Wiesbaden 1996. 70 Tan, Yuan: Der Chinese in der deutschen Literatur. Unter besonderer Berücksichtigung chinesischer Figuren in den Werken von Schiller, Döblin und Brecht. (Diss.) Göttingen 2007. Börsch-Supan, Helmut: Die Chinamode in den brandenburgisch-preußischen Residenzen. In: China und Europa. Chinaverständnis und Chinamode im 17. und 18. Jahrhundert. Ausstellung vom 16. September bis 11. November 1973 im Schloss Charlottenburg. Berlin 1973. S. 37 – 47. Reichwein, Adolf: China und Europa – Geistige und künstlerische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Berlin 1923. Liu, Weijian: Kulturelle Exklusion und Identitätsentgrenzung. Zur Darstellung Chinas in der deutschen Literatur 1870 – 1930 (Deutsch-ostasiatische Studien zur interkulturellen Literaturwissenschaft, Bd. 7). Bern 2007. 71 Diesem Gegenstand hat sich das Forschungsprojekt A4 „Migrating Ideas of Governance and Bureaucracy in Asia and Europe since the Early Modern Era“ im Exzellenzcluster „Asia and Europe“ zwischen 2008 und 2012 unter der Leitung von Susan Richter zugewandt. Erste Ergebnisse wurden 2010 auf einer internationalen Konferenz in Zusammenarbeit mit der Tsinghua Universität Peking diskutiert und werden in Kürze in einem Sammelband in Leiden erscheinen. Demel, Walter: Political Order, Administration, and Jurisdiction in East Asia – European Views, 16th to 18th Centuries. In: Richter, Susan (Hg.): ‘Ordering the World’ – Change and Exchange of Ideas of Governance and Administration in Asia and Europe since the Sixteenth Century (Sammelband zur Tagung an der Tshingua-Universität Peking 2010). In Erscheinung begriffen. Leiden 2014. Ders.: Verwaltung in China und Japan aus der Sicht des frühneuzeit­lichen Europa. In: Walkenhaus, Ralf (Hg.): Staat im Wandel. Festschrift für Rüdiger Voigt zum 65. Geburtstag. Stuttgart 2006. S. 445 – 465. Richter, Susan: Discours on the Sale of Offices in Early Modern German State Theory and the Chinese Model. In: Dies. (Hg.): ‘Ordering the World’ – Change and Exchange of Ideas of Governance and Administration in Asia and Europe since the Sixteenth Century. In Erscheinung begriffen. Leiden 2014. Guy, Basil J.: The Chinese Examination System and France, 1569 – 1847. In: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 25 (1963). S. 741 – 771. Têng, Ssu-yü: Chinese Influence on the Western Examination System: Introduction. In: Harvard Journal of Asiatic Studies 7/4 (1943). S. 267 – 312. Creel, Herlee: The Origins of Statescraft in China. Chicago 1970. S. 24 – 27. Blue, Gregory: China and Western Social Thought in the Modern Period. In: Brook, Timothy/ Blue, Gregory (Hg.): Historical Capitalism. Genealogies of Sinilogical Knowledge (Etudes sur le

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Die Frage, ob es einer weiteren Untersuchung zu Chinas Bedeutung als Argument und Modell bedarf, ist deshalb sicher gerechtfertigt. In Anbetracht der kontinuier­ lichen Vernachlässigung der Frage nach dem Vorbild Chinas als einem aus europäischer Sicht landwirtschaft­lichen Musterstaat und einer natür­lichen und landwirtschaft­lich geprägten Herrschaftsauffassung in der Forschung erscheint eine solche Studie jedoch dringend notwendig. Die Frage dieser Studie nach der Verbindung von Herrschaft mit Landwirtschaft bzw. vom König mit dem Bauern wurde durch Klaus Stähler im Jahr 2001 in einer kulturübergreifenden Untersuchung zu bild­lichen Darstellungen von pflügenden, säenden und gärtnernden Herrschern in der griechischen und römischen Antike sowie für den altorientalischen, mesopotamischen sowie persischen Herrschaftsbereich als benachbarte Kulturen aufgeworfen. Stählers sehr deskriptive Abhandlung kommt zu dem Ergebnis, dass das Bildmotiv des pflügenden oder säenden Herrschers in allen untersuchten Kulturen nicht der Alltagswirk­lichkeit entstammt, sondern eher einer religiösen Weltsicht folgt. Er konstatierte für die Herrscher eine besondere Befähigung, die aus einer Mittlerstellung zwischen Gottheit und Untertan resultiere.72 Hinsicht­lich der antiken Ackerbaukulte liegen umfassende Einzelstudien vor.73 In der deutschen und französischen Forschung vergleichsweise gut erforscht ist die Rolle Chinas für die Vorstellungen der Physiokraten von der Nation agricole und dem Wu-Wei-Konzept.74 Hingegen besteht eine große Forschungslücke für mög­liche capitalisme moderne, Bd. 57). Cambridge 1999. S. 57 – 109. Lottes, Günther: China European Political Thought 1750 – 1850. In: Lee, Thomas H. C. (Hg.): China and Europe: Images and Influences in Sixteenth to Eighteenth Centuries (Institute of Chinese Studies, Monographs series, Bd. 12). Hong Kong 1991. Will, Pierre-Etienne: Science et sublimation de l’état. In: Actes De La recherche en sciences sociales 133/1 (2000). S. 13 – 25. Menzel, Johanna M.: The Sinophilism of J. H. G. Justi. In: Journal of the History of Ideas 17/3 (1956). S. 300 – 310. Weinmann, Rudolf: Denken und Gesellschaft Chinas im philosophischen und politischen Diskurs der französischen Aufklärung (Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, Bd. 25). Hamburg 2002. Weber, Max: “The Chinese Literati”. In: Gerth, Hans/Mills, Charles (Hg.): From Max Weber. Essays in Sociology. New York 1958. S. 416 – 444. 72 Stähler, Klaus: Der Herrscher als Pflüger und Säer. Herrschaftsbilder aus der Pflanzenwelt. Münster 2001. S. 124f. 73 Schwarz, Gerda: Triptolemos. Ikonographie einer Agrar- und Mysteriengottheit (Grazer Beiträge, Supplementband 2). (Habil.) Graz 1987. Clinton, Kevin: Myth and Cult. The Iconography of the Eleusian Mysteries. The Martin P. Nilsson lectures on Greek religion, delivered 19 – 21 November 1990 at the Swedish Institute at Athens. Stockholm 1992. Motte, André: Silence et sécret dans les mystères d’éleusis. In: Ries, Julien/Limet, Henri (Hg.): Les rites d’initiation. Actes du colloque de Liège et Louvain-la-Neuve, 20 – 21 novembre 1984. Centre d’Histoire des Religions (Homo religious, Bd. 13). Louvain la Neuve 1986. S. 317 – 334. 74 Es handelt sich um die taoistische Idee des „Tuns ohne zu tun“. Dazu ausführ­lich Priddat, Birger P.: Le concert universel. Die Physiokratie. Eine Transformationsphilosophie des 18. Jahrhunderts. Marburg 2001. Steiner, Philippe: La « science nouvelle » de l’économie politique (Philosophies, Bd. 96). Paris 1998. Berg, Richard van den: “Un état de pleine concurrence”: Old and new Controversies

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Einflüsse des chinesischen Beispiels auf den Kameralismus, insbesondere auf Johann Heinrich Gottlob Justis Schriften, sowie für die Rolle der Landwirtschaft im Kameralismus.75 Auch dem Transfer von Anbaumethoden und landwirtschaft­lichem 76 sowie botanischem Wissen aus China und Asien 77 hat sich die wissenschaftshistorische Forschung inzwischen vereinzelt zugewandt. Dieser Wissenstransfer und vor allem die gezielte Sammlung, institutionalisierte Auswertung, Bereitstellung und Vermittlung von theoretischem und praktischem Fachwissen zur Fruchtkultivierung und zur Landwirtschaftstechnik wurden durch die europaweit entstehenden landwirtschaft­lichen Sozie­täten übernommen.78 Sie waren nicht selten durch die Obrigkeit oder herrschaft­liche Protektion entstanden. Marcus Popplow subsumiert

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about Physiocratic Theory of Value. In: Economies et sociétiés 38/8 (2004). S. 1431 – 1457. Perrot, Jean-Claude: Une histoire intellectuelle de l’économie politique. XVII – XVIII siècle (Civilisations et societies, Bd. 85). Paris 1992. S. 217ff. Bourde, André J.: Agronomie et agronomes en France au XVIIIe siècle (Les hommes et la terre, Bd. 13). 3 Bde. Paris 1967. Weulersse, Georges: Le mouvement physiocratique en France de 1756 à 1770. 2 Bde. Paris 1910. Ders.: La physiocratie sous les ministères de Turgot et de Necker (1774 – 1781). Paris 1950. Hensmann, Folkert: Staat und Absolutismus im Denken der Physiokraten. Ein Beitrag zur physiokratischen Staatsauffassung von Quesnay bis Turgot. (Diss.) Frankfurt/M. 1976. S. 175 – 188. Gerteis, Klaus: Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik. In: Birtsch, Günter (Hg.): Der Idealtyp des aufgeklärten Herrschers (Aufklärung, Jg. 2, Heft 1). Hamburg 1987. S. 75 – 94. Kurz zur Rolle des Getreidehandels im Kameralismus bei Becher, Justi, Schröder und Sonnenfels vgl. Atorf, Der König und das Korn. S. 31 – 50. Zur Vorbildwirkung Chinas auf Justi vgl. Richter, Susan: German Minor Thinkers? – The Perception of Mosers and Justis Work in an Enlightened European Context. In: ATP (Administrative Theory & Praxis), 36/1 (2014), S. 51 – 72. Sigaut, François: La Chine, l’Europe et les techniques agricoles. In: Annales. Économies, sociétés, civilisations. 44/1 (1989). S. 207 – 216. Poivre, Pierre: Fortsetzung der Untersuchungen über den Zustand der Landwirtschaft bei verschiedenen Völkern. In: Osterhammel, Jürgen (Hg./Übers.): Pierre Poivre. Reisen eines Philosophen (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd. 4). Sigmaringen 1997. S. 171 – 215. Maverick, Lewis A.: China a Model for Europe. 2 Bde. San Antonio 1946. Bonnichon, Philippe: French Enlightenment Botanists in the Indian Ocean – In particular Pierre Poivre: In: Mondes et Cultures 64, 1 – 4 (2004). S. 17 – 30. Grove, Richard: The Transfer of Botanical Knowledge between Asia and Europe. 1498 – 1800. In: Journal of the Japan-Netherlands Institute 3 (1991). S. 160 – 176. Forschungen zur 1761 gegründeten französischen Société d’Agriculture liegen nur in einer unpublizierten Studie von Louis Passy: Histoire de la Société Nationale d’Agriculture de France. Bd. 1: 1761 – 1793. Paris 1912 vor. Sie basiert auf Aktenbeständen der Société d’Agriculture, die jedoch durch eine Überschwemmung der Seine nach Auskunft des Bibliotheksleiters der heutigen Académie d’Agriculture de France, Emile Choné, zerstört wurden und deshalb nicht mehr verfügbar sind. Die kritische Bearbeitung und Edition des Manuskripts ist durch die Verfasserin als Folgeprojekt geplant. Zu einzelnen Societäten in Frankreich vgl. Bourde, Agronomie et agronomes en France, S. 1536ff. Einen guten Überblick zu Forschungen der Landwirtschaftsgesellschaften in Europa bietet Popplow, Marcus: Die Ökonomische Aufklärung als Innovationskultur des 18. Jahrhunderts zur optimierten Nutzung natür­licher Ressourcen. In: Ders. (Hg.): Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens: Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Societäten des 18. Jahrhunderts. Münster 2010. S. 3 – 48. Hier S. 38ff. Zur Landwirtschaft als Wissenschaft vgl.

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den Umgang mit dem Fachwissen unter die Innovationsbestrebungen einer „Ökonomischen Aufklärung“.79 Das europäische frühneuzeit­liche Bild des Herrschers als Gärtner oder Landmann haben bisher nur kleinere Aufsätze oder Verweise in der Rezeption der Reiseberichte aus China in unterschied­lichen aufklärerischen Kontexten aufgegriffen. Im Fokus standen dabei immer das eigenhändige Pflügen des künftigen Ludwig XVI. und Josephs II. in den Jahren 1768 und 1769 und ein nicht durch Quellen belegbares Pflügen Ludwigs XV. Die Handlungen wurden durch die Autoren pauschal in den Zusammenhang zum Ritual des chinesischen Kaisers gesetzt und als Übernahme durch die europäischen Monarchen interpretiert. Stähler geht beispielsweise davon aus, König Ludwig XV. habe „diesen Ritus seinerseits übernommen“, bzw. es sei „dieser chinesische Kaiser, der zu Beginn der Frühjahrsbestellung die erste Ackerfurche zieht, vom französischen Königshaus zum Vorbild genommen“ worden.80 Diese Fehldeutung wurde bereits in der älteren Forschung etabliert. So schreibt schon Eckart, der französische König habe „persön­lich die Feldbestellung eröffnet“, während Willy Richard Berger davon ausgeht, dass dieser gepflügt habe, um „so die jähr­liche Frühjahrsaussaat einzuleiten“.81 Erste Korrekturen mit Fragen der mög­lichen Auswirkung des chinesischen Vorbildes auf die Konstruktion einer neuen Herrschaftsauffassung sowie einem mög­lichen Ritual­ transfer von China nach Europa nahm die Verfasserin in einem Artikel Der Monarch am Pflug – Von der Erweiterung des Herrschaftsverständnisses als erstem Diener zum ersten Landwirt des Staates aus dem Jahr 2010 vor. Die Untersuchung ergab, dass kein Ritualtransfer nachzuweisen ist.82 Dabei hat es sich als notwendig herausgestellt, die Frage nach den Formen des transkulturellen Wissenstransfers aus China nach Europa,

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Klemm, Volker: Agrarwissenschaften in Deutschland. Geschichte – Tradition. Von den Anfängen bis 1945. St. Kathrinen 1992. Der Begriff wird in Anlehnung an den Begriff industrial enlightment von Mokyr (2002), die gewerb­liche wie wirtschaft­liche Innovationsbestrebungen aufwies, nun auf den landwirtschaft­lichwissenstechnischen Sektor mit dem Begriff der Ökonomischen Aufklärung übertragen. Popplow, Ökonomische Aufklärung als Innovationskultur, S. 13. Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 14f. Budde, Hendrick (Hg.): Europa und die Kaiser von China 1240 – 1816. Ausstellung im Martin-­ Gropius-Bau 12. Mai bis 18. August 1985. Berlin/Frankfurt/M. 1985. S. 304. Haushofer, Heinz: Das kaiser­liche Pflügen. In: Ders./Boelcke, Willi A. (Hg.): Wege und Forschungen der Agrargeschichte. Frankfurt/M. 1967. S. 171 – 180. Hier S. 174f. Berger, China-Bild und China-Mode, S. 81. Die gleiche Information findet sich auch bei Reichwein, China und Europa, S. 115. Guy, The French Image of China, S. 346f. Richter, Susan: Der Monarch am Pflug – Von der Erweiterung des Herrschaftsverständnisses als erstem Diener zum ersten Landwirt des Staates. In: Das achtzehnte Jahrhundert 34.1 (2010). S. 40 – 64. Hier S. 51. Die Frage nach der Darstellung chinesischer Kaiser auf Frontispizen und Vignetten in Anlehnung an die europäische Herrscherdarstellung prüft dieser Aufsatz: Richter, Susan: Zwischen Sonne, Himmel und Erde – Bildsymbolik in den Herrschaftsdarstellungen Europas und Chinas. In: Archiv für Kulturgeschichte 92/2 (2010). S. 329 – 362.

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nach der Konstruktion und Akzeptanz einer neuen Herrschaftsauffassung sowie der Rezeptionsbereitschaft und -fähigkeit der unterschied­lichen Akteure in einem größeren Rahmen und mittels eingehender Quellenanalyse zu bearbeiten, wie es nun in der vorliegenden Studie geschieht. Das eigenhändige Pflügen des Dauphin und Josephs II . hat auch in der kunsthistorischen Forschung Anlass zu einigen kleineren Studien gegeben. So ist es ­Marcela ­Mechurová in ihrer Diplomarbeit gelungen, zentrale tschechische und deutsche Schriftund Bildquellen zur Entstehung der unterschied­lichen Gedenksteine zum Pflügen Josephs II. in Mähren zu sammeln und als Quellenmaterial zur Verfügung zu stellen. Allerdings fehlt der Arbeit eine tiefer gehende Analyse zu Josephs Herrschaftsauffassung, zu Einflüssen auf die Bildgestaltung und die Einordnung der Bedeutung des kaiser­lichen Pflügens als Medienereignis.83 Die Kunsthistorikerin Catherine Clavilier ging in ihrer 2009 erschienenen Dissertation Cérès et le laboureur primär der Frage nach der Bedeutung der Landwirtschaft und der Rolle von Bauern 84 in der französischen Kunstproduktion des 18. Jahrhunderts nach. Sie nahm dabei auch einige Darstellungen des pflügenden Dauphin und Visualisierungen der Vorstellung des roi bienfaisant in den Blick.85 Mit dem Aufsatz Herrscher im „royaume agricole“ des Kunsthistorikers Jürgen Lechtreck liegt eine für diese Arbeit wichtige Studie vor, die insbesondere die von Kupferstechern und Malern genutzte Bildsprache für die Darstellung des pflügenden Dauphin und Josephs II. analysiert.86 Weniger dem Landwirtschaft betreibenden oder fördernden Monarchen als den französischen Königinnen Maria de’ Medici und Marie Antoinette und ihren Molkereien sowie der sich kulturhistorisch wandelnden Bedeutung von Milch widmet sich Meredith Martin in ihrer kürz­lich erschienen Studie zu den Dairy Queens.87 Darin wird jedoch deut­lich, dass das eigenhändige Melken von 83 Mechurová, Marcela: Der aufgeklärte Despot Joseph II. und seine Spuren nicht nur bei Slawkowitz in Mähren. Brünn 2007 (Magisterarbeit Masaryk-Universität Brno, Pädagogische Fakultät). Betreuer Dr. Richard Rothenhagen. Online publiziert, online verfügbar unter http://is.muni.cz/ th/80005/pedf_m/Joseph_II..pdf (gesehen am 09.10.2009). 84 Peter Blickle hat in seinen Untersuchungen auf den Bauern als Objekt der Geschichte, auf Würde und Platz in der Gesellschaft rekurriert. Blickle, Peter: Auf dem Weg zu einem Modell der bäuer­ lichen Rebellion. Zusammenfassung. In: Ders. (Hg.): Aufruhr und Empörung. Studien zum bäuer­ lichen Widerstand im Alten Reich. München 1980. S. 296 – 308. Hier S. 301. 85 Clavilier, Catherine: Cérès et le laboureur. La construction d’un mythe historique de l’agriculture au XVIII siècle (Temps et espace des arts). Paris 2009. Zum Bild des Bauern S. 1 – 45, zum pflügenden Monarchen S. 114 – 121. Zum Bauern im Bild vgl. auch Lambert, Gisèle: Paysages, paysans. L’art et la terre en Europe du Moyen Âge au XX siècle. Paris 1994. S. 145 – 177. 86 Lechtreck, Hans-Jürgen: Herrscher im „royaume agricole“. Das kaiser­liche Pflügen als Gegenstand reformabsolutistischer Bildsprache. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. 64/3 (2001). S. 364 – 380. 87 Martin, Meredith: Dairy Queens. The Politics of Pastoral Architecture from Catherine de Medici to Marie Antoinette (Harvard Historical Studies, Bd. 176). Cambridge/London 2011. Root, Hilton L.: Peasants and King in Burgundy. Agrarian Foundations of French Absolutism. Berkeley 1987. S. 22ff.

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Kühen eher spielerischer Zeitvertreib als ernstzunehmende oder intentionale Handlung war. Somit stehen die darin untersuchten länd­lichen Tätigkeiten der Königinnen in der zeitgenössischen Deutung und Wirkung im Kontrast zu denen der Herrscher. Die könig­liche Milchwirtschaft zielte eher auf den Aspekt des Landlebens als separatem Lebensentwurf zur höfischen Sphäre.88 Hungerrevolten, länd­liches Leben sowie die Landwirtschaftspolitik in der Französischen Revolution sind umfassend erforscht,89 wohingegen die Fêtes de l’Agriculture im Zusammenhang der Revolutionsfeste 90 bisher nur am Rande betrachtet wurden. Die Frage nach der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft wurde bei der Analyse der so genannten utopischen Literatur des 18. Jahrhunderts noch nicht gestellt,91 wohingegen die Rolle der Landwirtschaft 92 kurz, die der Natur und die Funktion des Landlebens für fiktive Staats- und Gesellschaftentwürfe eingehend betrachtet wurden.93 Für den großen Überblick zur Geschichte der Landwirtschaft in Europa findet sich eine erheb­liche Menge Literatur, die hier nicht aufgeführt werden kann.94 88 Casid, Jill: Queer(y)ing Georgic: Utility, Pleasure, and Marie-Antoinette’s Ornamented Farm. In: Eighteenth-Century Studies (30) 1997. S. 304 – 318. Tabarasi, Ana-Stanca: Der Landschaftsgarten als Lebensmodell. Zur Symbolik der „Gartenrevolution“ in Europa. Würzburg 2007. Frühsorge, Gotthardt: Die Kunst des Landlebens. Vom Landschloß zum Campingplatz. Eine Kulturgeschichte. München 1993. Wagner, Birgit: Gärten und Utopien: Natur- und Glücksvorstellungen in der französischen Spätaufklärung. Wien/Köln/Graz 1985. 89 Markoff, Abolition Of Feudalism. Baeque, Antoine de: La figure du paysan dans l’imagerie révolutionnaire. In: La Révolution française et le monde rural. Actes Colloque. Paris 1989. S. 477 – 481. Bois, Paul: Paysans de l’Ouest. Des structures économiques et socials aux options politiques depuis l’époque révolutionnaire dans la Sarthe (Société, mouvements sociaux et ideologies, Études, Bd. 1). Paris 1984. Festy, Octave: L’agriculture pendant la Révolution francaise. 3 Bde. Paris 1947 – 1950. 90 Hunt, Lynn: Symbole der Macht. Macht der Symbole. Frankfurt/M. 1989. Etlin, Richard A.: Évolution de la Fête révolutionnaire. Chronologie et typologie. In: Ehrard, Jean/Viallaneix, Paul (Hg.): Les Fêtes de la Révolution. Colloque de Clermont-Ferrand (juin 1974) (Bibliothèque d’histoire révolutionnaire, Série 3, Bd. 17). Paris 1977. S. 121 – 154. Dunn, Seymour Ballard: The National Festival in the French Revolution, 1794 – 1797. A Study in Revolutionary Propaganda. Cornell University 1939. Vauthier, Gabriel: La fête de l’agriculture (an VI-an VII). In: Revue historique de la Révolution française 14 (1919/1922). S. 46 – 53. 91 Zumindest die Frage nach der Rolle der Ökonomie stellt Jakobi, Carsten: Die Perspektive auf die politische Ökonomie des Staatsvolkes in Christoph Martin Wielands Roman Der goldne Spiegel. In: Jäger, Andrea/Antos, Gerd/Dunn, Malcolm H. (Hg.): Masse Mensch. Das „Wir“ – sprach­lich behauptet, ästhetisch inszeniert. Halle 2006. S. 40 – 53. 92 Zur Bedeutung der Landwirtschaft in der Utopie vgl. Saage, Richard: Politische Utopien der Neuzeit. Mit einem Vorwort zur zweiten Aufl.: Utopisches Denken und kein Ende? (Herausforderungen, Bd. 11). Bochum 2001. S. 80f. 93 Zu Arkadien als Ort fiktiver Glückseligkeit bei Griechen und Römern vgl. Blackwell, Basil: Utopia and Anti-Utopia in Modern Times. Gloucester 1987. 94 Stattdessen wird nur auf die wichtigsten, noch immer gültigen Standardwerke verwiesen: Béaur, Gérard: Histoire agraire de la France au XVIII siècle: inerties et changements dans les campagnes françaises entre 1715 et 1815. Paris 2000. Duby, Georges/Wallon, Armand: Histoire de la France

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Die herrschaftsbegründenden und -stabilisierenden Strategien der ersten Qing-­Kaiser in China sind gerade in der letzten Zeit wieder in den Fokus der Forschung geraten. Dazu zählt insbesondere die Agrarpolitik, die zu einer Blüte der Landwirtschaft im 18. Jahrhundert führte.95 Zum kaiser­lichen Pf­lichtenkanon und Selbstverständnis, als erster Landmann des Staates zu fungieren, sowie zu dessen klassischen konfuzianischen Wurzeln fehlt jedoch eine größere zusammenhängende Studie.96 Auch eine übergreifende Untersuchung nach neuen ritualdynamischen Gesichtspunkten zur Bedeutung des kaiser­lichen Pflugrituals innerhalb der chinesischen Staatsrituale und zu seinem Wandel in den einzelnen Dynastien fehlt bislang.97 China war nicht die einzige asiatische Monarchie, in der die Verantwortung des Herrschers für den Ackerbau eine bedeutende Rolle spielte. In ganz Südostasien, wie im vorkolonialen Vietnam, Kambodscha, Burma und Siam, stand insbesondere der Reisanbau unter der besonderen Protektion des Herrschers und wurde der Pflug im Rahmen von Ritualen

rurale. Paris 1975. Parker, William N.: European Peasants and Their Markets. Princeton 1975. Abel, Wilhelm: Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert (Deutsche Agrargeschichte, Bd. 2). Stuttgart ²1967. Herrmann, Klaus: Pflügen, Säen, Ernten. Landarbeit und Landtechnik in der Geschichte (Rororo, Bd. 7722). Reinbek 1985. 95 Goldstone, Jack A.: Feeding the People, Starving the State: China’s Agricultural Revolution in the 17th/18th Centuries. Paper prepared for Global Economic History Network Conference, London, September 2003. Skinner, William G.: Marketing and Social Structure in Rural China. In: Journal of Asian Studies 24 (1964). S. 3 – 43. Hier S. 5ff. Marks, Robert: Tigers, Rice, Silk and Silt: Environment and Economy in Late Imperial South China. Cambridge/New York 1998. S. 27ff. Huang, Philip C. C.: The Peasant Family and Rural Development in the Yangzi Delta, 1350 – 1988. Stanford 1990. 96 Zur kurzen differenzierten Betrachtung der Verbindung von Landbau und den Kaisern vgl. Wagner, Rudolf G.: The Concept of Work/Labor/Arbeit in the Chinese World. In: Bierwisch, Manfred (Hg.): Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berichte und Abhandlungen, Sonderband 9). Berlin 2003. S. 103 – 137. Franke, Otto: Kêng Tschi T’u. Ackerbau und Seidengewinnung in China: Ein kaiser­liches Lehrund Mahn-Buch. Hamburg 1913. Vgl. insbesondere die Einleitung zu dieser Übersetzung. Zum Qianlong-Kaiser vgl. Elliot, Mark C.: Emperor Qianlong. Son of the Heaven, Man of the World. New Jersey 2009. S. 56ff. 97 Zu Staatsritualen Zito, Angela: Of Body and Brush. Grand Sacrifice as Text/Performance in Eighteenth-Century China. Chicago 1997. S. 69ff. Bell, Catherine: Acting Ritually. Evidence from the Social Life of Chinese Rites. In: Fenn, Richard K. (Hg.): The Blackwell Companion to Sociology of Religion. Malden/Mass. 2001. S. 371 – 388. Zum Forschungsstand zu Staatsritualen vgl. Mc Dermott, Joseph P. (Hg.): Einleitung. In: Ders. (Hg.): State and Court Ritual in China (University of Cambridge Oriental Publications, Bd. 54). Cambridge/Mass. 1999. S. 1 – 19. Hier S. 2f. Sutton, Donald S.: Ritual, Cultural Standardization, and Orthopraxy in China. In: Modern China 33/1 (2007). S. 3 – 21. Ulrike Büchsel untersucht am Exzellenzcluster “Asia and Europe” (Heidelberg) in ihrer Dissertation Between ‘All under Heaven’ and the Nation: Qing State Ritual at the Turn of the 20th Century (Arbeitstitel) den Übergang der Staatsrituale von den späten Qing in die Republik China. Ihr verdanke ich wertvolle Hinweise und Gespräche über die Definition und die Intentionen von Ritualen in China und in Europa.

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durch den Monarchen selbst geführt.98 Neuere Forschungen zu diesem auf­fälligen und in Asien sehr bekannten Ritual fehlen ebenso wie eine vergleichende Studie zu dessen Verbreitungswegen.99 Diese Frage kann allerdings im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgegriffen werden. Sie ist ohne Relevanz für die Rezeption des chinesischen Vorbildes in Europa, da andere asiatische Territorien im europäischen Diskurs über das Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft keine Rolle spielten. In den frühneuzeit­lichen islamischen Staaten Vorderasiens ist weniger eine Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft als eine der Herrscher zum Gartenbau belegt. Sie resultiert aus den Vorstellungen vom Paradies als Garten. Der Herrscher pflegte spiegelbild­lich ein irdisches Paradies und brachte es wie sein Land zum Blühen. Der Garten als kleine Welt repräsentiert das Bemühen um gute Herrschaft, indem eigene kriegerische oder künstlerische Leistungen durch die Anlage eigener Areale aufgenommen und dargestellt wurden.100 98 Das Ritual hat sich bis in die Gegenwart erhalten bzw. wurde nach Unterbrechungen durch einzelne Monarchen oder nach der Beendigung der Diktatur der Roten Khmer in Kambodscha in Anlehnung an alte könig­liche Traditionen wieder belebt. Das siamesische Königtum von Ayutthaya (Stadt des Rama), das 1351 durch König Ramathibodhi gegründet worden war, sah sich eng mit Hindu-Traditionen und Einflüssen des Theravada Buddhismus verbunden. Die Könige verstanden sich als Inkarnationen der Hindu-Götter, insbesondere von Vishnu bzw. Rama, zugleich aber auch als Bodhisattva, als Erleuchteten. Aus diesem Verständnis heraus wählten sie ihre Namen und ihre Funktion. Im Kontext der hinduistischen und buddhistischen Einflüsse auf das siamesische Herrschaftsverständnis wurde auch das könig­liche Pflügen in die Pf­lichten des Monarchen aufgenommen und jähr­lich zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung ausgeführt. Da dem König nach traditionellen Vorstellungen das gesamte Land als Eigentum gehörte, erschien es nur logisch, wenn er seinen Bauern voranging und ein Stück davon selbst urbar machte bzw. bestellte. Von der Handlung des Königs versprachen sich die Bauern im ganzen Land eine erfolgreiche Saat- und reiche Erntezeit, denn das Königtum bildet im T ­ heravada-Buddhismus den Kern der sozialen Ordnung und der Religion. Dem König oblag nach der Lehre des Dhamma der umsichtige Umgang mit den Reichtümern der Erde und ihren Früchten in der Kornkammer. Zu seinen Pf­lichten zählte es, den Wohlstand seines Landes zu befördern und dabei zugleich die Natur zu achten. Gemäß Buddhas Lehre, Hunger is the greatest illness, hatte er alles zu unternehmen, um Hunger in seinem Land zu vermeiden. Bei Unterlassung seiner ökonomischen Pf­lichten nahm er die Bedrohung der Ordnung in Kauf. Den siamesischen Königen kam ähn­lich wie den chinesischen Kaisern eine regulierende und harmonisierende Funktion zwischen Natur und Mensch zu, die sich visualisiert im Pflugritual widerspiegelt. Somit ist es nicht verwunder­lich, dass auch in Südostasien die starke Verankerung des Ackerbaus in der entsprechenden Religion zu dynastischen Adaptionen und Traditionen in den jeweiligen Königshäusern geführt hat. Zur Verbreitung des klassischen Hinduismus in Südostasien vgl. Michaels, Axel: Der Hinduismus. Geschichte und Gegenwart. München 1998. S. 55 – 63. Zur Verbreitung der Geschichten von Rama in Sri Lanka und in den theravadabeeinflussten Ländern in Südostasien vgl. Bechert, Heinz: On the Popular Religion of the Sinhalese. In: Ders. (Hg.): Buddhism in Ceylon and Studies on Religious Syncretism in Buddhist Countries. Göttingen 1978. S. 230 – 231. Harvey, Peter: An Introduction to Buddhist Ethics. Foundations, Values and Issues. Cambridge 2000. S. 187. Zu den ökonomischen Pf­lichten buddhistischer Könige vgl. Ibd. S. 197 – 203. 99 Armstrong, Edward A.: The Ritual of the Plough. In: Folklore 54,1 (1943). S. 250 – 257. Hier S. 253. 100 Klein, Konstatin: Der Herrscher als Gärtner. Islamische Palast- und Gartenanlagen zwischen Welt­ aneignung und Blasphemie. In: Uni.Vers. Magazin der Otto-Friedrich-Universität. Bamberg 2012. S. 24 – 28.

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Das Buch gliedert sich in drei große Abschnitte: Im ersten Teil wird geklärt, welche Beziehung zwischen Herrschaft und Landwirtschaft in der Antike bestanden hat und welche Rolle die Verbindung von Kaiser und Landwirtschaft im Herrschaftssystem Chinas tatsäch­lich spielte. Das erste Kapitel lotet deshalb aus, welche biblischen und antiken Vorbilder für die enge Verknüpfung von Herrschaft mit Landwirtschaft den Zeitgenossen im 18. Jahrhundert überhaupt zur Verfügung standen. Dabei soll analysiert werden, auf welchen mythischen Verflechtungen die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Antike basierte und wie dies das römische Herrschaftsverständnis des Princeps als Protektor der Ernährung und des Wohls aller Menschen seines Imperiums prägte. Das Kapitel dient in erster Linie der ausführ­lichen Information über diese Beispiele und stellt damit eine der beiden Säulen für die spätere Rezeption dar. Im Anschluss wird der Frage nachgegangen, zu welchem Zeitpunkt und aus ­welchen Gründen es zur Entfremdung von Pflug und Steuerruder, zur Distanz von Landwirtschaft und Herrschaft kam. Es soll gezeigt werden, dass die Fürsten etwa seit dem 12. Jahrhundert die wesent­liche Funktion eines Bindeglieds zwischen der fruchtbaren Natur und den Menschen verloren hatten. Das Kapitel wird zum besseren Verständnis der nachfolgenden Untersuchungen darstellen, wie sich die monarchischen Aufgaben im Bereich der Landwirtschaft seit der Spätantike zunehmend wandelten, einschränkten und wie wesent­liche kultische Elemente an die Kirche übertragen wurden. Das zweite Kapitel des ersten Teils wird zeigen, dass China ein ganz gegensätz­liches Bild bietet. Parallel zum vorangegangenen Abschnitt zur Antike wird anhand der Gründungsmythen und der landwirtschaftsstiftenden Urkaiser das Selbstverständnis der Kaiser als erste Landmänner ihres Staates sowie die traditionelle Verpf­lichtung der Monarchen zum Landbau nachgezeichnet. Im Anschluss daran wird am Beispiel der frühen Qing-Dynastie im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert der Frage nachgegangen, warum sich die chinesischen Kaiser im Gegensatz zu europäischen Herrschern bewusst der Landwirtschaft zuwandten und dadurch – gemäß öffent­licher Selbstdarstellung der Kaiser – auch der Nahrungsstand, die Bauern, im chinesischen Herrschafts- und Gesellschaftsverständnis nicht vernachlässigt wurden. Es wird nach Traditionen des klassischen Herrschaftsverständnisses in China und Verpf­lichtungs- bzw. Bindungsmechanismen gefragt, die eine Entfremdung verhinderten. Im Mittelpunkt stehen das Selbstverständnis und die öffent­liche bzw. dynastische Selbstdarstellung des Kangxi-Kaisers, des Yongzheng-Kaisers und des Qianlong-Kaisers als erste Landmänner anhand von rituellen Handlungen und herrscher­licher Selbstverpf­lichtung. Die hier geleistete Untersuchung hat zwar nicht den Anspruch, die bestehende Lücke in der Sinologie zu schließen. Sie soll aber einen Überblick zum besseren Verständnis des Bildes geben, das die Jesuiten als Berichterstatter am Pekinger Hof zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft und insbesondere der naturrecht­lich geprägten Herrschaft der zeitgenössisch amtierenden chinesischen Kaiser vorfanden und nach

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Europa transportierten. Durch die Vorstellung der realen Hintergründe können Vergleiche zu den in Europa vorliegenden Berichten über das kaiser­liche Handeln leichter gezogen werden. Gezeigt werden soll, auf welcher Grundlage das nach Frankreich und damit nach Westeuropa vermittelte Wissen über die Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in China beruhte. Da insbesondere das Pflugritual der Kaiser in den China-Berichten der Europäer des 18. Jahrhunderts große Beachtung fand, wird dieses ausführ­lich im Kontext der Traditionen und der klassischen konfuzianischen chinesischen Herrschaftslehre sowie aus der Perspektive der offiziellen Darstellung der Pf­lichterfüllung der Qing-Kaiser vorgestellt. Der zweite Teil der Arbeit fragt nach dem Wissen, das hinsicht­lich der Verknüpfung von Herrschaft und Landwirtschaft in China nach Europa gelangte, und untersucht neben den Akteuren des Transfers die Wege zufälliger oder gezielter Berichterstattung. Anhand der vorangegangenen Untersuchung zur tatsäch­lichen Bedeutung der Landwirtschaft im herrscher­lichen Wirkungsbereich in China kann sehr genau gezeigt werden, auf welchen Quellen die Berichte beruhten, welche Missverständnisse und Fehler sich einsch­lichen und wie selektiv die Auswahl der Gegenstände der Berichterstattung erfolgte. Die ausführ­liche Analyse der Berichterstattung bietet die Grundlage für die in den nachfolgenden Kapiteln zu prüfende Frage, inwieweit die Deutungen der Berichterstatter später durch die Rezipienten aus dem Kreis der Physiokraten und Kameralisten adaptiert wurden oder deren Argumentationen sogar maßgeb­lich prägten. Dies konnte, so lautet eine Arbeitshypothese, deshalb gut gelingen, da die Jesuiten durch ihren eigenen Ordensphilosophen, Francisco Suárez (1548 – 1617), über eine eigene, naturrecht­lich begründete Herrschafts- und Staatsauffassung verfügten, die ihre Sicht auf das chinesische Herrschaftssystem und seine Funktion in der und für die Natur sowie die daraus resultierende besondere Beziehung zur Landwirtschaft lenkte. So wird von der Annahme ausgegangen, dass über die naturrecht­lich begründete philosophie des jésuites und die als naturgesetz­lich identifizierte chinesische Herrschaft eine direkte Einflusslinie zu den Zielen der Physiokraten und Kameralisten hergestellt werden kann. Der dritte Teil der Arbeit setzt sich ausführ­lich mit der Rezeption der Rolle des chinesischen Monarchen in der Landwirtschaft aus der Perspektive von Vertretern zweier unterschied­licher ökonomischer Denkrichtungen des 18. Jahrhunderts, dem Kameralismus und der Physiokratie auseinander. Bevor jedoch untersucht werden kann, wie die Vorbilder als „Steinbruch“ und Legitimation für ein neues Herrschaftskonzept in Europa genutzt wurden, muss gefragt werden, warum das Pflugritual und die Rolle des chinesischen Kaisers als erster Landmann zum Vorbild und zum Modell für die ökonomischen Reformbewegungen in Frankreich und Deutschland avancieren konnten. Im Kontext der beabsichtigen Wirkung von Vorbildern wird in den beiden Kapiteln zur Kameralistik und zur Physiokratie jeweils nach der Konstruktion der Modelle und ihren Vermittlungsstrategien bzw. deren Adressaten gefragt werden. Anhaltspunkte dafür bieten vor allem zeitgenössische Assoziations- und Erkenntnistheorien. Neben den

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Konstruktionsmechanismen stehen die Kriterien im Fokus der Untersuchung, welche die Vermittlung eines Beispiels außerhalb der eigenen Kultur erleichterten. Der Erfolg eines Modells hing von seiner Form und der gewählten Vermittlungsstrategie ab. Es wird aufgezeigt werden, dass sich der Kameralist Johann Heinrich Gottlob Justi mit seinem Werk Vergleichungen der europäischen mit den asiatischen und andern vermeint­lich barbarischen Regierungen (1762) des traditionellen Mediums des moralisch anleitenden Fürstenspiegels bediente, der jedoch darüber hinaus Elemente einer Denkschrift mit theoretischen Vorschlägen und praktisch handlungsleitenden Ansätzen zu Reformen enthielt. Das Werk wurde bisher weder einer Gattung zugeordnet noch inhalt­lich analysiert. Es wird in dieser Arbeit in Hinblick auf die Bedeutung der Landwirtschaft und die Konstruktion einer neuen Herrschafts- und Gesellschaftsauffassung ausgewertet und dabei untersucht, wie Justi die Rolle der chinesischen Kaiser, als erste Landmänner zu fungieren, auf deutsche Territorialfürsten oder andere europäische Herrscher zu übertragen versuchte. Im Kapitel zur Physiokratie sollen die grundlegenden Vermittlungsstrategien 101 dieser Schule untersucht werden, die sich darauf konzentrierten, das Motiv des pflügenden Kaisers in China zunächst als Vorbild für den französischen König zu kommunizieren und später von den fremden Wurzeln zu entkleiden und in die französische Herrscherauffassung sowie die könig­liche Repräsentation zu integrieren. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass das Motiv des pflugführenden Monarchen als komprimierter und visualisierter Bestandteil der physiokratischen Theorie dazu diente, den französischen König bzw. den Dauphin symbolisch an die Spitze der agrarischen Bewegung zu stellen. Doch auf welche Resonanz stieß die physiokratische Modellkonstruktion und Vermittlungsstrategie, wurde sie von der französischen Krone oder anderen europäischen Monarchen angenommen? Oder blieb sie nur Hoffnung und Mahnung der Untertanen? Untersucht wird in diesem Zusammenhang das eigenhändige Pflügen des künftigen Königs Ludwig XVI. im Jahr 1768 in der Nähe von Versailles sowie des physiokratisch belehrten Kaisers Joseph II. 1769 auf einer Reise durch Mähren. Analysiert wird, ob nicht erst die Verbreitung des Geschehens durch Medien das Pflügen beider Monarchen zum Ereignis machte. Darüber hinaus werden die Interessen und Ziele unterschied­ licher ständischer, bürger­licher und höfischer Teilöffent­lichkeiten und Gruppen von Akteuren an der Stilisierung zum Ereignis untersucht. Es wird in dieser Arbeit davon

101 Zu den Vermittlungsstrategien der Physiokraten zählte auch, gute Verbindungen zu europäischen Herrscherhäusern aufzubauen. Kiril Abrasimov hat in seiner erst kürz­lich erschienen Studie die brief­ lichen Kontakte und die persön­liche Beratung an einzelnen Höfen wie etwa Baden durch einzelne Mitglieder der Schule untersucht. Abrosimov, Kiril: Wissenstransfer und Austausch symbolischen Kapitals. Das europäische Fürsten-Netzwerk der französischen Physiokraten. In: Discussions 7 (2012). S. 1 – 41.

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ausgegangen, dass Bilder zeigen, wie Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster des pflügenden Monarchen geprägt werden.102 Diese Annahme gilt in gleichem Maße auch für die Literatur: Der öffent­liche Diskurs der frühen 1770er Jahre wurde insbesondere durch neue Staatsentwürfe bereichert, die sich als Reaktion auf die zeitgenössischen Hungerkrisen intensiv und kritisch mit den aktuellen ökonomischen Lehren sowie den von diesen Theorien genutzten Exempeln wie etwa China oder die Antike auseinandersetzten. Im Fokus der exemplarischen Untersuchung stehen Louis-Sébastian Merciers im Jahr 1770 anonym in Amsterdam und 1771 in London erschienener Zukunftsentwurf von Paris mit dem Titel: L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fut jamais sowie Christoph Martin Wielands Der goldne Spiegel oder die Könige von Schechian.103 Beide Autoren nutzen den funktionierenden Agrarstaat China als Vorbild für die Konstruktion eines Bildes zukünftiger Realität, wofür Du Haldes Informationen herangezogen wurden. Merciers und Wielands Entwürfe zeigen aber auch, dass das neue, durch die Jesuitenberichte initiierte und insbesondere durch die Physiokraten verbreitete Herrschaftsideal des ersten Landmannes eines Staates für einige Jahre im kollektiven Gedächtnis Europas etabliert war. Mit der Rezeption dieser Herrschaftsvorstellung, die das Handeln ihrer Protagonisten im jeweiligen Roman bestimmte, zielten sie darauf, die Monarchie als bestehende Herrschaftsform in Frankreich und im Alten Reich zu stützen, ihr gleichzeitig aber auch eine Anleitung zur Selbstreform und zu neuer Legitimation zu geben. Insbesondere bei Wieland lässt sich daneben auch eine intensive Auseinandersetzung mit kameralistischen Vorstellungen nachweisen. In beiden Staatsentwürfen ist das ökonomische Zusammenwirken aller Menschen in einer großen Haus- und Gutsgemeinschaft mit dem Monarchen an der Spitze auf unterschied­lichen Wegen erreicht und die Versorgung gewährleistet worden. Hunger gehörte somit in der Fiktion der Romane der Vergangenheit an. In der Realität gelang die ökonomisch-funktionale Annäherung der Stände unter Führung des Herrschers sowie die Etablierung eines neuen Selbstverständnisses des Monarchen nicht oder höchstens in Ansätzen. Der dritte Teil der Arbeit endet mit einem Ausblick auf die Französische Revolution als dem Versuch, in einer geänderten Gesellschaftsordnung Teile der Reformgedanken zu realisieren. In diesem Ausblickskapitel soll knapp die wenig beachtete symbolische Bedeutung der Landwirtschaft und

102 Zu den Vorstellungen einer Visual History in der deutschen Geschichtswissenschaft vgl. Paul, ­Gerhard: Die aktuelle Historische Bildforschung in Deutschland. Themen – Methoden – Probleme – Perspektiven. In: Jäger, Jens/Knauer, Martin (Hg.): Bilder als historische Quellen? Dimensionen der Debatten um historische Bildforschung. München 2009. S. 125 – 148. Hier S. 137. Zur französischen Tradition vgl. Kneissl, Daniela: L’historien saisi par l’image. Bildzeugnisse als Forschungsgegenstand in der französischen Geschichtswissenschaft des 20. Jahrhunderts. In: Ibd. S. 149 – 200. 103 Zu Mercier und seinem Gesamtwerk vgl. Saage, Richard: Utopische Profile. Bd. 2: Aufklärung und Absolutismus (Politica et ars, Bd. 2). Münster 2002. S. 177 – 181.

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des Bauerntums für die junge französische Republik betrachtet werden. Dafür werden die revolutionäre Festkultur sowie der neue Kult des Höchsten Wesens auf die Rolle landwirtschaft­licher Elemente und ihre Darstellung in rituellen Handlungen, in Hymnen und Bildern untersucht. Gefragt werden muss, ob eine stärkere Hinwendung zu antik-­ republikanischen Vorbildern zu verzeichnen ist, deren Exempel in die Revolutionskultur integriert wurden, oder ob zur Betonung des Anspruchs auf eine neue Gesellschaft von Menschen mit gleichen Rechten und Pf­l ichten auch neue Beispiele konstruiert wurden. Dabei ist zu prüfen, ob China, das bisher als Vorbild einer funktionierenden Monarchie von monarchienahen bürger­lichen Eliten wie den Physiokraten sowie vom Hof selbst rezipiert worden war, nun im republikanischen Kontext überhaupt noch wahrgenommen wurde. Außerdem wird dargestellt, welche Rolle Revolution und Republik neuerdings der Natur, der Landwirtschaft und den Bauern zuwiesen. Als Betrachtungszeitraum werden die Jahre zwischen 1792 und 1799 gewählt, weil in diesem Zeitraum die kulturellen und geistigen Abgrenzungsversuche der Französischen Republik – etwa durch die Kalenderreform – medial am auffälligsten und in der Wirkung auf die Bevölkerung am besten greifbar sind. Zugleich deckt der Untersuchungszeitraum neben der Zeit des Konvents (1792 – 1794) auch die Herrschaft des Direktoriums (1795 – 1799) ab, während der sich die republikanische Staatskultur am deut­lichsten herausbildete, in ganz Frankreich verbreitete und allmäh­lich als neue Tradition etablierte.104 Denkbar wäre es, angesichts der Suche nach Vorbildern für die Landwirtschaft in Frankreich und dem Alten Reich auch nach der Rolle Englands zu fragen. In England war das Urbild der antiken Symbiose vom Staatsmann und Bauern in der Person des Königs Georg III. (1738 – 1820) verwirk­licht. Es wurde von Zeitgenossen auch in Zusammenhang mit den landwirtschaft­lichen Erfolgen des Landes gebracht. Der Monarch betätigte sich regelmäßig auf den Feldern seiner Mustergüter in der Gegend um Windsor und wurde wegen seines starken persön­lichen Interesses für die Landwirtschaft und deren expliziter Förderung – übrigens auch in seinem deutschen Kurfürstentum

104 Lynn Hunt kommt zum Ergebnis, dass die Fragen der einheit­lichen Repräsentation erst ab 1792 diskutiert und fixiert wurden. Da nur Menschen, die gemeinsam handeln, eine Kultur begründen oder ausgestalten können, konnte sich auch die Revolutionskultur erst allmäh­lich herausbilden. Hunt, Symbole der Macht, S. 112ff und S. 153. Clifford Geertz geht insbesondere vom krisenhaften Moment nach der Hinrichtung des Königs aus, der eine Neuorientierung bzw. die Suche nach historischen Anknüpfungspunkten und Symbolen der Identitätsstiftung notwendig machte: “At the political center of any complexly organized society (to narrow our focus now to that) there is both a governing elite and a set of symbolic forms expressing the fact that is truth in governing. No matter how democratically the members of the elite are chosen (usually not very) or how deeply divided among themselves they may be (usually much more than outsiders imagine), they justify their existence and order in terms of a collection of stories, ceremonies, insignia, formalities, and appurtenances that they have either inherited or, in revolutionary situations, invented.” Geertz, Clifford: Center’s Kings and Charisma: Symbolics of Power. In: Ders. (Hg.): Local Knowledge: Further Essays in Interpretive Anthropology. New York 2000. S. 121 – 146. Hier S. 121.

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Hannover – Farmer George genannt.105 Georg III. publizierte selbst ab 1784 unter dem Pseudonym Mr. Ralph Robinson of Windsor in den von Arthur Young (1741 – 1820) herausgegebenen Annals of Agriculture. In diesen Artikeln erwies er sich als ein Experte, der sich intensiv mit landwirtschaft­lichen Fachtexten und neuen Anbaumethoden auseinandergesetzt hatte und sich persön­lich in den aktuellen landwirtschaft­lichen Diskurs einbrachte.106 Das eigene Interesse versuchte Georg auch auf die nächste Generation zu übertragen: Die könig­lichen Prinzen übten sich in Kew-Garden in der Nähe Londons ebenfalls als Ackerbauern. Sie gruben vor den Augen ihrer Eltern ein Stück Land um, säten Weizen, jäteten das Feld und ernteten.107 Mit Georg III . verfügte Europa über ein weiteres Vorbild eines in der Landwirtschaft aktiven Monarchen. Für die Physio­ kraten und Kameralisten kam sein Beispiel jedoch zeit­lich zu spät. Zudem war das private Interesse des Königs an der Landwirtschaft aufgrund der unterschied­lichen Herrschaftsstrukturen in England und auf dem europäischen Kontinent nicht ohne weiteres als Rollenvorbild auf andere Herrscher übertragbar. Dennoch hatten Physio­ kraten und Kameralisten es nicht versäumt, auf der Suche nach Vorbildern England einzubeziehen und die landwirtschaft­lichen Erfolge der britischen Insel immer wieder in ihre Argumentation einfließen zu lassen.108 Der Blick richtete sich dabei aber nicht auf die Rolle des Monarchen, sondern auf die Rolle des Adels in der englischen Landwirtschaft, die Freiheit der Bauern und auf die technische Innovationsfähigkeit.109 105 Zu diesem Spitznamen vgl. Van der Kiste, John: George IIIs Children. Phoenix Mill 1992. S. 8. Eine Karikatur von James Gillray zum König als Farmer George bietet Hibbert, Christopher: George III. A Personal History. London 1998. S. 273. Ebenfalls Hill, Draper: Fashionable Contrasts. Caricatures by James Gillray. London 1966. Abb. 63. 106 Brief des Ralph Robinson vom 1. Januar 1787 mit dem Titel Agriculture. On Mr. Dunckets Mode of Cultivation. In: Annals of Agriculture 1 (1787). S. 65 – 71. 107 Zu Georges landwirtschaft­lichen Interessen vgl. Wright, Christopher: George III (The British Library Historic Lives). London 2005. S. 94. S. 197ff. Watkin, David: The Architect King. London 2004. S. 167 – 176. Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 277. 108 Bourde, André J.: The Influence of England on the French Agronomes, 1750 – 1789. Cambridge 1953. Im staatstheoretischen Diskurs hatte zur gleichen Zeit der Blick auf Englands Verfassung als mög­liches Vorbild durch den Siebenjährigen Krieg deut­lich nachgelassen. Dazu kurz Bendix, ­Reinhard: König oder Volk. Machtausübung und Herrschaftsmandat. Frankfurt/M. 1980. Bd. 2, S. 157. 109 Wutke, Konrad: Die Einführung der englischen Landwirtschaft in Schlesien durch den Minister Schlabrendorff (1764 – 1769). In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 54 (1920). S. 17 – 62. Mit fürst­lichen Stipendien ausgestattet, reisten ab den 1760er Jahren deutsche Verwaltungsbeamte und Bauern nach England, um die Anbaumethoden zu studieren. Frühsorge, G ­ otthardt: Was der deutsche Baron in England auch sehen konnte: Agrarrevolution und „ökonomische Reise“. In: Spieckermann, Marie-Luise (Hg.): Der curieuse Passagier. Deutsche England­reisende des 18. Jahrhunderts als Vermittler kultureller und technologischer Anregungen. Heidelberg 1983. S. 47 – 61. Braun, Hans-Joachim: German Entrepreneurs and Technicians in England in the Eighteenth Century. In: ibd. S. 63 – 74. Kroker, Werner: Wege zur Verbreitung technologischer Kenntnisse zwischen England und Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1971. Zum

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­ ufgrund dieses unterschied­lichen Blickwinkels wird England als Vorbild in dieser A Arbeit nur am Rande untersucht. Das in dieser Arbeit untersuchte Thema der Verflechtung von Landwirtschaft und Herrschaft findet eine repräsentative Entsprechung in der Figur des Farmer-Statesman, wie er in den Personen der ersten Präsidenten der jungen USA, ausschließ­lich auf antiken Vorbildern beruhend, geprägt wurde. Das Bild des Farmer-Statesman, der einer agrarisch geprägten und in vielen Bereichen physiokratischen Ansätzen folgenden Nation vorstand bzw. diese zu konstituieren versuchte und dabei selbst als Gentry-Farmer nach englischem Vorbild aktiv Landwirtschaft betrieb und zu deren Wohl durch politische und private Förderung beitrug, ist ein singuläres amerikanisches Konstrukt und durch die Präsidenten George Washington (1732 – 1799), Thomas Jefferson (1743 – 1826), James Madison (1751 – 1836) und James Monroe (1758 – 1831) verkörpert.110 Dieses Beispiel wurde – schon aus chronologischen Gründen – weder von Physiokraten noch Englandbild der Aufklärung kurz Maiwald, Marc Oliver: Allen Nationen Vorbild und Muster. Die deutsche Wahrnehmung der sozialen und wirtschaft­lichen Zustände in Großbritannien. 1760 – 1850. Bochum 2005. S. 21ff. Das praktische und technisch innovative Vorbild der englischen Landwirtschaft wirkte sich insbesondere auf das Kurfürstentum Hannover aus, das in Personalunion von den englischen Königen regiert wurde, blieb aber auch in Brandenburg-­Preußen nicht ohne Folgen für Reformen. Dies zeigt sich etwa an der frühzeitigen Gründung und könig­lichen Unterstützung einer Landwirtschaftsgesellschaft. Deike, Ludwig: Die „Celler Societät und Landwirtschaftsgesellschaft“ von 1764. In: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 8). München/Wolfenbüttel 1980. S. 161 – 194. Ulbricht, Otto: Englische Landwirtschaft in Kurhannover in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1980. Brakensiek, Stefan: Das Feld der Agrarreformen um 1800. In: Engstrom, Eric J./Hess, Volker/Thomas, Ulrike (Hg.): Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissenschaft­lichen Expertise im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert (Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 7). Bern 2005. S. 101 – 123. 110 Thomas Jefferson bezeichnete sich in einem Brief an Henry Knox von Monticello am 1. Juni 1795 als „the most ardent farmer in the state“. Zit. n. Holmes, Jerry (Hg.): Thomas Jefferson: A Chronology of His Thoughts. Boston 2002. S. 146. Zwischen 1794 und 1797 arbeitete Jefferson täg­ lich einige Stunden auf seinem Landgut in Virginia. Malone, Dumas: Jefferson and the Ordeal of Liberty. Boston 1962. S. 195 – 206. Mansfield, Harvey C.: Thomas Jefferson. In: Frisch, Morton J. (Hg.): American Political Thought. The Philosophic Dimension of American Statesmanship. New York 1971. S. 23 – 50. Hier S. 31ff. Jefferson gründete die erste Agrargesellschaft der USA und war darüber hinaus Mitglied in einigen ausländischen Sozietäten. Mc Ewan, Barbara: T ­ homas Jefferson: Farmer. London 1991. S. 17ff. Sheldon, Garrett Ward: The Political Philosophy of Thomas Jefferson. Baltimore/London 1991. S. 112 – 124. Zur Bedeutung der Landwirtschaft als Gesellschaftsideal vgl. die Definition „Agrarianism“ von Hurt, Douglas R.: American Agriculture. A Brief History. Iowa 1994. S. 72 – 77. Zur Rolle der Antike im Nations- und Staatsbildungsprozess, insbesondere zur Vorstellung einer Nation of Farmers, vgl. Richard, Carl J.: Classical Antiquity and Early Conceptions of the United States Senate. In: Meckler, Michael (Hg.): Political Antiquity and the Politics of America. Waco/Texas 2006. S. 29 – 41. Hier S. 36ff. Zur Rolle der Antike in den frühen amerikanischen Erziehungskonzepten vgl. Ziobro, William J.: Classical Education in Colonial America. In: Meckler, Michael (Hg.): Political Antiquity and the Politics of America. Waco/Texas 2006. S. 13 – 28.

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von Kameralisten aufgegriffen. Auch in der französischen Republik konnte sich diese Vorstellung vom Farmer-Statesman nicht etablieren. Sie spielt deshalb keine Rolle für diese Untersuchung. Zum besseren Verständnis ist der vorliegenden Studie ein Anhang beigefügt, der u. a. Bilder vom heutigen Zustand des Ackerbautempels in Peking, eine Auswahl der im Text erwähnten und diskutierten Darstellungen des Pflugrituals sowie eine Auswahl der Medien enthält, welche in Deutschland und Frankreich zur Vermittlung des chinesischen Vorbildes sowie der neu formulierten Herrschaftsauffassung eingesetzt wurden.

2. Die traditionelle Rolle der Herrscher in der Landwirtschaft

2.1 Zum traditionellen Verhältnis zwischen Herrschaft und Landwirtschaft in Europa

2.1.1 Die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Bibel

Der Ackerbau und insbesondere die Urbarmachung des steinigen Bodens spielen in der Bibel eine wesent­liche Rolle. Im Kontext des Sündenfalls von Adam und Eva steht Gottes strafender Fluch auf den Acker und die Ankündigung der Mühsal, diesen zum Lebensunterhalt zu bearbeiten: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.1 Das Alte Testament vermerkt jedoch versöhn­lich im Gleichnis vom Bauern in Jesaja 28,27, dass der Landmann durch Gott selbst in allen Fertigkeiten der Bodenbearbeitung, des Säens, Erntens und der Verarbeitung der Früchte zu Brot und Nahrung unterwiesen worden sei.2 Jesaja erinnert daran, dass Gott sich als Lehrer und Ratgeber der Menschen erwiesen, ihnen den Umgang mit seiner Schöpfung wohlwollend vermittelt und sie über den Nutzen informiert habe.3 Gott wird damit zum Stifter und Schützer des irdischen Ackerbaus. Der Beruf des Ackerbauern ist daraus folgend ein gottgegebener und ein gottgefälliger.4 In diesem Kontext erscheint es 1 1. Mose 3,17 – 19. 2 Also unterwies ihn sein Gott zum Rechten und lehrte ihn. Jesaja 28, 24 – 28. Hier 27. Zermalmt man etwa das Getreide (beim Dreschen)? / Nein, man drischt es nicht endlos, man lässt die Wagenräder und die Hufe der Tiere / nicht darüber gehen, bis es zermalmt ist. Auch dies lehrt der Herr der Heere; / sein Rat ist wunderbar, er schenkt großen Erfolg. Jesaja 28, 28 – 29. Vgl. dazu Götz, Erich: Frühe Landwirtschaft in Palästina. In: Mell, Ulrich (Hg.): Pflanzen und Pflanzensprache der Bibel. Erträge des Hohenheimer Symposions vom 26. Mai 2004. Frankfurt/M. u. a. 2006. S. 27 – 37. Hier S. 29. Eyre, Christopher J.: The Agriculture Circle. Farming, and Water Management in the Ancient Near East. In: Sasson, Jack M. (Hg.): Civilizations in the Ancient Near East. Bd. 1. New York 1995. S. 175 – 190. Borowski, Oded: Agriculture in Iron Age Israel. (Diss.) Winona Lake 1987. 3 Weitere Stellen etwa: Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen, sechs Jahre sollst du deinen Weinberg beschneiden und seinen Ertrag ernten. 3. Mose (Levitikus) 25,3. Aber im siebten Jahr soll das Land eine vollständige Sabbatruhe zur Ehre des Herrn halten: Dein Feld sollst du nicht besäen und deinen Weinberg nicht beschneiden. 3. Mose (Levitikus) 25,4. 4 Er trat näher und küsste ihn. Isaak roch den Duft seiner Kleider, er segnete ihn und sagte: Ja, mein Sohn duftet wie das Feld, das der Herr gesegnet hat. 1. Mose (Genesis) 27,27.

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umso nachvollziehbarer, dass der Prophet Elias von Gott Richtung Damaskus gesandt wurde, um Elisa von Abel-Mehola von seiner Feldarbeit weg zum Propheten zu erheben: Und er ging von dannen und fand Elisa, den Sohn Saphats, daß er pflügte mit zwölf Jochen vor sich hin; und er war selbst bei dem zwölften. Und Elia ging zu ihm und warf seinen Mantel auf ihn. Er aber ließ die Rinder und lief Elia nach und sprach: Laß mich meinen Vater und meine Mutter küssen, so will ich dir nachfolgen. Er sprach zu ihm: Gehe hin und komme wieder; bedenke, was ich dir getan habe! Und er lief wieder von ihm und nahm ein Joch Rinder und opferte es und kochte das Fleisch mit dem Holzwerk an den Rindern und gab’s dem Volk, daß sie aßen. Und machte sich auf und folgte Elia nach und diente ihm.5 Der Landmann Elisa übte seinen Beruf gottgefällig und fleißig aus. Die letzte Furche war gepflügt, sein bisheriger Auftrag vollständig erfüllt. Er wird nun zum Erwählten, zum Sprecher Gottes und Nachfolger Elias’ auserkoren.6 Elisa gab, nachdem ihn der Mantel Elias’ umfangen hatte und er die Nähe zu Gott spürte, seinen Beruf als Bauer für alle sichtbar und nachhaltig auf. Er schlachtete seine Zugtiere und fachte aus dem Holz des Jochs ein Feuer zur Zubereitung des Fleisches an. Eine Rückkehr in die Tätigkeit des Ackermannes wurde durch die Zerstörung seiner Arbeitsgeräte und das Töten seiner Tiere unmög­lich. Frei aller Verpf­lichtungen und Bindungen an Land und Familie kann er Elias und Gott folgen. Vollkommen gegensätz­lich argumentiert Jesus hinsicht­lich der Nachfolge eines Gläubigen in Lukas 9, 61 – 62: Und ein anderer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich einen Abschied mache mit denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes. Im Gegensatz zu Elisa ist dieser Landmann nicht zur Nachfolge Jesu auserkoren, sondern bietet sie ihm freiwillig an. In einer zu 1. Könige 19 parallelen Szene bittet der Bauer um die Zeit, sich von seiner Familie und aus seinem bisherigen Leben verabschieden zu dürfen. Jesus verweigert dem Landmann die Nachfolge. Der bodenständige und ortsgebundene Beruf des Ackermannes und sein schwerer Abschied lassen ihn für die vorbehaltlose Nachfolge als Jünger Jesu ungeeignet erscheinen. Eine Missachtung des Ackerbauern war damit jedoch nicht verbunden, sondern vielmehr die Achtung vor dem irdischen Bedürfnis der Nahrungsgewinnung und die Einsicht in die Erfordernis von Kontinuität bei der Feldarbeit. Die Tugend der

Die ackerbau­liche Stiftungsfunktion findet sich auch in Psalm 104, 10 – 18, insbesondere 14 – 16: Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke. Vgl. ebenso Sirach 7,15: Sei nicht leichtfertig bei der schweren Arbeit auf dem Acker, denn von Gott ist sie zugewiesen. 5 1. Könige 19, 19 – 21. 6 Prophétés: grch. Sprecher Gottes. Vgl. auch Otto, Susanne: Jehu, Elia und Elisa. Die Erzählung von der Jehu-Revolution und die Komposition der Elia-Elisa-Erzählungen (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, Bd. 152). (Diss.) Stuttgart 2001.

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Bauern, auf Ertrag zu hoffen und Pflanzen geduldig zu hegen und pflegen, findet sich immer wieder in Jesus Sicht vom Umgang mit dem Glauben, etwa im Gleichnis vom guten Landmann in Lukas 13,1 – 9. Insbesondere im Alten, aber auch im Neuen Testament spielt der Ackerbau eine bedeutende Rolle, ebenso wie der Berufsstand des Bauern. Der Ackerbau wird durch den Sündenfall und den Fluch Gottes zu einer notwendigen, schweren und rein irdischen Tätigkeit, die den Lebenserhalt der Menschen sichert. Er ist zugleich Strafe und G ­ ottes Gabe und damit auch Chance für die Menschen. Dem Ackerbau gebührt deshalb auch Schutz. Gottes Gebot richtete sich immer wieder an die Herrscher, in Kriegen Felder nicht zu verwüsten und die Bauern zu schützen.7 Gute und weise Herrschaft wie die Salomos zeichnete sich der Bibel zufolge zuerst durch den Reichtum an Nahrungsmitteln im Land und dem daraus folgenden Wohlstand aller aus.8 Die Könige des Alten Testaments selbst werden oft als erfolgreiche Landwirte charakterisiert. Ein Beispiel dafür ist der zunächst gottergebene, bescheidene, tüchtige und reiche König Usija von Judäa: Denn er hatte viel Vieh, sowohl in der Niederung als auch in der Ebene, [und] Bauern und Weingärtner im Gebirge und im Fruchtland; denn er liebte den Ackerbau.9 Die Bibel bietet in einer großen Bandbreite Belegstellen vom Landmann in der Ausübung seiner schweren, gottgewollten und auch gottgefälligen irdischen Pf­licht. Darüber hinaus kann der Landmann im Einzelfall auch dieser Last und Pf­licht enthoben werden, um im Dienste Gottes sein Wort zu verkünden.

2.1.2 Die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Antike

In den antiken Agrargesellschaften Griechenlands und Roms wurde der Ackerbau als ein gött­liches Geschenk betrachtet. Auskunft geben Mythen, denen zufolge die Menschen den Ackerbau an sich oder wichtige Entwicklungen in der Landwirtschaft kulturstiftenden Göttern, Heroen und Urkönigen verdankten. Diese zivilisatorische Leistung ging nicht selten mit der Gründung einer Stadt (etwa Eleusis, Athen oder Rom) und eines mensch­lichen Herrschergeschlechts einher. So verband sich oft ein Kulturstiftungs- mit einem Gründungsmythos, dessen Göttern, Heroen oder Urkönigen in der Regel wichtige Kulte geweiht waren, die zur Identifikation mit dem Gemeinwesen und zur Legitimation des Staates beitrugen. Mythen wurden in der Antike als Teil der Geschichte verstanden. Da sie dem Zweck dienten, sinnstiftend zu wirken, ist der Mythos nach Jan Assmann „völlig unabhängig davon, ob er fiktiv oder faktisch ist“.

7 5. Mose (Deuteronomium) 20,19: Wenn du eine Stadt längere Zeit hindurch belagerst, um sie anzugreifen und zu erobern, dann sollst du ihrem Baumbestand keinen Schaden zufügen […]. 8 1. Könige 5, 1 – 14. 9 2. Chronik, 26, 10.

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Der Mythos gilt Assmann zufolge als „Wahrheit höherer Ordnung“.10 Hans Joachim Gehrke bekräftigt Assmanns Auffassung vom Mythos und spricht seinerseits in diesem Zusammenhang von geglaubter Geschichte als intentionaler Geschichte im Sinne des Wissens oder Urteils einer Gruppe, die weiß, was gemeint ist und diese Meinung teilt – unabhängig von der Wahrheit historischer Forschung. Nach Gehrke hat die Forschung „beim Blick auf die antike Überlieferung die Grenzen zwischen Mythos und Geschichte weitgehend fallen zu lassen“.11 Die Antike ordnete Mythen eine hohe Funktionalität zu. Mythen konnten deshalb leicht ein vollkommen natür­licher Bestandteil der Exempla werden, weil sie seit langer Zeit von Generation zu Generation tradiert wurden. Sie dienten für die eigene Geschichte als Argument und verbanden Vergangenheit und Gegenwart in einer lebendigen Beziehung zur religiösen Sphäre.12 Die Ackerbau­mythen und ihre Heroen verpf­lichteten deshalb auch die Vertreter des Staates auf die Einhaltung und Durchführung der Ackerbau-Kulte. Es soll nachfolgend gezeigt werden, wie eng und auf welche Weise in der Antike politische und gesetzgeberische Macht mit der Landwirtschaft, ihren gött­lichen Stiftern und Kulten verbunden wird. Durch den Feldbau als erstes zivilisatorisches Ergebnis und wichtigen Teil der Gründungsmythen kommt dem Landleben die besondere Bedeutung einer ursprüng­lichen, gottgegebenen Lebensweise zu, die sowohl in Griechenland als auch in Rom zum gesellschaft­lichen Lebensideal erhoben wurde. a. Demeter und Triptolemos in den griechischen Staaten Im Kontext der wichtigsten Ackerbaumythen steht der lokale und später in die Tradition Athens integrierte Mythos des Heroen Triptolemos. Nach Diodors Bibliothéke historiké waren es Unstimmigkeiten unter den Göttern, welche die Erde in Katastrophen stürzten und ihrem segensreichen Wirken vorausgingen: Demeter, die aus Trauer und Hass über den Raub ihrer Tochter Kore (Persephone) die Erde verdorren ließ und das gött­liche Getreide verbrannte, stürzte die Menschheit in schlimme Hungersnöte. Erst die von Zeus erreichte teilweise Rückkehr ihrer Tochter aus der Unterwelt stimmte die Göttin versöhn­lich. Nun galt es, die von ihr verursachten Nöte der Menschen zu lindern. Als Helfer erwählte sie Triptolemos.13 So berichtet Homer in seinem Demeterhymnus gegen Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. vom eleusischen Fürsten Triptolemos. Demeter 10 Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992. S. 75f. Zur Rolle der Exempla vgl. Litchfield, Henry W.: National Exempla Virtutis in Roman Literature. In: Harvard Studies in Classical Philology 25 (1914). S. 1 – 71. 11 Gehrke, Hans-Joachim: Mythos, Geschichte, Politik – antik und modern. In: Saeculum 45 (1994) S. 239 – 264. Hier S. 247. 12 Ibd. S. 243. Zur Skepsis gegenüber den Mythen in der Spätantike, beispielsweise bei Valerius M ­ aximus, vgl. Felmy, Andreas: Die Römische Republik im Geschichtsbild der Spätantike. Zum Umgang lateinischer Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. mit den exempla maiorum. (Diss.) Berlin 1999. S. 82f. 13 Diodor, Weltgeschichte, V 68.1f.

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offenbarte ihm als König aufgrund seiner Klugheit und seiner Gesetzgebungsmacht als Erstem ihre heiligen Riten, für deren Ein- und Geheimhaltung er als ihr Gefolgsmann künftig zu sorgen hatte.14 Anders als Homer berichtet Ovid in seinen Fasti, Triptolemos sei der Sohn des eleusischen Königs Keleus gewesen, dem Demeter als Amme verkleidet durch heilige Feuerrituale zu einem schnellen Wachstum und zur Unsterb­lichkeit verholfen habe. Auf diese Weise konnte er ihr schneller dienen.15 Triptolemos war gemäß Homers Verständnis’ des héros ein wort- und tatführender mensch­licher Akteur.16 Er ist nach übereinstimmender Aussage aller Schriftzeugnisse irdischer, aber könig­licher Herkunft. Ihm übergab die Göttin das Getreide mit dem Befehl, es mit Hilfe eines Schlangenwagens unter den Menschen der Erde zu verteilen. So wurde Triptolemos als mensch­lich-könig­licher Agrarheros charakterisiert und visualisiert, dem die Menschen nach seiner erfolgreichen Aussaat auf den Rarischen Feldern bei Eleusis und Demeters gnädigem Wirken den Getreidebau sowie gemäß seines Namens tri-polein, dem so genannten Dreimalpflüger, die Erfindung des Pfluges 17 verdankten.18 Seine Mission 14 Homer: Demeterhymnus. In: Allen, Thomas William (Hg.): The Homeric Hymns. London ²1936 (Reprint: Amsterdam 1980). Verse 153 – 156 und 473 – 479. Zu den eleusischen Mysterien vgl. ­Clinton, Myth and Cult, S. 24ff. Motte, Silence et sécret dans les mystères d’éleusis, S. 317 – 334. Kerény, Karl: Die Mysterien von ­Eleusis (Die Heroengeschichten der griechischen Mythologie). Zürich 1962. S. 14ff. Zu Triptolemos grundsätz­lich vgl. Schwarz, Gerda: Triptolemos. Ikonographie einer Agrar- und Mysteriengottheit (Grazer Beiträge, Supplementband 2). Graz 1987. Homer ist auf S. 7 erwähnt. Schwarz untersucht vor allem die 167 erhaltenen Darstellungen Triptolemos’ in der Vasenmalerei, aber auch sonstige Darstellungen. Ergänzend zu den Vasendarstellungen Raubitschek, Isabelle K./Raubitschek, Antony E.: The Mission of Triptolemos. In: Hesperia Supplements, Studies in Athenian Architecture, Sculpture and Topography 20 (1982). S. 109 – 117, Abb. S. 117f, 207 und 208. 15 Publius Ovidius Naso, Fasten, IV 510ff. In älteren Darstellungen gilt Triptolemos manchmal als Gatte oder Sohn der Erdgöttin. Hesiod berichtet in seiner Theogonie davon, Demeter habe Triptolemos von Isasion in einer dreimal gepflügten Furche als Sohn empfangen. Schwarz, Triptolemos, S. 249. 16 Graf, Fritz: Art. „Heroenkult“. In: Der Neue Pauly 5 (1998). Sp. 476 – 480. Kerény positioniert die Heroen zwischen den Menschen und Göttern, deren gött­licher Glanz ihrer Leistungen oftmals durch die mensch­liche Sterb­lichkeit beendet wird. Kerény, Die Heroen der Griechen, S. 12ff. Zur mensch­lichen Geburt der Heroen vgl. ibd. S. 144ff. 17 Zur Geschichte des Pfluges von der Antike bis zur Neuzeit mit zahlreichen Abbildungen vgl. Gow, A.: The Ancient Plough. In: The Journal of Hellenic Studies 34 (1914). S. 249 – 275. Zur Nutzung des Pfluges in Tanagra im Bronzezeitalter vgl. Bintliff, John: Landscape and Early Farming Settlement Dynamics in Central Greece. In: Geoarchaeology 21,7 (2005). S. 666 – 674. 18 Kerény, Die Mysterien von Eleusis, S. 120ff. Schwarz, Triptolemos, S. 14. Eine boöthische Vase aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. zeigt beispielsweise Demeter in Mantel und Diadem mit Zepter, die Triptolemos ein Bündel Ähren übergibt und ihn zur Verbreitung aussendet. Hinter dem Helden steht der Pflug, dessen Furchen die Voraussetzung für die Aussaat darstellen. Demeter wird nur in ganz seltenen Fällen mit einem Pflug als Attribut dargestellt. Es wird vielmehr Triptolemos als Gefolgsmann der Demeter/Ceres zugeschrieben. Plinius der Ältere schreibt in der Historia naturalis VII 199: Bovem et aratum Buzyges Atheniensis, ut alii, Triptolemus. In der

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führte ihn als Ährenspender und Künder der Demeter auf seinem Schlangenwagen in die tyrrhenische Bucht, nach Ligurien, Illyrien, Karthago, Libyen sowie nach Kleinasien, insbesondere aber nach Athen. Zahlreiche Könige anderer Staaten wurden von ihm im Ackerbau unterrichtet.19 Die Stadt Athen stiftete Triptolemos im Kultbezirk Eleusinion ein eigenes Standbild, das Pausanias noch im 2. Jahrhundert vorfand. Triptolemos’ Verehrung hatte sich somit über das gesamte attische Festland und weite Teile des Mittelmeeres ausgebreitet und fand im öffent­lichen Pflügen in zahlreichen Gegenden Griechenlands, insbesondere als Staatsritual in Eleusis auf den rarischen Feldern und in Athen an der Akropolis seinen Ausdruck. 20 Mit der Vereinnahmung des Triptolemos durch die Athener war ein entsprechender wirtschaft­licher Profit verbunden. Athen beanspruchte die Oberaufsicht über die eleusischen Kulte und somit über die Fruchtbarkeit: Da die Gunst der Demeter und des Heroen jedes Jahr neu erlangt werden musste, hatte jeder Polisbürger und jedes Mitglied des attischen Seebundes auf Geheiß Athens eine Getreidespende nach Eleusis zu senden.21 Argonautica heißt es: Nunc [Triptolemos] aerii plantaria vellet Perseos aut currus et quos frenasse dracones creditus, ignaras Cereris [Demeter] qui vomere terras imbuit et flava quercum damnavit arista. Valerius Flaccus, Argonautica, I 67 – 70. Zu weiteren Primärquellen des pflügenden Triptolemos bzw. zur Darstellung als Erfinder des Pfluges vgl. Schwarz, Triptolemos, S. 155f. Auf zwei anderen Vasen in der Münchner Antikensammlung und dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe wird Triptolemos könig­licher Rang jeweils durch ein Zepter in seiner Hand dargestellt, während er mit der anderen die gött­lichen Ähren von Demeter empfängt. Antikensammlungen München, ca. 450 v. Chr., Inv. Nr. 207314. Kratervase, Badisches Landesmuseum Karlsruhe. 480 v. Chr., Katalog Nr. Karlsruhe 68.101. Den Höhepunkt seiner Popularität erreichte der Held durch ein im 5. Jahrhundert v. Chr. aufgeführtes, jedoch nur noch in Fragmenten erhaltenes Drama von Sophokles mit dem Titel Triptolemos. Aus späteren Fragmenten, in denen das Stück erwähnt wird, lässt sich ein Ausfahrtgespräch zwischen Triptolemos und Demeter hinsicht­lich des Auftrags der Göttin als wesent­licher Inhalt des Dramas rekonstruieren. Dies entspricht auch den gängigen bild­lichen Darstellungen. 19 Nyktimos, der König von Arkadien, führte den Feldbau ein, den er von Triptolemos gelernt hatte. Vgl. Pausanias, Beschreibung Griechenlands, VII 4.1. 20 Die eleusischen Mysterien waren geheim, dennoch wurden Einzelheiten über die Kulthandlungen bekannt. Im Zentrum stand das Fasten und Schweigen, dem später die Offenbarung der Ähren folgte. Nach Bemerkungen des Theophrast wurden Ackergeräte und Werkzeuge zum Bereiten des Getreides mit in die Kulthandlungen einbezogen. Sehr ausführ­lich zum Triptolemos-Kult und den Mysterien als Teil der Demeter und Persephoneverehrung in Eleusis und Athen vgl. Burkert, Walter: Antike Mysterien-Funktionen und Gehalt. Eine umfassende Einführung in das Phänomen der Mysterienkulte. München 42003. S. 56ff. Frazer, James Georges: Spirits of the Corn and of the Wild. Bd. 1 (The Golden Bough, Bd. 5). London 1912. S. 59 – 79. Zur Bedeutung des Pflügens als Gebet an Zeus vgl. Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 71ff. 21 Die Griechen ehrten ihn als Stammvater des Peleponnes (Xenophon) und Stadtgründer. Strabon etwa spricht von der Gründung Antiochias durch die Nachfahren des Triptolemos. Schwarz, Triptolemos, S. 11. Vgl. auch Hinz, Valentia: Der Kult von Demeter und Kore auf Sizilien und in der Magna Graecia (Palilia, Bd. 4). (Diss.) Wiesbaden 1998. Die ersten Heroenkulte sind nach neuerer

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Der zunehmend in Athen und Attika verbreitete Demeter-Triptolemos-Kult traf dort auf den älteren Kult des Bouzyges, der in Athen zum kekropischen Religionskreis 22 gehörte und im Umfeld der Athena Polias, der olivenbaumstiftenden und schützenden Stadtgöttin, als Heros des Pflügens und des Ackerbaus verehrt wurde. Bouzyges galt als einer der ersten Gesetzgeber Athens, der darüber hinaus erstmals Ochsen und einen Pflug zur Feldbearbeitung einsetzte.23 Er lockerte am Fuß der Akropolis die Erde auf und gewann so fruchtbareren Boden. Dieses Wissen vermittelte er den Menschen. Zu seinem Kult gehörte ebenfalls das heilige, öffent­liche Pflügen durch Priester an der Akropolis während der ersten Septembertage.24 In seiner Figur sind wie in der des Triptolemos herrscher­liche, näm­lich gesetzgebende Macht mit ackerbaustiftenden und Ackerbau-Riten verbreitenden, also belehrenden Fähigkeiten verbunden, die den Menschen dienten. Das Zepter als Ausdruck könig­licher Macht und der Pflug oder andere Attribute der Landwirtschaft wie die Ähren wurden in den Händen der genannten Heroen zur Einheit verbunden. Zugleich kommt beiden Heroen eine zwischen Menschen und Göttern vermittelnde Position zu.25

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Forschung seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. bekannt, gehäuft treten sie jedoch im Bronzezeitalter im 5. Jahrhundert v. Chr. auf. Antonaccio, Carla M.: An Archaeology of Ancestors, Tomb Cult and Hero Cult in Early Greece (Greek studies). London 1995. Als Kekrops werden die erdgeborenen Urmenschen und ersten Ansiedler Athens mit ihrem Urkönig bezeichnet. Vgl. Scherf, Johannes: Art. „Kekrops“. In: Der Neue Pauly 6 (1999). Sp. 381f. Dazu auch Preller, Ludwig: Griechische Mytholgie. Bd. 2: Die Heroen. Berlin 1861. S. 137 – 139. Kerény bezeichnet sie als Ur-Athener und Kekrops als ihren Ur-König. Kerény, Heroen der Griechen, S. 227 – 232. Zu Bouzyges vgl. Robinson, David M.: Bouzyges and the First Plough by the Painter of the Naples Hephaistos. In: American Journal of Archaeology 35,2 (1931). S. 152 – 160, 156 – 158. Blok, Josine H.: Gentrifying Genealogy. On the Genesis of the Athenian Autochtony Myth. In: Walde, Christine/Dill, Ueli (Hg.): Antike Mythen: Medien, Transformationen und Konstruktionen. Berlin 2009. S. 251 – 274. Hier S. 265f. Zur Verschmelzung mit Triptolemos vgl. Marcus Terentius Varro, De re rustica, II 5,4. Schwarz, Triptolemos, S. 248. Zur Rolle des Bouzyges- bzw. Triptolemoskultes in Macedonien vgl. Efstathiou, Athanasios: The „Peace of Philocrates“: The Assemblies of the 18th and 19th Elaphebolion 346 B. C. Studying History through Rhetoric. In: Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte 53,4 (2004). S. 385 – 407. Hier S. 402. In Thrakien war es Dionysos, der den Menschen erstmals Ochsen zum Pflügen gab und den Ackerbau auf diese Weise entscheidend voranbrachte. Bis heute ist ein modernes Pflugritual mit einem Gebet um Fruchtbarkeit in der Furche erhalten. Jameson, Michael H.: The Hero Echetlaeus. In: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 82 (1951). S. 49 – 61. Hier S. 59. Romaios, Costas A.: Cultes populaires de la Thrace (Cahiers d’Hellénisme, Bd. 1). Athens 1949. S. 50 – 67. Connelly, Breton, Joan: Portrait of a Priestess: Woman and Ritual in Ancient Greece. Princeton 2007. S. 82; Deubner, Ludwig August: Attische Feste. Berlin ²1966. S. 46 – 51. Eine sehr ausführ­liche Beschreibung des Festes und der Pflugszenen gibt Mommsen, August: Heortologie. Antiquarische Untersuchungen über die städtischen Feste der Athener. Leipzig 1864. S. 221ff. Diese Funktion findet sich auch in der Gestalt des kretischen Sehers und Weisen Epimenides, dessen Rat in Athen sehr geschätzt wurde und dem man ebenfalls die Erfindung des Pfluges zuschrieb. Zum Dank für das Gerät erbat er sich von den Athenern einen Ölzweig von der Akropolis. Jameson,

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Zuletzt wurde der Triptolemos-Kult in hellenistischer Zeit in Alexandria ansässig. In Ägypten verschmolz Triptolemos mit dem Götterkönig Osiris bzw. Horus, der ebenfalls als Gesetzgeber verehrt und dem auch die Erfindung des Pfluges zugeschrieben wurde.26 Ägyptens Pharaonen waren in der Nachfolge des Osiris/Horus gleichermaßen für Regen und Fruchtbarkeit sowie für die Rechtsordnung verantwort­lich.27 Eva Cancik-Kirschbaum bezeichnet das Wirken der ägyptischen Könige als Mittler zwischen Menschen und Göttern, die nicht nur grundsätz­lich für die Pflege der Kulte verantwort­ lich waren, sondern selbst auch kultische Aufgaben wahrnahmen.28 In dieser Tradition sakralen Königtums sahen sich auch Alexander der Große (356 v. Chr.–323 v. Chr.) und seine Nachfolger. Es ist bekannt, dass Skulpturen Alexanders des Großen und anderer ptolemäischer Könige immer wieder mit den Attributen des Osiris/Triptolemos (Blattkelch, Pflug und einem Tragetuch für das Korn) ausgestattet wurden oder umgekehrt Standbilder des Triptolemos die Gesichtszüge Alexanders oder anderer Könige erhielten.29 Gerda Schwarz vermutet, dass die Verschmelzung Alexanders mit

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The Hero Echetlaeus, S. 60. Noch immer grundlegend Schultess, Karl: De Epimenide Crete. (Diss.) Bonn 1877. Die Nähe zu Bouzyges konstatiert bereits Toepffer, Johannes: Attische Genealogie. Berlin 1889 (Reprint New York 1973). S. 140. Schwarz, Triptolemos, S. 5. Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 88ff. Friedrich Creuzer verg­lich bereits Demeter und Triptolemos mit Isis und Osiris. Isis fand das Korn und Osiris stellte zur Bodenbearbeitung und Korngewinnung die notwendigen Geräte wie Pflug und Hacke her. Auch bei Creuzer ist Osiris der Stifter wesent­licher Gesetze. Creuzer, Friedrich: Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen. Bd. 1. Leipzig/Darmstadt 1819. S. 256f. Busch identifiziert die im 18. Jahrhundert als Alpha gedeutete Glyphe in der Umgebung des Osiris als Pflug. Vgl. Busch, Gabriel Christoph Benjamin: Handbuch der Erfindungen. Bd. 10. Eisenach 1817. S. 219. Zum Osiriskult vgl. Griffiths, John Gwyn: The Origins of Osiris and his Cult. Studies in the History of Religions (Studies in the History of Religions, Bd. 40). Leiden 1980. S. 1 – 12, 85f und zu seinem Wirken hinsicht­lich der Vegetation und des Wachstums bzw. der Erfindung der Ackergeräte vgl. S. 151ff. Wilkinson, Richard H.: Die Welt der Götter im Alten Ägypten. Glaube – Macht – Mythologie. Stuttgart 2003. Verankert sind diese Funktionen in den Gesetzes-Sammlungen von Uruinimgina bis Hammurabi. Roth, Martha T.: Law Collections from Mesopotamia and Asia Minor (Writings from the Ancient World, Bd. 6). Atlanta 1995. Zum Königtum grundlegend Cancik-Kirschbaum, Eva: „Menschen ohne König …“. Zur Wahrnehmung des Königtums in sumerischen und akkadischen Texten. In: Wilcke, Claus. (Hg.): Das geistige Erfassen der Welt im Alten Orient. Sprache, Religion, Kultur und Gesellschaft. Wiesbaden 2007. S. 167 – 190. Wilcke, Claus: Early Ancient Near Eastern Law. A History of Its Beginnings. The Early Dynastic and Sargonic Periods. Winona Lake 2007. Cancik-Kirschbaum, Menschen ohne König, S. 167f. Der ägyptische König gilt als heiliger Mensch und Vertreter der Götter. Eine ihrer Hauptfunktionen bestand darin, die Beziehungen mit den Göttern zu regeln. Walbank, Frank W.: Könige als Götter. Überlegungen zum Herrscherkult von Alexander bis Augustus. In: Chiron 17 (1987). S. 365 – 382. Hier S. 369. Vgl. zum sakralen Königtum in Ägypten auch Erkens, Franz-Reiner: Herrschersakralität im Mittelalter. Von den Anfängen bis zum Investiturstreit. Stuttgart 2006. S. 36f. Leeuw, Geradus van der: Phänomenologie der Religion. Tübingen ²1956. S. 235f. Laubscher diskutiert die Einordnung zweier Statuetten von Ptolemaios III. Euergetes als Triptolemos in der ehemaligen Sammlung Fouquet in Bonn und führt als Unterstützung zahlreiche Münzen von

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Triptolemos/Osiris ihren Ausgangspunkt in Alexandria nahm. Die Gleichsetzung der historischen mit der mythischen Gestalt erscheint angesichts der weltumspannenden Präsenz in Verbindung mit den Kulturvermittlungsabsichten beider Figuren logisch: Alexander erreichte als König und Feldherr die Grenzen der bekannten Welt ebenso wie der im Auftrag der Göttin Demeter reisende, kornbringende und belehrende Triptolemos.30 Die ptolemäischen Könige bezogen sich in der Regel auf den pflügenden und säenden T ­ riptolemos. ­Laubscher geht davon aus, dass das Bild des Herrschers, der den Acker bestellt, den Untertanen verkünden sollte, der Herrscher bewirke selbst kraft seiner gött­lichen Eigenschaften den Wohlstand des Landes mit guten Ernten.31 Anders urteilt Marianne Bergmann. Sie vertritt die Auffassung, dass die theomorphen Darstellungen Alexanders und späterer ptolemäischer Könige nicht in erster Linie der kultischen Verehrung der Herrscher dienen sollten und auch nicht ihren gött­lichen Charakter inszenierten. Sie sollten parallel zur Dichtung bild­lich beweisen, dass der Herrscher außergewöhn­liche Fähigkeiten und Eigenschaften aufwies, die sonst nur der Gottheit oder den Heroen zukamen. Zudem unterstrichen die gewählten Attribute die Beziehungen zwischen den Königen, den von ihnen Beherrschten und den Göttern.32 Lateinische Quellen thematisieren gleichermaßen wie die griechischen die Sendung des Triptolemos, auf seinem gött­lichen Schlangenwagen unbebauten Boden durch Pflügen und Säen fruchtbar zu machen.33 Ovid schreibt in den Metamorphosen: dona fero Cereris, latos quae sparsa per agros frugiferas messes alimentaque mitia reddant.34 Dabei waren selbst noch in der Spätantike die Nähe des Triptolemos zu Osiris und mög­liche Verwechslungen zwischen beiden bekannt: Vncique pver monstrator aratri alii Triptolemum, alii Osirim volunt: quod munus ei Ceres dedit propter humanitatem patris Icari, qui eam, cum Proserpinam raptam in coniugium a Plutone quaereret, in attica suscepit hospitio.35 Während die Stiftung des Ackerbaus bisher mit der Kompetenz der Gesetzgebung verbunden war, fügten sich mit dem Athener Heroen Echetlaeus als weitere Komponenten

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Ptolemaios V. Epiphanes auf, der sich als Triptolemos abbilden ließ. Darüber hinaus ist eine Kopie eines hellenistischen Mysterienrituals des Triptolemos aus dem 2. Jh. n. Chr. erhalten. Laubscher, Hans Peter: Triptolemos und die Ptolemäer. In: Jahrbuch des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg 6 (1988). S. 11 – 40. Hier S. 12 – 19. Stanwick, Paul Edmund: Portraits of the Ptolemies. Greek Kings as Egyptian Pharaohs. Austin/Texas 2002. S. 42ff. Ebenso Svenson, Dominique: Darstellungen hellenistischer Könige mit Götterattributen (Archäologische Studien, Bd. 10). (Diss.) Frankfurt/M. 1995. Schwarz, Triptolemos, S. 231f. Laubscher, Triptolemos und die Ptolemäer, S. 25. Bergmann, Marianne: Die Strahlen der Herrscher. Theomorphes Herrscherbild und politische Symbolik im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit. Mainz 1998. S. 17ff. Der Schlangenwagen symbolisiert den Erdkreis. Schwarz, Triptolemos, S. 26. Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, V 655f. Schwarz, Triptolemos, S. 21. Maurus Servius Honoratus, Commentarius in Vergilii georgica, I 19. Schwarz, Triptolemos, S. 25.

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die Tapferkeit und die patriotische Verteidigungsbereitschaft mit der Ausübung von Landwirtschaft zusammen. Während des ersten Persischen Krieges erschien nach Pausanias in der Schlacht bei Marathon auf der Seite der Kämpfer Athens ein Unbekannter mit seinem Pflug auf dem Schlachtfeld. Pausanias zufolge nutze er seinen Pflug geschickt als Waffe und verhalf damit den Athenern zum Sieg. Um den Namen des unbekannten Helden zu erfahren, befragten die Sieger anschließend das Orakel. Es übermittelte ihnen Echetlaeus (echetlê – der, der den Pflug handhabt) und gebot ihnen, den Pflügenden zu verehren.36 Mit Echetlaeus erhielt das Ackergerät eine zusätz­liche Funktion als Waffe, die identitätsstiftend und motivierend auf die Athener wirken sollte. Der pflugführende Ackermann übernahm die Funktion eines Kämpfers oder Soldaten im Dienste des athenischen Staates. An Echetlaeus wird ein wichtiger Aspekt der griechischen Heroen deut­ lich: Sie galten als wirkende Macht, die in Notfällen helfend eingreifen und integrativ wirken konnten.37 So mag es nicht zuletzt Echetlaeus’ beherztes Eingreifen gewesen sein, das Aristoteles darin bestärkte, Bauern in seiner Politika für die besten Staatsbürger zu halten und den Ackerbau als eine Lebensform zu loben, die im Einklang mit der Natur stehe, unabhängig vom Wohlwollen anderer sei sowie Tugenden wie Gerechtigkeit, Stärke und Kriegstüchtigkeit befördere. Auch bei Hesiod, Xenophon und in der attischen Komödie wird diese Sicht des Landlebens kommuniziert.38 b. Das Ideal des römischen Bauernkriegers Die ethisch-soziale Verortung der Bauern und der Landwirtschaft findet sich bekanntermaßen auch im antiken Rom. Varro betrachtete sie jedoch in bewusster Abgrenzung zu den Griechen als eine originäre und altrömische Tradition, die eng mit der ursprüng­lichen Lebensweise als colonus verbunden war.39 Diese Vorstellungen flossen 36 Zur Schlacht bei Marathon und Echetlaeus’ Wirken vgl. Mikalson, Jon D.: Herodotus and Religion in The Persian War. Chapel Hill u. a. 2003. S. 33f. Gehrke, Hans-Joachim: Marathon (490 v. Chr.) als Mythos. Von Helden und Barbaren. In: Krumeich, Gerd/Brandt, Susanne (Hg.): Schlachtenmythen. Ereignis – Erzählung – Erinnerung (Europäische Geschichtsdarstellungen, Bd. 2). Köln/Weimar/Wien 2003. S. 19 – 32. Grundsätz­lich vgl. Jameson, The Hero Echetlaeus, S. 51 – 53. ­Vollmer, Wilhelm: Art. „Echetlaeus“. In: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874. S. 180. Pausanias, Beschreibung Griechenlands, I. 32.5. 37 Schon Friedrich Creuzer machte auf die „Nothelferfunktion“ der Heroen aufmerksam. Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, Bd. 3, S. 17. Farnell kategorisierte die griechischen Heroen und wies dabei sieben Typen zu. Einige Heroen können jedoch auch Merkmale verschiedener Kategorien in sich vereinen. Farnell, Lewis Richard: Greek Hero Cults and Ideas of Immortality (The Gifford Lectures, Bd. 1920). Oxford 1921. S. 19 – 24. Wenn die Kategorien auf Triptolemos angewandt werden, dann stimmen die Merkmale „aufgestiegener Mensch“ (Kat. 1), „sakraler Heros“ (Kat. 2, erster Priester oder Verbreitender eines neuen Kultes), „Kulturheros“ (Kat. 4). 38 Diederich, Silke: Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, Bd. 88). Berlin/New York 2007. S. 272. 39 Ibd. S. 349. Zum Verständnis des Bodens und seiner Kultivierung bei den Römern vgl. Winiwarter, Verena: Böden in Agrargesellschaften: Wahrnehmung, Behandlung und Theorie von Cato bis

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in Catos De agri cultura mit ein. Die Landarbeit präge die Bauern zu ehr­lichen, neidlosen Menschen, unter denen die tapfersten Kämpfer rekrutiert werden könnten: At ex agricolis et viri fortissimi et milites strenuissimi gignuntur, maximeque pius quaestus stabilissimusque consequitur minimeque invidiosus, minimeque male cogitantes sunt qui in eo studio occupati sunt.40 Die Landwirtschaft besitze deshalb eine so herausragende Stellung im römischen Wertesystem, weil sie beständig durch die viri fortissimi et milites strenuissimi die äußere Verteidigungsfähigkeit, den sozialen Frieden nach innen (minimeque invidiosus, minimeque male cogitantes) und als pius quaestus die Beziehungen der Menschen zu den Göttern sichere. Landwirtschaft qualifiziere moralisch und fach­lich somit für militärische als auch für zivile Staatsämter. Vergil hatte sogar in seiner Georgica die Ackergeräte als arma bezeichnet.41 Die Fähigkeit, ein Gut zu führen, klug zu wirtschaften, war auch für Cato die Voraussetzung für die Übernahme eines öffent­lichen Amtes.42 Zugleich bildete das Landgut mit seinen Strukturen und Hierarchien für Cato die Keimzelle staat­licher Ordnung.43 Er führte aufgrund seines eigenen Aufstiegs vom Bauernsohn aus Tusculum zum Censor immer wieder den altrömischen Heroen und Bauernkrieger Lucius Quinctius Cincinnatus (519 v. Chr.–430 v. Chr.) als mustergültige Besetzung eines römischen Staatsamtes an. Cincinnatus stellte für Cato und Varro mit seiner einfachen bäuer­lichen und bescheiden-umsichtigen politischen Betätigung das Ideal des mos maiorum dar, das Cato zur Lebensnorm der Senatsaristokratie erhob und Varro wiederzubeleben suchte.44 Nach der Überlieferung von Livius pflügte Cincinnatus gerade sein Feld (seu cum araret), als die Gesandten Roms ihn aufsuchten. Schnell kleidete er sich in der Hütte in sein Gewand und wurde, vollkommen überrascht, von den Gesandten als Diktator beglückwünscht (dictatorem eum legati gratulantes consalutant). Cincinnatus wurde also vom Pflug ins Staatsamt zur Verteidigung der Gesetze der res publica berufen. Tugendsam

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Palladius. In: Sieferle, Rolf-Peter/Breuninger, Helga (Hg.): Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte. Frankfurt 1999. S. 181 – 222. Hier S. 182 – 184. Der Begriff des Colonus wurde von Cicero und Varro für jeden Landwirt vom Gutsbesitzer, Pächter oder Bauern gebraucht. In der Kaiserzeit steht er für den selbst wirtschaftenden Kleinpächter. Vgl. Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Berlin 131923. S. 181 – 202. Marcus Porcius Cato, De agri cultura, Praef. 4. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 276. Publius Vergilius Maro: Georgica, I 160. Vgl. Cramer, Robert: Vergils Weltsicht: Optimismus und Pessimismus in Vergils Georgica (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, Bd. 51). (Diss.) Berlin 1998. S. 25. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 274. Ibd. S. 279. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 281. Zur Selbstidentifikation Catos mit Cincinnatus vgl. Agache, Sylvie: Caton le Censeur, les fortunes d’une legend. In: Caesarodunum 15 (1980). S. 71 – 107. Hier S. 98 – 100; Hampl, Fritz: Römische Politik in republikanischer Zeit und das Problem des „Sittenverfalls“. In: Historische Zeitschrift 188/3 (1959). S. 497 – 525. Hier S. 506ff.

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und loyal sollte er das tyrannische Verhalten des Decemvir Appius Claudius beenden, der sich über die zeit­lich begrenzten Befugnisse des Magistrats hinweggesetzt hatte.45 Die Figur des Cincinnatus aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. gehört in die Geschichte der frühen römischen Republik und erlebte eine Transformation zum Mythos und zu einem der von den Römern selbst am stärksten ausgestalteten exempla maiorum.46 In der umfangreichen und farbenfrohen Konstruktion der Figur des Cincinnatus wirken die bäuer­lichen Tugenden. Diese Tugenden lassen ihn beherzt und ohne zu zögern sein Amt annehmen und antreten, es aber nach der erreichten Wiederherstellung der Ordnung augenblick­lich wieder abgeben. Cincinnatus treibt keine Machtgier, keine private Ambition zur dauerhaften Besetzung des Amtes. Der Wechsel vom Pflug zum Staatsamt geschah selbstverständ­lich und ganz natür­lich zum Wohl der Gemeinschaft und zu ihrem Schutz, ebenso wie der zweimalige Wechsel vom Amt des Diktators zurück zum Pflug. Die moralisch wie fach­lich kongeniale Verknüpfung von Guts- und Staatsführung sowie des Land- und Staatsmannes hatte in Cincinnatus ihre größte Perfektion gefunden.47 45 […] illius Appi progenies, qui decemvir in annum creatus altero anno se ipse creavit, tertio nec ab se, nec ab ullo creates fasces et imperium obtinuit, nec ante continuando abstitit magistrate, quam obruerent eum male parta, male gesta, male retenta imperia […] Hoc quidem iam regno simile est; […].Titus Livius, Ab urbe condita, IX 34. Cincinnatus hatte im Jahr 460 v. Chr. das Amt des Konsuls begleitet, 458 und 439 v. Chr. wurde er jeweils zum Diktator bestellt. Vgl. zu den wenigen gesicherten Daten seines Wirkens Broughton, Robert S.: The Magistrates of the Roman Republic. Bd. 1: 509 B. C.-100 B.C (Philological Monographs, Bd. 15,1). Cleveland/Ohio 1951 (Reprint 1968). S. 37 – 567. Zur Römischen Republik vgl. Alföldi, Andreas: Das frühe Rom und die Latiner. Darmstadt 1977. S. 154ff. Crawford, Michael: The Roman Republic. Cambridge/Mass. 1993. 46 Vgl. dazu Campbell, Joseph: Transformations of Myth Through Time. New York 1990. Insbesondere zur Instrumentalisierung der Cincinnatusfigur vgl. Bessone, Luigi: La fortuna di Cincinnato: eroe misconosciuto o adulterato? In: Acta classica Universitatis scientiarum Debreceniensis 32 (1996). S. 39 – 50. Deut­lich weitreichender und in dieser Untersuchung an anderer Stelle auch noch näher beleuchtet Hillyard, Michael J.: Cincinnatus and the Citizen-Servant Ideal. The Roman Legend’s Life, Times, and Legacy. Washington 2001. S. 71ff. Leider ignoriert Hillyard die gesamte nicht englischsprachige Forschung zu Cincinnatus. Weitgehend gesicherte Daten des historischen Cincinnatus sind in einer sehr guten und kurzen Übersicht als Auftakt des Bandes zusammengestellt. 47 Die altrömische Geschichte kennt mit C. Atilius Regulus jedoch einen weiteren Landmann, der vom Pflug weg ein zweites Mal zum Konsul bestellt wurde und im Ersten Punischen Krieg den Oberbefehl über die Truppen gegen Karthago erhielt, jedoch um Ablösung bat, damit seine ­Familie nicht hungere. Rom finanzierte ihm auf Staatskosten die Bestellung seines heimischen Ackers, da Regulus die Interessen der Gemeinschaft über seine privaten Interessen gestellt hatte. Regulus wurde zum Exempel bäuer­licher Bescheidenheit und militärischer Tapferkeit stilisiert. Hampl, Franz: ­Römische Politik in republikanischer Zeit und das Problem des Sittenverfalls. In: Histo­rische Zeitschrift 188 (1959). S. 497 – 525. Hier S. 512. Bleckmann, Bruno: Die römische Nobilität im Ersten Punischen Krieg: Untersuchungen zur aristokratischen Konkurrenz in der Republik (Klio. Beihefte, N. F., Bd. 5). Berlin 2002. S. 163 – 167. Den Einsatz des Konsuls Titus Quinctius Flaminius

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Dennoch handelt es sich nicht ausschließ­lich um ein römisch-republikanisches Ideal. Auch die Berufung von Königen war zuweilen eng mit einem Vorleben des Erwählten als Bauer oder Gärtner verbunden. Ein hellenistisches monarchisches Gegenstück zu Cincinnatus findet sich im tugendsamen Abdalonymos von Sidon (in einigen Überlieferungen von Tyros), den Alexander der Große aus dem Garten holen und auf den Thron heben ließ: Atque illi, cum multis imminere tantae spei cernerent, singulis amicorum Alexandri iam ob nimiam regni cupiditatemadulantis, statuunt neminem esse potiorem quam Abdalonymum quendam, longa quidem cognatione stirpi regiae adnexum, sed ob inopiam suburbanum hortum exigua colentem stipe.48 In gleichem Maße einstimmig setzten die antiken griechischen und römischen Agrargesellschaften die Kenntnis und Fähigkeit zur praktischen länd­lichen Arbeit in enge Beziehung zur Fähigkeit, ein Staats­ amt tugendsam auszuüben. Auch während der Amtsführung war eine eingeschränkte landwirtschaft­liche Betätigung für den republikanischen Amtsträger zu seiner eigenen Versorgung grundsätz­lich notwendig 49 und für die Gemeinschaft sinnvoll. Aus eben diesen Gründen war sie auch für jeden Monarchen erwünscht. Das rechte Maß sollte dabei allerdings nicht überschritten werden.50 c. Ceres und Triptolemos in republikanischen und imperialen Kulten Roms Positiv beurteilt Varro deshalb den alten ackerbaustiftenden König Triptolemos im Kontext des Cereskultes. Da die Erde, als Göttin Ceres verehrt, die Menschen mit ihren Früchten ernährte, galt das Bebauen der Erde als nütz­lich und zugleich als Dienst an

für die Veteranen der römischen Armeen nach dem macedonischen Krieg und die Bedeutung für die Besiedelung hebt Helmut Wild hervor. Flaminius eigene erfolgreiche agrarische Tätigkeit war einer der wesent­lichen Gründe für die Wahl ins Amt des Konsul. Wild, Helmut: Die agrarische Tätigkeit des Titus Quinctius Flaminius und seine Wahl zum Konsul 198. In: Schubert, Charlotte/ Brodersen, Kai (Hg.): Rom und der griechische Osten. Festschrift für Hatto H. Schmitt zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1995. S. 297 – 311. Hier S. 310. 48 Q. Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis, IV 1,1. Vgl. dazu Borzsák, István: Das „Vorleben“ des Cincinnatus. In: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 40 (2000), S. 45 – 50. Hier S. 47. Borzsák nennt weitere so genannte Gärtnerkönige aus dem assyrischen und babylonischen Mythenkreis, die als Gärtner erzogen, von der Göttin Ischtar auf den Thron gesetzt wurden. S. 48. 49 Landbesitz und Landbau stellten für die römischen Senatoren nach der Lex Claudia de quaestu die einzige legitime Einnahmequelle dar. Vgl. dazu Baltrusch, Ernst: Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit (Vestigia, Bd. 41). (Diss.) Göttingen 1989. S. 30 – 34. 50 Ambivalent wurde deshalb von den Römern die landwirtschaft­liche Betätigung König Attalos III. von Pergamon diskutiert. Varro führte ihn neben König Hieron II. von Syrakus sowie Philosophen und Dichtern in der Vorrede zu seinem Werk De re rustica als Kapazität und wichtigen Autor zur Landwirtschaft auf. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 25f. Marcus Terentius Varro, De re rustica, I 1,8. Reuter, Peter: Art. „Attalos“. In: Lexikon der Antike. Leipzig 101990. S. 71.

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der Göttin.51 Die Gaben des Korns und den Kult verdankten die Menschen der ­Göttin Ceres als so genannter Magna oder Terra Mater und ihrem Boten Triptolemos. Der Cereskult mit der Verehrung des Triptolemos gehörte während der Republik (insbesondere als eine Gottheit der plebs urbana) ebenso wie in der Kaiserzeit zum römischen Staatskult.52 Auch Tibull verweist darauf, dass der Ackerbau den Menschen von den Göttern gelehrt wurde. Ebenso sieht Vergil den Landbau als gottgewollt an.53 Die griechischen Agrarheroen wie Triptolemos behielten deshalb in römischen Tempeln und Gartenanlagen ihre Bedeutung. So lobte Plinius der Ältere beispielsweise die Statuen der Flora, des Triptolemos und der Ceres in Rom von der Hand des Praxiteles.54 In den Agrarhandbüchern gelehrter Praktiker wie Cato oder Varro fand Triptolemos 51 Grundsätz­lich zur Verehrung der Ceres in Rom Le Bonniec, Henri: Le culte de Cérès a Rome. Des origines à la fin de la République. (Diss.) Paris 1958. S. 52ff. Plinius und später Columella betonten immer wieder die Empfängnisbereitschaft oder den Hunger der Erde nach Korn. Der Ackerboden wurde somit als belebt gedachte Natur, als Mutter der Pflanzen verstanden. Winiwarter, Böden in Agrargesellschaften, S. 211f. 52 Spaeth, Barbette Stanley: The Roman Goddess Ceres. (Diss.) Austin/Texas 1996. S. 12ff. Abb. 15 zeigt eine Gemme mit Ceres und Triptolemos; zahlreiche lateinische Textstellen zum römischen Cereskult S. 36 – 40. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 350. 53 Zu Tibull vgl. Reischl, Bernhard: Reflexe griechischer Kulturentstehungslehren bei augusteischen Dichtern. (Diss.) München 1976. S. 22 – 25 und S. 143 – 146. Diederich führt weiterhin den Zenonschüler Arat an, der den Landbau der Stiftung Dikes zuordnete. Diederich, Römische Agrarhand­ bücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie. S. 351. Publius Vergilius Maro, Georgica, I 121ff. 54 Romae Praxitelis opera sunt Flora, Triptolemus, Ceres in hortis Servilianis, Boni Eventus et Bonae Fortunae simulacra in Capitolio […]. Plinius d. Ältere, Naturalis Historia XXXVI 4,23. Zu den griechischen Gottheiten und Heroen, die in Rom unter ihren griechischen Namen verehrt wurden vgl. Radke, Gerhard: Beobachtungen zu einigen der ältesten in Rom verehrten Gottheiten. In: Rheinisches Museum für Philologie N. F. 135 (1992). S. 268 – 282. Hier S. 279. Cicero führte in seiner Rede gegen Verres den Ceres-Tempel von Henna auf Sizilien auf, vor dem offensicht­lich eine Triptolemos-Statue stand: Vetus est haec opinio, iudices, quae constat ex antiquissimis Graecorum litteris ac monumentis, insulam Siciliam totam esse Cereri et Liberae consecratam. […] Ante aedem Cereris in aperto ac propatulo loco signa duo sunt, Cereris unum, alterum Triptolemi, pulcherrima ac perampla. Pulchritudo periculo, amplitudo saluti fuit, quod eorum demolitio atque asportatio perdifficilis videbatur. Marcus Tullius Cicero, In C. Verrem II 4, 106 und 110. Die Statue der Ceres in ihrem römischen Heiligtum war von zwölf männ­lichen Skulpturen umgeben, die als Personifikationen einzelner landwirtschaft­lichen Arbeitsschritte bei Kulthandlungen angerufen wurden. Der Vervactor stand für das erste Beackern des vervactum, des brachliegenden Feldes, der Reparator für die zweimalige Durchpflügung des Feldes, der Inporcitor für endgültige Pflügung, bei der die Furchen gezogen wurden, der Insitor galt als Personifikation der Einsaat, der Obarator stand für die Überpflügung nach der Aussaat, der Occator für das Eggen, der Saritor für das Unkrautjäten, Subrunc(in)ator für das Eliminieren des Unkrauts, der Messor als Schnitter, Convector als Einfahrer und der Conditor für die Speicherung des Getreides, der Promitor für die Ausgabe. Die Bezeichnungen sind teilweise mit älteren Göttern des Ackerbaus identisch. Zum Cerestempel in Rom vgl. noch immer grundlegend Le Bonniec, Le culte de Cérès à Rome, S. 254 – 276.

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immer wieder Erwähnung. Gerade Varro beschäftigte sich mit Mythen und zyklischen Geschichtsmodellen, die Augustus’ Vorhaben der Erneuerung Roms und der Etablierung einer neuen Herrscherideologie unterstützten. So würdigte Varro in seinem Werk De Gente Populi Romani ausführ­lich die Leistungen der uralten ackerbaustiftenden Heroen.55 In diese Tradition stellte sich bewusst Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.), der den Tempel der Ceres in Rom restaurieren und sich selbst in einigen Büsten mit der corona spicea der Ceres darstellen ließ. Es ging Augustus darum, eine sichtbare Verbindung zwischen Plebs und Princeps zu schaffen, eine Kontinuität zu den republikanischen plebeiischen Kulten zu stiften und sich analog zum Wirken der Göttin als Schützerin der Landwirtschaft selbst zum Protektor der Ernährung und des Wohls aller Menschen seines Imperiums zu stilisieren.56 Da Ceres gleichermaßen die landwirtschaft­liche wie mensch­liche Fruchtbarkeit verkörperte, bedeutete die Gleichsetzung des Kaisers und seiner Nachfolger mit der Göttin, dass er die Fruchtbarkeit für das Imperium sicherstellte und die Versorgung aller Bewohner mit Getreide gewährleistete.57 Die in den letzten Jahren der Republik propagandistisch genutzten, kostenfreien Getreidezuweisungen wurden zunächst als Reaktionen auf den akuten Versorgungsmangel im Jahr 22 v. Chr. vom Princeps fortgesetzt und neben anderen politischen Bereichen nach der generellen Ablehnung der Diktatur monopolisiert. Auf diese Weise übernahm er die cura annonae, die Aufsicht über die Getreidebeschaffung bzw. den Ertrag des Jahres. Diese Versorgungsaufgabe institutionalisierte er und unterstellte sie einem praefectus annonae. Die Getreidespenden beendeten die Hungersnöte innerhalb kürzester Zeit. Sie wurden aber für eine Gruppe römischer Bürger, die plebs frumentaria, lange darüber

55 Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie. S. 90. 56 Zur Anlehnung der Kaiser an die republikanischen Traditionen vgl. Felmy, Andreas: Die Römische Republik im Geschichtsbild der Spätantike. Zum Umgang lateinischer Autoren des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. mit den exempla maiorum. (Diss.) Berlin 1999. S. 64ff. 57 “[…] the princeps implied that he could assure the supply of grain for the people of the Empire.” Zu den Gründen der Identifikation der Kaiser mit Ceres vgl. Spaeth, The Roman Goddess Ceres, S. 121. Möller, Klaus: Götterattribute in ihrer Anwendung auf Augustus. Eine Studie über die indirekte Erhöhung des ersten Princeps in der Dichtung seiner Zeit (Wissenschaft­liche Schriften im Wissenschaft­lichen Verlag Dr. Schulz-Kirchner, Reihe 9, Geschichtswissenschaft­liche Beiträge, Bd. 101). (Diss.) Idstein 1985. Zu den Kulten bei Augustus als Staatsgott sowie zur Definition der Gött­lichkeit vgl. Clauss, Manfred: Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich. Stuttgart 1999. S. 13ff und S. 36ff. Holland, Richard: Augustus. Godfather Of Europe. Stroud 2004. S. 268ff. Vgl. auch die Marmorbüste Kaiser Augustus’ in den Vatikanischen Museen Rom, Inv. Nr. 715. Abbildung in Spaeth, The Roman Goddess Ceres, Abb. 9. Eine Münze zeigt auf der Vorderseite Augustus und auf der Rückseite die gekrönte Ceres mit Zepter. Ibd. Abb. 40a und 40b. Zu Ehren Caesars war ein Dinar geprägt worden, auf dessen Vorderseite Ceres mit der corona spicea zu sehen ist. Ibd. Abb. 6a. Grundsätz­lich auch Clauss, Manfred: Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich. Stuttgart/Leipzig 1999. Zu Gött­lichkeit kurz Levick, Barbara: Augustus. Image and Substance. London 2010. S. 202ff.

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hinaus beibehalten.58 Da sich diese Gruppe an die Gaben gewöhnte, initiierte Augustus damit eine neue Bindung zwischen Princeps und Volk: Er schuf durch seine Gaben die sichtbare Beziehung zwischen dem Princeps als Spender und Wohltäter gegenüber dem Volk als dankbarem Empfänger. Andreas Alföldi verweist darauf, dass der Ährenkranz auf den Büsten und Statuen der Kaiser nicht zwangsläufig als Hinweis auf Ceres gewertet werden muss, sondern auch auf Triptolemos verweisen kann, von dem Darstellungen mit einem solchen Kopfschmuck nachgewiesen sind.59 Die bild­liche Gleichsetzung mit Ceres und/oder Triptolemos stellte eine klare Anlehnung an die Tradition der Bildsprache hellenistischer Könige dar,60 die insbesondere im Machtkampf zwischen Octavian/Augustus und Marcus Antonius (82? v. Chr.–30 v. Chr.) erneut an Aktualität gewann. Friederike Herklotz verweist beispielsweise auf den Triptolemos der so genannten Tazza Farnese, einer ptolemäischen Gemme: Hinter der Skulptur der Isis/Demeter, die als Königin Kleopatra VII. iden­tifiziert wurde, steht Triptolemos/Osiris in jugend­licher Gestalt mit trotzig zurück­geworfenem Kopf. Über seinem linken Arm hält er einen Sack mit Saatgut, die Hand hält die Pflugschar, während die rechte Hand sich auf die Deichsel des Pfluges stützt. Sein Kopf bzw. Blick ist in der Tradition Alexanders nach oben gerichtet. Triptolemos ist jedoch ohne Diadem und Zepter dargestellt und wird deshalb in der Forschung recht übereinstimmend nicht für Alexander oder einen ptolemäischen

58 Sattler, Peter: Augustus und der Senat. Untersuchungen zur römischen Innenpolitik zwischen 30 und 17 v. Chr. (Diss.) Göttingen 1960. S. 73ff. und S. 87ff. Kienast, Dietmar: Augustus. Prinzeps und Monarch. Darmstadt ²1992. S. 109f. Höbenreich, Evelyn: Annona. Juristische Aspekte der stadtrömischen Lebensmittelversorgung im Prinzipat (Grazer rechts- und staatswissenschaft­liche Studien, Bd. 55). (Habil.) Graz 1997. Pavis D’Escurac, Henriette: La préfecture de l’annone service administratif imperial d’Auguste à Constantin. Rome 1976. Gleiches gilt auch für Augustus’ Oberaufsicht über die Wasserversorgung, die er seinem Freund Agrippa übertrug. Ibd. S. 111 – 114. Augustus sah Ägypten als Kornkammer Roms und besonderes Einflussgebiet des Princeps an. Ibd. S. 379. Zum Ende der Spätantike übernahmen die Päpste Wirkungsbereiche der Kaiser und damit auch die Gewährleistung der Nahrung. Zur Getreideversorgung Roms bis zur Frühen Neuzeit vgl. Revel, Jacques: Le grain de Rome et la crise de l’annone dans la seconde moitié du XVIIIe siècle, in: Mélanges de l’école française de Rome 84 (1972), S. 201 – 281. Hier S. 204 – 208. Reinhardt, Volker: Brotpreis und Papstfinanz. Annona und Getreideversorgung in Rom während der Krise 1647 – 49. In: Freiburger Universitätsblätter 26, 96 (Mai 1987). S. 41 – 59. Hier S. 46 – 50. Reinhardt, Volker: Überleben in der frühneuzeit­lichen Stadt. Annona und Getreideversorgung in Rom 1563 – 1797 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Bd. 72). Tübingen 1991. Für die Literaturhinweise danke ich meinem Mitarbeiter Michael Roth. 59 Alföldi, Andreas: Redeunt Saturnia Regna VII: Frugifer-Triptolemos im ptolemäisch-römischen Herrscherkult. In: Chiron 9 (1979). S. 553 – 606. Hier S. 578. 60 Kühnen, Angela: Die imitatio Alexandri in der römischen Politik (1. Jh. v. Chr. bis 3. Jh. n. Chr.). (Diss.) Münster 2008. S. 176 – 186, S. 192. Weippert, Otto: Alexander-imitatio und römische Politik in republikanischer Zeit. (Diss.) Würzburg/Augsburg 1972. Walbank, Könige als Götter. Gute Beispiele zur Darstellung hellenistischer Könige als Triptolemos oder ohne nähere Zuweisung mit Ähren bietet Svenson, Darstellungen hellenistischer Könige mit Götterattributen, S. 52 und S. 77.

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König, sondern für Marcus Antonius in der Rolle des Wohltäters und Gönners Ägyptens gehalten. Mit dem Saatgut und dem Pflug des Triptolemos verhieß der Römer für die Ägypter und das gesamte Römische Reich eine Zeit des Wohlstandes und der Zufriedenheit.61 Eine ähn­liche Szene mit gleicher Aussage findet sich auf dem Silberteller von Aquileia im Kunsthistorischen Museum Wien, auf dem ebenfalls Triptolemos als Marcus Antonius erkannt worden ist.62 Mit Triptolemos/Horus als dem Ernährer und Schützer des Nilreiches setzten die Ägypter danach auch Augustus gleich.63 Diese Imitatio Alexandri in der Funktion und Darstellung als Triptolemos wurde unter den nachfolgenden Kaisern auch außerhalb Ägyptens fortgesetzt. Parallel zu Augustus wurden seine Gemahlin Livia Drusila (59? v. Chr.–29 n. Chr.), aber auch die Gattinnen späterer Kaiser in Statuen und auf Münzen mit Ährenkrone, einem Ährenbündel in der Hand und/oder einem Füllhorn als lebensspendende Korngottheit Ceres verherr­licht.64 Livia begründete damit eine lange Tradition kaiser­licher Ehefrauen, sich in der Rolle als Mutter der Dynastie (Mater familias), als Mater Augusti und zugleich fruchtspendende Mater Patriae oder „neue Ceres“ bzw. als Personifikation der Pax verehren zu lassen. Gerade die neue Blüte der römischen Landwirtschaft wurde in der antiken Literatur ursäch­lich auf die Pax Augusta zurückgeführt. Zahlreiche Veteranen kultivierten neues Land und unter dem Schutz des Princeps sollten die Bauern ihrem Beruf ungestört nachgehen können.65 Die kaiser­lich-römische Imitatio Alexandri in der Rolle des Triptolemos übernahm direkt Formen ptolemäischer Herrscherallegorien. Kameen in der Bibliothèque nationale de France sowie in St. Petersburg zeigen beispielsweise Kaiser Claudius

61 Es handelt sich um eine Kamee, die im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel unter der Signatur Inv. 27611 aufbewahrt wird. Die exakte Beschreibung mit weiterführender Literatur findet sich bei Schwarz, Triptolemos, S. 169f. Herklotz, Friederike: Prinzeps und Pharao: Der Kult des Augustus in Ägypten (Oikumene, Bd. 4). (Diss.) Frankfurt/M. 2007. S. 98ff. Eine andere Theorie identifiziert den Präfekten C. Cornelius Gallus als Triptolemos, der Herklotz jedoch nur bedingt folgt. Sie betont vielmehr die enge Anlehnung von Marcus Antonius an Alexander und an Triptolemos. Zu weiteren Darstellungen Alexanders als Triptolemos vgl. ibd. S. 99 – 102 und S. 240. Laubscher, Triptolemos und die Ptolemäer, S. 26 – 30. Vgl. auch Alföldi, Redeunt Saturnia Regna. 62 Laubscher, Triptolemos und die Ptolemäer, S. 30f. 63 Herklotz, Prinzeps und Pharao, S. 131f. 64 Eine Gemme zeigt sie mit der Ährenkrone der Ceres im Museo Archeologico in Florenz. Die Abbildung findet sich bei Spaeth, The Roman Goddess Ceres, Abb. 10. Grundsätz­lich dazu Livia Perkounig, Claudia-Martina: Livia Drusilla – Iulia Augusta. Das politische Porträt der ersten Kaiserin Roms. (Diss.) Köln/Weimar/Wien 1995. Winkes, Rolf: Livia, Octavia, Iulia. Porträts und Darstellungen (Archaeologia Transatlantica, Bd. 13). Providence/Louvain-la-Neuve 1995. Temporini, Hildegard: Die Frauen am Hofe Trajans. Ein Beitrag zur Stellung der Augustae im Principat. (Diss.) Berlin/ New York 1978. S. 61 – 66. Fears, J. Rufus: The Cult of Virtues and Roman Imperial Ideology. In: Temporini, Hildegard/Haase, Wolfgang (Hg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. II. Teil, Bd. 17. Berlin 1981. S. 827 – 948. Hier S. 894f. Kienast, Augustus, S. 124f. 65 Kienast, Augustus, S. 379f.

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(10 v. Chr.–54 n. Chr.) und Messalina (20 v. Chr.–48 n. Chr.) oder Agrippina (14 v. Chr.–33 n. Chr.) als Triptolemos und Ceres. Claudius hatte nach Sueton versucht, die eleusischen Mysterien in Rom zu etablieren: Sacra Eleusinia etiam transferre ex Attica Romam conatus est. Er hegte großen Respekt für die Mysterien und zielte darauf, die persön­liche unio mystica mit Ceres als neuer Triptolemos zu verkörpern.66 Auch ­Claudius’ innenpolitische Maßnahmen zur Getreideversorgung in Rom als Reaktionen auf eine Hungersnot zu Beginn seiner Herrschaft sowie das 800-jährige Jubiläum der Stadt Rom im Jahr 47 n. Chr. ließen die Darstellung als Neos Triptolemos, als Kornspender und Ernährer der Römer logisch und gerechtfertigt erscheinen. Vieles spricht dafür, dass sich Claudius mit seiner Selbststilisierung als Ackerbauheros an seinem Großvater Marcus Antonius orientierte, die Versinnbild­lichung seiner Gemahlinnen als Ceres folgte dem Vorbild von Claudius Großmutter Livia Drusila.67 Antoninus Pius und seine Gattin Faustina folgten gleichfalls der Tradition der gemeinsamen Darstellung als Triptolemos und Ceres. Der Kaiser hatte sogar die eleusischen Weihen empfangen und pflegte gute Kontakte zur Priesterschaft. Alföldi und Laubscher bringen die Tatsache der starken Identifikation Antoninus Pius’ mit Triptolemos mit der langen Friedensperiode seiner Regierungszeit sowie der 900-Jahrfeier der Gründung Roms 147 n. Chr. in Verbindung.68 Die Identifikation mit dem Ackerbauheros implizierte jedoch nicht, dass der ­Princeps selbst während der Kulte Hand an ein Ackergerät legte und ein Stück des Bodens zur Hebung der Fruchtbarkeit oder zum Vorbild der Landleute bestellte. Er folgte somit den Heroen, welche die körper­lich schweren Arbeiten des Pflügens oder Säens ausgeübt hatten, nicht unmittelbar, sondern nur symbolisch: Vergil berichtete beispielsweise über die Gründung der Stadt Segesta als Kolonie der Trojaner, dass Aeneas eigenhändig mit dem Pflug den sulcus primigenius, die erste Furche und damit die Abgrenzung des Geländes gezogen hatte: intera Aeneas urbem designat aratro sortiturque domos; hoc Ilium et haec Troiam esse iubet.69 Das Ziehen der Furche wurde als ritueller Gründungsakt

66 Gaius Suetonius Tranquillus, Divus Claudius, 25,5. Ähn­liches ist auch von Hadrian überliefert. Alföldi, Redeunt Saturnia Regna, S. 585. 67 Laubscher, Triptolemos und die Ptolemäer, S. 32. 68 Laubscher, Triptolemos und die Ptolemäer, S. 33. Alföldi, Redeunt Saturnia Regna, S. 584 und 587. Antoninus Pius hatte sich auch mit der corona spicea der Ceres bzw. des Triptolemos darstellen lassen. Paris Louvre. Abb. 71, 3 und 4 bei Alföldi, Andreas: Redeunt Saturnia Regna. Hg. v. Elisabeth Alföldi-Rosenbaum (Antiquitas, Reihe 3, Bd. 3). Bonn 1997. Von Marc Aurel (121 – 180) findet sich in London im British Museum eine Büste mit dem gleichen Kopfschmuck. Abb. 71,2 ibd. Ebenso von Lucius Verus Abb. 72, 1 und 2 ibd. Es ist bekannt, dass sich auch Kaiser Caracalla (188 – 217) in der Imitatio Alexandri als Triptolemos darstellen und feiern ließ. Die Getreidespenden des Kaisers und seine kultische Überhöhung schlug sich im Roman Historia Apollinii Tyri Regis nieder. Vgl. Ziegler, Ruprecht: Die „Historia Apollinii Tyri Regis“ und der Kaiserkult in Tarsos. In: Chiron 14 (1984). S. 219 – 234. Hier S. 224f und S. 234. 69 Publius Vergilius Maro, Aeneis, V 755 – 757.

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der Kolonie verstanden. Mit dem Bau einer Kolonie wurde zugleich aber auch das Land urbar gemacht und bewirtschaftet. Der Gründungsakt beinhaltete somit zwei zivilisatorische Komponenten: Abgrenzung von der Wildnis in einen Wohn- und landwirtschaft­lichen Ernährungsbereich. Augustus zog die Furchen bei der Gründung von Kolonien allerdings nicht selbst. Er ließ stattdessen Münzen prägen, die auf der Vorderseite einen Pflug mit der Umschrift der jeweiligen Kolonie, etwa COL[onia] PHIL [ippensis], und auf der Rückseite zwei Rundaltäre zeigten, die mit VIC [toria] AUG[usta] umschrieben waren.70 Die Münze der Colonia Philippensis unterstrich mit der Darstellung des Pfluges symbolisch den Vorgang des eigenhändigen urvare durch Augustus als Gründer im Einklang mit den Göttern. Zugleich setzte er mit der Darstellung auch die republikanische Tradition der sulcus primigenius ungebrochen fort, nunmehr aber mit der Verherr­lichung seiner Wohltat als Gründer. Das Symbol des Pfluges war im Kontext der Neugründung einer Stadt oder Kolonie mit der rituellen Handlung verknüpft, inhalt­lich besetzt und allgemein bekannt. Auf diese Weise konnte das Symbol als Stellvertreter der Handlung mit der gleichen Rechtskraft ausgestattet wirken. Gleiches gilt somit auch für die anderen, von Heroen und Göttern entlehnten ackerbau­lichen Attribute, mit welchen sich die Imperatoren darstellen ließen. Der Nahrung und Segen spendende Heros Triptolemos bot den Römern die Gewissheit des Wohlstandes in der Verankerung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gerade in der Rolle, die Triptolemos bei den Gründungsjubiläen der Stadt Rom spielte, zeigt sich die oben bereits geäußerte Verbindung von Ackerbau und Ursprungsgedanken, von grundlegender Kulturstiftung und Stadtgründung aus der Retrospektive. Die Identifikation der kaiser­lichen Familien mit Ceres und/oder Triptolemos sowie ihre Rolle im Cereskult findet ihre theoretische Verankerung auch in Varros De re rustica.71 Varro war es ein Bedürfnis, die Kontinuität zu den Ahnen Roms und ihrem religiös-philosophischen Gesellschaftsverständnis herzustellen. Dies bedingte, die Landwirtschaft über die materielle Existenzgrundlage hinaus als gött­lich gestiftetes Lebens­ideal zu betrachten und zu propagieren. Gerade die landwirtschaft­lichen Kulte und die landwirtschaft­liche Betätigung wurden deshalb von Cato, Varro, Vergil und Columella als Mittel der Disziplinierung und der sozialen und politischen Selbstvergewisserung propagiert.72 Diese soziale und politische Selbstvergewisserung betraf auch die Herrscher, denn in den Ursprungsmythen und Heroenkulten waren es die Könige,

70 Bormann, Lukas: Philippi. Stadt und Christengemeinde zur Zeit des Paulus (Novum Testamentum. Supplements, Bd. 78). (Diss.) Leiden 1995. S. 31 – 34. Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 105ff. 71 Die Forschung diskutiert bis heute, ob die monarchiefreund­lichen Passagen Varros zielgerichtet geschrieben wurden oder nicht. Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie. S. 98f und S. 345ff. 72 Vgl. zur Definition der Gattung antiker Agrarhandbücher Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 408.

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denen der Ackerbau offenbart worden war und die als Vermittler zu den Göttern auftreten konnten. Gefördert wurde dieses Verständnis durch den hellenistisch beeinflussten Glauben an den Princeps als Werkzeug der Götter. Aus dieser Beziehung resultierte die einzigartige fortuna, das Glück der Herrschenden.73 Die Glücksträgerschaft zeigte sich in erfolgreichem Handeln und wurde von den römischen Imperatoren beansprucht. Dies implizierte aber auch, dass von Herrschenden und Politikern agrarisches Wissen verlangt wurde. In diesem Kontext avancierte die Landwirtschaft zum Instrument kaiser­licher Selbstvergewisserung und zum Wegbereiter eines imperialen Herrscherverständnisses, das es Augustus und seinen Nachfolgern ermög­lichte, sich als segenspendender Ernährer des Reiches, als Friedensbringer und Vater aller Schutzbefohlenen, Ordnungsstifter und religiöser Erneuerer in die Tradition der kulturstiftenden und zwischen Göttern und Menschen vermittelnden Heroen und Könige der Vorzeit einzuordnen bzw. in Anlehnung an sie das Goldene Zeitalter wiederherzustellen. Unter seinen Nachfolgern etablierte sich diese gött­lich-imperiale Partnerschaft mit Ceres und ihrem heroischen Helfer.74 Wenn auch nach Frank Walbank der Heroenkult nicht die Hauptquelle der hellenistischen und römischen Herrscherkulte darstellt,75 war sein Einfluss auf die dynastischen, von den Monarchen selbst initiierten und eingeführten Kulte extrem hoch. Heroenkulte wie der des Triptolemos erweiterten ihren Status vom republikanischen zum dynastisch-imperialen Staatskult. Sie blieben damit immer ein wichtiger Teil des allgemeinen religiösen Kontextes und avancierten daneben zur herrschaftslegitimierenden Traditionslinie der regierenden Familien, die sich bewusst mit den kultur- und stadtstiftenden Gründungsmythen durch die Aneignung von Symbolen und entsprechenden Handlungen – wie dem Ziehen der ersten Furche mit dem Pflug bei der Gründung einer römischen Kolonie – verband.76 Die Ackerbau-Mythen stärkten das Selbstverständnis der Herrschenden dadurch, dass diese wie die mythischen Helden 73 Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 17. 74 Diederich, Römische Agrarhandbücher zwischen Fachwissenschaft, Literatur und Ideologie, S. 350. So argumentiert auch Herklotz für Caesar und Augustus. Herklotz, Prinzeps und Pharao, S. 54. Strothmann, Meret: Augustus-Vater der res publica: Zur Funktion der drei Begriffe restitutio – ­saeculum – pater patriae im augusteischen Prinzipat. (Diss.) Stuttgart 2000. S. 75ff. 75 Walbank, Könige als Götter, S. 371. Zum Begriff des Herrscherkultes vgl. ibd. S. 366. Die Könige bzw. Herrscher spielten über die Stilisierung auch eine wichtige Rolle in der antiken Erfahrungsreligion. Falter, Reinhard: Natur als Landschaft und als Gott. Fluss- und Berggötter in der Spätantike. In: Sieferle, Rolf-Peter/Breuninger, Helga (Hg.): Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte. Frankfurt 1999. S. 137 – 179. Hier S. 140ff. 76 Im Kontext der republikanischen und imperialen Staatskulte nahm der Pflug eine wichtige Stellung ein. Mit ihm wurde, wie oben bereits besprochen, bei der Gründung einer neuen römischen Kolonie der sulcus primigenius, die erste Furche zur Abgrenzung des Geländes bei der Verteilung der Flächen an die Kolonisten gezogen. Die aus der ersten Furche entstehende Mauer sollte künftig das Böse der neuen Kolonie abwehren. Aus dem Ziehen der ersten Furche erwuchsen Besitz und Recht. Als dessen Hüter fungierte der Princeps. Er setzte sich somit exakt in die Funktion und Tradition der Gründungsheroen.

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handelten und sich anschließend selbst als Heroen stilisierten.77 Rückwirkend bewies die Identifikation der Imperatoren mit den Heroen oder Göttern auch deren Gunst, die auch den Untertanen Wohlergehen verhieß.78 Es zeigt sich, dass die Grenzen ­zwischen der Welt der Götter und Menschen oft verschwamm bzw. durchlässig war. So ist die gesamte Antike von Denk- und Handlungskategorien geprägt, die insbesondere den Staat als eine politische Kultgemeinschaft verstand und den Herrscher zwischen beiden Polen verankerte. Diese Doppelrolle bedingte auch die heilbringende und wohltätig wirkende Kraft der Herrscher. Diese Kraft oder Fähigkeit implizierte wiederum rückwirkend auch die Pf­licht zur Versorgung der ihm anvertrauten Untertanen gegenüber den Göttern und Heroen durch die Einhaltung der Kulte ebenso wie durch gesetzgeberische oder die Ernährung organisierende Tätigkeit. Vernachlässigten die Herrscher die Pf­lichten, konnte das unmittelbare Auswirkungen auf die Erträge des Bodens und somit auf den Wohlstand der gesamten Gesellschaft haben. Columella hatte die Römer in seinem Werk De re rustica gewarnt, dass die Abnahme der Bodenerträge weniger auf die Ungunst des Klimas als auf mensch­liches Versagen zurückginge, wenn sich der Kunst des Ackerbaus nicht mehr die besten Männer des Staates, sondern nur noch die miserabelsten Sklaven und Henker widmeten.79

2.1.3 Ackerbau und könig­liche Herrschaft in der Verschmelzung germanischer und antik-christ­licher Tradition im Mittelalter

Auch germanischen, angelsächsischen, skandinavischen und merowingischen Königen kam in der Spätantike und im Mittelalter bei der Versorgung ihrer Untertanen mit Nahrungsmitteln ein breites Spektrum an Pf­lichten zu. Die erste Verpf­lichtung bestand in der aktiven und gestaltenden Rolle bei Kulthandlungen zugunsten guter Ernten. Der spätantike Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus machte im 4. Jahrhundert in seinen Res gestae auf einen wichtigen Zusammenhang zwischen Königtum und Erntesegen aufmerksam: Er berichtete über die Burgunder, dass ihr König nach altem Brauch 77 Zur Abgrenzung von Gruppen durch Gythen vgl. Gehrke, Mythos, Geschichte, Politik, S. 245. 78 Vgl. auch Walbank, Könige als Götter, S. 41, S. 49f. Hands, Arthur R.: Charities and Social Aid in Greece and Rome (Aspects of Greek and Roman Life). Ithaca 1968. S. 26ff. 79 Lucius Iunius Moderatus Columella, De re rustica, I Praef. 1 – 3. Dem Boden und seiner Bearbeitung widmet Columella das gesamte zweite Buch seines Werkes. Der Aufruf Columellas zeigt ebenso wie bereits Varro, dass der Landarbeit keine ausschließ­lich positive gesellschaft­liche Einschätzung zuteil wurde. Eine zunehmende römische Elite wandte sich vom Landleben ab und verachtete die Landarbeit als schmutzig. Je mehr sie von Sklaven ausgeübt wurde, und die kleineren Güter mit Selbstwirtschaft zugunsten großer und vor allem verstreuter Güterkomplexe aufgegeben wurden, je mehr die Leitung der Güter an die Actores, die unfreien Verwalter abgegeben wurde, desto mehr erhielt die Landarbeit die Konnotation der aristotelischen poiesis, der Idee von Arbeit im Sinne der Erzeugung und Hervorbringung, die ihren Fokus bloß auf das erzeugte Gut richtete.

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abgesetzt werde, wenn der Boden keine Früchte trage (segetum copiam negaverit terra).80 Der Bericht verweist auf eine offensicht­liche Beziehung der Könige zu den Fruchtbarkeits- und Ackerbaukulten. Unklar ist, welche Rolle der Herrscher in diesem Fall konkret zu spielen hatte. Franz-Reiner Erkens erklärt die sehr wahrschein­liche Einbindung des Herrschers mit der aus der Antike entlehnten und in die germanische Tradition integrierte Vorstellung der Glücksträgerschaft der Herrscher, die Erfolg versprach bzw. garantierte. Die antike Glücksträgerschaft zeigte sich im germanischen Kontext hinsicht­ lich der erfolgreichen Einwirkung auf die Ernte im so genannten Jahresglück oder gutes Jahr und Ernteglück (Àr) der Könige. Nach Anders Hultgard trat in heidnischer Zeit der König als Vornehmster der Kultgemeinschaft gegenüber der gött­lichen Welt auf. Seine Aufgabe bestand darin, Opfer an die Götter zu richten. Im Erfolg seiner Fähigkeit, ein gutes Jahr zu schaffen, zeigten sich seine gute oder schlechte Herrschaft und damit die Huld, welche die Götter ihm entgegenbrachten. Denn das eigent­liche Ernteglück spendeten die Götter.81 Bestätigt wird Erkens’ Annahme der Rezeption des Gedankens der antiken Glücksträgerschaft durch das Beispiel des schwedischen Königs Domaldi. Über ihn ist bei dem isländischen Geschichtsschreiber Snorri Sturluson im 13. Jahrhundert nachzulesen, dass sein Tod mit anhaltenden Missernten und Hungersnöten in Verbindung stand. Die Könige hatten zu drei wichtigen kalendarischen Ereignissen Opfer darzubieten: zu Beginn der kalten Jahreszeit in Hinblick auf die kommende Aussaatzeit, mitten im Winter für eine gute Ernte und im Sommer für Siege in Kriegszügen. Es handelte sich um die Darbringung von Tier-, Speise- oder Trankopfern (etwa Bier) oder die Verbrennung von Korn.82 Nach Blutopfern (Ochsen) im ersten und Menschenopfern im zweiten Jahr kamen im dritten die Häuptlinge zusammen und kamen zu dem Schluss, dass der König die Schuld an der Not trage. Die Häuptlinge forderten deshalb ein Sühneopfer und töteten ihn für die gött­liche Gewährung künftiger r­ eicher Ernten.83 Erkens geht in Domaldis Fall von grundsätz­lichen Verfehlungen des Königs oder einer Vernachlässigung der Kulthandlungen aus, welche die Maßnahme

80 Ammianus Marcellinus, Res Gestae, XXVIII 5,14. 81 Zur Vorstellung des Jahresglücks neuerdings Hultgard, Anders: Ár – gutes Jahr und Ernteglück. Ein Motivkomplex in der altnordischen Literatur und sein religionsgeschicht­licher Hintergrund. In: Runica-Germanica-Mediaevalia 37 (2003). S. 282 – 308. Hier S. 285, S. 295f und S. 302f. Ebenfalls noch grundlegend Höfler, Otto: Zur Bestimmung mythischer Elemente in der geschicht­lichen Überlieferung. In: Thurau, Harald (Hg.): Beiträge zur deutschen und nordischen Geschichte. Festschrift für Otto Scheel. Schleswig 1952. S. 9 – 27. Hier S. 12ff. Zu den heidnischen Kulten vgl. Beck, Inge: Studien zur Erscheinungsform des heidnischen Opfers nach altnordischen Quellen. (Diss.) München 1967. 82 Maier, Bernhard: Fruchtbarkeitskulte. In: Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Bd. 10. Berlin/New York 21998. S. 128 – 133. Vgl. ebenfalls grundlegend Düwel, Klaus: Das Opferfest von Lade. Quellenkritische Untersuchungen zur germanischen Religionsgeschichte (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie, Bd. 27). Wien 1985. 83 Krause, Arnulf: Die Welt der Wikinger. Frankfurt/M. 2006. S. 29f.

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der Häuptlinge begründet haben mag. Der König war mit seinem unterlassenen oder falschen Handeln zu einer Gefahrenquelle für die gesamte Gemeinschaft geworden. Seine Glückträgerschaft hatte er für alle sichtbar verloren. Die Fruchtbarkeit der Äcker, die sich im Ertrag nachweisen ließ, stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem kulturell richtigen, also kultischen Umgang mit dem Boden.84 Andererseits sahen die Menschen auch die Fähigkeit zu richtigem Handeln im Sinne des richtigen Umgangs mit dem Boden bei den Fürsten und Königen und in der Ausübung gerechter Herrschaft. So stand der norwegische König Hálfdan svarti (Hálfdan der Schwarze) in dem Ruf, besonders fruchtbare Äcker bewirken zu können. Seine Regierungszeit war von guten Ernten und ausreichender Versorgung mit Nahrungsmitteln geprägt, die Hálfdan svarti als den Fürsten mit dem größten Jahresglück von anderen Großen abhob. Nach seinem Tod durch Ertrinken im Randsfjord wurde sein Leichnam gemäß der altnordischen Saga Heimskringla von den Mächtigen in vier Teile geteilt und in alle Richtungen des Landes gebracht, um in vier verschiedenen Grabhügeln (so genannten Hálfdanshügeln) beerdigt zu werden. Die Erntesegen verheißende Wirkmächtigkeit des Königs sollte dadurch auch nach seinem Tod allen Landesteilen zugutekommen und fortbestehen. Teile seines Körpers, so die lange nicht hinterfragte Überlieferung,85 wurden wie Reliquien behandelt. Somit blieb die Vorstellung, die Kraft des Königs könne auch nach seinem Tod weiter wirken, durch seine Anwesenheit gerechtfertigt. Auch an die römisch-antiken Vorstellungen der herrscher­ lichen Glücksträgerschaft ist der Glaube an das Nachwirken des Königs im Sinne eines Königsmythos für die einfachen Menschen anschlussfähig. Seit dem 11. Jahrhundert war immer wieder skandinavischen, zum Christentum konvertierten Herrschern mit Absetzung oder mit Tod gedroht worden, weil sie die alten Riten nicht mehr vollzogen. Einige Könige kamen deshalb trotz ihres Glaubens­wechsels ihrer kultischen Pf­licht nach, so Hákon der Gute (920 – 961) und Olaf ­Tryggvason (968 – 1000), ein Urenkel Hálfdans des Schwarzen.86 Diesen guten Königen und ihrer Pf­l ichterfüllung verdankten die Untertanen ihr Ernteglück und große Heringsschwärme in der Ostsee.87 Kultische Pf­lichterfüllung implizierte Erfolg und galt als Garant des 84 Der Pflug ist Teil der römisch-germanischen Akkulturation zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert n. Chr. In der sprach­lichen Bedeutung gilt er als „Aufreißer“ der Erde. Zum kultischen Pflugsegen vgl. Hägermann, Dieter: Wandel in Technik und Gesellschaft: Neuansatz und Verlust, Angleichung und Transformation im Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter. In: Ders./Haubrichs, Wolfgang/Jarnut, Jörg (Hg.): Akkulturation (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 41). Berlin 2004. S. 491 – 502. Hier S. 498. 85 Pesch, Alexandra: Wer war Hálfdan svarti? Archäologische Fakten und textkritische Betrachtungen über einen unbekannten König und seine bekannte Bestattung. In: Frühmittelalter­liche Studien (1997). S. 70 – 95. Hier S. 74 und S. 83ff. 86 Hultgard, Ár – gutes Jahr und Ernteglück, S. 292f. 87 Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 85. Hoffmann, Erich: Die heiligen Könige bei den Angelsachsen und den skandinavischen Völkern. Königsheiliger und Königshaus. Neumünster

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Überlebens. Die Könige traten bei den kultischen Handlungen als Vermittler zwischen den heilspendenden Göttern und den Menschen auf.88 Hultgard kommt zu dem Ergebnis, dass die heidnisch-kultische Beziehung der skandinavischen Könige zu den Göttern und die Fähigkeit, das Àr zu bringen, offensicht­lich unkompliziert und kontinuier­ lich mit christ­lichen Vorstellungen vom Ernteglück verschmolz, da der größte Teil der Berichte von den Fürsten mit ausgeprägtem Jahresglück aus christ­lichen ­Quellen stammt. Die heidnischen Kultzeiten für Bodenfruchtbarkeit im Winter, Frühjahr und Herbst deckten sich schnell mit den Quatembertagen, den mit den Jahreszeiten zusammenhängenden Bußtagen im Kirchenjahr.89 Den Königen kam nach wie vor die Schlüsselrolle in der Vermittlung zu Gott und den Heiligen durch das Gebet bzw. das Flehen um gutes Wetter und fruchtbringende Böden zu, die Verantwort­lichkeit für das Àr teilten sie sich aber zunehmend mit Heiligen.90 In der Tat konnte nach christ­licher Annahme der König eine Gottesgabe oder himmlische Wohltat erreichen, ebenso wie in zahlreichen nordischen Quellen beispielsweise der Hl. Stephanus oder Isidor von Sevilla als Fürbittende für gute Ernten und damit als Spender der Fruchtbarkeit genannt werden.91 Die grundsätz­lich amtsbezogenen, insbesondere aber auch aus guter Herrschaft resultierenden Fähigkeiten einzelner Herrscher verschmolzen zuweilen auch mit dem Reliquienkult von Heiligen und zeigten, dass die Wirkmächtigkeit der Könige weit über die ursprüng­lich kultisch-heidnische und später christ­liche Pf­lichterfüllung der Bitte um gute Ernten hinausgingen. Somit ist nachvollziehbar, dass das erfolgreiche herrscher­liche Wirken skandi­­­­­­na­ vischer und angelsächsischer Könige hinsicht­lich guten Wetters und reicher Ernten auch im Reichsgebiet bekannt gewesen ist und gedank­lich auf andere Monarchen übertragen wurde. Der dänische König Waldemar I. (1131 – 1182) reiste 1162 durchs Reich. In Metz baten ihn die Bauern, ihr Saatgut auszuwerfen.92 Jahre zuvor, 1081, war ­Kaiser Heinrich IV. (1050 – 1106) in Lucca von Landleuten gebeten worden, ihr Saatgut zu berühren. 1106 wiederholte sich eine ähn­liche Begebenheit am Sarg des toten Heinrich. Die Landbevölkerung hatte in Lüttich Getreidesamen auf seinen Sarg gelegt und anschließend mit Erde vermischt, die seinen Sarg umgab. Sie hofften, dass dieses Saatgut die Erträge steigern würde. Der Kirchenbann des alten Kaisers,

1975. S. 58ff. 88 Sie führten sich und ihre Herrschaft auf die Götter zurück und pflegten deshalb auch Ahnenkulte. Steinsland, Gero: Die mythologische Grundfeste für die nordische Königsideologie. In: Beck, Heinrich/Ellmers, Detlef (Hg.): Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 5). Berlin 1992. S. 736 – 752. Hier S. 738ff. 89 Ieiunia quattuor temporum. 90 Hultgard, Ár – gutes Jahr und Ernteglück, S. 287. 91 Ibd. S. 300. 92 Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 220f.

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der Unheil über ihn und sein Volk gebracht hatte,93 war dem Glauben an die Wirkmächtigkeit des Monarchen als Vermittler um die Gottesgabe der Fruchtbarkeit dennoch nicht abträg­lich, sondern zeigte vielmehr eine sehr tiefe und unerschütter­ liche Verwurzelung. Auch die Regierungszeiten Heinrichs V. (1081/86 – 1125) und ­Konrads III. (1093 – 1152) schienen von Gott begünstigt, wurden doch in verschiedenen Werken übereinstimmend das gute Wetter und die reichen Ernten betont. Das richtige Handeln des Herrschers und seine Lebensführung bildeten die Grundlage dieser Wirkmächtigkeit, wes­wegen 1355 der kalte und trockene Winter mit Karl IV. (1316 – 1378) und 1442 die Ernte eines sehr guten Weines mit ­Friedrich III. (1415 – 1493) in Zusammenhang gebracht wurde.94 Gerade in den Erntekulten zeigen sich zwar sakrale Züge germanischer Fürsten und Könige, es kann nach Erkens im Gegensatz zu Hoffmann aber nicht von einer grundlegenden sakralen Königsidee ausgegangen werden.95 Erkens vermutet auch einen deut­ lich geringeren Einfluss auf das mittelalter­liche Königtum in Mitteleuropa, als bisher in der Forschung angenommen wurde. Dennoch hinterließ die Verbindung von König und Volk Spuren: Das ausgeprägt erfolgreiche Wirken germanischer Fürsten in diesem Bereich verschmolz mit dem Reliquienkult und Heiligenvorstellungen und etablierten antiken Vorstellungen. Gerade diese Kompatibilität erleichterte den Einfluss. Die aufgeführten Aspekte speisten bis etwa zum 12. Jahrhundert und in Einzelfällen auch darüber hinaus eine heidnisch-christ­liche Königsgläubigkeit. Der König erschien durch Krönung und Salbung als persona mixta oder als gemina persona mit geist­lichen Fähigkeiten und Eigenschaften, die durch die Macht des Sakraments und damit durch die Gnade Gottes verliehen wurden.96 Die sakrale Dimension der Könige und Kaiser wurde aber allmäh­lich immer stärker vom Papsttum bzw. der Kirche beansprucht und 93 Grundsätz­lich dazu auch Blattmann, Marita: „Ein Unglück für sein Volk“. Der Zusammenhang zwischen Fehlverhalten des Königs und Volkswohl in Quellen des 7.-12. Jahrhunderts. In: Frühmittelalter­ liche Studien 30 (1996). S. 80 – 102. Hier S. 94ff. 94 Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 222. 95 Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 82ff. Weinfurter, Stefan: Idee und Funktion des Sakral­ königtums bei den ottonischen und salischen Herrschern (10. und 11. Jahrhundert). In: Gundlach, Rolf/Weber, Hermann (Hg.): Legitimation und Funktion des Herrschers. Vom ägyptischen Pharao zum neuzeit­lichen Diktator (Schriften der Mainzer Philosophischen Fakultätsgesellschaft, Bd. 13). Stuttgart 1992. S. 99 – 127. Hierzu auch schon kritisch Picard, Eve: Germanisches Sakralkönigtum. Quellenkritische Studien zur Germania des Tacitus und zur altnordischen Überlieferung (Skandinavistische Arbeiten, Bd. 12). (Diss.) Heidelberg 1991. S. 30ff. Vom Sakralkönigtum geht hingegen Hoffmann aus. Hoffmann, Die heiligen Könige bei den Angelsachsen und den skandinavischen Völkern, S. 47ff. 96 Kantorowicz bezieht sich insbesondere auf den so genannten Normannischen Anonymus, der den rex sanctus über Raum und Zeit stellte. Durch die Gnade Gottes sei der König zu einem „Gottmenschen“ geworden und die Macht des Königs entspreche somit der Macht Gottes. Kantorowicz, Ernst H.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters. München ²1994 (dtv-Wissenschaft, Bd. 4465). S. 67ff, S. 106ff, S. 185ff.

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übernommen und der welt­lichen Herrschaft abgesprochen. Percy Ernst Schramm spricht vom Verlust einer ansatzweise „hohepriester­lichen“ Herrschaft der Kaiser und Könige, die unter Otto I. (912 – 973) ihren Höhepunkt erreicht hatte und nun durch die Kirche zunehmend auf antike welt­liche Traditionen wie die curatio annonnae zurückgedrängt wurde.97 Erntesegen und Erntedank avancierten zu einem festen Bestandteil geist­licher Wirkungsbereiche. Ging das Wirken heidnischer und christ­licher Könige für die Gottesgabe der Fruchtbarkeit bisher mit der Fürbitte oder der Anwesenheit ihres Körpers bzw. ihrer Person einher, so rückte die Kirche nun das gesprochene Wort im Sinne eines Gebetes oder Segenspruches in den Vordergrund, das von einem geweihten Priester als Vermittler zwischen den Menschen und Heiligen oder Gott zu sprechen war. In der Sammlung der Wesobrunner Rituale finden sich zahlreiche Beispiele für die Fürbitten aus dem 12. Jahrhundert: Domine Sancte, pater omnipotens, aeterne deus, qui coelum et terram, mare et omnia creasti, te supplices quaesumus, ut hunc fructum novum benedicere et sanctificare digneris et multiplicare abundanter offerentibus tibi, ut repleas eorum cellaria cum fortitudine frumenti et vini, ut laetantes in eis referant tibi, deo omnipotenti, laudes et gratias.98 Die körper­liche Wirkmächtigkeit der Herrscher wurde von Reliquien oder Heiligenbildern abgelöst, die bei Frühjahrs- oder Herbstprozessionen auf die Felder getragen wurden, wie die Anordnung der Äbtissin Marksvid im Kloster Schildersche bei Bielefeld aus dem Jahr 940 exemplarisch zeigt: Statuimus, ut annuatim secunda feria Pentecostes spiritu sancto cooperante eundem patronum in parochiis vestris longo ambitu circumferentes et domos vestras lustrantes et pro gentilicio ambarvali in lacrimis et varia devotione vos ipsos mactetis et ad refectionem pauperum eleemosynam comportetis, et in hac curti pemoctantes super reliquis vigiliis et cantibus solennizetis, ut praedicto mane determinatum a vobis ambitum pia lustratione complentes ad monasterium cum honore debito reportis. Condido autem de patroni huius misericordia, quod sic ab eo gyrade terrae semina uberius proveniant et variae aeris inclementia cessent.99 Die Kirche 97 Schramm, Percy Ernst: Beiträge zur allgemeinen Geschichte. Rom und Kaiser, geist­liche und welt­ liche Gewalt. Bd. 4,1. Stuttgart 1970. S. 187. 98 Heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, der Himmel und Erde, das Meer und alles geschaffen hast, dich bitten wir inständig, dass du so gnädig seist, diese neue Feldfrucht zu segnen und zu heiligen und sie denen, welche sie darbringen, reich­lich zu vervielfältigen, dass du ihre Keller mit dem besten Getreide und Wein füllst, damit sie sich daran erfreuen und dir allmächtiger Gott, Lob und Dank dafür sagen können. Franz, Adolph (Hg.): Die kirch­lichen Benediktionen im Mittelalter. Bd. 1: Wesobrunner Rituale 12. Jahrhundert. Freiburg 1909. S. 376. Vgl. auch das Prümer Urbar in: Günther, Franz: Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 31). Berlin 1967. S. 82, Nr. 35. Grundsätz­lich Angenendt, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter. Darmstadt ³2005. 99 Wir ordnen an, dass ihr am zweiten Pfingsttag mit Beistand des Heiligen Geistes diesen [Leib des] Schutzheiligen in euren Pfarrsprengeln in einem weiten Kreis herumführt und [damit] eure Häuser heiligt anstelle eines heidnischen Frühlingsumzuges. […] auf dass ihr am genannten Morgen die von euch beabsichtigten Prozessionen mit frommen Reinigungsriten durchführt und dann [den Heiligen] mit der gebührenden Ehrfurcht zum Kloster zurückbringt. Ich vertraue auf die Barmherzigkeit dieses

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übernahm schrittweise von den Herrschern den wichtigen Einfluss auf die Bauern, ihre Vorstellungswelt und ihre Bedürfnisse hinsicht­lich der Nahrungsgewinnung. Die traditionelle Rolle der Herrscher als Protektoren der Landwirtschaft begann im kultischen und religiösen Bereich immer stärker zu verfallen. Die Kirche diente den Menschen nunmehr als primärer Ansprechpartner während der immer wiederkehrenden Hungersnöte. Sie vermittelte Hoffnung, aber keine Sicherheit für das erstrebte Ernteglück. Insofern unterschied sich die Kirche von der heidnisch-germanischen Vorstellung der Glücksträgerschaft. Da Erfolge oft ausblieben, hielten sich heidnische oder vermischte Traditionen lange nebeneinander.100 Parallel zur Pf­licht der ordnungsgemäßen und pünkt­lichen Durchführung der Kulte (Fürbitte und Dank) durch die skandinavischen Könige war die Wirkmächtigkeit christ­licher Fürsten in der Regel an ihre vorbild­liche, gottgefällige Lebensführung gebunden. Im Falle Heinrichs IV. zeigte sich aber, dass die Wirkmächtigkeit auch mit dem „König an sich“ bzw. mit seinem Amt in Verbindung gebracht werden konnte, unabhängig von dessen Verfehlungen. Im Kontext einer einzigartigen Wirkmächtigkeit kam den französischen und englischen Königen eine europäische Sonderrolle zu. Basierend auf der Vorstellung des Königsheils der Merowinger, die zur Herrschaft legitimierte und sich neben der Siegmächtigkeit auch im Erntesegen manifestierte, offenbarte sich parallel zu den germanischen Vorstellungen ein Stück heidnische Königssakralität mit sehr ähn­lichen Fähigkeiten. Nach Erkens geht sie ebenfalls auf die antike Glücksträgerschaft zurück.101 Dieses Königsheil verschmolz mit Clovis/Chlodwigs Taufe um 500 n. Chr. zu einen einzigartigen, mit Gott geschlossenen Bund und initiierte den Glauben an die wundertätige Schutzheiligen, dass auf diesem Umzug hin die Erzeugnisse des Landes üppiger wachsen und die Wetterunbilden aller Arten nicht mehr auftreten werden. Franz, Die kirch­lichen Benediktionen im Mittelalter, Bd. 2, S. 9. 100 Epperlein verweist auf die Folgen gravierender Hungersnöte durch Missernten oder kriegerische Verheerungen wie Flucht oder sogar Menschenfresserei. Epperlein, Siegfried: Bäuer­liches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnisse. Köln 2003. S. 29f und S. 58 – 61. Auf der Suche nach Deutungs- und Bewältigungsstrategien in Hungersnöten und anderen Krisensituationen wurde von den Gläubigen nicht nur auf das normative Spektrum der Hilfsangebote der Kirche, sondern auch auf magisches Gedankengut und heidnische Traditionen zurückgegriffen. Etienne François spricht von „ineinandergreifenden Glaubensformen“. Magisches Denken oder heidnische Traditionen waren lebensnah bzw. situationsangepasst oft einer größeren Menschenmenge bekannt und konnten hinsicht­lich der Wirkung als erprobt gelten. François, Etienne: Seuchen, Hungersnot, Krankheit und Tod. Eine Einführung. In: Lehmann, Hartmut/Trepp, Ann-Charlott (Hg.): Im Zeichen der Krise. Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts (Veröffent­lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 152). Göttingen 1999. S. 129 – 133. Hier S. 130. Zur Verchrist­lichung des Naturjahres vgl. Bieritz, Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart. München 1988. S. 46ff. 1 01 Mertens, Dieter: Geschichte der politischen Ideen im Mittelalter. In: Fenske, Hans/Mertens, D ­ ieter/ Reinhard, Wolfgang/Rosen, Klaus (Hg.): Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt/M. 1996. S. 143 – 238. Hier S. 181f. Eher kritisch zum Begriff des Königsheils Erkens, Herrschaftssakralität im Mittelalter, S. 85f.

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Heilkraft des fränkischen bzw. später französischen Königs in Bezug auf Skrofeln. Der französische König galt als vicarius oder imago Christi, da er mit Öl aus der Heiligen Ampulle gesalbt wurde.102 Durch das Sacre erhielt die Heilkraft des Königs eine christ­lich legitimierte Erklärung. Das auf der Salbung beruhende einzigartige gött­lich-könig­liche Verhältnis bedingte das Erstarken des Königtums bis in die Frühe Neuzeit. Die Kraft des französischen Königs beschränkte sich aber nur auf die Heilung durch Berührung und das Schlagen des Kreuzes.103 Fruchtbarkeitssegen oder eine Verbindung von könig­ licher Anwesenheit mit Ernteerfolgen traten schon unter den fränkischen Königen immer mehr in den Hintergrund und sind im frühneuzeit­lichen Frankreich und England nicht nachgewiesen geworden, auch wenn Percy Ernst Schramm zu Marc Blochs Untersuchungen richtig angemerkt hatte, dass die germanische Idee des Königsheils den Glauben an die heilende Wunderkraft der Könige bestärkt haben mochte.104 In ausgesprochenen Notsituationen traten die Könige Frankreichs als Initiatoren geist­ licher ritueller Handlungen auf, um durch ihre Nähe zu Gott die Hilfe des Schöpfers zu erflehen. Im Bereich der Landwirtschaft sind dafür jedoch in der Frühen Neuzeit nur Einzelfälle nachweisbar: So baten am 21. Mai 1694 die Bürger von Paris König L ­ udwig XIV. aufgrund der anhaltenden Dürren darum, auf seine Jagd zu verzichten und stattdessen eine Prozession mit Ceremonies ordinaires anzuordnen, um die Fürsprache der heiligen Genoveva und Marias für Regen zu erhalten.105 Die Bitte richtete sich an den König Frankreichs mit seiner beanspruchten Autorität, in der Kirche als Bischof bzw. persona ecclesiastica aufzutreten, und sich in den gött­lichen Heilsplan durch ihr Wesen eingebunden zu sehen.106 Der König fungierte nach diesem Bericht als Mittler zwischen den Untertanen und der Kirche sowie als höchster Bittsteller gegenüber Gott,

102 Angenendt, Arnold: Rex et sacerdos. Zur Genese der Königssalbung. In: Kamp, Norbert/Wollasch, Joachim (Hg.): Tradition als historische Kraft. Berlin 1982. S. 100 – 118. 103 Zur Bedeutung des Sacre von Chlodwig/Clovis für die künftigen Krönungen bzw. das franzö­ sische Königsverständnis vgl. Schmid, Josef Johannes: Sacrum Monarchiae Speculum. Das Sacre Ludwigs XV. 1722. Monarchische Tradition, Zeremoniell, Liturgie. Münster 2007. S. 35 – 57. In England gilt Heinrich I. (1068 – 1135) als erster heilender König. 104 Vgl. Schramm, Percy Ernst: Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. bis zum 16. Jahrhundert. Bd. 1. Weimar 1939. S. 177 – 190. Bloch, Marc: Les rois thaumaturges. Etude sur le caractère surnaturel attribué à la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre (Publications de la Faculté des Lettres de l’Université de Strasbourg, Bd. 19). Straßburg 1924. Insbesondere S. 113ff. Ehlers, Joachim: Der wundertätige König in der monarchischen Theorie des Früh- und Hochmittelalters. In: Heinig, Paul-Joachim/Jahns, Sigrid u. a. (Hg): Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw (Historische Forschungen, Bd. 67). Berlin 2000. S. 3 – 19. Engels, Jens: Das „Wesen“ der Monarchie? Kritische Anmerkungen zum „Sakralkönigtum“. In: Maiestas 7 (1999). S. 3 – 39. Erkens, Herrschersakralität im Mittelalter. 105 Procession de la chasse de Ste Génévieve pour la conversation des fruits de la terre. Archives nationales, Paris, K 121 B, Nr. 29. 106 Zur Rolle der französischen Könige in der Kirche vgl. Schmid, Sacrum Monarchiae Speculum, S. 158ff.

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um die Not zu lindern. Er übernahm mit dem Anstoß zur Prozession zwar die Rolle eines Bischofs, doch die Durchführung der rituellen Handlung der Prozession blieb im Bereich der Kirche und fand ohne seine Mitwirkung statt. In der Regel zeigte sich die Anteilnahme der französischen Könige bei Hungersnöten eher durch symbolische Handlungen und persön­lichen Verzicht. Als die Hungersnot im Winter des Jahres 1708/09 ihren Höhepunkt erreicht hatte, ließ Ludwig XIV. Teile seines Tafelsilbers einschmelzen und für das Geld Bedürftige unterstützen. Zugleich beanspruchte er für sich selbst, den gesamten Winter, auch an hohen Feiertagen, nur Haferbrot zu essen. Weizenbrot wurde in dieser Zeit für seine Tafel verboten.107 Als König und im Selbstverständnis als père du peuple teilte er das Schicksal seiner Untertanen und suchte es mit welt­lichen Mitteln zu lindern. Sakrale Handlungen oder die Mitwirkung daran für die Fruchtbarkeit der Felder sind seitens der französischen Könige trotz ihrer bischöf­ lichen Würde bis auf wenige Ausnahmen unterblieben und offensicht­lich nicht für notwendig erachtet worden.108 Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurde jedoch nicht als persona ecclesiastica, sondern als devotissimus auf die Annahme der Glaubenswahrheit beschränkt. Ihm kam somit nur wie allen getauften Gläubigen im Sinne des Apostels Paulus ein Anteil am Priestertum zu. Die sakrale Würde und das breite Spektrum sakraler Handlungen in der Landwirtschaft fielen somit eindeutig in den Wirkungsbereich der Kirche. Der Monarch blieb auf das Regnum beschränkt. Dies führte zu einer grundsätz­lich neuen Konzeption des Politischen und der Stellung des Herrschers.109 Herrschaft und Ackerbau blieben noch immer direkt und eng, jedoch ausschließ­ lich im welt­lichen Bereich miteinander verknüpft. Das herrscher­liche Wirken zeigte sich künftig vor allem im Erhalt oder der Gewährung von Frieden sowie im Schutz der bäuer­lichen Wirtschaft durch den Schutz von Besitz, in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Überwachung der Strafpraxis. In den so genannten Landfrieden stellten die Fürsten die Bauern, die Felder und Geräte unter Schutz – allerdings mit mäßigem Erfolg, wie die ständigen Wiederholungen der Landfrieden beweisen.110 An diesen Leistungen

107 Bluche, François: Louis XIV. Paris 1986. S. 788 – 793. 108 Vgl. zu diesem Selbstverständnis der französischen Könige als Bischöfe und Väter des Volkes Kap. 4.2.4 im vorliegenden Buch. 109 Struve, Tilmann: Regnum und Sacerdotium. In: Fetscher, Iring/Münkler, Herfried. Pipers Handbuch der politischen Ideen. Bd. 2. München/Zürich 1993. S. 189 – 242. 110 Friedrich II. (1194 – 1250) ließ im Landfrieden vom 22. November 1220 verkünden: Agricultores et circa rem rusticam occupati, dum villis insident, dum agros colunt, securi sint quacumque parte terrarum, ita ut nullus inveniatur tam audax, ut personam, boves, agrorum instrumenta, aut si quid aliud sit, quod ad operam rusticanam pertineat, invadere, capere aut violenter auferre presumat. Si quis autem statutum huiusmodi ausu temerario violare presumpserit, in quadruplum ablata restituat et infamiae notam ipso iure incurrat, imperiali animadversione nichilominus puniendus. (Bauern und in der Landwirtschaft Tätige sind, während sie sich in den Dörfern aufhalten und während sie die Felder bearbeiten, allerwärts sicher, so daß keiner sich erkühnen soll, zu versuchen, eine Person,

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wurden die Herrscher zunehmend gemessen. Dieser Pf­lichtbereich des Herrschers implizierte jedoch keine körper­liche Arbeit oder spezifische eigenhändige, kultbedingte landwirtschaft­liche Verrichtungen des Königs im Kontext der Jahreszeiten wie etwa das Führen des Pfluges oder die aktive Teilnahme an der Aussaat oder Ernte mehr. Dieser Verantwortungsbereich lag nun ausschließ­lich beim Klerus und bestand vor allem in der Vermittlerfunktion zu den Heiligen, die von den Bauern angerufen wurden. Das Leben und Handeln der Heiligen stand zumeist im Kontext landwirtschaft­licher Arbeiten, in dem sie sich durch christ­liche Güte und Opferbereitschaft oder Wunderkräfte als Auserwählte Gottes präsentiert hatten.111

2.1.4 Fazit

In der Gesamtschau lässt sich erkennen, dass sich in der europäischen Vorstellungswelt Herrschaft und Landwirtschaft seit der Antike bis in die Frühe Neuzeit zunehmend voneinander entfremdet haben. Zunächst kam in den antiken Gründungs­mythen Herrschern wie Triptolemos eine aktive Rolle bei der Verbreitung des Ackerbaus und der Förderung der Landwirtschaft zu. Dieser Anspruch wurde anfangs auch von r­ ealen antiken Führungsfiguren und Herrschern eingelöst. Jedoch lässt sich bereits in der Antike – etwa an dem diskutierten Beispiel Kaiser Augustus – beobachten, dass sich Herrscherpersön­lichkeiten zwar noch auf die Tradition der genannten Heroen be­­ riefen, jedoch selbst keine aktive Rolle mehr bei der Förderung oder dem Schutz der Landwirtschaft spielten. Bereits hier „verkommt“ die Beziehung des Herrschers zur Landwirtschaft nahezu zur reinen Symbolik. Gleichzeitig wird die Landwirtschaft auch nicht mehr aktiv von der Oberschicht betrieben, sondern die Verantwortung für die Produktion der Nahrung in die Hände von Pächtern und Sklaven, später von unfreien und nahezu rechtlosen Bauern gelegt. Im Mittelalter bleibt zwar – vor allem im spät christianisierten Nordeuropa – die Vorstellung erhalten, dass der Ernteerfolg auch vom richtigen kultischen Verhalten des jeweiligen Königs abhing. Mit zunehmender Christianisierung verlagerte sich die Rinder, Ackergeräte oder etwas anderes, was zur Landarbeit gehört, widerrecht­lich zu nehmen, zu ergreifen oder mit Gewalt wegzunehmen. Wenn aber einer diese Satzung durch dreisten Zugriff zu verletzen wagt, soll er das Weggenommene vierfach wiedererstatten und aufgrund dieses Rechts ehrlos sein. Außerdem ist er mit kaiser­licher Strenge zu bestrafen.) Günther, Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter. Nr. 109, S. 285. Vgl. auch Epperlein, Bäuer­liches Leben, S. 160 und S. 170. 111 Bekannt sind neben vielen anderen regional etablierten Heiligen insbesondere die Hl. Margaretha oder die Hl. Amalberga als Schützerinnen der Feldfrüchte sowie der Hl. Isidor von Sevilla, der selbst als Bauernknecht gedient hatte. Hörger, Hans: Dorfreligion und bäuer­liche Mentalität im Wandel ihrer ideologischen Grundlagen. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38 (1975). S. 142 – 168. Hier S. 144ff.

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Verantwortung für die Fürbitte um gute Ernten aber mehr und mehr auf die Kirche. Die traditionelle Rolle der Herrscher als Protektoren der Landwirtschaft begann damit zu verfallen. Zwar wurde die antike Vorstellung von der Landwirtschaft als gottgegebener und tugendsamer Erwerbsform in der Renaissance wieder aufgegriffen, in diesem Fall jedoch ohne innere Beziehung zur Ausübung von Herrschaft. Auch bleibt die niedrige Reputation landwirtschaft­licher Arbeit aufgrund der sozialen Stellung des Bauernstandes, der auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie angesiedelt war, bestehen. Der beschriebene Prozess der Entfremdung zwischen Herrschaft und Landwirtschaft setzt sich bis in die Frühe Neuzeit fort, wie das diskutierte Beispiel Ludwigs XIV. zeigt, der im Fall einer Hungersnot nicht etwa um aktive Maßnahmen gegen diese, sondern um Veranlassung einer kirch­lichen Fürbitte gebeten wird. Auch im welt­lichen Wirkungsbereich der Herrscher weckte die Landwirtschaft kaum deren Interesse, auch wenn gerade die Fürstenspiegelliteratur die Herrscher zunehmend dazu aufforderte, sich als Förderer der Landwirtschaft zu betätigen. Die Folge der festgestellten Entfremdung ist eine zunehmende Vernachlässigung der landwirtschaft­lichen Produktion, was – begünstigt durch die klimatischen Veränderungen während der so genannten „Kleinen Eiszeit“ – zu Missernten und Hungersnöten führte. Eine Neudefinition des Verhältnisses zwischen Herrschaft und Landwirtschaft war deshalb notwendig. 2.2 Das Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft in China bis zur frühen Qing-Dynastie

Ein gegensätz­liches Bild bot sich im Qing-China des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts. Gerade unter der Regierungszeit der frühen Qing-Kaiser, dem Kangxi-­ Kaiser (1654 – 1722), dem Yongzheng-Kaiser (1678 – 1735) und dem Qianlong-Kaiser (1711 – 1799) sollte die chinesische Landwirtschaft aufgrund gezielter politischer Förderung, neuer Agrartechniken und Anbaumethoden zu voller Blüte gebracht werden. Entsprechende erfolgreiche Anstrengungen seitens der Kaiser konnten die Jesuiten miterleben. Jack Goldstone spricht von einer agronomischen Revolution in dieser Zeit.112 Zum Anstieg der Bevölkerung von ca. 123 Millionen (um 1650) auf ca. 260 Millionen (um 1750) erhöhte sich in diesem Zeitraum die agrarisch genutzte Anbaufläche von etwa 40 auf ca. 60 Millionen Hektar. Die gesamten Ernteerträge verdoppelten sich

112 Goldstone, Feeding the People, Starving the State: China’s Agricultural Revolution in the 17th/18th Centuries, S. 4ff, S. 34. Skinner, William G.: Marketing and Social Structure in Rural China. In: Journal of Asian Studies 24 (1964). S. 3 – 43. Hier S. 5ff. Ebenfalls Marks, Tigers, Rice, Silk and Silt, S. 27ff. Huang, The Peasant Family and Rural Development in the Yangzi Delta. Sabrine ­Dabringhaus schränkt die Periode des „beispiellosen Wohlstands“ auf die Jahre zwischen etwa 1725 und 1777 ein. Dies.: Geschichte Chinas 1279 – 1949 (OGG 35). München 2006. S. 45.

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Die traditionelle Rolle der Herrscher in der Landwirtschaft

von ca. 35.055 auf ca. 74.100 Tausend Tonnen.113 Dies wird in der Forschungsliteratur immer wieder damit in Verbindung gebracht, dass die Monarchen selbst die Förderung des Landbaus zur persön­lichen Pf­l icht erhoben hatten. Hong-Fung Hung unterstreicht die offene Haltung der Qing-Kaiser gegen die Bauern und die Händler gleicher­maßen, die den Aufschwung von agrarischer Produktion und den Absatz der Produkte unterstützt hätten. Er verweist auf ein kaiser­liches Edikt aus dem Jahr 1720, in dem die Landwirtschaft und der Handel als Säulen der (chinesischen) Welt deklariert worden waren. Darin heißt es, dass gentry, peasants, workers, and merchants, though having different occupations, are all children of the family 114, and they should be treated equally.115 Untersucht worden ist der Aspekt der monarchischen Förderung der Landwirtschaft jedoch bisher kaum im Kontext der Herrschaftsauffassung, dem kaiser­lichen Selbstverständnis, als erster Landmann des Staates zu fungieren, sowie der patriarchalischen Fürsorgepf­licht der Monarchen. Die nachfolgende Zusammenfassung zur Bedeutung der Landwirtschaft in QingChina als monarchischem Wirkungsbereich und wesent­lichem Bestandteil der kosmologischen Herrschaftsauffassung chinesischer Kaiser zielt darauf, einen grundsätz­ lichen Überblick über ihre Pf­l ichten und das Spektrum ihrer sichtbaren Wahrnehmung insbesondere in der frühen Qing-Zeit zu bieten. Ziel dieses Kapitels ist es nicht, eine umfassende Studie zu Einzelheiten der Landwirtschaftspolitik der frühen Qing-Kaiser und zu regionalen Auswirkungen der politischen Bestrebungen in den einzelnen Provinzen des chinesischen Reiches zu erarbeiten. Vielmehr soll im Folgenden ein kurzer Überblick zu den klassischen konfuzianischen Normen gegeben werden, die sich für den Wirkungsbereich der Landwirtschaft handlungsanleitend an die Kaiser und die politische Führungselite richteten. Es wird deshalb die Tradition des idealen konfuzianischen Bildes vom Herrscher als erstem Landmann des Staates mit festem Verhaltenskodex und klaren Verhaltenserwartungen in spirituellen, rituellen und 113 Die Zahlen beruhen auf einer Tabelle, in der Angus Maddison für China die Entwicklung der landwirtschaft­lichen Produktivität zwischen 1400 und 1820 aufzeigt. Maddison, Angus: Chinese Economic Performance In The Long Run. OECD-Publication. Paris 2007. Tabelle 1.5, S. 32. Schmidt-Glintzer geht davon aus, dass die Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in China von 143 auf 360 Millionen, in Europa hingegen in der gleichen Zeit von 144 auf 193 Millionen angestiegen sei. Schmidt-Glintzer, Helwig: Das alte China. Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert. München 52008. S. 125f. Eine Bewertung der unterschied­lichen Zahlen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Gezeigt werden sollte durch sie nur ein signifikanter Anstieg in Qing-China. 114 Gemeint ist der Staat. In Qing-China leitete sich die Vorstellung vom Staat bzw. dem Reich in Anlehnung an ältere Traditionen aus der Familie her. Der Staat wurde als großer Familienverband verstanden. Waley-Cohen, Joanna: The New Qing History. Radical History Review 88 (2004). S. 193 – 206. Hier S. 195f. 115 Zit. n. Hung, Hong-fung: Agricultural Revolution and Elite Reproduction in Qing-China: The Transition to Capitalism Debate Revisited. In: American Sociological Review 73 (2008), S. 569 – 588. Hier S. 577.

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politisch-ökono­mischen Bereichen an den Monarchen vorgestellt. Da diesem Aspekt bisher auch in der sinologischen Fachliteratur keine Untersuchung gewidmet worden ist, stößt die nachfolgende grobe Zusammenfassung zwar in eine Forschungslücke, jedoch nicht mit dem Anspruch, diese Lücke für die Sinologie umfassend zu schließen. Vielmehr soll eine breitere inhalt­liche Basis für die Rolle und Bedeutung der beschriebenen Gegenstände in der Reiseberichterstattung sowie für die spätere Analyse der Rezeption in Frankreich und dem Alten Reich gegeben werden. Vor dem Hintergrund des folgenden Kapitels lassen sich besser Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt oder Missverständnisse, exakte oder reduzierte Deutungen, bewusste oder unbewusste Fehldeutungen, bestimmte bzw. gezielte Deutungsrichtungen von berichteten Inhalten ziehen. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung der ersten Qing-Kaiser mit dem klassischen Ideal des ersten Landmannes. Es soll von der These ausgegangen werden, dass die frühen Qing-Kaiser diesen traditionellen Aspekt der Herrschaftsauffassung bewusst angenommen haben und dass die Landwirtschaft unter der Herrschaft des Kangxi-Kaisers, des Yongzheng-­Kaisers und des Qianlong-Kaisers eine besondere Bedeutung erlangte. Die klare und nach außen vermittelte Aufnahme dieses Aspekts in ihre Herrschaftsauffassung oder ihre Selbstreflexionen, in ihr Selbstbild als Dynastie und die damit verbundene Konstruktion ihrer Herrschaftspropaganda sowie die damit einhergehenden politischen Ziele der drei Qing-Herrscher sind bisher weder skizziert noch diskutiert worden.116 Das soll im folgenden Kapitel ansatzweise nachgeholt werden. Gerade die offiziell durch unterschied­liche Medien vermittelte Herrschaftsauffassung war den Jesuiten als Quellen ihrer Berichte zugäng­lich. Es kann jedoch nur im eingeschränkten Rahmen von übersetztem chinesischen Quellenmaterial geschehen. Ausgewertet werden dafür vor allem klassische Texte wie beispielsweise das Buch Mengzi, die den Rahmen für den Pf­lichtenkanon des Kaisers als erstem Landmann abstecken, sowie die Rezeption dieser Klassiker durch den Kangxi-Kaiser, den Yongzheng-Kaiser 116 Das Selbstbild des Qianlong-Kaisers als erster Landmann des Staates ist auch bei Kahn kaum berücksichtigt. Er betont hingegen die grundsätz­liche Rolle der Kulte für die Regierungszeit des Qianlong-Kaisers sowie die ausgeprägten Ambitionen, neue Kulte des tibetischen Buddhismus und schamanische Riten zu etablieren. Kahn, Harold L.: Monarchy in the Emperor’s Eye. Image and Reality in the Ch’ ien-lung Reign. Cambridge/Mass. 1971. Kessler bietet für den Kangxi-Kaiser als Landmann ebenfalls nur wenige Informationen. Kessler, Lawrence D.: K’ang-hsi and the Consolidation of Ch’ing Rule. Chicago 1976. Zu tibetischen Kulten unter den Qing vgl. auch Berger, Patricia: Empire of Emptiness: Buddhist Art and Political Authority in Qing China. Honolulu 2003. Waley-Cohen, Joanna: Religion, War, and Empire in Eighteenth-Century China. In: International History Review 20.2 (1998). S. 336 – 352. Elliot, Mark: Emperor Qianlong, Son of Heaven, Man of the World. Michigan 2009. S. 147 – 151. Als Vorbild galten den Qing-Kaisern neben den Erhabenen und Urkaisern auch die erfolgreichen Ming-­Kaiser wie etwa der Hongwu-Kaiser (Kaiser 1368 – 1398), der selbst aus einer ­Bauernfamilie stammte. Er hatte eine gezielte Förderung der Landwirtschaft und des Bauernstandes betrieben und damit während seiner Regierungszeit große Erfolge zu verzeichnen. Stearns, Peter N.: World Civilizations: The Global Experience. New York 52006. S. 511f.

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und den Qianlong-Kaiser. Es handelt sich dabei vor allem um Quellen wie persön­liche Aussagen bzw. Selbstver­pf­l ichtungen der Herrscher und rituelle Handlungen der Kaiser im Kontext der Landwirtschaft, die in Anlehnung an historische Vorbilder aufgegriffen und in eine neue Qing-Tradition überführt wurden. Daneben werden einige gezielte politische Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft bzw. zur Vermittlung ihrer Bedeutung im gesamten Reich vorgestellt. Darin spiegeln sich jedoch nicht der reale Ist-Zustand des Ackerbaus oder der Viehzucht in den Regionen Qing-Chinas, sondern nur die ideale Leitlinie und ihre Bedeutung als ethisch-moralische und politische Zielvorstellung für die Herrscher der frühen Qing-Dynastie. Gerade der Ackerbau als Methode der Nahrungsgewinnung einer sesshaften Gesellschaft stellte für die Mandschu als herrscher­lichen Handlungsbereich eine Herausforderung und eine Neuerung hinsicht­lich ihrer Funktion dar, der sie sich zur erfolgreichen Etablierung ihrer Herrschaft stellen mussten. Es kann dabei jedoch nicht der interessanten Frage nachgegangen werden, inwieweit die Ackerbaurituale und der herrscher­liche Wirkungsbereich der Landwirtschaft den Wandel in Führungsqualität und Herrschaftsauffassung vom Khan der Mandschu zum Kaiser Chinas mitbestimmten,117 sondern nur, wie sich Letztere – das Verständnis als chinesische Kaiser im Kontext der Landwirtschaft im Einklang mit dem Konzept des xiao, der patriarchalischen Herrschaftsausübung – in öffent­lichen Bekundungen äußerte. Die Beispiele wurden aus der Regierungszeit von den Monarchen der Qing-Dynastie ausgewählt, deren Herrschaftsausübung europäische Beobachter, insbesondere Jesuiten, unmittelbar miterlebt hatten und die deshalb Gegenstand zahlreicher Berichte nach Europa waren. Vergleiche zu den Berichten der Jesuiten über das kaiser­liche Handeln im nächsten Kapitel können leichter gezogen werden, wenn im Folgenden die realen Hintergründe ihres Wissens vorgestellt werden. Ein inhalt­ liches Bindeglied zu dem in den Reiseberichten vermittelten Wissen zu geben, ist das Ziel dieses Kapitels. Danach richtet sich auch die Auswahl der hier vorgestellten Beispiele. Gezeigt werden soll damit, auf welchem Hintergrund das nach Frankreich und damit nach Westeuropa vermittelte Wissen über die Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in China beruhte. Insbesondere das Pflugritual der Kaiser fand in den China-Berichten der Europäer des 18. Jahrhunderts große Beachtung, was deshalb im folgenden Kapitel ausführ­lich im Kontext der Traditionen und der klassischen konfuzianischen chine­sischen Herrschaftslehre sowie aus der Perspektive der Pf­lichterfüllung der Qing-­Kaiser vorgestellt wird.

117 Pamela Crossley gibt einen eindrucksvollen Einblick in den Wandel der Herrschaftsausübung und Auffassung der ganz frühen Qing vom „Khanship“ zum „Kingship“ bzw. „Emperorship“. C ­ rossley, Pamela K.: A Transcultural Mirror. History and Identity in Qing Imperial Ideology. Berkeley 1999. S. 138ff, zur Auseinandersetzung mit den Konzepten des chinesischen Kaisertums durch die Mandschu S. 190ff.

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2.2.1 Shennong, der kaiser­liche Ackerbaukult und die Bedeutung der Rituale

Das traditionelle chinesische Naturverständnis beruhte auf der Wahrnehmung der Natur als Kosmos, als Wildnis, als Agrikulturlandschaft, als ästhetische Kategorie und als Garten- oder Parklandschaft. Die Natur als Perfektion und damit als nachahmenswerte sowie Orientierung gebietende Ordnung (xu) offenbarte sich in den Jahreszeiten. Der Kreislauf der Natur avancierte zum Vorbild eines funktionierenden Organismus, das sich bestens eignete, auf die mensch­liche Gesellschaft übertragen zu werden. Aus ihm erwuchsen das Modell für ein harmonisches Zusammenleben in Staat und Gesellschaft sowie die Rolle des Kaisers.118 Natur und Kultur bildeten hier ein Gegensatzpaar. Während dahuang, die Wildnis, oft als unwirt­lich und bedroh­lich empfunden wurde, standen der Wert und der Erfolg der Agrarlandschaft (tian Acker/Feld, tiandi Ackerboden) und somit der von Menschen umgestalteten und genutzten Natur ihrem Rohzustand positiv gegenüber. Die aktive Umgestaltung der Natur durch den Menschen zur Nahrungsgewinnung wurde von den frühen chinesischen Philosophen zum wesent­lichen Merkmal mensch­licher Existenz, zur Wurzel des Daseins erhoben.119 Die Bearbeitung der Natur hing jedoch von den Jahreszeiten ab. Deshalb kam dem Kaiser als dem würdigsten Menschen und als Sohn des Himmels in dessen Auftrag die Aufgabe zu, den Weg des Himmels durch Riten (li)120 an seine Untertanen zu vermitteln, sie dadurch

118 Licia di Giacinto betont diese übereinstimmende Sicht in zahlreichen intellektuellen Ansichten und Strömungen der vorkaiser­lichen Zeit. Deut­lich wird sie beispielsweise in den Worten des Eklektizisten Dong Zhongshus: Frühling und Sommer, Herbst und Winter sind etwas, dem der Sohn des Himmels folgt. [Er] soll die numerische Konstante des Himmels und der Erde zum Modell nehmen, so dass er im mittleren Bereich Harmonie unter den Menschen schafft. Deshalb werden alle, vom Sohn des Himmels, den Lehnsfürsten, den Grundbesitzern bis hin zur einfachsten Bevölkerung, in der Lage sein, Himmel und Erde zum Modell zu nehmen und die Vier Jahreszeiten zu befolgen, um den Staat zu ordnen. Zit. n. Di Giacinto, Licia: Soziale Kritik am Ende der späteren Han-Dynastie. In: Roetz, Heiner (Hg.): Kritik im alten und modernen China. Wiesbaden 2006. S. 83 – 100. Hier S. 96. 119 Linck, Gudula: Naturverständnis im vormodernen China. In: Sieferle, Rolf-Peter/Breuninger, Helga (Hg.): Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte. Frankfurt/M. 1999. S. 73 – 117. Hier S. 80 – 83. Kolb, Raimund Theodor: Landwirtschaft im alten China. Teil I. Shang Yin. Berlin 1992. Einleitung. Kang, Chao: Man and Land in Chinese History: An Economic Analysis. Stanford 1986. Zum Natur- und Umweltverständnis unter den Qing vgl. Menzies, Nicholas: Trees, Fields, and People: The Forests of China From the Seventeenth to the Nineteenth Century. Berkeley 1988. 120 Zum differenzierten konfuzianischen Verständnis bzw. auch zur mystischen und ästhetischen Konnotation des Begriffs li vgl. Smith, Richard J.: Ritual in Ch’ing Culture. In: Liu, Kwang-Ching (Hg.): Orthodoxy in Late Imperial China (Studies on China, Bd. 10). Berkeley 1990. S. 281 – 310. Hier S. 284f. Ergänzend Fingarette, Herbert: Confucius – The Secular as Sacred. New York 1972. S. 2 – 17. Wilson, Thomas A.: Culture, Society, Politics, and the Cult of Confucius. In: Ders. (Hg.): On Sacred Grounds. Culture, Society, Politics, and the Formation of the Cult of Confucius (Harvard East Asian Monographs). Cambridge/Mass. 2002. S. 1 – 42. Ebrey, Patricia B.: Confucianism and Family Rituals in Imperial China. Princeton/New Jersey 1991. Einleitung. Zur Definition von

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handlungsanleitend zur Nachahmung zu bewegen und so Brüche im Kosmos zu verhindern. Nach der konfuzianischen Lehre hatte er sich dabei nach alten historischen Traditionen zu richten, um aus ihnen geltende Normen für sich und seine Untertanen abzuleiten. Diese Ergebenheit erstreckte sich somit auf die Ahnen des Kaisers und die so genannten Erhabenen, die verehrten mythischen, quasi gött­lichen Heroen.121 Zu ihnen gehört Fuxi (2900 v. Chr.), der die Menschen der Überlieferung zufolge die Haltung von Haustieren lehrte. Ungleich wichtiger ist jedoch Xiannong bzw. S­ hennong, der gött­liche Landmann oder der erste Bauer (Übersetzung von Shennong) als Urkaiser. Er soll nach mythischen Vorstellungen um 2800 v. Chr. die Chinesen den Ackerbau gelehrt und den Pflug als wichtigstes Gerät zur Bebauung des Bodens erfunden haben. Den Nutzen, die Wirkung und die Verträg­lichkeit zahlreicher Pflanzen hatte der mythische Held nach Aussage von Schriften aus der Zeit der West­lichen Han-Dynastie im Selbstversuch getestet und in einem Handbuch Shennongs Abhandlung von den Wurzeln und Kräutern (Shennong bencao jing) zusammengestellt. Den Reis erklärte er dabei zur heiligen Pflanze.122 Durch diese wesent­lichen Kulturleistungen zum Wohle der Menschen 123 avancierte er zu einem der fünf Urkaiser der Chinesen, denen in der Riten hinsicht­lich ihrer Verschmelzung von soziologischen und religiösen Elementen vgl. Bell, ­Catherine: Acting Ritually. Evidence from the Social Life of Chinese Rites. In: Fenn, Richard K. (Hg.): The Blackwell Companion to Sociology of Religion. Malden/Mass. 2001. S. 371 – 388. Hier S. 372, S. 376. Zur bedeutenden Funktion von Ritualen für die kulturelle Einheit und das Gefühl von „Chineseness“ vgl. S. 373f. Zu den Paradigmen von Schlüsselritualen S. 378. Zum Verständnis von li als „correct performance of ritual“ vgl. Feuchtwang, Stephan: School Temple and City God. In: Skinner, William G. (Hg.): The City in Late Imperial China. Stanford/CA 1977. S. 581 – 608. Hier S. 539. 121 Zum kosmologisch-sakralen Herrschaftsverständnis der chinesischen Kaiser und ihren Pf­lichten zwischen Himmel und Erde vgl. zusammenfassend Crossley, Pamela Kyle: The Rulerships in China. In: The American Historical Review 97/5 (1992). S. 1468 – 1483. Hier S. 1476 – 1478. Ebenfalls Fiedeler, Frank: Himmel, Erde, Kaiser. Die Ordnung der Opfer. In: Budde, Hendrik (Hg.): Europa und die Kaiser von China 1240 – 1816. Ausstellung im Martin-Gropius-Bau 12. Mai bis 18. August. Berlin/Frankfurt/M. 1985. S. 62 – 71. Hier S. 62f. Zu den Staats- und Hofriten unter den Qing vgl. grundlegend Smith, Richard J.: China’s Cultural Heritage. The Ch’ing Dynasty, 1644 – 1912. Boulder 1983. S. 124 – 133. Zur Rolle des Buddhismus unter den Qing S. 134 – 143. Zu den mythischen Kaisern in China vgl. Guisso, Richard W. L./Pagani, Catherine: The First Emperor of China. New York 1989. Mabbet, Ian (Hg.): Patterns of Kingship and Authority in Traditional Asia. London 1985. Zur grundsätz­lichen Bedeutung von Himmel und Erde und ihrer Gleichsetzung mit Menschen, Tieren und Zahlen vgl. Forke, Alfred: The World-Conception of the Chinese. Their Astronomical, Cosmological and Physico-Philosophical Speculations (Probsthain’s Oriental Series, Bd. 14). London 1925. S. 76ff, S. 118ff. Zur Rolle der fünf Elemente, ibd. S. 228ff. 1 22 Das Buch wird von der heutigen Forschung zwischen 300 v. Chr. und 200 n. Chr. datiert. Schneebeli-­ Graf, Ruth: Nutz- und Heilpflanzen Chinas – Botanische Berichte und Bilder aus China. Frankfurt/M. 1992. S. 11. Zu den Ursprüngen der chinesischen Landwirtschaft vgl. grundsätz­lich Bray, Francesca: Agriculture. In: Needham, Joseph (Hg.): Science and Civilisation in China. Reprint Cambridge 1986. Bd. 6, II, S. 27ff. 123 Kritische Stimmen wie das Zhuangzi subsumierten die Zivilisationsleistungen und das Auftreten der Kulturheroen auch als Abkehr von der Natur und als Institutionalisierung von Herrschaft. Shennong

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frühen Qing-Dynastie eine quasi gött­liche Verehrung zukam. Ein zwölfteiliges Album des Malers Xu Yetian aus dem 18. Jahrhundert mit legendären und historischen Persön­ lichkeiten zeigt eine typische Tuschedarstellung Shennongs. Der Urkaiser (Shennong) trägt eine Robe aus Blättern, besitzt weißes Haar und Hörner. Die Darstellung zeigt ihn bei der Verkostung und damit seiner wichtigsten Leistung: der Unterscheidung und Zuordnung von giftigen bzw. genießbaren Pflanzen.124 Einem anderen der fünf Urkaiser, Yao, wird die Erfindung des Kalenders und der jahreszeit­lich bedingten notwendigen Riten zugeschrieben. Gleichzeitig verewigte sich in seiner Person das Ideal weiser Herrschaft, die nicht vererbt, sondern nur an den besten, moralisch gefestigten Nachfolger weitergegeben werden sollte. Yao überging seinen leib­lichen Sohn, weil er ihm die Qualitäten zur Herrschaft absprach, und erwählte den einfachen Bauern Shun, der fleißig und fried­lich seiner Arbeit und der Leitung seiner Familie nachging. Leistung und Verdienst sollten zur Herrschaft qualifizieren und legitimieren. Shun galt schon Konfuzius als moralisches Vorbild.125 Auf Kaiser Shun, den letzten der legendären bzw. fünf Urkaiser, geht wiederum die Erfindung der Schrift und damit die Literatur und Dichtung zurück, die dann unter Kaiser Han Wudi 126 zu erster Blüte gebracht wurde. Die enge Verflechtung von Politik und Dichtung erwuchs aus der Nachfolge Shuns bzw. Han Wudis und zeigte sich insbesondere in der Person des Kaisers als staat­liches und kulturelles Oberhaupt seines Landes. Die legendären Kaiser und kulturstiftenden Heroen, die in der älteren chinesischen Geschichtsschreibung teilweise als mythische oder als historische Persön­lichkeiten eingeordnet wurden, galten als Ahnen und Modellherrscher. Nicht zuletzt aus den

steht nach dieser Auffassung für die zweite Stufe des Niedergangs. Seine Erfindungen wie der Pflug zerstörten das Innere der Menschen. Heiner Roetz fasst die Kritik des Zhuangzi als die Sphäre des Mensch­lichen, Zweckgerichteten zusammen, die dem natür­lichen Urzustand gegenübertritt. Den Kampf mit der Natur verkörpert am besten die Landwirtschaft. Roetz, Heiner: Mensch und Natur in China. Zum Subjekt-Objekt-Gegensatz in der klassischen chinesischen Philosophie. Zugleich eine Kritik des Klischees vom chinesischen Universismus (Europäische Hochschulschriften, Reihe 20, Philosophie, Bd. 136). (Diss.) Frankfurt/M. 1984. S. 258ff. und S. 214. 124 Xu Yetian: Shennong, der Gött­liche Landmann und einer der Urkaiser. Tusche und Farbe auf Seide. 37 x 28,4 cm, China 18. Jahrhundert. Paris, Bibliothèque Nationale de France, Dépt. des Manuscrits Orientaux (Coll. Smith-Lesonef Chin 102). Abbildung in: Budde, Europa und die Kaiser von China, Abb. 120, Kat. Nr. 10/51, S. 129 und S. 316f. 1 25 Münke, Wolfgang: Die klassische chinesische Mythologie. Stuttgart 1976. S. 301ff. Gottschalk, Gisela: Chinas große Kaiser. Herrsching 1985. S. 8f. Schmidt-Glintzer, Helwig: Kleine Geschichte Chinas. München 2008. S. 20f. 126 Han Wudi (156 – 87 v. Chr.). Er war Kaiser der Han-Dynastie und erhob den Konfuzianismus zur Staatsphilosophie. Han Wudi engagierte sich aktiv für die Verschrift­lichung von Geschichte und für die Erzählkunst. Rohrer, Maria: Fiktion oder Wirk­lichkeit? Die „Fünfzig Palastlieder der Kaiserin Yang“ (1162 – 1232 n. Chr.) im Kontext der traditionellen chinesischen Dichtung. Wiesbaden 2005. S. 84. Schmidt-Glintzer, Helwig: Geschichte der chinesischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München ²1999. S. 54ff.

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Leistungen dieser legendären Vorbilder erwuchsen das Spektrum der herrscher­lichen Funktionen und Regierungsprinzipien sowie die Verpf­lichtung zum Erhalt und zur Fortführung der geschaffenen Kulturleistungen im Einklang mit dem Mandat des Himmels. Dieser politische Mythos verpf­lichtete die nachfolgenden Kaiser auf verschiedene fest umrissene Tugenden, Rollen und Pf­lichten. Eine Tugend und zugleich eine Pf­licht bestand in der kind­lichen Verehrung der Leistungen der Erhabenen und der Urkaiser sowie in der Fortführung oder Bewahrung des von ihnen Geschaffenen. Dazu verpf­lichtete den Kaiser das Prinzip des xiao. Gary G. Hamilton definiert xiao nicht wie in der englischsprachigen Forschung gängig als „filial piety“, sondern in Abgrenzung zu dieser europäischen Fehldeutung des chinesischen Prinzips als „filial duty or submission“.127 Wie ein Sohn besaß der Kaiser die Pf­licht und hatte es sich zur Tugend zu machen, sich gegenüber den Ahnenkaisern bzw. den Ahnen und dem Vater der eigenen Familie unterzuordnen. Er hatte ihnen bereitwillig und Ehre bezeugend gehorsam zu sein. Aus diesem Gehorsam ergaben sich eine grundsätz­liche Ordnung und Harmonie, ganz konkret aber auch der Erhalt der Zivilisation.128 Aus der patriarchalischen Idee leiteten sich Strukturen, Rollenmuster und Organisationsformen des konfuzianischen und neokonfuzianischen Gesellschaftssystems in China ab. Zhu Xi (1130 – 1200), der Begründer des Neokonfuzianismus, gab Beispiele für die Gültigkeit des patriarchalischen Gehorsams- und ehrerbietigen Unterordnungsverhältnisses zwischen Vater und Sohn, dem Kaiser und dem Minister, älteren und jüngeren Brüdern, Ehemann und Ehefrau sowie zwischen Freunden. Aus diesem Verständnis ergab sich die Funktion und Rolle des Kaisers als Vater des Volkes und die gleichzeitige Pf­licht der Untertanen zur Loyalität bzw. zur ehrerbietigen Unterordnung. Die Pf­l icht basierte auf dem moralischen Prinzip, das dem Konzept der „filial duty“ zugrunde lag.129 Diese 127 Hamilton hält diese Übersetzung für nicht treffend genug, das piety bzw. die lateinische pietas auf familiären Emotionen bzw. Liebe beruht, die aus europäischer Sicht auch auf den chinesischen Herrscher übertragen wurde. Er setzt sich auch kritisch mit der Weber’schen These der Analogie der patriarchalischen Konzepte in Griechenland, Rom und China auseinander und kommt zum Ergebnis, dass es sich bei einer differenzierten Betrachtung um deut­liche Unterschiede handelt. Einzelheiten zur Abgrenzung der Konzepte werden im Kapitel zu den Reiseberichten ausführ­licher diskutiert. Hamilton, Gary G.: Patriarchy, Patrimonialism, and Filial Piety: A Comparison of China and ­Western Europe Author(s). In: The British Journal of Sociology 41/1 (1990). S. 77 – 104. Hier S. 84 und S. 96. Die Definition „filial duty“ findet sich bei Nylan. Nylan, Michael: Confucian Piety and Individualism in Han China. In: Journal of the American Oriental Society 116/1 (1996). S. 1 – 27. Hier S. 2 und ausführ­licher für die Han-Zeit S. 8. Vgl. auch Ebrey, Patricia: The Aristocratic Families of Early Imperial China (Cambridge Studies in Chinese History, Literature and Institutions). Cambridge 1978. Einleitung. 128 Das Shujiing, das Buch der Urkunden, gebot beispielsweise, dass nachfolgende Generationen auf den Spuren der Ahnen schreiten sollen. Legge, James (Übers.): The Sacred Books of China. Bd. 1 (Sacred Books of the East, Bd. 3). Oxford 1879. S. 20f. 129 Ibd. S. 95 und S. 98. Nylan betont für die Übertragung der filial duty auf die Sphäre des Staates die Verbindung der Komponenten filial und incorrupt. Dies hatte insbesondere für das Beamtenwesen

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patriarchalische Funktion verpf­lichtete den Kaiser deshalb auch, selbst als moralisches Vorbild gegenüber dem Volk 130 aufzutreten. Seine Position begünstigte aber auch den Effekt seines Handelns. Das Volk orientierte sich nach Alfred Forke an den Verhaltensweisen und Handlungen des Kaisers. Der Geist, den der Herrscher ausstrahle, wirke auf die Menschen inspirierend wie die Kraft des Frühlings.131 Darüber hinaus fungierte der Herrscher immer als rituelles Oberhaupt und hielt so die Verbindung der Erde mit dem Himmel in Harmonie. Rituale wirkten ordnend bzw. stabilisierend und bildeten zugleich die vorgegebene Ordnung ab. Sie wiederholten mit dem Kaiser an der Spitze immer wiederkehrend die zivilisatorischen Leistungen der Urkaiser und versicherten die Menschen dieses zivilisatorischen Standards in der eigenen Gegenwart.132 Die im Ritual verankerten und vermittelten „teachings of status“ stellen die Essenz des Konfuzianismus dar. Im Kompendium zum Familienritual Jiali huitong aus dem Jahr 1734 heißt es: Through ritual [the positions of ] honorable and lowly are fixed, intimate and distant are separated, Heaven is served above, Earth is served below, ancestors are respected, and sovereigns and teachers are glorified. […] In the end, ritual is what distinguishes men from beasts.133 Dem Kaiser kam als Sohn des Himmels innerhalb der Rituale die wichtigste Funktion zu, denn die Rituale hatten ihren Ursprung im Himmel und bildeten alles, jeden Gegenstand und seine Funktion zwischen Himmel und

als Tugendrichtlinie zu gelten. Nylan, Confucian Piety and Individualism in Han-China, S. 11. 130 Unter den Qing-Herrschern erreichte China die größte territoriale Ausdehnung seit Beginn der Geschichte des Kaiserreiches. Es umfasste zahlreiche Volks- und Religionsgruppen. Als „Volk“ wurden deshalb unter den Qing-Kaisern alle Bewohner des Reiches der Mitte mit Ausnahme der Muslime verstanden, unabhängig von ihrer ethischen oder religiösen Zugehörigkeit, solange sie neben ihrer Religion und eigenen Kultur den konfuzianischen Staatskult akzeptierten. Es ging um die symbolische Manifestierung der Loyalität gegenüber der Zentralmacht. Zugehörigkeit zum Volk definierte sich durch Nähe und Akzeptanz zur chinesischen Staatskultur. Die Muslime bildeten eine eigene Gesellschaft mit bewusster Distanz zu anderen Gruppen. Das Verfahren der Integration der Völker und Ethnien orientierte sich bei den frühen Qing an der Zeit der streitenden Reiche und der integrierenden Handlungen der legendären Kaiser Yao, Shun und Yu. Vgl. dazu Bauer, Wolfgang: Einleitung. In: Ders. (Hg.): China und die Fremden. 3000 Jahre Auseinandersetzung in Krieg und Frieden. München 1980. S. 7 – 41. Linck, Gudula: Die Menschen in den Vier Himmelsrichtungen. Chinesische Fremdbilder. In: Schmidt-Glintzer, Helwig (Hg.): Das andere China. Festschrift für Wolfgang Bauer zum 65. Geburtstag (Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 62). Wiesbaden 1995. S. 257 – 289. Kuo, Heng-yü: China und die Barbaren. Eine geistesgeschicht­liche Standortbestimmung. Stuttgart 1967. Hsü, Immanuel C. Y.: China’s Entrance into the Family of Nations. The Diplomatic Phase 1858 – 1880 (Harvard East Asian Series, Bd. 5). Cambridge/Mass. 1960. Einleitung. 131 Forke, Alfred: Geschichte der mittelalter­lichen chinesischen Philosophie (Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde, Reihe B, Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen, Bd. 41). Hamburg ²1964. S. 43. 132 Gemeint sind Prinzipien der Einheit, des Yin und Yang, die Jahreszeiten, sechs Töne in der Regierung etc., die den Urkaisern zu verdanken waren. Rohrer, Fiktion oder Wirk­lichkeit? S. 152 – 157. 133 Zit. n. Smith, Ritual in Ch’ing Culture, S. 281 und S. 288.

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Erde ab.134 In seinem kaiser­lichen Haushalt spiegelte sich nach konfuzianischer Vorstellung die gesamte hierarchische Struktur des Staates.135 In den Staats- und Hofritualen offenbarten sich die gesamten Subordinations- und Autoritätsverhältnisse zwischen Himmel und Erde. Grundsätz­lich bildeten die Rituale den Lebens- und Jahreszeitenzyklus ab. Auch diese Ordnung des ewigen geordneten Wandels der Jahreszeiten hatte der Kaiser mit seinem rituellen Handeln zu garantieren.136 Seine Person als „theocratic ritualist“ wurde deshalb grundsätz­lich als sakral bzw. heilig verehrt.137 Die Rituale stellten darüber hinaus ein Herrschaftsinstrument für die Kaiser dar. Insbesondere der Kangxi-Kaiser, der Yongzheng-Kaiser und der Qianlong-­Kaiser erkannten dieses Potential der Riten und nutzten es. Diese boten ihnen die Legitimation ihrer politischen Macht und Autorität sowie differenzierte Mechanismen administra­ tiver Kontrolle. James Legge hatte die Funktion der Rituale als Macht- und Kontroll­ instrument für China erkannt: „Ceremonies [li] form a great instrument in the hands of the ruler. […] To govern a state without ritual would be as if to plow a field without a plowshare.“138 Gerade die frühen Qing-Kaiser sahen nach ihrer kriegerischen Macht­ übernahme in der Rückbesinnung auf traditionelle Riten und ihre Vereinheit­lichung, aber auch der Aufnahme neuer symbolischer Praktiken den Schlüssel für die kulturelle und strukturelle Integration aller Untertanen, aller religiösen und kulturellen Ethnien und Minderheiten ihres riesigen Reiches. Die konfuzianischen Riten und bewussten Traditionslinien, die von Han Wudi aus der Han-Dynastie in die Qing-Dynastie gezogen wurden, richteten sich insbesondere an die Han-Chinesen.139 Die Rituale sollten

134 „Every thing between Heaven and Earth is bound up [p’an-chi] in ritual.“ Legge, James (Übers.): The Sacred Books of China. Bd. 3 (Sacred Books of the East, Bd. 27). Oxford 1885. S. 380 – 384 und S. 388. 135 Zum Verständnis von Hierarchie vgl. Jing, Junjian: Hierarchy in the Qing Dynasty. Social Sciences in China: A Quarterly Journal 3/1 (1982). S. 156 – 192. 136 Smith, Ritual in Ch’ing Culture, S. 292. 137 Seiwert erarbeitet Kriterien für die Sakralität der chinesischen Kaiser. Dazu zählen u. a. ihre Polyfunktionalität, der ungeheure Verantwortungsumfang innerhalb irdischer und nichtirdischer Sphären in Abstimmung und Abhängigkeit zu grundlegenden Gesetzen und ihre rituellen Handlungen, die kollektive Emotionen und Empfindungen hervorrufen. Seiwert, Hubert: Sakralität und Herrschaft am Beispiel des chinesischen Kaisers. In: Erkens, Franz-Reiner (Hg.): Die Sakralität von Herrschaft. Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume. Fünfzehn interdisziplinäre Beiträge zu einem weltweiten und epochenübergreifenden Phänomen. Berlin 2002. S. 245 – 268. Hier S. 255ff. 138 Legge, The Sacred Books of China, Bd. 3, S. 375. 139 Crossley, A Transcultural Mirror. History and Identity in Qing Imperial Ideology, S. 227ff und S. 246ff. Di Cosmo, Nicola: Manchu Shamanic Ceremonies at the Qing Court. In: McDermott, Joseph P. (Hg.): State and Court Ritual in China (University of Cambridge Oriental Publications, Bd. 54). Cambridge/Mass. 1999. S. 352 – 398. Hier S. 355. Zur bedeutenden Funktion von Ritualen für die kulturelle Einheit und das Gefühl von „Chineseness“ vgl. Bell, Acting Ritually, S. 371 – 388. Hier S. 373. Eine wichtige Rolle der lokalen Identifikation mit den neuen Herrschern übernahmen auch die Stadt- und Maueraltäre, die unter den Qing renoviert wurden. Eine besondere Bedeutung

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identitätsstiftend wirken. Sie vermittelten die Kultur, die Gesetze und die Loyalität zum Staat und sollten alle Ethnien darauf verpf­lichten. Die von den frühen Qing-Kaisern anvisierte Standardisierung der Rituale im gesamten Reich bezweckte eine sichtbare, visualisierte Präsentation der Gesellschaft als Gemeinschaft – sowohl in Bezug auf die Hierarchien als auch die Ethnien. In der Akzeptanz dieser Gemeinschaft lag wiederum der Schlüssel zur politischen Stabilität. Herrscher wie der Qianlong-Kaiser ließen deshalb die traditionellen Rituale unterschied­licher Ethnien sammeln, anhand der klassischen Texte prüfen 140 und in Ritualhandbüchern verankern sowie in offiziellen Memoranden, Bekanntmachungen und auf Tempelstelen veröffent­lichen.141 In den Ritualen und der rituellen Funktion des Kaisers war auch die Schaffung von Voraussetzungen für die Ernährung der Bevölkerung enthalten. Kaiser­liche Ritualhandlungen galten als Vorbedingung für erfolgreiche Aussaaten und ertragreiche Ernten in der Landwirtschaft. Insbesondere die korrekte Durchführung des Pflugrituals brachte den Menschen die Sicherheit, dass alle Grundlagen für ihre Nahrungsgewinnung gelegt worden seien.

kam den Hauptstadtaltären in Peking zu. Zito, Angela R.: City Gods, Filiality and Hegemony in Late Imperial China. In: Modern China 13/3 (1987). S. 333 – 371. 140 Etwa durch das Liji, das Buch der Riten, das Zhouli, die Riten der Zhou, das Ming huidian, die gesammelten Statuten der Ming-Dynastie von 1509 und 1587, etc. Sie flossen im Da Qing ­huidian (Gesammelte Statuten) unter den Qing-Herrschern zusammen. Das Werk zielte darauf, sämt­liche Regierungs- und Hofinstitutionen sowie ihren Wirkungsbereich zu beschreiben und festzulegen. Darüber hinaus enthält das Kompendium auch eine ausführ­liche Sammlung zu den „Riten“. Im späteren so genannten Da Qing huidian tu (Illustrationen zu den gesammelten Statuten der G ­ roßen Qing) finden sich Schemata zu den Positionen einzelner Personen oder Gruppen während der Rituale. Später wurde das Da Qing tongli (Gesammelte Riten der Großen Qing) als separate Publikation der Riten-Sektion des Da Qing huidian herausgegeben. Vgl. dazu die Einleitung von Joseph P. McDermott. In: Ders. (Hg.): State and Court Ritual in China (University of Cambridge Oriental Publications, Bd. 54). Cambridge/Mass. 1999. S. 1 – 19. Hier S. 2f. Er gibt auch einen guten Überblick zum Forschungsstand hinsicht­lich der in den unterschied­lichen Dynastien geltenden Rituale sowie der Bedeutung nicht konfuzianischer Ritualtraditionen. Vgl. insbesondere zum Da Qing huidian tu Bastid-Bruguière, Marianne: La « position » dans le cérémonial d’État à la fin de l’Empire. In: Extrême-Orient, Extrême-­ Occident 18 (1996). S. 51 – 69. 141 Sutton spricht von der „accommodation of diversity.“ Sutton, Donald S.: Ritual, Cultural Standardization, and Orthopraxy in China. In: Modern China 33/1 (2007). S. 3 – 21. Hier S. 7, auch S. 5 und S. 10f. Zur Bedeutung der Klassiker für die Qing und ihre Ausrichtung der Rituale vgl. Zito, Angela: Of Body and Brush. Grand Sacrifice as Text/Performance in Eighteenth-Century China. Chicago 1997. S. 69ff. Schipper, Karl: Vocabulary and Taxonomy of State Ritual. Paper at the Conference on State and Ritual in East Asia. Paris 1995. S. 4ff.

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2.2.2 Das kaiser­liche Pflugritual

Im Kontext der hohen Bedeutung der Landwirtschaft als Nahrungsquelle der Bevölkerung hatte der jeweils amtierende Kaiser dem Urkaiser und ersten Landmann ­Shennong in einem Ritual am Ackerbaualtar bzw. später unter den Qing-Kaisern am Ackerbau­ tempel zu huldigen.142 Kam der Monarch seiner Aufgabe zu opfern und zu pflügen nicht nach, geriet das Gleichgewicht zwischen Himmel und Erde in Gefahr. Beispiele aus der Geschichte belegten die Folgen der Vernachlässigung und mahnten zur Durchführung: König Xuan von Zhou (um 827 – 782 v. Chr.)143 hatte z. B. das heilige Feld nicht bestellt. Herzog Wen von Guo tadelte ihn mit dem Hinweis auf die Bedeutung der durch den Ackerbau erzeugten Nahrung für das Volk.144 Im Rahmen der Staatsrituale der Qing nahm das Ritual zu Ehren des Shennong mit dem eigenhändigen Pflügen des Kaisers innerhalb des Da Qing tongli den 2. Grad ein. Vor ihm standen die Rituale des Himmels, der Erde und der Ahnen.145 In den wechselnden Hauptstädten der chinesischen Dynastien und auf dem Land wurden Shennong zahl­reiche Altäre geweiht.146 An ihnen hatten die Kaiser oder in den Provinzen die

142 Das Ritenministerium der Qing-Kaiser überwachte die exakte Durchführung der staat­lichen Riten. In den unter den Qing-Kaisern entstehenden Ritualkompendien wurden Abläufe von Riten fixiert, die anhand klassischer Texte eingehend geprüft worden waren. Ihrer Wirkung als „accepted procedure“ stand somit legitimerweise nichts entgegen. Bell, Acting Ritually, S. 372. Bastid-Bruguière, La « position » dans le cérémonial d’État, S. 31. 143 Die Daten können nicht als gesichert gelten. Sie wurden hier nur angeführt, um das Beispiel grob zeit­lich zu verorten. Zudem wurden die Fürsten der Zhou-Dynastie noch nicht als Kaiser bezeichnet. 144 Franke, Otto: Kêng Tschi T’u. Ackerbau und Seidengewinnung in China: Ein kaiser­liches Lehrund Mahn-Buch (Abhandlungen des Hamburgischen Kolonialinstituts, Reihe B, Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen , Bd. 8 bzw. 11 der Gesamtausgabe). Hamburg 1913. S. 5. Mit einer kurzen differenzierten Betrachtung der Verbindung von Landbau und den Kaisern vgl. Wagner, Rudolf G.: The Concept of Work/Labor/Arbeit in The Chinese World. In: Bierwisch, Manfred: Die Rolle der Arbeit in verschiedenen Epochen und Kulturen (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berichte und Abhandlungen, Sonderband 9). Berlin 2003. S. 103 – 137. Hier S. 131f. 145 Zito, Of Body and Brush, S. 193ff und S. 246. Die Ackerbaurituale gehörten zu den zivilen Ritualen, denen die des Militärs gegenüberstanden. Da gerade unter den Qing das Militär den Zusammenhalt des Reiches garantierte, wurde den militärischen Riten eine größere Bedeutung beigemessen als unter den Ming. Waley-Cohen, Joanna: Culture of War in China: Empire and the Military under the Qing Dynasty (International Library of War Studies, Bd. 7). London 2006. S. 13ff und S. 66ff. 146 In der Han-Dynastie befanden sich die Altäre süd­lich von Chang’an und die Kaiser opferten im Frühling und Herbst zur Saat und Erntezeit. Vgl. Qingbo, Duan: Die Hauptstadt Chang’an während der Han-Dynastie. In: Frings, Juttta (Hg.): Xi’an. Kaiser­liche Macht im Jenseits. Grabfunde und Tempelschätze aus Chinas alter Hauptstadt. Darmstadt 2006. S. 49 – 62. Hier S. 62. In der Tang-Dynastie kam insbesondere unter dem Kaiser Gaozong (†683) und seiner Gemahlin Wu

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Vizekönige entsprechende Opfer zu bringen oder Rituale durchzuführen.147 Das kaiser­ liche Pflugritual auf dem Guangeng tai, dem Land neben dem Tempel, war theoretisch seit der Zhou-Dynastie (770 – 256 v. Chr.) bis 1911 ohne Unterbrechung Bestandteil kaiser­licher Pf­l ichten.148 In der Realität wurde es jedoch immer wieder vernachlässigt oder durch kaiser­liche Beamte stellvertretend für den Monarchen ausgeführt.149 Vorbild­lich ging die Han-Dynastie mit diesem Ritual um. Die frühen Han-Kaiser verliehen laut historischer Tradition und eigener dynastischer Geschichtsschreibung 150 dem Ritual Ernst, Würde und scheuten keinen Aufwand bei der Durchführung. So war auch Kaiser Han Wendi 151 (regierte 179 – 157 v. Chr.) die wichtige Aufgabe des Pflügens übertragen und laut dynastischer Überlieferung von ihm gewissenhaft ausgeführt worden: Die Landwirtschaft ist die Basis des gesamten Bereichs unter dem Himmel. Mit

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Zetian (625 – 705) der von König Ashoka (304 v. Chr. – 232 v. Chr.) gestifteten Fingerreliquie des Buddha Shakyamuni für den Frieden im Reich und das Gedeihen der fünf Getreidesorten eine große Bedeutung zu. Alle 30 Jahre wurde der Schrein im Famen Tempel geöffnet und die Reliquie in die Ackerbaurituale integriert. Wu Zetian stiftete als „himmlische Gattin“ unzählige Ballen von Seide für den Reliquienschrein. Vgl. Jinke, Han: Das buddhistische Kaiserreich – Die Epoche der Kaiserin Wu Zetian und der Famen-Tempel. In: Frings, Jutta/Willinghöfer, Helga (Hg.): Unter der gelben Erde. Die deutsch-chinesische Zusammenarbeit im Kulturgüterschutz. Mainz 2007. S. 167 – 180. Hier S. 172f. Mit den zahlreichen Verlegungen der Hauptstädte änderte sich oft je nach Klimazone der Zeitpunkt der Rituale. Zu den Pflugritualen unter den Tang und ihrem Bezug zu Shennong vgl. auch McMullen, David: Buraucrats and Cosmology: The Ritual Code of T’ang China. In: Cannadine, David/Price, Simon (Hg.): Power and Ceremonial in Traditional Societies. Cambridge 1987. S. 181 – 236. Hier S. 202ff. Immer noch von Bedeutung die Einleitung von Franke, Kêng Tschi T’u, S. 24. Zu Franke und seinen Manuskripten bzw. Sammlungen vgl. die Übersicht von Keller, Helga (Bearb.): Die Sammlung Franke in der Preußischen Staatsbibliothek. Hg. v. Hartmut Walravens (Orientalistik-Bibliographien und Dokumentationen, Bd. 15). Wiesbaden 2001. Sie galten in der Kategorisierung der Opfer als mittlere Opfer. Armstrong, Edward A.: Chinese Bull Ritual and Its Affinities. In: Folklore 56,1 (1945). S. 200 – 207. Hier S. 201. Vgl auch Fiedeler, Himmel, Erde, Kaiser, S. 66. Franke verweist darauf, dass der Kult schon um 1900 durch die Entweihung des Himmelstempels durch europäische Truppen nur noch eingeschränkt durchgeführt wurde. Um 1912 war nach Zeitungsmeldungen des North China Herald geplant, das Gelände um den Himmelstempel als landwirtschaft­liches Mustergut zu gestalten und zu nutzen. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 10, FN 7. Armstrong, Edward A.: The Ritual of the Plough. In: Folklore 54,1 (1943). S. 250 – 257. Hier S. 251. Zu den Staats- und Hofritualen unter den Qing vgl. Rawski, Evelyn S.: The last Emperors. A Social History of Qing Imperial Institutions. Berkeley/Los Angeles 1998. S. 197 – 230. In diesem Kapitel wird insbesondere auf das kaiser­liche Regenritual eingegangen. Nicht zuletzt aus Kostengründen wurde das Ritual oft vernachlässigt. Eichhorn, Werner: Die alte chinesische Religion und das Staatskultwesen (Handbuch der Orientalistik, Bd. 4). Leiden/Köln 1976. S. 140. Die dynastische Geschichtsschreibung diente vor allem der Vorbildwirkung und Orientierung an den Ahnen. Die Voranstellung des Kaisertitels für Han Wendi wurde gewählt, weil es sich bei Wen nicht um einen Äranamen wie bei den Qing-Kaisern handelt.

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Rücksicht darauf hat man das Zeremonialfeld eröffnet, das ich persön­lich bearbeite, um die Gefässe im Ahnentempel mit Hirse zu füllen.152 An der Bedeutung des Rituals in der Han-Dynastie orientierten sich auch die frühen Qing-Kaiser. Dabei verliehen sie dem Ritual wie die früheren Dynastien durchaus ihre eigene Handschrift. Unter den Dynastien der späten Ming und Qing wurde das Pflugritual im Xiannong tan in Peking abgehalten. Dieser Altar für den ersten gött­lichen Landmann befindet sich west­lich, in unmittelbarer Nähe zum Tiantan, dem Tempel des Himmels, in der heutigen Dongjing Road im Xuanwu District (Abb. 1: Darstellung des Komplexes, Abb. 2: Ackerbautempel).153 Unter dem Yongle-Kaiser (Ming) war dort um 1420 der erste Altar errichtet und unter seinen Nachfolgern erweitert und ausgebaut worden.154 Der Komplex bestand und besteht noch heute aus zahlreichen Gebäuden wie der eher sch­lichten kaiser­lichen Plattform zur Beobachtung der Ernte. Unweit davon befindet sich das vom Qianlong-Kaiser 1754 errichtete feste Marmorpodest, auf welches der Kaiser nach dem Ziehen seiner drei Furchen zurückkehrte, um das Pflügen der Prinzen und Mandarine zu beobachten (Abb. 3: Podest, Abb. 4: Nahaufnahme Podest mit Drachen).155 Das Podest wurde reich mit gelb-grünen Kacheln verziert, die sich jedoch heute in einem schlechten Zustand befinden. Die Kacheln zweier Friese weisen Motive von Drachen und Pflanzen auf, die teilweise ineinander verschlungen sind. Sowohl farb­lich als auch motivisch unterstreichen die Kacheln das Fruchtbarkeitsprinzip. Grün steht mit den angedeuteten Pflanzen für das weib­lich passive, empfangende Prinzip Yin, gelb hingegen mit dem Drachen für das aktive, schöpferische, männ­liche Prinzip Yang und den Kaiser selbst.156 Die Plattform 1 52 Zit. n. Eichhorn, Die alte chinesische Religion und das Staatskultwesen, S. 139. 153 Heute befinden sich auf dem ehemals riesigen Gelände des Ackerbautempels mit angrenzenden Feldern ein öffent­licher Park, eine Mittelschule mit einem betonierten Schulhof und einem Basketballplatz sowie angrenzend das 1936 errichtete Fußballstadion. Die Plattformen sowie das Gebäude des kaiser­lichen Kleiderwechsels gehören heute zum Komplex des Museums für Alte Architektur. Die Gebäude waren bei meinem Besuch im Oktober 2011 geschlossen und in Restaurierung begriffen. Einige Schautafeln informieren über die ursprüng­liche Bedeutung und Nutzung des Geländes. Zu den älteren Ming-Kultstätten in Peking, die von den Qing genutzt bzw. ausgebaut wurden, vgl. Zito, Of Body and Brush, S. 132ff. Zur axialen Hierarchie der Altäre und Tempel im Rahmen der äußeren Verbotenen Stadt in Peking vgl. ibd. S. 142ff. Die Hierarchie der Tempel wird von Zito wie folgt eingeordnet: Der Tempel des Himmels nimmt den ersten Rang ein, gefolgt von dem der Erde, der Ahnen, dem des Bodens und des Getreides, dem der Sonne und des Mondes. Ibd. S. 143. 154 Arlington, Lewis Charles/Lewisohn, William: In Search of Old Peking. Peking 1935. S. 113 – 116. 155 An der Stelle befanden sich ursprüng­lich temporär erneuerte Holzpodeste. Das erste Holzpodest entstand im Jahr 1531 unter dem Ming-Kaiser Jiajing. Information nach Schautafel. Die Abbildung eines solchen Holzpodests findet sich auf der Darstellung der Pflugszene, die unter dem Yongzheng-­ Kaiser auf Seide fixiert wurde. Musée National des Arts asiatiques-Guimet in Paris, Collection Frey, Signatur MG 21449. 156 Die Symbolik der Kacheln hob die Nutzung und Bedeutung der Plattform als Ausgangspunkt des rituellen kaiser­lichen Pflügens zu Beginn des Frühlings als Voraussetzung für das künftige Wachstum visuell hervor, basierte doch das Erwachen der Natur auf dem Zusammenwirken der Dualkräfte des Yin und Yang: Dass Pflanzen und Bäume im ersten Monat zu sprießen beginnen, kommt von der

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wird von einer Balustrade aus Marmor bekrönt. Rechts neben dem repräsentativen Podest steht ein Gebäude, das dem Kaiser vor Beginn der Rituale zum vorgeschriebenen Wechsel seiner Kleider diente. In unmittelbarer Nähe befinden sich die heute noch erhaltenen Gebäude des Kornspeichers, in dem das heilige Getreide aufbewahrt wurde. Zum Komplex, der durch eine Mauer vom Tempel- und Ritualgelände abgegrenzt wurde, gehören eine Mühle und eine Küche, in der die Opfergaben aus dem vor Ort angebauten Getreide für Shennong zubereitet wurden (Abb. 5: Tor zum Komplex des Kornspeichers, Abb. 6: Wirtschaftsgebäude). Ein dreitüriger kaiser­licher Eingang führte zum Gelände der ehemaligen heiligen Ackerflächen sowie zu den Altären und Plattformen. Der amtierende Herrscher hatte den Urkaiser Shennong im ersten Monat des Frühlings durch das rituelle Pflügen zu ehren.157 Der genaue Ablauf des Rituals ist im zweiten Band des Da Qing tongli im 8. Kapitel verzeichnet, das Da Qing huidian tu (Illustrationen zu den gesammelten Statuten der Großen Qing) bietet Zeichnungen zu den einzelnen Positionen der teilnehmenden Personen.158 Das Ritual des kaiser­lichen Pflügens verlief unter den frühen Qing-Kaisern wie folgt: Der Kaiser näherte sich dem Erhabenen Shennong im Tempel wie ein Kronprinz von Osten her.159 Ihm gingen Beamte voran und es folgten ihm welche, ebenso wie die Leibwache in halbkreisartiger Formation. Die wichtigsten Zeremonialbeamten befanden sich bereits im Süden des Heiligtums. Im Norden stand ein nach Süden hin geöffnetes Zelt, in dem eine Tafel den mythischen Kaiser oder Erhabenen repräsentierte. Der Kaiser vollführte unter einem Baldachin vor dem Zelt des Ackerbaugottes den dreimaligen Kniefall und neunmaligen „Kotau“. Es handelte sich dabei um Bezeugungen von Devotion, die üb­licherweise sonst von allen Personen vor seinem eigenen Thron ausgeführt werden mussten. Vor Shennong standen währenddessen im Zelt 13 Speiseopfer aus Getreide und Früchten.160 Der Kaiser selbst hatte sich zwei Tage vor diesem Ritual jeder Speise und jeg­lichen Genusses enthalten müssen, um sich zu reinigen (Abb. 7: Detail aus dem Pekinger Teil des Yongzheng-­Schals).161

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Vereinigung von Yin und Yang, was ihre Entwicklung bewirkt. Forke, Alfred: Die Gedankenwelt des chinesischen Kulturkreises. München/Berlin 1927. S. 112f. Umfassende kulturhistorische Analysen zu diesem Ritual an sich fehlen bisher ebenso wie eine vergleichende Einordnung zu den entsprechenden Ritualen anderer asiatischer Monarchien. Erste wichtige Ergebnisse bietet Bastid-Bruguière, La « position » dans le cérémonial d’État, S. 56f. Vgl. die beiden Abbildungen zum Ritual am Ackerbautempel aus dem Da Qing huidian tu bei Bastid-­Bruguière, La « position » dans le cérémonial d’État, S. 66f, Fig. 3. Im Osten, so führt Eichhorn an, sei das Yang, das männ­liche Prinzip jung und kraftvoll. Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 120. Greiner, Peter: Hofzeremoniell der Mandschu-Dynastie. In: Ledderose, Lothar (Hg.): Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt. Frankfurt/M. 1985. S. 56 – 69. Hier S. 69. Ein kaiser­liches Opfer aus der Ära Yongzheng findet sich abgebildet auf S. 59, Katalog Nr. 26. Waschungen, Fasten, Kasteiungen wurden im Vorfeld des Rituals schon im 6. Jahrhundert n. Chr. verzeichnet. Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 141.

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Das Buch der Riten (Liji aus dem 4.-3. Jh. v. Chr.) berichtet, dass the son of the Heaven on the first days to God for a good year opferte, and afterwards, the day of the first conjunction of the sun and moon having been chosen, with the handle and share of the plough in the carriage, placed between the man-at-arms who is its third occupant and the driver, he conducts the three ducal ministers, the feudal princes and the Great officers, all with their own hands to plough the field of God. The son of Heaven turns up three furrows, each of the ducal ministers nine. When they return, he takes in his hand a cup in the great chamber, all the others being in attendance on him and the Great officers and says, “Drink this cup of comfort after your toil”. In this month the vapours of heaven descend and those of earth ascend. Heaven and Earth are in harmonious co-operation. All plants bud and grow.162 Nach dem Kaiser folgten die Prinzen und Minister dem Beispiel des Monarchen und pflügten. Bauern beendeten das rituelle Ziehen der Furchen (Abb. 8: Pariser Schal mit Pflugszene).163 Der Tag des Rituals bestimmte den passenden Zeitpunkt für die Aussaat von Reis im ganzen Land und bot mit den parallelen Ritualen, welche die Vizekönige ausführten, den Untertanen in allen Provinzen eine wichtige Orientierung. Es waren damit aber auch die kaiser­lichen Segenswünsche für eine reiche Ernte verbunden, die den Prozess der Aussaat in einen günstigen Kontext stellten.164 Zudem hatten symbolisch alle Vertreter der Gesellschaft, vom Monarchen über die zivilen und Militärmanda­ rine bis zum Bauern, alle einmal einen Pflug in den Händen gehalten und gelenkt. Keinesfalls führten die Bauern den gleichen Pflug wie der Herrscher. Sie nutzten eigene Geräte. Somit wurde der hierarchische Unterschied betont und sichtbar. Was sie aber 162 Legge, The Sacred Books of China, Bd 3, S. 254f. Liang, Ke: „Zeremonien“. In: Staat­liche Kunstsammlungen Dresden (Hg): Goldener Drache – Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644 – 1795). München 2008, S. 570. 163 Hodous, Lewis: Folkways in China. London 1929. S. 93 – 96. Sehr ähn­lich lautet der Bericht des Kaufmannes Lü Buwei über das kaiser­liche Pflügen aus dem Lüshi chunqiu (Frühling und Herbst des Lü Buwei), das um das Jahr 239 v. Chr. fertiggestellt wurde: Dann legt der König selbst eine Pflugschar an den dritten Platz des Wagens zwischen einen gepanzerten Wächter und den Wagenführer. Er begibt sich an die Spitze der drei höchsten Würdenträger, der neun hohen Räte, der Fürsten und Räte persön­lich zum Pflügen auf den gött­lichen Acker. Der Himmelssohn zieht drei Furchen, die drei höchsten Würdenträger ziehen fünf Furchen, die hohen Räte, Fürsten und Räte neun Furchen. […] Der König macht die Ackerbaugeschäfte bekannt. Er befiehlt den Feldaufsehern auf dem öst­lichen Anger ihre Wohnungen aufzuschlagen, die Grenzen und Scheidewege in Ordnung zu bringen, die Pfade und Kanäle gerade zu ziehen, eine genaue Übersicht anzufertigen über die Berge und Hügel, die Täler und Schluchten, die Ebenen und Sümpfe, und entsprechend dem, was an den einzelnen Plätzen am besten fortkommt, die fünf Getreidearten einzupflanzen. Um das Volk darüber zu belehren, müssen sie bei allem selbst dabei sein. Wenn die Felder im Voraus genau vermessen sind und nach der Linie begrenzt, so wissen die Bauern Bescheid. Zit. n. Wilhelm, Richard (Hg./Übers.): Chunqiu. Frühling und Herbst des Lü Bu We. Mit einem neuen einleitenden Essay von Wolfgang Bauer (Diederichs gelbe Reihe, Bd. 25). Düsseldorf/Köln 1979. Buch 1 Mong Tschun Gi, Kapitel 1, S. 2f. Zur Entwicklung chinesischer Pflüge und zu ihrem Gebrauch Bray, Agriculture, S. 138ff. 164 Schneebeli-Graf, Ruth: Nutz- und Heilpflanzen Chinas. Teil II. Nutz- und Heilpflanzen. Frankfurt/M. 1992. Lemma „Reis“, S. 75.

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über die Hierarchien hinweg als Gemeinschaft verband, war die gemeinsame Arbeit auf einem Stück Acker. Durch das gemeinsame Pflügen stand von mensch­licher Seite dem Erfolg des Feldbaus in dem Jahr nichts mehr im Wege, denn der Ackerbau stand sichtbar unter der Protektion aller Gesellschaftsränge.165 Die Sichtbarkeit der Aussage dieses Rituals äußerte sich allerdings nicht darin, dass die Öffent­lichkeit daran in einer Zeugenfunktion teilnehmen durfte. Vielmehr geschah dieses Ritual unter Ausschluss der Öffent­lichkeit, ledig­lich im Beisein einer ausgewählten, stellvertretenden Öffent­ lichkeit von Hof- und Staatsbeamten sowie ausgesuchten Bauern mit einer expliziten Funktion.166 Seine Inhalte vermittelten sich eher auf die Weise, dass es in der Nachfolge zum Ritual des Kaisers im ganzen Land analog nachgeahmt und auf gleiche Weise vollzogen wurde. Darüber hinaus wurde das Volk über den Vollzug bzw. den genauen Ablauf des kaiser­lichen Rituals durch die offizielle Hofberichterstattung informiert. Dennoch integrierte das Ritual die gesamte Gesellschaft symbolisch. Das Feld unterstand danach der Aufsicht des Gouverneurs der Hauptstadt Peking. Die geernteten Früchte dieses Feldes wurden im oben beschriebenen Kornspeicher des Ackerbautempels zwischengelagert und später als Opfergaben für die Ahnen genutzt bzw. in der dazugehörigen Küche dem gött­lichen Landmann als Speisen zubereitet. Unter den Qing-Kaisern wurde das rituelle Pflügen mit Ochsen verrichtet, die in gelbe Seide, die kaiser­liche Farbe, gehüllt worden waren (Abb. 9: Detail aus Pariser Schal). Auf einem Fragment mit Tuschemalerei auf Seide aus der Yongzheng-Ära, welches sich seit dem 19. Jahrhundert im Musée Guimet in Paris befindet, sind die gelbverhangenen Ochsen, der gelbe Pflug und sein in gelbe Seide gehüllter kaiser­licher Pflugführer zu sehen. Das eigenhändige Pflügen des Herrschers fand unter einem riesigen Baldachin statt, der von Bannerträgern gesäumt wurde. Zu sehen sind weiterhin die kaiser­lichen Prinzen und Präsidenten der sechs Ministerien, des Zensorrats, der Gerichtshofs und des Petitionsamtes, die als Zeugen des Rituals fungieren. Flankiert wird die Szene durch Altäre mit Opfergaben sowie Bauern, die abwartend an ihren Pflügen verharren, um abschließend das Feld vollständig zu bestellen und fünf Sorten Getreide zu säen.167 Bei dem

165 Das Liji berichtet auch, dass die Herrscher in alten Zeiten eigene Felder besaßen, die sie eigenhändig beackerten. Legge, The Sacred Books of China, Bd. 3, S. 335. Bd. 4, S. 101. 166 Im Umfeld der Ritualstätten mussten sogar die Läden der Häuser geschlossen bleiben, um unbefugtes Zuschauen zu verhindern. Auch der Kaiser sollte für die Bevölkerung unsichtbar bleiben. Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 241ff. 167 Die Darstellung der kaiser­lichen Pflugszene befindet sich im Musée National des Arts asiatiques-­ Guimet in Paris, Collection Frey, Signatur MG 21449. Anonyme, Le Premier Sillon ouvert par l’Empereur (The Emperor ploughing the first furrow), Qingeng tu. Rouleau horizontal, numéro 2. Dynastie Qing, période Yongzheng (1723 – 1735), Tinte und Farbe auf Seide, Maße: 63 x 442 cm. Inv. Nr. XIN 121320. Maße 61,8 x 467,8 cm. Eine Abbildung der Pariser Pflugszene des Yongzheng-­ Kaisers und eine kurze Besprechung befindet sich in Grenon, Thomas (Hg.): Catalogue Les Très Riches Heures de la Cour de Chine. Réunion des musées nationaux. Paris 2006. Kat. Nr. 24. Ebenfalls abgebildet in Budde, Europa und die Kaiser von China, Abb. 168, Kat. Nr. 10/16, S. 135. Die

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Pariser Fragment handelt sich um einen offensicht­lich im 19. Jahrhundert abgetrennten Hauptteil eines ehemals knapp neun Meter langen Seidenstücks, dessen zweiter Teil sich mit der Darstellung des kaiser­lichen Opfers am Ackerbaualtar im Palastmuseum in Peking befindet. Es handelt sich nach Auskünften der Kuratoren der Verbotenen Stadt um das bisher einzige bekannte Bild, das den vollständigen Ablauf des Ritualfestes zu Ehren des Ackerbaugottes Shennong zeigt.168 Die Darstellung der Pflugszene spiegelt offensicht­lich die Absicht des Yongzheng-­Kaisers wider, eigene wichtige rituelle oder politische Ereignisse detailgetreu und farbenfroh auf edlem Material zu fixieren. Das Bildwerk bewies für seine Nachfahren die Erfüllung der kaiser­lichen Pf­l icht im Rahmen der anvisierten kosmischen Harmonie und bekräftigte die aktive Wiederbelebung der Rituale gemäß alter Traditionen durch die inzwischen in Herrschaft und Ausübung der Macht gefestigten Qing-Kaiser. Der Yongzheng-Kaiser nahm nicht nur die Ausführung und Dokumentation der Ackerbaurituale in Peking sehr ernst. Er gab im vierten Jahr seiner Regierungszeit auch den Befehl, landesweit in befestigten Städten Tempel für den Ackerbau zu errichten oder vernachlässigte Kultstätten zu restaurieren. Die Tempel sollten in das bestehende System von regionalen Kultstätten, die bereits unter den Ming errichtet worden waren, Darstellung der Gebäude wurde in der Parallelperspektive ausgeführt, die Wolken verleihen dem Bild eine archaische Note. Ibd. S. 302f. Ebenfalls eine Abbildung mit kurzer Beschreibung findet sich in Desroches, Jean-Paul (Hg.): Confucius. A l’aube de l’humanisme chinois. Paris 2003. S. 202 – 205, Kat. Nr. 161. 1 68 In der Ausstellung „Goldener Drache – Weißer Adler“ im Grünen Gewölbe Dresden war im Jahr 2008 das Pekinger Fragment aus der Verbotenen Stadt zu sehen. Im Katalog wurde die Tuschedarstellung auf Seide des Opfers am Altar des Ackerbaus jedoch fälsch­licherweise der Ära Qianglong zugeordnet. Das Pekinger Fragment ist abgebildet in: Goldener Drache – Weißer Adler, S. 574, Kat. Nr. 357. Die Zuschreibung zur Regierungszeit Yongzheng findet sich nicht nur bei Zhu, Chengru (Hg.): Qingshi tudian. (Ausgewählte Bilder und Kunstgegenstände zur Qing-Geschichte). Bd. 4: Yongzheng-Zeit. Peking 2002. S. 86 – 89. Sie findet sich zudem mit überzeugenden Argumenten im kürz­lich erschienen Aufsatz von Liu, Lu: Ji Xiannong tan tu yu Yongzheng di de tongzhi (Der Yongzheng-Kaiser opfert am Xiannong-Altar). In: The Qing History Journal. Aug. 2010. No. 3. S. 151 – 156. Die Autorin vermutet, dass dieses große Bild im fünften Jahr der Yongzheng-Periode (1727) hergestellt wurde, da in diesem Jahr entsprechende Materialien in den Kaiserpalast geliefert wurden. Darüber hinaus stellte das vierte Regierungsjahr des Yongzheng-Kaisers ein entscheidendes dar, hatte er sich doch der Konkurrenz seiner Brüder um den Kaiserthron entledigt und seine Macht gefestigt. Er konnte sich nun ganz auf die wesent­lichen Pf­lichten als Kaiser konzentrieren und wollte dies auch eindrucksvoll demonstrieren. Liu geht davon aus, dass das Bild noch 1726 geplant und nach dem Ritual 1727 entstanden ist. Ibd. S. 154f. Die Auskunft von Jiao Ying, dem Kurator in der Verbotenen Stadt, deckt sich mit der Forschungsmeinung. Tatsäch­lich muss das Seidenbild aufgrund seiner Detailtreue und chronologischen Erzählform als höfische bzw. kaiser­liche Sicht auf seine erfüllten Pf­lichten hinsicht­lich der Landwirtschaft eingestuft werden. Das Seidenbild transportiert somit klar die Wahrnehmung des Yongzheng-Kaisers und die Bedeutung des Rituals für die junge Qing-Dynastie. Vgl. grundsätz­lich zum chinesischen Verständnis von der Verbindung von Kunst und historischen Ereignissen Wen C. Fong: Why Chinese Painting Is History? In: The Art Bulletin 85 (2003). S. 258 – 280.

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integriert werden. Während die Ming-Kultstätten in Form von Altären (im Osten für den Ackerbau, im Westen für Korn und Land (Sheji tan), im Süden für die Berge und Flüsse (Fengyun leiyu shanchuan tan) etc.) hatten bauen lassen, sollte mit den neuen Tempeln die Landwirtschaft besonders hervorhoben werden. Daneben ging es dem Yongzheng-Kaiser um die landesweite Vereinheit­lichung und Anpassung der Kulte nach dem kaiser­lichen Vorbild in Peking.169 Sein Sohn, der spätere Qianlong-Kaiser, befahl die Fortsetzung dieses Projekts, so dass nach und nach bis in die äußersten Grenzregionen des Landes die ordnungsgemäße Durchführung der Kulte gesichert werden konnte.170 Das Museum Volkenkunde in Leiden verfügt über eine chinesische Darstellung des Pflugrituals auf Glas aus dem späten 18. Jahrhundert (entstanden zwischen 1785 und 1790 in Canton), das zwar seiner Bezeichnung nach einen pflügenden Kaiser darstellen soll, tatsäch­lich aber eher die Durchführung des Rituals in der Provinz zeigt (Abb. 10: Der pflügende Kaiser).171

169 Chen, Hsi-yuan: Emperor Yongzheng’s Nationwide Installation of the Agricultural Altars and its Impacts on the Official Sacrificial System. Paper des First International Symposium des Palace Museums of Taiwan „The Complexities and Challenges of Rulership: Emperor Yongzheng and His Accomplishments in His Time“. Online unter http://www.npm.gov.tw/hotnews/9811seminar/ page3_en.html (Gesehen am 12.09.2011). 170 Der chinesische Unterpräfekt Wu Kai (Lebensdaten unbekannt), der ab 1770 an der burmesischen Grenze in der Provinz Yunnan in der Stadt Tengyue seinen Dienst versah, restaurierte 1771 den dortigen Tempel des Erdgottes (Zhao Teng tuzhu miao), 1773 den Altar der Landwirtschaft (Xiannong tan) und 1777 den Altar des Erdgottes und des Gottes des Getreides (Sheji tan) der Stadt, damit die Beamten die jähr­lichen Frühlings- und Herbstopfer vollziehen konnten. Gerade die Stätte des Sheji tan fand der Beamte vollkommen verfallen und in einem respektlosen Zustand, unkultiviert und schmutzig vor. Die Altäre des Fengyun leiyu shanchuan tan waren mit dem Sheji tan so willkür­lich zusammengestellt, dass aus seiner Sicht die Gefahr bestand, die Gottheiten zu verwechseln und mit den Zeremonien gar ein Unwetter heraufzubeschwören. Er ließ deshalb die Altäre sichtbar trennen und neu ordnen. Vgl. Kott, Diana: Die erste Stadt an der äußersten Grenze. Die historische Entwicklung der Stadt Tengchong im Prozeß der Entstehung und Konsolidierung des Grenzgebietes im Westen der chinesischen Provinz Yunnan. (Diss.) Göttingen 2003. Online unter http://webdoc.gwdg.de/diss/2003/kott/kott.pdf (Gesehen am 24.09.2011). S. 226 – 238. 171 Es handelt sich um eine Glasmalerei aus Canton (Achterglasschildering) innerhalb einer Sammlung von insgesamt 19 Genredarstellungen, die ähn­lich wie Papiertapeten Motive aus dem Leben, der Landwirtschaft und dem Handel in China darstellten. Achterglasschildering „Ploegende Keizer“ 81 x 52,5 cm, unsigniert. 360 – 1113 X, Voormalige collectie Koninklijk Kabinet van Zeldzaamheden in Den Haag, heute Museum Volkenkunde Leiden/Niederlande. Die Abbildung findet sich Museum Volkenkunde (Hg.): Gevoelige Platen. 19 Chinese Achterglasschildering. http://volkenkunde.nl/ sites/default/files/attachements/gevoelige_platen.pdf (Gesehen 09.10.2012) Hier Abb. 15. Die nachfolgende Abb. in der Publikation 16 zeigt die Reisernte, Abb. 18 die Teeernte und Abb. 19 die Seidenspinnerei. Zur Herstellung von Glas und Glasbildern im frühen Qing-China vgl. zeitgenössisch Cibot, Pierre Martial (posthum): Diverses remarques sur les Arts-pratiques en Chine (ouvrages en fer, peinture sur glace, peinture sur pierre), In: Mémoires concernant les Chinois, Bd.. XI (Paris 1786) S. 361 – 370. Hier S. 363f. Crossman, Carl L.: The Decorative Arts of the China Trade. Woodbridge/Suffolk

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Das Pflugritual wurde hinsicht­lich der angestrebten Bodenfruchtbarkeit und der erhofften guten Ernten um ein weiteres Ritual zum Jahresende ergänzt und inhalt­lich abgeschlossen. Es handelte sich um ein Jahresendopfer als Dank an die Nahrung spendende Natur und sollte gleichzeitig die Beamten auf die Feldeinteilung für das Frühjahr vorbereiten sowie das Ungeziefer vertreiben. Das Opfer implizierte in der winter­lichen Ruhephase Ende und Anfang der Nahrungsmittelgewinnung, Abschluss und Neuanfang der Jahreszeiten. Das Ritual fand ebenfalls zu Ehren Shennongs auf einem Feld statt und endete mit einem kaiser­lichen Festmahl, auf dem Ernteprodukte der letzten Saison zubereitet wurden.172 Der Kaiser hatte somit nicht nur den Boden für die Saat bereitet und die Ernte zur Überwachung dem Gouverneur von Peking übertragen, die Früchte als Speisen den Ahnen geopfert, sondern auch selbst den Zyklus durch einen Dank und ein Mahl beendet.

2.2.3 Die Kaiserin als rituelle Förderin des Seidenanbaus

Im Kontext kaiser­licher Ackerbaurituale war noch ein weiteres Ritual etabliert, in das sowohl der Monarch als auch die Kaiserin involviert waren: Das kaiser­liche Opfer an den ersten Seidenwurm am Altar des Seidenwurms 173 in den west­lichen bzw. Wasserpalästen (heute Beihai Park in Peking) und das Ritual der Maulbeerblätter pflückenden und den ersten Seidenfaden verwebenden Kaiserin. Es handelt sich um ein uraltes Staatsritual, das jedoch im 12. Jahrhundert in Vergessenheit geriet und erst unter den späten Ming wiederbelebt wurde.174 Unter der Qing-Dynastie, insbesondere während der Qianlong-Periode, wurde das Ritual im Kanon der Pf­lichten der Monarchen noch einmal nachhaltig fixiert. Nachgewiesen werden konnte es aber schon für die Regierungszeit des Yongzheng-Kaisers und seiner Vorgänger. 1991. S. 406. Vgl. auch allg. ders.: A Catalogue of Chinese Export Paintings, Furniture, Silver and Other Objects. Salem/Massachusetts 1970. Dermigny, Louis: La Chine et l’occident: le commerce à Canton au XVIIIe siècle (1719 – 1833). Paris 1964. S. 28ff. 172 Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 143. 173 Der Qianlong-Kaiser hatte das Nongshu des Wang Zhen (?-1333), das Buch der Landwirtschaft, aus der Yuan-Dynastie neu auflegen lassen. Darin befinden sich ein Holzschnitt mit dem Altar zur Verehrung der Ahnen des Seidenwurms sowie Abbildungen zu Personifikationen der Seidenwurmgottheiten. Zhu, Chengru (Hg.): Qingshi tudian (Ausgewählte Bilder und Kunstgegenstände zur Qing-Geschichte, die sich im Besitz der Verbotenen Stadt befinden). Bd. 7: Qianlong-Zeit. Peking 2002. S. 262f. 174 Die Tatsache, dass Seide nicht mehr den ersten Stellenwert bei der Herstellung von Kleidung besaß, wertet Franke als einen Aspekt, der die Vernachlässigung des Rituals erklären kann. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 30ff. Zur Bedeutung von Seide in der späten Qing-Zeit vgl. auch Marks, Tigers, Rice, Silk, and Silt. Der Qianlong-Kaiser schützte auch den Anbau und die Verarbeitung von Baumwolle, wie ein Fächer mit einer Baumwollpflanze aus der Werkstatt eines Hofmalers mit Widmung für den Monarchen zeigt. Abgebildet und besprochen in Zhu, Qingshi tudian, S. 263.

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Xiling, die Gemahlin des Gelben Kaisers und Nachfolgers von Shennong, dem ersten Landmann, verehrten die Chinesen als Göttin, der die Erfindung der Seide und der Seidenraupenzucht zugeschrieben wurde. Nach dem Liji hatte der Kaiser die Pf­licht, im Norden der Hauptstadt Maulbeerplantagen und eine Hütte zur Zucht der Raupen anzulegen. In der Mitte des Frühlings forderte der neizai, der Erste des Hofstaates, die Kaiserin auf, an der Spitze der Prinzessinnen, ihrer Hofdamen und der Gemahlinnen aller Würdenträger zu fasten, der Göttin zu opfern und durch das Pflücken von drei Zweigen mit Maulbeerblättern die Raupen zu animieren, die wertvollen Fäden zu produzieren. Die Zweige wurden den so genannten Seidenraupenmüttern, den Betreuerinnen der Raupen im Palast, für die erste symbolische Fütterung der frisch geschlüpften Tiere übergeben. Damit war der Prozess der Seidenherstellung in Gang gesetzt. Das Ritual endete mit einem Festmahl und der Verteilung edler Seidenstoffe an die Teilnehmer.175 Das im ersten Jahrhundert n. Chr. vom Geschichtsschreiber Ban Gu verfasste Baihu tong, das kanonische Leitwerk der Han, fasste die zweifache Verantwort­lichkeit von Kaiser und Kaiserin wie folgt zusammen: Wie der Kaiser selbst pflügt, so pflückt die Kaiserin selbst die Maulbeerblätter. Warum? Damit sie das Reich anleiten zu Ackerbau und Seidengewinnung. Der Himmelssohn pflügt selbst, damit er im Tempel des Himmels und der Erde die Opfer darbringen kann; die Kaiserin pflückt selbst die Maulbeerblätter, damit sie die Opfergewänder darbringen kann.176 Kaiser und Kaiserin stellten sich auch an die Spitze der Seidenproduktion und machten die Herstellung der Kleidung zu einer ihrer wichtigsten Angelegenheiten. Das Ritual transportierte ebenso die Information ins Land, dass die Seidenproduktion vom kaiser­lichen Hof ausging. Zugleich unterstrich dieses Ritual mit der Geschlechtertrennung die Zuständigkeiten von Mann und Frau für die jeweiligen grundlegenden Bereiche der Versorgung mit Nahrung und Kleidung.

175 Franke, Kêng Tschi T’u, S. 25ff. Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 142. 176 Ibd. S. 27. Vgl. auch Yuhai, Guo: Der Qianlong-Kaiser opfert dem ersten Seidenwurm. In: Gugong shijie 5 (2004). S. 16 – 19. Berger, Patricia/Hongqi, Yuan: Ritual. In: Rawski, Evelyn S./Rawson, Jessica (Hg.): China. The Three Emperors 1662 – 1795. Begleitband zur Ausstellung 12. November 2005 – 17. April 2006 in der Royal Academy of Arts, London. London 2005. S. 116 – 127. Hier S. 119. Eine Darstellung der Opfer der Kaiserin an die Seidengöttin Xiancan aus dem Jahr 1609 aus dem Sancai tuhui (Wang, Qi/Wang, Siyi: Sancai tuhui. Bd. 12. Shanghai 1609) ist abgebildet in Budde, Europa und die Kaiser von China, Abb. 69, Kat. Nr. 10/33, S. 73. Eine kurze Erläuterung des Rituals vgl. ibd. S. 67 und S. 310.

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Die traditionelle Rolle der Herrscher in der Landwirtschaft

2.2.4 Landwirtschaft und Gelehrsamkeit – Persön­liche Ansichten der Kaiser zur eigenen Rolle bei der Förderung der Landwirtschaft

Über die Ausführung der vorgeschriebenen Riten und ihre offizielle Darstellung hinaus nahmen die Monarchen – insbesondere der Qianlong-Kaiser – oft persön­lich Anteil an der künstlerischen und literarischen Würdigung der Landwirtschaft bzw. inszenierten ihre Rolle als erste Landmänner in Anlehnung an Shennong. Im 12. Jahrhundert wurden dichterische und bild­liche Darstellungen landwirtschaft­licher Arbeiten aus der süd­ lichen Song-Dynastie bekannt, die unabhängig von Aufträgen des kaiser­lichen Hofes entstanden, aber später für die Selbstdarstellung der frühen Qing-Kaiser als Förderer der Landwirtschaft eine erheb­liche Rolle spielen sollten: Etwa um 1145 wurden die Gedichte Lou Shous über den Landbau und die Seidenherstellung geschrieben.177 Der Kangxi-Kaiser (1661 – 1722) entdeckte auf seiner Südreise 178 1689 landwirtschaft­liche Bilderzyklen des Gengzhi tu 179 und beschloss, dieses Thema künftig in der Kunst stärker

177 Die älteste, illustrierte Ausgabe liegt jedoch auf Japanisch vor. Zur genauen Datierung vgl. Franke, Otto: Kêng Tschi T’u, S. 69 – 72. Insbesondere zur Beziehung der Ausgaben zueinander sowie zu Unterschieden und Darstellung der Herrscher innerhalb des Bildwerks vgl. auch Fuchs, Walter: Zum Keng-chih-t’u der Mandju-Zeit und die japanische Ausgabe von 1808. In: Kluge, Inge L. (Hg.): Ostasiatische Studien. Festschrift für M. Ramming. (Institut für Orientforschung, Bd. 48). Berlin 1959. S. 67 – 80. 178 Die Südreisen dienten dem Kaiser auch dazu, die Festigkeit der Dämme oder aktuelle Dammbauten zu inspizieren, die das bebaute Land vor Hochwasser schützen und gewährleisten sollten, dass die Ernte gesichert ist. Ein Seidenbild zeigt die Inspektion von Dämmen während einer Südreise des Kangxi-Kaisers. In der Sammlung der Verbotenen Stadt findet sich zudem eine Karte mit den Dammbauprojekten unter kaiser­licher Protektion aus der Regierungszeit Kangxis. Zhu, Chengru (Hg.): Qingshi tudian. (Ausgewählte Bilder und Kunstgegenstände zur Qing-Geschichte, die sich im Besitz der Verbotenen Stadt befinden). Bd. 3: Kangxi-Zeit. Peking 2002. S. 301. Siehe auch zur Bedeutung der Südreisen für die Selbstdarstellung des Kaisers Chang, Michael G.: A Court on Horseback. Imperial Touring and Construction of Qing Rule, 1680 – 1785. Cambridge 2007. 179 Die chinesische Forschung hat sich erst in jüngster Zeit vor allem aus kunsthistorischer Sicht mit den Gengzhi tu, den Pflugbildern der chinesischen Kaiser unterschied­licher Dynastien, beschäftigt. Kurze Artikel, die sich mit landwirtschaft­lichen Bilderzyklen und insbesondere den Pflugszenen der Kaiser beschäftigen, sind: Wang, Chaosheng: Yiheyuan chongxian gengzhi tu jingguan. [Die Rekonstruktion der Pflugbilder-Landschaften im Sommerpalast]. In: Nongye kaogu 3 (2005). S. 129 – 133. Ders.: Qingdai gongyan gengzhi tu qiwu (Pflugbild-Gegenstände im Palast während der Qing-Dynastie]. In: Zijincheng 2 (2003). S. 15 – 23. Ders. (Hg.): Zhongguo gudai gengzhi tu [Pflugbilder im alten China]. Peking 1995. Bei Wang Chaosheng handelt es sich um einen Mitarbeiter des chinesischen Landwirtschaftsmuseums (Zhongguo nongye bowuguan). Anonym: Yuzhi gengzhi tu. [Kaiser­liche Pflugbilder] In: Meishu daguan 7 (1994). S. 48. Im Jahr 2010 erschien ein Artikel, der eher sozialhistorisch das Leben der Bauern in den Bildern beleuchtet: Anonym: „Yuzhi gengzhi tu“ de qianshi jinsheng“ [Das damalige und heutige Leben in den kaiser­lichen Pflugbildern] In: Banyue xuandu 1 (2010). S. 85. Hinweis zu den Literaturangaben: Dass in China in Fachzeitschriften sehr kurze, meist beschreibende Artikel ohne Autor erscheinen, ist nicht unüb­lich.

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zu fördern.180 Als Folge dieser Entdeckung hatte er im Jahr 1696 in den kaiser­lichen Werkstätten ein Buch (das Gengzhi tu) mit 23 kolorierten Holzschnitten herstellen lassen, in dem durch eigene lehrreiche und zugleich erbau­liche Gedichte des Kangxi-­ Kaisers 181 und kaiser­liche Siegel die uralte kaiser­liche Patronage der Landwirtschaft und insbesondere die Nähe des Kaisers zur bäuer­lichen Bevölkerung sichtbar zum Ausdruck gebracht werden sollte (Abb. 11: Pflugszene aus Gengzhi tu). Im Vorwort betonte der Kangxi-­Kaiser die ethische Bedeutung und pädagogische Absicht dieses Werkes, das den Ackerbau und die Seidengewinnung als Grundlage des Lebens aller Menschen und Grundlage des Staates einordnete: Früh und spät bedenke ich mit Sorgfalt die Zukunft und sinne nach über die Regierung; und wenn ich die Grundlage betrachte, aus der das Volk entsteht, so erscheinen mir Kleidung und Nahrung als der Himmel. […] In den Geboten [der west­lichen Han-Dynastie] heißt es, die Schädigung des Ackerbaus ist die Quelle des Hungers, Beeinträchtigung der weib­lichen Webarbeit die Veranlassung zur Kälte. Wer diesen Grundsatz zu verwirk­lichen strebt, die Wurzel aber davon beseitigt, wo wird er mit seinen Bemühungen bleiben? […] Die Alten pflegten zu sagen: Wer sich in Seide kleidet, der soll der Kälte gedenken, die die Weberin litt; wer das Korn ißt, der soll sich der Mühen erinnern, die der Landmann erduldet. Mit tiefem Ernst verweilen meine Gedanken hierbei. So sind denn auch die Bilder „Vom Ackerbau und der Seidengewinnung“ gezeichnet worden. Für jedes der Blätter habe ich ein Lied gemacht und es niedergeschrieben […]. [Ich habe die Bilder] in Umlauf setzen lassen, damit Söhne und Enkel, Beamte und Volk daraus lernen, daß das Korn, das sie essen, mit Mühen erlangt wird, und die Kleider, die sie tragen, nicht leicht zu schaffen sind. Im „Schu king“182 [Shujing] heißt es: „Nur die Erzeugnisse des Bodens sollen sie lieben, dann werden ihre Herzen

180 Ein Exemplar befindet sich im Museum für Ostasiatische Kunst Berlin, Dauerleihgabe der Kunstbibliothek Lippe unter der Signatur LippLe 8. Grundsätz­lich dazu und zu den Veränderungen hinsicht­lich der Lou Shou-Bilder vgl. Franke, Kêng tschi Tu, S. 65ff. Ting Zhou gibt einen knappen Überblick über ca. 20 ähn­liche Bilderzyklen unterschied­licher Entstehungszeit sowie höfischer und nicht höfischer Auftraggeber, die sich in der Pekinger Nationalbibliothek und Stadtbibliothek, im Nationalen Palastmuseum Taibei sowie in verschiedenen Museen in den USA befinden. Ting, Zhou: Zhongguo „gengzhi tu“ de lishi he xianzhuang (Geschichte und aktuelle Situation der ‚Pflugbilder‘) In: China, Gujin Nongye 3 (1994). S. 54 – 62. Die Sammlung in Taibei verfügt beispielsweise über das Gengzhi tu, gemalt von Leng Mei aus der Qing Dynastie, unter der Signatur Guhua 003383 im Bestand Alte Gemälde, sowie das Gengzhi tu, gemalt von Chen Mei ebenfalls aus der Qing-Dynastie unter der Signatur Guhua 003375 im gleichen Bestand (nach schrift­licher Auskunft der Konservatorin Lu Xueyan, Taibei). Dieter Kuhn verweist darauf, dass Teile des Werkes auch in der Mingzeit bekannt waren. Kuhn, Dieter: Die Darstellungen des Keng-chih t’u und ihre Wiedergabe in populär-enzyklopädischen Werken der Mingzeit. In: Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft 126 (1976). S. 336 – 367. 181 Das Pflügen wird im zweiten Gedicht als wichtigste Tätigkeit der Bodenbearbeitung bezeichnet. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 115. 182 Es handelt sich um das so genannte Buch der Urkunden, das Shujing. Legge, The Sacred Books of China, Bd. 1. Die Umschrift wurde hier nicht angeg­lichen, sondern folgt dem Zitat.

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gut sein.“ So enthalten diese Bilder manches, was das Herz bewegt. Ich wünsche aber auch damit zu bewirken, daß jeder in der Welt seinen Beruf in Ehren hält, daß er ihm mit Eifer nachgeht, um ihn auszufüllen, und daß er sparsam ist, um Vorrat zu sammeln. Dann werden Kleidung und Nahrung in Fülle da sein, so daß alle hingelangen zu den Gefilden des Friedens und der Eintracht, des Wohlstandes und des hohen Alters. Das sind die aufrichtigen Wünsche meines ernsten Wohlwollens für die Massen des Volkes. Verfasst und geschrieben im 35. Jahre K’ang-Hi [sic!]183, im 2. Frühlingsmonat am Tage, da man dem Gotte des Erdbodens opfert (4. März 1696).184 Das eigenhändige Vorwort formuliert den landwirtschaft­lichen Teil des Regierungsprogramms des Kangxi-­Kaisers, das sich an die Traditionen früherer Dynastien anlehnte und den Untertanen das kaiser­liche Versprechen gab, den Ackerbau während seiner Regierungszeit zu achten und zu fördern, um Hungersnöte zu vermeiden. Diese programmatische und zugleich propagandistische Aussage besaß für den zweiten Herrscher der jungen Qing-Dynastie auch eine legitimatorische Bedeutung rechtmäßiger Herrschaft und richtiger Herrschaftsausübung.185 Es ist daher sicher kein Zufall, dass das Versprechen nach der Datierung des Vorwortes in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Opfer des Kaisers am Altar Shennongs steht. Das Opfer sollte auf das Vorwort bekräftigend und bestätigend wirken bzw. konnte rückwirkend auf das Gesagte den mög­lichen Vorwurf inhaltsleerer Rituale entkräften. Zugleich rief der Kangxi-­Kaiser mit dem Yuzhi gengzhi tu 186 (Vom Pflügen und Weben) und insbesondere mit seinem Vorwort die Untertanen auf, den Bauern und Weberinnen nach seinem Vorbild die gebührende Achtung zu erweisen. In die Bildersammlung Yuzhi gengzhi tu ließ der Kaiser auch die Gedichte Lou Shous integrieren. Der Künstler Jiao Bingzhen (1689 – 1726) nutzte als Angestellter der kaiser­lichen Sternwarte seine Kontakte zu den Jesuiten und bediente sich für den Bilderzyklus des Kangxi-­Kaisers der in China bis dahin noch unbekannten Zentralperspektive. Zudem hatte er die Arbeitsszenen in natür­lichen Proportionen dargestellt und durch zahlreiche Details ergänzt, die das Bildwerk erzählerischer wirken ließen. Aufgrund der neuen Techniken war die Serie schnell sehr bekannt. Sie wurde mehrfach kopiert, auch als Illustration auf andere Kunstgegenstände wie Porzellan oder Möbelstücke übertragen und insgesamt stark verbreitet,187 was der Hof aktiv unterstützte. Der

183 Die Umschrift wurde hier nicht angeg­lichen, sondern folgt dem Zitat. 184 Zit. n. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 102f. Franke bietet die gesamte deutsche Übersetzung des Werkes. Original in der Faksimile-Ausgabe in Jiao, Bingzhen: Yuzhi gengzhi tu, hg. vom Zhongguo shudian chubanshe. Beijing 1998. Vorwort. 185 Vgl. kurz zu den Legitimationsbestrebungen Kessler, K’ang-hsi and the Consolidation of Ch’ing Rule, S. 134f. 186 Yuzhi meint: „vom Kaiser selbst ausgeführt, hergestellt oder überwacht bzw. auf kaiser­liche Initiative herausgegeben“. 187 James, D. T.: Narrative Themes on Kangxi Porcelains in the Taft Museum. In: Orientations 8 (1993). S. 31 – 36. Der Bilderzyklus diente auch als Vorlage für chinesisches Exportporzellan nach

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Kangxi-­Kaiser verschenkte das Werk gern an hohe Beamte des Hofes und der Provinzen. Gleichzeitig ließ er es als Zeichen seines Missfallens an Beamte versenden, die aufgrund eines Fehltrittes zu tugendhafter Amtsführung ermahnt werden sollten.188 Der Kaiser erinnerte sich selbst an seine Funktion als Förderer der Landwirtschaft in seinem Sommerlager in Chengde. Er hatte seinen Thronsessel in der Empfangshalle mit Szenen des Gengzhi tu verzieren lassen.189 Sein Enkel, der Qianlong-­Kaiser, legte 1739 zur Verehrung seines Ahnen die Ausgabe der Bildersammlung Yuzhi gengzhi tu noch einmal auf und erweiterte sie um eigene Gedichte zur kaiser­lichen Pf­licht der Förderung der Landwirtschaft.190 In seiner Einleitung formulierte er die Ziele seiner Regierung ganz in der Tradition des Kangxi-­Kaisers, wenn diese auch gemäß dem eingefügten Bescheidenheitstopos unerreicht hinter den Europa. Choi, Kee I. Jr.: Tea and Design in Chinese Export Painting. In: The Magazine Antiques 10 (1980). S. 510 – 519. 188 Die Praxis, das Gengzhi tu an verdiente und untreue Beamte mit unterschied­lichen Intentionen des Lobes und der Belehrung zu senden, griff die etablierte Kommunikationsform der so genannten Würdentafeln der Kaiser (yuan und yen) auf. Sie wurden mit ähn­lichen Inhalten an Würdenträger geschickt. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 110. Zur Verbindung von Landleben und dem tugendsamen Dasein folgt eine längere Auseinandersetzung im Unterkapitel zur Rolle der Arbeit in China. Die Bilder vom Gengzhi tu des Kangxi-­Kaisers begründeten eine Mode, Szenen aus dem länd­lichen und alltäg­lichen Leben abzubilden. Zu den vielfachen Kopien des Zyklus vgl. Luo, ­Wenguang/Lu, Ping: Guanyu „yuzhi gengzhi tu“ de fuzhi he yanjiu (Reproduktion und Erforschung der ‚kaiser­lichen Pflugbilder‘). In: Chuanshan Journal 63/1 (2007). S. 171 – 172. Die Szenen waren auch in den Niederlanden in den Kupferstecherkreisen des Jacob van Meurs (1619/20 – 1680) bekannt. Ulrichs, Friederike: Johan Nieuhofs Blick auf China (1655 – 1657): Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs (Sinologica Coloniensia, Bd. 21). (Diss.) Wiesbaden 2003. S. 46. Zur Adaption europäischer Perspektiven in der Malerei Chinas vgl. grundlegend Fontein, Jan/Hempel Rose: Propyläen Kunstgeschichte – China, Japan, Korea (Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 20). Berlin 1985. 189 Eine Abbildung des Thronsessels findet sich bei Zhu, Qingshi tudian, Bd. 3, S. 293. 190 Die Neuausgabe des Qianlong-­Kaisers von 1739 ist unter der Signatur I. D.10855 a Teil der Sammlung des Museums für Völkerkunde in Berlin, Ostasienabteilung. Eine sehr sch­lichte und nicht farbige Kopie eines Anonymus der 1739 aufgelegten Holzschnittsammlung Yuzhi gengzhi tu kann unter http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHO docuViewfull?url=/mpiwg/online/permanent/library/YYXFV2C3/pageimg&viewMode=images&pn=14&mode=imagepath eingesehen werden. (gesehen 09.09.2011). Die harte Arbeit des Pflügens ist auf S. 14 abgebildet, wirkt jedoch durch die fried­lichen Genreszenen fast idyllisch. Eine weitere Abbildung findet sich bei Walravens, Hartmut: China illustrata. Das europäische Chinaverständnis im Spiegel des 16. bis 18. Jahrhunderts. (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, Bd. 55). Weinheim 1987. Kat. Nr. 97. S. 300. Vgl. zum Entstehungsprozess der Neuausgabe des Qianlong-­Kaisers und zur großen Ähn­lichkeit der Gedichte zur Ausgabe unter dem Kangxi-­Kaiser Franke, Kêng Tschi T’u, S. 89 – 97. Fuchs, Keng-chih t’u, S. 71f. Zum literarischem Werk des Qianlong-­Kaisers, zu dem neben Gedichten auch Einleitungen bzw. Geleit- und Ergänzungstexte gehören, vgl. Grimm, Martin: Kaiser Qianlong (1711 – 1799) als Poet (Sinologica Coloniensia, Bd. 15). Stuttgart 1993. S. 14 – 34, zu den Ausgaben des Gengzhi tu unter dem Qianlong-­Kaiser S. 43, FN 124 und S. 67, FN 189 mit weiterführender Literatur.

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Leistungen des Ahnen zurückbleiben musste: Einundsechzig Jahre lang hat mein Hoher Kaiser­licher Ahn das Reich regiert, und wahr­lich die reiche Güte seiner Regierung strömte dahin über die Länder der Erde, und indem er beständig Ackerbau und Maulbeerbaumzucht förderte, offenbarte er seine teilnahmsvolle Sorge um die Leiden des Volkes. […] Ich vermag nicht die Höhe und die Tiefe in den Werken Seiner verstorbenen Kaiser­lichen Majestät fortzusetzen, auch wenn ich sie früh und spät vor Augen habe. […].191 In der Qianlong-Periode wurden auch Möbelstücke des Palasts mit Szenen aus dem Yuzhi gengzhi tu verziert.192 Im Jahr 1765 legte der Kaiser ganz in der Tradition dieses Werks eine weitere eigenhändige Gedichtsammlung mit 16 Holzschnitten zum Anbau und zur Herstellung von Baumwolle vor.193 Die Verbindung der bild­lichen Darstellungen mit kaiser­lichen Gedichten oder philosophischen Abhandlungen und kalligra­phischen Werken erhöhte den Wert des Bildwerkes und unterstrich zudem die Funktion des Kaisers als imperator literatus, als oberster Gelehrter und Ästhet in Anlehnung an die Urkaiser Shun und Shennong. Der Kaiser stellte mit seinen literarischen Arbeiten zum Lob der Landwirtschaft seine Vorbildhaftigkeit gleich auf zwei Gebieten, dem der Dichtung und dem der Landwirtschaft, unter Beweis.194 Die Literatur und Kunst dienten ihm und seinen Nachfolgern als wichtiges Mittel der Selbstdarstellung und Propaganda für die Qing-Dynastie. Auch der Yongzheng-­Kaiser (reg. 1722 – 1735), der Sohn des Kangxi-­Kaisers, ließ sich selbst um 1709 in Anlehnung an das Werk seines Vaters noch als Prinz selbst als einfacher Bauer beim Pflügen und anderen landwirtschaft­lichen Tätigkeiten darstellen. Er hielt sich als Prinz mehrere Monate in einer Einsiedelei auf und hatte so die Gelegenheit, sich als Landmann mit der Nahrungsgewinnung zu beschäftigen. Die Illustrationen der einzelnen Tätigkeiten des Yinzhen gengzhi tu 195 wurden entweder durch die Darstellung seiner Person bei einer bäuer­lichen Tätigkeit oder das Bild des Studiums der Landarbeit durch den kaiser­lichen Prinzen ergänzt.196 Darüber hinaus

191 Zit. n. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 106f. 192 Kaiser­liche weiße Jade-Tischplatte mit Darstellung des Pflügenden Kaisers aus der Qianlong Ära (1736 – 1795) T. B. Kitson Collection London. 193 Grimm, Kaiser Qianlong als Poet, S. 43. 194 Die enge Verbindung von Politik und Literatur kulminierte in der Funktion des Kaisers: “Because it was intimately connected with the functions of the government, the most venerable Chinese sovereign – the Emperor – was an ardent supporter of literature, or at least he gave the appearance of being so.” Knechtges, David R.: The Emperor and Literature. Emperor Wu of the Han. In: Brandauer, Frederick P./Huang, Chun-chieh (Hg.): Imperial Rulership and Cultural Change in Traditional China. Seattle 1994. S. 51 – 76. Hier S. 51. Vgl. auch Smith, China’s Cultural Heritage, S. 174 – 189. 195 Yinzhen ist der Geburtsname des Yongzheng-­Kaisers. Da er zeitgenössisch jedoch nicht veröffent­ licht werden durfte, wurde diesem Werk der Name sehr wahrschein­lich erst später zur Unterscheidung von der Kangxi-Version gegeben. 196 Auch seine Gemahlin ist abgebildet. Fuchs, Zum Keng-chih-t’u der Mandju-Zeit, S. 70.

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bietet das Buch von ihm selbst verfasste Gedichte zur Bedeutung der Landwirtschaft und Kommentare zu einzelnen Arbeitsschritten (Saat, Bewässerung, Dreschen etc.), um der Landarbeit und den Bauern seine Würdigung auszudrücken. Der Bildzyklus folgt mit einigen Änderungen und der eigenen Note grundsätz­lich dem seines Vaters.197 Der Yongzheng-­Kaiser hatte sich wie der Kangxi-­Kaiser über das Staatsritual des Pflügens und der Ernteopfer hinaus eigenhändig mit dem Anbau von Feldfrüchten beschäftigt. Vom Kangxi-­Kaiser ist zudem bekannt, dass er sich in der Jagd- und Sommerresidenz Chengde nörd­lich von Peking einen eigenen Gemüsegarten anlegen und ein Gärtnerhaus hatte errichten lassen (Abb. 12: Gemüsegarten in Chengde). Die Beete bepflanzte und pflegte er selbst.198 Unweit seines eigenen Nutzgartens ließ der Kaiser einen Reis-Pavillon errichten, der seinen Nachfahren einen wesent­lich von ihm beeinflussten Erfolg im Reisanbau dokumentieren sollte: Der Kangxi-­Kaiser hatte von Chengde aus den Befehl erteilt, in Südchina mit Reispflanzen zu experimentieren, um den Erntezyklus zu verkürzen und den Ertrag zu steigern.199 Im Jahr 1715 erreichte ihn der Rechenschaftsbericht eines Provinzgouverneurs, der ihm mitteilte, dass die Ver­ suche gelungen seien und nunmehr begonnen werde, die erfolgreiche Anbaumethode der Bevölkerung zu vermitteln. Die nachfolgenden Herrschergenerationen gedachten tatsäch­lich der Bestrebungen des Vorfahren um die Verbesserung der Ernährung. Der Guangxu-­Kaiser (1875 – 1908) sollte in dem Buch Kangxi jixia pian, einem ­panegyrischen Werk, das der Erinnerung an den Kangxi-­Kaiser diente, die Bemühungen und den Erfolg der zweimaligen Ernte detailliert schildern.200 Das Engagement der chinesischen Kaiser für die Landwirtschaft spiegelt sich also nicht nur in zahlreichen Liedern und Gedichten zur Verherr­lichung der Bodenkultivierung wider, die seit der frühen Song-Zeit bis zum Ende der Kaiserzeit einen wesent­lichen gesellschaft­lichen Stellenwert einnahmen, sondern auch in entsprechenden administrativen Initiativen zur Verbesserung der Landwirtschaft. Sie bestanden beispielsweise in konkreten Befehlen, etabliertes agronomisches Wissen durch Versuche zu erweitern

197 Der gesamte Bilderzyklus ist abgebildet, jedoch nur kurz eingeordnet von Liu, Lu: Yongzhen huangdi ban gengfu (Der Yongzheng-­Kaiser gibt sich als Pflüger). In: Forbidden City 133 (2005). S. 60 – 79. Ebenfalls in Zhu, Qingshi tudian, Bd. 4, S. 20ff. 198 Der Garten ist Teil des kaiser­lichen Parks der Sommerresidenz und ist kürz­lich nach alten Plänen neu angelegt worden. Der Yongzheng-­Kaiser führte den Gemüsegarten seines Vaters trotz seiner Begeisterung für die Garten- und Landarbeit in Chengde nicht weiter, das er sich nie in der Sommerresidenz aufhielt. Zu Chengde, den einzelnen Gartenpartien und den Aufenthalten des Kangxi-­Kaisers vgl. Forêt, Philippe: Mapping Chengde. The Qing Landscape Enterprise. Hawaii 2000. S. 54ff und S. 156ff. Zur politischen Funktion von Chengde als Ort der Annäherung der Mandschu, Chinesen und Mongolen vgl. Waley-Cohen, The New Qing History, S. 200f. 199 Der Befehl ist kurz erwähnt bei Kessler, K’ang-hsi and the Consolidation of Ch’ing Rule, S. 153. 200 Zhu, Qingshi tudian, Bd. 3, S. 293 – 295. Zu frühen Versuchen, den Reisanbau zu steigern, vgl. Ho, Ping-ti: Early-Ripening Rice in Chinese History. In: Economic History Review 2 (1956). S. 200 – 218. Hier S. 204f.

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und der Bevölkerung zu vermitteln bzw. zugäng­lich zu machen.201 In diesem Kontext fällt eine seit der Ming-Dynastie kontinuier­lich zunehmende Verwissenschaft­lichung der Landwirtschaft auf, die sich in erster Linie als staat­liche Präventivmaßnahme zur Vorbeugung von Hungersnöten verstand. Ihre Ergebnisse fanden in Fachpublikationen und populären Bildwerken ihren Niederschlag, die von Monarchen in Auftrag gegeben oder von ihnen selbst bzw. von Mitgliedern ihrer Familie verfasst wurden. Die Bücher folgten der Einsicht, dass neues Wissen in die Praxis fließen und der bäuer­ liche Untertan damit angeleitet werden musste, um Erträge zu steigern oder Mangel vorzubeugen. Die Werke sind ein Ausweis des Zusammenwirkens von Regierung und Untertanen sowie von Wissenschaft und landwirtschaft­licher Praxis. So erschien unter dem Hongwu-­Kaiser (Ming-Dynastie, reg. 1368 – 1398) Prinz Zhu Xiao’s Abhandlung Jiuhuang bencao (Ernährung in Mangel- und Notzeiten), in die der fürst­liche Autor Informationen von Bauern über die Lagerung von Nahrungsmitteln sowie die Eignung wilder Gemüsesorten für die mensch­liche Ernährung integrierte.202 Unter dem letzten Ming-­Kaiser verfasste Xu Guangqi (1562 – 1633) zwischen 1625 und 1628 in Shanghai ein landwirtschaft­liches Handbuch, das so genannte Nongzheng quanshu. Gedruckt wurde es unvollendet erst nach dem Tod des Autors 1633. Das Werk handelt alle Nutzpflanzen und die Techniken ihres Anbaus ab.203 In der nachfolgenden Dynastie, den Qing, erschienen nach 1742 die in kaiser­lichem Auftrag verfassten und reich illustrierten 78 Überblicksbände zur Landwirtschaft und Gartenkunst, das Shoushi tongkao (Untersuchungen über die Verkündung der Zeiten).204 Es ging dem Qianlong-­Kaiser in seinem Befehl zu diesem Buch aus dem Jahr 1737 darum, die landwirtschaft­liche Literatur und das gesamte agrarische Wissen in einem amt­lichen Werk zu bündeln, um das Ziel seiner Regierung zu unterstreichen, wie seine Vorfahren den Ackerbau als Grundlage des Staates zu verankern, zu würdigen und künftige Generationen davon profitieren zu lassen. Er ließ eine Kommission zusammenstellen, die unter einem kaiser­lichen Prinzen arbeitete und aus über 50 Mitgliedern bestand. Nach Fertigstellung verfasste der Qianlong-­Kaiser das Vorwort eigenhändig und eröffnete es mit einem Zitat über die Einrichtung des Kalenders: Die Zeiten der Menschen sind Perioden des Pflügens und Erntens. Mit Sorgsamkeit sind deshalb die Zeiten durch die Menschen einzuhalten, denn sie bilden die Grundlage für die Arbeit der Landwirtschaft.205

201 Eine sehr ausführ­liche Bibliographie zu Agrarlehrbüchen, Dichtung zur Landwirtschaft etc. aus unterschied­lichen Dynastien vgl. Bray, Agriculture, S. 618ff. 202 Schneebeli-Graf, Nutz- und Heilpflanzen Chinas, S. 14. 203 Ein Exemplar aus dem Jahr 1643 befindet sich in der Bibliothèque nationale de France, Dept. des Manuscrits Orientaux unter der Signatur Chin. 5369. Das Buch gehört zu den Büchern, die der Jesuit Couplet an die Hofbibliothek Louis XIV. gesandt hat. Vgl. dazu die kurze Beschreibung Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 302. 204 Ibd. S. 16. 205 Zit. n. Franke, Kêng Tschi T’u, S. 55. Vgl. aber grundsätz­lich zu dem Werk S. 51 – 79.

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Die ersten Kapitel erläutern die hohe Bedeutung der Landwirtschaft für den Staat, Kapitel 42 – 51 behandeln die staat­liche Förderung des Landbaus unter den vorangegangenen Dynastien durch Edikte und Einrichtungen, Feste und kaiser­liche Rituale, und schließ­lich finden sich in den Kapiteln 54 – 57 Informationen über die staat­lichen Kornkammern und die Vorsorge für schlechte Zeiten. Es folgen Kapitel über Nutzpflanzen und ihren Anbau sowie ausführ­liche Anleitungen zur Seidenherstellung.206

2.2.5 Präventive Maßnahmen der Kaiser zur Verhinderung von Hungersnöten

Doch die Förderung von Wissenserwerb und -vermittlung auf dem Gebiet der Landwirtschaft verhinderte nicht die Felder verwüstenden Naturkatastrophen oder Missernten und die daraus folgenden Hungersnöte.207 Gerade die Vorsorge der Kaiser, durch ein staat­liches System von Speichern zur Vorratshaltung den nach Naturkatstrophen oder Kriegen folgenden Hungerperioden im Land vorzubeugen, nahm deshalb im Spektrum des administrativen Handelns der Herrscher einen wichtigen Platz ein. Die Kaiser folgten damit der Warnung des Buches der Riten (Liji), dass ein Land […] without stocks for nine years’ requirements has insufficient reserves; with less than six years’ reserves, the situation becomes tense and with less than three years’ stocks, the government will not survive.208 Die Sicherstellung der Ernährung der Untertanen als wesent­licher Teil der sozialen Wohlfahrt und Ruhe im Staat hing somit wesent­lich von einem effizienten Vorratssystem ab, das seit alters her unter der Obhut und ständigen Beobachtung des Kaisers und seiner Bürokratie stand. Als Usurpatoren ging es gerade den Kaisern der Qing in besonderem Maße darum, durch eine funktionierende Vorratswirtschaft die Legitimation ihrer Herrschaft zu festigen, die Untertanen fried­lich an ihre Dynastie zu binden und eine wesent­liche Stabilisierungsfunktion im Land zu übernehmen. Der

206 Franke, Kêng Tschi T’u, S. 55. 207 Hung, Agricultural Revolution, S. 580. Zum Wohlfahrtsgedanken vgl. Plath, Johann Heinrich: Die Beschäftigung der alten Chinesen. Ackerbau, Viehzucht, Jagd, Fischfang, Industrie, Handel, München 1869. S. 108f. 208 Legge, The Sacred Books of China, Bd. 3, S. 2. Der Kanzler und Staatsdenker Guanzi (ca. 715 – 645 v. Chr.) hatte folgende strategische Überlegungen für die erfolgreiche Machtausübung durch einen Monarchen aufgestellt: Eine Regierung floriert, wenn sie den Wünschen des Volkes entspricht, und sie geht zugrunde, wenn sie sich zu den Wünschen des Volks im Gegensatz stellt. Das Volk hasst Kummer und Not, deshalb machen wir es zufrieden und glück­lich. Das Volk hasst Armut und Niedrigkeit, deshalb machen wir es reich und geachtet. Das Volk mag nicht in Gefahren und ­Katastrophen geraten, darum erhalten wir ihm den Frieden, es will nicht vernichtet werden, daher schützen wir seine Existenz und fördern seine Entwicklung. Zit. n. Forke, Die Gedankenwelt des c­ hinesischen Kulturkreises, S. 187. Vgl. ebenfalls Zenker, Ernst Viktor: Kuan-tse, das Leben und Wirken eines altchinesischen Staatsmannes (Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse, Bd. 219,5). Wien 1941. S. 11ff.

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Kangxi-­Kaiser hatte Anfang des 18. Jahrhunderts mit der landesweiten Errichtung von Kornspeichern nach dem Vorbild der Han-Dynastie begonnen.209 Sein Nachfolger, der Yongzheng-­Kaiser, setzte diese Maßnahme fort. In den Kornspeichern wurde Reis und Getreide für den Bedarfsfall sowie Saatgut aufbewahrt, das auch der Erschließung neuen Landes und der Grenzsicherung dienen sollte.210 Nach dem Vorbild der Provinzbehörden richteten auch Gemeinden Speicher ein, so dass um 1730 ein großes Netz dieser Einrichtungen bestand. In der Qing-Dynastie wurden drei Formen von Speichern errichtet: die so genannten Normalspeicher (changping cang), die Wohltätigkeitsspeicher (yicang) sowie die kommunalen Gemeinschaftsspeicher (shecang). Die über dieses Netz an Speichern zur Verfügung gestellten Nahrungsmittel umfassten gegen Ende des 18. Jahrhunderts in China fünf bis zehn Prozent der Gesamtproduktion an Reis und Getreide.211 Der Kangxi-­Kaiser hatte sich genau wie seine Nachfolger regelmäßig über den Zustand der Speicher und ihren Inhalt informieren lassen. Oftmals wurden Defizite oder Probleme dem Kaiser verschwiegen, was den Qianlong-­Kaiser 1794 zu der sarkastischen Bemerkung veranlasste: The provincial governors report each year that there is no deficit in the granaries. But when suddenly there is a bad year, I am told that is

209 Marks, Tigers, Rice, Silk, and Silt, S. 226f. 210 Nach seinem Amtsantritt 1770 ließ der Unterpräfekt Wu Kai den zerstörten Getreidespeicher der Gemeinde (lian) Longjiang, ca. 30 Kilometer nordöst­lich von der Stadt Tengyue nahe der burmesischen Grenze in Stand setzen. Der Speicher verfügte über 100.000 Liter Volumen. Das darin aufbewahrte Getreide war jedoch in den Jahren des Krieges gegen die Burmesen aufgebraucht. Der Unterpräfekt veranlasste die Auffüllung des Speichers. Kott, Die erste Stadt an der äußersten Grenze, S. 238. 211 Einen umfassenden Überblick über die unterschied­lichen Vorratssysteme geben Will, Pierre-­Ètienne/ Wong, R. Bin: Nourish the People. The State Civilian Granary System in China, 1650 – 1850 (Michigan Monographs in Chinese Studies, Bd. 60). Ann Arbor 1991. S. 8 – 15 und für die Zeit unter dem Kangxi-­Kaiser und dem Yongzheng-­Kaiser S. 20 – 41. Ebenfalls Marks, Tigers, Rice, Silk, and Silt, S. 226 – 239. Zu den einzelnen Provinzen vgl. S. 308ff. Über die Debatten um die Normalspeicher und Preisinflationen in den ersten Regierungsjahren des Qianlong-­Kaisers vgl. Dunstan, Helen: State or Merchant? Political Economy and Political Process in 1740s China (Harvard East Asian Monographs, Bd. 273). Cambridge (Mass.)/London 2006. S. 151ff. Dunstan bietet auch einen sehr guten Quellenüberblick zur Rolle des Staates in der Vorratspolitik von der Machtübernahme der Qing 1644 bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dunstan, Helen: Conflicting Counsels to Confuse the Age: A Documentary Study of Political Economy in Qing-China 1644 – 1840 (Michigan Monographs in Chinese studies, Bd. 73). Ann Arbor 1996. Grundlegend zur Thematik bisher Lee, James: Food Supply and Population Growth in Southwest China, 1250 – 1850. In: The Journal of Asian Studies 41, 4 (1982). S. 711 – 746. Wong, R. Bin: Food Riots in the Qing-Dynastiy. In: Ibd. S. 767 – 788. Zu einer kritischen Einschätzung der Vorratswirtschaft unter den Qing kommt aus der Perspektive des 19. Jahrhunderts Hsiao, Kung-chuan: Rural China: Imperial Control in the Nineteenth Century. Seattle 1960. S. 144 – 180. Gast, Marceau: Les techniques de conservation des grains à long terme: leur rôle dans la dynamique des systèmes de cultures et des sociétés. Bd. 1. Paris 1981. S. 44 – 51. Aus dem Jahr 1753 existiert eine Karte mit Wohltätigkeitsspeichern aus der Provinz Zhili, dem heutigen Hebei. Jifu yicang tu. Comp. Fang Guancheng 1753. Reprint Taibei 1969.

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no longer true. […] I know the granaries in each province cannot be full.212 Getreideüberschüsse durften frei gehandelt werden, was staat­liche Behörden sicherzustellen hatten. Lokale Exportverbote traten nur bei Hungersnöten in Kraft. Auch überhöhte Preise waren durch das administrative Personal zu korrigieren. Dies konnte theoretisch schnell und unmittelbar geschehen, da der Yongzheng-­Kaiser landesweite und regelmäßige Berichte über regionale Getreidepreise angeordnet hatte. Mit den Speichern und der Preisbeobachtung lenkte und kontrollierte die staat­liche Ordnung einen wesent­lichen Teil des ökono­mischen Systems in China und war in der Lage, ad hoc auf Ernteausfälle zu reagieren.213 Auch mit dem vereinfachten Steuersystem, das der Yongzheng-­Kaiser zwischen 1725 und 1729 eingeführt hatte, zielte die Qing-Regierung auf die Vermeidung von Bauern­ aufständen und die langfristige Befriedung der Bauern.214 Der Fürstenberater und Vermittler konfuzianischer Lehren Menzius aus dem 4. Jhr. v. Chr., den der Kangxi-­Kaiser und der Yongzheng-­Kaiser eingehend studiert hatten und dessen Werk gerade unter den frühen Qing-­Kaisern zum Leitfaden erkoren wurde, hatte gewarnt: Dem Volk geht es also: Hat es einen festen Lebensunterhalt, so hat es ein festes Herz. Hat es keinen festen Lebensunterhalt, so verliert es auch die Festigkeit des Herzens. Ohne Festigkeit des Herzens aber kommt es zu Zuchtlosigkeit, Gemeinheit, Schlechtigkeit und Leidenschaften aller Art. […] Wenn ein Landesvater es dahin bringt, daß seine Leute mit Falten auf der Stirn das ganze Jahr sich abmühen und selbst so es noch nicht fertig bringen, ihre Eltern zu ernähren, sondern Anleihen aufnehmen müssen, um den Mangel auszugleichen, so daß die Greise und Säuglinge sich in den Straßengräben wälzen: worin besteht da seine Landesvaterschaft?215 Der Herrscher hatte für das Wohlergehen des Volkes zu sorgen. Er müsse deshalb seinen Blick zuerst auf das Volk und dann auf das Getreide richten. Die Harmonie zwischen landwirtschaft­lichem Ertrag, welcher der Versorgung aller diente, der Arbeits- und Abgabebelastung musste durch den Kaiser gewährleistet werden. Somit entsprach eine milde und erträg­liche Steuer- und Arbeitsbelastung für die Bauern der idealen Herrschaftsausübung nach Menzius: Darum ist ein weiser Fürst stets ernst und sparsam und höf­lich gegen Untergebene. Und was er von dem Volke nimmt, hat feste Grenzen.216 Der Yongzheng-­Kaiser hatte deshalb zur Entlastung der Bauern die Bündelung von Steuern veranlasst: Die getrennten Grundsteuern (di) waren mit den

212 Zit. n. Marks, Tigers, Rice, Silk, and Silt, S. 229. 213 Kott verweist darauf, dass Hungersnöte registriert und die entsprechenden staat­lichen Hilfen von den Beamten der Provinzen verzeichnet wurden. Kott, Die erste Stadt an der äußersten Grenze, S. 248f. Kreuzer, Staat und Wirtschaft in China, S. 250 – 257. 214 Zelin, Madeleine: The Magistrate’s Tael: Rationalizing Fiscal Reform in Eighteenth-Century Ch’ing China. Berkeley 1984. Einleitung, S. 8ff. 215 Wilhelm, Richard (Übers. und Hg.): Mong Dsï: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K’o. Köln 1982. S. 91. 216 Ibd. S. 92.

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bestehenden Kopfsteuern vereint worden.217 Künftig sollten die Abgaben ausschließ­ lich nach der Größe der zur Verfügung stehenden Äcker eines Bauern und nicht mehr nach Anzahl der männ­lichen Familienmitglieder bemessen werden. Die Regelung kam insbesondere Landlosen oder Kleinbauern zugute. Dafür griff der Yongzheng-­Kaiser auf erste Ergebnisse in den Landregistern seines Vaters zurück, der das Ackerland zahlreicher Provinzen hatte neu vermessen lassen. Das Vermessungsprojekt wurde bis in die Regierungszeit des Qianlong-­Kaisers fortgesetzt, um neu besiedelte Landstriche zu erfassen. Auch die frühe bevölkerungsstatistische Erhebung durch das Führen von Geburts- und Sterberegistern in den Wohnkomplexen chinesischer Städte und auf Dörfern sowie systematische Volkszählungen ermög­lichten schon früh eine genaue Steuererhebung durch den Staat. Der Qianlong-­Kaiser ließ das Meldesystem auf alle arbeitsfähigen Männer einer Familie erweitern.218

2.2.6 Die Rolle der Arbeit im kaiser­lichen China

Rudolf G. Wagner betont in seinem grundlegenden Artikel zum Konzept der Arbeit in China die große Bedeutung des vom Kangxi-­Kaiser 1670 erlassenen Shengyu shiliu tiao (kurz: Shengyu, Heiliges Edikt)219 für die in der Qing-Dynastie dem Volk offiziell vermittelte kaiser­lich-konfuzianische Auffassung von Arbeit.220 In der zehnten Bestimmung findet sich die grundsätz­liche Aufforderung, im Leben hart zu arbeiten. 217 Bei Menzius findet sich ein Beleg für die Bedeutung einer Steuervereinheit­lichung, die von einem Herrscher jedoch nicht nur angedacht, sondern auch konsequent eingeführt werden müsse: Dai Ying Dschï sprach: „Nur den Zehnten zu nehmen und die Grenz- und Marktzölle aufzuheben, geht heuer noch nicht an. Ich will sie erleichtern und im nächsten Jahr dann abschaffen. Was sagt Ihr dazu?“ Mong Dsï sprach: „Angenommen, ein Mann stiehlt täg­lich seinem Nachbarn ein Huhn. Und es sagt jemand zu ihm: ‚Das schickt sich nicht für einen anständigen Menschen.‘ Jener aber sagt: ‚Ich will es einschränken und nur jeden Monat ein Huhn stehlen. Im nächsten Jahr dann will ich’s aufgeben.‘“ – Wenn man erkannt hat, daß etwas ungerecht ist, so muß man es sofort sein lassen und nicht bis zum nächsten Jahr warten. Ibd. S. 107. 218 Es bestanden schon Landregister aus der Ming-Zeit. Dabringhaus, Geschichte Chinas, S. 43f. Vgl. zur frühen Statistik in China Ho, Ping-ti: Studies on the Population of China. 1368 – 1953 (Harvard East Asian Studies, Bd. 4). Cambridge 1959. Zur Bedeutung der Statistik in Europa vgl. Landwehr, Achim: Das gezählte Volk: Bevölkerung als Gegenstand einer Kulturgeschichte des Politischen. In: Zeitschrift für Historische Forschung 35 (2005). S. 207 – 224. Inwieweit China im 18. Jahrhundert auch für die immense Bedeutung der Statistik in den deutschen Territorien als Muster herangezogen wurde, kann an dieser Stelle nicht ausführ­lich diskutiert werden. 219 Die Übersetzung ins Englische hat sich als Terminus etabliert und soll deshalb in der gesamten nachfolgenden Untersuchung beibehalten werden. 220 Zur Herkunft, Bedeutung und unterschied­lichen Konnotation des Begriffs qinlao (Arbeit) vgl. Wagner, The Concept of Work/Labor/Arbeit, S. 129ff. Den heiligen Edikten schrieben die frühen Qing-­Kaiser eine große erzieherische Wirkung und Besserungskraft auf die Untertanen zu. Eichhorn, Die alte chinesische Religion, S. 241.

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Das Shengyu nahm auf das Mengzi aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Bezug. In einem fiktiven Gespräch diskutierten darin der Schüler des Naturmenschen Zhen Xiang und Menzius die Vorteile der Arbeitsteilung und der Spezialisierung der Arbeit durch unterschied­ liche Berufe. Während Zhen Xiang die Vorteile der eigenhändigen Ausführung aller Verrichtungen beschwor, verwies Menzius kritisch auf die Folgen: Wenn nun jeder sich alles selber beschaffen müßte, was er braucht, das hieße, die ganze Welt beständig auf den Straßen umherrennen lassen.221 Er betonte vielmehr den Unterschied zwischen geistiger oder körper­licher Arbeit: Es gibt Geistesarbeiter und Handarbeiter. Die Geistesarbeiter halten die andern in Ordnung, und die Handarbeiter werden von den andern in Ordnung gehalten. Die von den andern in Ordnung gehalten werden, nähren die andern. Die die andern in Ordnung halten, werden von diesen ernährt. Das ist eine durchgehende Pf­licht auf der ganzen Welt.222 ­Menzius eröffnet in seiner Argumentation zwei vollkommen voneinander getrennte Sphären, die jedoch einander bedürfen und voneinander abhängen: die des Nahrung schaffenden Bauern sowie die des Ordnung konfigurierenden und schützenden Herrschers mit seinem gelehrten Beamtentum. Die Sphären ordnen eindeutige Bereiche von Aktivität im jeweiligen eigenen und Passivität im fremden Wirkungsbereich zu. Diejenigen, welche die Ordnung verkörpern und einhalten, werden ernährt. Sie müssen das Feld zu ihrem Lebenserhalt nicht selbst bestellen: Yau [Yao] und Schun hatten die Welt in Ordnung zu bringen; hatten sie da etwa nicht genug Betätigung für ihre Gedanken? Wahr­lich, sie hatten es nicht nötig, sich auch noch beim Ackerbau zu betätigen!223 Menzius trennte den Ackerbau als schaffende, aber auch lebenserhaltende Tätigkeit eindeutig vom Wirkungsbereich der beiden aus der nörd­lichen Tradition stammenden Urherrscher. Ihnen ordnete er das Denken, Erziehen und Einrichten der Welt zu. Die differenzierte Betrachtung der Arbeit implizierte in seiner Schrift aber keine Hierarchisierung der Tätigkeiten. Die gewöhn­lich betonte Würde der Bauern wurde von ihm nicht in Frage gestellt. Vielmehr schaffte die eindeutige Zuordnung und Aufteilung der Wirkungsbereiche Entlastung, die Vermeidung von Chaos und schuf die Grundlage für entsprechende Spezialisierungen und Qualifika­tionen. Unbestritten blieb aber auch bei Menzius die Verantwortung der Kaiser für die Ernährung und Kleidung der Menschen. Vom Kaiser und der Kaiserin wurde erwartet, die Grenzen zu überschreiten und die beiden getrennten Sphären zu verbinden, welche die Einheit und Harmonie der Sphären wiederherstellte. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere im Kommentar zum Shengyu

221 Wilhelm, Mong Dsï, S. 96. Zu den Kommentaren vgl. Van Norden, Bryan W. (Übers.): Mengzi: With Selections from Traditional Commentaries. Indianapolis 2009. S. 31f. 222 Wilhelm, Mong Dsï, S. 96. Cartier, Michel (Hg.): Le travail et ses répresentations (Éditions des Archives contemporaines). Paris 1984. 223 Wilhelm, Mong Dsï, S. 97. Xiyuan, Chen: „Shengwang dianfan yu rujia ‚nei xian wai wang‘ de shizhi yihan – yi Mengzi dui Shun de quanjie wei jidian“ (Das Vorbild der weisen Könige und die wesent­liche Bedeutung des konfuzianischen ‚Inner­lich ein Weiser, äußer­lich ein König‘ – auf der Grundlage der Interpretation des Shun durch Menzius). In: Huang Junjie, 1995. S. 23 – 67.

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des Kangxi-­Kaisers, dem so genannten ­Shengyu guangxun, den sein Sohn und Erbe, der Yongzheng-­Kaiser, zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt im Jahr 1724 verfasste und gemäß seiner Rolle als erster Erzieher des Volkes publizieren ließ. In einer der ältesten europäischen Übersetzungen, die im Jahr 1815 für Sir Stamford Raffles in Malakka/British Malaya angefertigt wurde, heißt es zur vierten Maxime im Shengyu:224 Of old time the Emperors themselves ploughed, and their Empress cultivated the mulberry-tree. Through supremely honourable, they disdained not to labour, in order that, by their example, they might excite the millions of the people to lay due stress on the radical principles of political economy. […] We [Yongzheng-­Kaiser], reverently looking up to the Sacred Edict, and viewing your occupations as of supreme importance, have amplified and explained it, advising you to exert your strength in the pursuit of this radical employment. I, the chief of you all, fed and clothed out of the revenue, desire that all in the empire may also be full and warm.225 Der Kommentar hebt deut­lich hervor, dass der Kaiser in seiner idealen Funktion und Darstellung sich nicht scheute, einmal im Jahr die schwere körper­liche Arbeit der Bauern zu verrichten, um so die grundlegende Bedeutung der Landwirtschaft sowie die anstrengende und wichtige Tätigkeit der Landarbeiter für das gesamte Land und für alle sichtbar zu unterstreichen. In der Person des Kaisers ließ sich einmal im Jahr während der Rituale die Ordnung der Welt [das Herrschen] mit dem Landbau vereinigen.226

224 Die vierte Maxime des Kangxi-­Kaisers lautet: Recognize the importance of husbandry and the culture of the mulberry tree, in order to ensure a sufficiency of clothing and food. Duiker William J./­Speigelvogel, Jackson J. (Hg.): World History. Minneapolis/St. Paul 1994. S. 657. 225 Jeder der essential occupations, so auch die Bauern, wurde vom Yongzheng-­Kaiser in seinem Kommentar noch einmal direkt angesprochen: Ye husbandmen, do not vex yourselves about dry and wet seasons. Prepare in good time for years of scarcity, and pay in the taxes at the proper terms. Plant all the field, leave not an inch uncultivated, let your whole strength be spent in this, leave none of it unexerted. This is the way to complete your employment. Milne, William (Hg./Übers.): The Sacred Edict, containing sixteen Maxims of the Emperor Kang-He, amplified by his son, the Emperor Yoong-Ching. London 1817. S. 80 und S. 84f, S. 202. Milne bot in seiner Übersetzung auch die Übersetzung der Erläuterung eines ungenannten Mandarins von der Stelle, in der der Yongzheng-­Kaiser direkt auf das Heilige Edikt seines Vorgängers Bezug nahm: The labours and pleasures, both of those that plant the fields and of those who weave cloth, are most minutely represented. This was because our sacred ancestor, the benevolent Emperor, viewed agriculture as the important source from which the people derive their wealth. This [condescension] ought to be viewed as the very perfection of imperial grace and virtue, to which nothing can be added. His present imperial majesty, concurring with the Sacred Edict, and holding the labours of the people in due estimation, has amplified and explained its instructions with the sole design of encouraging you to exert all your energies in agriculture, that you may from thence acquire an abundance. Ibd. S. 93. Eine neuere Übersetzung liegt von Baller vor. Baller, Frederick W.: Yongzheng Emperor: The Sacred Edict with a Translation of the Colloquial Rendering. Shanghai 1892 (Reprint Orono/Maine 1979). Zur geschlechtsbezogenen Arbeit, insbesondere landwirtschaft­lichen Tätigkeiten, die sich auch im Kaiserpaar symbolisch niederschlägt, vgl. Bray, Francesca: Technology and Gender: Fabrics of Power in Late Imperial China. Berkeley/Los Angeles 1997. S. 175 – 178 und S. 251 – 253. 226 Wilhelm, Mong Dsï, S. 96.

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Nach Konfuzius gab es keine bessere Mög­lichkeit, als über ein Ritual Prinzipien zu vermitteln und die Ordnung unter die Menschen zu bringen – bemerkte der Beauftragte für Salz Wang Youpu (1681 – 1760) in seiner öffent­lichen Vorlesung über das Heilige Edikt bzw. den Kaiser­lichern Erlass des Kangxi-­Kaisers. Let all of you – scholars, farmers, artisans, merchants, and soldiers – take care in practicing ceremonial deference. If one place becomes good, then many places will become so, and finally the entire realm will be in excellent harmony. Won’t we then have a world in perfect concord?227 Die Bauern wurden durch das eigenhändige Pflügen des Kaisers aufgewertet und damit die Achtung und Wertschätzung der von ihnen zu leistenden körper­lichen Arbeit zu einem wichtigen Bestandteil des chinesischen Staatskonzepts erhoben.228 Entsprechend war auch die Arbeit der Bauern zu schützen. Der Yongzheng-­Kaiser gab in seinem Kommentar zum Heiligen Edikt seines Vaters den Befehl: Civil and military officers of the country, you should all give encouragement to agriculture. Let the public service wait till the labours of husbandry be first completed, then employ the people there in, but not impede their labours.229 Eine gegensätz­liche oder einseitige Auffassung von Arbeit konnte sich als staats- und gesellschaftsgefährdend erweisen: Der Philosoph Wang Fu (?-165 n. Chr.), der zu den Kritikern der späten Han-Dynastie gehörte, warnte in seinem Qianfu lun eindring­lich vor den Gefahren, die aus der Vernachlässigung bodenkultivierender Tätigkeiten und der Missachtung der Bauern erwuchs: But if in this way for one man plowing a hundred consume the product; and for one woman rearing silkworms a hundred people clothe themselves with the silk, that is, if a single person is to provide for a hundred – who [on earth] is able to come up with the [required] output?230 In diesem Fall entstehe ein Ungleichgewicht zwischen körper­lichen und geistigen Arbeiten, was zu ernsten Hungerkrisen im Staat

227 Ebrey, Patricia B. (Hg.): Wang Youpu’s Sacred Edict Lecture. In. Chinese Civilization: A Sourcebook. New York ²1993. S. 298 – 300. Hier S. 298. 228 Wagner, The Concept of Work/Labor/Arbeit, S. 132. Vgl. dazu auch Will, Pierre Etienne: Développement quantitatif et développement qualitatif en Chine à la fin de l’époque impériale. In: Annales Histoire, Sciences Sociales (4) 1994. S. 863 – 902. Hier S. 877f. Eine erweiterte Version des Aufsatzes findet sich in Le Blanc, Charles/Rocher, Alain (Hg.): Tradition et innovation en Chine et au Japon. Regards sur l’histoire intellectuelle (Publications Orientalistes de France). Montréal/Paris 1996. S. 147 – 206. Hier S. 160f. 229 Milne, The Sacred Edict, amplified by his Son, the Emperor Yoong-Ching, S. 91. 230 Zit. n. Wagner, Rudolf G.: The Powers of Philology. Saving the Eastern Hàn from Collapse. In: Anderl, Christoph/Eifring, Halvor (Hg.): Studies in Chinese Language and Culture. Festschrift in Honour of Christoph Harbsmeier on the Occasion of his 60th Birthday. Oslo 2006. S. 51 – 64. Hier S. 64. Wagner bietet eine kritisch kommentierte Übersetzung einer Schlüsselpassage aus dem Qianfu lun zur Bedeutung der Landarbeit. Die Stelle findet sich auch bei Holzer, Rainer: Das Ch’ienfu-lun [Qianfu lun] des Wang Fu: Aufsätze und Betrachtungen eines Weltflüchtigen. Heidelberg 1992. S. 67. Vgl. grundsätz­lich zum Werk Qianfu lun Kinney, Anne B.: The Art of the Han Essay: Wang Fu’s Ch’ien-Fu Lun. Phoenix 1990.

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führen könne.231 Wang Fu hatte selbst die breite Abwendung von landwirtschaft­licher Arbeit und die einseitige Hinwendung zum Handel oder zur Wanderarbeit als Lebenserwerb erlebt und sah darum für die Regierung die Notwendigkeit, die Landwirtschaft zu fördern und notfalls regulierend einzugreifen, war sie doch die Lebensgrundlage des Staates und bildete zugleich für zahlreiche Produkte die Materialbasis. Ohne eine florierende und ertragreiche Landwirtschaft könnten weder der Handel noch andere Berufe gedeihen und die Menschen nicht leben. Handwerk und Handel seien somit dem Ackerbau untergeordnet. Wang Fu sah den Grund für die Abwendung von der schweren Arbeit des Ackerbaus in der Eitelkeit und dem materialistischen Luxusgebaren der Menschen. Dabei ging es ihm nicht darum, die grundsätz­lich freie Berufswahl zu unterbinden. Er betonte vielmehr, dass Entscheidung Einzelner, dem Ackerbau den Rücken zu kehren, dem Staat nicht zur Last fallen würde. Wang Fu hatte mit seiner Kritik auf die überhandnehmende Wanderarbeit und Migration Richtung Süden Bezug genommen, die er aufgrund der teilweise bedroh­lichen Versorgungslage durch Naturkatastrophen und kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch wegen der Gier nach Reichtum als Grund für den Verlust der gesellschaft­lichen Orientierung einordnete.232 Einen Leitfaden zur Orientierung bot er mit der Rückkehr zur Landwirtschaft als Versorgungsgrundlage und damit auch einer Hinwendung zu einem auskömm­lichen und bescheidenen, aber weniger ambitiösen Leben.233 Wang Fus Werk erhielt schon bei den späten Ming wieder Bedeutung und erregte unter den Kaisern der frühen Qing-Dynastie Aufmerksamkeit. Der Qing-Gelehrte Wang Jipei (1751 – 1819) hatte seine Lehren im Qianfu lun jian jiaozheng ausführ­lich kommentiert.234 Auch in diesem Fall zeigte sich die bewusste Orientierung an der Tradition als Regierungsstrategie der Qing-Monarchen. Um den Sektor der Landwirtschaft und das Ansehen der Bauern sichtbar zu stärken, beschloss der Yongzheng-­Kaiser schon in seinem ersten Regierungsjahr, ein Belohnungssystem für Bauern mit Steuererleichterungen und Naturalienzahlungen einzuführen. Der fleißigste Bauer eines jeden Dorfes sollte jähr­lich durch lokale Behörden ermittelt und belohnt werden. Im seinem zweiten Regierungsjahr erweiterte der Yongzheng-­Kaiser das bäuer­liche Belohnungssystem, indem er es an die bürokratische Rangordnung und die damit verbundenen Ehren anschloss. Jede Provinz hatte pro Jahr einen Kandidaten 231 Wang Fu diskutiert in diesem Zusammenhang lakonisch den Ausspruch des Konfuzius: Beim Pflügen kann man in Not kommen, beim Lernen kann man zu Brot kommen. Provozierend fragt Wang Fu, ob deshalb nicht der gesamte Landbau und damit die körper­liche Arbeit aufgegeben werden und alle Menschen ausschließ­lich von geistiger Arbeit leben könnten? Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich Konfuzius’ Meinung nur auf den Edlen beziehe, es aber ein wichtiges Ergebnis eines langen Lernprozesses sei, dass der Landbau die Grundlage aller Ernährung bilde. Holzer, Ch’ien-fu-lun des Wang Fu, S. 150f. 232 Di Giacinto, Soziale Kritik am Ende der späteren Han-Dynastie, S. 92ff. 233 Holzer, Das Ch’ein-fu-lun des Wang Fu, S. 67f. 234 Crossley, A Transcultural Mirror, S. 247.

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vorzuschlagen, der dann nach eingehender Prüfung des Vorschlags den achten Beamtengrad erhalten sollte.235 Es handelte sich um eine Auszeichnung, die den Zugang zum Beamtentum nicht mit der üb­lichen geistigen, sondern ausnahmsweise durch auffällig gute körper­liche Arbeit ermög­lichen konnte. Diesen Bauern wurde somit ein ungewöhn­licher Zugang zur konfuzianischen Elite geebnet. Das politische Gewicht der Ausgezeichneten erhöhte sich mit der Aufnahme in den Beamtenstatus auf lokaler Ebene stark, so wie es auch bei Beamten nach erfolgreich absolvierten Prüfungen erfolgte. In den ersten Jahren der Einführung dieser Maßnahme wurden offensicht­lich die meisten der Vorschläge aus den Provinzen von Peking angenommen. Die Auszeichnung erhielten die Bauern unabhängig von ihrem Alter nur nach Leistungen. Der Geehrte trug danach jedoch den Titel ‚alter Bauer‘ im Sinne eines ehrenwerten bzw. geehrten Landmannes. Wang betont, dass der Titel in der Forschung bisher missverstanden wurde. Es war bisher davon ausgegangen worden, dass es sich bei den Ausgezeichneten tatsäch­lich um ältere Landleute gehandelt habe.236 Der Kaiser griff auf ein Auszeichnungssystem der Han-Dynastie und damit auf eine etablierte Tradition zurück. Es kam jedoch bei der Auswahl der Kandidaten schnell zu Unregelmäßigkeiten: Einige Provinzen unterließen es, Kandidaten vorzuschlagen, andere benannten zwei Personen mit der Begründung besonders guter Ernten auf ihren Feldern. Sehr schnell wurde das Vorschlagssystem mit der Begründung vieler fleißiger Bauern inflationär gehandhabt.237 Es unterstützte ab dem siebten Regierungsjahr des Kaisers verstärkt die Vetternwirtschaft lokaler Beamter, die befreundete Bauern als Kandidaten vorschlugen. Letzt­lich wurden auf diese Weise nicht, wie beabsichtigt, wirk­lich verdienstvolle und fleißige Landleute geehrt. Aber auch die Ausgezeichneten nutzen ihre neue Stellung und das Ansehen von Beamten, um sich auf Kosten der Landbevölkerung zu bereichern. Nach dem Tod des Yongzheng-­Kaisers wurde deshalb dieses schlecht funktionierende System von Rangübertragungen auf Bauern nicht mehr weitergeführt. Das Auszeichnungswesen wird dem ganz besonderen Interesse des Yongzheng-­ Kaisers für das ‚einfache‘ Bauernleben zugeschrieben.238 Es handelte sich dabei jedoch nicht nur um eine persön­liche Vorliebe des Monarchen, sondern knüpfte als Hommage 235 Von insgesamt neun Beamtengraden ist dies noch keine sehr hohe Einstufung, dennoch ein Zugang zu einer sonst verschlossenen Gesellschaftsgruppe. Zu den Rängen vgl. Ho, Ping-Ti: The Ladder of Success in Imperial China. Aspects of Social Mobility, 1368 – 1911. New York 1962. Insbesondere Kap. V., S. 171 – 209. Guy, Kent R.: The Emperor’s Four Treasuries: Scholars and the State in the Ch’ien-lung era (Harvard East Asian Monographs, Bd. 129). Cambridge/Mass. 1987. S. 159ff. Elman, Benjamin A.: A Cultural History of Civil Examinations in Late Imperial China. Berkeley 2000. Zu den Rangabzeichen vgl. Schuyler, Cammann: Chinese Mandarin Squares, Brief Catalogue of the Letcher Collection. In: University Museum Bulletin 17/3 (1953). S. 8f. 236 Wang, Zhiming: Die ‚ehrenwerten Landleute der Yongzheng-Zeit‘. In: Gujin nongye No. 1, 2005. S. 44 – 48. 237 Wang gibt Beispiele für die einzelnen Vorschläge der Provinzen, die stetig zunahmen. Ibd. S. 46f. 238 Ibd. S. 47f.

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an eine lange chinesische Tradition des Verständnisses von bäuer­lichem Leben als sitt­ lichem und tugendhaftem Dasein an. Im Leben auf dem Land und den damit verbundenen grundlegenden Arbeiten des Ackerbaus und der Herstellung von Seide bzw. von Kleidung hatten wichtige Tugenden wie Höf­lichkeit oder der Sinn für Gerechtigkeit ihren Ausgangspunkt und ihren Platz. Deshalb war auch der freiwillige oder erzwungene Rückzug von Personen aus politischen und Verwaltungsämtern auf das Land in der Geschichte Chinas immer mit einer öffent­lich bekundeten Hinwendung zu einem moralischen und zugleich bescheidenen Leben verbunden, das sich auf die wesent­lichen Grundlagen des Daseins beschränkte.239 Im Landleben lagen Läuterung und die Belehrung zum Besseren. Im Shijiing, dem Buch der Lieder, wird im ersten Teil, in den so genannten „Sitten von Bin“, nicht nur die genügsame Einfachheit und Schönheit des Landbaus und der Seidenraupenzucht beschrieben, sondern im Kapitel „Wider die Üppigkeit“ auch ein junger übermütiger Prinz durch den Herzog von Zhou zum Ackerbau verpf­lichtet.240 Er sollte seinen Charakter durch die Mühen der Feldarbeit läutern, indem er die Nöte und Hoffnungen beim Säen kennenlernte sowie Glück beim Ernten erfährt. Die landwirtschaft­liche Betätigung sollte den Übermütigen und Unbescheidenen belehren und den Respekt für die körper­lich schwere Arbeit und das einfache Leben der Bauern vermitteln. Landleben und Landarbeit bargen in sich die Ursprüng­lichkeit und Unverfälschtheit des Daseins. Ihnen kam somit eine wichtige pädago­gische Bedeutung zu. Im Kommentar zum Heiligen Edikt seines Vaters heißt es deshalb in Anlehnung an diese uralte Tradition: From old, when the living world enjoyed peace, aged persons wore silk, and ate flesh; and, with respect to the young, though they were not allowed the use of these they neither suffered hunger nor cold. The whole, as a body, rested in the delightful pursuit of the essential employment; and from thence, politeness, justice, and reformation, took their rise. These [virtues] had no other 239 Ein Beispiel für den mehrmaligen freiwilligen Rückzug eines Beamten aus dem aktiven Verwaltungsdienst und seine Hinwendung zum Landleben ist Tao Yuanming (365 – 427 n. Chr.). Das erste Mal gab er seine Position auf, um zu pflügen und mich selbst zu versorgen. Nach seinem zweiten Rückzug thematisierte er beide Lebensweisen. Er kam zum Schluss, dass sich Landarbeit und Staatsdienst ausschließen würden. Tao Yuanming verklärte das Landleben als ideale und ruhige Lebensart in zahlreichen Gedichten im Stil der so genannten tianyuan shi, im Genre der Feld- und Gartendichtung. Für ihn war es eine Rückkehr aus dem Käfig in die freie Natur. Rohrer geht davon aus, dass mit seinem Rückzug ins bäuer­liche Leben die Aussage politischer und moralischer Kritik an seiner Zeit verbunden war. Zugleich propagierte er mit seinem eigenen Lebensentwurf den Wert der Freiheit der Entscheidungen und des Befolgens der eigenen Natur, rechtfertigte in seinem Werken aber ständig seinen Weg. Vgl. Rohrer, Maria: Selbsterhaltung und Zeitkritik bei Tao Yuanming (365 – 427 n. Chr.). In: Roetz, Heiner (Hg.): Kritik im alten und modernen China ( Jahrbuch der Deutschen Vereinigung für Chinastudien, Bd. 2). Wiesbaden 2006. S. 101 – 113. Hier S. 105, S. 109ff. Vgl. auch Bauer, Wolfgang: Vorsicht beim Alleinsein und Beobachtung des Inneren Selbst. Philosophische Aspekte des Einsiedlertums im Konfuzianismus. In: Eikemeier, Dieter (Hg.): Ch’ en-yüeh chi. Tilemann Grimm zum 60. Geburtstag. Tübingen 1982. S. 313 – 331. Hier S. 317. 240 Shijing (Buch der Lieder), Kapitel Binfeng (Sitten von Bin), Guofeng Kapitel 15.

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cause but that of laying due stress on the two words, Husbandry and the Mulberry tree.241 Die Verherr­lichung der tugendhaften Ursprüng­lichkeit, die im Landleben begründet lag, fand seine Bestätigung und logische visuelle Ergänzung in der Ästhetisierung der bäuer­lichen Arbeiten und bescheidenen Vergnügungen der Landbevölkerung. Zum Ausdruck kommt diese Komponente insbesondere in den jeweiligen Ausgaben des Gengzhi tu, die unter dem Kangxi-­Kaiser, dem Yongzheng-­Kaiser und dem Qianlong-­ Kaiser herausgegeben wurden.

2.2.7 Fazit

Die Verantwortung der chinesischen Kaiser für den Ackerbau resultierte einerseits aus dem Mandat des Himmels und somit ihrer grundlegenden Funktion als Vermittler zwischen Himmel und Erde. Darüber hinaus war es aber auch die Verehrung der Ahnen, die eng mit der Landwirtschaft in Verbindung stand und in dieser Kombination herrschaftsbegründend und stabilisierend wirkte. Die Anknüpfung ihrer Herrschaft an die kulturstiftenden Urkaiser setzte die Herrscher in die Pf­licht, ihr Andenken und ihre Kulte zu wahren. Auch die Autorität der Urkaiser und ihr Wirken blieben über die Zeit hinweg bis in die Qing-Dynastie ungebrochen erhalten. Die Wahrnehmung ihrer bewahrenden und fortführenden Funktion als Kaiser äußerte sich symbolisch in den wiederkehrenden Riten und ihrer getreu­lichen Aufzeichnung oder Darstellung als Zeichen der Pf­lichterfüllung, die sich häufig in den verschiedenen Herrschergenerationen einer Dynastie bis auf wenige Details g­lichen, um die Kontinuität und die Stabilität der Herrschaft zu demonstrieren. Auch die Bezugnahme auf Amtsvorgänger bei Publikationen oder Edikten unterstrich den Einklang mit der Tradition. Trotz der Pf­licht zur Erhaltung und Fortsetzung der Tradition durch spezifische Aufgaben des Monarchen und Rollenerwartungen an den Herrscher als ersten Landmann, ersten Jäger, Gelehrten oder Soldat des Landes, kam es in China in den wechselnden Dynastien immer wieder zu krisenauslösenden Vernachlässigungen dieser Bereiche. Wiederholt in der chinesischen Geschichte, so auch unter den letzten Ming-­Kaisern, ist eine zeitweilige Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft zu verzeichnen. Sie äußerte sich temporär in ganz ausbleibenden oder nachlässig ausgeführten Staatsritualen, fehlender Gesetzgebung und strukturellen Einrichtungen zur Landwirtschaft und zum Katastrophenschutz sowie dem Fehlen eines aktiven Krisenmanagements im Falle von Missernten durch Kriege, Dürren oder Überschwemmungen mit nachfolgenden Hungers­nöten. Da die Landwirtschaft jedoch das Kerngebiet der chinesischen Wirtschaft war und blieb, dessen ökonomische und politische Bedeutung für den inneren Frieden der Gesellschaft und die Existenz des Staates immer wieder erkannt wurde,

241 Milne, The Sacred Edict, amplified by his son, the Emperor Yoong-Ching, S. 93.

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erhoben die ersten Qing-­Kaiser im Zuge ihrer Legitimationsbestrebungen und der Konsolidierung ihrer neuen Herrschaft in China diesen Bereich gemäß der Tradition wieder zu einem wichtigen herrscher­lichen Wirkungsbereich. Es ist unter den frühen Qing-Herrschern die bewusste Überwindung der bestehenden Brüche und eine Wiederanknüpfung an vernachlässigte Traditionen im Kontext von Herrschaft und Landwirtschaft zu verzeichnen. Sie leiteten eine Rückkehr zur alten Ordnung ein, die unter den Ming vernachlässigt worden war. Es ging darüber hinaus jedoch dem Kangxi-­Kaiser und seinen beiden Nachfolgern um die innere und äußere Befriedung des Landes und die Herstellung der traditionellen Harmonie zwischen ihnen, ihrer Dynastie und ihren Eliten als Herrschende und Beherrschten. Die große Anzahl der den Ming loyalen Eliten sollte befriedet und ebenso erfolgreich in die Qing-Herrschaft integriert werden wie die großen Massen an Bauern, um Aufstände niederzuschlagen bzw. künftig zu verhindern. Dafür musste das starre, kulturell begründete Abstandsverhältnis überwunden und Integration durch Tradition gewagt werden. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass die philosophische Tradition kein ausschließ­lich positives Bild der Bauern oder der Landarbeit bot. Die ersten Qing-­Kaiser nutzten aber gerade im Rahmen ihrer Legitimation Autoren und Texte, die ihren Bestrebungen entgegenkamen. Selbst die kritische Position des Konfuzius, der dem Gelehrten eindeutig gesellschaft­lichen Vorrang vor dem Bauern einräumte, störte nicht. Die Qing-­Kaiser rückten in einem auffälligen Rekurs auf Traditionen die konfuzianisch begründete strukturelle Einheit von Familie und Staat in den Vordergrund. Damit versuchten sie Deckungsgleichheit zwischen der Fürsorge des Herrschers als Vater und der Dankbarkeit sowie der damit verbundenen Ergebenheit der Untertanen als Kinder zu erreichen.242 Riten wie das heilige Pflügen schufen und zeigten zugleich einen traditionellen und durch die Qing-­Kaiser wiederbelebten Gemeinschaftscharakter zwischen Kaiser und Untertanen in der gemeinsamen Ausübung der gleichen landwirtschaft­lichen Arbeit. Das bedeutete natür­lich keinesfalls die Aufhebung von Hierarchien, jedoch ein symbolisches harmonisches Zusammenwirken innerhalb derer. Der Kaiser unterstrich mit dem Ritual, dass der Bereich der Landwirtschaft und damit die Bedingungen für die Nahrungsgewinnung des Landes nun von seiner Seite aus wieder geregelt und zu alter Ordnung zurückgeführt worden seien. Er kam mit dem Ritual seiner uralten Pf­licht nach, die alten Gesetze und Traditionen zu hüten und damit Harmonie zwischen Mensch und Natur sowie zwischen den Menschen zu schaffen. Nun war es an den Bauern, es ihm gleichzutun. Dem rituellen, gesetzgebenden oder publizistischen Engagement der Kaiser für den Ackerbau kamen

242 “Confucius claims that if a leader treats his family and friends well, others will follow his example.” Wen, Haiming: Chinese Philosophy – Chinese Political Philosophy, Metaphysics, Epistemology and Comparative Philosophy. China International Press 2010. S. 26f. Oberstes Gebot einer Regierung sei, den Menschen die Lebensgrundlagen zu ermög­lichen. S. 42. Rousselle, Erwin: Zur Würdigung des Konfuzianischen Staatsgedankens. In: Sinica. Zeitschrift für China-Kunde und China-Forschung. 9 (1934). S. 1 – 7.

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sowohl eine religiöse als auch eine soziale und eine wirtschaft­liche Komponente zu. Die ältere Sinologie, die sich mit den Ackerbauriten beschäftigte, spricht übereinstimmend davon, dass im kaiser­lichen China die religiös-kultische Bedeutung des kaiser­lichen Wirkens um den Ackerbau im Vordergrund gestanden habe, hing doch das Gleichgewicht von Himmel und Erde sowie das Wohl und Wehe der Ernten davon ab. Gerade an diesen Riten zeige sich, welche Bedeutung der Politik und ihrem höchsten Vertreter, dem Kaiser, als wahrende Kraft um den Einklang mit dem Kosmos zukam. So geht etwa Köster davon aus, dass das Regieren über das Ritual in erster Linie kosmisch und erst in zweiter Linie sozial-politisch zu verstehen sei. Jeder Fehler seitens des Kaisers mündete in eine Störung des Gleichgewichts.243 Dennoch kommt der sozialen und politischen Komponente auch eine durchaus wichtige Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die frühen Qing-­Kaiser, welche die Rituale als Instrument ihrer Befriedungs- und Integrationspolitik sahen. Insbesondere im Ackerbauritual lag deshalb, wie anhand der eigenen Stellungnahmen der frühen Qing-Herrscher gezeigt werden konnte, auch eine produktive Rolle in der Gesellschaft. Sie äußerte sich neben der Vermittlung von grundlegender Sicherheit bestehender Ordnung zwischen Himmel und Erde auch durch die pädagogische Anleitung des Volkes zu Wertvorstellungen hinsicht­lich der Bedeutung der Nahrungsmittelgewinnung und zu entsprechenden Verhaltensweisen: Durch die Opfer am Ackerbautempel und das eigenhändige Pflügen avancierte der Kaiser zu einem Vorbild für das Volk, das er in ­pietätvoller Ehrfurcht gegenüber den Ahnen zum richtigen und fleißigen Feldbau anleitete, um so Mangel und Hunger im Land zu verhindern. Gerade diese pragma­ tische, pädagogische und ethische Wirkung der kultischen Handlungen wurde immer wieder von den Ritualbüchern und den Monarchen selbst betont und durch Letztere in Gesetzen oder moralischen Anleitungen wie dem Shengyu (Heiliges Edikt) verankert. Der Kangxi-­Kaiser hatte sich beispielsweise mit dem Edikt als gütig und vorbild­ lich denkender sowie vorsorg­lich handelnder Monarch gezeigt. Insbesondere mit der vierten Bestimmung zur Funktion der Landwirtschaft im Staat hatte der Kaiser seinen Unter­tanen eine Anleitung zur Wertschätzung der Bauern und der Landarbeit gegeben. Durch die Verbreitung in allen Regionen seines Landes gelang es, die Inhalte an große Teile der Bevölkerung zu vermitteln.244 Der Kaiser selbst garantierte seine ­Wertschätzung 243 Köster, Hermann: Symbolik des chinesischen Universums. Stuttgart 1958. S. 76. Roetz betont die starke Abhängigkeit von Makro- und Mikrokosmos. Roetz, Mensch und Natur in China, S. 67ff. 244 Liang, Yannian: Shengyu xiang jie. Peking 1995. Offensicht­lich gehörten die Inhalte noch im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Alltagskultur der Chinesen. Das Buch wurde beispielsweise in den Teehäusern und auf den Märkten von Chengdu verlesen bzw. Teile davon in Erzählungen eingebaut und vermittelt. Wang, Di: Street Culture in Chengdu: Public Space, Urban Commoners, and Local Politics 1870 – 1930. Stanford 2003. S. 77 – 81. Voraussetzung dafür war die Übersetzung in die Umgangssprache und eine breite schrift­liche Kenntnis des Edikts, das unter den Nachfolgern des Kangxi-­Kaisers (etwa unter dem Yongzheng-­Kaiser) entsprechende Weiterbearbeitung fand. Gu, Sharron: Law and Politics in Modern China. Under the Law, the Law, and above the Law. Amherst

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der Landwirtschaft im Ackerbauritual. Die Vermittlungsinhalte des Rituals und der kaiser­lichen Edikte sowie persön­lichen Stellungnahmen bildeten eine Einheit. Sie formulierten eine Richtlinie und Zielstellung. Im Bestreben, sie zu erfüllen, formierte sich Ordnung und zugleich die Gesellschaft als Gemeinschaft. Die Orientierung am Vorbild des K ­ aisers konnte trotz der Abschirmung seiner Person und der Unzugäng­ lichkeit der Rituale für die große Öffent­lichkeit über die breite Kommunikation ihrer ordnungsgemäßen Durchführung sowie der Einzelheiten des Ablaufes und der Zielrichtung der rituellen Handlungen ermög­licht werden. Die Gesellschaft als Gemeinschaft konstituierte sich somit hinsicht­lich der Nahrungsgewinnung mittelbar über das Ackerbauritual, unmittelbarer und stärker jedoch über seine Kommunikation. Gleiches galt für die Inhalte der sonstigen kaiser­lichen Publikationen unterschied­licher Genres zur Landwirtschaft. Sie richtete sich unter den Qing – etwa mit dem Heiligen Edikt – in den entsprechenden Sprachen an alle Ethnien, an alle sozialen Schichten des Landes und wiederum an die alten, den Ming loyalen Eliten. Die unterschied­lich gewählten Medien verkündeten immer wieder eine Botschaft und entsprechende Verhaltensregeln: das gemeinsame Interesse an und die gemeinsame Sorge für die Nahrungsgewinnung als Grundlage eines harmonischen und auf Traditionen beruhenden Lebens aller. Diese soziale, pädagogische und ethische Bedeutung sowie die Vorbildfunktion des Kaisers hinsicht­lich des Ackerbaus im Allgemeinen und der öffent­lich kommunizierte gewissenhafte Umgang der ersten Qing-­Kaiser mit dieser Funktion im Besonderen waren es, die in Europa seit dem 17. Jahrhundert in unterschied­lichen Kreisen in besonderer Weise vermittelt, diskutiert, bewertet und instrumentalisiert wurden. Diese Faszi­nation der ethischen, sozialen und wirtschaft­lichen Aspekte und Auswirkungen der engen Verknüpfung von Herrschaft und Landwirtschaft fasst der Sinologe Wilhelm Grube schon 1910 präzise zusammen: „Indem der Kaiser bei dieser Zeremonie gewissermaßen als erster Vertreter des Berufs der Ackerbauer mitwirkt, wurde das Ansehen, dessen sich gerade dieser Beruf in China erfreut, in besonders feier­licher Weise zum Ausdruck gebracht.“245 In der Person des Kaisers waren neben den bäuer­lichen auch andere „männ­liche“ Berufe vereint, da der Monarch als erster Gelehrter und Dichter des Landes galt. Die Kaiserin repräsentierte mit dem Pflücken der Maulbeerblätter die Arbeit der Frauen.246 Im Kaiserpaar und den von ihnen auszuführenden Riten spiegelte sich somit nicht nur das Prinzip von Yin und Yang, dem weib­lichen und männ­lichen Prinzip oder der Nacht- und Tagseite, wider, es floss in ihnen auch die gesamte Gesellschaftsstruktur sowie der Kanon irdischer Arbeiten zum Erhalt der Menschen zusammen. Der Ritus 2009. S. 38ff. Ebertshäuser verweist darauf, dass sich der Kangxi-­Kaiser als Mandschu mit diesem Werk als legitimer konfuzianischer Herrscher darstellen wollte. Ebertshäuser, Georg: Perspektiven nationaler und staat­licher Neugestaltung Chinas. Gu Yangwu und Sun Yat sen (Ostasien-Pazifik, Bd. 15). (Diss.) Hamburg 2001. S. 112. 245 Grube, Wilhelm: Religion und Kultus der Chinesen. Leipzig 1910. S. 78. 2 46 Fiedeler, Himmel, Erde, Kaiser, S. 65.

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harmonisierte und befriedete die Gesellschaft und verpf­l ichtete jeden Einzelnen darauf, an der Ernährung als Lebensgrundlage mitzuwirken. Doch der pünkt­liche und erfolgreiche Vollzug des Ackerbauritus war nicht die einzige stabilisierend wirkende Regierungshandlung. Er schuf zwar den bereits erläuterten Ausgleich zwischen Natur und Mensch und innerhalb der Gesellschaft als grundlegende Voraussetzung für einen erfolgreichen Ackerbau, doch der Kult allein genügte nicht. Eng mit ihm verknüpft blieben immer auch rein lebenswelt­liche und damit politische Maßnahmen, welche die Landwirtschaft förderten und für den Katastrophenfall Vorsorge trugen. Der Kaiser musste über seine kultische Funktion hinaus auch als Gesetzgeber fungieren: mit Gesetzen, die im Einklang mit der Tradition standen, aber auf aktuelle Bedürfnisse reagierten. Gerade die ersten Qing-­Kaiser zeigten sich als auffällig aktive Neuerer im Sinne der Tradition. Dieses Wirken beeindruckte die europäischen Berichterstatter.

3. Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien

3.1 Vom unspezifischen Bericht zur wissenschaft­lichen Erhebung – Verfasser der China-Berichte und ihre Methoden

3.1.1 Verdichtete Information – Die Kompendien der Jesuiten

Die meisten Informationen zur Verbindung von Herrschaft mit Landwirtschaft in China gelangten über die zahlreichen Briefe und Berichte der Jesuiten nach Europa, die teilweise zusammengefasst publiziert und in den gängigsten europäischen Sprachen der Öffent­lichkeit zugäng­lich gemacht wurden. Nachfolgend sollen die wichtigsten Berichte zur Bedeutung der Landwirtschaft in China vorgestellt und die Perspek­tiven bzw. Intentionen der Berichterstatter und ihre Vernetzung untereinander geprüft sowie ihr Kenntnisstand vorgestellt werden. Die Auswahl berücksichtigt in erster Linie Autoren und Kompendien, deren Informationen und grundlegende Deutungen später in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches und Frankreich die öffent­liche Debatte mitbestimmen sollten. Insbesondere die Kenntnisse zur Verknüpfung von Herrschaft und Landwirtschaft in China stammen hauptsäch­lich von Mitgliedern der Societas Jesu.1 Die ersten Jesuiten kamen im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ein von Krisen geschütteltes China. Sie erlebten nicht nur den stetigen Niedergang der Ming-Dynastie durch wirtschaft­liche Probleme und Misswirtschaft sowie administrative Schwächen, sondern auch ihre militärische Vernichtung durch die Mandschu. Die ersten Missionare beobachteten die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Hungersnöte durch den Wechsel von Dürrejahren und Überschwemmungen als Folge der Kleinen Eiszeit sowie die weitgehende Vernachlässigung der Bewässerungssysteme und Dammbauten seitens der Regierung führten dazu, dass die Landwirtschaft unter den späten Ming verfiel und unzählige Menschen in Banden raubend und plündernd umherzogen. Im Gegensatz dazu bot

1 Mitglieder anderer Orden (Augustiner, Dominikaner und Franziskaner) waren aufgrund ihrer kulturell wenig angepassten Missionsmethoden schon ab 1717, spätestens aber ab 1723 durch die chinesischen Behörden verfolgt und nach Macau ausgewiesen worden. Ihnen wurde die Missionserlaubnis vorenthalten. Demel, Walter: The „National“ Images of China in Different European Countries, ca. 1550 – 1800. In: Malatesta, Edward J./Ranguin, Yves: Images de la Chine: Le context occidental de la sinologie naissante (Actes du VIe Colloque International de Sinologie de Chantilly 11 – 14 septembre 1989). Paris 1995. S. 85 – 125. Hier S. 101ff.

Vom unspezifischen Bericht zur wissenschaft­lichen Erhebung

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sich den nachfolgenden Missionarsgenerationen das Bild eines zunehmend gefestigten, aufstrebenden und geordneten Staatswesens unter den ersten Kaisern der Qing-Dynastie. Dieses Bild nahmen insbesondere die Jesuiten wahr, die direkt am Hof wirkten und die Bestrebungen der Kaiser sowie die kaiser­liche Propaganda verfolgen konnten. Die Zeit zwischen 1725 und 1777 wurde von ihnen als eine Zeit größten Wohlstandes wahrgenommen, in der die neuen Herrscher die Interessengegensätze zwischen Dynastie und Untertanen minimierten.2 Dieser Eindruck prägte ihre Berichterstattung. Die Berichte der Missionare aus diesem Zeitraum zeigen deshalb explizit, wie die Krisenzeit durch das Wirken der Herrscher überwunden und durch welche politischen Maßnahmen die Phase der Stabilisierung und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung erreicht werden konnte. Frankreich war im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert der Staat Europas, der die engsten und intensivsten Kontakte zu China unterhielt. Die Berichte aus China wurden deshalb zu dieser Zeit von den französischen Jesuiten dominiert. Viele Jesuiten standen als Mathématiciens du Roi und korrespondierende Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in Paris in den unmittelbaren Diensten der ersten Qing-­Kaiser und wirkten zugleich als Berichterstatter für die französische Krone. Bei ihren Schreiben handelte es sich um Briefe, die eigene Erfahrungen transportierten, um Missionsberichte, gezielte Rechenschaftsberichte an die Akademie oder den Hof sowie um Übersetzungen chinesischer philosophischer oder historischer Werke, kaiser­licher Edikte oder Publikationen des Kaiserhofes, die entweder vollständig oder in Auszügen nach Europa geschickt wurden. Die guten Sprachkenntnisse der Jesuiten eröffneten den Europäern ein großes Spektrum an Informationsmög­lichkeiten. So dienten insbesondere die chinesischen Edikte und andere Schriftquellen des öffent­lichen Lebens ebenso wie die beruf­liche Integration der Jesuiten in das höfische Leben Pekings der differenzierten Beschreibung des Herrschafts- und Verwaltungssystems sowie der wirtschaft­lichen Belange.3 Die Jesuiten nahmen durch die enge Anbindung an den französischen und den chinesischen Hof eine interessante Doppelstellung ein, die ihre Beobachtungen

2 Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 65ff. Dawson, Raymond: The Chinese Chameleon. An Analysis of European Conceptions of Chinese Civilization. London/New York 1967. S. 49. Chan, Albert: The Glory and Fall of the Ming Dynasty. (Diss.) Norman 1982. S. 334ff. 3 Zu den vom französischen Hof entsandten Astronomen und Mathematikern, ihrer Reiseroute sowie zu den französischen Interessen an China vgl. Witek, John W.: Understanding the Chinese: A Comparison of Matteo Ricci and the French Jesuit Mathematicians Sent by Louis XIV. In: Ronan, Charles E./Oh, Bonnie B. C. (Hg.): East Meets West: The Jesuits in China, 1582 – 1773. Chicago 1988. S. 62 – 102. Frey, Linda S./Frey, Marsha L.: The Search for Souls in China: Le Comte’s Nouveaux Mémoires. In: Ames, Glenn J./Love, Ronald S. (Hg.): Distant Land and Diverse Cultures. The French Experience in Asia, 1600 – 1700 (Contributions in Comparative Colonial Studies, Bd. 45). Westport/Conneticut 2003. S. 231 – 249. Hier S. 232f. Zur Rolle des verschrift­lichten und tradierten chinesischen Wissens in den früheren Jesuitenberichten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts vgl. Jandesek, Reinhold: Das fremde China. Berichte europäischer Reisender des späten Mittelalters (Weltbild und Kulturbegegnung, Bd. 3). (Diss.) Pfaffenweiler 1992. S. 327ff und S. 366ff.

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Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien

prägte, worauf jedoch erst im folgenden Kapitel näher eingegangen wird. Zunächst sollen einzelne Berichterstatter, ihre Aneignungs- und Vermittlungsformen von Wissen sowie ihre Intentionen vorgestellt werden. Durch die persön­liche Nähe zum jeweiligen Monarchen in Peking sowie ihre feste Verankerung in chinesischen Hofämtern können viele der Jesuiten als sachverständige Beobachter und verläss­liche Berichterstatter zu Staats- und Herrschaftsstrukturen Chinas gelten.4 Zugleich lebten die am Hof wirkenden französischen Jesuiten isoliert vom normalen chinesischen Alltag. Die Realität in den entfernten Provinzen, in Städten und Dörfern blieb ihnen oft fremd. Ihr Bild ist somit wesent­lich von den Informationen geprägt, die ihnen am Hof zugäng­lich waren. Die enge Beziehung des Ordens zur welt­ lichen Macht in China wurde aus missionarischen Intentionen für notwendig erachtet und deshalb bewusst angestrebt. Auf den Konfuzianismus gestützt, der von den Jesuiten als natür­lich-religiöse Wahrheit anerkannt wurde, suchten sie die Aufmerksamkeit der gelehrten Eliten des Hofes und des Herrschers zu erringen, um aus diesem Kreis einflussreiche Konvertiten zu gewinnen. Gerade die Qing-Herrscher hatten die Angehörigen der Literati, die gelehrten Verwaltungsbeamten, eng an sich gebunden und bewusst gefördert. Aus dieser Verbindung versprachen sich die Jesuiten ihren missionarischen Erfolg, nicht zuletzt auch, weil sie aufgrund ihrer Ordenstradition und Organisationsstruktur selbst auf eine ausgefeilte Verbindung von Gelehrsamkeit und Ordensadministration setzten.5 Aus diesem Grund richtete sich ihr Interesse gezielt auf die Analyse der Machtstrukturen in China und deren Akteure. Ihr Blick konzentrierte sich somit auf den chinesischen Kaiser, seine Regierungsform, seinen Hof und seinen Verwaltungsapparat. Durch ihre eigenen Positionen am Hof und innerhalb der Verwaltungsstrukturen fiel ihnen die Beobachtung dieser Bereiche leicht. Darüber hinaus reisten sie gelegent­lich auch im Auftrag des Kaisers durch die Provinzen Chinas und konnten somit neben ihren diplomatischen oder kartografischen Aufträgen zusätz­liches landeskund­liches Wissen erwerben.6 4 Mungello, David E.: Leibniz and Confucianism: The Search for Accord. Honolulu 1977. S. 63. Osterhammel, Jürgen: China und die Weltgesellschaft. Vom 18. Jahrhundert bis in unsere Zeit. München 1989. S. 77. 5 Grundsätz­lich zur Struktur und Organisation der Jesuiten Friedrich, Markus: Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommunikation im Jesuitenorden 1540 – 1773. (Habil.) Frankfurt/New York 2011. S. 11 – 40. Roehner, Bertrand M.: Jesuits and the State: A Comparative Study of their Expulsions (1590 – 1990). In: Religion 27/2 (1997). S. 165 – 181. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 31. Demel, Walter: Als Fremde in China. Das Reich der Mitte im Spiegel frühneuzeit­licher europäischer Reiseberichte. (Habil.) München 1992. S. 190ff. Schmidt-Glintzer, Helwig: Die Asymmetrie in der wechselseitigen Wahrnehmung von Europa und China. In: Departure for Modern Europe. A Handbook of Early Modern Philosophy. 1400 – 1700. Hamburg 2011. S. 447 – 462. Hier S. 457f. Collani, Claudia von: Die Figuristen in der China-Mission. Frankfurt/M. 1981. S. 2f. 6 Es entstanden beispielsweise Berichte zum Staatswesen sowie zur chinesischen Monarchie, die wie im Fall von Le Comte in Sammlungen zusammengefasst wurden. Von ihm erschienen die Nouveaux Mémoires sur l’état present de la Chine in zwei Bänden in den Jahren 1696 und 1697, die

Vom unspezifischen Bericht zur wissenschaft­lichen Erhebung

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Die Jesuiten folgten bei ihren Beschreibungen den aus antiken Traditionen ent­ wickelten Kategorien und abstrakten Ordnungsmechanismen der ars apodemica, ­welche der Untersuchung und text­lichen Beschreibung fremder Kulturen dienen konnte. Es handelte sich dabei um ein Systematisierungssystem des 16. Jahrhunderts, das an deutschen Universitäten entstanden war und ein Reglement für humanistische Bildungsreisen sowie Kavalierstouren bot. Vor dem Hintergrund des eigenen konfessionellen Wandels und der frühneuzeit­lichen Staatsentstehung sowie im Hinblick auf die militärische Konfrontation mit dem Osmanischen Reich entwickelte sich daraus ein europäisches abstraktes Beschreibungsmuster zur Erfassung von ethnografischem Wissen. Es suchte unter drei Hauptkategorien die fremde gesellschaft­liche Realität im Spiegel der eigenen zu erfassen. Beschrieben wurden die Machtstrukturen (wie Hof, Regierung und Militär), die Sitten und Gebräuche und die Religion.7 Das Beschreibungsmuster orientierte sich an der Vorstellung einer naturgemäßen Staat­lichkeit von Menschen und der Beschreibung griechischer Staaten als Gegensatz zu den barbarischen Völkern in der aristotelischen Politik.8 Mit ihm war ein Ordnungsprinzip entstanden, das abstrakt den zeitgenössischen europäischen Entwicklungen entsprach und diese beschreibbar machte, aber auch auf nichteuropäische Gesellschaften übertragbar erschien. Deut­lich wird dabei der Primat der Politik. Im krisenhaft empfundenen Wandel der Frühen Neuzeit richteten die Menschen in Europa ihre Hoffnungen auf Machtträger, die Ruhe, Ordnung und Sicherheit mit einer gewissen Stetigkeit schnell sehr bekannt und schon 1697 ins Englische übersetzt wurden. Frey, The Search for Souls in China, S. 235ff. Zur Rolle von landeskund­lichem Wissen in Reiseberichten vgl. Osterhammel, Jürgen: Reisen an die Grenzen der Alten Welt. Asien im Reisebericht des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Brenner, Peter J. (Hg.): Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur (Suhrkamp-Taschenbuch, Bd. 2097). Frankfurt/M. 1989. S. 224 – 261. Hier S. 239. 7 Dieses Prinzip erkannte Stagl, Justin: Die Apodemik oder Reisekunst als Methodik der Sozialforschung vom Humanismus bis zur Aufklärung. In: Rassem, Mohammed/ders. (Hg.): Statistik und Staatsbeschreibung in der Neuzeit, vornehm­lich im 16 – 18. Jahrhundert. Paderborn 1980. (Quellen und Abhandlungen zur Staatsbeschreibung und Statistik, Bd. 1), S. 131 – 205. Ders.: Der wohl unterwiesene Passagier. Reisekunst und Gesellschaftsbeschreibung des 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Robel, Gert/Zeman, Herbert (Hg.): Reisen und Reisebeschreibungen im 18. und 19. Jahrhundert (Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa, Bd. 6). Essen 1987. S. 353 – 384. Ders.: Eine Geschichte der Neugier. S. 94 – 106. Ders.: The „Patriotic Traveller“ des Grafen Leopold Berchtold und das Ende der Apodemik. In: Griep, Wolfgang (Hg.): Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert (Eutiner Forschungen, Bd. 1). Heide 1991. S. 213 – 225. Hier S. 219. Almut Höfert untersuchte nach diesem Prinzip die Beschreibungen des Osmanischen Reiches. Höfert, Almut: Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450 – 1600 (Campus Historische Studien, Bd. 35). (Diss.) Frankfurt/M./New York 2003. S. 29 – 31, S. 135 und S. 313 – 316. 8 Aristoteles insistiert im 1. Buch der „Politik“ auf das Naturgemäße des Menschen zu staat­licher Gemeinschaft, geht jedoch von einem Unterschied der griechischen Staaten zu den von den ­Griechen als Barbaren beschriebenen Völkern aus. Vgl. Aristoteles: Politik. Hg. v. Olaf Gigon. München 71997, 1. Buch, S. 48ff.

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gewährleisten konnten und sich im Konkurrenzkampf der Eliten als führend und regierungsfähig erwiesen hatten. So konzentrierte sich der Blick vor allem auf die Monarchen, insbesondere auf ihre Eigenschaften und Fähigkeiten, aber auch die Mechanismen ihres Aufstiegs. Dieser war in Europa in der Regel über viele Generationen hinweg durch entsprechende Erbgesetze sowie Praktiken zur Sicherung ihrer gesellschaft­lich-politischen Position geprägt. Theoretisch fixiert wurde dieses Ordnungsprinzip in den Relationes der venezianischen Diplomatie für den Umgang mit den Osmanen. Praktisch rezipiert wurde dieses Prinzip in ganz Europa, auch von den Jesuiten.9 Diese Komponenten bestimmten wesent­lich die Berichte der Jesuiten bis zum ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. An ihre Grenzen stieß die ars apodemica, weil sie nicht zwischen starren und sich wandelnden Beobachtungsgegenständen unterschied und nur grundlegende, jedoch keine spezifischen Dinge in den Blick nahm. Gerade für Wissensgegenstände wie Getreidepreise, Gesetzesänderungen oder die Stimmung des Volkes bei bestimmten Ereignissen – also Fakten, die sich ständig wandelten – mussten andere Erhebungsmethoden angewendet werden. Umfragen oder Fragelisten 10 dienten den Reisenden beispielsweise dazu, solches Wissen zu sammeln, zu dokumentieren und zur Verfügung stellen zu können. Ausgewertet wurde es immer öfter von gelehrten Gesellschaften, die nicht selten auch im Auftrag eines Staates arbeiteten. Mit dem Methodenwechsel einher ging auch das sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts wandelnde Interesse der europäischen Leser und Nutzer von Reiseberichten. Es erforderte von den Jesuiten in China, ihre am klassischen Fragenkanon der ars ­apodemica sowie an ihren eigenen Interessen orientierte Betrachtung der Machtstrukturen, Geschichte und Philosophie Chinas um neue Fragen und Beobachtungsfelder zu erweitern bzw. bereits gesammeltes Wissen zu systematisieren: Gefragt waren neuerdings nicht mer blos die Biographie der Könige, chronologisch genaue Anzeige von Thronveränderungen, Kriegen und Schlachten, Erzählung von Revolutionen und Allianzen.11 Die europäischen Leser und Rezipienten der Berichte aus fernen Ländern verlangten nun zusätz­liches Wissen, das erst das ganze System eines Staates als lebendiges Ganzes beschrieb: Etwa ob das Volk glück­lich gewesen, wie ihr Landbau, ihr Handel und übrige Nahrungszweige beschaffen gewesen, wie sie zur Industrie gekommen oder in Trägheit versunken, was die Regierung für heilsame oder

9 Toscani, Ignazio: Estatisches Denken und erkenntnistheoretische Überlegungen in den venezia­ nischen Relationen. In: Rassem, Mohammed; Stagl, Justin (Hg.): Statistik und Staatsbeschreibung in der Neuzeit, vornehm­lich im 16.-18. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur Geschichte der Staatsbeschreibung und Statistik, Bd. 1). Paderborn u. a. 1980. S. 111 – 130. Stagl, Die Geschichte der Neugier, S. 83ff. 10 Passend wäre auch der Begriff „Fragenkatalog“, hier wird jedoch dem von Stagl geprägten Terminus „Fragenliste“ gefolgt. Stagl, Patriotic Traveller, S. 220. 11 Schlözer, August Ludwig: Allgemeines Stats-Recht und Stats-Verfassungs-Lehre. Anhang: Prüfung der Moserschen Grundsätze. Göttingen 1793. S. 92.

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nachteilige Änderungen in der Rechtspflege, im Finanz-Wesen gemacht?12 Statistische Methoden der Systematisierung und Klassifizierung wurden benötigt, um das fehlende oder kontextualisierte Wissen zu erheben und zu dokumentieren. Andere Wege der Wissenserhebung durch Umfragen oder Fragenlisten mit Kumulation der Ergebnisse mussten beschritten werden. Gerade auch auf diesem Feld hatten die Jesuiten bereits grundlegende methodische und praktische Erfahrungen aufzuweisen, die nur noch den neuen Wissenbeständen angepasst werden mussten. Als Missionsorden, der weltweit agierte, bedienten sich die Jesuiten im Kontext ihres ausgefeilten Korrespondenzwesens und ihrer beständigen Rechenschaftspf­licht gegenüber den Ordensoberen eines internen Systems von Quaestiones, von Fragelisten. Auf dieser Basis hatten die Jesuiten zahlreiche landes-, sozial- und religionskund­liche Enquêten durchführen können. Die zentralistische Organisation des Ordens begünstigte recht umfassende und vor allem parallele Erhebungs-, Verwaltungs- und Auswertungsmethoden von Wissen über das religiöse, weitere staat­liche und vor allem soziale Umfeld von Menschen unterschied­licher Kulturen. François de Dainville spricht deshalb von einer frühen jesuitischen Sozialforschung, die in die wissenschaft­liche Ethnologie mündete.13 Auch für neue Wissensformen und -bestände waren die Jesuiten also instruierte Beobachter und kundige Sammler. Die umfassendste Sammlung ihrer Berichte stellten zwischen 1702 und 1776 die Jesuiten Jean-Baptiste du Halde, Charles le Gobien und andere mit den Lettres édifiantes et curieuses, écrites des missions étrangères in 34 Bänden zusammen. Dabei gingen die Herausgeber jedoch sehr selektiv vor und suchten vor allem Texte zur Veröffent­lichung aus, die den jeweiligen gesellschaft­lichen Interessen entsprachen oder auf aktuelle Fragen und Diskussionen in Politik und Gesellschaft in Europa Bezug nahmen. Es kam aufgrund der manchmal ausbleibenden oder verzögerten Publikation von Texten in den Lettres édifiantes auch zu Auseinandersetzungen mit den Jesuiten in Peking. In einigen Fällen wurde auch aus Rücksichtnahme auf den chinesischen oder französischen Hof

12 Ibd. Foucault sprach von einer neuen Differenzierung von Wissen: „Die Regierungen entdeckten, daß sie es nicht nur mit Untertanen, auch nicht bloß mit einem Volk, sondern mit einer Bevölkerung mit spezifischen Problemen und eigenen Variablen zu tun haben, wie Geburtenrate, Sterb­ lichkeit, Lebensdauer, Fruchtbarkeit, Gesundheitszustand, Krankheitshäufigkeit, Ernährungsweise, Wohnverhältnissen.“ Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt/M. 61992. S. 37. 13 Dainville, François de: La Géographie des Humanistes. Paris 1940. S. 113 – 121. Stagl betont zudem die Bedeutung des Katechismus für den Beginn einer empirischen Religionswissenschaft. Einen der wichtigsten Versuche dazu machte der frühere Jesuit Giovanni Botero in seinen Relationi Universali 1591 – 1596. Stagl, Justin: Vom Dialog zum Fragebogen. Miszellen zur Geschichte der Umfrage. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 31/3 (1979). S. 611 – 638. Hier S. 618f. Vgl. zum landeskund­lichen Wissen der Jesuiten auch Osterhammel, Reisen an die Grenzen der Alten Welt, S. 238.

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auf eine Veröffent­lichung verzichtet.14 Aus diesen Gründen bot das Kompendium ein zwar gelenktes, dennoch aber sehr breites Chinabild, das inhalt­lich und methodisch den Wandel der Wissenserhebung und Beschreibung widerspiegelt. Eine Auswahl von etwa 200 Briefen und Berichten aus den frühen Lettres édifiantes boten der Jesuit Joseph Stöcklein (1676 – 1733) und seine Kollegen in deutscher Übersetzung in ihrem Kompendium Der Neue Welt=Bott im Zeitraum zwischen 1726 und 1758.15 Mit der in Wien und Graz erscheinenden Zusammenstellung von Berichten aus China und anderen Weltteilen zur Jesuitenmission sollte primär das deutschsprachige katholische Publikum im Alten Reich bedient werden.16 Deshalb publizierte der Welt=Bott neben den Übersetzungen von französischen Berichten bevorzugt die von deutschen Jesuiten aus den habsburgischen Territorien und aus Bayern in chronologischer Reihen­folge.17 Adressaten der Berichte waren wie in den Lettres édifiantes oftmals die Ordensleitung, Ordensbrüder, Verwandte der Patres sowie Freunde und einflussreiche Gönner der Jesuiten aus dem Adel oder an den deutschen Höfen.18 Walter Demel verweist darauf, dass viele Briefe des Welt=Bott ebenso wie die Lettres édifiantes von den Missionaren an so genannte Multiplikatoren wie Praeceptores oder Beichtväter von adeligen oder fürst­lichen Persön­lichkeiten bzw. an wissenschaft­liche Institutionen wie

14 Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 30. 15 Gobien, Charles le/Du Halde, Jean Baptiste et al. (Hg.): Lettres édifiantes et curieuses, écrites des missions étrangères […]. 34 Bde. Paris 1702 – 1776. Stöcklein, Joseph (Hg.): Der Neue Welt=Bott mit allerhand so lehr- als geistreiche Brief, Schriften und Reis-Beschreibungen: welche von denen Missionariis der Gesellschaft Jesu aus beyden Indie, und andern über Meer gelegenen Ländern, seit an. 1642 biss auf das Jahr 1726 in Europa angelangt seynd; jetzt zum erstenmal Theils aus handschrifft­lichen Urkunden, theils aus denen Französischen Lettres édifiantes. Verdeutscht und zusammengetragen von Joseph Stöcklein. 5 Bde. Augspurg/Grätz/Wien 1726 – 1758. 16 Renate Dürr verweist darauf, dass der Welt=Bott auch zahlreiche Interessierte in den protestantischen Territorien angesprochen hatte. Dürr, Renate: Der „Neue Welt=Bott“ als Markt der Informationen? Wissenstransfer als Moment jesuitischer Identitätsbildung. In: Zeitschrift für historische Forschung 34 (2007). S. 441 – 466. Hier S. 443. 17 Grundlegend dazu die Forschungen von Claudia von Collani. Collani, Claudia von: Der Neue Welt-Bott. A Preliminary Survey. In: Sino-Western Cultural Relations Journal 25 (2003). S. 16 – 43. Hier S. 16ff. Dies.: Miracles, Death and Devil: Natural and Supernatural Events between the Worlds as described in “Der Neue Welt=Bott”. In: Van Overmeire, Dirk/Ackerman, Pieter (Hg.): About Books, Maps, Songs and Steles: The Wording and Teaching of the Christian Faith in China (­Leuven Chinese Studies XXI). Leuven 2011. S. 200 – 227. S. 202ff. Dürr, Der „Neue Welt=Bott“ als Markt der Informationen? S. 444ff. Hausberger, Bernd: P. Joseph Stöcklein, der „Welt=Bott“ und der Ruf der Exotik. In: Holzer, Gerhard (Hg.): Die Leidenschaft des Sammelns: Streifzüge durch die Sammlung Woldan. Wien 2010. S. 153 – 184. Demel, Walter: Das China-Bild in Bayern und anderen katholischen Reichsterritorien. In: Hartmann, Peter Claus/Schmid, Alois (Hg.): Bayerisch-chinesische Beziehungen in der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Beiheft 34) München 2008. S. 189 – 229. Hier S. 196ff. 18 Zur Liste der Empfänger von Berichten und Briefen, die später im Welt=Bott abgedruckt wurden, vgl. Collani, Der Neue Welt=Bott, S. 42f.

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die Académie française gerichtet worden waren.19 Auf diese Weise erreichten die Inhalte der Berichte oft schon lange vor ihrer Veröffent­lichung eine recht umfangreiche Kenntnisnahme und Weiterverbreitung in den genannten Kreisen. Darüber hinaus waren es die unzähligen Traktate und Abhandlungen der Missionare zu Politik, Religion und Geschichte Chinas, die Informationen zum agronomischen und agrarpolitischen Handlungsbereich des chinesischen Herrschers in die west­liche Welt transportierten. Der Informationsfundus der Jesuiten war zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch die überbordende Fülle an Wissen aus China unübersicht­lich und sogar widersprüch­lich geworden. Es bedurfte daher einer Auswahl und Einordnung der Wissensbestände. Die ausführ­lichste und am besten sortierte ältere Quelle zur Verantwortung des chine­ sischen Herrschers für die Landwirtschaft aus Sicht der französischen Jesuiten stellt deshalb die 1735 erschienene vierbändige Description géographique, historique, chronologique, politique, et physique de l’empire de la Chine des Ordensbruders Jean-Baptiste du Halde dar.20 Weniger der Ackerbau an sich mit seinen Anbaumethoden oder Feldfrüchten als vielmehr die kaiser­liche Protektion der landwirtschaft­lichen Nahrungs­gewinnung nahm darin im Kontext der chinesischen Herrschaftsauffassung in Tradition und Geschichte

19 Demel, China-Bild in Bayern und anderen katholischen Reichsterritorien, S. 200. Ein Beispiel für eine adelige Adressatin der Jesuiten-Berichte ist die Gräfin Maria-Theresia von Fugger-Wellenburg. Sie stand mit dem Jesuiten Florian Bahr in Briefkontakt. Regelmäßig verlas sie dessen Briefe im Beisein des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph und seiner Familie. Später reichte die Gräfin die Schreiben sowie die Aufzeichnungen Bahrs über die portugiesische Gesandtschaft am Hof des Qianlong-­Kaisers an die Redaktion des Welt=Bott zur Veröffent­lichung weiter. Darüber hinaus unterstützte sie auch die Mission Bahrs mit Geld und Geschenken. Bahr wandte sich von Peking aus zum 200-jährigen Bestehen des Ingolstädter Jesuitenkollegs direkt an das wittelsbachische Fürsten­haus, um dankbar an die früheren Fürstengenerationen als Stifter zu erinnern und die gegen­ wärtigen zu Spenden aufzurufen. Wappenschmidt, Friederike: Christ­liche Mildtätigkeit, moralische Ansprüche und der Austausch von Geschenken. Aus dem Briefwechsel der Gräfin Maria-Theresia von Fugger-Wellenburg mit dem Jesuitenmissionar Florian Bahr in Peking. In: Eikelmann, Renate (Hg.): Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte. 400 Jahre China und Bayern. München 2009. S. 148 – 153. Hier S. 151f. Der deutsche Jesuit und Astronom Augustin Ferdinand von Hallerstein (1703 – 1774) richtete beispielsweise zahlreiche Briefe an seinen Bruder Weichard von Hallerstein, der als Professor der Universität Wien und Beichtvater des Prinzen Carl von Lothringen wirkte. Demel, Das China-Bild in Bayern, S. 203. Erwähnt seien an dieser Stelle auch die Briefe von Hieronymus Franchus an Joann Paul Studena, den Beichtvater der Erzherzoginnen Elisabeth und Maria Magdalena aus dem Jahr 1702 sowie an Franciscus Menegati, den Beichtvater Kaiser Leopolds I. In: Stöcklein, Neuer Welt= Bott, Vierdter Theil, Nr. 82 und Nr. 86. 20 Zur Entstehung des Kompendiums vgl. auch Hsia, Florence C.: Sojourners in a Strange Land. Jesuits & Their Scientific Missions in Late Imperial China. (Diss.) Chicago 2009. S. 136 – 144. Landry-Deron, Isabelle: La Preuve par la Chine: La « Description » de J.-B. Du Halde, Jésuite, 1735 (Civilisations et sociétés, Bd. 110). (Diss.) Paris 2002. Einleitung. Li, Miao: La chine et les chinois. Dans les Romans Français du XVIIIe siècle. (Diss.) Kingston 2013. S. 38f.

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eine bedeutende Stellung ein. Beispiele aus der aktuellen chinesischen Landwirtschaftspolitik finden sich hingegen nur vereinzelt. In einem eigenen Kapitel wandte sich Du Halde gezielt der Bodenbearbeitung unter kaiser­licher Protektion zu, nahm aber auch woanders immer wieder Bezug auf die Verantwortung der chinesischen Herrscher für die Landwirtschaft. Du Haldes Kompendium, das lange Zeit als große Synthese allen China-Wissens bzw. als Handbuch für China galt, basierte auf den bekanntesten Briefen, Berichten und ausgewählten Abhandlungen des Trienters Martino Martini (1614 – 1661) und sonst ausschließ­lich französischer Jesuiten wie etwa Philippe Couplet (1623 – 1693), Louis Le Comte (1655 – 1728), Joachim Bouvet (1656 – 1730), Jean-François Grebillon (1654 – 1707)21 und François Noël (1651 – 1729),22 die er in seiner Einleitung als Gewährsmänner aufführte.23 Ihre Berichte hatte er wört­lich, gekürzt oder stilistisch überarbeitet in sein Kompendium übernommen und sich aufgrund der Auswahl schon der zeitgenössischen Kritik ausgesetzt, ein rein französisches China-Bild zu bieten.24 Zwischen 1745 und 1747 wurden einige wesent­liche Teile aus Du Haldes Kompendium gemeinsam mit Berichten von Handelsreisenden und Gesandtschaftsberichten der Niederländischen Ostindischen Kompagnie (VOC) zu China von Thomas A ­ stley in den zweiten Teil seiner vierbändigen Sammlung A New General Collection of Voyages and Travels 25 aufgenommen. Astley hatte mit dieser Kompilation Du Haldes ausschließ­lich jesuitischen Blick auf China erweitert und das zeitgenössische Wissen zu China noch einmal systematisiert und kompensiert. Ab 1747 folgte von Johann J­ oachim Schwabe der Auftakt zu einer deutsche Übersetzung zahlreicher Reiseberichte (Allgemeine Historie 21 Gerbillon war als Mathematiker Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris und wurde vom Kangxi-­Kaiser zum Hofastronomen ernannt. Er erteilte dem chinesischen Monarchen Unterricht in Geometrie und Artithmetik und begleitete ihn häufig auch in seine Sommerresidenz nach Chengde. Gerbillons Reisebeschreibungen finden sich vor allem in Bd. 4 von Du Haldes Description de la Chine. Grundsätz­lich vgl. die Kurzbiographie von Claudia von Collani: Collani, Claudia von: Biographie von Jean-François Gerbillon SJ, Chinamissionar. Online unter: http://132.187.98.10:8080/ encyclopedia/de/gerbillonJeanFrancois.pdf (gesehen am 19.08.2011). Zur Verankerung in der Akademie vgl. Hsia, Florence C.: Jesuits, Jupiter’s Satellites, and the Academie Royale des Sciences. In: O’Malley, John (Hg.): The Jesuits. Cultures, Sciences and the Arts 1540 – 1773. Toronto/Buffalo/ London 1999. S. 241 – 257. 22 Von ihm stammen nie veröffent­lichte Beschreibungen der bürgerkriegsähn­lichen Zustände in Südchina in den 1670er und 1680er Jahre. 23 Eine komplette Liste aller 27 zitierten Autoren in Du Haldes Description bieten Ming, Wong/ Huard, Pierre: Les enquêtes françaises sur la science et la technologie chinoises au XVIIIe siècle. In: Bulletin de l’Ecole française d’Extrême-Orient 53 (1966). S. 137 – 226. Hier S. 152f. 24 Du Halde stand bei der Zusammenstellung des Kompendiums sein Mitbruder und aktiver China-Missionar Contancin zur Seite. Vgl. Demel, Als Fremde in China, S. 41. Lühmann, Werner: Konfuzius. Aufgeklärter Philosoph oder reaktionärer Moralapostel? Der Bruch in der Konfuzius-­Rezeption der deutschen Philosophie des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts (Lun Wen – Studien zur Geistesgeschichte und Literatur in China, Bd. 2). Wiesbaden 2003. S. 75, FN 218. 25 Astley, Thomas: A new General Collection of Voyages and Travels. Consisting of the Most Esteemed Relations, which have been hitherto published in any Language. 4 Bde. London 1745 – 1747.

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der Reisen),26 welche im Vorwort die Lektüre von Reiseberichten zu einer anthropologischen Bestimmung des Menschen erhob.27

3.1.2 Gezielte Wissenssammlung im Auftrag des Ministers – Chinas Landwirtschaft in Berichten von Jesuiten und Experten

Etwa ab 1750 fällt eine größere Dichte von Berichten zur Funktionsweise und Bedeutung der chinesischen Landwirtschaft auf. Es handelt sich dabei sehr oft um Werke im Auftrag von europäischen Naturwissenschaftlern, wissenschaft­lich arbeitenden Institutionen wie den Akademien oder politischen Amtsträgern mit ökonomischen und landwirtschaft­lichen Interessen, die neue und gezielte Informationen wünschten. Sie ließen den Reisenden entsprechende Instruktionen und konkrete Aufträge übermitteln und lenkten so aus der Ferne ihren Blick. Das auf diese Weise gesammelte Wissen sollte die aktuellen politischen und wissenschaft­lichen Interessen der Auftraggeber bedienen. Der Reisende wurde mehr und mehr zum geschulten Beobachter, der registrierte, differenzierte, verg­lich und klassifizierte. Auch in der nachfolgenden Missionarsgeneration der französischen Jesuiten am Pekinger Hof fokussierte sich der Blick auf die Landwirtschaft stärker: Es gab inzwischen ausgewiesene jesuitische Experten am Pekinger Hof wie etwa die Botaniker und Naturwissenschaftler Pierre-Martial Cibot (1727 – 1780) und seit 1741 Pierre Noël Le Chéron d’Incarville (1706 – 1757).28 Cibot legte im Auftrag des Qianlong-­Kaisers Gärten an und führte im Land naturkund­liche Beobachtungen durch. Noël Le Chéron d’Incarville bemühte sich verstärkt um Pflanzenexporte von China nach Frankreich und beaufsichtigte als Direktor die kaiser­lichen Gärten. Cibot stand als Briefpartner in Kontakt mit dem Generalkontrolleur der Finanzen und der Compagnie française pour le

26 Schwabe, Johann Joachim: Allgemeine Historie der Reisen zu Wasser und zu Lande; oder Sammlung aller Reisebeschreibungen, welche bis itzo in verschiedenen Sprachen von allen Völkern herausgegeben worden, und einen vollständigen Begriff von der neuern Erdbeschreibung und Geschichte machen; […] Durch eine Gesellschaft gelehrter Männer im Englischen zusammen getragen, und aus demselben ins Deutsche übersetzt. 21 Bde. Leipzig 1747 – 1774. 27 Blanke, Horst Walter: Wissen – Wissenserwerb – Wissensakkumulation. Wissenstransfer in der Aufklärung. Das Beispiel der „Allgemeinen Historie der Reisen“ und ihre Vorläufer. In: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.): Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische koloniale Welt (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa, Bd. 11). Göttingen 2006. S. 138 – 156. Hier S. 142f. 28 Zu Cibot vgl. die Kurzbiographie von Collani, Claudia von: Biographie von Pierre-Martial Cibot SJ, Chinamissionar. Online unter: http://132.187.98.10:8080/encyclopedia/de/­cibotPierreMartial. pdf (gesehen am 12.11.2011). Lundbaek, Knud: Pierre Martial Cibot (1727 – 1780) – The Last China Figurist. In: Sino-Western Cultural Relations Journal XV (1993). S. 52 – 59. Zur Gruppe der Jesuiten um Cibot vgl. Rochemonteix, Camille de: Joseph Amiot et les derniers survivants de la Mission française à Pekin (1750 – 1795). Paris 1915.

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commerce des Indes orientales sowie dem Mitglied der 1761 in Paris gegründeten Société Royale d’Agriculture Henri-Léonard Jean Baptiste Bertin (1720 – 1792) in Versailles. In Bertins Zuständigkeit in seinem petit ministère fiel ab 1763 auch die Landwirtschaft. Das Ressort entsprach daneben seinen persön­lichen Interessen.29 Zahlreiche Briefe Bertins richteten sich deshalb in dieser und anderen Angelegenheiten auch an den Jesuiten Jean-Joseph-Marie Amiot (1718 – 1793).30 Pater Amiot lebte als Mathematiker, Astronom und Linguist bis zu seinem Tod am Hof des Qianlong-­Kaisers in Peking. Dieser hatte ihn in den ersten Mandarinsrang erhoben und schätzte ihn als Hofübersetzer.31 Daneben stand Bertin auch mit dem supérieur de la résidence des Missionaires françois à Pekin, Pater Michel Benoit (1715 – 1774), sowie dem Pater François Bourgeois (1723 – 1792)32 in brief­lichem Kontakt. Die Jesuiten erhielten von Minister Bertin zahlreiche konkrete Anfragen zu Themen, die ihn und den physiokratisch orientierten Kreis um ihn herum interessierten. In der Regel stellte Bertin seine Fragen in Briefen und bat gezielt um Informationen. Es sind zwischen 1744 und 1798 eine große Anzahl von Briefen zwischen ihm und den Missio­naren in China als Korrespondenten der französischen Krone ausgetauscht worden. Gerade nach der Aufhebung des Ordens im Jahr 1773 intensivierte sich das Verhältnis und die Missionare baten in einem Memorandum und in Briefen darum, auch künftig weiter im Dienste des französischen Königs Informationen sammeln und diese berichten zu dürfen.33 Ihr Aufenthalt in China diente aufgrund des chinesischen 29 Zu Bertin vgl. Antoine, Michel: Le Gouvernement et l’Administration sous Louis XV. Dictionnaire Biographique. Paris 1978. S. 34. Antoine, Michel: Le secrétariat d’État de Bertin (1763 – 1780) (Positions des thèses de l’École des Chartes 1948). Paris 1948. S. 11 – 19. Bourde, André J.: Agronomie et Agronomes en France au XVIII Siècle. Bd. 2. Paris 1967. S. 1079ff. 30 Der von Henri Cordier zusammengestellte Briefwechsel wird in der Bibliothèque de l’Institut de France, mss. 1515 – 26 (Correspondance des RR. PP. Jesuites missionnaires en Chine avec H. L. J. Bertin, 1744 – 1798) aufbewahrt: Cordier, Henri (Hg.): Correspondance des RR. PP. Jesuites missionnaires en Chine avec H. L. J. Bertin, 1744 – 1798. Bibliothèque de l’Institut de France. 12 Bde. Hier ms 1519. Zur assoziierten Mitgliedschaft Bertins in der Société d’Agriculture vgl. Société Royale d’Agriculture (Hg.): Mémoires d’Agriculture, d’économie rurale et domestique. Paris 1785. S. VI. 31 Zum Leben und Wirken Amiots vgl. Davin, Emmanuel: Un éminent sinologue toulonnais du XVIIIe siècle le R. P. Amiot, S. J. (1718 – 1793). In: Bulletin de l’Association Guillaume Budé 3 (1961). S. 380 – 395. Zum Wirken der Missionare am chinesischen Hof vgl. Rochemonteix, Joseph Amiot et les derniers survivants de la mission française à Pékin, S. 111ff. Lewis, Gwynne: Henri-Léonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy: The Chinese Connection. In: Crook, Malcolm/ Doyle, William/Forrest, Alan (Hg.): Enlightenment and Revolution. Essays in Honour of Norman Hampson. Burlington 2004. S. 69 – 90. Hier S. 76. 32 Benoit erreichte China 1744, Bourgeois war 1767 in Peking angekommen. 33 Das Memorandum findet sich neben 30 anderen Mémoires in der Korrespondenz Bertins. Vgl. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionnaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1526. Bertin bat beispielsweise seine Korrespondenten in China um ein Memoire sur la conservation et la police des grains. Dazu kurz Huard, Pierre/Wong, Ming: Les enquêtes françaises sur la science et la technologie chinoises au XVIIIe siècle. In: Bulletin de

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Missionsverbotes kaum mehr der geist­lichen Tätigkeit als vielmehr dem Auftrag einiger Mitglieder der französischen Regierung, die Funktionsweise des chinesischen Staatswesens und der Wirtschaft zu erforschen. Zahlreiche Anfragen wurden von Minister Bertin zur Landwirtschaft gestellt: In einem Brief an Bourgeois vom 27. September 1776 drückte Bertin seine große Bewunderung für China aus, weil es so viel Menschen ernähren könne. Er betonte, dass die Chinesen über deut­lich bessere Methoden als die Franzosen verfügten, Gewinn aus ihrer fruchtbaren Erde zu ziehen. Von seinem Korrespondenten erbat er daher un ouvrage darüber, wie Europa und speziell Frankreich von China auf dem Gebiet der Landwirtschaft lernen könnten. Der Jesuit kündigte dem Minister eine Agriculture en peinture an, die Bertin auch tatsäch­lich erhielt. In seinem Brief an Bourgeois vom 15. Oktober 1779 erbat Bertin nachdrück­lich die Sendung der Arbeit über Agriculture: Si votre santé ne vous permet pas de lui donner autant d’étendue que vous vous le proposiez d’abord le public sera content certainement que vous tiriez des matériaux et mémoires que vous me marquez avoir répariés, les pratiques usités pour les différentes cultures et la description des instruments qu’on y employe et qui sont représentés dans les peintures relatives à l’agriculture, que vous m’avez déjà envoyées au nombre de 69.34 Sehr oft erhielt Bertin als Antwort zu bestimmten Themenfeldern von den Korrespondenten ausführ­liche Abhandlungen, die manchmal sogar in Gemeinschaftsarbeit unter den Korrespondenten in Peking entstanden waren. Es handelte sich somit verstärkt um Auftragswerke, die sie für Bertins Ministerium verfassten. Daneben wurden auch die Anfang der 1760er Jahre im Jesuitenkolleg La Flèche in der Bretagne erzogenen Chinesen Aloys/Louis Ko 35 (1732 – 1795) und Étienne Yang (1733 – 1784?) im Auftrag der Krone nach einer ausführ­lichen Bildungsreise durch Frankreich zurück in ihr Heimatland gesandt, um dort gezielt für Bertin und seinen Nachfolger in dem Amt Anne Robert Jacques Turgot (1727 – 1781) Wissen zu sammeln.36 Beide hatten sie mit Fragelisten ausstatten lassen, die ihren Blick auf bestimmte Gegenstände lenken l’École Française d’Extrême-Orient, Bd. 53/1 (1966), S. 137 – 226. Hier S. 179, FN 6. In einem Brief vom 1. Oktober 1774 erklärte Amiot Bertin die Bereitschaft und große Motivation der Jesuiten, wie gehabt unter Ludwig XIV. und Ludwig XV. der Krone zu dienen und insbesondere den großen Ministern wie ihm mit ihrem Wissen zur Seite zu stehen. Er bedankte sich bei Bertin für die Protektion und bisherige gute Zusammenarbeit. Cordier, Henri (Hg.): La supression de la Compagnie de Jésus et la mission de Peking. In: T’oung pao, Seconde serie. Bd. 17/3 (1916). S. 271 – 347. Hier S. 287. 34 Brief Bertins an Bourgeois vom 27. September 1776 und vom 15. Oktober 1779. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionnaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1522 (Bl. 114 – 123) und 1523 (Bl. 57v). 35 In der Korrespondenz mit Bertin finden sich beide Namen. 36 Auch Anne Robert Jaques Turgot hatte als Intendant von Limoges 1766 einen Beobachtungsleitfaden mit Fragen an die beiden Chinesen Ko und Yang zusammengestellt, den er später als Réflexions sur la formation et la distribution des richesses (1770) publizierte. Schelle, Gustave: Turgot, sa vie et ses oeuvres. In: Ders. (Hg.): Oeuvres de Turgot et documents le concernant. Paris 1919 – 1923. Bd. 1 – 5. Hier Bd. 3, S. 154. Die Fragen Turgots an die beiden Chinesen finden sich in: Turgot, Anne Robert Jacques: Questions sur la Chine adressées à MM. Ko et Yang. In: Œuvres de Mr. Turgot,

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sollten. Die Fragelisten definierten exakt, welches Wissen für Bertin und die Regierung zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant war und wo aktuelle Wissenslücken bestanden. Zugleich bot eine solche Liste durch die gezielten Fragen eine Richtschnur und Kategorien, die ein gewisses methodisches und inhalt­liches Annähern an einen unbekannten Gegenstand erleichtern und sich für die Dokumentation bzw. Bearbeitung eines unbekannten Themas als hilfreich erweisen konnten. Justin Stagl spricht von Fragelisten als Forschungsbehelf.37 Es ging Bertin um gelenkte Erkenntnisgewinnung und kontrollierte Beobachtung mit Hilfe eines Mediums, das bereits die spanische Monarchie in den eroberten Gebieten der Neuen Welt eingesetzt hatte, um konkretes Wissen über die ört­lichen strukturellen und politischen Bedingungen und natür­lichen Zustände zu erhalten. Unstrukturierte Fragebögen hatte auch bereits Francis Bacon mit den Topica Particularia als Anleitung für Menschen zur Beobachtung der Natur entworfen und in seinem Werk Novum organum 1620 das systematische Sammeln und Auswerten von Wissen gefordert. Auch in den seit dem 17. Jahrhundert aufkommenden Sozietäten wie der Royal Society in London oder der Société Royale d’Agriculture in Paris spielten Fragelisten zu Aspekten der Natur oder Landwirtschaft als Mittel der Informationsbeschaffung eine wichtige Rolle.38 Nun wurde diese Methode der Wissensbeschaffung durch den Staat auf andere Bereiche wie die Wirtschafts- und Sozialforschung ausgeweitet und auch im Austausch mit China zur Gewinnung nütz­lichen und fehlenden Wissens eingesetzt. ministre d’état, précédées et accompagnées de Memoires et de notes sur sa vie, son administration et ses ouvrages. Bd. 5. Paris 1808. S. 140 – 165. Osterhammel, Jürgen: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert (Beck’sche Reihe, Bd. 1823). München 2010. S. 119. Lewis, Henri-Leonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy, S. 74. Die Rundreise zählt nach Stagl zu den Hauptmethoden aufgeklärter Sozialforschung. Stagl, Justin: The „Patriotic Traveller“ des Grafen Leopold Berchtold und das Ende der Apodemik. In: Griep, Wolfgang (Hg.): Sehen und Beschreiben. Europäische Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert (Eutiner Forschungen, Bd. 1). Heide 1991. S. 213 – 225. Hier S. 215. 37 Es handelt sich nach Durchsicht von Bertins Fragen nicht um Fragebögen mit einer vorgegebenen Auswahl an festen Antworten, die von den Ausfüllenden nur auszuwählen und zu markieren waren, sondern um themenbezogene Kataloge, die Stagl als Fragelisten charakterisiert hatte. Stagl, Justin: Vom Dialog zum Fragebogen. Miszellen zur Geschichte der Umfrage. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 31/3 (1979). S. 611 – 638. Stagl, Justin: Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550 – 1800. Köln/Weimar/Wien 2002. S. 170ff, S. 310ff. 38 Dieses Prinzip der an den Fragenkatalogen orientierten Erhebung wurde auch durch den Chemiker und Mitbegründer der Royal Society in London, Robert Boyle (1626/27 – 1691/92), angewandt. Knight, Harriet: Robert Boyle et l’organisation du savoir. In: Dennehy, Myriam/Ramond, Charles (Hg.): La philosophie naturelle de Robert Boyle. Paris 2009. S. 157 – 173. Ich danke Simona Boscani Leoni für eine anregende Diskussion und freund­liche Hinweise zu Frage­bögen und Listen als Medien der Wissenskategorisierung und -erhebung. Sie wird diese Medien in ihrem Habilitationsprojekt zum Thema „Sammlung und Inszenierung des Wissens: Johan Jakob Scheuchzer (1672 – 1733) und die frühneuzeit­liche Naturforschung“ im Rahmen der Wissenserhebung durch bäuer­liche Laien in der Schweiz behandeln.

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Eine zehnseitige, undatierte, von Bertin sehr wahrschein­lich eigenhändig verfasste Liste findet sich noch als Abschrift in der Korrespondenz.39 An erster Stelle der Frageliste hatte Bertin die Frage nach der Rolle des chinesischen Kaisers als chef des cultivateurs gestellt. Danach folgten Fragen zum Ackerbau und zur Viehzucht in Abhängigkeit vom Klima in unterschied­lichen Provinzen, zu Getreidesorten, zur Organisation der Erntearbeit, zur Rechtsstellung der Bauern als Freie oder Sklaven, zum Landerwerb und zum Landbesitz. Gerade die Fragen zur Pacht und zum Landbesitz bewegten den französischen Minister ganz besonders: Ob in China die meisten Böden von den Eigentümern selbst oder von Pächtern bebaut würden, die den Eigentümern einen Teil der Ernten abzugeben hätten? Ko und Yang sollten recherchieren, ob es viele Landeigentümer in China gäbe, die ihren Boden langfristig aus der Hand gegeben hätten. Sie sollten zudem in Erfahrung bringen, wie hoch die Landpreise im Allgemeinen lägen und ob es darüber hinaus überhaupt üb­lich sei, Land an Bauern zu verpachten. Immer wieder wurden Ko und Yang gebeten, auf ihren Reisen durch das Land Bauern oder Ortsvorsteher zu fragen, um genaue und regional differenzierte Kenntnisse in ihre Berichte einfließen zu lassen.40 Im Jahr 1766 bat Bertin seine Korrespondenten um einen ausführ­lichen Bericht zum chinesischen System der Vorratswirtschaft, zum Getreidehandel und zur Preisgestaltung. Die Frageliste und die brief­l ich geäußerten Informationswünsche offenbaren die Defizite und Bedürfnisse Frankreichs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und Bertins physiokratisch geprägte Ansicht, dass eine florierende Landwirtschaft soziale Stabilität garantiere.41 Ko und Yang reagierten auf die Fragelisten mit ausführ­lichen Abhandlungen, die ebenso wie die Berichte der Kollegen Amiot und Cibot zwischen 1776 und 1814 in Paris in den von Bertin sowie den Jesuiten selbst herausgegeben Mémoires concernant l’Histoire, les Sciences, les Arts, les Mœurs, les Usages des Chinois: Par les Missionnaires de Pékin etwas zeitversetzt veröffent­licht wurden.42 Die Veröffent­lichung von Daten, die im Auftrag des Staates erhoben wurden, war kaum etabliert. Zunächst galten sie als Eigentum der Regierung und deshalb auch erst einmal als arcana, boten sie doch einen Wissensvorsprung und ermög­lichten in entsprechenden Bereichen gezielteres Regierungshandeln im Sinne der Steuerung. Nun ließ aber gerade die Regierung die Ergebnisse der Fragelisten aus China publizieren. Sie stellte das Wissen einer zunehmend 39 Ein Schriftvergleich mit den Briefen lässt diese Annahme zu. Eine Unterschrift unter der Abschrift fehlt jedoch. 40 22 Questions: Richesse, distribution des terres, Culture. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionares en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1526, Bl. 28 – 39. 41 Sigaut, François: La Chine, l’Europe et les techniques agricoles. In: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations. Bd. 44, 1. Paris 1989. S. 207 – 216. Lewis, Henri-Léonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy, S. 88f. 42 Grundsätz­lich vgl. dazu Dehergne, Joseph: Une grande collection: Mémoires concernant les C ­ hinois (1776 – 1814). In: Bulletin de l’Ecole Française d’Êxtreme Orient 72 (1983). S. 267 – 298.

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kritischen Öffent­lichkeit zur Verfügung und bereicherte damit die Diskussion bzw. initiierte die Nutzung des Wissens.43 Zunehmend wandten sich ab den 1750er Jahren neben den Jesuiten Fachleute wie der französische Botaniker Pierre Poivre der Landwirtschaft, ihren Erträgen, Anbaumethoden, aber auch immer wieder ihrer Rolle im wirtschaftspolitischen System Chinas verstärkt und gezielter zu. Auch sie nutzten die neuen Methoden der frühen empirisch-­ systematischen Wissenserhebung und -generierung, die bisheriges Wissen erweiterten und fokussierten. Mit Pierre Poivres (1719 – 1786) Voyages d’un philosophe aus dem Jahr 1768 und seinen zahlreichen Briefen an Minister Bertin liegen Berichte vor, die sich bewusst mit der Pflanzenwelt und dem Ackerbau in Asien und an den afrikanischen Küsten beschäftigen.44 Poivre hatte seine Erziehung in der Société des Missions Etrangères in Paris erhalten, einer Einrichtung, die in Konkurrenz zu den Jesuiten missionarischen Dienst in Asien verrichtete. Er wurde bestens auf Fernreisen vorbereitet, jedoch nicht ordiniert.45 Auf seinen Reisen gelangte Poivre unter anderem als britischer Gefangener nach Batavia und lernte das Ausmaß und die Bedeutung des niederländischen Gewürzmonopols für Europa kennen. Er richtete sein künftiges Interesse darauf, das Monopol der Holländer im Gewürzanbau und -handel zu brechen und Frankreich durch eigene Gewürzgärten in Südostasien und auf Inseln im Indischen Ozean wie der Ile de France, dem heutigen Mauritius, unabhängig von Lieferungen der Niederlän­dischen Ostindischen Kompanie (VOC) zu machen.46 Dieses Vorhaben bedurfte genauer botanischer Kenntnisse 43 Stagl, Vom Dialog zum Fragebogen, S. 615. 44 Maybon, Charles B.: Quelques documents inédits concernant Pierre Poivre. In: Études Asiatiques II (1925). S. 143 – 157. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1518 : Lettres de Mr. Poivre, 1764 – 1779. Cordier, Henri: Voyages de Pierre Poivre de 1748 jusqu’ à 1757. Revue de l’Histoire des Colonies françaises. Paris 1918. Eine Übersicht über die edierten Manuskripte bietet Osterhammel, Jürgen (Hg./Übers.): Pierre Poivre. Reisen eines Philosophen. Sigmaringen 1997. S. 235f. 45 Die erste Biographie stammt von dem Physiokraten und guten Bekannten Poivres Du Pont de Nemours. Du pont de Nemours, Pierre Samuel: Notice sur la vie de M. Pierre Poivre. Paris 1786. Unter diesem Link findet sich das Werk in der Bibliothèque nationale de France: http://gallica. bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5543543q/f4.image (gesehen 27.06.2011). Später wurde die Biographie in die Œuvres Complettes, Paris 1797, aufgenommen. Eine neuere und ausgezeichnet recherchierte Biographie stammt von Malleret, Louis: Pierre Poivre (Publications de L’École d’Extrême-Orient, Bd. 92). Paris 1974. Eine schöne Zusammenfassung bietet Osterhammel, Pierre Poivre, S. 12 – 40. 46 Maverick, Lewis A.: Pierre Poivre. Eighteenth Century Explorer of Southeast Asia. In: Pacific Historical Review 10/2 (1941). S. 165 – 177. Hier S. 171. Ly-Tio-Fane, Madeleine: Mauritius and the Spice Trade. The Odyssey of Pierre Poivre (Mauritius Archives Publications, Bd. 4). Port Louis 1958. S. 24ff. Fels, Marthe de: Pierre Poivre et L’Amour des Espices. Paris 1968. Insbesondere die Einleitung. Perouse, G. A.: The intendant Poivre’s Ship Journal (1767) from Lorient to Cadiz and Mauritius. In: Cahiers d’Histoire 21,4 (1976). S. 443 – 451. Neuerdings zusammenfassend ­Bonnichon, Philippe: French Enlightenment Botanists in the Indian Ocean – In particular Pierre Poivre: In: Mondes et Cultures 64,1 – 4 (2004). S. 17 – 30.

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sowie eines regen Pflanzentransfers, um sie in den französischen Gewürzgärten oder in Frankreich selbst zu akkulturieren. Seine Reisen nach Kanton in Südchina, Cochinchina (dem Hof von Hue und Siam)47 sowie Indien nutzte er zu intensiven landwirtschaft­ lichen Studien vor Ort.48 Seine Ergebnisse basierten somit auf Augenzeugenschaft und Fachkenntnis. In seinem Vorträgen zur Landwirtschaft in China an der Académie des Sciences, Arts et Belles Lettres in Lyon ging er 1763 und 1764 der Frage nach, wie die große Bevölkerung des riesigen Landes unterhalten werde, und beschreibt seine Methode, Antworten zu finden: Poivre streifte in Kanton durch die Felder, verfolgte die Arbeitsabläufe der Bauern und unterhielt sich mit ihnen über Düngungs- und Anbaumethoden.49 Er fasste die Ergebnisse seiner Beobachtungen in zahlreichen handschrift­lichen Berichten zusammen. Darüber hinaus hatte er in seiner Heimatstadt Lyon die Gründung einer Société Royale d’Agriculture mit initiiert, zu deren Vorsitzenden er bald avancierte.50 In den Jahren 1763 und 1764 hielt er in der Gesellschaft Vorträge zum Acker- und Gartenbau bei verschiedenen Völkern der Welt sowie zum Zusammenhang von Landbau und den Schönen Künsten. Im Jahr darauf folgten Vorträge zu verschiedenen Formen des Landbaus in der Welt.51 Poivre bewertete in jedem der von ihm besuchten Länder den Zustand der Landwirtschaft und prüfte an diesem Untersuchungsgegenstand die Maxime Montesquieus, ob die Gesetze des Staates weise seien und die Regierung die allgemeine Wohlfahrt im Auge habe. Für Poivre standen Herrschaft und politisches Handeln sowie Anbaumethoden und Ertragshöhe, aber auch die Auswirkungen auf die Natur in unmittelbarem Zusammenhang. Osterhammel bezeichnet ihn gerade wegen 47 Zu Poivres Reise an den Hof von Hue sowie den Wahrnehmungen der vietnamesischen Landwirtschaft vgl. Nguyen, Manh Dung: Pierre Poivre’s Voyages to Cochinchina in Mid-Eighteenth Century. A Reappraisal. In: Nghien Cuu ­lich Su 12,404 (2009). S. 36 – 47. Zu seinem Aufenthalt in Thailand Breazeale, Kennon: From the Archives – Memoires of Pierre Poivre: The Thai Port of Mergui in 1745. In: Sayām-samāgam, The Journal of the Siam Society 97 (2009). S. 177 – 200. 48 Poivres großes Vorbild war der deutsche Botaniker Georg Eberhard Rumphius (1627 – 1702), der im Dienst der Vereenigde Oostindische Compagnie in Indonesien Pflanzen sammelte, katalogisierte und erforschte. Posthum, im Jahr 1741, erschien sein Werk Herbarium Amboinense. Vgl. Wehner, Ursula/Zierau, Wolfgang/Arditti, Joseph: The Merchant of Ambon: Plinius Indicus. Life and Work of Georg Eberhard Rumpf. In: Orchid Biology: Reviews and Perspectives 8 (2002). S. 8 – 35. 49 Poivre, Pierre: Suite des observations sur l’état de l’agriculture chez différentes nations de l’Afrique et de l’Asie. In: Ders.: Œuvres complettes De P. Poivre, Intendant des Isles de France et de Bourbon, correspondent de l’académie des sciences, etc.: Précédées De Sa Vie, Et Accompagnées De Notes. Paris 1797. S. 133 – 198. Hier S. 170f. Eine deutsche Übersetzung bei: Poivre, Pierre: Fortsetzung der Untersuchungen über den Zustand der Landwirtschaft bei verschiedenen Völkern. In: Osterhammel, Jürgen (Hg./Übers.): Pierre Poivre. Reisen eines Philosophen (Fremde Kulturen in alten Berichten, Bd. 4). Sigmaringen 1997. S. 171 – 215. Poivre sprach Chinesisch, jedoch nicht besonders gut. 50 Malleret, Pierre Poivre. S. 251. 51 Die Vorträge finden sich in deutscher Übersetzung in: Osterhammel, Pierre Poivre, S. 131 – 215. Grundsätz­lich Malleret, Pierre Poivre, S. 249ff. Zur Lyoner Gesellschaft vgl. Bourde, Agronomie et agronomes, S. 1536ff.

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seines Interesses an der klugen und ausgewogenen Landnutzung vollkommen berechtigt als frühen ökologisch sensibilisierten Entwicklungsökonomen.52 Poivre richtete sein Augenmerk auch auf den Status der Bauern. Durch seine Beobachtungen kam er zu dem Ergebnis, dass die Effizienz des Ackerbaus maßgeb­lich von der persön­lichen Freiheit der Landarbeiter, der Eigentumsverhältnisse in Bezug auf das Land sowie der hohen Achtung und Förderung des Bauernstandes durch die Regierung eines Staates abhänge. Zudem ist in seinen Berichten der Respekt für lokales Wissen fremder Kulturen deut­lich spürbar und die Annahme einer grundlegenden zivilisatorischen Überlegenheit der Europäer nicht gegeben. Poivre entlarvte Europa hinsicht­lich der Verknüpfung von Regierungshandeln und Landwirtschaft vielmehr als rückständige Großregion, die bescheiden lernen müsse. Er steht damit ganz im Gegensatz zu den meisten Reiseberichterstattern, die vor allem die Verwaltung der asiatischen Staaten, insbesondere in China, in den Blick nahmen. Poivre integrierte in seine einmaligen und sehr präzisen, jedoch von starker Begeisterung geprägten agrarwissenschaft­lichen und agraökonomischen Studien zu China, speziell zur Provinz Guangdong, aktuelle Ereignisse aus den 1750er und 1760er Jahren. André Bourde hebt den ausgeprägt fach­lichen Blick Poivres auf die chinesische Landwirtschaft gegenüber älteren Berichterstattern hervor.53 Über seine eigenen Berichte hinaus war Poivre auch daran beteiligt, zusätz­liche authentische Informationen zur Landwirtschaft in China für Frankreich nutzbar zu machen: Er traf in Lyon die bereits erwähnten jungen chinesischen Jesuitenpriester, Aloys/Louis Ko und Étienne Yang, die er im Auftrag Bertins auf ihrer Reise durch Frankreich begleiten sollte. Sie hatten in Paris ihre theologischen, naturwissenschaft­ lichen und ökonomischen Studien abgeschlossen und besuchten nun ebenfalls zu Studienzwecken bekannte Manufakturen in ganz Frankreich.54 An der Erstellung der Fragelisten Bertins für Ko und Yang vor ihrer Rückkehr in ihre Heimat war Poivre maßgeb­lich beteiligt.55 Bertin und Poivre waren sich dabei vollkommen bewusst, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen oder Organisationsstrukturen nicht komplett auf Frankreich übertragbar sein konnten. Es ging ihnen vielmehr um eine Neuorientierung Frankreichs in einer ökonomisch expandierenden Welt. Sie teilten die Ansicht, dass Frankreichs Stärke nicht auf dem Meer, sondern auf dem Land liege, und strebten mit China eine engere Zusammenarbeit an. China und Frankreich stellten aus ihrer Sicht

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Osterhammel, Pierre Poivre, S. 25. Bourde, Agronomie et agronomes, Bd. 1, S. 443ff. Malleret, Pierre Poivre, S. 254. Poivre traf Bertin 1767 auch persön­lich in Paris. Malleret, Pierre Poivre, S. 260f. Maverick, Pierre Poivre, S. 171. Lewis, Henri-Léonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy, S. 71, S. 76 und S. 83. Bernard-Maitre, Henri: Le petit ministre. Henri Bertin et la correspondance littéraire de la Chine à la fin du XVIIIe siècle. In: Comptes-Rendus des Séances de l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 92,4 (1948). S. 449 – 451. Poirier, Jean Pierre: Turgot: Laissez-faire et progrès social. Paris 1999. S. 102ff.

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zwei ähn­lich starke Mächte auf zwei Erdteilen dar. Bertins Ziel bestand darin, der ineffizienten französischen Wirtschaft ein wenig esprit chinois einzuimpfen.56 Bei aller nachgewiesenen Kompetenz wurden insbesondere die Jesuitenberichte im 18. Jahrhundert zunehmend kritischer gelesen und ihre Ausführungen mit denen anderer China-Reisenden verg­lichen. Diese etablierte Methode wurde dem kritischen Leser beispielsweise in der Vorrede zu einem Ergänzungsband der deutschen Übersetzungen von Du Haldes Description de la Chine vorgestellt: Je weiter ein Reich von uns entfernet ist, je größer die Umstürzungen sind, die in demselben vorgehen, desto langsamer geht es mit der Erforschung seiner Geschichte zu uns, desto mißtrauischer wird auch dasjenige, was man entdeckt, angesehen: und es erlanget eher nicht Credit, als bis mehrere Zeugnisse, wenigstens in der Hauptsache, einerlei aussagen, oder solche Denkmale der Welt vor Augen liegen, die sie an dem, was überhaupt erzählet wird, nicht zweifeln lassen.57 Die Jesuiten galten als Konstrukteure eines allzu positiven China-Bildes, das aus der Verbindung ihrer exklusiven Stellung und den damit einhergehenden Abhängigkeiten sowie des gleichzeitigen Vorzugs eines einzigartigen Zugangs zur Macht entstanden war. Auch die französischen Reisenden aus dem unmittelbaren Umfeld der staat­lich gelenkten Wissensermittlung in Frankreich selbst ordneten die Berichte der Jesuiten kritisch ein. So eröffnete der Neffe Poivres, Pierre Sonnerat (1749 – 1814), seinen Reise­ bericht Voyage aux Indes orientales et à la Chine mit der Kritik am einseitigen Bild Chinas, welches die Jesuiten in ihrem Interesse über Jahre gezeichnet hätten und das er nun zu relativieren bzw. zu widerlegen suchte: Placé à quatre mille lieues des plages Européennes, les Chinois n’ont été connu dans l’Occident que par les relations édifiantes des Missionnaires; ces hommes que le désir de rendre éternellement heureuses des Nations idolâtres où le besoin inquiet de se transporter dans des pays inconnus, pour y annoncer des vérités effrayantes, ont fait renoncer à leur patrie & à ses douceurs, n’ont pas été entièrement désintéressés. […] Les Chinois devant servir de base à leur système, il falloit qu’ils représentassent le despote qui les gouvernoit, comme un Prince jouissant d’une autorité sacrée & absolue sur des peuples innombrables, & cachant sa politique & ses décrets sous un voile impénétrable au vulgaire: ils devoient présenter en même-tems les Chinois comme un peuple doux, humain, heureux & satisfait sous la conduite d’un tel père, habile dans l’agriculture, le commerce & les arts, régis par des loix sages, & dans la position morale & civile que tous les hommes doivent ambitionner.58 Sonnerat, selbst an der Weiterreise ins Landesinnere gehindert, gab dennoch ärger­lich zu, dass es allein den Jesuiten gelungen sei, alle Hindernisse zu überwinden, die den Ausländern die Kontakte zu Chinesen erschweren würden. Sie 56 Lewis, Henri-Leonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy, S. 71. 57 Koppe, Johann Christian: Zusätze zu des Johann Baptista du Halde ausführ­lichen Beschreibung des Chinesischen Reiches und der großen Tarterey. Aus dem Französischen übersetzet. Rostock 1756. S. 2. 58 Sonnerat, Pierre: Voyage aux Indes orientales et à la Chine, fait par ordre du roi, depuis 1774 j­ usqu’en 1781 […]. Bd. 2. Paris 1782. Einleitung S. 2f.

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waren in die Hauptstadt und an den Hof vorgelassen worden.59 Umso mehr zweifelte er jedoch an der Echtheit der von den Jesuiten (Couplet und Noël) angefertigten Übersetzungen der klassischen philosophischen Bücher Chinas. Sonnerat warf den Jesuiten offen vor, sie hätten alle Lehren und Sentenzen des Konfuzius und anderer Klassiker selbst verfasst.60 An Sonnerats unverhohlener Feindschaft und Kritik offenbart sich der allmäh­liche Wandel des China-Bildes, der in dieser Dekade insbesondere der Abneigung gegenüber dem ehemaligen Orden sowie der von den Jesuiten vorgenommenen Interpretation, Umdeutung und Konstruktion des Wissens zur Information geschuldet war. Die jesuitische Sicht Chinas mahnte und belehrte aus der Perspektive kritischer Zeitgenossen gebetsmühlenartig immer auf die gleiche Weise und mit den gleichen Argumenten. Eine zunehmend größere Gruppe von reisenden Experten und Händlern trat neben die Jesuiten und beanspruchte, mit ihrem Spezialwissen das der ehemaligen Ordensbrüder korrigieren oder zumindest ergänzen zu können. Der Naturforscher Sonnerat polemisierte und stellte sich somit den Berichten der Jesuiten entgegen, er selbst bot jedoch ausgerechnet für China einen nur ungenügend und fehlerhaft recherchierten Bericht, der ebenfalls den zeitgenössischen Ansprüchen nicht genügte.61 Gerade deshalb polarisierte die Sicht der Jesuiten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aber auch. Die politischen Eliten wie Minister Bertin, die auf eine politische und wirtschaft­liche Annäherung an China drängten, waren auf das immense kulturelle Wissen der Jesuiten angewiesen. Die Patres wiederum zeigten sich anpassungsfähig an neue Informationsbedürfnisse und neue Erhebungsmethoden für Wissen.

3.1.3 Instruierte Laien – Reisen im Auftrag der schwedischen Akademie der Wissenschaften

Zeit­lich parallel zu den französischen Jesuiten und zu Botanikern wie Pierre Poivre finden sich ab Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere fach­lich instruierte Laien auf R ­ eisen, darunter auch Handelsreisende und protestantische Schiffsgeist­liche,62 die sich im Auftrag der Stockholmer Akademie der Wissenschaften gezielt der Botanik und der Landwirtschaft zuwandten. Die Einschätzung der wirtschaftspolitischen Bedeutung der Landwirtschaft stellte jedoch für diese Reisenden ein Problem dar, da sie zumeist ausschließ­lich Kanton bereisten.63 Sie gelangten weder an den Hof noch waren diese Reisenden lange genug in China, um entsprechende Sprachkenntnisse zu erwerben und damit wirk­lich Einblicke in die Landwirtschaftspolitik, vertiefte Kenntnis von 59 60 61 62 63

Ibd. S. 7. Ibd. S. 323. So auch Lühmann, Konfuzius, S. 81. Lühmann, Konfuzius, S. 75ff. Demel, Als Fremde in China, S. 287. So schon Weinmann für Ansons Reisebericht. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 213f.

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Gesetzen und Verordnungen, Hilfsmaßnahmen o. Ä. zu gewinnen. Um diese Wissenslücke zu schließen, ergänzten sie ihre Berichte immer wieder mit Passagen aus Du Haldes Description. Du Haldes Zusammenstellung der China-Berichte aus jesuitischer Perspektive avancierte somit trotz aller Vorbehalte gegen den Orden bis weit über das Ende des 18. Jahrhunderts hinaus zu einem ernstgenommenen und ununterbrochen rezipierten Wissenskanon. Im Jahr 1751 hielt sich Pastor Pehr (Peter) Osbeck als Schiffsprediger in China auf.64 Als Mitglied der könig­lichen schwedischen Akademie der Wissenschaften war er beauftragt, seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die Naturkunde und die mit ihr unzertrenn­lich verbundene Oeconomie, die Landwirthschaft, die Policey, das Manufactur- und Commercienwesen in China zu richten.65 Der schwedische Naturforscher und Präsident der Akademie der Wissenschaften Carl von Linné hatte ihn eigens dafür mit einer ausführ­lichen Instruktion ausgestattet, die seine Beobachtungen gezielt lenken und die Wünsche Linnés erfüllen helfen sollte.66 Dem Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft in China widmete sich Osbek nur äußerst kurz. Da er weder in die Hauptstadt noch an den Hof gelangte, sondern die Wochen seines Aufenthaltes in der Provinz Guangdong verbrachte, griff Osbeck bewusst auf einige Passagen aus Du Haldes Description de la Chine zurück und stellte sie seinen Ausführungen zu Nutzpflanzen, einem Verzeichnis von chinesischen Gewächsen sowie seinen Betrachtungen über den Landbau voran. Er wählte insbesondere Textstellen aus der Description, welche aus der historischen Tradition die Hochachtung des Ackerbaus und der Bauern durch die Herrscher bis zur jüngeren Vergangenheit unter dem Kangxi-­Kaiser erklärten und die alljähr­liche Pflugszene als Ausdruck dieser Gesinnung beschrieben.67 Osbecks Reisebeschreibung wurde zum einen noch durch den Briefbericht von Olof 64 Die Svenska Ostindiska Companiet wurde 1726 gegründet. Im Jahr 1731 erfolgte eine erneute Gründung mit erweiterten Kompetenzen. Ein Jahr später, 1732, ist die Gründung der dritten Dansk Asiatisk Compagni zu verzeichnen. Koninckx, Christian: The First and Second Charters of the Swedish East India companie, (1731 – 1766). A Contribution to the Maritime, Economic and Social History of North-Western Europe in its Relationships with the Far East. Kortrijk 1980. 65 Osbeck, Peter: Reise nach Ostindien und China. Aus dem Schwedischen übersetzt von Johann Gottlieb Georgi. Rostock 1765. S. III. Eine Reprint-Ausgabe der deutschen Übersetzung des Reiseberichts Osbeck, Pehr: Die Reisen eines Schiffspredigers nach Ostindien und China in den Jahren 1750 – 1765 (Historische Schifffahrt, Bd. 43). Bremen 2009. 66 Linné arbeitete zu diesem Zeitpunkt an seinen Species Plantarum, einem umfassenden Überblickswerk, in dem alle ihm bekannten Pflanzen der Erde aufgeführt werden sollten. Das von Osbeck zusammengestellte botanische Wissen aus China sollte sein Werk ergänzen. Müller-Wille, Stefan: Collection and Collation: Theory and Practice of Linnaean Botany. In: Studies in History and Philosophy of Science, Part C: Studies in History and Philosophy of Biological and Biomedical Sciences. 38/3, (2007). S. 541 – 562. 67 Osbeck, Reise nach Ostindien und China, S. 240 – 242. Das schwedische Original erschien unter dem Titel: Osbeck, Peter: Dagbok öfwer en Ostindisk Resa Aren 1750, 1751, 1752: med Anmärkningar uti Naturkunnigheten främmande Solkslags Spräk, Seder, Hushallning. Förrättad of Olof

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Toreen aus Surat und China an Carl von Linné zwischen 1750 und 1752 zur gegenwärtigen Feldökonomie in Asien sowie zum anderen durch einen Bericht des schwedischen Kapitäns Carl Gustav Eckeberg über die kaiser­liche Förderung des Ackerbaus und zur gegenwärtigen Situation der Landwirtschaft in China an die Stockholmer Akademie der Wissenschaften aus dem Jahr 1754 ergänzt.68 Somit lagen mit diesem schwedischen Kompendium spezifisch ausgerichtete Reiseberichte mit einem deut­lichen Fokus auf der Landwirtschaft aus einem engen Zeitrahmen vor. Sie stammten zwar von botanischen Laien, die jedoch teilweise von Experten gut auf die Reise vorbereitet worden waren,69 und richteten sich explizit an naturkund­lich und landwirtschaft­lich interessierte Leser. Die gemeinsame Publikation ermög­lichte ihnen einen direkten Informationsvergleich. Interessant ist in diesem Kontext, dass von den Berichten eine deutsche Übersetzung angefertigt und im Jahr 1765 durch das korrespondierende Mitglied der Stockholmer Akademie der Wissenschaften und Mitglied der Leipziger Ökonomischen Gesellschaft Johann Christian Daniel Schreber herausgegeben wurde.70 3.2 Interessen, Intentionen, Vorkenntnisse und Prägungen der Jesuiten in China im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert

Der Orden folgte mit seiner bewussten Hinwendung zum chinesischen Hof und den langjährigen Diensten in verschiedenen Ministerien und als Lehrer der Monarchen nicht nur der bereits genannten Missionsstrategie, sondern auch einer Tradition erfolgreicher Verzahnung geist­lichen und politischen Wirkens, die in Europa aus gegenreformatorischen Bestrebungen entstanden war. Die Jesuiten hatten sich als Beichtväter, Torén. En Ostindisk resa til Suratte, China, &c. fran 1750 april 1, til 1752 jun. 26. Förrättad of Olof Torén. Stockholm 1757. 68 Eckeberg weilte 15 Monate in Kanton und setzte sich zum Ziel, klimatische Bedingungen in Kanton, die Bodenbeschaffenheit und Fruchtbarkeit des umliegenden Landes sowie Maßnahmen zur Erlangung der Fruchtbarkeit in Form von Dünger und Bewässerung, Feldfrüchte und Anbautechniken, Kräuter- und Baumgärten und die Viehzucht zu beschreiben. Er geht dabei auch auf einzelne Pflanzen wie Reis sehr genau ein. Kurzer Bericht von der chinesischen Landwirtschaft von dem Herrn Schiffscapitain Carl Gustav Eckeberg, den die Königl. Akademie der Wissenschaften als nütz­lich beurtheilet und ihn als einen Anhang an Herrn Osbecks Chinesische Reisebeschreibung durch Druck gemein zu machen wünschte. In: Osbeck, Peter: Reise nach Ostindien und China. Aus dem Schwedischen übersetzt von Johann Gottlieb Georgi. Rostock 1765. S. 517 – 552. 69 Olof Toreen betonte, er sei durch die Güte des Herrn Archaters (Carl von Linné) ein wenig mit der Botanik bekannt geworden. Toreen, Olof: Eine ostindische Reise nach Suratte, China nebst einer kurzen Beschreibung von der chinesischen Feldökonomie, und einer Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der engländischen Colonien in dem nörd­lichen Amerika. In: Osbeck, Peter: Reise nach Ostindien und China. Aus dem Schwedischen übersetzt von Johann Gottlieb Georgi. Rostock 1765. S. 433 – 514. Hier S. 494. 70 Osbeck, Reise nach Ostindien und China. Einleitung des Herausgebers.

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aber auch als fürst­liche Erzieher, politische Berater und wissenschaft­liches Personal an den katholischen Höfen etabliert. Dem Orden waren somit zeitgenössische politische Entwicklungen und die Herrschaftspraxis in Europa keineswegs fremd. Die dabei entstandene große Nähe zu den Monarchen und die offensicht­liche Beteiligung der Jesuiten am politischen Tagesgeschehen wurden europaweit kritisch diskutiert und hatten sogar zeitweilig Bedenken im Orden selbst ausgelöst.71 Die seitens der euro­päischen Fürsten jedoch erwünschte enge Beziehung zu zahlreichen Ordensmitgliedern resultierte aus der einzigartigen internationalen bzw. interkontinentalen Vernetzung sowie der breiten sprach­lichen, juristischen, ökonomischen, philosophischen, staats- und politiktheoretischen Bildung der Jesuiten, auch wenn diese nicht immer unbedingt der etablierten Vorstellung der könig­lichen Souveränität entsprach. Dies zeigt sich insbesondere an den vom französischen Hof ausgesandten Mathématiciens du Roi. Ihre enge Beziehung zum König, zum Hof und zu einflussreichen Staatsbeamten Frankreichs überdauerte auch die Aufhebung des Ordens im Jahr 1773 und alles Misstrauen gegen die theoretische Eigenständigkeit. Geprägt durch die Schule von Salamanca, insbesondere durch den spanischen Naturrechtler und Jesuiten Francisco Suárez (1548 – 1617), verfügte der Orden über eine eigene, naturrecht­lich begründete Herrschafts- und Staatsauffassung, die als Reaktion auf die absoluten Tendenzen des englischen Königs Jakob I. sowie als Rechtfertigung der Organisation des spanischen Kolonialreiches entstanden war und immer wieder in jesuitische Beurteilungen chinesischer Herrschaftsauffassung und -ausübung mit einfloss. 72 Dass die in China tätigen Missionare Suárez’ philosophische und naturrecht­liche Schriften kannten bzw. sich sogar mit ihnen auseinandersetzten, beweist die Tatsache, dass beispielsweise François Noël die Werke des spanischen Naturrechtlers in zwei Bänden zusammenfasste und durch Kommentare aus den Werken zweier anderer Jesuiten ergänzte.73 Es handelt sich um Thomas Sanchez’ Disputationes de sancti matrimonii 71 Bereits 1608 hatte der General der Gesellschaft Jesu, Aquaviva, eine Instruktion für Hofbeichtväter verfasst. Darin wurde grundsätz­lich festgelegt, Beichtväter hätten weiterhin in den Häusern der Gesellschaft zu wohnen und der Hof solle nur besucht werden, wenn ein Gespräch erwünscht sei. Jeder Vermittlung von Gunstbezeigungen habe man sich zu enthalten und als Beichtvater auch keine Botendienste zu übernehmen. Weich, Karl: Mannheim – Das neue Jerusalem. Die Jesuiten in Mannheim 1720 – 1773. Mannheim 1997. S. 149. 72 Die naturrecht­liche Begründung der Staatsentstehung sowie die Herrscherauffassung ist von Suárez selbst nicht geschlossen, sondern in mehreren Schriften, wie beispielsweise in seinem Tractatus de legibus ac Deo legislatore (1612) oder Defensio Fidei Catholicae et Apostolicae (1613) dargestellt worden. 73 Suárez, Francisco: Theologiae summa seu compendium. Hg. v. Francisco Nöel: Ejusdem Societatis concinnatum, & in duas Partes divisum. Duobusque Tractatibus adauctum; primò, de Justitia, et Jure; secundò, de Matrimonio. Genf/Köln 1732. Der Hinweis findet sich bei Gries, Joachim: Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez. Edition und Untersuchung seiner römischen Vorlesungen de iustitia et iure (Freiburger theologische Studien, Bd. 72). (Habil.) Freiburg/Br. 1958. Einleitung S. 4. Lühmann, Konfuzius, S. 32. Bei Lühmann findet sich eine falsche bzw. auch missverständ­liche

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sacramento (1602) und Leonardo Lessius’ De iustitia et iure (1605). In Zedlers Universallexikon aus dem Jahr 1740 wird unter dem Eintrag zu Noëls Person vermerkt: Er hat auch aus des Franc[isco]. Suarez Schrifften, so unterm Titel Theologiae Summa in 18 Folianten ans l­ icht getretten, einen kurzen Begriff gemacht und darinnen die 2 wichtigen Materien de iustitia & iure und de matrimonio, welche Suarez übergangen hat, aus dem Leßio und Sanchez durch einen Anhang ersetzet.74 Die kommentierte und ergänzte Ausgabe zu Suárez erschienen wenige Jahre nach dem Tod Noëls im Jahr 1732 in Genf. Noël hatte sich zuvor als Übersetzer der chinesischen Klassiker Sinensis Imperii Libri Classici Sex (1711) in Europa einen Namen gemacht. Insbesondere seine Übersetzung des Menzius fand in Europa große Beachtung, mit der er nach Lühmann um 1700 begonnen haben müsste.75 Suárez hatte als Hauptrepräsentant der philosophie des jésuites in seinem Werk Tractatus de legibus ac Deo legislatore (1612) darauf verwiesen, dass nach dem freien ­Willen Gottes alle Teile des Universums wohl geordnet seien. In der gött­lichen Ordnung erkannte er das Vorbild für den irdischen Staat und sah in der Kirche den mensch­lichen Versuch, die gött­liche Ordnung zu realisieren.76 Das Wesen des Staates sollte deshalb wie die Kirche eine societas perfecta, ein sitt­licher Organismus, sein.77 Den Ursprung der Staatsgewalt führte Suárez auf Gott zurück, der grundsätz­lich die Souveränität allen Menschen übertragen habe. Diese sei jedoch von ihnen in der Regel freiwillig und den Gesetzen der Vernunft folgend durch einen Vertrag (pactum) auf einen Fürsten als Oberhaupt und Vater übertragen worden.78 Zwangsläufig notwendig sei diese Übertragung nicht. Die Gewalt könne auch bei der Gemeinschaft verbleiben.79 Gott

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Darstellung zu Noëls Wirken. Noël hatte nicht die Quaestiones de iustitia et iure von Suárez herausgegeben und kommentiert. Zedler, Johann Heinrich (Hg.): Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste […]. Leipzig 1740. Bd. 24, Sp. 1158f. Bei Lühmann, Konfuzius, S. 32 falsche Spaltenangabe. Lühmann, Konfuzius, S. 44. Biggemann-Schmidt, Wilhelm: Die politische Philosophie der Jesuiten: Bellarmin und Suárez als Beispiel. In: Fidora, Alexander/Fried, Johannes et al. (Hg.): Politischer Aristotelismus und Religion in Mittelalter und Früher Neuzeit (Wissenskultur und gesellschaft­licher Wandel, Bd. 23). Berlin 2007. S. 163 – 180. Hier S. 175. Rommen, Heinrich: Die Staatslehre des Franz Suarez S. J., Mönchen Gladbach 1926. S. 64. Vgl. ebenfalls Schultheis, Fred: Die Staatsgewalt bei Franz Suarez S. J. (Diss.) Heidelberg 1953. S. 11. Ibd. S. 102. Suárez spricht dem Staat einen Persön­lichkeitscharakter in sitt­licher und recht­licher Beziehung zu. Dies resultiert aus der Auffassung des Staates als Organismus, dessen Ursprung ein natür­licher ist. Der Ursprung des Staates ist nach Suárez die Natur des sozialen Lebewesens Mensch. Ibd. S. 105. Soder, Josef: Francisco Suárez und das Völkerrecht. Grundgedanken zu Staat, Recht und internationalen Beziehungen. Frankfurt/M. 1973. S. 130. Soder, Francisco Suárez und das Völkerrecht. S. 96f.

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sei, wenn es dazu käme, als erste und universale Ursache an dieser Übertragung beteiligt.80 Die Macht des Monarchen basierte somit auf consensus maioris partis reipublicae, auf einem Vertrag zwischen Fürst und Volk. Sie durfte nach Suárez nicht willkür­lich, sondern nur zielgerichtet eingesetzt werden. Als Ziel des Staates bestimmten die spanischen Neuscholastiker, darunter auch Suárez, das bonum commune seu felicitatem politicam veram.81 Im Gemeinwohl bestand für ihn die Norm, aus welcher der Staat allein seine Berechtigung zog. Die Sorge, das bonum commune zu erreichen, stellte die erste und wichtigste Aufgabe der Staatsgewalt dar.82 Der Maßstab der Vollkommenheit eines Staates orientierte sich nach Suárez an der felicitas. Er definierte den Begriff der felicitas als ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit mit dem notwendigen Besitz zur Erhaltung und Annehm­lichkeit des Lebens sowie der Ehrenhaftigkeit der Sitten.83 Die Übereinstimmung dieser Komponenten führte zur Vollkommenheit des Staates.84 Ihr Zusammenspiel offenbarte sich an guten, umfassenden und wirkungsvollen Gesetzen, die auf den natür­lichen Gesetzen beruhten.85 Die naturrecht­liche Zielstellung des Staates beruhte darauf, der mensch­lichen Natur die notwendigen Mittel zu ihrer Erhaltung nicht zu entziehen, sondern vielmehr helfend zur Verfügung zu stellen. Die Macht des Fürsten durfte deshalb nach Suárez nicht gegen das Glück der Untertanen gerichtet werden, da die Natur allen Menschen die gleichen Rechte verliehen habe und diese freiwillig nur auf einen großen Teil ihrer Rechte verzichtet und an den Herrscher abgetreten hätten.86 Suárez konstatierte, das Volk und der Monarch seien nach dem still 80 Delgado, Mariano: Die Zustimmung des Volkes in der politischen Theorie von Francisco de ­Vitoria, Bartolomé de las Casas und Francisco Suárez. In: Grunert, Frank/Seelmann, Kurt (Hg.): Neue Studien zur Spanischen Spätscholastik (Frühe Neuzeit, Bd. 68). Tübingen 2001. S. 157 – 182. Hier S. 170ff. 81 Dies bezieht sich auf Suárez’ Schrift Tractatus De legibus et Legislatore. Londini 1679, I, c. 13, n. 7. Vgl. Rommen, Die Staatslehre des Franz Suarez, S. 118. Vgl. auch Schultheis, Die Staatsgewalt bei Franz von Suarez, S. 33. 82 Ibd. S. 119. 83 Hafner, Felix/Loretan, Adrian/Spenlé, Christoph: Naturrecht und Menschenrecht. Der Beitrag der Spanischen Spätscholastik zur Entwicklung der Menschenrechte. In: Grunert, Frank/Seelmann, Kurt (Hg.): Neue Studien zur Spanischen Spätscholastik (Frühe Neuzeit, Bd. 68). Tübingen 2001. S.123 – 153. Hier S. 137. Zum natür­lichen Sittengesetz vgl. Kremer, Markus: Den Frieden verantworten. Politische Ethik bei Francisco Suárez (1548 – 1617) (Theologie und Frieden, Bd. 35). (Diss.) Stuttgart 2008. S. 87ff. Rommen, Die Staatslehre des Franz Suarez, S. 124. 84 Der Staat war für Suárez ein Gebilde, das er als corpus oder als communitas bezeichnete. Soder, Francisco Suárez und das Völkerrecht. S. 129f. 85 Valdés, Ernesto Garzón: Die Wörter des Gesetzes und ihre Auslegung. Einige Thesen von F ­ rancisco Suárez. In: Grunert, Frank/Seelmann, Kurt (Hg.): Neue Studien zur Spanischen Spätscholastik (Frühe Neuzeit, Bd. 68). Tübingen 2001. S. 109 – 122. Hier S. 119. Zu Francisco de Vitorias Verständnis von Naturrecht und mensch­lichen Gesetzen vgl. Brett, Annabel S.: Liberty, Right and Nature. Individual Rights in Later Scholastic Thought (Ideas in context, Bd. 44). Cambridge 1997. 86 Rommen, Die Staatslehre des Franz Suarez, S. 326. Delgado, Die Zustimmung des Volkes in der politischen Theorie von Francisco de Vitoria, Bartolomé de las Casas und Francisco Suárez, S. 161ff.

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schweigenden Vertrag an die natür­liche Rechtsordnung gebunden.87 Gott war für Suárez zugleich der grundlegende Gesetzgeber, an dem sich jeder welt­liche Herrscher zu orientieren hatte.88 Die Gemeinschaft besaß jedoch auch die Vollmacht, die dem Herrscher übertragene Gewalt einzuschränken oder umzugestalten. Dies bedeutete Kontrolle der Herrschergewalt und bei Missbrauch auch deren Entzug. Suárez und die naturrecht­ liche philosophie des jésuites standen somit konträr zur Auffassung der potestas legibus soluta der französischen Krone und Jean Bodins unmittelbarem Gottes­gnadentum.89 Diese naturrecht­lich begründeten Vorstellungen von Herrschaft prägten und lenkten nicht nur den Blick der Jesuiten am chinesischen Hof, sie entdeckten sogar Parallelen: In der Deutung der Jesuiten folgten die Chinesen gemäß der konfuzianischen Lehre der Stimme der Natur und der Vernunft, die wiederum als Stimme Gottes erkannt wurde. Die Ausübung der Herrschaft basierte nach ihrer Einschätzung auf diesen Grundsätzen und war der Tugend und dem Gemeinwohl verpf­lichtet. Die Verpf­lichtung des chinesischen Kaisers beruhte auf seiner kaiser­lichen Funktion gegenüber der Natur und seinem Willen, diese auszufüllen. Auch Suárez diskutierte im zweiten Buch seines Werkes De legibus, ob das Naturgesetz nur eine sitt­liche Orientierung oder die Verpf­lichtung zum Handeln darstelle. Er kam zum Ergebnis, dass die Beachtung der Naturgesetze eine Verpf­lichtung des Gewissens sei, die jedoch vom Verpf­lichtungswillen eines Individuums abhinge. Das Naturgesetz verpf­lichtete dazu, es in der Art einer Tugend zu vollziehen: dico tertio naturalem legem etiam obligare ad modum virtutis. Ut intelligatur assertio explicandum est, quid intelligamus per modum virtutis. Sub illo enim comprehendimus quidquid necessarium est, ut actus sit honestus et simpliciter bene moraliter, ad quod necesse est, ut sit non solum de bono obiecto quasi materiali, sed etiam formali, id est, propter honestum motivum.90 Das eindrucksvollste Beispiel der Verschmelzung ihres spätscholastischen mit dem wahrgenommenen chinesischen Herrschaftsideal findet sich in Bouvets Portrait ­Historique de l’Empereur de la Chine aus dem Jahr 1697, das er Ludwig XIV. widmete. Die genaue Kenntnis der Herrschafts- und Machtstrukturen in China besaß für das Missionsvorhaben der Jesuiten eine große Bedeutung.91 Bei der intensiven Auseinandersetzung mit den Machtstrukturen übertrugen sie eigene und gängige zeitgenössische

87 Dempf, Alois: Christ­liche Staatsphilosophie in Spanien. Die Staatslehre des Suarez. Salzburg 1937. S. 82. 88 Brieskorn, Norbert: Lex Aeterna. Zu Francisco Suárez’ Tractatus de legibus ac Deo Legislatore. In: Grunert, Frank/Seelmann, Kurt (Hg.): Neue Studien zur Spanischen Spätscholastik (Frühe Neuzeit, Bd. 68). Tübingen 2001. S. 49 – 74. Hier S. 69. 89 Biggemann-Schmidt, Die politische Philosophie der Jesuiten. S. 177. 90 Suárez, Francisco: Tractatus de legibus ac Deo legislatore. Londini 1679, II, 10,11. Zu Tugend und Naturrecht bei Suárez vgl. Kremer, Den Frieden verantworten, S. 200 – 203. 91 Dawson betont, dass das Lob des chinesischen Kaisers den Jesuiten von großer Bedeutung für den Erfolg ihres missionarischen Ziels gewesen sei. Dawson, The Chinese Chameleon, S. 47f.

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europäische Deutungsmuster, Stereotypen und Erfahrungen hinsicht­lich der Herrschaftsauffassung und -ausübung auf das fremde China, die natür­lich auch zu einseitigen Wahrnehmungen oder zur Fehlinterpretation von Sachverhalten führten. Gleichzeitig hatten sie insbesondere die zeitgenössische kaiser­liche Publizistik sowie die Klassiker genau studiert. Sie übernahmen deshalb sehr stark die vom Kaiserhof vermittelten und in der chinesischen Gesellschaft etablierten idealen Selbstbildnisse des Herrschers und der Verwaltung und schauten weniger auf ihre reale, alltäg­liche Funktionstüchtigkeit. So prägt das ideale Selbstverständnis der gelehrten Mandarine ihre Berichte wesent­lich, das sie nicht immer genügend hinterfragten oder überprüften.92 Die Jesuiten vermittelten in ihren Berichten nach Europa ein China-Bild 93 bzw. das Konstrukt eines China-Bildes, das, wie nachfolgend gezeigt werden soll, stark auf Analogien zu ihren theologischen, philosophischen und theoretisch-politischen Vorkenntnissen und Prägungen ausgerichtet war. Die Rolle von Analogien sollte auch die spätere Rezeption des vermittelten Wissens nicht unwesent­lich prägen. Es handelte sich bei dem von den Jesuiten nach Europa übermittelten Bild chinesischer Herrschaftsausübung um ein sehr breit recherchiertes, gründ­lich untersuchtes, dennoch hinsicht­lich ihrer eigenen Interessen und denen ihrer Auftraggeber selektives und dadurch in einigen Teilen verzerrtes, aber nicht um ein grundsätz­lich falsches naturrecht­lich begründetes patriarchalisches Herrscherbild. Die Missionare interpretierten China als ein zentralistisches Staatsgebilde, das auf einer natür­lichen harmonischen Ordnung von Gesetzen und familiären Strukturen, ausgeprägten Institutionen sowie einer natür­lichen Religion und Morallehre – dem Konfuzianismus – basierte.94 Wesent­liches Merkmal des chinesischen Staates war in ihren Augen die enge Verzahnung von Politik und Moral. Die Jesuiten waren somit wie andere Reisende auch vor allem Interpreten der fremden Realität. Allerdings galt für sie im Hinblick auf die Staats- und Herrschaftsstruktur Chinas nicht die von Christian Stücken herausgestellte pauschale Interpretation

92 Ibd. S. 42f. 93 Osterhammel geht davon aus, dass die Jesuiten das China-Bild des gesamten 18. Jahrhunderts prägten. Osterhammel, China und die Weltgesellschaft, S. 21. Ders.: Distanzerfahrung. Darstellungsweisen des Fremden im 18. Jahrhundert. In: König, Hans-Joachim (Hg.): Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirk­lichkeitswahrnehmung (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 7). 1989. S. 9 – 42. Hier S. 40f. Zur Filterung der Wahrnehmungen von Reisenden bzw. zur Entstehung von „Bildern“ vgl. auch Strugnell, Anthony: Mixed Messages. Orientalism and Empire in the Early British Histories of India and their Reception in France. In: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.): Das Europa der Aufklärung und die außereuropäische Welt (Das achtzehnte Jahrhundert, Supplemata 11). Göttingen 2006. S. 287 – 301. Hier S. 290. Demel, Als Fremde in China, S. 4ff. 94 Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 44ff und S. 57ff. Hsü, Leonard Shilien: The Political Philosophy of Confucianism: An Interpretation of the Social and Political Ideas of Confucius, His Forerunners, and His Early Disciples. London ²1975. S. 29ff.

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über reine Äußer­lichkeiten.95 Dafür waren sie zu stark in die politischen und höfischen Abläufe durch ihre Funktionen in Peking involviert. Zugleich waren es gerade die Jesuiten, die mit ihrer Akkomodationsmethode eine ungewöhn­liche Anpassungsfähigkeit bewiesen und in ihrem Erkenntnisstreben oftmals auch gewohnte Wege im Sinne Bacons Instauratio magna verlassen hatten. Nicht umsonst griff Joseph Stöckleins Frontispiz des Welt=Bott auf die Darstellungen eines Leuchtturms und eines Schiffs unter jesuitischer Flagge zurück, das beladen zu fremden Ufern fährt, im Licht des Leuchtturms dabei aber vorsichtig die Klippen der Unwissenheit und die Untiefen der Oberfläch­ lichkeit umschifft. In den Symbolen dieses Frontispiz’ eröffnete sich die ideale Richtlinie oder Programmatik jesuitischen Erkenntnisstrebens und jesuitischer Berichterstattung, jedoch kein Garant für die Umsetzung.96 Die Jesuiten konnten durchaus auch im wirtschaft­lichen Bereich als kompetente Beobachter gelten. Gerade die spanischen Spätscholastiker hatten sich im Kontext ihrer Vorstellungen zum Naturrecht und zum Gemeinwohl sowie angesichts der wachsenden Edelmetallimporte aus der Neuen Welt nach Spanien und Portugal zunehmend mit wirtschaftstheologischen und wirtschaftsethischen Fragen beschäftigt. In ihrem und dem Kreis ihrer Schüler 97 entstanden Theorien zur Inflation, zu moralischen Gesichtspunkten des Tauschhandels, zum positiven Effekt und der ertragsteigernden Wirkung des Privateigentums sowie zur subjektiven Wertlehre.98 Viele dieser ökonomischen Theorien wurden der spanischen Krone in zahlreichen Denkschriften, Empfehlungen oder Pamphleten durch die so genannten Arbitristas nahegebracht.99 Den Jesuiten 95 Stücken, Christian: Der Mandarin des Himmels. Zeit und Leben des Chinamissionars Ignaz Kögler SJ (1680 – 1746). Sankt Augustin 2003. S. 19 und S. 22. 96 Auffällig ist die Nähe zum so genannten Staatsschiff des Bonum Princeps. Der Fürst als Steuermann lenkt das Schiff mit großer Vorsicht um die Klippen. Ihm leuchtet das Auge Gottes aus den Wolken. Zum Frontispiz vgl. Dürr, Der „Neue Welt=Bott“ als Markt der Informationen, S. 448f. Dies./ Engel, Gisela/Süßmann, Johannes: Einführung. In: Dies. (Hg.): Expansionen der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft, Bd. 34). Berlin 2005. S. 7 – 25. Hier S. 8 – 12. 97 Francisco Suárez’ Schüler Leonardus Lessius beschäftigte sich beispielsweise mit moraltheologischen Fragen des Bankwesens in Antwerpen. Vgl. Gordon, Barry T.: Economic Analysis Before Adam Smith: Hesiod to Lessius. London 1975. S. 111ff. 98 Luis de Molina war der Auffassung, dass Eigentümer stärker um ihre Güter Sorge trügen als Pächter. Chafuen, Alejandro A.: Faith and Liberty: The Economic Thought of the Late Scholastics. Lanham 2003. S. 22ff. Widow, Juan Antonio: The Economic Teachings of Spanish Scholastics. White, Kevin (Hg.): Hispanic Philosophy in the Age of Discovery (Studies in Philosophy and the History of Philosophy, Bd. 29). Washington D. C. 1997. S. 130 – 145. Hier S. 136ff. De Roover, Raymond: Scholastic Economies. Survival and Lasting Influence from the Sixteenth Century to Adam Smith. In: The Quarterly Journal of Economies 69/2 (1955). S. 161 – 190. Hier S. 167 – 171. Nojiri, ­Taketoshi: Die Theorie der allgemeinen Wirtschaftspolitik und das Naturrecht. In: Höffner, Joseph/Verdros, Alfred/Francesco, Vito (Hg.): Naturordnung in Gesellschaft und Wirtschaft. Innsbruck/Wien 1961. S. 545 – 555. 99 Baeck, Louis: Spanish Economic Thought: The School of Salamanca and the Arbitristas. In: History of Political Economy. 20 (1988). S. 381 – 408.

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war damit eine – wenngleich schon zeitgenössisch umstrittene und wenig erfolgreiche – Methode der Herrschaftskritik und gezielten Erinnerung oder Belehrung des Herrschers im Bereich der Wirtschaft bekannt. Speziell im Kontext der Missionen in Südamerika wuchs ihr Interesse an der Landwirtschaft. Zahlreiche Ordensbrüder publizierten landwirtschaft­liche Traktate, die durch die starke interne Vernetzung unter den Ordensbrüdern bekannt wurden, oder kommunizierten brief­l ich über ihre ackerbau­lichen Erfolge nach Europa.100 Die Societas Jesu verkörperte nach Hubert Becher „eine einzigartige Verbindung des Geist­lichen mit dem Wirtschaft­lichen“ in Theorie und Praxis.101 Dieser breite wirtschaft­liche Interessens- und Wissenshintergrund des Ordens prägte durchaus auch die Beobachtungen der Jesuiten in China, wenngleich Landwirtschaft oder Wirtschaft hier nicht als Missionsstrategie wie in Südamerika in Frage kamen.102 Aufgrund der äußerst eingeschränkten Missionserlaubnis im Land und der ständigen neuen Verfolgungen unter dem Yongzheng-­Kaiser und dem Qianlong-­Kaiser im 18. Jahrhundert schien diese Methode ungeeignet. Denn weder gelang es den Jesuiten, Land zu erwerben, noch konnten sie mit der Landwirtschaft den einheimischen Bauern wirk­lich neue Fähigkeiten und Kenntnise als Anreiz für den neuen Glauben vermitteln. Grundsätz­lich handelte es sich bei der Landwirtschaft auch nicht um eine von den Kaisern akzeptierte Form der Akkomodation.103

100 Aymoré, Fernando Amado: Die Jesuiten im kolonialen Brasilien. Katechese als Kulturpolitik und Gesellschaftsphänomen 1549 – 1760. (Diss.) Hamburg 2007. S. 106ff. Hartmann, Peter Claus: Der Jesuitenstaat in Südamerika 1609 – 1768. Eine christ­liche Alternative zu Kolonialismus und Marxismus, Weißenhorn 1994. Einleitung. Reinhard, Wolfgang: Gelenkter Kulturwandel im 17. Jahrhundert. Akkulturation in den Jesuitenmissionen als universalhistorisches Problem. In: Historische Zeitschrift 223 (1976). S. 535 – 575. 101 Becher, Hubert: Die Jesuiten. Gestalt und Geschichte des Ordens. München 1951. S. 290. 102 Die Vermittlung und gemeinsame Praxis von Landwirtschaft als Nahrungserwerb nutzten die Jesuiten beispielsweise als Akkomodationsmethode in Südamerika bei den Guarani. Um sie vor der Gewalt und Ausrottung durch die Kolonialmächte zu schützen, gründeten sie die so genannten Reduktionen. Gemeinsam mit den Ureinwohnern bildeten die Jesuiten eine Glaubens-, dörf­liche Lebens- und Produktionsgemeinde. Der Ackerbau sowie das fried­liche Miteinander mit den Indios, denen neben dem Glauben auch neue Kenntnisse im Nahrungserwerb vermittelt wurden, konnte als erfolgreiche Missions- und Schutzstrategie zur Rettung der Ureinwohner gelten. Aymoré, Die Jesuiten im kolonialen Brasilien, S. 101ff. 103 Im Gegensatz zur Astronomie und Mathematik unter dem Kangxi-­Kaiser.

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3.3 Aspekte der chinesischen Landwirtschaft in der Berichterstattung 3.3.1 Chinesische Landwirtschaftsbücher in europäischen Bibliotheken

Die unter den letzten Ming- und Qing-­Kaisern herausgegebenen Werke zur Landwirtschaft erregten das Interesse der am chinesischen Hof wirkenden Jesuiten. Sie erwarben die Schriften und integrierten sie in die Büchersendungen an die Bibliothèque du Roi Ludwigs XIV . und Ludwigs XV .104 Pater Philippe Couplet sandte beispielsweise das noch unter den Ming 1643 publizierte Nongzheng Quanshu (Traité complet d’Agriculture) im Jahr 1687 nach Frankreich.105 Verfasst hatte es Xu Guangqi während seiner Amtszeit als Vizepräsident bzw. Präsident im Ministerium der Riten. Mit diesem Werk gelangte ein Buch in die könig­liche Hofbibliothek, das von einem zum Christentum konvertierten ranghohen Beamten des Hofes und zugleich einem exzellenten Kenner und Wächter der Ackerbauriten geschrieben worden war. Xu Guangqi war über Jahre der Schüler des Missionars Matteo Ricci gewesen und hatte bei der Taufe den Namen Paulus erhalten. Er galt als Gönner der Missionare.106 Einige wenige Übersetzungen von einzelnen Abhandlungen aus diesem Werk wurden noch von den in China tätigen Missionaren angefertigt. So erlangte die Übersetzung zur Zucht von Maulbeerbäumen von François-Xavier d’Entrecolles einen gewissen Bekanntheitsgrad. Sie wurde in Du Haldes Description de la Chine publiziert.107 Teilübersetzungen aus dem Werk, 104 Die Bibliothek der französischen Könige beherbergte schon im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert neben der Vaticana in Rom eine der umfassendsten sinologischen Sammlungen. Cohen, Monique: A Point of History: The Chinese Books Presented to the National Library in Paris by Joachim Bouvet in 1697. In: Chinese Culture 31,4 (1990). S. 39 – 48. Hier S. 39. 105 Es befindet sich unter der Signatur Chinois 5369 – 5371 in der Bibliothèque nationale de France in Paris. 106 Das Buch ist 1722 und 1739 im Katalog erwähnt: Liste des livres chinois apportez sur le vaisseau nommé le Prince de Conty, dans onze caisse, et au Père Fouquet, jésuites, 1722. Signatur: Bibliothèque nationale de France. Département des manuscrits. NAF 8977. Fol 249 – 265. Fourmont, Étienne: Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae regiae. Bd. 1: Codices manuscriptes orientales. Parisiis 1739, S. 376. Vgl. dazu Abel-Rémusat: Réflexions sur la rédaction du Catalogue des livres chinois de la Bibliothèque du Roi, avec des notices sur quelques-uns des principaux articles de ce Catalogue, in: Annales Encyclopédiques 1817,6, S. 30 – 58, 193 – 220. Abel-Rémusat: Sur les livres chinois de la bibliothèque du roi. In: Ders.: Mélanges asiatiques. Bd. 2. Paris 1826. S. 372 – 426. Dew, Nicholas: Orientalism in Louis XIV’s France. Oxford 2009. S. 223. Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 302. Jami, Catherine: From Louis XIV’s Court to Kangxi’s Court: An Institutional Analysis of the French Mission to China (1662 – 1722). In: Hashimoto Keizo/Jami, C ­ atherine/ Skar, Lowell (Hg.): East Asian Science: Tradition and Beyond. Kansai 1995. S. 489 – 499. Zu Xu Guangqi vgl. Dai, David: Matteo Ricci and Hsu Kuang-chi. In: International Symposium on Chinese-­Western Cultural Interchange in Commemoration of the 400th Anniversary of the Arrival of Matteo Ricci, S. J. in China. Taibei 1983. S. 181 – 196. 107 D’Entrecolles, François-Xavier SJ: Extrait […] sur la maniere d’elever et de nourrir le vers à soie. In: Du Halde, Jean-Baptiste: Description de la Chine. Bd. 2. Paris 1735. S. 250 – 267.

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die in Frankreich im Umfeld der könig­lichen Bibliothek entstanden sein könnten, sind nicht bekannt. Couplets Sendung bestand darüber hinaus auch aus der 1637 erschienenen Enzyklopädie Tiangong kaiwu (Himmel, Arbeit und Eröffnung der Dinge) des Song Yingxing (1587 – 1666). Sie wurde unter dem Titel Créations de l’Homme et de la Nature im Katalog der könig­lichen Bibliothek aufgenommen.108 Die Sammlung bot nicht nur im Text, sondern auch anhand von Holzschnitten einen eindrucksvollen Überblick zum praktischen Leben und zu technischen Errungenschaften im zeitgenössischen China. Geräte und ihre Funktionsweisen sowie Arbeitsgänge und Herstellungsprozesse einer breiten Auswahl von Produkten wurden ausführ­lich beschrieben und historisch eingeordnet. So eröffnet Song Yingxin sein Kompendium mit einem Artikel zum Ackerbau unter Rückgriff auf die uralte Bedeutung des Landbaus für die chinesische Gesellschaft.109 Wenn auch der Text in Versailles wegen mangelnder Sprachkompetenz vorläufig unbekannt blieb, die Bilder zur Landwirtschaft, zum Handwerk und zu technischen Geräten faszinierten den Hof. Mit ihnen offenbarte sich ein großes Stück alltäg­liches Leben in China und der Blick auf die Arbeit der Menschen in diesem fernen Land. Der in den Reiseberichten immer wieder betonte Fleiß des Chinesen, ihre Fertigkeiten und Geschick­lichkeit erhielten mit diesem Werk einen scheinbar visualisierten Beweis. Zudem ließ dieses Buch auch über seine Bilder erahnen, welche Bedeutung der körper­lichen Arbeit im kaiser­lichen Reich der Qing zukam, und dass die Kaiser nicht zuletzt mit der Herausgabe des Werks den Wert dieser Tätigkeiten unterstrichen. Es offenbarte jedoch auch einige Bereiche, in denen China einen höheren technischen Standard als Frankreich und das rest­liche Europa eingenommen hatte. Die Bilder animierten im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts die im Rahmen der Chinoiserie in Mode kommenden Genre-­ Darstellungen zum alltäg­lichen Leben.

108 Desroches, Jean-Paul (Hg.): La Cité interdite au Louvre. Empereurs de Chine et Rois de France. Paris 2011. S. 88f. 109 Song eröffnete, dass […] while the existence of the Divine Agriculturalist of antiquity is an uncertain matter, the truth denoted by the two words of his name has existed down to the present day. Man cannot live long without the sustenance of the five grains; yet the five grains cannot grow of themselves; they must depend on man to cultivate them. The nature of the soil changes with time, and the species and properties [of the plants] differ according to the geographic environment. But why was it that the classification and explanation of the numerous varieties of grain had to await the coming of Houzhi, even though a thousand years had elapsed between the time of the Divine Agriculturalist and the Emperor Taotang, during which interval grain was used as food and the benefits of cultivation had been taught throughout the country? It was because the rich men regarded the [farmer’s] straw hat and cape as convicts garb, and in aristocratic households the word “peasant” had come to be used as a curse. Many a man would know the taste of his breakfast and supper, but was ignorant of their sources. That the First Agriculturalist should have been called “Divine” is certainly not the mere outcome of human contrivances. Song, Yingxing: T’ien-Kung K’ai-Wu: Chinese Technology in the Seventeenth Century. Übersetzt und hg. v. E-Tu Zen Sun und Shiou-Chuan Sun. Pennsylvania 1966. S. 3.

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Am 27. Mai 1697 überbrachte der Jesuit Joachim Bouvet König Ludwig XIV. 42 Bände zu unterschied­lichen Themenbereichen. Es ist in der Forschung inzwischen nachgewiesen, dass Bouvet diese Bücher kurz vor seiner Abfahrt in Kanton erworben hatte und nicht, wie lange angenommen, 22 davon ein Geschenk des Kangxi-­Kaisers darstellten. Darunter befand sich unter anderem das Shengyu, das so genannte Heilige Edikt des Kangxi-­Kaisers, jedoch nicht in einer kaiser­lichen Prachtausgabe, sondern in einer einfachen Edition mit dem zusätz­lichen Vorwort des Gouverneurs der Provinz Jiangsu.110 Erste Inhalte des fremden Studienmaterials wurden durch den Chinesen Arcade Hoang übersetzt und in Vorträgen des Leiters der König­lichen Akademien Abbé Jean Paul Bignon einer begrenzten Öffent­lichkeit zugäng­lich gemacht. Deut­lich öfter halfen den Nutzern der Bibliothek jedoch wie im Falle des Shengyu die Übersetzungen oder Teilübersetzungen der Jesuiten in China von den in die könig­liche Sammlung inte­grierten originalen chinesischen Büchern. Das vorliegende Buch konnte dann höchstens ein haptisches Erlebnis zur Lektüre der Übersetzungen in den Lettres édifiantes oder der Description de la Chine bieten. Drei Jahre später traf eine weitere Lieferung des Jesuiten Jean de Fontaney ein, und 1722 gelangten noch einmal 4000 Werke aus dem Reich der Mitte nach Frankreich. Darunter befand sich auch das Gengzhi tu. Ein weiteres Exemplar stammte aus dem Besitz des 1793 verstorbenen Paters Jean Joseph Marie Amiot, das nach seinem Tod gemeinsam mit anderen persön­lichen Gegenständen und Schriften von Peking nach Frankreich kam.111 Amiot hatte lange zuvor Minister Bertin schon einmal brief­lich darüber informiert, dass dieses Werk sowohl vom Kangxi-­Kaiser als auch vom Qianlong-­Kaiser durch eigene Gedichte ergänzt bzw. damit geehrt und neu herausgegeben worden war.112 Insbesondere die bebilderten Werke wie das Gengzhi tu wurden sehr schnell an Maler, Kupferstecher und Porzellanbossierer entliehen, welche die Natur-, Landschafts- und Alltagsszenen studierten und in ihre Werke einfließen ließen.113 Dies galt ganz besonders auch für die chinoise Tapetenherstellung in Europa oder die bevorzugten Bestellungen von originalen Reispapiertapeten mit landwirtschaft­lichen oder technischen Motiven in China. Ganze Bildfolgen des Tiangong kaiwu und des Gengzhi tu wurden entweder als exakte Vorlagen oder zumindest als Inspiration für die Herstellung der Wandbespannungen in Europa und in China genutzt.114 110 Cohen, A Point of History, S. 43f. Zu den einzelnen Titeln der Bücher von Bouvet vgl. Bacon, Roseline/Séguy, Marie Rose: Collections de Louis XIV, dessins, albums, manuscrits. Paris 1977. S. 201f, S. 226 – 229. 111 Franke, Kêng Tschi T’u, S. 81, FN 3. Zu Büchern, die aus Amiots Nachlass nach Frankreich gelangten, vgl. Hermans, Michel: Biographie de Joseph-Marie Amiot. In: Standaert, Nicolas/Lenoir, Yves: Les Danses rituelles chinoises d’après Joseph-Marie Amiot (Histoire, art et archéologie, Bd. 6). Brüssel/ Namur 2005. S. 11 – 77. Hier S. 68ff. 112 Ming/Huard, Les enquêtes françaises sur la science et la technologie chinoises, S. 178 – 180. 113 Sullivan, Michael: The Meeting of Eastern and Western Art. Berkeley ²1998. S. 99 – 108. 114 Zu Bildfolgen aus dem Gengzhi tu und dem Tiangong kaiwu auf Tapeten und Porzellanen in habsburgischen und französischen Schlössern vgl. Berger, Günther/Watabe, Takeshi/Métailié,

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Insbesondere in die europäische chinoise Tapetenherstellung flossen Motive aus dem Tiangong kaiwu und dem Gengzhi tu ein. Gleichermaßen bevorzugt wurden auch originale Tapeten mit entsprechenden Motiven in China bestellt. Die Papiertapeten widmeten sich in der Regel grob Themengebieten wie der Arbeit. Darunter wurden dann Darstellungen von einzelnen Arbeitsschritten zur Porzellan- oder Lackherstellung, aber speziell auch die jahreszyklischen Feldarbeiten von der Aussaat bis zur Ernte von Reis oder Tee subsumiert. Tapeten mit Landwirtschaftsmotiven stellten jedoch nicht nur äußerst detailgetreu die notwendigen technischen Geräte oder Arbeitsschritte zum Anbau eines Produkts dar. Es gelang ihnen auch, die chinesische Idealisierung der Landwirtschaft und des Landlebens durch idyllische Landschaften, den zufriedenen Ausdruck der Protagonisten oder die Abbildung harmloser Freizeitgestaltung der Bauern in ihre Kompositionen aufzunehmen und damit an die Europäer zu vermitteln.115 Die Tapeten wiesen oftmals ganz exakte Kopien der Bildfolgen aus beiden Werken auf, manchmal miteinander vermischt, zuweilen aber auch recht frei umgesetzt. Es waren also einige der bedeutendsten Landwirtschaftsbücher bzw. mit dem ­Shengyu ein kaiser­liches Edikt, das die Bedeutung der Landwirtschaft und der körper­lichen Arbeit ebenso hervorhob wie das Tiangong kaiwu, im Original in der könig­lichen Bibliothek vorhanden.116 Dennoch blieb die Ausstrahlung der originalen Werke zur Landwirtschaft in Frankreich und im übrigen Europa im 17. und 18. Jahrhundert aufgrund der Sprachbarriere und der selektiven frühen Übersetzungen zunächst gering. Eine Ausnahme bildeten ledig­lich die Werke, die durch einen Bildteil verständ­licher waren und somit in anderen Kunstformen viel stärker rezipiert und verbreitet werden konnten. Einen deut­lich größeren Einfluss als die Sammlung chinesischer Bücher und Schriften übten deshalb Reiseberichte und Übersetzungen aus, die aus China nach Frankreich gelangten.

Georges: Une chinoiserie insolite: étude d’un papier peint chinois. In: Arts asiatiques 51 (1996). S. 96 – 116. Hier S. 102ff. Bastien, Vincent: Les collections porceleines de Chine et de la famille royale sous Louis XV. et Louis XVI. In: Rochebrunie, Marie-Laure de: La Chine à Versailles 2014. Bisher nicht beachtet ist das Beispiel der Chinatapete im englischen Harewood House aus den 1760er Jahren. Zahlreiche Details stimmen mit dem Gengzhi tu überein. Ohne den Bezug, jedoch zur Restaurierung vgl. Gallimore, Melissa: The Chinese Wallpaper. Harewood House. Harewood 2008. 115 Vgl. grundsätz­lich Wappenschmidt. Friederike: Chinesische Tapeten für Europa. Vom Rollbild zur Bildtapete. Berlin 1990. Gao, Guang Shi: Chinesisches Tapetenbüchlein (Das kleine Buch, Bd. 105). Gütersloh 1957. Der Einfluss landwirtschaft­licher Szenen aus China auf die Tapetengestaltung ist jedoch noch unzureichend erforscht. 1 16 Cohen, A Point of History, S. 39. Dew, Orientalism in Louis XIV’s France, S. 224.

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3.3.2 Das Verhältnis von Herrschaft und Landwirtschaft in den Reiseberichten und Kompendien

a. Gesellschaftsstruktur und Herrschaftssystem Vollkommen fasziniert waren die Jesuiten von der Erkenntnis einer wahrschein­lichen Analogie des biblischen und antiken Gebotes der piété filiale als wichtigste moralische Kategorie und seiner wesent­lichen Rolle im Konfuzianismus. Die älteren Missionare gingen zunächst davon aus, dass Konfuzius das biblische Familienverständnis kannte oder die Vorstellung davon unmittelbar von Gott erfahren haben müsse: pour ne pas dire à Dieu même qui est le Père de tous les hommes.117 Sehr schnell sahen sie, dass das Prinzip der piété filiale das grundlegende theoretische und ethische Kriterium zur Funktion und zum Verständnis des chinesischen Staates und der Gesellschaft darstellte. Die Chinesen hatten aus der Ordnung des Hauses den Menschen als soziales Wesen sowie die Struktur und Funktion der Gesellschaft gedacht und entwickelt. Aufgrund der eigenen gründ­lichen und begeisterten Auseinandersetzung mit Cicero galt den Jesuiten in ihrer 1586 erlassenen und in den Jahren 1591 bzw. 1599 modifizierten Studienordnung, der so genannten Ratio studiorum, die pietas oder honor gegenüber den Eltern als funda­ mentum omnium virtutum. Die religiöse Pf­licht wirkte gewissensbildend.118 Für den Spätscholastiker Suárez standen die Verehrung der Eltern und die Pf­licht gegenüber dem Vaterland als tugendhafte Verhaltensweisen, die aus dem ius naturale resultierten, auf gleicher Ebene: honor ad parentes, pietas in patriam.119 Das chinesische Konzept des xiao übte deshalb eine besondere Anziehungskraft auf die Jesuiten aus, dessen Entschlüsselung sie sich mit großer Hingabe verschrieben. Der Jesuit François Noël bot den europäischen Lesern in seiner Übersetzung von chinesischen Klassikern Sinensis imperii libri classici sex aus dem Jahr 1711 grundlegende Informationen zur Wechselbeziehung von Familie und Gesellschaft in China. 117 Foucher, Simon: Lettre sur la morale de Confucius, philosophe de la Chine. Amsterdam o. J. S. 2. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 61. 118 Atteberry, John/Russell, John (Hg.): Ratio Studiorum: Jesuit Education, 1540 – 1773. Chestnut Hill, Mass. 1999. O’Malley, John W.: How the First Jesuits Became Involved in Education. In: Duminuco, Vincent J. (Hg.): The Jesuit Ratio Studiorum: 400th Anniversary Perspectives. New York 2000. S. 56 – 74. Hier S. 68ff. Zur Rolle Ciceros in der Ratio Studiorum vgl. Maryks, Robert Aleksander: Saint Cicero and the Jesuits. The Influence of Liberal Arts on the Adoption of Moral Probabilism (BIHSI, Bd. 64). Aldershot 2008. Insbes. S. 84 – 97. Die Eltern, die nicht nur zu lieben und zu ehren waren, galten den Jesuiten auch als die besten Erzieher von Kindern. Dies spiegelte sich in Ciceros 54 v. Chr. entstandenen Werk Partitiones oratoriae, das einen fiktiven, belehrenden Dialog zwischen Vater und Sohn bot. Ibd. S. 88. Die Rolle der Elternliebe nahm auch in seinem Werk De officiis eine bedeutende Rolle ein. Beide Werke waren Bestandteil des Ausbildungskanons der Jesuiten. Ibd. S. 90ff. 119 Feil, Ernst: Religio. Die Geschichte eines neuzeit­lichen Grundbegriffs zwischen Reformation und Rationalismus. (1540 – 1620). Göttingen 1997. Bd. 2 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 70). S. 147.

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Da die Gesellschaft Chinas auf der Ordnung der Natur beruhe und die Familie als bedeutende Einrichtung der Natur zu bewerten sei, müsse aus ihr die Gesellschaft entstanden sein, ebenso wie der gesellschaft­liche Umgang auf der ethischen Kategorie der Elternliebe basiere. Die kind­liche Pietät galt für ihn somit als Wurzel aller Tugenden. Die Beziehung zwischen dem Herrscher und den Untertanen sei deshalb wie bei einer großen Familie. Die Menschen sollten sich am Kaiser als Vater des Volkes orientieren und ihn kind­lich wie ihren Vater ehren und achten, während er sich fürsorg­lich und gerecht gegen seine Landeskinder zu zeigen hatte. In diesem wechselseitigen Umgang wurzelte für ihn der gesellschaft­liche und staat­liche Erfolg Chinas.120 Noël hatte in seiner Übersetzung dezidiert nichts von der väter­lichen Liebe der chinesischen Kaiser als Handlungsmotivation geschrieben. Dennoch gelangte ein solches Verständnis der Übersetzung Noëls als Fehldeutung in die Wahrnehmung europäischer Gelehrter wie beispielsweise bei Christian Wolff.121 Louis le Comte identifizierte den chinesischen Staat (état) als eine Allianz von Subjekten, die als große Familie zusammenlebten. Der Kaiser hatte die Regierung über seine Untertanen väter­lich zu führen: Premièrement les anciens legislateurs ont établi dès le commencement de la monarchie, comme un premier principe du bon gouvernement, que ceux qui regnoient, estoient proprement les pères du peuple, et non pas des maistres établis sur le trône pour estre servis par esclaves. C’est pour cela que de tout temps on appelle l’empereur, le grand-père (Ta-fou), et parmi les titres d’honneur, il n’en reçit aucun plus volontiers que celuy-là. Leurs docteurs et leurs philosophes repetent continuellement dans leurs livres, que l’état est une famille, et que celuy qui sçait gouverner sa famille particulière, est capable de gouverner l’état.122 Le Comte eröffnete damit auch eine Sicht auf die chinesische Herrschaft, die insbesondere den jesuitischen Vorstellungen von der Verpf­l ichtung der Herrscher auf das Gemeinwohl entsprach: Der Herrscher stand in der 120 Noël, François: Sinensis imperii libri classici sex, nimirum adultorum schola, immutabile mediu, liber sententiarum, Mencius, filialis observantia, parvulorum schola, quos omnes e Sinico idiomate in Latinum traduxit. Prag 1711. Es handelt sich um die erste vollständige Übersetzung der Sishu [Vier Klassiker]: Lunyu [Gespräche des Konfuzius], Zhongyong [Doktrin der Mitte], Daxue [Das Große Lernen], Mengzi sowie die Übersetzung von Zhu Xis entsprechender, kommentierter Auszugssammlung, dem Xiaoxue. Ho, John: Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff. (Diss.) Hongkong 1962. S. 97. 121 Neben Wolffs Missverständnis, das im Kapitel zum Kameralismus in diesem Buch noch ausführ­ lich vorgestellt und diskutiert werden soll, mag ein Grund der Fehldeutung auch in oberfläch­lichen Übersetzungen gelegen haben. Im überlangen Vorwort zur französischen Übersetzung von Noëls Sinensis imperii libri classici sex aus dem Jahr 1784 heißt es beispielsweise: Ainsi, selon les lois de la nature, la constitution politique de la Chine inspiroit à l’empereur un amour vraiment paternel pour ses peuples, et aux peuples une vraie piété filial pour l’empereur. Elle formoit donc en effet de tous les Chinois une seule famille; elle les remettoit dans l’état le plus capable de les conduire à la paix et au Bonheur. Noël, François: Les Livres Classiques De L’Empire De La Chine. Paris 1784. Bd. I. S. 99. 122 Le Comte, Louis: Nouveaux Mémoires sur l’état present de la Chine, par le P. Louis Le Comte de la Compagnie de Jésus, Mathématicien du Roy. Bd. 2. Paris 1696. S. 22.

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Pf­licht gegenüber seinen Untertanen. Darüber hinaus war der Kaiser im eigent­lichen Sinne kein Herr, dem die Untertanen als Sklaven zu dienen hatten. Seine Herrschaft sollte väter­lich fürsorgend sein, jedoch ohne die Allmacht der Vaterrolle. Die eigent­liche Herrschaft übten die Gesetze aus, die den Rahmen der Herrschaftsausübung vorgaben und die Herrscherpf­lichten definierten, denen sich auch der Monarch unterordnete. Von seiner Akzeptanz der Gesetze hing maßgeb­lich das Wohl des gesamten Reiches ab.123 Damit verwies Le Comte aber zugleich auf einen grundlegenden Unterschied zum römischen Konzept der patria potestas, auf den später noch eingegangen wird. Du Halde übernahm in seinem Kompendium Le Comtes Passage vollständig.124 Weitere Beschreibungen der väter­lich-fürsorgenden Herrschaft in China füllten Briefe und Berichte der Jesuiten, die Du Halde bündelte und in seiner Description de la Chine komprimiert wie in dieser Passage zur Verfügung stellte: Ce pouvoir attaché à la dignité Impériale, tout absolu qu’il est, trouve un frein qui le modère, dans les mêmes loix qui l’ont établi. C’est un principe qui est né avec la Monarchie, que l’Etat est une grande famille, qu’un Prince doit être à l’égard de ses Sujets, ce qu’un Père de famille est à l’égard de ses Enfans, qu’il doit les gouverner avec la même bonté & la même affection, cette idee est gravée naturellement dans l’esprit de tous les Chinois. Ils ne jugent du mérite du Prince & de ses talens, que par cette affection paternelle envers les peuples, & par le soin qu’il prend de leur en faire sentir les effets, en procurant leur bonheur. C’est pourquoi il doit être, selon la manière dont ils s’expriment, le père & la mère du peuple: il ne doit se faire craindre, qu’à proportion qu’il se fait aimer par sa bonté & par ses vertus: ce sont de ces traits qu’ils peignent leurs Grands Empereurs, & leurs Livres sont tous remplis de cette maxime. Ainsi selon l’idée générale de la Nation, un Empereur est obligé d’entrer dans le plus grand détail de tout ce qui regarde son peuple; ce n’est pas pour se divertir qu’il est placé dans ce rang suprême: il faut qu’il mette son divertissement à remplir les devoirs d’Empereur, & à faire ensorte par son application, par sa vigilance, par sa tendresse pour les Sujets, qu’ on puisse dire de lui avec vérité, qu’il est le père & la mère du peuple. Si sa conduite n’est pas conforme 123 Le Comte bei Du Halde in der Description: D’ailleurs la tranquillité de l’empire, dépend entièrement de l’application du prince à faire observer les lois. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 12. Weitere Textstellen zur Rolle der Gesetze in China vgl. ibd. S. 37, S. 40 und S. 62. 124 Zum Vergleich mit Le Comtes Passage soll ausnahmsweise die deutsche Übersetzung aus Du Halde herangezogen werden, die einen einleitenden Kommentar voranstellte, der das Verständnis der Leser lenken und erweitern sollte. Es scheint, die unumschränkte Macht müsse üble Würckungen in der Regierung haben; und sie hat sie auch zuweilen. Denn was ist in der Welt ohne Mängel. Indessen haben die Gesetze so viel vorgebeuget, und man hat so kluge Vorsicht gebraucht, daß, wenn ein Fürst nur im geringsten seinen guten Namen, seinen Vortheil und das gemeine Beste beherziget: so kann er sein Ansehen nicht lange mißbrauchen. […] Erst­lich haben die alten Gesetzgeber, vom Anfang der Monarchie dieses als einen Grundsatz einer guten Regierung festgestelt; daß diejenigen, welche regieren, eigent­lich die Väter des Volkes sind, nicht aber Herren, die man auf den Thron gesetzt, um von Sclaven bedient zu werden. Daher nennt man von allen Zeiten her den Kayser Ta-fou [dafu], einen Großvater; und unter allen Ehrentiteln nimmt er diesen am liebsten an. Koppe, Zusätze zu des Johann Baptista du Halde ausführ­lichen Beschreibung des Chinesischen Reiches und der großen Tarterey, S. 261.

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à cette idée, il tombe dans un souverain mépris. Pourquoi, disent les Chinois, le Tien a-t-il mis sur le Trône? N’est-ce pas pour nous servir de père & de mère?125 Pierre Poivre, durch seine Erziehung jesuitisch geprägt, aber nicht zum Orden gehörig, betonte ebenfalls, dass sich die chinesische Gesellschaft als Familie verstehe und der Kaiser die Rolle des Vaters einnehme. Stände und geburtsständische Rechte seien unbekannt und führten nicht zur Ungleichheit der Menschen. Nur Verdienst und Talent schafften Unterschiede zwischen den Menschen. Poivre machte in seinen Manuskripten und Vorträgen darauf aufmerksam, dass es die Söhne von Bauern seien, die durch staat­lich geförderte Ausbildung die höchsten Beamtenränge und Würden erlangen könnten. Die Übertragung der Familienstruktur auf das Herrschaftsgefüge und die Verbindung zwischen Kaiser und Untertanen begünstigte nach Poivre die Bestrebungen aller, das gemeinsame Wohl der (Staats-)Familie zu fördern, wie auch die Liebe zur Arbeit, hauptsäch­lich zum Ackerbau. Rückhaltlos bewunderte er die Einsicht der gesamten chinesischen Gesellschaft, dass die Landwirtschaft als Tätigkeit und Fertigkeit, die alle ernähre, vor allen anderen Künsten geachtet würde.126 Eine weitere Säule des Erfolgs der chinesischen Landwirtschaft sei die Freiheit der Bauern und ihr Eigentum an Land. Keiner der Bauern sei durch Frondienste oder Lehensverpf­lichtungen an der effektiven Bestellung seines Ackers gehindert. Darüber hinaus betonte Poivre mit impliziter Kritik an den Zuständen in Frankreich die positive Wirkung fehlender Jagd- und Fischereiprivilegien in China. Den Bauern stehe die Nutzung der Flüsse, Seen und Wälder zur Ergänzung ihrer Nahrung zu.127 Pierre-Martial Cibot schickte im Jahr 1773 eine ausführ­liche Abhandlung zu der Doctrine ancienne sur la piété filiale (d’après plusieurs ouvrages: Liki, Hiao-king, Cheuking, etc.) an Bertin. 1779 wurde die auf Klassikern wie dem Buch der Riten (Liji), den heiligen Vorschriften oder dem kanonischen Buch zum kind­lichen Gehorsam und den Kindespf­l ichten (Xiaojing) oder auf dem Buch der Urkunden, dem Shujing, basierende Abhandlung in den Mémoires publiziert.128 Sowohl das Xiaojing als auch das Shujing, das zur Ausbildung der Beamten herangezogen wurde, waren während der Regierungszeit des Kangxi-­Kaisers neu aufgelegt und ausführ­lich kommentiert worden.129 Der Jesuit Cibot griff damit auf klassische Werke zurück, die das aktuelle Gesellschaftsverständnis unter den frühen Qing-­Kaisern prägten. Er eröffnete Bertin das bis dahin umfassendste

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Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 12. Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 183f. Ibd. S. 208f. Cibot, Pierre-Martial: Doctrine ancienne sur la piété filial. In: Amiot, Joseph Marie/Ko, Aloys/ Yang, Etienne/Batteux, Charles et al. (Hg.): Mémoires concernant l’Histoire, les Sciences, les Arts, les Mœurs, les Usages des Chinois: Par les Missionnaires de Pékin […]. Bd. 4. Paris 1779. S. 1 – 298. Die Angabe zu der bisher kaum wahrgenommenen Schrift findet sich bei Dehergne, Une grande collection, S. 276. 129 Williams, Wells S.: The Middle Kingdom. Bd. 1,2. o. O. 1882. S. 537.

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und zugleich von offizieller Regierungsseite gelenkte Bild der chinesischen Gesellschaft und Herrschaft, die ihre ethische Verpf­l ichtung in der Familie und Liebe zwischen Eltern und Kindern sah. In der piété filiale erkannte Cibot in allen Gesellschaftsschichten die verhaltens- und handlungsprägende Grundlage. Cibot hatte sich insbesondere mit dem kanonischen Werk Xiaojing und seinen moralischen Prinzipen auseinandergesetzt. Die kind­liche Pietät des Kaisers gegenüber seinen Eltern und Ahnen stand an erster Stelle und sollte vorbildhaft auf das gesamte Volk wirken. Hinsicht­lich der Prinzen, der hohen und niederen Beamten sollte die piété filiale das Verhältnis zwischen Amtsträgern und Untertanen bestimmen: […] l’autorité des parens sur leurs enfans fit de chaque famille particulière, une petite monarchie; l’education nationale prit la législation paternelle pour base principale de toutes ses institutions: des distinctions honorables accordées aux veillards; des secours furent assurés aux pauvres, aux malades, aux orphelins et aux veuves, l’agriculture fut honorée et proclamée le premier des arts, celui qui méritoit le plus la protection de l’empire, et elle fut presque mise au premier rang des vertus nationales. Bientôt l’empire offrit le beau spectacle d’une grande famille qui sembloit n’obéir qu’au sceptre paternel, et la Chine devrit plus florissante et plus redoubtable aux étrangers qu’elle ne l’avoit jamais été.130 Für Cibot war die große Ähn­lichkeit der chinesischen piété filiale zu den europäischen antiken Traditionen der Freiheitsliebe der Spartaner und der Vaterlandsliebe der Römer offensicht­lich: La piété filiale est à la Chine, depuis pres trente-cinq siècles, ce que fut à Lacédémone 131 l’amour de la liberté, et à Rome l’amour de la patrie. C’est la piété filial qui à perpétué de génération en génération dans ce grand empire, ce respect, universel pour l’antiquité, cette beauté de morale, cet ascendant irresistible de l’autorité légitime, cet esprit public, cette noblesse dans l’administration, enfin ces vertus socials et patriotiques qui l’ont conserve au milieu des ruines de tous les autres empires.132 Die Gleichsetzung war nicht ungewöhn­lich, denn in Anlehnung an Cicero wurde die römische amor patriae auch oft als pietas, als eine ehrfürchtige Pf­l icht, bezeichnet. Das Vaterland erschien den europäischen Zeitgenossen als elternähn­liche Person, da es wie ein Elternteil das Leben gebe und ermög­liche.133 Die Jesuiten erkannten eine oberfläch­liche Analogie zwischen dem europäischen Konzept der patria potestas und dem chinesischen Konzept des xiao, der filial duty oder der kind­lichen Pietät mit der bereitwilligen Unterordnung und dem ehrerbietigem Gehorsam. Doch bei allen Übereinstimmungen auf den ersten Blick hatten Le Comte und viele andere, wie eben gezeigt, ihre Leser auf die gravierenden Unterschiede aufmerksam gemacht: Während im europäischen Konzept die patria potestas von der väter­lichen Macht über die Familie ausging, betonte das Konzept des xiao insbesondere 130 Ibd. S. 231. 131 Sparta. 132 Cibot, Pierre-Martial: Doctrine ancienne sur la piété filial, S. 226f. 133 Schmidt, Alexander: Vaterlandsliebe und Religionskonflikt. Politische Diskurse im Alten Reich (1555 – 1648) (Studies in Medieval and Reformation Traditions, Bd. 126). (Diss.) Leiden 2007. S. 39.

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den Gehorsam der Kinder. In China besaß der Familienvater gerade nicht die Macht über Leben und Tod seiner Familienmitglieder, wie etwa im antik-römischen Kontext. Somit war der Gehorsam der Kinder und Jüngeren gegenüber den Eltern oder dem Kaiser ein wesent­liches Grundgebot der familiären oder gesellschaft­lichen Harmonie. Ihre Pf­licht bestand im Gehorsam und damit in der Aufrechterhaltung dieser Harmonie.134 Es war nicht die Macht des chinesischen Kaisers, der seine Untertanen zum Gehorsam animierte, sondern seine Rolle zwischen Himmel und Erde, die Loyalität und gehorsame Unterordnung nach dem Gebot der Harmonie forderte und ihn somit zum Vater aller Chinesen erhob.135 Deshalb hatten Le Comte und viele seiner Kollegen immer wieder die eigent­liche Macht der Gesetze der Natur in China betont, der sich auch der Kaiser zu unterwerfen hatte. Dennoch wurde die Vorstellung einer übereinstimmenden Form von väter­licher Autorität fälsch­licherweise aus den Jesuitenberichten gelesen und in Europa bereitwillig von Staatstheoretikern oder praktischen Philosophen aufgenommen. Als grundlegende Essenz der Jesuitenberichte etablierte sich die Analogie der Handlungsmotivation des Familienvaters, der sich von der Liebe zu seinen Kindern leiten lassen sollte. Dies stimmte mit der idealen Vorstellung des christ­lich-patriarchalischen Herrschaftskonzepts überein, die in Frankreich und mehr noch im Alten Reich begeistert aufgenommen wurden. Die Jesuiten hatten ganz klar die Unterschiede und Feinheiten des Konzepts des xiao herausgearbeitet, doch einige Inhalte wurden in Europa später teilweise missverstanden und verfälscht. b. Die Rolle der Tradition und der Ahnen Jean-Baptiste du Halde eröffnete sein Kapitel zur Landwirtschaft in der Description de la Chine mit einem Blick in die frühe Geschichte bzw. Überlieferung zu den ackerbau- und kulturstiftenden Urkaisern der Chinesen. Dies bot sich an, denn gerade von Martino Martini und Philippe Couplet lagen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts neben kommentierten Übersetzungen zur konfuzianischen Philosophie 136 genealogische und chronologische Tafeln zur Regierungszeit und Skizzen zivilisatorischer oder politischer Verdienste von chinesischen Kaisern vor. Die Fülle des empirischen Materials, die Tradition und das Alter staat­licher Strukturen in China beeindruckten und polarisierten

134 So Max Weber in seinem Werk: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Tübingen 1922. 51972. 135 Hamilton, Patriarchy, Patrimonialism and Filial Piety, S. 84, S. 93ff und S. 98. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Weber vgl. Ders.: Patriarchalism in Imperial China and Western Europe. A Revision of Weber’s Sociology of Domination. In: Theory and Society 13/3 (1985). S. 393 – 425. 136 Couplet, Philippe: Confucius Sinarum Philosophus, sive Scientia Sinensis latine exposita. […] Paris 1687. Der Übersetzung wurde zeitgenössisch vorgeworfen, ein einseitiges Bild Chinas zu entwerfen und die Positionen der Jesuiten zu verteidigen. So argumentierten beispielsweise die Acta Eruditorum Mensis Januarii aus dem Jahr 1713. S. 46 – 48. Vgl. dazu auch Rule, Paul A.: K’ungtzu or Confucius? The Jesuit Interpretation of Confucianism. Sydney 1986.

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zugleich. Couplet verwies auf 86 Herrscher in 2457 Jahren Geschichte.137 Er hatte in seinen Tabula chronologica den Europäern umfangreiches Wissen um Fuxi als Kaiser und Gründer einer ersten Ordnung und als Gesetzgeber, die kulturstiftenden Herrscher wie Shennong oder die mustergültigen Monarchen wie Yao oder Shun zur Verfügung gestellt. Couplet charakterisierte Fuxi beispielsweise nicht mehr als Doppelwesen (Drache und Mensch), sondern vermensch­lichte und historisierte ihn als weisen, patriarchalischen Philosophen-König. Hierin folgte er Martino Martinis Geschichtswerk Sinicae historiae aus dem Jahr 1658.138 Es basierte auf Martinis eigenen Studien zu dem Historiker der Han-Dynastie Sima Qian, dem Song-Gelehrten Sima Guang (1019 – 1086), dem Neokonfuzianer Zhu Xi, dem Shujing, dem Buch der Urkunden sowie dem Zizhi tongjian (Zusammengefasster Zeitspiegel zur Hilfe der Regierung). Attraktiv waren die Werke nicht zuletzt wegen des stark moralisierenden Inhalts und der Eignung als Spiegel für eine gute Regierung. Martini versuchte, die chinesische Zeitrechnung mit der Vulgata zu synchronisieren, und datierte den Regierungsbeginn des Reichsgründers Fuxi auf 2952 v. Chr.139 Für ihn und die meisten französischen Patres handelte es sich um historische Bücher, welche die lange und beeindruckende Geschichte des chinesischen Reichs darstellten. 137 Couplet, Philippe: Tabula chronologica monarchiae sinicae juxta cyclos annorum LX. Ab anno post Christum primo, usque ad annum praesentis saeculi 1683. Paris 1686. Ders.: Tabula genealogica trium familiarum Imperialium Monarchiae Sinicae. Paris 1687. Hier S. XIff. Mentzel, Christian: Kurtze chinesische Chronologica oder Zeit-Register aller chinesischen Kayser, von ihrem also vermeinten Anfang der Welt bis hieher zu unsern Zeiten […]. Berlin 1696. Zur Einordnung der Tabula und Identifizierung der Angaben von Couplet vgl. Cordier, Henri: Histoire générale de la Chine. Bd. 1. Paris 1920. Mungello, David E.: A Study of the Prefaces to Ph. Couplet’s Tabula Chronologica Monarchiae Sinicae (1686). In: Heyndrickx, Jérome (Hg.): Philippe Couplet, S. J. (1623 – 1696): The Man who Brought China to Europe (Monumenta serica, Monograph series, Bd. 22). ­Nettetal 1990. S. 183 – 199. Zeitgleich zur Description de la Chine von Du Halde erschien ein weiteres deutsches Werk, das sich mit der frühen Geschichte Chinas beschäftigte. Haupt, Johann: Neue und vollständige Auslegung des von dem Stifter und ersten Kaiser des chinesischen Reichs Fohi [Fuxi?] hinterlassenen Buches ye-kim [?] genannt. Rostock/Wismar 1735. Aus moderner Sicht vgl. ­Paludan, Ann: Chronicle of the Chinese Emperors. The Reign-by-Reign Record of the Rulers of Imperial China. London 1998. Jandesek betont das Vertrauen der Jesuiten in die Autorität der Schrift­lichkeit hinsicht­lich dieser alten Geschichtswerke der Chinesen. Jandesek, Das fremde China, S. 327f. 138 Martini, Martino: Sinicae historiae decas prima res a gentis origine ad Christum natum in extrema Asia. München 1658. Van Kley, Edwin J.: Europe’s „Discovery“ of China. In: American Historical Review 76/2 (1971). S. 358 – 385. Hier S. 363. Witek, John W.: Chinese Chronology. A Source of Sino-European Widening Horizons in the Eighteenth Century. In: Colloque international de Sinologie, 1980: Appréciation par l’Europe de la tradition chinoise à partir du XVIIIe siècle. Paris 1983. S. 221 – 252. Hier S. 227. 139 Lundbaek geht davon aus, dass Martini seine Informationen vor allem aus dem Zizhi tong jian als „comprehensive mirror for aid in government“ bezogen habe. Lundbaek, Knud: The First European Translations of Chinese Historical and Philosophical Works. In: Lee, Thomas H. C. (Hg.): China and Europe. Images and Influences in Sixteenth to Eighteenth Centuries (Institute of Chinese Studies, Monograph series, Bd. 12). Hongkong 1991. S. 29 – 43. Hier S. 31. Pigulla, Andreas: China

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Für diese Jesuiten galt die Geschichte (memoria) als Erfahrungswissenschaft bzw. stellvertretende Erfahrung (experientia). Die Entstehung von Wissen auf dieser Basis war ihnen vertraut und galt nach Cicero und später Justus Lipsius sogar als Lehrmeisterin des Lebens. Dieses Wissen sollte und konnte nützen.140 Als symbolische Bücher ordneten sie hingegen die „Figuristen“ wie Bouvet oder ­Prémare ein. Sie deuteten in die klassischen Texte mit Hilfe von Blaise Pascals System des Figurativen Analogien zum Alten Testament sowie Anhaltspunkte der Vorwegnahme und Ankündigung des Messias hinein.141 Schon der reformierte Leidener Theologe Georg Horn hatte den mythologischen Figuren eine Stelle in der biblischen Geschichte zugewiesen: Fuxi wurde von ihm als Adam identifiziert, weil er von der Erde abstammte.142 Der Vergleich schien gerechtfertigt, denn auch Adam wurde aus Lehm geformt. Shennong setzte Horn mit Kain gleich, weil beide Ackerbauern waren.143 Die Überzeugungen eines mög­lichen Vergleichs konkretisierte der französische Jesuit Joachim Bouvet als „Figurist“. Für ihn entsprach Fuxi Hermes Trismegistos und einer Vorstellung von Jesus. Aus seiner Sicht hatten die Figuristen in den klassischen Büchern eine gemeinsame Quelle chinesich-europäischer religiöser und ethischer Vorstellungen entdeckt.144 Sie lösten die frühen Figuren deshalb zugunsten des Symbolgehaltes aus ihrem historischen Kontext. Fuxi wurde von ihnen als Bindeglied zum biblischen Ursprung der Chinesen als Nachfahre Sems angesehen.145 Die Auseinandersetzung mit den kanonischen Werken Chinas und die Gleichsetzung ihrer Patriarchen mit denen des Alten Testaments oder ihre Deutung als Vorahnungen des künftigen Messias brachten das in Europa höchst umstrittene Ergebnis, dass die Ahnen der Chinesen mög­licherweise unmittelbar mit den direkten Nachkommen Adams übereinstimmten

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in der deutschen Weltgeschichtsschreibung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert (Veröffent­lichungen des Ostasien-Instituts der Ruhr-Universität Bochum, Bd. 43). (Diss.) Wiesbaden 1996. S. 23 – 27. Lipsius, Justus: Politica sive civilis doctrina. Bd. 1. Frankfurt 1591. Kap. 8. S. 22. Zum zeitgenössischen europäischen Verständnis von Geschichte vgl. Knape, Joachim: „Historie“ in Mittelalter und früher Neuzeit: Begriffs- und gattungsgeschicht­liche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext (Saecula spiritalia, Bd. 10). (Diss.) Baden-Baden 1984. Collani, Figuristen in der China-Mission, S. 41ff. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 74ff. Horn, Georg: Arca Noae sive Historia Imperiorum et Regnorum a Condito orbe ad nostra Tempora. Frankfurt/M./Leipzig 1666. § VIII-XIV. Walravens, China illustrata, S. 18f. Collani, Figuristen in der Chinamission, S. 20 und S. 74. Van Kley, Europe’s „Discovery“ of China, S. 364. Widmaier, Rita (Hg.): Leibniz korrespondiert mit China. Der Briefwechsel mit den Jesuitenmissionaren (1689 – 1714) (Veröffent­lichungen des Leibniz-Archivs, Bd. 11). Frankfurt/M. 1990. Nachwort, S. 277. Collani, Claudia von: La chronologie chinoise, base de la methode missionnaire du P. Joachim Bouvet. In: Actes du IVe Colloque international de Sinologie, Chantilly 1983. Paris 1991. S. 107 – 124. Dies., Figuristen in der Chinamission, S. 24ff. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 75.

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und somit den Chinesen der Status der prima gens zuerkannt werden müsse.146 Bouvet schrieb: The people of China and the four corners of the world originally came from one ancestor; they are all brothers. They submitted to the one Way, the one principle and the one teaching. How could the ancient Chinese have the true tradition of the heavenly teachings and beliefs, and the myriad countries of the West at all?147 Die Verknüpfung des Alten Testaments mit den frühen Protagonisten der chine­ sischen Geschichte war in Europa bei Erscheinen der Description de la Chine hinläng­ lich bekannt, jedoch noch immer sehr umstritten. Das Bestreben, das Alte Testament als Quelle für die frühe Geschichte der Menschheit einzuordnen und so die Trennung von sakraler und profaner Geschichte aufzuheben, war längst etabliert. Aber diese Geschichtsauffassung umfasste geografisch nur den begrenzten Raum des Abendlandes und des Vorderen Orients, der nun – nicht unumstritten – um China hätte erweitert werden müssen. Auch die Zeitauffassungen standen, wie bereits gezeigt wurde, konträr zueinander. Während der europäisch-christ­liche Zeitbegriff linear und mit der Erlösung zielgerichtet verlief, verstand China seine Geschichte zyklisch.148 Jean-Baptiste du Halde selbst zählte sich nicht zu den Figuristen und integrierte deshalb auch Papiere der Gegner dieser Strömung in seine Sammlung. Ihm ging es eher um die Versöhnung der gegensätz­lichen Auffassungen.149 Für ihn eignete sich das historische Material Martinis und Couplets in seiner Überblicksdarstellung zu China bestens zur Herleitung und zur Begründung der aus der alten und jüngeren Geschichte entstammenden Beschreibungen der auffallend engen Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft. Vordergründig war für ihn deshalb die Harmonisierung der chine­ sischen Geschichte mit der Septuaginta und der Vulgata und die damit einhergehende

146 Demel, Walter: Antike Quellen und die Theorien des 16. Jahrhunderts zur Frage der Abstammung der Chinesen. Überlegungen zu einem frühneuzeit­lichen Diskussionsthema. In: Saeculum 37/3 – 4 (1986). S. 199 – 211. 147 Er schrieb weiter: The inner ideas of the Yijing are very similar to the teachings of Christianity. Da sich die chinesischen Essays von Bouvet in der Bibliotheca Apostolica Vaticana bzw. im Archivio Segreto Vaticano befinden, wurde nach der Sekundärliteratur zitiert: Smith, Richard S.: Jesuit Interpretations of the Yijing (Classic of Changes) in Historical and Comparative Perspective. Online unter: http://www.ikgf.uni-erlangen.de/content/articles/Richard_J_Smith_-_Jesuits_and_Yijing. pdf (gesehen am 13.01.2012). S. 36, FN 64. Vgl. auch Bezüge zur Thematik in zwei Briefen Bouvets. Collani, Claudia von: The First Encounter of the West with the Yi-jing. Introduction to and Edition of Letters and Latin Translations by French Jesuits from the 18th Century. In: Monumenta Serica 55 (2007). S. 227 – 387. Mit zwei Briefen von Bouvet an Tamburini: Brief Nr. 1 vom 30. Oktober 1712 an Michelangelo Tamburini. S. 288 – 290; Brief Nr. 2 vom 20. November 1712 an Michelangelo Tamburini. S. 291 – 292. Hier S. 289. 148 Demel, Walter: Die Bedeutung von Zeitzäsuren für das Zeitbewußtsein und die geschichtswissen­ schaft­liche Periodisierung. In: Faes, Urs/Ziegler, Beatrice (Hg.): Das Eigene und das Fremde. Festschrift für Urs Bitterli. Zürich 2000. S. 79 – 96. Hier S. 81 – 85. Van Kley: Europe’s „Discovery“ of China, S. 359. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 68ff. 149 Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 35ff, S. 75.

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Historisierung und Vermensch­lichung der Urkaiser.150 Somit erschien das Handeln der Urkaiser als ein auf die Menschen zu übertragendes und durch sie fortzuführendes Handeln, was die lange Geschichte der Chinesen ja auch bestätigte. Die Fremdheit der chinesischen Kultur und Geschichte erhielt zwar für Kenner der figuristischen Theorien einen verbindenden Aspekt zur eigenen biblischen Tradition, die das Verständnis beim Lesen erleichtern konnte. Für Anhänger der mehrheit­lich historischen Deutung der klassischen Bücher bestätigte sich aber insbesondere der Wahrheitsgehalt der historischen Überlieferung und der langen Tradition staat­licher Strukturen der Chinesen. Du Halde betonte deshalb selbstbewusst, dass die Verläss­lichkeit der chinesischen Geschichtsschreibung unzweifelhaft sei und sogar weit über die der Griechen und Römer hinausginge.151 Für Du Halde begann die gesicherte Geschichtsschreibung mit der Herrschaft des Kaisers Yao 2357 v. Chr., der für ihn hinsicht­lich seiner Regierungsleistungen als großes Vorbild eingestuft werden musste. Die Kaiser vor ihm stellten für Du Halde Männer mit wesent­ lichen kulturstiftenden Leistungen dar, die gleichfalls Orientierung boten.152 Du Halde und andere Gegner der Figuristen erkannten sehr wahrschein­lich in den kulturstiftenden Heroen und Urkaisern der Chinesen – beispielsweise in Anlehnung an Ciceros Werk De officiis – eher Parallelen zu den mythischen Figuren wie Herkules oder zu den historischen Vorfahren der Griechen und Römer, die das pro patria mori verkörperten. Als Träger von Tugenden nahmen sie in den Lehrkonzepten der Jesuiten – etwa in den Bühnenstücken – eine wichtige Vorbildrolle ein. Die Bedeutung von mythischen oder historischen Personen der Antike als Personifikation von Tugenden oder als Initiatoren der großen mensch­lichen zivilisatorischen Leistungen war den Jesuiten aus Europa bestens bekannt.153 Wenn schon entgegen der Auffassung der Figuristen keine Überseinstimmung zu den Patriarchen des Alten Testaments bewiesen werden konnte, Ähn­lichkeiten schienen aus historischer Betrachtungsweise auf jeden Fall in der Bedeutung von kulturstiftenden Heroen für Europa und für China vorzuliegen. Folg­lich eröffnete Du Halde die Beschreibung zur Landwirtschaft mit dem Verweis auf den Ursprung der herrscher­lichen Beziehung zum Landbau, die in der Figur des

1 50 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 1, S. 266. 151 Du Halde bietet insgesamt einen umfassenden Überblick zur chinesischen Geschichte auf über 200 Seiten. Bd. 1. S. 257 – 488. Hier S. 260. 152 Demel verweist richtig darauf, dass Du Halde oftmals Briefe oder Passagen zum Ärger der Autoren ergänzte oder erläuterte. Demel, Als Fremde in China, S. 41. Witek, Chinese Chronology, S. 227. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 71. 153 Cicero, Marcus Tullius: De Officiis. Hg. v. Rainer Nickel. Düsseldorf 2008. III, § 25. Die mythischen Helden und viri boni nahmen beispielsweise in den pädagogischen Schuldramen der Jesuiten eine bedeutende Rolle ein. Erlach, Thomas: Unterhaltung und Belehrung im Jesuitentheater um 1700. Untersuchungen zu Musik, Text und Kontext ausgewählter Stücke (Musikwissenschaft, Musikpädagogik in der Blauen Eule, Bd. 73). (Diss.) Essen 2006. Für Frankreich vgl. Valentin, Jean-Marie: Les jésuites et le théâtre. 1554 – 1680. Contribution à l’histoire culturelle du monde catholique dans le Saint-Empire romain germanique. Paris ²2001.

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bereits geschilderten Urkaisers Shennong begründet liege und von den Menschen fortgeführt werde: Ce qui soutient dans leurs travaux, ceux qui cultivent la terre avec tant de soins & de fatigues, ce n’est pas seulement leur propre intérêt, c’est encore plus la vénération où est l’agriculture, & l’estime que les empereurs en ont toujours fait depuis la naissance de l’empire. C’est une opinion commune qu’elle leur a été enseignée par un de leurs premiers empereurs nommé Chin nong [Shennong], & ils le révèrent encore aujourd’hui comme l’inventeur d’un art si utile aux peuples. L’agriculture fut encore plus accréditée par un autre de leurs premiers empereurs, qui fut tiré de la charrue pour monter sur le trône: l’histoire en est rapportée dans les livres de leurs anciens philosophes.154 Mit der Geschichte des Kaisers Yao 155 aus der Zeit um 2350 v. Chr. und der Suche nach einem Nachfolger machte Du Halde ein interessantes chinesisches Beispiel für das in Europa wohlbekannte und seit dem 17. Jahrhundert viel diskutierte laus ruris und die tranquillitas animi des Landlebens zugäng­lich, die sich in den moralischen Qualitäten des chinesischen Landmannes niederschlug. Im Falle des Nachfolgers des Urkaisers Yao waren es vor allem ackerbau­liche Kompetenzen und moralische Qualitäten, die den Erwählten vom Land- zum Staatsmann beriefen bzw. vom Pflug ins kaiser­liche Amt führten: Der Urkaiser war bestrebt, die Regierungslast einem anderen abzutreten. Sein Sohn kam als kaiser­licher Erbe wegen mangelnder Tugenden nicht infrage. Der älteste Minister habe nach Du Halde dem Kaiser deshalb einen Mann empfohlen, der würdig genug sei, die Ordnung und den Frieden zu erhalten: […] je vous dirai sincèrement que je n’en connais point de plus capable, qu’un jeune laboureur qui n’est pas encore marié. […] Je juge, seigneur, qu’un homme qui se conduit avec tant de sagesse dans une fortune privée, & qui joint à cette douceur de naturel, un travail, une adresse, & une application infatigable, est le plus capable de gouverner votre empire, & d’y maintenir les sages lois qui y sont établies.156 Yao war durch diese Beschreibung sehr gerührt. Er ließ den jungen Mann an seinen Hof kommen und beobachtete ihn über Jahre. Kurz vor seinem Tod übergab er ihm seinen Thron. In der Wahl eines einfachen, fleißigen und tugendsamen Landmannes zum Kaiser und Hüter der Ordnung zwischen Himmel und Erde sah Du Halde unter anderem die hohe Achtung der Landwirtschaft in China begründet. Ce choix d’un empereur tiré de la campagne, a inspiré aux Chinois une grande estime pour l’agriculture.157

1 54 Du Halde, Jean-Baptiste: Description de la Chine, Bd. 2, S. 67f. 155 Die moderne zeit­liche Einordnung Yaos bewegt sich etwa im Zeitraum zwischen 2353 und 2234 v. Chr. Zu Yao vgl. Allan, Sarah: Erlitou and the Formation of Chinese Civilization: Toward a New Paradigm. In: Journal of Asian Studies 66/2 (2007). S. 461 – 496. Hier S. 462ff. Gottschalk, Chinas große Kaiser, S. 8 – 14. 156 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 68. Ders., Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 82. 157 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 68. Ders., Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 83.

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Doch nicht nur die moralischen Werte und praktischen Fähigkeiten des aktiven Landlebens qualifizierten für das höchste Amt im Reich, auch die theoretischen Kenntnisse um die Nahrungsgewinnung sowie die Verbreitung dieses Wissens wurden – so Du Halde – offensicht­lich in der chinesischen Tradition für die Regierung als notwendig erachtet: Yu qui succéda à Chun [Shun],158 parvint au trône par la même voie. Yu schrieb nach Du Halde viele Bücher und Abhandlungen über die Düngung und Bewässerung der Felder: Tant de livres sur une matière si utile, qui sont les ouvrages d’un empereur, ont augmenté le crédit de l’agriculture, que l’on voit n’avoir pas été indigne des soins, & de l’application d’un grand prince.159 Diesmal gelangte ein Gelehrter auf den Thron, dem die praktische Wissenschaft, die Entwicklung des Ackerbaus am Herzen lag und der mit seinem Wissen und seinen Schriften Wesent­liches zum Gemeinwohl geleistet hatte. Verdienst und Qualifikation waren in diesem Fall – wie im gesamten Staats- und Verwaltungsapparat Chinas – auch einmal Kriterium für die Berufung ins höchste Amt. Du Halde hatte seinen Lesern mit den Schilderungen zum Amtsantritt der beiden Urkaiser eine wesent­liche, historisch begründete Vorstellung vom Verdienst und der Qualifikation als Voraussetzung für den Amtsantritt und eine erfolgreiche Amtsführung – auch im höchsten Amt des Kaisers – als Alternative zum dynastischen Prinzip gegeben. Zugleich gelangte mit Yaos Wahl seines Nachfolgers ein eindrück­liches Beispiel für die Bedeutung der Familie und das darauf beruhende patriarchalische Herrschaftsverständnis nach Europa. Die ausführ­lichen Schilderungen unterrichteten den europäischen Leser davon, dass in China der einfachste Bauer nicht wegen seines geringen Standes verachtet wurde, sondern dass er aufgrund seiner moralischen und fach­lichen Fähigkeiten, seine Familie und sein Gut zu führen, imstande war und berufen werden konnte, als Kaiser den Staat zu lenken. Der Leser erfuhr auch durch die Zusammenstellung Du Haldes, dass in China von alters her Kompetenzen in Theorie und Praxis der Landwirtschaft zum Herrschaftswissen gehörten. So lautete Du Haldes Schlussfolgerung: Plusieurs autres empereurs ont donné des marques de leur zèle pour la culture des terres. Du Halde zählt an dieser Stelle eine Reihe von Monarchen aus der Geschichte auf, die das Land vermessen, ordent­liche Grenzen gezogen, die Klagen der Bauern gehört und die Gesetze zur Förderung des Ackerbaus erneuert hatten oder, wie der Kaiser Ven ti [Han Wendi], der im Jahr 179 v. Chr. nach den Verwüstungen eines Krieges, um dem Verderben des Landes abzuhelfen und die Untertanen zum Ackerbau zu ermuntern, selbst mit gutem Beispiel vorangegangen war:

158 Es handelt sich wie bei Yao mit Shun und Yu um zwei weitere mythische vorbild­liche Herrscher. Yu gründete die ebenso mythische Xia-Dynastie. Allan, Erlitou and the Formation of Chinese Civilization, S. 464ff. 159 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 68 und S. 69.

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[…] en cultivant de ses mains royales les terres de son palais, ce qui obligea les ministres, & tous les seigneurs de sa cour à en faire de même.160 Die Urkaiser und die Ahnen der Potentaten hatten nach Du Halde auf unterschied­ liche Weise die Landwirtschaft mit dem Amt des Kaisers verknüpft bzw. Bauern in die Ahnenreihe der Monarchen aufgenommen und somit ein Spektrum von Exempeln geschaffen, das spätere Herrschergenerationen zur Nachfolge verpf­lichten sollte. Offensicht­lich mit Erfolg, denn auch für den zeitgenössischen Monarchen konnte Du Halde nach den Reiseberichten verkünden: […] l’empereur donne encore un nouveau lustre à une profession si importante à l’État, & qui de tout temps a été estimée dans l’empire.161 Der Argumentation Du Haldes zur Bedeutung der uralten Traditionen und ihrer offensicht­lich ungebrochenen Kontinuität hinsicht­lich der bestehenden Achtung der Landwirtschaft in China schloss sich der schwedische Reisende Peter Osbeck in seinem Bericht Reise nach Ostindien und China nahtlos an. Deut­lich verkürzt, schlug er anhand der Vorlage der Description einen Bogen von der Berufung des tugendsamen Landmannes auf den Thron, dem Entschluss des Kaisers Ven ti [Han Wendi], nach den Kriegszerstörungen den Ackerbau zu heben, indem er selbst den Pflug führte, und der daraus entstehenden traditionellen kaiser­lichen Pflugzeremonie bis zur Regierungszeit des Kangxi-­Kaisers.162 Pierre Poivre lobte ebenfalls das Traditionsbewusstsein der Chinesen. Nach einem eingehenden Vergleich mit anderen asiatischen Staaten und dem Blick auf Europa kam Pierre Poivre zu dem Ergebnis, dass der Ackerbau in keinem Land so blühe wie in China. Dies verdanke China jedoch nicht etwa besonders innovativen Anbautechniken oder -methoden, sondern vielmehr seiner Tradition, vernünftigen und natür­lichen Gesetzen und gesetzestreuen Regierungen. Schon die Urkaiser hätten den Ackerbau gestiftet, und bis in die Gegenwart würden die nachfolgenden Monarchen es als eine Ehre empfinden, wie ihre Vorfahren die ersten Ackerleute ihres Reiches zu sein. Poivre berichtete ebenso wie Du Halde vom lebendigen Andenken zweier Kaiser, denen es an Erben mangelte und die deshalb unter tugendhaften und tüchtigen Bauern würdige Nachfolger ihres Throns ausgewählt hätten. Gerade diese Kaiser hätten das Glück des Reiches bedeutet.163 c. Steuer- und Abgabesystem Du Halde nahm in seiner Description de la Chine zum Thema Steuererhebung kaum Bezug. Er berichtete eher unspezifisch von unterschied­lichen Steuern im Land, deren Höhe jedoch in Abhängigkeit zur Bevölkerung und zum Landbesitz stehe. Comme les 160 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 69. Ders., Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 84. 161 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 71. Ibd. S. 86. 162 Osbeck, Reise nach Ostindien und China, S. 240 – 242. 163 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 196 – 198.

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terres sont mesurées, & qu’on sait le nombre des familles, & ce qui est dû à l’empereur, on n’a nulle peine à déterminer ce que chaque ville doit payer chaque année.164 Mit der etwas unkonkreten Passage, die vor allem seiner Bewunderung für die frühe Bevölkerungsstatistik Ausdruck verleiht, nahm er sowohl auf das alte wie auch auf das neue Steuersystem in China Bezug. Wie schon erwähnt, war es in den ersten Jahren der Regierung des Yongzheng-­Kaisers zu einer Steuererleichterung durch die Zusammenführung der Boden- mit den Kopfsteuern gekommen. Du Halde bot seinen Lesern damit wiederum sehr aktuelle und zutreffende, wenn auch in diesem Fall etwas knappe und undifferenzierte Informationen, die einer stärkeren Einordnung bedurft hätten. Das Steuersystem sei, so bemerkt Du Halde an anderer Stelle, durch die Einführung des Zehnten stark vereinfacht worden und aus Sicht seiner Gewährsmänner somit sehr gerecht. Schon der Weise Menzius, dessen Lehren durch François Noël 1711 in den Sinensis imperii libri classici sex übersetzt worden waren, habe sich dafür ausgesprochen: Le premier ministre du royaume de Song étant venu trouver Mencius, lui fit connaître le dessein qu’il avait d’abolir la coutume odieuse qui s’était introduite, de charger le peuple d’impôts; qu’il souhaitait de faire revivre les anciennes lois qui n’exigeaient pour tribut que la dixième partie de la récolte, & qui défendaient de taxer les marchandises étrangères qui entraient dans le royaume.165 Auch in diesem Fall, so betonte Du Halde, stand die Modifikation des Steuersystems im Einklang mit den traditionellen Schriften. Pierre Poivre räumte der Betrachtung des Steuersystems deut­lich mehr Raum ein als Du Halde in seinem Kompendium. Es begeisterte sich vor allem für die Form der Steuer, den Zehnten als Alleinsteuer. Wie Du Halde hob auch Poivre hervor, dass die Chinesen keinen anderen Zehntherrn als den Vater des Landes, also den Kaiser, kennen würden. Zu entrichten seien die Zahlungen von alters her in Form von Naturalien direkt an Beamte des Kaisers und nicht an Steuerpächter. Poivre betonte in diesem Kontext noch einmal explizit die Rechtschaffenheit der kaiser­lichen Beamten und setzte die Habgier und den Eigennutz der französischen Steuerpächter dagegen. Die Höhe der Abgaben sei äußerst gerecht, berechne sie sich doch nach der Größe der Äcker, die ein Bauer bewirtschafte. Zudem, so vermerkte Poivre, sei die Höhe der Abgaben ebenfalls seit langer Zeit konstant geblieben und von keinem Kaiser müssten die Untertanen eine Erhöhung befürchten.166 Poivre bezog sich hierbei sehr wahrschein­lich auf eine Verordnung des Kangxi-­Kaisers aus dem Jahr 1711, welche die Erhöhung der Steuersätze untersagte, und die Steuererleichterung durch den Yongzheng-­Kaiser, welche die

164 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 15. Ders., Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 21. 165 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 345. 166 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 190 – 192. Poivre, Pierre: Voyages d’un philo­ sophe ou observations sur les moeurs et les arts des Peuples de l’Afrique, de l’Asie & de l’Amérique, Londres 1769. S. 129 – 131.

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Vorgabe seines Vaters unterstützte.167 Auch die Verwendung der Steuern durch den Staat begeisterte den reisenden Franzosen. Ein wesent­licher Teil der Steuern, des Zehnten, wie auch Poivre die Steuer bezeichnete, würde der staat­lichen Fürsorge dienen und somit zum unmittelbaren Wohl der Untertanen eingesetzt. Die Abgaben flössen zu einem großen Teil in die staat­lichen Magazine, in denen Reis und Getreide zur Ernährung der Beamten oder Soldaten bzw. für Hungersnöte aufbewahrt werde. Poivre verwies damit auf einen wichtigen Steuerrückfluss, der den Menschen zugutekam. Das Ergebnis dieses gerechten und sinnvollen Steuersystems zeigte sich nach Poivre in der hohen Zahlungsmoral der Untertanen.168 Schon Sébastien le Prestre de Vauban hatte in seinem Werk Projet d’une dixme royale aus dem Jahr 1707 vorgeschlagen, alle Steuern durch eine einzige, den Zehnten (impôt unique), zu ersetzen. Vauban betonte in seinem Vorwort, dass dieses System nicht neu sei, sondern schon die Heilige Schrift ebenso wie die Griechen und Römer, die Moguln in Indien und der König [sic!] von China den Zehnten erhoben.169 Jürgen Osterhammel verweist darauf, dass Poivre den idealen Vorstellungen des Festungsbaumeisters Vauban zu einem Steuersystem folgt.170 Diese Annahme erscheint allerdings zu pauschal. Mög­ licherweise kannte Poivre Vaubans Aufsehen erregende Schrift. Hinsicht­lich des Abgabensystems hatte sie aber wahrschein­lich eher anregend auf Poivre gewirkt, auf seinen Reisen fundiertere Kenntnisse und mehr Einzelheiten zum chinesischen Steuersystem zu sammeln und in seinem Reisebericht darzustellen. Poivres Bericht geht weit über Vaubans Vorstellungen zur Vereinheit­lichung des Steuersystems durch einen Zehnten hinaus. Er zog ein ausschließ­lich positives und unkritisches Resümee. d. Staat­liche Fürsorge zur Vermeidung von Hungersnöten In der Reiseberichterstattung aus China waren die immer wieder auftretenden gravierenden Hungersnöte als Folge von Krieg und Naturkatastrophen nie verschwiegen worden. Der Sachverhalt diente den Europäern als wesent­liches Argument, um am positiven Bild chinesischer Regierung und an der konfuzianischen Moral schwere Kritik zu üben. Gerade die Jesuiten hatten aber ein differenziertes Bild der Gründe und Folgen von zahlreichen Hungersnöten sowie des staat­lichen Umgangs damit nach Europa übersandt.171 Einen wesent­lichen Grund für Hunger, unabhängig von äußeren

167 Gernet, Jaques: Die chinesische Welt. Die Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Jetztzeit. Frankfurt/M. 51987. S. 407. 168 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 191f. 169 Le Prestre de Vauban, Sébastien: Projet d’une dixme royale. o. O. 1707. S. 105, 108 und Einleitung S. 10. 170 Poivre, Fortsetzung der Untersuchungen über den Zustand der Landwirtschaft bei verschiedenen Völkern, S. 210. 171 Einen ersten Überblick zu dieser Thematik in Stöckleins Welt=Bott gibt Walter Demel im Unterkapitel „Landesnatur, Gesundheit und Ernährungslage der Bewohner“ in seinem Aufsatz: Das

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Einflüssen, sahen die Jesuiten in der Überbevölkerung Chinas, insbesondere in großen Ballungszentren. Du Halde erklärte ganz offen, dass der große Bevölkerungsreichtum in China öfter auch Probleme der ausreichenden Nahrungsversorgung nach sich zog.172 Der französische Jesuit Joseph Henri-Marie de Prémare (1666 – 1736) berichtete seinem Kollegen Charles le Gobien nach einem längeren Aufenthalt in Kanton in einem Brief, der später im Welt=Bott übersetzt der deutschen Öffent­lichkeit zugäng­ lich gemacht wurde, Folgendes: Denn der Erdboden/ so weitsichtig und fruchtbar/ als er auch ist/ kleckt nicht/ die Innwohner zu ernähren. Das Land müsste vier mahl grösser sein/ wann das gesamte Volck gemäch­lich leben sollte. […] Ein dritter Theil dieses Volcks wäre froh/ wann er zu seiner Hauß=Nothdurfft Reiß gnug hätte/ welchen sie an statt des Brodts essen. Jedermann weiß/ daß die äusserste Noth entsetz­liche Gewaltthätigkeiten nach sich ziehe. Wer einmal sich in Sina befindet/ und die Sachen selbst mit Augen anschauet/ verwundert sich nicht mehr/ daß der Müttern viel ihre eigenen Kinder entweders tödten oder außsetzen; die Eltern ihre Töchter um ein kleines Geld verkauffen […] und daß so viel Dieb gebe. Man entsetzet sich vielmehr/ daß nicht viel größeres Übel gescheh/ und daß zu Zeiten der Hungers=Noth/ welche hier offt einreißt/ ganze Millionen armer Leuthen auß Abgang der Nahrung daheim sterben/ ohne ihre Zuflucht zu denen ienigen Gewaltthätigkeiten zu nemmen/ derer wir in unserer Europäischen Geschichten Beyspiel gnug lesen.173 An der Faulheit der Bauern lag der elende Zustand nicht. Prémare ergänzte: Dann diese elende Leutlein bemühen sich dergestalt/ daß es nicht zu glauben ist.174 Gegensätz­licher Auffassung war der französische Jesuit Dominique Parrenin (1665 – 1741). Er vertrat die Meinung, dass das Land sehr wohl seine große Bevölkerung ernähren könne, dass aber stattdessen der oftmals unverantwort­liche und verschwenderische Umgang mit

China-Bild in Bayern, S. 201 – 209. Ein Überblick zu den in Jesuitenberichten genannten Hungersnöten zwischen 1718 und 1738 mit der Angabe von Opfern findet sich S. 207f., FN 55. 172 Du Halde schrieb: On a déjà dit que la Chine est divisée en 15 provinces, mais ces provinces ne sont pas toutes également peuplées. Depuis Peking jusqu’à Nan tchang qui est la capitale de la province de Kiang si, il s’en faut bien que le peuple y fourmille comme dans les provinces de Tche kiang, de Kiang nan, de Quang tong, de Fo kien, & quelques autres: c’est ce qui fait que les missionnaires qui n’ont parcouru que ces belles & nombreuses provinces où les villes & les grands chemins sont remplis de peuples jusqu’à embarrasser le passage, ont pu augmenter le nombre des habitants de cet empire. A tout prendre il paraît cependant qu’il y a à la Chine beaucoup plus de monde que dans toute l’Europe. Quoique Peking soit plus grand que Paris pour l’étendue du terrain, je ne crois pas que le nombre des habitants puisse monter à plus de trois millions. La supputation en est d’autant plus sûre, que tous les chefs de famille sont obligés de rendre compte aux magistrats du nombre de personnes qui les composent, de leur âge & de leur sexe. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 7. Vgl. auch ibd. S. 73 und S. 145. 1 73 Brief von Pater de Prémare an Pater Charles le Gobien, 1. November 1700, in: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Anderer Theil, Nr. 42, S. 25 – 28. Hier S. 26. Erstmalige französische Veröffent­lichung: Lettre au Père Le Gobien, 1. novembre 1700. In: Gobien/Du Halde, Lettres édifantes et curieuses, Bd. 2, S. 151 – 174. 174 Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Bd. 2, S. 26. Demel, Das China-Bild in Bayern, S. 204.

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Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien

Nahrungsmitteln durch die Chinesen eine Ursache für die gravierenden Hungersnöte sei.175 Die Praxis, Kinder aus Hunger auszusetzen, war auch in Europa nicht unbekannt. Doch gerade kirch­liche Einrichtungen nahmen sich aus Gründen der Nächstenliebe oftmals der Armen an und retten ihnen so zumindest das nackte Dasein.176 Adäquate staat­liche oder religiös ausgerichtete Einrichtungen für Findel- und Waisenkinder schien es außer speziellen Krankenhäusern, die von betuchten Personen oder hochrangigen Beamten unterhalten wurden, in China nicht zu geben. So blieb den Jesuiten neben der moralischen Verurteilung in ihren Berichten oftmals nur der Ansatz von Hilfeleistungen, die ledig­lich Einzelnen zugutekam. Florian Bahr schrieb seiner Gönnerin Maria-Theresia von Fugger-Wellenburg 1743 nach Augsburg, dass er seit langem chine­sische Helfer bezahle, die sich vor den Toren der Stadt um ausgesetzte, oftmals fast verhungerte Kinder kümmerten.177 Die Hungersnöte hatten nicht nur schlimme Folgen für die Kinder, sondern führten, wie der Jesuit Johannes Walter am 2. Dezember 1744 seinen Eltern über die sommer­liche Dürre und die folgenden Missernten desselben Jahres berichtete, zu ungeheuren Flüchtlingszügen in die Hauptstadt Peking, wo durch sie die Armseeligkeit von Tag zu Tag größer [ge]worden war. Die Hungernden hatten aber nicht nur ihre Heimat bzw. ihren Besitz verlassen und zogen in Gruppen umher, oftmals begaben sich ganze Familien in die Abhängigkeit von Großgrundbesitzern. Walter sprach gar von Sklaverei.178 Auch in den nichtjesuitischen Berichten wurden immer wieder Hungersnöte angeführt: Der Schwede Peter Osbeck war 1751 in Kanton Zeuge einer Hungersnot geworden, die auf Missernten in den nörd­lichen Provinzen zurückgeführt wurde. Statt eines

175 Er schrieb 1735: Die zweyte, und wie man sich allgemein einbildet, die einzige Ursach der Hungers=Noth ist der Überfluß und allzu große Menge des Chinesischen Volcks. Ich gestehe zwar, daß die unglaub­liche Anzahl deren Inwohnern dieses Reichs zu solchem allgemeinen Übel sehr viel beitrage, bin doch der Meinung, daß China erkleck­liches Getraid, ihre Unterthanen zu erhalten hervor bringe, wann man nur selbes sparsamer gebrauchen, und nicht nur einen namhafften Theil desselben zu anderen Dingen, alß: Wein, verschiedene Geister und Brandwein daraus zu koechen, verwenden, oder besser zu reden, verschwenden thäte. Brief von Pater Dominique Parrenin an Dortous de Mairan, 28. des Herbstmonats 1735, in: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Dreissigster Theil, Nr. 623, S. 12 – 30. Hier S. 28. Erstveröffent­lichung 1739: Lettre du P. Dominique Parennin S. J. à Dortous de Mairan. In: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 24, S. 1 – 92, hier S. 78. 176 Montanari, Massimo: Der Hunger und der Überfluß. Kulturgeschichte der Ernährung in Europa (Beck’sche Reihe, Bd. 4025). München 1999. S. 155ff. 177 Brief Florian Bahrs an Maria Theresia von Fugger-Wellenburg, 3. November 1743, in: Hsia, Ronnie Po-chia (Hg.): Noble Patronage and Jesuit missions. Maria Theresia von Fugger-Wellenburg (1690 – 1762) and Jesuit Missionairies in China and Vietnam (Monumenta Historica Societatis Iesu. Series Nova, Bd. 2). Rome 2006. Nr. 13. S. 119. Dazu auch Wappenschmidt, Christ­liche Mildtätigkeit, S. 150. 178 Brief des Joannes Walter an seine Eltern, 2. des Christmonats 1744. In: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Vier und dreyssigster Teil, Nr. 683, S. 84 – 92. Hier S. 88.

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effizienten staat­lichen Hilfsprogramms wurde er mit der Abwanderung großer Bevölkerungsteile nach Süden (Kanton) konfrontiert. Die Menschen hofften, so Osbeck, dort zwischenzeit­lich ihre Not lindern zu können. Daneben bestätigte er erneut den Topos, dass viele Familien ihre Kinder, insbesondere Mädchen, aus den Familien verstießen und aussetzten. Sie nahmen ihren Tod billigend in Kauf, hofften aber, andere Menschen würden sich aus Mitleid ihrer Kinder erbarmen.179 Den geduldigen Umgang der Chinesen mit der Not, die Ruhe in der Bevölkerung, die der Jesuit Prémare im Vergleich zu ähn­lichen schlimmen Situationen in der europäischen Vergangenheit betont hatte, konnte Walter für die Hungersnot 1744 nicht bestätigen. Da der Regen ausblieb, wurden die Bestürzung allgemeiner, und das Murrren unter dem Pöbel desto ärger. Weilen bey dergleichen betrüb­lichen Umständen das Volk gemeinig­lich alle Schuld denen Mandarinen, ja dem Kayser selbst zuschreibet, als deren Sünden, Ungerechtigkeiten und üble Regierung der Himmel an dem Reich, und dessen Innwohnern straffe, beförchtete man, daß nicht, bey anwachsender Hungers=Noth eine allgemeine Empörung entstunde.180 Die Hungersnot wurde als Versagen der Verwaltung, aber auch als Zeichen von fehlender oder ungenügender kaiser­licher Pf­lichterfüllung gewertet. Aufstände mussten befürchtet werden und selbst die Herrschaft konnte so in Gefahr geraten. Der Kaiser (gemeint ist der Qianlong-­Kaiser) stand nun in der Verantwortung, durch Gebete und rituelle Handlungen das kosmische Gleichgewicht und damit die Ursachen für die Strafe schnell wiederherzustellen. Darüber hinaus ließ er in der Hauptstadt Geld, Reis und Weizen verteilen, ohne die Krise wirk­lich beherrschen zu können.181 Schließ­lich bat der Herrscher auch erfolglos um Regen, während den Gebeten der Jesuiten die Gnade Gottes beschieden war und die Dürre ein Ende fand. Eine Flut von Taufen folgte und offenbarte nach Walter einmal mehr die Kraft des gött­lichen Segens, der auf der Mission in China trotz aller Einschränkungen durch den Qianlong-­Kaiser liege.182 Während die Jesuiten in diesem Fall versucht hatten, durch geist­lichen Beistand die Not zu lindern und Gewaltausbrüche in der Bevölkerung zu verhindern, waren sie in anderen Fällen mit ihrem Fachwissen in die kaiser­lichen Bemühungen um Hilfe bei Katastrophen involviert. So hatte der Mathematiker und Kartograf Antoine Thomas (1644 – 1709) im Jahr 1699 den Auftrag des Kangxi-­Kaisers erhalten, die Reparatur- und Hilfsmaßnahmen nach einer Überschwemmung am Gelben Fluss zu organisieren. Er war somit nicht nur Zeuge, sondern mitwirkender Teilnehmer des

179 Osbeck, Reise nach Ostindien und China. S. 224f. 180 Brief des Joannes Walter an seine Eltern, 2. des Christmonats 1744. In: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Vier und dreyssigster Teil, Nr. 683, S. 84 – 92. Hier S. 88f. 181 Dazu auch Demel, Das China-Bild in Bayern, S. 207. 182 Brief des Joannes Walter an seine Eltern, 2. des Christmonats 1744. In: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Vier und dreyssigster Teil, Nr. 683, S. 84 – 92. Hier S. 88f. Zu den Christen in Peking vgl. Krahl, Joseph: China Missions in Crisis: Bishop Laimbeckhoven and his Times, 1738 – 1787 (Analecta gregoriana, Bd. 137). Roma 1964. S. 191ff.

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staat­lichen Katastrophenmanagements. Von ihm stammen neben technischen Informationen zum Wiederaufbau auch wesent­liche Berichte zur Bekämpfung der Seuchen und Hungersnöte im Krisengebiet 1699, die später in Du Haldes Description de la Chine Aufnahme fanden.183 Der grundsätz­liche Fokus der Jesuitenberichte richtete sich einerseits darauf, zu beschreiben, wie China Hungersnöte durch eine gezielte Förderung der Landwirtschaft zu vermeiden suchte, und andererseits, mittels welcher Maßnahmen eine sinnvolle Vorsorge für den Fall von Missernten oder Naturkatastrophen getroffen wurde. In der Vorratswirtschaft durch ein Netz von Kornspeichern erkannten die Jesuiten einen wesent­lichen Grundstein für ein effizientes Krisenmanagement der Regierung zur Bekämpfung von Hungersnöten. In all diesen Beschreibungen wurden die ethische Verpf­lichtung des Monarchen und das patriarchalische Staatsverständnis als Motivation für gezieltes Regierungshandeln betont.184 Versagte der einzelne Monarch und unterließ notwendige Maßnahmen, so verwiesen die Berichterstatter auf den wichtigen Mechanismus der Erinnerung und Herrscherkritik, um übergroße Schäden vom Land abzuwenden. Zunächst soll anhand von Du Haldes Überblickswerk die Rolle des chinesischen Kaisers im Rahmen der Vor- und Fürsorgepolitik vorgestellt werden. Im Anschluss daran werden praktische Vorsorgemaßnahmen wie das staat­liche Vorratssystem aus der Zeit der ersten Qing-­Kaiser nachDu Haldes Kompendium und anderen Chinaberichten geschildert. Jean-Baptiste du Halde bot in seiner Description de la Chine im Kontext unterschied­ licher Themen zahlreiche Beispiele für die in China üb­liche und mög­liche Kritik 185 an der Herrschaftsausübung der chinesischen Kaiser durch Ermahnungen aufmerksamer Mandarine oder die kritische Selbstreflexion von Monarchen zu ihren Versäumnissen oder Fehlern. Dafür stellte Du Halde eine Auswahl an Übersetzungen von Reden, Vorschlägen und Denkschriften von Ministern und Mandarinen, die den Herrschern

183 Zu Thomas vgl. Dehergne, Joseph: Repertoire des Jésuites de Chine de 1552 à 1800. Paris/Rom 1973. S. 270f. Bosmans, Henri: L’oeuvre scientifique d’Antoine Thomas. In: Annales de la société d’Emulation 44 (1924). S. 169 – 208; 26 (1926). S. 154 – 181. 184 Dies findet sich in einer zeitgenössischen Übersetzung Amiots zu Vorstellungen des Qianlong-­Kaisers. Amiot, Joseph-Marie (Übers.): Reflexions sur l’agriculture par Kien-long Empereur [Qianlong-­ Kaiser] de la Chine et de la Tartarie actuellement regnant, traduites en francais par le R. P. Amiot. Paris 1770. Kurz zu dieser Schrift Huard, Pierre/Wong, Ming: Les enquêtes françaises sur la science et la technologie chinoises au XVIIIe siècle. In: Bulletin de l’École Française d’Extrême-Orient, Bd. 53/1 (1966), S. 137 – 226. Hier S. 180. 185 Unterschied­lich konzipierte und geäußerte Kritik an Fürsten und Kaisern mit dem Ziel der Belehrung und Ermahnung ist in China nach Gregor Paul seit der Zeit der streitenden Reiche nachweisbar. Sie galt u. a. als Mittel, Gefahr für das Gemeinwesen abzuwenden. Paul, Gregor: Eine gültige Theorie der Kritik. Klassisch-gelehrte Ansätze in chinesischen Texten. In: Roetz, Heiner (Hg.): Kritik im alten und modernen China ( Jahrbuch der deutschen Vereinigung für China-Studien, Bd. 2). Wiesbaden 2006. S. 48 – 62. Hier S. 52 – 54.

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unterbreitet wurden, aus der älteren Geschichte zusammen.186 Als Quellen führt er an: C’est ce que nous apprendrons des Chinois mêmes, en parcourant les diverses Dynasties dans le Recueil qui a été fait par les ordres, & sous les yeux du feu Empereur Cang hi [Kangxi], dont je donne la Traduction faite avec beaucoup de soin par le P. Hervieu, ancien Missionnaire dans cet Empire.187 Zugleich rühmte er auch die klassischen Bücher der Chinesen, die beste Orientierung für eine gute Regierung böten: II parôit que le but de la doctrine des Livres Classiques a été de maintenir la paix & la tranquilite de l’Etat, par le reglement des moeurs & l’exacte observation des Loix; & que, pour parvenir, les premiers Chinois jugèrent que deux choses étoient nécessaires à observer, scavoir, les devoirs de la Religion, & les règles du bon gouvernemént.188 Du Halde zitierte ein Beispiel für die kritische Bestandsaufnahme mit Lösungsvorschlägen im Bereich der Landwirtschaft aus der Han-Dynastie in Form der Rede des Kia y (?), der Kaiser Ven ti [Han Wendi] ersucht haben soll, den vernachlässigten Landbau neu zu motivieren, um das drohende Ungleichgewicht zwischen Nahrungsanbau und -bedarf mit zumeist daraus folgenden Hungersnöten zu verhindern: Koan tse disait en parlant des peuples: on peut les instruire, & les former aux bonnes mœurs quand on a de quoi les nourrir: mais qu’un peuple à qui le nécessaire manque demeure longtemps dans le devoir sans s’échapper, depuis l’antiquité la plus reculée jusqu’à présent, on n’en a pas vu d’exemple. Un homme qui ne cultive point la terre, disait-on anciennement, est en danger de manquer de pain […]. Les choses nécessaires à la vie de l’homme ne croissent pas toutes 186 Recueil impérial, contenant les édits, les déclarations, les Ordonnances & les Instructions des Empereurs des différentes Dynasties, les Remontrances & les Discours des plus habiles Ministres sur le bon ou le mauvais Gouvernement &c. & diverses autres Pièces recueillies par l’Empereur Cang hi, & terminées par de courtes Réflexions écrites du pinceau rouge; c est-à-dire, de sa propre main. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 386 – 388. 187 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 387. Es handelt sich um den Jesuiten Julien-Placide Hervieu (1671 – 1746), einen Schüler von Joachim Bouvet und so genannten kleinen Figuristen. Später stand Hervieu als Superior der Mission vor. Bouvet verfügte über außerordent­lich gute Beziehungen zum Kangxi-­Kaiser. Ihm war es erlaubt, auch nach dessen Tod als einziger Lehrer am Hof zu verbleiben. Auf diese Weise fiel ihm der Zugang zu entsprechenden Denkschriften nicht schwer. Vgl. die Kurzbiografie von Bouvet: Collani, Claudia von: Biographie von Joachim Bouvet SJ, Chinamissionar. Online unter: http://132.187.98.10:8080/encyclopedia/de/bouvetJoachim. pdf (gesehen am 14.08.2011). S. 15. Vgl. auch Hsia, Sojourners in a Strange Land, S. 138. 188 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 3, S. 2. Ihm lagen in Auszügen Übersetzungen der fünf Klassiker von Antoine Gaubil und Joseph Henri de Prémare vor. Gaubil übersetzte das Shujing (Buch der Urkunden), das Liji (Buch der Riten) und das Yijing (Buch der Wandlungen) ins Französische. Es gelangten zunächst jedoch nur Teile davon nach Europa. Für Du Halde handelte es sich dabei um Livres canoniques du Premier ordre. Im Jahr 1770 erschien das Shujing, das Buch der Urkunden, komplett: Prémare, Joseph Henri de: Discours préliminaire ou recherches sur le terms anterieur de ceux dont parle le Chou-king, & sur la Mythologie Chinoise. In: Gaubil, Antoine: Le Chou-king, un des livres sacre de la Chine. Paris 1770. S. XLIV – CXXXXVIII. Gaubil verwies in der Einleitung darauf, dass zwischen mythischen und historischen Fakten unterschieden werden müsse. Vgl. Lundbaek, First European Translations of Chinese Historical and Philosophical Works, S. 34.

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en tout temps: si l’on n’a soin de les ménager, elles manqueront. Telles étaient les maximes des anciens: maximes qu’on suivait dans la pratique, & dont l’exacte observation était la base du gouvernement: aussi ne manquait-on point du nécessaire. Aujour d’hui on néglige l’agriculture. Une infinité de gens vivent du rapport des terres, & très peu de gens les cultivent: c’est équivalemment une disette. D’un autre côté la débauche & le luxe augmentent […]. Il y a quarante ans qu’a commencé la dynastie Han […]. Faites autant qu’il se pourra, que vos peuples vivent tous de ce qu’ils recueilleront eux-mêmes […].: faites que tout ce peuple aille cultiver les terres du midi, qui sont en friche: engagez-le à ce travail, c’est le mieux; mais il faut l’y forcer s’il est nécessaire: cet ordre étant observé, il y aura partout de quoi faire des reserves.189 Du Halde hatte mit dieser Passage sehr wahrschein­lich auf einen Text des Philosophen Wang Fu (76 – 157 n. Chr.) aus der späten Hanzeit zurückgegriffen, diesen jedoch falsch datiert und zugeordnet. Auffällig sind die starken Parallelen in der Argumentation zu seinem Qianfu lun, das in Kap. 2.2.6 (zur Arbeit in China) bereits ausführ­lich vorgestellt worden ist. Wang Fu hatte davor gewarnt, mit der Abwendung von der Landwirtschaft und der Hinwendung zu anderen Tätigkeitsbereichen die Lebensgrundlage des Staates zu zerstören. Du Haldes Auswahl des Textes offenbarte dem zeitgenössischen europäischen Leser die wohlmeinende Ermahnung eines besorgten und verantwortungsvollen Untertanen zur Pf­l icht des Kaisers, das bestehende Missverhältnis wieder in ein sinnvolles Gleichgewicht zu bringen. Auch die beschämte Reaktion des Monarchen ersparte der Jesuit seinen Lesern nicht. Selbstkritisch solle der Kaiser geäußert haben: Ceux qui sont chargés du gouvernement des peuples, doivent leur inspirer tout l’attachement possible, pour ce qu’il y a de nécessaire dans un État. Telle est sans contredit l’agriculture.190 Der einsichtige Monarch beklagte nach Du Halde in diesem Zusammenhang aber auch, dass das Volk nicht zuletzt deshalb hungere, weil seine Untergebenen seine Befehle nicht richtig ausgeführt hätten.191 Als schnell wirksame, jedoch temporäre Sofortmaßnahme gegen den Hunger wollte er dem Volk die Hälfte der Steuern und Getreideabgaben erlassen. Du Halde hatte mit diesem Text eindrucksvoll gezeigt, wie stark eine blühende Landwirtschaft vom persön­lichen Einsatz des Herrschers durch die Erfüllung seiner rituellen Pf­lichten, seiner Person als Vorbild der gesamten Gesellschaft, der Einhaltung der Gesetze – in diesem Fall vom Erhalt des Gleichgewichts – geeigneten

189 Rede von Kia y, der Kaiser Ven ti ersuchte, sich um den vernachlässigten Ackerbau zu kümmern. In: Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 427f. 190 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 393. 191 Ibd. Nach Wang Fu stellten die Beamten das Bindeglied zwischen Herrscher und Gesellschaft dar. In der Auswahl der richtigen Männer für bestimmte Positionen bestand die wichtigste und dring­ lichste Aufgabe eines Herrschers. Erfolgreiches politisches Handeln setzt jedoch die Loyalität und Seriosität der Beamten voraus. Holzer, Ch’ien-fu-lun des Wang Fu, S. 43. Auf allen Ebenen lag jedoch die Administration der Han-Dynastie am Boden. Vgl. dazu Di Giacinto, Soziale Kritik am Ende der späteren Han-Dynastie, S. 86f.

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Präventivmaßnahmen zur Vorsorge von Hungersnöten sowie den Fähigkeiten und dem Verantwortungsgefühl der Staatsbeamten abhing. War ein Zusammenspiel dieser Komponenten nicht gegeben, so entstand ein für die Herrschaft und Gesellschaft gefähr­liches Defizit, eine Disharmonie, die offen kritisiert werden musste und konnte. Die Ausführ­lichkeit, in der sich Du Halde den Pf­lichten der chinesischen Monarchen gegenüber den Untertanen und den Mög­lichkeiten zur Kritik durch sie zuwandte, zeigt, wie beeindruckt der Franzose offensicht­lich war und wie sehr für ihn die Verpf­l ichtung des Kaisers von China der der europäischen Fürsten auf das Bonum commune entsprach. Gerade die Verpf­l ichtung, gemeinwohlorientiert zu herrschen, entsprach grundlegend der Auffassung der Jesuiten, überhaupt Herrschaft auszuüben. Doch trotz verschiedener persön­licher Bemühungen eines Herrschers um die Landwirtschaft konnte es zu Missständen kommen. Du Halde wählte als Beispiel eine Passage, in der Kaiser King ti ( Jingdi 156 – 141 v. Chr.)192 Rechenschaft über seine Pf­l ichtausübung ablegte, dennoch aber Missstände beklagen musste. So sah er sich veranlasst, weiter immer selbstkritisch nach Ursachen zu suchen und seine Handlungen und mög­lichen Versäumnisse zu hinterfragen: Je laboure la terre moi-même chaque année, & l’impératrice nourrit des vers à soie. C’est du travail de nos mains, que nous fournissons en partie aux cérémonies ordinaires à l’égard de nos ancêtres. Nous nous faisons un devoir d’en user ainsi, pour donner l’exemple à nos sujets, pour les animer à l’agriculture, & procurer abondance dans tout l’empire. C’est dans cette même vue que je refuse les présents, que je supprime les charges moins nécessaires, & que je me retranche sur le reste autant qu’il est possible, pour diminuer à proportion les subsides. Non, je n’ai rien plus à cœur, que de voir fleurir l’agriculture: si une fois elle fleurissait, elle serait suivie de l’abondance, & l’on aurait de quoi faire des réserves pour les temps de stérilité. On ne craindrait plus tant ces famines, pendant lesquelles on voit le plus fort enlever au faible le peu qu’il a, & des troupes de brigands ravir le nécessaire à de pauvres familles. Si l’agriculture fleurissait, on ne verrait plus tant de jeunes gens mourir de misère, ou de mort violente en la fleur de l’âge; & chacun aurait du moins de quoi couler doucement ses jours jusqu’à une extrême vieillesse. Bien loin que nous en soyons là, voici une année de stérilité bien fâcheuse […]. Der Kaiser fragte sich nach seinen Verfehlungen und falscher Personalpolitik: Ne me suis-je point laissé surprendre à l’artifice & à l’hypocrisie, dans la distribution des emplois?193 Unter den ersten Qing-­Kaisern schien jedoch das Zusammenwirken zwischen dem Herrscher und dem Beamtentum aus Sicht der Europäer erfolgreich zu funktionieren, denn Du Halde berichtete begeistert von den vom Kaiser erbetenen Meldungen der Provinzbeamten zum Zustand der Landwirtschaft: L’attention des empereurs & des mandarins pour la culture des terres, est si grande, que lorsqu’il vient à la cour des députés

192 Es handelt sich um den Nachfolger von Han Wendi. 193 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 397.

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de la part des vicerois, l’empereur ne manque jamais de leur demander en quel état ils ont vu les campagnes.194 Gleichzeitig gab Du Halde an, dass der Monarch die Bauern über die Provinzstatt­ halter über den von den Bauern geschaffenen Wert ihrer Arbeit und die Bedeutung ihrer Erträge für die Wirtschaft des Reiches unterrichtet habe: Afin de les exciter au travail, il a ordonné aux gouverneurs de toutes les villes, de l’informer chaque année de celui, qui parmi les gens de cette profession, se sera le plus distingué dans leur district, par son application à la culture des terres, par l’intégrité de sa réputation, par le soin d’entretenir l’union dans sa famille, & la paix avec ses voisins; enfin par son économie, & son éloignement de toute dépense inutile.195 Herrscher und bäuer­licher Untertan standen somit auch, über das Pflugritual hinaus, über das Beamtentum als Bindeglied in Kontakt. Informationen über Bedürfnisse der Landleute oder Missstände gelangten aus allen Provinzen zu ihm und er bestätigte sie ihres notwendigen und wichtigen Beitrags zum Erhalt des Staates und des inneren Friedens. Auf der Basis des Informationsaustauschs konnte so leichter auf Versorgungsprobleme reagiert werden. Du Halde gibt ein Beispiel aus der chinesischen Geschichte: Der Beamte Tchin kié [vermut­lich Wang Anshi (1021 – 1086)?] sei auf seiner Visitation in den Provinzen mit der Armut des Volkes nach einer Dürre konfrontiert worden. Er habe deshalb ein Memorandum an den Kaiser Chin tsong [vermut­lich Shenzong, reg. 1067 – 1085 oder den Wanli-­Kaiser (Ming, 1563 – 1620)] mit Vorschlägen zur Verbesserung der Situation verfasst, in welchem er dem Kaiser dazu riet, die Speicher zu öffnen, um Korn für die Ärmsten zu verteilen, sowie die Steuern auszusetzen.196 Auf das in China unter den Qing-­Kaisern wiederentstehende und anfangs gut funktionierende System öffent­licher Kornspeicher (greniers publiques) geht Du Halde nicht direkt, sondern nur im Kontext eines kaiser­lichen Ediktes ein, an dem sich die väter­ liche Fürsorgepf­licht des Herrschers offenbarte: Kiang Ké [?] originaire de Tsi étoit fort pauvre mais fort vertueux. Il se distingua surtout par sa piété envers sa mère qui étoit veuve. Tout son quartier le loua fort aux Magistras que l’Empereur en fut instruit & le fit Ta fou Kiang Ké devenu infirms, obtint au bout de quelque tems la permission, de se retirer en son pays. Il ne fut pas oublié dans sa retraite. Tchang ti [Kangxi?] donna en sa faveur un ordre conçu en ces termes. […] Il y a quelque tems qu’un des Ta fou hiang s’est retiré pour cause de maladie. Je souhaitte fort d’être instruit de l’état de sa santé. La piété filiale, principe & fondement des autres vertus, en est aussi comme le couronnement. Ké est celui qui sous mon Règne s’est le plus distingues par cet endroit. Cet ordre reçû, qu’on lui fournisse du grenier public mille mesures de grain. Qu’à la huitiéme Lune de chaque

194 Ibd. S. 69f. 195 Ibd. S. 71. 196 Ibd. S. 571.

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année le Magistrat du lieu lui donne du vin & un mouton, & s’informe de ma part comment il se porte. S’il lui arrive accident, que dans les ceremonies ordinaires on employe un animal du second ordre.197 Auch die Lettres édifiantes erwähnten 1758 die vorteilhafte Einrichtung der ­magasins particuliers pour le ris & les grains.198 In Stöckleins Welt=Bott erschien im Jahr 1755 der 20 Jahre alte Bericht des französischen Jesuiten Dominique Parrenin. Er erläuterte zunächst die löb­liche und wohlmeinende kaiser­liche Einrichtung von landesweiten Getreidespeichern. Bei Missernten ergehe an ihre Verwalter der Befehl, die Speicher der betroffenen Provinz zu öffnen und das Getreide an Bedürftige zu verteilen: Allein, weil dieselbe öffters leer sind, stellen sie scharffe Nachfrag und Untersuchungen an, verschieben aber den nach Hof zu gehenden Bericht, als eine allda gar unlustig= und verdrieß­liche Zeitung so weit hinaus, als sie füg­lich können.199 Die Untersuchungen ergaben dann, so Parrenin, […] daß die grosse Mandarinen, welche denen öffent­lichen Speichern vorstehen, die Obsorg derenselben wahrhafften Harpyen, oder Raub=Vögeln anvertrauen. […] Es gebrauchet sich dieses Lumpen=Gesind tausenderley Kunstgriffeln zum stehlen.200 Die Verwaltung der einzelnen Getreidespeicher war aus Sicht Parrenins von Veruntreuung und Lügen geprägt. Die entlarvten Verwalter der einzelnen Speicher seien zwar für die Unterschlagung bestraft, die Berichte über den Mangel in den Magazinen aber seitens der Großverwalter in den Provinzen gegenüber Peking zurückbehalten worden. Der Jesuit beklagte das mangelnde Pf­l ichtbewusstsein der zuständigen Mandarine bitter. Die bewusste Verschleppung von Informationen seitens der Großverwalter der Kornspeicher in hohen Mandarinsrängen sowie die riesigen Entfernungen in China begünstigten die Ausbreitung der Hungersnöte und verhinderten neben der aktiven Linderung der Not durch die staat­lichen oder kommunalen Einrichtungen auch den Informationsfluss. Somit sei der Tod unzähliger Menschen zur Vertuschung von Unrecht in Kauf genommen worden.201 Parrenin eröffnete auf die oft gerühmte Effizienz, das Zusammenspiel von kaiser­licher Zentralgewalt und dem ausführenden Arm der Verwaltung, einen ungewohnt scharfen und kritischen Blick. Vorteilsnahme und Korruption analysierte er als Gründe für fehlgeschlagenes Krisenmanagement bei Hungersnöten und konterkarierte damit auch die sonst weitgehend übereinstimmende jesuitische Berichterstattung über das Fehlen von Korruption in der Verwaltung, wie sie etwa Du Halde in seiner

197 Ibd. S. 12 und S. 469. 198 Mémoire du Père Gaubil sur les Isles de Lieou-kieou, in: Le Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 28, S. 335 – 436, hier S. 404. 199 Brief des Paters Dominique Parrenin an Dortous de Mairan, 28. des Herbstmonats 1735, in: ­Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Dreissigster Theil, Nr. 623, S. 26. Erstveröffent­lichung 1739: Lettre du P. Dominique Parennin S. J. à Dortous de Mairan, in: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 24. S. 1 – 92. Hier S. 77. 200 Stöcklein, Welt=Bott, Dreissigster Theil, Nr. 623, S. 27. 201 Ibd. S. 28.

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Description de la Chine bot. Nur in Peking und einigen Nachbarprovinzen schien das Speichersystem so zu funktionieren, wie es ursprüng­lich von der Regierung geplant worden sei. Die Silos seien ordent­lich gefüllt und beherbergten Vorräte für zehn Jahre.202 Von der staat­lichen Vorratswirtschaft berichtete der Schwede Peter Osbeck nichts. Pierre Poivre hingegen widmete der staat­lichen Vorsorge gegen Hungersnöte und der Transparenz der Verwendung von Steuereinnahmen ein eigenes Kapitel. Neben der zwar vollkommen idealisiert dargestellten, dennoch im Vergleich zu Europa und Indien niedrigen Steuer, die in Form der Abgabe des Zehnten erfolgte, ist es insbesondere der Umgang mit den abgegebenen Feldfrüchten, die Poivre nachhaltig beeindruckt hatte: Einerseits sei aus diesen Abgaben der Unterhalt der Beamten und der Soldaten gewonnen, zum anderen seien damit die großen staat­lichen Magazine bestückt worden, die im Falle einer Hungersnot geöffnet wurden und die Bevölkerung der betroffenen Gegend ernährten. Poivre hatte offensicht­lich auf seinen Reisen ein deut­lich besser funktionierendes Speichersystem als Parrenin kennengelernt. Abgabeüberschüsse der Bevölkerung gelangten auf die einheimischen Märkte zum Verkauf. Die Erlöse füllten die Schatzkammern des Reiches unter der Aufsicht des Amtes der Einkünfte (Hubu).203 Detaillierte Informationen zu den greniers économiques und zu den arts de besoin gelangten zeit­lich parallel zu Poivres Bericht als direkte Antwort auf die Fragenliste aus dem Jahr 1766 und einen Brief des Ministers Bertin aus dem Jahr 1767 durch die Korrespondenten Aloys/Louis Ko und Étienne Yang nach Paris in einen kleinen, physio­ kratischen Ideen aufgeschlossenen Regierungszirkel um Bertin, Turgot und Quesnay. Bertin fungierte zwischen 1759 und 1763 als Generalkontrolleur der Finanzen Frankreichs und unterstützte die von Quesnay geforderte freie Zirkulation von Gütern. Er hatte die Liberalisierung des Getreidehandels deshalb mit realisiert. Zugleich erlebte er in dieser Zeit auch die Folgen dieser Entscheidung. In einem Brief vom 20. Januar 1767 hatte Bertin begeistert auf die Nachricht reagiert, dass in Peking auf Geheiß des Qianlong-­ Kaisers eine Kommission an einem umfassenden Überblickswerk zur Landwirtschaft gearbeitet habe. Er bat Ko und Yang wie schon zuvor in der Fragenliste noch einmal um genaue Angaben zur Konstruktion und Einrichtung der Getreidespeicher sowie weitere nütz­liche Auszüge aus diesem ehrenvollen Werk. Es handelte sich bei dem von Bertin erwähnten Werk um das nach 1742 erschienene Shoushi tongkao, in dessen Kapiteln 54 – 57 tatsäch­lich Informationen über das staat­liche Vorratssystem enthalten waren.204 Im September des Jahres 1768 verfassten die beiden Korrespondenten Ko und Yang, ergänzt durch Cibot und Amiot, das Mémoire sur la conservation et la police de grains

202 Ibd. S. 29. Darauf verweist auch Demel, Das China-Bild in Bayern, S. 205f. 203 Poivre, Voyages, S. 209f. 204 Brief Bertins an Ko und Yang vom 20. Januar 1767. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1521, Bl. 93f. Lewis, Henri-Léonard Bertin and the Fate of the Bourbon Monarchy, S. 87ff.

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à la Chine und schickten es als Antwort auf die Fragenliste und den Brief an Bertin.205 Es gelangte 1775 leicht modifiziert durch Edme Beguillet, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Mitglied der Société d’Agriculture in Paris, an die Öffent­lichkeit.206 In einer ausführ­lichen Einleitung beschrieben die Autoren verschiedene Formen des greniers de l’Empereur, les greniers des Princes, les greniers du Gouvernement, les greniers de piété pour les vieillards, les malades, les orphelins et les veuves, les greniers économique pour les tems de stérilité & de famine.207 Der letzte Typ der Kornspeicher diente der Versorgung der Bevölkerung bei Hungersnöten (wie im Kapitel 2.2.5 beschrieben). Gerade nach den Präventivmaßnahmen für Hungersnöte hatte Bertin gefragt. Nun erfuhr er, dass sich die Größe der greniers économiques und ihre Vorratsmenge aus den Zehnten, den Abgabemengen der Gemeinden in Abhängigkeit von ihren Einwohnerzahlen ergaben. Darüber hinaus waren die Landbesitzer Chinas angewiesen worden, eigene Vorratswirtschaft zu betreiben. Durch dieses dezentrale System konnte bei Bedarf regional schnell geholfen werden. Deshalb wurde die Bevölkerung eines jeden Distriktes in den Jahren guter Ernte aufgefordert, mit Geld, Material oder ihrer Arbeitskraft den Bau neuer oder den Erhalt bestehender Speicher zu unterstützen. Zudem, so wurde dem Minister mitgeteilt, übernahm die Regierung im Bedarfsfalle eine Preisregulierung für Korn, während sonst Überschüsse frei verkäuf­l ich waren.208 Mit den Gnadenspeichern, so berichteten die Korrespondenten Bertin, setzte sich der Kaiser persön­lich gemäß der alten Traditionen und Bücher für die Ernährung der tien min, der alten Leute, der Witwen und Waisen als Kinder des Himmels ein.209 Mög­lich sei diese direkte kaiser­liche Fürsorge aufgrund der präzisen Einwohnerverzeichnisse, welche in den Provinzen zusammengestellt und ständig aktualisiert worden seien. Zudem habe die Regierung in Peking aufgrund der Berichte der Getreidekontrolleure 205 Bertin schrieb an Ko und Yang, er wisse von staat­lichen Magazinen, die in Zeiten des Hungers das Überleben der Menschen gewährleisten sollten. Brief Bertins vom 3. September 1766. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1521, Bl. 24. Das handschrift­liche Manuskript des Mémoire aus dem Jahr 1768 befindet sich in Paris: Ko, Aloys/Yang, Étienne et al.: Mémoire sur la conservation et la police des grains à la Chine. Signatur: Bibliothèque nationale de France. Département des manuscrits. NAF 22335. Fol. 342 – 382. 206 Edme Beguillet publizierte es im fünften Kapitel des ersten Teils des Traité de la connoissance générale des grains, et de la mouture par économie unter dem Titel Sur la conservation & la police des grains à la Chine. In: Beguillet, Edme (Hg.): Traité de la connoissance générale des grains, et de la mouture par économie. Première Partie. Paris 1775. S. 541 – 655. Auf S. 554f. finden sich die einzelnen Kornspeichertypen, ab S. 612 die Abhandlung zu den greniers économiques. Beguillet ergänzte den Bericht um weitere Informationen zu Bevölkerungszahlen aus Reiseberichten. Der Hinweis dazu findet sich bei Dehergne, Une grande collection, S. 272. 207 Ko/Yang, Mémoire, fol. 346. 208 Ibd. fol. 348 und 362. Das greift auch Edme Beguillet in der Publikation des Mémoire in seinem Traité de la connoissance générale des grains auf. Première Partie. S. 555 und S. 617. 209 Ko/Yang, Mémoire, fol. 365.

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klare Vorstellungen besessen, wie viel Reis und Getreide in den Provinzen in die g­ reniers économiques aufgenommen worden war.210 Waren die Speicher voll, konnte von einer stabilen Situation ausgegangen werden. Yang, Ko, Cibot und Amiot betonten, dass die Bevölkerung dann beruhigt sei. Zudem machten sie ihren Adressaten Bertin auf das wichtige Zusammenwirken von Regierungstechniken wie der Gesetzgebung sowie der patriarchalischen Fürsorgepf­licht des Monarchen mit denen der Statistik und breiten Datenerhebung durch den Staat aufmerksam. Beeindruckt schilderten sie den Nutzen, den die chinesische Regierung aus den Daten zog. Die Krisenprävention war in China aus Sicht der vier Berichterstatter sinnvoll organisiert und funktionierte, da die zuständigen Mandarine notwendige Fachkenntnisse zu erwerben hatten, um Aussaat und Ernte zu überwachen und somit für eine ausreichende Lebensmittelproduktion zu sorgen hatten sowie in der Regel moralisch integer und unbestech­lich handelten. Sie übermittelten Bertin auch Informationen zu dem ungeheuren moralischen Druck, unter dem das Handeln der Mandarine stand. Die kaiser­liche Richtschnur für die Beamten ermahnte die Amtsträger, sie würden als Mörder (assassin) eines jeden Untertanen betrachtet, den in Hungersnöten die kaiser­liche Hilfe nicht erreiche.211 Die Jesuiten konstatierten, dass die Chinesen mit diesem Vorsorgesystem zwar nicht als Christen, aber als wahre Menschen handelten: Mais l’Europe a L’evangile, la Chine ne peut rien lui apprendre sur le respect, la tendresse, et les soins qui sont dus aux membres souffrans de l’humanité. Sie stellten die chinesische Fürsorge deshalb auf eine Stufe mit der bekannten procuratio annonae im antiken Rom.212 Die Jesuiten verwiesen mit diesem Beispiel auf den Wert einer von der Religion unabhängigen Moral, die sich in der humanen und sozialen Praxis offenbarte. Es ist deshalb Günther Lottes Annahme zuzustimmen, dass die Jesuiten ein Bild Chinas vermittelten, das den Europäern eine „transitional stage in the eventual secularization of moral thinking“ vorbereitete.213 Ko, Yang, Cibot und Amiot hatten mit dem gemeinschaft­lich erstellten ausführ­lichen Mémoire und den darin genannten arts de besoin ein System im Sinne des Zusammenspiels von praktischen und moralischen Komponenten und Regierungstechnologien nach Europa vermittelt, das verschiedene Perspektiven auf die eigenen Defizite eröffnete und zugleich ein Spektrum von Lösungsansätzen bot. Sie verwiesen dabei wie viele Jesuitenberichte zuvor auch auf das Verhältnis von Herrscher und Untertan. Es handelt sich deshalb auch weniger um einen klassischen Bericht als vielmehr um eine umfassende Abhandlung mit vielfältigen Erwägungen und Tendenzen. In seinem Dankes- und 210 Ibd. fol. 366. 211 Ibd. fol. 367- 369. 212 Ibd. fol.369. Das greift auch Edme Beguillet in der Publikation des Mémoire in seinem Traité des subsistances et des grains auf. S. 316. 213 Lottes, Günther: China in European Political Thought 1750 – 1850. In: Lee, Thomas H. C. (Hg.): China and Europe. Images and Influences in Sixteenth to Eighteenth Centuries (Institute of Chinese Studies, Monograph series, Bd. 12). Hongkong 1991. S. 65 – 99. Hier S. 70.

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Antwortbrief an die Autoren des Mémoire nach Peking ging Bertin interessiert auf die von den Jesuiten dargestellte Abhängigkeit funktionierender Getreidespeichersysteme und Vorsorgemaßnahmen von der patriarchalischen Herrschaft ein und diskutierte erste Gedanken einer Realisierung in Frankreich.214 Die Mémoires concernant les Chinois boten ihren Lesern viel später, erst 1783, eine authentische und breite Darstellung des Abgabe- und Getreidespeichersystems unter dem Titel Distribution de Ris à toutes les familles ruinées par l’inodation.215 Es handelte sich um die verkürzte, jedoch leicht modifizierte Darstellung der Abhandlung an Bertin und stammte somit von denselben Autoren. Sie thematisierten im Kontext der Krisenprävention für Hungersnöte erneut die große Bedeutung des Verhältnisses zwischen Herrscher und Volk, zwischen Administration und Untertanen. Sie beriefen sich dabei auf das römische Herrschaftsideal nach Cicero und verg­lichen es mit dem chinesischen: Fortem, justum, severum, gravem, magnanimum, largum, beneficum, liberalum dice: hæ sunt virtutes regiæ. Die Jesuiten betonten insbesondere das Ideal des largum und liberalum der Römer, dem sich der chinesische Kaiser verpf­l ichtet fühlte.216 Das öffent­liche Fürsorgesystem der Kornspeicher basiere auf väter­lichen Gesetzen und einer väter­lichen Regierung, die sich grundsätz­lich dem Respekt vor den Eltern verschrieben habe und für jedermann, auch für den Herrscher, die Prinzen, die Minister und Mandarine gelte.217 Nach Europa gelangten jedoch auch Beispiele von ausuferndem Luxus von M ­ onarchen, die zum Ruin des Landes geführt und die Bevölkerung stark belastet hätten. So berichtet Du Halde von dem historischen Kaiser Jié (aus der Xia-Dynastie um 1800 v. Chr.), der neben andauerndem Fehlverhalten als Herrscher auch Lebensmittel zu seinem Vergnügen missbrauchte. Er habe einen Kanal ausheben und mit Wein auffüllen lassen. Zur Belustigung des Monarchen fuhren seine Konkubinen auf dem Wein in Booten umher und tranken auf sein Geheiß wie Vieh aus dem edlen Gewässer. Da die Verschwendung trotz der Ermahnungen nicht aufhörte, sei der Kaiser seines Amtes enthoben und abgesetzt worden. Du Halde fand für den ausufernden Luxus dieses chinesischen Kaisers

214 Brief Bertins vom 3. September 1769. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires en Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1521, Bl. 5. 215 Amiot, Joseph/Bourgeois, François et al. (Hg): Mémoires concernant l’Histoire, les Sciences, les Arts, Les Mœurs, les Usages des Chinois par les Missionnaires de Pékin. Bd. 9. Paris 1783. Pl. VIII. S. 357 – 369. 216 Amiot/Bourgeois, Mémoires concernant les Chinois, Bd. 9, S. 360. Zeitgenössisch findet sich das Zitat etwa bei Cicero, Marcus Tullius: M. Tvllii Ciceronis Orationes: Ex recensione Ioannis Georgii Graevii […]. Amsterdam 1697. S. 281. 217 Amiot/Bourgeois, Mémoires concernant les Chinois, Bd. 9, S. 360. Vgl. auch die parallelen Ausführungen in einem anderen Bericht zum Aufbau und Wirken des chinesischen Finanzdepartments, dem sog. Houpou im Bd. 4 aus dem Jahr 1779. Amiot/Bourgeois, Mémoires concernant les Chinois, Bd. 4, S. 135.

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ein europäisches Pendant: Kaiser Nero.218 Die Geschichte des chinesischen Kaisers Jie, dessen Lebensstil nicht im Einklang mit seinen Pf­lichten stand, setzte der Kupferstecher Isidore Stanislas Helman (1743 – 1806) in seiner Folge von zwölf Kupferstichen im Jahr 1788 ins Bild. Er widmete die Blätter der französischen Prinzessin Marie Thérèse, der Tochter König Ludwigs XVI.219

218 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 1, S. 303f. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Du Halde: La cruauté & les infamies de cet empereur [ Jie] l’ont fait regarder comme un monstre. Son nom est encore aujourd’hui dans la même exécration, que l’est en Europe celui de Néron, & l’on ne peut donner à un mauvais prince de titre plus infamant, que de dire que c’est un autre Kié. […] Kié fit creuser un assez grand espace de terre, en forme d’étang, & après l’avoir fait remplir de vin, il ordonna à trois mille de ses sujets de s’y plonger. Il y avait dans son palais un appartement secret, où par l’ordre de l’empereur & de l’impératrice, & en leur présence, on se livrait aux plus abominables débauches. Ces affreux scandales révoltèrent tout l’empire: les princes, les Grands, le peuple étaient sur le point de prendre les armes; ils furent arrêtés par les ministres du prince, qu’un reste de tendresse attachait encore à sa personne. Ils lui représentèrent, avec respect, ses désordres, & le danger prochain où sa conduite licencieuse & tyrannique l’exposait; mais ces remontrances ne servirent qu’à le rendre plus furieux. Un de ces ministres, qui avait porté la parole, fut condamné à mort, & exécuté en sa présence. La colère de l’empereur ne ralentit pas le zèle de ces sages ministres: ils adressèrent un mémorial à ce prince, où ils lui reprochèrent librement ses meurtres, sa cruauté, & les horreurs de sa vie. A peine en eut-il fait la lecture que transporté de rage, il prit la résolution d’en faire mourir les auteurs. […] Ces violences, qui ne faisaient que croître chaque jour, réunirent tous les ordres de l’État contre le tyran. D’un commun consentement ils choisirent Tching tang pour remplir sa place, & le forcèrent à lui déclarer la guerre. Ce prince vertueux & désintéressé, déclara qu’il n’avait nul droit à la couronne, & que s’il prenait les armes, ce ne pouvait être que pour obliger l’empereur à se reconnaître, & à rentrer dans le devoir. Son armée fut bientôt prête, & chacun des princes lui fournit des troupes. […] Dans un abandon si universel, il eut recours à la feinte & à la dissimulation; il avoua ses crimes, & parut se repentir: la seule grâce qu’il demanda, c’est qu’on lui accordât la vie. Tching tang se laissa fléchir, & persuadé que le changement de l’empereur était sincère, non seulement il le laissa vivre, mais il lui rendit aussi sa couronne. Il quitta aussitôt le commandement de l’armée, & retourna dans son petit État, donnant par là un exemple de modération & de désintéressement, qui fut admiré de tout l’empire. A peine l’empereur se vit-il rétabli sur le trône, qu’il se replongea dans ses vices ordinaires; il fit plus, car il leva à la hâte une armée contre Tching tang qu’il traitait de traître & de rebelle. Tching tang se mit aussitôt à la tête de ses troupes pour se défendre. Mais lorsque les deux armées furent en présence, les soldats de l’empereur l’abandonnèrent, & passant dans l’armée de Tching tang, ils jetèrent leurs armes à ses pieds, & le reconnurent pour leur souverain. Kié n’eut plus de ressource que dans la fuite: il se bannit lui-même en sortant de l’empire, & après trois années d’exil, il finit sa criminelle vie, qui a rendu son nom & sa mémoire exécrables à la postérité. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 1, S. 303f. 219 Erwähnt, jedoch nicht abgebildet in Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 311, Kat. Nr. 10/35,3. Helmann fertigte außerhalb dieser Folge auch einen Stich zum kaiser­lichen Pflugritual in China an. Es handelte sich dabei um eine Auftragsarbeit von Minister Bertin. Der Stich wird im Kapitel zur Physiokratie in diesem Buch noch ausführ­lich vorgestellt und erläutert werden. Cérémonie du labourage faite par l’Empereuer de la Chine. In: Helman, Isidor: Suite des seize estampes représentant les conquêtes de l’Empereur de la Chine [auch: Faits memorables de la Chine]. Paris 1788. Signatur: Bibliothèque nationale de France, RES GR FOL- O2N- 624 (1 – 3). Kupferstich Nr. 17. Vgl. zu Helmans Werk Portalis, Roger/Béraldi, Henri: Les graveurs du dix-huitième siècle. Bd. 2. Paris

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e. Das Pflugritual und die persön­liche Verantwortung der Herrscher für die Landwirtschaft Rituale und Zeremonien galten in der europäischen Vormoderne als Zeichensysteme, die entweder im geist­lichen oder welt­lich-politischen sowie gesellschaft­lichen Bereich Interaktionen zwischen Gott bzw. Kirche und Mensch oder zwischen Obrigkeit und Untertan, Funktionen, (Vor-)Rechte, Pf­l ichten, Erwartungen, Hoffnungen und Ansprüche Einzelner oder von Gruppen durch feste Regeln und formelle Abläufe oft fest­lich, verdichtet und symbolisch abbildeten und kommunizierten. Mit Ritualen und Zeremonien stand im christ­lichen Europa seit Jahrhunderten ein breites Instrumentarium an Zeichen zur Verfügung, das half, soziokulturelle, religiöse sowie strukturelle Kontinuitäten und Ordnungen zu stiften, zu etablieren und darzustellen bzw. zu kommunizieren.220 Julius Bernhard von Rohr näherte sich beispielsweise in seinen zwei Bänden Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen (1728) und Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren (1729) dem Begriff des Zeremoniells als Lehre [von den] äusser­lichen Handlungen, nach der das Verhalten in Anlehnung an Thomasius’ Begriff der Wohlanständigkeit und des Decorum auszurichten sei. Rohr verstand unter dem Begriff ­Ceremonie einen Brauch, der […] an diesem oder jenem Orte, zu dieser oder jener Zeit, von den meisten oder den vornehmsten, vor gut befunden und von den andern nachgerechnet [nachgeahmt] wird.221 Die Definition verweist auf die formelle Allgemeingültigkeit und damit auf die breite Kenntnis und Akzeptanz des Ablaufs von Zeremoniellen. 1881. S. 392f. Thieme, Ulrich/Willis, Fred C. (Hg.): Allgemeines Lexikon der Bildenen Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Bd. 16. Leipzig 1922. Sp. 346f. 220 Althoff, Gerd: Art. „Zeremoniell“. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 5 (1998). Sp. 1677 – 1680. Als „hochkomplexes Zeichensystem“ verstand Gotthardt Frühsorge das Zeremoniell. Vgl. dazu Frühsorge, Gotthardt: Vom Hof des Kaisers zum „Kaiserhof “. Über das Ende des Ceremoniells als gesellschaft­liches Ordnungsmuster. In: Euphorion 78 (1984). S. 237 – 265. Hier S. 238. Der kommunikative Aspekt und die Zeichenhaftigkeit einer Zeremonie werden auch in der modernen Forschung noch als wesent­liche Merkmale für ein Zeremoniell angesehen. Zur semiotischen Perspektive vgl. Bauer, Volker: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie (Frühe Neuzeit, Bd. 12). Tübingen 1993. S. 21ff. Als „zeichengebundene Ordnung“ bezeichnete Jörg Berns das Zeremoniell. Berns, Jörg Jochen: Die Festkultur der deutschen Höfe zwischen 1580 und 1730. Eine Problemskizze in typologischer Absicht. In: Germanisch-romanische Monatsschrift 65 (1984). S. 295 – 311. Hier S. 301. Rituelle Elemente im Zeremoniell betont hingegen Peter Burke. Ders.: Der Höfling. In: Garin, Eugenio (Hg.): Der Mensch der Renaissance. Frankfurt/M. 1990. S. 143 – 174. Hier S. 144ff. 221 Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen […]. Berlin 1728 (Reprint Weinheim 1990. Hg. u. kommentiert von Gotthard Frühsorge). 1. Theil, 1. Cap. Von der CeremonielWissenschafft überhaupt, § 9. S. 7 f. Der Begriff ‚gewiss‘ wird hier verstanden im Sinne von Gewissheit, „certitudo“, als Zuverlässigkeit der Sinnesinformationen im Fluss empirischer und damit täuschungsanfälliger Daten. Zu Thomasius’ Einfluss auf Rohr vgl. Miloš Vec: Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat: Studien zur juristischen und politischen Theorie absolutistischer Herrschaftsrepräsentation (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 106). (Diss.) Frankfurt/M. 1998. S. 81 – 97.

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Zeitgenossen unterschieden dabei noch nicht in so ausdifferenzierter Form zwischen Ritualen und Zeremoniellen wie die jüngere Forschung. Unter Zeremonielle wurden die großen diplomatischen Zusammenkünfte an den Höfen ebenso wie fürst­liche Einzüge, Huldigungen oder Begräbnisse subsumiert. Den gleichermaßen formalisierten, wenn auch nicht starren und grundsätz­lich wandelbaren Ritualen zugeordnet blieben liturgische Abläufe, Krönungen, Hochzeiten oder Taufen, besaßen sie doch transforma­ torischen Charakter. Sie vollzogen durch das Sakrament (bei Taufe und Eheschließung) oder die Salbung bzw. Krönung einen Status- und Kompetenzwechsel an P ­ ersonen.222 Gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts etablierte sich in Europa eine ausgeprägte Zeremoniellwissenschaft. Sie äußerte sich in zahlreich erscheinenden Handbüchern zu Abläufen und Rangfolgen in Zeremoniellen. Die Werke verstanden sich als Regieanweisung eigenen oder fremden Handelns. Den Zeitgenossen wurde durch die Zeremonialwissenschaften anhand der Beschreibung weit verbreiteter, traditioneller symbolischer und äußer­licher Handlungen ein Instrumentarium an Zeichen für die Durchführung und die Verortung der eigenen Person an die Hand gegeben.223 Rituale und Zeremonien rückten aufgrund ihres komplexen Abbildungspotentials auch in den Fokus der Reiseberichterstatter, konnte ihrem Studium doch nach André Krischer entnommen werden, „was fremde Kulturen im Innersten zusammenhielt“.224 Die Kenntnis der zahlreichen europäischen und außereuropäischen Rituale und Zeremonien bedurfte jedoch zuerst der schrift­lichen Fixierung und der Vermittlung. Seit dem späten 17. Jahrhundert wurden in Europa der Ablauf und die Zielsetzung von Ritualen und Zeremonien in umfassenden Kompendien rekonstruiert, beschrieben und thematisch geordnet zusammengestellt. Ihre Darstellung folgte dabei nicht selten den Geboten der Rhetorik, der Plausibilität und den Interessen der Textproduzenten. Gleiches galt auch für die schrift­liche Fixierung und Vermittlung aus dem außereuropäischen Raum. 222 Zur Differenzierung von Ritual und Zeremoniell vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara: Zeremoniell, Ritual, Symbol. In: Zeitschrift für Historische Forschung 27 (2000). S. 389 – 406. Hahl, Werner: Art. „Ritual“. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 3 (2003). Sp. 305 – 308. ­Handelman, Don: Re-Framing Rituals. In: Kreinath, Jens/Snoek, Jan/Strausberg, Michael (Hg.): The Dynamics of Changing Rituals. The Transformation of Religious Rituals within their Social and Cultural Context (Toronto studies in religion, Bd. 29). Leiden 2004. S. 9 – 20. Hier S. 14 – 16. 223 Zur zeitgenössischen Semantik und Selbstbeschreibung der Zeremonialwissenschaft vgl. Pečar, Andreas: Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne). (Diss.) Darmstadt 2003. S. 146ff. Vgl. weiterhin Rahn, Thomas: Fortsetzung des Festes mit anderen Mitteln. Gattungsbeobachtungen zu hessischen Hochzeitsberichten. In: Berns, Jörg Jochen/Ignasiak, Detlef (Hg.): Frühneuzeit­liche Hofkultur in Hessen und Thüringen ( Jenaer Studien, Bd. 1). Erlangen/Jena 1993. S. 233 – 248. 224 Krischer, André: Können Rituale gesammelt werden? Vormoderne Aufschreibesysteme für symbolisches Handeln in außereuropäischen Gesellschaften. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15 (2003). Online unter: http://www.inst.at/trans/15Nr/06_2/krischer15. htm (gesehen am 21.12.2011). S. 3. Daniel, Ute: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1523). Frankfurt/M. 2001. S. 233ff.

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Die Auswahl der übermittelten Rituale und Zeremonielle erfolgte nach Zugäng­lichkeit der Akte für Fremde und dem Interesse der Übermittler. Die Jesuiten richteten ihren Blick aus missionarischen Gründen, auf der Suche nach dem chinesischen Gottesbegriff, intensiv auf die Riten, insbesondere die der Ahnenverehrung.225 Das Pflugritual faszinierte die Patres ganz besonders, weil es explizit dem irdischen Wohlergehen der Untertanen des gesamten Landes diente. Das eigenhändige Pflügen des chinesischen Kaisers wird in der nachfolgenden Untersuchung als Ritual eingeordnet und bezeichnet, galt es doch im chinesischen Kontext als Ritual. Auch nach der europäischen Definition kann es aufgrund seiner religiösen Komponente als Ritual verstanden werden, weil es im Sinne eines performativen Aktes etwas (die kosmische Harmonie) bewirkte, auch wenn dieser religiöse Aspekt in der Vermittlung durch die Jesuitenberichte kaum oder gar keine Rolle spielte, oftmals sogar verschwiegen wurde. Es handelt sich nach Gesichtspunkten der neueren europäischen Ritualforschung bei einem Ritual um „eine aus mehreren Elementen bestehende, formal normierte, symbolische Handlungssequenz, die eine spezifische Wirkmächtigkeit besitzt“.226 Ein Ritual verpf­lichtete nach Barbara Stollberg-Rilinger die involvierten Personen zudem auf ein entsprechendes zukünftiges Verhalten. In den Berichten der Jesuiten traf dieses Kriterium exakt zu: Alle Beteiligten waren durch das Ritual zur Achtung gegenüber der Landwirtschaft und den Ackerbau betreibenden Menschen angehalten. Somit bewirkte es aus Sicht der Jesuiten die Annäherung verschiedener Gesellschaftsschichten zu einer Gemeinschaft im Nahrungserwerb im Einklang mit der Natur, was die moderne Forschung als eine soziale Zustandsveränderung mittels Ritualen beschreibt. Dieser Annäherungszustand blieb imaginär über den Ablauf des Rituals hinaus in der Verpf­lichtung aller Chinesen, dem Landbau und den Bauern mit Respekt zu begegnen, erhalten. Das Ritual konstituierte diese Gemeinschaft symbolisch jedes Jahr aufs Neue, jedoch mit klarer Verhaltensanweisung für die Realität. Diesen Kriterien eines Rituals entsprach die Beschreibung des kaiser­lichen Pflügens durch die Jesuiten. Auch der feier­liche Inszenierungs- und Aufführungscharakter eines Rituals war durch den Akt am Ackerbautempel zu einem festgesetzten Termin gegeben, den die Reiseberichte immer ausführ­lich beschrieben. Allerdings findet sich sowohl in der Berichterstattung aus China als auch in der späteren Rezeption in der europäischen Literatur eine unklare begriff­liche Einordnung als Ceremonie, eher selten als Ritus oder als Ritual. In der Regel sprachen die Jesuiten von einer Ceremonie. Die Einordnung resultierte wohl daraus, dass sie das kaiser­liche Pflügen primär als Staatsakt mit hoher sozialer und gesellschaft­licher Wirkung verstanden. Aus ihrer europäischen Sicht musste ein solcher Akt, der eine wesent­liche Funktion 225 Demel, Als Fremde in China, S. 285. 226 Stollberg-Rilinger, Barbara: Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven. In: Zeitschrift für Historische Forschung 31 (2004). S. 489 – 527. Hier S. 503.

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des Herrschers unterstrich, zum Staatszeremoniell gehörig erscheinen. Somit passte die Bezeichnung. Zudem differenzierten die Zeitgenossen, wie bereits gezeigt wurde, längst nicht so stark, wie es die heutige Forschung ermög­licht. Die Jesuiten erkannten in diesem Ritual vor allem die am Gemeinwohl orientierte Herrschaft des chinesischen Monarchen. Diese Einschätzung gelangte nach Europa und trug dazu bei, dass im 18. Jahrhundert die Beschreibungen des kaiser­lichen Rituals aus den Jesuitenberichten große Resonanz und Verbreitung fanden. Aufgrund ihrer Funktionen als Mathematiker oder Astronomen und ihrer Arbeit im Kontext der chinesischen Kalenderreformen waren einige der Jesuiten entweder Teil des Pekinger Ritenministeriums oder hatten Zugang zu dieser Behörde, welche den Zeitpunkt der Riten bestimmte, die genauen Abläufe anhand der Ritualhandbücher plante, in höfischen Bekanntmachungen kommunizierte und überwachte. Die Berichte der Jesuiten basierten somit entweder auf Augenzeugenschaft oder zumindest auf Quellen, die eng mit der Vorbereitung und dem Ablauf oder der höfischen Berichterstattung der Chinesen im Vorfeld oder im Anschluss an das Ritual verbunden waren. In ihren Beschreibungen zu den Pflugritualen des chinesischen Kaisers fixierten die Jesuiten alle Informationen, die für den gelungenen Ablauf dieser rituellen Handlung als performativem Akt notwendig waren. In der Regel reduzierten sie in ihren Darstellungen das Ritual damit zunächst auf die Kernelemente der chronologischen Handlungen der mitwirkenden Akteure und staat­lichen Behörden.227 Doch darüber hinaus boten sie auch erste Deutungen und Einordnungen des Pflugrituals und lenkten damit das Verständnis ihrer Leser in Europa. Deut­lich wird das beispielsweise an der frühen, allerdings recht knappen Beschreibung des kaiser­lichen Pflugrituals durch François-Xavier d’Entrecolles aus dem Jahr 1720. Der Brief wurde wenig später von Stöcklein übersetzt und im Welt=Bott publiziert. Nach der äußerst kurzen Skizze des Ablaufs bot der Jesuit seinen Lesern eine Deutung, die – neben weiteren – tatsäch­lich den chinesischen Intentionen entsprach, künftig auch fester Bestandteil aller Beschreibungen des Rituals von Reiseberichterstattern aus China bleiben sollte und die Franzosen und Deutsche später bereitwillig in ihre Rezeption aufnahmen: Das Ziel des eigenhändigen Pflügens des chinesischen Monarchen, so schrieb d’Entrecolles, liege in der Vorbildwirkung seiner kaiser­lichen Handlungen gegenüber dem Volk, […] damit er hierdurch den Bauersmann zum Feldbau aufmuntere. Ebensolches thut ein jeg­licher Mandarin auf denen Aeckern der ihm unterworffenen Statt.228

227 Diese Vorgehensweise deckt sich mit denen, die Thomas Rahn bereits für die schrift­liche Fixierung europäischer Zeremonielle und Rituale untersucht hat. Vgl. Rahn, Fortsetzung des Festes mit anderen Mitteln, S. 238. 228 Brief François-Xavier d’Entrecolles an eine gewisse vornehme Frau aus Engelland, Peking, 19. Oktober 1720. In: Stöcklein, Neuer Welt=Bott, Achter Theil, Nr. 189, S. 5 – 16, hier S. 11. Erstveröffent­lichung 1722: Lettre du P. Dentrecolles à Madame *** in: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 15, S. 83 – 182, hier S. 137. Die Passage fand in Étienne de Silhouettes Kapitel De L’agriculture

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Beachtenswert erscheint in diesem Kontext ein Brief des Jesuiten Cyr Contancin an den Ordensbruder und Theologen Étienne Souciet in Paris vom 15. Dezember 1727, der in den Lettres édifiantes et curieuses publiziert wurde.229 Étienne Souciet, selbst an der Landwirtschaft interessiert, war 1712 mit dem Werk Agricultura. Carmen, tribus libris in Erscheinung getreten.230 Es handelt sich bei Contancins Bericht um eine auf den ersten Blick üb­liche Zusammenfassung über das Regierungssystem in China, in der er jedoch dem Pflugritual des Kaisers eine bedeutende Rolle beimaß. Contancin stützte sich in seiner Beschreibung des Rituals vor allem auf die so genannte Gazette chinoise als Informationsquelle, die presque toutes les affaires publiques qui se passent dans ce vaste empire, vor allem also Memoranden, Reskripte und Instruktionen, enthielt.231 Aufschlussreich ist der Hinweis auf die Gazette chinoise, wobei Cyr Contancin diese Zeitung noch von der Gazette publique, aus der er seinem Briefpartner zwei Jahre zuvor berichtet hatte, unterscheidet: Es könnte sich bei der Gazette chinoise um die von privaten Institutionen (baofang) veröffent­lichten Kaiser­lichen Bulletins (Jingbao) gehandelt haben, die insbesondere bei den Missionaren und in der west­lichen Welt als Peking Gazette bekannt wurden.232 Sie boten Informationen über den Tagesablauf des Herrschers, Veränderungen im Hofpersonal sowie höfische Ereignisse wie etwa ­Audienzen. Daneben druckten sie Edikte, Dekrete und Reskripte des Kaisers und publizierten Throneingaben, die ihm unterbreitet und von ihm akzeptiert worden waren. Zum anderen existierten auch Staatsgazetten. Mög­licherweise handelt es sich hierbei um die angesprochene Gazette publique. Sie wurden in allen großen Städten, so auch in Peking gedruckt und boten für wenig Geld vor allem die Ankündigung zu

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et du Commerce des Chinois Eingang: Au Printems l’Empereur lui-même va solennélement labourer quelques sillon pour animer par son éxemple les laboureurs à la culture des terres. Autrefois les fruits qui provenoient de ce labour étoient oferts au Ciel. Les Mandarins de chaque Ville en usent de même. Silhouette, Étienne de: Idée générale du gouvernement et de la morale des Chinois. Paris 1729. S. 21 – 25. Hier S. 21. Lettre du Père Contancin au Père Etienne Souciet, Canton, 15. Dezember 1727: In: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 19, S. 265 – 403. Art. zu Augustin Étienne Souciet. In: Sommervogel, Carlos (Hg.): Bibliothèque de la Compagnie de Jésus. Bd. 7. Bruxelles/Paris 1896. S. 118f. Mais que renferme donc cette gazette de si important? […] La gazette chinoise contient presque toutes les affaires publiques qui se passent dans ce vaste empire. C’est un recueil qui renferme les mémoriaux et les placets présentés à l’empereur, les réponses que ce prince y a faites, les instructions qu’il a données, et les grâces qu’il a accordées aux mandarins ou au peuple. Ce recueil s’imprime tous les jours, et est en forme de brochure qui contient 60 à 70 pages. Gobien/Du Halde, Letttres édifiantes et curieuses, Bd. 3, S. 558. Schon zwei Jahre zuvor hatte er seinem Adressaten aus der Gazette publique berichtet, ibd. S. 557. Will, Pierre-Étienne: Le contrôle de l’excès du pouvoir sous la dynastie des Ming. In: Delmas-Marty, Mireille/ders. (Hg.): La Chine et la démocratie (Handbook of Oriental Studies, Section 4, Bd. 26). Paris 2007. S. 111 – 141. Hier S. 135.

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oder die illustrierten Berichte von wichtigen Ereignissen.233 Eines der Ereignisse, das Pater Contancin sehr wahrschein­lich den presseähn­lichen Veröffent­lichungen entnommen und in seinem Brief an Pater Étienne Souciet ausführ­lich beschrieben hatte, war das eigenhändige Pflügen des Kaisers: L’Empereur offre un sacrifice au commencement du printemps, et va labourer la terre, pour obtenir une année abondante. Das Ritual kann als höfisches Ereignis mit Auswirkung auf das gesamte Land in beiden Organen beschrieben worden sein. Es besaß offensicht­lich formelle Allgemeingültigkeit. Dennoch wurden die Nachricht der Durchführung an sich sowie der genaue Ablauf den Untertanen zur Kenntnis gegeben. Dies war offensicht­lich nötig, da die regelmäßige Durchführung noch nicht lange etabliert war: Contancin betonte, dass diesem Ritual schon bei den alten Kaisern große Bedeutung beigemessen wurde und deshalb auch der neue Herrscher, der Yongzheng-­Kaiser (reg. seit 1722), verkündet habe, er werde es jähr­lich vollziehen. Une maxime du gouvernement de cet empire est que l’empereur doit labourer la terre, et que l’impératrice doit filer. L’empereur donne lui-même cet exemple aux hommes afin qu’il n’y ait personne qui n’estime l’agriculture; l’impératrice le donne aux femmes pour rendre parmi elles le travail des mains plus ordinaires. Les alimens et les vêtemens sont les deux choses nécessaires à la vie.234 Der Termin für die Durchführung des ­Rituals sei durch die Astronomen berechnet worden. Nach den Regeln unterschied­licher Memoranden habe der Kaiser zwölf Männer auszusuchen (3 Princes et 9 Présidents des cours souverains), die mit ihm gemeinsam den Pflug zu führen hätten. Drei Tage vor dem eigent­lichen Ritual beginne für den Kaiser, die zwölf Erwählten sowie die Zivilund Militärmandarine (mandarins de lettres und die mandarins de guerre) eine strikte Fastenzeit. Am Vorabend des Rituals habe der Kaiser seinen Ahnen zu opfern. Am Tag des Pflugrituals sollten 40 oder 50 ältere Bauern (laboureurs de profession) und 40 jüngere anwesend sein, die dem Kaiser beim Pflügen Hilfsdienste zu leisten hätten. Am 24. Tag des Mondes sei der Kaiser im Ornat in Begleitung des ganzen Hofes am Acker zusammengekommen: Nach dem Opfer habe der Kaiser begonnen, einige Furchen zu ziehen, und sei nach einiger Zeit von den zwölf erwählten Männern abgelöst worden. Im Anschluss habe der Kaiser fünf Getreidesorten auf dem Feld ausgesät. La cérémonie se termina par une récompense que l’empereur leur [den anwesenden Pflügenden] fit donner. Elle est reglée, et elle consiste en quatre pièces de toile de coton, teintes en couleur, qu’on donne à chacun d’eux pour se faire des habits. Nach dem eigenhändigen Pflügen

233 Sie erschienen nicht regelmäßig, sondern anlassbezogen. Britton, Roswell S.: The Chinese Periodical Press, 1800 – 1912 [1933]. Taibei 1966. S. 5ff. Mühlemann, Guido: Printmedien und Zensur in China. Von den Anfängen in der Kaiserzeit bis zur Gegenwart. In: Hänni, Julia/Kühne, Daniela (Hg.): Brennpunkt Medienrecht. Das mediale Zeitalter als juristische Herausforderung (Analysen und Perspektiven von Assistierenden des Rechtswissenschaft­lichen Instituts der Universität Zürich, Bd. 11). Zürich/St. Gallen 2009. S. 211 – 237. Hier S. 222ff. 234 Lettre du Père Contancin au Père Étienne Souciet, Canton, 15. Dezember 1727. In: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 19, S. 265 – 403, hier S. 384f.

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des Kaisers stehe das Feld unter der Aufsicht des Gouverneurs von Peking, der das Feld häufig inspizieren und im Herbst das Getreide ernten müsse: Ce grain est réservé pour les cérémonies les plus solenelles.235 Contancin führte im Anschluss noch die Gründe für die Durchführung des Rituals an, wie sie die so genannte Gazette chinoise den chinesischen Untertanen vermittelt hatte: Der Kaiser pflüge, weil er durch das Ritual einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Nahrung für alle Untertanen leiste, während sich die Kaiserin um die Kleidung kümmere, indem sie Seide spinne. Beide rituelle Handlungen unter­strichen nach Contancin das Vorbild des Kaisers und seiner Gemahlin für das Volk. Die Durchführung der Rituale sei somit grundlegend für das Funktionieren der chinesischen Gesellschaft.236 Dass es sich dabei um eine quasireligiöse Handlung des Kaisers gehandelt hat, verschwieg Contancin. Contancin hatte mit dieser Zusammenfassung aus der Gazette chinoise eine der ersten detaillierten und eine vollkommen zutreffende Schilderung des kaiser­lichen Pflugrituals nach Europa übermittelt und in die Herrscherpf­lichten des chinesischen Kaisers eingeordnet. Zudem hatte er die europäischen Leser bereits auf die Vorbildfunktion des Kaiserpaares hinsicht­lich der rituellen Arbeiten wie Pflügen und Spinnen aufmerksam gemacht. Mit der Beschreibung des Rituals hatte er einen wichtigen Schlüssel zur unmittelbar evidenten, intuitiven Einsicht in die politisch-soziale Ordnung Chinas gegeben.237 Du Halde bot in seinem dritten Band der Description de la Chine zwei recht exakte Grundrisse des Himmels- und des Erdaltars (Tiantan und Ditan) in Peking, die Zeichnungen von Jesuiten folgten. Für die einzelnen Gebäude und ihre Funktion gab Du Halde präzise Erläuterungen. So findet sich im nörd­lichen Bereich des Himmelstempels unter dem Buchstaben h das Opfergelände für Gebete um Korn mit der runden Halle der Jahresgebete, in der nach dem Beginn des chinesischen Frühlings Opfer für eine gute Ernte dargebracht wurden. Während langer Dürreperioden erbaten die K ­ aiser für die 238 Fruchtbarkeit der Felder in der Halle Regen. Dem Leser der Description de la Chine sollte neben den Abläufen auch ein sehr detailliertes Bild von den Orten der Riten und Zeremonien vermittelt werden. Der eher kurzen Beschreibung des Pflugrituals, die sich eng an Contancins Bericht anlehnte,239 ordnete Du Halde folgende Erklärung zu: Tous 2 35 Ibd. S. 577. 236 Ibd. 237 Krischer, Können Rituale gesammelt werden? S. 4f. 238 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 3, nach S. 32. Die Grundrisse Du Haldes finden sich kurz beschrieben in Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 299f, Abb. 56 und 58. 239 C’est pour cela qu’il l’offre, avant que de mettre la main à la charrue: ce lieu est une élévation de terre à quelques stades de la ville du côté du midi. Il doit avoir cinquante pieds quatre pouces de hauteur. A côté de cette élévation est le champ, qui doit être labouré par les mains impériales. L’empereur sacrifia, & après le sacrifice, il descendit avec les trois princes & les neuf présidents qui devaient labourer avec lui. Plusieurs grands seigneurs portaient les coffres précieux, qui renfermaient les grains qu’on devait semer. Toute la cour y assista en grand silence: l’empereur prit la charrue, & fit en labourant plusieurs allées & venues: lorsqu’il quitta la charrue, un prince du sang la conduisit & laboura à son tour; ainsi

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les ans au printemps, à l’exemple des anciens fondateurs de cette belle monarchie, l’empereur va solennellement lui-même labourer quelques sillons, pour animer par son exemple les laboureurs à la culture des terres.240 Der schwedische Kapitän Carl Gustav Eckeberg erklärte der Akademie der Wissenschaften in Stockholm in seinem ausführ­lichen Bericht über die Landwirtschaft und Viehzucht in China im Jahr 1754 nur äußerst knapp den ohnehin bereits als bekannt geltenden Grund für den florierenden und ertragreichen Landbau: Die Höhe, zu w ­ elcher der Ackerbau, besonders aber der Reisbau in China gebracht, ist der vornehmste Grund der Glückseligkeit dieses Landes. Die Landwirtschaft ist auch das Gewerbe, welches am meisten in Ehren gehalten wird, und die vorzüg­lichsten Ermunterungen genießt. Die Kaiser selbst gehen, damit sie zeigen mögen, welch einen hohen Werth sie auf diese Handtierung setzen, und um ihren Unterthanen ein nachahmungswürdiges Beyspiel zu geben, jähr­ lich an einem gewissen Tage mit den Großen des Hofes auf das Feld, nehmen den Pflug in die Hand, bereiten und besäen ein Stück Acker, und ernten nachher das Gewonnene mit eigner Hand.241 Eckeberg hatte das eigenhändige kaiser­liche Pflügen nicht miterlebt und war deshalb auch nicht in der Lage, eine Beschreibung zu geben. Aber allein die Tatsache der Existenz des Rituals und seine fürsorgende und motivierende Bedeutung für die Untertanen und insbesondere die Bauernschaft Chinas galt Europa als wichtigste Information. Pierre Poivres Beschreibung basiert auf der eigenen Beobachtung des Pflugrituals, das durch den Generalgouverneur als Stellvertreter des Kaisers in Kanton vollzogen wurde: J’ai vu cette ouverture des terres à Canton, et je ne me rappelle pas avoir jamais vu aucune des cérémonies inventées par les hommes, avec autant de plaisir et de satisfaction que j’en ai eu à considérer celle-là.242 Poivre berichtete, dass dieses Ritual zeitgleich in allen Provinzen von den Unterkönigen in Anwesenheit aller Magistratspersonen und einer großen Anzahl von Bauern aus der Provinz vollzogen würde. Das Vorbild für den Ablauf biete der Kaiser in der Hauptstadt jedes Jahr in den ersten Tagen des März. Der Herrscher erscheine mit großem Gepränge und in Begleitung der Prinzen, der Präsidenten der Gerichtshöfe und unzähligen Mandarinen auf dem zum Ritual bestimmten Feld. Gesäumt werde der Acker von kaiser­lichen Wachen, Bauern aus der Provinz, die kommen, pour voir leur art honoré et pratiqué par le chef de l’empire,

du reste. Après avoir labouré en divers endroits, l’empereur sema les différents grains: on ne laboure pas alors tout le champ entier, mais les jours suivants les laboureurs de profession achèvent de le labourer. Il y avait cette année là 44 anciens laboureurs, & 42 plus jeunes. La cérémonie se termina par une récompense que l’empereur leur fit donner. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 71. 240 Ibd. S. 70. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 85f. 2 41 Kurzer Bericht von der chinesischen Landwirtschaft von dem Herrn Schiffscapitain Carl Gustav Eckeberg, S. 521. 2 42 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 187.

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sowie den Mandarinen.243 Nach dem neunmaligen „Kotau“ des Kaisers zu Ehren von ­Shennong und einem Gebet, réglée par le tribunal des rites, pour invoquer la bénédiction du grand maître sur son travail et sur celui de tout son peuple qui est sa famille, werde ein Rind geopfert. Der Kaiser wechsle seine Gewänder und ergreife den Pflug mit prächtig geschmückten Ochsen. Nachdem der Herrscher die Furchen gezogen hatte, führten die Prinzen und Mandarine die Arbeit fort, se piquant les uns et les autres de faire ce travail honorable avec plus dextérité. Durch die Bauern werde der Acker schließ­lich vollständig bestellt und an sie zum Schluss Geld und Stoffe als Geschenke ausgeteilt. Nach einiger Zeit erfolge dann auch die erste Aussaat durch den Herrscher im Rahmen eines Rituals und im Beisein von Bauern.244 Die ausführ­lichste, auf aktuellen Ereignissen beruhende Beschreibung eines Pflug­ rituals stammt von dem französischen Botaniker, Naturwissenschaftler und Jesuiten Pierre-Martial Cibot (1727 – 1780).245 Cibot lebte seit 1760 am Hof in Peking. In seinem Bericht vom 3. November 1767 nahm er unter dem Titel Requette à l’Empereur pour la cérémonie du Labourage auf die aktuelle Ankündigung der Pflugzeremonie in Peking im Frühjahr des 32. Regierungsjahres des Qianlong-­Kaisers (1767) Bezug und betonte, dass erst die gegenwärtig regierende Dynastie der Qing dieses Ritual in seinem ganzen Glanz wieder etabliert habe. Ob Cibot Zeuge der Zeremonie geworden ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ihm lagen aber offensicht­lich neben der Ankündigung des Rituals weitere offizielle Papiere des Hofes vor, wie ein genauer, vom Ritenministerium erarbeiteter Ablaufplan und Gutachten unterschied­licher Behörden zur Durchführung, die er übersetzt hatte und die in seine Beschreibung einflossen. Diese Materialien fanden sich neben weiteren zahlreichen Anleitungen zu Staatsritualen im Da Qing tongli (in der Sinologischen Forschung als Imperially Commissioned Comprehensive Rites of the Great Qing übersetzt),246 das im Jahr 1736 vom Qianlong-­ Kaiser kurz nach seiner Thronbesteigung als umfassender kaiser­licher Leitfaden für die Durchführung von Staatsritualen in Auftrag gegeben und 1759 im Ritenministerium fertiggestellt worden war.247 Beim Vergleich der Textpassagen fällt auf, dass es sich bei Cibots Beschreibung um eine Paraphrase der Anleitung für den Ablauf des Pflug­ rituals aus diesem Handbuch handelt. Es existiert weiterhin zum Da Qing tongli ein 243 Ibd. S. 183f. 244 Ibd. S. 185f. 245 Zu Cibot vgl. grundsätz­lich die prägnante Kurzbiographie von Collani, Biographie von Pierre-­ Martial Cibot SJ, Chinamissionar. Lundbaek, Pierre Martial Cibot. Zur Gruppe der Jesuiten um Cibot vgl. Rochemonteix, Joseph Amiot et les derniers survivants de la Mission française à Pekin, S. 77f. 246 So lautete der offizielle Titel des Werkes in der Übersetzung. 247 Das Da Qing tongli blieb bis 1907 der gängige Leitfaden für die Staatsrituale. Eine andere illustrierte Kompilation zu den Staatsritualen, das Huang-ch’ao li-ch’i, wurde 1759 begonnen und 1763 fertiggestellt. Grundsätz­lich zum Da Qing tongli und zum Entstehen weiterer Ritualkompilationen vgl. Smith, Ritual in Ch’ing Culture, S. 286. Zito, Of Body and Brush, S. 144.

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Ergänzungsband mit Ritualkarten, auf denen genau verzeichnet war, wo sich Personen und Gruppen zu einzelnen Ritualhandlungen aufzuhalten hatten. Auch daraus könnte Cibot Informationen gezogen haben.248 Tatsäch­lich verfügten die Jesuiten an sich über recht genaue Kenntnisse zu Terminen und Abläufen der Riten und Zeremonien, denn Cibots Ordensbruder Amiot war zeitgleich als Hofastronom Mitglied des Ritenministeriums und somit in die genaue termin­liche Planung integriert. In einem Brief vom 1. Juli 1788 schrieb Amiot beispielsweise an den ehemaligen französischen Minister und Generalkontrolleur der Finanzen Bertin, der alte Kaiser (Qianlong-­Kaiser) habe alle Zeremonien zu Jahresbeginn tadellos absolviert.249 Einige Jahre zuvor hatte Amiot im Journal des Sçavans den interessierten Europäern eine erste Zusammenfassung des 1747 am Hof in Peking publizierten Kompendiums der Mandschu-Rituale (Qinding Manzhou jishen jitian dianli) unter dem Titel Rituels des Tartares Mantchous determinés et fixés par l’empereur comme chef de sa religion gegeben.250 Es ist somit sehr wahrschein­lich, dass den Jesuiten das riesige Kompendium des Da Qing tongli bekannt war und Teile daraus für Cibots Übersetzung herangezogen wurden. Elf Jahre nach dem Pflugereignis von 1767 konnte die französische und somit die europäische Öffent­lichkeit Cibots Bericht in den von ihm selbst und Jean Joseph-Marie Amiot initiierten sowie vom französischen Minister Bertin protegierten und mit herausgegebenen Mémoires concernant zur Kenntnis nehmen.251 Cibot hatte die Mémoires concernant bis zu seinem Tod vielfach mit Berichten zu Pflanzen und Anbaumethoden in China bereichert.252 Zudem stand er mit Minister Bertin in engem brief­lichen Kontakt. Die im Jahr 1777 gegenüber Bertin geäußerte Idee eines plan d’Agriculture Chinois dont votre Grandeur a dû avoir recu la partie historique et les planches konnte Cibot

248 Zu den Tableaus vgl. Zito, Of Body and Brush, S. 144. 249 Die Briefe Amiots an Bertin aus den Jahren 1766 – 1793 wurden von Henri Cordier gesammelt und chronologisch in Folianten zusammengestellt. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires an Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms. 1515 – 1526. Brief vom 1. Juli 1788 unter ms. 1517, Bl. 34 – 41, hier Bl. 43r. 250 Di Cosmo, Manchu Shamanic Ceremonies at the Qing Court, S. 355. Zur Durchführung der Mandschu-Rituale am Hof in Peking ibd. S. 375ff. 251 Bertin erwähnte in seinen Briefen sehr häufig die Mémoires concernant les Chinois, in denen er regelmäßig ausgewählte Berichte der Jesuiten an ihn publizierte. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires an Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms. 1515 – 1526. Hier ms 1523. Zu den Inhalten der Mémoires vgl. Dehergne, Une grande collection, S. 276f. 252 Cibot, Pierre-Martial: Sur le Bambou. Culture et utilite du Bambou. In: Mémoires concernant les Chinois, Bd. 2. Paris 1777. S. 623 – 642. Ders.: Notices de quelques plantes et arbrisseaux de la Chine. In: Memoires concernant les Chinois, Bd. 3. Paris 1778. S. 437 – 498. Ders.: Observations sur les plantes, les fleurs et les arbres de la Chine. Memoires concernant les Chinois, Bd. 11. Paris 1786. S. 183 – 259.

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allerdings aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr vollständig realisieren.253 Sein Bericht vom Ablauf des Pflugrituals soll an dieser Stelle trotz der Länge zum Vergleich mit der Passage aus den Da Qing tongli vollständig wiedergegeben werden: La cérémonie de labourer la terre est une des grandes cérémonies, & des plus anciennes de l’Empire. Les Empereurs de la dynastie régnante l’ont rétablie dans tout son lustre. Quand on donnera l’Agriculture de Chine, on racontera en détail tout ce qui a trait à l’origine, l’histoire, la fin, l’appareil, &c. de cette cérémonie: on se contente ici d’en copier l’annonce, & de traduire la Requête des Tribunaux, telle qu’elle a eté présentée à l’Empereur, & mise dans les Papiers publics. Le Li-pou [Libu] (c’est le Tribunal des cérémonies), & les autres Tribunaux avertissent respectueusement pour la cérémonie du 23 de la troisieme Lune de la trente-deuxieme de Kien-long [Qianlong], (c’est-à-dire, le 22 Avril de cette année 1767,) trente-deuxieme année du Regne de l’Empereur. L’Empereur fera en personne la cérémonie de labourer la terre. La veille, les Mandarins du Jai-tchang-fée [Yizheng chu?] (c’est un petit Tribunal du Palais) porteront avec respect la tablette du Nei-ko [Neige] (nom du Tribunal des Ministres), au Sien-nong-tan [­Shennong tan] (salle dédiée aux Inventeurs & protecteurs du Labourage). Les Mandarins du H ­ ou-pou [Hubu] (nom du Tribunal des Impôts & Domaines) prépareront les instrumens du Labourage, les boîtes remplies de grain, & les remettront aux Mandarins du Chun-tien-fou [Shuntian fu?] (c’est le nom du Tribunal du Gouverneur de Pé-king): ceux-ci, après les avoir couverts de leurs enveloppes de soie, & mis dans leur boîtes, les feront porter, & les accompagneront jusqu’au Ken-so [gengsuo?], (l’endroit du Labourage). Ils planteront des tablettes rouges, pour marquer & distinguer les différentes portions de terre que les Princes & les Grands doivent labourer, & rangeront à côté du Kouan-ken-tai (cabinet elevé & ouvert), tous les instrumens du Labourage. Le jour de la cérémonie, les Mandarins du Nei-ou-fou [Neiwu fu] (nom du Tribunal du Palais pour les affaires de la Maison de l’Empereur), le Maître des cérémonies, & les autres Officiers de son Tribunal se trouveront à la cinquieme veille (à la pointe du jour) en dehors du Tchin-kin-kong [Zijin gong? = Verbotene Stadt] (nom du Palais), pour y attendre la fin du sacrifice. Le sacrifice étant fini, les dix grands Officiers de la premiere garde entoureront Sa Majesté, & la conduiront au Tchin kin-kong, pour se reposer, & quitter ses habits de cérémonie. Les Princes & les Grands, qui doivent labourer, quitteront aussi les leurs: cependant on tirera de leurs en veloppes & couvertures la charrue, le fouet, les boîtes remplies de grain qu’on a préparé pour l’Empereur, aussi bien que celles qui sont destinées pour les Princes & les Grands, & on les rangera sur les côtés du Ken-so. Le Maître des cérémonies, les Mandarins du Nei-ou-fou, & les autres Officiers en fonction se rassembleront au midi du Ken-so. Les

253 Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires an Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms. 1515 – 1526. Hier ms 1523. Brief Cibots an Bertin vom 10. November 1777. Bl. 59 – 64. Hier Bl. 58 v.

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quatre Vieillards titrés, les quatorze Chantres, les trente-six Joueurs d’instrumens, les vingt Paysans ayant des chapeaux de paille, & tenant à la main des bêches, rateaux, fourches, ballets, se placeront sur deux lignes à gauche, & à droite du Ken-so, ainsi que les cinquante Porte-Etendards, les trente-quatre Vieillards du Chun-tien-fou, & les trente Laboureurs des trois ordres. Etant tous rangés, ils attendront en silence & debout: l’heure du Labourage étant venue, le premier Mandarin du Tai-Tchang-sée [Taichang si] entrera dans le Palais pour inviter Sa Majesté. Alors le Maître des cérémonies prendra un etendard, & le fera voltiger trois fois. Les trois Princes, & les neuf Grands qui dovent labourer, se rendront aux endroits qui leur sont marqués. Tous ceux qui ont quelque emploi iront à leur poste. Les autres se rangeront aux deux côtés du Ken-so. Les dix grands Officiers de la premiere garde, ayant entouré l’Empereur, le conduiront au Ken-so, & Sa Majesté s’avancera la face tournée vers le midi.254 Quand Elle sera arrivée, le Mandarin du Hou-lou-sée [Honglu si] (nom d’une Chambre du Tribunal des cérémonies) dira à haute voix: Présentez la charrue. Aussitôt le Président du Hou-pou, le visage tourné vers le nord, mettra les deux genoux en terre, & présentera le manche de la charrue à Sa Majesté, qui la prendra de la main droite. Le Mandarin du Hou lou-sée dira à haute voix: Présentez le fouet. Aussitôt le premier Mandarin du Chun-tien-fou, le visage tourné vers le nord, mettra les deux genoux en terre, & présentera le fouet, que Sa Majesté prendra avec la main gauche. Deux Vieillards conduiront les bœufs, deux Laboureurs du premier ordre soutiendront la charrue: le Président du Li-pou, le premier Mandarin du Tai-Tchang-sée les précéderont. Au premier mouvement de Sa Majesté, tous ceux qui ont des etendards, les seront voltiger; les Chantres entonneront des cantiques au son de tous les instrumens, le premier Mandarin du Chun-tien-fou portera la boîte du grain, & le Président du Hou-pou le semera. L’Empereur labourera trois sillons: quand Sa Majesté les aura finis, le Mandarin du Hou-lou-sée dira à haute voix; Recevez la charrue. Le Président du Hou-pou se mettra aussitôt à genoux pour la recevoir. Le Mandarin du Hou-lou-sée dira à haute voix: Recevez le fouet. Le premier Mandarin du Chun-tien-sou se mettra aussitôt à genoux pour le recevoir. Ils couvriront la charrue & le fouet de leurs enveloppes de soie, aussi-bien que la boîte du grain. Alors la Musiques s’arrêtera, & le Présidents Li-pou invitera l’Empereur à monter sur le Kuongken-tai [Guangeng tai]: le même Président, & le premier Mandarin du Tai-tchang-sée y conduiront Sa Majesté par l’escalier du milieu. Sa Majesté s’assiera, le visage tourné vers le midi. Tous les Princes, tous les Grands, tous les Mandarins, qui n’ont point d’emploi dans le reste de la cérémonie, se rangeront aux deux côtés de l’Empereur, & s’y tiendront debout: alors les trois Princes commence ceront à labourer, & feront cinq sillons, ayant chacun un Vieillard pour conduire leurs bœufs, deux Laboureurs pour soutenir leurs charrues, & deux Mandarins inférieurs du Chun-tien-fou, pour semer après eux: quand ils auront fini, ils viendront se placer à leur rang. Les neuf Grands commenceront alors à labourer, & feront neuf sillons, ayant chacun un Vieillard pour conduire leurs bœufs, deux Laboureurs pour

254 Hier in der Bedeutung von Raum, Richtung und kosmologischer Ordnung.

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soutenir leurs charrues, & des Mandarins du Ta-hien-him [?], & Ouang-ping-hien [?] (nom de deux petits Tribunaux qui dépendent de celui du Gouverneur), pour semer après eux. Quand ils auront fini, ils viendront se mettre à leur rang, & resteront debout. Les Mandarins inférieurs du Chun-tien-fou couvriront de leurs enveloppes les instrumens du labourage & les boîtes du grain, & les emporteront. Le Mandarin du Hou-lou-sée conduira au bas du Kouang-ken-tai, du côté de l’occident, tous les Mandarins du Chun-tien-fou, les Vieillards, les Laboureurs, habillés selon leur état, & portant chacun un instrument de Labourage. Tous ensemble, le visage tourné vers le nord, se mettront trois fois à genoux; & à chaque fois, ils frapperont la terre du front à trois reprises, pour remercier Sa Majesté. Après cette cérémonie, les Mandarins du Chun-tien-fou, du Ta-him-him [?], du Nan-ping-hien [?], les Vieillards & les Laboureurs iront finir le Labourage du Ken-so. Alors le Président du Li-pou viendra avertir Sa Majesté que toutes les cérémonies du Labourage sont finies. Sa Majesté descendra du Kouang-ken-tai, par l’escalier de l’orient, montera dans son char, & sortira par la porte Sien Nang, &c. II y auroit matiere à bien des notes dans ce que nous venons de traduire: nous nous bornerons à quatre. 1. L’Empereur, & tous ceux qui doivent prendre part à la cérémonie du Labourage, s’y préparent par trois jours de jeûne. 2. On fait un Sacrifice avant la cérémonie de labourer la terre. 3. Ce qu’on recueille dans le Ken-so est conservé avec respect: on en rend compte à l’Empereur, & on ne s’en sert que dans les grands Sacrifices au Chang-ti, ou souverain Seigneur. 4. Quand l’Empereur est moins occupé, la Cérémonie du Labourage est terminée par un repas magnifique, où Sa Majesté Chinoise régale les Princes, les Grands, les Mandarins, &c. II est remarquable que, quand il s’en retourne à son Palais, il est sur un char de parade, précédé par des Chœurs de musique & de symphonie, & par tout l’appareil & les plus grandes cérémonies. Cibots Bericht ist trotz seiner Auswahl an Informationen ausführ­licher als alle vorher nach Europa gelangten Beschreibungen. Er macht gerade hinsicht­lich der Zuständigkeiten der Hofämter für die Organisation und den Ablauf sowie die teilnehmende Öffent­lichkeit kompetente Angaben. So erfährt der Leser Einzelheiten zu den teilnehmenden Gruppen oder Personen aus unterschied­lichen Bereichen des Hofes und der Bevölkerung, denen mit ihrer Teilnahme am kaiser­lichen Pflügen auch eine spezifische oder sogar mehrere wechselnde Funktionen übertragen worden waren, die aus aktiven recht­lich-kommunikativen Handlungen oder passiven Rollen bestanden. Cibot zeigte eindrucksvoll, wie einzelne Personen oder Gruppen während des gesamten Aktes von der Empfänger- auf die Senderseite oder in den umgekehrten Bereich wechselten. Mit dem Rollenwechsel war für die Dauer des Aktes jedoch kein Statuswandel verbunden. Die bäuer­liche Tätigkeit verwies nur auf einen wichtigen Teil des breiten Spektrums von Funktionen, die in der Person des Herrschers verankert lagen. Seine Zusammenfassung des Rituals schloss der Jesuit mit der bedauernden Bemerkung, dass Europa sicher kaum verstehen werde, wie viel Größe, Edelmut, Großartigkeit,

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Majestät und Schick­lichkeit die Chinesen in alle öffent­lichen Zeremonien einfließen lassen würden. Er hoffe aber, dass diese Zeremonie Europa die Augen öffne und beweise, dass China das Amerika der Literaten, der Weisen und Staatsmänner sei.255 Was die Jesuiten ihren Auftraggebern wie Bertin oder den Lesern ihrer Berichte nicht bieten konnten, waren authentische chinesische Bilder des kaiser­lichen Pflügens. Somit erging seitens des Ministers der Auftrag, in China vor Ort Zeichnungen von Handlungen des Kaisers zu erstellen und auch die Pflugszene bild­lich zu fixieren. Der franzö­sische Kupferstecher Isidore Stanislas Helman (1743 – 1806/09?) schuf eine Serie nach Giuseppe Castiglione (1688 – 1766) und den Auftragswerken, die sich in Bertins Besitz befanden. In der Bildunterschrift zur Darstellung des pflügenden Kaisers gab er an, dass das Ritual von Kaiser Venti (Han Wendi) eingeführt und bis zur Gegenwart fortgesetzt werde. Es diene dazu, so Helman, die Landwirtschaft hervorzuheben und Fruchtbarkeit des Bodens zu erlangen. Unter dem Bild erläuterte er kurz den Ablauf des Rituals. Der Stich dokumentierte das eigenhändige Pflügen des Monarchen sowie die beteiligte Öffent­lichkeit, die aus Prinzen, Gerichtspräsidenten, Mandarins, „Alten“ (vieillards) und pflügenden Bauern bestehe. Unter dem Bild vermerkte Helman: Peint par un peintre de l’Empereur de la Chine. Tiré du Cabinet de Mr. Bertin.256 Mit den zahlreichen Beschreibungen der Pflugrituale gelangten wichtige Informationen zur Sozial-, Gesellschafts- und Herrschaftsanalyse Chinas nach Europa. Zugleich gehörten Rituale zu den Bausteinen des kulturellen Gedächtnisses des Kontinents, durch das sich die europäische Gesellschaft ex negativo ihrer selbst versichern und mit fremden Kulturen messen konnte.257 Die Beschreibungen des kaiser­lichen Pflügens konnten deshalb ohne besondere Rücksichten nach Frankreich oder ins Alte Reich (und über diese Wege auch ins übrige Europa) vermittelt werden, weil sie nicht wie das diplomatische Zeremoniell herrscher­licher Empfänge inkompatible Interaktionskompetenzen zwischen Chinesen und Europäern verlangte und somit kulturpolitisch und emotional aufgeladen waren. Außerdem ließ sich das Bild des pflügenden Monarchen in beiden Kulturen als herrscher­liche Protektion des Ackerbaus sinnfällig vermitteln. Das Pflugritual ermög­lichte einen Vergleich, gerade weil es sich um ein Ritual handelte, das 255 Cibot, Pierre-Martial: Requette à l’Empereur pour la cérémonie du Labourage. In: Mémoires concernant l’Histoire, les sciences, les arts, les mœurs, les usages des chinois par les missionnaires de Pékin. Bd. 3. Paris 1778. S. 499 – 504. 256 Cérémonie du labourage faite par l’Empereur de la Chine, in: Helman, Isidore Stanislas, Suite des seize Estampes représentant les conquêtes de l’Empereur de la Chine [auch: Faits memorables de la Chine], Kupferstich Nr. 17, 42,3 x 25,3 cm. Dazu Pirazzoli, Michèle: Gravures des Conquêtes de l’Empereur de Chine K’ien-Long au Musée Guimet. Paris 1969. S. 39. Ein weiterer Stich entstand nach den Beschreibungen der Jesuiten und Reisenden von Charles Nicolas Cochin: Le Triomphe annuel du plus noble des Arts, Paris 1780. Kupferstich 20,5 x 14 cm, Berlin SMPK Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 846/58. Dazu Michel, Christian: Charles Nicolas Cochin et le livre illustré au XVIII siècle. Avec un catalogue raisonné des livres illustrés par Cochin 1735 – 1790. Genève 1987. S. 341. 257 Krischer, Können Rituale gesammelt werden? S. 5f.

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grundsätz­lich in Anlehnung an das europäische Ritual- (und Zeremoniell-)Verständnis, Ordnung zu stiften, dennoch aber in Europa keinerlei Entsprechung aufwies und auch kaum Verständnisschwierigkeiten entstehen ließ. Seine sakrale Bedeutung war in allen Beschreibungen aus geist­licher und nichtgeist­licher Feder zwar nicht ignoriert, aber auch nicht übermäßig betont worden. Stattdessen waren aber umso stärker profane Deutungen herrscher­licher Fürsorge und Vorbildhaftigkeit hinsicht­lich der Ernährung des Volkes und der gesellschaft­lichen Bedeutung der Landwirtschaft sowie der Bauern hervorgehoben worden. Es konnte von den europäischen Lesern somit eher als Staatszeremonie verstanden werden. Dies mag auch der Grund für die übereinstimmende Einordnung als Zeremonie, als feier­licher Akt, und nicht als Ritual in den Berichten aus China sein. Zugleich zeigt sich hier gemäß der Medienanalyse von Stuart Hall eindrucksvoll, wie die Jesuiten, aber auch andere Reisende ihre Berichte zum kaiser­lichen Pflügen unter Nutzung des als bekannt vorausgesetzten gesellschaft­lichen Wissens um Rituale bzw. Zeremonielle und das Gemeinwohlverständnis in Europa encodierten und damit auch, wie sie es verstanden wissen wollten. f. Die Rechtsstellung der Bauern und das Auszeichnungswesen Du Halde betont in seiner Description de la Chine immer wieder den geachteten Status der Bauern in der chinesischen Gesellschaft. In der Wiedergabe einer Rede an einen Mandarin seitens eines Kaisers heißt es: Ce point mérite toute votre attention: il y va de votre intérêt, car par ce moyen vos laboureurs vous demeureront fidèles, vos campagnes ne seront point abandonnées, vos voisins veilleront à votre conservation, vos intérêts seront ceux du public. D’un autre côté, le Ciel par des voies qui vous sont inconnues, vous protégera, & vous comblera de biens.258 Der Rang der Bauern und ihre Arbeit seien deshalb deut­lich vor dem der Händler angesiedelt.259 Das bedeutete aber auch, dass die gesamte Landwirtschaft unter ständiger staat­ licher Überwachung stand. Regelmäßige Kontrolle der Arbeit und Motivation der Bauern durch Verwaltungskräfte sollten sicherstellen, dass die notwendigen Arbeitsschritte des Feldbaus pünkt­lich und richtig ausgeführt worden waren. Der französische Jesuit François-Xavier d’Entrecolles berichtete 1720 enthusiastisch von wahrhaft länd­ lichen Idyllen in China sowie dem perfekten bzw. harmonischen Zusammenspiel von 258 Du Halde, Description de la Chine. Bd. 2, S. 36. Vgl. dazu Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas. S. 250. Hervorgehoben wird auch immer wieder die Tatsache, dass in China auch die Grundbesitzer Steuern zu zahlen hatten. Vgl. dazu Maverick, Chinese influences, S. 64. 259 L’agriculture y est fort estimée, & les laboureurs, dont la profession est regardée comme la plus nécessaire à un État, y tiennent un rang considérable; on leur accorde de grands privilèges, & on les préfère aux marchands & aux artisans. Du Halde, Description de la Chine. Bd. 2, S. 64. Oder: On distingue parmi le peuple, comme je l’ai dit, trois sortes de professions: celle des laboureurs, qui est la plus estimée; celle des marchands, dont je parlerai, lorsqu’il s’agira du commerce qui se fait à la Chine; & enfin celle des artisans qui vivent du travail de leurs mains, & qui étant continuellement occupés aux arts mécaniques, fournissent aux nécessités & aux commodités de la vie. Ibd. S. 72.

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patriarchalisch-wohlmeinender Obrigkeit und den Bauern, aus welcher der Wohlstand des Landes resultiere.260 Noch im selben Jahr publizierte Stöcklein den Bericht in seinem Welt-Bott in deutscher Übersetzung: Viel Sachen werden dernwegen wenig geachtet/ weil sie gar zu gemein seynd: unterdessen synd dieselbe dergestalt nothwendig/ daß der Vatter der Volcks solche vor allem besorgen und handhaben muß. Von solcher Art ist der Feldbau. Um dieser Ursach willen/ sobald die Saat=Zeit herbey kommen ist/ gehet der Mandarin aus der Statt und beäucht die Felder: findet er nun/ daß solche wohl angebauet seyen/ so lobt er den Ackersmann oder Baueren; hingegen macht er auch denselben zu schande/ wann der Acker lieder­lich aussihet oder in der Brach verwildert. […] Ein guter Mandarin, so der Hirt des Volcks ist/ wann er wahrnimmt / daß ein armer Bauersmann an Viehe oder Sammen Noth leidet/ leihet ihm einen Ochsen und streckt ihm ohne Wucher die Frucht vor/ damit er möge seinen Acker ansäen/ und gewinnet hierduch großes Lob. Mann nennet ihn alsdann einen Vatter des Volcks: man frolocket unter so einer liebreichen Obrigkeit zu stehen: man wird hierdurch mit Lust zu arbeiten angefrischt: die Felder werden zu einem lustigen Schauspiel mensch­licher Augen: auf denen Dörffern und Meyer=Höfen lebt alles in Freud und Überfluß: alle End und Winckel erschallen mit des Mandarinen Lob.261 Das Geheimnis der Idylle und ausreichenden landwirtschaft­lichen Produktion in China lag nach d’Entrecolles in der Würde, die den Bauern innerhalb der Gesellschaft zukam, sowie der Nähe der staat­lichen Organe zu den Bauern. Die allzeit hilfsbereite und besorgte, väter­lich agierende Obrigkeit wurde im Bedarfsfalle augenblick­lich und vollkommen 260 Er schrieb: Il y a des choses qu’on néglige parce qu’elles sont communes: cependant elles sont si nécessaires que le Pere du peuple y doit apporter ses principaux soins. Telle est l’application du Mandarin à animer (1) les Laboureurs au travail. Ainsi quand le temps est venu de labourer & d’ensemencer les terres, le Mandarin sort hors de la Ville, & va visiter les campagnes. Quand il trouve des terres bien cultivées, il honore de quelque distinction le Laboureur vigilant. Au contraire il couvre de confusion le Laboureur indolent, dont les terres sont négligées ou en friche. Quand on a sçû profiter de la saison des semences, le temps de la récolte amene la joye & l’abondance: le peuple éprouve alors, que ceux qui le gouvernent, sont attentifs aux besoins de l’Estat; c’est ce qui le soutient dans un rude travail. Un Ancien a bien dit: Visitez les Campagnes au Printemps, aidez ceux qui ne sont pas en estat de les cultiver: c’est-là une maniere excellente d’animer les gens au travail. Suivant cette maxime, un Mandarin qui est le Pasteur du peuple, voyant qu’un Laboureur n’a pas dequoy avoir un bœuf pour cultiver son champ, & manque de grain pour l’ensemencer, luy avance l’argent nécessaire, & luy fournit des grains: puis en Automne quand la récolte est faire, il se contente de reprendre ce qu’il a avancé, sans éxiger aucun interest. (2) Cette conduite luy attire les plus grands éloges. (3) On l’appelle avec complaisance le Pere du peuple; le Labourer n’épargne point sa peine; les campagnes deviennent un spectacle agréable aux yeux; dans les hameaux, femmes & enfans, tout est dans la joye & l’abondance; par tout on comble le Mandarin de bénedictions. Lettre du Pere Dentrecolles à Madame *** in: Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 15. Paris 1722, S. 83 – 182, hier S. 134 – 137. Diese Passage griff später Étienne de Silhouette in seinem Kapitel De L’agriculture et du Commerce des Chinois auf. Silhouette, Idée générale du gouvernement et de la morale des Chinois, S. 22. 261 Brief von François-Xavier d’Entrecolles an eine gewisse vornehme Frau aus Engelland, Peking, 19. Oktober 1720. In: Stöcklein (Hg.): Neuer Welt=Bott. Achter Theil, Augspurg/Grätz 1720, Nr. 189, S. 5 – 16. Hier S. 11.

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uneigennützig tätig. Ihre genauen Kenntnisse der Ereignisse in den Dörfern ermög­lichte schnelles und gezieltes Vorgehen. Ihr Lob und ihre Kritik motivierten und optimierten die Leistungsbereitschaft der Landleute. Der Bericht des Jesuiten erscheint auf den ersten Blick stark geschönt. Doch gerade er war weit durch das Land in die Provinzen Jianxi und insbesondere nach Jingdezhen 262 gereist, um die Herstellung von Porzellan zu studieren. Dafür hatte er zahlreiche Arbeiter befragt und den Produktionsabläufen beigewohnt. Zudem galt sein Interesse Pflanzen. Er studierte die Wirkung von Ginseng und den Nutzen von Bambus. Seine Kenntnisse des einfachen Lebens auf dem Lande und zur Bedeutung von körper­licher Arbeit beruhten somit durchaus auf Augenzeugenschaft. Erst 1719 wurde er nach Peking berufen.263 Allerdings war er bei seinen Reisen immer auch auf das Wohlwollen der ört­lichen Behörden in Städten und Dörfern angewiesen, mit denen er deshalb sicher immer guten Kontakt suchte. So entspricht sein Bericht aufgrund der starken Betonung der positiven Rolle der Mandarine sehr wahrschein­lich dem von Beamten geschilderten idealen Soll-Zustand zum Verhältnis zwischen Verwaltungsorganen und Bauern. Das von ihm angesprochene Prinzip von Lob und Tadel, der obrigkeit­lichen Bekundung von Zufriedenheit und Nichtzufriedenheit mit der Leistung von Untertanen beruhte dabei durchaus auf einem realen Bewertungssystem, das unter dem Yongzheng-­Kaiser noch stärkere Ausprägungen annahm. Im Kontext der geachteten Stellung der Bauern verweisen viele Berichte auf das durch den Yongzheng-­Kaiser initiierte und nur unter seiner relativ kurzen Regierungszeit (reg. 1723 – 1735) etablierte Auszeichnungswesen für Bauern. Diese im Kapitel 2.2.6 beschriebene Maßnahme des Kaisers, besonders erfolgreiche Landwirte für ihre Leistungen im Landbau und in der Viehzucht zu ehren und sie in den Mandarinsrang zu erheben, war den Europäern offensicht­lich als so ungewöhn­lich erschienen und hatte sie in solches Erstaunen versetzt, dass die Nachricht zeitnah nach Europa gelangte und sogar noch in Du Haldes 1735 erschienenes Kompendium mit einfließen konnte: Parmi plusieurs beaux règlements, que le même empereur a fait depuis son avènement à la couronne, pour le gouvernement de son empire, il a eu une attention singulière pour les laboureurs: afin de les exciter au travail, il a ordonné aux gouverneurs de toutes les villes, de l’informer chaque année de celui, qui parmi les gens de cette profession, se sera le plus distingué dans leur district, par son application à la culture des terres, par l’intégrité de sa réputation, par le soin d’entretenir l’union dans sa famille, & la paix avec ses voisins; enfin par son économie, & son éloignement de toute dépense inutile. Sur le rapport du gouverneur, Sa Majesté élèvera ce sage & actif laboureur, au degré de mandarin du huitième ordre, & lui envoiera des patentes de mandarin honoraire. Cette distinction lui donnera droit de porter l’habit de mandarin, de visiter le gouverneur de la ville, de s’asseoir en sa présence,

2 62 Die Stadt liegt im Norden der chinesischen Provinz Jiangxi, in der die Porzellanherstellung blühte. 263 Collani, Claudia von: Kilian Stumpf SJ zur Lage der Chinamission im Jahre 1708. In: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 51 (1995). S. 117 – 144. Hier S. 194.

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& de prendre du thé avec lui: il sera respecté le reste de ses jours, & après sa mort, on lui fera des obsèques convenables à son degré, & son titre d’honneur sera écrit dans la salle des ancêtres. Quelle joie pour ce vénérable vieillard & pour toute sa famille!264 Mit seinem letzten Satz und seiner Einschätzung, dass sich ein auf solche Weise geehrter Greis unend­lich freuen würde, hatte sich ein erheb­licher Übersetzungs- und Verständnisfehler in Du Haldes Kompendium eingesch­lichen, der sich später fest in der deutschen und französischen Rezeption etablieren konnte. Der Leser konnte nach Du Haldes Passage davon ausgehen, dass die Auszeichnung den verdienten Bauern in China im Alter, am Ende seines Arbeitslebens, verliehen wurde. Die Jesuiten in China hatten die Anordnung des Yongzheng-­Kaisers über die Verleihung der Mandarinswürde und des Ehrentitels „Alter Bauer“ im Sinne eines ehrwürdigen Bauern missverstanden und auf das Alter des Auszuzeichnenden bezogen.265 Der Schwede Peter Osbeck folgte in seinem Bericht zum Auszeichnungswesen der Bauern exakt Du Haldes Description, verwechselte jedoch den kaiser­lichen Initiator für das neu geschaffene Ehrsystem: Er führte es auf den Kangxi-­Kaiser zurück.266 Bei Poivre findet sich eine sehr ausführ­liche Beschreibung der Encouragement de l’agriculture durch einen unspezifischen Ehrentitel für den besten Bauern. Er meinte sehr wahrschein­lich damit die Erhebung in den Mandarinsrang: L’agriculture chinoise a bien d’autres encouragemens. Chaque année, les vice-rois de chaque province envoient à la cour les noms des laboureurs de bonnes mœurs, qui se sont le plus distingués dans leur culture , soit en défrichant et faisant valoir des terrains regardés comme stériles, soit en faisant rapporter davantage, par une meilleure culture, un terrain anciennement mis en valeur. Tous ces noms sont présentés à l’empereur, qui accorde aux cultivateurs nommés, des titres honorables pour les distinguer du commun. Si un laboureur a fait quelque découverte assez importante, et qui puisse influer sur l’amélioration de l’agriculture publique, ou si, par quelque endroit, il mérite des égards plus distingués que les autres, l’empereur l’appelle à Pékin, le fait vojager aux frais de l’empire et avec dignité, le reçoit dans son palais, l’interroge sur ses talens, sur son âge, sur le nombre de ses enfans, sur l’étendue et la qualité de ses terres, l’accable de bontés, et le renvoie à sa culture avec un titre honorable, et comblé de ses bienfaits. […] Chez un peuple où tous sont égaux, et où tous aspirent après les distinctions, d’autant plus honorables, que le mérite seul les procure, de tels encouragemens doivent bien inspirer l’amour du travail et l’émulation pour la culture des terres.267 Poivres Bericht ist der ausführ­lichste zum Auszeichnungswesen für Bauern des Yongzheng-­Kaisers. Er gibt jedoch eher idealisierend 264 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 71. Vgl. auch Demel, Walter: China in the Political Thought of Western and Central Europe 1570 – 1750. In: Lee, Thomas H. C. (Hg.): China and Europe: Images and Influences in Sixteenth to Eighteenth Centuries (Monograph Series, Institute of Chinese Studies, Bd. 12). Hong Kong 1991. S. 45 – 63. Hier S. 54. 265 Vgl. Kap. 2.2.6 in diesem Buch. 266 Osbeck, Reise nach Ostindien und China, S. 242. 267 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 187f.

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die Intention des Kaisers wieder und verschweigt ebenso wie Du Halde und Osbeck das Scheitern der Maßnahme sowie den oben beschriebenen korrupten Umgang hinsicht­lich der Auswahl der Kandidaten oder den Missbrauch der Titel durch die Ausgezeichneten. Der Erfolg des Ackerbaus an sich und der einzelnen ausgezeichneten Bauern hing aber nicht unwesent­lich vom Verhältnis von Freiheit und Besitz des Landes ab. Im Gegensatz zum gesellschaft­lichen Ansehen finden sich in den Reiseberichten wenige ausführ­liche Erwähnungen zum Stand der Bauern. Pierre Poivre ist einer der wenigen, der wiederholt betonte, dass Freiheit und Besitz die Grundsäulen eines erfolgreichen Ackerbaus in China darstellten. Die Bauern seien frei und könnten ihre Felder frei bearbeiten. Natür­liche Gegebenheiten wie das Meer, Seen, Flüsse, Kanäle und Wälder gehörten nicht Einzelpersonen, sondern der gesamten Gemeinschaft. Die Früchte wie Fische, Wild oder Holz kamen somit der Allgemeinheit zugute und bereicherten nach Poivre den Speisezettel der Bauern erheb­lich.268 Hiermit zeichnete Poivre ein zutreffendes Bild, das vollkommen gegensätz­lich zu den standesbedingten Wald-, Jagd- und Fischereiprivilegien sowie diversen Abhängigkeitsverhältnissen von Bauern in Europa stand. Neben Poivre hatte auch Minister Bertin die Bedeutung einer gehobenen bäuer­lichen Wertschätzung durch den Staat erkannt. In seiner Fragenliste an die Jesuiten Ko und Yang in Peking findet sich die gezielte Bitte, das Augenmerk auf den Stand der Bauern zu richten und sicherzugehen, ob nicht doch in einigen Gegenden Chinas Sklaven arbeiteten: Employe-t’on dans quelques parties de la Chine des esclaves à la culture des terres?269 Allerdings nahmen Ko und Yang zu dieser Frage keine Stellung.

268 Ibd. S. 208f und S. 234, FN 159. Poivre schrieb weiter: En général, toute Attention du Gouvernement chinois est dirigée vers l’agriculture. Le soin principal d’un pere de famille doit être de penser à la subsistance de ses enfants. On conçoit facilement qu’avec de telles dispositions le Gouvernement n’a pas négligé d’assurer aux cultivateurs la liberté, la propriété & l’aisance qui sont les seuls fondements d’une bonne agriculture. Les Chinois jouissent librement de leurs possessions particulieres & des biens qui, ne pouvant être partagés par leur nature, appartiennent à tous, tels que la mer, les fleuves, les canaux, le poisson qu’ils contiennent, & toutes les bêtes sauvages. Ainsi la navigation, la pêche & la chasse sont libres. Poivre, Voyages d’un philosophe, S. 128. Bei Du Halde finden sich zwei Stellen mit ähn­lichen Aussagen: On trouve dans ces montagnes des chevreuils odoriférants. Pendant que j’étais occupé aux exercices de ma mission, de pauvres habitants du village allèrent à la chasse, dans l’espérance que j’achèterais leur gibier, pour le porter à Peking: ils tuèrent deux de ces animaux, un mâle & une femelle, qu’ils me présentèrent encore chauds & sanglants. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 154. C’est à dessein de faire ce trafic, que lorsqu’ils ne sont point occupés dans les campagnes, ils vont sur les montagnes pour y couper du bois, ou bien ils cultivent les jardins potagers: car les Chinois sont bien éloignés de préférer l’agréable à l’utile, & d’occuper la terre de choses superflues, ou infructueuses, comme à former des parterres, à cultiver des fleurs, à dresser des allées; ils croient qu’il est du bien public, & ce qui les touche encore plus, de leur intérêt particulier, que tout soit semé, & produise des choses utiles. Ibd. S. 64. 269 Die Fragenliste ist Teil der Sammlung von 30 Mémoires adressés aux Missionnaires en Chine par M. Bertin. Cordier, Correspondance des RR. PP. Jesuites missionaires an Chine avec H. L. J. Bertin, Bibliothèque de l’Institut de France, ms 1526, Bl. 30r.

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g. Die Protektion des Seidenanbaus Den Rahmen der ausführ­lichen Betrachtungen zur Verknüpfung von Landwirtschaft und Herrschaft in China ergänzte bei Du Halde die Information über die wichtige Funktion der Kaiserin für den Seidenanbau. Nach bekanntem Muster leitete er auch die Zuständigkeit für die Stoffgewinnung und Verantwortung für die Kleidung der Frauen aus der frühen Geschichte ab: Les plus anciens écrivains de cet empire, en attribuent la découverte à une des femmes de l’empereur Hoang ti nommée Si ling, & surnommée par honneur Yuen fei.270 Die Erfindung gehe, so Du Halde, auf diese Kaiserin zurück. Nach dem Muster des ersten Landmannes begründete sie eine Tradition, in der sie als kaiser­liche Gemahlin mit ihrem Vorbild ebenso auf die nachfolgenden hohen Gattinnen späterer Generationen wie auf die rangniederen Frauen aus allen Gesellschaftsschichten wirken sollte. Es etablierte sich, wie im Kapitel 2.2.3 beschrieben, parallel zum kaiser­lichen Pflügen folgende Zeremonie: Ensuite les impératrices, que les auteurs chinois nomment selon l’ordre des dynasties, se firent une agréable occupation de faire éclore les vers à soie, de les élever, de les nourrir, d’en tirer la soie, & de la mettre en œuvre. Il y avait même un verger dans le palais, destiné à la culture des mûriers. L’impératrice accompagnée des reines, & des plus grandes dames de la cour, se rendait en cérémonie dans ce verger, & cueillait de sa main les feuilles de trois branches, que ses suivantes abaissaient à sa portée. Les plus belles pièces de soie qu’elle faisait elle-même, ou qui se faisaient par ses ordres & sous ses yeux, étaient destinées à la cérémonie du grand sacrifice qu’on offrait au Chang ti.271 Du Halde deutete seinen Lesern diese chinesische Tradition in gleicher Weise wie die Pflugzeremonie der Kaiser als pädagogische Orientierung und Anreiz zur Nachahmung für alle Frauen im Volk, ihre geschlechtsbestimmte Aufgabe, für Kleidung zu sorgen, ernst zu nehmen: Il est à croire que la politique eut plus de part que toute autre raison, aux soins que se donnaient les impératrices. L’intention était d’engager par ces grands exemples, les princesses, les dames de qualité, & généralement tout le peuple, à élever des vers à soie; de même que les empereurs, pour ennoblir en quelque sorte l’agriculture, & exciter les peuples à des travaux si pénibles, ne manquent point au commencement de chaque printemps, de conduire en personne la charrue, & d’ouvrir en cérémonie quelques sillons, & d’y semer des grains. L’empereur régnant observe encore cet usage. Pour ce qui est des impératrices, il y a du temps qu’elles ont cessé de s’appliquer au travail de la soie. On voit néanmoins dans l’enceinte du palais de l’empereur, un grand quartier rempli de maisons, où est l’église des jésuites français, dont l’avenue porte encore le nom de chemin qui conduit au lieu destiné à élever des vers à soie, pour le divertissement des impératrices & des reines.272

270 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 205. Ders., Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 241. 271 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 205. 272 Ibd.

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Das Fazit zur Erfüllung der fürst­lichen Pf­licht fiel jedoch kritisch aus. Im Gegensatz zur lebendigen Tradition des pflügenden Monarchen würde die Seidenherstellung gegenwärtig und in der jüngeren Geschichte durch die Kaiserinnen nicht mehr protegiert. Gründe für die Vernachlässigung analysiert Du Halde nicht. Seine Ausführungen beschließt er mit einem Blick auf verschiedene Regionen Chinas, in denen Seide von unterschied­licher Qualität hergestellt werde, und einem Traktat mit der exakten Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte zur Herstellung des edlen Stoffes.273 Du Halde enthielt seinen Lesern aber auch die Beispiele nicht vor, die für die Miss­ achtung der kaiser­lichen Verantwortung für die kostbare Seide als bedeutender und traditioneller Stoff der Chinesen stand. Abfällig berichtet er deshalb über Yeou vang, den zwölften Kaiser der Chou-Dynastie: Er liebte seine Konkubine Baosi so innig, dass sich der Kaiser in ihrer Gegenwart sehr erniedrigte, indem er beständig seidene Stoffe zerriss. Sie hatte ein seltsames Vergnügen an dieser Zerstörung des edlen Materials und er folgte ihren Wünschen.274 In Abhängigkeit von einer Frau handelte der Monarch konträr zu seiner eigenen ausdrück­lichen Schutzfunktion für die Bekleidung. Er zerstörte, was er bzw. die Kaiserin nach alter Tradition zu protegieren hatte. h. Kritische Berichte zum Zustand der Landwirtschaft in China Negative und damit ganz gegensätz­liche Eindrücke zu seinem Onkel brachte der Naturforscher und Neffe Pierre Poivres, Pierre Sonnerat (1749 – 1814), von seiner Reise nach China zwischen 1774 und 1781 mit.275 Er war mit dem Ziel aufgebrochen, die Landwirtschaft in den französischen Kolonien im indischen Pondicherry zu verbessern, und studierte deshalb die Einrichtungen der Chinesen sehr genau. Enttäuscht konstatierte er, dass die chinesische Landwirtschaft eigent­lich nur aus mühseligem Reisanbau bestünde, sonst aber über keinerlei beachtenswerte Techniken oder für Europäer interessante Feldfrüchte verfüge. Gerade der Reisanbau sei in einigen Gegenden in einem solch schlechten Zustand, dass er kaum den Hunger der Bevölkerung stille. Auch die pünkt­liche Ausführung des kaiser­lichen Pflugrituals könne Hungersnöte nicht verhindern: Le jour où l’empereur descend de son trône jusqu’à la charrue, a été célébré dans tous les écrits; ils ont préconisé cette vaine cérémonie aussi frivole que le culte rendu par les Grecs à Cérès, et qui n’empêche pas que des milliers de Chinois se meurent de faim.276 Die

2 73 Ibd. S. 205 – 208. 274 Ibd. 275 Sonnerat hatte als Sekretär Poivres gearbeitet und war 1773 zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris ernannt worden. Zu Sonnerat vgl. grundlegend Ly-Tio-Fane, Madeleine: Pierre Sonnerat, 1748 – 1814: An Account of his Life and Work. Mauritius 1976. S. 13f, zu seinem Aufenthalt in China S. 25ff. 276 Sonnerat, Voyage aux Indes orientales, S. 15. Eine deutsche Übersetzung erschien 1783. Sonnerat, Pierre: Reise nach Ostindien und China, auf Befehl des Königs unternommen vom Jahr 1774 bis 1781 von Herrn Sonnerat. Kommisär beym Seewesen, pensionierten Naturforscher des Königs,

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agronomischen Staatsrituale Chinas waren für ihn wie die antiken Erntefeiern für die Korngöttin Ceres 277 eine inhaltsleere kultische Farce ohne einen wirk­lichen Nutzen für die Landwirtschaft. Sonnerat interpretierte das kaiser­liche Pflügen nicht wie gewohnt als Pf­lichterfüllung des Herrschers und äußeres Zeichen der staat­lichen Wertschätzung landwirtschaft­licher Tätigkeit, sondern als Verharren in starren und sinnlosen Traditionen. Die Riten bedeuteten für ihn eher Stagnation. Den Grund für Hunger und Armut im Land sah Sonnerat im Versagen der Staatsgewalt in vielen öffent­lichen Wirkungsbereichen sowie in der Überbevölkerung Chinas: qu’un terrain quelqu’étendu qu’il soit peut porter plus d’hommes qu’il n’en peut nourrir; […].278 Eine mög­liche Lösung des Problems würde aus seiner Sicht nur ein stärkerer Handel bringen. i. Fazit Grundsätz­lich lässt sich festhalten, dass die Berichte der Jesuiten hinsicht­lich der Verknüpfung von Herrschaft und Landwirtschaft chronologisch betrachtet immer ihren gegenwärtigen Beobachtungsintentionen und Forschungsgegenständen oder später denen ihrer Auftraggeber entsprachen. Somit sind die Berichte bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts in erster Linie auf die chinesische Religion, Philosophie und Geschichte im Kontext des Hof- und Staatswesens ausgerichtet. Die Landwirtschaft spielt innerhalb ihrer philosophischen und historischen Betrachtungen und insbesondere in ihren Studien zur Herrschaftsauffassung der chinesischen Monarchie eine große Rolle. Der Ackerbau wurde von den Patres als unmittelbarer Wirkungsbereich des Herrschers identifiziert und mit der Form der chinesischen Herrschaft, der ihrer Ausübung sowie den Kriterien der Herrschaftspf­lichten in Verbindung gebracht. Die Herrschaftsform des Mandats des Himmels deuteten die Jesuiten nach Menzius als naturrecht­lich begründete Herrschaftsübertragung. Das Volk konnte als Organ des Himmels den Herrscher im Falle seiner pf­lichtvergessenen Regierung nach entsprechender Erinnerung absetzen. Sie vermittelten damit auch Kenntnisse des konfuzianischen Widerstandsrechts nach Europa 279 und berichteten zugleich von einer in der traditionellen Herrschaftsauffassung verankerten und aktuell funktionierenden patriarchalischen Herrschaft der Kaiser in China: In väter­licher Fürsorge hatte sich der Herrscher um das Gemeinwohl seiner Landeskinder zu bemühen. Da die Jesuiten nach dem von Suárez formulierten Herrschaftsverständnis die Herrschaftsberechtigung an die Sorge um das Gemeinwohl geknüpft hatten, musste ihnen die Mög­lichkeit der Herrschaftsbeschränkung oder der mög­liche Herrschaftsentzug bei Vernachlässigung der Pf­lichten in China nicht nur logisch und sinnvoll, sondern auch als Analogie zu ihrer eigenen philosophie des jésuites erscheinen. Korrespondenten des König­lichen Naturkabinnetts, und der König­lichen Akademie der Wissenschaften zu Paris. 2 Bde. Zürich 1783. 277 Die römische Bezeichnung der Göttin ist Ceres, die griechische ist Demeter. 278 Sonnerat, Voyage aux Indes orientales et à la Chine, Bd. 2, S. 4. 279 Darauf verweist schon Creel, Herlee G.: Confucius. The Man and the Myth. New York 1949. S. 268.

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Hungersnöte konnten, mussten aber nicht zwangsläufig aus politischen Fehlentscheidungen oder dem persön­lichen Versagen der Kaiser resultieren. Die ­Patres gaben jedoch ausführ­liche Informationen zu Lösungsansätzen aus der chinesischen Geschichte, die nicht primär die Absetzung, sondern die Belehrung des Monarchen und seine Einsicht im Blick hatten. Nach Europa gelangte somit ein Bild der chinesischen Herrschaft, die sich stärker als die europäische vor den eigenen Untertanen zu verantworten hatte und sich nicht darauf verlassen konnte, dass ihr Fehlverhalten folgenlos bleiben würde.280 Dennoch blieb die Absetzung das letzte Mittel. Stärker betonten die Jesuiten hingegen das Zusammenwirken der Gesellschaft bei der Bekämpfung der Hungersnöte und anderer Probleme durch das pädagogische Mittel der Denk- und Mahnschriften, die das richtige und tugendhafte Handeln des Herrschers initiierten. Die Gemeinwohlorientierung des chinesischen Kaisers drückte sich für die Jesuiten im jähr­lichen Pflugritual aus. Das Ritual wurde von ihnen nicht als religiöser Akt interpretiert, vielmehr wurden gegenüber den europäischen Lesern seine sozialpolitischen bzw. ökonomischen Komponenten betont. Der Herrscher erfüllte mit der Durchführung des Rituals eine Vorbildfunktion, die auf die Untertanen animierend bzw. motivationssteigernd wirken und zur Nachahmung auffordern sollte. In der Nachfolge des Kaisers mussten die Bauern idealiter gehorsam und fleißig ihrer Tätigkeit nachgehen und ihre Felder bestellen. Das Ritual wirkte aus Sicht Du Haldes harmonisierend und stabilisierend auf die chinesische Gesellschaft.281 Dafür erfuhren die Bauern durch das eigenhändige Pflügen des Monarchen die höchste Achtung ihres Berufs. In dieser rituellen Handlung erkannten die Berichterstatter einen wesent­lichen Aspekt, ja sogar das Herzstück der Förderung von Landwirtschaft und der Bauern durch den Herrscher. Indem er – wenn auch in ritualisierter Form – den Ackerbau selbst betrieb, dokumentierte er seine Bedeutung für die gesamte Gesellschaft und für die Politik. Er adelte aus Sicht der Jesuiten mit seiner Tätigkeit die schwere körper­liche Arbeit und Leistung der Bauern. Die fürst­liche Vorbildfunktion war in Europa gleichfalls in unterschied­lichen Herrschaftsauffassungen verankert. Es handelte sich also um ein bekanntes Phänomen. Auch in dieser Tatsache sahen die Jesuiten Analogien zu Europa und betonten umso stärker die Wahrnehmung dieser Vorbildfunktion durch die chinesischen Kaiser und die äußerst positiven und direkten Auswirkungen auf die Untertanen. Die Jesuiten vermittelten das Bild, Kaiser und Untertanen wirkten gemeinsam an der Pf­licht für das Gemeinwohl aller. Auf die Jesuiten musste dieses Zusammenwirken wie ein harmonischer Staatsorganismus wirken. Zudem bedeutete für sie die getreu­liche Durchführung des Rituals die Anerkennung der Gesetze durch den Kaiser in Übereinstimmung mit der 280 Das hatte schon Montesquieu bewundernd festgestellt. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 220f. 281 Weinmann macht darauf aufmerksam, dass Du Halde die grundsätz­liche stabilisierende Wirkung der Staatsrituale in China hervorhebt. Weinmann, Denken und Gesellschaft Chinas, S. 223.

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Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien

Tradition. Sie präsentierten mit ihren Beschreibungen des Rituals einen in Einklang mit den Naturgesetzen stehenden Herrscher, der sich diesen Gesetzen freiwillig unterordnete und sie respektierte. In China bestand somit die Herrschaft der Gesetze und der Kaiser fungierte als ihr Hüter. Mit ihrer entsakralisierten Interpretation des Pflugrituals prägten die Jesuiten entscheidend die Rezeptionsmuster in Europa. Wenn sie auch den Schritt nicht gingen, daraus selbst eine dezidiert ökonomisierte Herrschaftsauffassung zu formulieren, trugen sie mit der Fülle des Materials und der Betonung dieser Information stark dazu bei. Andere Formen der Sicherstellung der Ernährung und der Verhinderung von Armut wie die gerechten Steuern, die Einrichtung der Kornspeicher und das Auszeichnungswesen der Bauern beruhten aus ihrer Sicht alle auf der landesväter­lichen Fürsorgepf­l icht der Kaiser und seiner gemeinwohlorientierten Ausübung von Herrschaft. Du Halde berichtete vor allem von der Existenz dieser Einrichtungen, erläuterte aber eher weniger genaue Funktionsweisen und Ausmaße. Die Betrachtungen der Jesuiten waren geprägt von ihren philosophischen und historischen Kenntnissen bzw. von Vorstellungen zum chinesischen Herrschaftsideal und den alltäg­lichen Erfahrungen der Ausübung der Regierung der aktuellen Herrscher wie dem Kangxi-­Kaiser, dem Yongzheng-­Kaiser und dem Qianlong-­Kaiser. Historisches Ideal und politische Realität der Selbstdarstellung und des Selbstverständnisses der Kaiser prägten ihre Berichterstattung. In vielen Bereichen, insbesondere in der Förderung der Landwirtschaft, erkannten sie die Betrebungen der drei Qing-­Kaiser, sich den Idealen der Urkaiser anzunähern bzw. sich traditionskonform zu verhalten. Die Jesuiten identifizierten den chinesischen Kaiser gemäß seiner Pf­licht, als erster Gelehrter seines Landes zu fungieren, in Anlehnung an das platonische Ideal eines Philosophen auf dem Thron. Diese antike Idee war aus ihrer Sicht in China deut­lich stärker als in Europa realisiert. Der Konfuzianer auf dem Thron führte ein von moralischen und sitt­lichen Richtlinien sowie Vernunft und Wissen(schaft) geprägtes weises Regiment, das auch den gesamten Beamtenapparat, die von den Jesuiten als literati beschriebene Mandarine beeinflusste. Die Jesuiten berichteten vom hohen pädago­ gischen Anliegen des Staates, das alle Gesellschaftsschichten, und eben auch die Bauern, in der Vermittlung von neuem agronomischen Wissen erreichte. Der Herrscher verfügte selbst als erster Gelehrter über theoretisches und praktisches ökonomisches und spezielles agronomisches Wissen und förderte die Erweiterung und Vermittlung der Wissensbestände. Theoretisches Wissen ergänzte die Praxis und machte die Landwirtschaft effizienter. Das traditionelle Zusammenwirken des Beamtennetzwerks mit dem Kaiser und die unter den Qing-­Kaisern ausgebauten Strukturen begünstigten aus Sicht der Jesuiten nicht nur die Vermittlung von Wissen an die Bauern, sondern auch gegenläufig den Informationsfluss zu Ergebnissen von gemeinwohlorientierten Maßnahmen oder Bedürfnissen der Bevölkerung. Auch hierin erkannten die Jesuiten ein Zusammenwirken aller Gesellschafts- und Berufsschichten, welches das Regierungshandeln und den Nutzen für das Volk optimieren konnte. Der immer wieder von ihnen

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geschilderte und gelobte chinesische Verwaltungsapparat wirkte sich strukturell auch positiv auf die Landwirtschaft aus: Er band sie an die staat­liche bzw. behörd­liche Kontrolle und ermög­lichte gezielte Einflussnahme. Du Halde und die anderen Autoren der früheren Kompendien boten anhand ihrer Gewährsmänner und Berichterstatter eher einen Überblick zu grundsätz­lichen Fragen der Verbindung von Herrschaft mit Landwirtschaft. Gerade die Jesuiten standen aber bei Zeitgenossen und stehen in der heutigen Forschung wieder im Verdacht, ein allzu idealisiertes, oft falsches und einseitiges Bild Chinas entworfen zu haben, um ihre Arbeit zu legitimieren oder die Aufmerksamkeit durch exotische Gegenstände auf sich zu ziehen. Im Hinblick auf die Informationen zur Bedeutung der Landwirtschaft in China hat die Analyse der Berichterstattung gezeigt, dass ein weitgehend zutreffendes, mit der offiziell vermittelten Selbstdarstellung der drei Qing-­Kaiser übereinstimmendes und somit sehr konkretes Bild nach Europa vermittelt worden ist. Insbesondere offizielle Hofdokumente oder die vom Hof initiierten Neueditionen klassischer Werke, über die sie Kenntnisse von politischen Vorgängen oder Zielen bzw. dem Selbstverständnis und der Motivation der Qing-­Kaiser erhielten, waren in ihre Berichterstattung eingeflossen. Damit war ihnen zwar von chinesischer Seite eher ein Soll- als ein Istzustand der Politik vermittelt worden, aber auch das Bemühen der Kaiser nicht verborgen geblieben. Aus diesem Grund sind die Berichte nicht vordergründig von fehlgeschlagenen Regierungsbestrebungen bei der Förderung des Ackerbaus, dem Scheitern von Hilfsmaßnahmen oder korruptionsanfälligen Beamten, sondern von der Herrschaftsauffassung, dem Kanon der traditionellen Pf­l ichten sowie dem Reformwillen einzelner historischer oder der zeitgenössisch aktuellen Kaiser hinsicht­lich der Landwirtschaft geprägt. Grundsätz­ lich wurde von den Berichterstattern die Mög­lichkeit des Scheiterns der chinesischen Herrscher aber immer in Betracht gezogen und den Lesern in Europa auch vermittelt. Zur positiven Beurteilung der kaiser­lichen Bemühungen um das Gemeinwohl trug weiterhin die Erkenntnis von Analogien zu wesent­lichen Bestandteilen europäischer Herrschaftsauffassungen bei. In den wenigsten Fällen stellten die Jesuiten diesen Vergleich zu europäischen Herrschaftsidealen direkt her. Die Analogien sind vielmehr in ihrem verschmolzenen und präsentierten Wissen zu erkennen. Es handelt sich somit um ein Konstrukt, das wesent­lich auf Herrschaftsidealen beruhte, die nahe an christ­licheuropäische und insbesondere jesuitische Vorstellungen herankamen.282 Die Berichte der Korrespondenten Bertins sowie die der Experten und instruierten Laien fielen zudem ausführ­licher aus als die Ausschnitte, die Du Halde grundsätz­lich präsentierte, und sie stellen weit öfter direkte Bezüge zu europäischen Verhältnissen der Antike oder der zeitgenössischen Gegenwart her. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts richteten die Jesuiten und reisenden Spezialisten ihren Blick stärker auf die aktuelle Landwirtschaft Chinas im Kontext neuer

282 Pigulla, China in der deutschen Weltgeschichtsschreibung, S. 21.

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Das China-Bild der Reiseberichte, Jesuitenbriefe und Kompendien

Fragen. Es ging ihnen um die Anpassungsfähigkeit der chinesischen Landwirtschaft an die steigenden Bevölkerungszahlen, die Erträge im Zusammenhang mit der Rechtsstellung und dem Landbesitz der Bauern, die Optimierung der Erträge, die genaue Höhe und die Formen der erhobenen Steuern, dem Nutzen der Abgaben und die technische Einrichtung bzw. Verbreitung der staat­lichen Vorsorgeeinrichtungen von Kornspeichern oder einzelne Pflanzen und deren Anbau. Ihr Informationsbedürfnis richtete sich nach den Bedürfnissen Frankreichs und anderer europäischer Staaten. Es zielte auf Fragen des Wie und Wodurch oder des Was und Warum, auf Fragen der Ökonomisierung der Politik. Bestehendes Wissen zur Verknüpfung von Herrschaft und Landwirtschaft von staat­lichen oder gelehrten Auftraggebern sollte intensiviert und konkretisiert werden. Die Beschreibungen folgten noch immer offiziellen, teils wissenschaft­lichen Hofpublikationen, beruhten aber auch auf Betrachtungen zum Zustand auf dem Lande, breiteren Feldforschungen unter Einbeziehung von Ergebnissen aus Gesprächen mit Bauern. Die Leistung der europäischen Autoren bestand somit in der praktischen Ergänzung bestehenden Wissens um Methoden und Techniken der Chinesen, wie diese ihre Politik und die Wissenschaft mit der Ökonomie verbanden. Dabei betonten die Berichterstatter gegenüber ihren Auftraggebern noch immer den Wert langer Traditionen in China. Für die Jesuiten war die Geschichte eine Lehrmeisterin, die bei Problemen der Gegenwart inspirierend und richtungsweisend zu wirken vermöge. Dabei unterstrichen sie ihr Verständnis von Reform: einen Rückgriff auf alte Ideale, die es nun galt, erfolgreich zu etablieren. Darüber hinaus wurde die in den älteren Berichten hervorgehobene Bedeutung des Herrschers sowie die Verbindung von Politik und Moral im Kontext der Landwirtschaft nicht infrage gestellt, sondern bestätigt. Stärker als vorher wurde nun das Zusammenwirken aller Komponenten für den agronomischen Erfolg betont.

4. Der chinesische Kaiser als Vorbild – Die Rezeption im Alten Reich und Frankreich

4.1 Herrschaft und Landwirtschaft im Kameralismus 4.1.1 Allgemeine Kritik des Kameralismus am Zustand der Landwirtschaft

Der Kameralismus, oft als deutsche Form des Merkantilismus bezeichnet, entstand im 17. Jahrhundert als eine Idee der Koppelung fürst­licher Finanzen an die Wirtschaft des Territoriums in Abhängigkeit von der Bevölkerung. Diese Finanzwirtschaft zielte auf die Geldvermehrung der fürst­lichen Kammer bei gleichzeitiger Förderung der Binnenwirtschaft.1 Mit dem Kameralismus als Wirtschaftstheorie und -praxis wurde Mitte des 18. Jahrhunderts immer stärker deut­lich, dass eine veränderte Zielsetzung für die monarchische Regierung erforder­lich war, die sich auf die Optimierung aller Lebenszusammenhänge konzentrierte.2 Ein wesent­licher Faktor der Optimierung bestand in der Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Darunter waren nach Johann Heinrich Gottlob von Justi (1720 – 1771)3 auch alle Wirkungsbereiche des Staates zu subsumieren. Justi gilt deshalb als erster Kameralist, der die Staatskunst als kameralistische Disziplin einordnete und einen erweiterten ökonomischen Wirkungsbereich für die Fürsten konzipierte. Zugleich bestand sein Ziel in der Ökonomisierung aller Gesellschaftsschichten. Dies bedurfte, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt werden soll, eines neuen Gesellschaftsverständnisses, das in der Annäherung der Stände zu einer Gemeinschaft und in 1 Buchholz, Werner: Öffent­liche Finanzen und Finanzverwaltung im entwickelten frühmodernen Staat (Veröffent­lichungen der Historischen Kommission für Pommern, Bd. 25). (Habil.) Köln 1992. S. 38. Einen guten Überblick zu kameralistischen Schriften gibt Sandl, Marcus: Ökonomie des Raumes. Der kameralwissenschaft­liche Entwurf der Staatswirtschaft im 18. Jahrhundert (Norm und Struktur, Bd. 11). (Diss.) Köln u. a. 1999. S. 471 – 482. 2 Vogl, Joseph: Leibniz, Kameralist. In: Siegert, Bernhard/Vogl, Joseph (Hg.): Europa. Kultur der Sekretäre. Zürich/Berlin 2003. S. 97 – 110. Hier S. 98. 3 Vgl. zu Justi Reinert, Erik S.: Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717 – 1771): The Life and Times of an Economist Adventurer. In: Backhaus, Jürgen G. (Hg.): The Beginnings of Political Economy. The European Heritage in Economics and the Social Sciences (The European Heritage in Economics and the Social Sciences, Bd. 7). Heidelberg 2009. S. 33 – 74. Ahl, Ingmar K.: Justi, Johann Heinrich Gottlob. In: Stolleis, Michael (Hg.): Juristen. Ein biographisches Lexikon von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. München 1995. S. 340 – 342. Lluch, Ernest: Der Kameralismus, ein vieldimensionales Lehrgebäude: Seine Rezeption bei Adam Smith und im Spanien des 18. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2 (2000). S. 133 – 154. Remer, Justus: Johann Heinrich G ­ ottlob Justi. Ein deutscher Volkswirt des 18. Jahrhunderts (Deutsche Wirtschaftswissenschaft­liche Gesellschaft, Vorträge und Abhandlungen, Bd. 3). Stuttgart/Berlin 1938. S. 5 – 22.

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Der chinesische Kaiser als Vorbild

der gemeinsamen Nahrungsmittel- und Güterproduktion bestehen sollte. Unter Ökonomie verstand Justi Folgendes: Die Oekonomie hat mit den Gütern und Nahrungsgeschäften der Privatpersonen zu tun. Es ist aber die Haushaltungskunst eine Wissenschaft, die Nahrungsgeschäfte und die Wirtschaft in den Städten und auf dem Land dergestalt einzurichten, daß die Glückseligkeit der Privatpersonen befördert werde. Kürzer, sie ist die Wissenschaft, unser Vermögen zur Beförderung unserer zeit­lichen Glückseligkeit anzuwenden.4 Justi zählt neben Johann Joachim Becher zu den Kameralisten, welche der Landwirtschaft und dem Bauernstand eine wesent­liche Schlüsselstellung innerhalb eines von ihnen neu entwickelten Konzepts der Glückseligkeit des Staates, der Gesellschaft und des Einzelnen zuerkannten. Becher schrieb in seinem Politische[n] Discurs aus dem Jahr 1668: Es […] ist also der Bauernstand der erste und größte/ auch nötigste: der erste/ dieweil er die rohe Materi gibt/ welche der Handwercksmann verarbeitet und der Kaufmann verkaufft: der größte/ dieweil der Bauern am meisten seyn müssen/ der nöthigste ist er zur Gemeind [Mitglieder des Gemeinwesens] in der Nahrung/ denn ohne Bauren=Arbeit hätte der Handwercksmann kein subjektum zur Manufaktur.5 Auch für Justi spielte die Synthese zwischen der Landwirtschaft, der Manufakturproduktion und dem Handel eine wesent­liche Rolle, weswegen dem Bauernstand aus seiner Sicht end­ lich Förderung durch den Staat zuteil werden musste: Die Landwirthschaft verdienet eine grosse Sorgfalt der Landes=Polizey, nicht allein, weil so viel rohe Materialien und Landes=Producte dadurch gewonnen werden, sondern auch, weil sie das zum Unterhalte der Landeseinwohner so unentbehr­liche, Getrayde [sic!] liefern muß.6 Doch gerade der Landbau und der Bauernstand befanden sich in den Territorien des Reiches in einem aus Sicht der Kameralisten extrem schlechten und kritikwürdigen Zustand. Im Gegensatz zum Manufakturwesen war die Förderung der Landwirtschaft durch die Landesherren bereits über einen langen Zeitraum vernachlässigt worden. Damit war nicht nur eine wesent­liche Nahrungsgrundlage der Bevölkerung, sondern auch ein wichtiger Rohstofflieferant für das Manufakturwesen und den Handel in einem so defizitären Zustand, dass obrigkeit­liche Maßnahmen dringend geboten waren. Die Lebensbedingungen des landwirtschaftstreibenden Berufsstandes waren in vielen Territorien des Alten Reiches durch persön­liche Unfreiheit bzw. fehlenden Landbesitz, eine hohe Steuerlast und zusätz­liche Arbeitsbelastung durch Fron oder 4 Justi, Johann Heinrich Gottlob: Staatswirtschaft oder Systematische Abhandlung aller oeconomischen und Cameral=Wissenschaften, die zur Regierung eines Landes erfordert werden. 2 Theile. Leipzig ²1758 (Reprint Aalen 1963). S. 381. 5 Becher, Johann Joachim: Politische Discurs. Von den eigent­lichen Ursachen/ deß Auff= und Abnehmens der Städt/ Länder und Republicken […]. II. Teil. Franckfurt 1668, S. 6. 6 Justi, Grundsätze der Polizeywissenschaft, 3. Aufl., 1782, S. 110. Justi und Becher greifen mit dieser Sicht Adam Smiths Idee der dritten Phase des Merkantilismus vor. Smith hatte die dritte Phase als so genanntes „Industriesystem“ bezeichnet, das aus einer Synthese von Agrikultur- und Handelssystem bestehe. Smith, Adam: An Inquiry into the Nature and Causes oft he Wealth of Nations. Dublin 1776. 4. Buch, 1. Kap. S. 223 – 259.

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Hand- und Spanndienste so katastrophal, dass sie an der umfassenden Ausübung ihrer bäuer­lichen Arbeit gehindert wurden. Hier galt es, durch herrscher­liche Maßnahmen Abhilfe zu schaffen und den Nährstand recht­lich bzw. im Ansehen zu stärken. Die Kritik an den bestehenden Zuständen – etwa im spätmittelalter­lichen Bauernlob, in frühneuzeit­lichen Bauernklagen,7 Bauernspiegeln, Bauernkalendern sowie Haus­väterund Agrarlehrbüchern – hatte schon lange die Achtung des Bauernstandes und seiner Arbeit sowie das entsprechende fürst­liche Handeln eingefordert.8 Der Jesuit Christoph Fischer bemerkte etwa in seinem Haushaltsbuch Fleissiges Herren-Auge, das im Jahr 1690 gezielt die österreichischen Erbländer und deutschen Territorien in den Blick nahm, in bitterem Unterton, dass der Bauernstand seit langem schon nicht mehr geachtet werde. Nur bei den Römern hätten vom Feld= und Landbau die berühmteste[n]Männer ihre ad­liche und unauslösch­liche Namen erhalten, manchmal seien Feld=Bauer Rath= und Bürgermeister geworden, es hätte in Staats= und Ehrenröcke bekleidete Hirthen gegeben, die zu Dictatores und Regenten erhoben worden wären. Doch dieser ehrenvolle Status der Bauern gehöre unweiger­lich in die Geschichte.9 Wolf Helmhardt von Hohberg klagte 7 Vgl. die Flugschrift eines Anonymus: Die Schwäbische Bawren-Klag/ Wie sich der Baur beklagt wegen der grossen Contribution und Beschwärnussen. o. O. 1650. 8 Der österreichische Spruchdichter Heinrich der Teichner hatte in seinem Bauernlob (zw. 1350 und 1370) darauf aufmerksam gemacht, dass alle Stände von der Arbeit der Bauern lebten: Dafür lob ich den Bauersmann/ der alle Welt ernähren kann. Er lässt seinen Pflug streichen/ wer kann sich vergleichen. Kein König wäre so edel/ saß auf seinem Thron/ und hätte weder Wein noch Brot. […] Was sie am Hofe für Vergnügen sich leisten/ das kommt von den Bauersleuten. Drum rat ich Dir Ritter, gut/ halt den Bauern in Deiner Hut. Zit. n. Epperlein, Bäuer­liches Leben im Mittelalter, S. 262. Der Mönch Werner Rolenvinck hatte in seinem Bauernspiegel De regimine rusticorum aus dem Jahr 1480 den Bauern getröstet, er möge sich mit seinem niedrigen Stand abfinden und nicht verzweifeln. Gleichzeitig betonte er aber mehrfach, dass die Heiden der Antike den Landmann hochgeachtet hätten. Achilles, Walter: Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 10). München 1991. S. 15 und S. 32. Vgl. auch Henn, Volker: Der Bauernspiegel des Werner Rolevinck „De regimine rusticorum“ und die soziale Lage westfälischer Bauern im späten Mittelalter. In: Westfälische Zeitschrift. Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 128 (1978). S. 289 – 313. 9 Fischer, Christoph: Fleissiges Herren-Auge, Oder Wohl-Ab- und Angeführter Haus-Halter. Frankfurt/M./Nürnberg 1690. S. 3ff. Sehr ähn­lich äußerte sich auch Franz Philipp Florinus: Der kluge und rechtsverständige Hausvater. Ratschläge, Lehren und Betrachtungen. Nürnberg 1702 (Reprint Berlin 1990). S. 81. Zudem hatte er betont, dass Gott wegen der Übertretungen seines Gebots im Paradies den Landbau den Menschen zwar als Schweißarbeit auferlegt hatte, aber ihnen damit

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beispielsweise in der Vorrede zum zweiten Teil seiner Georgica Curiosa Aucta aus dem Jahr 1701: Wie hoch und werth aber der Feldbau bey den Alten geachtet worden/ geben so wohl die H. Schrifft/ als auch ander welt­liche Geschichten/ genugsamen Unterricht. Daß Kaiser, Könige und Fürsten sich des Feldbaues befleissen/ dadurch bil­lich diese Handthierung in Hoch=und Werthaltung gebracht/ den gemeinen Mann zur Nachahmung angereitzt […] zu wünschen wäre/ wann die hohe Fürst­liche Lands=Obrigkeiten/ so wol ihren eigenen als den gemeinen Nutzen bedencken.10 Johann Georg Leopoldt 11 fragte in seinem Werk Nütz­liche und auf die erfahrung gegründete einleitung zu der landwirthschafft [sic!] aus dem Jahr 1750 seine Leserschaft provozierend: Denn wo ist ein Monarche [sic!] auf Erden, der nicht des Landbaues benöthiget? Woher könnte derselbe seinen glorieusen Thron so prächtig zieren? Wodurch würden sie eine solche erstaunende und so kostbare Hoffstadt, Tafeln und Armeen erhalten können? Wenn nicht alles doch größtentheils aus

kein glückseligeres Leben stiften konnte, da mit der Landwirtschaft alle mensch­lichen Bedürfnisse befriedigt werden würden. Ibd. S. 80. Eine aus 31 Strophen bestehende schwäbische Bauernklage aus dem späten 17. Jahrhundert nimmt nicht nur die Beschwerden der Fron und die ungenügende Nahrung, sondern auch den schlechten Zustand seiner Ackergeräte in den Blick. Reparaturen sind ihm jedoch finanziell unmög­lich, da sein weniges Geld nur für notwendigste Dinge seines Alltags wie Unschlitt­lichter, Salz oder Wagenschmiere reiche. Somit sei er aber in der Ausübung seiner Arbeit eingeschränkt. Der Text der Bauernklage findet sich vollständig bei Steinitz, Wolfgang (Hg.): Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd. 2 (Veröffent­lichungen des Instituts für Deutsche Volkskunde, Bd. 4,2). Berlin 1962. S. 70ff. Vgl. grundsätz­lich zu Klagen im länd­lichen Raum die Habilitationsschrift von Friedeburg, Robert von: Länd­liche Gesellschaft und Obrigkeit. Gemeindeprotest und politische Mobilisierung im 18. und 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 117). (Habil.) Göttingen 1997. S. 41ff. 10 Hohberg, Wolf Helmhardt von: Georgica Curiosa Aucta. Bd. 2. Nürnberg 1701. S. 9. Hohberg hatte sich zur Abfassung seines Werkes über den Zustand des Ackerbaus in Frankreich, Spanien, den Niederlanden, aber auch über die Reiseliteratur über China, Indien und Amerika informiert. Aus seiner kritischen Analyse der Unfreiheit der Bauern durch Erbuntertänigkeit, Leibeigenschaft und Fron forderte er nicht nur die Befreiung durch die landesfürst­liche Obrigkeit, sondern die gesamte Aufsicht der Landwirtschaft durch die Obrigkeit. Sein Werk wurde 1749 noch einmal aufgelegt und behielt bis in die 1770er Jahre hinein Beachtung. Brunner, Otto: Adeliges Landleben und Europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612 – 1688. Salzburg 1949. S. 274, S. 294, S. 299. Stisser vermerkte 1735, dass der Ackerbau eine Wissenschaft sei, vermöge deren man das Land durch fleißiges bauen [sic!] zur Tragung guter Früchte geschickt machen und den Nutzen davon ziehen könnte. Dies hätten, so Stisser, ledig­lich die Obrigkeiten in Brandenburg-Preußen und Braunschweig schon bemerkt und würden entsprechende Vorkehrungen treffen. Stisser, Friedrich Ulrich: Einleitung zur Land-Wirthschaft der Deutschen, nach dem Oeconomie- Policey- und Cammer-Wesen eingerichtet. Jena/Leipzig 1735. S. 9. Die Notwendigkeit und Würdigkeit der herrscher­lichen Aufmerksamkeit für den Ackerbau betonte auch ein Berliner Anonymus in seiner Denkschrift aus dem Jahr 1750: Send-Schreiben an den Herrn Cammer-Rath Kretschmer die Verbesserung der Land-Wirth-schafft überhaupt betreffend. Franckfurt/M./Leipzig 1750. S. 10. 11 Leopoldt war Wirtschafts-Amtmann der Reichsgrafen von Promnitz in der Herrschaft Sorau. Vgl. Vorrede seines Buches. O. pag.

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ihren Cammern, und also von der Wirthschafft und dem Nutzen des Landbaues herrühre. Eines jeg­lichen Menschen Lebens=Unterhalt, er sey Ad­lichen= Bürger=oder Bauer=Standes, rühret nur allein nächst Gott von einer ordent­lichen Wirthschafft her.12 Doch resigniert stellte er fest, dass die Notwendigkeit des Nahrungserwerbs für alle Stände und der damit verbundenen Eingliederung aller als Trägerschichten in die Wirtschaft aus dem Bewusstsein geraten sei. Vielmehr sei es so, dass es eine beacht­liche Menge an Menschen in den deutschen Territorien gäbe, die weder arbeiten noch beten; sondern leben ohne Scheu, und nehmen die Gaben und den Segen als einen Raub, oder als eine Sache, so ihnen doch nicht von Rechtswegen gehöret, zu sich.13 Schon der Frühkameralist Johann Joachim Becher hatte in seinen Politische[n] Discurs den Adel als Stand zwar nicht infrage gestellt, aber kritisch darauf verwiesen, dass die andere Art Menschen hier im Landt/ nemb­lich die Edelleut/ […] perse nicht arbeiten/ wäre ihnen auch eine Schandt [und] derohalben von den Bauern ernehrt werden/ diese Edelleut bringen kein Geld ins Land/ sondern nehmens von den Bauern/ schickens vor Kleyder in die Frembde/ oder verthuns selbsten.14 Der Adel schwächte nach Becher als Müßiggänger die Gemeinschaft.15 Die Aufgabe des Fürsten sah er deshalb darin, eine volkreiche, nahrhaffte Gemeinschaft als Zierde des Landes zu schaffen, aus der sich niemand entziehen dürfe.16 Der Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz von Hirschfeld beklagte im Rahmen seiner idealisierenden Vorstellung vom Landleben als alternativen Existenzentwurf zum politischen bzw. höfischen Leben die bäuer­liche Realität in so manchen Ländern, wo noch die Sklaverey und, ihre Mittyrannin, die Armuth den Landmann drückt. Er verlieh in einem moralisierenden Appell an die Fürsten seiner Hoffnung auf einen gefühlsästhetischen Wandel der ständischen in eine harmonische Gesellschaft Ausdruck, die vereint im Landleben ihr Glück finden würde: Sollten denn einst, die schönen Tage anbrechen, wo der Landmann überall durch Freyheit und Eigenthum zu den glück­lichen Gefühlen der Menschheit sich erheben dürfte, so würde die Verachtung oder Geringschätzung der Dörfer aufhören, und der Weise mit mehr Vergnügen seine Wohnung mitten unter den Bebauern der Felder aufschlagen.17 In diesen exemplarisch ausgewählten Schriften zeigte sich die Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft, von Pflug und Steuerruder deut­lich. Die Rolle des Nahrungsstandes und des Ackerbaus wurde seitens der Obrigkeit hingegen kaum beachtet.

12 Leopoldt, Johann Georg: Nütz­liche und auf die Erfahrung gegründete Einleitung zu der Landwirthschafft. Sorau 1750. S. 24. 13 Ibd. S. 24f. 14 Becher, Johann Joachim: Politische Discurs. Von den eigent­lichen Ursachen des Auff= und Abnehmens der Städt/ Länder und Republicken/ In specie Wie ein Land Volckreich und Nahrhafft zu machen […]. II. Theil. 2. Aufl. Franckfurt 1673. S. 313. 15 Ibd. S. 310. 16 Ibd. S. 98f und S. 311. 17 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Leipzig 1775. Kap. V. S. 174.

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Diese Kritik an der Vernachlässigung der Landwirtschaft und der Bauern durch die Obrigkeit und die Mahnungen zur Bedeutung des Landbaus für den entstehenden Staat griff gerade Justi in zahlreichen seiner Werke auf und suchte nach Lösungen: Nachdem sich Justi in den Jahren 1757 und 1758 in dänische Dienste begeben hatte, beschäftigte er sich im Auftrag des Außenministers Johann Hartwig Ernst von B ­ ernstorff (1712 – 1772) im Rahmen des Projekts der Jütländischen Moor- und Ödlandkolonisation intensiv mit Landwirtschaft und Bodenbeschaffenheit. Für sein äußerst positives, die Kolonisation befürwortendes, aber den tatsäch­lichen Gegebenheiten Jütlands wenig entsprechendes Gutachten an die dänische Regierung hatte sich Justi intensiv mit Schriften der Prä-­Physiokraten wie Ange Goudars Les Intérêts de la France mal entendus von 1756 sowie neuesten landwirtschaft­ lichen Anbaumethoden aus England auseinandergesetzt.18 Dieses Wissen floss in seine Hauptschrift zur Landwirtschaft Abhandlungen von der Vollkommenheit der Landwirthschaft und der höchsten Cultur der Länder aus dem Jahr 1761 ein. Er skizzierte darin die außerordent­liche Bedeutung der Bauern als Nahrungsstand, wandte sich ausdrück­lich gegen die Unfreiheit und Untertänigkeit der Landleute, ihre hohen Belastungen durch Abgaben und Frondienste, und forderte den privaten Besitz von Land als Voraussetzung motivierter und effektiver Bodenbearbeitung.19 Initiative und Leitung für notwendige Reformen siedelte er beim Herrscher an. Gerade die wichtige, aber politisch und gesellschaft­lich vernachlässigte Rolle der Bauern im Getriebe der Staatsmaschine betonte er auch immer wieder in zahlreichen anderen Schriften: Der Nahrungsstand ist das Triebwerk in der grossen Maschine des Staats. Die Gewerbe sind die Räder und Federn; und ein jedes Gewerbe muss darinnen seine gehörige Stelle einnehmen, und so viel zu der Bewegung der Maschine beitragen, als zu dem Aufnehmen des Nahrungsstandes, und der Wohlfarth des Staates erfordert wird. Kann man sich also wohl vorstellen, dass dieses Triebwerk alle Thätigkeit und Kräfte leisten wird, wenn die Gewerbe kein Verhältnis gegen einander haben, und so zu sagen kein Rad und Feder in einander passet?20

18 Justi, Johann Heinrich Gottlob: Allerunterthänigstes Gutachten wegen Anbauung der jütlän­ dischen Heiden. In: Ders.: Öconomische Schriften über die wichtigsten Gegenstände der Stadt= und Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin/Leipzig 1760. S. 246 – 310. Vgl. zu dem gescheiterten Kolonisa­ tionsprojekt Clausen, Otto: Chronik der Heide- und Moorkolonisation im Herzogtum Schleswig (1760 – 1765). Husum 1981. S. 19f. Vgl. auch Adam, Ulrich: The Political Economy of J. H. G. Justi. Oxford 2005. S. 41 und S. 214. Remer bietet einen kurzen Überblick zu Justis Auffassung hinsicht­ lich einzelner Fragen wie Bodendüngung, Wiesenwirtschaft, bestimmten Gemüsesorten, einzelnen Getreidekulturen etc. Remer, Johann Heinrich Gottlob Justi, S. 43ff. 19 Zu dieser Schrift sehr kurz Brakensiek, Stefan: Das Feld der Agrarreformen um 1800. In: ­Engstrom, Eric J./Hess, Volker/Thomas, Ulrike (Hg.): Figurationen des Experten. Ambivalenzen der wissen­ schaft­lichen Expertise im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert (Berliner Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 7). Bern u. a. 2005. S. 101 – 123. Hier S. 103. 20 Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten, oder Ausführ­liche Vorstellung der gesamten Policey-Wissenschaft. 2 Bde. Königsberg 1760/61

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Doch auch seine anderen Werke, die sich bemühten, den Kameralismus als naturrecht­ lich begründete Soziallehre zu etablieren,21 richten ihren Blick auf die Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft. Auch wenn er nie eine umfassende Landwirtschaftslehre ausgearbeitet hatte, so verankerte er doch recht umfangreiche Betrachtungen dazu in seiner 1755 erschienenen Staats-Wirthschaft. Darin erhob er die Landwirtschaft zu den Regierungswissenschaften, da von ihrer Förderung die Menge der zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Staates nicht unwesent­lich abhinge. Ressourcenknappheit konnte nicht zuletzt die innere oder äußere Sicherheit des Staates empfind­lich gefährden.22 Die Koordination und Überwachung der Wirtschaft bzw. der Landwirtschaft unterstellte er der Polizey und die normativen Vorgaben der Polizeywissenschaft.23 Eines seiner im In- und Ausland bekanntesten Bücher waren die 1756 in Göttingen erschienenen Grundsätze der Polizeywissenschaft in einem vernünftigen, auf den Endzweck der Polizey gegründeten Zusammenhange und zum Gebrauch Academischer Vorlesungen abgefasset. Justi widmete sich in diesem Werk insbesondere dem Handel auf der Basis landwirtschaft­licher Produkte. Er forderte darin die Pflege des Staatsvermögens als wichtigsten Part obrigkeit­lichen Handelns und zielte mit diesem Lehrbuch auf die Polizeywissenschaft als universitär-wissenschaft­liche Lehre zur Vermittlung der Technik des Regierungshandelns.24 Justi beteiligte sich mit diesen Schriften maßgeb­lich und sehr frühzeitig an einem ab den 1750er Jahren gerade im Entstehen begriffenen Diskurs zur Optimierung und Verwissenschaft­lichung der Landwirtschaft, der später vor allem von „inspirierten Laien“ wie Reformlandwirten und Landwirtschaftsgesellschaften getragen und gespeist wurde.25 Justis Werken, in denen er zur Landwirtschaft Stellung bezog, (Reprint Aalen 1965). Hier Bd. 1. Königsberg 1760. S. 557. 21 Dittrich, Erhard: Die deutschen und österreichischen Kameralisten (Erträge der Forschung, Bd. 23). Darmstadt 1974. S. 32. Brückner, Jutta: Staatswissenschaften, Kameralismus und Naturrecht. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaften im Deutschland des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts (Münchener Studien zur Politik, Bd. 27). (Diss.) München 1977. Nielsen, Axel: Die Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert. Jena 1911. S. 94ff. 22 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 50. Meyer, Torsten: Natur, Technik und Wirtschaftswachstum im 18. Jahrhundert. Risikorezeption und Sicherheitsversprechen (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Bd. 12). (Diss.) Münster/New York/München 1999. S. 48f. 23 Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 555. Justi, Grundsätze der Polizeywissenschaft, 2. Aufl. 1759, S. 91ff. 24 Zur Entstehung der Grundsätze der Polizeywissenschaft vgl. Adam, The Political Economy, S. 39. 25 Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen um 1800, S. 109f. So auch schon Achilles, Walter: Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industriealisierung (Deutsche Agrargeschichte). Stuttgart 1993. S. 163. Über den einsetzenden Boom an Landwirtschaftsbüchern, die sich Ende der 1750er Jahre entweder der Aufklärung der Bauern, dem wissenschaft­lichen Unterricht der Landwirtschaft oder der Verbesserung des Ackerbaus zuwandten, informiert Weber, Friedrich Benedict: Handbuch der ökonomischen Literatur; oder Systematische Anleitung zur Kenntniß der deutschen ökonomischen Schriften […]. Bd. 1. Berlin 1803.

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kommt damit eine wichtige Initiativwirkung zu, zumal seine Schriften zeit­lich vor dem Ausbruch der großen Hungersnöte 26 im Alten Reich und in ganz Europa entstanden waren und den Regierungen notwendige Präventivmaßnahmen und strukturelle Vorkehrungen zur Verhinderung derartiger Katastrophen bieten wollten. Ihm ging es jedoch nicht darum, sich als Agrarexperte 27 zu etablieren, der Einzelheiten zu Verbesserungen der Bodennutzung erarbeitete. Justis Ziel bestand vielmehr darin, die Landwirtschaft als politisches Feld zu definieren und einen staat­lichen Rahmen ihrer Förderung zu entwerfen. Anders als Hohberg suchte sich Justi seine Vorbilder nicht in den antiken Verflechtungen von Landwirtschaft und Herrschaft. Die Antike hatte aus seiner Sicht ihre jahrhundertealte Rolle als Reservoir für beispielhafte Staat­lichkeit verloren: Allenthalben bauet man immer auf den fehlerhaftigen Grund und die Einrichtung der Alten fort, die wenig gesunde Begriffe von der Verwaltung der Angelegenheiten eines Staates hatten.28 Justi wählte für sich explizit den Blick auf außereuropäische Staaten, insbesondere China. Warum seine Wahl auf China fiel und wie er das asiatische Kaiserreich für seine Leser als Vorbild stilisierte bzw. konstruierte, wird in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt. Daneben sollen auch die Ideen Justis von einer neuen mög­lichen Verflechtung von Herrschaft bzw. Staat und Landwirtschaft anhand des chinesischen Modells untersucht werden.

26 Schon zu Beginn der 1760er Jahre und im nachfolgenden Jahrzehnt war es witterungsbedingt durch die Auswirkungen der „kleinen Eiszeit“, durch Ausbrüche zahlreicher Vulkane in Europa und in der Welt, durch Misswirtschaft und fehlende Vorratswirtschaft zu immer neuen Hungersnöten und nachfolgenden Epidemien in ganz Europa gekommen. Vasold, Manfred: Die Hunger- und Sterb­lichkeitskrise von 1770/73 und der Niedergang des Ancien régime. In: Saeculum 59 (2008). S. 107 – 142. Schmidt, Georg: Die frühneuzeit­lichen Hungerrevolten. In: Zeitschrift für Histo­ rische Forschung 18 (1991). S. 257 – 280. 27 Brakensiek benennt als inspirierte Laien und selbsternannte Agrarexperten etwa den Züricher Arzt Johann Kaspar Hierzel, Jacob Guyer (Kleinjogg), Johann Friedrich von Pfeiffer oder Johann Christian Schubart. Brakensiek, Das Feld der Agrarreformen um 1800, S. 105ff. Zu Preisschriften die Landwirtschaft betreffend vgl. Müller, Hans-Heinrich: Akademie und Wirtschaft im 18. Jahrhundert. Agrarökonomische Preisaufgaben und Preisschriften der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Versuch, Tendenzen, Überblick (Studien zur Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 3). Berlin 1975. Vgl. insbes. S. 150ff. 28 Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Der Grundriss einer Guten Regierung in fünf Büchern verfasset. Frankfurt/Leipzig 1759. S. 357. Ders.: Vergleichungen der Europäischen mit den Asiatischen und anderen vermeint­lich barbarischen Regierungen, in drey Büchern. Berlin/Stettin/Leipzig 1762. S. 488.

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4.1.2 Quellen und Ziele Justis in seinen Vergleichungen

Im Jahr 1762 erschienen in Berlin Justis Vergleichungen der europäischen mit den asiatischen und andern vermeint­lich barbarischen Regierungen. Das Werk entstand in der unmittelbaren Nachfolge seiner Schriften Die Natur und das Wesen der Staaten (1759) sowie dem Grundriß einer guten Regierung (1760) in einer fruchtbaren Schaffensperiode und enthusiastischen Lebensphase, in der Justi seiner baldigen Aufnahme in den brandenburgisch-preußischen Staatsdienst entgegensehen konnte.29 Es handelt sich bei diesem Werk nicht um eine gezielte Abhandlung zur Landwirtschaft, sondern vordergründig um ein Überblickswerk zur Einordnung und Funktionsweise von unterschied­lichen Formen der Monarchie in Asien (China, Siam und Persien) und der Neuen Welt (Peru) im Vergleich zu den europäischen monarchisch regierten Staaten. Unberücksichtigt ist in der Forschung bisher geblieben, dass sich Justi schon mit seinem Titel der Vergleichungen programmatisch an Aristoteles’ Politik anlehnte. Ausgehend von ­Aristoteles’ Einordnung der asiatischen Völker als Barbaren in Abgrenzung zu den griechischen Stämmen und ihrer Natur bzw. ihres Status als Sklaven 30 despotischer Herrscher, suchte Justi im vergleichenden Blick seines Werkes die Frage nach dem vermeint­lichen Barbarentum der Asiaten eigent­lich auf Europa zu richten. Eine Notwendigkeit, den Diskurs um die zivilisatorische Akzeptanz Chinas erneut zu führen, bestand oberfläch­lich betrachtet nicht, denn trotz einer zunehmend differenzierteren und kritischeren Sicht Chinas galt das Kaiserreich seit Gottfried Wilhelm Leibniz immer noch als Europa des Ostens am entgegengesetzten Ende der Erde. Im Vorwort zu seiner Novissima Sinica hatte Leibniz 1697 festgestellt, dass die höchste Kultur und die höchste technische Zivilisation der Menschheit heute gleichsam gesammelt sind an zwei äußersten Enden, in Europa und in Tschina.31 Doch Justis Wahl des Titels ging vielmehr auf seine Wahrnehmung des sich zeitgenössisch immer mehr etablierenden Überlegenheitsgefühls europäischer Staatskultur und Ökonomie zurück. Es ging ihm darum, nach der Rechtfertigung desselben zu fragen und diese anhand außereuropäischer Staat­lichkeit und Ökonomie zu überprüfen. Initiiert hatte diesen Vergleich wohl die intensive Auseinandersetzung mit 29 Obert, Marcus: Die naturrecht­liche „politische Metaphysik“ des Johann Heinrich Gottlob Justi (1717 – 1771) (Europäische Hochschulschriften, Reihe 2, Rechtswissenschaft, Bd. 1202). (Diss. Frankfurt/M./Bern/New York 1992. S. 21f. 30 Aristoteles setzte Barbaren mit Sklaven gleich und reduzierte die ökonomischen Verbindungen in Asien auf die Beziehung von Herr und Sklave. Aristoteles, Politik, I, 1252a, S. 48. Vgl. auch Kamp, Andreas: Aristoteles’ Theorie der Polis. Voraussetzungen und Zentralthemen (Europäische Hochschulschriften, Reihe 20, Philosophie, Bd. 31). Frankfurt/M./Bern 1990. S. 83ff. Pellegrin, Pierre: Hausverwaltung und Sklaverei. In: Höffe, Otfried (Hg.): Aristoteles, Politik (Klassiker auslegen, Bd. 23). Berlin 2001. S. 37 – 58. Hier S. 48f. 31 Leibniz, Gottfried Wilhelm: Das Neueste von China/Novissima Sinica. Mit ergänzenden Dokumenten herausgegeben, übersetzt, erläutert von Heinz-Günther Nesselrath und Hermann Reinbothe (Deutsche China-Gesellschaft, Bd. 2), Köln 1979. S. 8f. § 1.

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Montesquieus L’Esprit des lois und seiner Charakteristik Chinas als Despotie, worauf nachfolgend noch näher eingegangen wird.32 Montesquieus Einschätzung bildete einen wichtigen Ausgangspunkt für seine Untersuchungen und kritischen Reflexionen zu den europäischen Zuständen in den Vergleichungen. Der Titel nahm mit dem Zusatz der vermeint­lich barbarischen Regierungen das Ergebnis der Untersuchungen Justis bereits vorweg. Er distanzierte sich damit nicht nur von Aristoteles und Montesquieu, sondern provozierte seine Leser auch mit der Erkenntnis des Gegenteils: den aus seiner Sicht barbarischen Zuständen in den europäischen Staaten. Eine andere mög­liche Vorlage mag Justi für seinen Vergleich in Gaspard de Réal de Curbans La science du gouvernement aus dem Jahr 1751 gesehen haben, dessen deutsche Übersetzung ebenfalls 1762 erschien. Réal de Curbans kritischer Blick auf die Vernachlässigung der Staatskunst in Frankreich und die daraus folgenden Probleme veranlasste den Franzosen, andere europäische Staaten ins Visier zu nehmen, um von ihnen zu lernen. In der Vorrede zur deutschen Übersetzung heißt es: Die Grundsätze eines allgemeinen Unterrichts in Ansehung der thätigen und leidenden Regierung gehen diesem Königreiche [Frankreich] noch ab; und eine Vergleichung unserer Sitten mit den Sitten einiger anderer Völker würde uns deut­lich beweisen, woran es liegt, daß wir in diesem Puncte gemeinig­lich unwissender sind als unsere Nachbarn.33 Dieses Muster des vergleichenden Blicks erweiterte Justi mit seinem Blick auf die außereuropäische Welt. Wenn auch in der Abhandlung immer wieder die Rede von einem intendierten Vergleich der Staaten Europas mit asiatischen oder südamerikanischen Monarchien ist, so erfolgt er keinesfalls systematisch. Es handelt sich bei Justis Werk vielmehr um eine grundsätz­liche Bestandsaufnahme staat­licher und wirtschaft­licher Defizite der deutschen Territorien unter Berücksichtigung einiger flüchtiger und unsystematischer Blicke in andere europäische Länder im Vergleich mit der außereuropäischen Staat­ lichkeit. Der primär deutsche Blick Justis war nicht nur seinen Kenntnissen der Verhältnisse in den Territorien des Alten Reiches, sondern sehr wahrschein­lich auch der Lektüre Montesquieus geschuldet. Montesquieu hatte mit seinem Werk auf die nationale Komponente kultureller Unterschiede aufmerksam gemacht. Der Esprit unterstützte zu Beginn der 1760er Jahre maßgeb­lich die Debatte um die Nationale-Denkungs-Art im Alten Reich sowie einen aufkommenden Patriotismus und initiierte zahlreiche 32 Neben Montesquieu wurde auch Nicolas-Antoine Boulangers (1722 – 1759) posthum veröffent­ lichtes, chinakritisches Werk Recherches sur l’origine du despotisme oriental, das 1761 in Paris und London erschien, im Alten Reich diskutiert. Justi erwähnt Boulanger in seinen Vergleichungen nicht explizit. Ob sich inhalt­liche Anlehnungen finden, lässt sich nur über eine eingehende Textanalyse herausfinden, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. 33 Schulin, Johann Philipp: Die Staats=Kunst, Oder vollständige und gründ­liche Anleitung zu Bildung kluger Regenten, Staatsmänner und rechtschaffener Bürger. Erster Theil. Aus dem Französischen des Herrn von Real. Frankfurt/Leipzig 1762. Vorrede. Nicht pag. De Réal de Curban, Gaspard: La science du gouvernement ouvrage de morale, de droit et de politique, qui contient les principes du commandement & de l’obéissance; […]. Paris 1751.

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deutsche Stellungnahmen zum deutschen Nationalgeist.34 Justi prägte Montesquieus Esprit insoweit, dass er mit seinen Vergleichungen als patriotischer Deutscher und besorgter Beamter Aufmerksamkeit erregen wollte, weil er Missstände auf Territorialund Reichsebene nicht ignorierte, sondern nach Lösungen suchte. Dennoch betonte Justi in der Vorrede seiner Vergleichungen, sich auch an ein europäisches Publikum zu richten, um die Einbildungen zu mäßigen, die Europa hinsicht­lich der Funktionstüchtigkeit seiner Staaten von sich habe: Es kann seyn, daß ich sehr wenig Europäer finde, die mir diesen Vorsatz Dank wissen, und von meinen Absichten billig urtheilen.35 Justi dachte mit seinen Vergleichungen über die Grenzen des Alten Reichs hinaus, auch wenn ihm für eine exakte Analyse der Bedingungen anderer europäischer Staaten oftmals die genaue Sachkenntnis fehlte und er dann eher zu pauschalen Aussagen tendierte. So etwa, wenn er schrieb: Wir bezeigen in Europa sehr wenig Aufmerksamkeit auf die Bewässerung der Äcker, oder zu bedenken gab: Es fehlt uns in Europa noch gar zu viel, ehe wir unsere Länder vollkommen cultivirt nennen können.36 Justi wollte damit beweisen, ein hervorragendes Mitglied der europäischen Gelehrtenrepublik zu sein.37 So richtete er seine Vergleichungen an konkrete Adressaten: Monarchen! Fürsten! Völker! Europäer! Menschen! Wann werdet ihr anfangen, der Vernunft zu folgen?38 In den Vergleichungen wandte sich Justi stärker als in seinen anderen Werken, in denen er eher Ansätze für die Gewaltenteilung (nach britischem Muster) und vermischten Formen von Regierung entwickelt hatte, dem Ideal der sich selbst beschränkenden und sich mäßigenden Monarchie als bestem Herrschaftssystem zu.39 Rudolf Vierhaus hatte vollkommen zu Recht in den Vergleichungen eine deut­liche Hinwendung Justis zur uneingeschränkten Monarchie erkannt.40 So entschied sich Justi dafür, ein ­Kompendium, 34 Vazsinyi, Nicholas: Montesquieu, Friedrich Carl von Moser, and the „National Spirit Debate“ in Germany 1765 – 1767. In: German Studies Review 22/2 (1999). S. 225 – 246. Hier S. 231ff. 35 Justi, Vergleichungen, Vorrede, S. 4. 36 Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Vorrede. In: Beltz, Urban Nathanael: Der Teutsche Patriot in et­lichen Physikalischen Vorschlägen zum gemeinen Besten. Mit einer Vorrede Sr. Hochwohlgebohrnen des Herrn Berg=Rates von Justi begleitet. Berlin 1762. Ohne Paginierung [S. XIIIf.]. 37 Wolfgang Burgdorf würdigt und diskutiert Justis bedeutende Beiträge zum zeitgenössischen Europa-Diskurs, etwa zur Chimäre des Gleichgewichts etc. Burgdorf, Wolfgang: Johann Heinrich Gottlob von Justi (1720 – 1771). In: Duchhardt, Heinz/Morawiec, Malgorzata/Schmale-Wolfgang et al. (Hg.): Europa-Historiker. Ein biographisches Handbuch. Göttingen 2006. Bd. 1. S. 51 – 78. Hier S. 56f. und S. 70. Vgl. Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Die Chimäre des Gleichgewichts von Europa, eine Abhandlung, die Richtigkeit und Ungerechtigkeit dieses zeitherigen Lehrgebäudes der Staatskunst deut­lich vor Augen geleget. Altona 1758. 38 Justi, Vergleichungen, S. 226. 39 Justi, Vergleichungen, S. 145 und S. 173. Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 55, S. 246ff. Adam, The Political Economy, S. 138. 40 Vierhaus, Rudolf: Montesquieu in Deutschland. Zur Geschichte seiner Wirkung als politischer Schriftsteller im 18. Jahrhundert. In: Böckenförde, Ernst-Wolfgang et al. (Hg.): Collegium Philosophicum. Studien. Joachim Ritter zum 60. Geburtstag. Basel/Stuttgart 1965. S. 403 – 437. Hier

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nach Marcus Obert ein „Nachschlagewerk“ zusammenzustellen, das zeigte, wie sich Monarchen fremder Staaten aus eigener Bewegung selbst beschränkten und mäßigten.41 Die Einordnung des Werks als „Nachschlagewerk“ ist allerdings zu unpräzise. Deut­lich passender subsumiert Ulrich Adam die Vergleichungen thematisch unter den Bereich Staatskunst.42 Da sich das Werk in wesent­lichen Teilen auf das Vorwort des chinesischen Fürstenspiegels des Tang-­Kaisers Taizong bezog – den Taizong Difan (Fürstenspiegel für Kaiser), der über Du Halde teilweise übersetzt zur Verfügung stand – liegt die Annahme viel näher, dass sich Justi mit den in seinen Vergleichungen gewählten Untersuchungsmethoden und Vermittlungsformen eng an das Genre der Fürstenspiegel anlehnte.43 Dieser These soll nach einer ausführ­lichen inhalt­lichen Analyse nachgegangen werden. Ob sich Justi damit bei seinem neuen Dienstherrn, dem preußischen König und brandenburgischen Kurfürsten Friedrich II., empfehlen und seine breite Gelehrsamkeit anhand eines Gesamtüberblicks über das Ideal monarchischer Herrschaft aus europäischer und außereuropäischer Perspektive darlegen wollte, ist unklar. Justi widmete die Schrift Friedrich II. nicht explizit und konnte auch als Autor, der sich der deutschen Sprache bediente, nicht mit der Aufmerksamkeit des Königs rechnen. Dennoch erschien gerade Friedrich II. als einer der Monarchen, der mehr als andere Fürsten seine Person und seine herrscher­liche Funktion als Teil seiner eigenen Reformen begriff. So waren die Vergleichungen, die obendrein auch das durchaus vorhandene China-Interesse des Fürsten bedienten, in Berlin nicht falsch platziert.44 Erste Kenntnisse über China hatte Justi während seiner Lehrtätigkeit als Professor für eloquentia Germanica, für Sprach- und Stilübungen des Deutschen, am Wiener ­Theresianum erhalten.45 Dort lernte er – wie er selbst berichtete – den Erzieher und philosophischen Lehrer des Erzherzogs Joseph, den Jesuitenpater und Professor der

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S. 425f. Zu Justis positivem England-Bild Kraus, Hans-Christof: Englische Verfassung und politisches Denken im Ancien Régime: 1689 bis 1789 (Veröffent­lichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 60). (Habil.) München 2006. S. 441ff. Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 250. Justi, Vergleichungen, S. 466. Adam, The Political Economy, S. 239. Menzel, Johanna M.: The Sinophilism of J. H. G. Justi. In: Journal of the History of Ideas 17/3 (1956). S. 300 – 310. Hier S. 305. Friedrichs geistige Auseinandersetzung mit China zeigt sich in einem kleinen literarischen Werk. Er hatte im Jahr 1760 eigenhändig fiktive Briefe eines chinesischen Gesandten in Europa im Stil der Lettres persanes verfasst: Relation de Phihihu, émissaire de l’empereur de la Chine en Europe. Traduit du chinois. Berlin o. J. Es handelte sich um eine Broschüre, die separat gedruckt worden war. Friedrich II.: Bericht des Phihihu, Sendboten des Kaisers von China in Europa. In: Volz, Gustav Berthold (Hg.): Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übersetzung. Bd. 8: Philosophische Schriften. Berlin 1913. S. 115 – 126. Vgl. kurz einordnend dazu Walravens, China illustrata, Nr. 219, S. 277f. Justi wirkte zwischen 1750 und 1753 als Professor und Zensorrat am Theresianum. Es handelte sich dabei um eine Einrichtung, die junge Adelige zu künftigen Beamten und nütz­lichen Dienern des Staates ausbilden sollte. Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 15f. Adam, Ulrich: The

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Mathematik an der Universität Wien, Joseph Franz (1704 – 1776), kennen, der mit Missionaren in Asien in engem Kontakt stand. Franz selbst unternahm 1740 eine diplomatische Reise zur Hohen Pforte und regte nach seiner Rückkehr eine Akademie für orientalische bzw. asiatische Sprachen in Wien an. Justi verdankte ihm die Vermittlung zahlreicher Reiseberichte und Kompendien über China.46 Eine wesent­liche Inspiration, sich mit Chinas Staats- und Verwaltungsstrukturen, aber auch seiner Ökonomie und Landwirtschaft auseinanderzusetzen, erhielt Justi darüber hinaus aus seiner im Jahr 1754 angefertigten Übersetzung von Claude François Lamberts (1705 – 1765) Essay Recueil d’observations curieuse.47 Sehr wahrschein­lich war Justi über Pater Franz auch mit dem Beichtvater Erzherzog Josephs, Antoine Hoeller (1698 – 1770), bekannt. Hoeller stand gleichfalls mit Jesuiten in China, etwa Gottfried Laimbeckhoven, in brief­lichem Kontakt.48 Er bezog sich in seinen Schriften jedoch noch stärker auf Jean Baptiste Du Haldes vierbändiges Überblickswerk Description de la Chine aus dem Jahr 1735.49 Die Reiseberichte der Jesuiten waren für Justi von großer Bedeutung, da sie aus seiner Sicht durch ihre Bildung das Staatswesen Chinas auch wirk­lich zu beurteilen verstanden. Er war sich vollkommen über die oft gegensätz­lichen und unterschied­lichen Angaben der Reiseberichte von Jesuiten oder Kaufleuten im Klaren, gab aber denen der Jesuiten den eindeutigen Vorzug, weil sie Leuthe von Einsicht und Urtheilungskraft sind und Vorstellungen von denen vortreff­lichen Regierungsverfassungen der Sineser haben, die er für richtig befunden hatte. Dies fehle den Kaufleuten vollkommen und so urteilten sie ausschließ­lich nach ihrem Eigennutz. Justi warf den Kaufleuten vor, dass sie überall, wo sie hinkämen, den Fremden ihre Gesetze diktieren und Handelsmonopole abzwingen wollten. Er lobte deshalb Chinas weise Regierung, welche die europäischen Kaufleute ihren Gesetzen unterwerfe.50

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Political Economy of J. H. G. Justi. S. 32ff. Zum Theresianum vgl. grundsätz­lich Guglia, Eugen: Das Theresianum in Wien. Vergangenheit und Gegenwart. Wien 1996. Justi, Grundriss, S. 324. Frensdorff, Ferdinand: Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen J. H. G. von Justi. Göttingen 1903 (Reprint Glashütten 1970). S. 28 und S. 31. Art. zu Joseph Franz. In: Deutsche Biographische Enzyklopädie. Bd. 3. München ²2006. S. 472. Zu Franz’ Tätigkeit als Physiker vgl. auch Hochadel, Oliver: Öffent­liche Wissenschaft: Elektrizität in der deutschen Aufklärung. (Diss.) Göttingen 2003. S. 52. Art. Franz, Joseph. In: Sommervogel, Carlos: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus. Bd. 3. Brüssel/Paris 1960. Sp. 948f. Lambert, Claude François: Recueil d’observations curieuses: sur les moeurs, les coutumes, les usages, les différentes langues, le gouvernement […] de différens peuples de l’Asie, de l’Afrique, […]. Paris 1749. Vgl. Adam, The Political Economy of J. H. G. Justi, S. 178. Collani, Der neue Welt=Bott, S. 39. Art. Hoeller, Antoine. In: Sommervogel, Carlos: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus. Bd. 4. Brüssel/Paris 1960. Sp. 414. Justi erwähnt Du Halde als wichtige Quelle in der Vorrede zu seinen Vergleichungen ibd. S. 5ff und S. 12. Zudem setzte er sich mit Peter Osbecks Reisebericht auseinander. Vgl. Menzel, The Sinophilism of J. H. G. Justi, S. 302. Justi, Vergleichungen, Vorrede. Seine Informationen zu den Berichten der Handelsreisenden könnte Justi aus Johann Joachim Schwabes Übersetzung von Thomas Astleys Kompilation A New General

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Über die angelesenen Reiseberichte hinaus traf Justi in Göttingen auch mit dem lutherischen, sinophilen Theologen Johann Lorenz von Mosheim (1693 – 1755) zusammen und pflegte mit ihm einen intensiven Austausch über die chinesische Monarchie. Mosheim war gebeten worden, den dritten Band der in Rostock erschienenen deutschen Übersetzung von Du Haldes Überblickswerk mit einem Vorwort einzuleiten.51 Interessanterweise war es nicht das französische Original Du Haldes, sondern größtenteils die in Rostock im Verlag von Johann Christian Koppe (1714 – 1793)52 erschienene deutsche Übersetzung eines Anonymus, die sich inhalt­lich in zahlreichen Textpassagen Justis widerspiegelt oder teilweise von ihm sogar wört­lich übernommen wurde.53 Nur vereinzelt kennzeichnete er diese Stellen mit Belegen.54 Hinsicht­lich der Vorbild­lichkeit der chinesischen Monarchie, vor allem aber in Bezug auf die Förderung der Landwirtschaft durch die Regierung und die Abhängigkeit des Handels vom Ackerbau, fand Justi auch in Étienne De Silhouettes Idée générale du gouver­nement et de la morale des Chinois aus dem Jahr 1729 Anregungen. Einige Passagen Justis stimmen fast wört­lich mit Silhouette überein.55 Silhouette wiederum hatte

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Collection of Voyages and Travels (Allgemeine Historie der Reisen) entnommen haben, die Ende der 1750er Jahre neben Du Halde als wichtiger Multiplikator des China-Wissens galt. Astley hatte in seinem Kompendium zahlreiche Berichte von Handelsreisenden zusammengezogen. Justi machte zu seinen Quellen hinsicht­lich der von ihm so kritisch eingeschätzten Handelsberichte keine Angaben. Es handelt sich deshalb nur um eine Vermutung. Dafür spricht jedoch, dass diese Kompilation auch einen Reisebericht über Peru beinhaltet. Peru hatte Justi in seinen Vergleichungen ebenfalls eingehend untersucht. Zu Schwabes Werk vgl. Blanke, Wissen – Wissenserwerb – Wissensakkumulation, S. 143ff. Pigulla, China in der deutschen Weltgeschichtsschreibung, S. 83. Menzel, The Sinophilism of J. H. G. Justi, S. 303. Koppe war in Rostock Verleger und Buchhändler. Er führte die Koppensche Buchhandlung und hatte immer wieder Reisebeschreibungen verlegt, so etwa die Übersetzung zu Friedrich Hasselquists Reise nach Palästina in den Jahren von 1749 bis 1752, die 1762 erschien. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs. Bd. 1. Rostock 1748. Der Übersetzer wird nirgends nament­lich aufgeführt. Die Übersetzung der Description kann auch Mosheim nicht zugeschrieben werden. Da alle seine zahlreichen Werke mit seinem Autorennamen versehen sind, hätte er sicher auch diese Übersetzung unter seinem Namen erscheinen lassen. Die Annahme, Mosheim sei der Übersetzer oder Herausgeber von Du Haldes Description, erscheint somit ungerechtfertigt. Als Herausgeber genannt etwa bei Tan, Yuan: Der Chinese in der deutschen Literatur: unter besonderer Berücksichtigung chinesischer Figuren in den Werken von Schiller, Döblin und Brecht. (Diss.) Göttingen 2007. S. 255. Justi, Vergleichungen, S. 68. Vgl. das Kapitel De L’agriculture et du Commerce des Chinois in: Silhouette, Idée générale du gouver­ nement et de la morale des Chinois, S. 21 – 26. Étienne de Silhouette fungierte 1759 für einige Monate als Finanzminister König Ludwigs XV. Vgl. Maverick, Lewis A.: China – A Model for Europe. 2 Bde. San Antonio 1946. Hier Bd. 1, S. 30. Für die Thematik der Landwirtschaft weniger als für andere Kapitel in den Vergleichungen sind Bezüge Justis zu folgenden Werken relevant: ­Loubères, Simone de la: Du royaume de Siam. Amsterdam 1691. Rollin, Charles: Histoire ancienne. Paris 1730 – 1738. Lambert, Recueil d’observations curieuses. Marsy, François-Marie de: Histoire

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sich zum Thema Landwirtschaft in seiner Schrift eng, teilweise wört­lich, an den Brief des Jesuiten François-Xavier d’Entrecolles vom 19. Oktober 1720 angelehnt.56 Daneben ermög­lichte ihm seine Tätigkeit als Referent für historische und politische Schriften im Wiener Zensorenamt die intensive Auseinandersetzung mit Montesquieus bisher in den österreichischen Erblanden verbotenen De l’Esprit des lois. Er setzte sich stark für die Freigabe der Schrift ein und profitierte selbst für seine künftigen Werke von der Lektüre. Mit seiner Schrift Die Natur und das Wesen der Staaten aus dem Jahr 1759 beanspruchte er selbst, einen Geist der Gesetze vorgelegt zu haben.57 Wenn er auch das China-Bild des Franzosen keinesfalls teilte und sich in seinen Vergleichungen auch immer wieder von Montesquieus Einschätzungen der chinesischen Monarchie distanzierte, so bediente er sich dennoch der Methoden Montesquieus: Justi wählte im Gegensatz zu seinen sonstigen, vor allem die zeitgenössische politische und ökonomische Gegenwart analysierenden und beschreibenden Werken, in Anlehnung an Montesquieu gezielt den historischen Vergleich und außereuropäische Vergleichsgegenstände – nicht, ohne auch immer einen Blick in die chinesische jüngere Vergangenheit oder sogar in die Gegenwart zu werfen. Aus diesem Fundus an Informationen und Anregungen speiste sich seine Argumentation zu Chinas mustergültiger Landwirtschaft. Montesquieus Esprit hatte die Auseinandersetzung deutscher Staatstheoretiker mit außereuropäischer Staat­lichkeit initiiert und autorisiert, so dass Friedrich Carl von Moser (1723 – 1798) in seinen Reliquien aus dem Jahr 1766 feststellen konnte: Zu den Zeiten des Grotius, Lipsius etc. ware es gewöhn­lich, aus den Schriften der Römer und Griechen zu citieren; diß ware die Mode der damaligen Gelehrten und schönen Geister, zu unsern Tagen verträgt man diß kaum an einem Schullehrer; wanns citiert seyn soll, muß es aus China und Japan, aus Africa und America kommen, wie vil beweißt nicht der große M ­ ontesquieu mit Chinesischen und Tartarischen Beyspielen.58 Durch Montesquieu erhielt Du Haldes Description de la Chine und wahrschein­lich noch mehr ihre deutsche Übersetzung eine immense Bedeutung als Quellenfundus für Argumente. Die Vergleichungen Justis stellten insbesondere die Landwirtschaft als einen wesent­ lichen Bereich des chinesischen Regierungshandelns in einem eigenen, ausführ­lichen modern des Chinois, des Japonais, des Indiens, des Persans, des Turcs, des Russiens. 30 Bde. Paris 1755 – 1778. Adam, The Political Economy, S. 53 und S. 140. 56 Publiziert in: Stöcklein, Neuer Welt=Bott. Achter Theil, Nr. 189, S. 5 – 16. 57 Justi, Johann Heinrich Gottlob: Die Natur und das Wesen der Staaten. Berlin/Stettin/Leipzig 1760. Vorbericht. Zu Montesquieus Einfluss auf Justi vgl. Obert, Die naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 16. Grundsätz­lich vgl. Herdmann, Frank: Montesquieurezeption in Deutschland im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert (Philosophische Texte und Studien, Bd. 25). (Diss.) Hildesheim/Olms 1990. Michael Maurer geht davon aus, dass sich Deutschland gegenüber Frankreich und England hinsicht­lich des kulturellen und intellektuellen Austauschs im 18. Jahrhundert „in der Position eines empfangenden Landes befindet“. Maurer, Michael: Europäische Kulturbeziehungen im Zeitalter der Aufklärung. In: Das achtzehnte Jahrhundert 15/1 (1991). S. 35 – 61. Hier S. 37. 58 Moser, Friedrich Carl von: Reliquien. Frankfurt/M. ²1766. S. 177.

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Kapitel unter dem Titel Von der Vorsorge vor den Ackerbau vor. Sein Ziel bestand darin, die Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Förderung der Landwirtschaft aus unterschied­lichen Epochen zu referieren und ihre Bedeutung für die Glückseligkeit des Volkes einzuordnen. Vergleichend blickte er dabei immer wieder auf die Rolle der Landwirtschaft in Europa unter besonderer Berücksichtigung Englands, der Schweiz und Frankreichs. Es handelt sich um eine kommentierte und inhalt­lich aufeinander abgestimmte Nebeneinanderstellung der Ursachen des kritischen Zustands der Landwirtschaft in Europa und des aus seiner Sicht löb­lichen Gegenteils in China.59 Er gehört mit dieser Arbeit zu den ersten und frühesten deutschen Staatstheoretikern, die sich explizit und ausführ­lich mit den Leistungen der chinesischen Landwirtschaft auseinandersetzten und die Erkenntnisse für die eigene Gegenwart versuchten nutzbar zu machen. Mit seinen Vergleichungen wirkte Justi zunächst auf zahlreiche deutsche Autoren der Staatswissenschaft und Staatslehre wie Gottfried Achenwall, Josef von ­Sonnenfels, Johann Friedrich von Pfeiffer, Johann Beckmann oder Karl Anton von Marini.60 In Europa, in Frankreich, England oder Dänemark fanden die Vergleichungen hingegen keine Beachtung. Auch an der europäischen Peripherie, in Spanien und Russland, wurde das Werk im Gegensatz zu seinen anderen Büchern nicht wahrgenommen und auch nicht übersetzt.61

59 Justi, Vergleichungen, S. 290 – 309. 60 Stollberg-Rilinger, Barbara: Der Staat als Maschine (Historische Forschungen, Bd. 30). (Diss.) Berlin 1986. S. 79, FN 13 und S. 80. Vgl. ebenfalls Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 63 – 73. 61 Vgl. dazu Richter, Susan: German Minor Thinkers? The Perception of Mosers and Justis Work in an Enlightened European Context. In: Rutgers, Mark/Sager, Fritz (Hg.): Prelude to Public Administration: Essential early European Authors on Administration. In: Administrative Theory & Praxis 55 (2014), S. 52 – 73. Keith Tribe geht davon aus, dass die Verbreitung des Kameralismus durch Übersetzungen äußerst begrenzt war. Tribe, Keith: Cameralism and the Sciences of the State. In: Goldie, Mark/Wohler, Robert (ed.): The Cambridge History of Eighteenth Century Political Thought. Cambridge 2006. S. 525 – 546. Hier S. 545, FN 23. Justis Schrift Die Natur und das Wesen der Staaten wurde aber beispielsweise 1770 von Avraam Volkov aus dem Deutschen ins Russische übersetzt. Es muss aber schon zuvor in deutscher Sprache in Russland bekannt gewesen sein, denn Katharina II. griff offenbar 1766 während ihrer Vorarbeiten zur so genannten Großen Instruktion (Nakaz) zur Etablierung einer Kommission für ein neues Gesetzbuch unter anderem auf Justi zurück: „Dans le manifeste du 14 Décembre 1766, Catherine II avait proclamé son intention de donner une instruction aux deputés. Elle travaille à cette instruction dès le début de l’année 1765 compilant, principalement avec l’aide de son secrétaire, Gregorius Kositzki, L’Esprit des Lois de Montesquieu, le Traité des délits et des peines de Cesare Beccaria, et des ouvrages de juristes allemands tel que Bielfeld et Justi.“ Rebejkow, Jean Christophe: Denis Diderot – Observations sur le Nakaz. Thèse 3ème cycle, Université de Lille 1986. S. 1. Zu russischen Übersetzungen deutscher ökonomischer Literatur vgl. Clendenning, Philip: Eighteenth-Century Russian Translations of Western Economic Works. In: Journal of European Economic History 1 (1972). S. 745 – 753.

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4.1.3 Die China-Rezeption Justis in den Vergleichungen

a. Pater patriae sinensis und die gemäßigte Herrschaft Die Forschung geht inzwischen vollkommen zu Recht davon aus, dass Justis Staats- und Regierungslehre – anders als lange in den älteren Arbeiten angenommen wurde – in weit geringerer Abhängigkeit bzw. teilweise sogar konträr zu Christian Wolffs (1679 – 1754) Philosophie oder Staatstheorie steht.62 Dennoch sind in einigen Bereichen die Einflüsse Wolffs signifikant. Gerade hinsicht­lich der Bedeutung Chinas als wesent­lichem Vorbild für eine funktionierende patriarchalische Herrschaft sowie im Verständnis bzw. in der Interpretation derselben lehnte sich Justi sehr eng an Wolff an. Es sollen deshalb in diesem Kapitel zunächst Wolffs Ansatz vorgestellt und vor diesem Hintergrund im Anschluss Justis Auffassungen einer väter­lichen Herrschaft diskutiert werden. Die Auseinandersetzung mit der patriarchalischen Herrschaft ist im Kontext von Justis Vorstellungen von der Landwirtschaft für den Staat insofern notwendig, als er in der patriarchalischen Herrschaft eine traditionelle und damit wesent­liche Grundlage für die ökonomische Verantwort­lichkeit eines Monarchen sah. Justi rekurrierte auf die Landwirtschaft als Kernelement eines umfassenden wirtschaft­lichen Reformprogramms und sah beim Monarchen die Initiative und den Ausgangspunkt für Veränderungen. Deshalb musste den Fürsten ihre ökonomische Verantwort­lichkeit neu vermittelt werden. Der Vaterrolle des Herrschers kam darüber hinaus auch eine unmittelbar verhaltensprägende und damit herrschaftsstabilisierende Funktion zu. Justi diente das traditionelle Ideal des patriarchalischen Herrschaftsverständnisses deshalb als Grundlage, um im Vergleich mit China einerseits den Nachweis für das Funktionieren und den Erfolg väter­licher Herrschaftsausübung zu erbringen und andererseits anhand eines differenzierten Bildes ökonomischer Wirkungsbereiche des chinesischen Kaisers das ökonomische und insbesondere landwirtschaft­liche Wissen und Einflussspektrum deutscher und europäischer Monarchen zu erweitern bzw. deren Blick gezielter auf landwirtschaft­liche Notwendigkeiten zu richten. Maiestas wurde vor allem im deutschen Diskurs um Herrschaft sehr stark mit der Tugend des Herrschenden und dem väter­lichen Wirken verbunden.63 Zum Bild guter 62 Unruh hatte angemerkt, dass sich Justi gerade in seinem späteren Arbeiten von Wolff immer weiter gelöst hatte. Unruh, Georg Christoph von: Subjektiver Rechtsschutz und politische Freiheit in der vorkonstitutionellen Staatslehre Deutschlands (Kieler Rechtswissenschaft­liche Abhandlungen, Bd. 10). Hamburg 1969. S. 13. Vollkommen gegensätz­liche Auffassungen zu Wolff – etwa im Verständnis des Naturzustandes – konstatiert Marcus Obert. Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 92. Backhaus differenziert die Feinheiten im Verständnis von Glückseligkeit. ­Backhaus, Jürgen: From Wolff to Justi. In: Ders. (Hg.): The Beginnings of Political Economy. Heidelberg 2009. S. 3 – 18. Hier S. 8ff. 63 Scattola, Merio: Die Frage nach der politischen Ordnung: „Imperium“, „maiestas“, „summa potestas“ in der politischen Lehre des frühen siebzehnten Jahrhunderts. In: Peters, Martin/Schröder, Peter (Hg.): Souveränitätskonzeptionen. Beiträge zur Analyse politischer Ordnungsvorstellungen im 17.

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Herrschaft gehörte im Alten Reich deshalb seit Jahrhunderten das des guten Hausund Landesvaters in der Nachahmung des gött­lichen Regiments mit der „austeilenden“ Liebe Gottes sowie seiner umfassenden Gewalt ebenso wie die Rezeption römischer Vatervorstellungen. Das Spektrum seiner Pf­lichten umfasste, dass er der Gemeinschaft, die zu seiner (Landes-)Haushaltung gehörte, gerecht vorstand. Die Gemeinschaft bestand aus allen, die zu seiner Haushaltung gehörten.64 Das Bild der parallelen Rolle des fürst­lichen Haus- und Landesvaters transportierte die frühneuzeit­liche Hausväterund Ökonomieliteratur ebenso wie Fürstenspiegel und Predigttexte in Anlehnung an Luthers Großen Katechismus und den Traktat Von welt­licher Oberkeit aus dem Jahr 1523 sowie Erasmus von Rotterdams Rückgriff auf den Ehrentitel der römischen Kaiser als Pater Patriae in seiner Institutio Principis Christiani. Sie richtete sich an die Träger von Herrschaft und damit explizit an die fürst­lichen Reichsstände.65 Luther hatte die Herrschaft aus der Funktion und Würde der Eltern abgeleitet; ihre Ausübung war mit Pf­lichten verbunden: Die welt­liche Obrigkeit rückte er ynn den vater stand, den er in dieser Qualität am allerweitesten umb sich greifen sah. Denn hie ist nicht ein einzelner vater sondern soviel mal vater, soviel er landsessen, buerger oder unterthane hat. Denn Gott gibt und erhelt uns durch sie (als durch unsere eltern) narung, Haus und Hoff, schutz und sicherheit.66

bis zum 20. Jahrhundert (Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Bd. 119). Berlin 2000. S. 13 – 39. Hier S. 26f. 64 Zum Begriff der Gemeinschaft bzw. Hausgemeinschaft vgl. Zedlers Universallexikon, Art. Hausgenosse, Bd. 12, Sp. 899. Dreitzel, Horst: Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft. Bd. 2: Theorie der Monarchie. Köln/Weimar/Wien 1991. S. 641 – 668. Frühsorge, Gotthardt: Privatklugheit. Zur Bedeutungsgeschichte des Politischen in der Hofliteratur des 17. Jahrhunderts in Deutschland und in den politischen Romanen Christian Weises. Stuttgart 1974. S. 74 f. Münch, Paul: Die Obrigkeit im Vaterstand – Definition und Kritik des „Landesvaters“ während der Frühen Neuzeit. In: Blühm, Elger/Garber, Jörn/Garber, Klaus (Hg.): Hof, Staat und Gesellschaft in der Literatur des 17. Jahrhunderts (Daphnis, Bd. 11,1/2). Amsterdam 1982. S. 15 – 40. Wlosok, Antonie: Vater- und Vatervorstellungen in der römischen Kultur. In: Tellenbach, Hubertus (Hg.): Das Vaterbild im Abendland. Bd. 1. Stuttgart 1978. S. 18 – 54. Zu Haus und Herrschaft bei Aristoteles vgl. ­Koslowski, Peter: Politik und Ökonomie bei Aristoteles. Tübingen ³1993. S. 51ff. 65 Frühsorge, Gotthardt: „Oeconomie des Hofes“. Zur politischen Funktion der Vaterrolle des Fürsten im Oeconomus prudens et legalis des Franz Philipp Florin. In: Buck, August et al. (Hg.): Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert. Bd. 2 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 9). Hamburg 1981. S. 211 – 215. 66 Luther, Martin: Deutsch Catechismus. In: Drescher, Karl (Hg.): Katechismuspredigten 1528; G ­ roßer und kleiner Katechismus 1529 (D. Martin Luthers Werke. Bd. 30,1). Weimar 1910. S. 123 – 238. Hier S. 153. In seinem Traktat von welt­licher Oberkeit schrieb Luther: Gleych wie eyn hauß vatter, ob er wol bestympte zeyt und maß der erbeyt [sic!] und speyße uber seyn gesind unnd kinder setzt, muß er dennoch solch satzunge ynn seyner macht behallten, das ers endern odder nachlassen muge, […]. Luther, Martin: Von welt­licher Oberkeit. Wie weit sich wellt­lich uberkeytt strecke. In: Pietsch, Paul (Hg.): Predigten und Schriften 1523 (D. Martin Luthers Werke, Bd. 11). Weimar 1900. S. 229 – 281. Hier S. 272. Zu Luthers Verständnis der Familie vgl. auch Hoffmann, Julius: Die „Hausväterliteratur“

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Die Übertragung der Vorstellung des oikos (des Hauses und seiner Gemeinschaft) auf größere Herrschaftseinheiten als super oikos galt in den deutschen Territorien des Heiligen Römischen Reiches grundsätz­lich als Ideal für das Verständnis der Struktur und der Führung der entstehenden staat­lichen Gemeinwesen. Aus dem Haus hatte sich eine sitt­liche Verhaltens-, Pf­lichten- und Steuerungslehre für den Herrscher als väter­licher Hauswirt und eine Pf­l ichtenlehre für alle Hausgenossen, die Untertanen, ergeben.67 Mit der Übertragung der Vorstellung des Familienvaters auf den Herrscher war die Richtlinie zur Verwirk­lichung von guter Herrschaft zugunsten des Gemeinwohls gegeben. In seinen Vernünfftigen Gedanken von dem gesellschaft­lichen Leben der Menschen aus dem Jahr 1721 formulierte der Frühaufklärer Christian Wolff (1679 – 1754) sein Herrschaftsideal: Regierende Personen verhalten sich zu Unterthanen wie Väter zu den Kindern […] und danhero werden auch die regierende Personen mit Recht Landes-Väter und Väter des Vaterlandes genennet.68 Vor allem verband Wolff das Bild des unumschränkten Herrschers mit dem des Vaters: Also dienet das Bild des Vaters die Beschaffenheit eines Regenten, hingegen das Bild der Kinder die Beschaffenheit der Unterthanen zu finden.69 Der Herrscher war mit der umfassenden patria potestas ausgestattet, die Untertanen standen in kind­lichem Gehorsam zu ihm. Wolffs großes Interesse an den Herrschaftsverhältnissen im alten und zeitgenössischen China 70 veranlasste ihn zu einem Vergleich und zur vorschnellen Annahme von bestehenden Ähn­lichkeiten mit der eigenen zeitgenössischen, speziell in den deutschen

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und die Predigten über den christ­lichen Hausstand (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 69). (Habil.) Weinheim/Berlin 1959. S. 34ff. Zum Vaterbegriff bei Erasmus von Rotterdam vgl. Gail, Anton (Hg.): Erasmus von Rotterdam. Institutio Principis Christiani. Die Erziehung christ­licher Fürsten (Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Paderborn 1968. S. 63, S. 77 – 79 und S. 91. Hinter dem Bild des väter­lichen Landesherrn stand also ein normatives männ­liches und zugleich amtsspezifisches Rollenkonzept, das gleichsam Vorbild und Spiegel für die Untertanen sein sollte. Der Fürstenspiegelautor Löhneyss thematisiert die Tugenden der vorbildhaften Rolle eines Landesvaters im Rahmen der Erziehung der fürst­lichen Kinder, aber auch der Untertanen. Löhneyss, Georg Engelhard von: Hof= Staats= und Regierkunst. Franckfurt/M. 1679. S. 160 – 166. Talkenberger, Heike: Männerrollen in württembergischen Leichenpredigten. In: Dinges, Martin (Hg.): Hausväter, Priester, Kastraten. Zur Konstruktion von Männ­lichkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Göttingen 1998. S. 29 – 78. Ebenso Simon, Thomas: Ursprünge und Entstehungsbedingungen der Politischen Ökonomie. In: Kervégan, Jean-François/Mohnhaupt, Heinz (Hg.): Wirtschaft und Wirtschaftstheorien in Rechtsgeschichte und Philosophie (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 176). Frankfurt/M. 2004. S. 1 – 28. Hier S. 13. Wolff, Christian: Vernünfftige Gedancken von dem gesellschaft­lichen Leben der Menschen und insonderheit dem gemeinen Wesen. Franckfurt/Leipzig 41736 (Reprint Hildesheim/New York 1975). § 222 und § 264. Ibd. § 265. Vgl. dazu grundsätz­lich Larrimore, Mark: Orientalism and Antivoluntarism in the History of Ethics: On Christian Wolffs „Oratio de Sinarum Practica“. In: The Journal of Religious Ethics 28 (2000). S. 189 – 219. Ho, Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff. Lach, Donald

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Territorien etablierten väter­lichen Herrschaftsauffassung sowie zu den dazu aus der eigenen Vergangenheit, der Antike stammenden Vorbildern. Die Annahme der Ähn­lichkeit (similitudo) resultierte bei Wolff aus dem von ihm stark thematisierten Erkenntnisvermögen des „Witzes“, der Erfindungsgabe.71 „Witz“ (ingenium), nicht selten von ihm auch mit Geist gleichgesetzt, war für Wolff die Ursache für das Aufspüren von Wahrheiten und das Entstehen von Metaphern,72 Allegorien und Tropen, die auf der Feststellung der Ähn­lichkeit von Dingen beruhten und diese Ähn­lichkeit auch zum Ausdruck brachten: Man sieht aus den gegebenen Exempeln, dass man einen Fall in den anderen verkehret wegen der Ähn­lichkeit, die sie miteinander gemein haben. Und gehöret demnach zu hurtigem Gebrauche des Grundes der Verkehrung, dass man die Ähn­lichkeit leicht wahrnehmen kann. Wer hierzu aufgelegt ist, den nennet man sinnreich. Und die Leichtigkeit, die Ähn­lichkeit wahrzunehmen, ist eigent­lich dasjenige, was wir Witz h­ eißen. Also gehöret außer der Kunst zu schließen zum Erfinden auch Witz, und man kann ohne diesen durch jene allein nicht zu rechte kommen.73 Ähn­lichkeiten lagen dann vor, wenn grundlegende Merkmale übereinstimmten. Wolff sprach von Identität (identitas) von Dingen, die auf einerlei Art determiniert (spezifiziert) sind. Diese Identität bestand für ihn nicht grundlegend, sondern ergab sich durch Wahrnehmung.74 Ähn­lichkeiten beförderten das Erkennen von etwas Gemeinsamem in heterogenen Gegenständen. Daraus folgte, dass Ähn­lichkeiten wiederum zu weiteren Assoziationen einladen und damit eine erkenntnisfördernde heuristische Funktion erfüllen konnten. Wolff bediente sich also einer

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F.: The Sinophilism of Christian Wolff (1679 – 1754). In: Journal of the History of Ideas (1953). S. 561 – 574. Peursen, Cornelis-Anthonie van: Ars inveniendi im Rahmen der Metaphysik Christian Wolffs. Die Rolle der ars inveniendi. In: Schneiders, Werner (Hg.): Christian Wolff 1679 – 1754. Interpretation seiner Philosophie und deren Wirkung (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 4). Hamburg ²1986. S. 66 – 88. Hier. S. 74. Drewer, Petra: Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens. Zur Rolle der Analogie bei der Gewinnung und Vermittlung wissenschaft­licher Erkenntnisse (Forum für Fachsprachen-­Forschung, Bd. 62). (Diss.) Tübingen 2003. S. 19ff. Zum Verständnis von Metaphern bei Wolff und seinem Aufruf, die Zweideutigkeit von Metaphern zu vermeiden, vgl. Albus, Vanessa: Weltbild und Metapher: Untersuchungen zur Philosophie im 18. Jahrhundert (Epistemata, Reihe Philosophie, Bd. 306). (Diss.) Würzburg 2001. S. 28 ff. Wolff, Christian: Vernünfftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. In: Christian Wolff. Gesammelte Werke. Hg. v. Jean Ecole et al. Bd. 1, 2. Hildesheim/Zürich 1983 (Reprint der 11. Aufl. Halle 1751). S. 223. Vgl. auch Gabriel, Gottfried: Art. „Witz“. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 12. 2004. Sp. 983 – 990. Ders.: Der „Witz“ der reflektierenden Urteilskraft und Heuristik in den Wissenschaften. In: Rodi, ­Frithjof (Hg.): Urteilskraft und Heuristik in den Wissenschaften. Beiträge zur Entstehung des Neuen. Weilerswist 2003. S. 197 – 211. Witz steht für Wolff gegensätz­lich zu acumen, der Scharfsinnigkeit oder der tiefen Einsicht. Die Scharfsinnigkeit diene eher dazu, Dinge voneinander zu unterscheiden. Ähn­lichkeiten könnten wahrgenommen werden, wenn der Scharfsinn versagt. Ähn­lichkeiten, so betonte Wolff, fielen zuerst dem Auge auf. Albus, Weltbild und Metapher, S. 35. Peursen, Ars inveniendi im Rahmen der Metaphysik Christian Wolffs, S. 76.

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demonstrativen Methode, vertraute Muster (die patria potestas) in einem neuen Sachzusammenhang (dem Verhältnis zwischen Herrscher und Untertan in China anhand des nicht korrekt verstandenen xiao-Prinzips bzw. der piété filiale) zu präsentieren, die auch den Lesern oder Hörern seiner Oratio diese Ähn­lichkeiten offenbaren musste. Die Annahme der Analogie regte ihn zu der These der Übereinstimmung väter­licher Herrschaftsauffassung in der europäischen und chinesischen Tradition an. Anhand des vorhandenen begriff­l ichen Instrumentariums und Verständnisses väter­licher Herrschaft kam Wolff zur Erkenntnis der identitas, während er die Aspekte, die nicht unter die europäische Begriff­lichkeit subsumiert wurden, entweder leichter gewichtete, ignorierte oder einfach übersah. Auch Immanuel Kant hatte sich Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Witz als Form der reflektierenden Urteilskraft auseinandergesetzt, jedoch kritisiert, dass das induktive Verfahren naturgemäss nur langsam voran, die witzige Erkenntnis schlagartig zustande kommt.75 Es handelte sich also eher um eine affektive Erkenntnis Wolffs, die kaum eine genaue Untersuchung oder Herleitung erfahren hatte. Gerold Ungeheuer spricht deshalb von einer symbolischen und psychologischen, nicht jedoch von einer logischen Erkenntnismethode.76 Gemäß der modernen Interaktionstheorie Max Blacks hatte Wolff mit der metaphorischen Aussage der väter­lichen Herrschaft zwei Gegenstandsbereiche (das europäische Verständnis der patria potestas und das Prinzip des xiao/piété filiale) als Primär- und Sekundärgegenstand miteinander verbunden, indem er auf den Sekundärgegenstand bestimmte assoziierte Implikationen (etwa die väter­liche Macht und Liebe als herrschaft­ liche Handlungsmotivation) vom Primärgegenstand projiziert hatte. Auf diese Weise kam es auch zu einer Bedeutungsverschiebung von der wie im Kapitel 3 zu den Reiseberichten beschriebenen kind­lichen Gehorsamspf­licht hin zur eigent­lich europäisch tradierten väter­lichen Machtfülle als chinesischer Machtlegitimation, indem diese Merkmale des Primärgegenstandes überbetont, andere des Sekundärgegenstandes (etwa die Rolle der Gesetze in der Herrschaft, die Pf­licht zur Harmonie durch Gehorsam in der

75 In seiner Anthropologie schrieb Kant zum „Witz“: So wie das Vermögen zum Allgemeinen (der Regel) das Besondere auszufinden Urteilskraft, so ist dasjenige zum Besondern das Allgemeine auszufinden der Witz (ingenium). § 44. Er unterschied den vergleichenden Witz (ingenium comparans) und den vernünftelnden Witz (ingenium argutans) und gestand vor allem der ersten Form ein eigentüm­liches Verähn­lichungsvermögen zu. […] Der Witz paart heterogene Vorstellungen […]. § 54. Weiter bemerkte er: Witz hascht nach Einfällen; Urtheilskraft strebt nach Einsichten. § 55. Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (Immanuel Kant .Gesammelte Schriften, Bd. 7). Berlin 1907. 1. Teil, 1. Buch. Vgl. dazu Meder, Stefan: Urteilen. Elemente von Kants reflektierender Urteilskraft in Savignys Lehre von der juristischen Entscheidungs- und Regelfindung (Savignyana, Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 118). Frankfurt/M. 1999. S. 35ff. Zur Bedeutung von „Witz“ bei Wolff S. 87f. Insbesondere zu „Witz/Geschmack“ bei Kant S. 131ff. 76 Ungeheuer, Gerold: Sprache und symbolische Erkenntnis bei Wolff. In: Schneiders, Werner (Hg.): Christian Wolff 1679 – 1754. Interpretation seiner Philosophie und deren Wirkung (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 4). Hamburg ²1986. S. 89 – 112. Hier S. 106.

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Familie, im Staat und zwischen Himmel und Erde) vernachlässigt wurden. Somit entstand eine neue, durch das Missverständnis Wolffs geprägte, spezifisch eurozentristische Sichtweise väter­licher Herrschaft in China.77 Wolff hatte einen Stereotyp geschaffen. Die von den Jesuiten dargestellten Unterschiede und Feinheiten des Konzepts des xiao und der patria potestas fanden bei Wolff keine Berücksichtigung. Wolff ging nun davon aus, dass eine Analogie zwischen dem europäischen und chinesischen Konzept patriarchalischer Herrschaft bestünde. Neben der unumschränkten väter­ lichen Autorität war es vor allem die Handlungsmotivation des Familienvaters, der sich von der Liebe zu seinen Kindern leiten lassen sollte.78 So war es für ihn keine Frage, dass die väter­liche Liebe auch in China die Handlungen des Kaisers in der P ­ raxis bestimmte. Er prägte damit ein Verständnis chinesischer Herrschaft, das sich bis in die 1830er Jahre erfolgreich in der deutschen Staatstheorie etablieren konnte und das in diesen beiden Punkten auch von Justi übernommen wurde.79 Im riesigen China sah Wolff dieses Ideal der Herrschaftsauffassung in den frühen Dynastien erfolgreich und in der gegenwärtigen ansatzweise realisiert. In den kleinen deutschen Territorien, in denen der Herrscher den Untertanen räum­lich viel näher als der chinesische Kaiser seinen Untertanen war, blieb es hingegen aus seiner Sicht beim Leitbild und Ideal. Aus der erkannten Ähn­lichkeit sowie der teilweise erfolgreichen Realisierung patriarchalischer Herrschaft in China zog Wolff einen wichtigen Schluss: Er sah in China die Richtigkeit und die Umsetzbarkeit des Herrschaftskonzeptes bestätigt. Dies veranlasste ihn, das antike Ideal des Pater patriae mittels des chinesischen Beispiels neu zu beleben und als neues Vorbild erneut in die zeitgenössische theoretische Diskussion um gute Herrschaft in Deutschland einzuführen. Wie er 77 Black, Max: Mehr über die Metapher. In: Haverkamp, Anselm (Hg.): Theorie der Metapher. Darmstadt 1996. S. 379 – 413. Hier S. 393 – 404. 78 Diesen Aspekt hatte Wolff sehr wahrschein­lich François Noëls Sinensis imperii libri classici sex entlehnt. Noël war einer der aus China berichtenden Jesuiten, der die väter­liche Liebe als kaiser­liche Handlungsmotivation erwähnte. 79 Ein anonymer Rezensent zu Alexandre Messniers Essai sur l’histoire de l’esprit humain dans l’antiquité aus den Jahren 1829/30 stellte in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen von 1833 bedauernd die Abirrung von der patriarchalischen Herrschaft in China fest: Wir sind gewohnt, die patriarchalische Herrschaft der Chinesen preisen zu hören, aber der Verfasser ist so ehr­lich das „Aber“ einzugestehen und die Ausartung jener väter­lichen Herrschaft in Tyrannei nicht zu verkennen. Anonymus: Rezension zu Alexandre Messnier. Essai sur l’histoire de l’esprit humain dans l’antiquité. 1829/1830. In: Göttingische Gelehrte Anzeigen unter Aufsicht der König­lichen Gesellschaft der Wissenschaften 3, 14.11.1833, 182. Stück. Göttingen 1833. S. 1814. Zur Rolle der patriarchalischen Herrschaft in der deutschen Staatstheorie vgl. Richter, Susan: Pater patriae sinensis. The Discovery of Patriarchal Rule in China and Its Significance for German Theories of State in the Eighteenth Century. In: Flüchter, Antje/dies. (Hg.): Structures on the move. Technologies of Governance in Transcultural Encounters (Transcultural research – Heidelberg studies on Asia and Europe in a global context). Heidelberg 2012. S. 61 – 86. Zu Wolffs Lese- und Verständnisfehlern hinsicht­lich der Schriften von Couplet und Noël vgl. Zempliner, Artur: Die chinesische Philosophie und J. Ch. Wolff. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 10/1 (1962). S. 758 – 778. Berlin 1962. Hier S. 763ff.

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das chinesische Herrschaftsverständnis zwischen Eltern und Kindern als ein Verhältnis zwischen dem weisen und in seiner Pf­lichterfüllung getreuen Vater und den aus eigenem Antrieb gehorsamen Untertanen als Kindern deutete, die nicht in Knechtschaft zu ihm standen, wollte Wolff auch seine innerfamiliale Verhaltensformen in der deutschen bzw. europäischen staat­lichen Gemeinschaft verstanden wissen.80 Die Vorstellung von fürst­licher Herrschaft als väter­licher Herrschaft gewann im deutschen Staats- und Gesellschaftsdiskurs seit den 1720er Jahren bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts noch einmal an Aktualität. Dabei spielte sicher die geringe Größe der Territorien in Deutschland sowie die damit verbundene größere Nähe zwischen Untertan und Monarch eine Rolle. Zum anderen rückten zu dieser Zeit die Familie an sich und familiäre Beziehungen wieder in den Fokus. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts drang das Wort „Familie“ mit einer bis dahin kaum thematisierten Betonung von Gefühlen wie Liebe und Zuneigung zunehmend in die deutsche Umgangssprache ein. Voraussetzung dafür war die Herauslösung der engeren städtischen Kleinfamilie aus der Vorstellung der primär ökonomischen Funktion und Gesamtheit des Hauses sowie eine immer klarere Trennung von beruf­lichem (stärker öffent­lichen) und familiärem als eher privatem Bereich.81 Die zunehmende Emotionalisierung beschränkte sich aber nicht auf den privaten Bereich, sondern fand nicht selten auch argumentativen Niederschlag als handlungsmotivierendes und regulierendes Element in der politischen und Gesellschaftstheorie.82

80 Wolff, Christian. Oratio de Sinarum philosophia practica. Rede über die praktische Philosophie der Chinesen. Hg. v. Michael Albrecht (Philosophische Bibliothek, Bd. 10). Hamburg 1985. S. 86f. Anmerkung von Wolff Nr. 7. Vgl. auch Albrecht, Michael: Einleitung. In: Ibd. S. IX – LXXX. Hier S. LXIX. Zur patriarchalischen Herrschaftsauffassung im Alten Reich vgl. Münch, Obrigkeit im Vaterstand. Ders.: Haus und Regiment – Überlegungen zum Einfluß der alteuropäischen Ökonomie auf die fürst­liche Regierungstheorie und -praxis während der frühen Neuzeit. In: Buck, August et al. (Hg.): Europäische Hofkultur im 16. und 17. Jahrhundert: Vorträge und Referate gehalten anläß­lich des Kongresses des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung und des Internationalen Arbeitskreises für Barockliteratur in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel vom 4. bis 8. September 1979. Bd. 2 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 9). Hamburg 1981. S. 205 – 210. Frühsorge, Oeconomie des Hofes. Zum römischen Vorbild vgl. Wlosok, ­Antonie: Vater- und Vatervorstellungen in der römischen Kultur. In: Tellenbach, Hubertus (Hg.): Das Vaterbild im Abendland. Bd. 1, Stuttgart 1978. S. 18 – 54. 81 Soerensen macht auf neue, empfindsame Vatergestalten und Herrscherbilder in deutschen Dramen ab den 1740er Jahren in Deutschland aufmerksam. Soerensen, Bengt Algot. Die Vater-Herrschaft in der frühaufklärerischen Literatur. In: Barner, Wilfried (Hg.): Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Blütezeit der deutschen Aufklärung. München 1989. S. 189 – 212. Hier S. 199, S. 204ff. Brunner, Otto: Das „ganze Haus“ und die alteuropäische „Ökonomik“. In: Ders.: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte. Göttingen ²1968. S. 103 – 127. Hier S. 111. Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation. Bd. 2. Frankfurt/M. 1997. S. 417f. Pikulik, Lothar: Leistungsethik contra Gefühlskult. Über das Verhältnis von Bürger­lichkeit und Empfindsamkeit in Deutschland. Göttingen 1984. S. 117f. 82 Etwa in der Philanthrophie. Reble, Alber: Art. „Philanthropismus (Philanthropinismus)“. In: Lexikon der Pädagogik. Bd. 3. Freiburg u. a. 1971. Sp. 300f.

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Auch Justi sah in enger Anlehnung an Wolff im Landesvater noch immer das Ideal fürst­licher Herrschaft, fand es aber wie dieser bei den wenigsten Fürsten in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches verwirk­licht.83 Ihm ging es deshalb darum, Kritik an den bestehenden Zuständen zu üben und in seinen Werken, insbesondere in den Vergleichungen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Staatsmaxime, welche die Untertanen zu kind­lichem Gehorsam verpf­lichte, dem Monarchen die Pf­licht auferlege, seine Untertanen mit väter­liche Fürsorge und Zärt­lichkeit zu beherrschen.84 Die Wahrnehmung von Ähn­lichkeiten bzw. der Gleichzeitigkeit oder parallelen Existenz von patriarchalischen Herrschaftsvorstellungen in China und im Alten Reich übte auch eine starke Faszination auf Justi aus. Begeistert verwies er seine Leser in den Vergleichungen auf die erfolgreiche patriarchalische Herrschaftsausübung in China und die entsprechenden Defizite in Europa: Ihre [die chinesische] Herrschaftskunst beruht ganz allein auf diesem herr­lichen Grundsatz, dass der Kaiser als der Vater seiner Untertanen, und Sina als eine grosse Familie zu betrachten sey. Dieser Grundsatz giebt nicht allein das schönste Bild von der Monarchischen Regierung, sondern die wesent­liche Eigenschaft derselben soll auch in der That darinnen bestehen; […]. Wir Europäer würden demnach große Barbaren seyn, wenn wir nicht Beyspiele von Königen gehabt hätten, die wahre Väter ihres Volkes gewesen wären. Allein diese Beyspiele sind überaus selten.85 Offensicht­lich lohnte sich aus Sicht Justis in diesem Kontext weder der Blick in die allgegenwärtige und gerade hinsicht­lich der Herrscherideale vielzitierte Antike noch in die jüngere Vergangenheit oder gar die Gegenwart Europas. Es mangelte ihm bis auf die kurze Erwähnung von Kaiser Marc Aurel 86 an Autoritäten und geeigneten Vorbildern aus dem eigenen kulturellen Kontext, auf die er sich guten Gewissens beziehen konnte. So wandte er sich China zu. Justi las dafür allerdings Du Haldes Ausführungen gründ­licher als Wolff, denn sein Verständnis der patriarchalischen Herrschaft in China fiel weitaus differenzierter aus. In deut­licher sprach­licher Anlehnung an Du Halde bzw. speziell Le Comtes Ausführungen zur piété filiale führte Justi an, dass in China diejenigen, welche regieren, eigent­ lich die Väter des Volkes sind, nicht aber Herren, die man auf den Thron gesetzet, um von Sclaven bedienet zu werden. Daher nennet man von allen Zeiten her den Kaiser Ta-fou einen Großvater, und unter allen Ehrentiteln nimmt er diesen am liebsten an.87 Während in China die Kaiser ihre väter­liche Gewalt selten anders als denen alten Gesetzen und Gewohnheiten gemäß ausüben, konstatierte er für die europäischen Fürsten, dass es ihre Lüste und Leidenschaften statt der Gesetze [seien] und alles muß sich unter denselben auf

83 84 85 86 87

Justi, Vergleichungen, S. 3. Ibd. S. 45. Ibd. S. 29. Ibd. S. 161. Ibd. S. 19.

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eine sclavische Art schmiegen und biegen.88 Somit herrschte aus Justis Sicht nicht in China die Despotie, die Montesquieu im entfernten Kaiserreich erkannt haben wollte,89 sondern stattdessen in den deutschen Territorien: Die Monarchie ist eine sehr einfache und ungekünstelte Regierungsform. Die wahren und guten Monarchien sind von dem Muster der Regierung eines Vaters über seine Kinder und Familie hergenommen; und die mißgebrauchte Monarchie, oder die Despoterey, ist das Bild von der Herrschaft eines Herrn über seine Sclaven.90 Genauso wie Wolff transportierte auch Justi den missverstandenen Gedanken von der unumschränkten väter­lichen Autorität des chinesischen Kaisers.91 Doch kam er bei seinem Vergleich mit Europa zu dem Schluss, dass die Chinesen zwar ihrem Monarchen alle unumschränkte Gewalt überlassen, die zur Thätigkeit und wahren Stärke der Staaten so nöthig ist, ihm aber zugleich Bewegungsgründe und Triebfedern an die Hand geben, dieser [sic!] Gewalt nicht zu mißbrauchen, sondern sich gütig, gerecht und weise und als ein wahrer Vater des Volkes zu bezeugen. Wir weisen Europäer hingegen bekümmern uns nicht um solche Triebfedern.92 Stärker als Wolff, jedoch in enger Anlehnung an Leibniz,93 wandte sich Justi dem Aspekt der Mäßigung im herrschaftspolitischen Kontext und seinen positiven ökonomischen Auswirkungen in China zu. Seine Ausführungen dazu (Von der Mäßigung der Monarchen) unterstrich er in seinen Vergleichungen anhand ausführ­licher Passagen aus dem Vorwort des chinesischen Fürstenspiegels des Tang-­Kaisers Taizong Difan (Fürstenspiegel für Kaiser), den Du Halde in 88 Ibd. S. 27. 89 Justi schrieb in den Vergleichungen: Es hat Gelehrte gegeben, und ich erblicke mit Verwunderung den Herrn von Montesquieu unter ihnen, welche die Regierungsart in Sina vor gänz­lich despotisch gehalten haben. Justi, Vergleichungen, S. 51. Bei Montesquieu heißt es beispielsweise: Voilà ce qui a produit les règlements dont on parle tant. On a voulu faire régner les lois avec le despotisme; niais ce qui est joint avec le despotisme n’a plus de force. En vain ce despotisme, pressé par ses malheurs, a-t-il voulu s’enchaîner; il s’arme de ses chaînes, et devient plus terrible encore. La Chine est donc un État despotique, dont le principe est la crainte. Peut-être que dans les premières dynasties, l’empire n’étant pas si étendu, le gouvernement déclinoit un peu de cet esprit. Mais aujourd’hui cela n’est pas. Montesquieu, Charles Louis de Secondat de: Esprit des lois (Œuvres complètes de Montesquieu). Bd. 1. Hg. v. Jean Brethe de La Gressaye. Paris 1950. S. 228. Zu Montesquieus China-Bild vgl. Schmutz, Georges-Marie: La sociologie de la Chine. Bern/Berlin 1993. S. 47ff. 90 Justi, Vergleichungen, S. 3. 91 Ibd. S. 30. 92 Ibd. S. 40. 93 Die Pf­licht zur Selbstmäßigung des Herrschers findet sich bei Wolff nur sehr oberfläch­lich angedeutet. Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 174. Leibniz bewunderte die Weisheit der chinesischen Kaiser, die ihre Macht nicht missbrauchten und den Gesetzen gehorchten, in seiner Novissima Sinica aus dem Jahr 1697: Quis vero non miretur Monarcham tanti Imperii, qui pene humanum fastigium magnitudine excessit, et mortalis quidam Deus habetur, ut ad nutus ejus omnia agantur, ita tamen educari solere ad virtutem et sapientiam, ut legum ebservantia incredibili, et sapientum hominum hominum reverentia vincere subditos ipso culmine suo dignum judicare videatur. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Novissima Sinica. In: Ders.: Sämt­liche Schriften und Briefe (Akademieausgabe). Hg. v. Jürgen Mittelstrass/Eberhard Knobloch. Bd. IV, 6. Berlin 2008. N 61. S. 398.

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Auszügen bot.94 Zugleich hatte der Jesuit Le Comte in seinen von Du Halde übernommenen Beschreibungen zur Rolle der Gesetze in China auf die positiven Auswirkungen der Mäßigung der chinesischen Kaiser verwiesen: Er betonte, daß, wenn ein Fürst nur im geringsten seinen Vortheil, sondern das gemeine Beste beherziget: so kann er sein Ansehen nicht mißbrauchen.95 Zahlreiche weitere Passagen bei Du Halde unterrichteten die Leser von der Mäßigung der chinesischen Kaiser.96 Damit folgte Justi der Erkenntnis der Jesuiten, dass der chinesische Kaiser gegenüber einem Verpf­lichtungsgrund, den Gesetzen, einen Verpf­lichtungswillen, die eigene Unterordnung, aufbrachte, weil er ihre Wahrheit und Gültigkeit erkannt und respektiert hatte.97 Wenn dem nicht so war, erinnerten ihn seine Beamten an diese freiwillige Verpf­lichtung. Warum sollte dies nicht auch den europäischen Fürsten mög­lich sein? Sie mussten nur von diesem Verpf­lichtungswillen Kenntnis besitzen und von seinem Sinn überzeugt werden. Justi begründete deshalb das Ziel seiner Vergleichungen damit, dass er alles Notwendige an Kenntnissen zur Verfügung stellen wolle, damit der Monarch aus eigener Bewegung seine Gewalt mit Mäßigung gebrauchen könne.98 Grundsätz­lich sollte der Fürst nach Justi alle seine persön­lichen und durch sein Amt mög­lichen Leidenschaften und Neigungen mäßigen.99 Die Mäßigung betraf insbesondere die Begierde auf ­fremdes Territorium, da

94 Sur la fin des années nommées Tchin koan, le même empereur Tai tsong [Taizong] pour l’instruction du prince son héritier, un livre qu’il intitula: la Règle des souverains. Ce livre avait douze chapitres. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 493ff. 95 Koppe, Zusätze zu des Johann Baptista du Halde ausführ­lichen Beschreibung des Chinesischen Reiches und der großen Tarterey, S. 261. 96 Kong yu an Yuen ti pour l’exhorter à imiter la tempérance, la frugalité & l’épargne des anciens. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 449. Die Verschwendung an kaiser­lichen Höfen war nicht unkritisiert geblieben: A quoi se montent les dépenses que fait la reine? Je ne puis le dire au juste; mais certainement elle est très grande. Cependant le peuple est dans la misère. Un grand nombre de vos pauvres sujets meurent de faim. Plusieurs demeurant sans sépulture, servent de curée aux chiens; & cela, pendant que vos écuries sont pleines de chevaux nourris de grains, si gras & si fringants la plupart, que soit pour dissiper leur graisse, soit aussi pour les dompter, on est obligé chaque jour de les fatiguer un peu. Ibd. S. 450. 97 Die Sicht der Jesuiten basierte nicht zuletzt auf Suárez’ Verpf­lichtung des Gewissens, der einen Verpf­lichtungswillen für das Handeln voraussetzte. Suárez, Francisco: Tractatus de legibus ac Deo legislatore Londini 1679, II, 10,11. 98 Der zweyte Hauptpunct, worinnen sich die Monarchen mäßigen müssen, wenn ihre Regierung gut seyn soll, ist der Aufwand. Justi, Vergleichungen, S. 146. Sie rühmten ihn [Taizong, Tai=tsong, Schreibweise nach Justi] wegen seiner Mäßigung und Genügsamkeit, die so groß war, daß nicht mehr als acht Schüsseln auf seine Tafel gesetzt werden durften, und daß fast alle Kebsweiber den Pallast räumen mußten. Ibd. S. 148. Forderungen zur Mäßigung der Fürsten hinsicht­lich des Luxus finden sich bei Becher. Becher forderte die Fürsten beispielsweise auf, die eingesamlete [sic!] Steuern nicht mit Fressen/Saufen/Comedien/Jagen und anderen Wollusten zu verschleudern/ sondern sie anzulegen/ daß die Unterthanen mercken und spühren/ daß es zu ihrem Nutzen angewendet wird. Becher, Politische Discurs, S. 36, vgl. auch S. 15. 99 Mög­lich war dies, wenn der Monarch Tai=tsongs (T’ai Tsungs, heute gebräuch­liche Schreibweise) Ratschlag folgte: Daher wache ich auch unausgesetzt über mich selbst, um nichts zu thun, das dem

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der Krieg den Untertanen Vernichtung und dem Land Verwüstung brachte. Im Zentrum von Justis Forderung nach Mäßigung standen jedoch die Achtung der Gesetze durch den Monarchen und die Mäßigung seines Lebens- und Repräsentationsaufwandes. Gerade aus diesem resultierten aus Justis Sicht die Bedrückungen der Untertanen durch allzu hohe Abgaben und Fronleistungen sowie die Verschleuderung des Staatsvermögens. Armut und Dürftigkeit der Untertanen waren die Folge ebenso wie die Verschuldung und mög­liche Handlungsunfähigkeit des Staates.100 Aus den extremen Leidenschaften der Herrschenden ergaben sich nach Justi extrem negative Folgen für den Staat und die Untertanen. Durch die Extreme gerieten aus seiner Sicht bestehende Ordnungen in Bedrohung bzw. aus dem Gleichgewicht. Die Mäßigung der Fürsten war für ihn deshalb ein wesent­licher Faktor der Stabilisierung der Staaten und führte zu einer politischen bzw. ökonomischen Ausgewogenheit zwischen Herrscher und Beherrschten. Der Mäßigung rechnete Justi somit eine wesent­liche ökonomische Komponente zu. Es ging ihm um eine Balance zwischen Macht und den Bedingungen ihrer Ausübung in Übereinstimmungen mit dem Staatsziel. Ohne Mäßigung in den oben genannten Bereichen war deshalb eine auf das Gemeinwohl zielende väter­liche Herrschaft für Justi unmög­lich.101 Die Abhängigkeit des Wohls der Hausgenossen von der Mäßigung des Hausvaters hatte die frühneuzeit­liche Hausväterliteratur schon längst angemahnt. Der Pf­lichten­ kanon für einen Hausvater und damit auch für einen Landesvater umfasste traditionell die ständige selbstreflektive Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich der Hausvater selbst regieren oder gegen sich selbst verhalten soll.102 Franz Philipp Florinus (1649 – 1699) hatte in seinem Werk Der kluge und rechtsverständige Hausvater die Richtlinie aufgestellt, dass ein Hausvater in nichts dem Übermut verfallen dürfe und sich in allen seinen Handlungen nicht unmäßig, unbillig und unbarmherzig erzeigen solle. In der traditionellen väter­lichen Herrschaft lag also die Idee von der Selbstmäßigung und Beschränkung der Fürsten grundsätz­lich verankert, an die Justi in seinen Vergleichungen umso leichter anknüpfen konnte, da sie dem Leser grundsätz­lich vertraut erscheinen mussten. Doch dies war nicht der einzige Anknüpfungspunkt für den Kameralisten:

Willen des Himmels, und dem Verlangen des Volks entgegen seyn könnte. Justi, Vergleichungen, S. 153. 100 Sie werden sonst nicht allein das bereiteste Vermögen und die Kräfte des Staates in unnützer Weise verschwenden, und es wird in Nothfällen zur Wohlfahrt und Vertheidigung des Staats an genugsamen Hülfsmitteln fehlen, sondern die Unterthanen werden auch durch die Härte der Abgaben in Armuth, Dürftigkeit und Elend versetzet werden. Justi, Vergleichungen, S. 146. In der 3. Auflage der Grundsätze zur Polizeywissenschaft schrieb Johann Beckamm in seinem Kommentar zu Justi: Grosse Höfe sind keineswegs zum Wohlstande eines Landes nöthig. Stattdessen sei die Folge, daß fast alle Einwohner kümmer­lich […] leben. Justi, Grundsätze der Polizeywissenschaft, 3. Aufl., S. 112. So argumentierte übrigens auch schon der Kameralist Becher, der ebenfalls in den großen und aus seiner Sicht unnötigen Hofhaltungen den Grund für die Verelendung der Untertanen in vielen Territorien sah. Becher, Politische Discurs, S. 4 und S. 15. 101 Justi, Vergleichungen, S. 153. 102 Florinus, Der kluge und rechtsverständige Hausvater, S. 14.

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Justis Vorstellungen von der Mäßigung unterscheiden sich grundlegend von M ­ ontesquieu  103 und sind daher sehr wahrschein­lich eher durch Leibniz’ Proportionsschema für das Gerechte und die Billigkeit (aeqvitatis congruentiae), das er in seinen Elementa iuris naturalis entwickelt hatte, beeinflusst. Justi hatte sich frühzeitig mit Leibniz auseinandergesetzt und u. a. 1747 auf die Preisaufgabe der Berliner Akademie der Wissenschaften mit seiner Dissertation sur les Monades geantwortet, die auf eine kritische Bewertung der Monadenlehre abzielte. Sie erhielt den Preis der Akademie.104 Es erscheint deshalb nicht abwegig, dass er Leibniz’ Elementa kannte. Leibniz hatte darin fünf Grundsätze für mög­liche ungerechte Relationen aufgestellt. Ausgehend vom Besitz überflüssiger Güter auf der einen Seite und dem Mangel an solchen auf der anderen, ergab sich folgendes Ergebnis: Bestand ein Überfluss von Gütern auf einer Seite, folgte auf der anderen der Mangel. Dies wiederum führte zum Vorteil bzw. zum Gewinn des einen und zum Nachteil des anderen Parts. Folg­lich ergab sich für die einen Wohlstand und für die anderen Not und Elend (miseria). Für Leibniz war damit die naturrecht­lich notwendige Harmonie empfind­lich gestört. Im Kommentar zu seiner Tabelle deklarierte er das Billige als Norm und forderte nach dem Gesetz der Billigkeit, dass man unter Verlust seines Vorteils den Nachteil des anderen beseitige.105 Justi teilte Leibniz’ Auffassung von der Billigkeit als Norm, unter die sich aus seiner Sicht die Monarchen mit dem Verzicht auf Überfluss und Luxus freiwillig unterordnen sollten. Aus Leibniz’ Gedanken vom notwendigen Verlust des Vorteils zugunsten der Aufhebung der Benachteiligung anderer könnte sehr leicht Justis Forderung nach der freiwilligen Aufgabe des Vorteils (etwa des Luxus) im Sinne der Mäßigung für die Monarchen entstanden sein. In China war aus Justis Sicht die Mäßigung und notwendige Genügsamkeit der Monarchen erreicht.106 Als Triebfedern für die Mäßigung der chinesischen Kaiser beschrieb 103 Montesquieu verstand den Luxus als Motor der Ungleichhheit, der die Besitzlosigkeit eines Teils der Gesellschaft im Kauf nehme. Er rechnete dem jedoch auch eine enorme Auswirkung auf die Wirtschaft zu. Nicht das Anhäufen von Geld mache den Staat reich, sondern die Ausgaben der reichen Leute führen zum Reichtum des Staates und ermög­lichen in einer Monarchie die Wohlfahrt. Gleiches gelte auch für den Herrscher. Montesquieu, Esprit, VII, 4. 104 Sie wurde unter folgendem Titel publiziert: Dissertation qui a remporté le prix proposé par l’Académie Royale […] sur le Système des Monades […]. Berlin 1748. Vgl. dazu mit kurzen Anmerkungen Neis, Cordula: Anthropologie im Sprachdenken des 18. Jahrhunderts. Die Berliner Preisfragen nach dem Ursprung der Sprache (1771) (Studia linguistica Germanica, Bd. 67). (Diss.) Berlin 2003. S. 76, FN 14. Vgl. auch Vogl, Leibniz, S. 100ff. 105 Busche, Hubertus: Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung (Paradeigmata, Bd. 17). (Habil.) Hamburg 1997. S. 315, S. 317ff. Ders.: Die drei Stufen des Naturrechts und die Ableitung materieller Gerechtigkeitsnormen beim frühen Leibniz – Zur Vorgeschichte der „caritas sapientis“. In: Baumanns, Peter (Hg.): Realität und Begriff. Jacob Barion zum 95. Geburtstag. Würzburg 1993. S. 105 – 149. Schneider, Werner: Leibniz und die Frage des Guten und Gerechten. In: Akten des Internationalen Leibniz-Kongresses (Studia Leibnitiana, Bd. 4). Wiesbaden 1969. S. 85 – 111. 106 Justi, Vergleichungen, S. 148.

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er zunächst die ungeheure Bedeutung und Wirkung der alten Gesetze, deren Missachtung durch den Herrscher zwar mög­lich war, aber gleichzeitig zu so heftigem Ansehensverlust seiner Person führe, dass geringstenfalls die Verachtung seiner Untertanen und schlimmstenfalls der Verlust des Thrones drohe. Die Haltung eines chinesischen Kaisers war aus Sicht Justis in der Regel von tiefem Respekt gegenüber den Gesetzen seines Landes geprägt. Die eventuell aufflammenden Leidenschaften der Herrscher, die Gesetze zu ignorieren, würden jedoch durch stetige Erinnerungen, Ermahnungen und Korrekturvorschläge, die von pf­lichtbewussten und fähigen Verwaltungsbeamten und aufmerksamen Bürgern, frei geäußert werden durften, oder durch die Vermittlung einer kritischen und unparteiischen Geschichtsschreibung, die den Monarchen nicht schmeichelte, sondern stattdessen auch die Gründe für Fehler oder das Scheitern von Vorgängern thematisierte, eingedämmt.107 Die Mäßigung des Herrschers lag für Justi in der persön­lichen Tugend und Akzeptanz der Gesetze durch den Monarchen, welche in der Person des Herrschers ihren ersten Hüter finden sollten.108 Als Leitfaden für die Mäßigung galten ihm die Geschichte und das Bewusstsein einer mög­lichen Destabilisierung seiner Macht. Als Stütze bei der Beherrschung der Leidenschaften stand dem Kaiser die Verwaltung zur Seite. Diese wiederum orientierte sich am Vorbild des gemäßigten väter­lichen Herrschers bei der Ausübung delegierter Herrschaft in den Provinzen und Ämtern. Somit war das Verhältnis von Herrscher und Verwaltung in China aus Justis Sicht von einem harmonischen Zusammenwirken im Interesse der Glückseligkeit 109 des Staates und der Untertanen geprägt. Eine wesent­liche Handlungsmotivation zur Erlangung der Glückseligkeit ebenso wie zur Mäßigung der Leidenschaften der Monarchen erkannte Justi wiederum in Anlehnung an Wolff in der väter­lichen Liebe eines Herrschers. Wolff war missverständ­lich von der väter­lichen Liebe der chinesischen Kaiser als Motivation ihrer Handlungen ausgegangen.110 In seinem Werk Die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit aus dem Jahr 1761 hatte Justi die Liebe als wesent­liches Merkmal christ­licher Herrschaft beschrieben: Lieben, regieren, belohnen und bestrafen, das ist, glaube ich, alles, was einem Vater und einem Könige zu thun zukömmt. […] Der Vater und der König sind beyde lebendige Vorbilder von Gott, dessen Regierung auf Liebe gegründet ist.111 China erschien Justi auch in 107 Ibd. S. 22ff. 108 Hier folgte Justi Wolff, der davon ausging, dass die chinesischen Kaiser von der Wirkung der Gesetze nicht ausgeschlossen waren. Wolff, Christian: Rede von der Sittenlehre der Sineser. In: Ders: Gesammelte kleine philosophische Schrifften. Bd. 6: Drinnen besonders die zur Staatsklugheit und der damit verwandten Rechtsgelehrsamkeit gehörige Stüke enthalten. Halle 1740 (Reprint Hildesheim/ Zürich 1981). S. 17 – 320. Hier: Anm. 11. S. 40. 109 Justis Verständnis von Glückseligkeit wird im nachfolgenden Kapitel eingehend untersucht und erläutert. 110 Justi, Vergleichungen, S. 161. 111 Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 2, S. 127. Auf die große Bedeutung der väter­lichen Liebe bei Justi verweist Soerensen. Ders., Die Vater-Herrschaft, S. 198f. Zur Bedeutung der chinesischen

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diesem Punkt als Vorbild geeignet zu sein, weil diese väter­liche Liebe die große Grundregel und Triebfeder des Staates ist.112 Ob und inwieweit diese Liebe der chinesischen Kaiser mög­licherweise der christ­lichen ähn­lich sein könnte, oder auf welcher religiösen oder philosophischen Grundlage die Liebe die Triebfeder herrscher­licher Handlungen in China bildete, ließ Justi unerwähnt. Er thematisierte in seinen Vergleichungen längst nicht so philosophisch tiefgründig die mög­lichen Ähn­lichkeiten der christ­lichen mit der konfuzianischen Ethik wie Wolff,113 sondern hob stattdessen umso stärker ganz pragmatisch die Aspekte der Freiheit der chinesischen Untertanen, die Achtung der chinesischen Herrscher vor den Gesetzen im Sinne einer freiwilligen Mäßigung sowie die Gegenseitigkeit bzw. Aufeinanderbezogenheit zwischen Herrscher und Volk als Familie in den Vordergrund. In diesen Aspekten erkannte Justi den Erfolg der väter­ lichen Herrschaft in China. Hinsicht­lich der Beschreibung der väter­lichen Autorität des Kaisers von China und der väter­lichen Liebe als seiner Handlungsmotivation folgte Justi stärker der Auslegung Wolffs als den Ausführungen Du Haldes. Er bediente sich hinsicht­lich seiner Ausführungen zur patriarchalischen Herrschaft geradezu der von Wolff formulierten Ähn­lichkeiten für seine Zwecke, um zu zeigen, dass sein Konzept eines sich selbst beschränkenden Fürsten, der von väter­licher Liebe gegen seine Untertanen getrieben handelte, nicht nur ein unerreichtes Ideal, sondern in China politische Realität war. Der Erfolg Chinas versprach Machbarkeit und Umsetzbarkeit auch in Europa. Je ähn­licher dabei die Konzepte patriarchalischer Herrschaft erschienen, desto weniger konnten Einwände wie Nichtübertragbarkeit des Gedankens durch kulturelle Fremdoder Andersartigkeit geltend gemacht werden. Es ging Justi um die Überzeugungskraft seiner Argumentation und seiner Beispiele, die erfolgreiche persön­liche Mäßigung von Monarchen vorzuführen, die durch die Ähn­lichkeit in der Herrschaftsauffassung mehr gewann bzw. sogar als bewiesen gelten konnte. Justi betonte in seinen Werken immer wieder, dass es ihm nicht nur um die Erfindung eines Lehrgebäudes ging, das zwar mög­ lich ist, dessen Wirk­lichkeit aber mit nichts erwiesen werden kann.114 An Justis Darstellung von patriarchalischer Herrschaft unter Einbeziehung außereuropäischer politischer Elemente lassen sich zwei Ergebnisse ablesen: Zum einen bestätigten sich jahrhundertealte eigene Herrschaftsauffassungen als offensicht­lich richtig, waren sie doch anderswo (eben in China) stringenter und erfolgreicher durchgesetzt worden, während sie im Alten Reich, aber auch im übrigen Europa, von den Herrschenden zunehmend ignoriert wurden. Zudem ergab sich für die deutschen und europäischen Zeitgenossen der wichtige Erkenntnisgewinn einer offensicht­lichen Gleichzeitigkeit und Ähn­lichkeit über die Auffassung der Ausübung von monarchischer

Familienidee in Europa sehr knapp Schmutz, La sociologie de la Chine, S. 17 – 19. 1 12 Justi, Vergleichungen, S. 169. 113 Zempliner, Die chinesische Philosophie und J. Ch. Wolff, S. 775. 114 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. XVIII.

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Herrschaft in China und Europa. Umso wichtiger erschien es Justi wie schon Wolff vor ihm, noch einmal nachdrück­lich auf den Zusammenhang von tugendhaftem Lebenswandel des Herrschers, seinem Wohlverhalten im Umgang mit der Macht und dem Glück der Untertanen hinzuweisen.115 Stärker als Wolff betonte er die Bedeutung des Zusammenhangs zwischen der sich selbst mäßigenden Machtausübung des Herrschers und dem Glück der Untertanen. Ebenfalls deut­licher als Wolff hob Justi auch eine mit dem patriarchalischen Konzept verbundene Legitimation von Herrschaft hervor, die wiederum in Anlehnung an die chinesische Monarchie auf aktiven Taten zur Umsetzung der Wohlfahrt beruhte und nicht nur inhaltsleerer Schmuck des Titels eines Landesvaters bleiben durfte.116 Blieben die Taten aus, so verlor der Herrscher in China sein Mandat. Justi lenkte den Blick von deutschen und europäischen Fürsten auf die Machtverhältnisse und Formen ihrer Ausübung in China, um sie mittels Wolff ’scher Methodik von Analogie und Reduktion zu animieren, aus den Handlungen und Entschlüssen der chinesischen Kaiser allgemeine Vorstellungen abzuleiten, die künftig auch ihr Handeln leiten könnte. Zugleich formulierte der an das fürst­liche Handeln gebundene Patriarchalismus Justis auch eine Warnung an die europäischen Herrscher, die Folgen des Nichthandelns für ihre Herrschaft zu bedenken. Das mög­liche vorzeitige Ende bzw. der Verlust von Herrschaft stand den mit den chinesischen Beispielen unausgesprochen im Raum. Doch diese Fähigkeit einer solchen Erkenntnis zum Handeln bedurfte etwa nach Wolff eines Philosophen auf dem Thron, eines Herrschers, der sich philosophisches Denken und Wissen aneignete. Der Monarch sollte nach Wolff die Fähigkeit besitzen, ineinandergegründete Wahrheiten zu erkennen, um viel leichter und kürzer […] durch eine richtig zusammenhangende Weltweisheit, zu den Begriffen eines guten Regiments [zu] kommen.117 Die antike Vorstellung des Philosophen auf dem Thron findet sich bei Platon. Platons Ausbildungsziel für den „Philosophen auf dem Thron“ umschloss Theo­rie und Praxis, wobei er Theorie und Praxis gleich viel Zeit einräumte, bevor er mit der Hinwendung zur Idee der Vermittlung des Guten die Ausbildung abzuschließen suchte. In einem Rotationsverfahren widmeten sich nach Platon die Philosophen­ könige den Staatsgeschäften und der wissenschaft­lichen Tätigkeit.118 Auch dieses antike 1 15 Wolff, Rede von der Sittenlehre der Sineser, Anm. 107, S. 202f. 116 Justi betonte die Form der landesväter­lichen Liebe, die sich in Taten und Handlungen, und nicht allein in Worten äußern soll. Justi, Vergleichungen, S. 30f. 117 Wolff, Christian: Von den Regenten, die sich der Weltweisheit befleissigen, und von den Weltweisen, die das Regiment führen. In: Ders.: Gesammelte kleine philosophische Schriften. Bd. 6. Halle 1740 (Reprint Hildesheim/Zürich 1981). S. 529 – 662. Hier S. 581f. Vgl. dazu Saine, Thomas P.: Von der Kopernikanischen bis zur Französischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frühaufklärung mit der neuen Zeit. Berlin 1987. S. 177. 118 Auch Isaac Vossius hatte in Anlehnung an Hornius Arca Noae den chinesischen Kaiser als Philosophen auf dem Thron dargestellt. Weststeijn, Thijs: Spinoza sinicus. An Asian Paragraph in the History of radical Enlightenment. In: Journal of History of Ideas 68/4 (2007). S. 537 – 561. Hier

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Ideal fand Wolff in China realisiert. Auch hier assoziierte er in Anlehnung an die Jesuiten Ähn­lichkeiten zwischen dem alteuropäischen und dem chinesischen Ideal: Die alten Kaiser und Könige der Chinesen waren näm­lich zugleich Philosophen: Was ist also daran verwunder­lich, dass – gemäß dem Satz Platons – der Staat glückselig war, wo die Philosophen herrschten und die Könige philosophieren?119 Justi teilte das von Wolff angenommene Ideal des Philosophen auf dem Thron. Schon in seiner Antrittsvorlesung am Wiener Theresianum hatte er auf den Zusammenhang der Wissenschaften mit denjenigen Mitteln hingewiesen, welche einen Staat glück­lich machen.120 In seinem Grundriß einer Guten Regierung hatte Justi König Ludwig XIV . als einen ungelehrten Monarchen mit wenig Verstand charakterisiert und zugleich seine Vorstellungen von der Weisheit der Fürsten geäußert: […] man weiß den Denkspruch des Kaisers Antonins, daß das ein glück­licher Staat sey, wo die Philosophen herrschten, oder die Regierenden philosophierten. Ich wollte gar behaupten, daß das der allerglück­lichste Staat wäre, in welchem der Regent seine Unterthanen an Verstand, Einsicht und Gelehrsamkeit ebenso sehr überträfe, als er dem Stande nach über sie alle erhaben ist. Der Regent soll der Weiseste seyn, nicht weil sich alle andre Bürger und Einwohner des Staates seiner Regierung anvertrauen, sondern weil er die Eigenschaften, Fähigkeiten und Verdienste aller seiner Unterthanen zu beurtheilen im Stande seyn soll.121 Deshalb thematisierte und forderte er im Sinne Wolffs in seinen Vergleichungen die hohen Einsichten und die Weisheit der Monarchen.122 Darüber hinaus erkannte er die Notwendigkeit für den zukünftig effizienter und nach innen

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S. 548. Als ein Beispiel des Philosophen auf dem Thron gilt Marc Aurel, auf den sich Justi in seinen Vergleichungen auch bezog. Grundsätz­lich zur Idee des Philosophen auf dem Thron Maier, Barbara: Philosophie und römisches Kaisertum. Studien zu ihren wechselseitigen Beziehungen in der Zeit von Caesar bis Marc Aurel (Dissertationen der Universität Wien, Bd. 172). (Diss.) Wien 1985. Schall, Ute: Marc Aurel. Der Philosoph auf dem Caesarenthron. Esslingen 1991. Baicu, Ovidiu: Platons Lehre von der Philosophenherrschaft. Politisch-theologische Hintergründe seiner Lehre von der Politeia (Deutsche Hochschuledition, Bd. 143). Neuried 2006. Vonessen, Franz: Platons Ideenlehre, Teil 2. Der Philosoph als König (Die graue Reihe, Bd. 39). Kusterdingen 2003. Vgl. auch Schneiders, Werner: Die Philosophie des aufgeklärten Absolutismus. Zum Verhältnis von Philosophie und Politik, nicht nur im 18. Jahrhundert. In: Bödecker, Hans Erich/Herrmann, Ulrich (Hg.): Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 8). Hamburg 1987. S. 32 – 52. Gallee, Arnold: Philosophenkönig. Eine Einführung. Hamburg 2008. Wolff, Oratio de Sinarum philosophia practica, S. 13. Ebenso Wolff, Christian: De Rege philosophante et de Philosopho regnante. In: Ders.: Horae subsecivae Marburgenses quibus philosophia ad publicam, privatamque utilitatem apatur. Bd. 2. Leipzig/Frankfurt 1730. § 3 – 15. Vgl. zur Idee des Philosophen auf dem Thron Larrimore, Orientalism and Antivoluntarism in the History of Ethics. Lach, The Sinophilism of Christian Wolff, S. 561 – 574. Ho, Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff, S. 119. Die Antrittsrede findet sich in: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Gesammlete [sic!] Politische und Finanzschriften über wichtige Gegenstände der Staatskunst, der Kriegswissenschaften und des Cameral- und Finanzwesens. Bd. 2. Kopenhagen/Leipzig 1761. (Reprint Aalen 1970). S. 128 – 175. Justi, Grundriß einer Guten Regierung, S. 346f. Justi, Vergleichungen, S. 161.

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sicherer funktionierenden Staat, das Wissen der Fürsten um ökonomische, insbesondere landwirtschaft­liche Komponenten zu erweitern. Unter Öconomie subsumierte Justi, wie schon in der Einleitung zu diesem Kapitel angeführt, die Haushaltungs-, Staatswirtschaftsund Landwirtschaftslehre.123 Dies soll in den nächsten zwei Kapiteln erläutert werden. b. Von der Glückseligkeit, der Einheit der Gesellschaft und der produktiven Arbeit als ökonomischer Kategorie Christian Wolff hatte unter dem Begriff der Glückseligkeit eine primär moralische Kategorie verstanden, die den Menschen aus seiner Sicht handlungsleitend steuerte, sich täg­lich einer größeren Vollkommenheit anzunähern. Dafür mussten ihm jedoch auch die Mög­lichkeit und die Bedingungen zur Annäherung an die Vollkommenheit gewährt werden. Realisiert fand er den Gedanken in China.124 Justi verstand jedoch unter der Glückseligkeit primär eine materielle Grundkategorie mit Zielcharakter wie etwa die ausreichende Versorgung mit Nahrung. Für Justi entsprang das Streben nach Glückseligkeit zunächst dem Triebe der Natur. In seinem Werk Natur und Wesen der Staaten heißt es: Der Trieb der Selbsterhaltung […] gehet auch dahin, sein Leben durch zureichende Nahrungsmittel zu erhalten.125 Teil der Erkenntnis Justis war es, dass alle Menschen das Bedürfnis besaßen, Nahrungsmittel zu erlangen und sich dieses Phänomen nicht nur auf die Armen, wie noch im 17. Jahrhundert angenommen worden war, beschränkte.126 Aus der Wahrnehmung und Akzeptanz der grundlegenden Bedürfnisse aller Mitglieder der Gesellschaft nach Nahrung als wichtigem Teil der Glückseligkeit ergab sich für ihn die Schlussfolgerung, dass somit auch allen Menschen gleichermaßen die ökonomische Freiheit zur Erlangung der Nahrung (und darüber hinaus derjenigen moralischen und zeit­lichen Güter, die jeder durch seinen Fleiß zu erwerben in der Lage sei)127 und ein gemeinsames Streben nach Glückseligkeit 123 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 32. 124 Wolff, Oratio de Sinarum philosophica practica, S. 57. 125 Justi, Natur und Wesen der Staaten, S. 427. Auf das voneinander abweichende Verständnis von Wolff und Justi hinsicht­lich des Verständnisses der Glückseligkeit hatte bereits Sommer hingewiesen. Sommer, Louise: Die österreichischen Kameralisten in Dogmengeschicht­licher Darstellung (Studien zur Sozial-, Wirtschafts- und Verwaltungs-Geschichte, Bd. 12/13). Wien 1925 (Reprint Aalen 1967). S. 205 – 215. Ähn­lich Pattrick, Matthias: Justis Staatstheorie. (Diss.) Wien 1938. S. 54 – 61. So auch Obert, Naturrecht­liche „politische Metaphysik“, S. 112. 126 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 56. Bedürfnisse hatte Franz Philipp Florinus vor allem bei Menschen gesehen, die einen Verlust an Haus, Feld und Hof oder sonstigem Besitz erlitten hatten bzw. durch Krankheit und Alter so geschwächt waren, dass sie sich nicht selbst ernähren konnten. Ihre Bedürfnisse galt es, durch die Wohltätigkeit eines guten Hausvaters ohne Unterschied der Konfession zu stillen. Florinus, Der kluge und rechtsverständige Hausvater, S. 39ff. 127 Ich verstehe demnach hier unter der Glückseligkeit der Unterthanen, […] daß jedermann einer [sic!] vernünftigen Freyheit genieße und durch seinen Fleiß vermögend sey, sich diejenigen moralischen und zeit­lichen Güter zu erwerben, die er zu einem vergnügten Leben nöthig hat. Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 66.

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wichtig sein musste. Deshalb entsprach die Erlangung der Glückseligkeit nicht nur dem mensch­lichen Trieb, sondern auch seinem Willen: Der Wille eines jeden Menschen ist, daß er seine Glückseligkeit befördern will […]. Wenn also viele Menschen ihren Willen mit einander vereinigen; […] so kann es nur in der Absicht geschehen, daß ein jeder seine besondere Glückseligkeit der ganzen Gesellschaft vereinigen will. Die gemeinschaft­liche Glückseligkeit ist demnach der Endzweck der bürger­lichen Verfassung.128 Die Glück­ seligkeit erhob Justi als erster Staatstheoretiker zum höchsten Grundsatz aller Staatswissenschaften und zum Endziel des Staates.129 Justi hob sich mit seinem expliziten Ziel der Glückseligkeit von den Hausvätern ab, die in der Glückseligkeit nur ein implizites Teilziel bei der Erfüllung der Vorsehung Gottes gesehen hatten.130 Der Sinn einer Gesellschaft und damit des Staates bestand für Justi im gemein­ schaft­lichen Beystand, in der Gemeinschaftsbildung der Menschen.131 Gesellschaft hatte etwa Christian Wolff als societas civilis definiert. Aus dem Gesellschaftsvertrag konstituierte sich nicht nur Herrschaft, sondern auch die Gesellschaft als Synonym für das Volk (populus), als der Menge an Menschen, die sich zum Zwecke des guten Lebens vereinigt haben.132 Wenn auch der Staat die Aufgabe der natür­lichen Freiheit für den Einzelnen bedeutete, so war für ihn doch nur durch die Überwindung des vorstaat­ lichen Zustandes in der staat­lichen Gemeinschaft die individuelle und gemeinschaft­ liche Glückseligkeit realisierbar. Für Justi bestand nach Dieter Grimm deshalb ein funktionaler Zusammenhang zwischen Einzelperson und Staat, die in ein reziprokes Tausch- und Verpf­lichtungsverhältnis traten.133 Das Ziel sah Justi in der Erlangung der bereits genannten individuellen und gemeinschaft­lichen sowie auch staat­lichen Glückseligkeit durch Vernunft und geschickte Koordination der im Staat vereinigten 128 Justi, Grundriß einer guten Regierung, S. 5. 129 Grundsätz­lich zur Bedeutung von Wohlfahrt und Glückseligkeit als Staatsziel im 18. Jahrhundert vgl. Sommermann, Karl-Peter: Staatsziele und Staatszielbestimmungen ( Jus publicum, Bd. 25). (Habil.) Tübingen 1997. S. 21ff. Vgl. zum Begriff der Glückseligkeit bei Justi Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, S. 110ff. Schefold, Bertram: Glückseligkeit und Wirtschaftspolitik: Zu Justis ‚Grundsätzen der Policey-Wissenschaft‘. In: Ders. et al. (Hg.): Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe der 1756 erschienenen Erstausgabe von Johann Heinrich Gottlob von Justi: Grundsätze der Polizey-Wissenschaft. Düsseldorf 1993. S. 17. Engelhardt, Ulrich: Zum Begriff der Glückseligkeit in der kameralistischen Staatslehre des 18. Jahrhunderts ( J. H. G. v. Justi). In: Zeitschrift für historische Forschung 8 (1981). S. 37 – 79. 130 Morgenthaler, Erwin: Von der Ökonomie der Natur zur Ökologie. Die Entwicklung ökologischen Denkens und seiner sprach­lichen Ausdrucksformen (Philologische Studien und Quellen, Bd. 160). (Habil.) Berlin 2000. S. 138, S. 142. 131 Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, S. 4. 132 Wolff, Vernünftige Gedancken von dem Gesellschaft­lichen Leben der Menschen, 1721. Vorrede, S. 2 und § 274. 133 Grimm, Dieter: Die deutsche Staatsrechtslehre zwischen 1750 und 1945. In: Ders. (Hg.): Recht und Staat der bürger­lichen Gesellschaft (Suhrkamp-Taschenbuch, Bd. 1358). Frankfurt/M. 1987. S. 291 – 307. Hier S. 292.

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Kräfte.134 Während die Glückseligkeit des Einzelnen und der Gemeinschaft in der Freiheit 135 zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse lag, so bestand für Justi die Glückseligkeit des Staates in der inner­lichen Stärke, der Freiheit und der Sicherheit.136 Zur Veranschau­lichung der Wirkung und Koordination dieser Kräfte bediente er sich nicht mehr der bekannten Vorstellung vom Funktionieren eines Staatskörpers, sondern vorerst der Metapher der Staatsmaschine, in der jedem Einzelnen, dem Herrscher und jedem Untertan, gemäß dem gemeinsamen Ziel der Glückseligkeit eine Aufgabe und Pf­licht zukam. Doch Justi ging noch einen Schritt weiter. Ökonomische Faktoren sollten und mussten künftig die Staatswissenschaft prägen, um das Ziel der Glückseligkeit zu erreichen. Dafür gestand er – wie bereits beschrieben – der Wirtschaft das Primat über den Staat zu. Nicht die Wirtschaft solle dem Staat, sondern der Staat der Wirtschaft dienen. Nicht mehr die fürst­liche Schatzkammer stand im Fokus kameralistischen Wachstumsdenkens, sondern die auf Bedürfnisbefriedigung aller Menschen abzielende Güterproduktion.137 Diese hatte in vielem ihre materielle Grundlage im Ackerbau und in der Viehzucht, lieferte die Landwirtschaft doch die Lebensmittel ebenso wie Materialien für die Manufakturen.138 In der Landwirtschaft sah Justi deshalb ein wesent­ liches Fundament für den Reichtum einer ganzen Gesellschaft. Der Landwirtschaft kam innerhalb des von Justi vollzogenen Paradigmenwechsels eine wesent­liche Rolle hinsicht­lich der Erreichung des Ziels der gesamten Gemeinschaft zu. Im Kontext des vorgenommenen Paradigmenwechsels war es notwendig, den Staat und die Gesellschaft ökonomisch und – wie Axel Rüdiger angemerkt hat – auch sozial

134 Justi, Natur und Wesen, S. 45. 135 Freiheit bedeutet für Justi die Abwesenheit von äußerem, einschränkenden Zwang. Definition nach Schmidt am Busch, Hans Christoph: Die Kameralistik als „politische Metaphysik“. In: Stolzenberg, Jürgen/Rudolph, Oliver-Pierre (Hg.): Christian Wolff und die europäische Aufklärung. Akten des 1. Internationalen Christian-Wolff-Kongresses, Halle (Saale), 4.-8. April 2004. Bd. 3. Hildesheim/ Zürich/New York 2007. S. 233 – 254. Hier S. 236. 136 Obert, Naturrecht­liche, „politische Metaphysik“, S. 108ff. Meyer, Torsten: Natur, Technik und Wirtschaftswachstum, S. 42. Schmidt am Busch, Kameralistik, S. 236 und S. 241. Auch Wolff hatte schon zwischen innerer und äußerer Sicherheit unterschieden. Die innere Sicherheit erhob er zu einer wesent­lichen Komponente des Staates. Er schrieb, dass das vollkommenste Gemeinwesen, wo die gemeine Wohlfahrt am besten befördert und die gemeine Sicherheit erhalten ist, [dasjenige ist], wo die meisten Menschen glückselig nebeneinander leben. Wolff, Vernünfftige Gedanken von dem Gesellschaft­lichen Leben der Menschen, § 215. Zum Aufkommen der Differenzierung von innerer und äußerer Sicherheit vgl. Koselleck, Reinhart: Art. „Innere Sicherheit“. In: Ders. (Hg.): Geschicht­liche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 5. Stuttgart 2004. 831 – 863. Hier S. 847. 137 Meyer, Natur, Technik und Wirtschaftswachstum im 18. Jahrhundert, S. 44ff. Morgenthaler, Von der Ökonomie der Natur zur Ökologie, S. 139f. 138 Justi, Johann Heinrich Gottlob: Vollständige Abhandlung von denen Manufacturen und Fabricen. Bd. 1. Koppenhagen 1758. S. 41.

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zu transformieren.139 Rüdiger bedient sich dieses Begriffs der Transformation, ohne seine Bedeutung bei Justi zu klären. Ging Justi wirk­lich von einer Transformation im Sinne einer Umformung und Umstrukturierung der Gesellschaft aus? War sie zwingend nötig und wenn ja, wie sollte sie genau aussehen? Die Metapher, die noch besser als die der Maschine die neue ökonomische und soziale Triebfeder für Staat und Gesellschaft abbildete, war nach Rüdiger die Manufaktur als lebendige Maschine.140 Diese Metapher erscheint in der Tat angebracht, offenbarte sie doch als Spezifikum effektiven Zusammenwirkens über die bereits genannten Punkte hinaus zusätz­liche Komponenten wie die Rolle der Arbeit, der Arbeitsteiligkeit und gemeinschaft­lichen Verantwort­lichkeit für das Ziel, die Glückseligkeit. Das Fehlen der Einsicht in die gemeinsame Verantwortung aller Menschen eines Staates und die arbeitsteilige Erlangung des Ziels hatte schon der Altkameralist Johann Joachim Becher in seinen Politische[n] Discurs als Defizit entlarvt und kritisiert: […] also wann eine Civil Gemeind ihrer Nahrung versichert sein soll, so muß man gewiß­lich auf jede Arth von Menschen/ so darin sind/ wol Achtung geben. […] und kommt mir nichts wunderbarer vor, als daß man in diesen Puncten vieler Orten so gar kein acht gibt.141 Eine Lösung sah Becher in der Funktion und Rolle des Monarchen. Er riet dazu, dass die Obrigkeit/ welche eine Dienerin der Gemein ist/ […] künftig darauf sehen möge, dass die Stände nah beysammen stehen und eine rechte Gemein machen.142 Becher zielte darauf, über die Fürsten die einzelnen Stände hinsicht­lich der Nahrungsgewinnung einander anzunähern und ihr Wirken aufeinander abzustimmen. Dem Monarchen kam damit eine wichtige gesellschaft­liche Koordinationsaufgabe zu. Die Aufgabe des Herrschers sah Justi ebenfalls darin, das bestehende Verhältnis der Stände nicht nur untereinander, sondern auch hinsicht­lich ihres Verhältnisses und ihrer Mög­lichkeiten zur Gewinnung von Nahrungsmitteln und zur Güterproduktion auf­ einander abzustimmen bzw. zu harmonisieren. Es ging um die Realisierung der Idee des gemeinschaft­lichen Beystands aller, also eines Gesellschaftsverständnisses, in dem über alle bisherigen stratifikatorischen Trennungen und Teilsysteme der Stände hinaus eine

139 Rüdiger spricht von Justis sozialem Transformationsmodell. Rüdiger, Axel: Der Staat als Maschine. Zur politischen Systemtheorie von Johann Heinrich Gottlob Justi (1717 – 1771). In: Bayerl, Günther/ Beckmann, Jürgen (Hg.): Johann Beckmann (1739 – 1811). Beiträge zu Leben, Werk und Wirkung des Begründers der Allgemeinen Technologie. Münster/New York 1999. S. 137 – 168. Hier S. 140 und S. 144. 140 Ibd. Vgl. auch Nokkala, Ere Pertti: The Machine of State in Germany the Case of Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717 – 1771). In: Contributions to the History of Concepts 5 (1991), S. 71 – 93. Hier S. 73ff. 141 Becher, Politische Discurs, S. 3. Zur Verbindung von Justis Ansätzen mit dem Altkameralisten Becher vgl. Klueting, Harm: Cameralistics and Political Science: Justi, Bielfeld and „Staatskunst“ as a Science of Foreign Policy in Eighteenth-Century Germany. In: Transactions of the 7th International Congress of Enlightenment. Bd. 2 (Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, Bd. 264). Oxford 1989. S. 953 – 956. 142 Becher, Politische Discurs, S. 4.

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funktionale Einheit hinsicht­lich der Erlangung des gemeinschaft­lichen Ziels erreicht wurde: Die Einheit lag für Justi in der Güterproduktion und damit in der Arbeit als Quelle der individuellen und gemeinschaft­lichen Bedürfnisbefriedigung. Mög­lich war sie durch Kooperation, zu der er alle Mitglieder der Gesellschaft zu verpf­lichten suchte:143 Kein Staat kann ohne Arbeit bestehen; und er wird allemal nur nach der [sic!] Maße thätig und stark seyn, als die Arbeitsamkeit darinnen groß ist.144 Justi erkannte in der produktiven Arbeit eine wesent­liche ökonomische sowie eine gesellschaft­lich integrative Kategorie. Nur mit der Integration aller Menschen und aller Stände in den Wirtschafts- und Arbeitsprozess konnte der gesamtgesellschaft­liche Güterreichtum und damit die Glückseligkeit des Einzelnen und der Gemeinschaft erreicht werden.145 Damit führte Justi den Gedanken Bechers konsequent zu Ende, der ihn zwar in seiner Einleitung zu seinem Politische[n] Discurs zaghaft für die gesamte Gesellschaft aufgeworfen, dann aber in seinem Werk doch nur das Verhältnis und die gegenseitigen Abhängigkeiten des so genannten Nahrungsstandes, also der Bauern, Handwerker und Kaufleute entwickelt hatte.146 Es war jedoch nicht nur der Altkameralist Becher, der Justi hinsicht­lich des Gedankens eines gemeinschaft­lichen Beystands in der Gesellschaft inspiriert hatte. Die Lektüre von David Humes 1752 erschienenen Essays und seiner Treatise of Human Nature aus dem Jahr 1740147 eröffneten Justi auch die Vorstellungen des schottischen Philosophen und Ökonomen zum notwendigen „Gemeinsinn“ einer Gesellschaft. Sehr wahrschein­lich hatte Justi die Schriften Humes nicht im englischen Original, sondern in den zeitnah erschienenen deutschen oder französischen Übersetzungen gelesen.148 Daneben waren

143 Eine erste Auseinandersetzung mit dem Gesellschaftsverständnis Justis findet sich bei Wilhelm, Uwe: Das Staats- und Gesellschaftsverständnis von J. H. G. von Justi. Ein Beitrag zur Entstehung des Frühliberalismus in Deutschland. In: Der Staat 30 (1991). S. 415 – 441. Schmidt am Busch, Kameralistik, S. 237. Stollberg-Rilinger geht davon aus, dass durch die Vorstellung der Staatsmaschine die Ständegesellschaft unter die Verfügungsgewalt des Monarchen fiel. Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, S. 117ff. 144 Justi, Die Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 265. 145 Meyer, Natur, Technik und Wirtschaftswachstum, S. 45f. Frambach, Hans: Cameralism and Labour in von Justi’s Economic Thinking. In: Backhaus, Jürgen Georg (Hg.): The Beginnings of Political Economy. Johann Heinrich Gottlob von Justi (The European Heritage in Economics and the Social Sciences, Bd. 7). Heidelberg 2009. S. 133 – 145. 146 Zu Becher vgl. Brunner, Adeliges Landleben, S. 309ff. 147 Adam geht davon aus, dass Justi sehr stark von Humes „Essays“ 1752 hinsicht­lich der Geldtheorie beeinflusst wurde. Adam, The Political Economy of J. H. G. Justi, S. 54. 148 Johann Georg Sulzer fungierte als Herausgeber der ersten (anonymen) Übersetzung unter dem Titel: Hume, David: Philosophische Versuche über die Mensch­liche Erkenntniß. Hg. v. Johann Georg Sulzer. Hamburg 1755. In Frankreich erschienen folgende Übersetzungen: Hume, David: Essais philosophiques sur l’entendement humain. Par Mr. Hume: Avec les quatre philosophes du même auteur, Traduit de l’Anglois. Bd. 1. Amsterdam 1758. Hume, David, Oeuvres de Hume: traduits de l’anglois. Essais Philosophiques Sur L’Entendement Humain. Bd. 2. Amsterdam ²1761. Justi führt

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in verschiedenen deutschen Zeitschriften Rezensionen der Werke Humes erschienen.149 Hume ging von einem common sense of interest aus, which sense all the members of the society to one another, and which induces them to regulate their conduct by certain rules.150 Unter dem common interest verstand er das gegenseitige Engagement aller beteiligten Menschen einer Gesellschaft, das auf gegenseitiger Abhängigkeit beruhe und somit zu einem nütz­lichen partnerschaft­lichen Miteinander führen müsse. Als auslösendes Moment erkannte Hume die Selbstliebe des Menschen und nannte als Ziel eines solchen kooperativen Handelns vor allem den Schutz des Besitzes.151 Für Justi musste der Gedanke der Kooperation und des Gemeinsinns in einer Gesellschaft auf seine Ziele der gemeinsamen Bedürfnisbefriedigung und Güterproduktion bestens übertragbar erscheinen. Auch wenn er sich in seinen Werken nicht exakt Humes Begriff der Kooperation bediente, so steckte die Hume’sche Vorstellung dennoch in seiner Bezeichnung des gemeinschaft­ lichen Beystands.152 Auch der von Hume genannte handlungsmotivierende Trieb der Selbstliebe deckte sich mit seinen eigenen Erkenntnissen.153 Wichtig war für Justi, dass Hume den Gemeinsinn als einen historischen erprobten Wert deklariert hatte, der eine wesent­liche gesellschaft­liche Orientierungshilfe in Krisensituationen bieten konnte.154

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zwar Hume nicht direkt als Gewährsmann auf, bezieht sich aber in seinen Vergleichungen sehr häufig auf die englische Monarchie und die Rolle des Parlaments – inhalt­lich teilweise in Anlehnung oder konträr zu Hume. Justi, Vergleichungen, S. 7f. Klemme, Heiner: David Hume in Deutschland. Literatur zur Hume-Rezeption in Marburger Bibliotheken. In: Brandt, Reinhard/Ders. (Hg.): David Hume in Deutschland (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg, Bd. 41). Marburg 1989. S. 23 – 90. Hier S. 41ff. Hume, David: A Treatise of Human Nature. Hg. v. David Fate Norton (Oxford philosophical texts). Oxford 2000. S. 315. Hume, David: Political Essays. Hg. v. Knud Haakonssen (Cambridge texts in the history of political thought). Cambridge u. a. 1994. S. 196. Adam Smith war davon ausgegangen, dass sich aus dem auf das Selbst bezogene Gefühl innerhalb einer Gemeinschaft zwangsläufig das auf andere bezogene Gefühl ergebe. Daraus entstehe die sympathy, das Mitgefühl und aus ihm die Sozialmoral einer Gesellschaft. Wie Hume betonte Smith damit auch den Vorrang des Gefühls vor dem Verstand in der Moral. Smith, Adam: The Theory of Moral Sentiments, or an essay towards an analysis of the principles, by which men naturally judge concerning the conduct and chararacter, first of their neighbours and afterwards of themselves. London 1759. Im Jahr 1770 erschien in Braunschweig eine deutsche Übersetzung nach der 3. Auflage unter dem Titel Theorie der moralischen Empfindungen. Vgl. dazu Krauthausen, Udo: Die Moralphilosophie des David Hume und ihre Aktualität in der Rechtsphilosophie, München 2009. Justi, Die Natur und das Wesen der Staaten, § 6. Ders., Der Grundriß einer Guten Regierung, § 68. Schon Leibniz hatte in seinen Elementa iuris naturalis festgestellt, dass es keinen Menschen gäbe, der etwas aus einem anderen Grunde tun würde als um seines Wohles willen. (Nemo est qvi qvicvam consulto faciat nisi sui boni causa). Dennoch würde die Untrennbarkeit des Handelns von der Selbstliebe nicht auf einen verantwortungslosen Egoismus hinauslaufen. Busche, Leibniz’ Weg ins perspektivische Universum, S. 299. Hume hatte für Großbritannien als Krisenfaktoren die Aufspaltung der Gesellschaft in Whigs und Torries sowie die so genannten „importierten“ Könige im Blick. Stammen, Theo/Schuster, Susanne:

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Zudem teilte er insbesondere Humes Auffassung von der Freiheit des Einzelnen, ökonomisch bzw. entsprechend seiner Fähigkeiten beruf­lich tätig zu werden.155 Humes aus der gesellschaft­lichen Kooperation und sozialen Harmonie resultierendes Ziel einer Balance of Power floss jedoch nicht mit in Justis Konzept ein.156 Die Lektüre Humes half Justi, die traditionelle Vorstellung vom Aufbau und den etablierten Funktionen der Gesellschaft, etwa den von der Güterproduktion bzw. Arbeit entlasteten Ständen, aufzubrechen und durch Humes grundlegende Idee eines gesellschaft­lichen Konsens auch für die deutschen Territorien oder andere Staaten auf dem Kontinent neu zu denken bzw. auf historische Gegebenheiten zurückzuführen. Durch Justi gelangten somit wichtige Gedanken des Common-Sense-Diskurses aus England 157 und aus der schottischen Moralphilosophie nach Deutschland, die insbesondere das deutsche Gesellschaftsverständnis um ökonomische Elemente und die materielle Sphäre erweiterten sowie den Blick auf die Gesellschaft als ein Beziehungsgeflecht von Nahrungserwerb, Güterproduktion und Handel ermög­lichten. Durch den Einfluss ökonomischer Komponenten konstituierte sich auch im Alten Reich ein bürger­liches Gesellschaftsverständnis.158 Für die Integration aller Menschen einer Gesellschaft in den Wirtschaftsprozess war es aus Sicht Justis beispielsweise notwendig, die von Hume geforderte Freiheit auf den Bauerstand in den deutschen Territorien anzuwenden. Es ging ihm darum, die bedrückten Bauern wieder ihrer eigent­lichen Bestimmung, der Landwirtschaft, zuzuführen und ihnen die dafür notwendige Freiheit von zusätz­lichen Belastungen zur Verrichtung der

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Wie lässt sich Gemeinsinn institutionalisieren? Politisch theoretische Positionen des Common Sense Diskurses von John Locke bis Edmund Burke. In: Raphael, Lutz/Tenorth, Heinz-Elmar (Hg.): Ideen als gesellschaft­liche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit (Ordnungssysteme, Bd. 20). München 2006. S. 125 – 152. Hier S. 150. Freiheit stellte für Hume die grundlegende Bedingung für selbstbestimmtes mensch­liches Handeln dar. Freiheit war für ihn an den individuellen mensch­lichen Willen und an die Mög­lichkeit geknüpft, Handlungen zu unternehmen oder zu lassen. Hume, Political Essays, S. 63. Vgl. zum Freiheitsbegriff im Kontext zu Humes Auffassung des Glaubens Nastke, Andreas: Freiheit bei David Hume. Eine Betrachtung im Kontext natür­licher Glaubensinhalte. (Diss.) Freiburg 2006. S. 11ff und S. 37ff. Gräfrath, Bernd: Moral Sense und Praktische Vernunft. Stuttgart 1991. S. 67f. Stammen/Schuster, Wie lässt sich Gemeinsinn institutionalisieren? S. 136ff. Grundsätz­lich Klemme, Heiner F./Kühn, Manfred: Die schottische Common Sense Philosophie (§ 35: Thomas Reid, § 36: James Beattie und James Oswald, § 37: Dugald Stewart, Thomas Brown und William Hamilton, § 38: Die Nachwirkung der schottischen Philosophie des Common Sense). In: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. Band 1: Grossbritannien und Nordamerika, Niederlande. Hg. v. Helmut Holzhey. Basel/Stuttgart 2004. S. 641 – 688, S. 703 – 709. Koselleck, Reinhart: Art. „Gesellschaft, bürger­liche.“ In: Ders. (Hg.): Geschicht­liche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 2. Stuttgart 2004. S. 719 – 800. Hier S. 748ff. Vgl. auch Stolleis, Michael: Untertan – Bürger – Staatsbürger. Bemerkungen zur juristischen Terminologie im späten 18. Jahrhundert. In: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Bürger und Bürger­lichkeit im Zeitalter der Aufklärung (Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 7). Wiesbaden 1981. S. 65 – 99.

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Landarbeit zu verschaffen.159 Nach Justi bildeten gerade die Bauern in allen europäischen Ländern den geringsten und schlechtesten Stand aller Einwohner. Schonungslos zählte er in seinen Vergleichungen ihre unaufhör­lichen Demütigungen und ständigen Belastungen auf, wobei er sich dabei vordergründig an den Verhältnissen in den deutschen Territorien orientierte: Entweder seien sie Leibeigene, die ein Edelmann wie sein Viehinventarium verkaufet, die Frondienste zu leisten und deren Kinder ihm zu dienen hätten, und deren ganze Familie er wie entlaufene Sklaven wieder zurückfordert, wenn sie sich einfallen lassen, ohne seine Erlaubniß wo anders hinzuziehen. Zugleich aber läge auf diesem geächteten Stand die gesamte Last des Staates: die höchsten Abgaben und die zwangsweisen Zusatzleistungen durch Fron und Spanndienste. So blieb den Bauern kaum Zeit, Lust [und] Muth, an die Verbesserung […] des Ackerbaus Hand anzulegen. Ihr eigent­liches Metier, der Ackerbau, musste vernachlässigt bzw. konnte durch den Stand nicht vorangebracht werden, was zu Hunger und Armut führte.160 In der Abschaffung der Leibeigenschaft und der Frondienste sowie der Vereinheit­ lichung und Drosselung der hohen Abgaben sah Justi eine der wesent­lichsten Aufgaben des Herrschers. Das Tätigkeitsspektrum des Herrschers umfasste in diesem Fall die Gesetzgebung, um den Nahrungsstand blühend zu machen.161 Künftig könne dann die Polizeywissenschaft das Zusammenwirken aller im Zusammenhang mit der Güterproduktion stehenden Prozesse überwachen und sichern.162 Wenn den Bauern ermög­licht wurde, sich end­lich ausschließ­lich um ihr Metier zu kümmern, so mussten sie nach Justi aber auch darin zu Verbesserungen angehalten werden. Mit dieser Forderung gehört Justi zu den frühen Autoren, die eine praxis- und adressatenorientierte Volksaufklärung und gemeinnützige Verbreitung von wissenschaft­lichen Erkenntnissen bis in die untersten Bevölkerungsschichten forderten, wie sie durch Johann Georg Schlossers Werk Sittenlehre für das Landvolk aus dem Jahr 1771 oder Rudolph Zacharias Beckers Noth- und Hülfsbüchlein für Bauerleuthe von 1788 erst etwa ein Jahrzehnt später umgesetzt wurde.163

159 Resigniert hatte Justi in der Grundfeste zu der Macht geschrieben, dass er die Leibeigenschaft, die Frondienste, die Kriegs- und Hoffuhren, die Aufteilung des Bodens als unüberwind­liche Hindernisse einschätzte, die uns die allereitelste und thörichste Erwartung an einem vollkommenen Flohr der Landwirtschaft gar nicht denken lassen. Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 157. 160 Justi, Vergleichungen, S. 305. Vgl. parallel dazu auch die scharfe Kritik an der Fron in der zweiten Auflage seiner Grundsätze der Polizeywissenschaft, S. 114ff. 161 Justi, Natur und Wesen der Staaten, S. 582. 162 Justi, Grundsätze zur Polizeywissenschaft, 2. Aufl., 1759, S. 91ff. 163 Schlosser, Johann Georg: Katechismus der Sittenlehre für das Landvolk. Frankfurt/M. 1771. Eine neu edierte Ausgabe findet sich unter dem gleichen Titel, hg. v. Reinhart Siegert (Volksaufklärung. Ausgewählte Schriften. Bd. 5). Stuttgart-Bad Cannstatt 1998. Schlosser forderte geduldige Mentoren, welche den Landleuten in den Neuerungen des Ackerbaus, aber auch moralisch Orientierung böten. Er sah dies als Aufgaben der Gutsbesitzer und Verwalter. Vgl. dazu Siegert, Reinhart: Johann Georg Schlossers „Katechismus für das Landvolk“ (1771) – ein Symbolbuch der deutschen Aufklärung. In: Johann Georg Schlosser (1739 – 1799). Ausstellungskatalog. Karlsruhe 1989. S. 52 – 72. Hier

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Doch es galt nicht nur, den Bauernstand in seine angestammte Arbeit zu reinte­grieren. Justi dachte über die Einbindung aller Stände in den Arbeits- und Wirtschaftsprozess durch eine nütz­liche und vor allem ihnen gemäße Arbeit oder Betätigung nach. Initiiert oder zumindest unterstützt hatte diesen Gedanken seine 1756 angefertigte Übersetzung von Abbé Gabriel Coyers Traktat La noblesse commerçante.164 Coyer hatte die Ursachen der stetigen Verarmung des französischen Adels untersucht und in diesem Zusammenhang die Ursprünge des Adels als Militärs und Landedelleute in Frankreich skizziert. Sie hatten sich aus seiner Sicht ihrer traditionellen landwirtschaft­lichen Betätigung entfremdet und ihre Güter vernachlässigt. Coyer musste dabei das traurige Fazit ziehen, dass der Adel die Besitzungen seiner Vorväter ausschließ­lich in die Hände von Pächtern gelegt habe und diese die ihnen anvertrauten Güter und Bauern vernachlässigt hätten. Gegenwärtig seien somit die Meyerhöfe ohne Vieh, es gäbe nur übel gebauete Äcker, oder welche [, die] unbebauet liegen bleiben.165 Der Adel sei nichts als ein siecher Cörper ohne Bewegung und Thätigkeit. Gabriel Coyer sah die Lösung in der Berufstätigkeit aller Stände und wandte sich damit dezidiert gegen Montesquieus 1748 geäußerte Auffassung, der Adel dürfe keinen Handel treiben.166 Coyer und Justi als sein Übersetzer rieten vielmehr: Es würde ein gutes Werk seyn, alle Stände der Monarchie, auf was Art es nur wäre, zu beschäftigen; allein sie nütz­lich beschäftigen, würde das Hauptstück der Staatskunst seyn.167 Letzteres war für Justi eine wichtige Bestätigung, denn schon 1755 in seiner Staatswirtschaft hatte er gefordert: Niemand darf ein unnützes Mitglied des gemeinen Wesens

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S. 60. Becker, Rudolph Zacharis: Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute. Gotha 1788 (Reprint Dortmund 1980). Coyer, Gabriel: La noblesse commerçante. Londres/Paris 1756. Coyer, Gabriel: Der Handelnde Adel, Dem der Kriegerische Adel entgegen gesetzet wird. Zwey Abhandlungen über die Frage: Ob es der Wohlfahrt des Staates gemäß sey, daß der Adel Kaufmannschaft treibe. Aus dem Französischen übersetzt und mit einer Abhandlung über eben diesen Gegenstand versehen von Johann Heinrich Gottlob Justi. Göttingen 1756. Vgl. dazu Adam, Ulrich: Nobility and Modern Monarchy – J. H. G. Justi and the French Debate on Commercial Nobility at the Beginning of the Seven Years War. In: History of European Ideas 29/2 (2003). S. 141 – 157. Ders., The Political Economy, S. 96ff. Grundsätz­lich zur französischen Debatte Grassby, R. B.: Social Status and Commercial Enterprise under Louis XIV. In: The Economic History Review 13 (1960). S. 19 – 38. Coyer, Der Handelnde Adel, S. 20. Weiterhin übt Coyer Kritik, dass die Franzosen ihre Gärten mit Sand bedecken und Blumen statt Früchte wachsen lassen, oder Parforcegärten zum Vergnügen errichten, statt ordent­liche Waldwirtschaft zu betreiben. Ibd. S. 27. Ist es nicht einmal Zeit, daß ihr über eure Unnütz­lichkeit und euer Elend verdrüß­lich werdet? Muß euch denn eine Gothische Meinung auf ewig dabey gefeßelt halten? Ihr befürchtet Verachtung und bleibet in der Dürftigkeit. Ibd. S. 122. Im Jahr 1755 erschien eine anonyme deutsche Abhandlung, die ebenfalls gegen Montesquieu argumentierte: Anonymus: Patriotische Vorschläge zu vernunftsmäßigen und hinreichenden Mitteln wodurch dem in Verfall geratenen Deutschen Adel und zugleich allen denjenigen welche sich in den Künsten und Wissenschaften widmen abgeholfen werden kann. Berlin 1755. Hier S. 15. Coyer, Der Handelnde Adel, S. 25 und S. 27.

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seyn.168 Und hinsicht­lich des Adels hatte Justi ein paar Seiten weiter konkreter ergänzt: Es ist eine sehr schäd­liche Meynung vor Deutschland, daß sich der Adel darinnen einbildet, sein Stand werde nach Commercien, Manufacturen, und anderen dem Staate nütz­ liche Unternehmungen verunehret. Dadurch geschiehet es, daß diejenigen, welche öfters das meiste Vermögen haben, der Republik nütz­lich zu werden, ihre Zeit größtentheils mit Jagen, Spielen, und anderen eitlen Dingen zubringen, und zu dem Besten des Staats wenig oder gar nichts beytragen.169 Diese Haltung des Adels musste geändert und auch dieser Stand wieder seiner eigenen Tradition und alten Wurzeln gemäß in den aktiven, insbesondere landwirtschaft­lichen Produktionsprozess reintegriert werden. Landwirtschaft musste für den Adel an neuer Attraktivität gewinnen, um so seine Funktion in der Staatsmaschine bzw. der Staatsmanufaktur zum Nütz­lichen zu wenden.170 Barbara Stollberg-Rilinger verweist darauf, dass sich der Adel nun dem Staatszweck, die Bedingungen zur Erlangung der Glückseligkeit zu schaffen, unterzuordnen hatte und dabei auf die überlieferte Rolle des Adels keine Rücksicht mehr genommen werden konnte.171 Hinsicht­lich der Landwirtschaft muss dem widersprochen werden, denn gerade die Einbindung des Adels in Justis Vorstellungen von der Realisierung des Staatszwecks entsprach einer der Säulen der adligen Tradition, neben dem Wehrstand auch durch den Landbesitz Agrargüter zu produzieren. Der Adel erhielt nach Justi somit keine neue Funktion, sondern wurde aufgefordert, seine alte aktiver und bewusster wieder aufzunehmen und sich damit in den Dienst der Staatsmaschine zu stellen. Doch wie konnte die Landwirtschaft grundsätz­lich in ihrer gesamten gesellschaft­ lichen Bedeutung und Wahrnehmung gestärkt und die Gesellschaft gemeinsam in den Wirtschaftsprozess integriert werden? Justi wies seine Leser zunächst in den Vergleichungen darauf hin, dass es denen Sinesern zu sehr vorzüg­licher Ehre gereichet, daß sie fast das einzige Volk der Welt sind, wo sich die Regierung alle Mühe gegeben hat, die Unter­thanen von ihren Pf­lichten genugsam zu unterrichten. Dies geschah durch die kanonischen Bücher der Chinesen, die sowohl die Pf­lichten zwischen Herrscher und Untertan als auch die Pf­lichten der Mitbürger gegeneinander regelten. Justi bezeichnete diese Werke als King und bezog sich damit auf die Wujing, die fünf klassischen und die vier kanonischen Bücher (Sishu) der konfuzianischen Lehre.172 In den klassischen

168 Gabriel Coyer hatte das Auseinanderklaffen der Stände hinsicht­lich des Arbeitsprozesses beschrieben. Justi übersetzt der eine [der Adel] verbindet sich mit einem angenehmen Müßiggange, der andere [der Nahrungsstand] erfordert einen anhaltenden Fleiß, der eine will nur wohl leben, der andere sammeln. Coyer, Der handelnde Adel, S. 11. 169 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 403 und S. 405. 170 Justi postulierte, dass es einem Monarchen nicht erlaubt sei, die Stände umzukehren, denn so werde er zum Despoten. Er erinnerte aber daran, dass durch Pf­lichten und Gerechtsame die Stände des Volks gegeneinander angeordnet seien. Justi, Natur und Wesen der Staaten, § 233, S. 529. 171 Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, S. 120. 172 Justi, Vergleichungen, S. 194.

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Werken offenbarte sich nach Justi das Bild einer Gesellschaft, die aufeinander bezogen lebte und wirkte, in der traditionell jeder seinen Platz einnahm und durch Pf­lichten ausfüllte. Somit gebühre auch jedem Menschen und seiner Arbeit in China Achtung. Zur Bekräftigung dieser Angabe zitierte Justi eifrig aus zwei anderen traditionsreichen Werken, dem Taizong Difan [Modelle für Kaiser, von Tang Taizong] und dem Jinjing, dem Goldenen Spiegel. Sie sind Bestandteile einer späteren größeren Fürstenspiegelsammlung, dem Liuyan jiyao, der sechs Maxime des ersten Ming-­Kaiser, und lagen in Du Haldes Kompendium in teilweiser Übersetzung vor. In diesen Belehrungen für die Kaiser fanden sich Belege, warum einem jeden Untertanen in China so großer Respekt zuteil werden müsse. Der Untertan sei das Wasser, der Kaiser hingegen nur das Schiff, das vom Wasser getragen werde. Diese Bedeutung des Untertanen und seiner Arbeit zeigte sich auch in der Erkenntnis des weisen Kaiser Taizong, der sie belehrend an seine Kinder weitergab: Wenn er [Kaiser Taizong] zum Exempel Reis antraf, so sagte er ihnen [seinen Kindern], wie viel Arbeit und Schweiß derselbe dem armen Landmanne gekostet, ehe er zur Reife gekommen.173 Justi arbeitete also die Aussage heraus, dass dem Nahrungsstand und seiner harten Arbeit die chinesische Gesellschaft ihre Subsistenz verdankte. Somit schuldete sie ihm auch Achtung. Mit großer Begeisterung griff Justi deshalb Du Haldes Schilderung des Auszeichnungswesens für Bauern, das unter dem Yongzheng-­Kaiser eingeführt worden war, auf, und bot sie seinen Lesern wört­lich wiederholt in allen Einzelheiten. Die Verleihung der Mandarinswürde 174 werde denjenigen Landleuten zuerkannt, die mit besonderem Fleiß ihre Landarbeit verrichtet hätten, darüber hinaus aber durch sitt­liches Verhalten die Einigkeit in ihrer Familie und gegenüber den Nachbarn ebenso aufgefallen wären wie durch gutes Haushalten und die Vermeidung von unnützen Ausgaben. Unter den von Du Halde geschilderten belohnenswerten Fähigkeiten und Tugenden der chinesischen Bauern entsprachen gerade die Sparsamkeit und eigene Mäßigung Justis persön­lich wichtigen und zudem im Einklang mit der Intention seines Buches stehenden Bedingungen für den vernünftigen homo oeconomicus. So stellte er mit dieser Passage neben den chinesischen Kaiser als Muster der Sparsamkeit und Mäßigung nun spiegelbild­lich auch noch den chinesischen Bauern mit adäquatem Verhaltensmuster. Herrscher und Untertan bildeten für Justi eine Einheit in ihren Bestrebungen. Er bewies damit, dass

173 Ibd. S. 159. 174 Justi gibt fälsch­licherweise den ersten Rang an. Justi, Vergleichungen, S. 304. Montesquieu lehnt sich ebenso wört­lich an Du Halde an und lobt die Ernennung der fleißigsten Bauern jeder Provinz in den 8. Mandarinsrang: Les relations de la Chine nous parlent de la cérémonie d’ouvrir les terres, que l’empereur fait tous les ans. On a voulu exciter les peuples au labourage par cet acte public et solennel. De plus, l’empereur est informé chaque année du laboureur qui s’est le plus distingué dans sa profession; il le fait mandarin du huitième ordre. Chez les anciens Perses, le huitième jour du mois nommé chorrem-ru, les rois quittoient leur faste pour manger avec les laboureurs. Ces institutions sont admirables pour encourager l’agriculture. Montesquieu, Esprit, XIV, Kap. 8, S. 198.

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das Vorbild des Kaisers bei den Untertanen Wirkung gezeigt hatte, da sie diesem Muster nicht nur theoretisch nachstreben sollten, sondern erfolgreich nachgestrebt hatten. Huldvoll gewährte der Herrscher diesem Streben seines Volkes, sich zu bessern und sitt­lich an ihn anzugleichen, seine Aufmerksamkeit und jedem einzelnen besonders tugendsamen Bauern auch den verdienten Lohn. Der Monarch schien jeden Einzelnen gleichermaßen im Blick zu haben. Motivationssteigernd sollte die Belohnung auf andere Bauern wirken, indem sie ein neues Vorbild vor Ort schuf, Neid unter den anderen Dorfbewohnern aber nicht grundsätz­lich ausschloss. Für den bäuer­lichen Träger der neuen Würde bedeute sie Ehre im Leben und Ehre über den Tod hinaus, wurde sie doch im Ahnentempel unter seinem Namen für alle Zeiten fixiert. Und Freude, welch eine Freude ist das für so einen alten Greis und seine Familie, rief Justi in wört­licher Übereinstimmung mit Du Halde begeistert aus. Er übernahm damit auch Du Haldes Missverständnis hinsicht­lich der Altersbezogenheit der Auszeichnungen für die Bauern. Gelungen war dem chinesischen Kaiser mit diesem Ehrsystem, einer Profession, die dem Staat so ersprieß­lich ist, und die zu aller Zeit im Reiche hochgeachtet worden, einen neuen Vorzug zu geben.175 Auch in der Deutung des Auszeichnungswesens folgte Justi Du Halde wört­lich.176 In seinen Grundsätzen der Polizeywissenschaft hatte er 1759 ohne Hinweis auf das chinesische Auszeichnungswesen für die geringen Landleute angeregt, dass sie durch ausgesetzte kleine Prämien und andere, dem Staate wenig zur Last fallende Vortheile zur Verbesserung der Landwirtschaft gar sehr aufgemuntert werden können.177 Doch eigent­lich hatte Justi seinen Blick auf die gesamte Untertanenschaft und nicht nur die Bauern gerichtet. Somit implizierte dies theoretisch auch den Adel, dessen Lust und Neigung zur Landwirtschaft zu steigern seien.178 Eine Lösung hatte Justi in seiner

175 Vgl. die Passage aus Du Haldes Description: Unter den schönen Ordnungen, die der Kayser gemacht, seit dem er zur Regierung gekommen, ist insonderheit diese merkwürdig, daß er ein genaues Auge auf die Landleute haben lässet. Und damit er sie desto mehr zur Arbeit anfrischen möchte, so hat er den Gouverneurs aller Städte befohlen, ihm alle jahre diejenigen vom Bauernstande bekannt zu machen, die sich durch ihren Fleiß im Ackerbau und in der Wirthschaft, durch ihren ident­lichen Wandel, durch Unterhaltung der Einigkeit und des Friedens in seiner Familie und mit seinen Nachbarn hervorgetahn; die end­lich gut hausgehalten und alle unnütze Ausgaben vermieden. Wenn ein solcher guter Bericht von einem Gouverneur einläuft, so will der Kayser einen solchen zum Mandarin vom ersten Rang machen, und ihm das Patent eines Ehrenmandarin ausstellen lassen. Dieser Unterschied ertheilt ihm das Recht, Mandarinskleidung zu tragen, den Gouverneur der Stadt zu besuchen, sich vor ihm niederzusetzen und eine Schale Thee mit ihm zu trinken. Er wird in seinem ganzen Leben geehret, und sein Ehrentitul im Saal der Vorfahren angeschrieben. Welch eine Freude ist das für einen solchen alten Greis und seine Familie! Ausser der Eifersucht, die eine solche Belohnung unter den Landleuten erwecket, leget der Kayser auch einer Profession, die dem Staat so erprieß­lich ist, und die zu aller Zeit im Reich hochgeachtet worden, einen neuen Vorzug bey. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 86f. 176 Justi, Vergleichungen, S. 304. 177 Justi, Grundsätze der Polizeywissenschaft, 3. Aufl., 1782, S. 118. 178 Justi, Vergleichungen, S. 293.

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1759 stark erweiterten zweiten Auflage der Grundsätze der Polizeywissenschaft in inhalt­ lich enger Anlehnung an Du Haldes Schilderung des Auszeichnungswesens für Bauern, allerdings ohne direkte Bezugnahme zu China, für den Adel formuliert: Den Regierungen der deutschen Territorien und der europäischen Staaten riet er als ein Mittel zur Motivationssteigerung im Ackerbau, ade­liche und andere ansehn­liche Landwirthe für ihren Fleiß, Versuche oder Erfindungen durch Titel, Vorzüge und Prämien auszuzeichnen.179 Den Adel als landwirtschaftsbetreibenden Stand sprach er hingegen in seinen Vergleichungen nicht so explizit an, fehlte doch in China der geburtsständische Adel, der als Vorbild für das ackerbau­liche Wirken hätte angeführt werden können.180 Deshalb konzentrierte er sich stattdessen in seinen Vergleichungen stärker auf die Bauern. Im Status der Bauern innerhalb der Gesellschaft und des Staates erkannte Justi wesent­ liche Gründe für die hohe Leistungsfähigkeit der chinesischen Landwirtschaft. Er schrieb in seinen Vergleichungen: Wenn man alle diese Merkzeichen der Hochachtung erwäget, was die Sinesischen Kaiser durch diese Feyer­lichkeiten [gemeint ist das Pflugritual] und Gesetze vor den Ackerbau zu erkennen geben; wenn man hinzusetzet, daß die Landleute in Sina einen ansehn­lichen Rang unter den Ständen und Classen des Volkes haben […], und wenn man end­lich bemerket, daß die Landleute in Sina weder unter allzu großen Abgaben, noch anderen Arten der Bedrückung seufzen, so darf man sich nicht wundern, daß dieses alles seine Wirkung thut, und der Ackerbau daselbst mehr in Flohr ist, als in allen anderen Staaten des Erdkreises. […] Lasset uns doch nunmehr sehen, wie es mit der Hochachtung und Aufmunterung des Ackerbaus in Europa beschaffen ist.181 Er kam nach seinen Betrachtungen zu China zum Ergebnis, dass, so lange das Nahrungsgeschäfte [in Europa] unter der Unterdrückung seufzt, die Bauern in Abhängigkeit verharren und Bedrückungen ausgesetzt seien, die Landwirtschaft keinen Aufschwung nehmen könne. Das Übel müsse an der Quelle ausgerottet werden. Justi unterbreitete deshalb konkrete Vorschläge, wie die Bauern künftig zu entlasten seien.182 Orientierung für die Fürsten Europas boten aus seiner Sicht zwei Mög­lichkeiten: dem Beyspiele des

179 Justi, Grundsätze der Polizeywissenschaft, 3. Aufl., 1782, S. 117f. In seiner 1760 erschienen Grundfeste zu der Macht ermahnte er die Regierungen, die Unterthanen zum Anbau und zur Gewinnung aller mög­lichen, und insonderheit der nothwendigsten, Materialien auf alle Art aufzumuntern. Sein Vorschlag bezog sich hier jedoch eher auf Mustergüter bzw. die individuelle Förderung von landwirtschaft­lichen Neuerungen: Sie muß durch geschickte und fleißige Leuthe Versuche machen lassen, und diejenigen begünstigen und unterstützen, die sie aus eigener Bewegung machen. Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 465. 180 […] daß aber eine Monarchie ohne erb­lichen Adel allerdings bestehen könne, das sehen wir an China. Justi, Natur und Wesen der Staaten, S. 154. 181 Justi, Vergleichungen, S. 305. 182 So sollten Jagdfronen abgeschafft und Vorspanndienste für reisende Regierungsbeamte durch die Erhöhung von Diäten der reisenden Staatsbediensteten oder Freipässe (freie Pferde) von offiziellen fürst­lichen Posten ersetzt werden. Dafür sollten die Monarchen im Land Pferdestationen einrichten. Justi, Vergleichungen, S. 306.

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Sinesischen Kaysers nach[zu]ahmen oder den Blick auf zwei Staaten Europas zu richten. Es giebt nur zwey Länder in Europa, wo die Landleute nicht in solcher Bedrückung leben, und wo sie nichts von Frondiensten, von Hof- und Kriegsfuhren und tausend andern solchen Beschwerden wissen. Diese sind Engelland und die Schweiz. Der Erfolg zeiget sich genugsam in den Flohr der Landwirtschaft. In Engelland ist bekannt­lich die Landwirtschaft in einem solchen blühenden Zustande, daß sie die größte Quelle des Reichtums vor den Staat ist. Die Schweiz ist an sich selbst eines der unfruchtbarsten Landen von Europa, allein die Freyheit der Landleute hat dennoch die Wirkung, daß es so vollkommen cultiviret und fruchtbar gemacht wird.183 Die Bauern Chinas, Englands und der Schweiz nahmen nach Justis Maschinenvorstellung vom Funktionieren des Staates ihren richtigen und ihrer Bestimmung gemäßen Platz als Teil des Triebwerks der (Staats-)Maschine 184 ein, während die Bauern insbesondere in den deutschen Territorien, aber auch Böhmen durch Zusatzdienste und Bedrückungen von ihrer Arbeit entfremdet und damit aus dem Triebwerk entfernt worden waren. Dadurch standen sie dem reibungslosen Ablauf der Nahrungsgewinnung nicht in vollem Umfang zur Verfügung, was sich auf das Gesamtgefüge hemmend auswirkte. Abhilfe schaffen konnte nur der Herrscher, der sich diesem Stand fördernd annahm. Der Ackerbau ist also nicht eine Sache, welche die Regierung denen ohngefähren Neigungen des Volkes überlassen kann; sondern ihre Vorsorge muß den Fleiß und die Geschick­ lichkeit der Unterthanen hierzu auf alle Art aufmuntern.185 Dieses erwünschte Wirken des Herrschers bzw. der Obrigkeit war aus Justis Sicht in China erfolgreich realisiert. Als Väter ihres Landes hatten die chinesischen Kaiser aus Sicht Justis ihre Rolle wesent­ lich aktiver gespielt als die europäischen Fürsten: sie hatten die Funktion ihrer Untertanen als Gemeinschaft, als (Haus-)Genossen eines Staates weitaus besser im Blick und verhinderten eine Entfremdung zwischen nahrungsproduzierenden und nicht direkt nahrungsproduzierenden Teilen bzw. förderten die Achtung zwischen ihnen, was im nachfolgenden Kapitel „Herrschaft und Landwirtschaft“ noch ausführ­licher erläutert werden wird. Damit kam der Kaiser der alten europäischen Pf­l icht des Hausvorstandes nach, indem er gemeinschaftserhaltend und -stabilisierend bzw. harmonisierend wirkte. Darüber hinaus nahmen sich die chinesischen Kaiser aber auch den einzelnen Teilen ihres Hausstandes, etwa Berufsständen wie den Bauern gezielt an. Der Nahrungsstand besaß nach Justi in China alle erforder­lichen Freiheiten, also einen entsprechenden staat­lich gewährleisteten Handlungsrahmen, um seinen Pf­l ichten nachzukommen. Der

183 Justi, Vergleichungen, S. 307 und S. 308. 184 Der Nahrungsstand ist das Triebwerk in der grossen Maschine des Staats. Die Gewerbe sind die Räder und Federn; und ein jedes Gewerbe muss darinnen seine gehörige Stelle einnehmen, und so viel zu der Bewegung der Maschine beitragen, als zu dem Aufnehmen des Nahrungsstandes, und der Wohlfarth des Staates erfordert wird. Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 557. 185 Justi, Vergleichungen, S. 292.

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Kaiser ermunterte die Bauern – auch durch eigenes Beispiel – und kontrollierte ihre Leistungen durch seinen Beamtenapparat. Die chinesischen Kaiser stellte Justi aus Gründen der erfolgreichen Harmonisierung der Gesellschaft und der gegenseitigen Verpf­lichtung ihrer Mitglieder gegeneinander den deutschen und europäischen Monarchen als leuchtende Beispiele vor, die auf die Fürsten im Reich motivierend wirken sollten, sich den Problemen ihrer Länder nicht länger zu verschließen. Justi forderte sie auf, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass auch in den deutschen und letzt­lich in allen europäischen Staaten das Ziel der Glückseligkeit aller realisiert werden könne. Mochten die vortreff­lichen Triebfedern, wodurch diese [die chinesischen] Monarchen bewogen werden, diese [ihre] Gewalt ledig­lich zu der Glückseligkeit ihrer Unterthanen anzuwenden, den europäischen Fürsten zum Vorbild gereichen.186 Die deutschen und europäischen Herrscher sollten nach Justi diesen Wunsch nach der Glückseligkeit ihres Volkes und ihre Rolle bei der Realisierung so verinner­ lichen wie Taiz-ong aus dem chinesischen Fürstenspiegel, der äußerte, daß er nichts so sehn­lich wünsche, als daß seine Unterthanen alle glück­lich seyn und alles vollauf haben möchten.187 Dafür hatten die Monarchen wie die chinesischen Kaiser gemeinschaftsstiftend zu wirken und alle Mitglieder der Gesellschaft zur Erlangung der Glückseligkeit in die Pf­licht zu nehmen. Mit dem eindeutigen Aufgabenprofil, das Justi in Anlehnung an die chinesischen Kaiser den Herrschern in Europa zuwies, eine gesellschaft­liche Harmonie herzustellen, distanzierte er sich von der deistischen Harmonielehre.188 Adam Smith war in der Nachfolge von Newtons Konzept der Harmonie der Sphären und der Bahnen der Planeten durch die Gravitationskraft (als Gleichgewichtssystem bezeichnet) davon ausgegangen, dass sich die Harmonie auf die Wirtschaft und die Gesellschaft übertragen ließe, wenn die (Gravitations-)Kraft des mensch­lichen Eigeninteresses und des Mitgefühls (­propriety) wirke. Das Gleichgewicht der Interessen führe zu einer wechselseitigen Adjustierung und Akkomodierung der Handlungsziele. Smith hoffte auf Harmonie durch die selbstregulierende Konkurrenz und schrieb dem Markt eine integrierende Kraft zu.189 Darauf vertraute Justi offenbar nicht. Es bedurfte aus seiner Sicht vorerst der aktiven Regulierung und Einrichtung bzw. gezielten Herstellung einer gesellschaft­ lichen Harmonie durch den Monarchen. Der Fürst führte die Gesellschaft zusammen, 186 Ibd. S. 23. 187 Ibd. S. 149. 188 Luterbacher-Maineri, Claudius: Adam Smith – theologische Grundannahmen. Eine textkritische Studie (Studien zur theologischen Ethik, Bd. 119). (Diss.) Fribourg 2008. S. 408ff. Kwangsu, Kim: Adam Smith. Natural Theology and Its Implications for His Method of Social Inquiry. In: Review of Social Economy 3 (1997). S. 312 – 336. 189 Das gilt für beide Werke von Smith: Theory of Moral Sentiments (1759) und The Wealth of Nations (1776). Ötsch, Walter O.: Gottes-Bilder und ökonomische Theorie: Naturtheologie und Moralität bei Adam Smith. In: Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik 6 (2007). S. 161 – 179.

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indem er die Rahmenbedingungen, etwa die Freiheit für die Bauern, zu schaffen hatte. Damit zielte Justi auf eine Konzeption von Regierung als initiativer Neuordnung von Beziehungen zwischen Menschen und Dingen. Foucault war später von der Regierung als fortlaufender aktiver Steuerung ausgegangen, der es nach Justi innerhalb der Staatsmaschine nicht bedurfte. Justi hatte aber von den Fürsten gefordert, was Foucault später theoretisch als bedachte und berechnete Handlungsweisen zusammenfasste, die dazu bestimmt waren, auf die Handlungsmög­lichkeiten anderer Individuen einzuwirken. Regieren hieß schon bei Justi, eventuelle Handlungsfelder der Untertanen zu verändern und neu zu strukturieren.190 Auch Werner Sombarts Verständnis von Organisation ähnelt der von Foucault zitierten Bestimmung der Regierungskunst: Organisieren definiert Sombart als Handlung, viele Menschen zu einem glück­lichen, erfolgreichen Schaffen zusammenzufügen. Das bedeutet, Menschen und Dinge so disponieren, dass die gewünschte Auswirkung uneingeschränkt zutage tritt.191 Aus Justis Sicht bedeutete das Folgendes: War dies erreicht, so bestand die Aufgabe des Monarchen in Anlehnung an das Modell Chinas darin, diese Harmonie bzw. das Zusammenwirken aller Menschen in der Staatsmaschine aufrechtzuerhalten. Auf Selbstregulierung vertraute er offensicht­lich nicht. Dafür eignete sich nach Justi, wie im folgenden Kapitel erläutert werden soll, mit dem Pflugritual des chinesischen Kaisers eine symbolische Handlung, die den Staatszweck visualisierte und alle Bevölkerungsschichten darin integrierte. c. Herrschaft und Landwirtschaft Justi rief die Fürsten dazu auf, künftig der Landwirtschaft mehr bzw. überhaupt Aufmerksamkeit zu zollen und die landesherr­liche Vorsorge darauf zu richten, weil sie das erste und nothwendigste Bedürfniß des Landes [sei], genugsames Getraide vor seine Einwohner liefert sowie die Rohstoffe für die Manufakturen zur Verfügung stelle. Die Landleute müssten zur Gewinnung der Produkte des Landbaus und der Viehzucht animiert, zugleich aber durch die Vermittlung ausreichender Kenntnisse an die Bauern auch die Qualität der Produkte gesichert werden.192 Dies fiel in den Kompetenzbereich der Regierung. Damit erhob Justi die Landwirtschaft zu den Staats- und Regierungswissenschaften. Das war auch notwendig, da seine Bestandsaufnahme das bedauer­liche Resultat ergab, dass die Regenten zu denen inner­lichen Landesangelegenheiten fast gar keine Fähigkeit und Erkenntniß erlangen. Man nehme doch mal einen Regenten, welcher in dem Finanzwesen, in denen Commercien, in den Mitteln und Maßregeln zur Cultur des Landes und zum Aufnehmen des Nahrungsstandes eine große Erkenntniß besäße! Die 190 Foucault, Michel: Das Subjekt und die Macht. In: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Hg. v. Hubert L. Dreyfus/Paul Rabinow. Frankfurt /M. 1987. S. 243 – 261. Hier S. 255. 191 Sombart, Werner: Der Bourgeois. Zur Geistesgeschichte des modernen Wirtschaftsmenschen. München/Leipzig 1923. S. 71. 192 Justi, Die Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 472f.

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Regenten derer am besten beherrschten Europäischen Staaten sind nicht einmal mit denen ersten Begriffen und Grundsätzen dieser Wissenschaften bekannt.193 Die Ignoranz und die Wissensdefizite der Monarchen in diesen Bereichen waren Gegenstand seiner scharfen Kritik. Es galt, sie schnell auszugleichen, denn darin erkannte Justi eine wichtige Voraussetzung für den von ihm angestrebten Wandel sowie das grundsätz­liche Umdenken der Gesellschaft. Erst das ökonomische Wissen befähigte den Herrscher aus seiner Sicht, nötige Reformen und Änderungen in der Landwirtschaft zu initiieren, sich vorbildhaft an die Spitze der Gesellschaft zu stellen und diese dazu zu animieren bzw. anzuleiten. Der Wirkungs- und Kompetenzbereich des Monarchen musste verändert und erweitert werden. Darin bestand das Ziel seiner Vergleichungen. War der Fürst hinreichend ökonomisch vorgebildet und war die Landwirtschaft als fester Bestandteil in die Staats- und Regierungswissenschaften integriert, sollte sie unter die Aufsicht der Polizey gestellt werden, da von ihrer kontinuier­lichen Förderung nicht unwesent­lich die Menge der zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Staates abhingen. Vom Sachverhalt der Ressourcenknappheit konnte wiederum die innere oder äußere Sicherheit des Staates abhängen bzw. empfind­lich gefährdet sein.194 Die mög­liche Sicherheitsgefährdung des Staates resultierte aus dem Trieb der mensch­lichen Subsistenzsicherung und der darüber hinausgehenden, jedoch nach Justi legitimen Bedürfnisbefriedigung. Das mensch­liche Streben nach Selbsterhaltung sollte institutionell ermög­licht und gesichert werden. Dem Monarchen kam aus Justis Sicht also die Pf­licht zu, die grundlegenden Bedingungen für die Subsistenz aller Untertanen zu schaffen. Keinesfalls verstand Justi aber darunter, dass sich die Schuldigkeit der Regierung dahin erstrecken muss, das gesamte Volk zu ernähren, oder demselben den Unterhalt zu reichen. Die Orientierung an den Römischen Kaisern und ihre kostenlosen bzw. für den Staat kostenaufwändigen Getreidezuweisungen an die plebs frumentaria stellte für Justi keine Lösung dar. Er kritisierte die Methode der Römer sogar scharf als eine, die durch den so unterstützten Müßiggang das Land in kurzer Zeit dem Verfall nahe gebracht habe: Wenn die Römischen Kayser dem Römischen Volke öfters Getraide, Brod, Wein und andere Dinge austheilten, auch so viel armen Bürgern vor beständig Getraide entweder gar umsonst, oder doch vor einen sehr geringen Preiß austheilen ließen, daß sich deren Anzahl öfters auf 300 000 Persohnen hinan lief, die an den Wohlthaten Theil nahmen, so muß man den Umstand bemerken, daß die Römer ein herrschendes Volk waren, das fast den halben Erdboden bezwungen, und mithin eine Menge Völker unter sich hatte, die vor dasselbe arbeiteten. […] Dennoch ist es auch in diesen Umständen schwehr­lich rathsam. Die Austheilungen zu Rom verursachten, daß der Ackerbau in Italien sehr in Verfall gerieth, indem sich alles nach Rom wendete, um an den Austheilungen Antheil zu haben.195 Die

193 Justi, Vergleichungen, S. 57. 194 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 50. Meyer, Natur, Technik und Wirtschaftswachstum, S. 48f. 195 Justi, Grundfeste zu der Macht, Bd. 1, S. 266f.

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Römischen Kaiser hatten ihre Pf­licht als Pater patriae zur Gewährleistung der Versorgung aus Sicht Justis auf eine Spitze getrieben, die Rom in Abhängigkeit versetzte und zudem die äußere Sicherheit gefährdete: Als hernach die Provinzen, woraus Italien seinen Unterhalt zog, von denen Barbaren angegriffen wurden; so war nichts so schwach als das Herz des große römischen Staatskörpers; und ein jeder Feind, der sich diesem Herzen des Staats näherte, konnte so fort darinnen den Meister spielen.196 Ein wesent­licher Faktor zur Erhaltung der Sicherheit eines Staates war deshalb für Justi die Bereitstellung der grundsätz­lichen Bedingungen für die Ernährung des Landes und der Befriedigung der Bedürfnisse seiner Einwohner. Für diese Sicherheit hatte der Monarch durch normative Koordination und danach die Polizey mit der Aufsicht der wirtschaft­lichen Prozesse zu sorgen. Eine florierende Landwirtschaft konnte genau diese Sicherheit bieten.197 Worin bestand nun genau die Funktion des Monarchen? In seinen Finanzschriften hatte Justi den Wirkungsrahmen eines Monarchen konkret gefasst: Ein weiser Regent ist gleichsam der Vorsteher und Aufseher bey der Maschine des Staats. Sein wachsames und hellsehendes Auge muss diese Maschine beständig in allen ihren Theilen übersehen. Sobald der geringste Theil dieser Maschine leidet, und in Gefahr stehet, verdorben zu werden; so muss er diesem leidenden Theile zu Hülfe kommen […].198 Dem Herrscher kam im Rahmen der Erlangung der gemeinschaft­lichen Glückseligkeit eine die Gesellschaft über­ blickende, die notwendigen Zusammenhänge erkennende und somit eine organisierende und transformierende Rolle zu. Diese bestand darin, den Anstoß zur Vermittlung der Notwendigkeit des Zusammenwirkens der Gesellschaft zu geben und darüber hinaus in der Initiative zur Erziehung und Anleitung aller Untertanen zu Arbeitsamkeit und Geschick­lichkeit. Weiterhin gehörten dazu insbesondere die Erkenntnis und die Vermittlung der Bedeutung der Landwirtschaft als Ausgangsbasis aller Güterproduktion. 199 An ihm als Monarch war es somit, alle störenden und hemmenden Faktoren des Wirtschaftsprozesses zu erkennen und zugunsten der notwendigen Freiheit und Sicherheit der Individuen zu beseitigen. Justi erkannte dem Monarchen deshalb zwei zentrale Rollen zu: Einerseits hing von ihm als Ingenieur 200 die Einrichtung der Staatsmanufaktur 196 Ibd. S. 267. 197 Meyer, Natur, Technik und Wirtschaftswachstum, S. 48. 198 Justi, Gesammlete [sic!] Politische und Finanzschriften, Bd. 1, insbesondere das Kapitel: Auf was Art die Regierung den Zusammenhang und das Aufnehmen des Nahrungsstandes durch die Abgaben leiten kann, S. 614 – 632. Hier S. 616. 199 Montesquieu hatte die monarchischen Regierungen aufgerufen, die Menschen zu animieren und ihre Freude am Überfluss zu wecken, in der Landwirtschaft über ihren Eigenbedarf hinaus zu produzieren, um dem Handwerk genügend Grundstoffe zu liefern. Montesquieu, Esprit, XXIII, 15. 200 Rüdiger, Der Staat als Maschine, S. 159. Als Handwerker an der Maschine bezeichnet ihn Meyer. Ders., Natur, Technik und Wirtschaftswachstum, S. 43. Stollberg-Rillinger spricht vom Herrscher als Mechaniker. Stollberg-Rillinger, Der Staat als Maschine, S. 62ff und S. 99. So auch Mayr, Otto: Uhrwerk und Waage. Autorität, Freiheit und technische Systeme in der frühen Neuzeit. München 1987. S. 127ff.

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oder Konstruktion der Staatsmaschine ab, zum anderen oblag ihm als Angestellter des Staates nach der Fertigstellung die Beobachtung und Verwaltung der reibungslosen Abläufe. Wichtig war dabei für Justi, dass sich der Herrscher langfristig immer stärker aus aktiven Eingriffen in die Regierung bzw. aktivem Regierungshandeln zurückziehen konnte und diese Geschäfte der Verwaltung überließ.201 Die Parallele Justis zu L ­ eibniz ist offensicht­lich: Die bewunderungswürdigste Maschine und der zugleich beste Staat entstand nach Leibniz aus der Ordnung des Familienvaters, der in der häus­lichen Ökonomie nichts ungenutzt lässt. Der Herrscher hatte wie ein solcher Familienvater oder als Mechaniker seine (Staats-)Maschine so optimal zu konstruieren, dass sie mit geringstem Verbrauch die größte Leistung erbringen könnte.202 Ein Justis Argumentation stützendes Beispiel einer fruchtbaren und erfolgreichen Landwirtschaft sowie einer dem Bauernstand und der Kultivierung des Bodens zugewandten Monarchie fand sich in China, insbesondere in den uralten Funktionen und Pf­lichten des chinesischen Kaisers.203 Justi schrieb bereits 1758 in der zweiten Auflage seiner Staatswirtschaft im zweiten Teil: Wenn wir lernen wollen, wie der Boden eines Landes recht zu nutzen ist, so müssen wir nach Sina gehen, wo eben die Menge der Menschen Erfindungen an die Hand gegeben hat, die höchsten Gipfel der Berge und steilsten Felsen zu fruchtbaren Feldern zu machen. Man kann dannhero mit Gründ­lichkeit behaupten, daß die am meisten bevölkerten Länder in Europa noch drey und viermal so viel Einwohner ernähren können, wenn sie alles Getreide im Lande behalten, solches nicht unnütze verbrauchen, die Oeconomie recht in Flor bringen, und alle Plätze und Gegenden nutzen wollten.204 Damit distanzierte er sich stark von Montesquieus Einschätzung der Leistungsfähigkeit der chinesischen Landwirtschaft.205 China konnte aus Sicht Justis deshalb als Modell auf diesem Gebiet gelten, weil sich neben der Erkenntnis des Nutzens des Ackerbaus für den Staat und die Gesellschaft, vor allem die Tradition der engen Verflechtung von Landwirtschaft mit Herrschaft bis zur Gegenwart erhalten hatte: […] es feuert sie auch die Hochachtung dazu an, in welcher der Ackerbau stehet, und die besondere Ehre, die den Ackerleuten von der ersten Gründung dieses Reichs her von den 201 Justi folgte damit Ideen von d’Argenson. Adam, The Political Economy, S. 164 und S. 175. 202 Leibniz, Gottfried Wilhelm: Über den Ursprung der Dinge. In: Kleinere philosophische Schriften. Hg. v. Robert Habs. Leipzig 1883. S. 222. 203 Während sich der allgemeine Blick hinsicht­lich landwirtschaft­licher Innovationen zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert auf die Niederlande gerichtet hatte, schaute der Kontinent im 18. Jahrhundert in der Regel auf die mustergültige Landwirtschaft Englands. Herrmann, Klaus: Pflügen, Säen, Ernten. Landarbeit und Landtechnik in der Geschichte (Rororo, Bd. 7722). Reinbek 1985. S. 115ff. Dazu auch Hoyle, Richard W. (Hg.): The Farmer in England, 1650 – 1980. Farnham 2013. 204 Justi, Staatswirtschaft, Bd. 2, S. 162. 205 Montesquieu merkte nicht nur an, dass trotz aller Fruchtbarkeit die landwirtschaft­liche Nutzfläche Chinas keinesfalls ausreiche, um die Bevölkerung zu ernähren, sondern malte auch die Folgen der Hungersnöte mit Aussetzungen von Kindern und unzähligen Toten durch staat­liche Misswirtschaft in dunklen Farben. Montesquieu, Esprit VII, Kap. 6, S. 187 und VIII, Kap. 21, S. 227.

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Kaisern erwiesen worden. Es ist dies eine gemeine Meinung, die ihnen von einem ihrer ersten Kaiser, namens Chin-nong [Shennong], beygebracht worden; und sie verehren denselben noch diese Stunde, als den Erfinder dieser den Völkern so erspries­lichen Kunst.206 Landwirtschaft war mit Herrschaft insofern verbunden, als die Stiftung des Ackerbaus und die Unterweisung der Menschen in dieser Kunst durch einen der ersten Monarchen Chinas vorgenommen worden war. Ursprung der Landwirtschaft war in Justis Konnotation eher ein historischer als ein mythischer Herrscher. Seine Leistung beruhte auf der Vermittlung der Kenntnis vom Ackerbau als Wohltat für das Volk. Herrschaft war in China somit seit alters her eng mit der Anleitung der Untertanen verbunden und hatte sich anders als in Europa nicht von ihr entfremdet. Justi bot seinen Lesern im Folgenden anhand von Du Haldes Description de la Chine eine ausführ­liche Aufzählung der Beziehungen, in der in China Herrschaft und Landwirtschaft zueinander standen. So vermerkt er, dass der Landbau einen noch höheren Stellenwert neben seinem Ursprung im Herrschaftsbereich erhielt, weil tugendsame und fähige Bauern in der frühen Geschichte der Chinesen den Pflug mit dem Steuerruder des Staates vertauscht hatten und auf den Thron gelangt waren. Justi folgte Du Haldes Schluss nur zu bereitwillig, dass diese Wahl eines Kaysers [gemeint ist Shun als Nachfolger Yaos], der vom Ackerbau weggenommen worden, eine unbeschreib­liche Hochachtung gegen den Ackerbau beygebracht habe.207 Yaos Wahl verwies auf das hohe gesellschaft­liche Ansehen des Bauernstandes an sich und den Wert eines Einzelnen im Besonderen. Der Stand war nicht zu gering, einen Monarchen zu stellen. Darüber hinaus waren es die Tugenden und Kenntnisse des Landmannes, die Shun befähigten, einen Staat zu führen. Justi beschrieb Yao etwas ausführ­licher aus Du Halde als einen Menschen, dessen Tugenden darin bestanden, Ordnung zu halten, Frieden zu stiften und Gerechtigkeit zu üben. Yao erhielt damit in Justis Beschreibung drei Wesensmerkmale, die das Ideal europäischer Herrscher ausmachten. Entgegen dynastischer bzw. familiärer Bindungen zeigte Justi mit der Geschichte dieses frühen chinesischen Kaisers auch, dass die Berufung des kaiser­lichen Nachfolgers durch die weise Auswahl des Besten geschehen

206 Justi, Vergleichungen, S. 294. Justi übernahm die Passage von Du Halde fast wört­lich: Der Eigennutz ist es nicht allein, der die Leute in China zu ihrer Feldarbeit unermüdet machet; sondern es feuret sie auch die Hochachtung dazu an, in welcher der Ackerbau stehet, und die besondere Ehre, die den Ackerleuten von der ersten Gründung dieses Reichs von den Kaysern erwiesen worden. Es ist dies eine gemeine Meinung, die ihnen von einem ihrer ersten Kayser, Namens Chin nong [Shennong], beygebracht worden, und sie verehren denselben noch bis diese Stunde als den Erfinder dieser, den Völkern so erspries­lichen Kunst. Noch höher ward der Ackerbau durch einen ihrer ältesten Kayser erhaben, den man vom Pflug wegnahm und ihn auf den Thron setzte. Die Begebenheit hiervon wird in den Schriften ihrer ältesten Weltweisen […] erzählet. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs und der grossen Tarterey, Bd. 2, S. 82. 207 Justi, Vergleichungen, S. 296. Teilweise folgte Justi Du Halde wört­lich: Diese Wahl eines Kaysers, der vom Ackerbau weggenommen worden, hat den Chinesern eine unbeschreib­liche Hochachtung gegen den Ackerbau beygebracht. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 83.

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konnte und nach – den Europäern ebenfalls wohlvertrauten – Kriterien staatsmännischer Fähigkeiten und Tugenden erfolgen konnte. Diese Vorstellung entsprach alten christ­lich-europäischen Herrschaftsidealen wie etwa der von Erasmus von Rotterdam geäußerten Auffassung, dass das Steuerruder eines Staates bzw. Staatsschiffs demjenigen übertragen werden sollte, der andere in Bezug auf Weisheit, Gerechtigkeit, Maß, Weitsicht und Eifer für das Gemeinwohl überrage.208 Justi referierte weiterhin ausführ­lich die Wohltaten des Kaisers Yu, der wiederum als Nachfolger von Shun erwählt worden war, weil er seine Gelehrsamkeit der Landwirtschaft gewidmet und durch eigene Bücher von so einer nütz­lichen Materie, die selbst einen Kaiser zum Urheber haben, den Credit des Ackerbaus ungemein erhöhet, da man gesehen, daß sich die größten Kaiser damit beschäftiget hatten.209 Mit Yu regierte nach Justi ein gelehrter Experte das Land, der den Ackerbau als praktische Wissenschaft etabliert hatte. Weitere von Justi geschilderte Verdienste historischer Kaiser in China um die Landwirtschaft bestanden in der Landvermessung, Visitationsreisen, die ihnen nicht nur einen persön­lichen Eindruck vom Zustand des Landbaus in den Provinzen vermittelt, sondern ihnen auch die Gelegenheit gegeben hätten, die Klagen der Bauern selbst zu hören und ihnen sofort Gerechtigkeit zu verschaffen, sowie der Gesetzgebung. Zudem habe Kaiser Ven-ti (Schreibweise nach Justi) nach einem Krieg dem Land aufhelfen und die Untertanen zum Ackerbau ermuntern wollen: Er gieng ihnen also mit seinem eignen [sic!] Exempel vor, und grub mit seinen eigenen Händen das Land in seinem Garten um, dardurch er seine Minister und Hofbedienten verpf­lichtete, ein gleiches zu thun.210 Der Herrscher hatte sich selbst in Notzeiten in seinen Garten begeben, um durch eigene körper­liche Arbeit seine Nahrung zu gewinnen und so als Vorbild auf sein Volk zu wirken, um es von der Notwendigkeit zu überzeugen, es ihm gleich zu tun. Mit ihm schloss sich der Kreis zu Shennong. Wieder war es der Kaiser, der durch sein Tun und seine Person richtungsweisend vorgab, wie zu handeln war, und damit sein Volk zur Nachfolge anleitete. Mit dieser stark an Du Haldes Beschreibung angelehnten Aufzählung hatte Justi den agronomischen Wirkungsbereich des chinesischen Herrschers skizziert. Er bestand 208 Ita regnum ei potissimum est comittendum, qui Regiis dotibus anteit reliquos: nempe, sapientia, justitia, animi moderatione, providentia, studio commodi publici. Gail, Erasmus von Rotterdam. Institutio, S. 44. 209 Justi, Vergleichungen, S. 297. Bei Du Halde heißt es: Die vielen Schriften von einer so nütz­lichen Materie, die selbst einen Kayser zum Urheber haben, haben den Credit des Ackerbaus ungemein erhöhet, da man gesehen, daß sich die größten Kayser damit beschäftiget. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 84. 210 Justi, Vergleichungen, S. 298. Die ausführ­liche Schilderung des Rituals bei Justi, basierend auf Du Halde, ibd. S. 299 – 305. Die konkrete, wieder fast wört­lich übernommene Stelle: […] mit seinen eigenen Händen das Land in seinem Garten umgrub, wodurch er seine Minister und Hofbedienten verpf­lichtete ein gleiches zu thun. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 84.

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in erster Linie aus der Wahrung der Tradition und in zweiter Linie aus einem Zusammenspiel von unterschied­lichen Vermittlungsformen des Herrschers, die aus der traditionellen Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft resultierten. Traditionell verfüge ein Herrscher über praktische und theoretische Kenntnisse des Landbaus sowie des Umfangs der agrarisch genutzten Flächen und überzeuge sich durch Reisen in seine Provinzen persön­lich vom aktuellen Zustand der Landwirtschaft. Seine Kenntnisse waren ständig zu aktualisieren. Dafür dienten Berichte, wenn der Monarch nicht selbst anwesend sein konnte: Die Aufmerksamkeit des Kaisers auf den Ackerbau ist so groß, daß derselbe, wenn etwa ein Abgeordneter am Hofe ankommt, nachzufragen pflegt, wie er es in Felde gefunden habe.211 Diese Kenntnisse befähigten den Monarchen, seine Untertanen entweder durch notwendige Gesetzgebung oder gezielte Förderung der wissenschaft­lichen Erforschung und exemplarische Handlungen von der Bedeutung der Landwirtschaft für den Staat zu überzeugen und zu entsprechendem eigenen Handeln anzuleiten. Damit geriet die Landwirtschaft nie aus dem Fokus von Herrscher und Untertan, sondern blieb stetig in Achtung, Förderung und Weiterentwicklung sowie Wertschätzung. Mit dem ausführ­lichen Rückgriff auf Du Haldes Beispiele aus der chinesischen Historie war ein Kanon von beispielhaften Figuren geschaffen, der auch für die deutschen Fürsten handlungsanleitend wirken sollte. Justi verband damit natür­lich nicht die Aufforderung an die deutschen oder europäischen Monarchen, selbst den Beruf eines Landmannes auszuüben und ständig landwirtschaft­licher Tätigkeit nachzugehen. Schon in seinem Grundriß hatte er geschrieben: Es ist nicht mög­lich, daß der Regent sich selbst in eine gewisse Art von Geschäften einlassen und selbst daran arbeiten kann, ohne die Aufmerksamkeit auf das Ganze und die Ordnung der Maschine zu vernachlässigen.212 Viel wichtiger war es Justi hingegen, dass der Monarch im Einklang mit der Vorstellung vom Staat als Maschine oder tätiger Manufaktur die Initiative dazu ergriff, die Landwirtschaft von einem ignorierten Nischendasein zu einer Staatswissenschaft bzw. Angelegenheit des Staates zu erheben. Dafür hatte er als Exempel richtungsweisend voranzugehen und orientierungstiftend zu wirken, schließ­lich galt es, die Ignoranz vieler europäischer Völker gegenüber der Bedeutung und dem Nutzen der Landwirtschaft in Akzeptanz umzuwandeln. Das Ziel bestand in der langfristigen Verankerung der Landwirtschaft im Bewusstsein der Gesellschaft und im Aufgabenbereich des Staates. Am besten drückte sich für Justi eine solche vorbildhafte Wirkung des Herrschers im alljähr­lichen, eigenhändigen Pflügen des chinesischen Kaisers aus: Jedes Frühjahr hat der Kaiser nach dem Exempel seiner ältesten Vorfahren die Gewohnheit, daß er unter gewissen Solennitäten einige Furchen höchst eigenhändig gräbet, um durch sein Exempel 211 Justi, Vergleichungen, S. 299. Wört­lich bei Du Halde: Die Aufmerksamkeit des Kayers auf den Ackerbau ist so groß, daß derselbe, wenn etwa ein Abgeordneter eines Statthalters am Hofe ankomt, gemeinig­ lich nachzufragen pfleget, wie er es im Felde gefunden habe. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 85. 212 Justi, Grundriß, S. 333.

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die Leuthe zum Ackerbau aufzumuntern. Eben diese Ceremonie beobachten die Mandarinen jedes Ortes. Der jetzt regierende Kaiser Yong=tching 213 [Yongzheng] machte gleich nach geendigter Trauerzeit bekannt, daß er sich alle Jahre nach dieser alten und löb­lichen Gewohnheit richten wolle.214 Justi bot im Anschluss den exakten Ablauf der jähr­lichen kaiser­lichen Ritualhandlung nach Père Contancins Brief aus dem Jahr 1727. Montesquieu hatte das Ritual des eigenhändigen kaiser­lichen Pflügens als des institutions admirables pour encourager l’agriculture bezeichnet.215 Das Pflügen des Kaisers wirkte, wie auch bereits Du Halde betont hatte, in den regelmäßigen Abständen auf die Untertanen animierend und motivierend. Das Pflugritual versicherte sie gemäß der alten Ordnung und Tradition des Respekts für den Landbau durch Staat und Herrscher, ging er ihnen doch mit dem Pflug symbolisch einmal im Jahr bei ihrer Tätigkeit voran. Die Deutung der Jesuiten aus Du Haldes Kompendium und den Lettres édifiantes passte nicht nur bestens in die Argumentation Justis, sie bestätigte seinen Lesern wiederum, dass es sich bei seinen Vorstellungen nicht um rein theoretische und kaum realisierbare Entwürfe, sondern um die erfolgreiche Realität einer erfolgreichen Monarchie handelte. Zudem eignete sich das eigenhändige Pflügen des Monarchen aus Sicht Justis als eine vernünftige Form der demonstrativischen Lehrart, die anders als ständige Wiederholungen und Erklärungen des Gesagten in einem münd­lichen oder schrift­lichen Vortrag, leicht von jedem noch so ungeübten Verstande eingesehen werden konnte.216 Unter der Demonstration verstanden die Zeitgenossen – etwa Zedlers Universallexikon – die sinn­liche Darstellung eines Lehrgegenstandes. Gemäß Johann Amos Comenius’ (1592 – 1670) Großer Didaktik lernten die Menschen durch eigene Anschauung und sinn­lichen Nachweis: per autopsiam et sensualem demonstrationem doceamus omnia.217 In diesem Sinne definierte Zedler ebenfalls den Begriff der Demonstration als eine Mög­lichkeit der Überprüfung bzw. der Beweisfindung, daß die meisten sinn­lichen Erfahrungen mit einem angenommenen mög­lichen Satze übereinstimmen.218 Damit folgte Zedler auch Wolffs aristotelischem Verständnis von Wissenschaft als Fertigkeit, etwas zu demonstrieren (Scientia est habitus demonstrandi).219 Zugleich stand die Demonstration auch an der Schnittstelle zwischen 213 Justi behielt den Wortlaut der Beschreibung der Pflugszene aus dem Brief von Père Contancin an Étienne Souciet exakt bei. Deshalb erschien der Yongzheng-­Kaiser fälsch­licherweise als aktuell regierender Monarch Chinas. Er war aber bereits 1735 verstorben. Vgl. Lettre du Père Contancin au Père Étienne Souciet, Canton, 15. Dezember 1727. Gobien/Du Halde, Lettres édifiantes et curieuses, Bd. 19, S. 265 – 403. 214 Justi, Vergleichungen, S. 300. 215 Montesquieu, Esprit, XIV, Kap. 8, S. 198. 216 Zu Justis Vorstellungen Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. 30. 217 Comenius, Johann Amos: Große Didaktik: Die vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren. Hg. und übersetzt v. Andreas Flitner. Stuttgart 102007 (Original 1657). Kap. XX. 218 Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon, Sp. 289 – 291. Hier Sp. 289. 219 Wolff, Christian: Philosophia Moralis Sive Ethica. Methodo Scientifica Pertractata. Bd. 1. Halae Magdeburgicae 1752. § 402. S. 601. Wolff schrieb in seiner Logik darüber hinaus, dass eine Demonstration

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theoretischem Wissen und praktischer Erfahrbarkeit des Wissens. In diesem Kontext spielte die Demonstration für Justi eine bedeutende Rolle, denn er hatte ebenso wie die Jesuiten die hohe Symbolkraft dieser Handlung des chinesischen Monarchen für alle Teile der Bevölkerung in China erkannt und sie wohl aus diesem Grund in seinen Vergleichungen auch so ausführ­lich geschildert. Sie sollte auf den deutschen Fürsten oder europäischen Souverän animierend wirken. Doch eher in ihrer Gesamtaussage, als erster Mann im Staat grundsätz­lich an der Spitze der Landwirtschaft zu stehen und sie zur Blüte zu bringen. Eine explizite Aufforderung, dem Beispiel des chinesischen Herrschers durch die eigenhändige Verrichtung einer landwirtschaft­lichen Tätigkeit zu folgen, richtete Justi an die europäischen Monarchen nicht. Justi kam – wie übrigens Silhouette auch – zum Schluss: Die weise chinesische Regierung hat die Wichtigkeit des Ackerbaus und die Hochachtung, in welcher er stehen muß, sehr wohl eingesehen.220 Hierin lag die Erkenntnis Justis, dass den chinesischen Kaisern nicht nur die Bedürfnisse aller Teile der Bevölkerung bekannt, sondern ihnen die irdische Glückseligkeit der Untertanen hinsicht­lich der Erlangung der Nahrungsmittel wesent­lich am Herzen lag. So richtete er die Aufforderung zur Nachfolge an die europäischen Fürsten. Die Herrscher Europas erhielten somit nach Justi eine weitere Funktion, die aus dem Wirkungsspektrum des chinesischen Kaisers übernommen worden war: Neben dem ersten Diener oder Beamten seines Staates sollten sie auch zum ersten Landwirt ihrer Länder avancieren. Dafür standen zwar auch Beispiele aus dem Fundus der Antike zur Verfügung, wie Justi in seinem Rückgriff auf die Funktion der römischen Kaiser als Kornspender und Ernährer des Volkes gezeigt hatte, doch hatten gerade die Kaiser aus seiner Sicht diese Verpf­lichtung falsch wahrgenommen und staatsschädigend eingesetzt. Den richtigen Weg wiesen für Justi deshalb die chinesischen Kaiser.221

ein Beweiß seyn soll, dabey kein Zweifel übrig bleibet. Wolff, Christian: Vernünftige Gedanken von den Kräften des mensch­lichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkenntis der Wahrheit (Christian Wolff. Gesammelte Werke, 1. Abt., 1. Bd.). Hg. v. Hans Werner Arndt. Hildesheim 4 2006. Kap. 4. § 21. S. 172. Vgl. beispielsweise zu Wolffs Ansatz der Demonstration in der Jurisprudenz Schröder, Jan: Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19. Jahrhundert (Ius commune. Sonderhefte, Bd. 11). (Habil.) Frankfurt/M. 1979. S. 134f. 220 Justi, Vergleichungen, S. 297. Vgl. dazu Étienne De Silhouettes Einleitungssatz zu seinem Agrarkapitel: L’Agriculture est un des principaux objets de l’atention du Gouvernement Chinois. Silhouette, Idée générale du gouvernement et de la morale des Chinois, S. 21. 2 21 Du Halde schrieb im Rückgriff auf Menzius: Le premier objet dit Mencius, qui doit frapper un roi, c’est le peuple: ce qui touche davantage le peuple, c’est la subsistance: ce qui le fait subsister, ce sont les terres, quand elles sont cultivées soigneusement, & qu’elles produisent abondamment les choses nécessaires à la vie. Il faut donc principalement veiller à la culture des terres, & avoir un extrême soin qu’elles ne soient pas en friche: alors le peuple aura de quoi vivre, & n’ayant point d’inquiétude sur ses besoins, il travaillera à régler ses mœurs, & à acquérir la vertu. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 343.

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4.1.4 Justis Vergleichungen als Fürstenspiegel

Justi wählte in seinen Vergleichungen das Genre eines Fürstenspiegels 222 als Vermittlungsmedium, das er jedoch um Elemente einer politischen Denkschrift mit konkreten Ratschlägen für Reformen erheb­lich erweiterte. Zwei Jahre zuvor, 1759, hatte er sich bereits mit der Gattung eines Fürstenspiegels auseinandergesetzt und im Stil eines Romans anhand des antiken ägyptischen Fürsten Psammitichus (1663 – 1610 v. Chr.) das Ideal eines ökonomisch denkenden und handelnden Monarchen skizziert.223 Er reihte sich mit seinem Roman Die Wirkungen und Folgen sowohl der wahren, als der falschen Staatskunst in der Geschichte des Psammitichus gezielt neben François de Salignac de La Mothe-Fénelon ein, den er für seinen Erziehungsroman Les Aventures de Télémaque (1699) und das darin konzipierte Ideal eines Staates, dessen wirtschaft­liches Ziel in der Bedürfnisbefriedigung durch die gezielte Förderung der Landwirtschaft und der Einheit des Gemeinwesens lag, außerordent­lich schätzte.224 In zahlreichen seiner Werke außerhalb seines Psammitichus nahm Justi auf Fénelon Bezug.225 In der Vorrede zu seinem Psammitichus hatte er umständ­lich seine Intention, nicht einen utopischen oder nur wahrschein­lichen Staat, sondern die Funktionsweise eines wahrhaftigen historischen Staates zu schildern, betont und dabei die

222 Ein Fürstenspiegel ist eine Schrift, worin das Musterbild eines Fürsten aufgestellt wird, indem entweder berühmte Fürsten biographisch nach Denk-, Regierungs- und Handlungsweise geschildert oder geschicht­liche Persön­lichkeiten in freierer dichterischer Weise idealisiert oder end­lich Grundsätze, Normen und Regeln für das Verhalten eines Fürsten gegeben, besprochen und mit geschicht­lichen Beispielen belegt werden. Meyers Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Bd. 6. Leipzig u. a.  51895. Sp. 1012f. Singer bezeichnete die Definition als „begriff­lich kaum verbesserbar“. Vgl. Singer, Bruno: Die Fürstenspiegel in Deutschland im Zeitalter des Humanismus und der Reformation: Bibliographische Grundlagen und ausgewählte Interpretationen: Jakob Winpfeling, Wolfgang Seidel, Johann Sturm, Urban Rieger (Humanistische Bibliothek, Reihe 1, Abhandlungen, Bd. 34). (Diss.) München 1981. S. 15. Konstitutiv für die Textsorte des Fürstenspiegels ist ein optimistisches Menschenbild mit dem Glauben an die Bildbarkeit des Menschen. Ibd. S. 19. 223 Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Die Wirkungen und Folgen sowohl der wahren, als der falschen Staatskunst in der Geschichte des Psammitichus, Königes von Egypten und der damaligen Zeiten. Franckfurt/Leipzig 1759. Vgl. dazu Adam, The Political Economy, S. 61ff. Zur Bedeutung Ägyptens in der europäischen staatstheoretischen oder Fürstenspiegelliteratur seit dem 16. Jahrhundert vgl. Polaschegg, Andrea: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 35). (Diss.) Berlin 2005. S. 111ff. 224 Fénelon kritisierte in seinem Werk, dass die Herrschenden keinem anderen Gesetz als ihrem Willen folgten und dieser wiederum maßgeb­lich durch den Luxus bestimmt würde. Zugleich entwarf er einen Staat, in dem es keine von der Arbeit entlasteten Stände gab, sondern sich alle Männer der Landwirtschaft widmeten. De Salignac de La Mothe-Fénelon, François: Les Aventures de Télémaque. Hg. v. Jeanne- Lydie Goré. Paris 1987. S. 223ff. Zu den Faktoren, welche die Einheit des Gemeinwesens zerstören, vgl. S. 401f. 225 Bezüge zu Fénelon finden sich bei Justi, Psammitichus, S. 12. Justi, Grundriß, S. 417.

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Vorteile der Gattungsmerkmale eines Romans hervorgehoben, der edelste Empfindungen des Lesers hervorrufen und damit zu ähn­lich edlen Handlungen anleiten wolle.226 Justi folgte in seinem ausführ­lichen Vorwort zum unbedingten Wahrheitsgehalt seines Werkes Pierre Bayles Forderung, den historischen Wahrheitsgehalt von Ereignissen nicht der Konstruktion eines Romans zu opfern.227 Zugleich war sich Justi der zeitgenössisch kritischen Einordnung des schnelllebigen und oft als reine Unterhaltung deklarierten Genres der Romane bewusst, so dass er ständig bemüht war, sein Buch als lehrhaften Roman einzuordnen und vor „romanesken“ Elementen wie etwa eingestreuten Liebesepisoden zu bewahren. Doch die Zeitgenossen verstanden seine Intention nicht. Kritiker wie der junge Thomas Abbt (1738 – 1766), seit 1760 Professor für Philosophie in Frankfurt/Oder, bewerteten ausschließ­lich seine mangelnden ästhetischen oder stilistischen Leistungen als Romanautor und das Fehlen romanesker Muster, ließen jedoch den staatstheoretischen Entwurf bzw. den Wert als Fürstenspiegel in epischem Gewand unberücksichtigt.228 In Abbts Kritik an Justis Psammitichus zeigte sich das

226 Justi, Psammitichus, S. 10f. Justis Roman ließ sich nur schwer in die zeitgenössischen Roman­ gattungen einordnen. Weder in die höhere noch in die niedere passte er wirk­lich. Er verstand sich als Staatsroman, eine Gattung, die in Frankreich, jedoch zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht bekannt war. Gelzer, Florian: „Persischer Telemach“ und „Ägyptische Banise“. Albrecht von Hallers Staatsromane im romangeschicht­lichen Kontext. In: Ders./Lüthi, Daniela/Proß, Wolfgang (Hg.): Die Staatsromane Albert von Hallers. Internetpublikation. S. 1 – 23. Hier S. 3. Online unter http://www.germanistik.unibe.ch/gelzer/haller_staatsromane.htm (Stand: 20.05.2012). Potthast, Barbara: Die verdrängte Krise. Studien zum „inferioren“ deutschen Roman zwischen 1750 und 1770 (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 21). (Diss.) Hamburg 1997. Immer noch relevant Wahrenburg, Fritz: Funktionswandel des Romans und ästhetische Norm. Die Entwicklung seiner Theorie in Deutschland bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Studien zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Bd. 11). (Diss.) Stuttgart 1976. 227 Pierre Bayle hatte in seiner Rezension des Romans Sieur de Préchacs Cara Mustapha Grand Visir. Histoire contenant son élevation, ses amours dans le Serail, ses divers emplois, le vray sujet qui luy a fait entreprendre le Siege de Vienne, & les particularitez de sa mort. Suivant la Copie imprimée à Paris 1684 in den Nouvelles de la Republique VIII. St., Okt. 1684. S. 315 – 319 zusammengefasst: En verité on ne dévroit pas souffrir cette licence. On feroit fort bien d’obliger tous les Faiseurs de Romans ou à se forger des Heros imaginaires, ou à prendre ceux que l’Antiquité leur fournit, comme ils l’ont déja pratiqué tant de fois. S’ils ont tant d’envie de parler de gens qui entreprennent les choses les plus memorables pour voir une femme, que n’en font-ils? Pourquoy empoisonner si hardiment l’Histoire Moderne? Pourquoy dire si serieusement, que la derniere guerre de Hongrie n’a eu pour cause que l’amour du Grand Vizir pour la femme du Bacha de Bude? Hier S. 316. Darauf verweist Gelzer, „Persischer Telemach“ und „Ägyptische Banise“, S. 5. Zum zeitgenössischen Diskurs um Wahrheit und Wahrschein­lichkeit in der Literatur vgl. auch Brenner, Peter J.: Die Krise der Selbstbehauptung. Subjekt und Wirk­lichkeit im Roman der Aufklärung (Studien zur deutschen Literatur; Bd. 69). (Diss.) Stuttgart 1981. Einleitung. Bauer, Christoph Johannes: Das Geheimnis aller Bewegung ist ihr Zweck: Geschichtsphilosophie bei Hegel und Droysen (Hegel-Studien, Beiheft, Bd. 44). (Diss.) Hamburg 2000. S. 17ff. 228 Im Jahr 1766 verfasste Abbt selbst aufgrund einer Wette in zwei Tagen einen Fürstenspiegel in Traktatform, der jedoch erst posthum publiziert wurde: Abbt, Thomas: Gedanken von der Einrichtung

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Unverständnis der Zeitgenossen, historischer Wahrheit in Romangestalt zu begegnen. Abbt schrieb: Und nun bin ich zwischen der Geschichte und dem Roman in der Mitte, und lese eigent­lich bey wahren Namen, Begebenheiten, die der Schriftsteller nach eigenen Belieben ersonnen hat.229 Auch Fénelons Télémaque war nach seinem Erscheinen in Deutschland nicht als lehrhafter Roman, sondern als praktische Philosophie wahrgenommen, seine Einkleidung ins französische Genre als roman historique bzw. roman politique in Deutschland sch­licht vernachlässigt worden.230 Justi musste sich nicht nur hinsicht­lich seiner Vermittlungsstrategie, durch einen Roman seine Leser gleichzeitig unterrichten und unterhalten zu wollen, als gescheitert betrachten, sondern sah darüber hinaus seine Inhalte im Genre eines Romans von der Gesellschaft ignoriert. In seinen Vergleichungen wählte Justi somit eine andere Vermittlungsstrategie.231 Er musste nach seiner Niederlage mit seinem Psammitichus nun strategisch klüger vorgehen, um seine Vorstellungen zu vermitteln und umzusetzen. In der Person des Monarchen erkannte er den Adressaten und künftigen Initiator, die Polizey hingegen als Ausführenden und Kontrolleur von Reformen. Justi bezog sich dabei stark auf der ersten Studien eines jungen Herrn von Stande. Leipzig/Berlin 1767. Vgl. dazu Diedrich, Angelika: Religion und Politik in deutschen Fürstenspiegeln von 1767 bis 1799 (Spektrum Politikwissenschaft, Bd. 36). (Diss.) Würzburg 2007. S. 33ff und S. 231. Auch Abbt geht es in seinem Fürstenspiegel um die Beförderung der Glückseligkeit. Diedrich, Religion und Politik, S. 243. 229 Abbt, Thomas: Rezension zu Justi, J. H. G. v.: Psammitichus. In: Briefe, die Neueste Litteratur betreffend 11 (1761). Brief Nr. 196 (1761/2). S. 255 – 260. Hier S. 259. 2 30 Gelzer, „Persischer Telemach“ und „Ägyptische Banise“, S. 3. Simons, Olaf: Marteaus Europa oder Der Roman, bevor er Literatur wurde. Eine Untersuchung des deutschen und englischen Buchangebots der Jahre 1710 bis 1720 (Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft, Bd. 52). Amsterdam/Atlanta 2001. S. 139ff., 182ff. 231 Der ursprüng­lich griechische Begriff stratēgía wurde als Feldherrenkunst verstanden und war in Europa bis in die 1750er Jahre ausschließ­lich dem militärischen Bereich zugeordnet. Erst danach eroberte er zunehmend den Bereich der Politik, der Ökonomie und insbesondere der jeweiligen Kommunikationsprozesse dieser Bereiche. Strategie als politischer Begriff implizierte militärische Komponenten wie die Analyse von Situationen sowie die Dynamik von Veränderung und die entsprechende Reaktion darauf, die nun auch den zivilen Bereich umgestaltbar, gezielt veränderbar machen sollten. Strategie als ziviler politischer Begriff hatte dennoch etwas Militärisches anhaften, denn auch in diesem Bereich ging es um die Bereitstellung physischer, moralischer, symbolischer, aber insbesondere auch fach­licher Kräfte und Ressourcen, um ein bestimmtes Ziel durchzusetzen. Im administrativen Bereich etablierte sich allmäh­lich die Vorstellung eines strategischen Vorgehens immer stärker und mündete zunehmend in analytischen und handlungstheoretischen bzw. gleichzeitig auch praktisch handlungsleitenden Konzepten. Eine Strategie erforderte den Blick aus verschiedenen Perspektiven und Richtungen auf ein Phänomen und eröffnete dem zivilen Betrachter auch die komplexe Vielschichtigkeit seiner mög­lichen Lösungen, die Militärs längst geläufig war. Vgl. dazu Wagener, Martin: Über das Wesen der Strategie. In: ÖMZ-Online 4 (2010). S. 3 – 13. Hier S. 3f. Münkler, Herfried: Zum Verhältnis von politischer und militärischer Strategie. In: Strategie in der Politikwissenschaft. Konturen eines neuen Forschungsfelds. Wiesbaden 2010. S. 45 – 73. Ders.: Gewalt und Ordnung. Das Bild des Krieges im politischen Denken (Fischer-Taschenbücher, Wissenschaft, Bd. 10424). Frankfurt/M. 1992. Einleitung.

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die traditionelle Rolle des Monarchen als Princeps und als Primus,232 die er im Kontext seiner Vorstellung neu zu beleben suchte. Er benötigte den Fürsten als Ersten des Staates als Träger an der Spitze seiner Ideen. Justi griff bei seinen Bestrebungen der Vermittlung bzw. Überführung von theoretischem Wissen in die Umsetzung auf eine Ziel-Mittel-Träger-Beziehung zurück, die erst in der modernen Wirtschaftspolitik zu einem Prozessmodell avancierte: das Ziel-Mittel-System. Mittels der Ziel-Mittel-­TrägerBeziehung der modernen Wirtschaftspolitik soll die Lage (das Ist) dem Ziel (das Soll) durch die Träger mit Hilfe geeigneter Mittel angenähert werden. Im Idealfall wird das Soll auch erreicht.233 Die Idee war jedoch bereits zeitgenössisch bekannt. Parallel zu Justi hatte Jacob Friedrich de Bielfeld (1717 – 1770) in seinen 1760/61 erschienenen Institutions Politiques grundsätz­liche Überlegungen angestellt, durch welche Personenkreise und Mittel theoretische Ansätze schnell und zielgerichtet zu realisieren seien.234 Ausgehend vom Staatsziel des Gemeinwohls, identifizierte Bielfeld ebenso wie Justi die Herrscher als Träger der praktischen Umsetzung von Reformen, Verwaltungsinstanzen sowie staat­lichen Institutionen und entwarf ein Instrumentarium zur Realisierung. Dies implizierte nicht zuletzt auch die Praxistaug­lichkeit der theoretischen Vorschläge oder der praktischen Philosophie. Bielfeld forderte deshalb vollständige Konzepte, in

232 Aeneas spielte in der Tradition des Königs eine Rolle, die vor allem zum Verständnis kleinasiatischer Könige und Helden gehörte, ebenfalls aber Teil des späteren europäischen Herrscherverständnisses wurde: Die, als König bei jedem Werk der Erste zu sein. Aeneas war es beispielsweise, der seine Mitstreiter nicht nur antrieb, im Wald Bäume zu fällen, sondern nach Vergil selbst zuerst mit der Arbeit begann: opera inter talia primus paribus accingitur armis. Publius Vergilius Maro (hg. v. Norden), Aeneis, VI 183. Kommentar ibd. S. 189. Die Rolle des primus wurde von Panegyrikern beispielsweise auch auf Alexander den Großen übertragen: Er soll auf dem Feldzug nach Persien zuerst zu einer Hacke gegriffen haben, um seinen ermüdeten Soldaten in verschneitem und vereistem Gelände den Weg zu bahnen. Primus rex dolabra glaciem perfringens iter sibi fecit. Q. Curtius Rufus, Historiae Alexandri Magni Macedonis, V 6, 13. Zum Fürsten als primus in der Frühen Neuzeit vgl. Struve, Tilmann: Die Bedeutung der aristotelischen „Politik“ für die natür­liche Begründung der staat­lichen Gemeinschaft. In: Miethke, Jürgen (Hg.): Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Bd. 21). München 1992. S. 154 – 171. Zum Geschichte des Begriffs „Princeps“: Libero, Loretana de: Art. „Princeps“. In: Der neue Pauly 10 (2001). Sp. 328 – 331. 233 Koch, Walter/Czogalla Christian/Ehret, Martin (Hg.): Grundlagen der Wirtschaftspolitik (UTB, Betriebswirtschaftslehre, Bd. 8265). Stuttgart ³2008. S. 24ff. 234 Jacob F. de Bielfeld: Institutions Politiques, ouvrage où l’on traite de des Forces d’un Etat; Et en général de tout ce qu a rapport au Gouvernement, 4 Bde., Paris 1762. Wolff hatte postuliert, dass die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit die Absicht des Gemeinwesens seien. Zugleich sei aber auch das Gemeinwesen das Mittel, dadurch man diese Absicht zu erhalten gedenkt. Zu lenken habe der Fürst. Wolff benannte ihn nicht direkt als Träger, doch ergibt sich dieser Befund aus dem Gesagten. Wolff, Vernünfftige Gedanken von dem gemeinen Wesen, § 223, S. 166. Vgl. Wessel, Helga: Zweckmäßigkeit als Handlungsprinzip in der deutschen Regierungs- und Verwaltungslehre der frühen Neuzeit (Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 28). (Diss.) Berlin 1978. S. 77ff. Zur Zweck-Mittel-Kategorie vgl. auch Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine, S. 103ff.

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denen Hindernisse und die Verhältnismäßigkeit von Mitteln und Aufwand sowie dem zu erwartenden Nutzen abgewogen werden.235 In die Schnittstelle eines umfassenden handlungstheoretischen und praktisch handlungsleitenden und damit auch umsetzbaren Konzepts für einen Monarchen in Form einer Denkschrift in Kombination mit einem moralisch anleitenden Fürstenspiegel stießen auch Justis Vergleichungen. Zunächst soll ein Blick auf seinen Fürstenspiegel, den er diesmal nicht in der Hülle eines Romans, sondern im zeitgenössisch üb­lichen sach­lichen Genre eines Traktates präsentierte, geworfen werden: Die Gattung der Fürstenspiegel war seit der Antike europaweit bekannt und tradiert worden. Fürstenspiegel verstanden sich als Anregung für den Monarchen, seine Persön­lichkeit mit dem spezifischen Habitus eines idealen Herrschers zu vervollkommnen und sein Verhalten am Maßstab übergeordneter Werte zu messen.236 Dabei lag gerade den moralischen Vorstellungen und Werten eine eigene Autorität zugrunde, auf deren Wirkung die Autoren der Fürstenspiegel hofften: „Moralische Regeln [sind]“, nach Emile Durkheim, „mit einer besonderen Autorität ausgestattet, kraft derer sie befolgt werden, weil sie gebieten. Auf diese Weise werden wir mittels einer rein empirischen Analyse auf den Begriff der Pf­l icht stoßen und diesem eine Definition geben, die der kantischen sehr nahe kommt. Die Obligation bildet also eines der ersten Merkmale der moralischen Regel.“237 Die Spiegelliteratur sammelte und vermittelte deshalb kollektive Einstellungen und Verhaltenserwartungen an den Fürsten und bot ihm die Mög­lichkeit, diese anzunehmen und im besten Falle zu erlernen bzw. so zu verinner­lichen, dass sie als eigene tradiert und weitergegeben wurden. In Justis Vergleichungen handelte es sich zwar um die kollektiven Werte Chinas, ihre Ähn­lichkeit zu europäischen Vorstellungen war jedoch schon hinläng­lich bekannt und akzeptiert. Die Bedeutung des „Spiegels“ als Metapher liegt nach Niklas Luhmann dabei vor allem in der Konfrontation des Menschen mit seiner sozialen Stellung.238 Deshalb entsprach 235 Der Rechtsgelehrte Joachim Georg Darjes hielt an der Universität Jena 1764 eine Vorlesung zur Einleitung in des Freyherrn von Bielefeld Lehrbegriff der Staatsklugheit zum Gebrauch seiner Zuhörer ververtigt. Darjes integrierte in seine Vorlesung ein ganzes Kapitel zu Mög­lichkeiten der Wirk­ lichwerdung. Er schrieb: Ihre Wirk­lichwerdung muß nicht nur für sich betrachtet mög­lich seyn, sie muß auch zum wenigsten in abstracto mög­lich seyn. Darjes, Joachim Georg: Einleitung in des Freyherrn von Bielefeld Lehrbegriff der Staatsklugheit zum Gebrauch seiner Zuhörer ververtigt. Jena 1764. S. 30. 236 Graßnick, Ulrike: Ratgeber des Königs. Fürstenspiegel und Herrscherideal im spätmittelalter­lichen England (Europäische Kulturstudien, Bd. 15). (Diss.) Köln/Weimar/Wien 2004. S. 1f. 237 Zit. n. Emile Durkheim: Soziologie und Philosophie (Theorie, Bd. 1). Frankfurt/M. 1967. S. 85. Ähn­lich auch Lamnek, Siegfried: Art. „Norm“. In: Reinhold, Gerd/Lamnek, Siegfried (Hg.): Soziologie-Lexikon. München/Wien ³1997. Sp. 470 – 473. Hier Sp. 470. 238 „Die Ethik kann deshalb die Metapher des Spiegels verwenden – nicht um Faktizität zu verdoppeln, sondern um den Menschen mit dem zu konfrontieren, was er nach Maßgabe seiner sozialen Stellung eigent­lich ist, aber ohne Spiegel nicht sehen kann.“ Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M. 1997. S. 915. Die Bezeichnung speculum regum oder speculum principum ist vom 12. und 13. Jahrhundert an nachweisbar, ist aber bereits auf die an Könige und Fürsten

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es einer Gewohnheit der europäischen Fürstenspiegelliteratur, einem Herrscher auch nur seinesgleichen als positives oder negatives Exempel vor Augen zu halten. Der Leser des Fürstenspiegels erhielt seine Belehrungen vordergründig durch einen Amtskollegen oder Viri illustres. Es bedurfte sehr sorgfältig ausgewählter und glaubwürdiger Exempel, an denen sich ein Herrscher ohne Beschämung orientieren könne.239 Diese suchte Justi für seine Vergleichungen nicht mehr in der Antike oder wie im Psammitichus in der eigenen europäischen Historie als stummer Ratgeberin.240 Die Vorstellung von der Historia magistra vitae im ciceronischen Sinne war jahrhundertelang von der Gesetzmäßigkeit geschicht­lichen Wandels und damit von der Wiederholbarkeit historischer Handlungen ausgegangen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts etablierte sich jedoch zunehmend die Vorstellung von der Einmaligkeit einer historischen Situation.241 Daneben häuften sich die Diskussionen um den Untergang des Römischen Reiches. Geblieben waren von ihm Ruinen. Wie sollte ein Staat überzeugen, von dem nur noch Ruinen standen, dessen

gerichteten mahnenden Werke der Karolingerzeit zu übertragen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Spiegelmetapher bereits in ihnen häufig Anwendung fand. Zur Verwendung der Spiegelmetapher vgl. Singer, Fürstenspiegel. S. 22 f. Anton, Hans H. (Hg.): Fürstenspiegel des frühen und hohen Mittelalters (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 45). Darmstadt 2006. S. 5. 239 Johann Benedikt Scheibe hatte in seinem Fürstenspiegel Grundriß der Fürstenkunst aus dem Jahr 1734 auf diesen Sachverhalt hingewiesen, dass sich Fürsten dem fürst­lichen Leser am besten als Vorbild oder abschreckendes Beispiel eigneten: Denn, weilen grosse Herren nicht gerne lebendige Lehrer, noch weniger aber lebendige Tadler leyden mögen, so dienen jene Exempel um so kräfftiger, als sie [die Herren] ohne Besorgniß einiger Beschämung sich daher unterrichten, und was sie bey ihrer Regierung sowohl nachahmen als fliehen müssen, gleichsam in einem Spiegel erblicken können. Scheibe, Johann Benedikt: Grund=Riß der Fürsten=Kunst, wornach ein Regent sich groß und seine Unterthanen glück­lich machen könne. Franckenberg an der Wartha 1734. S. 60. Noch Zedler verweist in seinem Universallexikon unter dem Lemma „Nachahmung“, dass diese nur mög­lich sei, wenn jedem Stande gemäß sein Exempel ausgesucht würde. Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 23, Sp. 51ff. 240 Der Fürstenspiegelautor Georg Lauterbeck hatte darauf verwiesen, dass die Geschichte akustisch stumm und damit vorsichtiger als ein lebender Rat kritische Sachverhalte vermitteln konnte. Lauterbeck, Georg: Regentenbuch. Aus vielen treff­lichen alten und newen Historien mit sonderm fleis zusammen gezogen. Leipzig 1556. Vorrede an den Leser. O. S. Die gängigsten Monarchen aus der Antike oder jüngeren europäischen Geschichte, die Fürstenspiegel als positive oder negative Beispiele anführten, listet Maigler-Loeser auf. Maigler-Loeser, Barbara: Historie und Exemplum im Fürstenspiegel. Zur didaktischen Instrumentalisierung der Historie in ausgewählten deutschen Fürstenspiegeln der Frühmoderne (Deutsche Universitätsedition, Bd. 25). (Diss.) Neuried 2004. S. 334. Es handelt sich beispielsweise um Philipp von Makedonien, Alexander den Großen, Cäsar, Nero (negativ), Karl den Großen und Karl V. 241 Koselleck bezeichnete dies als „Verzeit­lichung von Geschichte“. Vgl. Koselleck, Reinhard: Vergangene Zukunft der Frühen Neuzeit. In: Baron, Hans (Hg.): Epirrhosis. Festgabe für Carl Schmidt. Bd. 2. Berlin 1968. S. 549 – 566. Hier S. 550. Dazu auch Schneemann, Peter Johannes: Geschichte als Vorbild. Die Modelle der französischen Historienmalerei 1747 – 1789. (Diss.) Gießen 1993. S. 41f.

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Strukturen der Zeit nicht zu trotzen vermocht hatten? Die Antike galt den Zeitgenossen immer mehr als eine verschwundene Vergangenheit und den Reisenden eröffnete sich in Rom inzwischen eine nur noch als Mittelmaß empfundene Wirk­lichkeit.242 Der Geschichte, insbesondere der oft genug bemühten Antike, kam damit keine so wichtige pädagogische Funktion mehr zu. Sie eignete sich nicht mehr uneingeschränkt als mög­liches politisches Modell. Alternativen erschienen notwendig. Der Blick auf andere, teilweise noch existierende und erfolgreich regierte Staaten und ihre Herrscher bot sich als Spiegel an. Justi schrieb in seinen Vergleichungen: Ich habe einen großen Vorsatz gefasset. Ich will mich bemühen, in verschiedenen Werken die hohe Einbildung zumäßigen [sic!], die wir Europäer von uns selbst haben. Ich mache hier den Anfang, indem ich die Beschaffenheit der Europäischen Regierungen, mit dem Regierungszustande der Asiatischen und anderer vermeint­lich Barbarischer Völker in Vergleichung stelle; […]. Es ist unmög­lich, dass wir an eine Menge von Schwachheiten, Gebrech­lichkeiten und verzehrenden Krankheiten, die unseren Welttheil siech und elend machen, Hand anlegen können, um sie nach und nach zu heilen; wenn wir Europäer nicht vor allen Dingen uns selbst kennen lernen.243 Justi lenkte mit seinen Vergleichungen den Blick der Fürsten und seiner sonstigen Leser auf die Geschichte und die zeitgenössische Gegenwart Chinas, insbesondere die chinesischer Regierungspraxis sowie in besonderem Maße auf die Handlungen der chinesischen Kaiser. Die Wahl der chinesischen Kaiser schien berechtigt, weil ihr ebenbürtiger Rang und ihre umfassende Macht in Europa anerkannt und unbestritten waren.244 Schon Christian Wolff hatte von der ungeheuren Wirkung der vorbild­lichen Kaiser auf 242 Zur zunehmend kritischen Sicht Roms und der Antike in Geschichtsschreibung und schöngeistiger Literatur vgl. Foucart, Claude: Rom und das klassische Ideal. In: Glaser, Horst Albert/Vajda, György M. (Hg.): Die Wende von der Aufklärung zur Romantik (A Comparative History of Literatures in European Languages, Bd. 14). Amsterdam/Philadelphia 2001. S. 685 – 713. Hier S. 694ff. 243 Justi, Vergleichungen, Vorrede, S. 4. 244 Europäische Herrschaft und die wechselseitige recht­liche Anerkennung dieser innerhalb Europas basierte auf der sich ähnelnden politischen Struktur zahlreicher europäischer Staaten, insbesondere der Monarchien, den konvergierenden Intentionen ihrer Herrscher sowie in deren europaweiten dynastischen Verbindungen. Europa bildete somit eine Gemeinschaft der Gesetze aufgrund verwandter Dynastien und besaß eine gemeinsame politische Kultur, die ihre Grundlage in den Blutsbanden der Herrscherhäuser hatte. Dies bedeutete, dass in der Frühen Neuzeit in großen Teilen Europas vor allem Monarchen Lenker des Gemeinwesens und Subjekte des Völkerrechtes waren. Ausgehend von dieser Prämisse erfolgte auch die völkerrecht­liche Einordnung bzw. Bewertung fremder Kulturen und Länder anhand ihrer etablierten Herrschaftsform und ihrer Herrscher. Johann Christian Lünig bemerkte 1720 in seinem Theatrum ceremoniale, dass es auch unterschiedene mächtige Könige und Potentaten in Asia gäbe. Unter ihnen seien sonder­lich in Asien der König in Persien, der grosse Mogol, der Kayser in Japan, der Cham der Traterey und zugleich Kayser in China zu nennen. Ihnen würden von denen Europäischen Potentaten, so mit denselben zu negotiiren haben, Königen gehörige Ehren=Bezeugungen erwiesen. Ehrenbezeugungen, wie bestimmte Anreden und Titel, gehörten zum Ceremoniel, nach Lünig eine unter souveränen, oder ihnen gleichgeltenden Personen […] eingeführte Ordnung. Lünig, Johann Christian: Vom Ceremoniel, so bey unterschiedenen ausser Europa

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ihre Nachfolger und das chinesische Volk geschwärmt: Daher sehen wir, daß die Chinesen die glänzenden Beispiele der Kaiser und der Philosophen anstelle von Regeln verwendeten.245 Warum sollte diese Wirkung nicht auch auf deutsche bzw. europäische Fürsten mög­lich sein? Zumal nun gerade die Beschreibungen der chinesischen Geschichte, die ja durch die Abhandlungen der Jesuiten und in kompakt zusammengefasster Form durch Du Halde europäischen Lesern zur Verfügung standen, der aufgeklärten Konzeption von Geschichte zu entsprechen schienen. Die Menschheitsgeschichte wurde von der aufklärerischen Geschichtsschreibung als eine Abfolge von Entwicklungsstufen verstanden, die auf die Vervollkommnung der Menschheit zielte. Genau diese fortschreitende Vervollkommnung ließ sich anhand der Geschichte der chinesischen Monarchie mit ihrer stetig zunehmenden innenpolitischen Dynamik und ihrer institutionellen Stabilität bestens betrachten. Die fremde chine­sische Geschichte erwies sich somit für Justi als eine brauchbare Lehrerin.

befind­lichen Höfen bey ein und ander Fällen observiret worden. In: Ders.: Theatrum Ceremoniale Historico Politicum. Bd. 2. Leipzig 1720. S. 1461. Als eine wichtige Grundlage zur Erfassung der Bedeutung eines europäischen oder fremden Potentaten dienten in der Frühen Neuzeit die so genannten rangrecht­lichen Traktate. Anhand eines Katalogs von Kriterien wurde in ihnen der Rang eines Monarchen und seines Hauses innerhalb der fürst­lichen Gesellschaft Europas diskutiert und definiert. Beachtung fanden dabei Aspekte wie […] das Altherthum der Monarchie oder Souveränität, die Macht, Potentatus oder Suprematus, die Vielheit der Königreiche, die Ehren=Titul, welche eine Majestät vor der anderen hat, die absolute Gewalt, die Würdigkeit der Vasallen, über welche eines Majestät herrschet. Diese Kriterien dienten auch der Beschreibung und dem deutschen Verständnis der chinesischen Monarchie, basierend auf Du H ­ aldes langen Passagen zum Alter und zur jahrtausendealten Geschichte der chinesischen Monarchie. Das Zitat entstammt: Stieve, Gottfried: Europäisches Hof=Ceremoniel, in welchem Nachricht gegeben wird, was für eine Beschaffenheit es habe mit der Praerogativ und dem daraus fließendem Ceremoniel zwischen kayser und königl. Mayestäten. Leipzig ²1723. S. 2. Vgl. insbesondere auch Stosch, Balthasar Sigismund von: Von dem Praecedenz=Oder Vorder=Recht/aller Potentaten oder Republiquen in Europa. Breslau u. a. 1677. S. 2. Vgl. dazu grundsätz­lich Richter, Susan: Die Bewertung des chinesischen Kaisers in europäischen Druckwerken des 17. und 18. Jahrhunderts als Spiegel seiner völkerrecht­lichen Gleichrangigkeit. In: Jahrbuch der Staat­lichen Kunstsammlungen Dresden 34 (2008). S. 27 – 39. Dies.: Der Einfluss des Privatfürstenrechts auf das Völkerrecht als europäisches Phänomen. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 127 (2010). S. 293 – 300. Demel, Walter: Kaiser außerhalb Europas? Beobachtungen zur Titulatur außereuropäischer Herrscher zwischen „deskriptiver“ Reiseliteratur und politischen Interessen. In: Beck, Thomas/Gründer, Horst/ Pietschmann, Horst/Roderich, Ptak (Hg.): Überseegeschichte. Beiträge der jüngeren Forschung. Festschrift anläss­lich der Gründung der Forschungsstiftung für vergleichende europäische Überseegeschichte 1999 in Bamberg (Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Bd. 75). Stuttgart 1999. S. 56 – 75. Hier S. 63f. 245 Wolff, Oratio, S. 57. Wolff ging davon aus, dass Konfuzius nicht eine eigene Lehre begründet, sondern die der alten Kaiser Yao, Shun und Yu aufgegriffen, zusammengezogen und gebündelt vermittelt hatte. Ho, Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff, S. 94 und S. 105.

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Gezielt hatte Justi deshalb auch das Vorwort eines bekannten chinesischen Fürstenspiegels (Taizong Difan) aus der Tang-Zeit in seine Vergleichungen aufgenommen, der seinen Lesern authentisch, quasi als Quellenzitat, die vorbildhaften Handlungen des Kaisers Taizong nahebringen sollte.246 Aus der Reflexion des Kaisers Taizong über den Wert und das Ziel von Fürstenspiegeln hatte sich Justis Konzept für seine Vergleichungen ergeben. Taizong sagte: Wir haben dreyerley Spiegel. Näm­lich den Stahl, dessen sich das Frauenzimmer bedienet, wenn es seinen Hauptschmuck angelegt, hernach die alten Schriften, darinnen man den Ursprung, den Wachstum und den Verfall des Reiches ­erblicket. Die Stelle des dritten Spiegels vertreten die Menschen selbst. Denn wenn man nur ein wenig auf ihre Handlungen merket, so findet man bald, was man thun, was man lassen soll. Diesen letzten Spiegel hatte ich in der Persohn meines Colao.247 Als Colao war dem Leser ein äußerst mutiger, fähiger und ehr­licher Staatsbediensteter und Berater im Rang eines Ministers vorgestellt worden, der sich nicht scheute, die Entscheidungen seines Herrn zu kritisieren, um das Land vor Unheil zu bewahren. Mit seinen Vergleichungen bot Justi zwei der von Taizong genannten Spiegel: Er ermög­lichte zum einen den europäischen Monarchen den gewohnten Blick auf ihresgleichen, auf die mustergültigen Kaiser Chinas, die zur moralischen Anleitung ihrer Amtskollegen dienen sollten. Zum anderen schlüpfte er selbst in die Rolle des Colao und wollte sich mit seinen Vergleichungen, in denen er eine Analyse von Defiziten vorlegte und gezielt theoretische und praktische Handlungsoptionen für die Monarchen erarbeitet hatte, nach chinesischem Vorbild als besorgter Untertan und verantwortungsbewusster Fürstenberater erweisen. Damit wandte er sich gezielt gegen die Unverbind­lichkeit des deutschen Fürstenspiegelgenres, das lieber mit der Geschichte als stummer Ratgeberin argumentierte als durch – wie es Benedikt Scheibe ausgedrückt hatte – lebendige Tadler, die mit offener Kritik die Fürsten schnell verärgerten. Justi wählte jedoch explizit diese Rolle mit folgender Begründung: Das bereits ausführ­lich diskutierte Bild des väter­lichen Monarchen in den Territorien des Alten Reiches und auf Reichsebene galt für Justi gleichermaßen auch für die Verwaltungen, die Ausführenden im Sinne von delegierter Herrschaft. Es bedurfte nach Justi deshalb in den Territorien und auf der Reichsebene nicht nur – wie bereits genannt – umfassend gebildeter, väter­lich wirtschaftender und wirkender Fürsten und eines entsprechenden Kaisers an der Spitze des Reiches, sondern gleichermaßen eines geschulten, funktionstüchtigen, loyalen und patriotischen Beamtentums im Dienst von Reich und Territorien. Justi schrieb in seinen Vergleichungen: Monarchen sollten Väter ihres Volkes seyn; und alle diejenigen, denen sie einen Theil ihrer Macht auszuüben anvertrauen, müssen sich demnach in eben diesem Gesichtspunct setzen, und in allen ihren Handlungen und maßregeln solchergestalt verfahren, als es die Pf­licht des Regenten ist, sich gegen sein Volk zu bezeigen. Sie handeln anstatt und im

246 Vgl. dazu Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 493ff. 247 Justi, Vergleichungen, S. 157.

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Namen des Monarchen. Sie müssen sich also in denen ihnen anvertrauten Angelegenheiten gleichfalls als Väter des Volkes betragen.248 Auch in dieser Argumentation bezog sich Justi auf Du Haldes Description de la Chine und die Information, dass die chinesischen Mandarine alle ihre Pf­lichten im Staat als Väter des Volkes zu erfüllen hatten.249 Die von den Reise­berichten und Kompendien immer wieder betonte zentrale Stellung der gelehrten Beamtenschaft in China, die hohe Bedeutung und ihr Amtsverständnis sollte nach Justi wie ein Spiegelbild auf die Verwaltungsbeamten des Alten Reiches und der Territorien wirken. Sie sollten sich als immer spezieller ausgebildete und zunehmend professioneller arbeitende Amtselite sowie gleichzeitig als engagierte Bürger der Territorien und als Patrioten des Reiches verstehen. Genau in einer solchen Funktion und Verantwortung sah sich Justi auch selbst: als Teil einer sich eben herauskristallisierenden Trägerschicht, die einen Paradigmenwechsel in der Ausübung der monarchischen Herrschaft anstrebte und dafür die Leitideen und Leitbilder mit eigenen Begriffen (etwa der sich mäßigende und die Landwirtschaft befördernde Fürst oder die funktionale Einheit der Gesellschaft zur Realisierung der Glückseligkeit) formulierte und darauf zielte, die Vorstellungen umzusetzen. Die Verwaltungsbeamten sollten aus Justis Sicht nicht mehr nur die traditionellen Säulen der Obrigkeit im Sinne einer unwandelbaren Herrschaftsarchitektur, sondern die Architekten eines neuen Herrschaftsverständnisses sein. Er strebte als ehemals praktisch wirkender und theoretisch reflektierender Verwaltungsbeamter eine Kooperation zwischen den entstehenden deutschen Staaten, ihren Monarchen und einer Amtselite an, um Reformen voranzutreiben und Missständen abzuhelfen. Justi vermittelte in seinen Vergleichungen, aber auch in anderen Werken nicht nur die aus seiner Sicht hilfreiche Kritik an den Zuständen in den deutschen Territorialverwaltungen sowie ein gezielt ökonomisches Verwaltungswissen, sondern auch eine Klammer der Identifikation zwischen dem jeweiligen kleinen Territorium, dem Reich sowie den Behörden auf beiden Ebenen.250 In der Mitte des 18. Jahrhunderts fühlten sich Wissenschaftler und praktische Philosophen zunehmend einem Ethos mit

248 Ibd. S. 415. 249 Ibd. S. 416. 250 Priegnitz, Christoph: Vaterlandsliebe und Freiheit. Deutscher Patriotismus von 1750 bis 1850. Wiesbaden 1981. Einleitung. Stolleis stellt fest, der aufkommende Reichspatriotismus sei ein Indikator für Krisen des Reiches gewesen. Krisen hätten eine stimulierende Wirkung auf die Identifikation mit dem Reich bewirkt. Stolleis, Michael: Reichspublizistik und Reichspatriotismus vom 16.-18. Jahrhundert. In: Birtsch, Günter (Hg.): Patriotismus (Aufklärung, Bd. 4,2). Hamburg 1991. S. 7 – 23. Hier S. 8. Zum Reichspatriotismus ebenfalls Vazsinyi, Montesquieu, Friedrich Carl von Moser, and the „National Spirit Debate“ in Germany, S. 234ff. Vierhaus, Rudolf: „Patriotismus“ – Begriff und Realität einer moralisch-politischen Haltung. In: Ders. (Hg.): Deutschland im 18. Jahrhundert. Politische Verfassung, soziales Gefüge, geistige Bewegungen. Ausgewählte Aufsätze. Göttingen 1987. S. 96 – 109. Bödeker, Hans Erich: Prozesse und Strukturen politischer Bewußtseinsbildung der deutschen Aufklärung. In: Ders./Herrmann, Ulrich (Hg.): Aufklärung als Politisierung – Politisierung der Aufklärung (Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 8). Hamburg 1987. S. 10 – 31.

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Gegenwartsbezug verpf­l ichtet, der auf dem zeitgenössischen Gebot der prudentia civilis beruhte: Der Mensch sollte nicht nur als Zeitgenosse ein zufälliger, sondern zugleich auch ein verantwortungsbewusster Teil und Spiegel des unmittelbaren Zeitgeschehens sein. Deshalb besaß der Beamte in Justis Verständnis gegenüber dem Staat die Pf­licht, sein Amt und sein Wissen zum Wohl und zum Zweck des Staates einzusetzen. Dies implizierte auch die Äußerung von Kritik oder Vorschlägen zur Verbesserung.251 Als Bürger und Beamter (wenn auch gerade außer Dienst)252 sah sich Justi nun in der patriotischen Pf­licht, wie Colao im chinesischen Fürstenspiegel, Kritik an bestehenden Zuständen zu üben und Reformvorschläge zu unterbreiten. Justi schrieb in seinen Vergleichungen: Aber auch ein jeder einzelner Untertan muß unstreitig das Recht haben, seinem Regenten über die Fehler und Gebrechen in der Regierung Vorstellung zu thun. Er ist ein Mitglied der bürger­lichen Gesellschaft; und sein eigenes Wohl und Weh ist mit der Glückseeligkeit oder Nachtheil dieser Gesellschaft auf das allerengste verbunden.253 In China fand er dieses Ideal verwirk­licht: Zweytens ist es einem jeden Mandarin erlaubet, dem Kayser seiner Fehler wegen Erinnerung zu thun, dafern es nur mit derjenigen Vorsicht geschieht, welche die tiefe Ehrfurcht erfordert, die man gegen ihn trägt.254 Ausführ­ lich schilderte er deshalb in seinen Vergleichungen in enger Anlehnung an Du Halde, in welcher Form dem Kaiser in China moralische oder fach­liche Ratschläge bzw. kritische Anmerkungen dargebracht werden durften.255 Schon vor Justi hatten Gottfried Wilhelm Leibniz, Georg Bernhard Bilfinger und Christian Wolff die „Teachings of political ethics“ der chinesischen Mandarine gepriesen, die als Praktiker und Gelehrte sowie als wachsame Kritiker des Staatsinteresses

251 Vgl. dazu Hattenhauer, Hans: Geschichte des deutschen Beamtentums (Handbuch des öffent­lichen Dienstes, Bd. 1). Köln/Berlin ²1993. S. 167ff. 252 Justi befand sich während der Abfassung seiner Vergleichungen gerade im Wartestand und hoffte auf die Aufnahme in den brandenburgisch-preußischen Staatsdienst. Ahl, Justi, Johann Heinrich Gottlob. S. 341. 253 Justi, Vergleichungen, S. 33. In seiner Staatswirtschaft aus dem Jahr 1758 heißt es: Heut zu Tage ist man über das lächer­liche Vorurtheil hinaus, daß man die Einrichtungen der Staaten nur mit einem sehr andächtigen Glauben ansehen, aber nicht beurtheilen dürfe. Selbst in Frankreich, wo man sonst wider die Beurtheiler der Maßregeln und Verfassungen des Staats sehr strenge verfuhr, wird man zu unsern Zeiten hierinnen gelinder und vernünfftiger, und gestattet, daß man in öffent­lichen Schriften Vorschläge und Erinnerungen wegen nöthiger Verbesserungen thut. Wie viel weniger also hat ein Fremder Ursache sich ein bedenken zu machen, über die Verfassungen anderer Staaten seine Gedanken zu eröffnen. Ich bin auch bey meinen Beurtheilungen ganz ohne Absichten. Z. E. ich erinnere vieles wider die Verfassungen der österreichischen Staaten, allein man wird auch finden, daß ich vieles lobe und zur Nachahmung anpreise. Justi, Staatswirtschaft, Bd. 1, S. VIf. 254 Justi, Vergleichungen, S. 20. 255 In Du Haldes Ausführ­liche[r] Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2 findet sich die bereits genannte Sammlung von weisen Edikten, welche die alten chinesischen Kaiser vor Jahrhunderten gegeben hätten. In diesem Zusammenhang ist dieses Edikt wichtig: Kaiser Vent ti [Wendi] schaffte das Gesetz ab, nachdem Kaiser nicht kritisiert werden dürfen. S. 448.

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fungierten.256 Das musste gerade Autoren wie Justi, die den Status zwischen Praxis und Gelehrsamkeit für sich selbst wählten, animieren, ihr Wissen zur Verfügung zu stellen. Die chinesischen Beamten vermittelten der Bevölkerung moralisches und fach­liches Wissen. Sie konnten “enlighten the peoples, not to undermine the well-being of the empires, but to secure it trough the sciences and morals on the foundation-stone of genuine humanity”.257 Justi versuchte wie andere Autoren von Fürstenspiegeln mit den von ihm zusammengefassten Wertvorstellungen und den daraus resultierenden Handlungsrichtlinien für die Herrscher in seinen Vergleichungen eine Anleitung dafür zu geben, das gesellschaft­ liche und politische Leben stärker zu regulieren und kalkulierbarer zu machen. Seine Konstruktion des idealen Bildes eines sich selbst mäßigenden Herrschers mit festem Verhaltenskodex und freiwilliger Unterordnung unter die Gesetze zielte zunächst mit den Mitteln eines klassischen Fürstenspiegels auf die Erziehung des Monarchen und einem von ihm aus Einsicht vollzogenen Wandels der Herrschaftsausübung. In seinen Vergleichungen findet sich mehrfach die Aussage, dass die fürst­liche Erziehung und Belehrung eine wesent­liche Grundlage guter Herrschaft darstelle.258 Gerade die etablierte Ignoranz oder das mangelnde Interesse der Fürsten für ein Thema oder eine Angelegenheit könne immer nur durch Erziehung und Belehrung ins Gegenteil umgewandelt werden.259 Dafür musste jedoch der Blick des Monarchen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Gegenstand gelenkt werden, an dem sich der Herrscher orientieren sollte. Ausgehend von der zeitgenössisch etablierten Vorstellung, dass das Auge bzw. das Sehen, in Anlehnung an das Auge Gottes, das bedeutendste Sinnbild politischer Klugheit und Erkenntnis welt­licher Herrscher darstellte, musste das fürst­liche Auge 260 nun um die Linse eines Fernrohrs ergänzt werden, um den Blick auf den fremden Gegenstand oder den neuen Erfahrungsraum China zu lenken zu können. Justi bedurfte des Monarchen als Initiator und zur Durchsetzung von wichtigen Reformen im ökonomischen, insbesondere landwirtschaft­lichen Bereich sowie der damit verbundenen notwendigen neuen Annäherung der Gesellschaft hinsicht­lich der landwirtschaft­lichen Güterproduktion sowie einer Verwertung der Produkte durch die Manufakturen.261 Doch wie ließ sich für Justi eine solche zielgerichtete ­Umgestaltung 256 Tribe, Keith: Governing Economy. The Reformation of German Economic Discourse 1750 – 1840. Cambridge 1988. S. 59. 257 Goebel, Rolf T.: China as an Embalmed Mummy: Herder’s Orientalist Poetics. In: South Atlantic Review 60/1 (1995), S. 111 – 129. Hier S. 126. 258 Justi, Vergleichungen, S. 353. 259 Ibd. S. 57. 260 Frühsorge, Privatklugheit, S. 6ff, S. 68ff. 261 Im Jahr 1625 tauchte erstmals der französische Begriff réforme in deutschen Verwaltungsquellen auf. Im Dictionaire de l’Academie française bedeutete réforme zunächst die Wiederherstellung der alten guten Ordnung, sogar eines idealen Zustands. Im späten 17. Jahrhundert wandelte sich der Begriff. Wandelbarkeit bekam eine teleologische Komponente und bedeutete Verbesserung im Sinne einer

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angehen? Dies gelang ihm, indem er in seinen Vergleichungen weit über die üb­lichen moralisch belehrenden Inhalte eines klassischen Fürstenspiegels hinausging und diesen um ganz konkrete Ratschläge für Reformen und mög­liche Lösungsansätze für gezielte Veränderungen im gesellschaft­lichen, landwirtschaft­lichen und administrativen Bereich erweiterte. Die Vergleichungen boten parallel zu den Inhalten eines Fürstenspiegels Passagen einer ausführ­lichen Denkschrift mit einem handlungstheoretischen bzw. handlungsleitenden Konzept zur konkreten Realisierung guter Herrschaft sowie der Glückseligkeit auf der Basis der Ökonomisierung des Staates. Strategisch deut­ lich versierter als in seinem Psammitichus bot Justi seinen Lesern diesmal nicht nur ein Herrscherideal und ein politisches Ziel, sondern entwarf konkrete Vorschläge für Erneuerungen bzw. Veränderungen unter Berücksichtigung der verfügbaren, bisher aber stark vernachlässigten Mittel wie etwa der gesamtgesellschaft­lichen Verantwortung für den Nahrungsgewinn und der Ressourcen wie etwa der Landwirtschaft. Weit über die gängige Fürstenspiegelliteratur hinaus entwarf Justi eine modifizierte patriarcha­ lische Herrschaftsvorstellung mit verändertem Wirkungsbereich sowie administrative Strukturen und fixierte zusätz­lich darin klare Vorstellungen für neue Einrichtungen, Verfahrensabläufe und Methoden zur Umsetzung des Ideals. Er gab den europäischen Fürsten nicht nur das Herrschaftsideal, sondern zugleich auch Technologien der praktischen Ausübung der Herrschaft an die Hand. Es ging ihm um die Überzeugung der Monarchen, bis sie weise und tugendsam seine Einsichten verstanden und teilten. Im Jahr 1784 hatte der Reformer Johann August Eberhard seine sehr ähn­lichen Hoffnungen auf die Einsichten der Fürsten so formuliert: […] daß ihr Wille mit dem aller aufgeklärten Bürger übereinstimmen möge.262 Justis Vergleichungen wurden ein Jahr nach der Publikation wiederum von Thomas Abbt in den Briefe[n], die Neueste Litteratur betreffend rezensiert. Die Kritik Abbts fiel diesmal deut­lich positiver als beim Psammitichus aus. Er habe die Schrift mit V ­ ergnugen gelesen. Im Zentrum der Einschätzung Abbts standen die wechselseitigen Pf­lichten zwischen dem Oberherrn und [dem] Unterthan sowie die Diskussion von Strafen seitens der

Erneuerung, die auch Veränderung zuließ. Reform hatte somit lange eine Richtung für ihre Orien­ tierung: die Vergangenheit. Die Geschichte und die Tradition waren ihre Lehrmeisterinnen. Sie leiteten die zeitgenössische Gegenwart und verpf­lichteten sie auf bekanntes, erprobtes und damit für zuverlässig befundenes Erfahrungswissen. Aber auch die Mechanismen ihrer Umsetzung blieben damit immer die gleichen. Montesquieu hatte in seinem Esprit des lois gewarnt, dass zu häufige Veränderungen für einen Staat negative Folgen hätten. Zugleich könne aber ein Staatswesen nur dann überleben, wenn es durch Reformen den Veränderungen und verändernden Bedingungen angepasst würde. Reform wurde damit nach Montesquieu zu einem zukunftsorientierten Planungsbegriff, zu zielgerichteter Umgestaltung. Justi folgte in seinen Vergleichungen Montesquieus Vorstellung von Reform. Montesquieu, Esprit, Kap. XIX, S. 13f, S. 15f, S. 27 – 39. 2 62 Eberhard, Johann August: Über die Freyheit des Bürgers und die Prinzipien der Regierungsformen. In: Ders.: Vermischte Schriften. Bd. 1. Halle 1784. S. 1 – 28. Hier S. 28.

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Herrschaft.263 Die Landwirtschaft fand in der Rezension keine Beachtung. Allerdings sah Abbt die Anlehnung Justis an die Jesuitenberichte und sein Vertrauen in den Wahrheitsgehalt derselben kritisch. Er lehnte die Hinwendung Justis zu den Jesuitenberichten jedoch nicht vollkommen ab, sondern mahnte noch einmal zur kritischen Distanz: Sie wissen, wie widersprechend die Nachricht in Absicht auf China sind. Die Kaufleute entwerfen ein ganz anderes Bild als die Jesuiten. Der Hr. v. J. erklärt seinen Glauben für die Beschreibungen der letztern, und seine Gründe nehmen beym ersten Anblick ein. Ist es aber nicht auch von der andern Seite wahr, daß derjenige, welcher an dem verderbtesten Hofe und in einer Hauptstadt gut aufgenommen wird, sich einen Entwurf von den heilsamen Verfassungen des Landes geben läßt, vortheilhaft von der Regierung urtheilen wird, dahingegen der andere, der in einer Provinz, ohne Schutz, den Plackereyen der Unterbedienten ausgesetzt ist, über die Gewalttätigkeit und über schlimme Verfassung klagen wird? Welchem von beyden sollen wir Glauben zustellen? Werden wir der Kenntnis des erstern mehr trauen, als der Empfindung des andern? Der Eigennützigkeit des letztern, welche vielleicht angetastet worden, kann frey­lich das Bild schwärzen: allein die Liebkosungen, wodurch die erstere schwind­lich gemacht wird, erhöht auch die Farben an seinem Gemählde.264 4.1.5 Die Konstruktion von Justis Modell

Die Wahl der Methode, ein Muster zu konstruieren, das als Spiegel fungieren konnte, war bereits hinläng­lich aus den Fürsten- und Regentenspiegeln des 16. und 17. Jahrhunderts bekannt. Das Muster stellte sich dabei als nachahmenswertes Vorbild für die Praxis dar. Es sollte zur Imitation anregen und avancierte somit zu einem Modell, das sich theoretisch abstrahieren, fassen und reflektieren ließ. Auch Justi hatte in seinen Vergleichungen ein neues Herrschaftsmodell für eine zukunftsorientierte und vorausschauend gestaltete, neue Form von Staat­lichkeit konstruiert. Die Rolle des chinesischen Monarchen diente Justi als „Steinbruch“ und Legitimation für sein neues Konzept, mit dem er denk- und handlungsanleitend Reformen anzuregen versuchte. Der pflügende chinesische Monarch avancierte für Justi zum Vorbild eines ökonomisch gebildeten und entsprechend handelnden Fürsten oder sogar zum Modell eines erweiterten Herrschaftskonzepts des ersten Landmannes im Staat.

263 Abbt, Thomas: Rezension zu Justi, J. H. G. v.: Vergleichungen der europäischen mit den asiatischen und anderen vermeint­lich barbarischen Regierungen. Berlin 1762. In: Briefe, die Neueste Litteratur betreffend 16 (1763). S. 117 – 126. Hier S. 118. Der zweite Teil von Abbts Rezension, der vor allem das Strafsystem in den Blick nimmt, findet sich unmittelbar im Anschluss in derselben Ausgabe, S. 127 – 140. 264 Ibd. S. 120f.

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Doch was verstanden die Zeitgenossen überhaupt unter einem Modell und wie konstruierte Justi dieses? Zedlers Universallexikon definierte das Lemma-„Modell“ als Richtschnur, Vorbild und Muster, nach dem man etwas macht. Es […] dienet ein Modell, den Begriff [von etwas] deut­licher zu machen.265 Zedler hatte mit seiner Definition wört­ lich auf Wolff zurückgegriffen.266 Nach Johann Amos Comenius’ (1592 – 1670) Didaktik waren Modelle Stellvertreter (exemplaria), Abbilder (imagines) oder Anschauungsmittel (autoptica instrumenta).267 Comenius war davon ausgegangen, dass als ein Modell etwas nur Gedachtes oder etwas Abwesendes, was sich im Himmel, der Hölle oder jenseits des Meeres befand oder ereignet hatte, abgebildet bzw. dargestellt werden könnte. Ein Modell verband das Abwesende mit dem Vorhandenen.268 Eine grundlegende Voraussetzung für Justis Modellkonstruktion fand sich in Christian Wolffs bereits ausführ­lich dargelegter Vorstellung vom „Witz“ als Erkenntnis bildende bzw. Ähn­lichkeiten oder Analogien stiftende und Verknüpfung zwischen Gegenständen herstellende Eigenschaft, die Justi durch seine intensive Auseinandersetzung mit Wolffs Schriften sehr wahrschein­ lich bekannt war. Daneben trat ein paar Jahre später David Humes Assoziationstheorie, die er in seinen Philosophical essays concerning human understanding aus dem Jahr 1748269 formuliert hatte. Justi hatte sich – wie bereits erwähnt – mit der schottischen Moralphilosophie eingehend beschäftigt.270 Hume war vollkommen fasziniert von Newtons Gravitationsgesetz, weil es gewaltige Ordnungen (etwa die Anziehung von Körpern durch Masse etc.) hervorgebracht hatte. Das Gesetz basierte wesent­lich auf der Erkenntnis 265 Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 21, S. 378. Krünitz spricht 1803 von einem vertieften Muster. Krünitz, Johann Georg (Hg.): Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Land-Wirthschaft, in alphabetischer Ordnung. Bd. 92. Berlin 1803. S. 525ff. 266 Wolff, Christian von (Hg.): Vollständiges Mathematisches Lexicon. Darinnen alle Kunst-Wörter und Sachen, welche in der erwegenden und ausübenden Matheri vorzukommen pflegen, deut­lich erkläret. Leipzig 1734. Sp. 852. 267 Zum Begriff vgl. Bergem, Wolfgang/Blum, Lothar/Marx, Friedhelm (Hg.): Metapher und Modell. Ein Wuppertaler Kolloquium zu literarischen und wissenschaft­lichen Formen der Wirk­lich­keits­ konstruktion (Schriftenreihe Literaturwissenschaft, Bd. 32). Trier 1996. Einleitung. Müller, Roland: Zur Geschichte des Modelldenkens und des Modellbegriffs. In: Stachowiak, Herbert (Hg.): Modelle, Konstruktionen der Wirk­lichkeit (Kritische Information, Bd. 101). München 1983. S. 17 – 78. Hier S. 30. Ich danke Herrn Prof. Dr. iur. Hubert Treiber aus Hannover sehr herz­lich für anregende Gespräche über Modelle und Modelltheorien. 268 Comenius, Große Didaktik, S. 197. 269 Hume, David: Philosophical essays concerning human understanding. By the author of the Essays moral and political. London 1748. Jean-Bernard Mérian hatte eine französische Übersetzung angefertigt, die 1758 unter dem Titel Essays philosophiques erschien. Hume war zwar nicht der Erste, der auf die Assoziationsgesetze Bezug nahm, nur hatte aus seiner Sicht bisher noch kein Philosoph versucht […] to enumerate or class all the principles of association; a subject, however, that seems worthy of curiosity. Hume, Philosophical essays, S. 24. 270 Justi hatte die Schriften von Hobbes, Temple, Bolingbroke, Mandeville und Hume zur Kenntnis genommen. Adam, The Political Economy of J. H. G. Justi, S. 54.

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von Analogien bzw. Ähn­lichkeiten des Verhaltens von Himmelskörpern und irdischer Gegenstände. Hume übertrug die Funktionsweise dieses Naturgesetzes auf die Ideen, die somit auch Anziehungskraft aufeinander ausüben konnten. Aus der Anziehung von Ideen folgten Ideenverbände, aus denen sich wiederum Ordnungen ergaben und offenbarten. Hume fragte nach den Prinzipien, nach denen sich Ideen miteinander verbinden konnten. Er kam zum Schluss, dass Ideen (ideas) entweder durch Ähn­lichkeit (resemblance) oder durch eine raum-zeit­liche Verbindung (contiguity), wie etwa die Nähe oder die Nachbarschaft von Dingen, miteinander in Beziehung treten konnten. Verknüpfendes Element war für ihn die Assoziation. Assoziationen bildeten für den schottischen Philo­ sophen das einzige Prinzip der geistigen Ordnung. Nach Hume lieferten somit neben dem Verstand auch Empfindung und Gefühl wichtige Eindrücke und Erkenntnisse.271 Die Einbildungskraft arbeite mit Gedanken und Vorstellungen von etwas und führe zur Assoziation. Diese wiederum ergebe sich automatisch. Der Ähn­lichkeit erkannte Hume eine sehr hohe Wirkungskraft zu, welche die Assoziation als Verbindung von Ideen oder Gegenständen besonders leicht machen musste. Je größer die Ähn­lichkeit, desto stärker, je geringer die Ähn­lichkeit, desto schwächer falle die Assoziation aus.272 Die Assoziation wiederum münde, so Hume, in drei mög­liche Prinzipien: •• entweder zur gedank­lichen Verbindung von zwei Gegenständen, •• zur Umstellung oder •• zur Vermehrung bzw. Verminderung von Inhalten.273 Humes erkenntnistheoretische Überlegungen zur Verknüpfung von Ideen wurden zwar in deutschen Rezensionen kurz besprochen, aber erst ab Mitte der 1770er Jahre in Deutschland mehrfach im Kontext anderer Assoziationstheorien ausführ­lich vorgestellt und diskutiert.274 Justi hatte es leicht, in Anlehnung an Wolffs Erkenntnis der Ähn­lichkeit zwischen dem Ideal der patriarchalischen Herrschaftsausübung in der europäischen und chinesischen Tradition, eine gedank­liche Verbindung mit Du Haldes reichhaltigem Material für sein angestrebtes, über Wolff hinausführendes Konstrukt der Ökonomisierung von Herrschaft herzustellen. Mit der vertrauten europäischen Begriff­lichkeit des pater patriae (Gegenstand a) verband und erschloss Justi seinen Lesern (wie in Humes

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Ibd. S. 4. Ibd. S. 21ff. Ibd. S. 32. So etwa bei Hissmann, der sich von antiken Theorien über Hobbes, Malebranche, Locke, Leibniz und Wolff mit Hume und anderen britischen Empirikern auseinandersetzt. Hissmann, Michael: Geschichte der Lehre von der Association der Ideen: nebst einem Anhang vom Unterschied zwischen associirten und zusammengesetzten Begriffen und den Ideenreyhen. Göttingen 1776. Zu Hume S. 52ff. Später folgte Maimon, Salomon: Versuch über die Transscendentalphilosophie mit einem Anhang über die symbolische Erkenntniß und Anmerkungen. Berlin 1790.

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Assoziationstheorie) das fremde chinesische Konzept (Gegenstand b), das er unter die gleiche Begriff­lichkeit des pater patriae subsumierte. Er ging dabei selektiv gegenüber dem Verständnis der chinesischen väter­lichen Herrschaftsausübung Wolffs vor, indem er dessen Charakteristik des chinesischen Monarchen nur verkürzt bzw. vermindert (etwa die umfassende Machtfülle und die väter­liche Liebe als Handlungsmotivation) aufnahm. Stattdessen suchte er ausgehend vom ökonomischen Hausvaterverständnis verstärkt nach Anhaltspunkten in der chinesischen Herrschaftsauffassung, um damit das europäische väter­liche Herrschaftsverständnis zu erweitern. Machtpolitische Komponenten mit ökonomischer Auswirkung wie die Mäßigung oder die hohe Bedeutung der Landwirtschaft, welcher der chinesische Kaiser als Erster seines Landes vorstand, betonte Justi besonders stark. Negative Aspekte bzw. das Scheitern chine­sischer Herrschaft bei Hungersnöten ignorierte er. Hier handelte es sich angesichts des Spektrums, das Du Halde bot, um eine Verminderung von Inhalten und eine Überbetonung bestimmter, für sein Ziel notwendiger Punkte. Oder anders ausgedrückt, Justi bot eine Aufwertung oder Überbewertung bestimmter Eindrücke der Jesuiten und eine Abwertung anderer. Hinsicht­lich der bedeutenden Rolle der Landwirtschaft im chinesischen Staat und der Funktion des Kaisers als Protektor der Landwirtschaft hatte Justi sich exakt an die Deutungen der Jesuiten gehalten. Auf ihren Informationen und ihren positiven Deutungen basierte seine gesamte Argumentation. Als Resultat legte er daraus ein verdichtetes Herrschaftskonzept der chinesischen Kaiser mit einer starken ökonomischen Ausrichtung und persön­lichen Mäßigung bzw. Unterordnung unter die Gesetze vor (Gegenstand c). Modellhaft waren für Justi insbesondere diese Ordnungselemente der chinesischen Monarchie. Es handelte sich bei seinem Ergebnis um ein Konstrukt und eine Sicht auf die chinesische Herrschaftsausübung, die so noch nicht formuliert worden war. Obwohl die räum­liche Nähe Chinas primär als Assoziationsvoraussetzung natür­lich nicht in Frage kam, wurde die geographische und damit auch kulturelle Distanz durch die umfassende Kenntnis Chinas in Europa dank der breiten Berichterstattung der Jesuiten und der Bündelung ihrer Kenntnisse in Kompendien sowie die konstatierte Ähn­lichkeit in der Herrschaftsauffassung überwunden. Die Ähn­lichkeit bot eine inhalt­liche Nähe und ermög­lichte Bezüge und Konnotationen.275 Zugleich generierte die Ähn­lichkeit auch die Weiterführung von Ideen. Aus ihnen formulierte Justi sein Modell eines neuen Herrschafts- und Staatskonzepts (Gegenstand d): Ausgehend vom alteuropäischen hausväter­lichen Konzept des Haushalts, in dem eine Familie eine wirtschaft­liche Einheit bildete, sollte künftig die Gesellschaft eines Staates diese wirtschaft­liche Einheit bilden. An ihrer Spitze sollte der väter­liche, ökonomisch kenntnisreiche und ökonomisch sachwaltende Monarch stehen, der die Voraussetzungen zur

275 Schon Leibniz hatte Weltkulturen nicht geographisch, sondern kulturphilosophisch verortet und daraus Bezüge zueinander abgeleitet. Ho, Quellenuntersuchung zur Chinakenntnis bei Leibniz und Wolff, S. 52.

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Erlangung der Glückseligkeit des Staates, der Gesellschaft und des Einzelnen schuf. Das Modell dafür bot die Gesellschaft im kaiser­lichen China, sein Monarch sowie die Glückseligkeit hinsicht­lich des Nahrungserwerbs als erklärtes und vom Monarchen verfolgtes Staatsziel in China. Von großer Bedeutung war für Justi, das sich sein Modell auf eine reale Erfahrungswelt bezog und damit kontrollierbar und nachprüfbar war. Justi betonte in seinen Vergleichungen besonders stark die Überprüfbarkeit seiner fremden, außereuropäischen Beispiele: Es ist also gar kein bloßes Schattenbild, das ich in den meisten Vergleichungen zum Muster vorstelle. Es sind wirk­lich in der Welt stattfindende Regierungsverfassungen, welche, wenn sie in der That vorzüg­licher sind, als die unsrigen, dem sich so weise dünkenden Europa billig eine gewisse Schamröthe zuziehen sollten.276 Es kam Justi bei seinen vergleichenden Untersuchungen so sehr auf die Überprüfbarkeit an, weil sein gesamtes Werk auf Realisierung zielte. Dafür war die praktische Umsetzbarkeit des als Vorbild definierten Modells Voraussetzung. Seinem Modell lag somit eine Zweckorientierung zugrunde. Die Überprüfbarkeit bezog sich dabei natür­lich auf die Staatswirk­lichkeit, welche die Jesuiten von China übermittelt hatten. Mit dem besonders betonten Argument der Wirk­lichkeit seines Modells stand Justi Leibniz’ in der Theodizee formulierten Frage nach der Herstellung und Darstellung eines Optimums sehr nahe. Leibniz ging es um die Realisierung einer mög­lichen oder der besten Welt. Die mög­lichen Welten seien keine mundi fabulosi und existierten nicht nur im Geist Gottes. Er vertrat die Auffassung, dass alle nach dem Maß des Realitätsgrades zur Verwirk­lichung strebten.277 Dies münde in die Konkurrenz der Welten. Den Sieg trüge die Welt davon, die verwirk­licht sei und sich somit als beste allen kritischen Blicken offenbare. Sie verfüge über den höchsten Ordnungskoeffizienten: die Wirk­ lichkeit. Indiz für die Wirk­lichkeit sei ihre Funktionstüchtigkeit. Die nicht verwirk­ lichten, mög­lichen Welten wiesen hingegen noch Lücken auf. Die Realisierung der besten Welt und ihre Wirk­lichkeit beruhten auf einer erhöhten Ordnung bzw. einem erhöhten Ordnungswissen. Leibniz verwies auf das wechselseitige Verhältnis von Ordnung und Optimum. Für Leibniz bestand das Ordnungswissen in der Verbindung von Metaphysik mit verwaltungstechnischen, politischen und ökonomischen Prinzipien. Dies ermög­lichte nach Leibniz nicht nur einen komplexen Begriff von einer mög­lichen

276 Justi, Vergleichungen, Vorrede, S. 6. In der Vorrede zu einem Ergänzungsband der deutschen Übersetzungen von Du Haldes Description heißt es: Je weiter ein Reich von uns entfernet ist, je größer die Umstürzungen sind, die in demselben vorgehen, desto langsamer geht es mit der Erforschung seiner Geschichte zu uns desto mißtrauischer wird auch dasjenige, was man entdeckt angesehen: und es erlanget eher nicht Credit, als bis mehrere Zeugnisse, wenigstens in der Hauptsache, einerlei aussagen, oder solche Denkmale der Welt vor Augen liegen, die sie an dem, was überhaupt erzählet wird, nicht zweifeln lassen. Koppe, Zusätze zu des Johann Baptista du Halde ausführ­lichen Beschreibung des Chinesischen Reiches, S. 2. 277 Leibniz, Über den Ursprung der Dinge, S. 219.

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Welt – etwa einem Staat –, sondern war die Voraussetzung für die Realisierung. ­Leibniz warnte jedoch, dass dieses Wissen nicht statisch, sondern ständig in Bewegung sei. Es müsse also stetig gesammelt, aktualisiert und optimiert werden. Somit war für ihn die beste und wirk­liche Welt nur als eine sich beständig ändernde Systemgeschichte zu verstehen.278 Zugleich, so bemerkt Joseph Vogl vollkommen zu Recht, habe Leibniz mit dieser Vorstellung bestens in die kameralistische Idee von der Optimierung des Wissens und der Lebenszusammenhänge gepasst.279 Justi hatte im Sinne von Leibniz’ besten Welten den Sieger seiner Vergleichungen vorgestellt: China. Es handelte sich in Anlehnung an Leibniz um eine reale, wirk­liche (weil nachprüfbare) Welt mit einer funktionstüchtigen Monarchie, die sich aufgrund ihrer hohen Ordnung und ihres ökonomischen, politischen und verwaltungstechnischen Ordnungswissens einem deut­lich höheren Grad an Optimierung als alle europäischen Staaten angenähert hatte. Der Erfolg der realen Zustände Chinas – etwa der blühenden Landwirtschaft – bildete für Justi die Grundlage und zugleich das Auswahlkriterium, die von ihm zum Vergleich herangezogene Monarchie Chinas und ihr Verhältnis zur Landwirtschaft zum Modell zu erheben. In der gegenwärtigen modernen Vorstellung gehört zu den Kriterien der Matrix eines Modells das „Notwendige“ und das „Wünschenswerte“ als eigene Bedürfnisse, die sich ergeben, wenn eigene Defizite oder Mangelerlebnisse analysiert werden.280 Das setzt jedoch voraus, dass das Vorbild den entsprechenden Erfolg auf dem Gebiet beweist, der selbst als Defizit erkannt wurde. Das Muster stellt sich dabei als nachahmenswertes Vorbild für die Praxis dar. Das bedeutet aber auch die Verhältnismäßigkeit von Mitteln und Aufwand sowie die Abwägung des zu erwartenden Nutzens von dem Modell. Die Analyse von Innovationen soll zur Imitation anregen oder zumindest Orientierung bieten.281 Die moderne Definition eines Modells passt daher auch auf Justis chinesische Modell-Konstruktion. Justi übernahm dafür grundsätz­lich die von Reiseberichterstattern und Kompila­ toren sowie praktischen Philosophen wie Leibniz und Wolff vor ihm längst formulierte

278 Vogl, Leibniz, Kameralist, S. 101ff, S. 108. 279 Ibd. S. 98. 280 Stachowiak, Herbert: Bedürfnisse, Werte, Normen und Ziele im dynamischen Gesellschaftsmodell: Ein Forschungsprogramm für die 80er Jahre? In: Ders. (Hg.): Bedürfnisse, Werte und Normen im Wandel. Bd. 1. München/Paderborn 1982. S. 271 – 411. Hier S. 344. Vgl. zur Definition von Bedürfnissen Loh, Werner: Versuch einer theoretischen Bestimmung des evolutionären und geschicht­lichen Ortes von Werten. In: Stachowiak, Herbert (Hg.): Bedürfnisse, Werte und Normen im Wandel. Bd. 1. München/Paderborn 1982. S. 145 – 161. Hier S. 153. 281 Müller, Roland: Zur Geschichte des Modellbegriffs und des Modelldenkens im Bezugsfeld der Pädagogik. In: Stachowiak, Herbert (Hg.): Modelle und Modelldenken im Unterricht. Anwendungen der allgemeinen Modelltheorie auf die Unterrichtspraxis (Forschen und Lernen, Bd. 4). Bad Heilbrunn 1980. S. 202 – 224. Hier S. 218.

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staat­liche Vorbildfunktion Chinas, prüfte, konkretisierte und erweiterte das Bild jedoch aus kameralistischer Perspektive auf seine Taug­lichkeit.282 Medienanalytisch hat sich damit gezeigt, dass Justis Decodierung der Informationen der Jesuiten zum Wirken der chinesischen Kaiser grundlegend adaptiv erfolgte, weil er von den Jesuiten vorgegebene Interpretationsrahmen beibehielt. Wenn Humes Gedanke von der Anziehungskraft der Ideen nun stimmte, dann musste Justis Modell aus seiner Sicht zurückwirken: Mit der Wahl und Vermittlung des außereuropäischen chinesischen Modells des ersten Landmannes im Staat trug Justi zu der von Leibniz angemahnten Sammlung und Aktualisierung von Regierungswissen in Europa bei. Er konnte hoffen, dass diese neue Sicht auf das Wirken von Chinas Monarchen die zeitgenössische Diskussion um das Verhältnis von Staat und Wirtschaft belebte. Zugleich nahm das neue Bild sowohl eine Vorbild- (Modell-) bzw. eine Kritik-Funktion hinsicht­lich der bestehenden Verhältnisse ein. Das Modell konnte helfen, auch die deutschen und europäischen Staaten an den Sieger seines Staatenvergleichs anzunähern. 4.2 Herrschaft und Landwirtschaft in der Physiokratie 4.2.1 Die Bedeutung der Landwirtschaft in der Physiokratie

Das mouvement physiokratique 283 setzte als Reaktion auf die Misserfolge des Merkantilismus in Frankreich in der Regierungszeit Ludwigs XV. sowie als Folge der franzö­ sischen Gebietsverluste in Übersee (Nordamerika und Indien) durch den Siebenjährigen

282 Im Vorwort des dritten Bandes von Astleys Collection wird Chinas als Vorbildfunktion gepriesen: Such is the Difference between Africa and Asia. The Contrast will be the more sensible, as our Method leads us to begin with China, the Country, most eminent not only in this Quarter, but the whole World; whether we regard the Advantages of its Soil and Situation, or the Beauty of its Manufactures, and Richness of its Commerce, the Industry and Ingenuity, or Civility of its Inhabitants, the Excellence of its Government, or the Grandeur of its Monarchs. Here the Reader will meet with every Thing that is splendid and noble; every Thing that can gratify the Pride and Luxury of Mankind. Here Art vies with Nature; and the most surprising Wealth is mixed with the most surprising Plenty. Civility and Politics are here cultivated to their utmost Perfection and Use. Here the Sovereign’s whole study is employed to gain the Hearts of his People; and here perfect Freedom exists under the most absolute Monarchy on Earth. In short, China may be called the Terrestrial Paradise of the present world. Astley, Thomas: A new General Collection of Voyages and Travels. Bd. 3. London 1746. S. VI. 283 Der Begriff physiocratie war erstmals in einem Traktat von Baudeau zum Thema Principes de tout gouvernement verwendet worden, der 1767 in den Ephémérides du Citoyen erschienen war. Geprägt hatte ihn Quesnay. Im Gegensatz dazu stand das systeme mercantile, das Quesnay und Mirabeau als Begriff in ihrer 1763 erschienen Philosophie rurale anwandten. Vgl. Oncken, August: Geschichte der Nationalökonomie. Die Zeit vor Adam Smith (Hand- und Lehrbuch der Staatswissenschaften). Leipzig ³1922. S. 334f.

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Krieg (1756 – 1763) und der dadurch fehlenden Beteiligung am Fernhandel ein.284 Das merkantilistische Ziel, durch die enge Verbindung von Staat und Wirtschaft die Staatseinnahmen zu sichern, war in Frankreich durch die einseitige Fokussierung auf Manufakturwesen und Handel verfehlt worden. Die Physiokraten forderten deshalb eine vollkommen gegenteilige Wirtschaftspolitik, in der sie die bisher politisch stark vernachlässigte Landwirtschaft als den wichtigsten Faktor identifizierten. Zu den Physio­ kraten zählten u. a. François Quesnay 285 (1694 – 1774), Victor de Riqueti Marquis de Mirabeau (1715 – 1789), Paul Pierre Le Mercier de la Rivière (1720 – 1774), Nicolas ­Baudeau (1730 – 1792), Guillaume François Le Trosne (1728 – 1780), Vincent de Gournay (1712 – 1759) und Pierre Samuel Du Pont de Nemours (1739 – 1817). Als Sympathisanten standen der Bewegung in Frankreich beispielsweise Minister Bertin und – deut­lich distanzierter – der spätere Generalkontrolleur der Finanzen Anne Robert Jacques Turgot (1727 – 1781)286 sowie Pierre Poivre nahe. Freunde und Gönner fanden die économistes auch in höfischen Kreisen durch Madame de Pompadour, Louis-Joseph de Bourbon, den Prinz von Condé und den Schwiegervater Ludwigs XV., den polnischen Exilkönig Stanislas Leszczynski.287 Zwar außerhalb des Kreises der Physiokraten stehend, aber inhalt­lich durch ihre Werke zu den Sympathisanten zu rechnen, sind der Autor von Landwirtschaftsbüchern Jean-Baptiste Dupuy-Demportes (?-1770) und der Reimser Deputierte in Paris Simon Philibert La Salle de l’Etang (1700 – 1765), der sich ebenfalls als Verfasser landwirtschaft­licher Traktate profilierte. Die Bewegung der Physiokraten

284 Zur Wirtschaftspolitik unter Ludwig XV. vgl. Braudel, Fernand/Labrousse, Ernest (Hg.): Histoire économique et sociale de la France. Bd. 2: Des derniers temps de l’âge seigneurial aux préludes de l’âge industriel 1660 – 1789. Paris 1970. Kaplan, Bread, Politics and Political Economy, Bd. 1. S. 48ff. Clark, Henry: Grain Trade Information: Economic Conflict and Political Culture under Terray, 1770 – 1774. In: The Journal of Modern History 76/4 (2004). S. 793 – 834. Zur Kritik an der Landwirtschaftspolitik unter Ludwig XIV., insbesondere zur Verarmung der Bevölkerung, der urbanen Konzentration des Luxus, zu fehlenden Reaktionen des Königs auf den Preisverfall nach schlechten Ernten sowie zu zahlreichen Vorschlägen für Reformen vgl. Rothkrug, Lionel: Opposition to Louis XIV. The Political and Social Origins of the French Enlightenment. Princeton 1965. S. 234 – 298. 285 Zu Quesnays Biografie vgl. Oncken, Geschichte der Nationalökonomie, S. 314ff. Schelle, Gustave: Le Docteur Quesnay: chirurgien, médecin de Mme de Pompadour et de Louis XV, physiocrate. Paris 1907. Quesnay wurde für seine medizinischen Verdienste 1752 in den Adelsstand erhoben. Lettres de Noblesse en faveur du D. Quesnay. Archives nationales, Paris, O1 96, fol. 330 – 332. 286 Zu seiner Verbindung zu den Physiokraten vgl. Weulersse, Georges: La physiocratie sous les ministères de Turgot et de Necker (1774 – 1781). Paris 1950. Schelle, Gustave: Turgot, sa vie et ses oeuvres. In: Ders. (Hg.): Oeuvres de Turgot et documents le concernant. Bd. 1. Paris 1919. S. 60f. 287 Chapotot, Stéphanie: Les Jardins du Roi Stanislas en Lorraine. Metz 1999. S. 93ff. Sein Architekt Richard Mique war es, der nach dem Tod des polnischen Exilkönigs das Hammeau für Marie ­Antoinette in Versailles im Stil eines Dörfchens aus der Zeit Heinrichs IV. errichtete. De Raissac, Muriel: Richard Mique. Architecte du roi de Pologne Stanislas Ier, des Mesdames et de Marie Antoinette (Les dix-huitièmes siècles, Bd. 154). Paris 2011.

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fand auch über Frankreich hinaus zahlreiche Anhänger im Alten Reich, insbesondere in der Markgrafschaft Baden,288 in Schweden,289 der Toskana, in Polen und Russland.290 Die Ziele der Physiokraten und die Bedeutung der Landwirtschaft für diese Bewegung sind hinläng­lich erforscht und sollen hier nur äußerst knapp zum besseren Verständnis der nachfolgenden Überlegungen, zur physiokratischen Vermittlungsstrategie für diese Ideen ins Gedächtnis gerufen werden. Ausgespart wurde hingegen in der Forschung bisher weitgehend, dass die theoretischen Ansätze der Physiokraten ab Ende der 1750er bis in die 1780er Jahre in einem umfassenden Kommunikationsprozess der zunehmend entstehenden bürger­lichen Öffent­lichkeit, einem ökonomisch interessierten Fachpublikum sowie maßgeb­lichen Adressaten wie dem König von Frankreich, dem Dauphin (dem künftigen Ludwig XVI.) und zentralen Ministern, aber auch ausländischen Fürsten gezielt vermittelt wurden, um ein neues Bewusstsein für die Rolle der Landwirtschaft in Staat und Gesellschaft zu erreichen. Neben der Vermittlung des neuen Bewusstseins von der produktiven Natur ging es ihnen auch um die langfristige Verankerung und Etablierung ihrer Vorstellungen sowie um deren Umsetzung in die Praxis. Deshalb erhofften sich die Physiokraten in erster Linie Gesetze zu grundlegenden Reformen im Bereich der Landwirtschaft sowie eine künftige Ausrichtung der Wirtschaft auf diesen Sektor. Die Initiative dafür sahen sie beim Monarchen. Realisiert werden konnte die erhoffte Aktivität aus ihrer Sicht deshalb nur durch die Vermittlung und Etablierung eines erweiterten Herrschaftsverständnisses, nach dem der Monarch zugleich auch der erste Landmann seines Staates sein sollte. Daher spielte in der Argumentation der Physiokraten auch die Person des Königs selbst und die Sichtbarkeit seiner Handlungen eine bedeutende

288 Eine zeit­lich leicht versetzte Auseinandersetzung mit den physiokratischen Ideen in Deutschland bot beispielsweise Dohm, Christian Wilhelm: Über das physiokratische Sistem [sic!]. Wien 1782. Ders.: Über das physiokratische System. In: Deutsches Museum (1778). S. 289 – 324. Einen Überblick über die literarische Debatte bietet Priddat, Birger P. Bibliographie der phyiokratischen Debatte in Deutschland 1759 – 1799. In: Das Achtzehnte Jahrhundert 9 (1985). S. 128 – 149. Zusammenfassend Braunreuther, Kurt: Über die Bedeutung der physiokratischen Bewegung in Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Wissenschaft­liche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und Sprachwissenschaft­liche Reihe 5 (1955/56). S. 15 – 65. Metzler, Guido: Markgraf Karl Friedrich von Baden und die französischen Physiokraten. Betrachtungen eines Rezeptionsprozesses. In: Francia 28/2 (2001). S. 35 – 62. Emminghaus, Arwed Karl: Carl Friedrichs von Baden physiokratische Verbindungen, Bestrebungen und Versuche, ein Beitrag zur Geschichte des Physiokratismus. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 38 (1872). S. 1 – 63. Merkle, Hans: Der ‚Plus-Forderer‘: Der badische Staatsmann Sigismund von Reitzenstein und seine Zeit. Leinfelden-Echterdingen 2006. 289 Alimento, Antonella: Entre “les moeurs des Crétois et les loix de Minos”: la pénétration et la réception du mouvement physiocratique français en Suède. In: Histoire, économie, société 1 (2010). S. 68 – 80. Guy, Basil: The French Image of China before and after Voltaire (Studies on Voltaire and the Eighteenth Century, Bd. 21). Genève 1963. S. 351. 290 Larivière, Charles de: Mercier de la Rivière à Saint-Pétersbourg en 1767. D’après de nouveaux documents. In: Revue de l’histoire littéraire de la France 4 (1897). S. 581 – 602.

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Rolle: Sie wählten für die Visualisierung und bessere Verbreitung ihrer Argumentation das Motiv des pflügenden chinesischen Kaisers aus dem Ritual, das jeweils zu Beginn des Frühlings zu Ehren des Ackerbaugottes Shennong abgehalten wurde. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen soll die Vermittlungsstrategie der Physiokraten für die neue Herrschaftsauffassung stehen. Gefragt wird nach den von ihnen gewählten Kommunikationsmedien und -formen. Berücksichtigt werden muss dabei insbesondere die Frage nach mög­lichen Leitmotiven, welche die Vorstellungen und Ziele der Physiokraten adäquat nach außen widerspiegelten und zugleich auch innerhalb der Bewegung im Sinne einer frühen Form der Corporate Identity genutzt wurden. Damit wird von der These ausgegangen, dass die Physiokraten bestrebt waren, ihre Ziele und Reformhoffnungen in einen öffent­lichen Diskurs einzuschalten und die zeitgenössische Medienkultur für die Propagierung eigener Ziele zu nutzen. Eine zweite Annahme besteht darin, dass sich die Bewegung der Physiokraten zunehmend als Schule zu konstituieren versuchte und sich ihre Mitglieder als „Erzieher der Nation“, insbesondere aber des Herrschers verstanden wissen wollten. Als wichtigster Vertreter der Bewegung der philosophes économiques ging der Arzt und Physiokrat François Quesnay davon aus, dass der Wohlstand eines Staates vom Reichtum und dem Erhalt der Natur sowie von der erfolgreichen Kultivierung der Erde abhinge.291 Den Naturbegriff hatte Quesnay ausdifferenziert: Zum einen verstand er unter Natur den Gegensatz zur Kultur. Die Natur bot dem Menschen die Ressourcen für seinen Lebensunterhalt. Er musste sie nur kennen und sorgfältig nutzen. Diese Maxime hatte Quesnay als Sohn eines Landmannes u. a. durch eigene Arbeit auf seinem kleinen Mustergut gewonnen, auf dem er zahlreiche Versuche mit neuen Pflanzen und Anbaumethoden unternahm. Im Sinne von Landwirtschaft und Agrarproduktion verstand Quesney Natur als gegensätz­lich zur Manufaktur- und entstehenden Industrieproduktion. Zugleich offenbarte sich die Natur als produktive Kraft, weshalb der Landwirtschaft von den Physiokraten die Komponente der Urproduktion zugeschrieben 291 Quesnay, François: Despotisme de la Chine. In: Oncken, Auguste (Hg.): François Quesnay. Œuvres économiques et philosophique. Accompagnées des éloges et d’autres travaux biographiques sur Quesnay par différents auteurs. Francfort 1888 (Reprint Aalen 1965). S. 563 – 660. Hier 8. Kapitel. § 5. S. 643. Muhlack, Ulrich: Art. „Physiokratismus“. In: Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher-Denker-Sachbegriffe. Köln 2005. S. 472 – 477. Hier S. 475. Muhlack, Ulrich: „Physiokratie und Absolutismus in Frankreich und Deutschland“. In: Zeitschrift für Historische Forschung 9 (1982). S. 14 – 46. Stiehl, Martina: Legaler Despotismus – Soziales Königtum. Lorenz von Stein und der Physiokratismus. (Diss.) Marburg 1988. S. 125f. Insbesondere zu de la Rivières Vorstellungen vom despotisme personnel et légal vgl. Hensmann, Folkert: Staat und Absolutismus im Denken der Physiokraten. Ein Beitrag zur physiokratischen Staatsauffassung von Quesnay bis Turgot. (Diss.) Frankfurt/M. 1976. S. 175 – 188. Gerteis, Klaus: Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik. In: Birtsch, Günter (Hg.): Der Idealtyp des aufgeklärten Herrschers (Aufklärung, Jg. 2, Heft 1). Hamburg 1987. S. 75 – 94. Zum Wandel des Naturverständnisses im 18. Jahrhundert grundsätz­lich: Groh, Ruth und Dieter: Weltbild und Naturaneignung. Zur Kulturgeschichte der Natur (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 939). Frankfurt/M. 1991.

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wurde: La terre est l’unique source des richesses et c’est l’agriculture qui les multiplie.292 Darüber hinaus galt ihm die Natur als Weltordnung, in welcher der Naturzustand der Menschen und das Naturrecht ihren Ursprung hatten. In Abgrenzung zu Thomas Hobbes (1588 – 1679) und in starker Anlehnung an John Lockes (1632 – 1704), David Humes, Montesquieus und Voltaires (1694 – 1778) positive Sicht des Naturzustandes implizierte die natür­liche Weltordnung für Quesnay wesent­liche Werte wie Freiheit, Gleichheit, Frieden, Eigentum und Sicherheit. Staat und Wirtschaft hatten sich aus seiner Sicht den naturgesetz­lichen Abläufen unterzuordnen.293 Wirtschaft konstituierten die Physiokraten erstmals als einen eigenständigen Bereich, aus dem sich auch eine eigene Staatslehre ergab. Quesnay stellte die Wirtschaft im Sinne des Naturrechtsdenkens des 18. Jahrhunderts als naturgesetz­lich geregelten Ablauf dar, von dem der Staat profitieren, den der Staat aber kaum in Abhängigkeit zu sich bestimmen könne. Vielmehr sei es die Aufgabe des Staates, den ungehinderten Ablauf der natür­lichen Prozesse und die effiziente Nutzung der Erträge – etwa durch den Ausbau von Verkehrswegen oder die Schaffung von Rechtssicherheit – zu gewährleisten. In seinem dreiseitigen Tableau économique 294 entwarf Quesnay 1758 die Vorstellung eines künftigen optimalen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells, das auf zwei Sektoren beruhte: einem produktiven und einem sterilen. Zum produktiven Bereich zählte nach Quesnay neben der Landwirtschaft auch der Bergbau, die Jagd und die Fischerei, erschloss sich doch daraus die Natur mit ihren Roh- und Grundstoffen, auf deren Basis die Weiterverarbeitung der hieraus gewonnenen Erzeugnisse mög­lich war. Für Quesnay gab es kein besseres, lohnenderes und angemesseneres Mittel für eine

292 Quesnay, François: Maximes générales du gouvernement économique d’un royaume agricole, 1767. In: Oncken, Auguste (Hg.): François Quesnay. Œuvres économiques et philosophique. Accompagnées des éloges et d’autres travaux biographiques sur Quesnay par différents auteurs. Francfort 1888 (Reprint Aalen 1965). S. 330 – 337. Hier S. 337. 293 Jöhr, Walter A.: Geschichte der Volkswirtschaftslehre. St. Gallen 1971. S. 12. 294 Gustave Schelle bietet im Anhang seiner Biographie zu Quesnay Briefe Quesnays an Victor de Riqueti, Marquis de Mirabeau über das Tableau. Schelle, Docteur Quesnay, S. 389 – 399. Im Jahr 1758 erhielt Mirabeau das fertige Tableau Quesnays zur Ansicht mit der Bitte um einen Kommentar. Ein deutscher Kommentar stammt von Isaak Iselin. Iselin, Isaak: Ueber die wirthschaft­liche Organisation der Gesellschaft, oder Versuch einer Erläuterung der wirthschaft­lichen Tafel. In: Ephemeriden der Menschheit 1780. Bd. 1. S. 3 – 34. Ausführ­lich erläutert ist das Tableau bei Genovese-Fox, Elizabeth: The Origins of Physiocracy: Economic Revolution and Social Order in Eighteenth Century France. Ithaca 1976. S. 246ff. Kuczynski, Marguerite: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Tableau économique. Nach der 3. Ausgabe von 1759. Berlin 1965. S. VII. Bürgin, Alfred: Zur Soziogenese der politischen Ökonomie. Wirtschaftsgeschicht­liche und dogmenhistorische Betrachtungen. Marburg 1996. S. 327 – 356. Berg, Richard van den: “Un état de pleine concurrence”: Old and new Controversies about Physiocratic Theory of Value. In: Economies et Sociétiés 38/8 (2004). S. 1431 – 1457. Perrot, Jean-Claude: Une histoire intellectuelle de l’économie politique. XVII-XVIII siècle (Civilisations et sociétés, Bd. 85). Paris 1992. S. 217ff. Bourde, .Agronomie et agronomes, Bd. 1, S. 367ff.

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Einzelperson ebenso wie für einen Staat, Vermögen zu erwerben, als durch Ackerbau. Quesnay schrieb: L’agriculture est la source de toutes les richesses de l’Etat, et de celles de tous les citoyens.295 Gewerbe, Manufaktur und Handel subsumierte er unter den sterilen (unproduktiven) Sektor, der die vom produktiven Bereich der Natur abgerungenen Produkte nur tauschte, verfügbar machte oder transportierte, ohne noch etwas hinzuzufügen. Die Produktivität einer Wirtschaft maß sich aus Sicht Quesnays jedoch allein am produktiven Sektor und ergab sich aus dem Reinertrag (produit net) bzw. dem Mehrwert der Natur. Anhand dieser beiden Sektoren sowie in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen und den damit verbundenen Tätigkeitsfeldern teilte Quesnay in Anlehnung an Richard Cantillons (1680 – 1734) Essai sur la nature du commerce en général (1734/1755) die Bevölkerung in drei Kategorien ein.296 Im Tableau finden sich die bäuer­lichen Pächter als classe productive, in der classe des propriétaires sah Quesnay die länd­lichen Grundeigentümer und unter die classe stérile subsumierte er die Händler und Manufakturbesitzer.297 Innerhalb dieser drei Bevölkerungsgruppen sollte es zu einem Wirtschaftskreislauf kommen, der von der produktiven Gruppe ausging und wieder zu ihr zurückführte. In dieser Gruppe lag der Schlüssel zur Bildung des wirtschaft­lichen Reinertrags, der Ausgangspunkt zur Umverteilung und Neubildung sowie zur Steigerung des Ertrags. Aus diesen Annahmen leitete Quesnay die Schlussfolgerung ab, dass alles, was der Landwirtschaft schade, auch dem Staat und der Gesellschaft schäd­lich sei: Pauvre paysan, pauvre royaume; pauvre royaume, pauvre roi!298 Umgekehrt sei alles, was den Ackerbau begünstige, gleichermaßen für den Staat und die Gesellschaft günstig. Deshalb bildete das Tableau ein harmonisches Verhältnis von Natur, Wirtschaft und Gesellschaft ab, das es künftig umzusetzen galt. Orientiert war es an der Kugellaufbzw. Tableau-Uhr von Grollier de Servière, die dieser 1733 im Recueil d’ouvrages curieux de mathématique et de mécanique ausführ­lich beschrieben hatte.299 Im Tableau bildete Quesnay ein gesellschaft­liches und wirtschaft­liches Reformprogramm, ein boussole du gouvernement oder livret du ménage ab, das Orientierung zur Realisierung bieten sollte. Den Bauern gestand Quesnay den ökonomischen Vorrang zu, doch konstatierte er aufgrund der Besitzlosigkeit der meisten Bauern und der Bewirtschaftung durch die 2 95 Quesnay, Maximes générales, S. 331. 296 Vgl. zu Cantillons Geldtheorie, seinen Zirkulationsvorstellungen und zum Einfluss auf die Physiokraten Schumpeter, Joseph A.: Geschichte der ökonomischen Analyse. Bd. 1 (Grundriß der Sozialwissenschaft, Bd. 6). Göttingen 1965. S. 403ff. 297 Muhlack, Art. „Physiokratismus“, S. 474. 298 Diese Sentenz wird Quesnay zugeschrieben. Oncken, Quesnay, S. 128. 299 Vgl. Rieter, Heinz: Zur Rezeption der physiokratischen Kreislaufanalogie in der Wirtschaftswissenschaft. In: Scherf, Harald (Hg.): Studien zur Entwicklung der ökonomischen Theorie. Bd. 3 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., 115,3). Berlin 1983. S. 55 – 99. Ders.: Quesnays Tableau Economique als Uhren-Analogie. In: Scherf, Harald (Hg.): Studien zur Entwicklung der ökono­ mischen Theorie. Bd. 9 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., 115,9). Berlin 1990. S. 57 – 94. Bürgin, Zur Soziogenese der politischen Ökonomie. S. 35, FN 41.

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so genannte Halbscheidpacht (métayage) für das gesamte Agrarsystem Frankreichs eine ungenügende Produktivität. Für ihn hing der Wohlstand einer Gesellschaft wesent­lich davon ab, dass die Bauern selbst Boden besaßen: Le Royaume doit être bien peuplé de riches cultivateurs.300 Die Herausbildung eines freien und besitzenden Pächterstandes sah Quesnay deshalb als eine der dring­lichsten Aufgaben des Herrschers an. Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen bildet das Tableau nicht ab. Es ging aber davon aus, dass alle Gruppen aufeinander bezogen agieren. Doch entgegen der Annahme Adam Smiths von den sich selbst regulierenden Kräften bedurfte es nach Quesnay eines Anstoßes wie bei der Uhr.301 Diesen sollte der Monarch geben. Somit sah Quesnay den Handlungsbedarf des Herrschers darin, die gesellschaft­lichen Beziehungen herzustellen bzw. zu beeinflussen. Sein Gesellschaftsideal bestand in der Nation agricole, die aus seiner Sicht schon einmal im Frankreich Heinrichs IV. ansatzweise verwirk­licht war.302 Frankreich bot auch die besten Voraussetzungen dafür: Es verfügte über ein großes Staatsterritorium und eine angemessene Bevölkerungszahl.303 Da die Besitzenden an das Land gebunden seien, müsse die Funktion dieser Gruppe im Aufbau der Nation a­ gricole bestehen. Was dafür jedoch in Frankreich fehle, war nach Quesnay die fördernde Staatsmacht und ein aktiver Herrscher, der durch entsprechende Rahmenbedingungen den Aufbau einer Nation agricole unterstütze. Sein formuliertes Ideal bestand deshalb aus einem souveränen Monarchen, der sich den Naturgesetzen freiwillig unterordnete und sie respektierte.304 Die Vorbilder für dieses Herrscherideal entlehnte Quesnay nicht mehr aus dem bekannten Fundus antiker oder christ­licher Monarchen der europäischen 300 Quesnay, Maximes, S. 333. Vgl. auch Zank, Wolfgang: Reiche Bauern, reiches Land. In: Piper, ­Nikolaus (Hg.): Die großen Ökonomen. Leben und Werk der wirtschaftswissenschaft­lichen Vordenker. Stuttgart ²1996. S. 20 – 25. 301 Einen Vergleich zwischen Quesnay und Smith bietet Karmann, Friedrich: Agrarwesen und Agrarpolitik in den Systemen der Physiokratie und des Adam Smith. In: Jahrbuch der Dissertationen der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin 1921/22. S. 177 – 187. Hier S. 180f. 302 Tichauer-Menck, Clara: François Quesnay als politischer Oekonom. (Diss.) Wertheim/M. 1927. S. 5ff, S. 16. 303 Für Stadtstaaten oder Nations commerçantes wie die Niederlande prognostizierte er aufgrund des fehlenden Territoriums den Untergang. Tichauer-Menck, François Quesnay als politischer Oekonom, S. 4. 304 Priddat, Birger P.: Le concert universel. Die Physiokratie. Eine Transformationsphilosophie des 18. Jahrhunderts. Marburg 2001. S. 92. Es ist nach der vorliegenden Untersuchung davon auszugehen, dass die Physiokraten mit ihrer Vorstellung von der Nation agricole ein sehr eigenes und funktionales Verständnis von der Verknüpfung von Nation und Natur besaßen. Es ging ihnen um die Schaffung einer neuen kulturellen Identität der Menschen im Einklang mit der Natur. Dies betraf in erster Linie, jedoch nicht ausschließ­lich die Franzosen. Die Nation agricole musste somit nicht nur auf Frankreich beschränkt bleiben, sondern schloss all jene ein, die sich auf ihre Lehren und Ideen beriefen – eine Nation Gleichgesinnter. Zu Vorstellungen von Natur und Nation am Beispiel der Niederlande im 16. und 17. Jahrhundert vgl. Michalsky, Tanja: Die Natur der Nation. Überlegungen zur „Landschaft“ als Ausdruck nationaler

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Fürstenspiegel. Er wählte stattdessen ebenso wie Justi ein außereuropäisches Vorbild: das chinesische Kaisertum. Es ging ihm dabei nicht um die Qualitäten einzelner Persön­ lichkeiten, sondern um die Institution des Kaisertums an sich mit einem ausgewählten Teil seiner Funktionen, Rechte und Pf­lichten. Ausschlaggebend war für Quesnay die histoire d’une monarchie agricole seit den premiers souverains de la Chine, les Fo-hi (Fuxi) et les Yao.305 Der chinesische Kaiser avancierte über Quesnay hinaus auch bei anderen französischen Physiokraten zu einem Modell der Harmonie von Herrschaft und Natur und damit zu einem bedeutenden Argument innerhalb der physiokratischen Vermittlungsstrategie und Propaganda,306 was im nachfolgenden Kapitel gezeigt werden soll.

4.2.2 Die Rolle Chinas in der Physiokratie

Die ausgeprägte Sinophilie Quesnays war ausschlaggebend für die bedeutende Rolle, die Chinas Landwirtschaft künftig für die Physiokraten als Argument und Vorbild spielen sollte. Quesnay nannte in seinem 1767 publizierten Werk Despotisme de la Chine zahlreiche Berichterstatter aus China, auf die er sich inhalt­lich bezogen hatte. Allen voran war dies Du Haldes Kompendium Description de la Chine (1735),307 Le Comtes Nouveaux memoires sur l’état present de la Chine (1696), die Lettres Édifiantes et ­Curieuses (1702 – 1776), die Schriften des Dominikaner-Missionars Domingo Fernandez Navarrete (1618 – 1686), Berichte des neapolitanischen Juristen Giovanni Francesco Gemelli Careri (1651 – 1725) und des schwedischen Ingenieurs Laurent Lange, Gesandtschaftsberichte wie die des Dänen Evert Ysbrant Ides (1657 – 1708) und des Admirals George Anson (1697 – 1762) sowie die Beschreibungen von Pierre Poivre.308 Quesnay griff also Identität. In: Bußmann, Klaus/Werner, Elke Anna (Hg.): Europa im 17. Jahrhundert. Ein politischer Mythos und seine Bilder. Stuttgart 2004. S. 333 – 354. Hier S. 337. 305 Quesnay, Despotisme de la Chine, 1. Kapitel, § 2, S. 566ff und 2. Kapitel, § 9, S. 603f. In seiner Argumentation zog er die chinesische Geschichte ebenso wie die jüngere Vergangenheit bzw. Gegenwart aus den Berichten von Poivre heran. 306 Der Begriff „Propaganda“ ist zeitgenössisch gewählt, zumal er u. a. in Verbindung mit den zahlreichen Artikeln Gelehrter in Zeitungen und Journalen gebracht wurde. Vgl. Reinalter, Helmut: Art. „Propaganda“. In: Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa. Herrscher, Denker, Sachbegriffe (UTB, Geschichte, Bd. 8316). Köln 2005. S. 495f. 307 Quesnay nannte ihn selbst in seinem Vorwort als Gewährsmann seiner Ausführungen. Quesnay, Despotisme de la Chine, 1. Kapitel, § 1, S. 566. Zum Einfluss der Schriften von Navarrete vgl. ­Cummins, James S.: Fray Domingo Navarrete: A Source for Quesnay. In: Bulletin of Hispanic Studies 36 (1959). S. 37 – 50. Zur Sinophilie Quesnays allgemein vgl. Li, La Chine et les Chinois. S. 47f. 308 Ibd. § 1, S. 566. Teile aus Poivres Reisebericht zu Chinas Landwirtschaft sowie zum Ackerbau in Cochinchina wurden auch in den Ephémérides du Citoyen unter dem Titel Voyages d’un Philosophe publiziert. Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Juin 1768. S. 166 – 217. Die Hervorhebung der Landwirtschaft Chinas insbesondere S. 213. Einen Überblick über die von

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im Wesent­lichen auf die Informationen zurück, die sich – wie bereits im dritten Kapitel dargestellt – den zeitgenössischen Veröffent­lichungen entnehmen ließen. Poivres Berichte aus Asien zirkulierten ebenso wie seine 1763 und 1764 in Lyon gehaltenen Vorträge zur Landwirtschaft außerhalb Europas in handschrift­lichen Kopien im Kreis der Physiokraten. Quesnay entlehnte aus ihnen wichtige Informationen, mit denen er die Vorbildhaftigkeit Chinas für Europa in seinen Despotisme de la Chine in der ersten Veröffent­ lichung in den Ephémérides du Citoyen im Jahr 1767 darstellte. Ganze Passagen wurden von Quesnay aus Poivres Beschreibungen und Vorträgen entlehnt.309 Vor allem Informationen zur Stellung der Landwirtschaft in Staat und Gesellschaft in China waren für Quesnay von besonderer Bedeutung. Zudem richtete er seinen Blick auf Poivres Beschreibungen von Kaiser und Untertanen als Interessengemeinschaft sowie auf China als Staat, in dem das Naturrecht herrschte. Auch die anderen Mitglieder der Gruppe um Quesnay zitierten in ihren Abhandlungen rege aus Poivres Berichten, da sich bei ihm das zeitgenössisch aktuellste Wissen über China fand.310 Für Quesnays Beschäftigung mit dem Wu-wei-Konzept der Chinesen ist hingegen ganz besonders die Wirkung von François Noëls Übersetzung der chinesischen Klassiker Sinensis imperii libri classici sex aus dem Jahr 1711 von Bedeutung.311 Daneben prägten ihn stark Beschreibungen der richesses immenses in China und der ökonomische Erfolg Chinas auf der Basis geltenden Naturrechts im vierten und fünften Band von Jacques Philibert Rousselot de Surgys Mélanges intéressans et curieux ou Abrégé d’histoire naturelle, morale, civile et politique, de l’Asie, l’Afrique, l’Amérique et des Terres polaires, die ab 1763 in Paris erschienen.312 Rousselot de Surgys hatte sich ebenfalls auf Du Haldes Description de la Chine bezogen.313

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Quesnay stark rezipierten China-Berichte und Übersetzungen gibt Priddat, Le concert universel, S. 116f. Kurz auch bei Clarke, John: Oriental Enlightenment: The Encounter between Asian and Western Thought. London/New York 1997. S. 50. Maverick, China, S. 315. Guy, Basil: The French Image of China, S. 356. Immer noch Ly, Siou Y.: Les grands courants de la pensée économique ­chinoise dans l’antiquité et leur influence sur la formation de la doctrine physiocratique. Paris 1936. Quesnay, François: Despotisme de la Chine. In: Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Mars-Juin 1767. S. 5 – 88. Dazu Maffey, Aldo: Un plagio di F. Quesnay: il Despotisme de la Chine. In: Il pensiero politico 6 (1973). S. 37 – 56. Osterhammel, Pierre Poivre, S. 32. Gerlach, Christian: Wu-wei in Europe. A Study of Eurasian Economic Thought (online unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/daten/2005/gerlach_­ christian_wu-wei.pdf, gesehen: 11.08.2012). S. 27ff. Maverick, China, S. 26. Reichwein, Adolf: China und Europa. Geistige und künstlerische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Berlin 1923. S. 116. Den Hinweis dazu gibt Quesnay ebenfalls selbst im ersten Kapitel. Quesnay, Despotisme de la Chine, 1. Kapitel, § 2, S. 570. Quesnay nennt den Titel, nicht jedoch den Autor. Rousselot de Surgy, Jacques Philibert: Mélanges intéressans et curieux ou Abrégé d’histoire, naturelle, morale, civile et politique, de l’Asie, l’Afrique, l’Amérique et des Terres polaires. Bd. 6. Paris 1764. S. 236ff. Rousselot de Surgy hatte nach eigener Aussage in Bd. IV, S. 5 und S. 10, Anm. c Du Halde als wichtigsten Autor seiner Mélanges interéssans curieux zugrunde gelegt, daneben aber auch weitere Berichte konsultiert.

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Quesnays Werk Le Despotisme de la Chine gab zunächst einen Überblick über das segensreiche Wirken der ersten Kaiser wie Shennong. Im Anschluss widmete er sich auf einigen Seiten dem Leben und den Lehren des Konfuzius. Die Vorstellungen von Harmonie und innerem Frieden als Grundlagen einer guten und funktionierenden Regierung prägten Quesnay wesent­lich.314 Aufgrund seiner Begeisterung für die klassischen Lehren der Chinesen nannten ihn seine Kollegen ehrenvoll Confucius européen, was auch seinem Selbstbild entsprach.315 Da die Physiokraten vom ordre naturel, der natür­lichen, gottgegebenen Ordnung und der vom Menschen bedingten, oft fehlerhaften und unzureichenden ordre positif ausgingen, waren sie bestrebt, den natür­lichen Zustand als Ausgangssituation wiederherzustellen.316 Quesnay begeisterte sich deshalb anhand der genannten Lektüre der Berichte aus China für das taoistische Wu-wei-Konzept und damit für die Vorstellung des Tuns ohne zu tun bzw. des Nichteingreifens durch den Menschen. Lao Tse hatte den chinesischen Kaisern die Natur als autorité souveraine vor Augen gehalten. Deshalb sollten sie den Kreislauf der Natur nicht stören oder lenken, sondern respektieren.317 Für die Physiokraten galt deshalb das ökonomische Prinzip der bienfaisance de la nature und des laissez faire, das im 19. Jahrhundert zum Grundsatz marktwirtschaft­licher Ökonomie erhoben wurde. Schon vor ihnen hatte der französische Ökonom Pierre de Boisguilbert (1646 – 1714) das Prinzip des laissez faire für wirtschaft­liche Belange geprüft und festgestellt, dass die Natur wie ein Blutkreislauf in einem Körper funktioniere. Man müsse der Natur nur erlauben, tätig zu sein. Sein Einfluss auf die Physiokraten ist umfassend nachgewiesen.318 Doch auch die

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Vgl. auch Rousselot de Surgy, Jacques Philibert u. a.: Agronomie & industrie. 4 Bde. Paris 1762. Anonymus: Catalogue des livres de la bibliothéque de Madame la Marquise de Pompadour. Dame du Palais de la Reine. Paris 1765. Kurzer Hinweis darauf bei Maverick, China, S. 123, S. 128ff. Quesnay, Despotisme de la Chine, 1. Kapitel, § 2, S. 566ff. Neuerdings Finkelstein, Andrea: Harmony and Balance. An Intellectual History of Seventeenth-­ Century English Economic Thought. Ann Arbor 2000. S. 33ff. Guy, Basil: The French Image of China, S. 347. Grundsätz­lich Priddat, Birger P.: Ist das „laisser-faire“ Prinzip ein Prinzip des Nichthandelns? Über einen chinesischen Einfluß in Quesnay’s „Despotisme de la Chine“ und das physiokratische Denken. Discussion Paper 16. Institut für Finanzwissenschaft. Hamburg 1984. Genovese-Fox, Origins of Physiocracy, S. 74. Pinot, Virgile: Les physiocrates et la Chine au XVIIIe siècle. In: Revue d’histoire moderne et contemporaine 8 (1906/07). S. 200 – 214. Hier S. 214. Oncken, August: Die Maxime des laissez faire et laissez passer. Ihr Ursprung, ihr Werden. Bern 1886. Den enormen Einfluss Chinas und der Lehre des Wu-wei auf Quesnay unterschlagen zahlreiche Forschungen zu Quesnay. So etwa Banzhaf, Spencer H.: Productive Nature and the Net Product: Quesnay’s Economies Animal and Political. In: History of Political Economy 32/3 (2000). S. 517 – 551. Roll, Eric: A History of Economic Thought. London 51999. S. 111 – 120. Quesnay, Despotisme de la Chine, 8. Kapitel, § 8 – 14, S. 645ff. Zu den klassischen Büchern Quesnay, Despotisme de la Chine, 2. Kapitel, § 2f, S. 590ff. Grundsätz­ lich zum Taoismus in der Vorstellung des Wu-wei vgl. McCormick, Ken: The Tao of Lassez faire. In: Eastern Economic Journal 25 (1999). S. 331 – 341. Faccarello, Gilbert: Aux origins de l’économie politique libérale. Pierre de Boisguilbert. Paris 1986.

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französischen Skeptiker wie Michel de Montaigne (1533 – 1592) und François de la Mothe le Vayer (1588 – 1672) – er wirkte und schrieb im direktem Umfeld Richelieus – hatten trotz ihrer Stellungnahmen für das System des Merkantilismus immer wieder auf die Bedeutung der Natur verwiesen. Aus Le Vayers skeptischer Betrachtung der Politik, in der er das situationsbedingte bewusste Nichteingreifen in Vorgänge oder Strukturen als wesent­liche Tugend eines Herrschers konstatierte, und seinen Studien der französischen Übersetzungen der Lehren des Konfuzius sowie buddhistischer Maxime resultierte die Einsicht, dass dies auch für Mensch und Natur gelte. Bisher ist nur eine indirekte Rezeption von Le Vayers Werken durch Mirabeau über Bayles Dictionnaire nachgewiesen.319 Es zeigt sich aber hier, dass die Auseinandersetzung mit dem Wirken der Natur und der Übertragbarkeit ihrer Prinzipien auf politisches Handeln sowie die Bedeutung der Natur an sich ebenso wie ein Studium der Rolle der Natur in China nicht erst mit den Physiokraten in Frankreich einsetzt. Vielmehr begann die Beschäftigung bereits während der merkantilistisch orientierten Wirtschaftstätigkeit. China galt somit bereits als diskutables Beispiel. Die Physiokraten sahen im Prinzip des laissez faire nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen politischen Grundsatz. Die Politik hatte sich an der Natur und ihren Gegebenheiten zu orientieren. Es bedurfte nach Quesnay der unumschränkten Macht eines Monarchen, der sich einsichtig und freiwillig im Einklang mit den Naturgesetzen befand, sie befolgte, an seine Untertanen vermittelte und ihre Einhaltung kontrollierte. Zugleich hatte er nach taoistischen Vorstellungen als Hüter und nicht als Beherrscher der Natur zu fungieren. Seine Aufgabe bestand darin, alles wachsen zu lassen und nur darauf zu achten, dass dafür die Bedingungen gegeben seien.320 Dieser Aufgabenbereich des chinesischen Kaisers war aus Sicht der Physiokraten leicht und sinnvoll auf die europäischen Fürsten zu übertragen, denn nur die Herrscher waren es, die immer noch im status naturalis und libertatis verblieben waren. In den Fokus der Physiokraten geriet die Ausübung der chinesischen Herrschaft nach den Naturgesetzen, einem ordnungserhaltenden Prinzip, das ruhe- und friedenserhaltend wirkte. Das chinesische Kaiserreich funktionierte wie eine große Familie unter der fürsorg­ lichen Herrschaft eines Vaters.321 Quesnay schrieb im Despotisme de la Chine: Suivant les interprètes chinois, Tien est l’esprit qui préside au ciel, et ils regardent le ciel comme le 319 Schüßler, Rudolf: Laissez faire, Early Modern Skepticism and a “China-Connection”. Unveröffent­ lichtes Diskussionspapier der Universität Bayreuth, Mai 2011. S. 8f, S. 11, S. 13ff. Zu Le Vayer im Wörterbuch von Pierre Bayle vgl. Scheele, Meta: Wissen und Glaube in der Geschichtswissenschaft. Studien zum Historischen Pyrrhonismus in Frankreich und in Deutschland (Beiträge zur Philosophie, Bd. 18). (Diss.) Heidelberg 1930. S. 27ff. 320 Priddat, Birger P.: Le concert universel, S. 87 – 117. Gerlach, Wu-wei in Europe, S. 9ff, S. 27ff. Poirier, Turgot, Einleitung. Häufle, Heinrich: Aufklärung und Ökonomie. Zur Position der Physiokraten im siècle des Lumières (Münchener romanistische Arbeiten, Bd. 48). (Diss.) München 1978. S. 120ff. 321 China beeindruckte Quesnay, da es sich um ein riesiges Reich handelte, das durch seine Ordnung vorbild­lich für Frankreich wirken konnte und in dem es nach den Reiseberichten kaum zu Unruhen

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plus parfait ouvrage de l’auteur de la nature. Car l’aspect du ciel a toujours attiré la vénération des hommes attentifs à la beauté et à la sublimité de l’ordre naturel, […]. Les Chinois disent que le père est le Tien d’une famille, le vice-roi, le Tien d’une province; l’empereur, le Tien de l’empire.322 Der amerikanische Sinologe Herlee Creel spricht vom chinesischen Herrscher als „Schiedsrichter“ über alle nach den von ihm kontrollierten Gesetzen aus­ ontesquieu geführten Handlungen der Untertanen.323 In deut­licher Abgrenzung zu M identifizierte Quesnay die chinesische Herrschaft in ihrer Übereinstimmung mit den Naturgesetzen als despotisme légal.324 Aus seiner Sicht war diese Herrschaftsform in Frankreich realisierbar. Zudem schien das taoistische Wu-wei-Konzept angesichts der deistischen Strömungen in Europa akzeptabel und umso leichter kommunizierbar. Wenn Gott nicht mehr stetig aktiv handelte, sondern sich durch seine Gesetze vertreten ließ, galt dies auch für seine Schöpfung und ihre Gesetzmäßigkeiten. Quesnay schuf aus den konfuzianischen und taoistischen Gedanken in Anlehnung an deistische und antike Grundlagen Ansätze zu einer eurasischen Synthese.325 Diese Auffassung korrespondierte darüber hinaus mit der aktuellen und in Frankreich diskutierten Vorstellung vom Funktionieren eines zunehmend entpersonalisierten und institutionalisierten Staates, der wie eine Maschine arbeitete.326 Faszinierend war für die Physiokraten auch die Übereinstimmung der Interessen zwischen Herrscher und Untertanen in China. Gemeinsam und harmonisch befolgten sie aus Sicht Quesnays die lois naturelles zwischen Himmel und Erde. Daraus resultierte, dass die Kaiser Chinas als souverains d’une nation essentiellement agricole herrschen konnten. Für Frankreich zog Quesnay den Schluss, dass die Menschen Gottes Absicht und damit ebenfalls den Naturgesetzen folgen sollten.327 Dass es sich dabei jedoch auch in Europa um ein gemeinsames Interesse von Herrschern und Untertanen handeln sollte, musste erst vermittelt werden. Dies bedingte ein modifiziertes Gesellschaftsverständnis in

komme. Weulersse, Georges: Le mouvement physiocratique en France de 1756 à 1770. Paris 1910. Bd. 2. S. 48ff und S. 136ff. 322 Quesnay, Despotisme de la Chine, 2. Kapitel, § 1, S. 585. 323 “The ruler holds the control, the ministers carry on routine functions.” Creel, Herlee: The Fa-chia: “Legalists or “Administrators”? In: Ders.: What is Taoism? And other Studies in Chinese Cultural History. Chicago/London 1970. S. 92 – 120. Hier S. 98. 324 Quesnay, Despotisme de la Chine, Vorwort, S. 563f. 325 Gerlach, Wu-wei in Europe, S. 22. Deut­lich wird dies in Quesnays kleiner Abhandlung Le droit naturel aus dem Jahr 1765. 326 Quesnay, François: Sur les travaux des artisans, in: Oncken, Auguste (Hg.): François Quesnay. ­Œuvres économiques et philosophique. Accompagnées des éloges et d’autres travaux biographiques sur Quesnay par différents auteurs. Francfort 1888 (Reprint Aalen 1965). S. 526 – 554. Hier S. 532. Vgl. dazu Kapitel 4.1.3.c). 327 Priddat, Le concert universel, S. 107. Pinot, Les physiocrates et la Chine au XVIIIe siècle, S. 211. Goutte, Pierre-Henri: Les Éphémérides du citoyen, instrument périodique au service de l’ordre naturel (1765 – 1772). In: Le Dix-huitième siècle 26 (1994). S. 139 – 162. Hier S. 142f.

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Anlehnung an die aus dem Naturrecht resultierende Freiheit des Einzelnen.328 ­Quesnay schrieb: […] et dans tout l’empire les enfants héritent des biens de leurs pères et de leurs parents selon l’ordre naturel du droit de succession.329 In den Mélanges intéressans et curieux fand Quesnay den entscheidenen Hinweis zur Einteilung der chinesischen Gesellschaft: Le seconde division de la nation chinoise, comprend tous ceux qui n’ont pas pris de degrés littéraires: les laboureurs, les marchands et en général tous les artisans. C’est ce qui compose le menu peuple.330 Quesnay hielt in seinem Werk Despotisme de la Chine fest: Le second ordre des citoyens comprend tous ceux qui n’ont pas pris de degrés littéraires. Les laboureurs tiennent le premier rang, puis les marchands et géneralement tous les artisans, les paysans, manouvriers, et tout ce qui compose le menu peuple.331 Vor der Aufforderung, Strukturreformen durchzuführen und auch die französischen Eliten auf eine notwendige Nation agricole und die agriculture éclairée zu verpf­l ichten, scheute Quesnay ebenso wenig zurück wie die Mitglieder seines Kreises.332 Gleiches galt auch für die Vermittlung an das Volk 333 und die Erhebung der Landwirtschaft zur science économique. Dafür rühmte Quesnay die chinesischen Landwirtschaftsakademien.334 Quesnay diskutierte 328 Vaggi, Gianni: Structural Change and Social Transformation in Physiocracy. In: Schefold, Bertram/ Barens, Ingo/Caspari, Volker (Hg.): Political events and economic ideas. Cheltenham/UK/Northhampton/MA 2004. S. 150 – 172. Zorn, Wolfgang: Die Physiokratie und die Idee der individualistischen Gesellschaft. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 47/4 (1960). S. 498 – 507. Berg, Un état de pleine concurrence. 329 Quesnay, Despotisme de la Chine, 2. Kapitel, § 7, S. 599f. 330 Rousselot de Surgy, Mélanges intéressans et curieux, Bd. 5, S. 224. 331 Quesnay, Despotisme de la Chine, Kap. 2, § 4, S. 581. 332 Die Ablehnung physiokratischer Ideen im Adel und die befürchteten Konsequenzen für diesen Stand diskutiert Goulemot, Jean-Marie: Reflexions sur la culture politique des lumières. In: Bödeker, Hans Erich/François, Etienne (Hg): Aufklärung/Lumières und Politik. Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung (Deutsch-französische Kulturbibliothek, Bd. 5). Leipzig 1996. S. 435 – 446. 333 Mirabeau hatte beispielsweise am 14. Juni 1772 an den badischen Markgrafen geschrieben, dass die Einsichten in die physiokratischen Ansätze auch an das Volk vermittelt werden müssten: Ce point décisif, Monseigneur, c’est l’instruction populaire. Vainnement ferez-Vous instruire Votre auguste famille; vainnement Vos mesures à cet égard seraient-elles appuyées du consentement actuel de Vos courtisans et de Vos officiers. Ces derniers n’auront jamais de principes que la volonté du prince et d’objet comme tous autres que leurs intérêt momentané. Ne jugez d’après les difficultés que Vous trouvez à faire le bien de celles, qui se rencontreront à laisser tout languir et se détruire. […] C’est le peuple seul, c’est l’universalité des opinions et des volontés qui peut veiller à la garde de Vos institutions paternelles, et la première de toutes doit être le soin d’initier dès son enfance le moindre d’entre Vos sujets à la connaissance de l’intérêt personnel qu’il a à l’inauguration et à la conservation de Vos principes. […] Oui, Monseigneur, les vrais insituteurs des princes, ce sont les moeurs de leurs sujets, l’appui des moeurs sont les principes, et les principes constants et fondés sur l’ordre naturel doivent être appris en naissant, doivent former la religion domestique de chaque famille. Je supplie Votre Altesse Sérénissime de faire réflexion à ceci, que je ne fais que Lui répéter. Knies, Carl (Hg.): Carl Friedrich von Baden. Brief­licher Verkehr mit Mirabeau und Du Pont. Bd. 1. Heidelberg 1892. S. 59f. 334 Weulersse, Le mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 377.

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und zitierte in diesem Kontext ausführ­lich das Heilige Edikt des Kangxi-­Kaisers, das er dem Kompendium von Du Halde entnommen hatte. Die Achtung der gesamten chine­sischen Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft hob er gezielt hervor. Zugleich unterstrich er die wichtige Funktion des Monarchen und in Anlehnung an den Kaiser die Funktion der Mandarine, das Volk zu unterweisen und zu erziehen. Der Monarch trete in China, so Quesnay, wie am Beispiel des Heiligen Edikts des Kangxi-­Kaisers zu sehen sei, als Lehrer seiner Untertanen auf.335 Daneben werde das Volk auch durch die schrift­liche Publikation von ethischen Richtlinien und Verhaltensmaßregeln in den gazettes chinoises belehrt: La gazette du gouvernement intérieur de l’empire est encore, pour le public, une instruction historique journalière, qui lui présente des exemples de tous genres qui inspirent de la vénération pour la vertu, de l’amour pour le souverain, et de l’horreur pour le vice.336 Damit formulierte Quesnay ein Programm für die Vermittlung der physiokratischen Lehre. Publikationsmedien sollten wie in China als Vermittlungsorgane für die Erziehung des Volkes zur Landwirtschaft und fürst­liche Personen als Trägerschicht des Vermittlungsziels dienen. Dies bedeutete für Quesnay auch, die Publikationsorgane der Physiokraten zu offiziellen Medien der Regierung zu erheben.

4.2.3 Die physiokratische Propaganda und ihre Adressaten

Nachfolgend sollen die grundlegenden Vermittlungsstrategien der Physiokraten, aber auch die der Krisenzeit von 1768/69 untersucht werden, die sich auf unterschied­liche Medien und Kommunikationsformen konzentrierten. Daneben finden die Reaktionen der Fürsten eingehende Beachtung, denn es kann von übereinstimmenden Interessen und gemeinsamen Handlungszielen zwischen den Physiokraten und einzelnen Herrschern ausgegangen werden. Es soll dabei die Annahme gelten, dass durch die Vermittlung physiokratischen Wissens an das Königshaus das kulturelle und symbolische Kapital Ludwigs XV. und seines Nachfolgers steigen und umgekehrt die Lehre der Physiokraten durch die Rezeption der könig­lichen Schüler in gleicher Weise an Bedeutung gewinnen konnte.337 Da auch seitens der französischen Krone die Herrschaftsauffassung durch gezielte Propaganda verbreitet wurde, deckten sich aus Sicht der Physiokraten ihre Interessen mit denen des Hofes.

335 Quesnay, Despotisme de la Chine, Kap. 2, § 5, S. 596. 336 Ibd. S. 597. Vgl. auch Maverick, China, S. 129. 337 Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1539). Frankfurt/M. 2001. S. 340ff. Die Beziehungen der Physiokraten nach Baden, Schweden und die Toskana untersucht Abrosimov. Abrosimov, Kiril: Wissenstransfer und Austausch symbolischen Kapitals. Das europäische Fürsten-Netzwerk der französischen Physiokraten. In: Discussions 7 (2012). S. 1 – 41.

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Die Physiokraten waren bei der Vermittlung ihres Wissen immer daran interessiert, dass ihre Ideen nicht ausschließ­lich akademisch-theoretische Übungen blieben, sondern sich in die Praxis umsetzen ließen und sich dort bewährten. Sie stellten deshalb grundsätz­liche Überlegungen an, durch welche Personenkreise und Mittel oder welches Vorgehen ihre theoretischen Ansätze schnell und zielgerichtet zu realisieren seien. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen die Monarchen. Die Umsetzung ihrer Lehre bedurfte eines im ökonomischen bzw. agrarischen Bereich wissenden, kenntnisreichen Monarchen im Sinne des chinesischen Kaisers. Die économistes bedienten sich damit eines etablierten Musters der Verbindung von Wissen und Macht und der Akkumulation sowie der Monopolisierung von Wissen durch die Macht. Dieses Muster war über die Jahrhunderte trotz allen Wandels der Wissensinhalte, -anforderungen und der Methoden der Wissensgenerierung gleich geblieben.338 In den christ­lichen europäischen Vorstellungen der Fürstenerziehung waren das Ideal des allwissenden und alles sehenden Monarchen festgeschrieben und über Jahrhunderte pädagogische Praktiken für die Annäherung an das gött­liche Vorbild perfektioniert worden.339 Nun stand aus Sicht der Physiokraten wiederum ein solcher Wandel bzw. notwendiger Zuwachs im Herrschaftswissen an. Er schien machbar, denn einerseits verfügte die eigene antike Tradition über genügend Beispiele einer engen Verflechtung von landwirtschaft­lichem Wissen und Fähigkeiten bei Monarchen. Andererseits bewies China durch seine historischen und aktuellen Kaiser die Mög­lichkeit einer erfolgreichen Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft, ja sogar die Realisierung des lernenden und lehrenden Philosophen auf dem Thron. Hier schien die Durchdringung der eigenen (chinesischen) Welt durch den umfassend gebildeten und somit allwissenden Herrscher gelungen. Dieses Allwissen eines Königs hatte in Frankreich durchaus Tradition. Arndt Brendecke betont, dass das être informé 338 Zu Rolle von Wissen im frühneuzeit­lichen Staatsbildungsprozess grundsätz­lich Soll, Jacob: Jean-­ Baptiste Colberts geheimes Staatsinformationssystem und die Krise der bürger­lichen Gelehrsamkeit in Frankreich 1600 – 1750. In: Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Bestände, Strategien (Pluralisierung & Autorität, Bd. 16). Münster 2008. S. 359 – 374. Gottschalk, Karin: Wissen über Land und Leute. Administrative Praktiken und Staatsbildungsprozesse im 18. Jahrhundert. In: Collin, Peter/Horstmann, Thomas (Hg.): Das Wissen des Staates. Geschichte, Theorie, Praxis (Schriften zur Rechtspolitologie, Bd. 17). Baden-Baden 2004. S. 149 – 174. Hier S. 150ff. Spittler, Gerd: Abstraktes Wissen als Herrschaftsbasis. Zur Entstehungsgeschichte bürokratischer Herrschaft im Bauernstaat Preußen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 32 (1980). S. 574 – 604. Friedrich, Markus: Government and Information-Management in Early Modern Europe. The Case of the Society of Jesus (1540 – 1773). In: Journal of Early Modern History 12 (2008). S. 539 – 563. 339 Neben der Erfahrung durch Reisen wurde immer wieder die normative Orientierung an Exempla als didaktisches Mittel der Perfektionierung der Persön­lichkeit des Herrschers aufgeführt. Das Auge Gottes war immer auch als ein Symbol der Herrscher etabliert, was die Beobachtungsfähigkeit und Wachsamkeit des Monarchen herausstellte. Müller, Rainer A.: Die deutschen Fürstenspiegel des 17. Jahrhunderts. Regierungslehre und politische Pädagogik. In: Historische Zeitschrift 240 (1985). S. 571 – 597. Hier S. 583.

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de tout bei Ludwig XIV. als Voraussetzung politischer Rationalisierung erkannt und Wissensdefizite als Grund politischer Fehler eingestuft wurden.340 Diese Auffassung im Herrscherhaus galt es, von den Physiokraten für ihre Ziele zu nutzen, indem sie sich als Praeceptores erwiesen und als Berater der Krone etablierten. Sie benötigten dafür eine Strategie der erfolgreichen Vermittlung ihres Wissenskanons an die Monarchie sowie eine Form der Eigenpropaganda, welche die erfolgreiche Vermittlung des Wissens im Königshaus in der Öffent­lichkeit belegte. Daneben befanden sich die Physiokraten seit 1763 in einer immer drängender werdenden Rechtfertigungssituation: Am 5. Mai 1763 war durch den König auf ihr Betreiben hin die Freiheit des Binnenhandels mit Getreide eingeführt worden. Ein Jahr später, am 18. Juli 1764, folgte das Gesetz des unbeschränkten Exports. Aus dieser neuen Handelsfreiheit erwuchsen Spekulation und in den Jahren zwischen 1765 – 1768 immer wiederkehrende Hungersnöte, die in Rouen und Paris zu Unruhen führten.341 Das Freihandelsgesetz hatte die Defizite und die Rückständigkeit der französischen Landwirtschaft eindrück­lich aufgedeckt, die den freien Markt nur ungenügend bedienen konnte. Es bestand daher in den Jahren 1768 und 1769 seitens der Physiokraten unbedingter Handlungsbedarf, die Landwirtschaft zu stärken und so den Erhalt der neuen Gesetze nicht zu gefährden, gleichzeitig aber auch den Hungersnöten entgegenzuwirken. Die entstandene Disharmonie zwischen landwirtschaft­licher Produktion und dem Bedarf des Marktes musste durch den König als Gesetzgeber ausgeg­lichen werden. Die Krone musste je nach Situation bremsend oder beschleunigend, also regulierend wirken. Es ging den Physiokraten darum, schnellstens Harmonie zwischen Markt und Landwirtschaft herzustellen, wobei sich auch die Glaubwürdigkeit ihrer Lehre auf dem Prüfstand befand. Ein schneller Erfolg hinsicht­lich der Reformen für eine ertragreichere und modernere Landwirtschaft schien notwendig. Aber auch sie selbst als Schule bedurften bei der kritischen Stimmung gegen die Freihandelsgesetze einer stärkeren und vor allem sichtbaren Protektion durch die Krone. Um dies zu erreichen, suchten sie gerade 1768/69 nach speziellen Strategien der Annäherung an das Königshaus. Die Bewegung der Physiokraten zielte darauf, mit ihrer Lehre nicht nur ein umfassendes Gegenstück zum Merkantilismus, sondern darüber hinaus, basierend auf der universalen Gültigkeit der Naturgesetze, das wissenschaft­liche Programm einer neuen Wirtschafts-, Staats- und Gesellschaftsordnung theoretisch und terminologisch fixiert zu haben. Sie beanspruchten, ihre Lehre als nouvelle science, die Zusammenkünfte ihrer Bewegung als Académie économique und sich selbst als philosophes zu etablieren. Sie stellten ihre Bewegung mit dieser Anspruchshaltung neben die britische Royal Society

340 Brendecke, Arndt: Imperium und Empirie. Funktion des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft. Köln/Weimar/Wien 2009. S. 38f. 341 Im Juli 1770 wurde der freie Getreideexport vorerst wieder abgeschafft, 1774 durch Turgot wieder mög­lich. Kaplan, Bread, Politics and Political Economy, S. 164ff und S. 252ff.

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oder die französische Académie des sciences.342 Eine neue Wissenschaftsdisziplin bedurfte jedoch einer angemessenen Verbreitung, des akademischen Austauschs, der Diskussion und Akzeptanz. Allerdings war nur Quesnay in die Académie des sciences aufgenommen worden, den anderen philosophes blieb die Zugehörigkeit verwehrt.343 Die renommierten Einrichtungen in Paris oder im Ausland nahmen kaum Notiz von ihnen. So blieb ihre Lehre auch dort verankert, wo sie als Wissenschaft entstanden war: an einem vollkommen neuen Ort von Gesprächskultur und Wissenschaftspraxis, dem Salon. Die Assembléen der Physiokraten waren eine der wichtigsten Mög­lichkeiten, in direktem Kontakt Gästen aus ganz Europa ihre Lehre zu vermitteln.344 Den Gästen, selbst Fürsten wie dem Markgrafen Karl Friedrich von Baden (1728 – 1811), ging es darum, dazuzugehören. Die économistes gaben ihrem Kreis und ihren Zusammenkünften damit das Siegel großer Exklusivität. Doch dies allein genügte nicht. Ronald Meek spricht dezidiert von der „Propaganda“ der physiokratischen Bewegung, die etwa 1763 ihren Anfang nahm. Er geht dabei jedoch vor allem von den Publi­ kationsorganen aus, in denen sie ihre Artikel schalteten und ihre Ideen verbreiteten.345 Doch schon früher sind Maßnahmen zu erkennen. So diente den Physiokraten, vor allem Quesnay, die entstehende Encyclopédie Denis Diderots (1713 – 1784) als eine Plattform, um in ausgewählten Artikeln die physiokratischen Standpunkte zu fixieren und zu veröffent­lichen. Quesnay verfasste 1756 den Artikel Fermiers, ein Jahr später die Abhandlung zu Grains und 1759 seine Gedanken zur Population.346 Den Artikel zur Agriculture hatte Diderot bereits geschrieben (Abb. 13: Frontispiz der Enzyklopädie). Er ging dabei auf die Rolle alter Kulturheroen wie Triptolemos aus der Mythologie ein und bedauerte in Anlehnung an Plinius, dass die Erde früher ihre Früchte im Überfluss gab, weil sie das Vergnügen empfing, von könig­lichen Pflügen und von fürst­lichen Händen 342 Jobert, Ambroise: Magnats polonaise et physiocrates français (1767 – 1774) (Collection historique de l’institut français de Varsovie, Bd. 8). Paris 1941. S. 69f. 343 Die Aufnahme erfolgte 1751. Schelle, Docteur Quesnay, S. 151. 344 Abrosimov, Wissenstransfer und Austausch symbolischen Kapitals, S. 65. 345 Meek, Ronald L.: The Economics of Physiocracy. Essays and Translations. London 1962. Introduction. S. 31. Die Einordnung der Vermittlung der physiokratischen Lehre durch gezielte Propaganda greift auch Liana Vardi in ihrem Artikel auf. Vardi, Liana: Physiocratic Visions. In: Edelstein, Dan (Hg.): The Super-Enlightenment: During to Know too Much (SVEC, Bd. 2010,01). Oxford 2010. S. 97 – 122. Hier S. 104ff. 346 Quesnay schrieb im Artikel „Population“: A la Chine on est si convaincu que la tranquillité de l’état, sa prospérité & le bonheur des peuples dépendent de la tolérance de l’administration en ma tière religieuse, que pour être mandarin, & par conséquent magistrat, il faut par une condition absolue, n’être attaché à aucun culte particulier. Quesnay, François: Art. „Population“, in: Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers. Bd. 13. Neufchatel 1765. S. 88 – 103. Pinot, Les physiocrates et la Chine au XVIIIe siècle, S. 202. Zu Quesnays Artikeln Grains und Fermiers vgl. Kaplan, Bread, Politics and Political Economy, S. 113f. Fox-Genovese, The Origins of Physiocracy, S. 118ff. Von Turgot sind die Artikel Étymologie, Existence, Expansibilité, Foire und Fondation nachgewiesen. Schelle, Turgot, Bd. 1, S. 48ff und S. 55ff.

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kultiviert zu werden. Um dieser Ehre gerecht zu werden, so Diderot, habe sie mit aller Kraft ihre Erträge vervielfacht. Diderot betonte, dass dies gegenwärtig nicht mehr so sei. Die Gegenwart, so mahnte er, habe diese Ehre allein an die armen Bauern abgegeben. Die Erde, so könne man versucht sein zu glauben, empfinde diese Schmach. Wie anders sei es in China: Le Père du Halde nous apprend que l’Empereur, pour en inspirer le goût à ses sujets, met la main à la charrue tous les ans une fois; qu’il trace quelques sillons; & que les plus distingués de sa Cour lui succèdent tour à tour au même travail & à la même charrue.347 Der Artikel Diderots entsprach in wesent­lichen Aussagen den Vorstellungen der Physiokraten und konnte somit die Vermittlungsstrategie der économistes stützen. Da jedoch der öffent­liche Verkauf der Encyclopédie verboten war, erreichte das Werk in der ersten Auflage vor allem über 4000 Leser außerhalb Frankreichs. Die Käufer der nachfolgenden, nicht autorisierten Drucke entstammten in der Regel dem zweiten und dritten Stand. Die höchsten Käuferzahlen konnten nach Robert Darnton in Städten mit Parlamenten und Akademien, also Städten mit einem erhöhten Aufkommen gebildeter Bürger in Frankreich verzeichnet werden. Dennoch, so betont Darnton, sei die Encyclopédie so teuer gewesen, dass damit nur ein begrenzter Leser- und Nutzerkreis erreicht werden konnte.348 Die Physiokraten setzten sich durch ihre Mitarbeit an der Encyclopédie mit der sozialen, didaktischen und identitätsstiftenden Funktion der Künste auseinander, die insbesondere Diderot konstatiert hatte.349 Sie folgten der Auffassung, dass unter­schied­liche Kunst- und Textgattungen die Vermittlung von Inhalten 347 Diderot bezeichnete die Landwirtschaft als die erste, die nütz­lichste, die verbreitetste und vielleicht die wichtigste der Künste. Die Ägypter, so Diderot, verehrten Osiris wegen seiner Erfindung des Ackerbaus, die Griechen Ceres und ihren Sohn Triptolemos wegen ihrer Kunst, den Ackerbau zu betreiben und der Vermittlung der Kunst an die Menschen, die Römer Saturn oder ihren König Janus, den sie in den Rang eines Gottes in Anerkennung seiner Wohltaten erhoben. Die Landwirtschaft war fast die einzige Beschäftigung der Patriarchen, die von allen Menschen am meisten respektierte wegen der Einfachheit ihrer Sitten, der Güte ihrer Seele und die Erhöhung ihrer Gefühle. Sie gereichte den größten Männern bei den anderen alten Völkern zur Freude. Diderot, Denis: Art. „Agriculture“. In: Diderot, Denis/Le Rond d’Alembert, Jean-Baptiste (Hg.): Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de letters. Bd. 1. Paris 1751. S. 183 – 190. Hier S. 183f. 348 Erst über die Drucke in Genf, Neuchâtel, Lyon und Grenoble wurden nach 1777 weitere Leserkreise auch in Frankreich erreicht. Am Beispiel von Besançon zeigt Darnton die Sozialstruktur der Käufer der Encyclopédie auf. Die Mehrheit der Käufer entstammte dem zweiten und dritten Stand. Darnton, Robert: Neue Aspekte zur Geschichte der Encyclopédie. In: Gumbrecht, Hans-Ulrich/ Reichardt, Rolf/Schleich, Thomas (Hg.): Sozialgeschichte der Aufklärung in Frankreich. Bd. 2: Medien und Wirkungen (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, Bd. 4). München/Wien 1981. S. 35 – 66. Hier S. 36f, S. 54ff, S. 57. 349 Zumal dieser davon ausgegangen war, dass die Natur die erste Künstlerin sei. Leith, James A.: The Idea of Art as Propaganda in France 1750 – 1799. A Study in the History of Ideas (University of Toronto Romance Series, Bd. 8). Toronto 1965. S. 27ff und S. 60ff. Grieger, Astrid: Kunst und Öffent­ lichkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Jäger, Hans-Wolf (Hg.): „Öffent­lichkeit“ im 18. Jahrhundert (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa, Bd. 4). Göttingen 1997. S. 117 – 136.

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begünstigen oder sogar erleichtern konnten.350 Doch sie bedienten sich dieser Gattungen nicht nur selbst, sondern stellten fest, dass ihre Lehre außerhalb ihres Kreises in unterschied­lichste Medien Eingang fand und weitergetragen wurde. Zunehmend setzten die Physiokraten aber auf eigene Publikationsorgane. Als bekannteste Zeitschrift der physiokratischen Bewegung dienten ab 1765 die Ephémérides du Citoyen ou Chronique de l’Esprit national, die als politisches Journal nach dem Vorbild des britischen Spectator konzipiert worden waren und bis 1772 in einer Auflage von ca. 400 bis 500 Exemplaren in 63 Bänden erschienen. Die Zeitschrift wurde 1768 von 169 Personen aus ganz Europa abonniert 351 und redaktionell bis 1768 von Abbé Baudeau und bis zum Verbot 1772 von Du Pont betreut.352 Im selben Jahr, 1768, übernahmen die Physiokraten die Aufsicht über das Journal de l’Agriculture, du Commerce et des Finances. In beiden Titeln spiegeln sich die Ziele und die Adressaten der Physiokraten wider: Sie wandten sich damit neben den Monarchen an ein ökonomisch interessiertes Fachpublikum innerhalb und außerhalb des Hofes. Mit den Zeitschriften behielten sie immer die Untertanen als Begünstigte eines vernünftigen sowie eines mit ihren Interessen übereinstimmenden Herrscherwillens und zugleich als fähige Helfer des Herrschers im Auge. Die Physiokraten sahen somit in der Bevölkerung nicht mehr nur das Objekt der Regierungshandlungen des Königs, sondern Subjekte hinsicht­lich der Kommunikation, Verbreitung und Umsetzung ihrer – vor allem ökonomischen – Interessen. Mit diesen stimmte aus Sicht der Physiokraten der Erbmonarch stärker überein als der gewählte Herrscher. Nur der Erbmonarch konnte ein propriétaire am gemeinsamen produit net sein, der gewählte Fürst nur ein usufruitier.353 Quesnay und sein Kreis formulierten das Ideal des interessierten und von seinen Interessen geleiteten Individuums, das die Themen analysierte und sich eine Meinung dazu bildete bzw. letzt­lich einen Nutzen aus dem Wissen zog.354 Somit erkannten sie in der öffent­lichen Meinung die Reine du monde.355 Die öffent­liche Meinung musste sich aber erst herausbilden, sie musste geschult werden. Es ging Quesnay und seinem Kreis um eine umfassende éducation civique.356 Für notwendig erachteten sie dafür die breite Kenntnis des ordre 350 Sie bedienten sich deshalb auch der Lobreden, Widmungsbriefe, Elogen oder der bild­lichen Darstellung. 351 Goutte, Éphémérides du citoyen, S. 156. 352 Sgard, Jean (Hg.): Dictionnaire des journaux (1600 – 1789). Paris 1991. Nr. 377. S. 354 353 Le Mercier de la Rivière, Pierre-Paul: L’ordre naturel et essentiel des sociétés politiques. Londres 1767. S. 238 – 240. 354 Zur Rolle des Individuums und des Individualismus bei den Physiokraten vgl. Zorn, Physiokratie und die Idee der individualistischen Gesellschaft, S. 499f. 355 Le Mercier de la Rivière, L’ordre naturel, S. 104. Holldack, Heinz: Der Physiokratismus und die absolute Monarchie. In: Historische Zeitschrift 145/3 (1932). S. 517 – 549. Hier S. 539. 356 Grosperrin, Bernard: Faut-il instruire le peuple? La réponse des physiocrates. In: Cahiers d’histoire 21 (1976). S. 157 – 169. Hier S. 159f. Gourdon, Henri: Les physiocrates et l’éducation nationale au XVIIIe siècle. In: Revue pédagogique 38 (1901). S. 577 – 589. Hier S. 578.

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naturel in allen Ständen. Dies bedurfte nicht zuletzt eines vom Herrscher initiierten Unterrichts über die Naturgesetze und die Einrichtung eines état agricole, in dem jedes Individuum seine Funktion erhielt.357 Dafür musste der Monarch aber auch selbst die Gesetze der Natur kennen, akzeptieren und als Träger der Souveränität anwenden. Der Herrscher hatte als Exekutive des ordre naturel zu fungieren. Dem ordre naturel rechneten die Physiokraten somit eine herrschaftsregelnde und begrenzende Funktion zu. Als Gegenkraft zu einer mög­licherweise ausartenden, die Naturgesetze ignorierenden fürst­lichen Gewalt sollte die Öffent­lichkeit (bestehend aus den von ihren Interessen geleiteten Individuen) fungieren.358 Die Publikationsorgane der Physiokraten zielten deshalb darauf, die entstehende Öffent­lichkeit durch Belehrung zu konstituieren und von ihren Vorstellungen einer Agrarnation zu überzeugen. Als Träger und Motoren der praktischen Umsetzung ihrer Vorstellungen identifizierten die Physiokraten die Monarchen nicht zuletzt deshalb, weil sie davon ausgingen, dass die Interessen von Fürsten stärker mit denen der Allgemeinheit verbunden seien als die der Herrschenden in einer Republik. So wie der Monarch an der Steigerung des Wohlstandes beteiligt sein sollte, so sollte sein Wohlstand vom Wohlergehen der Untertanen abhängen. Den Herrschern kam damit, wie schon Klaus Gerteis betont hatte, eine wichtige Funktion als Personen zu, galten sie den Physiokraten doch als Amtsträger, als dépositaire der Souveränität und damit als Verkünder der natür­lichen Ordnung im Sinne etwa eines von ihnen angestrebten royaume agricole.359 Die Physiokraten zielten darauf, langfristig für die Landwirtschaft eine „privileged position under government protection“ zu erlangen.360 Nur so konnte die notwendige Modernisierung der Landwirtschaft erreicht und zeitnah das notwendige Gleichgewicht zwischen den landwirtschaft­lichen Rohstoffen, den Bedürfnissen des freien Handels und der Verarbeitung in den Manufakturen hergestellt werden.361

3 57 Zorn, Physiokratie und die Idee der individualistischen Gesellschaft, S. 501. 358 Ne voyez-vous pas dans cette instruction génerale une contreforce naturelle oppose aux volontés usurpatrices et vexatoires, contreforce d’autant plus puissante que la conviction sera plus intime, la lumière plus vive, le sentiment plus enraciné? Baudeau, Nicolas: Premiere introduction a la philosophie economique, ou, Analyse des etats polices. Paris 1771. S. 138. 359 Gerteis, Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik, S. 87 – 89. 360 Guy, The French Image of China before and after Voltaire, S. 349. 361 Mirabeau hatte in einem undatierten Schreiben die Landwirtschaft als wesent­lichen Wirkungsbereich der Regierung beschrieben und zum Handeln aufgefordert: Il faudroit bien so garder de vouloir le régir et gouverner. Cette meprise des gouvernements trop organisés, nuit a toutes les parties qu’ils embrassent […]. En mettant donc toujours pour base de la deffense absolue de toute gêne ni contrainte en cette matiere, il faudroit donc donner a l’agriculture une voye pour se faire connoitre du gouvernement. Die Lösung sah er in der Schaffung der Stelle eines Directeur général de l’agriculture, der als Anprechpartner und Verbindungsmann der Bauern zum Fürsten selbst Inspektionsreisen unternehmen sollte, um sich ein umfassendes Bild von den Zuständen zu machen. Undatiertes Schreiben Mirabeaus ohne Adressat, Archives nationales, Paris, K 906, Nr. 24.

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Von großer Bedeutung war deshalb der persön­liche Kontakt zu Ludwig XV. sowie zu amtierenden Ministern, den Quesnay durch seine Stellung als Leibarzt von Madame de Pompadour am Hof in Versailles aufbauen konnte. Madame de Pompadour brachte den Physiokraten großes Interesse entgegen und war selbst von deren Zielen vollkommen überzeugt. Im Jahr 1766, kurz nach ihrem Tod, wurden in Lüttich gefälschte Memoiren der könig­lichen Mätresse veröffent­licht. Die Mémoires de Madame Marquise de Pompadour galten bis ins 19. Jahrhundert als gesicherte Quelle.362 Ungeachtet der fehlenden Authentizität spiegeln diese wider, wie Madame de Pompadour von Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Da sich die politisch und wirtschaft­lich interessierte Mätresse des Königs immer auch als dessen politische Beraterin verstand, gezielt in ihrem Schloss Crécy Zusammenkünfte des Staatsrates organisiert und mit Ministern 363 sowie dem Kreis der Physiokraten im Austausch gestanden hatte, war es aus Sicht der oder des Verfassers ihrer Mémoires keineswegs abwegig, kritische Diskussionen und eindeutige politische und wirtschaft­liche Stellungnahmen mit ihr in Verbindung zu bringen.364 So berichten ihre Mémoires von einer anonymen Denkschrift, die sie fi[t] lire au Roi. Das Memorandum, offensicht­lich zu Beginn der 1750er Jahre verfasst, habe Vorschläge zur Steigerung des Steueraufkommens und zur Begleichung der Staatsschulden enthalten. Es habe kritisch analysiert, dass unter der Regierung Ludwigs XIV. die Einrichtung von Manufakturen im Vordergrund gestanden habe, während die Felder unbestellt geblieben seien, weil die Arbeitskräfte in die städtische Industrie abgezogen worden wären: Le royaume se trouva rempli de métiers; un grand luxe, qui en est une suite nécessaire, se forma, & dès lors la France, à qui son climat heureux devoit donner une richesse supérieure à celle de tous les autres états de l’Europe, devint pauvre. Cependant le Ministère, qui a suivi depuis le plan de Monsieur Colbert, a continué de multiplier les arts, aux dépens du produit de l’agriculture. On dit pour raison que cette industrie met à contribution tous les états de l’Europe: mais la France ne voit point qu’elle commence par se taxer elle-même, en diminuant le produit de ses prémières matières; désavantage, qui porte directement sur la puissance de l’état, puisqu’il arrête les progress de la

362 Zur Aufdeckung der Fälschungen sowie zur Rolle unterschied­licher „Memoiren“ von könig­lichen Mätressen oder Ludwigs XV. selbst als äußerst beliebte zeitgenössische Lektüre vgl. Darnton, Robert: The Forbidden Best-Sellers of Prerevolutionary France. New York 1995. S. 62ff und S. 337ff. Eva Dade verweist darauf, die Marquise habe es vermieden, ihre Einflüsse und Meinungen zu politischen Angelegenheiten in großem Stil schrift­lich zu fixieren. Sie habe nicht gegen das Rollenbild einer Frau verstoßen wollen. Dade, Eva Kathrin: Madame de Pompadour. Die Mätresse und die Diplomatie (Externa, Bd. 2). (Diss.) Köln/Weimar/Wien 2010. S. 235. 363 Eva Dade analysiert die Einflüsse der Mätresse auf die Personalpolitik im Kabinett. Dade, Madame de Pompadour, S. 42 – 60 und S. 202ff, S. 208. 364 Auf ihren Porträts hatte sie sich häufig mit Büchern, Notizen bzw. Briefen und Schreibzeug darstellen lassen, um ihre Intellektualität zu unterstreichen. Darin sah sie auch die Legitimation ihrer freundschaft­lichen Verbindung zum König. Zu den Bildern und ihrer Einordnung vgl. Weisbrod, Andrea: Von Macht und Mythos der Pompadour. Die Mätressen im politischen Gefüge des französischen Absolutismus. Königstein/Taunus 2000. S. 151 – 197.

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population, &c. &c.365 Der Verfasser der Mémoires der Marquise diskutierte die bestehenden gegensätz­lichen, merkantilistisch und zunehmend physiokratisch geprägten Auffassungen bei Hofe. So ist zu lesen, dass Monsieur de Belle-Isle 366 der Ansicht sei, dass Geld nur durch das produzierende Gewerbe zirkulieren könne. Seiner Protagonistin legte der Autor der Mémoires hingegen eine ganz andere Meinung in den Mund: […] mais il prétendoit mal. De grands économes m’ont démontré depuis que les productions de la terre créent une richesse réelle, au lieu que l’industrie n’en forme qu’une fiction.367 Die gefälschten „Memoiren“ boten ihren Lesern kritische Einschätzungen politischer Tendenzen und Ereignisse, die aber für die Zeitgenossen offensicht­lich glaubwürdig und authentisch zum etablierten Bild von den Ansichten und dem Wirken der könig­lichen Mätresse passten. Insofern können die Mémoires als ein Spiegel ihrer öffent­lichen Außenwahrnehmung gelten. Die könig­liche Mätresse fungierte tatsäch­lich bis zu ihrem Tod 1764 immer wieder aus eigener Überzeugung als Vermittlerin und Förderin der Ideen Quesnays und seines Kreises: Brief­lich äußerte sie Quesnay über ihre Beziehung: La confiance dont vous m’honorez me donne un avantage sur tous ceux qui, comme moi, vous adressent leurs respects. Elle me met à portée de voir chaque jour le principe même de ces sentiments généreux dont les autres ne ressentent que les effets. Oui, Madame, j’admire sans cesse cette bonté d’âme qui s’étend à tous et qui met tant d’attention à saisir les instants de faire le bien, et tant de souci à en éviter l’éclat. C’est à ce trait qui vous distingue singulièrement que je consacre mon hommage et le respect infini avec lequel je suis, etc.368 Im Frühling des Jahres 1749 gelang es ihr, Quesnay als médecin consultant du roi zu etablieren, wenig später war er sogar für die Position des ersten Leibarztes des Königs im Gespräch. Auch wenn er letzt­lich die Stelle nicht erhielt, erwarb er sich über Jahre doch das Vertrauen des Monarchen ebenso wie das des Dauphin durch stetige persön­liche Nähe und zahl­reiche G ­ espräche, die Madame de Pompadour zwischen den könig­lichen Personen und dem Arzt anregte.369 Dies gelang umso leichter, weil Quesnay im entresol unter den Vorzimmern des Appartements von Madame de ­Pompadour wohnte und ihm uneingeschränkter Zugang zu ihren Räumen sowie ihrem Salon eingeräumt worden war.370 Er gehörte zu ihrem engsten Kreis und somit mittelbar auch zu dem des Königs. Über ihn profitierten neben dem engeren Kreis der Physiokraten auch die Enzyklopädisten wie Diderot und D’Alembert und Minister Bertin von dieser

365 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, Marquise de: Mémoires de Madame Marquise de ­Pompadour. Bd. 2. Lüttich 1766. S. 32. 366 Es handelt sich um Marschall Belle-Isle, den Kriegsminister. Zu seiner Verbindung mit der Marquise vgl. Dade, Madame de Pompadour, S. 223. 367 Pompadour, Memoires de Madame Marquise de Pompadour, Bd. 2, S. 39. 368 Schelle, Docteur Quesnay, S. 101. 369 Ibd. S. 112ff. 370 Zu den Apartement du Sieur Quesnay, bestehend aus zwei Räumen, einen kleinen Vorzimmer sowie einer Garderobe und der Ausstattung bzw. der Lage vgl. Cordey, Jean: Inventaire des biens de Madame de Pompadour rédigé aprés son décès. Paris 1939. S. 110.

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Nähe, wenn sie sich in Quesnays Räumen zu regelmäßigen Gesprächen trafen und zuweilen sogar in den Salon der Pompadour Eintritt fanden.371 Quesnay war deshalb davon überzeugt, König und Kronprinz für die physiokratischen Ideen gewinnen zu können und sie an die Spitze der Bewegung zu stellen. Die Gründung der Société d’Agriculture, die vor allem Ministern wie Bertin und Turgot sowie dem Reisenden Poivre ein großes Anliegen war, sollte durch den Monarchen gefördert und legitimiert werden. Doch bevor sich ein Herrscher an die Spitze der physiokratischen Bewegung stellen konnte, mussten durch den direkten Kontakt der amtierende Monarch und sein Nachfolger vom Wert, vom Umfang und vom Inhalt der Vorstellungen unterrichtet werden. Nach dem Tod der Marquise de Pompadour verloren die Zusammenkünfte der Physiokraten im entresol Quesnays an Bedeutung und verlagerten sich ab 1767 nach Paris in die Wohnung von Mirabeau. Mit der neuen Gastgeberrolle avancierte Mirabeau zum organisatorischen und strategischen Kopf der physiokratischen Schule. Er knüpfte und koordinierte maßgeb­lich neue, oft auch persön­liche Kontakte zu Fürsten und strukturierte bzw. bündelte das physiokratische Wissen für die Außenwirkung.372 In den 1770er Jahren war es somit immer weniger Quesnay, sondern mehr Mirabeau, der die Lehren der französischen économistes in der Öffent­lichkeit vertrat und propagierte. Zudem waren die Physiokraten nun darauf angewiesen, neue Vermittler aus den engsten Kreisen um den König und den jungen Dauphin Louis Auguste, den zukünftigen Ludwig XVI., zu finden.

4.2.4 Von der Bedeutung eines Motivs – Das Pflugritual als Bestandteil physiokratischer Vermittlungsstrategien

Wenn die Physiokraten auf die Umsetzung ihrer Ansätze zielten, mussten sie zur Vermittlung entgegen Klaus Gerteis’ Auffassung kein utopisches Gegenbild zur eigenen Realität konstruieren und sich damit vollkommen von der Realität lösen,373 sondern

371 Lever, Evelyne: Madame de Pompadour. Paris 2000. S. 120. Quesnay hatte seiner Gönnerin zum Dank für die Unterstützung eines seiner Werke Traité des fièvres gewidmet. Die könig­liche Mätresse bedachte den Arzt und Ökonomen in ihrem Testament vom 15. April 1764 mit einer Pension von 4000 Louis d’or. Testament der Pompadour. In: Malassis, M. A. P. (Hg.): Correspondance de Mme de Pompadour avec son père, M. Poisson et son frère, M. de Vandières. Paris 1878. S. 217 – 224. Hier S. 218. Allgemein zum Vertrauensverhältnis zwischen Quesnay und der Pompadour sowie zur Protektion durch die Mätresse vgl. Schultz, Uwe: Madame de Pompadour oder die Liebe an der Macht. München 2004. S. 79f. Weisbrod, Macht und Mythos der Pompadour, S. 113ff. 372 Théré, Christine/Loïc, Charles: The Writing Workshop of François Quesnay and the Making of Physiocracy. In: History of Political Economy 40/1 (2008). S. 1 – 44. Hier S. 23ff. 373 Gerteis geht davon aus, dass sich die Physiokraten mit ihren praxisfernen revolutionären Konzepten vollkommen von der Realität lösten, maximal in einem Schwebezustand zwischen Realitätsbezug und Abbildungscharakter verharrten. Gerteis, Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik, S. 82f.

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ihre philosophie rurale als praktische Wissenschaft beweisbar, argumentativ leicht nachvollziehbar und verständ­lich kommunizieren können. Insbesondere bedurfte es eines Beispiels für die Rolle und das Aufgabenspektrum des Monarchen, das überzeugend und problemlos übertragbar war und somit zur Orientierung dienen konnte. Nötig waren dafür Beispiele aus der geprüften Praxis. Die Physiokraten fanden solche Beispiele jedoch kaum in den Staaten Europas und entlehnten sie deshalb aus andereren Erdteilen, insbesondere aus China. Darüber hinaus griffen sie im Gegensatz zu Justi auf die Antike zurück. Sie wählten für die Darstellung und sogar für die Visualisierung ihrer Argumentation das Motiv des pflügenden chinesischen Kaisers aus dem Ritual, das zu Beginn des Frühlings zu Ehren des Ackerbaugottes Shennong abgehalten wurde. Ein solches Ritual, wie es der Kaiser in China vornahm, war bis Ende der 1750er Jahre nie Gegenstand der Belehrung oder der Diskussion über die Form fürst­licher Landwirtschaftsförderung in Frankreich oder in Europa gewesen. Die Physiokraten verbreiteten in ihren Schriften in gleicher Weise wie in direktem Kontakt zum König den Ablauf der Pflugszene des Kaisers von China gezielt mit der Intention, den französischen Monarchen, aber auch andere europäische Fürsten an ihre Aufgabe – die Förderung der Landwirtschaft – zu erinnern und gleichzeitig zur Nachahmung anzuregen. Die Annahme oder Ausführung des Rituals durch europäische Monarchen setzte voraus, dass das vorbildhafte Konstrukt oder Modell des chinesischen Kaisers und seiner engen Beziehung zum Bauernstand bzw. zur Landwirtschaft den europäischen Fürsten erst einmal nahegebracht und in der Öffent­lichkeit verbreitet wurde. Es soll deshalb im Folgenden untersucht werden, •• warum Elemente aus einer fremden Kultur in die physiokratische Theorie Eingang gefunden haben, •• warum sich ein Ritual und warum sich speziell das Ritual des kaiser­lichen Pflügens als Vorbild eignete, und •• auf welche Weise die Idee des pflugführenden Monarchen als Bestandteil der physiokratischen Theorie verbreitet und von den französischen Königen Ludwig XV. und dem künftigen Ludwig XVI. rezipiert wurde. a. Vico, die Einheit der Kulturen und die visualisierte Philosophie Methodisch erscheint es sinnvoll, nach Ansätzen zu suchen, die aus dem zeitgenössischen Kontext erklären, wieso überhaupt Elemente aus der chinesischen Kultur in die Vorstellungen der Physiokraten und somit auch in die künftige französische Herrschaftsauffassung übertragen werden konnten. Frankreich war im Siebenjährigen Krieg militärisch gedemütigt worden und hatte wesent­liche wirtschaft­liche Einbußen durch den Verlust von Kolonien zu verzeichnen. Es bedurfte deshalb einer Zeit der Orientierung, die von einer Diskussion zwischen Intellektuellen und adeligen Eliten um die Frage des Lernens von anderen Staaten geprägt war. Stellten Vergleiche mit anderen Gemeinwesen und die Nachahmung in bestimmten Bereichen, die als vorbild­lich erkannt worden waren, mög­liche Lösungsansätze für die eigenen Defizite dar? Drohten eher Gefahren vor dem

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Unbekannten, dem Neuen, bzw. bargen Modifikationen oder Anpassungen der erkannten Vorbilder und ihre Einbindung in eventuelle Reformen Risiken für Frankreich in sich? Fragen nach den Auswirkungen auf einzelne Stände und Gruppen wurden laut. Fremdes Wissen wurde in diesen Debatten als antifranzösisch und antipatriotisch diffamiert. Es bedurfte also einer Rechtfertigung des Fremden, wenn es als Modell dienen sollte. China erschien den Physiokraten geeignet, da europäische Modelle wie England oder Preußen 374 eher als europäische Konkurrenz, als deut­lich gefähr­licher für die Selbstwahrnehmung angesehen werden mussten.375 Zudem konnte China der Aspekt einer allzu fremden Kultur dadurch genommen werden, indem, wie im Kapitel zum Kameralismus beschrieben, auf die Ähn­lichkeiten rekurriert und darüber hinaus die Vorstellung von der grundsätz­lichen Einheit der Kulturen von den Physiokraten betont wurde. Dies erleichterte die Annäherung an China als Modell und half den é­ conomistes, die mög­lichen Einwände, das gewählte Vorbild sei unfranzösisch, zu entschärfen. Um den Aspekt der Einheit der Kulturen zu konkretisieren, ist ein Blick in ­Giambattista Vicos (1668 – 1744) geschichtsphilosophischen Entwurf in seiner ­Principj di una scienza nuova d’intorno alla commune natura delle nazioni aus dem Jahr 1725 notwendig. In endgültiger, überarbeiteter Form erschien das Werk kurz nach seinem Tod 1744.376 Einen wichtigen und bisher kaum beachteten Hinweis auf die mög­liche Rolle Vicos und seiner Geschichtsphilosophie in der Theorie der Physiokraten gab der Philosoph und Theologe Johann Georg Hamann (1730 – 1788) im Jahr 1777 in einem Brief an Johann Gottfried Herder (1744 – 1803). Hamann berichtete Herder, er habe sich Vicos Scienza nuova (in der Ausgabe von 1730) aus der Bibliothek kommen lassen, um die Quellen der Science nouvelle der Physiokraten zu finden.377 Hamann fertigte zwar ein ausführ­liches Exzerpt an und beschrieb das Frontispiz, stellte jedoch nach der Lektüre schrift­lich keine vergleichenden oder analysierenden Bezüge zu den Lehren der

374 Zum Wissensaustausch zwischen Frankreich und Preußen sowie zum französischen Preußenbild die unpublizierte Habilitationsschrift meiner Kollegin Isabelle Deflers (Heidelberg/Freiburg) mit dem Titel: „Der reflektierte Staat. Preußen im Spiegel französischer Reformdiskurse (1763 – 1806)“. 375 Vgl. dazu Schulze, Winfried: Die Entstehung des nationalen Vorurteils. Zur Kultur des Wahrnehmung fremder Nationen in der Europäischen Frühen Neuzeit. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995). S. 642 – 665. 376 Vico, Giambattista: La Scienza nuova. Hg. v. Fausto Nicolini. 2 Bde. Bari 1928/1931. In deutscher Übersetzung vgl. Giovanni Battista Vico: Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker. Hg. v. Vittorio Hösle/Christoph Jermann. Bd. 1 (mit einer Einleitung „Vico und die Kulturwissenschaft“ von Vittorio Hösle) (Philosophische Bibliothek, Bd. 418a). Hamburg 1990. S. CXLVI und S. CLXI. 377 Hamann, Johann Georg: Briefwechsel. Hg. v. Walther Ziesemer/Arthur Henkel. Bd. 3: 1770 – 1777. Wiesbaden 1957. S. 381. Zu den ersten Anzeigen des Werks in deutschen Periodika oder im Gelehrtenlexikon von Jöcher und den deutschen Übersetzungen vgl. Trabant, Jürgen: Vico in Germanien 1750 – 1850. In: Hausmann, Frank-Rutger (Hg.): Italien in Germanien. Deutsche Italien-Rezeption von 1750 – 1850. Tübingen 1996. S. 232 – 274. Hier S. 234f. und S. 237f.

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Physiokraten her.378 Doch seine Vermutung eines Einflusses, dem ebenfalls bisher in der Forschung kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde,379 erscheint keinesfalls abwegig und soll hier geprüft werden. Als Vermittler der geschichtsphilosophischen Lehren Vicos in Frankreich kann mit großer Wahrschein­lichkeit Ferdinando (Abbé) Galiani (1728 – 1787) gelten, der zwischen 1759 und 1769 als neapolitanischer Gesandtschaftssekretär in Paris weilte und Kontakte zum Kreis der Physiokraten unterhielt. Er war Vico mehrfach begegnet und hatte sich seit seinem 16. Lebensjahr intensiv mit der Scienza nuova auseinandergesetzt. Zahlreiche philosophische, aber auch moralische Ansätze zu guter Herrschaftsführung und ökonomische Vorstellungen Vicos zur Rolle der Arbeit in verschiedenen Kulturen diskutierte Galiani in seinen Schriften, etwa in seinem noch anonym publizierten Traktat Della Moneta (1750), der übersetzt De la Monnaie 1751 in Paris erschien.380 Durch Galianis Abhandlungen und seine Präsenz in verschiedenen Salons wurde Vico in Paris bekannt. Galiani verfolgte intensiv die landwirtschaftspolitischen Einflüsse der Physio­kraten auf die französische Gesetzgebung und deren Wirkung auf die Hungersnöte Ende der 1760er Jahre. Dies veranlasste ihn dazu, seine kritische Position zum Edikt von Export- und Importfreiheit von 1764 im Dialogue sur le commerce des blés (1768) zu fixieren.381

378 Albus, Weltbild und Metapher, S. 124f. Berlin, Isaiah: Vico and Herder. Two Studies in the History of Ideas. Chato/Windass 1976. S. 76, S. 91, S. 147. 379 Eine kurze Erwähnung von Vico im Zusammenhang mit Turgot findet sich bei Bödeker, Hans-Erich: Entstehung der Soziologie. In: Glaser, Horst Albert/Vajda, György Mihály (Hg.): Die Wende von der Aufklärung zur Romantik 1760 – 1820: Epoche im Überblick. Bd. 1 (A Comparative History of Literatures in European Languages, Bd. 14). Amsterdam/Philadelphia 2001. S. 259 – 292. Hier S. 281. 380 Zum Verhältnis und Einfluss von Vico auf Galiani vgl. Nicolini, Fausto: Giambattista Vico e ­Ferdinando Galiani. In: Giornale storico della Letteratura Italiana. 71/2 (1918). S. 137 – 207. Zu den Verbindungen Galianis in Frankreich vgl. Venturi, Franco: Galiani entre les encyclopédistes et les physiocrates. In: Ders. (Hg.): Europe des lumières. Recherches sur le 18e siècle. (Civilisations et sociétés 23). Paris 1971. S. 171 – 192. Eisermann, Gottfried: Galiani. Ökonom, Soziologe, Philosoph. Frankfurt/M. 1997. S. 17ff, S. 54, S. 67. Dongili, Paola/Einaudi, Luigi: Über Galianis „Della moneta“. Vademecum zu einem frühen Klassiker. Darmstadt 1986. Einleitung. 381 Galiani schlüpft im Dialogue in die Rolle des Chevalier Zanobi, der zu dem Ergebnis kommt, dass Frankreich kein Agrarstaat sei und auch keiner sein würde, selbst wenn alle brach liegenden Anbau­ flächen bearbeitet würden. Überflüssige Kornmengen würden nicht erwirtschaftet. Als Chevalier Zanobi unterbreitet er im siebten Dialog den Vorschlag, das Edikt von 1764 zu modifizieren und die Aus- und Einfuhr von eigenem und fremden Getreide jeweils mit einen Zoll zu belegen. In den Dialogues überlegten Galianis diskutierende Protagonisten, welche Vorbilder für Frankreich dien­lich seien. England und das römische Fürsorgeprogramm der Annona wurden als nicht taug­ lich verworfen. Modelle sollten danach ausgesucht werden, wie viel Ähn­lichkeit sie böten. Galiani, Ferdinando: Dialogue sur le commerce des blés: In: Scrittori Classici Italiani di Economia Politica. Bd. 5. Milano 1848. Hier S. 269ff. Galianis Dialogue wurden kontrovers diskutiert. Die Aprilausgabe des Mercure de France von 1770 enthielt eine scharfe Kritik. Eisermann, Galiani, S. 76. Die

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In Frankreich setzten sich insbesondere Voltaire in seiner Philosophie sur l’histoire universelle (1754) und in seinem Essai sur les mœurs et l’esprit des nations (1756) sowie Anne Robert Jacques Turgot in seinem Werk Tableau philosophique des progrès successifs de l’ésprit humain (1750) und in seinen Réflexions sur la formation et la distribution des riches (1766) mit Vicos Ansichten auseinander.382 Über Voltaire und Turgot gelangten bedeutende Axiome Vicos, etwa die Vorstellung von der Einheit der Kulturen, seine Auffassung vom Menschen als Schöpferwesen und Gestalter der Geschichte, seine Vorstellungen eines notwendigen sozialen Wandels, die er in seinem Konzept zum historischen Wandel geäußert hatte, und seine Gedanken von der historischen Wahrheit des Mythos in die physiokratische Theorie.383 Von besonderer Bedeutung sind aber die strukturellen und geschichtsphilosophischen Übereinstimmungen, die sich in Anlehnung an den Neapolitaner in Turgots und Quesnays Schriften ergaben. Der spätere Minister Anne Robert Jacques Turgot war es, der die Natur- und Wirtschaftslehren der Physiokraten durch seine Studien (u. a. zu Vico) historisierte und Quesnays Wirtschaftskreislauf im Tableau économique um gesellschaftstheoretische Komponenten ergänzte.384 Nachfolgend sollen zunächst Vicos Vorstellungen zusammengefasst und im Anschluss gezeigt werden, welche seiner Ansätze die physiokratische Argumentation und Vermittlungsstrategie bereicherten und unterstützten. Damit wird der bisher in der Forschung noch immer geltenden Annahme widersprochen, Vico sei nicht zeitgenössisch, sondern erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts rezipiert worden.385

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Physiokraten reagierten schon 1769 in einer rechtfertigenden Stellungnahme auf Galianis Schrift in den Ephémérides du citoyen. Venturi, Galiani, S. 177ff. Michelet, Jules (Hg.): Œuvres choisies de Vico: contenant ses mémoires, écrits par lui […]. Bd. 1. Paris 1835. S. 128. Turgot, Anne Robert Jacques: Über die Fortschritte des mensch­lichen Geistes. Hg. v. Johannes Rohbeck/Lieselotte Steinbrügge (Suhrkamp-Taschenbuch, Bd. 657). Frankfurt/M. 1990. Einleitung. Jolink, Albert: The Evolutionist Economics of Léon Walras. New York 1996. S. 16 – 24. Zur Rezeption Vicos im deutschsprachigen Raum sind vor allem Isaak Iselin und Herder zu nennen. Vgl. Trabant, Vico in Germanien, S. 232 – 251. Turgot las fließend italienisch und übersetzte auch aus dem Italienischen. Schelle, Turgot, Bd. 3, S. 406. Bezüge finden sich in seinen Réflexions sur la formation et la distribution des richesses (1766) oder den Lettres sur la liberté du commerce des grains (1770). Insbesondere Quesnay galt als Lehrer und Freund Turgots. Sehr gute Kontakte pflegte Turgot auch zu Vincent de Gournay und Du Pont. Zu Letzterem veränderte sich sein Verhältnis jedoch, als dieser Turgots Réflexions sur la formation et la distribution des richesses für die Publikation in den Ephémérides du citoyen ablehnte. Schelle, Turgot, Bd. 1, S. 595ff. Turgot setzte sich sehr stark mit landwirtschaft­lichen Fragen auseinander. Er stellte das Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag auf. Vgl. Heyke, Hans-Eberhard: Antike und chinesische Stimmen zur landwirtschaft­lichen Produktion. Vorstellungen von Turgot, dem Begründer des Bodenertragsgesetzes. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 56 (1969). S. 145 – 161. Hier S. 147. Johnson Kent Wright schreibt 2009: “Two unusual works influenced by natural law theory made contributions to stadical theory. The first was of long-term importance; the second of immediate significance. The former was The New Science, by the Naepolitan jurist and philosopher ­Giambattista

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Vico hielt ähn­lich wie Montesquieu die Annahme der Isolation verschiedener Kultursphären voneinander für verfehlt. Er fand vielmehr zahlreiche Indizien für die Einheit der Kulturen bzw. für ihre typologische Verwandtschaft. Solche Übereinstimmungen beruhten nach Auffassung von Vico nicht auf einem mög­lichen gemeinsamen Ursprung aller Kulturen. Im Wesent­lichen sah er die Gemeinsamkeiten in der mensch­lichen Natur, die bei räum­lich getrennten, kulturell voneinander unabhängigen Völkern dennoch ähn­liche Strukturen ausgebildet habe. Dies seien nach Vico beispielsweise die Entstehung von Religionen, die Institution der Ehe und die rituelle Bestattung von Toten. Er ging davon aus, dass die gleichen Ideen und Strukturen in unterschied­lichen Völkern einen Hinweis auf die Wahrheit dieser Ideen und den Gemeinsinn (senso comune) der Menschen geben würden, da in ihnen offensicht­lich eine einheitsstiftende Komponente erkannt werden konnte. Die Wahrheit und Bedeutung dieser Ideen ergab sich für ihn aus der Übereinstimmung über verschiedene Völker und Kulturen hinweg: Idee uniformi nate appo intieri popoli tra essoloro non conosciuti debbon avere un motivo comune di vero. Questa degnitá è un gran principio, che stabilisce il senso comune del gener umano esser il criterio insegnato alle nazioni dalla provvedenza divina per diffinire il certo d’intorno al diritto natural delle genti, del quale le nazioni si accertano con intendere l’unitá sostanziali di cotal diritto, nelle quali con diverse modificazioni tutte convengono.386 Vico hob sich damit deut­lich von Descartes ab, ging Ersterer doch davon aus, dass der senso comune vermittelnd zwischen dem Wahrschein­lichen und dem Wahren wirkte und zur Erkenntnis im Sinne praktischer Vernunft führte.387 Zugleich war der senso comune für Vico der Filter, durch den die vom Einzelnen erzeugten Gewissheiten durch den Konsens der Menschen zu allgemeinen Gewissheiten wurden und der somit allgemeinverbind­ liche Normen der Zivilisation schuf. Darüber hinaus handelte es sich um gemeinsame Gewissheiten, die für ihn über die Zeit hinweg Bestand hatten.388 Hugo Grotius hatte eine

Vico (1668 – 1744), who developed a highly idiosyncratic theory of stadial social evolution out of a critical confrontation with contemporary natural lawyers. Almost entirely ignored by his contemporaries, Vico was immedieately claimed as one of the percursors of “historicism” when his work was rediscovered early in the nineteenth century.” Wright, Johnson Kent: Historical Writing in the Enlightenment. In: Fritzpatrick, Martin/ Jones, Peter/ Knellwolf, Christa/ McCalman Iain (Ed.): The Enlightenment World. Oxfordshire/New York 2004. S. 207 – 216. Hier S. 209. 386 Vico, Scienza nuova, 3. Aufl. 1740, § 144f. Vgl. Erny, Nicola: Theorie und System der neuen Wissenschaft von Giambattista Vico. Eine Untersuchung zu Konzeption und Begründung (Epistemata, Reihe Philosophie, Bd. 144). (Diss.) Würzburg 1994. S. 86. 387 Descartes bon sens ließ die Erkenntnis der Wahrheit nur im rationalen Urteil zu. Bei Vico ergab sich die Wahrheit aus der Tatsache, dass alle Menschen hinsicht­lich der bereits genannten Prinzipien wie Ehe, Totenbestattung und Religion übereinstimmten. Amoroso, Leonardo: Erläuternde Einführung in Vicos Neue Wissenschaft. Würzburg 2006. S. 51. Zur Kritik an Vicos Form der Wahrheitserkenntnis. Ibd. S. 100. 388 Ibd. S. 53 und S. 64. Or, poiché questo mondo di nazioni egli è stato fato dagli uomini, vediamo in quail cose hanno con perpetuitá convenuto e tuttavia vi convengono tutti gli uomini, perche tali cose

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ähn­liche Annahme geäußert, die Vico beeinflusst haben könnte: Quod ubi multi diversis temporibus ac locis idem pro certo affirmant, id ad causam universalem referri debeat.389 Vico erhob in seiner Scienza nuova den senso comune zu einem gemeinschaftsstiftenden Prinzip und zugleich zu einem Spiegel, der die Prinzipien der Gemeinschaftsbildung offenbarte und erforschbar machte. Somit stellte sein Werk eine Ideengeschichte der Zivilisation dar. Heinz Schlaffer hat darauf verwiesen, dass mit Vico das hermeneu­ tische Zeitalter begonnen und der Neapolitaner Geschichtsphilosoph den Blick seiner Zeitgenossen auf das gerichtet habe, was der Mensch selbst geschaffen und erreicht hätte. Vico habe das Feld mensch­licher Phänomene abgesteckt und gezeigt, dass der Mensch Initiator und Autor seiner Geschichte gewesen sei.390 Dabei kam es Vico darauf an, dass die Transformation der Natur durch den Menschen in eine soziale und zivilisierte Umgebung als schöpferisches Wirken des Menschen anzusehen sei, worin sich sein natür­liches Wesen offenbare. Durch dieses schöpferische Wirken des Menschen erlerne er auch die Prinzipien der Natur. Für Vico war Natur somit Entstehungs- und Wirkungskategorie. Diese Erkenntnis war für die Physiokraten von größter Bedeutung und avancierte zur Grundaussage ihrer Lehre.391 Zu diesem Schöpfungsprozess des Menschen zählte für Vico auch die Entwicklung von Zeichen und Sprache bei allen Völkern als Form der Kommunikation, als Grundlage zur Schaffung politischer Organisation und zur Konstituierung von Recht. Der Untersuchung von Etymologien widmete sich Vico umfassend.392 Worin bestanden nun die einheitsstiftenden Prinzipien, die nach Vico alle Völker und Kulturen gemeinsam als wahr und richtig erkannt und eingeführt hatten? In erster Linie handelte es sich um die Ausbildung von Religion.393 Die historische Rolle der Religio-

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ne potranno dare I principi universali ed eterni, quail devon essere d’ogni scienza, sopra I quail tutte sursero e tutte vi si conservano in nazioni. Vico, Scienza nuova, § 332. Grotius, Hugo: De iure belli ac pacis. Hg. v. Bernardina J. A. de Kanter-van Hettinga Tromp. Leiden 1939. § 40. S. 21. Vgl. auch Cacciatore, Giuseppe: Metaphysik, Poesie und Geschichte. Über die Philosophie von Giambattista Vico. Berlin 2002. S. 77. Schlaffer, Heinz: Poesie und Wissen. Die Entstehung des ästhetischen Bewußtseins und der philologischen Erkenntnis. Frankfurt/M. 1990. S. 184ff. Fritzsch verweist auf Vicos Analyse mensch­ licher Gedanken und sozialer Kognitionen, durch die der Mensch nach Vico zu Wissenschaft der Natur und der mensch­lichen Dinge gelangt sei. Fritzsch, Walter: Vicos Begründung objektiven Sinnverstehens geistiger Operationen und ihr aktualer Bezug als Strukturanalyse der Entwicklung von Weltbildern, Handlungsentwürfen und das Selbst. (Diss.) Bern 1985. S. 17. Turgot kritisierte die Missachtung der weisen Ökonomie der Natur durch die Menschen, insbesondere Gesetzgeber im gesamten Verlauf der Geschichte. Turgot, Discours sur les avantages que l’établissement du christianisme a procurés au genre humain, S. 207. Cacciatore, Metaphysik, Poesie und Geschichte, S. 13, S. 61. Vico ging davon aus, dass es eine allen Völkern gemeinsame Sprache gäbe, die existentielle Dinge abbilde. Ibd. S. 78. Vgl. auch Albus, Weltbild und Metapher, S. 42ff. Vico ging davon aus, dass alle Völker die Vorstellung von einer vorsehenden Gottheit besäßen. Berichte von Reisenden, die von Menschen ohne die Kenntnis eines Gottes erzählten, verwarf

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nen im Zivilisationsprozess der Menschen aller Kulturen betonte auch Turgot. Er setzte sich aber insbesondere mit dem Christentum auseinander. In der christ­lichen Religion erkannte Turgot die Bestätigung eines natür­lichen moralischen Gefühls von Menschen und ihrer natür­lichen Rechte. Im Christentum sah er grundlegende natür­liche Elemente wie die Gleichheit aller Menschen und die Liebe als Handlungsmotivation verankert. Diesen Komponenten hatte sich aus Sicht Turgots auch ein Monarch zu unterwerfen.394 Vicos Vorstellung von der grundlegenden Bedeutung der Religion in allen Kulturen wurde von ihm nicht nur sprach­lich, sondern auch bild­lich zusammengefasst. Er hatte für die zweite Ausgabe seiner Scienza nuova die Dipintura entworfen und vom Neapolitaner Maler und Bildhauer Domenico Antonio Vaccaro (1678 – 1745) als Frontispiz seines Werkes zeichnen lassen. Da für Vicos Vorstellung von der Entwicklung der Kultur das Bildhafte am Anfang steht, setzte er seinem Werk ein Bild voran, das es erlaubte, sich dem Inhalt nicht nur durch das Wort, sondern auch im Wortsinne anschau­lich zu nähern. Die Scienza nuova setzte methodisch auf eine Verflechtung von Wort und Bild, die der Autor seinem Leser wortreich erläuterte.395 Mit der Idee, seine Philosophie in einem Bild zu fixieren und seine Lehren auch visuell zu vermitteln, hatte Vico einen ungewöhn­lichen Weg beschritten. Die Visualisierung von komplexen Theorien oder Gedankengängen war im Gegensatz zur philosophischen Dichtung nicht etabliert. Doch genau der Wirkung philosophischer Dichtung suchte Vico mit seinem Bild als Idea dell’Opera zu entsprechen. Epikur oder Lukrez boten ihre Lehren in verständ­lichen und gut lernbaren Versen als Lebensphilosophie. Es ging ihnen mit der Wahl des Mediums Gedicht nicht nur um Belehrung, sondern auch um Überredung bzw. Überzeugung.396 Das beabsichtigte Vico auch mit seinem Bild. Auf einem Bild konnten Gegenstände leicht in Beziehung gesetzt und so gut zur Anschauung gebracht werden, deren Verhältnis sonst nur umständ­lich verbal konstruiert werden musste. Vico beabsichtigte, mit dem Bild eine knappe „Vorstellung vom Ganzen“ zu geben.397 Ein philosophisches Bild

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Vico. Vico, Scienza nuova, § 334. Amoroso, Erläuternde Einführung in Vicos Neue Wissenschaft, S. 80ff. Rohbeck, Johannes: Turgot als Geschichtsphilosoph. In: Turgot. Über die Fortschritte des mensch­ lichen Geistes. Hg. von Johannes Rohbeck/Lieselotte Steinbrügge (Suhrkamp-Taschenbuch, Bd. 657). Frankfurt/M. 1990. S. 7 – 87. Hier S. 35f. Eine umfassende Erläuterung zur Dipintura und zum Bildverständnis von Vico findet sich erstmals bei Thomas Gilbhard: Vicos Denkbild: Studien zur ‚Dipintura‘ der Scienza Nuova und der Lehre vom Ingenium (Actus et Imago, Bd. 3). (Diss.) Berlin 2012. S. 32ff. Zum missverständ­lichen Begriff der Dipintura ibd. S. 29. Brandt, Reinhard: Philosophie in Bildern. Von Giorgione bis Magritte. Köln 2000. S. 19ff. Zu Vico insbesondere S. 331 – 345. James A. Leith macht darauf aufmerksam, dass einige Reformer des 18. Jahrhunderts, etwa auch Diderot und d’Alembert, zur Vermittlung ihrer Ziele neue Wege beschritten und die Bildkunst einbezogen. Leith, Idea of Art as Propaganda in France, S. 15. Er erreichte allerdings wohl auch viel Ratlosigkeit mit seinem Frontispiz, da er zahlreiche allego­ rische Darstellungen umdeutete. Brandt, Philosophie in Bildern, S. 334.

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kam auch den Physiokraten entgegen und mag ihr Bestreben, sich gezielt des Motivs des pflügenden chinesischen Kaisers als Visualisierung ihrer Lehre zu bedienen, maßgeb­lich unterstützt haben. Da Quesnay selbst auch ausgebildeter Kupferstecher war,398 ist ihm die Wirkung von bild­lichen Darstellungen an sich, aber auch die Bedeutung, die einem Motiv zugrunde liegen konnte, bekannt gewesen. Die économistes verfügten mit Quesnay nicht nur über einen der maßgeb­lichen Theoretiker der Schule, sondern zugleich auch über jemanden, dem die Wirkungs- und Funktionsweise der zeitgenössischen Medien vertraut war. Die Gründe für die Auswahl des Motivs durch die Physiokraten werden im nachfolgenden Kapitel eingehend untersucht. Auf seinem Frontispiz ließ Vico die drei grundlegenden Prinzipien der Menschheit in Hieroglyphen, also Symbolen abbilden. Sinnbild­lich für die wahre christ­liche Religion steht der Altar, für die heidnischen ein Krummstab als Symbol für Weissagungen.399 Mit der Religion in engem Zusammenhang stand für Vico die Bestellung von Feldern, die in allen Kulturen einen wichtigen Platz einnahm. Die Vielzahl der Völker und Kulturen fand er in der Weltkugel abgebildet. Sichtbar wurde die Landwirtschaft in zwei den Globus umlaufenden Tierkreiszeichen: dem Löwen, den Vico als N ­ emeischen Löwen verstanden wissen wollte, der von Herkules getötet Feuer spie und somit das Land bebaubar machte, sowie der Jungfrau, deren Haar mit Ähren, dem wahren Gold im Zeitalter Saturns, geschmückt ist.400 Dazu wurde, wie Vico bemerkte, in allen Kulturen zum Landbau ein gleichartiges Werkzeug gebraucht: der Pflug. Dieses Gerät und die damit verbundene Landwirtschaft stellte für ihn ein Produkt des senso comune dar, weshalb er den Pflug auf seinem Frontispiz unmittelbar vor dem Altar platzierte. Er schrieb dazu: L’aratro appoggia con certa maestá il manico in faccia all’altare, per darci ad intendere che le terre arate furono i primi altari della Gentilità. Vico erläuterte weiter, dass Heroen als Väter der ersten Stämme, die den Ackerbau eingeführt hätten, gleichzeitig über das Recht, die Wissenschaft und die religiöse Macht mit der Verwaltung der gött­lichen Dinge verfügten.401 Er verwies dezidiert auf den Ackerbau als bedeutsame kulturstiftende Leistung von Heroen und ihre könig­liche bzw. priester­liche sowie ökonomische Macht über die Stämme. Der Pflug stellte für ihn in erster Linie ein Herrschaftszeichen und ein Symbol für gött­liche Nähe dar. Dieses Arbeitsgerät spielte aus Sicht Vicos zudem in allen Völkern für die Familienbindung und für die wirtschaft­liche Führung eines Hauses unter väter­licher Aufsicht eine gleich bedeutende Rolle. Seine Position neben dem Altar sollte auf die Tugenden der Väter und ihre quasi gött­liche Autorität in allen Kulturen verweisen. Schließ­lich sei der Pflug auch ein Instrument, das die Gründung von Städten und 3 98 Schelle, Docteur Quesnay, S. 15. 399 Eine gute Zusammenfassung bei Amoroso, Erläuternde Einführung in Vicos Neue Wissenschaft, S. 29ff. 4 00 Vico, Scienza nuova, § 3. 4 01 Vico, Scienza nuova, § 15. Dazu vgl. Amoroso, Erläuternde Einführung in Vicos Neue Wissenschaft, S. 34.

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Staaten markiert habe, wurden doch aus Vicos Sicht Stadtgrenzen zuerst mit dem Pflug gezogen.402 Daneben stand der Pflug für Vico aber auch symbolisch für die sesshafte, landbesitzende, ackerbautreibende, den Göttern verbundene und herrschaftsausübende Aristokratie als Nachfolger der kulturstiftenden Heroen, während das Steuerruder abseits vom Altar in Vicos Verständnis einmal nicht die Herrschaft darstellte, sondern bild­lich auf landlose, wandernde bzw. umherfahrende Knechte verwies, die nicht an den aristokratischen Tätigkeiten und den gött­lichen Dingen teilhatten.403 Vico hatte mit dieser Erkenntnis einen frühen Blick auf das Phänomen von Gesellschaft geworfen, die sich für ihn aus unterschied­lichen Segmenten bzw. Gebilden zusammensetzte und vor allem sozial fassbar wurde.404 Während Vico ein Bild von ursprüng­licher Zusammengehörigkeit von Herrschaft und Landwirtschaft, von kultischer und gesetzgeberischer Macht und Landbesitz zeichnete, deutete er zugleich auf seinem Frontispiz die bedroh­liche Entfernung von Pflug und Steuerruder an, die er später in seinem Text explizit ausführt. Da die Knechte keinen Anteil am Besitz des Landes besaßen, aber bei der Landarbeit dienen mussten, hätten sie sich nach Vico aufgelehnt (contese Agrarie).405 In der Entfernung von Pflug und Steuerruder, von Herrscher und Knecht, von Landbesitzenden und Landlosen, von denen, die dem Altar nahe, und denen, die entfernt stehen, erkannte Vico eine Dychotomie von Staat und Teilen der Gesellschaft sowie einen wesent­lichen Grund für inneren Unfrieden in den Gemeinschaften der Menschen. Eben diese zunehmende Trennung oder stetige Auseinanderentwicklung von Staat und Gesellschaft konstatierte auch Turgot in Frankreich. Gesellschaft bedeutete für ihn längst nicht mehr die Einheit von Ständen und Korporationen, sondern in Anlehnung an Quesnays Tableau économique ein kollektives Konzept oder Verständnis, das sich insbesondere durch soziale und ökonomische Zusammenhänge definierte. Aus Q ­ uesnays politischer Ökonomie und Vicos Beobachtungen der Scienza nuova entlehnte Turgot moral­philo­sophische Erklärungsmuster für ein theoretisches und praktisches Verständnis von Gesellschaft.406 Dabei folgte er Vico hinsicht­lich der Erkenntnis, dass die Aus-

4 02 Vico, Scienza nuova, § 16. In den Städten und Staaten habe die staat­liche Gewalt mit der Ausübung von Gerechtigkeit ihren Ursprung. Ibd. § 18. 4 03 Ibd. § 18. 4 04 Ibd. § 915. Vico eröffnete mit seinen Beobachtungen den Blick für eine Wissenschaft von „Gesellschaft“, die sich jeweils in unterschied­lichen Stadien und nach Gesetz­lichkeiten entwickelt hatte. 4 05 Finalmente il timone è in lontanza dall’aratro, ch’in faccia dell’altare gli si mostra infesto e minaccevole con la punta, perché I famoli, non avendo parte, come si è divisato, nel dominio de’ terreni, ce tutti eran in signoria de’ nobili, ristucchi di dover servire sempre a’ signori, dopo lunga etá finalmente, faccendone la pretension e perciò ammutinati, si rivoltarono contro gli eroi in sí fatte contese agrarie, che si truoveranno assai piú antiche e di gran lunga diverse da quelle che si leggono sopra la storia romana ultima. Ibd. § 20. Vgl. dazu auch Gilbhard, Vicos Denkbild, S. 104ff. Amoroso, Erläuternde Einführung in Vicos Neue Wissenschaft, S. 36. 4 06 Vorstellungen zur Gesellschaft entwickelte er bereits 1750 in seinem Tableau philosophique und in seinem Artikel Existence für die Enzyklopädie im Jahr 1757. Schelle, Turgot, Bd. 1, S. 48ff. Rohbeck,

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einanderentwicklung von Staat und Gesellschaft die Grundlage sozialer Spannungen oder sogar Unruhen sein könnte. Turgot und Quesnay zielten mit ihren theoretischen Werken ebenso wie der Minister später in der Regierungspraxis auf eine Verhinderung mög­licher Konflikte.407 Turgot wie der gesamte Kreis der Physiokraten appellierten an die Fähigkeit der Monarchie zur Anpassung an veränderte politische, wirtschaft­liche und gesellschaft­liche Gegebenheiten und an den Reformwillen des monarchischen Herrschaftssystems. Dies implizierte für Turgot wie für die Mitglieder des physiokratischen Kreises in einem ersten Schritt die Versöhnung aller unterschied­lichen Interessen der einzelnen Stände. In einem zweiten Schritt sollte es durch die verbindende Kategorie des Glücks zu einer Annäherung und Vergemeinschaftung der Menschen kommen.408 Vicos Annahme einer typologischen Verwandtschaft aller Kulturen, die sich in der Ausbildung gleicher und grundlegender Prinzipien offenbarte, bildet einen wichtigen theoretischen Anhaltspunkt für den mög­lichen Kulturvergleich und für die Idee der Ähn­lichkeit grundlegender Dinge in allen Kulturen. Für die Physiokraten, insbesondere für Turgot und Quesnay, die sich mit Vico beschäftigt hatten, bedeutete dies, dass ein Kulturgegenstand wie etwa der Pflug und der damit verbundene Ackerbau nicht nur zwischen China und Europa wechselseitig vergleichbar war, sondern dass dieser in beiden Kulturen den gleichen oder zumindest einen ähn­lichen Stellenwert besitzt. Deshalb konnte von der universalen oder relativen Gültigkeit einer Kategorie – im vorliegenden Fall einer Handlung, des Pflügens und der Funktionalität von Landwirtschaft nach ähn­lichen Kriterien – ausgegangen werden.409 Vicos strukturgeschicht­licher Ansatz ermög­lichte den Physiokraten eine Legitimation dafür, China und die eigene antike Tradition in ihrer Argumentation zusammenfließen zu lassen. Der Blick auf China und

Turgot als Geschichtsphilosoph, S. 67. Zur Entstehung der Vorstellungen von „Gesellschaft“ vgl. Acham, Karl: Art. „Soziologie“. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 9. Basel 1995. Sp. 1270 – 1282. Hier Sp. 1270. Baker, Keith: Enlightenment and the Institution of Society. Notes for a Conceptual History. In: Melching, Willem/Wyger, Velma (Hg.): Main Trends in Cultural History. Ten Essays. Amsterdam 1994. S. 95 – 120. Head, Brian W.: The Origins of “La Science Sociale” in France, 1770 – 1800. In: Australian Journal of French Studies 19 (1982). S. 115 – 132. 4 07 Schelle, Turgot, Bd. 1, S. 412. 4 08 Turgot, Discours sur les avantages que l’établissement du christianisme a procurés au genre humain, S. 205 – 207. 4 09 Werner, Michael: Dissymmetrien und symmetrische Modellbildungen in der Forschung zum Kulturtransfer. In: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.): Kulturtransfer im Epochenumbruch: Frankreich – Deutschland 1770 – 1815. Bd. 1 (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, Bd. 55). Leipzig 1997. S. 87 – 101. Hier S. 87 und 89. Turgot ging ebenso von grundlegenden einheit­lichen Entwicklungen aller Kulturen aus. Rohbeck, Johannes: Kulturtheorie und Geschichtsphilosophie. Lafitau und Turgot. Zur aufgeklärten Gegenaufklärung in Frankreich. In: Georg-Forster-Studien 2 (1998). S. 57 – 77. Hier S. 66. Gisi, Lucas: Einbildungskraft und Mythologie. Die Verschränkung von Anthropologie und Geschichte im 18. Jahrhundert (Spectrum Literaturwissenschaft, Bd. 11). (Diss.) Berlin/New York 2007. S. 134ff.

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seine Landwirtschaft bedeutete damit für die Physiokraten nicht mehr den Blick auf ein fremdes, höchstens exotisches Beispiel, sondern auf eine Kultur zu richten, die im allgemeinen mensch­lichen Konsens die gleichen wesent­lichen kulturellen Maximen und Prinzipien hervorgebracht hatte. Wie Europa stand China somit nicht außerhalb, sondern war Teil einer eigenen, gemeinsamen Tradition. Eine wesent­liche Wahrheit der Geschichte aller Kulturen bestand für Vico beispielsweise in der Erkenntnis des materiellen Lebenszusammenhangs aller Menschen mit der Natur. Diese bedeutende, aus der Geschichte der Völker abgeleitete Erkenntnis entsprach der physiokratischen Annahme von der Natur als gebende und bedürfnisbefriedigende Kraft. Bei Vico fanden sie nicht nur den historischen Beweis für die Gültigkeit ihrer Annahme in Europa, sondern sogar für alle Völker. Es entstand daraus eine grundlegende Wahrheit für ihre Theorie. Der strukturgeschicht­liche Rückblick in die Vergangenheit ergab für China und die europäische Antike hinsicht­lich der Landwirtschaft – wenn die Physiokraten dem Blick Vicos folgten – eine gleichermaßen hohe Bedeutung des Ackerbaus als Entstehungs- und Wirkungskategorie mensch­lichen Überlebens (etwa als Ressource für Nahrung und Kleidung) sowie als Entstehungs- und Wirkungskategorie mensch­lichen Lebens in einer politischen Gemeinschaft. Die Erkenntnis Vicos, dass die Landwirtschaft in allen Kulturen auf gleichen Ursprüngen basierte, bedeutete für die Physiokraten eine legitime und wissenschaft­lich fundierte Mög­lichkeit, Bezüge herzustellen, auf Ähn­lichkeiten und Parallelen zu verweisen oder die Antike und China als gleichberechtigte Beispiele nebeneinander heranzuziehen: König­liche Heroen hatten, wie in Kapitel 2.1 und 2.2 herausgearbeitet, in chinesischen wie in den europäischen Mythen die Landwirtschaft gestiftet und verbreitet sowie die Menschen auf die Achtung des Landbaus verpf­lichtet.410 Aus China war über die Reiseberichte und Kompendien ebenfalls bekannt, dass ackerbaustiftende Kulturheroen wie Shennong als historische Kaiser betrachtet wurden. Vico hatte somit für alle Völker einen konstitutiven Zusammenhang von Entstehung und Tradierung des Landbaus erkannt. Die Mythen, welche diese Ursprünge fixierten und tradierten, hatte Vico als Geschichte von Ideen identifiziert.411 Die Mythen deckten für ihn den wahren Hintergrund des Denkens und der Vorstellungen der Alten in Übereinstimmung mit ihrem Handeln auf.412 Vico nahm mit seinem Mythenverständnis innerhalb der seit dem 17. Jahrhundert entstandenen neuen Mythentheorien in Europa eine für die Ziele und Argumentation der Physiokraten passende Position ein. In England, Frankreich und Deutschland gewannen

410 Vico betonte zwar das segensreiche Wirken zahlreicher ackerbaustiftender Heroen, ging jedoch nur auf Herkules detaillierter ein. Vico, Scienza nuova, § 543f. Momigliani, Arnaldo: Römische Hünen und Helden in Vicos Scienza nuova. In: Ders. (Hg.): Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung. Bd. 2: Spätantike bis Spätaufklärung. Stuttgart/Weimar 1999. S. 195 – 219. Hier S. 202. 411 Vico, Scienza nuova, § 347. 412 Ibd. § 150. Vgl. dazu auch Fritzsch, Vicos Begründung objektiven Sinnverstehens, S. 25ff.

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Auseinandersetzungen um die Einordnung der eigenen Zeit und des zeitgenössischen Geschichtsverständnisses in Bezug auf die Antike wieder zunehmend an Bedeutung. In der Querelle des Anciens et des Modernes gingen die Anhänger der Anciens von einer von Raum und Klima abhängigen Entwicklung des Menschen und der damit verbundenen kulturellen Unterschiede aus, während die Modernes die anthropologische Prämisse einer einheit­lichen Natur des Menschen erkannten. Aus dieser Diskussion ergab sich auch die Frage nach der Antike als orientierungsstiftender Leitfunktion sowie der Verwendung der antiken Mythologie in der Dichtung, der bildenden Kunst oder Abhandlungen zur Politik im christ­lichen Europa der zeitgenössischen Gegenwart des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts.413 Insbesondere ging es in dieser Diskussion um die Positionierung der Aufklärungsströmungen zum Mythos und seinem Nutzen für die einzelnen Positionen. Inwieweit blieb die Antike vorbildhaft und Inspiration zur Imitation oder war sie eher als ein Affront gegen die Vernunft zu werten? In den unterschied­lichen Strömungen der Aufklärung wurde ein wissenschaft­liches Interesse am Ursprung des Mythos und seiner Aussage wach sowie die Erforschung seiner kulturgeschicht­lichen Bedeutung forciert. Julie Boch sprach sich daher vollkommen richtig gegen die vorherrschende Forschungsmeinung aus, die Aufklärung sei mythenfeind­lich gewesen.414 Francis Bacon (1561 – 1626) hatte in Mythen Allegorien und Sinnbilder gesehen, die nur verborgene Weisheiten statt rationaler Erkenntnis transportierten.415 Bernard Le Boyer de Fontenelle (1657 – 1757) hatte schon im ausgehenden 17. Jahrhundert, jedoch auch in seiner erst 1724 erschienen Abhandlung De l’origine des fables Mythen grundsätz­lich allen Kulturen zuerkannt.416 Für ihn stellten diese erste Erklärungen für Naturerscheinungen dar: On trouve aussi chez les anciens Chinois la méthode qu’avaient les anciens Grecs d’inventer des histoires pour rendre raison des choses naturelles.417 Im 413 Einen guten Überblick zu den Standpunkten hinsicht­lich der Mythendeutung seit dem 17. Jahrhundert bietet Burke. Burke, Peter: Vico. Philosoph, Historiker, Denker einer neuen Wissenschaft. Berlin 2001. S. 55ff. Jauss, Hans Robert: Mythen des Anfangs. Die geheime Sehnsucht der Aufklärung. In: Kemper, Peter (Hg.): Macht des Mythos – Ohnmacht der Vernunft? (Fischer-Taschenbücher, Sozialwissenschaft, Bd. 6643) Frankfurt/M. 1989. S. 53 – 77. Zum deutsch-schweizerischen Literaturstreit um die Rolle der Antike unter Berücksichtigung der französischen Diskurse vgl. Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 40ff. 414 Boch, Julie: Les dieux désenchantés. La fable dans la pensée française de Huet à Voltaire (1680 – 1760) (Le dix-huitièmes siècles, Bd. 68). Paris 2002. S. 14f., S. 106 – 110. S. 532. Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 192ff. So formuliert etwa bei Jauss, Mythen des Anfangs, S. 53. 415 Bacon, Francis: Weisheit der Alten. Übers. v. Marina Münkler, hg. v. Philipp Rippel. Frankfurt/M. 1991. S. 10ff. 416 Fontenelle ging trotz ihrer Herkunft aus unterschied­lichen Klimazonen und Gegenden grundsätz­ lich nicht von einem natür­lichen Unterschied zwischen den Völkern aus. Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 17, S. 131ff. 417 Fontenelle, Bernard Le Bouyer de: De l’origine des fables. In: Œuvres de Fontenelle. Bd. 4. Paris 1825. S. 294 – 310. Hier S. 306. Bemerkenswert war jedoch die anthropologische Einordnung der Mythen durch Fontenelle, die Vico teilte.

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Wesent­lichen brachte Fontenelle aber eher mensch­liche Irrtümer mit Mythen in Verbindung als historische Wahrheit wie Vico, auch wenn Fontenelle wie Vico davon ausging, dass die Menschen zu allen Zeiten über gleiche geistige Fähigkeiten verfügten.418 Diesen Ansatz teilte auch Turgot. Für ihn war jeder Mensch, unabhängig seiner Herkunft, geschichtsgestaltendes Subjekt und mit der gleichen mensch­lichen Gattungsvernunft ausgestattet.419 Für Vico offenbaren die Mythen hingegen nicht analoge, sondern eindeutige Ideen und das schöpferische Wirken der Menschen hinsicht­lich ihrer sozialen und politischen Praktiken. Vicos Metaphernbegriff geht über die Ähn­lichkeit als verbindendes Element hinaus. Er basiert vielmehr auf der Annahme von Identität.420 In Mythen erkannte Vico eine sozial und politisch regulative Kraft.421 Den Mythen und ihren Protagonisten gestand er deshalb Modellcharakter zu, Allgemeinbegriffe und damit die Allgemeingültigkeit politischer Weisheit zu transportieren.422 Zunächst folgte das Mythenverständnis Turgots eher dem Fontenelles als dem Vicos. Turgot hatte in seinem Tableau philosophique des progrès succesifs de l’esprit humain formuliert, dass alle Gegenstände der Natur in Gestalt von Gottheiten auftraten. Die Mythologie offenbarte ihm eher den Aberglauben der Antike.423 Dennoch gestand er den Mythen wenig später in seinem Plan d’un ouvrage sur la géographie politique (1751) Ansätze rationaler Vorstellungen von Menschen zu und ließ sie als historische Leistungen gelten.424 Er folgte somit dem Ansatz Vicos. Dieses Verständnis von der Historizität der Mythen eröffnete den Physiokraten einen Pool von wichtigen Argumenten zur Vermittlung ihrer Lehre. Sie konnten, wie in diesem Kapitel noch zu zeigen sein wird, ihre neue Herrschaftsvorstellung unmittelbar zu mythischen Heroen in Beziehung setzen und eine „Nachfolge“ konstruieren. Die économistes verstanden ihre Vorstellung von der Herrschaft und Produktivität der Natur sowie dem Wirtschaftsverlauf im Tableau économique Quesnays auf der Basis der

418 Fontenelle wandte sich damit gegen den Ansatz der Entwicklungsstadien in der Lebensaltermetapher, die etwa Gottsched vertrat. Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 18f. 419 Rohbeck, Turgot als Geschichtsphilosoph, S. 78f. 420 Albus, Weltbild und Metapher, S. 67. 421 Mali, Joseph: The Rehabilitation of Myth. Vico’s New Science. Cambridge 2002. S. 11ff. Fellmann, Ferdinand: Alles ist voller Götter. Philosophische Mythos-Theorien und ethnologische Erfahrung. In: Kämpf, Heike/Schott, Rüdiger (Hg.): Der Mensch als homo pictor? Die Kunst traditioneller Kulturen aus der Sicht von Philosophie und Ethnologie (Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Beiheft, Bd. 1). Bonn 1995. S. 1 – 19. Hier S. 13. Jauss, Mythen des Anfangs, S. 56ff. 422 Vico, Scienza nuova, § 209. 423 Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 135. Rohbeck, Turgot als Geschichtsphilosoph, S. 11. 424 Gisi, Einbildungskraft und Mythologie, S. 136. Zum Mythenverständnis in der Aufklärung als „mythistory“ vgl. auch Edelstein, Dan: Introduction to the Super-Enlightenment. In: Ders. (Hg.): The Super-Enlightenment: During to Know too Much (SVEC, Bd. 2010,01). Oxford 2010. S. 1 – 34. Hier S. 10ff.

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Landwirtschaft einerseits als eine Entdeckungsgeschichte, welche die zeitgenössische Gegenwart unweiger­lich mit der Vergangenheit verbinden musste. Zugleich sahen sie darin ein Fortschrittsmodell, dessen Wurzeln ebenfalls in der Geschichte verankert lagen. Das Konzept der Anknüpfung an die Antike zeigte sich schon an der Wahl des Namens der französischen économistes als Physiokraten. Natur folgte aus ihrer Sicht der ursprüng­lichen Physis, dem Prinzip der natura naturans. Der Mensch wirkte in der Landwirtschaft als Co-Operateur der Natur. Das Co-Verhalten von Mensch und Natur verweist auf die aristotelische Ökonomie und die griechische Antike als Ursprung naturaler Produktionstheorien.425 Parallelen im erhofften Wirken von Natur und Herrschaft sowie Gesellschaft hatte Turgot in Anlehnung an Vicos Paradigma von der Natur als Entstehungs- und Wirkungskategorie mit der Metapher des segenspendenden Wassers bestens auf den Punkt gebracht: Voyez cet agent universel de la nature: L’eau qui, filtrée par mille canaux insensibles, distribue aux productions de la terre leurs sucs nourriciers, couvre sa surface de verdure, et porte partout la vie et la fécondité; qui recueille en plus grand amas dans les rivières et dans la mer, est le lien du commerce des hommes et réunit toutes les parties de l’Univers; également répandue sur toute la surface de la terre, elle n’en ferait qu’une vaste mer; les germes seraient étouffés par l’élément bienfaisant qui doit les développer. Il a fallu que les montagnes portassent leurs têtes au-dessus des nuages pour rassembler autour d’elles les vapeurs de l’atmosphère. Et qu’une pente variée à l’infini, depuis leurs sommets jusqu’aux plus grandes profondeurs, en dirigeant le cours des eaux, distribuât partout leurs bienfaits. Voilà l’image de la souveraineté, de cette subordination nécessaire entre tous les ordres de l’Etat, de cette sage distribution de la dépendance et de l’autorité qui en unit toutes les parties. De là, les deux point surs lesquels roule la perfection des sociétés politiques, la s­ agesse et l’équité des lois, l’autorité qui les appuie. Des lois qui combinent tous les rapports que la nature ou les circonstances peuvent mettre entre les hommes, qui balancent toutes les conditions, et qui, de même qu’un pilote habile sait avancer presque à l’opposite du vent par une adroite disposition de ses voiles, sachent diriger au bonheur public les intérêts, les passions et les vices mêmes des particuliers.426 Vicos Annahme von der Historizität der Mythen und ihr allgemeingültiger Wahrheitsgehalt, der durch gemeinsame Prinzipien, die von allen Völkern als prinzipiell

425 Priddat, Birger P.: Ökonomie und Natur. Der Gebrauchswert der Natur. Über Hans Immlers Natur in der ökonomischen Theorie. In: Ökonomie und/oder Natur. Zur Abschätzung ökonomischer Reichweiten ökologischer Ideen. Paper des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung. Schriftenreihe des IÖW 1/88. S. 48 – 70. Hier S. 53. 426 Turgot, Anne Robert Jacques: Discours sur les avantages que l’établissement du christianisme a procurés au genre humain, prononcé en latin à l’ouverture des Sorbonique par M. l’abbé Turgot, prieur de Sorbonne, le vendredi 3 juillet 1750. In: Œuvres de Turgot et documents le concernant. Avec Biographie et Notes. Hg. v. Gustave Schelle. Bd. 1. Paris 1913 (Reprint Glashütten im Taunus 1972). S. 194 – 214. Hier S. 206.

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zustimmungswürdig empfunden und somit bestätigt worden waren, bot nicht nur ein überkulturelles, sondern auch ein überzeit­liches Argument für die Bedeutung der Landwirtschaft. Der Mythos als Träger von Wahrheiten allgemeiner Gültigkeit musste Raum und Zeit überwinden. Der Verweis auf Mythen oder mythologische Figuren in der physiokratischen Argumentation konnte von Kritikern nicht mehr als bloße, erdichtete Sinnbilder mit verschleiernder Aussage oder inhaltsleerer Dekoration abgetan werden. Mythen beleuchteten die Ursprünge mensch­licher Ideen und skizzierten Bedingungen zu ihrer Erhaltung. Somit ermög­lichten sie Legitimation und boten einen geeigneten Anknüpfungspunkt, Rückbezüge zu den von ihnen transportierten allgemeingültigen mensch­lichen Wahrheiten herzustellen. Sie konnten den Physiokraten als historisch-­ belehrendes und zugleich als aktuelles Argument gelten. Mythen und ihre Protagonisten, die als etablierte Medien und als Symbole von Herrschaftsauffassung bekannt waren, boten sich den Physiokraten nun an, mit ihrem bekannten Potential bestehende Defizite zu entlarven und darzustellen oder alte Ideale wiederzubeleben. Das mythische Figurenprogramm galt bis dahin als bewährtes Instrumentarium der versteckten oder indirekten, oft auch fehlenden Botschaften. Mit einem neuen Mythenverständnis als Ideengeschichte konnten die oft als inhaltsleer und als reine Dekoration verstandenen mythischen Gestalten innerhalb der Darstellung des Herrschaftsverständnisses mit einer neuen Ernsthaftigkeit versehen werden. Es ergab sich eine neue Nutzung des Mythos als historisches Argument mit einem anderen Wahrheitsgehalt.427 Die Mythen ermög­ lichten einen historischen Blick auf mensch­liches Leben in unmittelbarer Nähe und Erfahrung der Natur und seiner systematischen Entfremdung. Vico zeigte mit seiner Geschichte vom Ursprung den ökonomischen Sündenfall, den die Physiokraten zu beheben versuchten. Die Kulturen folgten also einem Schema, was sie grundsätz­lich wegen gemeinsamer und ähn­licher Prinzipien vergleichbar machte, aber auch Unterschiede in ihrer späteren Entwicklung umso klarer aufdeckte. Wenn nach Vico in allen Kulturen die Nähe von Herrschaft und Ackerbau zu den wesent­lichen zivilisations-, gemeinschafts- und staatsbildenden Prinzipien gehört hatte, musste auffallen, dass es in der europäischen Geschichte einen Bruch mit dieser Tatsache gab oder diese Verflechtung in Vergessenheit geraten war, während diese Verbindung im zeitgenössischen China traditionell noch immer bestand. Zudem war sie von den meisten europäischen Berichterstattern als ein traditionelles und zugleich immer auch aktuelles Fundament erfolgreicher Politik der chinesischen Kaiser hinsicht­lich des Staatswohls erkannt und eingestuft worden. In China war also scheinbar etwas immer noch oder wieder verwirk­licht, was in Europa inzwischen als Mangel oder Defizit erkannt wurde und auf einer verlorenen 427 So legitimierte beispielsweise der Naturphilosoph Paul-Henri Thiry d’Holbach in seinem Werk La Morale universelle mythologische Szenen […] quelques traits mémorables de grandeur d’ame, de bonté, de justice, d’amour pour la Patrie. Thiry d’Holbach, Paul-Henri: La Morale Universelle, ou Les devoirs de l’homme fondés sur la Nature. Bd. 2. Amsterdam 1776. S. 234.

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Tradition basierte. Die Kritik bezog sich dabei insbesondere auf die verlorene griechische, römisch-republikanische und römisch-kaiser­liche Tradition des Königs oder Staatsmanns als Bauern. Wenn sich die Kulturen miteinander vergleichen ließen und sogar essentielle Gemeinsamkeiten aufwiesen, dann musste auch ein Transfer von Ideen oder Instrumenten – etwa von Herrschaft oder Herrschaftsausübung – mög­lich und fruchtbar sein. Somit konnte die bestehende und erfolgreiche Tradition in China ein stichhaltiges Argument für die von den Physiokraten für notwendig erachtete Anknüpfung an die antike Verbindung von Herrschaft mit Landwirtschaft darstellen. Am Beispiel der Kontinuität Chinas konnte schließ­lich der Beweis erbracht werden, dass die Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft in Frankreich zu Fehlentwicklungen geführt hatte und eine Wiederbelebung der Tradition nach dem Vorbild Chinas und in Anlehnung an die antike Tradition die einzige mög­liche Lösung darstellte.428 Einen wesent­lichen Faktor für die Realisierung dieser Vorstellungen im Sinne eines Fortschritts bei gleichzeitiger Anknüpfung an den eigenen Ursprung erkannten die Physiokraten in den geistigen Fähigkeiten und Kenntnissen eines Monarchen.429 Diese Fähigkeiten galt es zu vermitteln. 428 Einen ähn­lichen Ansatz verfolgt Friedrich Schillers Rätsel aus Turandot. Für die 15 Rätsel seiner Prinzessin aus Turandot wählte er grundsätz­lich allgemeine bzw. alltäg­liche Dinge, die in der chinesischen und europäischen Kultur ähn­lich wichtige oder sogar existentielle Funktionen einnahmen. In einem der Rätsel entschied sich Schiller für den Pflug als kulturübergreifenden und weltweit bekannten Gegenstand und spielte zudem auf das offenbar inzwischen recht bekannte Pflugritual chinesischer Kaiser an. Rätsel aus Turandot Wie heißt das Ding, das wenige schätzen, Doch zierts des größten Kaisers Hand, […] Es hat den Erdkreis überwunden, [Hervorhebung durch Susan Richter] Es macht das Leben sanft und gleich. […] Dies Ding von Eisen, das nur wenige schätzen, Das Chinas Kaiser selbst in seiner Hand Zu Ehren bringt am ersten Tag des Jahrs, Dies Werkzeug, das unschuld’ger als das Schwert Dem frommen Fleiß den Erdkreis unterworfen – […] Und ehrte nicht das köst­liche Geräte, Das allen diesen Segen schuf – den Pflug? [Hervorhebung durch Susan Richter] Das Gedicht entstand 1801/02. Im Januar 1802 brachte Schiller das Stück Turandot in Weimar zur Uraufführung. Es basierte auf einer Vorlage Carlo Gozzis, die allerdings geographisch eher in Persien angesiedelt war. Schiller, Friedrich: Sämt­liche Werke. Bd. 1: Gedichte. Dramen. München ³1962. S. 443f. Vgl. eine kurze Einordnung zu dem Gedicht bei Tan, Der Chinese in der Literatur, S. 54f. Berger, Willy Richard: China-Bild und China-Mode im Europa der Aufklärung (Literatur und Leben, N. F., 41). Köln/Wien 1990. S. 224 – 233. 4 29 Turgot, Discours sur les avantages que l’établissement du christianisme a procurés au genre humain, S. 211 – 214.

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b. Das eigenhändige Pflügen des Monarchen – Gründe für die Auswahl eines Motivs Die Wahl der Physiokraten für das zu dokumentierende Vorbild fiel auf das Motiv des monarchischen eigenhändigen Pflügens aus dem chinesischen Pflugritual, weil Rituale als Instrumente symbolischer Kommunikation von Macht oder symbolischer Demonstration der Herrscherauffassung gleichermaßen zum europäischen wie zum chinesischen Herrschaftsverständnis gehörten. Ein Ritual bot vor allem visuelle und symbolische Elemente von Handlungen, die wiederkehrend nachvollziehbar Inhalte verbreiteten und eine Form von Praxis im Sinne aktiver Ausführung implizierten. Dabei ging es ihnen nicht darum, das Ritual an sich und den Anlass – die Eröffnung der landwirtschaft­lichen Arbeiten im Jahreszyklus im zeitigen Frühjahr – aus dem Konfuzianismus zu übernehmen. Der Fokus der Physiokraten richtete sich lösgelöst von aller sakralen Grundbedeutung rein auf die eigenhändige landwirtschaft­liche Tätigkeit des Monarchen und die damit verbundene Aussage der Wertschätzung des Ackerbaus. Damit folgten sie, wie in Kapitel 3 ausführ­lich beschrieben, den größtenteils sozialen Deutungen der Reiseberichterstatter, welche die religiösen Einordnungen des Rituals weitgehend vernachlässigt hatten. Das Motiv des Pflügens aus diesem Ritual war somit das geeignete Element, die von den Physiokraten für den Monarchen angedachte neue Funktion kompakt zu fassen und zu visualisieren. Es bot die beste Voraussetzung, auch für Frankreich und das übrige Europa, eine neue Herrschaftsauffassung wie die des ersten Landmannes eines Staates zu kommunizieren und sichtbar bzw. einfach verständ­lich für jedermann darzustellen. An der Wahl des Motivs zeigt sich deut­lich, welche Bedeutung die Praxis bzw. die praxistaug­liche und praxisgeprüfte Handlungsanleitung für Herrscher bei den Physiokraten, aber auch die erhoffte Wirkung praktischer Beispiele einnahm. Da das Ritual als eine herausragende Handlung des chinesischen Kaisers in zahlreichen Reiseberichten kommuniziert und stetig wiederholt worden war, konnte von einer guten Vorkenntnis der Adressaten ausgegangen werden, von der die économistes zu profitieren hofften. Die Physiokraten trafen ihre Wahl des Rituals mit Bedacht, denn nur wenige außereuropäische Rituale eigneten sich zur Umcodierung und zur Instrumentalisierung als Vorbild, insbesondere für den physiokratischen Kontext. Hinsicht­lich der Motivwahl von europäischer Seite vollkommen unbeachtet blieben zahlreiche andere Rituale, in denen die Beziehung eines asiatischen Herrschers zur Natur hergestellt und symbolisch kommuniziert wurde, wie etwa die Ceremonien, mit denen die Könige in Siam dem Wasser zu befehlen pflegen.430 Johann Christian Lünig beschreibt in seinem Theatrum C ­ eremoniale Historico-Politicum den jähr­lichen fest­lichen Konvoi von könig­lichen Barken auf dem Fluss der siamesischen Hauptstadt Bangkok, die der König mit Priestern und

430 Lünig, Johann Christian: Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum oder historisch=und politischer Schau=Platz des Europäischen Canzley=Ceremoniels. Bd. 2. Leipzig 1720. S. 1462f.

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seinem Gefolge unternahm, um das Wasser in sein Bett zu zwingen und die Stadt vor Hochwasser zu schützen. Die kurze Darstellung dieses Rituals und die damit öffent­lich dargestellte Macht des Königs kommentierte Lünig leicht ironisch: Wie der König in Siam in denen Tituln, die er gebrauchet, einen Meister des Wassers nennet, weil er seiner Einbildung nach, die Gewalt hat, das Wasser steigen und fallen zu lassen, wann es ihm beliebet, also thut er folgendes, seine Unterthanen wegen dieser praetendirten Gewalt zu überzeugen.431 Den Elementen zu gebieten, oblag nach christ­lich-europäischer Tradition ausschließ­lich Gott. Die angeb­liche Macht und Funktion des siamesischen Gottkönigs über eine Naturgewalt war somit nicht auf ein welt­liches oder geist­liches Herrscheramt in Europa übertragbar. Aber auch das Ritual der chinesischen Kaiserin, die traditionsgemäß im Frühling die ersten Blätter der Maulbeerbäume zu pflücken hatte, um die Seidenraupen zu füttern, fand trotz der der großen Begeisterung der Europäer für den Seidenanbau sowie der fürst­lichen Protektion der Seidenmanufakturen keine Nachahmung. Und das, obwohl sich auch in diesem Ritual die physiokratische Maxime bestätigte, dass ein agrarisches Produkt als Grundlage diente und dazu beitrug, neue Waren zu schaffen. Dieses Ritual war zwar neben dem kaiser­lichen Pflügen immer wieder von den Reiseberichten aufgegriffen und vermittelt worden, eignete sich aber nicht für die physiokratischen Belange. Beim Anbau von Maulbeerhainen zur Fütterung von Seidenraupen handelte es sich nicht um einen in Frankreich heimischen und allseits bekannten, sondern neuen, sogar fremden Landwirtschaftszweig, der ausschließ­lich der Herstellung eines Luxusproduktes diente und nicht wie in China als Grundstoff der Kleidung an sich galt. Die Thematisierung des Seidenanbaus hätte wegen der aufwändigen Zucht von Maulbeerbäumen, die in einigen Gegenden Frankreichs zur Vernachlässigung des Anbaus anderer Produkte geführt hatte, in Fachkreisen und Öffent­lichkeit nicht nur extrem polarisiert, sondern die Ziele der Physiokraten sogar konterkariert. In der Seidenproduktion fand sich eben kein solch kulturübergreifendes Element wie der Pflug als allgemein bekanntes und grundsätz­lich notwendiges Ackergerät. Es kann deshalb angenommen werden, dass ein Transfer von Motiven aus Ritualen 432 fremder Kulturkreise nur dann gelang, wenn einzelne Elemente den Akteuren, aber

431 Ibd. Als kleiner Exkurs soll hier angeführt werden, dass auch der siamesische König in Anlehnung an buddhistische und hinduistische Traditionen den Frühling mit dem eigenhändigen Ziehen der ersten Furche auf dem Feld eröffnete: Der König war vormahls gewohnt, sich vier oder fünffmahl im Jahr in seiner Pracht sehen zu lassen. Er pflegte auch alle Jahr mit großen Solennitäten zu pflügen, und das Erdreich zuerst zu brechen, und ebenfalls nach verstrichener Regen=Zeit mit öffent­licher Solennität, dem Strom zu befehlen, daß er wieder in sein Ufer kehren sollte. Salmon: Die heutige Historie oder der gegenwärtige Staat von allen Nationen. Ersten Theils andern Stücks, aus dem Holländischen des Herrn D. van Goch ins Teutsche getreu­lich übersetzt. Eine umständ­liche Beschreibung der Königreiche Siam, Pegu und Arrakan. Altona 1735. S. 71. Siam eignete sich aufgrund einer deut­lich geringeren Berichterstattung und der einhelligen Beurteilung der Reisenden, eine Despotie zu sein, nicht so gut als Vorbild. 432 Zum Ritualtransfer vgl. Chaniotis, Angelos: Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches im Kontext der zeitgenössischen Ritualpraxis. In: Hubert Cancik/Konrad Hitzl (Hg.): Die Praxis der

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auch den Zuschauern oder passiven Teilnehmern, bereits aus dem eigenen kulturellen Kontext vertraut waren. Dies bedeutete für den Motivtransfer als Teil des Kulturtransfers, dass die Gegenstände nicht nur miteinander vergleichbar sein, sondern in beiden Kulturen den gleichen oder zumindest einen ähn­lichen Stellenwert besitzen mussten, also von der universalen oder relativen Gültigkeit einer Kategorie – im vorliegenden Fall einer Handlung, des Pflügens – ausgegangen werden konnte. Auswahl und Transfer des Motivs des eigenhändigen Pflügens des Kaisers als Teil des chinesischen Pflugrituals nach Europa erfolgten nach dem Gehalt seiner Symbolwirkung bzw. dem allgemeinen Bekanntheits- und Wiedererkennungswert derselben. c. Die Verbreitung der Idee des pflugführenden Monarchen als Bestandteil der physiokratischen Theorie Das Vorbild Chinas in der Landwirtschaft wurde durch die Physiokraten intensiv vermittelt: Marquis de Mirabeau schrieb 1756 in seinem Werk L’Ami des hommes: L’agriculture en un mot est l’art universel, l’art de l’innocence & de la vertu, l’art de tous les hommes & de tous les rangs.433 Er verwies dabei auf die Antike, in der diese Sicht die Menschen vereint, gemeinsam ernährt und zur Tugend angeleitet habe. Bedauernd stellte Mirabeau fest, dass dieser wünschenswerte Zustand der Vergangenheit angehöre und gegenwärtig die Landwirtschaft vernachlässigt werde. Anders sei dies in China: Les Chinois, dit-on, persuadés que l’emploi des terres dépend, comme on n’en peut douter, les moyens de subsistance qu’on en retire, que l’étendue des moyens de subsistance est l’exacte mesure de la Population, & que la Population est l’unique richesse réelle d’un Etat, regardent comme un crime l’emploi des terres en maisons & jardins de plaisance, comme si l’on faudroit par-là les hommes de leur nourriture.434 In Frankreich, so kritisierte Mirabeau, liege viel Land ungenutzt und brach oder werde ganz aufgegeben. Aber gerade in der Nutzung des gesamten Staatsgebietes als Anbaufläche liege das Glück des Landes. Je mehr die nütz­liche Kunst der Landwirtschaft in allen Ständen gelehrt und angeregt werde, könne die Produktion agrarischer Güter vervielfacht werden. Dann werde sich Frankreich immer mehr vom Zustand des Verfalls und der Schwächung entfernen. Enthusiastisch rief Mirabeau seine Landsleute auf, schnell zurück zum Fundamentalprinzip landwirtschaft­licher Tätigkeit aller Stände zu finden. Je mehr sich die Menschen auf die Erde und ihre Früchte beziehen würden, desto mehr könne sie bevölkert werden.435 Im Anschluss daran erläuterte er ausführ­lich die besondere Eignung Frankreichs für eine blühende Landwirtschaft

Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen. Tübingen 2003. S. 3 – 28. Hier S. 4. 433 Mirabeau, Victor de Riqueti, Marquis de: L’Ami des hommes, ou traité de la population. Bd. 1. Avignon 1756. S. 142. Vgl. grundsätz­lich zu Mirabeau als Physiokrat: Genovese-Fox, The Origins of Physiocracy, S. 134ff. Perrot, Histoire intellectuelle de l’économie politique. 434 Mirabeau, L’Ami des hommes, ou traité de la population, Bd. 1, S. 61. 435 Ibd. Bd. 1, S. 26 – 28.

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durch naturräum­liche Vorteile des Landes.436 Doch auch die Stellung der Bauern müsse der neuen Bedeutung des Landbaus angepasst werden: Dans un Etat constitué comme la France, il faut que […] le Laboureur enfin & l’agriculteur, cet ordre d’hommes précieux par lesquels j’aurois dû commencer soit infatiable, honoré, chéri, protégé, soulagé, encouragé de façon qu’il fasse envie à tous les autres états par son bonheur, sa liberté, sa joie, sa tranquillité, & par cette pureté Patriarchale de mœurs, dont la campagne est la véritable & l’unique patrie.437 Damit skizzierte Mirabeau den Wirkungsbereich des französischen Königs, diese Bedingungen für die Bauern nach dem Vorbild des chinesischen Kaisers zu schaffen.438 Er stellte allerdings noch keinen direkten Bezug zum Motiv des eigenhändigen Pflügens des Kaisers von China her. Offensicht­lich war es Quesnay, der das Potential dieses Motivs für die Argumentation bzw. für die Verbreitung der physiokratischen Lehre erkannte. Mirabeau stand mit Quesnay sowohl in persön­lichem als auch in brief­lichem Kontakt. Quesnay hatte von Mirabeau ein Exemplar seiner Ami des hommes erhalten und sich intensiv mit den Thesen beschäftigt. Darüber hinaus hoffte Mirabeau, dass Madame de Pompadour das Buch lesen und die Inhalte an den König vermitteln würde.439 Mirabeaus Werk prägte nicht nur Quesnay stark, der Freund unterstützte ihn auch bei seinen eigenen Publikationen.440 Im Jahr 1763 erschien in Amsterdam zunächst anonym die Philosophie rurale ou, Économie générale et politique de l’agriculture, reduite à l’ordre immuable des loix physiques & morales, qui assurent la prospérité des empires. Verfasst worden war der Band gemeinsam von Mirabeau und Quesnay mit dem Ziel, eine ausführ­liche und allgemeinverständ­ liche Erläuterung des Tableau économique von Quesnay zu bieten.441 Das erste Kapitel des Buches wurde von einer Vignette.442 in Form eines kleinen Kupferstichs bekrönt. Er zeigte in einer idealisierten Landschaft den chinesischen Kaiser am Pflug, wie er, eingerahmt von Mandarinen und Bauern mit Gefäßen von Saatgut, die erste Furche zog. Der Stich nahm zusammengefasst, komprimiert und visualisiert den Inhalt des Werks von der Bedeutung des Bodens und der Landwirtschaft sowie die Idee eines 436 Ibd. S. 34 – 41. J’en reviens pourtant à mon principe fondamental: Aimez, encouragez l’agriculture; il n’y a rien de grand & d’utile où vous ne puissiez atteindre par cette attention. S. 34. 437 Ibd. Bd. 1, S. 100. 438 Ibd. Bd. 1, S. 151. 439 Schelle, Docteur Quesnay, S. 226f, S. 231. Dumaih, Pascal (Hg.): Madame du Hausset. Mémoires sur la Marquise de Pompadour. Écrits par sa femme de chambre. Paris 2009. S. 78. 4 40 Schelle, Docteur Quesnay, S. 299. 4 41 Dieses Werk hatte die Gönnerin der Physiokraten, Madame de Pompadour, in ihre Bibliothek aufgenommen. Anonymus, Catalogue des livres de la bibliothéque de Madame la Marquise de Pompadour, S. 31, Nr. 320. 4 42 Es handelt sich um Buchverzierungen, die oft zu Beginn oder am Ende eines Kapitels standen. Eine kurze Erläuterung zu diesen kleinteiligen Verzierungen geben Müller, Silke/Wess, Susanne: Studienbuch neuere deutsche Literaturwissenschaft, 1720 – 1848. Basiswissen. Würzburg ²1999. S. 191.

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royaume agricole mit dem Herrscher an der Spitze vorweg. Auch wenn im gesamten nachfolgenden Text kein Bezug zu China mehr hergestellt wurde und die Pflugszene keine verbale Einordnung erfuhr, stand sie einleitend und richtungsweisend als Devise an exponierter Stelle des Buches.443 Mit ihr war dem Leser das Modell einer durch den Monarchen optimal geförderten Landwirtschaft und einer Gesellschaft, welche der Landwirtschaft einen hohen Stellenwert beimaß, visuell kommuniziert. Die Vignette nahm somit wesent­liche Bestandteile der physiokratischen Lehre vorweg und präsentierte sie anschau­lich. Das Motiv avancierte zum Motto der Physiokraten, das bild­lich und verbal einen Wiedererkennungseffekt – etwa in den Ephémérides du Citoyen – mit sich bringen sollte. Es ging ihnen mit der Visualisierung auch um den Versuch, ihre Grundaussagen schnell fassbar und überzeugend darzustellen, denn gerade Quesnays Tableau hatte mit der zeitgenössischen Kritik der Unverständ­lichkeit und uneinheit­ lichen Terminologie zu kämpfen.444 Die Abbildung folgt keiner Vorlage, sondern stellt vielmehr eine der frühesten europäischen Darstellungen der Pflugszene des chinesischen Monarchen dar, die nach den Beschreibungen der Reiseberichte in Europa angefertigt wurde. Der Stecher ist unbekannt.445 4 43 Anonymus [Quesnay, François/Mirabeau, Victor Riqueti de]: Philosophie rurale ou, Économie générale et politique de l’agriculture, reduite à l’ordre immuable des loix physiques & morales, qui assurent la prospérité des empires. Amsterdam 1763. S. 2. 4 44 Fox-Genovese, The Origins of Physiocracy, S. 100f und S. 136. 4 45 Mög­licherweise diente sie Bernhard Rhode später als Vorlage für sein Ölbild des pflügenden Kaisers auf Schloss Britz. Bernhard Rode (eigent­lich Christian Bernhard) ist einer der wenigen Maler, die sich dieses Themas annahmen. Er schuf im Jahr 1770 ein Ölbild mit der Pflugszene für den Landsitz des preußischen Ministers Ewald Friedrich Graf von Hertzberg. Drei Jahre später entstand als Pendant die Darstellung der chinesischen Kaiserin beim Ritual der Ernte der ersten Maulbeer­blätter für die Seidenraupenzucht. Das erste Bild zeigt den Kaiser in einem leuchtend gelben Gewand mit roter Schärpe, in rotgelben Schuhen und mit turbanartiger Kopfbedeckung. Mit der rechten Hand führt er den Pflug, mit der linken die Zügel der beiden weißen, blumengeschmückten Ochsen. Bedienstete halten dem Monarchen die Schleppe des Mantels und einen Schirm, der ihm Schatten spendet. Vor dem Kaiser beobachten Untertanen in respektvoller Haltung den pflügenden Landesherrn. Die Szene ist von üppigem Grün exotischer Pflanzen und Gehölze eingerahmt, welche die Fruchtbarkeit und Schönheit der Umgebung betonen, zugleich aber auch den Erfolg der rituellen Handlung des Monarchen beweisen. Das Bild entstand für das chinesische Zimmer des Schlosses Britz als passende exotische Dekoration, die aber programmatisch eine idealisierte Verbindung zwischen dem Staatsmann und dem Landwirt von Hertzberg unterstrich und die Kenntnis fremder Gepflogenheiten durch und die Bedeutung der Landwirtschaft für den Hausherrn dokumentierte. Christian Bernhard Rode (1725 – 1797): „Der Kaiser von China am Pflug“. Abb. 129. In: Budde, Europa und die Kaiser von China. Eine weitere Abbildung befindet sich in: Beck, Herbert/Bol, Peter C./Bückling, Mareile (Hg.): Mehr Licht. Europa um 1770. Die bildende Kunst der Aufklärung. Ausstellung im Städelschen Kunstinstitut 22. August 1999 – 9. Januar 2000. Katalog. München 1999. S. 237. Zum Bild vgl. Börsch-Supan, Helmut/Pryzborowski, Claudia: Christian Bernhard Rode und die Ausstattung von Hertzbergs Landhaus in Britz. In: Kindler, Simone/Badstübner-Gröger, Sibylle (Hg.): 300 Jahre Schloss Britz. Ewald Friedrich Graf von Hertzberg und die Berliner Aufklärung. Berlin 2006. S. 71 – 86. Ebenfalls

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Im Jahr 1764 war das Vorbild des chinesischen Kaisers am Pflug mit Simon Philibert de La Salle de l’Etangs Buch Manuel d’Agriculture stärker als bisher in die Vermittlungsstrategie der Physiokraten und ihrer Anhänger gelangt.446 La Salle de l’Etang schrieb in der Einleitung De la position de notre Agriculture, dass die Menschen Berufe nach dem Gewicht der Personen, die den Beruf ausüben (exercent) und praktizieren (pratiquent), beurteilten: Ce qui sait bien voir, qu’en général on ne juge des professions, & même d’un art si noble qu’il puisse être par lui-même que par les qualités des personnes que les exercent & qui les pratiquent.447 Auf die rhetorische Frage, warum in China die Landwirtschaft so geehrt und respektiert werde, antwortete er, dass es der chinesische Kaiser nicht verachte, den Pflug selbst in die Hand zu nehmen: Pourquoi à la Chine, l’Agriculture est-elle si honorée & si respectée? C’est que l’Empereur ne dédaigne pas de tenir lui-même la queue de la charrue.448 Er zeigte seinen Lesern mit dieser Aussage, wie wichtig es für den lange ignorierten französischen Bauerstand sein würde, wenn sich auch der eigene Landesherr ausdrück­lich mit einem Arbeitsgerät der Bauern zeigte oder sogar eigenhändig Arbeitsschritte ausführte, um mit seiner Person die Bedeutung dieses Berufes zu betonen. Machte der französische König wie der chinesische Kaiser das Bestellen eines Ackers zu einer seiner persön­lichen Angelegenheiten, so wurde der gesamte Bauern­stand symbolisch geadelt. Ihm musste folg­lich in der Gesellschaft ein neuer Status und seiner Arbeit ein höherer Wert beigemessen werden. Deshalb forderte La Salle de l’Etang nicht nur die Vermittlung landwirtschaft­licher Kenntnisse und des Respekts vor dem Ackerbau an die Jugend im Allgemeinen, sondern insbesondere an die nächste Herrschergeneration, den Kronprinzen (et même d’un Prince). Landwirtschaft und das vorbildhafte Wirken des chinesischen Kaisers für den Ackerbau wurde von ihm zu einem wichtigen Teil fürst­licher Bildung bzw. Erziehung erhoben, womit nicht zuletzt auch die Hoffnung auf künftige Förderung verbunden war.449 Doch nach dazu: Krosigk, Klaus-Henning von: Der Garten zu Britz. Seine Entwicklungsgeschichte von den Anfängen bis heute. Berlin 1998. S. 26. 4 46 La Salle de l’Etang, Simon Philibert de: Manuel d’agriculture pour le laboureur, pour le propriétaire, et pour le gouvernement contenant les vrais & seuls moyens de faire prospérer l’agriculture, tant en France que dans tous les autres Etats où l’on cultive; avec La réfutation de la nouvelle méthode de M. Thull. Paris 1764. Dazu vgl. Haushofer, Heinz: Das kaiser­liche Pflügen. In: Ders./Boelcke, Willi A. (Hg.): Wege und Forschungen der Agrargeschichte (Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie. Sonderbände, Bd. 3). Frankfurt/M. 1967. S. 171 – 180. Hier S. 175. Das Buch findet sich nicht in der Bibliothek von Madame de Pompadour, dafür ein früheres landwirtschaft­liches Werk des Autors: La Salle de l’Etang, Simon Philibert de: Prairies artificielles, ou Moyens de perfectionner l’Agriculture. Paris 1758. 4 47 La Salle de l’Etang, Manuel d’agriculture, Einleitung, o. S. 4 48 Ibd. S. 4f. 4 49 La Salle de l’Etang stand mit der Vorstellung, dass so mancher Berufsstand oder ein Handwerk durch die Ausübung durch einen Fürsten geadelt und damit anerkannt werde, nicht allein. Im Alten Reich war es Justus Möser, der in seiner Abhandlung Reicher Leute Kinder sollten ein Handwerk lernen seinen Lesern neben deutschen älteren Traditionen vor allem auch fremde (russische und englische)

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dem Fürsten musste auch der Bauer im Landbau belehrt werden. Diese Aufgabe der Organisation der Vermittlung neuen Agrarwissens an die Bauern oblag nach La Salle de l’Etang dem Herrscher. So transportierte schon das Frontispiz seines Werkes das Thema der könig­lichen Unterweisung an den Landmann (Abb. 14: Frontispiz und Deckblatt). Dafür wählte La Salle de l’Etang jedoch nicht eine Darstellung des chinesischen Kaisers, sondern zog den visualisierten Bezug zur Antike mit einem Kupferstich von BenoîtLouis Prévost (1735 – 1804) vor: Einem zeitgenössisch gekleideten Bauern, der gerade mit der Aussaat beschäftigt ist, erscheint Triptolemos auf seinem Schlangenwagen. Der könig­lich-gött­liche Stifter des Ackerbaus erweist sich als gütiger und geduldiger Lehrmeister, der den Menschen einst nicht nur die Kunst der Landwirtschaft vermittelt hatte, sondern sie nun mit den aktuellen Neuerungen der Technik – etwa der abgebildeten Maschine zur Aussaat – bekanntmachte, um ihre Arbeit zu erleichtern und effizienter zu gestalten. Triptolemos avancierte bei La Salle de l’Etang zu einem Agrargenius, der den Menschen den Segen einer neuen Landwirtschaft mit neuem Wissen und neuen Produktionsmethoden brachte. Der könig­liche Kulturheros Triptolemos konnte somit als gleichzeitige Personifikation und Verbindung einer langen Tradition und einem Aufbruch in ein neues, modernes Agrarzeitalter verstanden werden. Zugleich lag in seiner Person die Aufforderung an den Monarchen, genau dieser Funktion des Triptolemos zu entsprechen: Initiator, Vermittler und Träger eines agrarischen Fortschritts zu sein. Das Frontispiz trägt die Bildunterschrift: Ne change point de soc. La Salle de l’Etang eröffnete sein Werk mit der im Frontispiz visualisierten Devise einer neuen Landwirtschaft auf dem Fundament antiker Tradition, die im Laufe der Argumentation des Buches eine Bestätigung und Ergänzung durch das Handeln des chinesischen Kaisers erhielt. Der belehrende mythische König von La Salle de L’Etang und der eigenhändig pflügende Kaiser Quesnays und Mirabeaus avancierten zu einem Motto der neuen Landwirtschaft und zum Leitfaden eines neuen Herrschaftsverständnisses. Dieser Gedanke verankerte sich auch im Werk François Quesnays. Er beschrieb das Pflugritual des chinesischen Kaisers 1767 in seinem Werk Despotisme de la Chine, das in den Ephémérides erstmals zwischen März und Juni publiziert wurde, sehr ausführ­ lich: Au contraire l’agriculture a toujours été en vénération à la Chine, et ceux qui la professent ont toujours mérité l’attention particulière des Empereurs; nous ne nous étendrons pas ici sur le détail des prérogatives que ces princes leur ont accordées dans tous les temps. […] Le successeur de l’empereur Lang-hi [Kangxi-­Kaiser] a surtout fait des règlements très favorable pour exiter l’émulation des laboureurs. Outre qu’il a donné lui-même l’exemple du travail en labourant la terre et en y semant cinq sortes de grains, il a encore ordonné aux gouverneurs de toutes les villes de s’informer, chaque année de celui qui se sera le plus Monarchen als Beispiele anführte, um sein Ziel, das nachlassende Ansehen und die Bedeutung des Handwerks zu stärken: Zar Peter diente als Geselle und Schiffszimmermeister. Möser, Justus: Reicher Leute Kinder sollten ein Handwerk lernen. In: Ders.: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Bearb. v. Ludwig Schirmeyer. Oldenburg/Berlin 1943. S. 30 – 41. Hier S. 33.

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distingue, chacun dans son gouvernement, par son application à la culture des terres, par une reputation integre et une économie sage et bien entendue. […].450 Quesnay war von der Prämisse ausgegangen, dass die Nation in den allgemeinen Gesetzen der Naturordnung unterrichtet werden müsse, welche die vollkommenste Regierung begründen würde.451 Der Physiokrat betonte deshalb ebenso wie La Salle de l’Etang, dass das Studium der Rechtswissenschaften für Staatsmänner nicht mehr genüge, sondern dass das Studium der Naturordnung und Landwirtschaft fester Bestandteil des Regierungswissens werden müsse. Ein Prinz müsse theoretisches und praktisches landwirtschaft­liches Wissen erwerben, denn der Herrscher und die Nation sollten aus Sicht Quesnays niemals aus dem Auge verlieren, dass der Boden die alleinige Quelle der Reichtümer sei, und dass der Ackerbau diese vervielfältige.452 Der Herrscher erhielt somit aus physiokratischer Sicht eine weitere Funktion: Der König sollte künftig als erster Landwirt seinem royaume agricole und einer der Landwirtschaft verpf­lichteten Gesellschaft vorstehen – so wie es der chinesische Kaiser tat. Symbolisch unterstrich der chinesische Kaiser diese Funktion durch das jähr­liche eigenhändige Pflügen. Quesnay ging es zum einen darum, den Monarchen landwirtschaft­liche Fähigkeiten zu vermitteln und ihnen auch die schwere körper­liche Arbeit der Landbebauung nahezubringen, um ihnen eine konkrete Vorstellung vom Wert des Bodens und seiner Früchte zu geben, zum anderen kannte er sehr wohl die Wirkung symbolischer Handlungen. Deshalb stand das kaiser­liche chinesische Pflugritual ebenso im Fokus seiner Vermittlungsstrategie gegenüber den Herrschern wie der Rat, die Arbeit des pauvre cultivateur oder laboureur auf dem Land durch Feste eine Wertschätzung entgegenzubringen. Ausführ­lich diskutierte Quesnay deshalb die Tradition chinesischer Frühlingsfeste für Bauern, die in ganz China gefeiert wurden. Dabei wurde eine große Tonkuh über das Feld getragen und symbolisch durch Tritte eines kleinen Jungen angetrieben. Die Bauern folgten der Kuh mit ihren Arbeitsgeräten bis 450 Quesnay, Despotisme de la Chine, 2. Kapitel, § 8, S. 601f. Zum Verständnis der Physiokraten vgl. Dubreuil, Paul: Le despotisme légal. Vues politiques des physiocrates. Paris 1908. S. 85ff. Bei ­Rousselot de Surgy findet sich die kurze Erwähnung des eigenhändigen Pflügens des Kaisers und die herrscher­liche Protektion der Landwirtschaft in China: L’agriculture est beaucoup en vénération à la Chine, & ceux qui la professent ont toujours mérité une attention particulière des Empereurs. Nous ne nous étendrons pas sur le détail des prérogatives que ces princes ont accordées aux laboureurs dans tous les temps. Rousselot de Surgy, Mélanges intéressans et curieux, Bd. 5, S. 224 – 226. 451 Quesnay, Despotisme de la Chine, 8. Kapitel, § 10, S. 646. 452 Quesnay, Despotisme de la Chine, 8. Kapitel, § 11, S. 646f. Zur Erforschung und Verbreitung landwirtschaft­lichen Wissens empfahl er Landwirtschaftsakademien. A la réserve des sociétés brigandes, ennemies des autres sociétés, l’agriculture les réunit toutes; et sans l’agriculture les autres sociétés ne peuvent former que des nations imparfaites. Il n’y a donc que les nations agricoles qui puissent constituer des empires fixes et durables, susceptibles d’un gouvernement général, invariable, exactement à l’ordre immuable des lois naturelles: or, c’est alors l’agriculture, elle-même, qui forme la base de ces empires, et qui prescrit et constitue l’ordre de leur gouvernement, parce qu’elle est la source des biens qui satisfont aux besoins des peuples, et que ses succès ou sa décadence dépendent nécessairement de la forme du gouver­nement. Quesnay, Despotisme de la Chine, 8. Kapitel, § 12, S. 647.

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zum Palast des ört­lichen Mandarins, wo die Kuh zerschlagen, ihrem Bauch viele kleine Tonkühe als Symbol der Fruchtbarkeit entnommen und an Zuschauer verteilt wurden. Im Anschluss hielte der Mandarin eine Lobrede auf die Landwirtschaft und den Fleiß der Bauern. Die Auszeichnung der Bauern durch den Yongzheng-­Kaiser hob Quesnay in diesem Kontext ebenfalls als bedeutende Maßnahme hervor.453 d. Die Konstruktion des physiokratischen Modells Es stellt sich nun die Frage, wie die Handlung des chinesischen Monarchen durch die Physiokraten zu einem neuen Herrschaftsideal bzw. zu einem Modell für den franzö­ sischen König und die Fürsten in Europa stilisiert werden konnte? Da die Physiokraten darauf abzielten, neue Normen für das herrscher­liche Wirken in Frankreich und in Europa zu fixieren, bot sich ihnen mit dem chinesischen Ritual eine standardisierte, normierte und inszenierte Handlungssequenz eines Monarchen, die eine fürst­liche Funktion implizierte und Pf­lichterfüllung kommunizierte, die insbesondere in Frankreich vernachlässigt worden war. Die Rolle des chinesischen Monarchen konnte als „Steinbruch“ und Legitimation für ein neues Konzept der Herrschaftsauffassung und herrscher­lichen Repräsentation genutzt werden, um denk- und handlungsanleitend Reformen anzuregen. Der pflügende chinesische Monarch avancierte also zum Vorbild oder sogar zum Modell für die Physiokraten. Das Motiv des pflügenden Monarchen fasste die gesamte Vorstellung des segensreichen herrscher­lichen Wirkens zusammen und eignete sich somit dafür. Doch wie konnte ein Motiv zu einem Modell avancieren? Wie bereits im Kapitel zu Johann Heinrich Gottlob Justi und dem deutschen Kameralismus angesprochen wurde, hatte die Idee des Modells Mitte des 18. Jahrhunderts in David Humes Gedanken zu den Assoziationsgesetzen in seinen Philosophical essays concerning human understanding aus dem Jahr 1748454 eine theoretische Basis gefunden. Hume war den Physiokraten kein Unbekannter, stand er doch sogar zu einigen von ihnen in direktem brief­l ichen Kontakt.455 Quesnay und andere Physiokraten hatten wie der Kameralist Justi eine gedank­liche Verbindung vom europäischen zum chinesischen Staats- und Regierungssystem bzw. zur Funktion des Herrschers hergestellt. Hinsicht­lich der Funktion des Kaisers als Förderer oder Schirmherr der Landwirtschaft, die durch das Pflugritual ausgedrückt wurde, hatten sie gezielt durch Überbetonung positiver

453 Ibd. 2. Kapitel, § 9, S. 602. Vgl. dazu das Kapitel zu den chinesischen Riten in dieser Arbeit und die Rolle des Festes in den Reiseberichten. 454 Hume, Philosophical essays concerning human understanding. Jean-Bernard Mérian hatte eine französische Übersetzung angefertigt, die 1758 unter dem Titel Essays philosophiques erschien. Hume war zwar nicht der Erste, der auf die Assoziationsgesetze Bezug nahm, nur hatte aus seiner Sicht bisher noch kein Philosoph versucht […] to enumerate or class all the principles of association; a subject, however, that seems worthy of curiosity. Ibd. S. 24. 455 Gerteis, Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik, S. 88. Fox-Genovese, The Origins of Physiocracy, S. 86, S. 94 – 104.

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Inhalte aus den Reiseberichten und Geschichtswerken eine eigene, ihren Vorstellungen von der fürst­lichen Förderung der Landwirtschaft und des Bauernstandes gemäße Wirk­ lichkeit in China konstruiert. Dies erfolgte unter weitgehender Auslassung negativer Inhalte hinsicht­lich des Zustandes der Landwirtschaft in China. Dabei ging es ihnen vor allem um die Betonung bestimmter Einzelheiten in der Darstellung des Pflugrituals, die rezipierbar bzw. übertragbar waren: etwa die einzelnen Bestandteile des Aktes, die anwesende oder teilnehmende Öffent­lichkeit sowie die Tradition der kaiser­lichen Handlungen. Auch in der selektiven Auswahl und verkürzten Darstellung gingen sie in Anlehnung an Hume in der Konstruktion ihres Modells ähn­lich wie Justi vor. Nicht übertragbar war hingegen die religiöse Komponente des Rituals. Es musste stattdessen entsakralisiert und für den französischen Kontext gedeutet bzw. mit einem ihren Zielen gemäßen Sinn versehen werden. Dafür hatten die Reiseberichte mit ihrer Fokussierung auf die gemeinschaftsstiftende bzw. soziale und ökonomische Komponente bereits eine gute Vorlage geschaffen. Assoziativ griffen die Physiokraten diese Deutung auf und integrierten sie in ihre Lehre. Nach Humes erkenntnistheoretischem Konzept kam es nach der Assoziation •• zur Erstellung eines Planes, •• zum Fassen von Vorsätzen und •• zur Verfolgung des Ziels. Das Ziel von Quesnay und seinen Kollegen bestand in der Erstellung eines neuen Herrschaftskonzepts, eines Gegenentwurfs zur eigenen Realität. Dieses Konzept enthielt eine Erweiterung der Funktion des Monarchen um die eines ersten Landmannes des Staates. Entsprechend den zeitgenössischen Anforderungen an Konzepte, bei denen biblische oder antike Vorbilder immer stärker gegenüber Beispielen aus der eigenen oder fremdem Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit in den Hintergrund traten, repräsentierte China eine reale, komplexe und weit entwickelte Erfahrungswelt. Sein Herrschaftsmodell erschien durch die Reiseberichte überprüfbar und bestach vor allem durch seine Ähn­lichkeit, die berührte und als letzte Modellierungsstufe das Handeln im Sinne einer Nachahmung initiierte.456 Doch wie war Nachahmung zu erreichen? Dass eine Theorie – von effizienter Landwirtschaft mit einem geachteten Bauernstand – offensicht­lich ebenfalls in der Praxis funktionierte, wenn auch in einem vollkommen anderen kulturellen Kontext, der aber laut Vico gleiche Wurzeln zum eigenen europäischen aufwies, war ein Hinweis auf die Praxistaug­lichkeit der physiokratischen Theorie. Was zum Zeitpunkt der Thema­ tisierung des Pflugrituals durch die Physiokraten nicht gegeben war, war der im Transfer des Motivs aus der einen in die andere Kultur angelegte analoge Stellenwert 457 landwirtschaft­licher Betätigung eines Herrschers. Er stellte in Frankreich und im Europa

456 Müller, Zur Geschichte des Modellbegriffs und des Modelldenkens, S. 218. 457 Werner, Dissymmetrien und symmetrische Modellbildungen, S. 87.

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des 18. Jahrhunderts ein Desiderat dar. Landbau gehörte nicht – oder nicht mehr – in den Kanon der Repräsentation von Amtspf­lichten eines europäischen Monarchen.458 Es war deshalb das erklärte Ziel der physiokratischen Strömung, die Regierenden von der Verhaltens- und (eingeschränkten, weil säkularisierten) Funktionsanalogie zu überzeugen. Sie konnten dabei an die antike europäische Tradition anknüpfen und so den analogen Stellen­wert der zu transferierenden Gegenstände herstellen. Eine Ergänzung und Bestätigung fand das antike, zwischenzeit­lich vernachlässigte und im 18. Jahrhundert neu belebte Bild vom Staatsmann und Bauern durch das Ritual des pflügenden chinesischen Kaisers. Die Tätigkeit des pflügenden asiatischen Monarchen wies nicht nur eine hohe Kompatibilität mit der eigenen europäischen antiken und zeitgenössisch gewünschten bzw. für notwendig erachteten Herrschaftsauffassung auf, das Ritual erwies sich darüber hinaus auch als geeignet, diese Auffassungen sichtbar zu kommunizieren, zu stützen oder sogar zu erweitern. Mit der Reduzierung des Rituals zu einem Motiv setzten die Physiokraten auf ein wirkungsästhetisches Konzept, dem sie ein hohes Potential für die imitatio zuschrieben. Um die imitatio als Erfolg des Motivs zu erreichen, hatten sie bestimmte Kriterien an das Motiv gerichtet, die sich stark an den zeitgenössischen Anforderungen der Bildpraxis orientierten. Jean-Baptiste Dubos (1670 – 1742) ging in seinen Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture aus dem Jahr 1719 vor allem davon aus, dass zuerst der Gegenstand der Darstellung eine erheb­ liche Wirkung auf den Betrachter haben müsse, um eine Reaktion beim Betrachter hervorzurufen und ihn zu überzeugen. Die Darstellung eines Bauern, der seine Kuhherde nach Hause treibe, erschien Dubos deshalb als Bildmotiv vollkommen ungeeignet, da es eine alltäg­liche Handlung und für niemanden von Interesse sei. Im Fokus müsse vielmehr das Besondere stehen, dessen Wirkung Erstaunen hervorrufe und Anreize zur Nachahmung biete.459 Vor dieser theoretischen Forderung an ein Bild konnte das Motiv des pflügenden Kaisers bestens bestehen, verband es doch zwei ungewöhn­liche Sphären miteinander: die der Herrschaft und die der bäuer­lichen Arbeit. Zugleich warnte Dubos vor unbekannten Symbolen oder Allegorien, die aus seiner Sicht beim Betrachter ledig­lich Unverständnis hervorrufen würden. Vielmehr müsse mit bekannten Attributen gearbeitet werden, um dem Betrachter den Inhalt konkret zu vermitteln und keine Rätsel aufzugeben.460 Diese Forderung wurde mit dem gewählten Motiv leicht erfüllt, denn die Funktion des Pflügens als wesent­licher Teil der Feldarbeit konnte beim Betrachter als bekannt vorausgesetzt werden und vermittelte ihm zugleich die Vico’sche Sicht kulturübergreifender Bedeutung. Das Motiv des pflügenden Kaisers transportierte anders als Literatur, welche nach Dubos der willkür­lichen Zeichen der Schrift 458 Vgl. das Kapitel zu antiken und mittelalter­lichen Traditionen der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in dieser Arbeit. 459 Dubos, Jean-Baptiste: Réflexions critiques sur la poesie et sur la peinture. Paris 1719 (Reprint Genf 1982). S. 68. 4 60 Ibd. S. 190 – 222.

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bedürfe, über das Sehen signes naturels, natür­liche Zeichen. Der Zugang zu diesen sei leichter, erreiche aber nicht die Komplexität der Schrift. Die Vermittlung von Inhalten durch visuelle Kunst war somit aus Sicht Dubos – in Anlehnung an John Locke – begrenzt, oberfläch­lich aber erfolgversprechender.461 Die Physiokraten nahmen somit in ihrer Vermittlungsstrategie mög­liche Rezipienten(-gruppen) wie den Monarchen, aber auch den Adel und nicht zuletzt auch die einfachen Bauern und ihre unterschied­ lichen Wahrnehmungskonventionen in den Blick. Sie zielten mit ihrem Motiv bzw. der Visualisierungsstrategie ihres Modells jedoch nicht auf die genannten Betrachter und Öffent­lichkeit(en) als ästhetische Urteilsinstanz wie etwa bei Kunstgegenständen, sondern als Adressaten ihrer Botschaft.462 Mit der besonderen Hervorhebung des Kaisers am Pflug aus dem chinesischen Ritual entstand ein vereinfachtes und zugleich äußerst prägnantes Motiv, das kompakt und leicht verständ­lich das Modell bzw. die von den Physiokraten konzipierte theoretische Erweiterung des Ideals vom Monarchen um eine zusätz­liche Herrschaftsvorstellung als erstem Landwirt zusammenfasste. Im Motiv des pflügenden Monarchen offenbarten sich wesent­liche Forderungen der Physiokraten wie etwa die Unterwerfung des Herrschers unter die Gesetzmäßigkeiten der Natur und die Akzeptanz ihrer Herrschaft. Im Pflügen des Monarchen zeigte sich symbolisch auch das Tun ohne zu tun des Wu-wei-Konzepts. Die begrenzte Aktivität des Menschen wird beim Pflügen und Säen sowie dem anschließenden Warten auf die Ernte offenbar. Deut­lich ist die dem Menschen aufgenötigte Passivität und die der Natur gestattete Zeit der Aktion.463 Ebenso deut­lich zeigte das Motiv auch eine andere wesent­liche Eigenschaft des neuen Herrschaftsmodells der Physiokraten: die Aktion des Herrschers zur richtigen Zeit, zur rechten Zeit aktiv zu wirken. Ohne die herrscher­liche Initiative, ohne sein Vorangehen, ohne sein Vorbild oder seine Gesetze, die im Einklang mit der Natur den Rahmen für den erhofften Agrarstaat und eine in Arbeit vereinte Gesellschaft schufen, änderte sich der bestehende Zustand nicht. Die Physiokraten hatten im Pflugritual der chinesischen Kaiser ein geeignetes Vorbild und eine passende Metapher für ihre Auffassung von der Agrarpolitik als ureigenstem Feld eines Monarchen gefunden und es als wichtigen Bestandteil ihrer Propaganda genutzt. Und diese zeigte Erfolg. e. Vom Erfolg der physiokratischen Vermittlungsstrategie – Le roi paysan Dass die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Physiokraten und einer erweiterten Herrschaftsauffassung offenbar im Königshaus über einen längeren Zeitraum 4 61 Ibd. S. 414 – 416. Locke, John: An essay concerning human understanding. Hg. v. Peter H. Nidditch, Oxford 1975. 3. Buch, Kap. XI, § 21, S. 519. Kernbauer, Eva: Der Platz des Publikums. Kunst und Öffent­lichkeit im 18. Jahrhundert. (Diss.) Trier 2007. S. 103ff. 4 62 Zur Rolle des Publikums Fort, Bernadette: Théorie du public et critique d’art. In: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 265 (1989). S. 1485 – 1488. Kernbauer, Platz des Publikums, S. 89ff. 4 63 Priddat, Le concert universel, S. 113.

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akzeptiert wurde und der Einfluss der économistes – sei es über den persön­lichen Kontakt oder über ihre Schriften – bestehen blieb, beweist das zunehmende Interesse des Königs Ludwig XV. und seines Sohnes, Louis Ferdinand (1729 – 1765) an der Landwirtschaft sowie das eigenhändige Pflügen des jungen Dauphin und künftigen Königs Ludwig XVI. In der bisherigen Forschung wurde darauf verwiesen, dass es Quesnay als Leibarzt von Madame de Pompadour gelungen sei, König Ludwig XV. im Frühling des Jahres 1756 dazu zu überreden, selbst einen Pflug in die Hand zu nehmen und zu führen. Der König habe „persön­lich die Feldbestellung eröffnet“ bzw. nach Willy Richard Berger gepflügt, um „so die jähr­liche Frühjahrsaussaat einzuleiten.“464 Ludwig XV. habe sich allerdings geweigert, daraus einen größeren Akt zu machen, war doch das Pflügen eines Herrschers weder in den Pf­lichten des Monarchen noch in der symbolischen Kommunikation seiner Funktionen verankert. Für eine solche Handlung im Sinne einer Eröffnung der saisonalen landwirtschaft­lichen Tätigkeiten durch den König gibt es jedoch keinen Quellenbeleg. Zudem waren landwirtschaft­liche Tätigkeiten im Jahreszyklus eng an katholische Feiertage und die damit einhergehende Heiligenverehrung gebunden. Somit war es vor allem die Kirche, die durch vielfältige Formen von Segen und Fürbitten die jahreszeit­lichen Aussaat- und Erntearbeiten begleitete und ideell auch leitete.465 Die Eröffnung der landwirtschaft­lichen Arbeitssaison fiel damit zunächst traditionell gar nicht in das Wirkungsressort des Monarchen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es im Einzelfall in seinem Beisein oder durch seine Mitwirkung geschehen sein mag. Ein Indiz für eine solche Mög­lichkeit bieten immerhin die weit verbreiteten Präsentationen der Ernten durch Bauern und Pächter gegenüber Gutsherren oder gegenüber der Obrigkeit, die nicht selten auch in gemeinsamen Fest­lichkeiten in den Dörfern mündeten. Sie führten zu einer feier­lichen und oft fröh­lichen Vergemeinschaftung von den Personen, die das Land zur Verfügung gestellt hatten, mit denjenigen, die es erfolgreich mit Gottes Hilfe bebaut hatten.466 Auch fürst­liche bzw. höfische Erntedankfeste 4 64 Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 304. Haushofer, Das kaiser­liche Pflügen, S. 174f. ­Berger, China-Bild und China-Mode, S. 81. Die gleiche Information findet sich auch bei Reichwein, China und Europa, S. 115. Guy, The French Image of China, S. 346f. Auch Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 14. 4 65 Vgl. das Kapitel zur Entflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft im Mittelalter in dieser Arbeit. 4 66 Hinsicht­lich der Erntefeste mit Gutsherren oder der Obrigkeit besteht eine erheb­liche Forschungslücke. Sie zu schließen, sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Nur ansatzweise kann hier ein kurzer Überblick gegeben werden. Zu den „welt­lichen Erntefesten“ schrieb Carstens in seiner Betrachtung für deutsche Territorien 1755: Zu den großen jähr­lichen Begebenheiten in der Natur, wovon die Erhaltung und zeit­liche Wohlfahrt des ganzen mensch­lichen Geschlechts abhängt, gehöret ohne Streit die jähr­liche Ernte. Betrübter Zustand einer Gegend, wenn sie nur in einem Jahre sehr mißlinget. Sowohl der Landmann als die Bewohner der Städte haben gleiche Ursache, jähr­lich zu wünschen, daß Freude in der Ernte sey, da beyder Wohlstand darauf beruhet. Man gönnets denen, die bey Einsammlung der Feldfrüchte vielen Schweiß vergießen müssen, gerne, wenn sie dabey so glück­lich sind, daß sie nicht allein während solcher saurer Arbeit mit Speise und Trank gut verpfleget und gestärkt werden, sondern wenn ihnen auch, nach geendigter Ernte von den Herrschaften zum Zeichen der

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in den Hofkirchen setzten ein Zeichen der Dankbarkeit für die Erträge am Ende des landwirtschaft­lichen Jahreszyklus. Ob jedoch jähr­liche Gottesdienste zum Erntedank in der könig­lichen Kapelle in Versailles stattgefunden haben, bleibt unklar. Es finden sich zum Erntedank weder Berichte noch bild­liche Darstellungen wie beispielsweise von Gottesdiensten zu Trauungen und Taufen von Mitgliedern der könig­lichen Familie oder zu ranghohen Kirchenfesten.467 Statt der Eröffnung der landwirtschaft­lichen Saison durch Ludwig XV. wurde in der zeitgenössischen landwirtschaft­lichen Fachliteratur ledig­lich die Tatsache betont, der König habe zu seinem Vergnügen im Trianon einen Pflug stehen und es nicht verachtet, ihn auch zur Hand zu nehmen. Darüber hinaus wurde der Leser 1761 im Lehrbuch Le Gentilhomme Cultivateur ou Corps Complet d’Agriculture von Jean-­Baptiste Dupuy-Demportes (?-1770)468 informiert, was Madame de Pompadour in ihrer Biblio­ thek stehen hatte:469 On sçait que le Roi a une charrue à Trianon, & qu’il en fait son amusement, ne dédaignant pas d’y mettre lui-même la main.470 Ein paar Seiten weiter verwies Dupuy-Demportes auf den chinesischen Kaiser und das Pflugritual und stellte Erkennt­lichkeit und des Wohlgefallens, eine besondere Ergötz­lichkeit verwilliget und ausgerichtet wird. Wir wollen die Haltung eines welt­lichen Erntefestes hier unangefochten lassen […]. Carstens, A. P. L.: Vom gottesdienst­lichen christ­lichen Erntefeste. Zum Michaelistage 1755. In: Nütz­liche Samlungen [sic!] 78 (1755). S. 1233 – 1248. Hier S. 1242. Carstens berichtet zudem über die Ernte­ bräuche der Israeliten. S. 1243. Dem Gutsherren wurde dabei auch oft eine Erntekrone aus Stroh überreicht und auf dem Feld eine Erntepuppe als „Opfergabe“ aufgestellt. Art. „Erntedankfest“. In: Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste. Freiburg/Basel/Wien 2000. S. 85f. Zu kurzzeitigen belustigenden ständischen Positionswechseln kam es zuweilen während des Karnevals an Höfen, wenn Adlige oder Fürsten als Bauern verkleidet auftraten. Auch Bauernaufzüge mit der Darstellung bäurischer Arbeiten waren zu Sommerfesten an Höfen beliebt. Sieber, Friedrich: Volk und volkstüm­liche Motivik im Festwerk des Barocks (Veröffent­lichungen des Instituts für Deutsche Volkskunde, Bd. 21). Berlin 1960. S. 27ff. 4 67 Zu den fest­lichen Gottesdiensten im Jahreszyklus in der Versailler Hofkappelle vgl. Maral, Alexandre: La Chapelle Royale de Versailles sous Louis XIV. Cérémonial, liturgie et musique (Etudes du ­Centre de Musique Baroque de Versailles, Bd. 4). Sprimont 2002. S. 99ff. Erntedankgottesdienste werden nicht erwähnt. Auf den Dörfern waren laut Madame de Sévigné vor Christi Himmelfahrt so genannte rogationes (Bitttage) üb­lich, um die Heiligen um gute Ernten zu bitten. Sévigné, Marie de Rabutin Chantal, marquise de: Correspondance. 3 Bde. Paris 1972 – 1978. Hier Bd. 1. S. 46. 4 68 Die Biografie und das Werk des Autors sind kaum erforscht. Höfer, Ferdinand (Hg.): Nouvelle biographie générale. Bd. 15. Paris 1866. Sp. 383. 4 69 Ein Eintrag im Bücherverzeichnis, das nach ihrem Tod angefertigt wurde, verweist auf den Titel: Anonymus, Catalogue des livres de la bibliothéque de Madame la Marquise de Pompadour, S. 30, Nr. 314. 470 Dupuy-Demportes, Jean-Baptiste: Le Gentilhomme Cultivateur ou Corps Complet d’Agriculture. Bd. 1. Paris 1761. S. IV, FN 4. Un Monarque, plus père de ses Sujets que leur Roi, sans cesse occupé de leur soulagement, comme il le proteste tous les jours sur la foi sacrée, & qui fait son délassement de ce qui fait leur occupation. Ibd. Zur Herkunft und zum Verbleib des Pfluges konnten keine Informationen gefunden werden. Ob Ludwig XV. ein eigenes Ackergerät gebaut wurde oder ob ihm eines von Bauern ausgeliehen wurde, bleibt unbekannt.

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damit offensicht­lich einen engen Zusammenhang zwischen dem chinesischen Vorbild und der Aufgeschlossenheit Ludwigs XV. her, ein solches landwirtschaft­liches Gerät zu besitzen und auszuprobieren.471 Parallel nannte er die antiken Größen wie ­Romulus, Cincinnatus und Alexander den Großen, denen die Landwirtschaft gleichermaßen wie dem chinesischen Kaiser als Grundlage ihrer Herrschaft am Herzen gelegen habe. Auch auf die eigene dynastische Tradition landwirtschaftsfördernder Herrscher aus dem Hause der Bourbonen machte Dupuy-Demportes mit Heinrich IV. und seinem Minister Sully aufmerksam.472 Umso bedauer­licher war für ihn der Schluss, dass König Ludwig XIV. und Colbert ihre Aufmerksamkeit nur noch auf die Luxusgüter gerichtet hätten, ebenso wie in der zeitgenössischen Gegenwart der Ackerbau stark vernachlässigt werde.473 Insofern sei es gut, dass die Franzosen wie kaum ein anderes Volk Beispielen folge, was ihnen von ranghohen Personen vorgeben werde: Le plus efficace moyen d’encourager l’Agriculture seroit donc de ramener les Grands d’un préjugé qui traverse si sensiblement ses progrès. Seroit-il donc impossible de les déterminer à rendre les hommages qu’ils doivent à ce premier des Arts?474 Dem Vorbild der Herrscher und Großen des Landes sprach Dupuy-Demportes die altbekannte erzieherische und prägende Wirkung zu, die Untertanen richtungsweisend und handlungsmotivierend anleiten könne. Stellten

4 71 Dupuy-Demportes, Le Gentilhomme Cultivateur, Bd. 1, S. 2f. 472 Sully, ce vrai modèle de grands Ministre, établit toute son Administration sur l’encouragement de l’Agriculture. Qu’on vante tant qu’on voudra le Ministre de Richelieu & de Colbert, qu’on les compare avec le premier, on verra, pour peu qu’on posses le Code de l’Administration, l’extrême différence qui est entre eux. Ibd. S. III. Zu Sullys Güterverwaltung vgl. Aristide, Isabelle: La fortune de Sully. Paris 1990. Zu Heinrich IV. und Sullys Wirken Buisseret, David/Barbiche, Bernard (Hg.): Les oeconomies royales de Sully. 2 Bde. (Publications de la Société de l’Histoire de France, Bd. 476/499). Paris 1970/1988. Zur Verehrung von Sully während der Regierungszeiten von Ludwig XV. und Ludwig XVI. durch panegyrische Gedichte, Gemälde und Skulpturen bzw. zu seiner Stilisierung als politisches Vorbild durch die Physiokraten vgl. Avezou, Laurent: Sully à travers l’Histoire. Les avatars d’un Mythe politique (Société de l’École des Chartes, Mémoires et documents, Bd. 58). Paris 2001. S. 241ff. Abbé Baudeau verfasste einen historischen Rückblick auf Sullys Wirken: Baudeau, Nicolas: Principes économiques de Louis XII et du cardinal d’Amboise, de Henri IV et du duc de Sully sur l’administration des finances, opposés aux système des docteurs modernes. Paris 1785. Minister Turgot wurde nach seiner Amtsübernahme als Minister von den Physiokraten als nouveau Sully gefeiert. Grell, Chantal/Michel, Christian: L’École des Princes ou Alexandre disgracié. Paris 1988. S. 81. 473 Tous se sont ressentis de la magnificence de Louis le Grand. Mais où est le laboureur qui attentif à son état, ait été décoré de quelque marque de distinction? Où est la récompense coulée du trône jusqu’à lui? Si M. Colbert avoit appuyé les Ordonnances sages qu’il fit donner sur l’Agriculture, du même zèle qu’il eut pour les Manufactures, nos campagnes négligées ne peindroient plus si énergiquement le deuil qu’elles portent, & et nous ne gémirions pas du larcin que ce Ministre leur a fait involontairement; les Inspecteurs d’Agriculture au’il auroit créé auroient été aussi favorables aux progrès de cet Art, que ceux qu’il établit pour l’industrie devoient devenir peu avantageux; celle-ci plus libre produiroit tout l’effet qu’il s’étoit proposé, & l’une plus instruite & plus encouragée, auroit ajuoté à la force & la solidité de l’autre. Dupuy-Demportes, Le Gentilhomme Cultivateur, Bd. 1, S. III. 474 Ibd. S. 1.

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sie sich an die Spitze einer Idee, folge die Masse leichter. Führte der König den Pflug selbst, so adelte er den Landbau durch seine Person, stellte ihn gar unter könig­liche Protektion. Mit dieser Aufmerksamkeit des Königs für die Landwirtschaft musste es dem Adel leichter fallen, den Hof zu verlassen und seiner Bestimmung gemäß auf seine Landgüter zurückzukehren. Das erhoffte sich jedenfalls Dupuy-Demportes: On doit tout espérer d’un Regne qui accorde tout ce qui est juste: bientôt les douceurs de la paix succèderont aux dévastations de de [sic!] la guerre. Notre père commun, cet auguste Monarque, n’ayant plus à soutenir des Alliés fidelles, tournera toutes ses vûes sur vous.475 Dem Adel kam traditionell als Inhaber von Grundeigentum eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft zu, die künftig wieder eingenommen werden sollte. An diese Klientel wandte er sich deshalb mit seinem Werk. Zugleich verwies er im gestochenen ­Frontispiz seines Buches auf das ideale Zusammenwirken von Mensch und Natur im Ackerbau (Abb. 17: Frontispiz). Während ein kräftiger, antikisierend gekleideter Bauer den Boden pflügte und vorbereitete, hielt die personifizierte fruchtbare Natur Ceres von ihrem Schlangen­wagen aus ihm und allen Betrachtern ihre Bedeutung als Mater Artium et Nutrix vor Augen.476 Das Frontispiz verwies damit auf die physiokratische Sicht der Natur als Herrscherin und Leitfaden des Buches. Der könig­liche Besitz eines Pfluges im Trianon verstärkte die Hoffnungen des Zeitgenossen Dupuy-Demportes auf eine Protektion der Landwirtschaft durch den König und seine künftige sichtbare Position an der Spitze des französischen Ackerbaus nach dem Vorbild des chinesischen Kaisers und zahlreicher anderer Monarchen aus dem antiken oder eigenen dynastischen Kontext. Zu dieser Hoffnung mag noch ein anderes Ereignis am 8. August 1756 beigetragen haben: König Ludwig XV . wohnte im Trianon mehreren Experimenten des Botanikers, Agronomen und Directeur de la Monnaie à Troyes Mathieu Tillet (1714 – 1791) bei, die Krankheiten bei Getreide wie den so genannten Weizenbrand erforschen und bekämpfen sollten. Die Krankheit trug später seinen Namen: Tilletia. Er hatte dafür im Garten des Trianon mehrere kleine Versuchsbeete mit verdorbenem bzw. infiziertem und gesundem Saatgut bestückt und dem König die Ergebnisse der Ernte sowie die Ansteckungsgefahr erläutert. Im Jahr 1755 hatte er für seine Untersuchungen an unterschied­lichen Getreidesorten bereits den Preis der Akademie der Wissenschaften in Bordeaux erhalten.477 Die Ergebnisse der Experimente im Trianon veröffent­lichte 475 Ibd. S. 7. 476 Dupuy-Demportes, Frontispice Le Gentilhomme Cultivateur, Bd. 1, o. Pag. 477 Tillet hatte erkannt, dass die schwarze Farbe verdorbener Ähren nicht vom Einfluss des Nebels auf Korn herrührte, sondern von infiziertem Saatgut ausging. Er schlug zur Behandlung des Saatgutes Kalk und Salz vor. Auch frühe Beobachtungen zum Rostpilz stammen von Tillet. Diese Krankheit wurde jedoch erst 1853 vollständig erforscht. Tillet, Mathieu: Dissertation sur la cause qui corrompt et noircit le bled dans les épis; et sur les moyens de prévenir ces accidens (Prix de l’Académie de Bordeaux, médaille d’or). Bordeaux/Paris 1755. Im Jahr 1757 war eine deutsche Übersetzung der Akademie-Publikation Tillet erhält­lich: Tillet, Mathieu: Des Herrn Tillets […] Abhandlung von der Ursache, woher die Körner des Getreides in den Aehren verderben und schwarz werden, und

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Tillet zeitnah und betonte, dass der König seine Präsentation als würdig genug erachtet habe, um sie mit seiner Anwesenheit zu ehren.478 In der Widmung seiner Arbeit an den König betonte er die wirtschaft­liche Bedeutung seiner Forschungen sowie den Wert des Ackerbaus: ce premier fond de nos richesses et la plus précieuse de nos ressources. 479 Zugleich legte er dem König nahe, dass er für seine Entdeckung der Kornkrankheit nicht nur den Preis der Akademie, sondern auch das Lob der Bauern verdiene, denen er seine Erkenntnisse widmen wolle. Denn die Bauern seien es, die das Brot mit allen teilen und deren Tagwerk dem Staat zu Wohlstand verhelfe.480 Für seine agrarischen Verdienste erhob Ludwig XV. Tillet 1773 als Chevalier in den Ordre de Saint-Michel.481 Von den Experimenten, die im Beisein des Königs und Quesnays stattfanden, berichtete auch der Physiokrat, Agronom, Mitinitiator und erste Präsident der Sociétés d’Agriculture und Freund des Finanzministers Bertin, Louis-François-Henri Marquis de Turbilly (1717 – 1776), in seinem Memoire sur les défrichemens, das 1760 in Paris erschien. Er wertete die Mög­lichkeit, Experimente und Beobachtungen vor dem König präsentieren zu dürfen, als eine Ehre, die der Monarch der Landwirtschaft mit seiner Anwesenheit sichtbar entgegenbrachte. Sie entsprach aus Sicht de Turbillys der gleichen Patronage und väter­lichen Fürsorge wie in China, wo der Kaiser sie durch eigenhändiges Pflügen zum Ausdruck bringe: Tout ce que j’ai dit jusqu’à présent ne suffit pas pour le défrichement des terres incultes du Royaume, il faut encore que le Roi honore ces fortes d’entreprises d’une protection particuliere; qu’il les favorise, & qu’il témoigne publiquement sçavoir gré à ceux qui les exécuteront. Aucune Nation ne se portera plus volontiers que celle-ci, à ce qu’elle sçaura pouvoir plaire à son souverain. Les essays que sa Majesté à fait faire ci-devant, sous ses yeux dans le Parc de Trianon, sous une marque de son gout pour l’Agriculture, & de son attention bien-faisante pour ses sujets; il seroit aisé d’en tenter de nouveaux de différentes

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von denen Mitteln, wodurch man diesen Zufällen zuvorkommen kann. Hamburg 1757. Auch im Journal économique und im Journal de commerce publizierte Tillet Ergebnisse zu seinen Forschungen. Zu diesen Artikeln in beiden Zeitschriften knapp zusammenfassend Kaplan, Steven L.: Provisioning Paris: Merchants and Millers in the Grain and Flour Trade. Ithaca/London 1984. S. 67f. Vgl. zum Weizenbrand kurz Börner, Horst/Schlüter, Klaus/Aumann, Jens: Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz. Heidelberg 82009. S. 7. Zu Tillets Forschungen Wehnelt, B.: Mathieu Tillet. Tilletia. Die Geschichte einer Entdeckung. o. O. 1937. S. 55. Zu den theoretischen Vorstellungen des 18. Jahrhunderts über diese Krankheit ibd. S. 64ff. Gleich 1756 erschien die Schrift unter dem Titel: Tillet, Mathieu: Précis des expériences qui ont été faites par ordre du Roi à Trianon, sur la cause de la corruption des bleds et sur les moyens de la prévenir à la suite duquel est une instruction propre à guider les laboureurs dans la manière dont ils doivent préparer le grain avant de le semer par. Paris 1756. S. 4. 1787 erschien eine zweite Auflage: Précis des expériences faites par ordre du roi, à Trianon, sur la cause des la corruptions des blés, Paris ²1787. Tillet, Précis des expériences qui ont été faites par ordre du Roi à Trianon, Préface, o. Pag. Ibd. o. Pag. Ebenfalls kurz zu den Experimenten Tillets im Trianon Antoine, Michel: Louis XV. Paris 2008. S. 423.

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façons, sur des terreins en friches aux environs de Versailles, et des autres Maisons Royales ou va la Cour. Ces épreuves, en presence du Maître, ne manqueroient point de produire un très-bon effet quand meme elles ne réussiroient pas toutes. On ne peut trop honorer l’Agriculture; les Peuples qui en fait le plus de cas, ont été les plus florisants. On la prise si fort à la Chine que chaque année l’Empereur y fait en grande cérémonie, l’ouverture des terres.482 Der Empfang Tillets im Trianon im Sommer des Jahres 1756 kann gleichermaßen als Auftakt zur Planung eines Botanischen Gartens gewertet werden. Ab 1760 entstand durch den Architekten Ange-Jacques Gabriel (1698 – 1782) das Petit Trianon, dessen Garten als Ort für Experimente mit Glashäusern ausgestattet wurde. Insbesondere Pflanzen aus allen Erdteilen, aber auch Nutz- und Gemüsepflanzen wurden ab 1760 unter Antoine Richard (1734 – 1807) als Obergärtner kultiviert, beobachtet, und beschrieben. Reisende, wie Chevalier Etienne-François Turgot (1721 – 1789), der 1765 als Gouverneur aus Guyana zurückgekehrt war,483 oder Abbé Gallois, der 1765 aus China nach Frankreich heimkehrte, wurden vom König zu Berichten im Trianon empfangen und übergaben dem neuen Botanischen Garten Samen und Pflanzen. So gelangte über Gallois ein Mangobaum in die Sammlung des Trianon. Das Trianon als Rückzugsort des Königs avancierte somit immer stärker zu einem Ort des Wissensaustauschs und der Sammlung von Wissen zur Landwirtschaft und zur Botanik. Der König ließ sich in diesen Bereichen bereitwillig und für seine Untertanen wahrnehmbar unterrichten, denn das Journal de Paris berichtete regelmäßig darüber, wer die Ehre hatte, dem Monarchen neues Wissen zu präsentieren und zu vermitteln.484 Damit war das Trianon unter 482 De Menon Marquis de Turbilly, Louis-François-Henri: Memoire sur les défrichemens. Paris 1760. S. 294f. Bekannt ist die enge Zusammenarbeit Turbillys mit Bertin. Er gilt als Wegbereiter der Erschließung und Urbarmachung von neuem Land. Vgl. dazu Weulersse, Le mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 81 und S. 89. Zu Turbilly vgl. Bourde, Agronomie et agronomes en France au XVIIIe siècle, Bd. 1. S. 242 – 247, Bd. 2, S. 1100ff. Sauvy, Alfred/Hecht, Jacqueline: La population agricole française au XVIIIe siècle et l’expérience du marquis de Turbilly. In: Population 20ème année 2 (1965). S. 269 – 286. Erwähnung fanden die Experimente auch bei Pierre Jean-Baptiste Legrand d’Aussy: M. Tillet, de l’Académie des Sciences, a fait à Trianon, sous les yeux du roi défunt, plusieurs expériences sur les blés cariés. Il a découvert, avec l’aide du microscope, que ces taches noires qu’on appelle carie, n’étoient qu’une sorte de moisissure, une espèce de mousse ou de champignon qui s’implante dans le grain, et en dévore la substance en pénétrant jusqu’au germe qu’il infecte. Le physicien s’est assuré qu’une forte lessive, faite avec des cendres de bois neuf et de la chaux vive, détruisoit cette plante parasite. Il a publié le résultat de son travail; et son mémoire, imprimé au Louvre, a été envoyé par le gouvernement à tous les Intendants de Province. Legrand d’Aussy, Pierre Jean-Baptiste: Histoire de la vie privée des Français depuis l’origine de la nation jusqu’à nos jours. Bd. 1. Paris 1782. S. 31f. 483 Es handelt sich um den Bruder des späteren Finanzministers Anne Robert Jacques Turgot. Eine umfassende Biografie zu Chevalier Turgot sowie eine Zusammenstellung aller seiner Werke bietet Morel, Jean Paul: Poivre, Réaumur, et le chevalier Turgot. Paper 2010. S. 61 – 65. http://pierre-poivre.pagesperso-orange.fr/reaumur-turgot.pdf (gesehen am 10.05.2012). 484 Lamy, Gabriela: Les Jardins de Trianon à Travers la Presse. Les Progrès de la Botanique et de l’Horti­ culture vus par l’Avant-Coureur et le Journal de Paris (1760 – 1792). In: Henry, Christophe/Rabreau,

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Ludwig XV. der Ort, an dem der König seine Kenntnisnahme landwirtschaft­lichen und botanischen Wissens bzw. sein Interesse daran demonstrierte, zelebrierte und repräsentierte. Für die Wissenschaftler und Reisenden, die zu einem Vortrag oder zu einem Experiment eingeladen wurden, war der Besuch im Trianon der Beginn der erhofften Förderung durch die notwendige Verflechtung von Wissenschaft und Regierung. Ludwig XV. unterstrich den Charakter noch zusätz­lich durch das Gemälde Cérès enseignant l’agriculture à Triptolème, das als Auftragswerk durch den Maler Louis Jean François Lagrenée (1724 – 1805) geschaffen und 1770 im Speisesaal des Petit Trianon aufgehängt wurde.485Auch der Förderung des Wissensaustauschs der Experten untereinander zeigte sich der König durch die Einrichtung des Botanischen Gartens in Paris 1755 und mit der Unterstützung der Initiativen von Turbilly, Bertin, Etienne-François Turgot und Poivre 1761 zur Gründung der Société Royale d’Agriculture de la Généralité de Paris gewogen. Schon zuvor, aber auch im Anschluss daran, wurden weitere Landwirtschaftsgesellschaften in unterschied­lichen Städten Frankreichs gegründet.486 Das Engagement des Königs für die Landwirtschaft rühmte der frühere Ratsherr von Montpellier und Dichter Pierre Fulcrand de Rosset (1709 – 1788) in seinem Gedicht L’Agriculture, das er 1774 König Ludwig XV. widmete.487 Im Vorwort heißt es überschwäng­lich: La France vit aussitôt éclor un grand nombre d’ouvrages sur l’Agriculture; Votre Majesté fit répeter sous ses yeux & sit Elle-même d’heureuses expériences, Elle ordonna que tous ses Sujets en fussent instruits, Daniel (Hg.): Le Public et la Politique des Arts au Siècle des Lumières. Célébration du 250 Anniversaire des Arts du Premier Salon de Diderot (Annales du Centre Ledoux, Bd. 8). Paris 2011. S. 413 – 425. Hier S. 416. 485 Zu den Implikationen des Gemäldes vgl. Kapitel 4.2.4.g). 486 Die landwirtschaft­lichen Gesellschaften Frankreichs verstanden sich als Institutionen der Zentralgewalt. Bertin ging es vor allem um die praktische Verbesserung des Landbaus. Moriceau, JeanMarc: Art. „Sociétés d’Agriculture“. In: Bély, Lucien (Hg.): Dictionnaire de l’Ancien Régime. Paris ²2003. Sp. 1169. Zur Entstehung der Gesellschaften Bourde, Agronomie et Agronomes en France au XVIII Siècle, Bd. 3, S. 1193ff. Midell, Katharina: Aufklärung und länd­liche Welt: Die Sociétés d’Agriculture in Frankreich und aufklärerische Ambitionen gegenüber dem Landmann. In: Bödeker, Hans-Erich/François, Etienne (Hg.): Aufklärung/Lumières und Politik. Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung (Deutsch-französische Kulturbibliothek, Bd. 5). Leipzig 1996. S. 375 – 398. Hier S. 379ff. Die französischen Gesellschaften waren jedoch weit weniger als die deutschen Träger einer Volksaufklärung und gestanden in ihren Schriften und Preisfragen dem Landmann kaum die Rolle eines Subjektes in der Gesellschaft zu. Ibd. S. 390ff. Turbilly gehörte zu den Initiatoren der landwirtschaft­lichen Gesellschaften in Tours und in Paris. Er war zudem Mitglied der Ökonomischen Gesellschaft in Bern. Veyret, Patrick M.: Un Gentilhomme cultivateur novateur: Louis-François-Henri de Menon, Marquis de Turbilly. In: Comptes rendus de l’Academie d’Agriculture de France: Agriculture, Alimentation, Environnement 54 (1968). S. 1263 – 1276. Hier S. 1271. Zum Publikationsorgan der Gesellschaft in Paris vgl. ab 1785 – 1791 Art. „Mémoires d’Agriculture“. In: Sgard, Dictionnaire des Journaux, Nr. 871, S. 789f. 487 Aus einem Brief von Anisson-Duperon vom 13. Juni 1780 geht hervor, dass das Gedicht auf Weisung Bertins in der Imprimerie Royale 1774 gedruckt und dieser aus dem Trésor Royal bezahlt wurde. Archives nationales, Paris, O1 610, Nr. 397.

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l’exemple du Prince a rendu cultivateurs les Citoyens & les Grands du Royaume. […] Les Sociétés d’Agriculture formées dans les Provinces, sous votre protection, ont excité, instruit & avidé les cultivateurs. Das dazugehörige Frontispiz des Buches zeigte einen dankbar zur Sonne weisenden, pflügenden, älteren Landmann, der im Licht ein doppeltes, sich spiegelndes „L“, das könig­liche Monogramm, für Ludwigs Gunst und Gnade gegenüber den Bauern und dem Landbau erblickte (Abb. 18: Frontispiz).488 Mit dem Besitz eines Pflugs und dem hin und wieder persön­lich bekundeten Interesse des amtierenden französischen Königs für das Gedeihen des Getreides bzw. an der Landwirtschaft hatte sich auch Voltaires Hoffnung, die er im Zusammenhang mit einer ausführ­lichen Schilderung des kaiser­lichen Pflügens in China in seinem Artikel Agriculture im Dictionnaire Philosophique geäußert hatte, zumindest ansatzweise erfüllt: Que doivent faire nos Souverains d’Europe en apprenant de tels examples? Admirer et rougir, mais surtout imiter.489 Doch mit Ludwigs XV. Freude am Pflug im Garten des Trianon und seiner Einladung Tillets war längst noch kein neues und dauerhaftes Bewusstsein in die Herrschaftsauffassung und politischen Leitlinien des Monarchen gedrungen, das sich in einem kontinuier­lich wahrnehmbaren Engagement im Rahmen von Gesetzgebung, Initiativen zur Hebung des Bauerntums oder der nachhaltigen Unterstützung des Ackerbaus hätte zeigen können. Der Besitz des Pfluges implizierte längst noch nicht die von Voltaire angesprochene und erhoffte Imitation des umfassenden herrscher­lichen Wirkens der chinesischen Potentaten im Bereich des Landbaus durch die europäischen Herrscher. Der französische König erschien noch weit davon entfernt, wenn auch ansatzweise auf einem guten Weg. Auch das überbordende Lob Rossets für das bisher Erreichte und die erlangte Protektion Ludwigs XV. liest sich gleichfalls als Ermahnung gegenüber dem König, mit dem gezeigten Engagement fortzufahren, um die noch bestehenden Defizite zu beheben. Es bedurfte somit einer fortgesetzten Vermittlung der physiokratischen Inhalte, um eine nachhaltige Wirkung im Herrscherhaus zu erzielen. Eine interessierte Hinwendung zur Landwirtschaft zeigte auch die nächste ­Generation der Herrscherfamilie. In einer Gedenkrede, die am 20. Dezember 1779, dem 14. Todestag des verstorbenen Dauphin Louis Ferdinand (1729 – 1765) gehalten wurde, beklagte der Verfasser Abbé Edmond Cordier de Saint-Firmin den Verlust des Prinzen und rühmte die große Liebe des französischen Thronfolgers zur Landwirtschaft.490 Er schrieb: O sou 488 Rosset, Pierre Fulcrand de: L’agriculture, poème. Paris ²1774. S. 6 (1. Aufl. auch 1774). Ludwig XV. hatte zuvor sein Einverständnis für eine Widmung gegeben. 489 Voltaire, Art. „Agriculture“. In: Ders.: Dictionnaire Philosophique (Œuvres complètes de Voltaire, Bd. 17). Paris 1878. S. 88. Voltaires Schilderung des kaiser­lichen Pflugrituals in China unter der Zwischenüberschrift De la grande protection due à l’agriculture folgte passagenweise exakt Cyr Contancins Bericht an seinen Ordensbruder Étienne Souciet in Paris vom 15. Dezember 1727, der in den Lettres édifiantes et curieuses publiziert worden war. Voltaire nannte seine Quelle nicht, hatte aber die Passagen in Anführungszeichen gesetzt. Ibd. S. 87f. 490 Cordier de Saint-Firmin, Edmond: Éloge du dauphin, père de Louis XVI, par M. l’abbé Cordier de Saint-Firmin, prononcé le 20 décembre 1779. Bruxelles/Paris 1780.

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pirs honorables pour la mémoire du Dauphin, que ceux des habitans de la campagne, qui avaient compté sur la protection de ce Prince, en abandonnant leurs foyers à l’usurpateur qui les en avait expulsés, & qui disputant à des barbares les dernieres gerbes destinées a ensemencer leurs terres, les avaient laissées incultes! Il n’est donc plus, s’écriaient-ils, ce bon Dauphin, qui arrosa de ses sueurs les sillons qu’avait tracés la charrue qu’il voulut conduire lui-même! Comme il aimait l’agriculture! comme il respectait nos héritages! Il n’est aucun de nous qui eût à se lamenter, en visitant sa vigne ou son champ, qui s’était rencontré sur le chemin de ce Prince.491 Den Ausführungen von Cordier de Saint-Firmin ist zu entnehmen, dass der Sohn Ludwigs XV. auf eigenen Feldern und Weingütern einer landwirtschaft­lichen Betätigung und sogar dem eigenhändigen Ziehen von Furchen mit dem Pflug nachgegangen war. Die Rede betonte, dass diese Arbeiten aus eigenem Antrieb des Prinzen geschahen. In einer Memorialrede ist immer auch eine Anlehnung an christ­liche Metaphorik zu erwarten. Im Fall des verstorbenen Thronfolgers konnte mit der erwähnten Neigung zum Landbau auch eine weitere metaphorische Aussage zum fruchtbaren Wirken des Prinzen auf der Erde und seinen hinterlassenen Spuren im Weinberg Christi verbunden werden. Da sich aber darüber hinaus auch andere Quellen zum Lob von ackerbau­lichen Arbeiten des Prinzen gefunden haben, kann die Aussage der Memorialrede durchaus als Hinweis auf sein Interesse an der Landwirtschaft interpretiert werden.492 So wurde beispielsweise die undatierte Denkschrift eines Monsieur de Malassise zur Verbesserung der Landwirtschaft in Frankreich an M. Le Dauphin de France gerichtet. Die Denkschrift unterstrich in der Einleitung das landwirtschaft­liche Fachwissen und die eigenen Feldarbeiten des künftigen Königs.493 Der Fachmann richtete seine Vorschläge also an den könig­lichen Experten. Die eigene landwirtschaft­liche Tätigkeit des Kronprinzen gehörte ganz offensicht­lich zu den wesent­lichen Aspekten seiner Person und seines Wirkens im Leben, die den Zeitgenossen hinreichend vertraut und bedeutsam erschienen war, so dass darauf selbst nach 14 Jahren in der Gedenkrede leicht darauf verwiesen werden konnte. Die Memorialrede bietet somit einen wichtigen Hinweis auf eine mög­liche Kontinuität erster Erfahrungen mit eigenhändiger bäuer­licher Arbeit in drei Generationen im Haus Bourbon.494

491 Ibd. S. 37f. 492 Ein Bericht über den Tod und die Bestattung von Louis Ferdinand findet sich in den Archives nationales unter der Signatur O1 1044, Nr. 93. Er ergab jedoch keine weiteren Hinweise auf ein exponiertes Interesse des verstorbenen Kronprinzen. Andere Gedenkreden, die im Land und am Hof im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tod des Dauphin gehalten wurden, bieten keine weiteren Anhaltspunkte zur landwirtschaft­lichen Betätigung des Kronprinzen. Zwar wird die Sorge des Dauphin um seine zukünftigen Untertanen gepriesen, der Ackerbau spielte hingegen keine Rolle. So beispielsweise Caveirac: Christ­liche Lobrede auf Seine König­liche Hoheit, Ludwig, den verstorbenen Kronprinzen von Frankreich. Augsburg 1767. 493 Archives nationales, Paris, M 784, Nr. 10,2: A M. Le Dauphin de France, undatiert, um 1758? 494 Inwieweit Louis Ferdinand vom Kreis der Physiokraten beeinflusst war, ist unklar. Zu Madame de Pompadour besaß er ein schlechtes Verhältnis. Kontakte zu Physiokraten konnten nicht nachgewiesen werden.

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Eine Bestätigung der Inhalte der Memorialrede findet sich auch in der im Jahr 1777 von Liévin-Bonaventure Proyart (1743 – 1808) vor Ludwig XVI. präsentierten und im gleichen Jahr publizierten Lebensbeschreibung des verstorbenen Kronprinzen unter dem Titel Vie du Dauphin, père de Louis XVI . Proyart schilderte eindrück­lich die große Begeisterung Louis Ferdinands für die Landwirtschaft und die Bauern: Zudem habe er bei der Jagd immer darauf geachtet, niemals ein Feld zu zerstören: L’Agriculture parut au Dauphin un objet digne de toute son attention. Il protégea, en plusieurs occasions, ces Sociétés qui ont travaillé avec tant de succès à perfectionner cet art, la source des vraies richesses d’un Etat. Il reçut leurs mémoires, & les lut avec plaisir. Il appelle les Laboureurs, « une classe d’hommes utile & précieuse à la société. Il faut, dit-il, que les Laboureurs, sans être riches, soient dans un état d’aisance, & ne craignent point, en rentrant des champs au logis, de trouver les Huissiers a leurs portes: prétendre s’enrichir en les dépouillant, c’est tuer la poule qui pond des œufs d’or ». Comme on lui représentoit que ses revenus étoient trop bornés, & qu’à son âge, le Dauphin, fils de Louis XIV, avoit cinquante mille francs par mois pour sa cassette: « il ne me seroit pas difficile, répondit-il, d’obtenir du Roi la même somme: mais comme je ne la recevrois que pour la donner, j’aime mieux que le pauvre Laboureur en profite, & qu’elle soit retranchée sur ses tailles ». Il avoit coutume de dire qu’il étoit plus jaloux d’être aimé des Paysans que des Courtisans. Quelquefois, pendant les voyages du Roi, il prenoit plaisir à se faire raconter ce que disoient de lui les habitans des campagnes: on lui rapportoit un jour qu’un Laboureur Picard après s’être expliqué fort cavaliérement sur le compte de quelques Seigneurs de la Cour, avait ajouté qu’il aimeroit toujours M. le Dauphin, parce que à la chasse il n’entroit point dans les terre encore couvertes de leurs moissons. « N’admirez-vous pas ces bonnes gens, dit alors le Dauphin à l’Abbé de Saint-Cyr, ils nous aiment parce que nous ne leurs faisons point de mal; & des Courtisans rassasiés de nos bienfaits, n’ont pour nous que de l’indifférence ». Aucun Laboureur en effet n’eut jamais à se plaindre que ce Prince eût causé le moindre dommage dans son champ. Un jour qu’il chassoit avec le Roi dans les environs de Compiegne, son cocher vouloit traverser une piece de terre dont la moisson n’étoit pas encore levée; s’en étant aperçu, il lui cria de rentrer dans le chemin: le Cocher lui observa qu’il n’arriveroit pas à tems au rendez-vous. « Soit, répliqua le Prince, j’aimerois mieux manquer dix rendez-vous de chasse, que d’occasionner pour cinq sols de dommage dans le champ d’un pauvre Paysan ». Belle leçon pour ces Seigneurs qui se croyent tout permis dans leurs terres, parce qu’ils y peuvent tout impunément, & que leurs vasseaux, dans la crainte de plus grands maux encore, n’osent demander justice de ceux dont ils les font gémir.495 Daneben ist auch das bestehende Interesse von Louis Ferdinand an der Landwirtschaft in künstlerischer Hinsicht belegt: Der Sohn Ludwigs XV. beauftragte Jean-Baptiste Oudry (1686 – 1755) mit dem Gemälde La Ferme. Es wurde auf dem Pariser Salon 1750 ausgestellt.

495 Proyart, Liévin-Bonaventure: Vie du Dauphin, père de Louis XVI. Ecrite sur les Mémoires de la cours, présentée au Roi et à la famille royale. Paris ²1778. S. 151 – 153.

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Der Salon hatte sich in dem Jahr dem Thema des Ackerbaus verpf­lichtet. In seinem Tableau de Mr. le Dauphin erläuterte der Maler dem künftigen König sein Bild in allen Einzelheiten. Er hatte sämt­liche ackerbau­liche Tätigkeiten in und um ein Gehöft dargestellt.496 Eine durch unterschied­liche Quellengattungen besser belegte und fassbare sowie zudem in ihrer Qualität deut­lich gesteigerte Fortsetzung landwirtschaft­lichen Interesses folgte mit dem Sohn Louis Ferdinands: Am 15. Juni 1768 führte der 14-jährige Enkel des Königs Ludwig XV. und aktuelle Thronfolger Louis Auguste auf einem Acker in der Nähe von Versailles, der nicht näher bekannt ist,497 selbst den Pflug. Die Physiokraten deuteten das eigenhändige Pflügen des Dauphin als ihren Erfolg, den sie in ihrer Zeitschrift Ephémérides du Citoyen im Juli 1768 mit der Publikation eines anonymen Briefes vom 16. Juni 1768 aus Versailles feierten. Der Anonymus, der das Geschehen einen Tag später exakt schilderte, hob unter Verweis darauf, dass die Physiokraten ja immer glaubten, dass es nötig sei, nach China zu gehen, wenn man sehen wolle, dass erhabene Hände den Pflug bedienten, das spontane Interesse des Kronprinzen an der Arbeit eines Bauern auf dem Feld während seiner Promenade hervor. Nach eingehender Beobachtung des Bauern habe er selbst den Pflug zu führen begehrt und sich zum Erstaunen aller sofort als fähiger Pflüger erwiesen: Sans doute vous croyez toujours, Monsieur, qu’il faut aller à la Chine, si l’on veut voir des mains augustes manier la charrue? Eh bien! Détrompez vous: Monseigneur le Dauphin, nous donna ce spectacle aussi attendrissant, qu’interessant. Ce Prince dirigea sa promenade vers un champ qu’on labourit; il examina quelque temps la manoeuvre; & demanda ensuite à conduire lui-même la charrue: ce qu’il exécuta avec autant de force que d’adresse, au point que le laboureur soit étonné, comme les spectateurs, de sa profondeur du sillon, de la justesse de sa direction. L’intérêt que vous prenez M. à l’agriculture, vous sera gouter autant de plaisier en lisant cette nouvelle, que j’ai de satisfaction à vous la mander. Je vais mettre le comble à l’un & à l’autre trait, qui sait l’éloge du coeur de se jeune & Auguste Prince, comme le premier sait celui de ses gouts. […].498 Der anonyme Verfasser bedient die Pläne und Hoffnungen der Physiokraten so genau, dass die Annahme eines fingierten Schreibens berechtigt erscheint. Gerade Leserbriefe bzw. Einsendungen von Lesern wurden oftmals von den Herausgebern von Zeitungen oder Zeitschriften erfunden, um künst­lich Dispute in ihren Blättern zu unterstützen oder bestimmte Meinungen zu untermauern und zu festigen.499 Das Periodikum unterstand

496 Öl auf Leinwand, 130 x 212 cm. Vgl. Lambert, Gisèle: Paysages, paysans. L’art et la terre en Europe du Moyen Âge au XX siècle. Paris 1994. S. 174f. Kat. Nr. 150. Vgl. auch Martin, Meredith: Dairy Queens. The Politics of Pastoral Architecture from Catherine De’ Medici to Marie-Antoinette (Harvard Historical Studies, Bd. 176). Cambridge 2011. S. 177f. 497 Zum mög­lichen Ort des Geschehens folgen im Verlauf des Kapitels Überlegungen. 498 Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Juillet 1768. S. 9 – 11. Hier S. 9f. 499 Zum Leserbrief vgl. Faulstich, Werner: Die bürger­liche Mediengesellschaft (1700 – 1830) (Die Geschichte der Medien, Bd. 4). Göttingen 2002. S. 83 – 86.

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bis 1768 der redaktionellen Betreuung von Abbé Baudeau, ab 1769 Du Pont de Nemours. Unter der Rubrik Événements publics listeten die beiden Herausgeber regelmäßig sehr genau Gesetzesentwürfe oder sonstige praktische Regierunghandlungen europäischer Fürsten auf, die mit ihren Lehren konform gingen oder auf ihrer Vermittlung basierten.500 Die Rubrik, die grundsätz­lich den Auftakt einer jeden Ausgabe der Ephémérides bildete, diente als Dokumentation des Erfolges physiokratischer Vermittlungsstrategien in ganz Europa. Die stichprobenhafte Untersuchung der unter dieser Rubrik aufgenommenen Beispiele fürst­licher Anstrengungen zur Umsetzung physiokratischer Ziele ergibt den Befund, dass die Berichte entweder mit den jeweiligen Monarchen abgestimmt oder sogar von ihnen selbst veranlasst worden waren. Dies soll an einem Beispiel nachgewiesen werden: Marquis de Mirabeau dankte Karl Friedrich von Baden in seinem Brief vom 12. Januar 1772 für die Übersendung eines Manuskripts des Markgrafen (des späteren Abrégé de l’économie politique) und bat den deutschen Fürsten, es in den Ephémérides veröffent­lichen zu dürfen: J’aurais à cet égard une permission à Lui demander; c’est que l’année 1772 des Ephémérides pût commencer par un tel morceau. C’est, Monseigneur, au nom de toute la société oeconomique et, nous l’osons dire, au nom de l’humanité entière, que nous Vous demandons cette grâce-là.501 Karl Friedrich erteilte seine Zustimmung zur Publikation: Je dois donc laisser entièrement à votre disposition, Monsieur, ce qui est de lui donner une place dans les Ephémérides du Citoyen.502 Der badische Markgraf war einer Präsentation seiner Schrift in einem öffent­lichen Printmedium, das zudem als ökonomisches Fachblatt von zahlreichen Monarchen in Europa zur Kenntnis und ernst genommen wurde, nicht abgeneigt. Im Gegenteil, er schien geschmeichelt.503 Die Physiokraten wiederum fanden darin die Auseinandersetzung eines Fürsten mit den Leçons oeconomiques von Mirabeau, die dieser dem badischen Markgrafen 1770 zugesandt hatte.504 Die Schrift des Markgrafen erschien als Auftakt der Juniausgabe unter dem Titel Abrégé des principes de l’Économie Politique par S. A. S. Monseigneur le Margrave 500 Goutte, Éphémérides du citoyen, S. 155f. 501 Marquis de Mirabeau an Carl Friedrich, 12. Januar 1772. In: Knies, Brief­licher Verkehr, Bd. 1, Nr. 24, S. 56. 502 Karl Friedrich an den Marquis von Mirabeau [ohne Datum]. In: Knies, Brief­licher Verkehr, Bd. 1, Nr. 25, S. 58. Mirabeau teilte Karl Friedrich am 14. Juni 1772 brief­lich mit, dass sein Werk nun erschienen sei. In: Knies, Brief­licher Verkehr. Bd. 1, Nr. 26, S. 58. 503 Karl Friedrich hatte 1767 die Epémérides du Citoyen kennengelernt. Landgraf, Gerald Maria: „Moderate et prudenter“ – Studien zur aufgeklärten Reformpolitik Karl Friedrichs von Baden (1728 – 1811). (Diss.) Landsberg a. L. 2008. S. 67. Der Markgraf schrieb an Marquis von Mirabeau in einem undatierten Brief [Frühjahr 1770] zu den Ephémérides: J’aurais dû vous prévenir, Monsieur, des lectures que j’ai faites, en vous disant que je possède les Éphémérides du citoyen depuis leur commencement, et que j’en ai lu la plus grande partie; que j’ai lu de même la Philosophie rurale et les Éléments, qui en sont un extrait ainsi que la Physiocratie. In: Knies, Brief­licher Verkehr, Bd. 1, Nr. 7, S. 38. Landgraf, Moderate et prudenter, S. 67. 504 Knies, Brief­licher Verkehr, Bd. 1, Nr. 39, S. 126. Metzler, Markgraf Karl Friedrich von Baden und die französischen Physiokraten, S. 48f.

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Régnat de Bade.505 Der Artikel war mit einer aufwändigen Vignette geschmückt, die das Wappen des fürst­lichen Autors hervorhob, das von der Darstellung eines pflügenden Bauern und eines wohlhabenden Dorfes flankiert wurde. Die von den Physiokraten aufgeführten Berichte über das Handeln von Fürsten im Sinne ihrer Lehre können somit nicht als Fiktion der Herausgeber, sondern vielmehr als Tatsachen, jedoch als gezielte Propaganda der économistes für fürst­liche Reformprojekte eingeordnet werden, die gemäß ihrer Lehre initiiert wurden, oder als Selbstinszenierung der jeweiligen Monarchen als ökonomisch und landwirtschaft­lich versierte Kenner. Das physiokratische Fachblatt schmückte sich nicht nur mit seinem Einfluss auf die Reformen europäischer Potentaten, auch die Fürsten unterschied­licher europäischer Staaten bedienten sich des Blattes für ihre Prestigezwecke, um zu beweisen, dass sie über zeitgemäßes Wissen und entsprechende Fähigkeiten verfügten, die ihr politisches Handeln im agrarisch-ökonomischen Bereich bestimmte. Sie dokumentierten damit nach außen, dass die Forderungen nach einem erweiterten ökonomischen und speziell landwirtschaft­lichen Herrschaftsverständnis in ihr Selbstverständnis integriert worden waren. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass der anonyme Bericht über das eigenhändige Pflügen des Dauphin im Juni des Jahres 1768 durchaus den Tatsachen entsprach, die Publikation des Geschehens allerdings nicht nur den Interessen der Physiokraten, sondern auch denen des Hofes entsprochen haben mag. Dieser Aspekt soll nachfolgend näher geprüft werden. Pierre-Henri Goutte geht davon aus, dass es sich bei dem anonymen Brief aus Versailles um einen eigenhändigen Text des Dauphin handelt, den dieser zur Publikation freigegeben habe.506 Dies erscheint allerdings mehr als unwahrschein­lich, da der 14-jährige Kronprinz kaum einen weitschweifend panegyrischen Text auf sich selbst in der dritten Person verfasst und zur Publikation freigegeben hätte. Inhalt und Anordnung des Textes hätten dann eher im Stil einer Selbstverpf­lichtung im Sinne eines künftigen politischen Programms, nicht jedoch als lobende Hervorhebung einer eigenen Handlung erscheinen müssen. Der Brief aus Versailles stellte dem zeitgenössischen Leser einen äußerst wachen künftigen König Frankreichs vor, der während seines Spaziergangs nicht unachtsam an einem pflügenden Bauern vorbeigegangen war, sondern sich für die Arbeit seiner Untertanen interessierte und durch genaue Beobachtung sich in der Lage zeigte, sie innerhalb kurzer Zeit selbst mit Geschick und Kraft auszuführen. So stand der französische Kronprinz in nichts dem offensicht­lich allgemein bekannten Beispiel des chinesischen

505 Karl Friedrich, Markgraf von Baden: Abrégé des Principes de l’Économie Politique. In: Ephémérides du citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Janvier 1772. S. 1 – 51. Zum rückwirkenden Einfluss der Schrift Karl Friedrichs auf Du Pont vgl. Priddat, Birger P: Die Änderung der physiokratischen Konzeption 1775. Karl Friedrichs von Baden-Durlach „Abrégé“ und Pierre Samuel Du Ponts de Nemours „Table raisonnée“. In: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Aufklärung als Prozess (Aufklärung, Bd. 2,2). Hamburg 1988. S. 113 – 133. 506 Auf eine Begründung der Annahme verzichtet Goutte. Goutte, Éphémérides du citoyen, S. 154.

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Kaisers nach. Der Brief beweist einmal mehr, dass seitens der Physiokraten von einer starken Präsenz des Motivs des pflügenden chinesischen Kaisers in der französischen Öffent­lichkeit ausgegangen wurde, auf das sich deshalb leicht ein Vergleich gründen ließ. Das bekannte Motiv des chinesischen Kaisers ermög­lichte es, die entweder spontane oder im Kontext einer Erziehungsmaßnahme ausgeführte landwirtschaft­liche Tätigkeit des jungen Prinzen aus ihrer Banalität zu heben und ihr eine herrscher­liche Bedeutung und damit vorbildhafte Würdigung zu geben. Der Leser erfuhr, dass Europa nun mit dem jugend­lichen Dauphin Frankreichs einen gleichrangigen, ebenso fähigen, die Landwirtschaft ehrenden zukünftigen Monarchen besaß, der das etablierte Beispiel aus der fremden chinesischen Kultur ablöste und durch das französische ersetzte. Dem Brief in den Ephémérides du Citoyen gelang die Nationalisierung des Motivs des pflügenden Monarchen. Der anonyme Autor lag deshalb in seiner Einschätzung vollkommen richtig, dass sein Bericht Du Pont als Herausgeber der Ephémérides du C ­ itoyen besonders freuen musste, bestätigte er doch, dass dem künftigen Herrscher Frankreichs die Bedeutung der Landwirtschaft offensicht­lich geläufig war. Mit ihm war ein, wenn nicht der wichtigste Adressat der physiokratischen Theorie erreicht worden: der künftige Herrscher. Die Bemühungen der physiokratischen Vermittlung, so bewies der Bericht, zeigten Spuren. Spuren, die allerdings kaum wahrgenommen oder sofort verwischt worden wären, hätte nicht der anonyme Bericht die Öffent­lichkeit darüber informiert und so eine Kenntnisnahme und mediale Weiterverbreitung initiiert. Erst durch die schrift­lichen Berichte und visuellen Fixierungen, so lautet deshalb die These für die nachfolgenden Untersuchungen, fand das Geschehen überhaupt öffent­liche Beachtung und avancierte im Nachhinein zu einer erwähnenswerten und zunehmend bekannten höfischen Angelegenheit. Wer initiierte die öffent­liche Berichterstattung über die praktischen landwirtschaft­lichen Versuche des Dauphin? Wem nützte das Wissen darüber? Wie war das Pflügen einzuordnen?507 Der anonyme Autor des Berichts musste entweder selbst dem engeren Zirkel des Kronprinzen angehören oder zumindest für seine Informationen Zugang zu einer Person dieses Kreises besessen haben, denn er war offensicht­lich mit dem Tagesablauf und den üb­lichen Spaziergängen oder -fahrten des Dauphin vertraut. Dies ergibt sich aus einem Blick in das Tagebuch des Kronprinzen. Der Eintrag im Diarium weist nicht auf eine größere höfische Interaktion hin, bei der ihm eine maßgeb­liche Rolle zugedacht gewesen wäre. Im Gegenteil, er notierte zum Mittwoch, dem 15. Juni 1768 nur seine alltäg­liche Promenade. Eine Unterbrechung des Spaziergangs oder der Ausfahrt und seine Erfahrungen am Pflug blieben hingegen unerwähnt. Im Spiegel der äußerst knappen, immer stichwortartigen Einträge seines Journals schien sich die Promenade vom 15. Juni in keiner Weise von denen der vorangegangenen Tage unterschieden zu

507 Vgl. dazu das nachfolgende Kapitel.

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haben.508 Auch wenn die Aufzeichnungen von Louis Auguste zu seinen Interessen oder Vorlieben außerhalb der Jagd und der Spaziergänge ebenso wie zu seinen Versuchen bäuer­licher Arbeit beharr­lich schweigen, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Pflugszene um eine Fiktion handelt. Die fehlenden Reflexionen des Prinzen zum eigenhändigen Pflügen müssen nicht als Indiz für die geringe persön­liche Bedeutung des Geschehnisses gewertet werden, da im Diarium auch keine Bezüge zu seinen bevorzugt ausgeübten Handwerken hergestellt werden. Der Blick in das Tagebuch des Dauphin bestätigt aber immerhin den Kontext, in dem das Pflügen laut des Berichts in den Ephémérides du Citoyen stattgefunden haben muss: im Rahmen einer der üb­lichen Promenaden.509 Ein Anhaltspunkt lässt dennoch auf eine gezielte Veröffent­lichung des eigenhändigen Pflügens aus dem Kreis der Physiokraten schließen: Der Anonymus hatte seinen Brief an den Herausgeber der Ephémérides du Citoyen mit der üb­lichen Grußformel Je suis, &c. und einer Initiale A beendet. Quesnay war die Initiale A oder Alpha für Artikel in der Zeitschrift zugeordnet.510 Es kann also berechtigt angenommen werden, dass Quesnay selbst den Bericht für die Publikation in der Zeitschrift verfasst hatte. 508 Beauchamp, Raymond de (Hg.): Journal de Louis XVI. o. O. [1902]. S. 35. Es handelt sich dabei um eine unvollständige Edition des Tagebuchs Ludwigs XVI., 1766 – 1778. Louis Auguste nutzte über viele Jahre, auch später als König, sein Diarium zur Dokumentation für die Bereiche der eigenen Lebensführung, die ihm eine Unterbrechung oder einen partiellen Rückzug von den offiziellen Pf­lichten seiner Funktion ermög­lichten. So dominieren die Aufzeichnungen die regelmäßigen Spaziergänge oder -fahrten bzw. die Jagden, seine Abwesenheiten von Versailles bzw. wenige Theaterstücke und gewähren damit einen Blick auf ein vorsichtiges Maß an Individualität des jugend­lichen Prinzen, der das eigene Ich mit spezifischen Vorlieben zum bevorzugten Gegenstand seiner Notizen erhob. Tagebücher fallen unter die Gattung der Selbstzeugnisse. Vgl. Jacobsen, Roswitha: Fürstentagebücher als Quellengattung, ihre Edition und Erforschung. In: Dies.: Friedrich I. von Sachsen-Gotha und Altenburg. Tagebücher 1667 – 1686. Bd. 1. Weimar 1998. S. 11 – 47. Hier S. 11. In Selbstzeugnissen stellen sich Personen in Wort und Bild dar, sei es in Momentaufnahmen, sei es in längeren oder kürzeren Längsschnitten durch das eigene Leben. Selbstzeugnisse sind somit Quellen, in denen der Verfasser sich als Gegenstand des Interesses thematisiert. Der Verfasser tritt in den Text selbst handelnd ein, tritt darin in Erscheinung oder nimmt darin auf sich Bezug. Klaus Arnold/Sabine Schmolinsky/Urs Martin Zahnd (Hg.): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit (Selbstzeugnisse des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, Bd. 1). Bochum 1999. Einleitung. S. 13ff. 509 Der Aufenthalt und die Bewegung an frischer Luft erhielt ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Bedeutung für die Gesundheit. Vgl. dazu Oxenius, Katharina: Vom Promenieren zum Spazieren: Zur Kulturgeschichte des Pariser Parks (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Bd. 79). Tübingen 1992. König, Gudrun: Eine Kulturgeschichte des Spazierganges: Spuren einer bürger­lichen Praktik 1780 – 1850 (Kulturstudien, Sonderband, Bd. 20). (Diss.) Wien/ Köln/Weimar 1996. 510 Sgard, Dictionnaire des journaux, Nr. 377, S. 353. Die Vermutung, dass es sich um Quesnay handeln könnte, findet sich schon bei Weulersse. Weulersse, Mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 161f.

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Es ging einigen Mitgliedern aus dem Kreis der Physiokraten, insbesondere Quesnay und Du Pont, gerade im Jahr 1768 gezielt darum, dem Dauphin ihr wichtigstes Publikationsorgan, die Epémérides du citoyen, zu dedizieren und ihn wegen der zunehmenden Kritik an den Freihandelsgesetzen für Getreide und den Hungersnöten als Protektor der Zeitschrift bzw. der gesamten physiokratischen Lehre zu gewinnen.511 Ihre Bestrebungen, den König bzw. seinen Sohn Louis Ferdinand von der öffent­lichen Protektion ihrer Lehren zu überzeugen, waren gescheitert. Ludwig XV. verhielt sich gegenüber der Bitte um eine offizielle Protektion der économistes passiv.512 Es war ihnen zwar bisher gelungen, mit dem König und seinem Umfeld rege zu kommunizieren, doch es fehlte der entscheidende Schritt, ihre agrarökonomischen Ansichten in das Bewusstsein des Herrschers einzugliedern und nachhaltig in seinem Handeln zu etablieren. Quesnay und Du Pont erkannten, dass sie nicht nur die öffent­liche Meinung argumentativ von der Richtigkeit ihrer Lehre überzeugen, sondern dieser Öffent­lichkeit den Beweis erbringen mussten, dass ihre Argumente an höchster Stelle willkommen waren und ernsthaft gehört wurden. Erst dann konnten sie sich erhoffen, mit ihrer Lehre wirksam im politischen und ökonomischen Feld korrigierend eingreifen zu können, um die Effizienz der Landwirtschaft so schnell wie mög­lich zu steigern. Die beiden Physiokraten beabsichtigten deshalb, die erhoffte könig­liche Förderung dadurch zu erlangen, indem sie den Kronprinzen sichtbar an die Spitze ihrer Bewegung stellten. Dafür bedurfte es eines Aktes, der die Neigung des Prinzen für die Landwirtschaft glaubhaft und plakativ offenbarte. Mit dem Tod von Madame de Pompadour war offensicht­lich der Kontakt zum König schwieriger geworden. Die Verbindung zum Dauphin knüpften die Physio­kraten über Zugleich folgt die äußerst knappe Darstellung und monotone Wiederholung der Promenaden und Jagden kaum der sich im 18. Jahrhundert etablierenden ausführ­lichen Reflexionen des Individuums in Tagebüchern, sondern noch eher den stereotypen, stichwortartigen und oft formalisierten Notizen der Schreibkalender des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Doch auch mit den knappen Bemerkungen der Schreibkalender erfolgte nach Helga Meise eine individuelle Aneignung und jederzeit mög­liche Vergegenwärtigung von Ereignissen, von denen der Verfasser die Details ja sehr genau kannte. Die Aufzeichnungen dienten primär der eigenen Erinnerung oder der Konstituierung von Kontinuitäten und zielten nicht auf ein Lesepublikum in späteren Generationen der Dynastie. Vgl. zur Form der Einträge in Schreibkalendern Meise, Helga: Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624 – 1790 (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission, N. F. 21). (Habil.) Darmstadt 2002. S. 31ff und S. 93f. 511 Schelle, Docteur Quesnay, S. 341. Es ging ihnen nicht um das allgemeine könig­liche Privileg, als Blatt überhaupt erscheinen zu dürfen, sondern um ein ausdrück­liches Wohlwollen der Krone gegenüber den Inhalten. Zu den Abhängigkeiten von Presseerzeugnissen von den Privilegien der Krone vgl. grundsätz­lich Schultheiß-Heinz, Sonja: Politik in der europäischen Publizistik. Eine historische Inhaltsanalyse von Zeitungen des 17. Jahrhunderts (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Bd. 16). (Diss.) Wiesbaden 2004. S. 52ff. Zu den Diskussionen um Formen und Ziele öffent­licher Meinungsäußerungen in Frankreich ab den 1750er Jahren vgl. Baker, Keith Michael: Politics and Public Opinion Under the Old Regime. In: Censer, Jack R./Popkin, Jeremy D. (Hg.): Press and Politics in Pre-Revolutionary France. Berkeley/Los Angeles 1987. S. 204 – 246. Hier S. 213ff. 5 12 Oncken, Quesnay, FN 1 zu Lettre du propriétaire à son fermier, S. 693ff.

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den Sohn des Prinzenerziehers, Paul François de Quelen de La Vauguyon (1746 – 1828), den späteren Duc de Saint-Mesgrin.513 Er war zugleich einer der so genannten Menins, einer der sechs Ehrenkavaliere des Kronprinzen. Abbé Baudeau bat ihn, für die Ephémérides du Citoyen im Januar 1768 eine Kritik zu der gerade erschienenen Komödie Les Moissonneurs von Charles Simon Favart zu verfassen.514 Der junge Mann schrieb die gewünschte Kritik für die Zeitschrift und vermittelte sehr wahrschein­lich auch den Kontakt zwischen den Physiokraten und seinem Vater. Mit dem jungen Paul François Duc de La Vauguyon hatte der Kreis der Physiokraten eine wichtige Kontaktperson am Hof und vor allem im engsten Umkreis des künftigen Königs erhalten. Unklar ist, ob Quesnay dem Erzieher des Kronprinzen, Antoine de Quelen Duc de La Vauguyon, das eigenhändige Pflügen des künftigen Königs vorgeschlagen bzw. die Voraussetzungen dafür mitorganisiert hatte und ob er selbst dabei anwesend war.515 Die Strategie, den Dauphin so offen in die Verbreitung der physiokratischen Lehre einzubinden und ihm mittels des gezielt gesetzten Berichts über sein eigenhändiges Pflügen in den Ephémérides zu huldigen, spaltete die Gruppe der économistes. Abbé Nicolas Baudeau vewehrte sich gegen dieses Vorgehen, denn ihm lag als Herausgeber stark an der Unabhängigkeit des Publikationsorgans.516 Die geteilten Auffassungen über das strategische Vorgehen hinsicht­lich der Eigenwerbung und der Formen, wie die Protektion durch den künftigen König zu erlangen sei, führten zu einem Wechsel in der Position des Herausgebers im Mai 1768.517 Der anonyme Brief aus Versail5 13 Kurz erwähnt bei Weulersse, Mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 157 und S. 161. 514 Favart, Charles Simon: Les moissonneurs: comédie en trois actes et en vers […]. Paris 1768. Die Kritik Paul François de La Vauguyons, als Brief d’un jeune Seigneur de la Cour konzipiert, findet sich in den Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Février 1768. S. 203 – 212. La Vauguyon hob hervor, dass es sich bei dem Stück um ein neues Dramengenre handle, in dem die Rolle der Natur betont werde, die den Menschen zum Edlen und Guten erziehe sowie die Richtlinien für einen funktionierenden Staat aufstelle. Der junge Rezensent erhielt die Initiale „D“ für Artikel in den Ephémérides du Citoyen. Ibd. S. 204. 515 Der Blick in die Honorarzahlungen, die an Personen entrichtet wurden, welche im Rahmen der Erziehung des Dauphins Dienstleistungen vollbrachten, zeigt, dass die Physiokraten nicht aufgeführt sind. Bei der Organisation und Durchführung des eigenhändigen Pflügens von Louis Auguste handelte es sich somit nicht um einen Auftrag des Hofes an Quesnay oder Du Pont. Archives nationales, Paris, O1 3744, 3785f. 516 Hans Erich Bödeker betont, dass sich im deutschen und französischen Pressewesen Ansätze zu Vorstellungen von Pressefreiheit etablierten, welche die öffent­liche Meinung vor allem als gegengouvernementale Gewalt und die Zeitungen als Medien der unabhängigen Willensbildung betrachteten. Bödeker, Hans Erich: Zeitschriften und politische Öffent­lichkeit. Zur Politisierung der deutschen Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Ders./François, Etienne (Hg.): Aufklärung/Lumières. Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung (Deutsch-französische Kulturbibliothek, Bd. 5). S. 209 – 234. Leipzig 1996. Hier S. 229. 517 Der Wechsel fiel zeitgleich auch mit dem Angebot Baudeaus zusammen, als Berater nach Polen zu gehen. Weulersse, Mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 103 – 106, S. 128, S. 169 – 164. Oncken, Quesnay, S. 693. Skrzypek, Marian: Baudeau historien et réformateur de la Pologne. In:

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les mit dem Bericht über das Pflügen des Dauphin erschien also bereits unter der Herausgeberschaft von Du Pont. Das Vorgehen Quesnays und Du Ponts entsprach jedoch genau dem chinesischen Vorbild, das Quesnay in seinem Werk Despotisme de la Chine bewundernd skizziert hatte: Der Monarch stand mit sichtbaren Handlungen an der Spitze der Gesellschaft und brachte der Landwirtschaft seine Verehrung und Förderung entgegen. Zugleich unterrichtete er sein Volk durch öffent­liche Vermittlung über Publikationen zu entsprechendem Verhalten. Somit ist verständ­lich, dass Quesnay in den Ephémérides du Citoyen weniger ein freies als ein intentionales Organ sah, das gezielt die physiokratische Lehre unter könig­licher Protektion vermitteln und damit nach chinesischem Vorbild instruierend wirken bzw. zur Nachahmung animieren sollte. Quesnays und Du Ponts Ziel bestand darin, mit der Zeitschrift ein wirtschaft­liches und politisches Publikationsorgan zu installieren, das sich vollkommen in den Dienst der Krone stellte. Es handelte sich somit um eine physiokratische Legitimations- und Lenkungsstrategie gegenüber der öffent­lichen Meinung, für die sie den künftigen König zu instrumentalisieren suchten. Die Physiokraten vermittelten nicht nur ihr Wissen, sondern auch ihre Interessen. Ihre Intention war jedoch nicht sichtbar von Erfolg gekrönt: Der Dauphin übernahm nach seinem eigenhändigen Pflügen die erbetene Protektion der Zeitschrift der Physiokraten nicht. Er hatte somit dem Bedürfnis der Schule nicht entsprochen, sie durch seine landwirtschaft­ liche Tätigkeit öffent­lich zu würdigen.518 An der angewandten Strategie zeigt sich aber, dass Quesnay und Du Pont in den physio­kratischen Lehren nicht nur eine gesellschaft­liche und wirtschaft­liche Utopie sahen, sondern nach ernsthaften Mög­lichkeiten ihrer Realisierung suchten. Dafür schien ihnen die schützende und fördernde Gewalt des Monarchen und insbesondere des Thronfolgers die beste Voraussetzung.519 Es ging Quesnay und Du Pont mit der Veröffent­lichung des Briefes darum, den künftigen König Frankreichs an die Spitze der Lehre zu stellen und so die Physiokratie zu einer Staatswissenschaft und Staatspraxis zu erheben. Der junge Kronprinz sollte dem Staat mit der Förderung der Landwirtschaft

Clément, Alain (Hg.): Nicolas Baudeau: un philosophe économiste au temps des Lumières. Paris 2008. S. 345 – 357. Die Ephémérides du Citoyen thematisieren den Wechsel an der Spitze des Blattes nicht. Er wurde kommentarlos vollzogen. Zum Streit innerhalb der Physiokraten über die Protektion des Dauphins vgl. auch Loménie, Louis de: Les Mirabeau: nouvelles études sur la société française au XVIIIe siècle. Bd. 2. Paris 1879. S. 279. 518 Unklar ist, warum die Dedikation erfolglos blieb. Es finden sich keine Quellen dazu. Weulersse, Mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 202. 5 19 Um 1774 erweitert Du Pont die Vorstellung von der Schutzfunktion des Staates über die Monarchen auch auf Magistrate und Vertreter des Volkes, welche die Gesamtheit aller Willensäußerungen vertreten. Priddat, Die Änderung der physiokratischen Konzeption 1775, S. 121. Zu den Versuchen Mirabeaus, die Kontakte der Physiokraten zu ausländischen Potentaten zu intensivieren, vgl. Théré/ Loïc, The Writing Workshop of François Quesnay, S. 23ff. Abrosimov, Wissenstransfer und Austausch symbolischen Kapitals, S. 17ff.

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dienen, so wie die Physiokraten ihr Wissen der Krone zur Verfügung stellten.520 Die Ephémérides du Citoyen zielten auf Belehrung und gegenseitige Unterstützung zwischen der physiokratischen Schule und dem Monarchen. Mit Erfolg, denn sie hatten mit der Publikation des Briefes landwirtschaft­liche Fähigkeiten und Interessen des Kronprinzen belegt und ihren Einfluss darauf geltend gemacht. Sie bewiesen gegenüber der lesenden Öffent­lichkeit ihrer eigenen Zeitschrift, dass ihre Lehre und die Interessen des künftigen Monarchen in Übereinstimmung gebracht worden waren. Auch wenn der Dauphin die Protektion des Publikationsorgans abgelehnt hatte und sich die Physiokraten nicht als Sprachrohr des Kronprinzen darstellen konnten, war es dennoch seitens der économistes noch mög­lich, auf den Dauphin als hoffnungsvollen künftigen Garanten der Realisierung ihrer Ideen zu hoffen. Schließ­lich boten sie dem künftigen französischen König ein erweitertes Modell monarchischen Selbstverständnisses und herrscher­licher Selbstdarstellung. Die Initiative zu dieser neuen Herrschaftsrepräsentation als roi ­paysan in Anlehnung an den chinesischen Kaiser ergriff Quesnay persön­lich, indem er das eigenhändige Pflügen des Dauphin durch seine überbordende öffent­liche Würdigung zu einem Ereignis stilisierte. Die Vermittlungsstrategie der Physiokraten stellte die neue Selbstdarstellung für den Dauphin nicht nur inhalt­lich zur Verfügung, sondern gab diese dem Kronprinzen geradezu vor.521 Sie eröffneten dem neuen Herrscher Frankreichs die Chance, seinem Volk zu zeigen, dass er dem Zeitgeist folgend über aktuell notwendiges Wissen und Können verfügte und dennoch im Einklang mit der Herrschaftstradition stand. Das von den Physiokraten gewählte Motiv ihrer Lehre implizierte eine Herrschaftsdarstellung, die auf dem antiken und traditionellen paternalistischen Rollenmodell aufbaute, es jedoch um neue Komponenten erweiterte und damit aktualisierte: der pflügende Monarch als erster Landmann des Staates. Der künftige König zeigte sich damit als ein Diener und régénérateur des Staates gemäß der Vorstellungen der Physiokraten. Der Pflug war im Sinne Vicos wieder zu einem Herrschaftszeichen erhoben worden und zeugte von der Landwirtschaft als einem alten und neuen Wirkungsressort des Monarchen. Die von Vico und den Physiokraten konstatierte langanhaltende Trennung zwischen Herrschaft und Landwirtschaft schien fortan überwind­lich zu sein und durch den künftigen König auch überwindbar. Frankreich hatte, so vermittelte die Interpretation der Pflugszene durch Quesnay, den richtigen Weg eingeschlagen, um sich dem idealen Zustand der Monarchie durch die Erfüllung der Herrscherpf­lichten anzunähern, die der Physiokrat 1758 in seinem

520 Die Intention der Physiokraten, sich als Berater des Königs zu empfehlen, betont Goutte, Ephémérides du Citoyen, S. 148, S. 156. 521 Es handelt sich nicht um die tatsäch­liche Nachahmung der Pflugszene des chinesischen Kaisers durch den Dauphin, die Walter Demel im zeitnahen Kontext des Erscheinens von Quesnays Despotisme de la Chine konstatierte. Demel, Walter: Abundantia, Sapientia, Decadencia. Zum Wandel des China-Bildes vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: Bitterli, Urs/Schmitt, Eberhard (Hg.): Die Kenntnis beider „Indien“ im frühneuzeit­lichen Europa. München 1991. S. 129 – 154. Hier S. 146.

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Traité de la monarchie aufgestellt hatte.522 Die Beschreibung der Pflugszene vermittelte dem Leser der Ephémérides du Citoyen, dass dem Herrscherideal ein Augenschein von Realität verliehen worden war. Bemerkenswert ist die Propagandastrategie, die Quesnay und Du Pont für die Ephémérides du Citoyen vorgegeben hatten: mit der bewussten Hervorhebung des Guten und Erfolgreichen zielten sie darauf, das mög­liche Bessere zu fördern. Die pädagogische Maxime der positiven Verstärkung im Sinne des Lobes und der Belohnung mündete in einen dieser Zeitschrift eigenen positiven Journalismus, der schon Zeitgenossen als Konzept auffiel und europaweit kopiert wurde.523 Die Propaganda der Physiokraten wirkte: Im Umfeld des Königs fand das Pflügen des Dauphin Niederschlag in einer Tuschezeichnung des Malers Jean-Baptiste le Paon (1738 – 1785). Le Paon stand unter der Protektion des Prinzen Louis Joseph de Bourbon-­Condé (1736 – 1818).524 Er schuf eine Federzeichnung auf beigem Chinapapier, die den Dauphin am Pflug inmitten seiner Brüder, seines Gefolges und jubelnder Bauern fixierte (Abb. 16: Federzeichnung von Le Paon). Das Blatt befindet sich heute im Crocker Art Museum in Sacramento/Kalifornien und trägt den Titel: A Prince ­Ploughing with Peasants Watching Him.525 Der Zeitpunkt der Entstehung ist ebenso unklar wie der Auftraggeber. Mög­licherweise geht die Zeichnung aber auf eine Anregung des Prinzen Condé zurück, der selbst ein maßgeb­liches Interesse an Landwirtschaft hegte, Mustergüter anlegen ließ und in seinem Schloss Chantilly selbst der Gartenarbeit nachging. Mög­licherweise war er in seiner Funktion als Grand Maître de France sogar Teil des Gefolges und somit während des Pflügens durch den Kronprinzen anwesend. Ein Hinweis auf „an event in the life of Le Paon’s chief mentor“ (des Prinzen Condé) findet sich in einer Kurzbeschreibung des Bildes im Katalog des Crocker Art Museums, allerdings ohne einen Beleg für diese Überlegung.526 Sie erscheint jedoch durchaus nachvollziehbar, da sowohl Condés Nähe zur könig­lichen Familie als auch seine 522 Zum Traité de la monarchie vgl. Gerteis, Physiokratismus und aufgeklärte Reformpolitik, S. 83ff. 523 Reinhart Siegert stellt den Gothaer Publizisten Rudolph Zacharias Becker vor, der sich in Anlehnung an die Ephémérides du Citoyen einer ähn­lichen positiven Berichterstattung bediente. Siegert, Reinhart: Positiver Journalismus. Aufklärerische Öffent­lichkeit im Zusammenspiel des Publizisten Rudolph Zacharias Becker mit seinen Korrespondenten. In: Jäger, Hans-Wolf (Hg.): „Öffent­ lichkeit“ im 18. Jahrhundert (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa, Bd. 4). Göttingen 1997. S. 165 – 185. Hier S. 165, S. 172 und S. 177. 524 Zum Mäzenatentum der Prinzen von Condé vgl. Béguin, Katja. Les princes de Condé. Rebelles, courtisans et mécènes dans la France du Grand Siècle. Paris 1999. S. 329ff. 525 Crocker Art Museum, Inv. no. 1871.448. Die Maße des Bildes betragen 35.2 x 53.4 cm. Das Bild ist in der unteren rechten Seite in dunkelbrauner Tinte mit Le Paon signiert und in der linken unteren Ecke in Graphit mit den Initialen D Pa bezeichnet. Unklar ist, welche der beiden Signaturen vom Maler stammt. Ich danke Dr. William Breazeale, dem Kurator des Museums für europäische Kunst, für eine anregende Diskussion zu dem Blatt. 526 Mahey, John A.: Master Drawings from Sacramento. The Edwin Bryant Crocker Art Gallery Sacramento/California. Exhibition Catalogue. Sacramento 1971. Nr. 90. Ausgezeichnete Abbildung

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Vorlieben für länd­liche Genre- und bäuer­liche Arbeitsszenen in seiner umfangreichen Kunstsammlung nachgewiesen sind. Es ist leicht denkbar, dass der landwirtschaft­lich interessierte und versierte Prinz das eigenhändige Pflügen des künftigen Königs für einen bemerkenswerten Moment hielt, den er zumindest für sich zur Erinnerung fixiert haben wollte. Ob ursprüng­lich eine umfangreichere Ausführung in Öl angedacht war, bleibt unklar. Die Annahme von David W. Steadman und Carol M. Osborne, es handle sich mög­licherweise um den Prinzen von Condé selbst hinter dem Pflug, kann durch die eindeutig sichtbaren Wappen des Kronprinzen an den Wagenverschlägen der Kutsche auf der Zeichnung widerlegt werden.527 Le Paons Zeichnung folgt exakt der Beschreibung von Quesnay aus den Ephémérides du Citoyen. Sie zeigt den Dauphin am Wegesrand, offensicht­lich die Spazierfahrt kurz unterbrechend, beim Pflügen. Im Vordergrund findet sich auf der Chaussee ein Grenzstein, dessen Markierungen jedoch so undeut­lich sind, dass er bzw. der Ort nicht zu identifizieren ist.528 f. Erziehung zur Landwirtschaft? Zu fragen bleibt nun, was sich hinter der öffent­lichen Darstellung der Pflugszene durch Quesnay in den Ephémérides du Citoyen verbarg. Maverick spricht ohne weitere Einordnung von der Imitation des Frühjahrsrituals des chinesischen Kaisers durch den Dauphin.529 Das erscheint sehr unwahrschein­lich, da weder in Quesnays Brief zum Ablauf der Pflugszene von einer Imitation die Rede ist, noch der Ablauf als höfisches Ereignis gestaltet worden war.

S. 131. Kurz beschrieben und abgebildet ebenfalls bei Rosenberg, Pierre: Twenty French Drawings from Sacramento. In: Master Drawings 8/1 (Spring 1970). S. 31 – 39. Hier S. 36. Crocker hielt sich im 19. Jahrhundert für mehrere Jahre in Europa, insbesondere in Deutschland auf. In Dresden erwarb er im Zeitraum zwischen 1869 und 1871 vom Kunsthandelshaus Rudolph Weigel zahlreiche französische, niederländische und italienische Werke, u. a. nachgewiesen auch L. Le Paon, Landschaft mit König Ludwig XVI. pflügend, umgeben von Gefolge und Landleuten. Zur Provenienz des Blattes vgl. Breazeale, William: Old Masters in Old California: The Origins of the Drawings Collection at the Crocker Art Museum. In: Master Drawings 46/2 (Summer 2008). S. 205 – 226. Hier S. 222. Bei Weigel findet sich das Blatt im Kunstlagerkatalog. Weigel, Rudolph: Kunstlagerkatalog, 35 Teile, 5 Bde. Leipzig 1838 – 66. Nr. 16176. Bei Weigel finden sich jedoch keine weiteren Angaben zur Herkunft der Zeichnung. Nach Deutschland kann das Blatt mit dem Prinzen von Condé gelangt sein, der sich während der Französischen Revolution als Exilant zunächst in Koblenz und später in England aufhielt. 527 Steadman und Osborne waren bei ihrer Fehldeutung dennoch richtig vom landwirtschaft­lichen Interesse Condés ausgegangen. Steadman, David W./Osborne, Carol: Eighteenth-Century Draw­ ings from California Collections. Exhibition-Catalogue. Claremont 1976. Nr. 40. S. 31. 528 Überlegungen hinsicht­lich des Ortes und der von Seiten des Hofes intendierten Absicht sollen im nachfolgenden Kapitel angestellt und untermauert werden. 529 Maverick, China, S. 125.

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Da das eigenhändige Pflügen des Dauphin weder in der Gazette de France oder in anderen französischen Periodika als offizielle Veranstaltung des Hofes angekündigt oder zeitnah besprochen wurde noch in der höfischen Memoirenliteratur Erwähnung fand, ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich – so lautet die These für die nachfolgende Untersuchung – um eine intern vorbereitete, praktische Lehrunterweisung im kleinen Kreis der Erzieher und könig­lichen Schüler gehandelt haben mag, die durch eine mög­liche Initiative der Physiokraten stattfand, zumindest aber durch die bewusste Publikation der économistes zum öffent­lichen Ereignis im Nachhinein avancierte.530 Dies soll zunächst anhand mög­licher Erziehungsmaximen des französischen Hofes geprüft werden. Im Anschluss soll ein Blick auf die Einordnung und Bewertung der Pflugszene, die der Öffent­lichkeit durch Quesnays Brief zugäng­lich geworden war, sowie die Weiterverarbeitung der Information als Stoff in der bild­lichen Darstellung geworfen werden. Als Erzieher des Dauphin fungierte, wie bereits angesprochen, Antoine de Quelen Duc de La Vauguyon (1706 – 1772).531 Geprägt durch die Grundsätze François ­Fénelons (1651 – 1715) aus seinem Erziehungswerk Les Aventures de Télémaque und überzeugt von der natür­lichen Gleichheit der Menschen bzw. einer patriarcha­lischen Auffassung von Herrschaft, zielte die Erziehung La Vauguyons darauf, aus dem ­Dauphin einen mündigen

530 Die Gazette de France erwähnte am 17. Juni 1768 für den 15. Juni Ereignisse wie die Vorstellung des Fürsten von Monaco bei Hof. Auf das Pflügen von Louis Auguste ging sie nicht ein. Gazette de France vom 17. Juni 1768. Nr. 49. S. 204. Zur Gazette de France und ihren Berichten vom Hof vgl. Schultheiß-Heinz, Politik in der europäischen Publizistik, S. 154ff. Zu Formen der gezielten Versorgung der Gazette mit Informationen durch den französischen Hof vgl. Klaits, Joseph: Printed Propaganda under Louis XIV. Absolute Monarchy and Public Opinion. Princeton 1976. S. 7ff und S. 31ff. In der Memoirenliteratur wurden u. a. durchgesehen: Nolhac, Pierre de: Correspondance du comte d’Argenson, ministre de la Guerre, publiée par le marquis d’Argenson: lettres de Marie Leczinska et du cercle de la reine. Paris 1922. Argenson, René-Louis de Voyer de Paulmy, marquis d’: Mémoires et journal inédit du marquis d’Argenson, ministre des Affaires étrangères sous Louis XV. 5 Bde. Paris 1857 – 1858. Grouchy, Emmanuel-Henri de/Cottin, Paul (Hg.): Journal inédit du duc de Croÿ, publié d’après le manuscrit autographe conservé à la bibliothèque de l’Institut, avec introduction, notes et index. 4 Bde. Paris 1906 – 1907. La Gorce, Louis-Scipion de Merle, comte de: Souvenirs d’un homme de cour; ou Mémoires d’un ancien page. Contenant des anecdotes secrètes sur Louis XV et ses ministres, des observations sur les femmes, les moeurs, etc. Suivis de notes historiques, critiques et littéraires. Écrits en 1788. 2 Bde. Paris 1805. Dussieux, Louis/ Soulié Eudore (Hg.): Mémoires du duc de Luynes sur la cour de Louis XV (1735 – 1758). 17 Bde. Paris 1860 – 1865. Boysse, Ernest (Hg.): Journal de Papillon de La Ferté, intendant et contrôleur de l’argenterie, menus plaisirs et affaires de la Chambre du roi (1756 – 1780). Paris 1887. 531 Er war schon vom verstorbenen Vater des Dauphins als Gouverneur seines Sohnes bestallt und mit vollem Vertrauen bedacht worden. Nach dem Tod von Louis Ferdinand setzte der Herzog die Erziehung in Abstimmung mit der Mutter des Prinzen eigenverantwort­lich fort. Unklar ist noch immer, ob es Erziehungsanweisungen des Königs für seinen Enkel gegeben hat. Girault de Coursac, Pierette: L’éducation d’un Roi, Louis XVI. Paris 1972. S. 109 – 115.

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Monarchen zu formen, der, um die Liebe seiner Untertanen bemüht, regieren sollte.532 Fénelon hatte die Bedeutung der Landwirtschaft für ein gesundes Staatswesen betont und die Fürsten aufgefordert, wie Triptolemos den Landbau zu fördern und zu achten: Peu de temps après lui, on vit paraître dans la Grèce le fameux Triptolème, à qui Cérès avait enseigné l’art de cultiver les terres, et de les couvrir tous les ans d’une moisson dorée. Ce n’est pas que les hommes ne connaissent déjà le blé, et la manière de le multiplier en le semant: mais ils ignoraient la perfection du labourage; et Triptolème, envoyé par Cérès, vint, la charrue en main, offrir les dons de la déesse à tous les peuples qui auraient assez de courage pour vaincre leur paresse naturelle, et pour s’adonner à un travail assidu. Bientôt Triptolème apprit aux Grecs à fendre la terre, et à la fertiliser en déchirant son sein: bientôt les moissonneurs ardents et infatigables firent tomber, sous leurs faucilles tranchantes, les jaunes épis qui couvraient les campagnes: les peuples même sauvages et farouches, qui couraient épars çà et là dans les forêts d’Épire et d’Étolie pour se nourrir de gland, adoucirent leurs mœurs, et se soumirent à des lois, quand ils eurent appris à faire croître des moissons et à se nourrir de pain. Triptolème fit sentir aux Grecs le plaisir qu’il y a à ne devoir ses richesses qu’à son travail, et à trouver dans son champ tout ce qu’il faut pour rendre la vie commode et heureuse. Cette abondance si simple et si innocente, qui est attachée à l’agriculture, les fit souvenir des sages conseils d’Érichthon. Ils méprisèrent l’argent et toutes les richesses artificielles, qui ne sont richesses qu’en imagination, qui tentent les hommes de chercher des plaisirs dangereux, et qui les détournent du travail, où ils trouveraient tous les biens réels, avec des mœurs pures, dans une pleine liberté. On comprit donc qu’un champ fertile et bien cultivé est le vrai trésor d’une famille assez sage pour vouloir vivre frugalement comme ses pères ont vécu. Heureux les Grecs, s’ils étaient demeurés fermes dans ces maximes, si propres à les rendre puissants, libres, heureux, et dignes de l’être par une solide vertu! Mais, hélas! ils commencent à admirer les fausses richesses, ils négligent peu à peu les vraies, et ils dégénèrent de cette merveilleuse simplicité. O mon fils, tu régneras un jour; alors souviens-toi de ramener les hommes à l’agriculture, d’honorer cet art, de soulager ceux qui s’y appliquent, et de ne souffrir point que les hommes vivent ni oisifs, ni occupés à des arts qui entretiennent le luxe et la mollesse. Ces deux hommes, qui ont été si sages sur la terre, sont ici chéris des dieux. Remarque, mon fils, que leur gloire surpasse autant celle d’Achille et des autres héros qui n’ont excellé que dans les combats, qu’un doux printemps est au-dessus de l’hiver glacé, et que la lumière du soleil est plus éclatante que celle de la lune.533

532 Malettke, Klaus: Die Bourbonen. Bd. 2: Von Ludwig XV. bis zu Ludwig XVI. 1715 – 1789/92. Stuttgart 2008. S. 115ff. Girault de Coursac, L’éducation d’un Roi. Weulersse, Mouvement physiocratique en France, Bd. 1, S. 370. Le Brun, Jacques: Du Privé au public: L’éducation du prince selon Fénelon. In. Halévi, Ran: Le savour du prince. Du Moyen Age aux Lumières (L’esprit de la cite). Paris 2002. S. 235 – 260. Halévi, Ran: Le Testament de la royauté: l’éducation politique de Louis XVI. Le savoir du prince, du Moyen Âge aux Lumières sous la direction. Hg. von Ran Halévi. Paris 2002. S. 311 – 361. 533 Salignac de La Mothe-Fénelon, François de: Les Aventures de Télémaque (Œuvres choisies de Fénelon). Paris o. J. S. 339f. Fénelon hatte über sein pädagogisches Werk hinaus in zahlreichen

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Das Vorbild des antiken Kulturheros Triptolemos war somit einigen Generationen französischer Kronprinzen nahegebracht worden. Der Duc de La Vauguyon ließ seinen könig­lichen Schüler aus den Maximen Fénelons 1766 Exzerpte zu einzelnen Themen anfertigen, die er mit ihm im Einzelnen besprach.534 Das 20. Exzerpt des Dauphin behandelte die Frage: Estime qu’un roi doit faire des cultivateurs. In der Zusammenfassung erläuterte der Prinz den hohen Wert landwirtschaft­licher Arbeit: La condition des laboureurs doit être honorée comme une des plus utiles à l’État: on doit faciliter des soldats qui abandonneraient leur poste dans la guerre; […] La profession de laboureur ne sera plus méprisée, n’étant plus accablée de tant de maux.535 Im Kontext dieser Erziehungsmaxime ist es durchaus denkbar, dass der Duc de La Vauguyon gegenüber einer praktischen Unterweisung des Kronprinzen auf dem Feld nicht abgeneigt war. Nicht unwahrschein­lich ist auch die Annahme, dass La Vauguyon seinem könig­ lichen Zögling neben der grundsätz­lichen Bedeutung des Landbaus für den Staat auch für die eigenen Erholungsphasen nach dem Unterricht ein zeitgenössisch aktuelles, englisches Lebensideal des „happy man“ in Anlehnung an Horaz’ „Lob des Landlebens“ zu vermitteln suchte. Die mit dem „rural life“ verbundenen Aktivitäten bestanden in langen Spaziergängen oder Ausritten durch die Natur und die kultivierte bzw. im Garten gestaltete Natur. Ästhetische Naturerfahrungen sollten der Seele eines – in diesem Fall künftigen – homo politicus Ruhe und Beständigkeit von den rein zweck­ orientierten und kräftezehrenden Tätigkeiten des politischen Alltags bringen.536 Im Denkschriften und Briefen an König Ludwig XIV. Vorschläge zur Verbesserung der Landwirtschaft eingereicht. Vgl. Rothkrug, Opposition to Louis XIV, S. 267ff. 534 Der Dauphin druckte diese Maxime selbst und verteilte 25 Exemplare der Exzerpte an ausgewählte Höflinge. Ludwig XVI: Maximes Morales et Politiques tirées du Télémaque sur la science des rois et le bonheur de peuple imprimées en 1766 par Louis Auguste Dauphin. Paris 1814. Vorwort, S. 7. 5 35 Ibd. S. 47. In einem Gespräch, das offensicht­lich zum Ende der Erziehungszeit zwischen dem Kronprinzen und dem Erzieher Duc de La Vauguyon stattfand, wurde die Rolle der Arbeit thematisiert: L’étude des hommes ne demande pas, comme celle des autres sciences, une vie solitaire et retirée: ce n’est point en fuyant les hommes, mais plutôt en vivant au milieu d’eux, en raisonnant, en conversant avec eux, en leur parlant, et encore plus en les faisant beaucoup parler, que l’on apprend è les connaître; c’est en se communiquant à eux, que le prince leur ouvre le cœur, pour en faire éclore leurs véritables sentiments. Cette connaissance s’acquiert insensiblement par l’usage, pourvu que l’on soit attentif à réfléchir sur ce que l’on voit et sur ce que l’on entend ; elle est le fruit de l’expérience. La meilleure ou plutôt la seule école où l’on en doit prendre des leçons, c’est le monde […]. Il ne faut qu’ouvrir les yeux sur ce qui se passe, observer avec un peu d’attention la contradiction perpétuelle qui se trouve entre les discours et les actions de la plupart des hommes […]. Alors le prince devient savant à peu de frais de la connaissance des hommes, un mot, un clin d’œil suffit pour les dévoiler, et il n’a que la peine de le remarquer, de le saisir, et d’en profiter. Louis XVI: Réflexions sur mes entretiens avec M. le duc de la Vauguyon. Hg. v. Louis Falloux. Paris 1851. S. 188 – 190. 536 Roestvig, Maren Sofie: The Happy Man. 1700 – 1760. Studies in the metamorphoses of a Classical Ideal. 2 Bde. (Oslo studies in English, Bd. 7). Oslo ²1962. S. 43f. Mingay, Gorgon E.: A Social History of the English Countryside. London/New York 1990. S. 141 – 168. Chartres, John/Hey, David

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Zusammenhang mit diesem Lebensideal standen in England landwirtschaft­liche Betätigungen auf eigenen Gütern sowie in Deutschland die Errichtung und die Führung von Mustergütern durch die Fürsten.537 Auch in Frankreich lässt sich in der weiteren könig­lichen Familie, etwa bei dem Prinzen von Condé, die Leidenschaft für eigenhändige Gartenarbeit, etwa den Gemüseanbau nachweisen. Im Hameau in Chantilly war der Prinz maßgeb­lich an der Anlage des Gemüsegartens beteiligt und leistete darin täg­lich einige Arbeitsstunden. Er ließ sich mit seiner jungen Gemahlin 1757 von François-Hubert Drouais als Gärtner und Gärtnerin mit Arbeitsgeräten und eigenen Ernteerträgen porträtieren.538 Mit der eigenhändigen Landarbeit auf Mustergütern oder Gemüsegärten kam die pädagogische Maxime der vergnüg­lichen Belehrung durch Praxis in der angenehmen Natur statt einer trockenen theoretischen Unterweisung zum Tragen. Insofern konnte die Gelegenheit zum Pflügen für den jugend­lichen Prinzen auch als Erholungsmaßnahme und erster sichtbarer Ausdruck eines neuen, nun auch vom Kronprinzen gelebten Ideals des temporären Rückzugs auf das Land gedeutet werden. Während das Landleben im Alten Reich zu einem im Adel diskutierten alternativen Existenzentwurf avancierte, der den Verzicht auf Macht und Prestige implizierte und seine Qualität in freundschaft­ licher Geselligkeit und ästhetischen Naturerfahrungen fand, wechselte für den englischen Adel das höfische, öffent­liche und das länd­lich-private Leben auf den Gütern

(Hg.): English Rural Society, 1500 – 1800. Essays in Honour of Joan Thirsk. Cambridge 1990. Zu länd­lichen Aktivitäten der Gentlemen vgl. Cliffe, John T.: The World of the Country House in Seventeenth-Century England. New Heaven/London 1999. S. 146ff. Hammerschmidt, Valentin/ Wilke, Joachim: Die Entdeckung der Landschaft. Englische Gärten des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1990. S. 9 – 17. Panowsky, Erwin: Et in Arcadia ego. Poussin und die Tradition des Elegischen. In: Ders.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (DuMont-Kunst-Taschenbücher, Bd. 33). Köln 1975. S. 351 – 378. Butlar, Adrian von: Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. Köln 1989. Für den deutschsprachigen Raum erschien 1767 in Bern Christian Cay Lorenz Hirschfelds Schrift „Das Landleben“. Das Werk erreichte binnen kürzester Zeit vier Auflagen, setzte es sich doch mit der Realisierung individueller Normen und Bedürfnisse außerhalb gesellschaft­licher Lebensformen auseinander. Breckwoldt, Michael: Das Landleben als Grundlage für eine Gartentheorie (Arbeiten zur sozialwissenschaft­lich orientierten Freiraumplanung, Bd. 14). München 1995. S. 33ff. Zum Garten als Rückzugsort vgl. Ariès, Philippe/Chartier, Roger (Hg.): Geschichte des privaten Lebens. Von der Renaissance zur Aufklärung. Bd. 3. Nördlingen 1991. S. 217 – 221. 537 Zu Mustergütern in England, die in Deutschland als Vorbilder dienten, vgl. Robinson, John Martin: Georgian Model Farms. A Study of Decorative and Model Farm Buildings in the Age of Improvement, 1700 – 1846. Oxford 1983. Zur Bedeutung der Landwirtschaft im Adel vgl. S. 11ff. Eine Auflistung der Mustergüter Englands findet sich ab S. 113. Zu den Mustergütern der Markgräfin Karoline Luise von Baden vgl. Lauts, Jan: Karoline Luise von Baden. Ein Lebensbild aus der Zeit der Aufklärung. Karlsruhe ²1990. S. 191ff. 5 38 Abgebildet bei Martin, Dairy Queens, S. 180. Abb. 4.7. Vgl. zu Chantilly S. 184ff. Zu antiken Vorbildern gärtnernder Könige vgl. Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 135ff.

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automatisch in der Winter- und Sommersaison.539 Doch für einen amtierenden oder künftigen Monarchen stellte das Landleben keinen alternativen Lebensentwurf dar, sondern musste entweder mit seiner Funktion als Landesherr im ökonomischen Sinne verbunden werden (etwa durch die Anlage von Mustergütern) oder die Mög­lichkeit zu einem temporären Rückzug an einen von der Residenz entfernten Ort eröffnen, um im Sinne von Horaz das Schöne mit dem Nütz­lichen zu verbinden.540 Der eigenhändigen Landarbeit eines Fürsten kam dann ein ähn­licher Charakter zu wie den üb­lichen fürst­ lichen Handwerksberufen, die zum allgemeinen Erziehungskanon gehörten und vor allem darauf zielten, die Geschick­lichkeit der Hände zu verbessern und einen Ausgleich zur Arbeit des Regierens zu schaffen. Mit der Ausübung eines Handwerks war dem Monarchen ein temporärer Rückzug aus der öffent­lichen in eine eher private Sphäre gewährt.541 „Privatus“ stand zeitgenössisch im Gegensatz zu „publicus“ und implizierte 539 Vgl. dazu auch grundlegend Lohmeyer, Anke M.: Das Lob des adeligen Landlebens in der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts. In: Lohmeier, Dieter (Hg.): Arte et Marte. Studien zur Adelskultur des Barockzeitalters in Schweden, Dänemark und Schleswig-Holstein (Kieler Studien zur deutschen Literaturgeschichte, Bd. 13). Neumünster 1978. S. 173 – 191. Dies.: Beatus ille. Studien zum „Lob des Landlebens“ in der Literatur des absolutistischen Zeitalters (Hermaea, N. F., Bd. 44). (Diss.) Tübingen 1981. 540 Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci. Horaz: Sämt­liche Werke. Lateinisch und deutsch. Hg. v. Hans Färber. München 101985. S. 564, Vers 343. Dieser Maxime folgend kaufte Ludwig XVI. als König 1783 das Gut Rambouillet außerhalb von Versailles. Es verfügte über eine Meierei und einen Gemüsegarten, der nicht nur der Dekoration diente. Martin, Dairy Queens, S. 216ff. Schon sein Urgroßvater, Stanislas Leszczynski, hatte mit Malgrange in der Nähe seiner Residenz Lunéville die Idee eines Mustergutes mit dem Wunsch nach einer Einsiedelei verbunden und im Stil eines Kartäuserklosters mehrere Separatgärten von je 1,12 ha mit kleinen Häuschen anlegen lassen. Er betätigte sich selbst darin gärtnerisch. Chapotot, Les Jardins du Roi Stanislas, S. 94. 541 Im Rahmen des Rückzugs aus der öffent­lichen Sphäre stellte der Monarch dennoch mit der Beherrschung von Werkzeug oder von Maschinen seine Fähigkeiten auf dem Gebiet des Handwerks unter Beweis. Während sich der Monarch als Gesetzgeber in Anlehnung an Gott als Schöpfer der öffent­ lichen Ordnung zu beweisen hatte, zeigte er sich als kunsthandwerk­licher Schöpfer wertvoller ästhetischer Gegenstände einem eingeweihten Kreis von kunstverständigen Betrachtern. Als könig­liches bzw. fürst­liches Handwerk galten insbesondere das Drechseln, das Schneiden von Gemmen nach antiken Mustern und die Schlosserei. Nicht selten wurden dafür in frühneuzeit­lichen Schlössern eigene Werkstätten als Refugien der Fürsten eingerichtet und Meister des jeweiligen Kunsthandwerks zur fach­lichen Anleitung und Weiterbildung der Monarchen in Dienste genommen. Hablot, Laurent: La devise, mise en signe du prince, mise en scène du pouvoir. Les devises et l’emblématique des princes en France et en Europe à la fin du Moyen Âge. Bd. 2: Les devises des princes. Unveröffent­lichte Diss. Poitiers 2001. S. 324. Haenel, Erich: Die Drahtziehbank des Kurfürsten August im Musée de Cluny zu Paris. In: Mitteilungen aus den Sächsischen Kunstsammlungen 5 (1914). S. 31 – 43. Maurice, Klaus: Sovereigns as Turners. Materials on a Machine Art by Princes. Zürich 1985. Walcher-Molthein, Alfred: Die Drechselbank Kaiser Max des Ersten. In: Belvedere. Kunst und Kultur der Vergangenheit. Zeitschrift für Sammler und Kunstfreunde 7 (1925). S. 17 – 22. Plumier, Charles: L’art de Tourneur. Lyon 1701. Louis Auguste wurde zunächst wie sein Großvater, König Ludwig XV. in der Elfenbeindrechselei unterrichtet, wandte sich aber mit großer Leidenschaft der Schlosserei, Uhrmacherei und Tischlerei

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nicht nur ein „abgesondert sein“ bzw. ein aktives „sich absondern“ von öffent­lichen und staat­lichen Angelegenheiten, sondern in einem erweiterten negativen Sinne sogar ein „beraubt sein“ sowie in der hier passenden positiven Auslegung ein „befreit sein“.542 Genau diese, allerdings temporäre Befreiung bot der länd­liche Aufenthalt. Neben den etablierten handwerk­lichen Tätigkeiten besaß die Beschäftigung mit dem Landbau seitens des Fürsten nicht weniger Tradition als Zeitvertreib und Passion. So kam der Landwirtschaft als mög­lichem fürst­lichen Ausgleich im theoretischen Erziehungskanon der französischen Könige ein gewisser Stellenwert zu, wie die Schrift I­ nstruction de Monseigneur le Dauphin von François de la Mothe le Vayer aus dem Jahr 1640 beweist. Sie war von Le Vayer für Ludwig XIV. als Dauphin mit der Absicht geschrieben worden, die Erzieherstelle des Kronprinzen einnehmen zu können.543 Le Vayer ging als Skeptiker (Anhänger des Pyrrhonismus) stark von der Unvorhersehbarkeit der Politik aus. Da der Zufall häufig die Richtung politischer Entscheidungen prägte, könnte Politik nach Le Vayer keinen sicheren und erlernbaren Prinzipien folgen. Dennoch müsse ein Monarch in seiner Erziehung für alle Eventualitäten vorbereitet und fähig sein, abschätzen zu können, wann er aktiv und regelnd eingreifen oder besser passiv bleiben müsse.544 Im Kontext der umfassenden Vorbereitung auf die monarchische Würde diskutierte Le Vayer die Bedeutung des Landlebens und der Landwirtschaft für den künftigen König. Zunächst betonte er die lange Tradition könig­licher Kompetenzen im Landbau und führte zahlreiche biblische Beispiele wie den Weinreben pflanzenden Osias, König von Judäa, oder zu. Er ließ sich in Versailles unter dem Dach ein Cabinet de Serrurerie als privaten Rückzugsort einrichten. Darüber hinaus erlernte er auch das Maurerhandwerk. 542 Vgl. die Bedeutungen des lateinischen „privatus“ und „privare“, in: Georges, Karl Ernst (Bearb.): Ausführ­liches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch. Bd. 2. Hannover 1962. Sp. 1928f. Die Problematik des privaten Status oder der privaten Sphäre eines Herrschers wurde von den bisherigen Forschungen zum privaten Leben ausgespart. In Ariès’ und Chartiers Studie zur Geschichte des privaten Lebens wurden nur die Krankheiten Königs Ludwigs XIV. im Tagebuch seines Arztes im Zusammenhang mit der Privatsphäre des Monarchen thematisiert. Mög­liche Sphären des Privaten französischer Könige fehlen. Vgl. Foisil, Madeleine, „Die Sprache der Dokumente und die Wahrnehmung des privaten Lebens“. In: Ariès, Philippe/Chartier, Roger (Hg.): Geschichte des privaten Lebens. Von der Renaissance zur Aufklärung. Bd. 3. Nördlingen 1991. S. 333 – 367. Hier: S. 364. Weniger zu den englischen Gärten, aber grundlegend zur Rolle des Privaten im vormodernen England sowie zu den mit dem Privaten verbundenen Wohnsituationen in London (das Refugium oder das Closet) vgl. Heyl, Christoph: A Passion for Privacy. Untersuchungen zur Genese der bürger­lichen Privatsphäre in London 1660 – 1800 (Veröffent­lichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 56). München 2004. 543 De la Mothe le Vayer, François: Instruction de Monseigneur le Dauphin (François de la Mothe le Vayer. Œuvres, Bd.1,1). Dresde [sic!] 1766. Das Kapitel zur Agriculture: S. 185 – 189. 544 Grundsätz­lich zur Le Vayer vgl. Schüßler, Rudolf: Skeptizismus und politisches Denken – François de la Mothe le Vayer. In: Kremer, Markus/Reuter, Hans-Richard (Hg.): Macht und Moral: Politisches Denken im 17. und 18. Jahrhundert (Theologie und Frieden, Bd. 31). Stuttgart 2007. S. 250 – 273. Hier S. 257, S. 262f.

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den botanisch versierten Salomon als Beispiele für Herrscher an. Mit Verweis auf die Antike bezog er sich auf die Könige bei Homer, die allesamt gute Pflüger gewesen seien sowie den könig­lichen Sämann, dem die Menschen den Ackerbau zu verdanken hätten. Weiter schrieb er: L’occupation des Rois de Perse étoit l’Agricluture, si la guerre ne les divertissoit. Le Cyrus de Xenophon, et les Pharaotes de Philostrate, deux originaux faits exprès pour nous représenter l’idée d’un Prince accompli, avoient le meme soin de leurs Jardins que de leurs Provinces. Il y a eu des Empereurs & des Généraux de toutes sortes de Nations, qui ont préferés la culture des champs au maniment de l’Etat, & pris plus de contentement à ordonner de la disposition d’un verger, que de celle d’une armée.545 Le Vayer verwies den Dauphin auf die tugendsamen Freuden des Land­lebens, die für Abwechslung und Erholung von der Last der Regierungsgeschäfte sorgen könnten. Zudem schade der Aufenthalt auf dem Land einem künftigen Monarchen nicht, denn er führe zu einer robusten Körperkonstitution. Als Beispiel führte Le Vayer Heinrich IV. an. Die Thematik der Körperertüchtigung durch Landleben und Landbau nutzte Le Vayer zur Überleitung in das nächste Kapitel im Rahmen seiner Erziehungsinstruktion, der Jagd. Inwieweit die landwirtschaft­lichen Fähigkeiten des künftigen Königs sich aber positiv auf die Agrarpolitik auswirken oder sonst den Untertanen nützen könnten, thematisiert die Schrift nicht. Sie geht zwar davon aus, dass Landwirtschaft im Erziehungskanon für Monarchen eine Rolle spielen müsse, rekurriert dabei aber ähn­lich wie bei der Jagd in erster Linie auf den Aspekt der Körperertüchtigung und des Ausgleichs an der frischen Luft. Eine Nütz­lichkeit des Wissens für die (Landwirtschafts-)Politik wird von Le Vayer jedoch (noch) nicht erörtert. Dass es sich bei dem eigenhändigen Pflügen des jugend­lichen Louis Auguste 1768 um eine praktische Lehranweisung oder um eine Maßnahme zur Entspannung im länd­lichen Bereich gehandelt haben kann, ist durch die vorgestellten Lehr- und Erholungsmaxime am französischen Hof bekräftigt worden. Zugleich konnte durch die Kontaktaufnahme der Physiokraten mit dem Erzieher des Kronprinzen ein direkter Einfluss der économistes auf die Erziehung des Dauphin nachgewiesen werden. Diesen Erziehungserfolg stellten die Physiokraten in ihrem Publikationsorgan, den Ephémérides du Citoyen, umfassend in mehreren Nummern der Zeitschrift vor. Das eigenhändige Pflügen wurde darüber hinaus auch in anderen Medien bewertet, dargestellt und gefeiert, die den Bericht aus den Epémérides du Citoyen bereitwillig aufgriffen und verwerteten. Somit erfolgte die zeitgenössische Einordnung des Pflügens als Lehrunterweisung ausgehend von der physiokratischen Interpretation einheit­lich.

545 De la Mothe le Vayer, Instruction de Monseigneur le Dauphin, S. 187.

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g. Visualisierung des könig­lichen Pflügens: Der Dauphin als neuer Triptolemos und Vorbild für die Herrscher Europas Im August 1769 berichteten die Ephémérides du Citoyen enthusiastisch, dass dem eigenhändigen Pflügen des Dauphin im Vorjahr nun ein Monument d’une Action louable gesetzt worden sei: Monseigneur le Dauphin est peut-être le premier prince de nos contrées occidentales qui ait manié la charrue. Il faut espérer qu’il ne sera pas le dernier. Peut-être ne l’a-t-il pas fait pour la dernière fois. Et ce qu’il y a certainement lieu de croire, c’est que la haute protection dont il honorera l’agriculture en assurera le succès, fera passer le soc sur les terres qui ne le connaissent plus depuis longtemps et rendra les travaux champêtres plus faciles et plus doux pour les cultivateurs plus riches et plus heureux […].546 Der Artikel erklärte, dass Monsieur Poulin de Fleins 547 gemeinsam mit dem Pariser Architekten, Maler und Kupferstecher François-Marie-Antoine Boizot (1739 – 1781) die Würdigung dieser großartigen Handlung des Kronprinzen für die Nation bild­lich in einem neuen Genre de Gravure festhalten wolle. Er habe dafür eigens einen Entwurf erstellt: Cette espece de Gravure imite parfaitement les desseins lavés à l’encre de la Chine.548 Poulin de Fleins selbst war jedoch beim eigenhändigen Pflügen des Dauphin nicht anwesend, sondern erfuhr davon durch die Lektüre des anonymen Briefs in den Ephémérides du Citoyen.549 Ein Kupferstich war ein relativ preiswertes Massenmedium, das vor allem von bürger­ lichen Kunstliebhabern gekauft wurde. Es handelte sich nicht primär um ein Medium, das Hof- und Adelskreise erreichte. Poulin de Fleins erhoffte sich deshalb wohl darüber hinaus die Fixierung des könig­lichen Pflügens durch den Genremaler Jean-­Baptiste Greuze (1725 – 1805) oder durch la touche de Loutherbourg, so der Artikel in den Ephémérides. Philippe Jacques de Loutherbourg (1740 – 1812) galt als herausragender Landschaftsmaler, dessen Werke Denis Diderot in seiner Salonkritik 1767 in Form eines imaginären Spaziergangs durch die Bilder beschrieb.550 Der bild­lichen Fixierung der Pflugszene des Dauphin auf dem Stich von Boizot (Abb. 17: Kupferstich von Boizot) folgte eine Welle der Berichterstattung, die das Pflügen endgültig zu einem Ereignis stilisierte und in Wort und Bild als gelungene

546 Les Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Août 1769. S. 164 – 168. Hier S. 168. 547 Es handelt sich sehr wahrschein­lich um den Schriftsteller und Correcteur des Comptes (ab 1774) Henri-Simon-Thibault de Poullin de Fleins (1745 – 1823). Er hatte neben panegyrischen Gedichten auch den Almanach Dauphin mit einem Überblick über die französische Literatur zusammengestellt. Almanach Royal auf das Jahr 1778. Paris 1778. S. 284. Roux, Marcel: Inventaire du fonds français, graveurs du dix-huitième siècle/Bibliothèque nationale, département des estampes. Bd. 3. Paris 1934. S. 121. Hébrail, Jacques/Laporte, Joseph de: La France littéraire. Bd. 4. Paris 1784. S. 271. 548 Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Août 1769. S. 167, FN 6. 549 Ibd. S. 166. 550 Diderot, Denis: Der Salon von 1767. In: Ders.: Ästhetische Schriften. Bd. 2. Hg. v. Friedrich Bassenge. Berlin 1968. S. 169 – 172.

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Erziehung des künftigen Königs inszenierte.551 Der Mercure de France griff das Ereignis vom Vorjahr unter Bezugnahme auf das Pflügen des chinesischen Kaisers schon im September 1769 wieder auf und berichtete: […] M. le Dauphin labourant dans une campagne, comme l’empereur de la Chine fait tous les ans, pour ouvrir les labours et rendre honneur à l’agriculture, le plus noble et le premier des arts, parce qu’il est le plus utile.552 Derartige Nachrichten über den Fortgang der Erziehung des künftigen Königs druckte der M ­ ercure de France regelmäßig, wenn sie im Rahmen des Repräsentationsprogramms und damit außerhalb der könig­lichen Studierzimmer wahrnehmbar waren. So erhielten die Leser Informationen über Truppenbesuche des Dauphin oder seine Teilnahme an Manövern ebenso wie über seine Anwesenheit in Messen der Pariser Kirchen.553 Nun war der Leser, wenn auch mit einiger zeit­licher Verzögerung, darüber informiert, dass der französische Kronprinz ebenfalls in der Lage sei, der ersten und edlen Kunst des Pflügens nachzugehen. Einen Monat später kündigte der Mercure de France parallel zu den Ephémérides du Citoyen den Kupferstich von François-Marie-Antoine Boizot nach dem Entwurf von Poulin de Fleins unter dem Titel Monseigneur le Dauphin labourant an, der das Pflügen des Kronprinzen darstellen sollte.554 Gemäß der Oktoberausgabe des Mercure de France hatte Abbé de Fleury den Stich vor dem König und der gesamten könig­lichen Familie

551 In einem Gedicht Vers à l’occasion d’une Estampe où Monseigneur LE DAUPHIN, est réprésenté labourant von Brissard heißt es: Mortels infortunés & chéris à la fois, / Utiles Citoyens qui nourrissez les Rois, / Que l’allégresse enfin succéde à vos allarmes. / Vous ne tremperez plus sillons de vos larmes, / J’ai vu du bon Henri le jeune rejetton, / Héritier de son cœur & digne de son nom, / Dans nos champs étonnés essayant son courage, / Soulever la charrue; & fier de son ouvrage, / Enfoncer un sillon, de cette même main, / Qui doit porter le sceptre & régler le destin… / On verra donc un jour, au Temple de Mémoire, / Un Roi Cultivateur, un Prince dont la gloire, / N’aura point épuisé le sang et ses sujets; / Qui n’aura rien conquis qu’à force de bienfaits. / Il aura pour appui Cérès & non Bellonne; / Pour sceptre un olivier; ses vertus pour couronne. / L’airain n’offrira pas, aux yeux épouvantés, / D’attributs teints de sang, de rébelles domptés, / De captifs enchainés une foule éperdue;/ Mais des gerbes, des socs, une simple charrue, / D’utiles Laboureurs & de bons Paysans, / Et leurs chastes moitiés & leurs nombreux enfans, / Tont un Peuple à genoux bénissant sa mémoire, / Embrassant sa Statue; & la France à sa gloire, / Au lieu d’éloges vains, de titres fastueux, / Y gravant ces seuls mots: Il les rendit heureux. Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Novembre 1769. S. 174f. 552 Mercure de France. Septembre 1769. Bd. 1. S. 167. 553 Girault de Coursac, L’Education d’un roi, S. 72f. 554 Mercure de France. Septembre 1769. Bd. 1. S. 167. Boizot, François-Marie-Antoine: Le Dauphin labourant. Kupferstich, 43 x 54,5 cm. 1769. Bibliothèque nationale de France, Paris. Estampes, Qb-1 (1769). Eine weitere sehr kurze Ankündigung des Boizot-Stichs findet sich auch in der Gazette de France vom 29. September 1769: Gazette de France 1769. Nr. 78. S. 318. Zu diesem und den folgenden Kupferstichen vgl. aus kunsthistorischer Perspektive Lechtreck, Hans-Jürgen: Herrscher im „royaume agricole“. Das kaiser­liche Pflügen als Gegenstand reformabsolutistischer Bildsprache. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 64/3 (2001). S. 364 – 380. Clavilier, Cérès et le laboureur, S. 114f.

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am 10. September 1769 in Versailles präsentiert.555 König und Dauphin besaßen somit Kenntnis von der Bedeutung, die dem eigenhändigen Pflügen Louis Augustes in der Öffent­lichkeit beigemessen wurde. Reaktionen aus dem Kreis der könig­lichen Familie auf den Stich und seine Aussage konnten jedoch nicht ermittelt werden. Der Stich Boizots nahm dann deut­lich den von den Physiokraten gewünschten Bildungs- und Erziehungsaspekt des Landbaus in den Fokus und inszenierte gleichzeitig die neue Rolle des Monarchen als erster Landmann. Das Blatt spiegelt dabei genau das Anliegen der Physiokraten wider: einen Monarchen, der sein Wissen um praktische und theoretische Landwirtschaftskenntnisse erweiterte. So schreitet der Duc de La Vauguyon als Gouverneur neben dem pflügenden Dauphin einher.556 Mit der Anwesenheit des Erziehers wurde dem Betrachter vermittelt, dass die Landwirtschaft zum Herrscherwissen zählt und an den künftigen Monarchen des Landes sowie die könig­ lichen Prinzen vermittelt wird. Die Darstellung der Brüder des Erbprinzen, die in Begleitung zweier eleganter adeliger Kavaliere hinter dem Pflug schreiten, machte dem Betrachter des Stichs auch deut­lich, dass die Begleiter ihren Zöglingen aufgrund ihrer Gestik offensicht­lich gerade Unterricht erteilen oder deren Fragen beantworten. Der Dauphin ist in höfischer Kleidung mit Dreispitz, Degen und dem Orden vom Heiligen Geist dargestellt, seine jüngeren Brüder ebenfalls durch die Schärpe herausgehoben. Die Pferde des Pfluges schmücken eine Decke mit dem angedeuteten Wappen des Dauphin. Geführt werden die Pferde durch einen Bauern. Drei Gruppen von Berittenen rahmen die Pflugszene des Dauphin ein und verweisen den Betrachter darauf. In gebührendem Abstand scheinen sich Teile der Darstellungen des Vordergrunds zu wiederholen. Hinter den könig­lichen Personen steht ein Bauer mit seinem Sohn, der ebenfalls auf dieses Geschehen verweist, zugleich aber seinen Sohn anhand des könig­lichen Beispiels auch belehren könnte. Oberhalb der herrscher­lichen Pflugszene findet eine zweite Szene mit ackerbau­licher Arbeit statt. Ein Bauer geht seiner gewohnten Tätigkeit nach und bearbeitet sein Feld mit der Egge. Für den Betrachter des Stichs wurde deut­lich: Der Bauer und der Kronprinz üben eine ähn­liche und sich ergänzende Tätigkeit aus. Sie besitzen offensicht­lich gleiche Fähigkeiten. Die Arbeit des Bauern erfuhr mit dieser Darstellung eine einzigartige Beachtung und Wertschätzung durch den zukünftigen Landesherrn, der sich gleichzeitig mit seiner Person an die Spitze der Landwirtschaft stellt. 555 L’abbé de Fleury eut l’honneur de présenter au Roi et à la Famille Royale une estampe représentant Monseigneur le Dauphin labourant, dédiée à ce prince, composée et exécutée par le Sieur Boizot. Mercure de France. Octobre 1769. Bd. 1. S. 224. 556 Haushofer ist bei der Interpretation des Stichs von Boizot ein gravierender Fehler unterlaufen. Er schreibt als Erläuterung des Stichs unter Abb. 2 „Der Dauphin (später Ludwig XVI.) pflügt unter den Augen seines Vaters Ludwig XV.“ Haushofer, Das kaiser­liche Pflügen, S. 177. Ludwig XV. ist der Großvater des Prinzen und auf dem Stich nicht abgebildet. Diese Fehlinterpretation übernimmt auch Telesko, Werner: Geschichtsraum Österreich. Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts. Wien/Köln/Weimar 2006. S. 119. Ebenso falsch bei Stähler, Der Herrscher als Pflüger und Säer, S. 12f.

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Damit folgte der Entwurf der Darstellung von Boizot und Poulin de Fleins tatsäch­ lich den Beschreibungen der Pflugszene am kaiser­lichen Hof in China. Der französische Kronprinz führte den Pflug wie sein kaiser­licher Kollege in Anwesenheit der Prinzen von Geblüt, adeliger Höflinge und Bauern. Die Handlung fand wie in China im Beisein von Vertretern unterschied­licher Stände und Schichten statt – wenn auch nicht während eines offiziellen Anlasses oder in Form eines Rituals. Im Motiv des chinesischen Rituals hatten Reiseberichterstatter, Kameralisten und Physiokraten ein Indiz für eine Gesellschaft entdeckt, in der dem Wert der Arbeit eine große Bedeutung beigemessen wurde. Im Pflügen aller Schichten war eine gegenseitige Annäherung über die Arbeit und den Nahrungserwerb gesehen worden. Die gleiche Interpretation einer gesellschaft­ lichen Annäherung wurde nun auf die Pflugszene des Dauphin übertragen: Während der Kronprinz pflügte, vollführte ein Bauer die anschließende Tätigkeit des Eggens. Symbolisch bearbeiteten der künftige Monarch und der Bauer als Nährstand das Feld damit in ähn­licher Form gemeinsam wie beim Akt des gesellschaftsübergreifenden Pflügens in China. Poulin de Fleins stellte mit seinem Entwurf dar, wie die umstehenden Bauern über die länd­liche Arbeit ihres künftigen Landesherrn jubelten. Er griff somit auf die gewünschten Deutungen der Physiokraten und die Einschätzungen der Reiseberichte zurück, die von der Wertschätzung des Ackerbaus und der Bauern als Effekt des eigenhändigen Pflügens des chinesischen Kaisers gesprochen hatten. Der Dauphin wirkte in Poulin de Fleins Entwurf durch seine praktischen ackerbau­lichen Fähigkeiten wie der chinesische Kaiser als Vorbild – für Monarchen, für den Adel und die Bauern. Durch dieses Vorbild belehrte und motivierte er, dem Landbau getreu und fleißig nachzugehen. Wenn die Bildgestaltung auch durchaus in Anlehnung an das Modell des chinesischen Kaisers entstand, griff der Stich in der Bildunterschrift jedoch im Gegensatz zu dem anonymen Bericht in den Ephémérides du Citoyen nicht auf das Beispiel des chinesischen Kaisers als Vergleich und Kontextualisierung der Handlung des Dauphin zurück, sondern feierte den künftigen König als neuen Triptolemos. Auf der Bildunterschrift heißt es: Quel est Donc, Ô Cères, ce nouveau Triptolème? / D’un Père bien faisant c’est le plus doux Emblême / Quelles mains de ton art Essaïent les Leçons? L’image de Louis l’heritier des Bourbons. Und darunter: Dedié à Monseigneur Le ­Dauphin, l’an 1769, pas son très humble et très respectueux Serviteur Poulin de Fleins.557 Boizots Blatt rekurrierte so gezielt auf die antike mythische Tradition, griff dabei aber nicht auf etablierte Muster in der Herrschaftsdarstellung wie Herkules oder Alexander den Großen 558 zurück, sondern wählte den kaum in der französischen Repräsentation verankerten Triptolemos. In der 5 57 Boizot, Le Dauphin labourant. Bildunterschrift. 558 Insbesondere Ludwig XIV. sah sich als Nachfolger Alexanders. Seine imitatio Alexandri bezog sich aber vor allem auf die Darstellungen als tapferer und siegreicher Kämpfer sowie als großer König. Ein Bezug zu Alexander als Ernährer des Volkes findet sich in Ludwigs Anlehnung an den makedonischen König nicht. Zur Rolle Alexanders in Ludwigs XIV. Herrschaftsverständnis und -darstellung vgl. Grell/Michel, L’École des Princes, S. 12ff und S. 65ff.

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Wahl des Triptolemos steckt darüber hinaus auch ganz klar der Hinweis auf die Tradition der antiken Kaiser wie etwa Claudius, der den Titel Neos Triptolemos als Kornspender und Ernährer des Volkes erhalten hatte.559 ­Boizot bediente sich mit der erläuternden Bildunterschrift einer Kommunikationsstrategie, die das Motiv in einen bestimmten Verständniskontext setzte, belehrte und über wenig bekannte Inhalte informierte. Er lenkte das Verständnis des Betrachters gezielt in die erwünschte Richtung des Künstlers und ließ keinen Raum für andere Assoziationen. Die Beschriftung von Kunstwerken schien aus Sicht von Zeitgenossen wie dem Kunsttheoretiker Jean-Baptiste Dubos in Verbindung zur Darstellung die Betrachtung des Bildes zu perfektionieren und zu einem vollständigen fruchtbaren pädagogischen Augenblick für den Betrachter werden zu lassen.560 Der eleusische Ackerbau-Heros, der selbst in der physiokratischen Literatur und Propaganda neben dem chinesischen Kaiser nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, avancierte mit Boizots Kupferstich zu einem optimalen Vergleichspunkt für den Dauphin. Wie der mythische Triptolemos von Ceres im Ackerbau unterwiesen worden war und in ihrem Namen den Landbau verbreitete, erwies sich aus Sicht Poulin de Fleins und Boizots Louis Auguste als neuer Triptolemos Frankreichs und als gelehriger Schüler auf diesem Gebiet. Zugleich führte er als künftiger französischer Monarch die antike Tradition ruhmreicher römischer Kaiser fort, die sich der cura annonae angenommen hatten. Mit Boizots Stich und der Deutungsvorgabe für die dargestellte fürst­liche Szene etablierte sich für die Dauer von etwa zwei Jahrzehnten eine weitere Herrschertugend mit ihrer traditionellen Verankerung im antiken Mythenspektrum. Hatte das Pflügen des chinesischen Kaisers in der Vermittlung der Notwendigkeit ackerbau­licher Interessen eines Monarchen erfolgreich als Vorbild gewirkt, so eignete sich der fremde Potentat nicht mehr dazu, die vollzogene Tat des französischen Kronprinzen würdigend einzuordnen. Dafür musste auf den mythologischen Bereich zurückgegriffen werden, der Louis Auguste in die Nachfolge von Göttern oder Halbgöttern stellte und nicht in den Schatten eines fremden, allzu erfolgreichen Monarchen und Zeitgenossen. Wenn es sich zudem beim eigenhändigen Pflügen des Dauphin um eine geplante Lehrunterweisung seitens seines Erziehers gehandelt hat, welche die Exzerpte aus Fénelons Telemaque zur Landwirtschaft praktisch stützen sollten, dann war die Einordnung des könig­lichen Handelns durch den Text des Fürstenspiegels und die Wahl der Identifikationsfigur mit Triptolemos ohnehin vorgegeben. Dennoch ist der Wandel in der Interpretation und Einordnung des Motivs auffällig: Während das Beispiel des chinesischen Kaisers ein Ideal prägte und die Vermittlung des Ideals maßgeb­lich dominierte, spielte es in der Rezeption des Ideals durch die französische Öffent­lichkeit und die Monarchen selbst kaum mehr eine Rolle.

5 59 Vgl. dazu Kap. 2.1.3 c) in dieser Studie. 560 Zu Jean-Baptiste Dubos theoretischen Vorstellungen, den Betrachter zu belehren oder zu rühren, vgl. Kernbauer, Platz des Publikums, S. 106f.

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Der junge Thronfolger hatte sich, wie die Bildunterschrift unter Boizots Stich mitteilte, nicht nur als neuer Triptolemos, sondern auch als ein rühm­liches Beispiel seiner Dynastie erwiesen, der für alle sichtbar und würdig in der Tradition des père bien faisant, des guten und fürsorg­lichen, väter­lichen Königs Heinrich IV. stand. Dies verhieß dem Untertanen in der nächsten Herrschergeneration ein gutes, bedachtes und wohlmeinendes Regiment und damit eine glück­liche Zukunft.561 Nachdem die landwirtschaft­liche Betätigung von Louis Auguste außerhalb des Hofes so viel Beachtung gefunden hatte, erkannte auch Versailles das Potential des Motivs des pflügenden Dauphin und den Wert des Kupferstichs von Boizot. Der Stich wurde deshalb auch zeitnah seitens des Hofes verbreitet. In einer kolorierten Prachtausgabe erhielt den Stich beispielsweise die künftige Braut des Kronprinzen, die 14-jährige Erzherzogin Maria Antonia (Marie Antoinette) von Österreich: L’estampe du « Dauphin labourant » envoyée à Antonia.562 Erst wenige Monate zuvor, im Juni 1769, war in Wien die offizielle Eheanfrage für die Prinzessin seitens des französischen Hofes eingegangen.563 Die Frage nach der beabsichtigten Aussage des Stichs gegenüber der künftigen Dauphine soll vorerst noch zurückgestellt werden, denn Boizots Stich blieb nicht der Einzige, der die Pflugszene visualisierte und als Präsent Marie Antoinette erreichte. Ein weiterer Kupferstich, der bisher Michael Wachsmuth (1705 – 1775) zugeschrieben wurde,564 sehr wahrschein­lich aber von dem Straßburger Stecher Martin Wachsmuth 561 Zur Rolle Heinrichs IV. als bon roi Henri le Grand während der Regierungszeiten Ludwigs XV. und Ludwigs XVI. in der Herrscherkritik, aber auch in der Selbstdarstellung vgl. Malettke, Klaus: Dynastischer Aufstieg und Geschichte. Charakterisierung der Dynastie durch bourbonische Könige und in der zeitgenössischen Historiographie. In: Kampmann, Christoph/Krause, Katharina et al. (Hg.): Bourbon, Habsburg, Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700. Köln/Weimar/Wien 2008. S. 13 – 26. Hier S. 18ff. Die physiokratische Argumentation zielte eher auf den Minister Heinrichs IV., Sully. Sie trugen nicht unwesent­lich zur Stilisierung seiner Person als grand ministre bei. Vgl. Avezou, Sully à travers l’Histoire, S. 225ff. Zu Sully in den Ephémérides ibd. S. 230ff. Auch der Schwiegervater Ludwigs XV., Stanislas Leszczynski, hatte sich mit einem Image eines roi bienfasant geschmückt, als er mit dem Garten von Malgrange ein Mustergut hatte anlegen lassen und darüber hinaus sein landwirtschaft­liches Interesse auch in der Förderung der Bauern in Lothringen zeigte. Chapotot, Les Jardins du Roi Stanislas, S. 95ff. Im Juli 1762 wurde ihm zu Ehren an der Kirche St. Catherine eine Inschrift befestigt, die dem König den Surnommé le Bienfaisant zugestand. De Raissac, Richard Mique, S. 80. Die zeitgenössische aristokratische Auffassung von bienfaisant war somit als Sensibilität für eine Sache bzw. für Bedürfnisse zu verstehen. Martin, Dairy Queens, S. 181. 562 Lever, Evelyne: Marie-Antoinette. La dernière reine. Paris 2000. S. 17. 563 Malettke, Bourbonen, S. 117. 564 Michael Wachsmuth war als Kupferstecher in Schaffhausen um 1760/1770 tätig. Vgl. dazu Hans Vollmer (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Bd. 35. Leipzig 1942 (Reprint Leipzig 1999). S. 5. Ihm sind die beiden Kupferstiche zugeschrieben, allerdings erscheint eine Zuordnung angesichts des Wirkens von Martin Wachsmuth als Stecher in Straßburg logischer. Diese Vermutung stützt die Bildunterschrift, die in diesem Kapitel noch ausführ­lich diskutiert wird. Eine indirekte Bestätigung bietet auch das elsässische Künstlerlexikon.

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oder von seinem Augsburger Kollegen Jeremias Wachsmuth stammt, fixierte das Pflügen des Dauphin etwa ein reich­liches Jahr nach dem Geschehen, um 1770, unter dem gleichen Titel wie Boizots Stich: Monseigneur le Dauphin labourant.565 Auch ­Wachsmuth (Abb. 18: Kupferstich von Wachsmuth) bediente sich einer Beschriftung seines Stichs, welche die Deutung vorgab. Die Bildunterschrift bildet einen Reim und lautet: O Terre! ouvre ton sein, l’utile agriculture/ l’humanité sourit et toute la Nature/ l’objet de nos dedains s’annoblit en ce jour/ en voyant travailler l’objet de notre amour.566 Das Bild ist ähn­lich wie Boizots Stich aufgebaut. Vor allem fällt die Ähn­lichkeit der Landschaft und der Gebäude ins Auge. Diese Tatsache begünstigt die Annahme, dass es sich nicht um eine rein dekorative blühende Kulturlandschaft handelt, welche die Szene passend umrahmen soll, sondern um einen realen Ort, an dem das Pflügen stattgefunden haben kann. Die abgebildete Architektur verweist wegen des auffälligen Dachreiters auf eine Zisterzienserabtei. Die Recherche nach einer entsprechenden Abtei, die sich im näheren Umkreis von Versailles befand und somit als mög­liches Ziel einer Spazierfahrt infrage kam, ergab tatsäch­lich einen Befund: Es handelt sich sehr wahrschein­lich um die Abbaye des Vaux de Cernay in der Nähe von Rambouillet. Eine Rekonstruktion der Abtei von L. Morize (Abb. 19: Gebäudestruktur der Abtei) aus dem Jahr 1889 im bau­lichen Zustand vor der Französischen Revolution zeigt die Gebäudestruktur.567 Sowohl die Kirche mit Dachreiter, die Abbildung des Chores und die Verteilung weiterer Gebäude weisen eine große Übereinstimmung mit Boizots und Wachsmuths Stichen auf. Auch eine Mühle, die sich auf dem Kupferstich Boizots unweit der Abtei befindet, kann am Weg süd­lich des

Es ordnet die beiden Stiche mit dem pflügenden und jagenden Dauphin einem Elsässer Stecher M. Wachsmuth zu. Dies ist ein Indiz, dass es sich um Martin, nicht jedoch um den in Schaffhausen tätigen Michael handeln muss. Reiber, Ferdinand: Catalogue de la Collection d’Alsatiques (Estampes et Livres) de Ferdinand Reiber. Strassburg 1896. S. 341. Nr. 5325f. Francois-Louis Bruel ordnet den Stich Jeremias zu, ohne jedoch einen Nachweis zu erbringen. Bruel, Francois-Louis: Collection de Vinck. Inventaire analytique. Bd. 1, Paris 1770. S. 76f. Eine eindeutige Zuordnung zu einem Stecher kann somit nicht erfolgen. M. könnte einfach auch nur für Monsieur stehen. Eckehardt löst die Initiale M. Wachsmuth nicht auf. Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 68, Abb. 62. Clavilier verzichtet auf eine genaue Zuordnung und gibt nur den Hinweis auf Wachsmuth. Clavilier, Cérès et le laboureur, S. 120f. 565 Die BnF hat seit Juli 2012 die Zuschreibung der Stiche an Michael gelöscht und stattdessen kommentarlos Jeremias Wachsmuth (1711 – 1771) eingetragen. Die Gazette de France kündigte am 26. Oktober 1770 die Stiche an: Deux nouvelles estampes représentant, l’une, Monseigneur le Dauphin labourant, et l’autre, Monseigneur le Dauphin chassant. Chez Croisey, graveur et marchand d’estampes, rue Dauphine, vis à vis de la rue Christine. Eine Ankündigung findet sich auch in: Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Juin 1770. S. 210f. 5 66 Wachsmuth, Michael (?): Le Dauphin labourant. Kupferstich Maße: 34,5 x 51,5 cm. Signatur: Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE QB-370 (2)-FT 4. 567 Abbildung bei Aubert, Marcel M.: L’Abbaye des Vaux de Cernay. Paris 1931. S. 7. Grundsätz­lich kurz zur Geschichte der Abtei vgl. ders.: L’Abbaye des Vaux de Cernay. Paris 1934. Peugniez, Bernard: Routier cistercien (Collection Le monde cistercien). Moisenay 2003. S. 177 – 179.

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Klosters zusammen mit einer Brauerei und einem Bauernhof nachgewiesen werden.568 Die Abtei wurde ab 1766 bis zu ihrer Auflösung 1791 von Louis II. Charles du Plessis d’Argentré geleitet, der zugleich als Bischof von Limoges fungierte.569 Er pflegte mit Turgot, dem Intendanten von Limoges und späteren Minister für Finanzen, gute Beziehungen. Ob der Abt schon darüber hinaus Kontakte zu den Physiokraten unterhielt, war nicht zu ermitteln. Unklar bleibt auch, ob die Abtei gezielt aus- bzw. aufgesucht wurde, oder ob es sich um einen Zufall handelte. Eine mög­licherweise gezielte Auswahl der Zisterzienserabtei würde sich hinsicht­lich eines beabsichtigten Erziehungsaspekts für den Dauphin als sinnvoll erwiesen haben, denn der Orden hatte es sich seit seiner Gründung durch Bernhard von Clairvaux zum Ziel gesetzt, Täler in der Wildnis zu besiedeln und zu kultivieren. Die Zisterzienser rodeten Wald und legten Ackerflächen und Gemüsegärten an, auf denen sie sich über Jahrhunderte der Entwicklung und Verbreitung landwirtschaft­lichen Wissens widmeten.570 Die Übereinstimmung der Gebäude auf den Kupferstichen von Boizot und ­Wachsmuth muss jedoch nicht zwangsläufig ein Indiz für die Darstellung einer realen Landschaft sein. Mög­lich ist auch, dass Wachsmuth den Hintergrund von Boizots Stich einfach kopiert oder sich gestalterisch zumindest eng daran angelehnt hat. Der Stich Wachsmuths zielte ebenfalls auf den Ausbildungs- und Erziehungsaspekt von Landwirtschaft in der könig­lichen Familie. Der Dauphin, im höfischen Rock mit Dreispitz bekleidet, führt den Pflug mit beiden Händen, während ein Bauer im Kittel die Zügel der Pferde hält. Die Decke des vorderen, weißen Pferdes weist die Initialen A. L. für Auguste Louis auf. Einem der jüngeren Prinzen und Bruder des Dauphin wird durch einen der Erzieher die Tätigkeit des Älteren erläutert. Über dem Kronprinzen, als zweiter Mittelpunkt der gesamten Darstellung, steht am bereits gepflügten Feld ein Bauer, der mit der Aussaat beschäftigt ist. Am Rande des Feldes beobachtet neben der könig­lichen Kutsche das Gefolge des Dauphin stehend die Szene, während aus der Gegenrichtung jubelnde Bauern herbeilaufen. Am rechten Bildrand betrachtet eine bäuer­liche Familie mit einer Egge ebenso glück­lich wie erstaunt die Szene. Damit sind auch alle notwendigen ackerbau­lichen Arbeitsschritte des Pflügens, des Eggens und der Saat auf dem Bild vertreten. Der Kupferstecher M. [Michael/Martin oder Jeremias?] Wachsmuth schuf noch einen weiteren Stich (Abb. 20: Kupferstich von Wachsmuth) als Pendant.571 Er zeigt den Dauphin in einer kleineren Gesellschaft auf einer der in Frankreich üb­lichen und

568 569 570 571

Aubert, L’Abbaye des Vaux de Cernay, 1931, S. 72. Ibd. S. 61. Ders., L’Abbaye des Vaux de Cernay, 1934, S. 29. Grundsätz­lich dazu: Nagel, Eigenarbeit der Zisterzienser. Wachsmuth, Michael (?): Monseigneur le Dauphin chassant. Kupferstich. Maße: 34,5 x 52 cm. Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE QB-370 (2)-FT 4. Abgebildet und kurz besprochen bei Clavilier, Cérès et le laboureur, S. 120f.

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unter Ludwig XV. besonders beliebten Parforcejagden.572 Der Stich Wachsmuths stellt jedoch nicht das „Handwerk“ der Jagd oder die Körperertüchtigung in den Vordergrund, sondern entweder die Belehrung oder das bereits vorhandene Wissen des Kronprinzen, Jagden für die Landwirtschaft so schonend wie mög­lich und zur passenden Jahreszeit durchzuführen: Der Stich fixiert einen Moment, in dem das kleine Jagdgefolge des Dauphin an einem Feldrand angehalten hat. Der Blick des Betrachters, der Jäger und dreier am linken Bildrand stehenden Bauern mit Sensen folgt einem auf eine blühende Agrarlandschaft weisenden Begleiter des könig­lichen Gefolges, der die in vollem Wachstum stehenden Felder vor Augen führt. In der Kutsche, die das Wappen des Dauphin trägt, ist der Kronprinz in Begleitung eines jüngeren Mannes, mög­licherweise seines Bruders, zu sehen. Offensicht­lich hatte der Dauphin befohlen, die Kutsche bzw. den ganzen Jagdzug am Feldrand halten zu lassen. Sehr wahrschein­lich gehen die Motive von Wachsmuths beiden Stichen Le Dauphin labourant und Le Dauphin chassant auf den Bericht aus dem anonymen und Quesnay zugeschriebenen Brief zurück, den die Ephémérides du Citoyen in ihrer Juliausgabe 1768 publiziert hatten. Text und Bilder passen auffällig zusammen, ohne dass die Stiche einen Hinweis auf die mög­liche Quelle geben oder gar auf ein Ereignis Bezug nehmen. Neben der Beschreibung des eigenhändigen Pflügens hatte der Brief Quesnays noch eine weitere Begebenheit vom Herbst des Jahres 1767 eröffnet, in der sich der junge

572 Insbesondere die Hohe Jagd, das Erlegen von Hochwild, stellte ein fürst­liches Privileg dar. Rösener, Werner: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen im Wandel der Zeit. Düsseldorf 2004. S. 257ff. Unter Ludwig XI. (1423 – 1483) wurde die Parforcejagd am französischen Hof fest etabliert. D’Anthenaise, Claude: Chasses aux toiles, chasses en parc. In: Chantenet, Monique/D’Anthenaise, Claude (Hg.): Chasses princières dans l’Europe de la Renaissance. Paris 2007. S. 73 – 100. Hier S. 74f. Zum Ablauf der Parforcejagden nach zeitgenössischen Jagdlehrbüchern vgl. Pirl, Uwe: Von mancherley Arten der Lust-Jagten und Jagt-Divertissements. In: Richter, Susan (Bearb.): Die Lust am Jagen. Jagdsitten und Jagdfeste am kurpfälzischen Hof. Ubstadt-Weiher 1999. S. 33 – 43. Hier S. 37ff. Der Jagd an sich kam ein erheb­licher Erziehungsaspekt für fürst­liche Söhne zu, konnte doch dabei das Töten bzw. die Macht über Leben und Tod ebenso erlernt werden wie die Orientierung im Gelände oder das strategische Vorgehen beim Stellen des Wildes. Zudem gelang es bei der Jagd, den eigenen Körper an der frischen Luft spielerisch an Strapazen zu gewöhnen, was im Krieg für einen Prinzen von Vorteil sein konnte. Salvadori, Philippe: La chasse sous l’Ancien Régime. Paris 1996. S. 138ff und S. 161ff. In einem zeitgenössischen deutschen Jagdlehrbuch, dem Geheimen Jäger=Kabinett, heißt es: Es ist unstreitig die Jägerey eine von den schönsten Lustbarkeiten und grossen Herren und Standes=Personen vor allem sehr anständig, sintemahl nicht allein dadurch der Leib zu allen Kriegs= Exercitien fertig und dauerhaft gemacht wird. Anonymus: Geheimes Jäger=Cabinet. Leipzig 1701 (Reprint Berlin 1990). S. 837. Friedrich II. hatte 1739 als Kronprinz in seinem Antimachiavell die Verrohung des mensch­lichen Charakters durch die Jagd kritisiert: Es liege nahe, daß ihre Unempfind­lichkeit, die sie beim Tiere an den Tag legen, auch gegen Menschen zu erweisen, zum mindesten, daß ihre grausame Gewöhnung, kalten Bluts das Leiden der Kreatur anzusehen, ihr Mitgefühl mit dem Leide ihresgleichen abstumpft. Preußen, Friedrich, König von: Der Antimachiavell. Hg. v. Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Jena 1922. S. 55.

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Thronfolger während einer Jagd im Beisein seiner Brüder als besonnener Jäger und als Schützer der Landwirtschaft erwiesen hatte. Der Prinz hatte, so der Bericht Quesnays, der eigenen Kutsche und dem gesamten Jagdgefolge angesichts eines Feldes, auf dem das Korn erntereif stand, zu halten befohlen und die Änderung der Route vorgegeben, um die Ernte nicht zu zerstören. Sein Bruder, der Comte d’Artois, soll dem Brief Quesnays zufolge die Situation des umsichtigen Dauphin mit den Worten kommentiert haben: Ah! Que la France est heureuse d’avoir un Prince si rempli de Justice.573 Der Text in den Ephémérides du Citoyen verwies den Leser auf einen wohlunterrichteten künftigen König. Genau diese Aussage griff Wachsmuths Stich auf: Mit der Jagd war jahrhundertelang die sichtbare Aneignung von Land und die Beherrschung von unbebautem Raum durch den Fürsten mittels der Hatz verbunden, immer aber auch die Landpflege des Agrarraumes, welche die ungestörte und fried­liche Kultivierung des Landes ermög­ lichen sollte.574 Damit war dem Herrscher eine Verfügungsgewalt über die Natur, aber auch eine Schutzfunktion über kultivierte Natur zugesprochen worden. Doch gerade die Landpflege wurde zugunsten einer oft willkür­lichen Landbesetzung bei und durch herrscher­liche Jagden im 17. und 18. Jahrhundert immer mehr vernachlässigt und damit gegen normative Muster fürst­licher Pf­lichten zur Sicherung des Agrarraumes verstoßen.575 Der Stich Wachsmuths verwies auf die massive zeitgenössische Kritik an den höfischen Jagden, die oftmals ohne Rücksicht auf die frische Aussaat auf den Feldern oder zur Erntezeit das Wild willkür­lich über die Äcker trieben und billigend in Kauf nahmen, dass dabei die Feldfrüchte zerstört und die landwirtschaft­lichen Nutzflächen ruiniert sowie Vieh der Bauern von den Parforcehunden gerissen wurde. Der Stich zeigt den künftigen König und damit auch den künftigen Jagdherrn, der sich seiner Verantwortung gegenüber seinen Untertanen und der Bedeutung des Landbaus für die gesamte Versorgung mit Nahrungsmitteln bewusst war, die er vor Zerstörung durch die Jagd oder durch den Wildbestand im Wald, der sich oft sein Futter auf den umliegenden 573 Anonymus [Quesnay, François]: Lettre à l’Auteur des Éphémérides, de Versailles, ce 16 juin 1768. In: Ephémérides du Citoyen, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences, ou Bibliothèque raisonnée des Sciences. Juillet 1768. S. 9 – 11. Hier S. 11. 574 Morsel sieht in der Wildverfolgung eine räum­liche Bewegung und eine damit verbundene Raumbelegung bzw. herrschaft­liche Durchdringung der Wildnis. Wildnis wird durch die Jagd zum herrschaft­lichen Raum. Morsel, Joseph: Jagd und Raum. Überlegungen über den sozialen Sinn der Jagdpraxis am Beispiel der spätmittelalter­lichen Franken. In: Rösener, Werner (Hg.): Jagd und höfische Kultur im Mittelalter (Veröffent­lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 135). Göttingen 1997. S. 255 – 288. Hier S. 282ff. 575 Birgit Franke verweist auf Piero de Crescenzis Liber ruralium commodorum aus dem frühen 14. Jahrhundert, das im 15. und 16. Jahrhundert in französischer Übersetzung am Hof Frankreichs weit verbreitet war und insbesondere die Jagd unter dem Aspekt der Landpflege diskutiert. Franke, Birgit: Jagd und herrscher­liche Domäne. Bilder höfischer Repräsentation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. In: Martini, Wolfram (Hg.): Die Jagd der Eliten in den Erinnerungskulturen von der Antike bis in die Frühe Neuzeit (Formen der Erinnerung, Bd. 3). Göttingen 2000. S. 189 – 217. Hier S. 202.

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Feldern suchte, zu schützen hatte. Dass der künftige Herrscher das Jagdregal vernünftig und maßvoll ausübte, wollte Wachsmuth mit seinem Stich darstellen. Die Stärke des Prinzen lag nicht in der Demonstration beispielhaften Mutes oder jagd­licher Kunst wie auf Darstellungen seiner könig­lichen Vorfahren, etwa den Bildern Ludwigs XIV. auf Treibjagd,576 sondern gerade darin, auf der Jagd die erntereifen Felder zu schonen und nicht hindurchzufahren. Betont wurde der Verzicht auf die Jagd in einer Situation, in welcher die Fortführung dem Gemeinwohl geschadet hätte. Wachsmuths Stich ­Monseigneur le Dauphin chassant kommunizierte dem Betrachter die Aussage ­Monseigneur le ­Dauphin non chassant in einem Moment, wo Jagd nur Schaden für den Untertanen angerichtet hätte. Die Bildunterschrift unter dem Kupferstich unterstützt diese Interpretation, setzte sie doch ähn­lich wie die unter dem Stich Boizots den Thronfolger in die Tradition seiner Vorfahren als guter und gerechter König, der die Ernte respektierte: Digne héritier du trône & du sang des Bourbons, que j’aime à voir tes pas respecter nos moissons!/ Ce trait d’humanité m’annonce Prince Auguste, les vertus d’un Ayeul [aïeul], d’un bon Roy, d’un Roy juste.577 Mit dem Bezug auf den Vorfahren mag wiederum Heinrich IV. gemeint sein, doch auch vom Vater Louis Augustes wurde berichtetet, dass er bei Jagden die Felder geschont habe.578 Der Stich machte aber durchaus auch die Notwendigkeit der Jagd und die damit verbundene herrscher­liche Protektion der Landwirtschaft aus einem anderen Blickwinkel deut­lich. Wenn der Wildbestand in einer Gegend ohne Jagd unkontrolliert zunahm, bestand für die Bauern die Gefahr, dass das Wild ebenfalls die Felder zerstörte. Da es von den Bauern nicht geschossen werden durfte, brachten die fürst­lichen Jagden den Bauern Erleichterung und Hilfe. Doch dies bedurfte eines verständigen und maßvollen, eines edlen und gerechten Jagdherrn, der sein Vergnügen zum Nutzen und nicht zum noch größeren Schaden der Landwirtschaft einsetzte. Die Kritik an der Willkür und Zerstörung der fürst­lichen Jagden transportierten neben zeitgenössischen Jagdlehrbüchern insbesondere die Hausväterliteratur und Agrarhandbücher, aber auch die Kunst in Wort und Bild.579 Wachsmuths Stich Monseigneur le Dauphin chassant 576 Als Beispiel sei Adam Frans Van der Meulens (1632 – 1690) Bild Louis XIV et la Cour chassant en vue du château de Meudon genannt. Öl auf Leinwand, 0,77 x 1.270 m. Versailles, Châteaux de Versailles et de Trianon, Inv. Nr. MV5630. 577 Die gereimte Bildunterschrift gab dem Stich den Titel bzw. bezeichnete den Gegenstand des Bildes. Zu Bildunterschriften oder -inschriften vgl. Sparrow, John: Visible Words. A Study of Inscriptions in and as Books and Works of Art (The Sandars Lectures, Bd. 1964). Cambridge 1969. S. 83. 578 Proyart, Vie du Dauphin, père de Louis XVI, S. 151ff. 579 Im bereits angesprochenen Gedicht von Georg August Bürger heißt es in der dritten und vierten Strophe Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen: Wer bist du, daß durch Saat und Forst, Das Hurra deiner Jagd mich treibt, Entatmet, wie das Wild? –

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lässt sich dieser Kritik insofern zuordnen, indem er darin das Ideal eines belehrbaren und einsichtigen jungen Jagd- und Landesherrn darstellte. Wenn der Kronprinz selbst die Mühen landwirtschaft­licher Arbeit kennengelernt hatte, musste ihm umso mehr ihr Schutz vor den Verwüstungen durch die Jagd am Herzen liegen. Mit seinen beiden Kupferstichen hatte Wachsmuth ebenso wie Boizot auf den Erziehungskanon des Dauphin Bezug genommen und der etablierten Jagd die Landwirtschaft an die Seite gestellt. Neben der Darstellung des fürst­lichen Jagdprivilegs konnte der Ackerbau als geadelte, der Jagd gleichrangige oder entsprechende und notwendige Tätigkeit des Prinzen bewertet werden. Zugleich hatte er die Abhängigkeit des Landbaus von einem verständigen Jäger und einem geschulten Landmann aufgezeigt. Das Blatt Wachsmuths löste sich von der traditionellen Auffassung der Jagd, indem es nicht einen tapferen Jäger mit ansehn­licher Beute, sondern stattdessen einen fürst­lichen Jäger darstellte, der nach den Geboten der Vernunft das richtige Maß des fürst­lichen Vergnügens abwog und sich selbst zugunsten des Gemeinwohls in seinem Jagdprivileg beschränkte. Es handelt sich bei dieser Darstellung der fürst­lichen Jagd um eine ikonographische Aussage, die später nicht tradiert wurde oder sich etablieren konnte. Die Jagd zählte zu den wichtigsten höfischen Lustbarkeiten, die sowohl der Entspannung und Abwechslung, aber auch der Repräsentation und der Versorgung des Hofes Die Saat, so deine Jagd zertritt, Was Roß, und Hund, und Du verschlingst, Das Brot, du Fürst, ist mein. Bürger, Gedichte, S. 58. Die Meuten der fürst­lichen Parforcehunde wurden am Hof in Versailles und in den deutschen Territorien nach französischem Vorbild den Müllern zur Betreuung mit der Maßgabe überlassen, sie täg­lich mit Brot zu füttern. Es kam bei französischen und deutschen Müllern immer wieder zu Beschwerden, dass sie selbst kaum über genug Brot für sich verfügen würden und deshalb baten, von der Last der Hunde befreit zu werden. Richter, Susan: Der Kurfürst­liche Parforce-Park in Käfertal. In: Dies. (Bearb.): Die Lust am Jagen. Jagdsitten und Jagdfeste am kurpfälzischen Hof (Ausstellungskatalog). Ubstadt-Weiher 1999. S. 43 – 54. Hier S. 51. Zur Kritik während der Regierung Ludwigs XVI. und in der Revolution vgl. D’Anthenaise, Claude: Images de la chasse à courre. In: Dies. (Hg.): À Courre, à cor et à Cri. Images de la Vénerie au XIX siècle. Paris 1999. S. 8 – 17. Hier S. 9. Zur Wilddichte in europäischen Wäldern Mitte des 18. Jahrhunderts sowie zu Wildschadensklagen der Bauern vgl. Rösener, Die Geschichte der Jagd, S. 275ff. Der Fürstenspiegelautor Johann Michael von Loen schilderte in seinem Werk Freye Gedanken vom Adel, Hofe, Gerichtshöfen aus dem Jahr 1760 das große Elend in den Dörfern und klagte die Fürsten an, dass der Bauer nicht nur in Unwissenheit bleibe, sondern auch noch durch Frondienste bei Treibjagden, Schanzen graben oder Botenlaufen geängstigt werde. Wehe denen Fürsten! Die durch ihre Tyranney, ihre Wolllüste, und durch ihre üble Haushaltung den Jammer so vieler Menschen verursachen. Loen, Johann Michael von: Freye Gedanken vom Adel, Hofe, Gerichtshöfen […]. Ulm/Frankfurt/M. 1760. S. 29. Ein Kupferstich von Johann Elias Ridinger aus seiner so genannten Großen Jagd- und Tierserie zeigt die bäuer­liche Jagdfron bei Parforcejagden mit Treiberdiensten, Fuhrleistungen des geschossenen Wildes zur Strecke etc. Sächsische Landesbibliothek, Deutsche Fotothek. Abgebildet in: Jacobeit, Wolfgang/Jacobeit, Sigrid: Illustrierte Alltagsgeschichte des deutschen Volkes. Bd. 1: 1550 – 1810. Leipzig/Jena 1985. S. 45, Abb. 45.

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mit Fleisch dienten.580 Dauphin Louis Auguste galt als junger Mann als begeisterter Jäger, dem das Vergnügen, durch den Wald zu reiten, viel bedeutete.581 Als Strafe für Vergehen des Prinzen verbot ihm sein Vater einige Male die Teilnahme an Jagden.582 Wenn also mit Wachsmuths Kupferstich des jagenden Dauphin neben den erzieherischen Aspekten auch die Darstellung einer der Leidenschaften des künftigen Königs gelungen war, so muss gefragt werden, ob die Landwirtschaft mög­licherweise auch zu den bevorzugten Interessen des jungen Mannes zählte. Einen Rückschluss auf diese Annahme ergibt sich aus der Tatsache, dass Ludwig XVI. als König später außerordent­lich gern allein oder in Begleitung von wenigen Vertrauten mit Bauern und Handwerkern Gespräche führte und er auch von den Bauern geliebt werden wollte.583 Darüber hinaus kaufte er sich 1783 das Gut Rambouillet außerhalb von Versailles und begleitete dort die Zucht von Moufflons mit großem Interesse.584 Die Stiche verhießen somit dem Betrachtenden die erfolgreiche Belehrung des Kronprinzen, der sich die Lehrinhalte zu eigen machte. Die beiden Kupferstiche von Wachsmuth waren als Geschenk für die fest­liche Übergabe Marie Antoinettes als Braut des Dauphin an den französischen Hof in Straßburg am 7. Mai 1770 hergestellt worden. In der Bildunterschrift heißt es: Présenté à son Alteresse Royale, Marie-Antoinette d’Autriche, Dauphine de France. Par son très humble, très-obéissant serviteur Perrier. A Strasbourg chez l’Auteur. Unklar ist jedoch, ob sie im Kontext der Fest­lichkeiten wirk­lich überreicht worden waren oder ob es sich nur um eine Dedizierung bzw. Widmung im Rahmen der Hochzeit handelte. Da das Domkapitel unter der Leitung des fürstbischöf­lichen Koadjutoren Louis René Édouard de RohanGuéméné (1734 – 1803) nicht als Auftraggeber des Stichs genannt ist, wurden die Kupfer sicher nicht im Zusammenhang mit den offiziellen Geschenken im Bischofs­palais

580 Zum fürst­lichen Vergnügen der Jagd vgl. Salvadori, La chasse sous l’Ancien Régime, S. 225ff. Eckardt, Hans Wihelm: Herrschaft­liche Jagd, bäuer­liche Not und bürger­liche Kritik (Veröffent­lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 48). (Diss.) Göttingen 1976. S. 62. Rösener, Geschichte der Jagd, S. 310ff. Hohberg bezeichnete die Jagd 1682 als gute und reiche Küchenmeisterin. Hohberg, Georgica curiosa, S. 688. Der französische Hof ließ sich zum Vergnügen zahlreiche exotische Jagden nach chinesischen und osmanischen Beschreibungen auf Tiger, Löwen und Elefanten in Ölbildern darstellen. Ein Beispiel ist das Bild von Jean-Baptiste Pater La chasse chinoise aus dem Jahr 1756. Salmon, Xavier: Versailles. Les chasses exotiques de Louis XV. Paris 1995. S. 58. Zur bild­ lichen Darstellung von höfischen Jagdfesten im 18. Jahrhundert vgl. Richter, Susan: Ein Zyklus und seine Pendants – die Schwetzinger Jagdbilder. In: Dies. (Bearb.): Die Lust am Jagen. Jagdsitten und Jagdfeste am kurpfälzischen Hof im 18. Jahrhundert. (Ausstellungskatalog). Ubstadt-Weiher 1999. S. 77 – 95. 581 Louis Nicolardot hat aus den Tagebüchern des Dauphin bzw. späteren Königs Ludwig XVI. für jedes Jahr die Anzahl der Jagden ermittelt. Nicolardot, Louis: Journal de Louis XVI. Paris 1873. S. 164f. 582 Girault de Coursac, L’Education d’un roi, S. 70, S. 255ff. Malettke, Bourbonen, S. 115. 583 Ibd. S. 125. 584 Martin, Dairy Queens, S. 216ff.

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übergeben.585 Marie Antoinette berichtete in ihrem Brief an Maria Theresia vom 8. Mai 1770 insbesondere von dem freund­lichen Empfang durch das Domkapitel, äußerte sich in diesem Schreiben aber nicht konkret zu Geschenken.586 Die gesamten Feier­ lichkeiten waren jedoch hinsicht­lich ihrer Dekoration und Aussage auf ihre Funktion als Dauphine sowie die Repräsentation des Dauphin ausgerichtet. So wurde das Paar etwa als Mars und Minerva stilisiert, während Putten huldvolle Grüße des Gatten an die Gemahlin übermittelten. In diesen Zusammenhang bettete sich das Geschenk von zwei Kupferstichen mit der Darstellung eines dem Ideal gemäßen Verhalten des 585 Am Stadttor von Straßburg wurde die Dauphine am 7. Mai 1770 durch Maréchal de Contades, à la tête de l’Etat major empfangen, im Anschluss durch den Stadtrat. Darauf folgte die Fahrt durch die Stadt. Vor dem bischöf­lichen Palais wurde sie durch Kardinal de Rohan begrüßt: Après son dîner en grand concert, Madame la Dauphine permit au Magistrat de lui présenter les vins de la ville; cette cérémonie fut suivie d’une fête de Bacchus, donnée par les Tonneliez et suivant l’usage du pays. Archives nationales, Paris, O1 1043, Nr. 4, Bl. 3v. Im Wiener HHStA, AZA (Ältere Zeremonialakten) 80 findet sich eine Liste zu Geschenken, die Marie Antoinette in Straßburg übergeben wurden. Aufgeführt sind einige Porträts von Mitgliedern des Domkapitels und Honoratioren, Kameen sowie reich verzierte Etuis und Tabatieren. Einzelne Personen, von denen die jeweiligen Präsente überreicht wurden, sind jedoch nicht genannt. Fol. 158v-172v. Erhalten haben sich darüber hinaus im Karton 82 AZA zahlreiche gedruckte Gedichte und Ansprachen an Marie Antoinette, die sie während ihrer Brautfahrt und insbesondere in Straßburg erhielt bzw. die an sie gerichtet wurden. Ein Hinweis auf die Übergabe der Kupferstiche als Geschenk oder eine andere Liste von Präsenten findet sich darin nicht. Auch der Blick in den Bestand Staatenabteilung Frankreich Varia, Karton 34, in dem sich die Reiseprotokolle befinden, blieb hinsicht­lich der Übergabe der Kupferstiche ergebnislos. Die gewählte Aussage der beiden Stiche erhält vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Dauphine sieben Tage vor ihrer Ankunft in Straßburg im Praemonstratenserreichsstift Marchtal im Rahmen eines grundsätz­lich fröh­lichen, aber durchaus auch nicht unkritischen Festspiels zu Ehren des durchreisenden Gastes durch drei Bauern die Härte der Fron im Straßenbau und ihrer daraus folgenden Vernachlässigung der Feldbestellung vor Augen gehalten worden war, eine eigene Bedeutung. Nachdem die Bauern ihr Problem der Kaisertochter zu Gehör gebracht hatten, ließen sie sich von einem auftretenden Geist­lichen beschwichtigen, der ihnen mitteilte, sie hätten ihr schweres Werk für Marie Antoinette vollbracht. Daraufhin fielen in das allgemeine Vivat alle anderen Darsteller mit ein. Es handelt sich um Sebastian Sailers Stück Beste Gesinnungen schwäbischer Herzen. Ulm 1770. Gerade im Vorfeld der Reise der könig­lichen Braut waren in den Reichsteilen, durch welche die Reiseroute in 17 Tagesstrecken führte, die Instandsetzung der Straßen und Wechselstationen sowie das Streichen der Häuser an den Chausseen von Wien aus angeordnet worden. Übertragen wurden diese Arbeiten vor allem den fronleistenden Bauern, die somit im Frühling nicht zur Feldarbeit kamen. Die Bauern informierten die Prinzessin über ihre Last, doch bekundeten sie ihr danach, die Mühen für ihre Person willig auf sich genommen zu haben. Grundsätz­lich zum Hochzeitszug Beck, Gertrud: Die Brautfahrt der Marie Antoinette durch die vorderösterreichischen Lande. In: Barock in Baden-Württemberg. Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Französischen Revolution. Ausstellung des Landes Baden-Württemberg 1981. Bd. 2. Karlsruhe 1981. S. 311 – 324. Hier S. 320. Zur Brautfahrt und Übergabe der Prinzessin auf dem Rhein kurz Campan, Jeanne Louise Henriette: The Private Life of Marie Antoinette. Stroud 2008. S. 83f. Nolhac, Pierre de: Marie-Antoinette, Dauphine (Versailles et la cour de France). Paris 1929. S. 79 und S. 83. 586 Feuillet de Conches, Félix-Sébastien (Hg.): Louis XVI, Marie-Antoinette et Madame Élisabeth. Lettres et documents inédits. Bd. 1. Paris 1864. Brief Nr. 1, S. 1f.

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künftigen Monarchen durchaus gut in die Gesamtthematik ein.587 Die beiden Stiche Wachsmuths präsentierten der Prinzessin einen wohlinstruierten Gatten und künftigen Herrscher Frankreichs, dem das Wohl seiner Untertanen mit dem Schutz der Landwirtschaft am Herzen lag.588 Ludwig XV. griff den Aspekt der Repräsentation des landwirtschaft­lich unterwiesenen Kronprinzen auf. Ein solcher Erziehungsakt, wie ihn die beiden Stiche von B ­ oizot und Wachsmuth zeigen, spiegelt sich in dem von Ludwig XV. im Jahr 1769 für den Speisesaal des Petit Trianon bei Louis Jean François Lagrenée (1724 – 1805) in Auftrag gegebenen und 1770 fertiggestellten großformatigen Werk Cérès enseignant l’agriculture à Triptolème wider (Abb. 21: Gemälde von Lagrénee).589 Das Thema des Bildes unterstrich die Bedeutung des Petit Trianon, dessen Garten Pflanzenexperimenten und der botanischen Dokumentation gewidmet war. Der Auftrag des Königs zu dem Gemälde erfolgte nach dem eigenhändigen Pflügen des Dauphin und steht sehr wahrschein­lich mit dem Ereignis in unmittelbarer Verbindung, hatte doch Boizots Stich in seiner Bildunterschrift bereits einen Hinweis auf das Wirken des Prinzen zu Ehren der Ceres und des Triptolemos gegeben. Mit bildgestalterischen Mitteln ist es Lagrenée gelungen, die physiokratischen Grundforderungen wie die Herrschaft der Natur und einen ihr dienenden Monarchen sichtbar zu machen. Eine Interpretation nach physiokra­tischen Gesichtspunkten ist bisher nicht unternommen worden und soll an dieser Stelle nachgeholt werden: Ceres sitzt in einem getreidegelben Gewand an der linken Seite des Bildes und führt als personifizierte Natur eine gütige und alle Bedürfnisse befriedigende, fruchtbare Herrschaft, wie das Kind an ihrer Brust mit Ähren im Arm beweist. Ihr zu Füßen rasten Bauern nach der offensicht­lich reichen Ernte (die Sichel wurde einstweilen abgelegt) und stärken sich mit Brot, Äpfeln und Wasser. All diese reichen Gaben verdanken die Menschen der Natur. Diese wiederum, nun in realistischer Darstellung, bildet den Mittelpunkt des Bildes. Dem Betrachter wird ein Blick von einem halb abgeernteten Getreidefeld mit arbeitenden Bauern und idyllisch unter einem Busch ausruhenden Müttern in die sich öffnende, freie, hügelige Natur gewährt. Mit dem linken Arm unterweist Ceres als personifizierte Natur den mit könig­licher roter Toga bekleideten und mit einer Krone ausgestatteten Herrscher Triptolemos im Landbau. Ihr 587 Zum Ablauf der Feier­lichkeiten in Straßburg und der Dekoration vgl. Gruber, Alain-Charles: Les grandes Fêtes et leurs décors à l’époque de Louis XVI. (Histoire des idées et critique littéraire, Bd. 122). (Diss.) Genève/Paris 1972. S. 40 – 47. 588 Thematisch parallel wurde ihr auf der Weiterreise in Châlons ein Stück präsentiert, das noch einige Male später auch im Beisein Ludwigs XV. gespielt wurde: La Partie de Chasse de Henri IV. Es geht in der Komödie um die Verherr­lichung des guten Königs Heinrich IV., der während einer Jagd von seinem Gefolge getrennt wurde und bei einem Müller die Gastfreundschaft genoss. Dupuit, Jean-Sébastien: Plaisiers de Rois: Les Fêtes de Louis XIV à Louis XVI. Versailles 1998. S. 34. 589 Öl auf Leinwand, 339 x 234 cm. Musée National du Château, Versailles. MV 7416; INV. Nr. 5553. Zum Maler vgl. Sandoz, Marc: Les Lagrenée: Louis, Jean, François Lagrenée, 1725 – 1805. Bd. 1. Paris 1983. Nr. 268. Das Bild ist kurz erwähnt bei Guy, The French Image of China before and after Voltaire, S. 358. Abgebildet und besprochen auch bei Clavilier, Cérès et le laboureur, S. 118f.

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willig und wissbegierig zugeneigt, hört er ihre Anleitung und weist selbst mit der Sichel auf die Erntearbeiten. Wie beim eigenhändigen Pflügen des Thronfolgers 1769 hatte der Maler nun den mythischen Monarchen mit einem bäuer­lichen Arbeitsgerät, der Sichel dargestellt, die er wohl, der Weisung der Göttin bzw. der Natur gemäß, auch gleich selbst zu führen im Begriff war. Ehrfürchtig schaut auch ein ruhendes Bauern­pärchen zu Triptolemos und seiner versprechenden Geste, gleich mit der Arbeit zu beginnen, empor. Lagrenée hatte zweimal das gleiche Erntegerät, die Sichel, in das Bild aufgenommen: als ruhendes Attribut der rastenden Bauern und als gerade aktiv einzusetzendes Attribut des Königs. König und Bauern waren bei der Ernte vereint und widmeten sich der gleichen Arbeit. Sie führten das gleiche Ackergerät. Hiermit war in das antikisierende Bild Lagrenées eine Aussage aus dem Kontext der chinesischen Reiseberichte geflossen. Die Darstellung des lernbegierigen Kulturheroen und Königs Triptolemos nach dem griechischen Mythos, den übrigens Voltaire 1756 noch ausführ­lich in seinem Essai sur les mœurs geschildert hatte,590 konnte wie der pflügende chinesische Kaiser im Kreis seiner Bauern zur gleichen Deutung des Betrachters anleiten, dass die lange Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft bzw. Bauernstand nun erfolgreich überwunden sei. Die Anknüpfung an die eigene europäische Tradition war mit diesem Bild neu hergestellt. Die Erziehung des Monarchen durch die Natur bzw. Ceres war offensicht­lich erfolgreich und versprach mit dem Bild, künftig auch Früchte zu tragen. Das Bild spiegelt wesent­liche Kernpunkte der physiokratischen Lehre und Forderungen an den französischen König bzw. seinen Nachfolger hinsicht­lich der Landwirtschaft wider. Es lässt sich als erfolgreiche Belehrung sowie vorsichtige Bekräftigung einer neuen Herrschaftsaufgabe und damit als gewisse Akzeptanz der physiokratischen Ansätze durch Ludwig XV. und den Dauphin verstehen. Das Bild erhielt jedoch seinen Platz im Trianon und damit in einer eher persön­lichen Sphäre des alten Königs. So ist es primär als Repräsentation der eigenen Interessen Ludwigs XV., weniger als eine des franzö­ sischen Königtums anzusehen, auch wenn mit der Darstellung eines sehr jugend­lichen Triptolemos im Kontext der Hochzeit des Dauphin der Hinweis auf eine entstehende Tradition im Haus Bourbon verbunden sein mag. Dennoch unterstreicht es die zeitgenössisch aktuelle Präsenz des Triptolemos-Mythos im engsten Umfeld des Königs. Immer wieder wurde der neue Wirkungsbereich der Landwirtschaft an die französische Krone herangetragen: Das eigenhändige Pflügen des Kronprinzen Louis Auguste sowie die Betonung der Rolle der Landwirtschaft im politischen Handeln fand beispielsweise auch ihren Platz in der Panegyrik auf die Vermählung des Dauphin mit Marie Antoinette im Jahr 1770.591 Abbé Thomas-Maurice du Rouzeau (1726 – 1788) übersandte an den Hof 590 Voltaire: Essai sur les mœurs et l’esprit des nations et sur les principaux faits de l’histoire depuis Charlemagne jusqu’à Louis XIII. Hg. v. René Pomeau. Bd. 1. Paris 1963. Introduction, Kap. XXXVII: Des Mystères de Cérès-Éleusine. S. 130 – 135. 591 Panegyrische Gedichte, die zu einer hohen Fest­lichkeit als Gelegenheitsdichtung entstanden, wurden seitens der Fürsten als ein papirnes Geschencke entgegengenommen, aber auch als Untertanenpf­licht

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seine Ode sur le mariage de monseigneur le Dauphin, die noch im selben Jahr auch in Paris gedruckt wurde.592 In der Ode verschmolzen die üb­lichen Topoi des Herrscherlobes mit einigen wenigen individuell herausgehobenen Charakterzügen des Dauphin. Dabei ging der Autor aber auch durchaus kritisch auf Probleme und Defizite der französischen Politik ein. So sprach er in seinen Versen vom Schrei der Mutter Erde nach ihren undankbaren Söhnen, die sich ihr und der Natur lange verweigert und ihre Bedeutung verkannt hatten. Doch nun seien den Königen und dem Volk die Augen end­lich geöffnet worden: Enfin il est un Art, l’honneur de la Nature, Que l’Orgueil accabloit d’un fastueux dédain. Longtems il attendit qu’on vengeât son injure, Le Vengeur a paru, son triomphe est certain. […] Pressé sous une main Royale, Le soc de Triptolême a repris sa splendeur […], Nobles Agriculteurs, Ah! Votre gloire égale, De vos jours vertueux, le paisible bonheur. In der nachfolgenden Fußnote stellte der Abbé die Metapher des könig­lichen Triptolemos in den direkten Bezug zum eigenhändigen Pflügen des Dauphin im vergangenen Jahr: L’on a gravé Monseigneur le Dauphin s’essayant à la charrue; C’est avoir consacrée un des traits de sa vie, qui honore le plus un Prince.593 Du Rouzeau wählte in seinem Gedicht wie Boizot nicht das Beispiel des ackernden Kaisers von China zum Vergleich mit dem gerade entstehenden neuen herrscher­lichen Selbstverständnis in Versailles, sondern bediente sich des antiken Beispiels des könig­lichen Pflügers Triptolemos, unter dem der Ackerbau auf Geheiß der Demeter/Ceres verbreitet und die Länder dadurch zivilisiert und zum Blühen gebracht wurden. Das Gedicht lobte den Glanz, den die Landwirtschaft nun wieder erhalte, wenn ein König wie einst Triptolemos den Pflug führte. Zugleich drückte der Verfasser seine Hoffnung aus, dass die Protektion der Herrscher für den Landbau Bestand haben möge. In der Fürstenanalogie zwischen Triptolemos und Louis Auguste fand ein poetischer und zugleich optimistischer Transformationsakt vom Mythos zur zeitgenössischen Gegenwart statt. Es zeigte sich darüber hinaus, dass sowohl die antike europäische Tradition als auch der neue Motivschatz des pflügenden chinesischen Kaisers zu den vom französischen Hof adaptierten Motivkomplexen zählten.

verstanden. Casualpoesie und gereimte Grußadressen entsandten in der Regel die Stände- und Stadtvertreter, Kirchen, religiösen Minderheiten oder Professoren der Universitäten an den Jubilar aus der fürst­lichen Familie. Richter, Susan: Und ehre Sie in dieser Helden=Frauen – Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden im Spiegel piaristischer Hofpanegyrik. In: Heid, Hans (Hg.): Die Rastatter Residenz im Spiegel von Beständen der Historischen Bibliothek. Begleitbuch zur Ausstellung „300 Jahre Residenz Rastatt“. Rastatt 2007. S. 295 – 304. 592 Du Rouzeau war verschiedent­lich mit Trauergedichten und panegyrischen Werken zu Ereignissen in der Herrscherfamilie in Versailles in Erscheinung getreten. So auch mit einem Gedicht auf die 1767 verstorbene Dauphine. Du Rouzeau, Thomas-Maurice: Oraison funèbre de très-haute, très-puissante et très-excellente princesse Marie-Josephe de Saxe, dauphine de France: prononcée dans l’eglise premiere archipresbiterale de la Magdelaine de Paris, le 4 septembre 1767. 5 93 Du Rouzeau, Thomas-Maurice: Ode sur le mariage de monseigneur le Dauphin, Paris 1770. S. 9f.

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4.2.5 Fazit

Anhand der Untersuchung der physiokratischen Vermittlungsstrategie ist festzustellen, dass sich die Wahl des Motivs des pflügenden chinesischen Kaisers zunächst als erfolgreich erwies. Es diente den économistes als Motto und zugleich als visualisierte Essenz einer neuen Herrschaftsauffassung. Nach dem Pflügen des Dauphin 1768 ersetzten Quesnay und sein Kreis die Vorbildfunktion des fremden Kaisers durch die des eigenen Kronprinzen und installierten ein neues, nun französisches Bild des pflügenden Monarchen als künftigen Regenten eines royaume agricole. Da insbesondere der französische König seit dem Siebenjährigen Krieg auf neue patriotische Weise das Vaterland verkörperte,594 hatte Frankreich nun im eigenen künftigen König einen würdigen Träger dieses neuen Herrschaftsideals erhalten. Das neue Bild des ersten Landmannes des Staates ermög­lichte weitere Vergleiche und Einordnungen der Handlung in antike und historische, sogar eigene dynastische Kontexte des Hauses Bourbon. Der Dauphin wurde mit dem Kulturheros Triptolemos, aber auch seinem Ahnen, dem guten König Heinrich IV. gleichgesetzt. Unterschied­liche Text- und Bildmedien feierten einen wohl belehrten und gütigen künftigen König Frankreichs, der sich zeitgemäß den wirtschaft­ lichen und politischen Anforderungen und Notwendigkeiten gestellt zu haben schien. Aus der Perspektive der Medienanalyse von Stuart Hall waren die Jesuitenberichte zum Verhältnis von Landwirtschaft und Herrschaft Anstoß und Interpretationsansatz für die theoretischen Vorstellungen der Physiokraten gewesen. In der Praxis änderte sich ihr Decodierungsverhalten vom Adaptiven zum Oppositionellen, denn mit der Kommunikation des Vergleichs des Dauphin mit antiken Heroen oder französischen Königen stellten sie ein neues Deutungsmodell daneben, was wirkmächtig kommuniziert und rezipiert wurde. Somit finden wir bei den Physiokraten zunächst eine Decodierung, welche durch die Annahme der Inhalte und Deutungen der Jesuitenberichte gekennzeichnet ist und diese ledig­lich in eigene Interessen einbaut. Im Anschluss an das eigenhändige Pflügen des Dauphin sind mit den gezielten Berichten darüber eigene Encodierungsvorgänge zu verzeichnen. Für die Fortsetzung des eigenhändigen könig­lichen Pflügens in den kommenden Jahren oder die offizielle Aufnahme der herrscher­lichen Handlung in das französische Hofzeremoniell gibt es jedoch keine Quellen. Es scheint vielmehr ein einmaliger Vorgang gewesen zu sein, der bei aller schrift­lichen und bild­lichen Dokumentation nur eine Momentaufnahme geblieben ist und eine Hommage an den künftigen König als Ausdruck der Hoffnung auf einen Wandel im Herrschaftsverständnis darstellte. Auch eine konsequente Aufnahme des Pflugmotivs und der Metaphern des neuen Triptolemos bzw. der Ceres in die könig­liche bzw. kronprinz­liche Repräsentation konnten

594 Bell, David: The Cult of the Nation on France: Inventing Nationalism, 1680 – 1800. Cambridge/ Mass. 2003. S. 63.

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nicht nachgewiesen werden. Sie scheint sich vielmehr auf die Verbreitung des Kupferstichs von Boizot durch das Königshaus zu beschränken. Allerdings wurde der Stich durch Ludwig XV. ganz gezielt nach Wien übersandt und diente so der offiziellen Darstellung des Dauphin gegenüber der Braut und den kaiser­lichen Schwiegereltern. Es kann somit von der Kenntnis und der Akzeptanz des neuen, seitens der Physiokraten sowie von einer inzwischen auch größeren Öffent­lichkeit erwünschten Herrschaftsverständnisses durch Ludwig XV. und seinen Nachfolger ausgegangen werden. Dem Wunsch nach dieser Herrscherauffassung konnte entsprochen werden, indem die Vergleiche und Darstellungen huldvoll durch König und Dauphin entgegengenommen wurden. Kommuniziert wurde durch die Krone, dass theoretische und praktische Kenntnisse im Landbau zukünftig als selbstverständ­liches Herrschaftswissen zu gelten hatten. Die sichtbare Akzeptanz der Herrschaftsauffassung als erster Landmann konnte schließ­lich König und Kronprinz helfen, Fragen, Zweifel bzw. Defizitanalysen und Debatten um notwendige oder gar ausbleibende Reformen der französischen Regierung oder Entscheidungen wie die zum Getreidefreihandel zu beenden. Die nachweisbare Kenntnis des amtierenden und des künftigen Königs fungierte als „Stopp-Signal“, das nicht mehr so leicht infrage zu stellen war. Vielmehr bewies sie das Problembewusstsein des Herrschers und vermittelte den Untertanen die Sicherheit, der künftige König wisse Bescheid und kümmere sich um die Belange der Landwirtschaft. Diese Annahme wird durch Georg Schmidts überzeugenden Hinweis gestützt, der ein Grundvertrauen der Untertanen in obrigkeit­liche Fürsorge konstatierte.595 Da die Herrscher mit diesem Grundvertrauen rechneten, musste die Handlung des Pflügens und ihre mediale Verbreitung diese Haltung der Untertanen unterstützen. Die Frage nach der Realisierung der von den Physiokraten gewünschten und geforderten Veränderungen trat in der Wahrnehmung der breiten Öffent­lichkeit in den Hintergrund, weil der positive Effekt der öffent­lichen Darstellungen des landwirtschaftsinteressierten Dauphin zugunsten des Könisghauses bedingte, mög­liche Kritik an der Monarchie und ihrem Nichthandeln zu besänftigen bzw. einzudämmen. Die Öffent­lichkeit beschwichtigte sich somit selbst.596 Dieses „Stopp-Signal“ kam kurzzeitig auch dem Ansehen der Physiokraten in Frankreich zugute, die wegen ihrer Initiative für den Getreidefreihandel in die Kritik geraten und in die Mitverantwortung für die Hungersnöte genommen worden waren. Während sie mit der Öffnung des Getreidehandels die Praktiken des traditionellen patriarchalischen Versorgungssystems gestört hatten, spiegelte der mediale Erfolg ihrer Beschreibung vom pflügenden und somit landwirtschaft­lich instruierten Dauphin die öffent­liche Meinung: die Hoffnung auf Lösung der Versorgungsprobleme durch den künftigen König. 5 95 Schmidt, Frühneuzeit­liche Hungerrevolten, S. 280. 596 Dieses Ergebnis ist durch die Forschungen der Medienanalyse gestützt, die davon ausgeht, dass die Öffent­lichkeit als Bedeutungsempfänger selbst auch Bedeutungsproduzent ist und somit auch Deutungs- und Wirkungsmacht erhält.

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Die breite Kenntnis des Pflugrituals und einer damit verbundenen erweiterten Herrschaftsauffassung ist nicht nur der schrift­lichen Propaganda physiokratischer Autoren oder der Reiseberichterstatter zu verdanken. Das eigenhändige Pflügen des Dauphin avancierte, obwohl nicht als Inszenierung des Hofes geplant, durch die gezielte Berichterstattung der Physiokraten zu einem zeitgenössisch bedeutenden Ereignis. Es verselbständigte sich zu einem Medienereignis, das vor allem die gelungene Erziehung des künftigen Königs inszenierte. Die Verwendung des Begriffes Medienereignis erscheint in diesem Kontext sinnvoll, weil sich am Beispiel des pflügenden Dauphin sehr gut zeigen lässt, wie aus einem Geschehen durch den Einsatz unterschied­licher Medien im Auftrag unterschied­licher Personenkreise ein Ereignis wurde, das durch einen Kommunikationsprozess für die Zeitgenossen und auch für spätere Generationen einen überraschenden, nicht alltäg­lichen oder gar einzigartigen und außergewöhn­lichen politischen Sinn transportierte.597 Es handelt sich um die erste Anwendung dieser Strategie durch die Schule der économistes, ihre Vorstellung von einem idealen despot légal und seinem landwirtschaft­lichökonomischen Wirken für den eigenen künftigen König in eine Metapher zu fassen. In ihren Korrespondenzen mit ausländischen Potentaten, die sich ihrer Lehre nicht abgeneigt zeigten, trugen sie diesen in den 1770er Jahren ebenfalls blumige Ehrentitel an. So erhoben sie Leopold von Toskana zum Prince pasteur und Gustav III. von Schweden zum Salomon du midi.598 Das Motiv des pflügenden chinesischen Kaisers spielte in diesen Entwürfen aber keine Rolle mehr. Es war ausschließ­lich als Anstoß und Vergleich auf Louis Auguste als Dauphin und späteren König Frankreichs übertragen worden. Zugleich wurde es durch ihn kurzzeitig abgelöst und durch sein Beispiel in der Propaganda der Physiokraten ersetzt. Doch der ersehnte Erfolg im Sinne einer nachhaltigen und spürbaren Protektion der Landwirtschaft blieb in Frankreich aus, weshalb sich die Physiokraten allmäh­lich anderen Monarchen Europas zuwandten. Das eigenhändige Pflügen des Dauphin geriet in Vergessenheit. In Frankreich blieb die Förderung des Bauernstandes und die Durchführung a­ ktiver Reformen in der Landwirtschaft durch einen weisen Monarchen vorerst nur eine Hoffnung, die nach dem Regierungsantritt Ludwigs XVI . unerfüllt blieb. Dabei waren beim jungen französischen Königspaar, Ludwig XVI. und Marie Antoinette, durchaus 597 Zum Begriff des Ereignisses vgl. Sahlins, Marshal: Die erneuerte Wiederkehr des Ereignisses. Zu den Anfängen des großen Fidschi-Krieges zwischen den Königreichen Bau und Rewa 1843 – 1855. In: Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur historischen Anthropologie. Hg. v. Rebecca Habermas/Nils Minkmar (Wagenbachs Taschenbuch, Bd. 212). Berlin 1992. S. 84 – 129. Hier S. 89. Vgl. auch Andreas Suter: Kulturgeschichte des Politischen – Chancen und Grenzen. In: Zeitschrift für Historische Forschung 2005 Beiheft 35. S. 27 – 56. Hier S. 30. Zentrale Untersuchungen zu Medienereignissen finden sich in dem Sammelband: Europäische Wahrnehmungen 1650 – 1850. Interkulturelle Kommunikation und Medienereignisse (The formation of Europe, Bd. 3). Hg. v. Joachim Eibach/Carl Horst. Hannover 2008. 598 Metzler, Markgraf Karl Friedrich von Baden und die französischen Physiokraten, S. 54.

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Einsichten zur Bedeutung der Landwirtschaft erreicht worden. Sie äußerten sich jedoch nicht in der ständigen offiziellen könig­lichen Repräsentation und konsequentem entsprechenden politischen Handeln, sondern insbesondere in einem persön­lichen und teilweise sogar spielerischen Kontext wie etwa dem Hameau in Versailles 599 oder den Mustergütern, die der König in der Umgebung seiner Residenz anlegen ließ. Das Landleben im Versailler Hameau diente beispielsweise im ganz klassischen Sinne der Hofflucht und dem Individualisierungsprozess der jungen Königin. Landwirtschaft­liche Betätigung wurde im künst­lichen Dörfchen zu einer Privatangelegenheit und zu einem Vergnügen, nicht zur Wahrnehmung der notwendigen offiziellen Aufgabe des Königs oder der Königin. In der ausschließ­lich spielerischen Nachahmung bäuer­licher Tätigkeiten Marie Antoinettes sahen Zeitgenossen deshalb eher eine Ab- und Entwertung von Landarbeit, die den Versuch der Physiokraten und anderer ökonomischer Denker, den Ackerbau im Bewusstsein der französischen Monarchie wieder in ihrer alten wichtigen Bedeutung zu verankern, ironisch konterkarierte. Sie schien mit ihrem künst­lichen Dörfchen diesen Versuch in die Lächer­lichkeit zu ziehen und zur reinen Mode zu degradieren, wenn sie ihre Kühe molk und fütterte bzw. sich mit Kartoffelblüten schmückte.600 Die Königin brüskierte mit ihren eigenhändigen Arbeiten eher den Bauernstand, als ihn aufzuwerten.601 Ihr Hameau war Ausdruck einer bukolischen Schäferkomödie und nicht der Wahrnehmung ihrer offiziellen Funktion als Reine bienfaisante.602 Aufgrund der nicht erfüllten Erwartung, dass der neue König sich aktiv und öffent­lich als Förderer der Landwirtschaft darstellte, wurde schon nach kurzer Zeit in der belehrenden Literatur unterschied­licher Gattungen wieder auf die Vorbilder des chine­sischen Kaisers oder – deut­lich seltener – des Heros Triptolemos zurückgegriffen. Gerade der Rückgriff auf das Pflugritual des Kaisers in China zeigte, dass eine dauerhafte Implementierung der antiken Beispiele oder der aktuellen Monarchen als Vorbilder einer 599 Gorgus, Nina: Der „Weiler der Königin“ in Versailles. Eine Rezeptionsgeschichte. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde. LVII/106 (2000). S. 303 – 324. Martin, Dairy Queens, S. 158ff. 600 Auch der Versuch eines Stilwandels in der könig­lichen Garderobe stieß in der Öffent­lichkeit auf Unverständnis und Kritik. Indem die Königin nunmehr leichte, fast bäuer­liche Leinenkleidung favorisierte, brach sie mit der Tradition der könig­lichen Repräsentation und einem festgefügten, gesellschaft­lichen Regelwerk. Eine ausführ­liche Beschreibung des Stilwandels und der Hintergründe der öffent­lichen Reaktionen findet sich bei Weber, Caroline: Queen of Fashion. What Marie ­Antoinette Wore to the Revolution. London 2007. S. 131 – 163. 601 Zu den Kritiken vgl. Hunt, Lynn: The Many Bodies of Marie-Antoinette: Political Pornography and the Problem of the Feminine in the French Revolution. In: Goodman, Dena (Hg.): Marie-Antoinette. Writings on the Body of a Queen. New York 2003. S. 117 – 138. Sherriff Mary D: The Portrait of the Queen. In: ebd. S. 45 – 72. Thomas, Chantal: The Heroine of the Crime: Marie-Antoinette in Pamphlets. In: ebd. S. 99 – 116, und schließ­lich Wolff, Lary: Habsburg Letters: The Disciplinary Dynamics of Epistolary Narrative in the Correspondence of Maria Theresa and Marie-Antoinette. In: ibd. S. 25 – 44. 602 Hierzu erklärend: Wagner, Gärten und Utopien, S. 85 – 89 sowie Clavilier, Cérès et le laboureur, S.122 – 126.

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neuen Rolle durch die Physiokraten nicht gelungen waren, sondern noch immer der Bedarf zur Mahnung bestand. Der Dichter Jean-Antoine Roucher (1745 – 1794) widmete sich in seinem Gedichtzyklus Les Mois, Poème en douze chants aus dem Jahr 1779 den zwölf Monaten des Jahres. Er verherr­lichte darin nach physiokratischem Vorbild die Landwirtschaft als erste und wichtigste Kunst. Roucher eröffnete sein Gedicht mit dem Frühling. Begeistert und ermahnend schilderte er das Pflugritual des chinesischen Kaisers in der Strophe zum Monat März: Tandis que du boucher la flamme étincelante Devore en pétillant la victime sanglante, Le maître de l’Empire, armé d’un aiguillon, Guide le sac poudreux, ouvre un premier sillon, Et d’une main prodiguée y dépose en semance Ces grains, dont le Cathay nourrit un peuple immense. Jour rayonnant de gloire, où ce sage Empereur, Au rang de Mandarin place le Laboureur, Qui soumit une plaine inculte, et fit éclarer De nouvelles moissons sur un sol vierge encore.603 Das Gedicht zeigt, dass sich gut zehn Jahre nach dem Versuch, den Dauphin von der Notwendigkeit einer neuen Rolle als erstem Landmann des Staates zu überzeugen, sämt­ liche Hoffnungen der Physiokraten auf einen roi paysan zerschlagen hatten. 4.3 Imperator arans – Joseph II. als pflügender Monarch im kollektiven Gedächtnis

Ein reich­liches Jahr, nachdem das eigenhändige Pflügen des Dauphin in Frankreich zu einem Medienereignis stilisiert worden war, führte auch sein künftiger Schwager, Kaiser Joseph II. (1741 – 1790), am 19. August 1769 im mährischen Dorf Slawikovice den Pflug. Auf seiner Reise nach Olsany und Neisse erlitt seine Kutsche einen Achsbruch und der Monarch nutzte die Zeit der Reparatur, um sich von dem Knecht des Halblehnbauern 604 Andreas Trnka, Jan Kartos, den Pflug zu leihen und selbst einen Teil des

603 Roucher, Jean-Antoine: Les Mois, Poème en douze chants. Bd. 1. Paris 1779. S. 24. 604 Die länd­liche Bevölkerung der Kronländer machte etwa 80 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Sie bestand aus den eigent­lichen Bauern als Inhabern von Viertel-, Halb- oder Ganzhuben bzw. Lehen und den länd­lichen Unterschichten wie Häuselleuten, Inleuten und dem Gesinde. Im 18. Jahrhundert nahm durch Verarmung und Hungersnöte die Zahl der Menschen in Armut rapide zu. Zur Struktur der länd­lichen Bevölkerung vgl. Bruckmüller, Ernst: Sozialgeschichte Österreichs. Wien ²2001. S. 137ff.

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Feldes zu bestellen.605 Obwohl es sich um eine zufällige und spontane Idee Josephs handelte, avancierte die länd­liche Arbeit des Kaisers ebenfalls zu einem Medienereignis, das bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sein Bild als „Bauernkaiser“606 und „Ernährer der Menschheit“ prägte. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, ob Joseph das Motiv des pflügenden chinesischen Kaisers präsent gewesen ist und wie sich sein Verhältnis zu den zeitgenössischen agronomischen Auffassungen der Physiokraten und der Kameralisten gestaltete. Im Anschluss daran wird analysiert werden, welche Personen oder Gruppen das Pflügen Josephs zu einem Ereignis und später zu einem Medienereignis erhoben. Neben ihren Intentionen soll nach den Medien gefragt werden, durch die das Ereignis bekannt und tradiert wurde.

4.3.1 Die Rolle Chinas, der Landwirtschaft und der Physiokratie in der Erziehung Josephs

Dem jungen Erzherzog Joseph wurde während seiner umfassenden Ausbildung zur Vorbereitung auf die unterschied­lichen herrscher­lichen Ämter im Alten Reich sowie in den Österreichischen Erblanden auch die Bedeutung der Landwirtschaft nahegebracht. In den Vorträgen zum Unterricht im Natur- und Völkerrecht sowie im Deutschen Staatsund Lehenrecht, die Christian August Beck, Professor und Kollege Justis am Theresianum für den Prinzen erarbeitete, findet sich unter dem § 10 ein Artikel mit dem Titel Vom Ackerbau und [der] Vermehrung der Unteranen. Es heißt darin: Auch den Ackerbau muß ein Regent befördern. Bei den Römern legten sich die vornehmsten Leute darauf; Cato und Varro haben sogar Bücher davon geschrieben. Ist kein Ackerbau mög­lich, wie z. E. in Holland, so muß dem Mangel durch die Zufuhr abgeholfen werden. Die Holländer 605 Zemek, Metodej: Joseph II. und Slavkovice. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Niederösterreichische Landesausstellung, Stift Melk, 29. März-2. Nov. 1980 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N. F. 95). Wien ²1980. S. 291 – 292. 606 Nach Karl Vocelka war Joseph der Bauern- und Volkskaiser. Vocelka, Karl: Das Nachleben Josephs II. im Zeitalter des Liberalismus. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Niederösterreichische Landesausstellung, Stift Melk, 29. März-2. Nov. 1980 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N. F. 95). Wien ²1980. S. 293 – 298. Auch die Außenwahrnehmung verweist auf den hohen Stellenwert der Landwirtschaft in der Politik Kaiser Josephs II., wie ein Vers auf seinen Tod zeigt: Der Bauern Gott Der Bürger Not Des Adels Spott Liegt auf den Tod. Zit. n. Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 181.

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müßten alle auseinanderlaufen, wenn ihnen niemand Getreide zuführte. In China muß der Kaiser alle Jahre mit gewissen Solennitäten ein Stück Feld umarbeiten, und der beste Feldarbeiter in jeder Provinz wird zum Mandarin gemacht und alle Jahre wird zu Ehren des Ackerbaus ein besonderes Fest gehalten.607 Joseph wurde darüber hinaus die Bedeutung einer hohen Bevölkerungszahl nahegebracht sowie die Wichtigkeit einer gesicherten Versorgung mit Nahrungsmitteln, die nicht von der Größe eines Landes, sondern von der Fruchtbarkeit und den Fähigkeiten zur Bearbeitung des Bodens abhinge. Auffällig ist dabei die Hervorhebung der Rolle des chinesischen Kaisers für den Ackerbau durch sein eigenhändiges Pflügen sowie die Betonung des Auszeichnungswesens für Bauern in China. Damit griff die Erziehungsschrift knapp, aber konkret die wesent­lichsten und in Europa bekanntesten, aber auch für die Kronländer wichtigsten vorbild­lichen Aspekte der Beziehung der Herrschaft zur Landwirtschaft auf. Zahlreiche weitere Informationen über China aus erster Hand und direkt von Missionaren vor Ort erhielt Joseph nachweis­lich über seinen Erzieher und philoso­phischen Lehrer, den Jesuiten Joseph Franz.608 Insgesamt lag die Ausbildung Josephs in den Händen der Jesuiten. Josephs Vorstellungen von der Landwirtschaft und sein Interesse am Ackerbau waren durch seine intensive Auseinandersetzung mit den physiokratischen Lehren geprägt. Aus diesem theoretischen Wissen sowie den Erfahrungen seiner Reisen durch Böhmen und Mähren während der Hungerkrisen 1769 und 1771, durch Galizien 1773 und Frankreich 1777 speisten sich seine Reformenpläne im Agrarsektor, die er im Laufe der 1770er Jahre initiierte.609 Joseph folgte den Forderungen der Physiokraten, dass 607 Conrad, Hermann (Hg.): Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias. Die Vorträge zum Unterricht des Erzherzogs Joseph im Natur- und Völkerrecht sowie im Deutschen Staats- und Lehnrecht (Wissenschaft­liche Abhandlungen der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Bd. 28). Köln 1964. S. 275f. 608 Art. zu Joseph Franz. In: Killy, Walther/Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche Biographische Enzy­ klopädie. Bd. 3. München ²2006. S. 472. 609 Neben Französisch und Italienisch lernte er auch Tschechisch und Ungarisch, um mit seinen Untertanen in den böhmischen, mährischen und ungarischen Kronländern kommunizieren zu können. Diese Fähigkeit erleichterte ihm den persön­lichen Umgang mit Untertanen sowie die Informationsbeschaffung auf seinen Reisen. Reinalter, Helmut: Joseph II.: Reformer auf dem Kaiserthron (Beck’sche Reihe, Bd. 2735). München 2011. S. 11ff. Auf seiner Reise nach Frankreich hielt er in seinem Tagebuch beispielsweise am 5. Juni 1777 auf der Fahrt Richtung Paris fest: Dinard. Das Land ist hüg­licht, und nicht sehr fruchtbar, die Bauersleute sehen elend aus. Zit. n. Benedikt, Ernst: Kaiser Joseph II. 1741 – 1790. Mit Benützung ungedruckter Quellen. Wien 1936. S. 319. Zu den Reisen vgl. Wagner, Hans: Die Reise Josephs II. nach Frankreich 1777 und die Reformen in Österreich. In: Salzburg und Österreich. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 8 (1982). S. 335 – 360. Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, S. 205 – 209. Feigl, ­Helmuth: Landwirtschaft und Grundherrschaft. Ihre Entwicklung unter Joseph II. In: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Katalog des niederösterreichischen Landesmuseums. Landesausstellung vom 29. März-2. November 1980,

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sich die Anstrengungen der Herrschenden auf diesen vernachlässigten Bereich zu konzentrieren hatten. Um den ökonomischen und agrarischen Bereich zu stärken, folgte Joseph dem Vorbild seines Vaters Franz Stephan, der entsprechende Innovationen im Alten Reich mit Nobilitierungen belohnt hatte. Die Nobilitierung Johann Christian Schubarts zum Edlen von Kleefeld im Jahre 1784 als Anerkennung seiner Leistungen um den Kleeanbau durch Kaiser Joseph II. unterstrich beispielsweise das Interesse des Monarchen an neuen Früchten und erhob den Kleeanbau zu einer standesgemäßen und vornehmen Tätigkeit des Adels als Landwirte.610 Es handelte sich allerdings um eine Geste mit geringer Außenwirkung auf den erbländischen Adel. Derartige Nobilitierungen sind gleichwohl als ein klarer Hinweis seitens der Obrigkeit an die altadeligen und erbländischen Eliten zu verstehen, sich auf den traditionellen agrarischen Bereich ihrer Güter und die Anleitung ihrer Bauern zu konzentrieren. Hier folgte Joseph einer der wesent­lichen Forderungen des Kameralisten Justi sowie den Zielen der Physiokraten. Zugleich signalisierte der Monarch mit den Nobilitierungen, dass neue ökonomische Betätigungsfelder – etwa der Handel für den Adel – seitens der Obrigkeit erwünscht waren. Joseph erkannte zudem die Bedeutung der Bauern als bisher unbeachtete Käufer­ gruppe, sah aber auch ihre mangelnden Fachkenntnisse, den schlechten technischen Zustand ihrer Arbeitsgeräte und vor allem die Problematik ihrer Unfreiheit in Böhmen und Mähren.611 Auch die von Quesnay für China konstatierte erfolgreiche Regierungsform des Despotisme légal überzeugte Joseph, bot sie doch gute Instrumentarien und theoretische Legitimationen für den eigenen reformerischen Handlungswillen.612 Der Stift Melk (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, N. F. 95). Wien ²1980. S. 45 – 51. Vocelka, Karl: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, München 42000. S. 162f. Rodolsky, Roman: Die große Steuer- und Agrarreform Josephs II. Ein Kapitel zur österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Warschau 1961. S. 17ff. Csabodi, Ssaba: Die Wirtschaftspolitik des Österreichischen Staatsrates im Zeitalter Josephs II. In: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 67 (1959). S. 317 – 326. 610 Rang und Rechte des Adels waren an eine eigene Lebensform und Standesethik mit Ehrendiensten für die Monarchie verbunden. Dieser Status erschien dem Adel nicht mit Erwerbstätigkeit vereinbar. Mager, Wolfgang: Das Aufkommen des französischen Notabeln-Bürgertums im 18. Jahrhundert und die Krise der absoluten Monarchie. In: Reinalter, Hemut/Gerlach, Karlheinz (Hg.): Staat und Bürgertum im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Studien zu Frankreich, Deutschland und Österreich. Ingrid Mittenzwei zum 65. Geburtstag (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770 – 1850“, Bd. 17). Frankfurt/M. 1996. S. 11 – 61. Hier S. 19. Herrmann, Pflügen, Säen, Ernten, S. 145. Zwischen 1740 und 1780 waren 38% aller Nobilitierten Beamte, ca. 10% davon in der Wirtschaft oder Landwirtschaft tätige Personen. Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, S. 168. 611 Joseph setzte sich insbesondere für die Verbesserung der Situation (beispielsweise durch die Abschaffung der Leibeigenschaft, der Frondienste und die Beschränkung der Strafgerichtsbarkeit der Grundherren) der Bauern ein, wovon er sich eine Steigerung der agrarischen Produktion versprach. Vgl. Magenschab, Hans: Josef II. Revolutionär von Gottes Gnaden. Graz/Wien/Köln 41989. S. 228f. 612 Zu physiokratischen Anregungen für sein eigenes Konzept des Etatismus und der Regierung durch gesunde Vernunft vgl. Birtsch, Idealtyp des aufgeklärten Herrschers, S. 31. Hackl, Bernhard: Die

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junge Kaiser blieb aber trotz seiner Akzeptanz wesent­licher Bestandteile der physiokratischen Lehren in kritischer persön­licher Distanz zu den Mitgliedern der Schule. Dies veranlasste Du Pont, Joseph durch gezielte Maßnahmen als Anhänger der Physiokraten zu gewinnen. Er verfasste 1771 ein panegyrisches Drama mit dem Titel L’Empereur Joseph Second und bat die badische Markgräfin Karoline Luise (1723 – 1783), dem Kaiser das Stück zukommen zu lassen.613 Im Mittelpunkt des Dramas steht Joseph als Ideal zeitgenössischen herrscher­lichen Verhaltens. Die Handlungsrahmen entpuppt sich als höchst banal. Joseph, als Bürger verkleidet, geht inkognito durch die Straßen Wiens und erfährt von der Not einer verwitweten Bäuerin. Er hilft ihr uneigennützig.614 Im Mittelpunkt der Handlung steht somit der Kaiser als leutseliger und volksnaher Freund bzw. Nothelfer der Bauern bzw. des einfachen Volkes. Der Kaiser wird als Herrscher dargestellt, der die Grenzen zwischen den Ständen durch sein Verhalten auf natür­liche Weise überwunden und so mit seiner Person die einfachste Form der Annäherung vorgeführt habe. Daneben verweist Du Pont darauf, dass Josephs Verhalten mit den Traditionen im Einklang steht und keinen Bruch bedeutete: Sein Auftreten gegenüber der jungen Frau entsprach schließ­lich dem Topos herrscher­licher Pf­lichten, als Schützer von Witwen und Waisen zu fungieren. Im Verlauf des Stückes wird ein sehr konkretes Bild der Herrschaftsauffassung gezeichnet, welche sich die Physio­kraten von Joseph erhofften sowie in seinen ersten Reformen auch schon erkannt zu haben glaubten. Du Pont beginnt mit

staat­liche Wirtschaftspolitik zwischen 1740 und 1792. Reform versus Stagnation. In: Reinalter, ­Helmut (Hg.): Josephinismus als Aufgeklärter Absolutismus. Wien/Köln/Weimar 2008. S. 191 – 271. Hier S. 224f, S. 229. Rodolsky, Die große Steuer- und Agrarreform Josephs II., S. 19. 613 Eine handschrift­liche Kopie des Stücks, sehr wahrschein­lich eine Zweitversion für die Markgräfin, liegt noch heute in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Das Exemplar befindet sich dort unter der Signatur K 77. Das Stück umfasst 72 handschrift­liche Seiten aus der Feder Du Ponts und steckt in einer edlen, mit goldenen Blumen verzierten Papiermappe. Du Pont stellt sich selbst als Autor des Stücks mit allen seinen Funktionen dar: Par Du Pont de l’académie des belles lettres de Caen, des Societés Royales d’agriculture de Soissons, d’Orléans, et de Limoges, Correspondant de la sociéte l’emulation de Londres, auteur des Ephémérides du Citoyen. O.Pag. Du Pont schrieb am 11. Juli 1772 an Markgraf Karl Friedrich nach Baden: Si Vos Altesses ne dédaignent pas d’y jeter les yeux et ne la trouvent pas totalement indigne d’être présentée, je les supplierai d’avoir la bonté d’en faire parvenir une des deux [copies] à Vienne, et de vouloir bien faire en sorte qu’elle soit remise à l’Empereur. Zit. n. Knies, Brief­licher Verkehr, Bd. 1, S. 142. Das Stück wurde bisher von der Forschung weitgehend übersehen. Kurz dazu Vardi, Physiocratic Visions, S. 113ff. Abrosimov, Wissenstransfer und Austausch, S. 28. 614 Obwohl kein konkreter Zusammenhang zwischen Du Ponts Stück und der bild­lichen Verarbeitung hergestellt werden kann, soll nicht unerwähnt bleiben, dass 1780 ein anonymer Kupferstich erschien, der Joseph im Gespräch mit einer Bauernmagd zeigt. Der Stich unterstreicht aber genau die Volksnähe des Kaisers, die auch Du Pont hervorgehoben hatte. Schmidt-Vorster, Angelika: Pro Deo et Populo: Die Porträts Josephs II. (1765 – 1790). Untersuchungen zu Bestand, Ikonographie und Verbreitung des Kaiserbildnisses im Zeitalter der Aufklärung. (Diss.) München 2006. Anhang Kat. Nr. 283. Der Stich befindet sich im Wien Museum, Inv. Nr.: 86.515 (521/6).

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einem unverhohlenen Herrscherlob, in dem er Helden aus Mythen als Vorbilder verwirft, wenn doch die Zeitläufte einen Fürsten wie Joseph hervorgebracht haben, der sein Amt als Philantroph führe und kritisch hinterfrage.615 Du Pont beschrieb ausführ­lich die Einsichten Josephs, der erkannt habe, dass die größte Gefahr für die Könige die Ignoranz des eigenen Staats oder seiner Menschen darstellten, der Liebe für seine Aufgaben empfinde, aber Tugenden wie Wahrheit bei Hofe vermisse. Bitter habe Joseph eingestanden, die nütz­liche Wahrheit werde am Hof eingeschüchtert und komme nicht zu Tage.616 Als vornehmste Aufgabe habe er sich vorgenommen, die Rechte der Menschen zu schützen. Immer wieder betonte Du Pont das Pf­l ichtethos Josephs. Zudem habe er ein offenes Ohr für das Wirken der Natur und handle im Sinne der Natur.617 Das eigenhändige Pflügen Josephs 1769 bleibt aber in Du Ponts Lob des Kaisers unerwähnt. Du Pont betonte nach der gleichen Strategie, die im vorangegangenen Kapitel schon für die Rubrik der Événements publics in den Ephémérides du Citoyen vorgestellt worden ist, die Übereinstimmung von Josephs Auffassungen und seinem Handeln mit den Lehren der Physiokraten. Auf diese Weise suggerierte er auch diesem Herrscher die gegenseitige Nähe und mög­liche Abhängigkeit. Mit dem Lob des Kaisers schmeichelte Du Pont auch der eigenen Schule, da sie die inhalt­lichen Anstöße zu seinem Herrschaftsverständnis gegeben und ihn somit geprägt hatte. Das Stück stellte damit einen neuen Aspekt der Eigenwerbung und Propaganda der économistes dar, jedoch diesmal unter Verzicht auf eine öffent­liche Darstellung der herrscher­lichen Leistung Josephs. Der gewählte Weg der Dedizierung des Stückes verweist eher darauf, dass Vorsicht und Zurückhaltung geboten schien, wenn das badische Markgrafenpaar als erklärte Gönner und Freunde der Physiokraten als Vermittler bzw. Überbringer eingesetzt wurde.618 Eine Reaktion Josephs auf das ihm gewidmete Stück ist nicht bekannt. Es änderte sich danach auch nichts an seiner distanzierten Haltung zu den Mitgliedern der Schule.

4.3.2 Der pflügende Kaiser als Medienereignis

Die Reise, die Joseph nach seinem Besuch in Italien im Sommer 1769 nach Böhmen und Mähren antrat, hatte ihren Grund auch in den schlechten Ernten in beiden Kronländern. Eine mög­liche Hungerkrise stand bevor, die sich in den darauffolgenden beiden Jahren 1770/71 noch einmal ausweiten sollte. Sein Reiseziel bestand 1769 vor allem in der Visitation, der Vorbeugung von Spekulationen hinsicht­lich der Getreidepreise sowie 6 15 Du Pont, L’Empereur Joseph Second, Préface, S. 5f. 616 Le plus grand danger qui menace les Rois, c’est ignorer l’êtat où leur Peuple peut être! Du Pont, L’Empereur Joseph Second, fol. 8v. 617 Ibd. fol. 11r. 618 Zur Freundschaft Du Ponts mit dem badischen Markgrafenpaar Metzler, Markgraf Karl Friedrich von Baden und die französischen Physiokraten, S. 44.

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der Prävention hinsicht­lich mög­licher Aufstände.619 Die Reise diente ihm aber auch dazu, den Zustand der Landwirtschaft und die Lebensumstände der Bauern in diesem Gebieten kennenzulernen. In seinem Reisetagebuch hielt er die Eindrücke seiner Fahrt fest. Im Eintrag unter dem 31. Mai 1769 steht etwa: Bei Sztaray und Horwath müssen sie [die Untertanen] von Johannis bis Michaelis ein- und alle Tag mit allem ihrem Vieh robotten: das ist entsetz­lich.620 Diese Reise kann als Auftakt zu den Agrarreformen der kommenden Jahre sowie des notwendigen Krisenmanagements für die Hungersnöte eingeordnet werden. Das spontane Pflügen auf dieser Reise entsprach ganz seinen Interessen für die Landwirtschaft sowie seines gewohnt volksnahen Umgangs mit Untertanen. Darüber hinaus war ihm durch seine Erziehung sowie die Studien der physiokratischen und kameralistischen Schriften die Bedeutung, welche die Zeitgenossen dem eigenhändigen Pflügen des chinesischen Kaisers als symbolische Aussage zugestanden, nicht unbekannt. Auch die Pflugversuche seines künftigen französischen Schwagers im Sommer des Jahres 1768 werden ihm nicht entgangen sein. Dennoch maß er seiner Handlung persön­lich keine höhere Bedeutung bei. Erst das Interesse seiner Mutter Maria Theresia an dem Vorgang nach Josephs Rückkehr initiierte eine höfische Kampagne, die das Pflügen des jungen Kaisers öffent­lich in unterschied­lichen Medien inszenierte. Im November 1769 bat Hofkanzleipräsident Graf Blümegen den mährischen Gubernator, Graf Schrattenbach, im Auftrag der kaiser­lichen Mutter um genauere Auskünfte über den Ort und das eigent­liche Geschehen, von dem man bei Hofe keine genauen Informationen besaß: Ihro kay. Königl. Maytt. Ist allergnädigst zu vernehmen gekommen, daß des Röm. Kayser Maytt. Bey allerhöchst dero letzthin durch Mähren vorgenohmenen Reyse von einem auf dem Felde befind­lich gewesten Ackers=Mann den Pflug ergriefen [sic!], und selbsten hiermit ein Stuck Feldt geackert haben. Allerhöchst gedacht Ihre Maytt. Verlangen dahero von Euer Excellenz verläß­lich zu wießen, in was für einer gegend solches geschehen und weme der Acker, auf welchem des Röm. Kaysers maytt. Den Pflug geführet haben, zuständig gewesen seye?621 Maria Theresia erkannte offensicht­lich das Potential, das in der Geste Josephs steckte, und suchte deshalb die öffent­liche Darstellung. Parallel dazu hinterließ das eigenhändige Pflügen aber auch im Dorf Slawikovice bei 619 Reinalter, Joseph II., S. 29, S. 81. Beales, Derek: Joseph II. In the Shadow of Maria Theresia 1741 – 1780. Cambridge 1987. S. 340. Benedikt, Kaiser Joseph II., S. 104. Zu Bauernunruhen in Schlesien 1766 und 1767 vgl. Grünberg, Karl: Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherr­lich-bäuer­lichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien. Bd. 2. Leipzig 1893. S. 67ff. 620 Zit. n. Benedikt, Kaiser Joseph II., S. 310. Zu den Robotregulierungen in Böhmen und Mähren seit 1738 vgl. Grünberg, Die Bauernbefreiung, Bd. 2. S. 20 – 42. Zu den Robotpatenten von 1775 ibd. S. 155ff. 621 Zit. n. Bretholz, Berthold: Der aktenmäßige Bericht über Kaiser Josephs II. Pflügung eines Ackerstücks beim Dorfe Slavkowitz am 19. August 1769 und die Errichtung eines Denkmales daselbst. In: Zeitschrift des deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens 32 (1930). S. 79 – 98, S. 185 – 198. Hier S. 80.

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den Bauern sowie beim mährischen Adel, auf dessen Ländereien der Kaiser gewirkt hatte, einen Eindruck. Josephs praktische ackerbau­liche Versuche wurden also von drei Gruppen mit jeweils eigenen Interessen aufgegriffen und in eigene Formen medialer Interpretation und Memoria übertragen.622 Nachfolgend soll die Erinnerung vor Ort, aber auch der Versuch, den Vorgang in ein zentrales, überört­liches Gedächtnis zu integrieren, untersucht werden. Zur Auswertung wird zunächst auf die Sammlung von Gedenksteinen und bild­lichen Darstellungen zurückgegriffen, die Marcela Mechurová in ihrer Diplomarbeit Der aufgeklärte Despot Joseph II. und seine Spuren nicht nur bei Slawkowitz in Mähren im Jahr 2007 zusammengestellt, jedoch nur in Ansätzen analysiert hat. Darüber hinaus werden weitere Text- und Bildquellen hinzugezogen, die vor allem Bezüge des Geschehens zum pflügenden Kaiser in China als Vorbild herstellen. a. Memoria vor Ort – Pflug und Gedenksteine Die Bauern verspürten das Bedürfnis, das Feld des Halblehnbauern Trnka 623 als Ort des Geschehens zu markieren bzw. sichtbar als „Kaiseracker“ im Sinne eines vom Kaiser geadelten Ackers hervorzuheben und zu erhalten. Noch im Jahr 1769 hatten die Bauern des Ortes Slawikovice einen einfachen Stein aus grobem Sandstein mit der Aufschrift errichtet: Ano 1769 den 19. Augusti haaben Iro k. k. Majestät Josephus II. auf Disem Felt keackert. Zum ewigen Tenkzeichen Haben Mir Slawkowitzer Kemain Disen Stein Eingesetzt.624 Der Stein, etwa mannshoch und in Form eines Grenzsteins gehalten, wurde aber bereits 1788 entfernt, weil er durch die Witterung unansehn­lich geworden war, darüber hinaus aber auch ein Gegenstück der mährischen Stände entstanden war: Auch das Bauern-Denkmal lag nieder – der Stein war schon 1788 gebrochen.625

622 Marcela Mechurová ist es in ihrer Diplomarbeit gelungen, zentrale Schrift- und Bildquellen zur Entstehung der unterschied­lichen Gedenksteine zu sammeln und als Material zur Verfügung zu stellen. Allerdings fehlt der Arbeit eine Analyse und Einordnung der Bedeutung des kaiser­lichen Pflügens als Medienereignis. Marcela Mechurová: Der aufgeklärte Despot Joseph II. und seine Spuren nicht nur bei Slawkowitz in Mähren. Brünn 2007 (Masaryk-Universität Brno, Pädago­gische Fakultät). Betreuer Dr. Richard Rothenhagen. Unpubliziert, online verfügbar unter http://is.muni. cz/th/80005/pedf_m/Joseph_II..pdf (gesehen am 09.10.2009). 623 Zeitgenössische Miniaturporträts des Bauern und seiner Frau befinden sich im Moravske Museum in Brünn. Abbildungen dazu bei Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 84. 624 Zit. n. Magenschab, Josef II. Revolutionär von Gottes Gnaden, S. 229. Magenschab gibt leider keinen Beleg für das Zitat an. Die Inschrift ist abgebildet im Katalog Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II. Mitregent Kaiserin Maria Theresias, Kaiser und Landesfürst. Katalog des niederösterreichischen Landesmuseums. Landesausstellung vom 29. März-2. November 1980, Stift Melk (Katalog des Nieder­österreichischen Landesmuseums, N. F. 95). Wien ²1980, Kat. Nr. 128, S. 354. Vgl. ebenfalls zur Inschrift bei Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 50. 625 D´Elvert, Christian: Joseph II. huldigt dem Ackerbaue. In: Notizen-Blatt der historich-statistischen Section der kaiser­lich könig­lich mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde. Brünn 1869. S. 64.

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Eine besondere Rolle in der Erinnerung der Bauern spielte jedoch der Pflug selbst. Die Bauern des Dorfes bewahrten das Ackergerät, das die kaiser­liche Hand geführt hatte, zunächst über ein Jahr lang selbst auf. Durch die Aufbewahrung dieses Arbeitsgeräts wurde ein Symbol geschaffen, das die Bauern immer wieder daran erinnerte, dass ihr Herrscher, die gleiche Arbeit wie sie oder ihre Knechte verrichtet hatte. Der Pflug war der Beweis, dass sich der Monarch für ihr Tagwerk interessierte und es selbst auszuprobieren wünschte. Somit war dieses Arbeitsgerät auch ein Gegenstand, der die Aufmerksamkeit und die Ehre, die der bäuer­lichen Tätigkeit von höchster Stelle zuteil geworden war, belegte und immer wieder aufs neue nachvollziehbar machte. Der Pflug schuf zwischen den Bauern und dem Kaiser eine symbolische Gemeinschaft in der Arbeit. Er konnte den Bauern als materieller Zeuge dienen, der bewies, dass die Kluft zwischen der Monarchie und dem vernachlässigten Stand der Bauern überwunden war. Gerade die öst­lichen Gebiete des Habsburgerreiches wie Mähren waren lange Zeit hinter den teilweise jahrhundertealten Freiheiten der Bauern in Tirol oder Vorarlberg zurückgeblieben.626 Angesichts der Missernten im Sommer des Jahres 1769 und einer drohenden Hungersnot muss das auf diese Weise dokumentierte Interesse des Herrschers am Ackerbau für die Bauern auch beruhigend gewirkt haben. Der Monarch wusste ja nun um ihre Mühen auf dem Feld und würde sich, aus Sicht der Bauern, gewiss um ihre Belange und Nöte kümmern. Die mährischen Stände instrumentalisierten das Geschehen in ihrem Sinne und beanspruchten die Deutungshoheit. Deshalb verblieb der Pflug als Mnemósynon nicht bei den Bauern. Im August 1770 übergaben sie ihn an die Stände.627 Damit ­vereinnahmte 626 In Böhmen und Mähren sah Joseph II. hinsicht­lich der Aufwertung des Bauernstandes deshalb einen hohen herrscher­lichen Handlungsbedarf: Er hob die Leibeigenschaft zugunsten einer größeren Freiheit von Besitz und Besitzer, einer höheren Arbeitsmotivation und einer schnelleren und effizienteren Umsetzung seiner Reformen auf. Der Bauer konnte in Anlehnung an Sonnenfels die durch seinen Fleiß erwirtschafteten Vorteile ohne Beschneidung genießen und damit zum Motor einer vom Individuum ausgehenden Wirtschaftsdynamik werden. Kostlán, Antonín, Die Wandlungen sozialer Ordnungssysteme. Untertanen und Gutsherrschaft in Böhmen und Mähren vom 16.-18. Jahrhundert. In: Peters, Jan (Hg.): Gutsherrschaftsgesellschaften im europäischen Vergleich. Berlin 1997. S. 113 – 119. Feigl, Landwirtschaft und Grundherrschaft, S. 49. Rottmann-Bradler, Elisabeth: Die Reformen Kaiser Josephs II. (Göppinger akademische Beiträge, Bd. 67). Göppingen 1973. S. 114 – 120. Vgl. auch Osterloh, Karl-Heinz: Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Eine Studie zum Zusammenhang von Kameralwissenschaft und Verwaltungspraxis (Historische Studien, Bd. 409). Lübeck/Hamburg 1970. S. 85ff. 627 Die genauen Umstände einer freiwilligen oder eher geforderten Übergabe des Pfluges sind unklar. Fink geht davon aus, dass die Bauern den Pflug in Seide hüllten und ihn den mährischen Ständen „zum schönen Andenken“ übergaben. Fink, Humbert: Joseph II. Kaiser, König und Reformer. Düsseldorf/Wien/New York 1993. S. 121. Für die Annahme gibt es jedoch keine gesicherte Quelle. Die mährischen Stände setzten sich zu diesem Zeitpunkt aus den Landburgengrafen, den Landesoffizieren, den Herren, der Ritterschaft und den Vertretern der Städte zusammen. Bürger und Bauern erhielten keinen Sitz in der Ständeversammlung. Zu den Ständen vgl. Ammerer, Gerhard:

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der mährische Adel das Ackergerät und entzog ihn vom Ort des Geschehens. Seit dem Jahr 1802 wurde der Pflug im Ständesaal auf einem Marmorsockel als Kaiser Joseph Pflug aufgestellt. Später gelangte er ins Mährische Landesmuseum (Moravské Museum, Brno), wo er sich noch heute in der Ethnographischen Abteilung befindet.628 Zur Weltausstellung im Jahr 1873 in Wien schmückte der Pflug als zentrales Objekt auf einem Sockel unter einem Baldachin den Tempel des Pfluges, einen Teil des Pavillons des österreichischen Ackerbauministeriums. In ihm wurden über 200 Pflüge und andere bäuer­liche Ackergeräte präsentiert.629 Damit zeigt sich, dass das eigenhändige Pflügen Kaiser Josephs II. im kollektiven Gedächtnis präsent geblieben war und dem Pflug in der Bevölkerung, aber auch seitens des österreichischen Staates und sowie fach­lich seitens des Landwirtschaftsministeriums noch immer Verehrung zuteil wurde. Die Stände hatten nicht nur den Pflug den Bauern aus Slawikovice entzogen, sondern zudem die Absicht geäußert, das Ereignis des kaiser­lichen Pflügens durch einen eigenen Stein zu würdigen. Hieran zeigt sich, dass auch die Vertreter des Adels zunehmend die Arena der politischen Öffent­lichkeit nutzten, um eigene Interessen zu kommunizieren und zu fixieren. Insbesondere ging es wohl dem Fürsten Johann Wenzel von Liechtenstein (1696 – 1772) darum, hervorzuheben, dass das kaiser­liche Pflügen auf seinem Grund und Boden stattgefunden hatte. Im Jahr 1770 wurde deshalb im Auftrag des Fürsten Liechtenstein und mit Genehmigung Maria Theresias eine Säule gemauert, mit Marmor belegt und in einem feier­lichen Akt eingeweiht (Abb. 22: Gedenkstein des Fürsten von Liechtenstein).630 Die mehrsprachige Inschrift auf Deutsch, Latein und Tschechisch deutete die Handlung Josephs im Sinne der zeitgenössischen Forderungen und verkündete sie als Wertschätzung des Bauernstandes und der Landwirtschaft durch den Landesherrn: Hier hat der grosse Kaiser den segnenden Ackerbau, diesen ersten Stand und Ernährer des Menschengeschlechts geadelt. Nach dem einhelligen Wunsche der Die Stände in der Habsburgermonarchie. Eine Einleitung. In: Ders. (Hg.): Bündnispartner und Konkurrenten der Landesfürsten? Die Stände in der Habsburgermonarchie (Veröffent­lichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Bd. 49). Wien/München 2007. S. 12 – 41. Cerman, Ivo: Opposition oder Kooperation? Der Staat und die Stände in Böhmen 1749 – 1789. In: Ibd. S. 374 – 393. Hier S. 377. Bretholz, Bertold: Geschichte Böhmens und Mährens. Bd. 3. Reichenberg 1924. S. 167ff. 628 Moravské Museum, Brno, Inv. Zem. 5/1 – 5. Der Pflug ist abgebildet im Katalog: Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II., Kat.-Nr. 123, 353. Ein Foto seiner Präsentation im Ständesaal befindet sich ebenfalls in dem Katalog unter der Nummer: 1666, 686. Kurz dazu auch Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 121. 6 29 Ibd. Eine zeitgenössische Abbildung des Kaiser-Joseph-Pfluges auf der Weltausstellung findet sich in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“. Ein Besucher des Pavillons weist mit der Hand auf den Pflug auf dem Sockel und unterrichtet zwei Kinder über die Historie des Ackergerätes. Die Gartenlaube (1873). S. 563. 630 Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 33 – 43. Falke, Jacob von: Geschichte des fürst­lichen Hauses von Liechtenstein. Bd. 3. Wien 1882. S. 225. Bretholz, Der aktenmäßige Bericht über Kaiser Josephs II. Pflügung eines Ackerstückes, S. 85.

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Stände Mährens setzte dies Denkmal Joh[ann]. Wenzel Fürst von Liechtenstein.631 Liechtenstein hatte mit seiner Bezeichnung Josephs als Ernährer des Menschengeschlechts auf das römische Kaiserverständnis als Ernährer des Volkes zurückgegriffen und das Pflügen des jungen Monarchen damit in die antike Tradition kaiser­licher Pf­lichten und Wohltaten eingeordnet.632 Mit der huldigenden Inschrift wie mit der ehrenvollen Aufbewahrung des Pfluges unterstrich der mährische Adel aber vor allem seine eigene Nähe zur Krone und seine Übereinstimmung mit den Interessen des Hauses Habsburg, insbesondere denen des jungen Reformers Joseph.633 Die Inschrift beeilte sich, die huldvolle Hinwendung der Krone zu armen Bauern zu feiern und gleichzeitig von der Mitschuld des mährischen Adels an den Zuständen des Bauerntums und der wenig effektiven Landwirtschaft abzulenken. Somit durfte die verehrende Dankbarkeit und das Gedenken an das kaiser­liche Pflügen keinesfalls den Bauern in Slavikowice überlassen werden. Vielmehr musste seitens der alten Eliten in Mähren ein Signal gesetzt werden, das keinen Zweifel bei den Bauern oder der Krone zuließ, dass auch die Stände die Zeichen der Zeit erkannt hätten und fortan im Sinne des Kaisers dem Nahrungsstand die gebührende Achtung zuteil werden ließen. Mit diesem Denkmal hatte der Fürst von Liechtenstein wohl den Versuch unternommen, ein „Stopp-Signal“ zu setzen, das mög­liche Debatten um die Versäumnisse des Adels verhindern helfen sollte. Darüber hinaus hatte er sich als Stifter des Gedenksteins ebenfalls ein Denkmal für seine persön­liche Weitsichtigkeit und Nähe zum Haus Habsburg gesetzt.634 Im September 1773 fuhr der Graf von Zinzendorf während seiner Reise durch Mähren an Slawikovice vorbei. In seinem Tagebuch würdigte er sowohl die Säule Liechtensteins sowie den Stein der Bauern: […] on voit a gauche du grand chemin un monument sans goutet sans graie que le M. Joseph Wenzel a fait ériger en memoire du 19. aout 1769. jour auquel Sa Maj. L’Empereur Joseph II. mena lui même la charrûe tout un sillon du champ qui va jusqu’au village de Slawkowitz, situé dans un fond a gauche du grand ­chemin. Le monument est un piedestal immense de marbre avec un bas relief qui represente l’evenement et trois Inscriptions en langues Bohêhme, allemande et Latine.635 Dieses erste Denkmal der Stände wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts ebenfalls wegen starker 6 31 Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 43. 632 Vgl. das Kapitel 2.1.2 c) in dieser Arbeit. Die Inschrift in Latein lautet: Ad excitandam populor. Industriam, ducto per totum hoc jugerum aratro, agriculturam humani generis nutricem nobilitavit. 633 Die Stände fungierten zunehmend als „verbeamtete“ Mittler gegenüber dem Haus Habsburg. ­Cerman, Stände in Böhmen, S. 392. 634 Fürst von Liechtenstein gehörte zum Kern des Hofadels in Wien, bezog seine Einkünfte jedoch größtenteils aus den landwirtschaft­lichen Erträgen seiner Ländereien in Mähren. Als er 1772 im Alter von 76 Jahren verstarb, versicherten Maria Theresia und Joseph die trauernden Familienmitglieder ihrer Freundschaft und lobten den Verstorbenen als herausragenden Diener des Staates. Falke, Geschichte des fürst­lichen Hauses von Liechtenstein, Bd. 3, S. 225. Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, S. 145. 635 HHStA Wien, Eintrag im Tagebuch des Grafen Zinzendorf vom 17. September 1773. Fol. 142v.

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Witterungsschäden durch ein neues in der Form eines 17 Meter hohen, heute nicht mehr existenten Obelisken ersetzt, den Franz Richter 1827 zeichnete (Abb. 26: Zeichnung von Franz Richter).636 Der mährische Landtag erklärte in seiner Sitzung vom 20. Januar 1849, das ständische Monument bei Slawikovice auf der Stelle, wo Kaiser Joseph mit eigener Hand den Pflug führte, für alle Zukunft als Nationaldenmal unter den Schutz und die Ehre des Landes zu stellen.637 Bis ins 19. Jahrhundert hinein sahen die Stände in der Pflugszene eine Aufmerksamkeit der Monarchie für ihr Land und machten es sich zur Aufgabe, die Erinnerung daran zu bewahren. Die mährischen Stände mögen aber ebenso wie die Bauern des Dorfes Slawikovice noch eine weitere Intention mit der intensiven Aneignung und Steuerung der Memoria durch die Gedenksteine verbunden haben: Die enge Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft lag dem tschechischen Gründungsmythos zugrunde. In Anlehnung an Cincinnatus wurde einst durch die Fürstin Libussa, die Tochter des Czech, der Bauer Premysl vom Pflug weg zum Gemahl und Herrscher an ihrer Seite berufen. In seiner Person vereinten sich Pflug und Steuerruder. Gemeinsam gründete das Paar die Stadt Prag, und wie Cincinnatus oblag es ihm, das Land von einer Seuche zu befreien. Der Mythos implizierte die hohe Wertschätzung des Bauerntums, auf das sich das tschechische Herrscherhaus (der Premysliden) selbst gründete. In einem umso größeren Kontrast erschien die bisherige Verachtung der Bauern und der Landwirtschaft durch das Haus Habsburg. Mit dem eigenhändigen Pflügen Josephs war nun eine Handlung verbunden, die das Deutungspotential für eine symbolische Annäherung der Habsburger an die Stände Böhmens und Mährens besaß. Hatte doch Joseph am Pflug nun die gleiche Tätigkeit wie ihr Ahnherr Premysl ausgeübt – nur in umgekehrter Reihenfolge: Premysl avancierte vom Bauern zum Herrscher, Joseph symbolisch vom Herrscher zum fürst­lichen Bauern. Mit Joseph fand ein Rückgriff auf die mythische Vereinigung von Pflug und Steuerruder statt. Zugleich stellte sie aber für die Stände sehr wahrschein­ lich auch eine integrative Handlung dar, die sogar ganz im Sinne Josephs zeigte, wie im Haus Habsburg die Traditionen der mährischen und böhmischen Kronländer zusammenfließen und fortgesetzt werden konnten. Die Verherr­lichung Josephs wird zwar auf den Steinen nicht direkt mit dem Gründungsmythos in Verbindung gebracht, dennoch ist nicht zuletzt auch aufgrund der Präsenz des Mythos im 18. Jahrhundert eine Anlehnung daran begründet anzunehmen.638 Mit dem Gründungsmythos der Premysliden

636 Zahlreiche Entwürfe sind abgebildet bei Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 56 – 60. Das Aquarell von Richter befindet sich in der Mährischen Galerie Inv.-Nr. MM 2262. Ibd. S. 58f. 637 D’Elvert, Christian: Die Desiderien der Mährischen Stände vom Jahre 1790 und ihre Folgen. Brünn 1864. S. 208. Bei den Desiderien handelt es sich um Eingaben der Stände Mährens. 638 Zur Rolle Premysls insbesondere im 19. und ganz kurz im 18. Jahrhundert vgl. Bruckmüller, Ernst: Nationsbildung und nationale Mythologie. Staat­lich-herrschaft­liche Traditionen und nationale Mythen bei Österreichern, Ungarn und Tschechen. In: Kopetz, Hedwig (Hg.): Soziokultureller Wandel im Verfassungsstaat. Phänomene politischer Transformation. Festschrift für Wolfgang

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lag eine ganz eigene regionale bzw. nationale Tradition der Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft vor, die das Spektrum der bisher diskutierten antiken und chinesischen Beispiele ergänzt. In den auffälligen Wettstreit um die Erinnerung vor Ort zwischen Bauern und Ständen mischte sich auch die Monarchie selbst mit ein. Auch Maria Theresia gab, nachdem sie über das Geschehen informiert worden war, 639 einen Gedenkstein in Auftrag: Allerhöchst dieselbte wollen auch zugleich, daß auf diesem Acker ein ordi­närer Marck=Stein mit der Inscription, daß Ihro Maytt. der Kayser Josephus der Zweyte daselbsten mit eigner Hand gepflüget, mit Beysetzung der Jahr=Zall [sic!] und des Tages dieser Unternehmung zum ewigen Angedenken eingesetzet werden soll.640 Die Entwürfe des Guberniums für das von Maria Theresia in Auftrag gegebene Denkmal wurden jedoch nicht ausgeführt.641 Bei Hofe war die symbolische Bedeutung des Pflügens durch Joseph erkannt und beschlossen worden, vor Ort die Tat nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ein letztes Denkmal entstand 1995, als in einem Keller der Stadt Blansko eine guss­ eiserne Platte mit dem Relief des pflügenden Monarchen gefunden wurde. Eine Kopie der Platte konnte, in einen riesigen Naturstein eingefügt, am historischen Schauplatz am 23. November 1995 in Slavkovice enthüllt werden.642 Den Steinen kommt vor allem eine regional starke Bedeutung zu, die an das unverhoffte und zugleich ungewöhn­liche Geschehen in einer ungebrochenen Tradition bis in die Gegenwart hinein erinnert. Mit den Gedenksteinen waren Medien gewählt worden, die aus der Handlung des Herrschers ein bedeutendes zeitgenössisches und auch ein historisches Ereignis machten und dafür sorgten, dass dies vor Ort späteren Generationen im Gedächtnis blieb. In der Präsentation des Pfluges im Ständesaal und dem großen Eifer, immer wieder Gedenksteine zu errichten bzw. diese zu erhalten, drückten die mährischen Stände aus ganz regionaler Perspektive heraus ihren Stolz aus, von ihrem Landesherrn end­lich gebührend geachtet und behandelt worden zu sein. Die von Fürst Liechtenstein mit der Inschrift des Steins bekundete inhalt­liche Übereinstimmung zwischen den Ständen und der Monarchie hinsicht­lich des Bauernstandes

Mantl zum 65. Geburtstag. Bd. 2. Wien/Köln/Graz 2004. S. 779 – 802. Hier S. 788f. Zu Premysl als wesent­lichem Bestandteil nationaler Bildprogramme im 19. Jahrhundert vgl. auch Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 118f. Telesko geht ebenfalls davon aus, dass Joseph den Mythos vom ackernden Premysl kannte. Ibd. 639 Zu den Schwierigkeiten des Wiener Hofes, genaue Kenntnis über den Vorfall einzuholen, vgl. Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 35ff. 6 40 Zit. n. Berthold, Die aktenmäßige Bericht über Kaiser Josephs II. Pflügung eines Ackerstücks, S. 80. 6 41 Abgebildet und besprochen bei Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 73 – 76. Bei der gefundenen Platte handelt es sich aus meiner Sicht um eine sehr stark übereinstimmende Darstellung mit der 1869 zum 100. Jubiläum geprägten Gedenkmünze. Abbildung der Münze. Ibd. S. 91. 6 42 Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 75.

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und der Landwirtschaft traf jedoch in der Realität nicht zu.643 Der Adel Mährens bekundete später seine Ablehnung der Agrareformen und der Entlassung der Bauern aus der Leibeigenschaft gegenüber Joseph deut­lich.644 Fürst Wenzel Anton von Kaunitz (1711 – 1794) hatte Joseph 1766 in seiner Antwort auf die 21 Fragen des jungen Kaisers in seinem Deliberanda auf das Problem der unterschied­lichen Interessen im Reich aufmerksam gemacht: Euer Majestät regieren als Kaiser nicht über gewöhn­liche Untertanen, sondern über mächtige Missstände [und Untertanen], die alle für ihre Freiheit, Vorzüge und Hoheitsrechte in höchstem Grade eifern.645 Die Aussage von Kaunitz ließ sich auch auf die Kronländer übertragen: Joseph wurde dort ebenfalls mit den Widerständen seitens der Eliten konfrontiert. Dennoch wurde das eigenhändige Pflügen als symbolische Handlung von der Öffent­ lichkeit aus der Retrospektive des späten 18. und des 19. Jahrhunderts grundsätz­lich mit den Bemühungen Josephs II . um eine verbesserte Stellung der mährischen und böhmischen Bauern sowie der Achtung gegenüber der landwirtschaft­lichen Arbeit in Verbindung gebracht, quasi als Visualisierung seiner Reformen und seines Verständnisses für das Bauerntum. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Gedenksteine selbst zum Motiv avancierten und die Kunde des Kaisers, der die Landarbeit geschätzt habe, aus dem regionalen in den überregionalen Kontext übertragen sowie im kollektiven Gedächtnis erhalten halfen.646 So publizierte Ludwig August Frankl 1832 sein Gedicht Das Marmordenkmal, welches den Kaiseracker in Slawikovice patriotisch zum wichtigsten Stück Erde in Mähren erhob und noch immer die Ehre verkündete, die der Monarch mit seinem Tun den Bauern hatte zuteil werden lassen. Ein Bauer erklärte in dem Gedicht einem Fremden die Bedeutung des Denkmals: […] Seht ihr am Raine dort vom Feld, / Das Marmordenkmal aufgestellt? / Stellt einen Mann vor hinterm Pflug, / Vor dem gespannt ist ein Ochsenzug. / Ihr meint, ’s wär’ so ein schlechter Bauer, / Der sich das Brot erackert sauer? / Gefehlt! wie ihr es dorten seht, / 6 43 Die traditionelle Rolle des Adels, den Bauern Schutz und Schirm, Rat und Hilfe zu gewähren, war aufgrund des höfischen repräsentativen Lebensstils und seiner permanenten Abwesenheit von den Gütern hinfällig. Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, S. 146. 6 44 Rottmann-Bradler, Reformen Kaiser Josephs II., S. 114 – 120. Osterloh, Joseph von Sonnenfels und die österreichische Reformbewegung, S. 85ff. Als inakzeptabel für den Adel erwies sich die Umsetzung einer physiokratischen Grundsteuer sowie die Abschaffung der bäuer­lichen Frondienste durch Joseph II. Vgl. dazu Reinalter, Hemut: Staat und Bürgertum im aufgeklärten Absolutismus Österreichs. In: Ders./Gerlach, Karlheinz (Hg.): Staat und Bürgertum im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Studien zu Frankreich, Deutschland und Österreich. Ingrid Mittenzwei zum 65. Geburtstag (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770 – 1850“, Bd. 17). Frankfurt/M. 1996. S. 63 – 77. Hier S. 69f. 6 45 Zit. n. Aretin, Karl Otmar von: Das Alte Reich 1648 – 1806. Bd. 3: Das Reich und der österreichisch-preußische Dualismus (1745 – 1806). Stuttgart 1997. S. 122. 6 46 Zur Definition des kollektiven Gedächtnisses vgl. Berek, Mathias: Kollektives Gedächtnis und die gesellschaft­liche Konstruktion der Wirk­lichkeit. Eine Theorie der Erinnerungskulturen (Kulturund sozialwissenschaft­liche Studien, Bd. 2). Wiesbaden 2009. S. 13.

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So ist’s des K a i s e r s M a j e s t ä t! /Es zog einst Josef durch das Land/ Und pflügte hier mit eigner Hand. […]. Das gibt dem Bauer hohen Titel / Und schwellt die Brust mir unterm Kittel, / Das selbst des Kaisers Majestät / Die niedre Arbeit nicht verschmäht. / Der hat’s gezeigt der Welt ganz frei, / Wa s w e r t h e i n t ü c h t i g e r B a u e r s e i .647 Franz Grillparzer widmete der Gedenksäule der Stände in Mähren ein Epigramm, das im Wesent­lichen in freier Wortwahl die alte Inschrift des Fürsten von Liechtenstein transportierte: Joseph Hoch ehrend den Ackerbau / Den Ernährer der Menschheit / Pflügte auf diesem Felde / Am 19. August 1769. / Dem Andenken des treff­lichen Fürsten, / Überall groß und Er selbst, / Weihten Mährens Stände / Dies neuerrichtete Denkmal.648 Josephs Würdigung der Landwirtschaft hatte aber zuvor schon den Anstoß zu einem ganz eigenen Denkmal in Wien gegeben. Im Jahr 1812 errichtete Johann Martin Fischer (1740 – 1820) am Platz „Am Hof “ in Wien zwei allegorische Brunnen. Für den einen wählte er den Ackerbau (Abb. 23: Brunnen von Johann Martin Fischer). Er stellte ihn durch einen slowakischen Bauern am Pflug mit einem Füllhorn voller Korn und Trauben dar, den der Genius Österreichs segnete und würdigte.649 b. Kupferstiche, Druckgrafik und Volkskunst Ein weiteres Medium, das im Gegensatz zu den Steinen schon zeitgenössisch große räum­ liche Distanzen überwand und die Kunde des pflügenden Monarchen in den österreichischen Erblanden und dem gesamten Alten Reich verkündete, waren Kupfer­stiche. Als billige Druckmedien, die immer wieder vervielfacht werden konnten, begünstigten sie die Tatsache, dass das nur von einer kleinen Öffent­lichkeit wahrgenommene fürst­liche Pflügen Josephs im Nachhinein zu einem Medienereignis geriet. Die Kupferstiche richteten sich an ein breites, nicht anwesendes Publikum und halfen, das Geschehen überregional bekannt und aus der Handlung ein bedeutendes politisches Ereignis zu machen. Unmittelbar nach dem Pflügen Josephs, noch im Jahr 1769, entstand der Kupferstich (Abb. 24: Stich von Bergmüller) des Augsburger Künstlers Johann Baptist Bergmüller (1724 – 1785).650 Unklar ist jedoch, wer als Auftraggeber fungierte. Sehr wahrschein­lich

6 47 Frankl, Ludwig August: Das Marmordenkmal. In: Das Habsburgerlied. Wien 1832. S. 188 – 190. Bereits 1824 erschien es in der Zeitschrift Mährischer Wanderer. S. 188f. 6 48 Grillparzer, Franz: Sämt­liche Werke. Bd. 1. München 1960. S. 406f. Zur literarischen Verherr­lichung Josephs vgl. Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 125ff. 6 49 Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 70ff. 650 Johann Baptist Bergmüller, Maler und Kupferstecher, Sohn des Malers Georg Baptist Bergmüller. Vgl. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Hg. v. Ulrich Thieme/Felix Becker. Bd. 3. Leipzig 1909 (Reprint Leipzig 1999). S. 411. Das Blatt Bergmüllers

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kommen auch hier höfische Kreise in Frage. Der Stich zeigt Joseph in Uniform, Stiefeln, Dreispitz und Schärpe in Begleitung zweier ranghoher Begleiter am Pflug, der von zwei Pferden gezogen wird. Die Zügel führt ein Bauer oder Knecht, der dem Betrachter den Rücken zukehrt. Ähn­lich dem Arrangement auf den französischen Stichen von Boizot und Wachsmuth ist die Szene von einer blühenden Kulturlandschaft eingerahmt, aus der eine Kirchturmspitze herausragt. Untertanen stehen am Rand des Feldes und beobachten das Geschehen. Am linken Bildrand befindet sich stilisiert der einfache Gedenkstein der Bauern von Slawikovice, der 1788 entfernt wurde.651 Der Kupferstich nahm nicht nur motivisch eines der Denkmäler von Slawikovice auf, sondern fungierte selbst als „mobiles Denkmal“652 für Josephs bäuer­liche Arbeit. Zugleich rief der Stich die Untertanen dazu auf, dem hohen Beispiel zu folgen, fleißig zu arbeiten und dem Herrscher in Treue zu dienen. In der Bildunterschrift heißt es: Hier sieh o Deutscher deinen Kayser / Im Akker selbst den Pfluge führen / Er gibt all andern Fürsten Kayser / Ein rühm­lich Beyspiel zu regieren.// Er mag nicht hör’n und seh’n allein / Er will aus der Erfahrung wißen / Und selbsten überzeuget seyn. / Wie sauer wird, ein jeder Bißen.// Den mancher ohne Druck und Sorgen / mit Sünd u. Schaden nur verschwendt / dein Joseph aber jeden Morgen, / als Vater denckt für dich sein Kind.// Danck also Gott für solchen Herrn / Sey fleißig, treu und unterthänig / Gib’ Gott und deinem Kayser gern / Wie Christus lehrt der Himmels König.653 Neben den Untertanen sollten sich aber auch die europäischen Fürsten an Joseph II. als Exempel väter­licher Fürsorge für seine Untertanen und aufmerksamer Diener seines Staates orientieren.654 Die in Deutsch und auf Französisch gehaltenen Bildunterschriften

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befindet sich in Wien in der Graphischen Sammlung Albertina unter der Signatur Hist. Bl. VIII. Eine Abbildung findet sich in: Budde, Europa und die Kaiser von China, S. 68. Hierzu schon ausführ­lich Richter, Susan: Der Monarch am Pflug – Von der Erweiterung des Herrschaftsverständnisses als erstem Diener zum ersten Landwirt des Staates. In: Das achtzehnte Jahrhundert 34.1 (2010). S. 40 – 64. Zu diesem Kupferstich aus kunsthistorischer Perspektive Lechtreck, Herrscher im „royaume agricole“, S. 371. Der Begriff des „mobilen Denkmals“ stammt von Elisabeth von Hagenow: Bildniskommentare. Allegorisch gerahmte Herrscherbildnisse in der Graphik des Barock: Entstehung und Bedeutung (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 79). (Diss.) Hildesheim 1999. S. 157. Bildunterschrift des Kupferstichs von Bergmüller. Die Deutung des Kupferstichs entsprach vollkommen seiner eigenen Auffassung, die er knapp in seinem Testament niederlegte. Er schrieb in seinem Testament aus dem Jahr 1781: […] als ein Diener des Staats hab ich gelebt und für denselben gewacht. Eigenhändiges Testament Kaiser Josephs II. vom 21. Mai 1981. HHStA Wien, Familienurkunden, Nr. 2101/1,2, Filmrolle 20. Zu fürst­lichen Testamenten grundlegend: Richter, Susan: Fürstentestamente der Frühen Neuzeit. Politische Programme und Medien intergenerationeller Kommunikation (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 80). (Diss.) Göttingen 2009.

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des Werks beweisen die inhalt­liche Intention und internationale Ausrichtung der Kupferstiche. So ist der deutsche Text in der unteren Hälfte des Kupferstichs eindeutig an die Untertanen Josephs II. gerichtet, während der französische Hinweis auf das Pflügen in der oberen Bildhälfte Joseph als Modell eines Monarchen für die adelige und fürst­liche Gesellschaft Europas hervorhebt: Exemple maiestueux d’examiner tout et d’encourager les Siüots a Diligence donné par l’Empe[re]ur Joseph II. le 19. Aout 1769 en Moravie. Das Blatt verzichtete auf einen Vergleich mit dem chinesischen Kaiser. Der Kaiser des Alten Reiches fungierte selbst als Vorbild. Das chinesische Exempel der physiokratischen und kameralistischen Literatur war um ein weiteres europäisches Vorbild, Joseph II., ergänzt worden, das sich durch die Herrschaftskontinuität der Habsburger langfristig besser etablieren konnte als das des Dauphin. Josephs eigenhändiges Pflügen konnte sich als Motiv weit stärker im kollektiven Gedächtnis festsetzen als der Pflugversuch des französischen Kronprinzen. Die Frage, ob der Stich mög­licherweise als Gegenstück zu Boizots Blatt und damit als Antwort auf die Hervorhebung des Dauphin als neuem Triptolemos konzipiert worden war, muss offen bleiben. Dennoch schien mit dem Kupferstich seitens des Monarchen eine visualisierte und allgemeinverständ­liche Antwort auf den schrift­lich geführten Diskurs von Physiokraten und Kameralisten sowie ihre Forderungen nach höchster persön­licher Förderung der Landwirtschaft und größerer Wertschätzung der Bauern gegeben worden zu sein. Der Stich kommunizierte und bestätigte die Tat­ sache, dass ein erweitertes Herrschaftsverständnis und die neue Rolle des Monarchen als erstem Landwirt in Josephs Selbstverständnis einen Platz besaß. Schließ­lich stellte das Blatt Joseph an die Spitze des Landbaus und rief Untertanen und die Herrscher Europas zur Nachfolge auf. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein entstanden immer wieder Darstellungen des pflügenden Kaisers in Form von Druckgraphiken,655 Gemälden und Münzen, welche die Leutseligkeit des Herrschers im Umgang mit den Bauern unterstrichen und im kollektiven Gedächtnis der Österreicher aufrechterhielten, zugleich aber auch die Bedeutung der Landwirtschaft für die Staatsökonomie betonten.656 Das Motiv des pflügenden Kaisers Joseph II. erhielt eine ganz eigene Fortsetzung und Tradition in der Volkskunst sowie parallel dazu in der offiziellen österreichischen Staatskunst. So findet sich das Pflugmotiv beispielsweise schon früh in der Volkskultur der Springerlebäckerei

6 55 Sogar auf Postkarten und einem Reichsschatzschein aus dem Jahr 1851 ist die Szene abgebildet. 656 Beispiele sind Franz Richters lavierte Stiftzeichnung Joseph II. pflügt bei Slavkowitz aus dem Jahr 1825, Mährische Galerie Inv.-Nr. MM 1766, abgebildet bei Mechurová: Aufgeklärter Despot, S. 89. Bekannt ist auch eine anonyme Lithographie des 19. Jahrhunderts, die sich in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien unter der Signatur 81.421-B befindet. Abgebildet in: Frauendorfer, Ideengeschichte der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im deutschen Sprachgebiet, S. 160. Carl Maria Thuma schuf 1898 zwei Ölbilder zum Thema: Kaiser Joseph II. am Pflug. Beide sind abgebildet bei Mechurová, Aufgeklärter Despot, S. 88.

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und Modelschnitzerei.657 Postkarten (Abb. 26 und 27: Postkarte), die als so genannte Bauern­post auf billigem Papier gedruckt wurden,658 trugen das Bild des pflügenden Kaisers ebenso wie Wiener Hauszeichen ins 19. und 20. Jahrhundert.659 Interessant ist in diesem Kontext auch, dass das 100-jährige Jubiläum des Pflügens seitens des Hofes durch ein aufwändiges Denkmal entsprechend gewürdigt werden sollte. Das Hauptstaatsarchiv Wien bewahrt das Foto eines Modells aus vergoldetem Silber auf, das 1869 entstanden war und die Pflugszene Josephs auf einem neobarocken Sockel darstellt (Abb. 29: Silbermodell).660 Über den Verbleib des Modells ist nichts bekannt. Unklar ist auch, für welchen Platz in Wien das Denkmal geplant war. c. Die Glorifikation Josephs Im Jahr 1777 wurde für die Akademieausstellung eine Allegorie von Franz Anton ­Maulbertsch mit dem Titel: S. Majestät der Kaiser, als er geackert, ein Sinnbild der Fruchtbarkeit eingereicht. Es handelt sich um eine Glorifikation Josephs als Kaiser. Sie wurde im Redoutensaal der Akademie gezeigt.661 M ­ aulbertschs Intention zu diesem Bild 657 Seit der Hälfte des 18. Jahrhunderts ist in Süddeutschland ein Model eines Edelmannes am Pflug bekannt. Modeln sind zwar zumeist stark idealisiert, es ist aber dennoch mit großer Wahrschein­ lichkeit davon auszugehen, dass das Motiv des pflügenden Kaisers herangezogen worden war. Gespräch mit Leo von Stieglitz, Landesmuseum Stuttgart. Model Nr. 7636, Landesmuseum Stuttgart. Vgl. zu Modeln in der Volkskultur grundsätz­lich Knittel, Elke/Maurer, Rolf: Modelschätze. Tübingen 2005. Hörandner, Edith: Model. Callwey 1987. 658 Beispielsweise die Postkarte des Piusvereins, die nach einer Vorlage von Richard Assmann zu Beginn des 20. Jahrhunderts gedruckt wurde. Die Bildunterschrift datiert das Geschehen in Slawikovice falsch: Kaiser Joseph II. führt, die Wertschätzung des Bauernstandes bezeugend, auf einer Reise durch Mähren bei dem Dorfe Slavikovitz den Pflug 1765 [sic!]. Österreichische Nationalbibliothek. Kurz dazu Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 124. 659 Die Pflugszene findet sich in der volkstüm­lichen Kunst der Wiener Hauszeichen. Aus dem 7. Bezirk Wiens ist von der Kaiserstraße 27 vom Ende des 18. Jahrhunderts ein Hausschild aus bemaltem Kupferblech (60,5 x 126,5 cm) mit der Darstellung der Pflugszene im Historischen Museum der Stadt Wien erhalten. Inv. Nr. 31.466. Es findet allerdings in der Literatur zu Hauszeichen keine Erwähnung. Siegris, Emmerich: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder (Deutschösterreichische Bücherei, Bd. 1). Wien 1924. 660 HHStA Wien SB Nl Schaller 2a. 661 Öl auf Leinwand 79 x 59 cm, Österreichische Galerie-Barockmuseum Wien, Inv. Nr. 2478; erworben 1924. Kunstverein Wien (Hg.): Franz Anton Maulbertsch. Ausstellung anläß­lich seines 250. Geburtstages. Wien/München 1974. Beschreibung S. 101. Abbildung S. 189, als Kat. A, Nr. 82. Zu diesem Bild befindet sich eine zeitgenössische Ölskizze in der Stuttgarter Staatsgalerie. Öl auf Lw. 28,2 x 19,7 cm unbez. Stuttgart Staatsgalerie. Inv. 2503, 1956 aus Wiener Kunsthandel gekauft. Zur ausgezeichneten Beschreibung der Skizze vgl. Hindelang, Eduard (Hg.): Franz Anton Maulbertsch und der Wiener Akademiestil. Begleitband zur Ausstellung, Museum Langenargen am Bodensee. Sigmaringen 1994. S. 252, Abb. der Skizze S. 253. Unklar ist, ob es sich bei der Skizze um eine eigenhändige Vorstufe Maulbertschs oder eine spätere, relativ freie Variation von anderer Hand vorliegt. Vgl. dazu Kruszynski, Anette: Franz Anton Maulbertschs „Glorifikation Kaiser Josephs II. In: Jahrbuch der Staat­lichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 24 (1987).

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lag wohl einerseits in seinem Ehrgeiz, nicht nur zu den Künstlern der monumentalen Malerei gehören zu wollen, von denen nie etwas ins Cabinet bestellt wird.662 Andererseits hatte ihn das Kunstverständnis der von Minister von Kaunitz eingerichteten „Akademie für Kupferstecher und Zeichner“ geprägt. Es ging Maulbertsch zunehmend um Motive, die auf den Betrachter erziehend wirken sollten.663 Das Bild wurde zwar schon mehrfach aus kunsthistorischer Perspektive beschrieben, jedoch nur unvollständig hinsicht­lich der Bedeutung von physiokratischen Elementen untersucht.664 Dies soll im Folgenden in einem eigenen Beschreibungs- und Deutungsversuch nachgeholt werden: Im Mittelpunkt der Allegorie steht der jugend­liche Joseph, antikisierend als kaiser­ licher Triumphator mit einem Lorbeerkranz, einem rotem Mantel und einem Marschallstab dargestellt. Umgeben ist der Kaiser von vier Personifikationen in Kreuzform: So steht hinter ihm die Gloria oder die „weise Regierung“ mit einer brennenden Fackel in der Hand. Rechts wird Joseph von der Abundantia bzw. der Liberalitas in prächtiger zeitgenössischer höfischer Kleidung flankiert. Sie öffnet auf Befehl des Kaisers einen Sack, aus dem Getreidekörner in den Schoß der ebenso aufwändig, in unschuldiges weiß gekleideten Terra sowie eine gepflügte Feldfurche rieseln. Die Personifikation der Erde ist in Anlehnung an Jean-Baptiste Greuzes Darstellungen der guten Mutter mit nackter Brust zu sehen, die bereitwillig ihre Kinder nährt. Auf ihrem Schoß sitzt auch ein gut genährtes kleines Landeskind, das einen Löffel und ein Band mit dem Verweis auf das Jahr 1772 präsentiert. Maulbertsch nahm damit Bezug auf die Beendigung der schweren Hungersnöte in den Jahren 1770/71 durch das Wirken Josephs. Im Vordergrund links präsentiert eine halbnackte männ­liche Gestalt mit einem Lorbeerkranz im Haar und einer Peitsche in der Hand dem Betrachter des Bildes einen Pflug. Es handelt sich um die Personifikation des Ackerbaus.665 An der Pflugschar ist die Jahreszahl 1769 angebracht, das Jahr, in dem die Hungersnöte in Böhmen und Mähren ihren Anfang nahmen und Joseph in Slawikovice eigenhändig den Pflug

S. 25 – 32. Möseneder, Karl: Franz Anton Maulbertsch – Aufklärung in der barocken Deckenmalerei (Ars viva, Bd. 2). Wien 1993. S. 111f. 662 Kunstverein Wien, Maulbertsch, S. 37. Lemmens-Fehr, Nina: Die Ölskizzen und autonomen Skizzenbilder von Franz Anton Maulbertsch. In: Hindelang, Eduard (Hg.): Franz Anton Maulbertsch und der Wiener Akademiestil. Begleitband zur Ausstellung, Museum Langenargen am Bodensee. Sigmaringen 1994. S. 135 – 183. 663 Garas, Klara: Franz Anton Maulbertsch. Leben und Werk. Mit Oeuvrekatalog geordnet nach Standorten. Salzburg 1974. S. 72. Lechtreck, Herrscher im „royaume agricole“, S. 377. 664 Ledig­lich Lechtreck spricht von einem „kaiser­lichen Bekenntnis zum Physiokratismus“, die Maulbertsch in diesem Bild verankert habe. Lechtreck, Herrscher im „royaume agricole“, S. 366. 665 Bisher wurde diese Figur als Bauer identifiziert. Das erscheint durchaus mög­lich, angesichts der anderen Personifikationen aber nicht ganz schlüssig. Als Bauer beschrieben bei Haberditzl, Franz Martin: Franz Anton Maulbertsch 1724 – 1796. Wien 2006. S. 314. Zur Inschrift auch Lechtreck, Royaume agricole, S. 367.

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geführt hatte.666 Hinter Joseph befindet sich ein Säulenpodest, das für die Ewigkeit bzw. die Beständigkeit steht. Auf der dazugehörigen Kartusche ist der Kommentar zu Josephs Handeln zu lesen: Virtute et exemplo. Josephs kaiser­licher Rang wird durch den Reichsadler und das Zepter an der Säule hervorgehoben. Hinter der Säule und dem Vorhang steht Minerva als Kriegsgöttin mit Speer und Schild. Sie ist in dunklen Farben gehalten und beobachtet die Szene. Dem Blick des Betrachters öffnet sich nach rechts eine Landschaft mit blauem Himmel. Maulbertschs Glorifikation Josephs stellte wie die Inschrift des Fürsten von Liechtenstein auf seinem Gedenkstein in Slawikovice den Kaiser als den Ernährer des Menschengeschlechts und den Nothelfer in schlimmen Zeiten der Hungersnot in den Mittelpunkt. Die üb­liche Darstellung des kaiser­lichen Kriegshelden trat dabei ganz bewusst in den Hintergrund oder diente ledig­lich dazu, den Ruhm, den Joseph mit seinem nicht alltäg­lichen Handeln als pflügender Monarch und Schützer der Bauern erworben hatte, in die gleiche Kategorie herrscher­licher Pf­lichten einzuordnen: So wie der Monarch als Feldherr sein Land vor fremder Gewalt schütze, so bewahrte er auch weise vorausschauend und beherzt rettend seine Untertanen vor der zerstörerischen Macht des Hungers. Maulbertsch knüpfte mit dem Bild an die vernachlässigte antike Tradition der engen Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft an, indem er Joseph als Mittler zwischen die Personifikationen des Ackerbaus und des Überflusses platzierte sowie den Monarchen mit seinem Marschallstab in der rechten Hand auf den Pflug und den Ackerbau und der Linken auf den Reichtum im Sack der Abundantia weisen lässt. Das Glück und der Reichtum des Staates basieren auf der Landwirtschaft. Diese Erkenntnis verkörpert Joseph, erleuchtet durch die Fackel der Gloria. Diese physiokratische Maxime und ihr kaiser­licher Protektor fanden in Maulbertschs Glorifikation bild­liche Darstellung. Der Pflug hatte damit auch im Sinne Vicos wieder seinen alten Platz als Herrschaftsinstrument eingenommen. Zudem hatte Maulbertsch den personifizierten Ackerbau mit dem gleichen Lorbeerkranz geehrt wie Joseph. Der Landwirtschaft kam damit in dem Bild eine neue ehrenvolle Bedeutung zu, die Joseph erkannt und ihr zugestanden hatte, so wie auch der Landbau Josephs Ruhm für die Ewigkeit begründen half. Die Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft betonte der Maler mittels der Lorbeerkränze und unterstrich die gegenseitige Abhängigkeit. Ähn­lich deut­lich wird diese enge Verbindung auch im Übergang der höfischen Steinterrasse zum roten umgepflügten Ackerboden, auf dem der Maler Joseph platzierte. Zugleich bot ­Maulbertsch mit der nackten Erde einen Hinweis auf die Natur als Grundlage allen Lebens, aller Rechte sowie der Herrschaft.667

666 Schon Möseneder betont, dass das Bild Maulbertschs im Zusammenhang mit der Pflugszene in Mähren stehe. Möseneder, Franz Anton Maulbertsch, S. 111f. 667 Die Rolle der Natur als Legitimation seiner Macht hat schon Anette Kruszynski hervorgehoben. Kruszynski, Franz Anton Maulbertschs „Glorifikation Kaiser Josephs II., S. 31.

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Mit der Darstellung Josephs als antiken Kaiser mit Lorbeerkranz und römischen Feldherrn hatte Maulbertsch an eine weitere Tradition der Amor Patriae aus Cesare Ripas Ikonographie angeknüpft, die dort als römischer Feldherr personifiziert worden war. Diese Figur war schon mehrfach im Kontext der Habsburger Selbstdarstellung oder vereinzelt in der Huldigung der Untertanen gegenüber dem regierenden Haus übernommen worden, so etwa durch die Fürsten von Liechtenstein im Treppenhaus ihres Palais.668 Maulbertsch nahm mit dieser Präsentation Josephs eindeutig positive Stellung zu den Bestrebungen des Monarchen, das divergierende Länderkonglomerat hinsicht­lich der Verwaltung, des Rechtswesens und der Wirtschaft zu fried­lich und für alle wohltätig zu vereinigen. Maulbertsch bekannte sich mit seinem Bild patriotisch zur angestrebten Einheit.669 Maulbertsch, der selbst den landwirtschaft­lichen und ökonomischen Reformen Josephs gegenüber äußerst aufgeschlossen war,670 setzte mit seiner Glorifikation dem Mut des jungen Kaisers ein Denkmal, sich dem vernachlässigten Nahrungsstand zugewandt zu haben, und stilisierte ihn zu einem Vorbild für alle anderen Monarchen. In Joseph, so vermittelte es die Glorifikation, hatte die patriarchalische Fürsorge für die Untertanen des Vielvölkerstaats ihren würdigsten irdischen Vertreter gefunden. Durch Aufmerksamkeit für die Bauern und Förderung des Landbaus sowie eigene praktische Fertigkeiten auf diesem Gebiet konnte Joseph in Anlehnung an antike kaiser­liche Traditionen in der imitatio Alexandri zu einem neuen, zeitgenössischen Sinnbild kaiser­licher Fruchtbarkeitsstiftung werden. Maulbertsch bediente sich bei seiner Konstruktion der Darstellung Josephs als physiokratisches Fürstenideal neuer Bildelemente, die in der Herrschaftsdarstellung keine Tradition besaßen. Dies betraf beispielsweise den Pflug. Damit beschritt er einen ähn­lichen Weg wie Vico mit seinem Frontispiz als Visualisierung seiner Philosophie. Maulbertschs Bild zeigte den im Einklang mit der Natur stehenden und in ihrem Sinne handelnden Monarchen, der sich des Landbaus angenommen und ihn nicht nur geadelt, sondern zu seinem ursprüng­lichen Status als Nahrungsspender verholfen hatte. Die Glorifikation bot zu dem Motiv des pflügenden Monarchen eine

668 Zu Darstellungen der Amor Patriae im Kontext der Habsburger vgl. Krasa-Florian, Selma: Die Allegorie der Austria. Die Entstehung des Gesamtstaatsgedankens in der österreichisch-ungarischen Monarchie. Wien/Köln/Weimar 2007. S. 47ff. 669 Diesen Einheitsgedanken unterstreicht eine 1869 geprägte Gedächtnismedaille aus Zinn, die auf das 100-jährige Jubiläum des Pflugereignisses zur Feier in Slavikowitz geprägt wurde (Abb. 30). Sie zeigt auf der Vorderseite in Anlehnung an Maulbertsch das antikisierende Profil des jugend­lichen Kaisers mit Lorbeerkranz, auf der Rückseite das eigenhändige Pflügen des Monarchen. Die Umschriften sind zweisprachig gehalten und lauten auf der Vorderseite: Gedächtnisfeier bei ­Slavikowitz 1869/ Památka na Slavnost u Slavkovic 1869. Auf der Rückseite steht: Kaiser Josef II. führt den Pflug. 19. August 1769/Cisar Josef II Vede Pluh 19 Srpna 1769. Medaille Durchmesser 3,2 cm. Privatbesitz Dr. Susan Richter, Abb. 30. 670 Zu Maulbertschs aufklärerischer Haltung vgl. Bushart, Bruno: Maulbertsch der Aufklärer. In: Hindelang, Eduard (Hg.): Franz Anton Maulbertsch und der Wiener Akademiestil. Begleitband zur Ausstellung, Museum Langenargen am Bodensee. Sigmaringen 1994. S. 111 – 134. Hier S. 122.

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weitere, vielschichtigere Visualisierung des physiokratischen Herrschaftsideals. Auch Maulbertsch kam bei seiner Bildkomposition ohne einen Rückgriff auf das Motiv des chinesischen Kaisers aus. Er stilisierte Joseph vielmehr mit seinem Bild zum ersten Monarchen Europas und Vorbild für die anderen Fürsten. d. Fazit und Ausblick Die untersuchten Medien zeigen, dass unmittelbar nach dem eigenhändigen Pflügen Josephs II. ein vom Hof wie von den mährischen Ständen und den Bauern des Dorfes gleichermaßen großes Interesse bestand, diese Tat des Kaisers in der Region durch Gedenksteine, aber auch überregional durch graphische Visualisierung bekannt zu machen. Es zeigt sich an den unterschied­lichen Gruppen, die durch die Steine, den Pflug oder Bilder das Geschehen fixieren wollten, dass sich die politische Öffent­lichkeit in den Habsburgischen Ländern aus allen Schichten und Ständen zusammensetzte, die jeweils nach ihren Mög­lichkeiten und Interessen Medien auswählte und diese dazu nutzte, eine ihren Intentionen gemäße Interpretation des Sachverhalts zu geben. Ihnen allen ist dabei eines gemeinsam, dass sie mittels der gewählten Medien die Begebenheit des Pflügens zu einem Ereignis zu stilisieren versuchten und dies auch gelang.671 Hierin findet sich eine Parallele zum Vorgehen der Physiokraten. Ganz im Gegensatz zu Frankreich, wo die Person und das ausbleibende Handeln König L ­ udwigs XVI. sowie die politischen Brüche der Französischen Revolution eine solche Entwicklung verhinderten, erhoben die Medien der nachfolgenden Jahrhunderte das Pflugereignis Josephs II. zu einem verklärenden Kult um die Person des Monarchen. Noch immer waren es drei Interessengruppen, die auch aus der Retrospektive das Pflügen zu instrumentalisieren suchten: Der Staat Österreich, die Landstände und die einfachen Untertanen bzw. Bauern. Sie verdichteten das Bild seines Wirkens und übernahmen die Deutung der Zeitgenossen aus dem 18. Jahrhundert, es habe sich um ein historisches Ereignis gehandelt, allzu gern. Sie knüpften daran an und begründeten eine Tradition, die über die politischen Brüche der Auflösung des Alten Reiches in die Gründung des Österreichischen Kaiserreiches hineinragte und das Neue mit dem Alten in patriotisch-nationaler Intention und identitätsstiftend verband.672 Wenn auch im 19. oder 20. Jahrhundert die Medien vom staat­lich erwünschten Nationalbrunnen des Ackerbaus in Wien bis zur Bauernpost 671 Vgl. zum Begriff des Ereignisses Tschopp, Silvia Serena: Rhetorik des Bildes. Die kommunikative Form sprach­licher und graphischer Visualisierung in der Publizistik zur Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1631. In: Historische Zeitschrift 41 (2005). S. 79 – 103. Wangermann, Ernst: Die Waffen der Publizität. Zum Funktionswandel der politischen Literatur unter Joseph II. Wien 2004. S. 155. 672 Identitäten beruhen nach Wolfgang Kaschuba wesent­lich auf Bildern, Symbolen und Gesten. Kaschuba, Wolfgang: Einführung in die Europäische Ethnologie. München 1999. S. 132 und S. 134. Zudem gewährten die Visualisierungen des 19. und 20. Jahrhunderts nach Bredekamp den Betrachtern den Eindruck, „an dem dargestellten Geschehen nachträg­lich teilnehmen zu können“. Bredekamp, Horst: Bildakte als Zeugnis und Urteil. In: Flacke, Monica (Hg.): Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Bd. 1. Mainz 2004. S. 29 – 66. Hier S. 29f.

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reichten, die Verehrung und Verklärung Josephs als der Monarch, der unter den Untertanen aller seiner Länder und allen Ständen eine erste gesellschaft­liche Annäherung initiiert hatte, wurde von allen Gruppen und Medien gleichermaßen gewürdigt. Die dichterischen oder bild­lichen Fixierungen des 19. und 20. Jahrhunderts stellen dabei vor allem eine ästhetische Rettung des Pflugereignisses dar, indem sie die Differenzen und Gräben zwischen den Ständen oder die problematischen Reaktionen auf die Reformen Josephs II. aus der Darstellung ausklammern. Dabei betonen die bild­lichen oder papiernen Monumente aber umso deut­licher, dass Joseph der zeitgenössisch idealen Herrschaftsauffassung entsprach und sie im Sinne der früheren ökonomischen Bewegungen wahrhaft verkörperte. Die Memoria verherr­lichte also nicht nur einen großen Herrscher, sondern einen idealen. Obwohl die zeitgenössischen und auch die nachfolgenden Interpretationen ohne einen Rückgriff auf das Motiv des pflügenden chinesischen Kaisers auskamen, lehnte sich die Deutung dennoch einheit­lich bei allen Interessengruppen stark an die Vorgaben der Reiseberichte, die Deutungen der Kameralisten und der Physiokraten, an: Das eigenhändige Pflügen Josephs wurde wie die Handlung des chinesischen Kaisers einhellig als Zeichen der Achtung vor der Landarbeit der Bauern und zugleich als Symbol der Hebung des Bauernstandes durch den Monarchen gewertet. Der Arbeit auf dem Feld war somit end­lich wieder die ihr gebührende Achtung durch einen Monarchen gezollt worden. Mit ihm war an die positive Einordnung des Landbaus in der Antike angeknüpft und der Bruch mit der negativen antiken und biblischen Konnotation der Landarbeit überwunden. Die bäuer­liche Arbeit war durch Josephs eigenhändigen Pflugversuch sogar aus ihrer ständischen Tradition und Zuordnung gerissen und ihr der Wert einer überständischen Tugend zuteil geworden. Arbeit erhielt durch Josephs unprätentiöse Handlung und die Stilisierung in Wort und Bild einen ökonomischen und gesellschaft­lichen Wert, der ständeübergreifend vereinheit­ lichend und gemeinschaftsstiftend wirkte, wie es Justi oder die Physiokraten gefordert hatten. Joseph würdigte die landwirtschaft­liche Tätigkeit durch seine Person. Er hatte sie geadelt. Das hatten selbst die adeligen Ständevertreter Mährens mit der Inschrift des Steins erkannt und zugegeben. Mit der Darstellung dieses Sachverhalts eines geadelten Ackerbaus war ein Vorbild geschaffen worden, nach dem sich jedermann guten Gewissens richten konnte, ohne unstandesgemäß zu handeln oder sich bei der Landarbeit etwas zu vergeben. Damit war durch einen Monarchen ein Bruch mit der Vorstellung geschaffen, dass jedem Stand seine eigene Aufgabe zukam und diese jahrhundertealte Tradition unantastbar bleiben müsse. Im Vordergrund der Medien, die Josephs Pflügen als Beispiel kommunizierten, stand vielmehr ein entsakralisierter Berufsgedanke, der die Landwirtschaft als verdienstvolle Tätigkeit mit implizierte. In Zedlers Universallexikon war 1733 schon der Versuch unternommen worden, den Beruf aus Luthers konfessioneller Deutung zu entkoppeln und ihn rein auf den Endzweck des eigenen Glücks sowie den Nutzen der Gemeinschaft zu reduzieren: Ein jeder ist verpf­lichtet, etwas, es sey auch was es wolle, zu demselben [dem Nutzen

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der Gemeinschaft] beyzutragen.673 Diese neue Gemeinschaft oder die neue Lebensordnung hatte der Kaiser selbst durch sein Tun symbolisch gestiftet bzw. hergestellt. Zugäng­lich war sie durch Verdienst, nicht durch Stand. Die Zugehörigkeit konnte erworben werden: Joseph würdigte das gesellschaft­liche Verdienst des Landbaus, in dem er über die bereits erwähnten Nobilitierungen hinaus auch Bauern auszeichnete. Der Gartenkalender aus dem Jahr 1788 berichtete euphorisch aus Lemberg von Kaiser Joseph, dass dessen Auge für jeden der Menschheit interessanten Gegenstand immer offen ist. [Der Kaiser] hat bey seiner Durchreise durch diese Gegenden einem Bauer aus dem Samborer Kreise, der 600 Obstbäume mit dem besten Erfolg gepflanzet hat und überhaupt ein fleißiger Landwirt ist, eine goldene Medaille mit einem prächtigen roten Bande mit eigenen Händen umzuhängen und ihn bey Fortsetzung des Fleißes Seiner Gnade zu versichern geruhet.674 Der Bericht beeilte sich, die Auszeichnung des Bauern durch Joseph als ein Vorbild zu stilisieren, das weit mehr werth sei bzw. kräftiger zur Erweckung der Nacheiferung und rühm­licher für Regenten, als wenn der Kaiser von China alljähr­lich mit einem leeren Hofgepränge die Hand an den Pflug legt.675 Einen Zusammenhang zu den Auszeichnungen der Bauern in China stellte er nicht her, sondern hob vielmehr Josephs scheinbar originäres Tun vom inhaltsleeren Staats­ ritual des chinesischen Herrschers positiv ab. Hier zeigt sich in der Einordnung des Pflugrituals der Wandel im China-Bild gegen Ende des 18. Jahrhunderts, aber auch die zunehmend kritische Einstellung gegenüber rituellen oder zeremoniellen Handlungen an sich im Alten Reich. Aus medienanalytischer Sicht sind die Stilisierungen Josephs durch unterschied­liche Medien als oppositionelle Position gegenüber den Jesuitenberichten zu verstehen. Auch wenn durchaus noch adaptive Elemente im Interpretationsansatz enthalten waren, so wurde das von den Jesuiten zum Vorbild erhobene chinesische Kaisertum nun durch ein eigenes, dominant kommuniziertes Modell abgelöst. Mit Josephs Pflügen war zwar ein wichtiges Vorbild geschaffen worden, doch die Missstände in der Landwirtschaft und dem Bauernstand waren trotz aller Reformen, teilweise aber wegen der Rücknahmen der Neuerungen durch den Herrscher selbst, längst nicht beseitigt. So ist die Tatsache auffällig, dass im Kontext offener Defizite noch lange nach dem eigenhändigen Pflügen Josephs Vergleiche publiziert wurden, die das Vorbild des chinesischen Kaisers erneut auf den Plan riefen und hofften, ihm werde künftig weiter Folge geleistet. Einen direkten Bezug vom chinesischen Pflug­ ritual zu Kaiser Joseph II. und dem schlechten Zustand der böhmischen Landwirtschaft stellte der mansfeldisch-colloredo’sche 676 Wirtschaftsinspektor Johann Mehler in seiner

6 73 Art. „Beruff “. In: Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 3, Sp. 1449 – 1451. 674 Anonymus: Bericht aus Lemberg. Gartenkalender 6 (1788). S. 252 – 253. Hier S. 252. 675 Ibd. 676 Es handelt sich um einen Untergebenen des Reichsvizekanzlers Fürst von Colloredo.

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Abhandlung Erste Sammlung der böhmischen Ackergeräthe aus dem Jahr 1784 her. Er schrieb in der Einleitung: Der chinesische Kaiser bestellt jedes Jahr unter großem Gepränge die Erde, um hierdurch das Landvolk zu der Feldarbeit aufzumuntern. […] Ach könnte Joseph sehen, wie viele von der Natur fruchtbare Felder, theils noch ganz entblößet, theils schlecht gepflüget, unbedüngt, in Thränen besäet – und die wenigen Früchte in Betrübnis eingeärndet [sic!] werden.677 4.4 Herrschaft und Landwirtschaft in modellhaften Staatsentwürfen

Trotz der intensiven medialen Verbreitung der zeit­lich nahe beieinander liegenden Pflugereignisse in der Gegend um Versailles durch den künftigen König Ludwig XVI. und in Mähren durch den jungen Kaiser Joseph II . blieb das Motiv des pflügenden Kaisers von China als Modell ebenso wie die Auseinandersetzung mit den Leistungen der chinesischen Landwirtschaft in Staatsentwürfen und Verbesserungsvorschlägen bürger­licher Eliten in Frankreich und im Alten Reich nach 1769 präsent. Die Handlung des chinesischen Kaisers hatte zwar zwei hochfürst­liche europäische Pendants gefunden, doch ihre Vorbildwirkung auf andere Potentaten blieb zunächst ebenso aus wie schnelle Ergebnisse von Reformprozessen. Während Joseph schnell und gezielt mit seinen Reformvorhaben im bäuer­lichen und landwirtschaft­lichen Bereich begann, verzögerte sich die Initiative in Frankreich bis zum Regierungsantritt Ludwigs XVI. im Jahr 1774 und der Berufung Turgots zum Generalkontrolleur der Finanzen. Der bisher diskutierte und von Kameralisten und Physiokraten aufgezeigte notwendige politische Handlungsbedarf und die Erwartungen an die Monarchen blieben somit bestehen, nicht zuletzt, weil 1770/71 gravierende Hungersnöte ganz Europa überzogen und im Alten Reich zwischen 1770 und 1773 sowie in Frankreich bis 1775 ständige Brotrevolten ausbrachen.678 Die Handlungsoptionen der Monarchen mussten daher weiter vorbereitet, unterstützt, aber auch immer wieder öffent­lich eingefordert werden. So zeigt sich gerade zu Beginn der 1770er Jahre am französischen Hof die verstärkte Initiative des Ministers Bertin, sein Wissen zur Funktionsweise der Landwirtschaft und zur Rolle des Kaisers als chef des cultivateurs in China gezielt zu erweitern. Der Austausch über

677 Mehler, Johann: Erste Sammlung der böhmischen Ackergeräthe. Prag 1784. In der zweiten Auflage, die 1794 in Dresden unter dem Titel Der Ackerbau des Königreichs Böhmen erschien und ebenfalls eine überarbeitete Sammlung der böhmischen Ackergeräthe beinhaltete, fehlen in der Einleitung die Bezüge zum chinesischen Kaiser und zum inzwischen verstorbenen Joseph II. 678 Die Anzahl der Brotproteste in diesem Zeitraum ist für Frankreich und die deutschen Territorien sowie die österreichischen Erbländer signifikant höher als in den Jahrzehnten zuvor. Die Zahlen für Frankreich sind etwa so hoch wie in den Jahren kurz vor und während der Französischen Revolution. Odenwälder, Nahrungsproteste und moralische Ökonomie, S. 61. Gailus/Volkmann, Nahrungsmangel, Hunger und Protest, S. 10 und S. 13f.

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die Korrespondenz mit den Jesuiten sowie die Erstellung von Fragebögen und andere Formen der wissenschaft­lichen Erhebung wurden bereits im Kapitel 3.1.2 vorgestellt und diskutiert. Diese verstärkte und gezielte Wissensakkumulation geschah jedoch stärker auf persön­liche Initiative Bertins als zuständiger Minister für Landwirtschaft und Turgots als Intendanten von Limoges. Sie ließen das Wissen im Dienst und im Interesse der Krone sammeln und zusammenstellen, um effizientes, schnelles und wirksames politisches Handeln der Herrscher zu ermög­lichen.679 Der öffent­liche Diskurs der frühen 1770er Jahre wurde insbesondere durch neue Staatsentwürfe bereichert, die sich als Reaktion auf die zeitgenössischen Hungerkrisen intensiv und kritisch mit den aktuellen ökonomischen Lehren sowie den von diesen Theorien genutzten Exempeln wie etwa China oder die Antike auseinandersetzten. Das bisherige Wissen bzw. seine Umsetzbarkeit stand auf dem Prüfstand. Von der kritischen Analyse nicht verschont wurden der aktuelle Zustand des bestehenden Systems aus Staat, Ständen und Wirtschaft sowie das anvisierte neue Staatsziel hinsicht­lich des harmonischen Zusammenwirkens aller dieser Komponenten. Während die romanistische und germanistische Literaturwissenschaft nicht nur das verstärkte Aufkommen, sondern auch einen Wandel im des Genre der Utopien konstatiert, kann aus histo­ rischer Perspektive vielmehr von modellhaften Staatsentwürfen gesprochen werden, die aus bisherigen Lehren abstrahiert und an französische oder deutsche Verhältnisse angepasst, bewusst als realisierbares System, als ein Produkt rein mensch­licher Planung und Tätigkeit von den Autoren konstruiert wurden. Die nachfolgende exemplarische Untersuchung richtet ihren Blick auf Louis-­Sébastian Merciers (1740 – 1814) im Jahr 1770 anonym in Amsterdam und 1771 in London erschienenen Zukunftsentwurf von Paris mit dem Titel: L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fut jamais sowie Christoph Martin Wielands (1733 – 1813) Der goldne Spiegel oder die Könige von Schechian.680 Mit beiden Werken, so lautet die These, liegt keine Flucht in eine utopische Welt oder eine Verlagerung in ein Traumland, sondern die Konstruktion eines zukünftig mög­lichen Bildes von einem auf dem Naturrecht und natür­lichen Gesetzen beruhenden Staat vor, in dem der Hunger durch eine funktionierende Landwirtschaft bekämpft und die Glückseligkeit aller Menschen realistisch wird. Dafür dient beiden Autoren China als funktionierender Agrarstaat zum Vorbild,

679 Das Wissen unterstützte die Reformen, die in der Dekade zwischen 1771 und 1781 angestoßen wurden. Zu den Reformen, ihren Zielen und ihrem Scheitern vgl. Bosher, John-Francis: French Finances 1770 – 1795. From Buisness to Bureaucracy (Cambridge Studies in Early Modern History). Cambridge 1970. S. 142 – 165. 680 Mercier, Louis-Sébastien: L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fût jamais. London 1771. Wieland, Christoph Martin: Der goldne Spiegel, oder die Könige von Scheschian, in: Wielands Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 10,1,1. Hg. v. Hans-Peter Nowitzki/Tina Hartmann. Berlin u. a. 2009. S. 1 – 323. Zu Mercier und seinem Gesamtwerk vgl. Saage, Richard: Utopische Profile. Bd. 2: Aufklärung und Absolutismus (Politica et ars, Bd. 2). Münster 2002. S. 177 – 181.

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wofür Du Haldes Informationen herangezogen wurden. Merciers und Wielands Entwürfe zeigen aber auch, dass sich das neue, durch die Jesuitenberichte initiierte und insbesondere durch die Physiokraten verbreitete Herrschaftsideal des ersten Landmannes eines Staates für einige Jahre im kollektiven Gedächtnis Europas etablierte und tradiert wurde. Mit der Rezeption dieser Herrschaftsvorstellung zielten sie darauf, die Monarchie zu stützen, gleichzeitig aber auch eine Anleitung zur Selbstreform und zu neuer Legitimation zu geben.

4.4.1 Mercier und das glückselige Paris

Mercier versetzte den Leser der 1770er Jahre in das Paris des Jahres 2440. Das Werk erschien in fünf Auflagen und war bis in die 1780er Jahre hinein in Frankreich und im Alten Reich äußerst erfolgreich.681 Es handelte sich bei dem Werk um eine Utopie,682 jedoch nicht im Sinne der Textgattung, sondern hinsicht­lich der Vorstellung eines vollkommenen urbanistischen, politisch-ökonomischen und gesellschaft­lichen Konzepts für Paris.683 Mercier hatte ein Modell seiner Stadt konstruiert, in dem viele 681 Robert Darnton ordnet das Buch als einen Bestseller ein, das den Verkaufszahlen zufolge an dritter Stelle nach Raynals Histoire philosophique stand. Darnton, Forbidden Best-sellers of Pre-Revolu­ tionary France, S. 26 – 29. 682 Französische Lexika des 18. Jahrhunderts greifen den Begriff noch nicht auf. Er ist zeitgenössisch noch eng mit Thomas Morus’ Utopia verbunden. Stockinger, Ludwig: Ficta Respublica. Gattungsgeschicht­liche Untersuchungen zur utopischen Erzählung in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts (Hermaea, N. F., 45). (Diss.) Tübingen 1981. S. 100f. Aus moderner Sicht ist die Utopie ein projet oder ein plan, oft in der Form einer voyage utopique. Funke betont, dass es sich bei Mercier um Uchronie, Unzeit (ou grch. Un-; chronos grch. Zeit) handelt. Zum Verständnis von Utopie in der französischen Literaturwissenschaft und einem guten Überblick über die Forschungsliteratur vgl. Funke, Hans-Günther: Aspekte und Probleme der neueren Utopiediskussion in der französischen Literaturwissenschaft. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopie-Forschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­lichen Utopie. Bd. 1. Stuttgart 1982. S. 192 – 220. Hier S. 193f und S. 195. Africa, Christine E: Utopias in France, 1616 – 1787. (Diss.) London/Ann Arbor 1980. Leider fehlt in Africas Überblick die Einordnung der Wirtschaft in französischen Utopien. Gleiches gilt für Ruyer, Raymond: L’utopie et les utopies. Paris 1950. Helge Jordheim verwahrt sich dagegen, dass Utopien als eine Literaturgattung einzuordnen seien. Das utopische Prinzip liege der Literatur an sich zugrunde. Jordheim, Helge: Der Staatsroman im Werk Wielands und Jean Pauls. Gattungsverhandlungen zwischen Poetologie und Politik (Communicatio, Bd. 38). (Diss.) Tübingen 2007. S. 64. 683 Gnüg spricht von einer „Ortsutopie“ reformierter Gegenwart. Grundsätz­lich einführend zu Mercier vgl. Gnüg, Hiltrud: Der utopische Roman. Eine Einführung (Artemis-Einführungen, Bd. 6). München/Zürich 1983. S. 103 – 111. Hier S. 103. Reinhart Koselleck betonte, dass die utopischen Räume von den Reiseerfahrungen durch die ganze Welt eingeholt worden waren. Somit handelt es sich bei Merciers Werk eher um eine Zeitutopie. Koselleck, Reinhart: Die Verzeit­lichung der Utopie. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­lichen Utopie. Bd. 3. Stuttgart 1982. S. 1 – 14. Hier S. 3. Zur Raum- und Zeitutopie vgl. ebenfalls Schölderle,

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der bestehenden zeitgenössisch aktuellen Probleme gelöst und Unzuläng­lichkeiten überwunden waren. Im Gegensatz zu den sonstigen politisch-literarischen Fiktionen, die geographisch auf weit entfernten Inseln, in versteckten Tälern und fremden Welten spielten, konfrontierte er seine Zeitgenossen mit dem Novum einer Fiktion der eigenen Stadt. In die Rolle des Ich-Erzählers schlüpfte Mercier selbst, konnte er doch so seinem Leser seine Analyse der Gegenwart und seine Vorstellungen von der Zukunft authentisch und unverschleiert vorführen. Zudem zeigte sich an seiner Erzählerfigur sowie an der gesamten Konzeption seines Entwurfs, dass er den Menschen als Subjekt der Geschichte begriff. Im Telos der Geschichte lag der Weg zur irdischen Perfektion. In Übereinstimmung zu Turgots Auffassung vom Perfectionnement ging Mercier von einem durch den Verlauf der Geschichte erreichbaren idealen Ziel aus.684 Zugleich war für Mercier aber auch jedes Individuum ein wichtiger und nütz­licher Vertreter der Gesellschaft, der durch die Kontrolle seiner Leidenschaften zum eigenen und zum Gemeinwohl beiträgt. Jeder Mensch erhält in der Vorstellung Merciers eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft,685 die er selbstlos und bescheiden ausfüllt. Genau diese Rolle ergiff Mercier als Ich-Erzähler. Indem er in seinem Werk die Freiheit aller Untertanen herausstellte, am Thron Kritik zu üben und Vorschläge zur Verbesserung vorzutragen, bediente er sich genau dieser Freiheit und setzte sie mit seinem Entwurf der Zukunft sofort um: Le Monarque ne manque point d’inviter à sa cour cet homme cher au peuple. Il converse avec lui pour s’instruire; car il ne pense pas que l’esprit de sagesse soit inné en lui. Il met à profit les leçons lumineuses de celui qui a pris quelque grand objet pour but principal de ses méditations. Il lui fait présent d’un chapeau où son nom est brodé; & cette distinction vaut bien celle des rubans bleus, rouges & jaunes, qui chamaroient jadis des hommes absolument inconnus à la partie.686 Während die Untertanen des von Mercier beschriebenen künftigen Paris für sinnvolle Vorschläge sogar Auszeichnungen erhielten, hatte Mercier seinen Vorschlag im Ausland erscheinen lassen müssen. Nach einem langen Schlaf sieht sich der Erzähler um 700 Jahre gealtert in seine Heimatstadt des Jahres 2440 versetzt. Die Sauberkeit und Schönheit der Stadt sowie die bequeme, lockere Kleidung ihrer Bewohner fallen dem erstaunten Beobachter ins Auge. Fasziniert ist er von der Rücksichtnahme der Menschen untereinander, insbesondere gegenüber Alten und Hilfebedürftigen, die dem Zeitreisenden als altem Mann auch sofort durch einen gelehrten und aufmerksamen Bürger zugutekommt. Dieser wird sich als freund­licher und vor allem geschichtskundiger Führer durch die Stadt Thomas: Utopia und Utopie. Thomas Morus, die Geschichte der Utopie und die Kontroverse um ihren Begriff. (Diss.) Baden-Baden 2011. S. 243 – 251. Funke, Hans-Günther: Reise nach Utopia. Studien zur Gattung Utopie in der französischen Literatur. Münster 2005. S. 257 – 273. 684 Koselleck, Die Verzeit­lichung der Utopie, S. 5. 6 85 Die Gemeinschaft ist als wesent­liches Element aller Utopien von großer Bedeutung, nur funktioniert sie je nach Entwurf nach anderen Regeln. Gnüg, Utopischer Roman, S. 38. 6 86 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 29.

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erweisen und dem Besucher über die Veränderungen berichten. In der Ich-Erzählung übernimmt Mercier gegenüber seinem Leser die Rolle des kundigen Führers und Vermittlers zwischen der eigenen Gegenwart, die er zur überholten Vergangenheit deklariert, und der Zukunft. Er taucht in eine ständelose Gesellschaft ein, die auf moralischen Grundlagen eines humanistischen Miteinanders basiert und der ein Philosoph auf dem Thron als ein nach Montesquieu beschränkter Monarch vorsteht. Staat und Gesellschaft geben jedem Bürger die Freiheit und schaffen damit die notwendigen Bedingungen, um selbst als Gestalter seines Lebensweges und Urheber seines Glückes zu fungieren. Arbeit und die aktive Mitwirkung am Erhalt der Gesellschaft sind die Voraussetzungen für die Glückseligkeit des Staates und des Einzelnen. Somit besteht die Pf­licht, aber auch der Wille zur Arbeit. Im Paris des Jahres 2440 ist das Staats- und Gesellschaftsideal des glückseligen Miteinanders erfolgreich und funktionstüchtig realisiert. Der Motor dafür lag in der vernünftigen Einsicht und dem kollektiven Willen, Missstände zu korrigieren. Wenn nun Missstände zukünftig behoben werden sollten, so mussten sie präzise benannt und ihre Ursachen analysiert werden. Dies machte sich Mercier mit seinem Entwurf zur Aufgabe, um mit seinem Werk einen wichtigen Grundstein zur realen Verbesserung zu legen. Dafür setzte er sich intensiv und äußerst kritisch mit der Lehre der Physiokraten, mit Rousseaus Landwirtschafts- und Gesellschaftsverständnis sowie der Verbindung von Landwirtschaft, Herrschaft und Gesellschaft auseinander. Merciers Ziel bestand darin, mittels seines Modells von Paris im Jahr 2440 eine präzise Kritik bestehender zeitgenössischer Institutionen und gesellschaft­licher und politischer Verhältnisse der Dekade zwischen 1760 und 1770 zu geben und ihr eine gut durchdachte, realisierbare Alternative gegenüberzustellen. Für ihn war in diesem Jahrzehnt ein sichtbarer Niedergang Frankreichs zu verzeichnen. So thematisierte er die politischen Krisen und Fehler seiner Gegenwart: Neben der Auflösung des Parlaments und den Folgen des Siebenjährigen Krieges für Frankreich wandte er sich insbesondere den Gründen der Hungersnöte zu, die seit 1763 in Paris und Rouen immer wieder zu Unruhen geführt und nach Mercier zwar aus den guten Absichten patriotischer Schriftsteller (der Physiokraten) und gesellschaft­lichen Disputen erwachsen waren, aber schlimme Folgen für die Bevölkerung bewirkt hatten: Cette fameuse loi, qui devoit être le signal de la félicité publique, a été le signal de la famine: elle a dévoré le pauvre à la porte des greniers qui crouloient sous l’abondance des grains.687 Es ging ihm um die fatale Auswirkung der von den Physiokraten angestoßenen Gesetze zur Freiheit des Binnenhandels mit Getreide, die am 5. Mai 1763 eingeführt und am 18. Juli 1764 um die Zulassung des unbeschränkten Exports ergänzt wurden. So zeigte sich nach ­Mercier, dass sich der Mensch als grausamster Feind des Menschen selbst erweisen konnte. Er warf den économistes vor, ihren Vorschlag nicht vollständig bedacht zu haben und so habe sich das Gesetz gegen das Vaterland gewandt, obwohl es ihm hätte dienen sollen.

687 Ibd. S. 154f.

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In zahlreichen Anmerkungen zu seinem eigent­lichen Romantext gab Mercier in der Art eines editorischen Kommentars ganz eindeutige Erläuterungen, auf welche Ereignisse sich sein Text bezog. Er ermög­lichte somit seiner Leserschaft eine leichte Orientierung über die aktuellen Missstände und die mög­lichen Verbesserungen im Paris der Zukunft. Richard Saage verweist darauf, dass ein wesent­liches Element der politischen Utopie in der Gegenüberstellung der kritikwürdigen Realität mit der idealen Gegenwelt bestehe.688 Merciers Entwurf von Paris ist nicht nur zukunftsorientiert, sondern der Wirk­lichkeit angemessen und auf die realisierbare Mög­lichkeit des „Anders-sein-Könnens“ hin konzipiert.689 Sein Roman sollte als Führer oder Leitlinie für die Zukunft nutzbar sein.690 Dies bedeutet aber auch, dass sich Mercier über die Probleme seiner unmittelbaren Gegenwart hinaus mit ihren Idealen und Vorbildern auseinandersetzen, sie auf den Prüfstand stellen und entweder verwerfen oder für sein Werk nutzbar machen musste. Es stellt sich die Frage, inwieweit er sich von aktuellen Leitbildern wie der chinesischen Gesellschaft, der Rolle der Bauern in China und der patriarchalischen Herrschaft des chinesischen Kaisers für sein Werk beeinflussen ließ. Dabei eignete sich China für ihn argumentativ besonders gut, da der Motivschatz als bekannt vorausgesetzt werden konnte. Zudem beruhten diese Motive auf der funktionierenden Realität eines starken Staates. Es musste nur noch ein Weg gezeigt werden, wie sie in die eigene zukünftige Realität integriert werden konnten. Methodisch bediente er sich insbesondere der Reduktion und Transformation, indem er die Staats- und Gesellschaftskonzepte bestehender Diskurse seiner Gegenwart – etwa der Physiokraten und Rousseaus – sowie die umfassenden Informationen über China für sein Modell prüfte und auf Inhalte reduzierte, die er für angemessen und umsetzbar hielt sowie als realisierten Zustand in die Zukunft transformierte. Jürgen Fohrmann ist deshalb zuzustimmen, dass sich Merciers Utopie im Ausschöpfen von Mög­lichkeiten seiner Zeit zeigt.691 Es ist darüber hinaus zu konstatieren, dass er zwar mit seinem Buch eine zeit­liche Utopie schaffte, die aber aus seiner Sicht im Gegensatz zu den Konzeptionen seiner Zeitgenossen durch seine Auswahl und seine Reduktionen ein deut­lich höheres Umsetzungspotential besaß. Er hatte die Diskurse seiner Zeit als eigent­liche Utopien erkannt, entutopisiert, Fehler analysiert und korrigiert. Dabei sah er seinen Entwurf als Vorschlag für Änderungen. Mit diesem Verständnis von Utopie lehnte sich Mercier an Rousseaus Votum für eine Gattung neuer didaktischer Romane an, die wahre Zukunftsbilder und nicht nur 688 Saage, Richard: Politische Utopien der Neuzeit. Mit einem Vorwort zur zweiten Aufl.: Utopisches Denken und kein Ende? (Herausforderungen, Bd. 11) Bochum ²2000. S. 49. 689 Saage, Politische Utopien der Neuzeit, S. 47. 690 Darnton, Forbidden Best-sellers of Pre-Revolutionary France, S. 120. 691 Fohrmann, Jürgen: Utopie und Untergang. L.-S. Merciers L’An 2440. In: Berghahn, Klaus L./ Seeber, Hans Ulrich (Hg.): Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart. Königstein 1983. S. 105 – 125. Hier S. 113.

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literarische Gemälde schaffen sollten, welche die Phantasie zwar anregten, aber nicht auf die Wirk­lichkeit bezogen werden können. Diese Vorstellung hatte Rousseau in seinem Briefroman Julie ou la Nouvelle Héloïse (1761) geäußert.692 Mög­licherweise ist Merciers L’An 2440 von Henri Goyon de la Plombanies (1737 – 1808) zweibändiger ökonomischer Utopie La France agricole et marchande beeinflusst, die 1762 anonym in Avignon erschienen war. Goyons Buch nahm sich ebenso wie Mercier die Krise Frankreichs durch den Siebenjährigen Krieg zum Thema und beschrieb eine Übergansphase aus der zeitgenössischen in eine ideale Welt. Er verzichtete dabei jedoch auf Änderungen in der ständischen Struktur, befürwortete aber die Schaffung eines neuen Menschen durch Erziehung und Arbeit.693 Hinsicht­lich der Erziehungsmaxime finden sich Übereinstimmungen zu Merciers Zukunftsentwurf. a. Die Rolle Chinas Die Bedeutung Chinas für Mercier ist bisher in der literaturwissenschaft­lichen und der Utopien-Forschung vollständig ignoriert worden. Da aber China in Merciers Modell des zukünftigen Paris auffälligerweise gerade im Kontext der Verflechtung von Landwirtschaft, Staat und Gesellschaft auftaucht, soll seine Bedeutung für Autor und Werk nachfolgend analysiert werden. China erhält in Merciers Entwurf den Status einer Schablone, eines Vergleichsstaates, vor dem die Errungenschaften der Pariser im Jahr 2440 gemessen und diskutiert werden und wovon sie teilweise auch beeinflusst sind. China bleibt dabei hinter dem zukünftigen Frankreich zurück, erweist sich seinerseits aber als lernbegieriger, neidloser Freund und Bewunderer der Franzosen. Die Rollen in der Vorbildwirkung wurden

692 Rousseau, Jean-Jacques: La Nouvelle Héloïse, ou lettres de deux amans (Collection complète des Œuvres de J. J. Rousseau, Citoyen de Genève, Bd. 2 und 3). Genève 1782. I, 25. Vgl. auch Hippel, Olga von: Die pädagogische Dorf-Utopie der Aufklärung (Göttinger Studien zur Pädagogik, Bd. 31). (Diss.) Göttingen 1939. S. 9f. Rousseau ist selbst eher nicht zu den Utopisten gerechnet worden, jedoch seine Theorie des Gesellschaftsvertrags zu einem Symbol für die Politische Utopie. Schölderle, Utopia und Utopie, S. 233 – 242. Saage, Richard/Heyer, Andrea: Rousseaus Stellung im utopischen Diskurs der Neuzeit. In: Politische Vierteljahresschrift 46/3 (2005). S. 389 – 405. Lypp betont, Rousseau habe die Fiktion der Übereinstimmung des Menschen mit sich selbst konstruiert und sich somit gegen den zeitgenössisch gängigen Entwurf der Patrioten oder Staatsbürger gewandt. Lypp, Bernhard: Rousseaus Utopien. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­lichen Utopie. Bd. 3. Stuttgart 1982. S. 113 – 124. Hier S. 122. Zur didaktischen Kunst und Literatur unter Ludwig XV. vgl. Leith, The Idea of Art as Propaganda in France, S. 70ff. 693 Goyon de la Plombanie, Henri: La France agricole et marchande. 2 Bde. Avignon 1762. Ein direkter Vergleich zwischen Goyons und Merciers Utopien steht noch aus. Er kann an dieser Stelle nicht auch nur ansatzweise erfolgen. Vgl. zu Goyons Schrift: Perrot, Jean-Claude: Despotische Vernunft und ökonomische Utopie. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­lichen Utopie. Bd. 2. Stuttgart 1982. S. 336 – 357. Ders.: Une Histoire intellectuelle de L’Économie politique. Paris 1992. S. 287 – 304. Mercier als mög­licher Rezipient wird nicht erwähnt.

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von Mercier im Verhältnis zur Realität Frankreichs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts getauscht. Dennoch sind die Beziehungen zu China eng, respektvoll und aufrichtig. Dies zeigt Mercier ausführ­lich an einem zufälligen Zusammentreffen mit einem chine­sischen Mandarin in einem Lesesaal für internationale Zeitungen, in dem neben den Gazettes de Pékin 694 dem interessierten Bürger der Stadt Blätter aus aller Welt zugäng­lich gemacht werden. Sein Gegenüber hatte sein Land verlassen, um das berühmte Paris zu sehen, von dem in China so viel berichtet werde. Das Ziel seiner Reise bestehe darin, so der Chinese, sich über verschiedenste Dinge vor Ort zu informieren, die man mit eigenen Augen gesehen haben müsse, um sie richtig zu beurteilen. Dabei bestehe, so betonte der chinesische Beamte, die enge Beziehung zu Frankreich schon seit über zweihundert Jahren. In China sei die französische Sprache geläufig und der Kaiser habe die Schriftzeichen vereinfachen lassen, um die Verbindungen zu intensivieren. Durch den Kontakt mit Frankreich habe sich in China vieles zum Besseren gewandelt.695 Zugleich stellte der Chinese aber auch Dinge heraus, die hinläng­lich in Europa als Vorbild bekannt und erhalten geblieben, aber durch die Europäer auch manchmal negativ und falsch gedeutet worden waren, wie etwa das eigenhändige Pflügen des Kaisers: Notre empereur conduit toujours la charrue, mais ce n’est point une vaine cérémonie ou un acte d’ostentation puérile.696 Schließ­lich, so betonte der Mandarin, sei es ihr Kaiser gewesen, der bewiesen habe, dass ein Monarch ein Philosoph sein müsse, wenn er seinen Staat gut regieren wolle.697 Im Gespräch mit dem kundigen Beamten erfuhr der Ich-­Erzähler auch, dass die Kriege zwischen den Staaten, die sich selbst auf andere Kontinente ausgeweitet hatten, eingestellt und nur noch das fried­liche, harmonische Miteinander die Menschen der Welt verbinde. Indem Mercier auf China rekurrierte, positionierte er sich gegen die zeitgenössische aufkommende China-Kritik. Mercier gestand mit dieser Passage dem Blick in ein fremdes Gemeinwesen eine wichtige Rolle für den notwendigen Wissenserwerb und Wissensaustausch zu. Durch Reisen und die persön­liche Erfahrung eines Reisenden eröffnete sich aus Merciers Sicht eine neue Welt, die den spiegelbild­lichen Vergleich mit den eigenen Zuständen ermög­ lichte sowie Anregungen für sinnvolle Veränderungen und deren Durchführung gab. Dies zeigte sich im Lernen des chinesischen Würdenträgers ebenso wie in seiner Rolle als Zeitreisender in die Zukunft. Im Kosmopolitentum lag für ihn ein wesent­licher Schlüssel des Lernens. Im respektvollen Miteinander und aufgeschlossenen Voneinander-Lernen konnten nur Vorteile für alle beteiligten Seiten liegen. Mit der Umkehr der Führungsposition formulierte er für Frankreich ein Ziel und zeigte zugleich den Weg des Lernens auf. Er eröffnete in seinem Zukunftsentwurf, wie eine bessere Zukunft zu 694 Die Gazettes de Pékin wurden, wie im Kapitel zu den Reiseberichten dieser Arbeit bereits diskutiert, von den Jesuiten oft als Quelle ihrer Informationen zu politischen Gegenständen genannt. 695 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 379ff. 696 Ibd. S. 382. 697 Ibd.

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gestalten sei und dass die gewählten Beispiele, welche der Orientierung dienen sollten, erprobte und reale Exempel fortschritt­licher Staaten und Gesellschaften sein sollten. Das Votum für Reisen als Mittel des Wissenserwerbs war Mercier auch zum Verständnis seines Buches als Zeitreise in die Zukunft unerläss­lich. Zugleich unterstrich er mit der Umkehrung der Rollen auch, dass – wenn China im Jahr 2440 bereitwillig von Frankreich lernen wolle –, Frankreich dies im 18. Jahrhundert ebenso ohne Prestigeverlust tun könne. Er verwies damit auf die in Frankreich bestehende Schwierigkeit des Lernens von Fremden.698 Denn gerade nach dem Siebenjährigen Krieg und somit im Erscheinungszeitraum von Merciers Modell von Paris tobte unter den französischen Intellektuellen und insbesondere den Militärs eine Diskussion um Vorbilder und die Frage, ob sie für die Nation passend seien. Wenn sich auch der Vorwurf der französischen Eliten primär auf diejenigen richtete, die allzu begeistert auf den preußischen Gegner schauten und China bis dato in die aufflammende Nationaldebatte um passende und für den Eigencharakter gemäße Modelle nie einbezogen wurde, so ist der Gedanke doch nicht zu vernachlässigen, dass die von Mercier in seinen Entwurf integrierten Inhalte zur fruchtbaren Verbindung von Landwirtschaft, Herrschaft und Gesellschaft in China mög­licherweise als fremd, unfranzösisch und somit als unbrauchbar gelten konnten. Staatskunst und Nationalcharakter bedingten und beflügelten einander, verhinderten aber immer mehr die Wahrnehmung oder Auseinandersetzung mit fremdem Wissen.699 Diesem einseitigen Fokus auf Frankreich und sein stolzes Selbstbewusstsein, über lange Zeit Exporteur einer politisch-höfischen Leitkultur in Europa gewesen zu sein, suchte Mercier mit seinem Werk entgegenzuwirken und entlarvte den Stolz der Franzosen als wenig zielführend für notwendige Änderungen eines fortgesetzten Führungsanspruchs seines Landes. China erhielt in Merciers Entwurf nicht mehr die ausschließ­lich positive, sondern eine differenzierte Beurteilung seiner staats- und gesellschaftsbildenden Leistungen. Dennoch blieb es für Mercier an markanten Stellen seines Werkes Ursprung und Anstoß dessen, was sich im zukünftigen Paris zum Besseren gewandelt hatte. Bereitwillig gab Mercier zu, dass China Pate für seine Argumentationen gestanden hatte, so etwa in der begleitenden Fußnote zur Beschreibung der Begegnung zwischen dem Ich-Erzähler und dem reisenden Chinesen. Dieser hatte China in der Erzählung durch eine Fahrt 698 Damit nahm Mercier auch mög­liche ablehnende Publikumsreaktionen auf seinen Vorschlag vorweg. 699 François, voilà l’ordre qui convient à votre impétuosité, à votre courage! Abjurez les modes étrangères qui les enchaînent, & vous asservissent en vous liant les mains! Fermez les oreilles à ceux qui vous en exagèrent le mérite! Ces partisans, si zélés de l’erreur, ne peuvent se refuser quelquesfois à la force de la vérité. Ils avouent qu’il faut aller à l’ennemi & employer l’arme blanche, quand on le peut. Ils vous disent que cette manière d’attaquer est celle du courage, celle de la nation & presque toujours celle de la victoire. Ecoutez leur conseil; mais gardez-vous de suivre les moyens qu’ils vous offrent. In: Joly de Maizeroy, Paul-Gédéon: Mémoire sur les opinions qui partagent les militaires, suivi du Traité des armes défensives, corrigé & augmenté par M. Joly de Maizeroy, Lieutenant-Colonel d’Infanterie. Paris 1773. S. 73.

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über den Großen Kanal verlassen, um sich auf den Weg nach Europa zu machen. In der ausführ­lichen Anmerkung erläuterte Mercier den Nutzen des großartigen Kanals als Wasserstraße zur Versorgung der Städte und Provinzen und lobte die Ingenieur- und Baukunst der Chinesen.700 Auch hinsicht­lich der Landwirtschaft und ihrer Protektion durch den Staat griff Mercier auf China zurück, was nachfolgend geprüft werden soll. b. Herrschaft und Landwirtschaft Die Frage nach der Regierungsform wurde dem Besucher aus der Vergangenheit mit einem Blick in die Geschichte beantwortet, der ihm noch einmal alle Nachteile einer unumschränkten Monarchie seiner eigenen Zeit aufzeigte. Das Volk der Zukunft hatte sich für eine konstitutionelle Monarchie entschieden und dem Parlament die gesetzgebende Gewalt übertragen. Dabei erläuterte der kundige Führer durch das neue Paris die Mitwirkungsmög­lichkeiten der Bürger in der Politik sowie die selbstverständ­liche Transparenz aller Entscheidungen. Die Regierung bestehe aus einem Senat. Der König sei dem Namen nach Monarch und der gerechte Wächter der Gesetze und ihrer Einhaltung. Das Ziel des Parlaments, der Regierung und des Königs bestehe in erster Linie darin, das Wohl des Staates und des Einzelnen zu verwirk­lichen.701 Hinsicht­lich der Regierungsform orientierte sich Mercier stark am englischen System; die physiokratische Vorstellung des despotisme personnel et légal und damit die patriarchalische Herrschaft mit allen Kompetenzen nach chinesischem Vorbild stellte für ihn keine Alternative dar. Dennoch prägen wesent­liche Züge patriarchalischen Handelns die Ausübung der Regierung sowie die Verhaltensweise des Königs. Somit sprach Mercier vom König comme un père.702 Der Besucher aus der Vergangenheit erhielt die Gelegenheit, sich im Schloss des Monarchen umzusehen. Mit der Bibliothek und dem Naturalienkabinett sah er die wertvollsten Einrichtungen für die Wissenschaft, die jedermann offen standen und rege genutzt wurden. In der Gemäldegalerie fand er sich mit seiner eigenen Zeit konfrontiert: Zeitgeschmack und bekannte Themen zogen anhand der Gemälde an ihm vorüber, aber auch Probleme seiner Epoche, welche die Maler dokumentiert hatten: Besonders deut­ lich und beschämend riefen ihm die Tableaux Emblématiques den auffälligen Kontrast von Überfluss und Armut, die großartigen Jagddivertissements als Zeitvertreib des Hofes und die brachliegenden Felder mit erschöpften Bauern vor Augen: Dans l’enfoncement du tableau on discernoit des châteaux superbes, des palais de marbre, des parterres savamment dessinés, de vastes forêts peuplées de cerfs & de daims, où le cor résonnoit au loin. Mais la campagne à demi-cultivée étoit remplie de paysans infortunés, qui, harassés de fatigue, tomboient sur leurs javelles.703 Nach der bitteren Konfrontation mit den Fehlern der eige-

700 701 702 703

Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 379f. Ibd. S. 305 – 310. Ibd. S. 296. Ibd. S. 283.

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nen Zeit wandte sich der Besucher neugierig nach der Thronhalle des Monarchen. Der Sessel aus sch­lichtem weißen Elfenbein wurde von den Personifikationen der Stärke, der Mäßigung, der Milde und der Gerechtigkeit getragen. Auf einem Podest erhöht stand er nur deshalb, um der Stimme des Königs bei der wöchent­lichen öffent­lichen Audienz mehr Gehör zu verschaffen, nicht um seine Person herauszuheben. Der junge König erschien vor seinen Untertanen bekränzt mit Olivenzweigen als einzigem Schmuck. Mercier unterschied seinen Fürsten äußer­lich von den anderen Bewohnern von Paris durch das antike Zeichen des Friedens und zugleich die freund­liche Gabe der Athena an die Bürger ihrer Stadt zum Zeichen ihres materiellen Wohlergehens: Deux grands officiers de la couronne accompagnoient le monarque dans toutes les cérémonies publiques, & marchoient à ses côtés. L’un portoit au haut d’une pique une gerbe de bled (a), & l’autre un cep de vigne.704 Dies geschah, so berichtet der Zeitreisende, damit niemand vergesse, dass der Thron auf diesen beiden Grundlagen des Nahrungserwerbs beruhe. Mercier gab für den in dieser Textstelle beschriebenen Wert der Landwirtschaft für einen Staat und das Wissen des Königs um diesen Wert wiederum eine Erläuterung in der Fußnote (a). Er griff dabei auf ein Beispiel aus China zurück, das Du Halde in seiner Description de la Chine ausführ­lich beschrieben hatte:705 Der Tang-­Kaiser Taizong hatte bei einem Spaziergang seinem Sohn erläutert, dass ohne den Schweiß der Bauern kein Mensch leben könne und sie als Monarchen nicht im Besitz des Reiches seien: L’empereur Tai-Sung [Taizong] se promenant en campagne avec le prince son fils, & lui montrant les laboureurs occupés à leur travail: « Voyez, lui disoit-il, la peine que ces pauvres gens prennent tout le long de l’année pour nous soutenir; sans leurs travaux & sans leur sueur, ni vous ni moi, nous n’aurions pas d’empire. » 706 Der amtierende König im Jahr 2440 erwies sich als wahrer Philosoph auf dem Thron und folgte der grundlegenden Einsicht der notwendigen Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft, der Einsicht, als Herrscher auch von der Arbeit der Bauern abhängig zu sein und mit der Natur im Einklang handeln zu müssen, was in China durch den vorbild­lichen Kaiser und Philosophen auf dem Thron, Taizong, längst realisiert und nun auch in Frankreich Wirk­lichkeit geworden war. Der Ölzweig als Krone unterstrich symbolisch diese Einsicht des Königs, knüpfte aber auch an die eigene europäische mythische und antike Herrschaftstradition, etwa an die gütige Athena Polias als Stifterin des Olivenanbaus an. Dieser Erfolg der Zukunft war sogar nachprüfbar für den Mann aus der Vergangenheit: Hinter dem König, der die Thronhalle betrat, ging ein panetier,707 der jedem Armen, 704 Ibd. S. 295f. 705 Es handelt sich um Auszüge aus dem Taizong Difan, dem Fürstenspiegel für Kaiser. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 493ff. 706 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 295. 707 Zum traditionellen Amt des Panetiers vgl. Saint-Allais, Nicolas Viton de: Dictionnaire encyclopédique de la noblesse de France, Bd. 1, Paris 1816, S. 481 – 482. Barbiche, Bernard: Les Institutions de la monarchie française à l’époque moderne (Premier cycle), Paris ² 2001.

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der ihn bat, ein Brot schenkte. Der Brotkorb sei das verläss­liche Messinstrument des öffent­lichen Elends . Wurde er leer, musste dies als unzweifelhaftes Indiz für die Verarmung und den Mangel in der Bevölkerung betrachtet werden. In diesem Fall blieben die Konsequenzen für die säumigen Minister und Beamten nicht aus. Doch der Korb, so berichtete der freund­liche Führer durch das zukünftige Paris, sei seit langem schon nach jeder Audienz voll geblieben und ein Zeichen des allgemeinen Überflusses und Glücks (Abb. 31: Frontispiz von Mercier).708 Während das zeitgenössische Paris Merciers von der Hungerkrise und Protesten erfasst wurde, hatte der Hunger in der Stadt der Zukunft keinen Platz mehr. Dabei war dieses Ziel für ihn nicht unerreichbar, denn Mercier zeigte dem Leser den Weg zur Überwindung derartiger Krisen durch einen der Landwirtschaft zugeneigten und kenntnisreichen König, durch aktive Maßnahmen des Monarchen und der Regierung zur Förderung des Landbaus und ihre stetige Kontrolle, ob nicht doch Mangel herrsche, auf. Mercier wies den Weg, wie der König seiner Pf­l icht, die Ernährung der Untertanen sicherzustellen, durch zeitgenössisch moderne Praktiken und Regierungstechniken mittels einer funktionierenden Verwaltung und fähiger Beamter, die sich in den Dienst des Staates stellten, erreichen konnte. Er funktionierte dafür das ehemalige könig­liche Hofamt des Panetiers in ein Amt des Staates um. Der Auftrag des Panetiers bestand in der Sicherung des Gemeinwohls durch Beobachtung der Lebensumstände der Einwohner bzw. im raschen Eingreifen bei Bedarf. Mercier hatte mit diesem Entwurf von Handlungsoptionen des Königs die Idee vom französischen Königtum entsakralisiert und ihr stattdessen einen neuen Dienstgedanken einverleibt. Der Schlüssel zur Bekämpfung von Hungersnöten und Mangel lag somit weiterhin beim König, insbesondere aber im Wandel der Herrschaftsauffassung sowie der umfassenden Vorsorge durch eine funktionierende und somit ertragreiche Landwirtschaft. Merciers König hatte den Wert der Landwirtschaft und der bäuer­lichen Arbeit durch seine Erziehung kennen- und schätzen gelernt. Bereitwillig gaben die Begleiter des Besuchs aus der Vergangenheit die Maxime der Prinzenerziehung preis. Der künftige König werde ohne Wissen seiner Herkunft 709 und seiner künftigen Funktion auf dem

708 Ibd. S. 296f. Dies spiegelte auch ein Kupferstich wider, welcher den König in der Thronhalle, exakt der Beschreibung Merciers folgend, darstellte. Der Stich stammte von Benoît Louis Henriquez (1732 – 1806) und wurde dem zweiten Band der Ausgabe von 1786 als Frontispiz vorangestellt. Henriquez hatte am Thronhimmel eine Ährengarbe und Weinlaub drapiert und den Brotkorb neben dem Herrscher platziert. Mercier, Louis-Sébastien: L’an deux mille quatre cent-quarante: rêve s’il en fût jamais. Bd. 2. o. O. 1786. Vor S. 1. Zu Benoit Louis Henriquez vgl. Benoit Louis Henriquez. In: Thieme, Ulrich/Willis, Fred C. (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Band 15. Leipzig 1922/23 (Reprint Leipzig 1999). S. 419 – 420. 709 Mercier gesteht seinem König als einzigem Bewohner des neuen Frankreich noch ein Abstammungsprivileg zu, was er sonst zugunsten des Leistungsprinzips in der neuen Gesellschaft aufgehoben hat. Stockinger verweist darauf, dass sich dieses Motiv in Utopien des 18. Jahrhunderts durchsetzt. Stockinger, Ficta Respublica, S. 241.

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Land von fähigen Praeceptores erzogen. Er sei dabei wie der Sohn eines Bauern gekleidet und ernähre sich nur von einfachen Speisen. Der Prinz werde dabei mit allen Arten der Landarbeit vertraut gemacht, gehe mit den Bauern auf das Feld, besuche Manufakturen, betrete die Hütten der Bauern, teile ihr Mahl und lerne die Menschen so zu achten. Die Erziehung unter den Arbeitenden sollte seinen Charakter prägen. Nach Vollendung seines 20. Lebensjahres holte man ihn aus seiner Abgeschiedenheit des Landlebens in die Thronhalle und eröffnete ihm sein Schicksal. Nach seinem Schwur, die Glückseligkeit aller realisieren zu helfen, verspreche man ihm die Liebe des Volkes.710 Mercier griff mit dieser Passage den Topos des Landlebens auf, welches dazu beitrage, den Menschen zu einem affektlosen, bescheidenen Leben zu erziehen. Dabei erhielten länd­liche Gegenden bei Mercier nicht mehr den Status eines Fluchtortes oder das Landleben den Status eines alternativen Lebensentwurfs.711 Stadt und Land waren gleicher­maßen Orte, an denen Glückseligkeit und tugendsames Leben mög­lich war. Dem künftigen Monarchen wurden nach Mercier in Form des praktischen Unterrichts frühzeitig alle Arten von Arbeit in der Landwirtschaft, aber auch in der Verarbeitung der Rohstoffe nahegebracht. Er verfügte somit über praktische Kenntnise und Fähigkeiten in unterschied­lichen Tätigkeitsfeldern. Die moralischen Werte und praktischen Fähigkeiten des aktiven Landlebens qualifizierten ihn als künftigen König für das höchste Amt im neuen Frankreich. Die Berufung des Kronprinzen vom Land auf den Thron geschah ähn­lich wie die des Nachfolgers Kaiser Yao in China, von dessen Qualitäten Du Halde umfassend berichtet hatte: Je juge, seigneur, qu’un homme qui se conduit avec tant de sagesse dans une fortune privée, & qui joint à cette douceur de naturel, un travail, une adresse, & une application infatigable, est le plus capable de gouverner votre empire, & d’y maintenir les sages lois qui y sont établies.712 Eine sehr ähn­liche Stelle zum erzieherischen Aspekt des Landlebens findet sich auch in Rousseaus Nouvelle Héloïse. Das Landleben bewirke, dass aus vornehmen Personen gute Bediente des Staates, gute Landleute, gute Soldaten zur Verteidigung des Vaterlandes und insgesamt gute Menschen unabhängig vom Stand geschaffen worden seien.713 Cincinnatus mag hier als Exempel gedient haben. In Merciers Entwurf fungierte der König als primus inter pares. Aber auch in jedem anderen Bewohner von Paris wurde die Ähn­lichkeit des Wissens oder die Übereinstimmung der Erkenntnisse aus der eigenen antiken Tradition und der fremden chinesischen Kultur offenbar und bewies die

7 10 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 316f. 711 Diese traditionelle Sicht erhielt sich allerdings in zahlreichen Utopien des 18. Jahrhunderts. Vgl. dazu Schneider, Helmut J.: Utopie und Landschaft im 18. Jahrhundert. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­lichen Utopie. Bd. 3. Stuttgart 1982. S. 172 – 190. Hier S. 173ff. 712 Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 68. 713 Rousseau, Nouvelle Héloïse, II, 95.

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Wahrheit der erzieherischen Maxime des Landlebens. In dieser Art der Erziehung sah Mercier den Garanten für den Bestand seines Modells.714 Ob Mercier mit dieser Passage auf die landwirtschaft­liche Erziehung des aktuellen Dauphin Bezug nehmen wollte, bleibt unklar. Die physiokratische Propaganda, durch welche das Bild eines der Landwirtschaft zugeneigten und kundigen Kronprinzen an die Öffent­lichkeit vermittelt worden war, ist Mercier jedoch sicher nicht entgangen. Er vermeidet es aber offensicht­lich, die ackerbau­lichen Fähigkeiten seines jungen Königs durch das Motiv des eigenhändigen Pflügens darzustellen. Keine der länd­lichen Arbeiten während der Erziehungsphase seines Prinzen wird näher erläutert oder gar detailreich geschildert. Im Mittelpunkt seiner Erziehungsmaxime stehen dafür umso deut­licher die jahrelange Praxis und das intensive Miteinander zwischen dem künftigen Monarchen und den arbeitenden Untertanen. So kann Merciers Kapitel zur Erziehung des Herrschers eher als eine Absage an die einmalige, rein äußer­liche und von den Physiokraten stilisierte Pflugszene des Dauphin gelesen werden. Ein Hinweis für diese Lesart eines überinterpretierten Moments, der in erster Linie den Interessen der économistes diente, findet sich indirekt auch in Merciers eindeutig positiver Stellungnahme zum eigenhändigen Pflügen des chinesischen Kaisers. Diese Handlung sei ehrwürdig und nicht sinnentlehrt oder gar kindische Prahlerei.715 Die Erziehung des Kronprinzen nimmt im zukünftigen Frankreich wie auch schon Jahrhunderte zuvor eine gleichbleibend bedeutende Stellung ein. Mercier geht von der Maxime aus, dass eine grundlegende Prägung nur in der Kindheit gelingen kann. Wird sie versäumt, kann sie nicht mehr nachgeholt werden, was sich – gerade im Falle des Herrschers – auf die gesamte Untertanenschaft negativ auswirkt. Dasselbe gilt aber aus seiner Sicht auch für jeden Bürger in seinem Zukunftsentwurf. Damit folgt er einem Ansatz der Physiokraten, dass die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft und der gesamten Wirtschaft nicht unwesent­lich von der Erziehung der Menschen, und insbesondere des Herrschers abhänge. Die Ökonomisierung der Gesellschaft war somit untrennbar mit der Erziehung verbunden und im Umkehrschluss ein Misslingen des ökono­mischen Systems auch auf Defizite in der Erziehung zurückzuführen. Somit versteht sich ­Merciers Werk als pädagogische, belehrende Schrift. c. Ackerbau und Arbeit Im Unterschied zu Platons Politeia geraten in den frühneuzeit­lichen Utopien die materiellen Voraussetzungen der fiktiven Staaten immer mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung. Nicht selten bildet die Landwirtschaft die ökonomische Grundlage der Staaten und avancierte wie bei Thomas Morus zu einer öffent­lichen Angelegenheit, der sich 714 Erziehung ist ein wesent­liches Element der utopischen Gesellschaft und bedingt ihren Fortbestand in der beschriebenen Form. Biesterfeld, Wolfgang: Die literarische Utopie (Sammlung Metzler, Bd. 127). Stuttgart ²1982. S. 19f. 715 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 282.

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niemand entziehen konnte und zu der jedermann sogar ausgebildet wurde.716 Einen ähn­lichen Stellenwert der gemeinsamen Verantwortung aller Bewohner der Civitas solis für den Landbau erkannte auch Campanella in seinem 1623 erschienenen und von der Reformation stark beeinflussten Werk.717 Insbesondere die Achtung der Gemeinschaft des Sonnenstaates vor der schweren Arbeit wird betont: Es gilt, daß bei ihnen der Militärdienst, der Ackerbau und die Viehzucht gemeinsam zu leisten sind. Jeder muß diese Dienste, die sie als Betätigungen ersten Ranges feiern, kennen. Wer aber mehrere Berufe versteht, wird für vornehmer angesehen, und wer zu einem besonders geeignet ist, wird angehalten, ihn zu lernen. Die mühsamsten Arbeiten sind für sie die lobenswertesten. Und niemand verschmäht es, sie auszuüben, und zwar um so weniger, weil sich ja in ihrer Entwicklung die Neigung und Begabung jeweils zeigt; und infolge der Arbeitsverteilung kommt niemand zu einem gesundheitsschäd­lichen, sondern immer nur zu einem zuträg­lichen Beruf. Die weniger anstrengenden Arbeiten sind Sache der Frauen.718 Die utopische Tradition verwarf schon lange Müßiggang und thematisierte den Landbau und die Arbeit an sich als verbindendes Element zwischen den Menschen.719 Diesem Ansatz folgte auch Mercier in seinem Entwurf des zukünftigen Paris: Il est profession commune à presque tous les citoyens, c’est l’agriculture rise dans un sens universel. Les femmes, comme plus foibles & destinées aux soins purement domestiques, ne traivaillent jamais à la terre; leurs mains filent la laine, le lin; &c. les homes rougiroient de les charger de quelque métier pénible. Trois choses sont spécialement en honneur parmi nous: faire un enfant, ensemencer un champ, & bâtir une maison.720 Während die ­Männer bei Mercier jedoch die Feldfrüchte erzeugten, waren es vor allem die Frauen, die ackerbau­liche oder tierische Rohstoffe verarbeiteten. Mercier griff bei diesem Beispiel auf die Berichte von der Arbeitsverteilung zwischen den Geschlechtern in China zurück, wo die Aufgabe der Frauen in der Herstellung von Seide bestand. Die Frauen seiner zukünftigen Gesellschaft deckten genauso die Stoff- und Kleiderherstellung aus

716 Ein einziges Gewerbe üben alle Männer und Frauen gemeinsam aus: den Ackerbau. Von ihm ist keiner befreit; in ihm werden alle von Kindheit an unterwiesen, teils durch theoretischen Unterricht in der Schule, teils praktisch, indem die Kinder auf die der Stadt benachbarten Äcker, gleich wie zum Spiel, geführt werden, wo sie nicht nur zuschauen, sondern zur Übung der Körperkräfte auch zupacken. Morus, Thomas: Utopia. In: Der utopische Staat. Übers. und hg. v. Klaus J. Heinisch (Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, Philosophie des Humanismus und der Renaissance, Bd. 3 bzw. 68/69 der Gesamtausgabe). Hamburg 1960. S. 7 – 110. Hier S. 54. Zur Bedeutung der Landwirtschaft in der Utopie vgl. Saage, Politische Utopien der Neuzeit, S. 80f. 717 Zum Einfluss der Reformation auf die utopische Literatur vgl. Blackwell, Basil: Utopia and Anti-Utopia in Modern Times. Gloucester 1987. S. 22f. 718 Campanella, Tommaso: Sonnenstaat. In: Der utopische Staat. Übers. und hg. v. Klaus J. Heinisch (Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, Philosophie des Humanismus und der Renaissance, Bd. 3 bzw. 68/69 der Gesamtausgabe). Hamburg 1960. S. 112 – 169. Hier S. 143, S. 145. 719 Biesterfeld, Literarische Utopie, S. 19f. Saage, Politische Utopien der Neuzeit, S. 86ff und S. 164ff. 720 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 156f.

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einheimischem Flachs und eigener Wolle ab. Ackerbau und Viehzucht stellten somit die Basis der gesamten Wirtschaft, des Handels und die Lebensgrundlage der Menschen dar, die alle Bedürfnisse zu befriedigen vermochte, aber dem Luxus keinen Raum ließ. Damit hatte Mercier einen wesent­lichen physiokratischen Standpunkt zu seinem und die Agrargesellschaft zum Leitbild der Zukunft erhoben. Der Landwirtschaft gestand er den bekannten erzieherischen Aspekt zu, der jedermann zuteil wurde, da sich jeder Bewohner der Stadt, auch der Monarch, dem Landbau widmete: Nous ne pratiquons plus que le commerce intérieur, & nous nous en trouvons bien: fondé principalement sur l’agriculture, il est le distributeur des alimens les plus nécessaires; il satisfait les besoins de l’homme, & non son orgueil. Personne ne rougit de faire valoir son champ par lui-même a plusieurs arpens qu’il fait cultiver sous ses yeux: & l’on ne connoît point cette classe de gens titrés dont l’oisiveté étoit l’unique emploi.721 Der Ackerbau besaß ein hohes Ansehen und alle Bewohner die Einsicht in seine Notwendigkeit. Landwirtschaft zu betreiben war für alle Männer, ob betucht oder weniger reich, eine Selbstverständ­lichkeit. Mit dieser Maxime folgte Mercier Rousseaus Forderung in der Nouvelle Héloïse, mittels der Literatur auch vornehmen Presonen zu vermitteln, dass der Ackerbau und das Landleben ungeahnte Freuden mit sich bringen könnten. Allerdings entfernte er sich hinsicht­lich der Geschlechterverteilung der Arbeit von Rousseaus Nouvelle Héloïse. Dort war es eine Frau, Julie, die sich leichter ackerbau­licher Arbeit und ihrer Vermittlung widmete. Sie übernahm damit die Pf­licht des gentilhomme, den Bauernstand zu erziehen und anzuleiten, eine Sicht, wie sie die Physiokraten und Rousseau übereinstimmend vertraten. 722 Die gesamte Wirtschaft und die Oberaufsicht über das Haus blieb bei Rousseau Julies Vater als Hausvater überlassen.723 Unter anderem durch die landwirtschaft­liche Tätigkeit bildeten die Bürger der Stadt Paris, der Monarch, der sich ihr ebenfalls sachverständig widmete, und die Bauern, die Mercier zusätz­lich erwähnte, eine Gemeinschaft im Nahrungserwerb.724 Ob Mercier für diese harmonische und in der Arbeit vereinte Gemeinschaft, bestehend aus Bauern, Würdenträgern und dem Monarchen, das chinesische Pflugritual im Kopf hatte, ist unklar. Er stellt keinen direkten Bezug her. Als Vorlage könnte ihm auch die harmonische Zusammenarbeit von allen Männern und Frauen, Bauern und Gutsbesitzern

721 722 723 724

Ibd. S. 360. Rousseau, Nouvelle Héloïse, I, 109 und II, 215. Von Hippel, Dorf-Utopie, S. 15. Rousseau, Nouvelle Héloïse, I, 24 und I, 424. Richard Saage verweist darauf, dass ein wesent­liches Motiv der Utopien darin bestehe, aufzuzeigen, dass Staat und Gesellschaft annäherungsfähig sind. Saage, Politische Utopien der Neuzeit, S. 76. Merciers Ziel besteht auch in der Darstellung der Einheit von societas civilis und res publica. Dabei zeigt er die Mechanismen des Zusammenhalts auf. Sie liegen beispielsweise in der Übereinstimmung von Grundinteressen und der gemeinsamen Arbeit. Eine Grundbedingung für das Glück sei das harmonische Funktionieren aller in der Gesellschaft.

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während der Weinernte in Rousseaus Nouvelle Héloïse gedient haben.725 Der Führer durch das zukünftige Paris berichtete dem Besucher aus der Vergangenheit, dass man die vornehmen Leute, deren einzige Beschäftigung der Müßiggang war, schon lange nicht mehr kenne. Merciers Beschreibung zeigt in jedem Fall, dass er die vielgelobte Achtung vor der Landarbeit in China und das jahrhundertealte Ideal utopischer Staatsentwürfe für realisierbar hielt. Dies galt auch für die erfolgreiche Realisierung staat­licher Vorsorge für Krisen- und Hungerzeiten. Hocherfreut bemerkte der Besucher der Vergangenheit die Errungenschaft der Zukunft, Getreide zu speichern, und bat seinen Begleiter, ihm die Methoden der Aufbewahrung und der Verteilung von Getreide in Notlagen zu schildern. Resigniert gab der Autor in seiner Rolle als Ich-Erzähler zu, dass sein Jahrhundert auf diesem Gebiet zahlreiche Fehler begangen habe.726 Erneut positionierte sich Mercier mit seiner Stellungnahme für den staat­lichen Getreidevorrat gegen die Forderungen der Physiokraten, die darin nur eine Behinderung des freien Handels und des Wettbewerbs gesehen hatten. Für ihn waren die Speichersysteme in Anlehnung an die vieldiskutierten Kornspeichersysteme in China vielmehr ein Zeichen weiser mensch­licher Voraussicht gegen die Unbill der Natur und die daraus folgenden Missernten. Das erklärte Staatsziel bestand nach Mercier darin, dass kein Mensch Hunger leiden müsse. Käme es dennoch soweit, würde sich jeder Bewohner nach seiner Mitschuld an der Situation fragen. Die Gesellschaft widmete sich gemeinsam dem Landbau und war ebenso als Gemeinschaft jedem Einzelnen verpf­lichtet, ihn vor Hunger zu bewahren. Soziales und mitfühlendes Denken sowie Gemeinsinn beherrschten das Paris des Jahres 2440. Wesent­lich anders hatte es 1769/70 in der Stadt und in ganz Frankreich ausgesehen. Mercier stellte wiederum konkrete Bezüge zwischen seiner eigenen Gegenwart und der Zukunft durch seine aufwändigen Fußnoten her: Je ris de pitié en voyant donner tant de beaux projets de politique sur l’agriculture & la population, tandis que les impôts plus énormes que jamais achevent d’enlever au peuple le prix de la sueur, & que les grains sont augmentés par le monopole de ceux qui ont entre leurs mains tout l’argent du royaume. C’est dans la plupart des provinces de la France qu’il faut venir pour voir des peuples au comble de l’infortune. Voici en 1770 le troisieme hiver de suite où le pain est cher. Dès l’an passé la moitié des paysans avoit besoin de la charité publique, & cet hiver y mettra le comble, parce que ceux qui ont vécu jusque ici en vendant leurs effets, n’ont plus actuellement rien à vendre. Ce pauvre peuple a une patience qui me fait admirer la force des loix & de l’éducation.727 Ähn­lich wie Turgot sah er in den anhaltenden Hungerkrisen eine Gefahr für die innere Sicherheit Frankreichs. Bewundernd hob er die Geduld, Erziehung und 725 Rousseau, Nouvelle Héloïse, II, 315. 726 Il me semble que vous avez adopté la sage méthode d’emmagaziner les bleds; cela est très bien fait; on prévient ainsi & d’une maniere sûre les calamités publiques. Mon siècle a commis de graves erreurs á ce sujet; […]. Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 153f. Ebenfalls S. 154f und S. 159. 727 Ibd. S. 361.

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die Wirkung der Gesetze hervor, die einen Ausbruch von Gewalt in seiner Zeit noch verhindert hatten. Doch die Befürchtung, dass es so fried­lich nicht so bleiben müsse, liest sich zwischen den Zeilen wie eine Warnung. d. Die Rolle der Bauern Dem Besucher aus der Vergangenheit berichtete sein Führer aus der Zukunft voller Stolz die Überwindung all der Probleme, welche Frankreich 700 Jahre zuvor an den Rand des Ruins gebracht hatten: Enfin, nos terres sont si bien cultivées, l’Etat de laboureur est devenu si honorable, l’ordre & la liberté regnent tellement dans nos campagnes, que si quelqu’homme puissant abusoit de son ministère pour commettre quelque monopole, alors la justice qui s’éleve aus dessus des palais, mettroit un frein à la témérité.728 Überzeugen konnte sich der Gast von den positiven Entwicklungen selbst bei einer Fahrt auf das Land. Seine Kutsche führte ihn hinaus in Richtung Versailles. Das ehemals erhabene und prunkvolle Schloss lag in Trümmern vor ihm. Auf einem Stein ­sitzend traf er auf einen Greis, der sich ihm als König Ludwig XIV. vorstellte und ehr­lich seine Regierungszeit beweinte. Bedauernd zählte er all seine Fehlentscheidungen auf und bereute seine Achtlosigkeit.729 Unweit von der Stelle der bitteren Erkenntnis eines gescheiterten Monarchen traf der Zeitreisende auf eine länd­liche Idylle. Anders als die verspielten Idyllen des 18. Jahrhunderts war die Szene von Ernst und Wahrheit geprägt. Er wurde Zeuge der Beerdigung eines 90-jährigen Bauern. In der Grabrede wurde der Tote als Wohltäter der Menschheit von allen Dörfern in der Umgebung und von seiner Familie beweint. Es hieß von ihm, er sei in seinem Beruf der Tradition seiner Vorfahren gefolgt: Il suivoit son père dans les sillons. Il a défriché plus de deux mille arpens de terre. Il a planté la vigne dans tous ces environs; & vous lui devez les arbres fruitiers qui nourrissent ce hameau, & l’ombrage qui le couronne. Ce n’étoit point l’avarice qui le rendoit infatigable; c’étoit l’amour du travail pour lequel il disoit que l’homme étoit né, & l’idée sainte & grande que Dieu le regardoit cultivant la terre pour nourrir ses enfans.730 Der Redner hob hervor, dass der Verstorbene trotz seines Alters, das seinen Körper niedergebeugt hatte, jungen Bauern bereitwillig seine Erfahrungen im Landbau weitergegeben habe, verfügte er doch über Beobachtungen, die er über 80 Jahre hintereinander über den Wechsel der verschiedenen Jahreszeiten gemacht hatte.731 Dem toten Bauern wurde ein achtungsvolles Begräbnis zuteil, das den Besucher aus der Vergangenheit erneut zu einem Vergleich mit der eigenen Zeit animierte: Ses enfans, le porterent sur trois javelles de bled, l’enterrerent, comme il l’avoit desiré, & mirent sur sa tombe, sa serpe, sa beche & le soc d’une charrue. Ah! m’écriai-je, si les hommes célébrés

728 729 730 731

Ibd. S. 153f. Ibd. S. 410, S. 414ff. Ibd. S. 411f. Ibd. S. 413.

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par Boussuet, Fléchier, Mascaron, Neuville, avoient eu la centieme partie des vertus de cet Agriculteur, je leur pardonnerois leur éloquence pompeuse & futile.732 Mercier hatte das Bild eines geachteten und mündigen Bauern gezeichnet, der seinen Beruf als ehrbare Tradition erfolgreich ausübte, sein Wissen immer erweitert hatte und dieses bereitwillig an die Jugend weitergab. Er wirkte als Vorbild und Lehrer seiner Umgebung. Zugleich war er wohlsituiert. Der französische Bauer der Zukunft war im Gegensatz zur Vergangenheit ein vollwertiges, geachtetes Mitglied der Gesellschaft und nicht mehr ein armer, hungernder, rechtloser Mensch. Vielmehr ernährte ihn seine Arbeit, weil er sich ihr vollständig widmen konnte. Die Verelendung der Bauernschaft war überwunden. An Merciers Bauern zeigt sich die Vollendung eines von ihm angestrebten Emanzipationsprozesses der Menschheit, die ihre Fesseln abgeworfen und somit frei zu höheren Leistungen und gegenseitiger Achtung fähig ist. Damit entsprach Merciers Bild den von den Physiokraten geäußerten Vorstellungen vom Bauerntum.

4.4.2 Wieland: Der Goldene Spiegel

Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) publizierte während seiner Erfurter Professorenzeit im Jahr 1772 anonym die Erzählung Der Goldene Spiegel, oder die Könige von Schechian, eine wahre Geschichte.733 Es handelte sich um einen Fürstenspiegel im literarischen Gewand eines Staats- oder Bildungsromans.734 Die Einordnung als Fürstenspiegel initiierte Wieland selbst mit seinem vorangestellten Motto: Inspicere tanquam, / In speculum jubeo.735 Auch die Wahl seines Titels verweist auf einen chinesischen Fürstenspiegel, in dessen Tradition er sich damit stellte: das Jinjing, den Goldenen Spiegel, der als Teil des Liuyan jiyao der ersten Ming-­Kaiser in Teilübersetzungen durch Du Halde vorlag. 7 32 Ibd. S. 414. 733 Wieland, Der Goldne Spiegel. Zur Biografie Wielands vgl. Zaremba, Michael: Christoph Martin Wieland. Aufklärer und Poet. Eine Biografie. Köln/Weimar/Wien 2007. Zur Erfurter Zeit Wielands vgl. S. 143 – 167. Zu seiner Zeit als Prinzenerzieher in Weimar und zu seinen pädagogischen Grundsätzen vgl. ibd. S. 168 – 216. 734 Etabliert hat sich in der literaturwissenschaft­lichen Forschung die Einordnung als Staatsroman. Gnüg, Der utopische Roman, S. 114. Biesterfeld diskutiert, dass Wieland den Kreis zu Fénelon geschlossen und mit dem Goldnen Spiegel die Geschichte des deutschen Fürstenspiegels auf den Höhepunkt gebracht sowie beendet habe. Biesterfeld, Die literarische Utopie, S. 72ff. Zum Verständnis des Staatsromans in der gemanistischen Forschung vgl. Jordheim, Der Staatsroman im Werk Wielands und Jean Pauls, S. 55 – 74. 735 Wieland, Der goldne Spiegel, o. Pag. Niklas Luhmann schrieb zur Spiegelmetapher: „Die Ethik kann deshalb die Metapher des Spiegels verwenden – nicht um Faktizität zu verdoppeln, sondern um den Menschen mit dem zu konfrontieren, was er nach Maßgabe seiner sozialen Stellung eigent­ lich ist, aber ohne Spiegel nicht sehen kann.“ Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, S. 915. Zum Genre des Fürstenspiegels und entsprechender Forschungsliteratur vgl. in dieser Arbeit das Kapitel Justis Vergleichungen als Fürstenspiegel.

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Mit seinem Goldenen Spiegel erhoffte sich Wieland die Aufmerksamkeit Kaiser Josephs II., stattdessen erhielt er sie von Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739 – 1807).736 Sie berief den Autor nicht zuletzt wegen seines moralphilosophischen Erziehungsansatzes und seiner Vorstellungen zur Harmonisierung von Moral und Politik,737 die er in dieser Schrift ausführ­lich fixierte, zum Erzieher ihres Erbprinzen. Wielands Ziel bestand darin, mit seinem Staatsentwurf grosse, gemeinnützige, ­freymüthige, und zum Theil kühne Wahrheiten den Edeln und Grossen unsrer Nation unter die Augen zu stellen.738 Die Rahmenhandlung des Goldenen Spiegels bildet der Hof des indischen Sultans Schach-Gebal, der sich von seinem Hofphilosophen und seiner Mätresse Nurmahal allabend­lich aus der Chronik des Reiches Schechians vortragen lässt, um besser schlafen zu können. Wielands Anlehnung an den Auftakt zur Geschichtensammlung von Tausend und einer Nacht ist deut­lich.739 Da der Sultan im Goldenen Spiegel jedoch Märchen und Unwahrheiten verabscheute, legte ihm der Philosoph Danishmend, die Figur, mit der sich Wieland selbst identifizierte, die Übersetzung der Geschichte und damit eine Zusammenfassung des Aufstiegs und des Niedergangs dieses Landes vor. Im Mittelpunkt standen dabei vor allem das Handeln und die Fähigkeiten der Herrscher, von denen nicht unwesent­lich der jeweilige Zustand des Staates abhing. Die Geschichte ist für Wieland somit weniger die des Staates als die der Menschen, welche den Staat gestalten.740 Wieland orientierte sich mit seiner Chronik von Schechian stark an der chinesischen Geschichte. Das China Du Haldes und der Lettres édifiantes galten ihm als Vorbild für sein fiktives Schechian, einige chinesische Kaiser als Exempel seiner

736 Oskar Vogt geht davon aus, Joseph II. habe den Goldenen Spiegel mit großer Begeisterung gelesen. Das konnte bisher nicht bewiesen werden. Vogt, Oskar: Der goldene Spiegel und Wielands politische Ansichten. Berlin 1904 (Forschungen zur neueren Literaturgeschichte, Bd. 26). S. 5. 737 Zur Politisierung der Moral und zur gleichzeitigen Moralisierung der Politik im Prozess der Aufklärung vgl. Koselleck, Reinhart: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürger­lichen Welt (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 36). Frankfurt/M. 1973. S. 128. Koselleck spricht von geschichtsphilosophischem Utopismus der Aufklärung. Ibd. S. 95. 738 Brief Wielands an Tobias Philipp Gebler vom 19. Mai 1772. In: Seiffert, Hans Werner (Hg.): Wielands Briefwechsel. Bd. 4: Briefe der Erfurter Dozentenjahre (25. Mai 1769 – 17. September 1772). Bearb. v. Annerose Schneider und Peter-Volker Springborn. Berlin 1979. S. 509 – 511. Hier S. 510. 739 Wieland fungierte selbst als Übersetzer arabischer Märchen. Polaschegg, Der andere Orientalismus, S. 154. 740 Fohrmann betont, es handle sich weniger um eine Strukturutopie eines Staates, sondern um die Utopie eines neuen Menschen. Fohrmann, Jürgen: Utopie, Reflexion, Erzählung. Wielands Goldner Spiegel. In: Voßkamp, Wilhelm (Hg.): Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeit­ lichen Utopie. Bd. 3. Stuttgart 1982. S. 24 – 49. Hier S. 30f. Grundsätz­lich zu Wielands Goldnem Spiegel vgl. Richter, Sandra: Der Goldene Spiegel oder die Könige von Schechian. In: Heinz, Jutta (Hg.): Wieland-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart/Weimar 2008. S. 284 – 295.

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Protagonisten.741 Wieland selbst hegte großes Interesse an China und erwog, mit dem Qianlong-­Kaiser in direkten Kontakt zu treten, um dem fürst­lichen Dichterkollegen seine eigenen Werke zu senden. Er bewunderte den Qianlong-­Kaiser als Doyen aller Dichter auf der Welt, der in hohem Alter noch immer schrieb und sich somit als wahrer Philosoph auf dem Thron erwiesen habe. Die Idee realisierte Wieland jedoch nicht.742 In der Zueignungsschrift des sinesischen Übersetzers an den Kaiser Tai-Tsu (gemeint ist wahrschein­lich T’ai-tsu, 1368 – 1398)743 heißt es: Aus diesem Grund empfehlen uns die ehrwürdigen Lehrer unsrer Nation die Geschichte der ältern Zeiten als die beste Schule der Sittenlehre und der Staatsklugheit, als die lauterste Quelle dieser erhabenen Philosophie, welche ihre Schüler weise und unabhängig macht, und, indem sie das was die mensch­lichen Dinge scheinen von dem was sie sind, ihren eingebildeten Wert von dem wirk­lichen, ihr Verhältnis gegen das allgemeine Beste von ihrer Beziehung auf den besondern Eigennutz der Leidenschaften, unterscheiden lehrt, uns ein untrüg­liches Mittel wider Selbstbetrug und Ansteckung mit fremder Torheit darbietet; einer Philosophie, in welcher niemand ohne Nachteil ganz ein Fremdling sein kann, aber welche, in vorzüg­lichem Verstande, die Wissenschaft der Könige ist.744 Die Geschichte ist für Wieland jedoch kein linearer Prozess, sondern eher ein Diskurs, in dem Katastrophen und gute Zeiten nicht teleologisch aufeinander folgen, sondern jede Regierung mehr oder weniger Defizite und beacht­liche Leistungen aufweist. Wieland ging es darum, ein Staatsmodell zu konstruieren, das nicht losgelöst von jeder Realisierbarkeit und damit fernab von mensch­licher Wahrheit war.745 Das Beispiel Chinas ermög­lichte ihm sowohl, vorbild­liche Entwicklungen und gleichzeitig auch die Probleme dieses Landes aus unterschied­lichen Epochen

741 Wieland erwähnt die beiden Quellen in seinem fiktiven Staatsentwurf. Wieland, Der goldne Spiegel, S. 124. 742 Böttiger, Karl August (Hg.): Literarische Zustände und Zeitgenossen. In: Böttiger, Karl Wilhelm (Hg.): Schilderungen aus Karl August Böttigers handschrift­lichem Nachlasse. Bd. 1. Leipzig 1838. S. 154. Wielands China-Bild ist bisher kaum erforscht. Knapp bei Guirguis, Fawzy D.: Bild und Funktion des Orients in Werken der deutschen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts. (Diss.) Berlin 1972. S. 262ff. Zu Wielands und Herders späterer Begeisterung über eine kleine Figur des Buddha Amitabha vgl. Klatt, Norbert: Der Charme eines „kalmückischen Götzen“ oder die Verzückung beim Anblick des Buddha Amitayus. Episoden in Weimar oder Gotha aus dem Herbst 1786. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 62 (2008). S. 161 – 178. Zur Chinabegeisterung am Weimarer Hof in Form von Teehäusern, Parkanlagen oder sonstigen Kunstgegenständen vgl. Debon, Günther: China zu Gast in Weimar. 18 Studien und Streif­lichter. Heidelberg 1994. 743 Es handelt sich wahrschein­lich um eine Anspielung auf den Gründer der Ming-Dynastie, der absolute Tendenzen in seinem Herrschaftsgebiet einführte, indem er Kompetenzen der Hof- und Provinzialbehörden beschnitt. Dazu vgl. Carmen, Paul: Das Kommunikationsamt (T’ung-cheng shih ssu) der Ming-Dynastie (1368 – 1644) (Freiburger fernöst­liche Forschungen, Bd. 3). (Diss.) Wiesbaden 1996. S. 9ff. 744 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 6. 745 Wieland sieht die Realisierbarkeit seines Entwurfs nach Jacobs im Zusammentreffen günstiger Bedingungen. Jacobs, Der Fürstenspiegel, S. 19.

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zu thematisieren, aber auch zu verkürzen und willkür­lich in seinem Entwurf zu arrangieren und durch Topoi aus der europäischen Antike bzw. Ereignisse aus Frankreich unter den Königen Ludwig XIV. und Ludwig XV. zu ergänzen.746 Wieland war der Auffassung, nur das Studium der Geschichte ermög­liche einem Menschen, aus der Vergangenheit zu lernen. Deshalb stellte er mit seinem Goldnen Spiegel einen Auszug des Nütz­lichsten, was aus der Geschichte zu lernen sei, zusammen.747 Dabei räumte er nicht mehr der Antike, sondern andern, neuen Völkern – wie etwa den Chinesen – den Vorzug ein.748 Wieland bediente sich dabei der gängigen Methode der Fürstenspiegel, den fürst­lichen Leser mit zahlreichen historischen Exempeln zu konfrontieren.749 Es handelt sich bei dieser Gattung und damit auch bei Wielands Goldnem Spiegel um einen Erziehungsansatz, der nach Andreas Fischer seine Zukunftsdimension aus der Vergangenheit schöpft: „Erziehung vollzieht sich in der Gegenwart, bezieht ihre Bedingungen, Methoden und Inhalte weitgehend aus der Vergangenheit und findet um der Zukunft willen statt, in die sowohl der Erzieher seine Erziehungsziele wie der Zögling seine noch unartikulierten Zukunftserwartungen hineinprojiziert.“750 Die Fiktion der Übersetzung der Chronik aus dem Chinesischen erlaubte Wieland, seine Konstruktion des Geschichtswerks durch zahlreiche Anmerkungen in Fußnoten zu begleiten und die Utopie des Reiches Schechian bewusst zu durchbrechen, um die Bedingungen ihrer Realisierung und ihrer Mög­lichkeiten zu diskutieren. Das Verfahren ist dem von Merciers L’an deux mille quatre cent quarante auffällig ähn­lich. Wieland hatte sich 1771 intensiv mit Merciers Werk auseinandergesetzt und wurde

746 Es geht auch bei Wielands Konstrukt um die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, ein wesent­ liches Gattungsmerkmal des Staatsromans. Koselleck geht etwa für Utopien von einer sprach­lichen Konstitution von Zeiterfahrungen aus, die Differenzbestimmungen zwischen Vergangenheit und Zukunft oder zwischen Erfahrung und Erwartung meint. Utopien besitzen nach Koselleck eine eigene temporale Binnenstruktur mit eigenen zeit­lichen Dimensionen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassen. Koselleck, Reinhart: Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte. In: Ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschicht­licher Zeiten (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 757). Frankfurt/M. 1989. S. 107 – 129. Hier S. 111. 747 Fohrmann, Utopie, Reflexion, Erzählung, S. 44. Baudach, Frank: Planeten der Unschuld – Kinder der Natur. Die Naturstandsutopie in der deutschen und westeuropäischen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts (Hermea, N. F., Bd. 66). (Diss.) Tübingen 1993. S. 524ff. 748 Martin, Dieter: Grundzüge des Wielandschen Antikenbildes. In: Heinz, Jutta (Hg.): Wieland-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2008. S. 109 – 140. Hier S. 109. 749 Die Geschichte bot einen Schatz an jahrhundertealten Erfahrungen und Entscheidungssituationen aus dem juristischen, militärischen und diplomatischen Bereich, der bei der Erziehung eines Prinzen und künftigen Fürsten durch die Lektüre schnell und leicht erworben werden konnte und pädagogisch wirkungsvoller war als Verbote. Maigler-Loeser, Historie und Exemplum, S. 26ff. Multer, Rita: Pädagogische Perspektiven in deutschen Fürstenspiegeln und Erziehungsinstruktionen von Fürsten und Fürstinnen in der Frühen Neuzeit. (Diss.) Eichstädt 1998. Hier Einleitung, S. 4ff. 750 Fischer, Andreas: Utopisches Denken als Kategorie von Bildung und Erziehung. In: Pädagogische Rundschau 26 (1972). S. 357 – 378. Hier S. 357.

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Der chinesische Kaiser als Vorbild

mög­licherweise von dessen Kommentaren, die den Leser immer wieder mit der eigenen Gegenwart konfrontierten, angeregt.751 Diese Methode 752 erlaubte es ihm ebenso wie Mercier, seinen fiktiven Staat Schechian als mög­lichen Staat darzustellen, da er immer wieder auf einen bestehenden Staat (China und die eigenen Territorien im Alten Reich) rekurrierte. Ihm gelang es damit, die Raumutopie aufzuheben, so wie es ­Mercier gelungen war, die Zeitutopie seines Entwurfs von 2440 aufzuheben. Umstritten ist nach wie vor in der Forschung, ob es sich bei Wielands Goldnem Spiegel um eine Utopie handelt. Voßkamp sah u. a. in Wielands Werk die Antwort der Utopie auf die Krise des Absolutismus.753 Ein wesent­liches utopisches Element ist seine gedank­liche Vorwegnahme des noch nicht Existierenden, weshalb die Zuordnung des Goldenen Spiegels zur Utopie durchaus erfolgen kann. Da Wielands Intention jedoch nicht darin bestand, eine vollkommen fiktive Welt, sondern klare Verbesserungsvorschläge für die Gegenwart zu entwerfen, soll daher innerhalb dieser Untersuchung von Wielands Staatsentwurf gesprochen werden.754 Wieland hatte sich in jungen Jahren intensiv mit Leibniz’ Théodicée und seiner antiutopischen Vorstellung der besten aller Welten auseinandergesetzt.755 Für seinen Goldenen Spiegel folgte Wieland der These Leibniz’, dass in Gottes Schöpfung eine Vielzahl alles Mög­lichen abgebildet sei und somit von der Wirk­lichkeit alles Mög­lichen ausgegangen werden könne. Das Streben und die Fähigkeit, Vollkommenheit zu erlangen, war somit ebenso im Menschen als Teil von Gottes Schöpfung angelegt. Ein Weg dahin war für Wieland die Erziehung. Sie bewirkte die Bildung von Verstand und Herz und vermochte damit einen Menschen zu schaffen, der geistige und emotionale Harmonie ausstrahlte.756 Vor diesem Hintergrund ist es eine

751 Zur Beschäftigung Wielands mit Mercier vgl. kurz Jørgensen, Sven Aage/Bohnen, Klaus/Boor, Helmut de (Hg.): Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 6: Aufklärung, Sturm und Drang, frühe Klassik. München 1990. S. 302. Vogt, Der goldene Spiegel, S. 28f. 752 Zu Wielands Methode ohne Bezug zu Mercier vgl. Fohrmann, Jürgen: Utopie, Reflexion, Erzählung, S. 25f. 753 Voßkamp, Wilhelm: Utopie als Antwort auf Geschichte. Zur Typologie literarischer Utopien in der Neuzeit. In: Eggert, Hartmut/Profit­lich, Ulrich/Scherpe, Klaus R. (Hg.): Geschichte als Literatur. Formen und Grenzen der Repräsentation von Vergangenheit. Stuttgart 1990. S. 273 – 283. Hier S. 273. Thomas Nipperdey spricht von der Aufklärung als einer utopienahen Zeit. Nipperdey, Thomas: Die Funktion der Utopie im politischen Denken der Neuzeit. In: Archiv für Kulturgeschichte 44 (1962). S. 357 – 378. Hier S. 366. Dies trifft den Tenor der Zeit Mitte des 18. Jahrhunderts im Alten Reich nicht ganz. Die meisten Traktate oder literarischen Texte wollen einen Beitrag zur Veränderung und Verbesserung leisten. Sie legen ganz bewusst Wert auf Umsetzbarkeit. 754 Burghard Dedner schlägt die Einordnung als politische Schrift vor, da es Wieland darum gegangen sei, ernsthafte Fragen zu Recht und Ordnung des Staates zu beantworten. Dedner, Burghard: Topos, Ideal und Realitätspostulat. Studien zur Darstellung des Landlebens im Roman des 18. Jahrhunderts (Studien zur deutschen Literatur, Bd. 16). (Diss.) Tübingen 1969. S. 111. 755 Baudach, Planeten der Unschuld, S. 286ff. 756 Wieland geht davon aus, dass sowohl der Verstand als auch das Herz fähig seien, Erkenntnisse zu haben. Ibd. S. 288.

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logische Folge, dass Wieland einen Fürstenspiegel in poetischer Form schrieb. Er legte mit dem Goldenen Spiegel gemäß dieser Vorstellungen einen Vorschlag zur Erziehung von Fürsten und zur Anleitung politischer Veränderungen vor, der helfen sollte, das mög­liche Ziel zu definieren und auch wirk­lich zu erreichen. Der Bezug auf einen gut funktionierenden Staat, für den China als Vorbild Pate gestanden hatte, zeigt Wielands praktisches Verständnis von Mög­lichkeit, die den Entwurf Schechians aus seiner Sicht nicht nur denkbar, sondern umsetzbar erscheinen lassen sollte.757 In der Erziehung bzw. konkreten politischen Anleitung der Herrscher bestand die Intention zahlreicher Fürstenspiegelautoren besonders wieder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Reaktion auf die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges sowie auf Hunger- und Wirtschaftskrisen. Rainer A. Müller konstatiert mit 50 Fürstenspiegeln für die Zeit zwischen 1750 und 1800 das höchste Aufkommen dieses Genres im Alten Reich seit 1600.758 So beschreibt Wieland seinen Protagonisten Tifan als ein erreichbares Ideal mit realen historischen Wurzeln, ein realisierbares Modell, dessen Umsetzung allen zugutekommt: Tifan ist kein Geschöpf der Phantasie: es liegt dem ganzen Menschengeschlechte daran, daß er keines sei.759 Wieland forderte seine Zeitgenossen auf, sich dem Ideal anzunähern, es zu realisieren. König Tifan kommt innerhalb der Fürsten, deren Wirken Wieland in seiner konstruierten Chronik aufzählt, eine besondere Bedeutung zu. Ihm, vor allem seiner Weisheit und Tugend, verdankt Schechian die temporäre Überwindung der Krise eines Bürgerkriegs und den Aufschwung zu einem blühenden Reich. Wieland beginnt mit einem Szenarium, das sowohl Kameralisten als auch Physiokraten als Folge fortgesetzten Versagens des bestehenden monarchischen Systems und falschem herrscher­lichen Handelns vorausgesagt hatten. Dieser Einstieg eröffnete die Gefahren und zeigte zugleich den Weg, diese innere Krise zu überwinden. Sie bestand vor allem im umsichtigen herrscher­lichen Handeln und dem Mut, Neuerungen zu wagen. Der junge Tifan ist es, der die gefährdete innere Sicherheit des Landes wiederherstellt und im Anschluss aufgrund seiner Fähigkeiten und Tugenden zum König gewählt wird. Wieland könnte

757 Zum Begriff der Mög­lichkeit in Utopien vgl. ebenfalls Biesterfeld, Wolfgang: Utopie und Didaktik. Zur Funktion der Kategorie Mög­lichkeit in der Literatur. In: Ders. (Hg.): Von Fabel bis Fantasy. Gesammelte Aufsätze und Vorträge zur Erzählforschung, Jugendliteratur und Literaturdidaktik. Hamburg 1994. S. 125 – 149. Hier S. 138ff. Fohrmann, Utopie, Reflexion, Erzählung, S. 26 und S. 45. 758 Zwischen 1500 und 1800 sind knapp 300 Fürstenspiegel im Alten Reich erschienen. Etwa 50 entfielen auf die Zeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zwischen 1755 und 1775 entstanden die meisten Fürstenspiegel. Müller, Rainer A.: Historia als Regentenhilfe. Geschichte als Bildungsfach in deutschen Fürstenspiegeln des konfessionellen Zeitalters. In: Grell, Chantal/Paravicini, Werner/ Voss, Jürgen (Hg.): Les princes et l’histoire du XIVème au XVIIIème siècle (Pariser historische Studien, Bd. 47). Bonn 1998. S. 359 – 370. Hier S. 361. Ein Diagramm zum Aufkommen der Fürstenspiegel in den einzelnen Jahrzehnten bietet Maigler-Loeser, Historie und Exemplum, S. 228. 759 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 252.

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dafür die Figur des Cincinnatus zugrunde gelegt haben. Allerdings hatte er nicht vor, ein republika­nisches Modell mit temporärer Diktatur zur Rettung des Staates zu konstruieren, sondern Schechians Volk übertrug Tifan die Macht durch Wahl auf Lebenszeit. So konzipierte Wieland Tifan als einen Philosophen auf dem Thron im Sinne eines gemäßigten, sich selbst beschränkenden Herrschers, der sich voll und ganz in den Dienst des Staates stellt und sich als sein erster Bürger versteht.760 Wieland hatte sich zuvor ausführ­lich mit dem Kameralismus, insbesondere Justis Schriften auseinandergesetzt.761 Seine Vorstellungen von einem gemäßigten, väter­lichen Herrscher, seine ausgeprägte Luxuskritik, die er im Goldnen Spiegel formulierte, das Staatsziel der Glückseligkeit sowie sein Konzept eines gesellschaft­lichen Miteinanders auf der Basis des Naturrechts sind durch die Beschäftigung mit kameralistischen Lehren wesent­lich geprägt worden. Wieland konzipierte seine Protagonisten so, dass sie nicht nur im Sinne der Lehre handelten, sondern sogar ganz offen als Anhänger dieser ökonomischen Lehre identifiziert wurden: „Dein Tifan war ein seltsamer Kameralist“, rief Schach-Gebal aus. Danishmend antwortete: „Dies war er auch in der Tat, wie Ihre Hoheit aus einem der folgenden Kapitel seiner Gesetze sehen werden. Indessen fiel diese Einrichtung, durch die Art wie sie veranstaltet war, dem Staate gar nicht schwer, und verschaffte ihm hingegen einen vielfachen beträcht­lichen Nutzen. In den meisten andern Staaten vereinigen sich Dürftigkeit, ungesunde Nahrung, und durchgängige Verwahrlosung der Leiber und der Seelen, aus den Kindern der Tagelöhner und der untersten Klasse der Handwerksleute eine Art von Geschöpfen zu machen, die von der dümmsten Art von Vieh kaum durch etwas andres als einige, wiewohl öfters sehr unvollkommene, Ähn­lichkeit mit der mensch­lichen Gestalt zu unterscheiden sind. In Scheschian war es ganz anders.“762 Der Bezug zum Kameralismus verlieh Wielands Staatskonzept neben dem Aspekt der Umsetzbarkeit vor allem auch eine theoretische Fundierung. Gleiches gilt für seine Auseinandersetzung mit den physiokratischen Lehren sowie seine explizit kritische Sicht des Naturverständnisses und des Naturmenschen bei Rousseau.763 Auch durch die kameralistischen und physiokratischen Schriften wurde Wieland immer wieder mit

760 Wielands ideales Bild des Monarchen war das des ersten Dieners des Staates. Voller Interesse behielt er Joseph II. und Friedrich II. im Blick. Fohrmann, Utopie, Reflexion, Erzählung, S. 29. 761 Bersier, Gabrielle: Wunschbild und Wirk­lichkeit, Deutsche Utopien im 18. Jahrhundert (Reihe Siegen, Germanistische Abteilung, Bd. 33). (Diss.) Heidelberg 1981. S. 192. 762 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 281. 763 Baudach, Planeten der Unschuld, S. 506ff. Schaefer, Klaus: Christoph Martin Wieland (Sammlung Metzler, Bd. 295). Stuttgart/Weimar 1996. S. 127. Jaumann, Herbert: Nachwort. In: Ders. (Hg.): Christoph Martin Wieland. Der goldne Spiegel und andere politische Dichtungen. Anmerkungen und Nachwort. München 1979. S. 859 – 889. Hier S. 869ff. Carsten Jakobi: Ökonomie der Masse zwischen Egoismus und kollektivem Nutzen. Die Perspektive auf die politische Ökonomie des Staatsvolkes in Christoph Martin Wielands Roman Der goldne Spiegel. In: Jäger, Andrea/Antos, Gerd/Dunn, Malcolm H. (Hg.): Masse Mensch. Das „Wir“ – sprach­lich behauptet, ästhetisch inszeniert. Halle 2006. S. 40 – 53.

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der Rolle Chinas als exempelhaftem Staat, seiner funktionierenden Landwirtschaft und der wichtigen Rolle der Natur konfrontiert.764 Auf diese Weise übertrug er eine oftmals kameralistische oder physiokratische Sicht Chinas auf sein Schechian. e. Herrschaft und Landwirtschaft Wie der französische Kronprinz bei Mercier erhielt auch der künftige Herrscher ­Schechians, Tifan, seine Erziehung fern des Hofes. Es ging darum, das Staatsziel des gemeinen Besten zu erlangen und ihn deshalb mitten unter lauter Hirten und Ackerleuten zu einem guten Fürsten zu bilden. Überzeugt, daß Güte des Herzens ohne Weisheit eben so wenig Tugend, als Wissenschaft ohne Tugend Weisheit ist, bemühte er [sein Erzieher Dschengis] sich, zu eben der Zeit, da er sein Gefühl für das Schöne und Gute und jede sympathische und menschenfreund­liche Neigung zu nähren und in Fertigkeit zu verwandeln suchte, seinen Verstand von den eingeschränkten Begriffen, die sich von den Gegenständen, die ihn umgaben, in seiner Seele abdruckten, stufenweise zu den erhabnen Ideen der bürger­lichen Gesellschaft, des mensch­lichen Geschlechts, der Natur, des Ganzen, und seines geheimnisvollen aber anbetenswürdigen Urhebers zu erheben. Alle sitt­liche Vollkommenheit eines Menschen, zu welchem besondern Beruf er immer geboren sein mag, hängt davon ab, daß diese Ideen in seinem Verstande, und die Gesinnungen, welche sich aus ihnen bilden, in seinem Herzen die Herrschaft führen. Aber für keinen Menschen ist dies unentbehr­licher als für denjenigen, der dazu berufen ist, sitt­liche Ordnung in irgendeinem besondern Teile der allgemeinen mensch­lichen Gesellschaft zu unterhalten. Wehe seinen Untergebenen und ihm selbst, wenn seine Seele von dem Bilde einer allgemeinen Harmonie und Glückseligkeit nicht in Entzücken gesetzt wird! Wenn ihm die Rechte der Menschheit nicht heiliger und unverletz­licher sind als seine eigenen! Wenn die Gesetze der Natur, mit tiefen unauslösch­lichen Zügen in seine Seele gegraben, ihn nicht in allen seinen Handlungen leiten! Mit Einem Worte, wehe dem Volke, dessen Beherrscher nicht lieber der Beste unter den Menschen als der Mächtigste unter den Königen sein möchte!765 Das Landleben hatte dazu beigetragen, Tifan wie Merciers Kronprinzen auch zu einem selbstlos-mutigen, gerechten und fähigen Monarchen zu erziehen. Die gewonnenen Tugenden erlaubten es Tifan, wie ein neuer Cincinnatus den Bürgerkrieg in Schechian [Sichuan] siegreich zu beenden und dem Land selbst als weises und gütiges Vorbild vorzustehen. Er zeichnete sich vor seinen Untertanen aus, nicht nur der Erste bzw. der erste Bürger, sondern in allem auch der Beste zu sein.766 Diese Passage verweist ebenfalls – wie schon bei Mercier diskutiert – auf die Berufung von Kaiser Yaos Nachfolgern vom Land auf den Thron. So setzt sich Wieland an anderer Stelle in seiner Chronik mit dem tugendhaften Landmann Shun auseinander, der später als Kaiser fungierte. In der

7 64 Berger, China-Bild und China-Mode, S. 96. 765 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 221f. 766 Ibd. S. 118f.

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dazugehörigen Anmerkung gibt Wieland genauestens Auskunft über seine Quelle: Du Haldes Beschreib[ung]. des Schines[ischen]. Reichs. I. Th. S. 263.767 Eine auffällige inhalt­ liche Parallele gibt es auch zur Passage der „Sitten aus Bin“ aus dem S­ hijiing, dem Buch der Lieder, in dem der Herzog von Zhou den Charakter eines jungen Prinzen durch das Leben auf dem Land und die Feldarbeit zu bilden suchte. An diese Erziehungsmaxime des Herzogs lehnte Wieland die Ausbildung seines Protagonisten Tifan an. Allerdings findet sich dafür bei Du Halde kein Hinweis.768 Wieland muss somit auch mit Übersetzungen der chinesischen Klassiker gearbeitet haben. Wieland gibt jedoch keine Auskünfte über konkrete landwirtschaft­liche Fähigkeiten Tifans. Vielmehr stilisierte er seinen jungen Fürsten in Anlehnung an den chinesischen Kaiser zum ersten Landmann, zum Ersten unter den Bauern seines Landes. Zugleich erhob er die Bauern in Anlehnung an die Physiokraten zur produktiven Klasse und wiederum nach chinesischem Vorbild in einen hohen gesellschaft­lichen Rang. Er ließ Danismend gegenüber Sultan Schach-Gebal verkünden: Die Landleute, das ist, alle, die sich mit dem Feldbaue, der Viehzucht, und irgend einem andern zur Landwirtschaft gehörigen Teile hauptsäch­lich beschäftigten, machten den größten Teil der ersten Klasse aus. Sie genossen der Ehre, daß der König selbst zu ihrer Zunft gehörte, indem er, zum öffent­ lichen Zeichen, daß der Bauerstand, als die wahre Grundlage der ganzen bürger­lichen Gesellschaft, vorzüg­lich ehrenwert sei, jähr­lich an einem der ersten Frühlingstage in eigener Person einen Baum pflanzte, und ein Stück Feldes ackerte. Dieser Tag, mit welchem alle Feldarbeiten in Scheschian angefangen wurden, war einer ihrer höchsten Festtage, und der oberste Vorsteher jedes Ortes durch das ganze Reich war verbunden an demselben das näm­ liche zu tun was der König, dessen Person er bei dieser feier­lichen Handlung vorstellte.769 Tifan stand an der Spitze der arbeitenden Untertanen und unterstrich jähr­lich durch eigene Feldarbeit die Bedeutung der Landwirtschaft für den Staat und die Gesellschaft. Er wirkte somit auf seine Untertanen wie der chinesische Kaiser der Reiseberichte und der physiokratischen Traktate belehrend und als Vorbild sowie hinsicht­lich der bestehenden Stände harmonisierend und vereinend. Wieland ergänzte für sein Schechian [Sichuan] das Pflugritual des chinesischen Kaisers um die Pflanzung eines Baums. Das Motiv entlehnte er sehr wahrschein­lich

7 67 Wieland fand das Beispiel auch bei Justi. Justi, Vergleichungen, S. 294. 768 Enfin la cinquième renferme les poésies suspectes, & que Confucius a rejetées comme apocryphes. Pour donner quelque idée de cet ouvrage, je vais en rapporter quelques odes, qui ont été fidèlement traduites par le père de Prémare. Du Halde, Description de la Chine, Bd. 2, S. 308. 769 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 294f. Jedes Frühjahr hat der Kayser nach dem Exempel seiner ältesten Vorfahren die Gewohnheit, daß er unter gewissen Solennitäten einige Furchen höchsteigenhändig gräbet, um durch ein Exempel die Leute zum Ackerbau aufzumuntern. Das Ritual bewirke, dass die Früchte des Feldes gedeyh­lich aufwachsen. Du Halde, Ausführ­liche Beschreibung des Chinesischen Reichs, Bd. 2, S. 85f.

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aus Mercier.770 Sonst ist die Pflugszene des Kaisers in Schechian wie im chinesischen Vorbild die Eröffnung des landwirtschaft­lichen Arbeitszyklus und zugleich ein Festtag für alle Untertanen, jedoch kein religiöser Akt. Andere europäische Vorbilder für das Pflügen des Herrschers, wie etwa Josephs II. Pflügen in Mähren oder das eigenhändige Ackern des Dauphin, scheinen in Wielands Staatsentwurf nicht durch. Auch in seinen Anmerkungen stellt Wieland keine Zusammenhänge zwischen dem chinesischen Vorbild und Joseph II. her. Neben der Förderung der Landwirtschaft hatte Wieland seinen Protagonisten Tifan in Schechian auch Manufakturen anlegen lassen. Sein junger König verhalf dem Handwerk zur Blüte, indem er gemäß kameralistischer Forderungen alle alten Gebräuche oder Gesetze, welche die Ausübung derselben mit einem Zwange belegten, abschaffte und die Freiheiten der Zünfte, wodurch jedes Handwerk ehemals ein kleiner Staat im Staate und berechtiget gewesen war, alle übrige Bürger nach Gefallen zu bedrücken, aufhob.771 ­Schechian ist nach Wieland kein royaume agricole, sondern stärker ein nach kameralistischen und liberalen Gesichtspunkten eingerichteter Staat. Dennoch erhält die Landwirtschaft unter Tifan den ihr zustehenden wichtigen Platz in der Wirtschaft und die staat­liche Protektion. Auch den Handel hatte Tifan nach physiokratischen Gesichtspunkten von allen beschränkenden Gesetzen befreit.772 Wieland thematisierte jedoch im Kontext seiner Anmerkungen nicht wie Mercier die negativen Auswirkungen des Freihandels auf die französische Wirtschaft. Nicht nur der König, sondern auch der Adel, den Wieland in seinem Schechian als Stand erhalten hatte, erhielt die Erziehung, die ihm ermög­lichte, seiner wahren Bestimmung als Stütze des Throns und geborne Beschützer des Ackerbaues, dem sie ihre eigene wirtschaft­liche Unabhängigkeit zu verdanken haben, nachzukommen. Wieland verwies den Adel auf seine Wurzeln als Gutsherren und stilisierte das Landleben und den Ackerbau zu einem dem Adel gemäßen Dasein. Wielands Adel entsprach dem alten europäischen Ideal des honnête homme, er war Vorbild der übrigen Stände.773 Damit

770 Mercier, L’an deux mille quatre cent quarante, S. 156. Es avanciert zu einem Topos, der als bekannte Wendung Kleists in einem Brief vom 10. Oktober 1801 an Wilhelmine von Zenge als weiser Lebensinhalt zu lesen ist: Weißt Du, was die alten Männer tun, wenn sie 50 Jahre lang um Reichtümer und Ehrenstellen gebuhlt haben? Sie lassen sich auf einen Herd nieder, und bebauen ein Feld. Dann, und dann erst, nennen sie sich weise. – Sage mir, könnte man nicht klüger sein, als sie, und früher dahin gehen, wohin man am Ende doch soll? – Unter den persischen Magiern gab es ein religiöses Gesetz: ein Mensch könne nichts der Gottheit Wohlgefälligeres tun, als dieses, ein Feld zu bebauen, einen Baum zu pflanzen, und ein Kind zu zeugen. Kleist, Heinrich von: Sämt­liche Werke und Briefe in vier Bänden. Bd. 4: Briefe von und an Heinrich von Kleist 1793 – 1811. Hg. v. Klaus Müller-­Salget/Stefan Ormanns (Bibliothek deutscher Klassiker, Bd. 122). Frankfurt/M. 1997. Nr. 56. Seite 271 – 276. Hier S. 272. 771 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 294f. 772 Ibd. S. 295. 773 Ibd. S. 322. Zum Stand bei Wieland kurz auch Vogt, Der goldne Spiegel, S. 76f.

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war es Tifan gelungen, den Adel in Schechian nach kameralistischem und physiokra­ tischem Vorbild erfolgreich in die Produktionsgemeinschaft zu integrieren, während der Adel noch wenige Jahre zuvor unter dem schwachen Azor das Land ausfressen half.774 Der Adel wirkte bei Wieland genau wie der König selbst als Vorbild und stand somit selbst an der Spitze der Landgüter als erste Bauern ihrer Ländereien. Wieland zeigte damit, dass die Lösung der politisch-ökonomischen Probleme nicht notwendigerweise in der strukturellen Veränderung wie der Aufhebung der Stände lag, sondern durch die Hand eines starken und zugleich moralisch unantastbaren Monarchen die Stände ihrer Bestimmung gemäß erzogen werden mussten, um entsprechend zu wirken. Durch Erziehung zur Landwirtschaft bzw. zur (Land-)Arbeit war nach Wieland die Annäherung der Stände zu erreichen. Dies bewirkte, dass der Adel im Klassifizierungssystem Schechians einen festen Platz erhielt.775 Die Stände organisierte Wieland in seinem Schechian in funktionaler Arbeitsteilung. An der Spitze dieser (Arbeits-)Gesellschaft, aber auch der zu leistenden Arbeit steht wie in China als Erster eines jeden Tätigkeitsbereichs der Monarch.776 Wieland ließ jedoch in Anlehnung an Du Haldes Description de la Chine und die ­Lettres édifiantes in seinem Schechian einen zusätz­lichen Stand, die Ya-faou oder Bonzen, als eine Priesterkaste und privilegierte Schmarotzer leben.777 Der Philosoph ­Danishmend verg­lich sie mit Unkraut und schmarutzerische[n] Pflanzen, welche bloß darum sich um die nütz­lichen Gewächse herum winden, um ihnen die besten Nahrungssäfte zu entziehen.778 Ihnen sollte unter Tifan kein Platz mehr in Schechian zustehen, sie wurden unter keine Klasse subsumiert.779 Hier findet sich eine deut­liche Anlehnung an Voltaires These vom Priestertrug. Nur denjenigen Ya-faou, die sich den Werten und Zielen der Gemeinschaft in Schechian anpassten, wurde gütig das Wohnrecht im Staat angeboten. Wieland sprach sich somit für eine Religion im Staat aus, die Vernunftkriterien

774 Die Regierung des Despoten Azor hatte Wieland auch mit Bezügen zu Frankreich unter den Königen Ludwig XIV. und Ludwig XV. gekennzeichnet. Wieland, Der goldne Spiegel, S. 275. Vogt, Der goldene Spiegel, S. 12. 775 Hier folgte Wieland einem wesent­lichen Ziel der Physiokraten. 776 Fohrmann, Utopie, Reflexion, Erzählung, S. 32. Jacobs, Der Fürstenspiegel, S. 16. 777 Nach dem Beispiele der Ägypter und andrer abgöttischen Völker, verehrten die Scheschianer einen Affen, als den besondern Schutzgott ihrer Nation; und, wie alle asiatischen Länder, wimmelte S­ cheschian von Bonzen, deren hauptsäch­lichste Beschäftigung war, das verblendete Volk in der gröbsten Verfinsterung des natür­lichen L ­ ichtes, und in einem ihnen allein nütz­lichen Aberglauben zu unterhalten. Unter den verschiedenen Gattungen derselben, welche Danischmend schildert, begnügen wir uns, nur zweier zu erwähnen, deren Institut uns Europäern unglaub­lich scheinen müßte, wenn wir nicht aus der Sammlung der so genannten Lettres edifiantes, und aus der Kompilation des P. Dü [sic!] Halde benachrichtiget wären, daß sich wenigstens von der einen Gattung noch heutiges Tages eine zahlreiche Nachkommenschaft in der Tatarei und in Sina erhalten hat. Wieland, Der goldne Spiegel, S. 124. 778 Ibd. S. 296. 779 Ibd.

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entsprach und nicht außerhalb der Bedürfnisse der Menschen stand.780 Dem nütz­lichen und sich integrierenden Menschen stand die Gemeinschaft offen. Den Müßiggang auszurotten, die Müßiggänger anzuleiten oder aus der Gemeinschaft zu vertreiben, oblag in Wielands Schechian dem Herrscher. Tifan hatte diese nicht ganz leichte Aufgabe zum Wohle seines Staates erfolgreich bewältigt und der Arbeit so einen gemeinschaftsstiftenden Wert zuerkannt. Die Arbeit, welche die Gesellschaft zu leisten hatte, war dennoch keine Arbeit, die den Menschen übermäßig belastete oder drückte. Zwar forderte die Gesellschaft einen hohen Arbeitsethos und eine entsprechende Disziplin, dennoch wurde Arbeit durch die strikte Mobilisierung aller mensch­lichen Ressourcen und Arbeitskräfte für den Einzelnen einfacher, fröh­licher, abwechslungsreicher. Ausgleich und ein ausgewogener Zustand wurde nach Wieland so mög­lich: Arbeit, Vergnügen und Ruhe, jedes in kleinem Maße, zu gleichen Teilen vermischt und nach dem Winke der Natur abgewechselt. Die Bedingung dafür war die Einsicht der Menschen von Schechian, wie glück­lich der Gehorsam gegen die Natur macht.781 Die Bewohner von Schechian stehen mit der Natur im Einklang und folgen ihr in ihrem Rhythmus. Als Organisator der Arbeit trat in Schechian der Staat auf.782 Der neue religiöse Kult, der in Schechian zugelassen wurde, bedurfte auch einer neuen Priesterschaft, die der König selbst berief. Tifan leitete den Dienst am höchsten Wesen, der den Grundwahrheiten der natür­lichen Religion folgte und damit der besseren Erfüllung der mensch­lichen und bürger­lichen Pf­l ichten dienen sollte.783 Es handelte sich um einen geheimen Kult, der mit den Mysterien der Ägypter und Griechen viele Ähn­lichkeit hatte. […] Die Begierde, zu diesem Mysterien zugelassen zu werden, wurde nach und nach eine Leidenschaft bei den Schechianern.784 Wieland hatte hier oberfläch­lich einen Bezug zu den geheimen eleusischen Mysterien und damit zum Fruchtbarkeitskult von ­Demeter und Triptolemos hergestellt.785 Seinem jungen König Tifan gestand Wieland die Rolle eines Priesterkönigs zu, die ihn befähigte, aktiv und führend in der Ausübung des Kultes zu wirken. Doch genau diese Doppelrolle des Monarchen und die Arkanpraxis der Mysterien konstruierte Wieland nicht als Vorbild, sondern als Warnung an seine Leser und als Auftakt des Untergangs von Schechian: Der geheime Kult formte die

780 Jürgen C. Jacobs betont, dass diese Passagen Wielands von den Mainzer Behörden als kritisch eingestuft worden seien. Jacobs, Jürgen C.: Der Fürstenspiegel im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (Vorträge der Nordrhein-Westphälischen Akademie der Wissenschaften, Nr. 376). Wiesbaden 2001. S. 17. Jordheim, Staatsroman im Werk Wielands und Jean Pauls, S. 274. 781 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 53. 782 Richard Saage verweist darauf, dass dieser Fakt in den meisten aufklärerischen Utopien nachzuweisen sei. Saage, Politische Utopien der Neuzeit, S. 163f. 783 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 303. 784 Ibd. S. 305. 785 Vgl. dazu das Kapitel 2.1.2 in diesem Buch.

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Mitglieder nicht nur zu nütz­lichen Bürgern des Staates, sondern gab ihnen womög­lich die Gelegenheit, sich unvermerkt zu Herren desselben zu machen.786 Wieland warnte vor dem unkontrollierbaren Einfluss von mög­lichen Geheimbünden wie etwa den Freimaurern.787 Auch dem Geheimnis an sich stand er kritisch gegenüber, das Nichteingeweihte im Dunkel beließ. Geheimbünde waren somit Entwicklungen, welche die Annäherung der Gesellschaft und die Idee einer Gemeinschaft hemmten bzw. störten.788 Ein König, der wie Tifan selbst zu einer solchen Trennung durch sein Wirken beitrug, zerstörte sein Reformwerk selbst. Zudem konstatierte Wieland, dass nicht der Kult, sondern die Gesetze Gegenstand monarchischen Wirkens zu sein hatten.789 Aus ihrer Einrichtung und Einhaltung resultierte Ordnung und die innere Sicherheit Schechians. f. Die Rolle der Bauern Hinsicht­lich der Bauern engagierte sich Wieland für eine strukturelle Änderung, die in Schechian durch die weise Herrschaft und väter­liche Gesetzgebung Tifans Realität geworden war: Die Landleute in Scheschian genossen durch Tifans Gesetzgebung alle Vorzüge frei geborner Bürger: und wiewohl sie großen Teils eine Art von Pächtern der Edelleute oder des Königs selbst waren; so machten sie doch durch die Befreiung von aller willkür­lichen und tyrannischen Gewalt, und durch die Mäßigkeit der Abgaben, die sie dem Staat und ihren Grundherren zu entrichten hatten, ohne Zweifel die glück­lichste Klasse der Einwohner von Scheschian aus; besonders in einigen Provinzen, wo ein milderer ­Himmel den Geist der Freude und der sanfteren Gefühle über das Landvolk ausgegossen hatte, und die ungemeine Fruchtbarkeit der Natur ihre Arbeiten beinah in Spiele verwandelte.790 Die Freiheit und die Achtung vor den Bauern bewirkte nicht nur die Motivation zur Arbeit, sie erleichterte sie ihnen, so dass sie fast dem buko­lischen Ideal spielerischer und ästhe­ tischer Tätigkeit entsprach. Auch hier hatte Wieland die Forderungen der Kameralisten nach der Aufhebung der Leibeigenschaft bzw. der Fronleistungen in seinem Staatsentwurf umgesetzt. Die Bauern Schechians waren im Zustand der Glückseligkeit, nicht mehr durch unzumutbare Abgaben niedergedrückt oder völlig verarmt. Immer wieder betonte Wieland, dass die Bauern in Schechian mit ihrem Zustande zufrieden seien, und unterstrich damit mehrfach die Mög­lichkeit der Realisierung seines Entwurfs. 786 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 294. Jordheim, Staatsroman im Werk Wielands und Jean Pauls, S. 274f. 787 Wieland trat erst 1809 nach langen Überlegungen einer Loge bei. Vogt geht bei Wielands Geheimkult von einem durch das Urchristentum beeinflussten Nationalkult aus. Das ergibt sich jedoch so nicht aus dem Text des Spiegels. Vogt, Der goldene Spiegel, S. 90. 788 Mit seinem Hinweis auf den geheimen Kult zeigte Wieland zeitkritisch und polyperspektivisch aus seiner Sicht sinnvolle und weniger sinnvolle Formen der Perfektibilisierung, der Vervollkommnung der Menschen auf. 789 Erst spät bekennt Wieland die Vorteile der konstitutionellen Monarchie. Vogt, Der goldene Spiegel, S. 48. 790 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 294.

Herrschaft und Landwirtschaft in modellhaften Staatsentwürfen

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Weisheit und mutiges Handeln Tifans waren der Auslöser dafür. Er zeigte sich als wahrhaftiger Vater des Volkes.791 Die Einsicht des schechianischen Königs, die Bauern nicht mehr unterdrücken zu lassen, beruhte auf Moralität, empfindsamem Mitleid und der Akzeptanz des Naturrechts, aber auch auf Notwendigkeit und der Erkenntnis der Nütz­lichkeit. Dieses Bewusstsein Tifans führte in Schechian zu einer vernünftigen und funktionierenden Gemeinschaft, die aus nütz­lichen Mitgliedern der Gesellschaft und wichtigen Subjekten des Staates besteht. Geregelt ist die Einrichtung durch Gesetze. Durch ihre weise Einrichtung, nicht das Charisma des Königs, wird Schechian regiert.792 Tifans Staat, so erkennt der belehrte Zuhörer Schach-Gebal, gleicht einer Maschine.793 Wielands Staatsentwurf Schechian funktioniert. Aber wird er das dauerhaft können? Worin, so fragt sich der Verfasser, liegt das Geheimnis des Bestands? Wie Mercier, der offen den Niedergang Chinas thematisiert hatte, gestand Wieland auch mittels seines Philosophen Danishmend resigniert zu, dass die Erziehung und die Philosophie immer den Kanon zur umfassendsten Ausbildung und Charakterprägung der Nachfolger Tifans bereitstellen würde, aber eine Garantie für gute Herrschaft nicht gegeben werden könne. Das Geheimnis für die Fortsetzung des glückseligen Zustands sah Wieland deshalb im tugendsamen Bemühen eines jeden einzelnen Subjekts.794 Das einfache Landleben stellte für Wieland wie in den konventionellen Entwürfen von Arkadien 795 noch immer oder wieder eine Lebensform dar, die auch den Menschen des Staates Schechian helfen konnte, Abstand vom Überdruss der Zivilisation zu erhalten und sich seelisch, geistig und körper­lich in der Natur zu erholen. Dem Landleben gestand er heilende und erzieherische Wirkung für alle zu. Im Gegensatz zu Mercier beließ es Wieland in seinem Entwurf bei dem alten Stadt-Land- und sogar bei dem Land-Hof-Gegensatz. Er bediente sich dabei der gängigen Topoi der Landlebendichtung: Den Arbeiten der emsigen Bauern im würzigen Wind der Kräuter auf dem Feld stellte Wieland den Mief des Hofes, den erbau­lichen und braven Schnitterfesten die immer noch blendenden Maskeraden des Hofes entgegen.796 Wieland sprach sich einerseits für einen Wandel in der Landwirtschaft, ihre Modernisierung durch konsequente staat­liche Förderung sowie die Hebung des Bauerntums in ökonomischer und sozialer Hinsicht durch ihre Befreiung von bisherigen Lasten 791 Ibd. S. 218. 792 Notwendig ist die Einrichtung der Gesetze, da die Verfassung Schechians verschollen ist. Vgl. Richter, Goldene Spiegel, S. 286. 793 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 322. 794 Ibd. S. 218. Jacobs führt an, dass Wieland in der späteren Fassung seines Romans die Tendenz zum Schlechterwerden als mensch­liche Eigenschaft deut­licher ausgeführt habe. Jacobs, Fürstenspiegel, S. 19. Zum Scheitern trotz des Lernprozesses vgl. auch Richter, Goldene Spiegel, S. 322. 795 Zu Arkadien als Ort fiktiver Glückseligkeit bei Griechen und Römern vgl. Blackwell, Utopia and Anti-Utopia in Modern Times, S. 3 – 8. Claeys, Gregory: Ideale Welten. Die Geschichte der Utopie. Darmstadt 2011. S. 20ff. 796 Wieland, Der goldne Spiegel, S. 311f. Dedner, Topos, Ideal und Realitätspostulat, S. 134f.

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aus, dennoch zielte er auf die Konservierung länd­licher Idyllen hinsicht­lich der alten Sitten und Tugendvorstellungen und proklamierte fortschreitend die Einfachheit des länd­lichen Lebens. Den Bauern gestand er zur Konservierung dieser Idee nur eine grundlegende Befriedigung materieller Bedürfnisse zu und erhoffte sich von ihnen die weitreichende Einsicht, auf mehr zu verzichten, um nicht verdorben zu werden. Die Bauern wurden somit in seinem Entwurf strikt in ihrer Entwicklung reglementiert und eingeschränkt, ihnen eigent­lich nur das Notwendigste zugestanden. Die ungleiche Verteilung des Reichtums, die ein wesent­liches Muster utopischer Vorstellungen des 18. Jahrhunderts ausmacht, ist für Wieland nicht von Belang.797 Die Bauern und die Landwirtschaft bilden in seinem Goldnen Spiegel vor allem die thematische Plattform, auf der das neue herrscher­liche Denken und Handeln deut­lich zur Anwendung kommen konnte. Das zeigt, wie stark sich Wieland mit seinem Werk auf zeitgenössisch höchst aktuelle Fragen und Bedürfnisse der Bauern in der Phase großer Hungersnöte (1769 – 1771 im Alten Reich) richtete. Die Bauern behalten im Goldenen Spiegel die Rolle der moralischen Hoffnungsträger des Staatsentwurfs und ihre Dörfer bleiben traditionelle Orte der seelischen Regeneration der rest­lichen Gesellschaft. Es ist daher auch für Wielands Modell Schechian zu konstatieren, was Dedner für Darstellung des Landlebens in der Literatur des 18. Jahrhunderts allgemein feststellt: Es erfolgt eine mehrdeutige Realitätsannäherung an die Bauern.798 Topoi und Ideale der traditionellen Bukolik wurden von Wieland mit der funktionierenden, historisch überprüfbaren Faktizität des produktiven und geachteten chinesischen Bauerntums und den zeitgenössisch politischen, sozialen und ökonomischen Bedürfnissen der deutschen Bauern vermischt. Daraus konstruierte er eine neue, modellhafte Realität Schechians. Der Umkehrschluss Wielands besteht allerdings auch darin, dass erst durch grundlegende Reformen in der Landwirtschaft und zugunsten der Bauern das Ideal des länd­lichen Lebens erhalten werden und nicht vom Elend als unkennt­lich überlagert und somit nicht mehr existent gelten kann. Dennoch lässt Wieland bei aller Betonung von Machbarkeit am Ende dieses Modell scheitern und Schechian untergehen. Umso drastischer wird der Leser belehrt, wie stark das Schicksal von Staaten und Gesellschaften von den moralischen und politischen Fähigkeiten eines Monarchen, aber auch dem Zusammenwirken aller Personen einer Gemeinschaft abhängen konnte. Dafür war die Erziehung jedes Einzelnen notwendig, um aktiv an der Realisierung der Ziele mitwirken zu können und nicht hinter den Erwartungen einer neuen Gemeinschaft zurückzubleiben. Wieland forderte einen neuen Menschen, der sich in Schechian nicht etablieren konnte. Das Scheitern Schechians steht dem Erfolg von Merciers Paris im Jahr 2440 menetekelhaft entgegen.

797 Zu Rousseau und der Verteilung des Reichtums vgl. Schölderle, Utopia und Utopie, S. 235. 798 Dedner, Topos, Ideal und Realitätspostulat, S. 164.

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Der fürst­liche Leser wird mit den Folgen herrscher­lichen Versagens für sich und seine Untertanen konfrontiert. Es ging Wieland wie Mercier nicht nur um Veränderungen an sich, sondern um rechtzeitige Korrekturen zur Vermeidung von inneren Krisen. Die Monarchie blieb die bevorzugte Regierungsform Wielands, aber nur, wenn sie auf die zeitgenössischen Bedürfnisse der Untertanen reagierte und sich in den Dienst des Staates stellte. Wieland zeigte auch, wie die Krise oder der Niedergang zu vermeiden sei: durch die Harmonisierung des Einzelnen und der Gemeinschaft sowie durch die Harmonisierung des Willens. Die Gemeinschaft in Schechian ist eine, die in ihrem Wollen und in ihren Zielen, vor allem hinsicht­lich des Gemeinwohls, übereinstimmt. Diese Einheit­ lichkeit verdanken die Schechianer nicht zuletzt ihrem weisen König Tifan, der ein Band zwischen ihnen geknüpft und ihren gemeinsamen Willen in Gesetze gegossen hat. In der Funktion des chinesischen Kaisers, für die wichtigsten Belange innerhalb des Zusammenlebens als Erster und als Vorbild zu fungieren bzw. in seiner Person all diese Belange harmonisch vereint zu sehen und ständig über die Ausgewogenheit zu wachen, hatte Wielands Tifan sein Vorbild. 4.5 Realisierte Utopie? Das Bild der Landwirtschaft und des Bauern in Festen während der Französischen Revolution – Ein Ausblick

Eine der politisch folgenreichsten Symbolhandlungen der Französischen Revolution erinnerte den König an seine Pf­licht, das täg­liche Brot der Untertanen zu sichern, und führte ihm die bestehende Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft deut­lich vor Augen: Die Pariser Marktfrauen 799 zwangen Ludwig XVI. und seine Familie am 6. Oktober 1789, von Versailles in die Hauptstadt zurückzukehren. Während ihres Triumphzuges nach Paris, dem auch einige Wagen mit Getreideladungen aus Versailles folgten, verkündeten sie, den Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen heimgeholt zu haben. In der Übertragung der Berufsbezeichnung des Bäckers fand sich symbolisch die vom Herrscher erwartete Fähigkeit und die Verantwortung, Brot bzw. Nahrung zur Verfügung zu stellen. Zugleich liegt mit dem Titel eine auffällige Parallele zur hier diskutierten Herrschaftsvorstellung vom König als erstem Landmann vor. Nun war der König in gleichem Sinne als erster Bäcker des Staates gefragt. Es waren jedoch nicht magische Kräfte, die sich das Volk vom König für seine Versorgung mit Lebensmitteln erhoffte, wie Hans-Ulrich Thamer in seiner Geschichte der Französischen Revolution

799 Zu den Halles als Pariser Korn- und Lebensmittelmarkt sowie zum Spektrum der gehandelten Waren vgl. Kaplan, Provisioning Paris, S. 193 – 220. Zu den Marktfrauen Petersen, Susanne: Marktweiber und Amazonen. Frauen in der Französischen Revolution (Kleine Bibliothek, Frauen, Bd. 411). Köln 1987. S. 71 – 73.

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vermutet.800 Vielmehr resultierte die Hoffnung auf Brot aus dem einzigartigen Selbstverständnis der Gottesähn­lichkeit des französischen Königs und seiner Stellung als Bischof. Die Bitte des Vaterunsers, Panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie, fand im König somit den richtigen Adressaten. Es gehörte zu seinen Herrscherpf­l ichten. Darüber hinaus war der König – wie in der Einleitung zu diesem Band bereits herausgearbeitet – Quelle und Schützer des geltenden Rechts der Untertanen auf Subsistenz. Die hungernden Pariser Marktfrauen forderten dieses Recht nun ein und erinnerten den König an seine Pf­licht. Unabhängig von dieser stark auf die sakralen Elemente des Königtums abzielenden Erklärung, die den Menschen auf der Straße in ihrer Kom­ plexität kaum bewusst gewesen sein dürfte, lag auch in der persön­lichen Anwesenheit des Monarchen am Ort der Not ein Schlüssel für die Hoffnung auf Besserung. Mit seiner Kenntnis vom Hunger und vom Mangel an Brot in Paris konnte und würde er – so die Erwartung – seiner Macht und seiner Pf­l icht gemäß handeln und der Not Einhalt gebieten. Die Anwesenheit des Monarchen versprach Hilfe 801 – sogar sofort wahrnehmbar, was die Wagen voller Korn aus Versailles scheinbar bestätigten. Er allein war es, der in den Augen des Volkes augenblick­lich Brot zu schaffen vermochte.802 Der Handlung der 800 Thamer, Hans-Ulrich: Die Französische Revolution (Beck’sche Reihe, Bd. 2347). München ³2009. S. 39. Der Ruf der Marktfrauen, den Bäcker nach Paris zurückgebracht zu haben, ist vielfach, jedoch ohne Quellenbeleg in der Literatur zitiert. So etwa bei Schulin, Ernst: Die Französische Revolution (Beck’s historische Bibliothek). München 42004. S. 88. Schulin interpretiert den Zug des Königs von Versailles nach Paris als groteske Mischung aus Aufruhr und Monarchienanhäng­lichkeit und so, dass das Volk ihn bei sich haben wollte, „damit er in Versailles nichts Böses tun konnte“. Ibd. Visualisiert findet sich der Zug auf dem Kupferstich Zug der Hallenweiber nach Versailles von Jean Louis Prieur d. J. (1759 – 1795) aus den Jahren 1791/1792 für die Tableaux de la révolution française, 27,9 x 37,5 cm; Bnf Inv.-Nr. Gr S 57/10434. Abgebildet bei Kaplan, ­Steven L.: The Bakers of Paris and the Bread Question 1700 – 1775. Durham/London 2006. S. 578. Ebenfalls bei Richter, Lutz Henner: Eine Stadt macht Geschichte. Paris und die Grosse Französische Revolution von 1789. Leipzig 1989. S. 87. 801 Dies zeigt sich in der Gegenwart bei Besuchen von Staatsoberhäuptern oder Regierungschefs in Katastrophengebieten. Mit ihrer Anwesenheit wird die persön­liche und direkte Koordination der Hilfe symbolisiert und an die Betroffenen zur Beruhigung kommuniziert. Es mag damit die Hoffnung auf kürzere Dienstwege und somit schnellere Hilfe verbunden sein. Offensicht­lich bewerteten die Pariser die Anwesenheit den Königs auch in diesem Sinne. Jean Paul Marat (1743 – 1793) bemerkte in seiner Zeitung L’Ami du peuple, dass es für die Pariser ein Fest sei, ihren König end­lich wieder in der Stadt zu haben. Seine Gegenwart, so Marat, werde die Sicht auf die Dinge verändern. Die Leute würden hoffen, nicht mehr Hungers zu sterben. Zugleich warnte er, dass sich dieses Glück verflüchtigen werde, wenn der König die Stadt wieder verließe, ehe die Verfassung gültig sei. Richter, Eine Stadt macht Geschichte, S. 86. Gottschalk, Louis R.: Jean-Paul Marat: A Study in Radicalism (Phoenix Books, Bd. 264). Greenberg 1927. S. 55f. 802 Ludwig XVI. versprach vor seiner Abreise aus Versailles in der Tat weitere sofortige Lebensmittellieferungen, ein erneutes Getreideausfuhrverbot sowie einen stabilen Brotpreis. Kruse, Wolfgang: Die Französische Revolution (UTB Geschichte, Bd. 2639). Paderborn/München 2005. S. 53. Thamer, Französische Revolution, S. 39f. Steven L. Kaplan erkennt im Brot eine wichtige psycholo­ gische Komponente, die einen wesent­lichen Stellenwert in der politischen Entwicklung Frankreichs

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Marktfrauen mag die Vorstellung zugrunde gelegen haben, dass Misstände in der Regel nicht durch das Versagen der Monarchen, sondern durch unfähige Minister und Höflinge verursacht und die Könige bewusst in Unkenntnis davon gelassen worden waren. Mit der Anwesenheit des Herrschers sollte nun das Auge des Monarchen wieder über das Glück der Untertanen wachen. Auf diese Weise offenbarte sich, wie sehr das Volk seine Versorgung mit Nahrungsmitteln mit der Person und dem Handeln des Königs in Verbindung brachte. Das physiokratische Herrschaftsideal des ersten Landmannes erwies sich in diesem Zusammenhang nicht als ein rein intellektuelles Konstrukt, das fern von jedem Verständnis der einfachen Menschen geschaffen worden war. Vielmehr spiegelte es genau die sch­lichte Vorstellung des Volkes vom Wirken des Herrschers wider. Zugleich zeigte der erzwungene Zug Ludwigs XVI . und seiner Familie nach Paris auch den Platz des Königs: beim Volk und nicht entfernt von ihm. Es handelte sich somit um eine gewaltsame Einlösung der über Jahrzehnte diskutierten Forderung nach Annäherung des Königs an die Bauern oder das Volk. Die Diskussion darüber hatte ihren Anfang bereits bei der prunkvollen Krönung Ludwigs XVI. in Reims im Jahr 1775 genommen. Der frisch berufene Finanzminister Turgot hatte seinem König einen Vorschlag für eine weniger aufwändige und somit auch kostensparendere Zeremonie in Paris unterbreitet, den Ludwig jedoch ablehnte.803 Dem Aufwand der Krönung stellten kritische Zeitgenossen das Elend und den Hunger der Bauern gegenüber. Reisende aus den Provinzen Frankreichs berichteten, dass sie an Bauern vorübergefahren seien, die sich am Wegesrand vor den fahrenden Kutschen niedergeworfen und mit ihren Händen Gesten vollzogen hatten, als ob sie essen wollten.804 Missernten, steigende Brotpreise und damit Hungerkrisen und wirtschaft­liche Not, die immer wieder in kleinere Unruhen mündeten, begleiteten die gesamte Regierungszeit Ludwigs XVI. Im Frühjahr des Jahres 1789 war der Preis für Brot in Paris als Reaktion auf hinsicht­lich des inneren Friedens einnahm. Kaplan, Bakers of Paris, S. 23ff. Zur Preissteigerung von Brot in Paris ibd. S. 145ff. Bei der Krönung eines französischen Königs erhofften sich die Menschen immer einen niedrigen Brotpreis. Im Gegensatz zur Krönung des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches in Frankfurt am Main war beim Sacre der französischen Könige in Reims keine anschließende Speisung des Volkes mit Brot, Wein und gebratenen Ochsen üb­lich. Somit gab es bei den französischen Monarchen kein Beispiel dafür, unzählige Menschen in Anlehnung an Jesus Speisung der 5000 beköstigen zu können. Es gab ledig­lich im Palais des Erzbischofs in Reims ein Festbankett für den König. Zum Festbankett vgl. Schmid, Sacrum monarchiae speculum, S. 475 – 481. Demouy, Patrick: Notre-Dame de Reims. Sanctuaire de la royauté sacrée (­Patrimoine au présent). Paris 2008. 803 Grell, Chantal: The Sacre of Louis XVI. The End of a Myth. In: Schaich, Michael (Hg.): Monarchy and Religion. The Transformation of Royal Culture in Eighteenth-Century-Europe (Studies of the German Historical Institute London). Oxford 2007. S. 345 – 366. Hier S. 348. Schmid, Sacrum monarchiae speculum, S. 592 – 596. Malettke, Bourbonen, S. 137ff. Zur Entwicklung der Zeremonien in der französischen Krone vgl. Bryant, Lawrence M.: Ritual, Ceremony and the Changing Monarchy in France, 1350 – 1789 (Variorum Collected Studies Series, Bd. 937). Farnham u. a. 2010. 804 Baker, Keith Michael: French Political Thought at the Accession of Louis XVI. In: Journal of Modern History 50 (1978). S. 279- 303. Hier S. 280.

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die schlechte Ernte des Vorjahres um 200 Prozent gestiegen, so dass nicht zuletzt auch wesent­liche Ursachen der Französischen Revolution im äußerst bedenk­lichen Zustand der Landwirtschaft Frankreichs und entsprechenden politischen Fehlentscheidungen der Krone auf diesem Gebiet zu suchen sind.805 Wesent­liche Aufgaben der Revolutionsregierungen bestanden darin, die Hungerkrisen zu bekämpfen und Grundlagen für eine funktionierende und ausreichende Versorgung zu schaffen. Dafür war eine florierende Landwirtschaft notwendig, auf welche der Fokus der Revolution gerichtet wurde. Die revolutionäre Agrarpolitik ist bereits umfassend untersucht worden.806 Deshalb wird nachfolgend die symbolische Bedeutung der Landwirtschaft und des Bauerntums für die junge Republik und für den Revolutionsprozess in den Blick genommen. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Rolle landwirtschaft­licher Elemente und ihrer Darstellung bzw. Intentionen in rituellen Handlungen, in Hymnen und Bildern. Gefragt werden muss, ob eine stärkere Hinwendung zu antik-republikanischen Vorbildern zu verzeichnen ist, deren Exempel in die Revolutionskultur integriert wurden, oder ob zur Betonung des Anspruchs auf eine neue Gesellschaft von Menschen mit gleichen Rechten und Pf­lichten auch neue Beispiele gesucht oder konstruiert wurden. Daneben ist anzunehmen, dass China, das bisher als Vorbild einer funktionierenden Monarchie von bürger­lichen Eliten wie den Physiokraten, welche die Monarchie zu stützen suchten, sowie vom Hof selbst rezipiert worden war, nun im republikanischen Kontext kaum noch aufgegriffen wurde. Eine Beschäftigung mit diesen Fragen erscheint sinnvoll, da es sich zum einen zeigen wird, ob das Vorbild China tatsäch­lich nur für eine Monarchie als Modell taugte oder ob einzelne Bestandteile wie etwa die Auszeichnung der Bauern nicht auch in einem republikanischen Konzept seinen Platz finden konnten. Es wird mit diesem Kapitel somit ein Ausblick auf den Umgang mit den bisherigen Idealen gegeben. Zum anderen wird sich in diesem Ausblick erweisen, welche Rolle Revolution und Republik neuerdings der Natur, der Landwirtschaft und den Bauern zuwiesen. Wie wurden die Bauern für dieses Ziel instrumentalisiert, welches Bild von ihnen im Staat konstruiert? Als Betrachtungszeitraum werden die Jahre zwischen 1792 und 1799 gewählt, weil hier die kulturellen und geistigen Abgrenzungsversuche der Französischen Republik – etwa durch die Kalenderreform – medial am auffälligsten und in der Wirkung auf die Bevölkerung

805 Axel Kuhn verweist darauf, dass die Lebenshaltungskosten zwischen 1771 und 1789 um 45 Prozent gestiegen seien und zwischen 1785 und 1789 mit 65 Prozent den Höhepunkt der Teuerung ausgemacht hatten. Kuhn, Axel: Die Französische Revolution (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 17017). Stuttgart 1999. S. 25ff. Zu den Lasten der Abgaben und Steuern vgl. ibd. S. 28ff. Zu Bauernunruhen S. 35f. 806 Bois, Paul: Paysans de l’Ouest. Des structures économiques et socials aux options politiques depuis l’époque révolutionnaire dans la Sarthe (Société, mouvements sociaux et ideologies, Études, Bd. 1). (Diss.) Paris 1984. Festy, Octave: L’agriculture pendant la Révolution française. 3 Bde. Paris 1947 – 1950.

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am besten greifbar sind. Zugleich deckt der Untersuchungszeitraum neben der Zeit des Konvents (1792 – 1794) auch die Herrschaft des Direktoriums (1795 – 1799) ab, während derer sich die republikanische Staatskultur am deut­lichsten herausbildete, in ganz Frankreich verbreitete und allmäh­lich als neue Tradition etablierte.807 Die Landwirtschaft avancierte zum festen Bestandteil der französischen Revolutionskultur, was sich etwa in der Umwidmung der Kirche Saint-Eustache neben Les Halles als Landwirtschaftstempel,808 insbesondere aber in der Symbolik und während der Feste zeigte. Auf dem Journée révolutionnaire am 10. August des Jahres 1792 wurden landwirtschaft­liche Geräte und Feldfrüchte zu offiziellen Symbolen der Revolution

807 Lynn Hunt kommt zum Ergebnis, dass die Fragen der einheit­lichen Repräsentation erst ab 1792 diskutiert und fixiert wurden. Da nur Menschen, die gemeinsam handeln, eine Kultur begründen oder ausgestalten können, konnte sich auch die Revolutionskultur erst allmäh­lich herausbilden. Hunt, Lynn: Symbole der Macht. Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur. Frankfurt/M. 1989. S. 112ff und S. 153. Clifford Geertz geht insbesondere vom krisenhaften Moment nach der Hinrichtung des Königs aus, der eine Neuorientierung bzw. die Suche nach historischen Anknüpfungspunkten und Symbolen der Identitätsstiftung notwendig gemacht habe: “At the political center of any complexly organized society (to narrow our focus now to that) there is both a governing elite and a set of symbolic forms expressing the fact that is truth in governing. No matter how democratically the members of the elite are chosen (usually not very) or how deeply divided among themselves they may be (usually much more than outsiders imagine), they justify their existence and order in terms of a collection of stories, ceremonies, insignia, formalities, and appurtenances that they have either inherited or, in revolutionary situations, invented.” Geertz, Clifford: Center’s Kings and Charisma: Symbolics of Power. In: Ders. (Hg.): Local Knowledge: Further Essays in Interpretive Anthropology. New York 2000. S. 121 – 146. Hier S. 121. 808 Die Kirche wurde zunächst auf Anordnung vom 6. Dezember 1793/16 frimaire an II 1793 des Département des Travaux publics geschlossen und geplündert. Noch im selben Jahr fand jedoch in der Kirche ein Teil der Feier­lichkeiten zur Huldigung der Vernunft statt. Im Jahr 1795 kam es zur Wiedereröffnung und in den nachfolgenden Jahren (1797 – 1803) wurde die Kirche durch die „Théophilantrophen“ als Landwirtschaftstempel genutzt. Kurz dazu Boinet, Amédée: Les églises parisiennes, Bd. 1. Moyen Age et Renaissance. Paris 1958. S. 458 – 491. Hier S. 465ff. Gautherot, Gustave: Le vandalisme Jacobin. Paris 1914. S. 127 – 136. Die Anhänger der Théophilantrophie verstanden sich zeitgenössisch: […] est le culte de la religion naturelle. Or la nature, toujours aussi simple que sublime dans sa marche, ne présente aucun systême de fêtes particulières. Elle nous donne seulement l’occasion de célébrer diversement des bienfaits du créateur, suivant les différentes saisons de l’année, et les différentes époques de la vie humaine. Chemin-Dupontès, Jean-Baptiste: Rituel des adorateurs de Dieu et amis des hommes; contenant l’ordre des exercices de la Théophilantropie, et le recueil des hymnes adoptés dans les différens temple, tant de Paris, que des départemns. Paris ²An VII. S. 79. Das ausführ­liche „Glaubensbekenntnis“ und die Liturgieordnung der Théophilantrophen findet sich bei Chemin-Dupontès, Jean-Baptiste: Année religieuse des théophilantropes, ou adorateurs de Dieu et amis des hommes; recueil de discours, lectures, hymnes et cantique. 4 Bde. Paris 1797/1798. Die Theophilantrophen hegten Achtung gegenüber der Natur und versprachen die Bewahrung der Umwelt als gött­liche Schöpfung. Bd. 1, S. 135 – 147. Die Umgestaltung bzw. die Ausstattung der Kirche Saint-Eustache als Landwirtschaftstempel sowie die kultische Nutzung stellen bisher eine Forschungslücke dar.

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erhoben: Freie Männer, Volk von Gleichen, von Freunden und Brüdern, die Bilder eurer Größe mögen sich ausschließ­lich aus den Attributen, eurer Arbeit, eurer Talente und eurer Tugenden zusammensetzen! Die Lanze und der Hut der Freiheit, der Pflug und die Getreideähre, […] mögen den ganzen Schmuck der Republik bilden.809 Die Revolutionsflagge des Departement Saône schmückte zwischen 1789 und 1792 ein pflügender Bauer unter einer strahlenden Sonne, von zwei Kanonen flankiert.810 Im September 1792 sollte der Plan für eine neue Zeitrechnung erstellt werden, die symbolisch den Beginn eines neuen Zeitalters sowie eines neuen Gesellschafts- und Staatsverständnisses unterstrich und zugleich demonstrativ mit den alten christ­lichen Traditionen brach. Der Dichter Philippe-François-Nazaire Fabre (1750 – 1794) erarbeitete ein Konzept für einen neuen Kalender, das am 5. Oktober 1793 per Dekret auch verkündet wurde. Insbesondere die Monate, die Fabre in drei Dekaden eingeteilt hatte, erhielten Bezeichnungen, die Besonderheiten der Jahreszeiten betonten oder dem landwirtschaft­lichen Arbeits- und Anbauzyklus im Jahr folgten. Die einzelnen Tage erhielten zu einem großen Teil Pflanzen- oder Früchtenamen.811 Die junge Republik unterstrich somit ihre Hinwendung zur und ihren Einklang mit der Natur, hob gleichzeitig aber auch die Rolle der (Land)Arbeit für die neue Gesellschaft hervor: L’agriculture est l’élément politique d’un peuple tel que nous, que la terre, le ciel et la nature regadent ave135c tant d’amour et de prédilection.812

809 May, Hans: Religion und die Zukunft der Demokratie (Protestantische Impulse für Gesellschaft und Kirche, Bd. 7). Berlin 2008. S. 62. 810 Kennedy, Emmet: A Cultural History of the French Revolution. New Haven/London 1989. S. 280. 811 Im Herbst begann das Jahr mit dem ersten Monat, dem Vendémiaire, dem Monat der Weinlese. Der siebte Monat im Jahr und der erste im Frühling war der Germinal, der das Keimen in der Natur hervorhob. Mit dem Messidor wurde im 10. Monat des Republikanischen Kalenders die Ernte betont, während die Feldfrüchte im Fructidor, im 12. Monat, gewürdigt wurden. Die fehlenden Tage wurden als Festtage am Ende des letzten Monats angehängt. Meinzer, Michael: Der Französische Revolutionskalender (1792 – 1805). Planung, Durchführung und Scheitern einer politischen Zeitrechnung. München 1992. Die Angleichung des Kalenders an das Dezimalsystem (bis auf die Anzahl der Monate) und die Rolle der zeitgenösischen astronomischen Forschung bei der Kalendererstellung betont Aufgebauer, Peter: Die astronomischen Grundlagen des französischen Revolutionskalenders. Eine wissenschaftsgeschicht­liche Studie. In: Fundus – Forum für Geschichte und ihre Quellen 4 (2004). S. 163 – 182 (http://www.fundus.d-r.de (gesehen 20.08.2012)). 812 Fabre erläuterte vor dem Konvent die Idee des Kalenders: L’idée première qui nous a servi de base et de consacrer, par le calendrier, le système agricole, et d’y ramener la nation, en marquant les époques et les fractions de l’année par des signes intelligibles ou visibles pris dans l’agriculture et l’économie rurale. Sitzungsbericht vom 3. Tag des 2. Monats, An II. In: Guillaume, James (Hg.): Procès-verbaux du Comité d’instruction publique de la Convention nationale (Collection de Documents inédits sur l’histoire de France, Serie 1, Bd. 62, Teil 2). Bd. 2. Paris 1894. S. 693 – 706. Hier S. 698 und S. 699. Zur Bedeutung der Natur während der Revolution vgl. Kennedy, A Cultural History of the French Revolution, S. 63 – 66.

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Dennoch war gerade der nouveau calendrier innerhalb der Landbevölkerung nur schwer durchsetzbar.813 Im Mai des Jahres 1794 hatte Robespierre im Konvent seine Vorstellungen sur les rapports des idées religieuses et morales avec les principes républicains et sur les fêtes nationales verkündet, zu denen künftig auch Landwirtschaftsfeste in ganz Frankreich zählen sollten. Sie waren am 10. Tag des Messidor zu begehen. Pierre Bénézech (1749 – 1802) erstellte sehr wahrschein­lich in seiner Funktion als Minister des Inneren (ab 1795) ein Programme de la fête de l’Agriculture pour les grandes communes qui renferment plusieurs Municipalités mit verbind­lichen Festelementen.814 Die erste Feier des Landwirtschaftsfestes fand am 28. Juni 1796 (10 Messidor an IV) in Paris auf dem Champ de Mars statt.815 Dem Architekten Marie Joseph Peyre (1770 – 1843) wurde der Auftrag erteilt, für das Landwirtschaftsfest die Hälfte des Marsfeldes durch eine elegante halbkreisförmige

813 Die verlängerte Arbeitswoche von neun Tagen entsprach nicht den biologischen Erfordernissen des Menschen bzw. der Gewohnheit und war gerade von den Bauern nur schwer zu akzeptieren. Aufgebauer, Die astronomischen Grundlagen des französischen Revolutionskalenders, S. 172. Schulin, Die Französische Revolution, S. 239. Zugleich ging die Etablierung des neuen Kultes und Kalenders mit der Entchristianisierung einher, die den Bauern nur mit großer Mühe zu vermitteln war. Vovelle, Michel: Vom Vendémiaire zum Fructidor des Jahres II: Die andere Entchristianisierung. In: Gumbrecht, Hans Ulrich/Reichardt, Rolf/Schleich, Thomas (Hg.): Sozialgeschichte der Aufklärung in Frankreich. Bd. 2: Medien, Wirkungen (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution, Bd. 4). Wien 1981. S. 201 – 228. 814 Bénézech, Pierre: Programme de la fête de l’Agriculture pour les grandes communes qui renferment plusieurs Municipalités. Paris o. J. 815 Feste wurden nach dem Artikel VI des Gesetzes vom 3. Brumaire des Jahres IV bestimmt, ein Erlass vom 24. Prairial gab die notwendigen Anweisungen zur Gestaltung. Nach Artikel XV dieses Rundschreibens sollte es ein spezielles Programm für große Gemeinden geben, die sich aus mehreren Munizipalitäten zusammensetzen. Für Paris findet sich Folgendes: Die Verwaltungsbeamten des Departement Seine feierten ein allgemeines Fest (fête générale), die Bezirke (oder Distrikte) eines für sich. Es ist zu bezweifeln, dass alle Bezirke der Hauptstadt jeweils für sich ein eigenes Fest veranstalteten. Diejenigen des Zentrums verfügten über nicht genug Ackerfläche. Es blieben nur Bezirke der Stadtperipherie, die dem Gesetz folgen konnten. Tatsäch­lich gab es dort nach zeitgenössischen Plänen Felder, Weinberge und Gärten. Vauthier, Gabriel: La fête de l’agriculture (an VI-an VII). In: Revue historique de la Révolution française 14 (1919/1922). S. 46 – 53. Hier S. 46. Zur Einteilung Frankreichs in Departements und zu ihrer politischen Ausrichtung zur Zeit des Konvents und zur Zeit des Direktoriums vgl. Hunt, Symbole der Macht, S. 160ff. Seymour Dunn geht nur ganz am Rande auf die Landwirtschaftsfeste ein. Dunn, Seymour Ballard: The National Festival in the French Revolution, 1794 – 1797. A Study in Revolutionary Propaganda. Cornell University 1939. S. 27. Dem ersten Landwirtschaftsfest war zuvor im Winter 1795/96 aufgrund der schlechten Ernten 1795 eine Hungersnot vorausgegangen. Die Regierung hatte die Brotrationen pro Person gekürzt, die zu einem Stützpreis verkauft wurden. Auf dem freien Markt stiegen die Preise für ein Brot von drei Pfund auf 150 Francs. Die Sterberate der Pariser Bevölkerung war immens gestiegen. Das Fest mag deshalb auch der Beruhigung des Volkes vor weiteren Hungersnöten gedient haben. Zur Hungersnot und den Maßnahmen in Paris vgl. Holzapfel, Kurt: Die Große Französische Revolution. Berlin 1989. S. 364f.

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Absperrung schmaler zu gestalten.816 An den beiden Enden der Absperrung erhoben sich zwei riesige weiße Stiere. Vertreter verschiedener Ausschüsse und Gremien, hinter denen die Musiker standen, wurden auf einer Tribüne platziert, auf welcher der Altar des Vaterlandes stand. Auf einem antik anmutenden Karren, vor den zwei fast weiße Ochsen mit vergoldeten Hörnern und mit Bändern verziert gespannt waren, wurde ein goldener Pflug in die Arena gefahren. Diesem Wagen folgte ein weiterer mit der Personifikation der Freiheit (la Liberté), gezogen von acht Ochsen. La Liberté war mit Attributen der Landwirtschaft – Blumen, Früchten und Getreideähren – geschmückt worden und thronte unter einer grünen Eiche, die ihr Schatten spendete. Zu ihren Füßen saßen zwei Jungfrauen, die duftendes Holz verbrannten. Die beiden Wagen waren an der École militaire losgefahren und drehten auf dem Marsfeld eine Runde. Ihnen folgte die Menge, die Blumen und Früchte trug. Den Schluss bildete die Kavallerie. Am Altar des Vaterlandes hielt der Präsident des Departements eine Rede und Hymnen erklangen. Im Anschluss überreichte er zwei Bauern, die sich durch ihre Fähigkeiten und ihr patrio­tisches Verhalten ausgezeichnet hatten, die Bürgerkrone. Zum Abschluss des Festes wurde dem Präsidenten ein Pflug zur Verfügung gestellt, mit dem er eigenhändig eine Furche um den Altar des Vaterlandes zog. Die Ochsen des Pfluges führte ein Soldat. Dazu erklang fest­liche Musik und die Menschen applaudierten.817 Eine Abbildung zu einem genau so geschmückten Wagen mit acht weißen Ochsen findet sich auf einem kolorierten Kupferstich, der die Präsentation des Wagens zur Fête de l’Etre suprême le 20 Prairial (an II, 1794) dokumentiert (Abb. 32). Der Wagen ist auch auf einem anderen Stich, der den Hügel mit dem Freiheitsbaum zur Fête de l’Etre suprême abbildet, im Vordergrund sichtbar. Es könnte sich mög­licherweise um denselben Wagen handeln, der zum Landwirtschaftsfest 1796 wiederum zum Einsatz kam. Denkbar ist auch, dass er für das Landwirtschaftsfest in Anlehnung an den Wagen von 1794 bewusst nachgebaut wurde bzw. die Vorlagen dafür noch existierten.818

816 Zur Aus- und Umgestaltung der Festorte der Revolution vgl. Leith, James A.: Space and Revolution. Projects for Monuments, Squares, and Public Buildings in France 1789 – 1799. Montreal/Kingston 1991. S. 36ff. 817 Vauthier, La fête de l’agriculture, S. 46f. Bericht über das Fest vom 10 Messiodor, l’an IV [= 28.6.1796] von E. I. D. P. In: L’Historien, 11 Messiodor, l’an IV (L’Historien, Bd. 5 (1796)). Nr. 221, S. 645f. Zum offiziell vorgegebenen Ablauf des Festes vgl. Arrêté du Directoire exécutif, qui détermine la manière dont la fête de l’agriculture sera célébrée le 10 Messiodor. Du 20 Prairal. Paris [1796]. Vorgabe und der von Vauthier geschilderte Ablauf stimmen überein. Eine kurze Beschreibung des ersten Landwirtschaftsfestes in Angers am 10 Messidor des Jahres IV, auf dem die Stadtverwaltung ebenfalls einen Pflug präsentierte und eine eigenhändige Furche gezogen wurde, bietet Bois, Benjamin: Les Fêtes révolutionnaires à Angers. De l’an II à l’an VIII (1793 – 1799). (Diss.) Paris 1929. S. 94f. 818 Musée Carnavalet, Paris. Leith, Space and Revolution, S. 212, Abb. 255.

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Das Marsfeld diente wie für viele andere Feste der Revolution 819 auch für das Landwirtschaftsfest als Bühne, auf der das Volk zum einen als Akteur und zum anderen als Zuschauer fungierte.820 Das Fest huldigte der Landwirtschaft im Sinne Lazare Nicolas Carnots (1753 – 1823): Si l’agriculture est le premier des arts, c’est sur-tout dans une république, assise sur un vaste territoire; qu’elle seule peut assurer la liberté d’un peuple, et le soustraire à la dépendance des peuples voisins. […].821 Trotz allen Aufwandes war dem ersten Landwirtschaftsfest im Jahr IV kein Erfolg beschieden. Nach dem Bericht des Zentralbüros habe die Einfachheit des Festes, die Würde des Themas nicht die Seelen der Menschen zu rühren noch die Zuschauer zu begeistern vermocht. Die Teilnehmer seien eher aus Neugierde denn aus patriotischem Eifer angezogen worden. Die Mitglieder des Direktoriums seien sogar ganz fern geblieben. Auch im darauffolgenden Jahr war die Resonanz des Festes nur mäßig.822 Erst aus dem Rechenschaftsbericht des Jahres VI geht hervor, dass sich allmäh­lich eine Tradition herausbildete und dieses dritte Landwirtschaftsfest auf mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung gestoßen war. Der Ablauf folgte in grundlegenden Elementen dem ersten Fest, enthielt aber darüber hinaus auch einige Erweiterungen, indem beispielsweise wichtige Orte der Stadt in den Festumzug integriert oder durch Staffagebauten innerhalb der Stadt Bezugspunkte zur Thematik der Feier hergestellt wurden: Mittags hatten sich die Bezirksbeamten von Paris und die Bezirksbeamten des Landes, Bauern der Gegend, Bürger und Bürgerinnen, die ortsansässige Nationalgarde, Grenadiere des Corps législatif und alle anderen Bürger der Armee, jeder in seiner Einheit, Joubert, der Präsident des Departements, der Kommissar des Exekutiv­direktoriums und sein Chefsekretär, die Musik(-kapelle) des Direktoriums und die des Corps législatif zu einem Festzug zu formieren. Gemäß ihrer Berufe und Rolle in der Gesellschaft waren die Personen geschmückt: Landwirte trugen Ährenkränze auf dem Kopf, die Beamten Bouquets aus Blumen. Diese formierten sich vor der Halle au blé. Außerhalb dieses Gebäudes war eine Tribüne mit zweiläufiger Treppe errichtet worden. Die Mitglieder des Zentralbüros besetzten diese und warteten auf den Zug. Nach dem Eintreffen des

819 Zur Typologie der Revolutionsfeste vgl. Etlin, Richard A.: Évolution de la fête révolutionnaire. Chronologie et typologie. In: Ehrard, Jean/Viallaneix, Paul (Hg.): Les fêtes de la Révolution. Colloque de Clermont-Ferrand (juin 1974) (Bibliothèque d’histoire révolutionnaire, Série 3, Bd. 17). Paris 1977. S. 121 – 154. Hier S. 135f. 820 Unter das Volk wurden nach Lynn Hunt diejenigen Personen subsumiert, die auf der Seite der Republik standen. Ausgeklammert waren hingegen Gemäßigte, Aristokraten und Royalisten. Hunt, Symbole der Macht, S. 258. 821 Carnot, Lazare: Arrêté du Directoire exécutif, qui détermine la manière dont la fête de l’agriculture sera célébrée le 10 Messiodor. Du 20 Prairal. Paris [1796]. S. 9. 822 Vauthier, La fête de l’agriculture, S. 52f. In einem Reisebericht von 1796 aus Paris findet sich eine kurze Notiz zum gescheiterten Landwirtschaftsfest: […] sans effet & sans participation du peuple; car il y avait moins de spéctateurs à celle-là qu’à la premiere. Meyer, Frédéric Jean Laurent: Fragments sur Paris. Bd. 1. Hambourg 1798. S. 152.

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Zuges hielt der Präsident seine Rede. Darauf folgte die Hymne. Im Anschluss setzte sich der Zug weiter zu den Champs-Élyssées in Bewegung. Ein Wagen, gezogen von sechs Ochsen mit vergoldeten Hörnern und Hufen, mit Girlanden und Bändern geschmückt, trug ein Bündel mit landwirtschaft­lichen Geräten, darüber eine Getreideähre und die Trikolore. Eine Gruppe Arbeiter aus den Halles trug auf einem Tragsessel den ältesten von ihnen mit dieser Inschrift: „De longs travaux honorent la vieillesse.“ Hier liegt die Vermutung nahe, dass das fehlerhafte Verständnis des Auszeichnungssystems des Yongzheng-­ Kaisers durch Du Halde diesen Teil des Zuges initiierte. Der vom Yongzheng-­Kaiser an den arbeitsamsten und erfolgreichsten Landmann verliehene Titel „Alter Bauer“, im Sinne eines ehrwürdigen Bauern, war von den Jesuiten wört­lich genommen und so falsch wiedergegeben worden.823 Die fehlerhafte Interpretation des chinesischen Ehrentitels hatte sich etablieren können und mag für den des Arbeiters als Vorbild gedient haben. Dem erhöhten Arbeiter folgte ein vierspänniger Wagen des Bacchus. Angekommen auf der Place de la Concorde wandte sich der Zug vor der Statue der Liberté auf die Champs-Élyssées. Dort befand sich ein eigens errichteter Tempel der Kybele,824 vor dem duftendes Holz verbrannt wurde. Vor diesem stellten sich der Präsident und sein Gefolge auf, um die drei ausgewählten und von ihren Mitbürgern für eine Auszeichnung für würdig befundenen Landwirte zu ehren. Der Präsident bekränzte die Stirn der drei Bauern: Einer erhielt die Ehrung für den Schnitt von Obstbäumen, welcher zu höheren Erträgen führte, ein anderer für die Verbesserung der Bodenkulturen. Die Geehrten erhielten eine Blumen- und Ährenkrone sowie eine eigens für sie geschlagene Silbermünze mit den Emblemen der Republik und der Landwirtschaft.825 Das Volk sei 8 23 Vgl. Kap. 3.3.2 in dieser Studie. 824 Kybele wurde in Rom im Rahmen der Märzfeste zum Frühlingsanfang verehrt. Haarmann, Harald: Die Madonna und ihre griechischen Töchter. Rekonstruktion einer kulturhistorischen Genealogie. Hildesheim/Zürich/New York 1996. S. 129f. Zur Inszenierung und Instrumentalisierung weiterer griechischer und römischer Götter und Göttinnen wie Ceres, Apoll, Venus und Adonis im Rahmen von Revolutionsfesten vgl. Jourdan, Annie: Les Monuments de la Révolution 1770 – 1804. Une histoire de représentation (Les dix-huitièmes siècles, Bd. 10). Paris 1997. S. 129f. Auch Heroen wie Herkules wurden von der Republik in die Ikonographie integriert, um Vorstellungen des Förderalismus oder der Konterrevolution zu zerschlagen. Mit dem Heros war nicht nur männ­liche Stärke, die der Republik in weib­licher Personifikation Schutz bot, sondern auch die Wohltaten des Halbgottes für die Menschen ein Grund, ihn auf Siegeln, Münzen etc. zu verehren. Hunt, Lynn: Hercules and the Radical Image in the French Revolution. In: Representations 2 (1983). S. 95 – 117. Hier S. 96, S. 101. Dies., Symbole der Macht, S. 120 – 145. Auf Herkules’ Funktion im Ackerbau geht Hunt nicht ein. Auf Triptolemos wurde offensicht­lich seitens der Republik kein Bezug genommen worden. 825 Der Citoyen Bourdon-Badoire hatte in Alençon im Jahr IV ebenfalls verdienstvolle Landwirte ausgewählt und mit der Bürgerkrone ausgezeichnet. Amis, dignes collaborateurs, recevez en ce jour, consacré à notre fête, les couronnes civique que la bienfaisance & reconnoissance nationale vous ont préparées, pour s’acquitter, par ces récompenses honorables, de la dette la plus légitime. Qui a sçu, comme vous, les mériter, est bien digne de les recevoir & de les conserver. Bourdon-Badoire: Discours prononcé à l’occasion de la fête de l’agriculture, à Alençon, le 10 messidor, quatrième année Républicaine, sur l’autel de la patrie. Paris 1796. S. 3f.

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in Begeisterung ausgebrochen und habe Tränen der Rührung vergossen. Zuletzt habe der Präsident wie schon beim ersten Fest den Pflug ergriffen und eine Furche gezogen. Danach war er zum Tempel hinaufgestiegen und hatte Früchte und Blumen zu Füßen der Statue der Göttin abgelegt. Das Fest endete um vier Uhr am Nachmittag. Die Mitglieder des Departements und des Zentralbüros nahmen die Preisträger mit zu einem Bürgerbankett, auf dem der Republik, der Landwirtschaft und den drei Landwirten Trinksprüche dargebracht wurden.826 Im Jahr VII gab es aus Kostengründen Bestrebungen, nicht mehr in jedem Departement ein Landwirtschaftsfest zu feiern, sondern das Fest zu zentralisieren und es zugleich auch als eine Leistungsschau landwirtschaft­licher Produkte und der Tierzucht auszubauen. Die Departements sollten vorab Proben ihrer Produkte und Erntestatistiken zum Vergleich der Produktivität der einzelnen Departements einsenden.827 Die Resonanz aus den Provinzen auf die Bestrebungen in Paris war jedoch so schwach, dass der Plan verworfen wurde. Die Idee zeigt, dass die Feste motivations- und produktionssteigernd wirken sollten, zugleich aber auch die Kontrolle der Produktion durch das Direktorium in Paris implizieren mussten. Zudem nahmen die Ideen für die Ausgestaltung der Landwirtschaftsfeste deut­lich erste Züge von einer Messe bzw. früheren Formen von Viehpräsentationen auf Märkten auf. Die Reden, welche die Vertreter der Behörden während der Landwirtschaftsfeste an die Teilnehmer und Zuschauer richteten, dienten in der Regel dazu, landwirtschaft­liche Reformprogramme mit Hinweisen zu den Schwächen und Fehlern der alten monarchischen Regierung zu verkünden sowie alle Franzosen aufzurufen, sich aktiv in die Nahrungsmittelproduktion einzubringen. So eröffnete der Citoyen Bourdon-Badoire, selbst Landwirt und Président de l’Administration Municipale du Canton d’Alençon, seine Rede auf dem ört­lichen Landwirtschaftsfest mit folgenden Worten: Citoyens laboureurs! […] L’Agriculture, cette bonne Mère Noutrice, & les différentes branches, vont donc enfin sortir de la nuit du tombeau où elles avoient été, en la majeure partie, ensévelies, par défaut de prévoyance de l’ancien gouvernement, depuis plusieurs siècles. Réunissons-nous donc tous, dans ce jour consolateur, en vrais frères amis collaborateurs: faisons avec confiance mouvoir tous les resorts de l’activité du Génie Républicain, pour combattre & détruire les vices de l’ancien régime par les vertus du nouveau. Bourdon-Badoire erklärte, dass Getreide nicht in Nachbarstaaten kostspielig erworben werden müsse, sondern die Republik in

826 Vauthier, La fête de l’agriculture, S. 48 – 50. Für das Landwirtschaftsfest in Angers als glorification du travail des champs wurde deut­lich weniger Aufwand als in Paris betrieben. Bois, Les Fêtes révolutionnaires à Angers, S. 173. 827 Vauthier, La fête de l’agriculture, S. 52. Die Regierung in Paris forderte regelmäßige Berichte der Departements zu politischen und wirtschaft­lichen Belangen. Die Departements wiederum sollten diese Berichte von den Stadtverwaltungen erhalten. So sollte ein regelmäßiger Informationsfluss den Kontakt der Behörden untereinander sowie die Loyalität der Beamten garantieren. Hunt, Symbole der Macht, S. 90f.

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der Lage sei, die große Familie ihrer Bürger vor Hunger zu bewahren: […] nous aurons la consolation le voir conservé dans le sein de notre nombreuse famille, composée de vingtcinq millions d’âmes; […].828 Sehr ähn­lich berichtet auch Guébert von einer der Reden, die im Rahmen eines Pariser Landwirtschaftsfestes gehalten worden war: Der Departementspräsident hatte darauf hingewiesen, dass Adel und Klerus als Berater des Königs die Landwirtschaft vernachlässigt hätten und ihr deshalb im Ancien Régime kein Stellenwert zuerkannt worden sei. Unter der Republik würde sich das nun ändern: Tel était l’état d’avilissement où se trouvait l’Agriculture quand la Révolution changea les choses, les idées, les hommes et les places. Tout disparut sous le niveau de la Nature. Elle dit: je vous ai créé tous, vous êtes tous l’ouvrage de mes mains; vous êtes tous égaux à mes yeux comme à ceux de la Divinité.829 Gerade den Reden erkannte das Direktorium eine wichtige didaktische Funktion zu, die belehrend und disziplinierend auf die Menge des Volkes wirken und einen erheb­ lichen Beitrag dazu leisten sollte, aus der Masse eine Gesellschaft zu formen bzw. jedes Individuum dafür zu erziehen.830 Zugleich gelang es über die Reden eindrück­lich, den historischen Wandel zu verkünden und ein neues Bild einer gesicherten ökonomischen Zukunft zu zeichnen, in der die Glückseligkeit aller end­lich realisiert werden würde. Eine zentrale Rolle kam im Rahmen der Landwirtschaftsfeste immer wieder den Hymnen zu. Hymnen galten in der Antike als Gesang des Erhabenen und sollten nun anstelle eines Te Deum bzw. auch anstelle des kirch­lichen Gesangs treten. In der Revolution wurden sie musikalisch zumeist von Fanfaren unterstützt und von großen Chören gesungen. Hymnen entstanden zumeist zu einem Anlass und waren in Text und Musik dem Thema entsprechend gestaltet.831 Zu allen Landwirtschaftsfesten wurden eigene

828 Bourdon-Badoire, Discours prononcé à l’occasion de la fête de l’agriculture, S. 1f. Weitere Reden etwa bei Boicervoise, André-Alexandre: Discours prononcé le 10 Messidor, an VII, à la fête de l’agriculture. Paris o. J. Lesboussart, Jean-Baptiste: Discours prononcé dans le temple de la Loi, à Bruxelles, le jour de la fête de la Jeunesse, le 10 Germinal an VI. o. O. o. J. Gobert, L.-J.-A.: Discours pour la fête de l’agriculture del’an 4me. Prononcé en présence des autorités constituées du chef-lieu du département de la Marne, des cultivateurs et citoyen réunis. Chaalons [1796]. Mellez: Discours, prononcé […] le jour de la Fête de l’agriculture, célébré le 10 Messidor, an 5 de la République Française une et indivisible. o. O. o. J. 829 Guébert, C.-P.: Fête de l’agriculture. Canton de Paris. Paris o. J. S. 4. 830 Zu den Formen politischer Erziehung vgl. Hunt, Symbole der Macht, S. 94ff. Zur Herausbildung einer politischen Sprache in der Folge des 10. August 1792 vgl. Guilhaumou, Jacques: Sprache und Politik in der Französischen Revolution. Vom Ereignis zur Sprache des Volkes (Edition Suhrkamp, N. F. 519). Frankfurt/M. 1989. S. 147ff. Gumbrecht geht nicht von einer spezifischen Rhetorik aus, eher sind es die Inhalte und die Redner mit ihren Gewohnheiten (Rechtssprache, die Rhetorik der Kanzel etc.), die Inhalte zu präsentieren. Gumbrecht, Hans-Ulrich: Funktionen parlamentarischer Rhetorik in der Französischen Revolution. Vorstudien zur Entwicklung einer historischen Textpragmatik. (Habil.) München 1978. Einleitung. 831 Zu antiken Vorbildern und zur Rolle von Hymnen in der Revolutionszeit vgl. Jam, Jean-Louis: Fonction des hymnes révolutionnaires. In: Ehrard, Jean/Viallaneix, Paul (Hg.): Les fêtes de la

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Hymen komponiert. Ebenso entstanden auf die Feste Hymnen.832 In der Regel folgten sie auf die Rede des Präsidenten und nahmen somit Teile der liturgischen Struktur protestantischer Gottesdienste mit Predigt und Lied auf. Gefeiert wurde in den Texten wie etwa in der Hymne à l’Agriculture pour la fête du 10 Messidor an VI die heilsame Kunst der Landwirtschaft und die fleißigen Bauern, die sich als Unterstützer des Vaterlandes als Wohltäter der Nation erwiesen, da der Bauer die Existenz des Volkes sichere und den Städten ihren Glanz verleihe: Célébrons cet Art salutaire / Dont chaque jour les nouveaux soins / Prévenant nos premiers besoins/ Sçavent fertiliser la terre. Laborieux Agriculteurs / C’est vous don’t la main endurcie / Est le soutien de la Patrie/ Vous êtes nos vrais bienfaiteurs! […] Sur le sol qui vous donna l’être / Mortels aujourd’hui plus heureux / Les grains et les fruits précieux / Tous les ans s’empressent de naître. Autour de lui le laboureur / Répandant au loin l’abondance / Du people assure l’existencem / Des Cités maintient la splendeur.833 Auch das Vergnügen der länd­lichen Arbeit, welche die Menschen vereine und ihnen die Freuden der Natur offenbare, spiegelten Lieder wie Pour la Fête de l’Agriculture wider: CHANTONS de l’Agriculture / Les travaux et les loisirs: / C’est aux champs que la nature / Nous fait goûter ses plaisirs. / Le travail plein de courage / Le repos plein de douceur / Aux champs allégent l’ouvrage / Par l’image du Bonheur.834 Das Singen diente der Vergemeinschaftung und der Identitätsstiftung. Durch das Auswendiglernen der Texte wurden wesent­liche revolutionäre und nationale Inhalte an das Volk vermittelt und somit wichtige pädagogische Erfolge erzielt. Gerade bei Liedern Révolution. Colloque de Clermont-Ferrand (juin 1974) (Bibliothèque d’histoire révolutionnaire, Série 3, Bd. 17). Paris 1977. S. 433 – 441. Coy, Adelheid: Die Musik der Französischen Revolution. Zur Funktionsbestimmung von Lied und Hymne (Musikwissenschaft­liche Schriften, Bd. 13). (Diss.) München/Salzburg 1978. S. 53 – 61. Den sakralen Charakter der Hymnen betont auch Kennedy. Kennedy, A Cultural History of the French Revolution, S. 281ff. Zur professionellen Erstellung von Liedtexten vgl. Mason, Laura: Singing the French Revolution. Popular Culture and Politics, 1787 – 1799. Ithaca/London 1996. S. 159 – 166. Einer der bekanntesten Hymnendichter war Pierre Desforges (1746 – 1806). 832 So etwa: Hymne à l’Agriculture. In: Cubières-Palmézeaux, Michel de: Le Calendrier républicain. Poëme. Paris [1798]. S. 110f. Salm, Constance de: Hymne à l’Agriculture. Chanté à la fête de l’Agriculture, célébrée au Champ-de-Mars, en 1796. In: Dies: Poésies. Bd. 2. Paris ³1835. S. 245 – 247. 8 33 Hymne à l’Agriculture, pour la fête du 10 Messidor an VI. In: Lemoine: Hymne pour la fête de l’agri­culture/Prévost-d’Iray: Couplets pour la fête de l’agriculture, o. O. o. J. S. 1f. 834 Ange Etienne Xavier de La Chabeaussière schrieb beispielsweise 1796 den Chanson pour la Fête de l’Agriculture. Hyacinthe Jadin komponierte die Musik dazu. Constant, Pierre: Le Magasin de musique à l’usage des fêtes nationales et du Conservatoire (Archives de l’édition musicale française, Bd. 8). Paris 1895. S. 110.

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wurden sehr oft bekannte Melodien mit neuen Texten versehen, um das Lernen zu erleichtern, zugleich aber wiederum altes mit neuen Inhalten zu besetzen. Die Elemente, die für den Ablauf der Feste in Paris gewählt wurden, sind markant. Es handelt sich, wie im Folgenden nachzuweisen sein wird, zum einen um eine Kompilation aus antiken und chinesischen Elementen, die zusammenflossen. Zum anderen finden sich bekannte Elemente aus monarchischen Gestaltungskontexten ebenso wie neue, etwa die Hymnen. Konkrete Vorbilder wurden von den Organisatoren nicht genannt. Bei beiden Festen spielten weiße Ochsen als Zugtiere und Dekoration des Festplatzes eine bedeutende Rolle. Während ihnen in antiken Kulten keine besondere Funktion zukam, wurden sie in verschiedenen Reiseberichten als Zugtiere für das Pflugritual in China aufgeführt. Das Pflügen mit Ochsen entsprach auch den zeitgenössisch-üb­lichen Gepflogenheiten der französischen Landwirtschaft, während in England eher Pferde eingesetzt wurden. Auch der Dauphin hatte mit Pferden gepflügt.835 Eine Orientierung der Organisatoren hinsicht­lich der weißen Ochsen am Pflugritual der chinesischen Kaiser liegt dennoch nahe, zumal in beiden Festbeschreibungen auch die Rede von einem goldenen Pflug und schließ­lich von der eigenhändigen Furche des Departementspräsidenten 836 als Höhepunkt der Feier ist. Die Furche des Präsidenten umzog beim ersten Fest den Altar des Vaterlandes auf dem Marsfeld und bekräftigte damit symbolisch, dass sich die Französische Republik wie die Römische Republik auf den Ackerbau gründe. In der gemeinsamen Ausführung der Arbeit von einem Soldaten der Revolutions­armee und dem Departementspräsidenten als ranghohem Zivilbeamten lag jedoch darüber hinaus eine, wenn auch stark verkürzte Anlehnung an das chinesische Pflugritual vor, in dem durch das Nacheinander des Pflügens vom Kaiser über die Prinzen und Beamte aller Ränge die gesamte Gesellschaft in diese Tätigkeit integriert worden war. Nun versprachen Vertreter der zivilen Verwaltung und des Militärs mit ihrer gemeinsamen symbolischen Handlung die Förderung und den Schutz der Landwirtschaft. Die Funktion des chinesischen Kaisers als erster Landmann des Staates, die von den Physiokraten als neues Herrscherideal konstruiert und formuliert worden war, hatte sich nicht in die Kernrepräsentation der französischen Monarchie eingefügt. Im Gegenteil, sie blieb eine offene Forderung. Sie übertrug sich umso leichter auch auf Beamte der Revolutionsregierung, weil sie so in Abgrenzung zur Monarchie ihr eigenes Bemühen um die Landwirtschaft hervorheben konnten. Der Rückgriff auf das Pflugmotiv und das Führen des Pfluges durch die Departementspräsidenten erfolgte mög­licherweise sogar ganz bewusst, um zu dokumentieren, dass die neue republikanische Regierung 835 Das Pflügen des Dauphin im Jahr 1768 hatte mit einem Pferd stattgefunden. Pferde waren auch von den Landwirtschaftstheoretikern im 18. Jahrhundert in Anlehnung an englische Vorbilder für den Ackerbau großer Flächen als künftige Methode der französischen Landwirtschaft propagiert, jedoch kaum durchgesetzt worden. Gow, Ancient Plough, S. 272f. 836 Zu den neuen Amtsträgern wie Bürgermeistern, Stadträten und Departementspräsidenten sowie zu ihrer Rekrutierung aus Jacobinerklubs etc. vgl. Hunt, Symbole der Macht, S. 236 – 252.

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und die neue Gesellschaft die Landwirtschaft besser im Blick habe und sich so deut­lich von der Vergangenheit abhebe. Das Motiv des obrigkeit­lichen Pflügens war innerhalb der Revolutionsfeste in den neuen Kult 837 aufgenommen und ihm eine quasireligiöse, symbolisch belehrende sowie eine für die Departementsregierungen verpf­lichtende Funktion zugestanden worden. Das Volk fungierte beim Landwirtschaftsfest gleichermaßen als Adressat und Zeuge dieser Handlung. Es zeigt sich am Beispiel des Motivs des herrschaft­lichen Pflügens ein sehr selektiver, auf Nutzen bezogener Aneignungs- und Anverwandlungsprozess einer fremden, ritualisierten monarchischen Herrschaftspraxis, welche die junge französische Republik gezielt in ihren neuen Kult übertrug. Dabei machten sich die hochrangigen Würdenträger der Revolutionsregierung als Träger kultischer Handlungen das Pflügen so zu eigen, dass die ursprüng­lich fremde Herkunft ebenso wie die Rezeption des Motivs in der gestürzten Monarchie vollkommen zurückgedrängt wurde. Es etablierte sich durch die Landwirtschaftsfeste hinsicht­lich des Motivs des pflügenden Würdenträgers eine neue transkulturelle Realität und eine vollständige Integration in die eigene revolutionäre Festkultur.838 Durch den Filter der Reiseberichte und die Instrumentalisierung der Physiokraten war das Motiv des pflügenden Monarchen als visualisiertes obrigkeit­liches Versprechen für Förderung und Schutz der Landwirtschaft propagiert und gedeutet, dessen chinesische Herkunft dabei jedoch nie verschwiegen worden. Während das monarchische Pflügen durch die Physiokraten zum Motiv einer neuen Herrschaftsauffassung stilisiert, dabei jedoch vollkommen dem kultischen Kontext enthoben worden war, kehrte es in der Revolution erstmals in einen kultischen, wenn auch vollkommen neu konstruierten rituellen Bereich zurück. Das Ziehen einer F ­ urche erschien im Zusammenhang mit dem anschließenden Opfer von Feldfrüchten im Tempel der Kybele durch den Departementspräsidenten durchaus als sakrale Handlung. In beiden Akten zeigte sich, wie mensch­liche Arbeit und gött­liches Wirken zusammen zum guten Ertrag führten. Oder, in physiokratischer Ausdeutung des Wu-Wei-Konzeptes, dass der Mensch nur begrenzt tätig werden konnte und der Rest der Natur überlassen werden musste.

837 Im Kult sind korrekte und verbind­liche Handlungen nach den Kategorien Person, Zeit, Ort, Materie, Adressat zu richten. Der Ablauf folgt einer festen Ordnung. Zum Begriff „Kult“ vgl. Mohr, Hubert. „Kult“. In: Barack, Karlheinz/Fontius, Martin et al. (Hg.): Ästhethische Grundbegriffe. Bd. 3: Harmonie – Material. Stuttgart/Weimar 2010. S. 498 – 510. Hier S. 499f. 838 Zum Begriff vgl. Welsch, Wolfgang: Transculturality – The Puzzling Form of Cultures Today. In: Featherstone, Mike/Lash, Scott (Hg.): Spaces of Culture: City, Nation, World. London u. a. 1999. S. 194 – 213. Kultur soll im Ausgangs- und Aufnahmekontext im Sinne des forschungspraktischen Ansatzes von Espagnes und Middell hier „für den Verlauf des Transfers als stabile Einheiten“ betrachtet werden. Espagne, Michel: Jenseits der Komparatistik. Zur Methode der Erforschung von Kulturtransfer. In: Mölk, Ulrich (Hg.): Europäische Kulturzeitschriften um 1900 als Medien transnationaler und transdisziplinärer Wahrnehmung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, philologisch-historische Klasse, Folge 3, Bd. 273). Göttingen 2006. S. 13 – 32. Hier S. 17f.

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Das Pflügen zeigte den Staatsbürger und neuen Menschen bzw. den neuen Staat, die Republik, im Einklang mit der Natur. Somit darf das Pflügen des Departementspräsidenten auch nicht als inhaltsleere Geste gewertet werden, sondern als Höhepunkt des gesamten Festes. Mit dem Kult des republikanischen Landwirtschaftsfestes war eine Chiffre und mit dem Motiv des pflügenden Departementspräsidenten eine geeignete Form von hoher emotionaler Vergemeinschaftung und gegenseitiger Verpf­l ichtung von Regierung und Volk, von Stadt- und Landbewohner gefunden worden.839 Hinsicht­lich der gesamten Anlehnung des republikanischen Staatskultes an die römisch-republikanische Antike kamen den Mitgliedern der Departementsregierungen neben der welt­ lichen auch quasireligiöse Funktionen zu. Denkbar ist seitens der Organisatoren der Landwirtschaftsfeste grundsätz­lich auch eine motivische Anlehnung der fest­lichen Pflugszene an die Antike, etwa Plinius den Älteren und seinen Ausspruch, die Erde werde sich über einen lorbeerbekränzten Pflug freuen (gaudebat tellus vomere laureato).840 Bezüge zu Triptolemos als Pflüger, der in den römischen Kult Eingang gefunden hatte, oder zu Cincinnatus lassen sich herstellen. Während Triptolemos im Zusammenhang der Feste nie genannt wurde, lässt sich der Bezug zu Cincinnatus immerhin in einer Pariser Rede nachweisen: Les Romains savaient connaître les charmes de la vie champêtre. Chez eux, rien n’était tant et si bien recommandé que la culture des terres et la nourriture des troupeaux. On se rappelle avec quelle simplicité les Sénateurs habitaient leurs campagnes. On sait qu’ils cultivaient eux-mêmes, avec soin, leurs propres terrains, sans jamais porter d’avides désirs sur celui des autres. Et l’on sait encore que c’était souvent la Charrue qu’on allait prendre des Consuls et des Dictateurs. Cincinnatus labourait son champ lorsque les Envoyés de Rome vinrent lui apprendre que la voix du peuple lui avait déféré cet honneur.841 In der Nachfolge der pflugführenden und landwirtschaftstreibenden römischen Konsuln und Diktatoren mochten sich das Direktorium ebenso wie die einzelnen Departementspräsidenten sehen. Dennoch ist auffällig, dass Triptolemos und insbesondere Cincinnatus nicht häufiger in die Argumentation der Reden oder in die Festausstattung aufgenommen wurden. Gerade diese beiden Vorbilder hätten sich leicht anführen und nachvollziehbar begründen lassen. Stattdessen lassen die indirekten Hinweise auf die gemeinsame Furche des Präsidenten und den Vertreter des Militärs, die Auswahl weißer Ochsen und die Präsentation eines goldenen Pflugs klare Parallelen zum chinesischen Vorbild erkennen. Auch die Tatsache, dass das kaiser­liche Pflugritual ebenso von den Vizekönigen in den Provinzen

839 Im Kult liegt an sich ein wesent­licher Faktor der Vergemeinschaftung, das ritualisierte, gemeinsame Erleben von nichtalltäg­lichen Dingen. Mohr, „Kult“, S. 507. 840 Plinius d. Ältere, Naturalis Historia XVIII, 4. Dennoch entsprechen die Pflugszenen auf den Landwirtschaftsfesten nicht ganz Plinius’ Bild vom pflügenden Feldherrn, der in seiner Doppelfunktion als siegreicher Held und Bauer für die ganz besondere Fruchtbarkeit der Felder sorgt. Ibd. Vgl. Kapitel 2.1.2 in diesem Buch. 841 Guébert, Fête de l’agriculture, S. 12.

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Chinas ausgeführt wurde, mag hier zu dieser Handlung der Departementspräsidenten beigetragen haben. Elemente aus dem kaiser­lichen Pflugritual in China und der damit verbundenen herrscher­lichen Fürsorge für die Landwirtschaft verschmolzen offensicht­lich weitgehend kommentarlos mit antiken Dekorationen oder kultischen Bestandteilen wie dem Verbrennen von Duftstoffen zu einem neuen republikanischen Kult. Gerade an den Landwirtschaftsfesten zeigte sich die Methode der Neukonzeption des Revolutionskultes, der in erster Linie mit christ­lichen Traditionen brechen wollte, aber vor allem auf bekannte Elemente und leicht nachvollziehbare visuelle Wirkungen setzte. Für ein verständ­liches Motiv hatten die Physiokraten mit der Popularisierung des Pflugmotivs gesorgt.842 Der Erfolg des dritten Landwirtschaftsfestes in Paris lag sicher darin, dass die Organisatoren stärker auf Visualisierung gesetzt hatten und durch die Ortswechsel den Zug für die Mitwirkenden und Zuschauer in der Stadt gleichermaßen attrak­ tiver gemacht hatten. Stärker als beim ersten Landwirtschaftsfest auf dem Marsfeld setzte das dritte auf die Betonung von Gemeinschaft, was aus der Beschreibung der Mitwirkenden aus dem länd­lichen und städtischen Bereich hervorgeht. Es kam zu einer Vergemeinschaftung zwischen Bürgern und Bauern im Festzug, zwischen dem Verbraucher und dem Produzenten landwirtschaft­licher Produkte, zwischen nunmehr Gleichen im Dienst der Gesellschaft. Das Element des Festumzuges hatte innerhalb der Revolutionsfeste seine Vorbilder in den Trauerumzügen für Voltaire, Mirabeau, Rousseau, Marat und andere verehrte und instrumentalisierte Persön­lichkeiten gefunden.843 An sich gingen die Umzüge jedoch auf Triumph- und Trauerzüge bzw. Einzüge nach siegreichen Kriegen in der Antike, aber auch der frühneuzeit­lichen Monarchie zurück. Dem Zug der Pariser Bürger fuhren die zu verehrenden Landwirtschaftssymbole wie etwa der Pflug, der symbolisch für den Ackerbau stand, ebenso wie die personifizierte Freiheit voran. Die Menschen folgten dem Zug mit Blumen und Feldfrüchten. So huldigten sie gemeinsam dem Gedanken einer neuen Gesellschaft, die ihre Wurzeln in der Landwirtschaft begründet sah und sich selbst als Glieder dieser Gesellschaft. Auf eine wahrschein­liche Rezeption des chinesischen Vorbildes deutet weiterhin die Auszeichnung verdienstvoller Bauern im Rahmen der revolutionären Landwirtschaftsfeste hin. Der Physiokrat Quesnay hatte in seinem Werk Despotisme de la Chine

842 Die Präsenz des Motivs der pflügenden Obrigkeit in der Französischen Revolution mag auch daher rühren, dass einige Physiokraten wie etwa Du Pont bis 1792 eine neue Rolle in der Revolution suchten und diese mit ihren Lehren bereichern wollten. Weulersse, Georges: La physiocratie à l’aube de la Révolution (1781 – 1792). Hg. v. Corinne Beutler. Paris 1986. S. 87ff. 843 Coy, Musik der Französischen Revolution, S. 48. Bowman, Franck Paul: Le « Sacre-Coeur » de Marat (1793). In: Ehrard, Jean/Viallaneix, Paul (Hg.): Les fêtes de la Révolution. Colloque de Clermont-Ferrand (juin 1974) (Bibliothèque d’histoire révolutionnaire, Série 3, Bd. 17). Paris 1977. S. 155 – 179.

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in Anlehnung an China Landwirtschaftsfeste behandelt.844 Die Tatsache an sich, dass Landwirtschaftsfeste in der Republik begangen und zur Würdigung der Bauern genutzt wurden, kann auf physiokratische Anregungen und damit auch auf die Präsenz des chine­sischen Vorbildes zurückgehen.845 Während in China die Ehrung der Bauern nicht zum kaiser­lichen Pflugritual bzw. zum Auftakt der Frühlingssaison gehörte, wurde dieses Element nun gemeinsam mit dem Pflügen in den Ablauf des Landwirtschaftsfestes integriert. Auch die Praxis der Departementspräsidenten, die besten Bauern aus den Vorschlägen ihrer untergeordneten 844 Quesnay, Despotisme de la Chine, 8. Kapitel, § 12, S. 602. 845 Dass sich Vorstellungen für Landwirtschaftsfeste am chinesischen Vorbild orientierten, zeigt ein Artikel im Hannoverischen Magazin von 1776. Dort findet sich der Vorschlag eines Anonymus, welcher dahin abzielt, bey dem Land=Manne, statt des verderb­lichen Scheiben=Schießens, einen jähr­lichen fest­lichen Gebrauch einzuführen, der eine verbesserte Cultur des Ackers und eine gereinigtere Führung der Land=Wirthschaft zum Gegenstande hat. Der Autor nannte die Vorbilder seiner Idee: Die so wohlthätige als in verschiedene Länder sich ausbreitende Stiftung des Wasa=Ordens des weisen Königs von Schweden, gab mir die erste Idee. Das Acker=Fest, welches der Kaiser von China feyert, gab meiner Idee den mehrsten Stoff. In den Reisen des Englischen Philosophen in Asien und Afrika, wird dieses Fest in der 1773 zu Danzig herausgekommenen Uebersetz. S. 110, folgendergestalt beschrieben. Der Anonymus schlug die Auszeichnung von Bauern im Rahmen eines Landwirtschaftsfestes vor: […] So bald diese Auswahl der geschicktesten Ackers=Leute und Land=Wirthinnen geschehen, müßte von den Achts=Leuten, dieser erwählten Personen ihre eigenthüm­liche Haushaltung und Acker=Bestellung nachgesehen, und hiernächst dem Amte von dessen wahrhaftem Zustande, und den darin bemerkten Fehlern, Bericht erstattet werden. Hierauf müßte vom Amte ein gewisser Tag bestimmt, und an demselben den ausgewählten Personen, in Gegenwart der Gemeinde, gewisse Fragen zur Beantwortung vorgelegt werden, die, mit Rücksicht auf die einberichteten Fehler, eine gute Verwaltung der Land=Wirthschaft und bessere Einrichtung des Ackerbaues zum Gegenstande hätten. Diese Haushalts=Fragen, wozu allenfalls die erfahrensten Mitglieder der hochlöb­lichen Land=Wirthschafts=Gesellschaft Anleitung geben könnten, müßten nach den Begriffen der Bauers=Leute eingerichtet, von dem Beamten vorgetragen, und die Beantwortung zu Protokoll genommen werden. Drey derjenigen, die diese Fragen am gründ­lichsten beantworten, und folg­lich die beste Kenntniß in der Land=Wirthschafts=Kunst an den Tag legen, werden vom Amte ausgewählt, und von diesen enger erwählten drey Ackers=Leuten und drey Land=Wirthinnen der und die allergeschickteste zum Aernde=König und Aernde=Königinn ernannt, die andern beyden aber nächst diesen für die würdigsten erklärt. Das Preis=Zeichen für den Aernde=König könnte, außer der länd­lichen Krone, womit er am Tage des Aernde=Festes gekrönet wird, z. B. eine silberne Kette seyn, woran ein emaillirtes Kreuz oder Medaille hängt, auf deren einer Seite die Devise: Dem würdigsten Ackersmanne, auf der andern Seite aber die Sonne, welche auf ein in Aehren stehendes Korn=Feld scheint, neben welchem ein unbestellter Acker von einem Bauer gepflügt; für die Aernde=Königinn aber, außer der Krone, gleichfalls eine silberne Kette mit einem Kreuze, darauf die Devise; Der besten Landwirthinn, und auf der andern Seite die Göttinn Ceres mit dem Füllhorn, aus welchem einer etwas mederwärts sitzenden, und mit Melken einer Kuh beschäftigten Bäurinn, allerley Blumen und sonstiger Haushaltungs=Segen in den Schooß fällt, gewidmet werden. Anonymus: Das Erntefest, ein Vorschlag zu Abstellung der schäd­lichen Schützengilden auf dem platten Lande und Aufmunterung zur Verbesserung der Landwirthschaft. In: Hannoverisches Magazin 14 (1776). S. 529 – 552. Hier S. 529 und S. 531. Derartige Feste waren jedoch vor der Revolution nicht üb­lich. Es handelt sich um einen Entwurf, auch wenn er viele Ähn­lichkeiten zu den Landwirtschaftsfesten der Revolution aufweist.

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Behörden auszuwählen, lässt eine Anlehnung an das chinesische Vorbild vermuten. Während gemäß der Reiseberichte aus China die verdienten Bauern von den Provinzialregierungen oder vom Kaiser selbst empfangen wurden,846 erhielten die ausgezeichneten Landwirte in Paris die Einladung, gemeinsam mit den Vertretern der Departementsregierung am Bürgerbankett teilzunehmen. Beim Element des Festmahls, das Mitglieder der republikanischen Führung mit geehrten Personen des neuen Staates zusammen an einen Tisch brachte, handelte es sich um ein etabliertes Mittel aus dem monarchischen Kontext, um etwa bei Huldigungen symbolisch die Gemeinschaft zwischen dem Herrscher und den Untertanen herzustellen und gegenseitige Verpf­lichtungen des Schutzes und des Gehorsams zu bekräftigen.847 Mit dem Bürgerbankett mag neben der weiteren Auszeichnung der Bauern auch die Betonung gegenseitiger Verpf­lichtung im Sinne der Republik und der neuen Gesellschaft hinsicht­lich der Protektion der Landwirtschaft seitens der Departementsregierung und der Produktion von Nahrungsmitteln seitens der Bauern verbunden gewesen sein. Zugleich wurde durch die Landwirtschaftsfeste die Forderung der ökonomischen Bewegungen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich und im Alten Reich, Bauern nach dem chinesischen Beispiel für ihre Leistungen auszuzeichnen, realisiert und institutionalisiert. Die Republik griff damit wiederum Forderungen auf, die unter der Monarchie – etwa durch die Physiokraten – formuliert und außerhalb Frankreichs sogar durch Monarchen wie Josephs II. Nobilitierungen für landwirtschaft­liche Verdienste und den landwirtschaft­liches Engagement auszeichnenden Wasa-Orden Gustavs III. in Schweden ansatzweise realisiert worden waren. In Frankreich war ledig­lich an den Forscher Tillet der Ordre de Saint-Michel durch Ludwig XV. für die Erkenntnisse um die Weizenkrankheiten vergeben worden.848

846 Poivre, Suite des observations sur l’état de l’agriculture, S. 188. 847 Zur Bedeutung des Festmahles bei Huldigungen und Krönungsfeier­lichkeiten vgl. Holenstein, Huldigung der Untertanen. S. 472 – 480. 848 Im Hannoverischen Magazin vom 19. September 1788 erschien der Artikel Vom schwedischen Wasaorden. Hinsicht­lich der Intention des Königs, den Orden zu stiften, schrieb das Blatt: Es ist von der ersten Stunde an, da ich die Regierung angetreten habe, meine erste Bemühung gewesen, nicht zu unterlassen, was auf mich ankommen, und zur Beförderung des Aufkommens des Besten meines Reiches gereichen kan [sic!]. Unter andern Stücken ist auch das besonders mein Gegenstand gewesen, wie der Ackerbau, welcher ein der ersten und dauerhaftesten Grundpfeiler des Aufkommens und der Wohlfahrt eines Landes ist, von mir auf eine vorzüg­liche Art und Weise könnten aufgemuntert und befördert werden. Anonymus: Vom schwedischen Wasaorden. In: Hannoverisches Magazin 75 (September 1788). S. 1183 – 1209. Hier S. 1190. Im Fürstentum Lippe wurde 1792 eine Silbermedaille als Prämie für den Futterkräuteranbau verliehen. Die Medaille von 41 mm Druchmesser, im Wert von 2 1/2 Reichstalern zeigte auf der Vorderseite den Fürstenhut und das Wappen von Lippe, die Umschrift „Fürstenthum Lippe“ sowie Eichen- und Lorbeerzweige. Auf der Rückseite ist Ceres zu sehen, die sich auf einen Bienenkorb stützt. Sie hält in der linken Hand eine Sichel, in der rechten den Lorbeerkranz, der über Ackergeräte wie dem Pflug, Spaten und Sense gehalten wird. In der Umschrift wird die Inkrition der Medaille deutlich „Für verdienstvolle Leistungen.“ In einem Schreiben an die Regierung wurde Johann Simon Klöpping für die Medaille vorgeschlagen, weil er

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Auffällig ist während des dritten Landwirtschaftsfestes auch die stärkere militärische Präsenz, insbesondere die der Militärorchester. Ihre Musik verlieh den Revolutionsfesten etwas Triumphales sowie zugleich etwas Kämpferisches und sollte die Emotionen der Beteiligten rühren. Dies mag auch dazu beigetragen haben, die Bedeutung der Landwirtschaft musikalisch dramatisch-wirksamer hervorzuheben und klangtechnisch sogar zu historisieren bzw. zu antikisieren, da nach Adelheid Coy in den Militärkapellen der Revolution auch Naturhörner nach antiken Vorbildern gespielt wurden.849 In der dekorativen Ausgestaltung der Wagen und der Tribünen bzw. Tempel verschmolzen Symbole der Republik wie die Trikolore mit Arbeitsgeräten und Feldfrüchten und antiker Symbolik. Alltagsgegenstände wie ein Pflug wurden geschmückt bzw. in Gold zu emblematischen und würdevollen Gegenständen erhoben, um durch sie auf dem Fest die Würde der Landarbeit darzustellen. Vor allem mit den Staffagebauten und ihrer Nutzung (das Verbrennen von Duftstoffen) sollten antike Kultorte und Kulthandlungen nachempfunden werden und zur feier­lichen oder erhabenen Stimmung des Festes beitragen. Der dekorative Rahmen der Feier­lichkeiten wurde der Antike entlehnt und sollte die Teilnehmer und Zuschauer in vorchrist­liche Zeiten entführen, aber auch mit griechischen und römischen Tugendvorstellungen sowie dem Vaterlandsbegriff der römischen Republik belehren. In der Chronique de Paris findet sich unter dem 18. Juni 1792 ein Artikel, der die Hinwendung der Revolution zur Antike als Legitimation diskutiert: Jadis, sous le beau ciel de la Grèce, dans ses fêtes ou l’Attique célébroit sa liberté, les jeunes Athéniennes alloient solemnellement déposer, sur la tombe chère au pays, une offrande religieuse: puis aux yeux de l’enfance qui sourioit, & de la vieillesse attendrie, toutes ensembles, comme une couronne de roses, autour du monument sacré, elleschantoient leurs frères absents, leurs frères combattant pour la patrie: & la patrie émue, frémissante de joie, répétoit avec enthousiasme les noms de Marathon, de Salamine, de Platée. Beaux jours de la Grèce libre, vous renaissez donc pour nous; & nos yeux ont vu ce spectacle!850 Guébert gibt eine Stelle aus einer der Reden zu einem der Pariser Landwirtschaftsfeste an: Dans la Grèce, qu’on se plaît toujours à citer quand il est question des Arts, ou des institutions utiles, l’Agriculture était porté au plus haut point de considération. Les mystères d’Eleusis, célébrés en l’honneur de la grande Déesse, en sont une preuve irrécusable. Ils duraient neuf jours entiers; chaque jour offrait un tableau différent; le sens propre se cachait sous le voile riant de l’allégorie.851

über ungewöhnliche Kenntnisse eines Landmannes verfüge, die er sich über Lesen angeeignet und auf die „Verbesserung eines mittelmäßigen Guths“ angewendet habe. StA Detmold, D74D Nr. 26. StA Detmold, L77 A Nr. 3838, Pol. 77r. 849 Coy, Musik der Französischen Revolution, S. 51. Ambos, Claus: Mit Ritualen Emotionen steuern. In: Ders. u. a. (Hg.): Die Welt der Rituale. Von der Antike bis heute. Darmstadt 2005. S. 9 – 14. 8 50 Chronique de Paris. Nr. 171 (18. Juni 1792). S. 678. Zur Antikenrezeption durch die Republik auch Parker, Harold T.: Cult of Antiquity and the French Revolutionaries. A Study in the Development of the Revolutionary Spirit. (Diss.) Chicago 1937. S. 44f. 851 Guébert, Fête de l’agriculture, S. 7.

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Im Rahmen des ersten Landwirtschaftsfestes 1796 entstand eine kleine Gouache-­ Zeichnung von Pierre Antoine Lesueur. Es handelt sich um den weniger bekannten Bruder des Figuren- und Schmuckmalers Jean-Baptiste Lesueur (1749 – 1826). Gemeinsam hatten die Brüder über 83 kleinteilige, prorevolutionäre Gouachen gemalt, die sie auf Karton aufklebten und mit eigenhändigen Kommentaren zu den dokumentierten Geschehnissen versahen. Die Bilder sollten als visuelle Alltagschronik der Revolution verstanden werden. Sie befinden sich zu einem Großteil im Musée Carnavalet in Paris.852 Das hier abgebildete Blatt zum Landwirtschaftsfest 1796 ist jedoch Teil einer Privatsammlung (Abb. 33: Landwirtschaftsfest).853 Zu sehen ist ein Gestell, das von sechs jungen Bauern getragen wird und wie ein Tisch mit einem weißen Tuch bedeckt ist, auf dem Garben und ein Mehlsack liegen. Auf ihm thront der älteste Bauer. Flankiert wird die Szene von jungen Bäckerinnen mit Körben voller Ähren oder fertigem Brot, die an Bändern in den Nationalfarben hängen. Alle Frauen und alle Männer trugen die gleichen Farben und Kleider. In der Kleidung lag ein wichtiger Aspekt, die eigene Gesinnung, aber auch die Wurzeln der republikanischen Legitimation nach außen zu dokumentieren. So setzte sich insbesondere bäuer­liche und sch­lichte Kleidung durch. Bezüge zur Antike, wie sie bei den einheit­lich weißen Kleidern der Frauen angenommen werden kann, sollten nach Vorgaben des Malers Jacques-Louis David bewusst hergestellt werden. Darüber hinaus war es das erklärte, wenn auch nicht erreichte Ziel, dass alle wahren Republikaner gleich aussehen sollten.854 Zumindest für dem Umzug und die Präsentation der Früchte am Kybele/Ceres-Tempel waren die Begleiter und Begleiterinnen des Wagens dieser Idee von Gleichheit durch gleiche Kleidung gefolgt. Auf dem handschrift­lichen Kommentar zu dem Bild heißt es: A la fête de l’Agriculture de l’an 6. Les forts de la Halle, en habit de travail portoient sur un brancard le plus vieux d’entreux; Il étoit assis sur un sac de farine posé sur des gerbres de blé. Des jeunes filles ­fermieres et Boulangeres entouroient ce groupe portant dans des corbeilles les unes des graines et divers productions de la terre, les autres des pains. Le tout pour être offert en hommage au temple de Céres construit pour cette fête dans la grande salle des Champs-Elisées. Gemäß der Selbstdarstellung der Republik mit einer neuen, äußer­lich auf Natur und Landwirtschaft ausgerichteten Zeitrechnung, durch Symbole, Kleidung, Feste, Bilder und durch Lieder war die seit der Antike bestehende und über Jahrhunderte beklagte Entfremdung von Herrschaft und Landwirtschaft bzw. Gesellschaft und Ackerbau scheinbar erstmals wieder überwunden. Der Republik war es, so die Aussagen der unterschied­ lichen Medien, im Gegensatz zur Monarchie gelungen, an die Antike anzuknüpfen und die Landwirtschaft in den alten geachteten Status und ihre ursprüng­liche Bedeutung 852 Zur Sammlung und zu den beiden Malern vgl. Philippe de Carbonnières: Lesueur – Gouaches révolutionnaires. Collections du musée Carnavalet. Paris 2005. S. 9ff. 853 Bridgeman Art Library. Ich danke für die Erlaubnis, das Blatt abzubilden. 854 Zu bäuer­lichen Vorbildern und zur Einfachheit der Revolutionskleidung vgl. Hunt, Symbole der Macht, S. 97ff. Zu den ausladenden Hüten ibd. S. 104. Schulin, Die Französische Revolution, S. 240.

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für den Staat zurückzuführen. Auffällig ist dabei, dass bei der Planung bzw. Vorbereitung kaum wirk­lich konkrete Bezüge zu Ackerbaumythen oder historischen Personen bzw. ihrem Handeln konstruiert wurden, sondern viele Elemente wie das Verbrennen von Duftstoffen sogar eher oberfläch­lich antikisierend wirken. Im Verlauf der Feste konnten sich zwar einige Elemente wie der Umzug, die Präsentation von Ackergeräten und Feldfrüchten, Reden und Hymnen, das Pflügen sowie die Ehrung der Bauern etablieren, doch es fehlt im Grunde eine Mastererzählung, ein antiker Kult wie der von Eleusis o. Ä., der als Vorbild mit einer konkreten Aussage für eine Traditionsbildung im revolutionären Landwirtschaftskult diente. Die Wirkung und der Erfolg der Landwirtschaftsfeste blieben angesichts der Diskrepanz des geäußerten Anspruchs der Republik, für ausreichend Nahrung zu sorgen, und der Realität mit tatsäch­lich immer wiederkehrenden Hungerperioden in der Bevölkerung beschränkt. Auch innerhalb des neuen Revolutionskultes kam den Landwirtschaftsfesten neben anderen Feiern, welche die Tugenden, die Familie und die Arbeit ehrten, nur ein Platz unter vielen zu.855 Dennoch spiegelten die Feste den programmatischen Willen eines Staates wider, die Forderungen und Entwürfe zur Annäherung von Herrschaft und Landwirtschaft ernst zu nehmen. Während das Herrscherideal des ersten Landmannes zwar unter der gestürzten Monarchie in bürger­lichen und adeligen Kreisen formuliert und propagiert worden war, ging der König selbst eher restriktiv damit um. Auch in den politischen Bestrebungen und Zielen des Königs schlug es sich nach der Entlassung Turgots nicht mehr nieder. Im Gegensatz dazu setzte sich die Republik offensiv und öffent­lich sichtbar mit ihrer Stellung zur Landwirtschaft auseinander. Die kritische Anmerkung Diderots in seinem Artikel Agriculture in der Encyclopédie, dass die Erde früher ihre Früchte im Überfluss gegeben habe, weil sie das Vergnügen besessen hätte, von könig­lichen Pflügen und von fürst­lichen Händen kultiviert zu werden,856 war nun durch hohe Verwaltungsbeamte der französischen Republik end­lich wieder gewährleistet. Die Bodenkultivierung war nicht mehr nur die Angelegenheit der Bauern, sondern stellte eine Ehre und Verpf­l ichtung für die Regierenden dar. Somit hatte sich im Verlauf der Landwirtschaftsfeste eine eigene, auf antiken und chinesischen Elementen beruhende, französisch-republikanische Idee von der Verbindung zwischen Staat und Landwirtschaft herauskristallisiert.

855 Zum Fest des Höchsten Wesens vom 8. Juni 1794 und anderen Festen vgl. Schulin, Die Französische Revolution, S. 243ff. 856 Diderot, Denis: Art. „Agriculture“. In: Ders./Le Rond d’Alembert, Jean-Baptiste (Hg.): Encyclopédie, ou dictionnaire raissonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de letters. Neufchastel 1751. S. 183 – 190. Hier S. 183f.

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Abb. 1  Darstellung des Gesamtkomplexes des Ackerbautempels in Peking (Schautafel auf dem Gelände)

Abb. 2  Ackerbautempel in Peking, Zustand 2011

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Abb. 3  Marmorpodest auf dem Gelände des Ackerbautempels, Zustand 2011

Abb. 4  Nahaufnahme der Drachenmotive am Marmorpodest des Ackerbautempels in Peking, Zustand 2011

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Abb. 5  Tor zum Komplex des Kornspeichers im Ackerbautempel in Peking, Zustand 2011

Abb. 6  Wirtschaftsgebäude des Ackerbautempels in Peking, Zustand 2011

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Abb. 7  Unbekannter Künstler: Ackerbauritual des Kaisers Yongzheng (Detail: Yhonzheng ehrt den Gott des Ackerbaus). Yongzheng-Ära. Rollbild, Farbe auf Seide. 61,8 x 467,8 cm.

Abb. 8  Unbekannter Künstler: Kaiser Yong­ zheng am Pflug. Ying­ zheng-Ära. Rollbild, Farbe auf Seide, 62 x 459 cm.

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Abb. 9  Unbekannter Künstler: Kaiser Yongzheng am Pflug. Yingzheng-Ära (Detail: Kaiser Yongzheng am Pflug). Rollbild, Farbe auf Seide, 62x459 cm.

Abb. 10  Unbekannter Künstler: Der pflügende Kaiser (?) (Ploegende Keizer), um 1785/90 (Qianlong-Zeit). Glas, 52,5 x 81 cm. Entstehungsort China, wahrscheinlich Guangzhou.

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Abb. 11  Abbildung eines pflügenden Bauern.

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Abb. 12  Gemüsegarten des Kaisers Kangxi in Chengde, Zustand 2011.

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Abb. 13  Canocchi, Abbate: Frontispiz der Enzyklopädie. 1764. In: Denis Diderot; Jean Le Rond d’Alembert: Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, erschienen zwischen 1751–1782.

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Abb. 14  La Salle de l›Etang, Simon Philibert: Frontispiz und Deckblatt zu Manuel d’agriculture pour le laboureur, pour le propriétaire, et pour le gouvernement contenant les vrais & seuls moyens de faire prospérer l’agriculture, tant en France que dans tous les autres Etats où l’on cultive; avec La réfutation de la nouvelle méthode de M. Thull. Paris 1764.

Abb. 15  Rosset, Pierre Fulcrand de: Frontispiz zu L’agriculture, poème. Paris ²1774. S. 6. (1. Aufl. auch 1774).

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Abb. 16  Le Paon, Jean-Baptiste: A Prince Ploughing with Peasants Watching Him.

Abb. 17  Boizot, François-Marie-Antoine: Le Dauphin labourant. Kupferstich, 43 x 54,5 cm 1769.

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Abb. 18  Wachsmuth, Michael (?): Le Dauphin labourant. Kupferstich. Maße: 34,5 x 51,5 cm.

Abb. 19  Morize, L.: Rekonstruktion der Abbaye des Vaux de Cernay 1889.

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Abb. 20  Wachsmuth, Michael (?): Monseigneur le Dauphin chassant. Kupferstich. Maße: 34,5 x 52 cm.

Abb. 21  Lagrénee, Louis Jean François: La Moisson: Cérès enseignent lʼagri­ culture à Triptolème. Öl auf Leinwand, 1768–69.

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Abb. 22  Unbekannter Künstler: Abbildung des von Fürst Joseph Wenzel von Liechtenstein errichteten Denkmals. Kupferstich, spätes 18. Jahrhundert.

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Abb. 23  Fischer, Johann Martin: Brunnen mit Allegorie des Ackerbaus „Am Hof“ in Wien. Errichtet 1812.

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Abb. 24  Bergmüller, Johann Baptist: Majes­ tätisches Exempel, um 1769.

Abb. 25  Unbekannter Künstler: Kaiser Joseph führt den Pflug. Lithographie nach 1769, etwa um 1797. 19,5 x 25cm.

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Abb. 26  Unbekannter Künstler: Kaiser Joseph II. führt den Pflug. Lithographie 19. Jahrhundert. 15,5 x 23cm.

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Abb. 27  Hafselwander, L./Engel, H.: Kaiser Joseph II. führt den Pflug. Lithographie koloriert, 19. Jahrhundert. 29 x 23cm.

Abb. 28  Unbekannter Künstler: Hauszeichen „Zum Kaiseracker“, Kaiserstr. 25–27 in Wien, Öl auf Kupferblech.

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Abb. 29  Foto der Vorderansicht eines Figurenensembles (wohl Kaiser Joseph II. mit Bauer) auf Sockel aus vergoldetem Silber, undatiert.

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Abb. 30  Gedächtnismedaille aus Zinn mit Öse auf das einhundertjährige Jubiläum des Pflügens Josephs II. in Slavicowice 1869, unsigniert. Durchmesser 3,2 cm. Foto: Numismatik Dr. Hubertus Lanz/München.

Abb. 31  Mercier, Louis­Sébastian: Frontispiz zu L’an deux mille quatre cent quarante. Rêve s’il en fut jamais. 1786.

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Abb. 32  Unbekannter Künstler: Landwirtschaftswagen auf der Prozession am Tag des höchsten Wesens 1794. Kolorierter Kupferstich.

Abb. 33  Lesueur, P. Antoine: Landwirtschaftsfest 1796 Paris. Gouache.

5. Fazit

Im Rahmen der Untersuchung des tatsäch­lichen Verhältnisses von Herrschaft und Landwirtschaft in Europa und China haben sich signifikante Unterschiede ergeben. Zwar bestehen sowohl in Europa mit Triptolemos als auch in China mit Shennong Gründungsmythen, nach denen dem Menschen die Fähigkeit des Ackerbaus durch Heroen verliehen wurde. In der griechischen wie römischen Antike gehörte die Landwirtschaft zu den Aufgaben staat­lichen und staatskultischen Handelns. Jedoch entfremdeten sich in Europa Herrschaft und Landwirtschaft durch die Etablierung des Christentums und den Einfluss der Kirche zunehmend voneinander. Hierdurch geriet der Ackerbau aus dem Blickfeld der Monarchen und wurde von diesen als Wirkungsfeld lange Zeit vernachlässigt. Demgegenüber kam im 17. und 18. Jahrhundert der Verbindung von Herrschaft und Landwirtschaft in der öffent­lichen Selbstdarstellung der Qing-­ Kaiser wieder eine wichtige Rolle zu. Neben praktischen Elementen wie der Anlage von Getreidespeichern und der Auszeichnung verdienter Bauern besaß vor allem das jähr­liche Pflugritual eine erheb­liche Bedeutung. Durch das eigenhändige Pflügen des chinesischen Kaisers während dieses Rituals wurde die untrennbare Verbindung zwischen Herrscher und Bauern und die immense Bedeutung der Landwirtschaft für alle sichtbar kommuniziert. Gleichzeitig symbolisierte das Ritual durch seine Herleitung aus den Gründungsmythen die ungebrochene Tradition der chinesischen Herrschaft und ihrer Beziehung zur Landwirtschaft. Die Analyse der in Europa veröffent­lichten Reiseberichte aus bzw. Kompendien über China sowie des insbesondere mit dem französischen Hof geführten Schriftwechsels der Jesuiten hat gezeigt, dass von diesen ein weitgehend zutreffendes Bild vom Selbstverständnis und der öffent­lichen Selbstdarstellung des chinesischen Kaisers als Förderer der Landwirtschaft bzw. als erstem Landmann seines Reiches gezeichnet wurde. Dabei ist auffällig, dass insbesondere die jesuitischen Berichte eine rein soziale Deutung des Pflugrituals vornehmen und es damit seiner sakralen Bedeutung entkleiden. Damit verfremdeten bzw. reduzierten die Jesuiten Wissensinhalte und setzen einen Deutungsmaßstab, der weitgehend von den späteren Rezipienten übernommen wurde. Bereits in den jesuitischen Reiseberichten wird die Vorbildhaftigkeit der Landwirtschaftspolitik und der Rolle der chinesischen Kaiser für die Landwirtschaft formuliert. Dies leitet sich vor allem aus einer Übernahme der offiziellen Selbstdarstellung der chinesischen Kaiser her. Hier zeigt sich deut­lich eine selektive Wahrnehmung der Berichterstatter, die zwar Probleme wie wiederkehrende Hungersnöte nicht verschwiegen, jedoch in der Gewichtung ihrer Berichte die positiven Aspekte deut­lich überbetonten. Der Vergleich der Reiseberichte und Kompendien mit Werken von Kameralisten wie Justi und Physiokraten wie Quesnay hat ergeben, dass diese die in den Reiseberichten enthaltenen Informationen recht unkritisch, ja teilweise sogar wortwört­lich übernahmen,

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Fazit

dabei jedoch – abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Pierre Sonnerat – die von den Reiseberichten teilweise noch thematisierten negativen Elemente weglassen bzw. noch weiter in den Hintergrund drängten und so China als Vorbild propagierten. Es handelt sich hier um ein markantes Beispiel einer Modellkonstruktion im Sinne von Leibniz, Wolff und Hume mittels der Überbetonung positiver und der Zurückdrängung nega­ tiver Aspekte. Die aus China vermittelten Wissensbestände oder Kulturelemente (etwa das Motiv des pflügenden Kaisers) unterlagen dabei einem Selektionsprozess, der zwei­ stufig und mittels kreativer Aneignung, also durch Konstruktion des Aneignungs- bzw. des Transfergegenstandes geschah. Es erfolgte zunächst eine Auswahl aus dem vorhan­ denen Wissen durch die Jesuiten als Sender und danach eine Auswahl aus dem von den Reiseberichten und Kompendien bereitgestellten Wissen durch die Rezipienten, also insbesondere Physiokraten und Kameralisten.1 Dabei kam es zur formalen Übernahme fremder Kulturelemente, aber auch zu einer Umdeutung und Anpassung derselben an eigene Wissensbestände und Bedürfnisse. Es konnte insbesondere in den Kapiteln zum Kameralismus und zur Physiokratie nachgewiesen werden, dass die Erkenntnis von Ähn­lichkeiten zwischen Ideen, Gegenständen und Handlungen aus unterschied­lichen Kulturen bzw. sogar die Erkenntnis von kultureller Einheit eine wesent­liche Grundlage für die erfolgreiche Konstruktion von Modellen und Motiven darstellt. Die Ähn­lichkeit stützte nicht nur das Vertrauen in die Konstruk­tion, sondern erleichterte auch das Verständnis des Modells. Die Ähn­lichkeit schuf das Vertrauen, dass die Idee oder das Motiv aus dem fremden Kulturkreis mit ähn­lichen Werten besetzt und somit nicht nur als Modell taug­lich, sondern auch konform zum eigenen Verständnis oder Bedürfnis ist. Physiokraten und Kameralisten übernahmen auch die Deutungsmuster der Reiseberichte und Kompendien weitgehend. Dies gilt sowohl für die ausschließ­lich soziale Deutung des Pflugrituals als auch für die Vorbildhaftigkeit Chinas in Bezug auf die Rolle des Herrschers für die Landwirtschaft. In der Arbeit wurde damit nachgewiesen, dass der Transfer des Wissens um die Landwirtschaft und ihre politische und gesellschaft­ liche Rolle aus Qing-China zwar selektiv und reduziert, aber durch die Integration in aktuelle Debatten oder existierende Wissensbestände als Argument oder Orientierungsmaßstab grundsätz­lich erfolgreich verlief. Nach der Medienanalyse bedeutet dies: Wie die Nachrichten von den Jesuiten und anderen Reiseberichterstattern encodiert waren, so wurden sie im Wesent­lichen decodiert. Die Einordnung der Jesuiten wurde durch die Kameralisten und Physiokraten akzeptiert und reproduziert, wenn auch nicht ganz ohne interessengeleitete Modifikation. Da sie einen Diskurs mit bestimmten Argumenten bereichern wollten, war eine kritisch-selektive Auseinandersetzung mit den Informationen von Anfang an intendiert.

1 Espagne, Michel: Die Rolle der Mittler im Kulturtransfer. In: Lüsebrink, Hans Jürgen/Reichardt, Rolf (Hg.): Kulturtransfer im Epochenumbruch Frankreich – Deutschland 1770 – 1815. Leipzig 1997. S. 309 – 330.

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Abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten setzen Physiokraten und Kameralisten in ihrer jeweiligen Argumentation für eine Verbesserung der Landwirtschaft auf Basis des chinesischen Vorbildes durchaus unterschied­liche Akzente: Den Kameralisten und besonders Johann Heinrich Gottlob von Justi ging es in erster Linie um die Anregung praktischer Maßnahmen der Obrigkeit zur Verbesserung der Landwirtschaft, deren Realisierbarkeit sie durch das chinesische Beispiel stützen. In dem von ihnen gezeichneten Bild einer ökonomisierten Gesellschaft, geprägt durch die Arbeit aller Stände im Interesse der allgemeinen Glückseligkeit, stellt sich der Herrscher als Initiator von Reformen dar. Erreicht werden sollte eine auf den Gesetzen beruhende gemäßigte Herrschaft, in der Landwirtschaft eine wichtige, keinesfalls aber die alles dominierende Rolle spielen sollte. Landwirtschaft musste nach Justi aber unbedingt in staat­liches beziehungsweise fürst­liches Handeln reintegriert werden. Das Pflugritual spielt in der Argumentation und der Vermittlungsstrategie der Kameralisten keine so große Rolle wie bei den Physiokraten. Demgegenüber war das Bestreben der Physiokraten auf die Entwicklung einer von der Landwirtschaft geprägten Gesellschaft in Frankreich, einer Nation agricole gerichtet, welcher der König vorstehen sollte. Dem König wurde damit – auch wenn der Terminus nicht explizit verwendet wird – in deut­lich stärkerem Maße die Rolle eines „ersten Landmannes im Staat“ zugewiesen. In ihrer Vermittlungsstrategie gingen die Physiokraten deut­lich weiter als die Kameralisten. Während Letztere sich auf die Verbreitung ihrer Denkschriften beschränkten, versuchten die Physiokraten – begünstigt durch den persön­lichen Zugang Quesnays – aktiv, das Königshaus für ihre Ideen zu gewinnen und durch die propagandistische Überbetonung des Pflügens durch den Dauphin an die Spitze der physiokratischen Bewegung zu stellen. Erfolgreich waren diese Bemühungen allenfalls temporär. Zwar gelang es den Physiokraten, der Öffent­lichkeit über das Pflügen des Dauphin ihre Herrschaftsauffassung zu vermitteln. Auffällig ist in diesem Zusammenhang aber, dass das zum Vorbild genommene Pflugritual des chine­ sischen Kaisers in der öffent­lichen Wahrnehmung nur eine geringe Rolle spielte und stattdessen eher die Person des Dauphin selbst sowie antike Vorbilder – z. B. der pflügende Dauphin als so genannter nouveau Triptolème 2 – im Vordergrund standen. Die öffent­liche Wirkung dieses Ereignisses war jedoch nicht nachhaltig. Spätestens mit der Französischen Revolution gerieten die Lehren der Physiokraten in den Hintergrund. Soweit im Rahmen von Landwirtschaftsfesten nach der Revolution physiokratische Elemente aufgegriffen wurden, geschah dies ohne ausdrück­liche Bezugnahme auf die Physiokratie oder gar das von dieser propagierte chinesische Vorbild. Der roi paysan blieb Wunsch- und Idealvorstellung der Physiokraten und in Teilen der Öffent­lichkeit. Im Alten Reich dagegen ist ein Erfolg insbesondere in Bezug auf das Haus Habsburg nachweisbar. Kaiser Josephs II. politisches Handeln entsprach in vielen Bereichen den

2 Stich von Boizot, Le Dauphin labourant. Bildunterschrift. Vgl. Kap. 4.2.4 in diesem Buch.

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Vorstellungen der Kameralistik und der Physiokratie und ging teilweise sogar darüber hinaus, ohne dass dabei eine direkte Vermittlung der Physiokraten oder Kameralisten eine Rolle spielte. Nicht der Kaiser selbst, aber seine Mutter als Chefin des Hauses wie auch die Stände und die Bauern brachten seine landwirtschaft­lichen Reformbestrebungen und seine Ansätze zur Befreiung des Bauerntums mit der von den Physiokraten in Anlehnung an den chinesischen Kaiser propagierten Herrschaftsauffassung in Zusammenhang, so dass das Bild des Imperator arans Joseph II. schon zu Lebzeiten als Bauernkaiser stilisierte. Trotzdem zeigt die vorliegende Studie eher die Grenzen für eine erfolgreiche Vermittlung oder gar Etablierung der neuen Herrschaftsauffassung im Kontext der Aufklärung auf. Während es im Hause Habsburg offensicht­lich mühelos mög­lich war, den splendor des Hauses mit dem Aspekt des eigenhändig arbeitenden, sich zu Bauern herablassenden und die Landwirtschaft fördernden Monarchen zu schmücken und so die Metaphorik der Repräsentation zu erweitern, gelang dies in Frankreich nicht oder nur in einem weniger offiziellen Rahmen wie dem Trianon. Für die deutsche Herrschaftsauffassung mag dies leichter gewesen sein, weil wesent­liche ökonomische Grundlagen dieser Herrschaftsauffassung und des Pf­lichtenkanons bereits in der eigenen Tradition der alten Ökonomik des Hauses verankert waren und nur eine Modifikation und Anpassung an zeitgenössisch aktuelle Bedingungen und Notwendigkeiten erfolgen musste. Zudem war in den Territorien des Alten Reiches wie auch im Haus Habsburg die Vorstellung vom Fürsten als Menschen und als Organ des Staates, der seine Macht und seine herrscher­lichen Rechte zu dessen Wohl einzusetzen hatte, bekannt und verankert. Als oberstem bzw. erstem Beamten und Diener des Staates wurden vom Fürsten wie von jedem anderen Staatsbeamten auch Effizienz in der Ausübung des Amtes und die Erfüllung seiner Dienstpf­licht erwartet.3 Doch weder der Dienstgedanke noch die altökonomische Verankerung der Herrschaft gehörten zu den Traditionen des französischen Königshauses. Zwar hatte Heinrich IV. sein Augenmerk stark auf die Landwirtschaft gerichtet 4 und sein Minister Sully die Zukunft Frankreichs eng an

3 Klueting, Harm: Der aufgeklärte Fürst. In: Weber, Wolfgang (Hg.): Der Fürst. Ideen und Wirk­ lichkeiten in der europäischen Geschichte. Köln/Weimar/Wien 1998. S. 137 – 168. Hier S. 144ff. Zum Staatsdienst und der Beamtenethik im 18. Jahrhundert vgl. Hattenhauer, Hans: Geschichte des deutschen Beamtentums. Köln u. a. 1993. 2. Aufl., Bd. 1. S. 165 – 173. Vgl. dazu auch Stiening, Gideon: Kants Begriff des öffent­lichen Amtes, oder: „Staatsverwaltung“ zwischen Aufklärung und Rechtsstaat­lichkeit. In: Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte 19 (2007). S. 141 – 170. Hier S. 145ff. 4 Hinrichs, Ernst: Fürstenlehre und politisches Handeln im Frankreich Heinrichs IV. Untersuchungen über die politischen Denk- und Handlungsformen im Späthumanismus. Göttingen 1969. S. 180. Heinrich IV. hatte in einer Rede an seine Räte die Bauern als wesent­liche ökonomische Grundlage Frankreichs erkannt und administrative Veränderungen und finanzielle Entlastung zur Hebung des Bauernstandes angekündigt. Becherer, Agnes: Das Bild Heinrichs IV. (Henri Quatre) in der französischen Versepik (1593 – 1613). (Diss.) Tübingen 1994. S. 384.

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die Landwirtschaft geknüpft (Labourage et le pasturage estoyent les deux mamelles dont la France estoit alimentée),5 doch Heinrichs Beispiel fand keine Fortsetzung durch die nachfolgenden Herrschergenerationen auf dem französischen Thron. Die Öffent­ lichkeit trug Ludwig XVI. schon als Dauphin auf der Bildunterschrift zu Wachsmuths Stich Monseigneur le Dauphin chassant und später insbesondere zum Regierungsantritt sowie zwischen 1789 und 1793 an, Heinrich IV. als bon roi zu folgen.6 Doch weder das im eigenen Haus zur Verfügung stehende noch das antike oder das chinesische Beispiel zeigten Wirkung. Während sich Joseph II. als ein Monarch erwies, der Veränderungen im Herrschaftskonzept und einen Reformprozess von Monarchie und Gesellschaft nicht scheute, folgte Ludwig XVI. der Aufforderung zur strukturellen Transformation der bestehenden Monarchie und Ständegesellschaft nicht. Im Hinblick auf die rezipierten Modelle hat sich im Verlauf der Untersuchungen gezeigt, dass die Antike und China von Physiokraten und Kameralisten nicht als gleichrangige und gleichwertige Modelle herangezogen wurden. Die Gewichtung war vielmehr unterschied­lich verteilt: China diente als Vorbild bei der Darstellung der Notwendigkeit einer neuen Herrschaftsauffassung und der Bedeutung der Landwirtschaft für Staat und Gesellschaft. Die symbolische Wirkung des Pflügens diente insbesondere der Visualisierung und Vermittlung der neuen Herrschaftsauf­fassung. Antike Bezüge lösten aber die inhalt­lichen Verknüpfungen zum chinesischen Kaiser am Pflug als Motiv immer dann wieder ab, wenn das tatsäch­liche Handeln europäischer Monarchen bewertet oder interpretiert werden musste. Gleiches gilt für Merciers Zukunftsentwurf von Paris oder die antikisierende Ausgestaltung der republikanischen Landwirtschaftsfeste während der Revolutionszeit. Es wurde dann auf die Bezugnahme zu China verzichtet und bevorzugt an die eigene kulturelle Vergangenheit angeknüpft. Damit gelang es, eine historische Kontinuität zur zeitgenössischen Gegenwart herzustellen. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Transfer von Wissen und die Konstruktion eines Exempels oder Modells als Strategie bestimmter Akteursgruppen wie vom Kameralisten Johann Heinrich Gottlob Justi, den Physiokraten Quesnay und Du Pont, einzelnen Würdenträgern der Krone wie Bertin, von Autoren utopischer Staatsentwürfe wie Mercier und Wieland und den planenden Personen der Landwirtschaftsfeste in der französischen Republik zur Vermittlung ihrer Auffassungen und zur Kritik an der bestehenden Herrschaft gezielt genutzt wurde. Die vorliegende Studie hat auch die Bedingungen für den Umgang mit Ideen und für die Nutzung von Ideen oder Motiven – etwa durch eine Wertzuweisung an das Motiv des pflügenden Kaisers – aufgezeigt. Die Wertzuweisung führte dazu, dass bereits die Jesuiten und in deren Nachfolge die

5 Sully, Maximilien de Béthune duc de: Les œconomies royales de Sully. Bd. 2: 1595 – 1599. Hg. v. David Buisseret (Publications de la société de l’histoire de France, Bd. 499). Paris 1988. S. 257. 6 Clavilier, Cérès et le laboureur, S. 77ff.

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Physiokraten mit ihrer Vermittlungsstrategie die Deutungshoheit über das Motiv des pflügenden Kaisers in Frankreich gewonnen hatten. Die Untersuchung hat darüber hinaus in Bezug auf die Physiokraten die engen Verflechtungen des Akteursnetzwerks verdeut­licht und damit auf verschiedenen Ebenen gezeigt, wie durch persön­liche Beziehungen zwischen den Jesuiten und einzelnen Ministern der französischen Krone wie etwa Bertin oder Turgot konkretes Wissen leichter erfragt und direkter zur Verfügung gestellt oder durch den Zugang der Physiokraten zu König Ludwig XV. und dem Dauphin die Modellkonstruktion vom Herrscher als Landmann zielgerichteter vermittelt werden konnten. Im Hinblick auf die eingangs vertretene These einer angestrebten Vergemeinschaftung zwischen den Ständen lässt sich festhalten, dass eine solche gefühls­mäßige Iden­tifikation zwischen Herrscher und Bauern nicht nur aus den chinesischen Reiseberichten herausgelesen, sondern auch durch die Beschreibung der Pflugszene des ­Dauphin durch Quesnay ebenso initiiert wie durch die Öffent­lichkeit in das eigenhändige Pflügen Josephs II . hineininterpretiert wurde. Im performativen Akt des jähr­lichen Pflug­rituals des chinesischen Kaisers zeigte sich Vergemeinschaftung durch Ausübung derselben Arbeit. Durch das Ritual wurde die Gemeinschaft immer wieder aufs Neue gestiftet und visualisiert. Während diesem Akt aber durch regel­ mäßige Wiederholung Dauer und Nachhaltigkeit beschieden war, blieb die Ver­ gemeinschaftung zwischen dem künftigen Ludwig XVI . und Joseph II . einerseits und ihren bäuer­lichen Untertanen andererseits nur medial in den Text- und Bildzeugnissen bestehen, die den Akt dokumentierten und deuteten. Die Vergemeinschaftung war, so lautet ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung, ein Produkt der Propaganda und der Vermittlungsstrategien unterschied­licher Akteure sowie ein Produkt der öffent­lichen Erinnerung. Eine echte Vergemeinschaftung mit dauerhafter Sichtbarkeit und nachhaltiger Wirkung, die in die funktionale ökonomische Gemeinschaft aller Stände mündete, blieb dagegen aus. Die Hebung des Bauerntums im Ansehen und Reintegration des Adels in die Verantwort­lichkeit des landwirtschaft­lichen Nahrungsproduktionsprozesses waren in Frankreich im Alten Reich ledig­lich zu einem Teil des öffent­lichen D ­ iskurses avanciert, jedoch nur vereinzelt Gegenstand politischer Realisierung. Gerade in diesem öffent­lichen Diskurs verbreitete sich aber das von den Physiokraten initiierte Leitbild des pflügenden, selbst landwirtschaft­lich arbeitenden Monarchen. Damit war im Sinne der zu Beginn in dieser Arbeit angedachten Integrationstheorie ein erstes wichtiges Ergebnis des ständischen Integrationsprozesses erreicht: die Grundlage der geistigen Erneuerung. Doch von einem gemeinsamen oder allgemeinen Leitbild konnte noch längst nicht gesprochen werden. Erst in den zukünftigen Staatsent­würfen Merciers und Wielands wurde dies erreicht und prägte das herrscher­liche bzw. gesellschaft­liche Handeln. Somit wurde auch die Funktionsfähigkeit einer neuen, auf Vergemeinschaftung basierenden Gesellschaft in den diskutierten Staatsentwürfen, insbesondere bei Mercier, umso stärker betont und damit als nach wie vor wichtiges, zukünftiges Ziel propagiert.

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Demgegenüber hat sich die eingangs vertretene These, dass der Transfer einer Idee im Rahmen des Migrationsprozesses gleichzeitig auch mit deren Transformation verbunden ist, bestätigt. Deut­lich wird dies an der unterschied­lichen Wahrnehmung des pflügenden Herrschers: Während dieser im „Original“ in China seine Verbindung zur Landwirtschaft im Rahmen eines sakralen Rituals bekundet, wurde das Pflügen des Dauphin und Josephs II. in Europa ausschließ­lich als ein sozialer Akt der Hinwendung zu den Bauern und zur Landwirtschaft gesehen. Damit unterliegt dieselbe Handlung eines Herrschers – das Pflügen – einem gewandelten Deutungsmuster. Die neuer­liche Transformation in eine kultische Handlung anläss­lich der Landwirtschaftsfeste nach der Französischen Revolution wiederum bedient sich in einzelnen Bestandteilen des chinesischen Beispiels, ohne es jedoch zu thematisieren.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Bildnachweis 1 – 6, 12 Foto: Dr. Susan Richter 7 Museum der Verbotenen Stadt, Peking. Inv. Nr. 121 320 8, 9 Musée Guimet, Paris. Inv. Nr. MG 21449 10 Museum Volkenkunde, Leiden, Niederlande. Inv. Nr. 360 – 1113. (Teil einer 19-teiligen Sammlung von Glasbildern) 11 Kangxiyuzhigengzhitu, Reprint Peking 2006, S. 10 13 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur Graph. Res. D: 44 14 Online unter: http://img.zvab.com/member/n7394h/4614932.jpg, (gesehen am 21.10.2012). 16 Crocker Art Museum, Sacramento (USA), Inv. no. 1871.448 17 Bibliothèque nationale de France, Paris. Estampes, Qb-1 (1769) 18 Signatur: Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE QB-370 (2)-FT 4 19 Aubert, Marcel M.: L’Abbaye des Vaux de Cernay. Paris 1931. S. 7 20 Bibliothèque nationale de France, département Estampes et photographie, RESERVE QB-370 (2)-FT 4 21 Musée national des châteaux de Versailles et de Trianon

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22 Wien Museum, Inv. Nr. HMW 220109 23 Telesko, Geschichtsraum Österreich, S. 70 24 Staat­liche Graphische Sammlung Albertina, Wien, Signatur Hist. Bl. VIII 25 Wien Museum, Signatur HMW 84393 26 Wien Museum, Signatur HMW 84395 27 Wien Museum, Signatur 84396. Beilage zu Graf, Rainer: Die Entstehung der österreichischen Monarchie. Übersicht­lich dargestellt. Klagenfurt 1852. 28 Wien Museum, Signatur HMW 84397 29 Österreichisches Staatsarchiv, Signatur AT-OeStA/HHStA SB Nl Schaller 2a 30 Privatbesitz Susan Richter 31 Musée Carnavalet, Paris, Inventarnummer 3999 32, 33 Private Collection Giraudon, Bridgeman Art Library

Personenverzeichnis

Abbt, Thomas  268, 269, 279, 280 Aeneas  68, 270 Alembert, Jean-Baptiste le Rond d’  303, 307, 315, 464, 472 Alexander der Große  58, 59, 63, 66, 67, 270, 272, 339, 368 Amalberga, Heilige  80 Amiot, Jean-Joseph-Marie  134, 135, 137, 154, 159, 174, 180, 182, 183, 194 Anson, George  293 Antoninus Pius  68 Aristoteles  60, 127, 219, 220, 228 Augustus/Octavian  65 – 67, 69, 70, 80 Bacon, Francis  136, 150, 320 Bahr, Florian  131, 172 Ban Gu  101 Baosi 205 Baudeau, Nicolas  286, 287, 304, 305, 339, 348, 353, 354 Bayle, Pierre  268, 296 Becher, Johann Joachim  31, 37, 212, 215, 236, 237, 246, 247, Beck, Christian August  387 Belle-Isle, Charles Louis Auguste Fouquet de 307 Bénézech, Pierre  449 Benoit, Michel  134 Berger, Willy Richard  34, 38, 324, 337, 435 Bergmüller, Johann Baptist  400, 401, 479 Bernstorff, Johann Hartwig Ernst von  216 Bertin, Henri-Léonard Jean Baptiste  154, 159, 180 – 184, 194, 195, 198, 203, 209, 287, 307, 308, 341 – 343, 410, 411, 489, 490 Bielfeld, Jacob Friedrich de  226, 270 Bilfinger, Georg Bernhard  277 Blümegen, Heinrich Kajetan von  392 Bodin, Jean  148 Boisguilbert, Pierre de  295

Boizot, François-Marie-Antoine  Impressum, 365 – 372, 375, 376, 379, 381, 383, 401, 402, 474, 487 Bourbon, Louis Ferdinand de  337, 344 – 347, 352, 358, 368, 375, 380, 382 Bourbon, Louis-Joseph de, prince de Condé  287, 356 Bourdon-Badoire  452 – 454 Bourgeois, François  134, 135, 183 Bouvet, Joachim  132, 148, 154, 163, 164, 175 Brendecke, Arndt  300, 301 Buquoy, Georg von  15 Bürger, Georg August  11, 375 Cantillon, Richard  291 Careri, Giovanni Francesco Gemelli  293 Castiglione, Giuseppe  198 Cato, Marcus Porcius  61, 64, 69, 387 Ceres  55, 59, 63 – 70, 205, 206, 303, 340, 343, 359, 366, 368, 369, 379 – 381, 452, 460, 461, 463, 476 Chin tsong [vermutlich Shenzong]  178 Cibot, Pierre-Martial  99, 133, 137, 159, 160, 180, 182, 193 – 195, 197, 198 Cicero, Marcus Tullius  61, 64, 156, 160, 163, 165, 183, 272 Cincinnatus, Lucius Quinctius  61 – 63, 339, 397, 422, 434, 435, 458 Claudius  62, 67, 68, 369 Clovis/Chlodwigs  77, 78 Columella, Lucius Iunius Moderatus  64, 69, 71 Comenius, Johann Amos  265, 281 Contancin, Cyr  132, 189 – 191, 265, 344 Cordier de Saint-Firmin, Edmond  344, 345 Couplet, Philippe  108, 132, 142, 152, 153, 161, 162, 164, 232 Coy, Adelheid  455, 459, 462 Creel, Herlee  35, 206, 297 Cyrus 364 D’Entrecolles, François-Xavier  152, 188, 199, 200, 225

566 Darnton, Robert  27, 303, 306, 412, 415 David, Jacques-Louis  463 De la Mothe le Vayer, François  267, 296, 363, 364 Dedner, Burghard  432, 441, 442 Demeter  54 – 59, 66, 206, 381, 439 Diderot, Denis  302, 303, 307, 315, 343, 365, 464, 472 Diodor 54 Domaldi 72 Drouais, François-Hubert  361 Du Halde, Jean-Baptiste  30, 46, 129 – 132, 141, 143, 152, 158, 159, 161, 162, 164 – 169, 171, 172, 174 – 179, 183, 184, 188 – 192, 199 – 205, 207 – 209, 222 – 225, 234 – 236, 240, 253 – 255, 262 – 266, 274 – 277, 282 – 284, 293, 294, 299, 303, 412, 420, 422, 428, 429, 436, 438, 452 Du Pont de Nemours, Pierre Samuel  31, 138, 287, 348, 349 Du Rouzeau, Thomas-Maurice  380, 381 Dubos, Jean-Baptiste  335, 336, 369 Dupuy-Demportes, Jean-Baptiste  31, 287, 338 – 340 Durkheim, Emile  20, 24, 271 Eberhard, Johann August  279 Echetlaeus  59, 60 Eckeberg, Carl Gustav  144, 192 Elisa 52 Fabre, Philippe-François-Nazaire  448 Faustina 68 Fischer, Andreas  431 Fischer, Johann Martin  400, 478 Fleury, Abbé  366, 367 Fohrmann, Jürgen  415, 429, 431 – 434, 438 Franz Stephan, Kaiser  389 Franz Joseph  388 Friedrich II. (Kurfürst von Brandenburg, König in/von Preußen)  222, 373, 434 Friedrich II. (Kaiser HRR)  79 Fugger-Wellenburg, Maria-Theresia von  131, 172 Fuxi, Erhabener  86, 162, 163, 293 Gabriel, Ange-Jacques  342 Galiani, Ferdinando  311 Gallois, Abbé  342 Gaubil, Antoine  175

Personenverzeichnis Georg III., König von England  47, 48 Gerteis, Klaus  37, 289, 305, 308, 333, 356 Gournay, Vincent de  287, 312 Goutte, Pierre-Henri  297, 304, 348, 349, 355 Goyon de la Plombanie, Henri  416 Grebillon, Jean-François  132 Greuze, Jean-Baptiste  365, 404 Guangxu-Kaiser  107, 114 Gustav III., König von Schweden  384 Hákon der Gute  73 Hálfdan svarti (Hálfdan der Schwarze), König 73 Hall, Stuart  25, 26, 28, 199, 382 Hamann, Johann Georg  310 Han Wudi, Kaiser der Han-Dynastie  87, 90 Heinrich IV., König von Frankreich  339, 364, 370, 375, 379, 382, 488, 489 Heinrich IV., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 74 Helman, Isidore Stanislas  184, 198 Henriquez, Benoît Louis  421 Herder, Johann Gottfried  310, 312, 430 Hermes Trismegistos  163 Hesiod  55, 60 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz von  215, 361 Hobbes, Thomas  281, 282, 290 Hohberg, Wolf Helmhardt von  213, 214, 218, 377 Homer  54, 55, 364 Hongwu, Kaiser von China  83, 108 Horn, Georg  163 Hume, David  31, 247 – 249, 281, 282, 286, 290, 333, 334, 486 Ides, Ysbrant  293 Isidor von Sevilla  74, 80 Jakob I., König von England, Schottland, Irland 145 Jefferson, Thomas  49 Jesus  52, 53, 163, 445 Jiao Bingzhen  104 Joseph II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  45, 386, 387, 389, 393, 394, 396, 399, 401 – 403, 409, 410, 429, 434, 437, 480 – 482, 488 – 490

Personenverzeichnis Justi, Johann Heinrich Gottlob von  31, 32, 36, 37, 45, 211, 212, 216 – 227, 232, 234 – 269-286, 293, 309, 333, 334, 387, 389, 408, 428, 434, 436, 485, 487, 489 Kangxi, Kaiser von China  29, 30, 43, 81, 83, 90, 102 – 107, 110 – 112, 114, 115, 119 – 122, 132, 143, 151, 154, 159, 168, 169, 173, 175, 178, 202, 208, 299, 331, 471 Karl Friedrich, Markgraf von Baden  302, 348, 349, 390, 391, Karl Ludwig von der Pfalz, Kurfürst  20 Karoline Luise, Markgräfin von Baden  361, 390 Kartos, Jan  386 Kaunitz-Rietberg, Wenzel Anton von  399, 404 Keleus, König  55 King ti [ Jingdi]  177 Kleopatra VII., Königin von Ägypten  66 Knox, Henry  49 Ko, Aloys/Louis  135, 140, 159, 180, 181 Konfuzius  87, 115, 116, 120, 142, 156, 274, 295, 296 Konrad III.  75 Kore (Persephone)  54, 56 La Salle de l‹Etang, Simon Philibert  31, 287, 330 – 332, 473 La Vauguyon, Antoine de Quelen, duc de  353, 358, 360, 367 La Vauguyon, Paul François de Quelen, duc de 353 Lagrenée, Louis Jean François  343, 379, 380, 476 Lange, Laurent  293 Le Boyer de Fontenelle, Bernard  320 Le Chéron d‹Incarville, Pierre Noël  133 Le Comte, Louis  126, 132, 157, 158, 160, 161, 234, 236, 293 Le Gobien, Charles  30, 129, 171, 172, 179, 188 – 190, 200, 265 Le Mercier de la Rivière, Paul Pierre  287, 304 Le Paon, Jean-Baptiste  356, 357, 474 Le Prestre de Vauban, Sébastien  170 Le Trosne, Guillaume François  287 Leibniz, Gottfried Wilhelm  20, 219, 235, 238, 248, 261, 277, 283 – 286, 432, 486 Leopold, Großherzog der Toskana  384 Leopoldt, Johann Georg  214, 215

567 Lesueur, Jean-Baptiste  463 Lesueur, Pierre Antoine  463, 484 Leszczynski, Stanislas  287, 362, 370 Liechtenstein, Johann Wenzel von  395, 396, 398, 400, 405, 477 Lipsius, Justus  163, 225 Livia Drusila  67, 68 Livius, Titus  61, 62 Locke, John  282, 290, 336 Loutherbourg, Philippe Jacques de  365 Ludwig XIV., König  78, 79, 135, 148, 154, 242, 287, 301, 339, 360, 363, 368, 427, 431, 438 Ludwig XV., König  38, 135, 287, 306, 309, 337 – 341, 343, 344, 347, 352, 359, 362, 367, 373, 379, 380, 383, 416, 431, 438, 461, 490 Ludwig XVI. (Louis Auguste de Bourbon), König  32, 38, 45, 288, 308, 309, 337, 339, 346, 357, 360, 362, 367, 377, 384, 410, 443, 444, 489, 490 Luhmann, Niklas  271, 428 Madison, James  49 Malassise 345 Marcus Antonius  66 – 68 Margaretha, Heilige  80 Maria de‘ Medici, Königin von Frankreich  39 Maria Theresia, Königin von Böhmen und Ungarn, Erzherzogin von Österreich  378, 392, 395, 396, 398, Marie Antoinette, Königin  39, 287, 370, 377, 378, 380, 384, 385 Marie Thérèse, Tochter König Ludwigs XVI.  184 Marksvid, Äbtissin  76 Martini, Martino  132, 161, 162, 164 Maulbertsch, Franz Anton  403 – 407 Maverick, Lewis  37, 138, 140, 199, 224, 294, 295, 299, 357 Mechurová, Marcela  39, 393, 395 – 398, 402 Meek, Ronald  302 Mehler, Johann  409, 410 Menzius  29, 111 – 113, 146, 169, 206, 266 Mercier, Louis-Sébastian  24, 32, 46, 411 – 422426, 428, 431, 432, 435, 437, 441 – 443, 483, 489, 490,

568 Mirabeau, Victor de Riqueti Marquis de  31, 286, 287, 290, 296, 298, 305, 308, 327 – 329, 331, 348, 354, 459 Molina, Luis de  150 Monroe, James  49 Montaigne, Michel de  296 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, Baron de  33, 139, 207, 220, 221, 225, 226, 235, 238, 251, 253, 260, 261, 265, 276, 279, 290, 297, 313, 414 Müller, Rainer  300, 433 Navarrete, Domingo Fernandez  293 Nero, Kaiser  184, 272 Newton, Isaac  257, 281 Noël, François  132, 142, 145, 146, 156, 157, 169, 232, 294 Osbeck, Pehr (Peter)  143, 144, 168, 172, 173, 180, 202, 203, 223 Osborne, Carol M.  357 Osias, König von Juda  363 Osiris/Horus  58, 303 Oudry, Jean-Baptiste  346 Ovid  55, 59 Parrenin, Dominique  171, 172, 179, 180 Paulus, Apostel  79 Peyre, Marie Joseph  449 Plessis d’Argentré, Louis II Charles du  372 Plinius d.Ä.  55, 64, 302, 458 Poivre, Pierre  37, 138 – 140, 142, 159, 168 – 170, 180, 192, 202, 203, 287, 293, 308, 343, 461 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, Marquise de  287, 295, 306 – 308, 328, 330, 337, 338, 345, 352 Poulin de Fleins  365, 366, 368, 369 Prémare, Joseph Henri de  163, 171, 173, 175, 436 Premysl  397, 398 Prévost, Benoît-Louis  331 Proyart, Liévin-Bonaventure  346, 375 Psammitichus  267 – 269, 272, 279 Qianlong, Kaiser von China  29, 41, 43, 81, 83, 84, 90, 91, 94, 99 – 102, 105, 106, 108, 110, 112, 119, 131, 133, 134, 151, 154, 173, 174, 180, 193 – 195, 208, 430, 469 Quesnay, François  31, 180, 286, 287, 289 – 299, 302, 304, 306 – 308, 312, 316, 318, 328, 329,

Personenverzeichnis 332 – 334, 337, 351 – 357, 373, 374, 382, 389, 459, 460, 485, 489, 490 Raffles, Sir Stamford  114 Regulus, C. Atilius  62 Richard, Antoine  342 Richelieu, Armand-Jean du Plessus, duc de  296, 339 Ripa, Cesare  406 Robespierre, Maximilien de  449 Rohan-Guéméné, Louis René Édouard de  377 Rohr, Julius Bernhard von  14, 15, 185 Rolenvinck, Werner  213 Rosset, Pierre Fulcrand de  343, 344, 473 Roucher, Jean-Antoine  386 Rousseau, Jean-Jacques  414 – 416, 422, 425, 426, 434, 442, 459 Rousselot de Surgy, Jacques Philibert  294, 295, 298, 332 Saage, Richard  40, 46, 411, 415, 416, 424, 425, 439 Sachsen-Weimar, Anna Amalia von, Herzogin 429 Salignac de La Mothe-Fénelon, François de  267, 359 Scheibe, Benedikt  272, 275 Schlaffer, Heinz  314 Schmidt, Georg  12, 16, 17, 218, 383 Schrattenbach, Franz Anton Xaver von  392 Schreber, Johann Christian Daniel  144 Schubart, Johann Christian  218, 389 Schwabe, Johann Joachim  132, 133, 223, 224 Servière, Grollier de  291 Shennong  85 – 87, 92, 93, 95, 98, 101, 102, 106, 162, 163, 166, 193, 195, 262, 263, 289, 295, 309, 319, 485 Shun, Kaiser von China  87, 89, 106, 162, 167, 262, 263, 274, 435 Silhouettes, Étienne de  188, 189, 200, 224, 266 Smith, Adam  212, 248, 257, 292 Sonnerat, Pierre  141, 142, 205, 206, 486 Souciet, Étienne  189, 190, 265, 344 Steadman, David W.  357 Stephanus, Heiliger  74 Stisser, Friedrich Ulrich  214

Personenverzeichnis Stöcklein, Joseph  30, 130, 131, 150, 170 – 173, 179, 188, 200, 225 Suárez, Francisco  44, 145 – 148, 150, 156, 206, 236 Tai-tsu, Kaiser  430 Taizong, Kaiser  222, 235, 236, 253, 275, 420 Tao Yuanming  118 Tchin kié [vermutlich Wang Anshi]  178 Thamer, Hans-Ulrich  443, 444 Thomas, Antoine  173 Tibull 64 Tillet, Mathieu  340 – 342, 344, 461 Triptolemos, mythischer König  29, 54 – 60, 63, 64, 66 – 70, 80, 302, 303, 331, 359, 360, 365, 368 – 370, 379 – 382, 385, 402, 439, 452, 458, 485 Trnka, Andreas  386, 393 Turbilly, Louis-François-Henri, Marquis de  341 – 343 Turgot, Anne Robert Jacques  31, 135, 180, 287, 301, 302, 308, 311, 312, 314, 315, 317, 318, 321, 322, 324, 339, 372, 410, 411, 413, 426, 445, 464, 490 Turgot, Etienne-François  342, 343 Tryggvason, Olaf  73 Usija von Judäa, König  53 Vaccaro, Domenico Antonio  315 Varro  57, 60, 61, 63 – 65, 69, 71, 387 Ven ti [Han Wendi]  93, 167, 168, 175 – 177, 198, 263 Vergilius Maro, Publius  61, 64, 68, 69, 270 Vico, Giambattista  31, 309 – 323, 334, 335, 355, 405, 406 Vogl, Joseph  211, 238, 285 Voltaire  32, 33, 290, 312, 344, 380, 438, 459

569 Wachsmuth, Jeremias  371, 372 Wachsmuth, Martin  370 – 372 Wachsmuth, Michael  370 – 377, 379, 401, 475, 476, 489 Waldemar I., König  74 Walter, Joannes  172, 173 Wang Fu, Philosoph  29, 115, 116, 176 Wang Jipei, Gelehrter  116 Wanli-Kaiser 178 Washington, George  49 Wen von Guo, Herzog  92 Wieland, Christoph Martin  25, 32, 46, 411, 412, 428 – 443, 489, 490 Windsor, Ralph Robinson of [Pseudonym König Georgs III. von England]  48 Wolff, Christian  31, 35, 157, 227, 229 – 235, 239 – 245, 265, 266, 270, 273, 274, 277, 281 – 283, 285, 486 Xenophon  56, 60, 364 Xu Yetian, Maler  87 Xuan von Zhou, König  92 Yang, Étienne  135, 137, 140, 180 – 182, 203 Yao, Kaiser  87, 89, 113, 162, 165 – 167, 262, 274, 293, 422, 435 Yongzheng, Kaiser von China  29, 30, 43, 81, 83, 90, 94, 95, 97 – 100, 106, 107, 110 – 112, 114 – 117, 119, 121, 151, 169, 190, 201, 202, 208, 253, 265, 333, 452, 468, 469, Young, Arthur  48 Yu, Kaiser  89, 167, 263, 274 Zedler, Johann Heinrich  265, 272, 281, 408 Zhen Xiang  113 Zhu Xi  29, 88, 157, 162 Zinzendorf, Graf von  396

Ortsverzeichnis

Afrika Ägypten  58, 66, 67, 267 Altes Reich Böhmen  256, 388, 389, 391, 392, 394 – 397, 404, 410, Hameau  361, 385 Lothringen 370 Mähren  39, 45, 388, 389, 391 – 394,396, 397, 399, 400, 403 – 405, 408, 410, 437, Neisse 386 Slawikovice  386, 392, 393, 395 – 397, 399, 401, 403 – 405 Sztaray 392 Wien  9, 67, 130, 131, 222, 223, 225, 242, 370, 378, 383, 390, 395, 396, 398, 400 – 403, 407, 478, 481 Asien China Altar zur Verehrung der Ahnen des Seidenwurms/Peking 100 Beihai Park/Peking  100 Chengde/China  105, 107, 132, 471 Guangdong, Provinz/China  140, 143 Jingdezhen/China 201 Jiangxi, Provinz/China  201 Kanton  139, 142, 144, 154, 171 – 173, 192 Peking  9, 30, 31, 43, 50, 91, 94, 95, 97 – 100, 107, 117, 125, 126, 129, 131, 133 – 135, 150, 154, 171 – 173, 179 – 180, 183, 188, 189, 191, 193, 194, 200, 201, 203, 465 – 467 Sichuan  435, 436 Verbotene Stadt/Peking  9, 30, 94, 98, 195 Xiannong-Altar (Ackerbaualtar) Peking  92, 94, 98, 99 Xuanwu District/Peking  94 Yunnan, Provinz/China  99 Zhou  91, 92 Cochinchina  139, 293

Indien  139, 170, 180, 214, 286 Indonesien 139 Malakka/British Malaya  114 Osmanisches Reich/Türkei  127 Hue (Siam)  41, 42, 139, 219, 224, 325, 326 Europa Batavia/NiederlandeMuseum Volkenkunde/ Leiden 99 BelgienLüttich  74, 306 Deutschland Baden  45, 288, 299 Berlin  214, 219, 222, 238 Brandenburg  13, 15, 49, 214 Braunschweig  214, 248 Hannover  48, 49 Weimar  324, 428, 430 England London  46, 48, 68, 136, 220, 363, 411 Windsor 47 Frankreich Chantilly  356, 361 Ile de France (heute Mauritius)  138 La Flèche/Bretagne  135 Lyon  139, 140, 294, 303 Malgrange  362, 370 Metz 74 Musée Guimet/Paris  94, 97, 198 Olsany 386 Paris  14, 24, 30, 46, 78, 125, 132, 134, 136 – 138, 140, 171, 180, 181, 189, 220, 287, 294, 301, 302, 308, 311, 341, 343, 344, 346, 365, 366, 381, 388, 411 – 422, 424 – 426, 442 – 445, 449, 451, 453, 454, 456, 458, 459, 461, 462, 489 Rambouillet  362, 371, 377 Reims 445 Rouen  301, 414 Trianon  338, 340 – 344, 379, 380, 488

571

Ortsverzeichnis Versailles  45, 134, 153, 287, 306, 338, 342, 347, 349, 351, 362, 363, 367, 370, 371, 376, 377, 381, 385, 410, 427, 443, 444 Galizien/Ukraine Lemberg 409 Griechenland Athen  53, 54, 56, 57, 59, 60, 462 Eleusis  29, 53 – 56, 68, 369, 439, 462, 464 Italien Lucca 74 Rom  53, 54, 60 – 69, 71, 88, 152, 182, 259, 260, 272, 273, 452, 456, 458 Spanien  150, 214, 226

Skandinavien Schweden  288, 299 Russland  226, 288 Nord-/Südamerika 286 Colonia Philippensis  69 Judäa  53, 363 Horwath 392

BEIHEF TE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VON KLAUS HERBERS IN VERBINDUNG MIT K ARL ACHAM, GÜNTHER BINDING, EGON BOSHOF, WOLFGANG BRÜCKNER, KURT DÜWELL, GUSTAV ADOLF LEHMANN, HELMUT NEUHAUS, MICHAEL SCHILLING



EINE AUSWAHL

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