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German Pages 83 [148] Year 1995
Palästinawissenschaft in Deutschland
W G DE
Palästinawissenschaft in Deutschland Das Gustaf-Dalman-Institut Greifswald 1920-1995
Mit 56 zum größten Teil unveröffentlichten Fotografien Herausgegeben von Christof Hardmeier und Thomas Neumann
Walter de Gruyter • Berlin • New York
1995
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek —
CIP-Einheitsaufnahme
Palästinawissenschaft in Deutschland : das Gustaf-DalmanInstitut Greifswald 1920-1995 / hrsg. von Christof Hardmeier und Thomas Neumann. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 ISBN 3-11-015026-3 NE: Hardmeier, Christof [Hrsg.]; Gustaf-Dalman-Institut für Biblische Landes- und Altertumskunde < Greifswald >
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimm u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Rainer Engel, Berlin Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin
GUSTAF DALMAN
an seinem 80. Geburtstag in Lund (1935)
Inhalt Geleitwort zum Jubiläum und zur Zukunft des Gustaf-Dalman-Instituts
CHRISTOF HARDMEIER:
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Jahre Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Hl. Landes (75 Jahre Gustaf-Dalman-Institut Greifswald)
HANS-JÜRGEN Z O B E L : 9 5
JULIA MÄNNCHEN:
1
Palästinawissenschaft als theologische
Disziplin
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Stummes Zwiegespräch. Judaica und Judaistica der Bibliothek des Gustaf-Dalman-Instituts an der Theologischen Fakultät Greifswald
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Die fotografische Sammlung- des Gustaf-Dalman-Instituts
61
THOMAS W I L L I :
THOMAS NEUMANN:
Tafeln und Abbildung-sverzeichnis
nach 72
CHRISTOF HARDMEIER
Geleitwort zum Jubiläum und zur Zukunft des Gustaf-Dalman-Instituts Etwas Übliches ist es, runde Geburtstage oder Gründungsdaten zu begehen. Das Gustaf-Dalman-Institut an der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald feiert in diesem Jahr sein 75jähriges Bestehen mit einer wechselvollen Geschichte im Rücken. Eher ungewöhnlich ist es, eine Jubiläumsschrift zu diesem dreiviertelrunden Datum herauszugeben. Profilierungsstreben einer Zwergeinrichtung? Nostalgie oder Lokalpatriotismus eines Instituts mit Vergangenheit, mit ehrwürdigen Sammlungen und kostbaren Buchbeständen, die kein antiquarisches Auge trocken lassen? Gewiß, das Antiquarische und die Kostbarkeiten der Dalman-Sammlungen sind es allein und als solche wert, im einzelnen gewürdigt zu werden. Das ist denn auch das Hauptziel des vorliegenden Jubiläumsbandes, der die faszinierende Vielgestaltigkeit dieser Sammlungen ebenso wie die außerordentliche Person ihres Begründers einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen will. Doch ist es auch das Ganze des von GUSTAF DALMAN vor 75 Jahren gegründeten Instituts in der Einmaligkeit seiner Anlage und Ungewöhnlichkeit der Konstellation seiner disparaten Teilsammlungen, das in seiner Einzigartikeit allein schon Anlaß genug ist, zu diesem dreiviertelrunden Datum eine kleine Jubiläumsschrift herauszugeben. Ein Weiteres kommt hinzu: Nicht nur die Wende von 1989, die Neuschaffung des Lehrstuhls für Altes Testament und Kunde des Judentums und seine Besetzung durch meinen geschätzten Kollegen Prof. THOMAS WILLI, sondern auch der Wechsel in der Letztverantwortung für das Institut durch meine
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Nachfolge auf den alttestamentlichen Lehrstuhl meines verehrten Vorgängers Prof. HANS-JÜRGEN ZOBEL markieren in mehrfacher Hinsicht eine neuerliche Zäsur in der bewegten Geschichte des Instituts. Lediglich durch Frau Privatdozentin JULIA M Ä N N CHEN, sozusagen die „Seele" des Instituts, bleibt die personelle Kontinuität noch gewahrt. Eine solche Zäsur gibt Anlaß zum Innehalten, läßt zurückblicken zur Standortbestimmung und bewußter das Auge in die Zukunft richten. Alle Genannten haben mit ihren detail- und farbenreichen Beiträgen zum Gelingen des Jubiläumsbandes beigetragen, ganz besonders aber der ehemalige Assistent von Herrn ZOBEL, Herr Wiss. Ass. THOMAS NEUMANN (Halle), der die Hauptlast der Herausgeberschaft getragen hat und mit dem Bilddatenbankprojekt eine neue Zukunftslinie des Institutes anvisiert. Was in den folgenden Beiträgen vor den Augen der Leserschaft lebendig werden soll, sind die Hinterlassenschaften der in ihrer Vielfalt einzigartigen Forschungs- und Sammlungstätigkeit von GUSTAF DALMAN. Was sonst Ethnologen, Archäologen, Geographen, Botaniker, Mineralogen, Musik- oder Texthistoriker u. a. nur je für sich und fachspezifisch zusammentragen, hat GUSTAF DALMAN ZU einem gegenständlichen Universalbild des Landes der Bibel zusammenzufügen versucht: von der Bodenbeschaffenheit über Fauna und Flora bis zu „Arbeit und Sitte" der Landesbevölkerung unter Einschluß ihrer Siedlungsund Lebensformen in Gegenwart und Vergangenheit bis hin zur Literatur- und Musiktradition. Entsprechende Sammlungen aus den ersten zwei Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sowie Tausende von z.T. einzigartigen photographischen Glasplattenbildern gehören zum Erbe von DALMANS Schaffen, das sorgsam gepflegt und der Nachwelt in seiner Einmaligkeit erhalten bleiben muß. Der Jubiläumsband will davon einen kleinen Eindruck vermitteln. Doch sind es nicht nur diese Hinterlassenschaften als solche in ihrer schwer bestimmbaren Mischung von Kuriosität und Einzigartigkeit, von historisch-wissenschaftlicher Hochwertigkeit und Sammlernaivität, die das Unikum des Gustaf-Dalman-Institutes so faszinierend machen. Von noch größerer Tragweite ist m. E. der enzyklopädisch-universalwissenschaftli-
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che, zugleich aber konsequent empirisch-phänomenologische Ansatz, den DALMAN mit dem Begriff „Palästinawissenschaft" umrissen hat. Mit dieser Hilfswissenschaft hat DALMAN — natürlich mit den Mitteln und auf dem Stand der Erkenntnisse seiner Zeit — ein umfassendes Text- und Kontextverständnis der biblischen Texte begründet, das die materielle Kultur, die Lebensverhältnisse und die alltägliche Erfahrungswelt der alten Textzeugnisse empirisch-wissenschaftlich zu ergründen sucht und konsequent in die Auslegung- der Texte miteinbezieht. Sein mehrbändiges opus magnum „Arbeit und Sitte in Palästina" ist bis heute ein unverzichtbares Standardwerk, erwachsen aus dem Primärstudium an Menschen und Sachen statt nur aus der Lektüre von Büchern und Texten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß dieser Ansatz — wie besonders die Beiträge von J . MÄNNCHEN und T H . W I L L I deutlich machen — seine tiefste Wurzel in DALMANS lebensbezogener Bibelfrömmigkeit und Theologie hat. Sie haben seine vielseitigen Forschungs- und Sammelleidenschaften beseelt und als innerstes Band zusammengehalten. Nur dieser innerste Antrieb, die ganze christliche Bibel in ihrer unzertrennbaren Einheit von Altem und Neuem Testament so weit wie möglich aus ihren alltagsweltlichen Lebens- und Erfahrungszusammenhängen zu verstehen, erklärt die sonst auf keinen Nenner zu bringende Spannweite von DALMANS Forschungs- und Sammeltätigkeit zwischen Ornithologie und Mineralogie, zwischen Klimakunde, historischer Geographie und Musikhistorie bis hin zur Erforschung der aramäischen Sprache. Aus demselben Antrieb hat sich DALMAN auch gegenüber allen antisemitischen Tendenzen seiner Zeit um profunde Kenntnisse des Judentums bemüht und dazu eine in ihrer Art einzige Bibliothek jüdischer Geistesgeschichte und jüdischer Bibelauslegung eingelegt. Als erster Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem, dessen Geschichte H.-J. Z O B E L nachzeichnet, hat DALMAN auch die Institution der Lehrkurse ins Leben gerufen. Durch diese mehrwöchigen Kurse haben ganze Generationen von Bibelwissenschaftlern bis heute eine konkrete, historisch fundierte Anschauung der Schauplätze gewonnen, auf die sich die biblischen Texte bezie-
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hen, sowie der Lebensräume, in denen die biblische Literatur entstanden ist. GUSTAF DALMANS enzyklopädisch-universalwissenschaftliche Forschung- läßt sich nicht wiederholen. Längst haben sich die verschiedenen Gebiete, auf die sich DALMAN vorgewagt hatte, zu je eigenständigen Forschungsdisziplinen mit hochgradiger Spezialisierung entwickelt, die ein einzelner weder im Detail alle zu beherrschen noch auch nur zu überblicken vermag. Gleichzeitig sind unsere Kenntnisse über die materielle Kultur und die sozialgeschichtlichen Lebenszusammenhänge der biblischen Epoche v. a. durch die moderne Archäologie, aber auch durch vergleichende Ethnologie und andere Disziplinen der Landeskunde in einer Weise gewachsen, die GUSTAF DALMAN sich nicht hätte träumen lassen. Einen exemplarischen Eindruck davon mag das Handbuch der Archäologie „Palästina in vorhellenistischer Zeit" ( 1 9 8 8 ) von H E L G A WEIPPERT vermitteln. Vor allem in Israel hat sich die landeskundliche Forschung längst auf allen Gebieten in einer Weise ausdifferenziert, die den Erkenntnisstand DALMANS zum wissenschaftsgeschichtlichen Fossil hat werden lassen. Umso wichtiger aber werden zugleich einzelne Sammlungsobjekte des Dalman-Institutes als z.T. singuläre Sachzeugen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die mit modernen wissenschaftlichen Verfahren erneut untersucht und ausgewertet werden können. Gerade naturwissenschaftliche und ethnologische Sammlungsstücke stoßen in zunehmendem Maße auf das Interesse entsprechender Fachwissenschaften. Was aber bleibt den Nachfolgern, die heute die Verantwortung für das Gustaf-Dalman-Institut übernehmen, wenn sie weder Archäologen noch Ethnologen, weder Geologen noch Meteorologen werden wollen, sondern Theologen bleiben und sind? Drei Dinge sind zu nennen: 1. Es gilt, die z.T. einzigartige Hinterlassenschaft DALMANS sorgfältig zu pflegen, zu bewahren sowie der Nachwelt zu erhalten und möglichst leicht zugänglich zu machen. Dieser Aufgabe widmet sich das Institut, soweit die Kräfte reichen. Doch unterliegt vor allem das immense fotographische Material biochemischen Zerfallsprozessen, die zu unwiederbringlichen Auflösungserscheinungen an den Bildplatten führen.
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Noch unter der Verantwortung" von Herrn H.-J. Z O B E L , hat T H . NEUMANN in Zusammenarbeit mit dem Universitätsrechenzentrum die Digitalisierung - der Bilder zu Konservierungszwecken in Angriff genommen und mit der Aufnahme in eine Datenbank begonnen. Das Projekt wird mit aller Kraft vorangetrieben und stößt auch auf großes verlegerisches Interesse. Erste Kostproben finden die Leserinnen und Leser im Bildteil dieses Bandes. Da jedoch der Informationsverlust bei der Bildübertragung auf elektronische Speicher erheblich ist, wäre auch eine photographische Konservierung" der Bilder dringend erforderlich. Das Bilddatenbankprojekt wird auf der Basis eines Kooperationsvertrages mit dem Alttestamentlichen Seminar des Instituts für Bibelwissenschaften der Theologischen Fakultät Halle vorangetrieben. Das dortige Bildmaterial sowie kleinere Sammlungen aus anderen alttestamentlichen Instituten der Bundesrepublik sollen mögiichst vollständig" erfaßt und in Kooperation untereinander ausgewertet werden. 2. Es steht außer Frage, daß in Greifswald die Landes- und Altertumskunde als Studienfach gepflegt, durch Exkursionen vertieft und in Forschung" und Lehre vertreten wird.Die enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Evangelischen Institut f ü r Altertumswissenschaft des Hl. Landes in Jerusalem (Prof. V . FRITZ) gewährleistet eine fundierte Wahrnehmung 1 dieser Aufg-abe insbesondere auch in archäologischer Hinsicht. Mit T H . WILLI auf dem neu geschaffenen Lehrstuhl wird zudem und v . a . der judentumskundliche Zweig von DALMANS Schaffen als Forschungsschwerpunkt ganz neu zur Blüte gelangen, wenn auch ganz im Zeichen der Schoa und in kritischer Auseinandersetzung mit den mannigfaltigen, oft subtilen Formen des christlichen Antijudaismus. 3. Ein dritter Schwerpunkt knüpft an DALMANS Empirie und an sein Bemühen um eine lebens- und erfahrungsbezogene Textauslegung an. Allerdings ist die Problemlage auch auf diesem Felde heute weit komplexer als zu seinen Zeiten. Denn schon an der Schnittstelle zwischen Text- und Erfahrungswelt oder in den Wechselbeziehungen zwischen sprachlichem Handeln in der Textäußerung und praktischem Ver-
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halten stellen sich elementare Probleme des Lebens- und Erfahrungsbezugs von Texten. In Anknüpfung' an DALMANS intensive Sprachforschungen nimmt zur Zeit im interdisziplinären Entwicklungsrahmen einer computergestützten Philologie ein Projekt am Institut Gestalt an, das die lebens- und erfahrungsbezogenen Wirkweisen alttestamentlicher Literatur unter textgrammatischen und textpragmatischen Gesichtspunkten empirisch zu erfassen sucht. Insbesondere soll in diesem Projekt die dialogfähige ECA-Computerkonkordanz weiterentwickelt werden in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bibelgesellschaften sowie mit dem Lehrstuhl f ü r „Bibel und Informatik" an der Frije Universiteit Amsterdam (Prof. E. TALSTRA) auf der Basis eines Kooperationsvertrages. Alles in allem wird somit das fruchtbare Erbe des Institutsgründers in Kontinuität und Treue, aber auch in zeitgemäßer Gewichtsverlagerung und Neuorientierung in die Zukunft hineingetragen. Der Blick zurück macht die Notwendigkeit deutlich, über die Pflege des Alten hinaus in neue Forschungsfelder vorzustoßen, wie GUSTAF DALMAN es selbst im tiefsten theologischen Interesse an einem umfassenden Textverständnis der Bibel getan hat. Zum Abschluß gilt es zu danken, nicht nur den Beiträgern und Beiträgerinnen, nicht nur dem Mitherausgeber für seinen Einsatz und seine Mühen, sondern vor allem auch Verlagsdirektor, Herrn Dr. VON BASSI, der diese Jubiläumsschrift möglich gemacht hat, sowie den Mitarbeitern des Greifswalder Universitätsrechenzentrums und der Bildstelle der Universitätsbibliothek, die sich um die Bilder und ihre buchdrucktechnische Aufbereitung große Mühe gemacht haben. Stellvertretend seien die Herren Dr. JÜRGEN FORMELLA, Dr. HARTMUT SCHMELING und Dr. PETER W O L F F genannt. Ein letzter Dank gilt der MaxPlanck-Gesellschaft und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die das Bilderprojekt großzügig unterstützt haben, sowie Herrn Prof. Dr. ALEX CARMEL von der Universität Haifa f ü r mannigfaltigen Rat und Unterstützung. Greifswald, den 29. Juli 1995
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95 Jahre Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem (75 Jahre Gustaf-Dalman-Institut in Greifswald) I. Greifswald, unweit der Ostseeküste gelegen, heute eine Kreisstadt, die den Anschluß an die stürmische Industrialisierung des 20. Jahrhunderts gewinnen will, um die Jahrhundertwende jedoch kaum mehr als eine altehrwürdige Universität in einem kleinen verträumten Landstädtchen, das das Kleid einer langen, wechselvollen Geschichte trägt, — was hat Greifswald im Nordosten Deutschlands, so mag der Leser fragen, mit Palästina, mit dem Heiligen Land zu tun? Betritt man einen der schon größeren Räume der Theologischen Fakultät der ErnstMoritz-Arndt-Universität, so fällt der Blick auf Palmwedel, eingerahmte getrocknete Blumen, Getreideähren und kleine Pflanzen, aber auch auf farbige Reliefdarstellungen Jerusalems, Galiläas und ganz Palästinas 1 , die zwischen Bücherregalen an den Wänden angebracht sind, auf Schränke mit umfangreichen Bilder- und Kartensammlungen, auf Glasschränke mit Ollämpchen vom 2. Jahrtausend v. Chr. bis zur Zeit Jesu, mit zierlichen römischen Glasfläschchen, mit kupfernen Kaffeekannen arabischer Nomaden, und auf viele andere fremdartige Dinge. Eine besondere Kostbarkeit darunter ist der Original1
Die Reliefkarten, die ROBERT KOEPPEL 1925—1927 anfertigte, sind abgebildet in: DERS., Palästina. Die Landschaft in Karten und Bildern, Tübingen 1930, T a f . 2 , 3 , 1 7 0 , 1 8 2 .
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abklatsch der Siloah-Inschrift aus Jerusalem . Er hat wohl als einziger seiner Art den 2. Weltkrieg- wohlbehalten überstanden. Diese auf der Welt einmalige Sammlung- ist ein Stück vom Lebenswerk GUSTAF DALMANS. Wie kommt das alles nach Greifswald? — fragt man sich unwillkürlich. Da fällt der Blick auf ein über der Tür hängendes großes Ölgemälde. Vor dem dem Betrachter in die Augen fallenden Jerusalem-Relief sitzt ein alter Mann, ein Blatt mit einer rosaroten Anemonenblüte in der Hand. Doch die Augen dieses Mannes sind das Eindrücklichste an dem Porträt, helle, klare Augen unter einer hohen Stirn, die in weite Fernen zu blicken scheinen. Suchen sie diese Stadt, so geht es einem durch den Sinn, die auf dem Gemälde gleichsam symbolisch das Lebenswerk des Mannes signalisiert? Oder blicken sie zurück in das lange Leben des Gelehrten, dessen ganze Liebe Palästina galt? Um wen es geht, hat der Künstler neben seiner Signatur vermerkt: „G. Dalman, Juni 1935"3.
II.
Wohl jedem Theologen ist der Name GUSTAF DALMAN schon einmal begegnet, hat er doch eine Reihe, man möchte sagen, grundlegender Bücher verfaßt: „Die Worte Jesu" 1898, 2 1930, „Orte und Wege Jesu" 1919, 31924, „Jesus — Jeschua: Die drei Sprachen Jesu" 1922, „Jerusalem und sein Gelände" 1930, 2 1972, und schließlich das monumentale Werk, sein eigentliches Lebenswerk „Arbeit und Sitte in Palästina", 7 Bände 1928—1942. Ein achter Band war von DALMAN geplant und teilweise schon erstellt worden. Das Material hierfür hat der einzige Dalman-Schüler K A R L HEINRICH RENGSTORF kurz vor seinem Tode nach Greifswald zurückgegeben. Es soll jetzt als Abschluß
2 Siehe Taf. 1 und 2. 3 Das Bild ist wiedergegeben als Frontispiz in: JULIA M Ä N N C H E N , Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald 1 9 0 2 — 1 9 4 1 , ADPV 9 , I I ( 1 9 9 3 ) . Aus demselben Jahr stammt auch das Frontispiz des vorliegenden Bandes.
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des Ganzen, mit notwendigen Ergänzungen versehen, veröffentlicht werden. Auf über 3000 Seiten, illustriert durch fast 800 Abbildungen, die aus der Bildersammlung ausgewählt wurden, schildert DALMAN den Jahres- und Tageslauf, Herbst und Winter, Frühling und Sommer, den Ackerbau, das Ernten, Dreschen, Worfeln, Sieben, Verwahren und Mahlen des Getreides; weiter äußert er sich über Brot, Ol und Wein, Webstoff, Spinnen, Weben und Kleidung, über das Zeltleben, über Vieh- und Milchwirtschaft, Jagd und Fischfang und schließlich über das Haus, die Hühner-, Tauben- und Bienenzucht in Palästina. Wie war es dem Greifswalder Gelehrten möglich, dieses umfangreiche Material zusammenzutragen und erstmalig in der Wissenschaftsgeschichte zu dieser großangelegten Darstellung zu verbinden? Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage finden wir im Lebenslauf GUSTAF DALMANS. Seine geistige und geistliche Heimat war die Brüdergemeinde, eine auf die Praktizierung des christlichen Glaubens gerichtete, der pietistischen Frömmigkeit nahe stehende Gemeinschaft mit Zentrum in der Oberlausitz. Am 9. Juni 1855 wurde er in Niesky geboren, hieß bis 1886, als er den Namen seines mütterlich-schwedischen Geschlechts DALMAN annahm, GUSTAF MARX, ging in Niesky zur Schule, studierte am theologischen Seminar der Brüdergemeinde in Gnadenfeld und war schließlich Lehrer und Erzieher in der Missionserziehungsanstalt in Kleinwelke und dann in Gnadenfeld. DALMAN wuchs also ganz und gar im Schoß der Brüdergemeinde auf. Von dort her ist auch sein Kindheitswunsch bestimmt und geprägt, das Land Jesu mit eigenen Augen zu sehen, auf Jesu Wegen zu wandeln und, wie er später hinzusetzte, Judenmissionar zu werden. In Verfolgung dieses Zieles promovierte er als „Theologe ohne Universitätsstudium"'4 1883, also 28jährig, in Leipzig zum Lic. theol., erwarb vier Jahre später auch den Dr. phil. und wurde noch im selben Jahr wis-
4 Vgl. OTTO PROCKSCH, Gustaf Dalman. *9.6.1855 dächtnisblatt, ThBl 21,1942, 81-90, 82.
F 19.8.1941. Ein Ge-
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senschaftlicher Mitarbeiter am Leipziger Institutum Judaicum seines hochverehrten Lehrers FRANZ DELITZSCH. Mit diesem Wechsel an die Leipziger Universität wird die zweite und im Nachhinein für Greifswald so entscheidende Phase im Werden DALMANS eingeleitet. Ausgestattet mit vorzüglichen Kenntnissen nicht nur über die Bibel und das jüdische Schrifttum, sondern auch über Geschichte, Literatur und die Sprache der Araber, konnte DALMAN dank eines Stipendiums für fast 1 V2 Jahre 1899—1900 Palästina bereisen und, wie es heißt, „die seit der Kindheit ersehnte Möglichkeit, den Schauplatz der Worte Jesu mit eigenen Augen zu sehen", realisieren. 5 Als wissenschaftlichen Ertrag dieser Studienreise legte er im Jahr darauf, 1901, eine Sammlung zeitgenössischer arabischer Lieder und Gedichte, mit Ubersetzung und Melodien versehen, unter dem Titel „Palästinischer Diwan" vor. Dieses Werk ist ein Denkmal arabischer Volkskunde von einzigartiger Bedeutung. Zugleich aber war damit ein deutliches Abrücken DALMANS vom ursprünglichen Vorhaben der Judenmission verbunden. Wie ihn einerseits dieser Besuch darin bestätigte, daß vieles im Leben „der arabischen Palästiner an das Leben des Palästina der heiligen Geschichte heranführte", so wurde ihm doch andererseits schmerzlich bewußt, daß die Zeit für die ihm vorschwebenden Arbeitsvorhaben viel zu kurz war.
III. Und hier müssen wir des ersten Jubiläumsdatums gedenken: denn vor 95 Jahren trafen die zur Eisenacher Konferenz zusammengeschlossenen deutschen evangelischen Landeskirchen die Entscheidung, ein Institut für Altertumswissenschaft des heiligen Landes zu gründen. Die diesbezügliche Stiftungsurkunde trägt das Datum des 19. Juni 1900. 6
5 Siehe Taf. 19. 6 Sie ist abgedruckt in: PJ 1,1905,1-5.
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Diesem Datum war freilich ein anderes vorausgegangen, das für das neue Institut nicht minder bedeutsam war. DALMAN berichtet darüber wie folgt: „Der 31. Oktober 1898, der Tag, an welchem die Erlöserkirche in Jerusalem unter Teilnahme Ihrer Kaiserlichen Majestäten geweiht wurde, kann als der Gründungstag des Instituts betrachtet werden. Soeben hatte unser erhabener Kaiser vor dem Altar ein edles Bekenntnis zum reformatorischen Glauben abgelegt, in der Muristankapelle empfing Er die durch Seinen Ruf nach Jerusalem entbotenen Vertreter der hohen evangelischen Kirchenregierungen Deutschlands. Hier gipfelte die in ihrem Namen vom bayerischen Oberkonsistorialpräsidenten v. Schneider gehaltene Ansprache in dem Gelübde, als Denkmal dieses einzigartigen Tages der Pflege evangelischer Altertumswissenschaft des heiligen Landes in Jerusalem ein Heim zu begründen" 7 . Nachdem die kaiserliche Genehmigung erteilt worden war, wurde GUSTAF DALMAN gefragt, ob er bereit wäre, das Amt des Vorstehers dieses Instituts zu übernehmen und für längere Zeit nach Jerusalem zu gehen. Man kann sich vorstellen, wie glücklich DALMAN darüber gewesen sein wird. Er selbst schreibt in seinem Tagebuch unter dem 28. Mai 1902, dem Tag, an dem er sein Ja-Wort gab: Zusammentreffen mit Präsident Barkhausen in Halle, Losung Ps. 137,6: „Ich lasse Jerusalem meine höchste Freude sein", Lehrtext Gal. 4,20: „Das Jerusalem, das droben ist, ist unser aller Mutter."
Am 28. Juni 1902 wurde die Wahl DALMANS bestätigt. Bald darauf reiste er ab, landete am 25. Oktober 1902 mit dem Schiff in Jaffa und traf, weil die Cholera in Palästina wütete, erst am 12. November 1902 in Jerusalem ein, um am 18. Dezember das Haus für das Institut zu mieten und am 16. Januar 1903 einzuziehen. Die feierliche, glanzvolle Eröffnung dieses neuen Institutes fand am 15. November 1903 statt. Damit begann der entscheidende Abschnitt im Leben DALMANS, der fortan sein ganzes Werk bestimmte.
7 GUSTAF DALMAN, Entstehung und bisherige Entwicklung des Instituts, PJ 1, 1905,14-20,14.
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D A L M A N S Aufgabe als Institutsleiter umreißt die Stiftungsurkunde von 1901: Er habe
auf dem Gebiet der biblischen und kirchlichen Altertumswissenschaft die Beziehung zwischen den Stätten der heiligen Geschichte und zwischen der gelehrten Forschung und dem Interesse der christlichen Frömmigkeit in der evangelischen Kirche zu pflegen, zu beleben und zu regeln.
Damit wird deutlich gesagt, daß sich dieses junge deutsche Institut ein von der mit der Jahrhundertwende aufblühenden Ausgrabungstätigkeit unabhängiges eigenes Forschungsgebiet gesucht, einem bis dahin fast gar nicht beachteten neuen Forschungsgegenstand zugewandt hat: der palästinischen Altertums-, Landes- und Volkskunde. DALMAN selbst zählt im Jahre 1912 als Arbeitsgebiete eines Jerusalemer Institutsvorstehers auf: Geographisches, Naturwissenschaftliches, die Altertümer von der prähistorischen bis zur arabischen Zeit, des Volkes Sitte und Arbeit, seine • ft wirtschaftlichen Verhältnisse, seine Sprache.
Damit war die neue Wissenschaftsdisziplin der Palästinakunde oder Palästinawissenschaft geboren worden. GUSTAF DALMAN prägte den neuen Begriff und bestimmte zugleich die Inhalte und Methoden dieser jungen Wissenschaft.
IV.
widmete sich seiner neuen Aufgabe mit großem Eifer. Sogleich nach seiner Ankunft in Jerusalem begann er eine unermüdliche und umfassende Sammeltätigkeit. Steine und Erden, die Früchte der Pflanzen, die Hölzer von Bäumen und Sträuchern wurden ebenso zusammengetragen wie ein etwa 1000 Nummern zählendes Herbarium, eine Vogelsammlung, eine Sammlung von bäuerlichem Haus-, Acker- und Handwerksgerät sowie eine solche der Musikinstrumente des Landes, von Münzen, Gewichten, gläsernen und metallischen Gegenständen. Daß dazu auch eine kleine archäologische Sammlung gehörte, sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Nach DALMAN
8 GUSTAF DALMAN, Jahresbericht, PJ 8,1913, 4.
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dreijähriger Tätigkeit konnte er berichten: Die Bibliothek zählt 1770 Bände; ein Museum konnte aufgebaut werden mit 800 Gegenständen aus Stein, Ton, Glas und Metall sowie Geräten des Bauern und des Handwerkers, aber auch mit einer vollständigen Sammlung der Musikinstrumente des Landes und einem Herbarium. Nach 10 Jahren war die Bibliothek auf 2 8 0 0 Bände gewachsen, und das Museum war unter anderem um eine Münz-, Vogel- und Steinsammlung bereichert worden. Wie das Museum dem Anschauungsunterricht diente, so die Bibliothek der wissenschaftlichen Vertiefung der vielfältigen Eindrücke und der Klärung mancher Probleme, die die Altertumswissenschaft dem Gelehrten stellt. Mit der Ankunft der ersten beiden Stipendiaten in Jerusalem am 19. Oktober 1903 begann die Arbeit der Lehrkurse des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes. Sie verfolgten das Ziel, junge Theologen in die Palästinawissenschaft einzuführen und sie mit der Eigenart des Landes vertraut zu machen. Höhepunkte solcher Lehrkurse waren die Exkursionen. DALMAN selbst berichtet einmal darüber aus dem Jahr 1904: 9 Jeden Sonnabend sieht man die acht Herren des Instituts hoch zu Roß oder zu Esel mit flatternden Kopftüchern und wehenden Mänteln über die felsigen Halden Judäas dahinreiten, um auf sechs- bis achtstündigem Ritt die weitere Umgebung Jerusalems kennen zu lernen. Und wie der Zug eines kleinen Beduinenclans ist es, wenn auf der großen Institutsreise 21 Menschen und 28 Tiere mit vier Zelten und dem nötigen Hausrat und Proviant sich einmal zur Karawane zusammenschließen. An kleinen und großen Abenteuern fehlt es auf den unebenen Pfaden Palästinas nicht ... Ein zugiges Zelt, ein feuchtes Nachtlager, ein störriges oder träges Reittier geben Gelegenheit, Kraft und Gesundheit zu stählen. Der WeckpfifF des Vorstehers vor Sonnenaufgang, auf den lebenslustige Stipendiaten wohl mit Hurra antworten, setzt dem Schlaf zuweilen eine unbarmherzige Grenze. Bei aller körperlicher Anstrengung gilt es, den Zweck des Reisens nicht aus dem Auge zu lassen, die Vergangenheit in die Gegenwart hineinzudenken und allen Spuren der alten Zeit gewissenhaft ... nachzugehen.*®
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GUSTAF DALMAN, Entstehung und bisherige Entwicklung des Instituts, PJ 1,1905,14-20,19-20. 10 Siehe Taf. 20.
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Wichtig- ist dieser letzte Nebensatz, weil er das Programm DALMANS und somit die Methodik der Palästinawissenschaft genau umschreibt: die Vergangenheit in die Gegenwart hineindenken. Die Gegenwart ist geprägt von der Geschichte und bietet die Zeugnisse, aber noch vielmehr den rechten Zugang- zur Vergangenheit. Nur über die Gegenwart Palästinas ist der Weg zurück in seine verschlungene, mehrtausendjährige Geschichte zu gehen. Trotz der wechselvollen politischen Geschichte im Vorderen Orient, trotz zweier Weltkriege, trotz Weltwirtschaftskrise und Devisenmangels während der Nazi-Zeit, ja trotz der Spaltung Deutschlands und Europas kam diese Arbeit nicht zum Stillstand, auch wenn sie oft erschwert oder gar unterbrochen und für längere Zeit ausgesetzt werden mußte. Das Vorsteheramt ging nach dem 1. Weltkrieg von DALMAN auf den späteren Leipziger Alttestamentier Prof. D. ALBRECHT ALT, der am Lehrkurs 1908 teilgenommen und 1915/16 als Sanitätsunteroffizier eines Feldlazaretts in Palästina Dienst getan hatte, nach dem 2. Weltkrieg schließlich auf Prof. D. MARTIN NOTH aus Bonn, nach dessen allzu frühem Tod am 30. Mai 1968 auf seine Mitarbeiterin Frau Prof. Dr. U T E WAGNER-LUX, sodann auf Prof. Dr. AUGUST S T R O B E L und jüngst auf Prof. Dr. VOLKMAR FRITZ über. Inzwischen sind etwa 50 Lehrkurse mit über 180 Stipendiaten gehalten worden, die vorwiegend aus Deutschland, aber auch aus Skandinavien und den Niederlanden, aus Osterreich und der Schweiz, aus Ungarn, der ehemaligen CSSR und Rumänien kamen.
V. DALMAN befand sich zum Urlaub in Deutschland, als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach. Seine Hoffnungen, nach Beendigung des Krieges nach Palästina zurückzukehren, erfüllten sich nicht. So folgte er am 1. Oktober 1917 dem schon am 9. Januar 1915 an ihn ergangenen Ruf auf ein persönliches Ordinariat nach Greifswald. Er war damals bereits 62 Jahre alt, als er erstmalig als Professor an eine Universität berufen wurde und
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erst jetzt eine Wirksamkeit entfalten konnte, die seinem Namen Weltgeltung- und der Greifswalder Universität als erster und ältester Pflegestätte der Palästinawissenschschaft internationales Ansehen verschaffte. Denn unverzüglich ging" DALMAN daran, an der Greifswalder Theologischen Fakultät „Das Deutsche Palästina-Institut" zu begründen, das anläßlich des 70. Geburtstages seines Begründers 1925 feierlich und gewiß zutreffender in „Gustaf-Dalman-Institut für Palästinawissenschaft" umbenannt wurde. Damit haben wir das zweite runde Datum erfaßt: 75 Jahre Palästinawissenschaft in Greifswald. In der ihm eigenen Konsequenz und Beharrlichkeit ging DALMAN sofort daran, dieses „neue" Institut so auszustatten, daß es dem von Jerusalem nahe kam. Hierfür erhielt er, wie er im Palästina-Jahrbuch von 1920 berichtet, „eine Kiste mit einem großen Teil meiner handschriftlichen Aufzeichnungen und Photographien aus Jerusalem"11 nach Greifswald geschickt. Weitere Teile der Jerusalemer Sammlungen folgten und fanden nunmehr einen würdigen Platz in der Universitätsstadt nahe der Ostseeküste. Dazu gehören das Herbarium, die landeskundlichen geologischen und botanischen Sammlungen sowie Sammlungsgegenstände aus dem palästinischen Alltag und der vergangenen Geschichte. Eine wissenschaftliche Rarität stellt der bereits oben genannte originale Abklatsch einer antiken Inschrift dar, die den Bau eines Wassertunnels im Jerusalem des 8. Jahrhunderts v. Chr. berichtet, weil das Original in Istanbul durch starke Korrosion unleserlich geworden ist und weitere Originalabklatsche im zweiten Weltkrieg verloren gingen oder zerstört wurden. Nicht zuletzt aber muß die in ihrer Art in Deutschland einmalige Bildersammlung DALMANS genannt werden. Zu ihr gehören mehr als 1 0 0 0 0 Photographien und Diapositive aus den Jahren 1899—1931, darunter etwa 1400 Luftaufnahmen Palästinas, die von einer dort stationierten deutschen Feldfliegerabteilung während des ersten Weltkrieges aufgenommen wurden. Dabei hat DALMAN außer den eigenen Photographien auch umfangreiche Bestände von Photos anderer Autoren zusammengell GUSTAF DALMAN, Das Institut am Kriegsschlusse, P J 1 5 , 1 9 2 0 , 2 .
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tragen, insoweit sie sich mit Palästina befaßten. Die Positive sind Glasplatten — in der Regel im Format 8x10 cm. Sie sind von DALMAN zum Teil selbst beschriftet und nach lokalen bzw. sachlichen Kriterien geordnet worden, letzteres auch deshalb, weil er aus ihnen die Bilder für die Illustrationen seines Hauptwerkes „Arbeit und Sitte" gewann. Diese Photographien sind wertvolle Zeugnisse vom Land Palästina mit seinen Landschaften, von seinen Bewohnern und ihrem Leben und Arbeiten und nicht zuletzt von den vielen damals noch sichtbaren Überresten verschiedener Kulturepochen aus längst vergangener Zeit. Diese Bilder stellen heute einen unschätzbaren Wert dar, weil sich seit dem ersten Weltkrieg das Gesicht des Landes tiefgreifend verändert hat. Palästina ist etwa 27 0 0 0 km2 groß. Zum Vergleich sei auf die Größe der neuen Bundesländer mit etwa 108 0 0 0 km 2 verwiesen. Palästina also hat etwa ein Viertel der Fläche der neuen Länder. Die Bevölkerungszahl betrug um 1920 etwa 1,3 Millionen Einwohner. Dann aber schwoll sie durch die jüdische Einwanderung sprunghaft an, so daß um 1950 etwa 50% der Bevölkerung Palästinas Juden waren. Da diese aber vorab aus Europa, auch aus den USA, einwanderten und ihre in ihren Heimatländern gepflegte Kultur mitbrachten, wandelten sich Sitte und Brauchtum im Lande ganz erheblich. Außerdem wurde durch wachsende Städte, Neusiedlungen, Straßen und intensivierte Landnutzung das Gesicht Palästinas mancherorts völlig verändert. Blieb von diesem Prozeß der arabische Bevölkerungsteil zunächst noch unberührt, so änderte sich dieses Erscheinungsbild nach dem zweiten Weltkrieg abermals. Denn nunmehr ist in gewissen arabischen Staaten, wie etwa dem Libanon oder, näher an unseren Raum heran, dem Königreich Jordanien, ein Amerikanisierungsprozeß zu beobachten, der, ausgehend von den städtischen Zentren, traditionelles arabisches Volkstum in höchstem Maße gefährdete, eine Umwertung von Wertmaßstäben einleitete und die Zeugen einer stolzen Vergangenheit aus Unkenntnis oder Gleichgültigkeit der Vernichtung preisgab. Angesichts dieses Sachverhalts bestimmt sich der Wert unserer Bildersammlung. Sie enthält Dokumente von einzigartigem
95 Jahre Dt. Ev. Institut für Altertumswissenschaft des Hl. Landes
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Rang-. Sie ist zugleich ein schönes Denkmal, das DALMAN dem Land Palästina zu Beginn unseres Jahrhunderts errichtet hat. Trotz ihrer Einzigartigkeit und der hohen Bedeutung für die Wissenschaft hat diese Sammlung in den letzten 50 Jahren einen Dornröschenschlaf gehalten — oder sollen wir nicht besser sagen: halten müssen? Eine schriftliche Anfrage aus Israel nach dem Verbleib der Dalman-Bilder, verbunden mit dem Angebot, Kopien von ihnen kaufen zu wollen, führte Mitte der 70er Jahre zu verschärften Sicherheitsauflagen seitens der Universitätsleitung. Auch wegen der beschränkten Ressourcen war an eine wissenschaftliche Erschließung dieses Schatzes zu DDR-Zeiten nicht zu denken. In den regelmäßigen Lehrveranstaltungen des Dalman-Instituts zur Palästinakunde, bei denen auch Dias von Land und Leuten gezeigt und archäologische Sachverhalte erklärt wurden, haben wir ein einziges Mal in der Vergangenheit auch die Dalman-Bilder mit herangezogen, indem wir zu ausgewählten Ortsansichten das Jetzt dem Einst gegenüberstellten. Dabei entdeckten wir die Spannung", die ein solcher Vergleich erzeugt. Die Wende in der DDR im Herbst 1989 bedeutete auch für das Gustaf-Dalman-Institut die Befreiung. Jetzt konnte es Aufgaben anpacken, die vorher liegen bleiben mußten. Eine solche ist die, die sich mit den Palästina-Bildern befaßt und dessen Zwischenergebnis zu der Ausstellung „Palästina um 1900 — Mit Pinsel und Camera: Bilder von Gustav Bauernfeind — Photographien von Gustaf Dalman" führte.
JULIA MÄNNCHEN
Palästinawissenschaft als theologische Disziplin Als am Reformationsfest 1898 in Jerusalem in Anwesenheit des deutschen Kaisers die Erlöserkirche eingeweiht wurde, äußerten die Vertreter der deutschen Kirchenregierungen dem Kaiser gegenüber den Wunsch, in Jerusalem auch ein Institut zur Pflege der Altertumswissenschaft einzurichten, damit neben der Ecole Biblique der Franzosen, dem Amerikanischen Archäologischen Institut und dem Palestine Exploration Fund sich auch Deutschland an der Erforschung des Heiligen Landes beteiligen könne. Nachdem der Kaiser seine Zustimmung gegeben hatte, konnte der Vorstand der Stiftung „Deutsches evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des heiligen Landes" — so der Name der neuen Einrichtung — im Mai 1902 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten und berief wenig später GUSTAF DALMAN zum Direktor des Instituts. DALMAN war zu diesem Zeitpunkt 4 7 Jahre alt. Geboren in dem zur Brüdergemeine gehörenden Niesky in der Lausitz als GUSTAF M A R X — erst 1 8 8 6 nahm er den Mädchennamen seiner früh verstorbenen Mutter an —, wuchs er im geistigen Umfeld der Brüdergemeinde auf und erhielt hier seine Ausbildung. Nach dem Besuch des berühmten Pädagogiums in Niesky studierte er von 1874 bis 1877 am Theologischen Seminar der Brüdergemeine in Gnadenfeld in Schlesien Theologie und war anschließend als Lehrer und Erzieher in Internatsschulen der Brüdergemeinde tätig. 1881 wurde er als Dozent für Altes Testament und Praktische Theologie nach Gnadenfeld berufen. Spannungen persönlicher und theologischer Natur veranlaßten ihn, 1887 das Seminar und auch die Brüdergemeine zu verlassen und FRANZ DELITZSCHS Angebot anzunehmen, an das ein
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Julia Männchen
Jahr zuvor von ihm gegründete Institutum Judaicum nach Leipzig" zu kommen. Bereits 1883 hatte er von Gnadenfeld aus in Leipzig- den Licentiatengrad erworben. 1887 promovierte er dort zum Dr. phil. und habilitierte sich 1891 für Altes Testament an eben dieser Universität. Damit trat er als Privatdozent in die Leipziger Fakultät ein, ohne aber seine Arbeit am Institutum Judaicum aufzugeben. Ein Blick auf seine Publikationen aus dieser Zeit macht sofort deutlich, welche Themen ihn in Gnadenfeld und Leipzig beschäftigten: Judentum und Judenmission. Eigene Pläne, als Judenmissionar zu arbeiten, hatten sich aus verschiedenen Gründen nicht verwirklichen lassen, aber am Institutum Judaicum hatte er die Aufgabe, Judenmissionare auszubilden. In Vorträgen und Aufsätzen befaßte er sich darüber hinaus mit diesem Problem und legte dar, wie Judenmission aussehen und was sie anstreben sollte und welche Kenntnisse und Fähigkeiten deshalb die künftigen Judenmissionare haben müßten. Vor allem aber legte er in Weiterführung der Gedanken von FRANZ DELITZSCH das theologische Fundament, die theologische Begründung" der Judenmission dar, die er als Aufgabe der ganzen Kirche verstand. Daneben sah er sich herausgefordert durch heftige Angriffe auf das Judentum in einer Reihe von Schmähschriften, die im Zuge einer neuen Welle von Antisemitismus in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland erschienen und widerlegte die Vorwürfe und Beschuldigungen ausführlich und sachkundig. Schließlich beschäftigte sich DALMAN in seiner Leipziger Zeit, aber auch schon davor mit den jüdischen Messiasvorstellungen. Alle diese Arbeiten hätten ihn allerdings kaum für das Amt des Direktors des neugegründeten Instituts in Jerusalem prädestiniert. Eher wiesen schon seine philologischen Arbeiten wie die „Grammatik des jüdisch-palästinischen Aramäisch" (1894) und das Aramäisch-neuhebräische Wörterbuch (1897) in die Richtung seiner Jerusalemer Tätigkeit. Das gilt erst recht, wenn auch mehr indirekt, für die „Worte Jesu mit Berücksichtigung des nachkanonischen jüdischen Schrifttums und der aramäischen Sprache" (1898), denn durch diese Arbeit kam er in
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den Genuß eines Stipendiums der Universität Leipzig - , das ihm eine Palästinareise vom März 1899 bis zum Juni 1900 ermöglichte. Auf dieser Reise beobachtete er Land und Leute, Sitten und Gebräuche, bäuerliche und beduinische Lebensweise und schrieb später darüber: Diese Weise des Studiums, stets an Menschen und Sachen, statt an Manuskripten und Büchern, war nicht ohne Beschwerde, auch in gesundheitlicher Beziehung1, aber sie gefiel mir; ich hätte sie bis ins Unendliche fortsetzen wollen.*
Seine Stellung" als Direktor des Institutes in Jerusalem gab ihm bald reichlich Gelegenheit dazu. In der Urkunde über die Errichtung- des Instituts war als dessen Aufgabe genannt, auf dem Gebiet der biblischen und kirchlichen Altertumswissenschaft die Beziehung zwischen den Stätten der heiligen Geschichte und zwischen der gelehrten Forschung und dem Interesse der christlichen Frömmigkeit in der evangelischen Kirche zu pflegen, zu beleben und zu regeln.^
Konkret sollte das in jährlichen Lehrkursen für junge Theologen aus Deutschland erfolgen, die „mit tüchtiger wissenschaftlicher Ausrüstung - ein lebendiges Interesse für die biblischen und kirchlichen Altertümer und die Kenntnis des heiligen Landes verbinden" und von denen erwartet werden konnte, daß sie die Ergebnisse ihrer Arbeit dort für das heimische Kirchenleben fruchtbar machen würden. 3 Eine Beteiligung" der Stipendiaten oder auch nur des Institutsdirektors an Ausgrabungen war ausdrücklich nicht vorgesehen. 4 Gegenstand der Institutsarbeit sollte vielmehr palästinische Altertums-, Landes- und Volkskunde im Hinblick auf die biblische und kirchliche Vorzeit 5 sein, also Landeskunde im weitesten Sinne. Dazu rechnete DALMAN Tier- und Pflanzenwelt und Gesteine, klimatische 1 Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. von D. E R I C H S T A N G E , Bd. IV (Leipzig 1928), 14. 2 Urkunde über die Errichtung der deutschen evangelischen Stiftung für Altertumswissenschaft des heiligen Leindes, PJ 1,1905, i. 3 A . a . O . , 3. 4 Brief B A H K H A U S E N S , des Vorsitzenden der Stiftung, an D A L M A N , 3 . 9 . 1 9 0 2 , Dalman-Nachlaß Greifswald. 5 Mitteilungen und Ratschläge für die Mitglieder des Instituts, PJ 1,1905, 9.
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dingungen und Ortslagen, Verkehrswege, Heiligtümer und Wohnstätten, Gräber und Inschriften, Sprache und Sitte des Landes. 6 All das sollte dazu dienen, „das heilige Land nach dem jetzigen Stand der ihm geltenden Wissenschaft zu erklären". 7 Die Lehrkurse dauerten drei Monate und endeten mit einer dreiwöchigen Zeltreise. Vorher wurden in der Regel sonnabends Tagesausflüge unternommen. Im Laufe der Jahre legte D A L M A N auf dieses Lernen durch eigene Anschauung und Beobachtung immer mehr Wert und dehnte diese Ausflüge mitunter auf zwei bis drei Tage aus, auch wenn dadurch die Vorlesungen eingeschränkt werden mußten. Diese Vorlesungen wurden von D A L M A N selbst und von seinem Mitarbeiter gehalten. D A L MAN behandelte vier große Themenkreise: Jerusalem und seine Umgebimg mit Topographie und Archäologie, Arbeit und Sitte in Palästina einst und jetzt, Geographie und Landeskunde Palästinas und die Beziehungen Palästinas zum Neuen Testament. Bereits 1902 hatte er eine Konzeption für ein Museum innerhalb des Instituts entwickelt, das das erforderliche Anschau• ft ungsmaterial für die Lehrkurse enthalten sollte. In seinem Bericht über „Entstehung und bisherige Entwicklung des Instituts" 9 gibt er den Stand von 1905 wieder und nennt eine archäologische, eine ethnologische und eine naturwissenschaftliche Abteilung. Die archäologische enthielt vor allem alte Geräte aus Stein, Ton, Glas und Metall, überwiegend Funde aus Gräbern von der vorisraelitischen bis zur arabischen Zeit. In der ethnologischen Abteilung war „das bäuerliche Haus-, Akker- und Handwerksgerät Palästinas in großem Umfang zumeist in Originalen" vertreten. Dazu kam eine fast vollständige Sammlung der Musikinstrumente des Landes. Später wird 6
DALMAN,
Jahresbericht des Instituts für das Arbeitsjahr 1910/11, PJ 7, 1911,
3f. 7 DALMAN,
Jahresbericht des Instituts für das Arbeitsjahr
1906/07,
PJ
3,
1907, 3.
8 Der Stiftungsvorstand stimmte diesen „Grundsätze(n) für die Anlegung eines Museums der Anstalt" zu. Brief BARKHAUSENS an DALMAN, 20.8.1903, Dalman-Nachlaß Greifswald. 9 PJ 1,1905,16.
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noch ein Schrank mit Kostümen genannt. 10 Die naturwissenschaftliche Abteilung- bestand 1905 aus einem Herbarium, das man f ü r das Institut angeschafft hatte. In den folgenden Jahren wuchs das Museum sowohl durch Schenkungen als auch durch gezielte Ankäufe. Von Ausgrabungen des Deutschen Palästinavereins erhielt DALMAN eine nach Perioden geordnete Sammlung von Keramik, die im Laufe der Zeit durch Funde von ihm selbst noch ergänzt wurde. Er begann außerdem, eine Sammlung der für Palästina typischen Gesteinsarten anzulegen und ließ Kalksteinmodelle von Keltern, Ölpressen, Grabanlagen und Bauernhäusern anfertigen. Hinzu kam eine Vogelsammlung, die im Jahre 1912 314 Exemplare der einheimischen und wandernden Vögel umfaßte und in Palästina ziemlich einmalig war. 11 Schließlich gab es noch eine Sammlung von Weichtieren und eine Münzsammlung. 1922 kam ein Teil dieser Objekte nach Greifswald. DALMAN hatte im Sommer 1914 seinen Urlaub in Deutschland verbracht. Der Ausbruch des Krieges ließ eine Rückkehr nach Jerusalem vorerst nicht geraten erscheinen, zumal unter diesen Bedingungen eine Fortsetzung der Institutsarbeit kaum möglich gewesen wäre. Schließlich nahm er zum 1. Oktober 1917 einen Ruf nach Greifswald auf ein alttestamentliches Extraordinariat an. Schon bald suchte er nach Möglichkeiten, auch in Greifswald seine Jerusalemer Tätigkeit in irgendeiner Weise fortzusetzen. Auf seine Anregung hin wandte sich die Fakultät bereits im Januar 1918 an den Minister mit der Bitte, die Errichtung eines Palästina-Instituts in Greifswald zu genehmigen. Die zunächst ablehnende Haltung des Ministeriums hatte rein finanzielle Gründe und wurde folglich auch nicht länger aufrechterhalten, als die „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Greifswald" 1000 Mk dafür bereitstellte. Die erforderliche Genehmigung erteilte der Minister am 31. Januar 1 9 2 0 . Nun sah DALMAN die Voraussetzungen gegeben, der Palästinawissenschaft innerhalb der Theologischen Fakultät einen 10 Brief DALMANS an den Vorstand der Stiftung, 23.8.1921, Evangelisches Z e n t r a l a r c h i v B e r l i n ( E Z A ) 55/10, B d . 2. 11 DALMAN, J a h r e s b e r i c h t d e s Instituts f ü r d a s A r b e i t s j a h r 1911/12, PJ 8 , 1912,
10.
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Platz zu verschaffen, was aus seiner Sicht auch im Sinne des Jerusalemer Instituts war und diesem zugute kam. War doch damit für künftige Stipendiaten die Möglichkeit gegeben, sich auf ihren Aufenthalt im heiligen Land vorzubereiten. Aber auch all denen, die an keinem Lehrkurs teilnehmen konnten, wurde dadurch das Land der Bibel anschaulich gemacht. Allerdings benötigte man zu diesem Zweck, mehr noch als in Jerusalem, das entsprechende Anschauungsmaterial. Was 1922 aus dem Jerusalemer Institut nach Greifswald gekommen war, fand schließlich vier Jahre später seinen festen Platz in zwei eigenen Räumen. Anläßlich von DALMANS 70. Geburtstag am 9. Juni 1925 hatte G E R H A R D K I T T E L Freunde und Schüler D A L M A N S sowie wissenschaftliche und kirchliche Einrichtungen des In- und Auslandes zu einer Sammlung aufgerufen, die der weiteren Ausgestaltung des Palästina-Institutes dienen sollte. Das Echo war noch größer als erwartet. Von dem Geld wurden die beiden schon genannten Räume gemietet, und im Februar 1926 fand die Einweihung des Institutes statt, das auf Antrag der Fakultät nun DALMANS Namen erhielt. In seinem Bericht über diese kleine Feier gab DALMAN einen Überblick über alle Bestände des Instituts.12 Hier war zunächst die Steinsammlung zu nennen, in Verbindung damit eine Sammlung der Erdarten des Landes. DALMANS Herbarium mit über 900 Arten gehörte dazu und eine für Palästina fast vollständige Hölzersammlung, die der Küster der Erlöserkirche in Jerusalem begonnen und der DALMAN neben weiteren Baumscheiben auch Disteln und andere verholzende Gewächse sowie die Früchte einiger Bäume hinzugefügt hatte. Die Getreidepflanzen waren in seinem Herbarium vorhanden. Es gab aber auch in Glasfläschchen eine Sammlung von Produkten, die bei der Verarbeitung des Getreides auf der Tenne und in der Mühle entstehen und allerhand Samen bis hin zum Unkrautsamen. Selbst eine, wenn auch bescheidene, archäologische Sammlung hatte das Institut vorzuweisen. Es waren Geschenke des Leiters der englischen Ausgrabungen im Gelände der alten 12 DALMAN, Das Palästina-Institut der Universität Greifswald, PJ 22, 1926, 132-140.
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Davidstadt, Rev. DUNCAN, und von F. BADE, der in Mizpa ausgegraben hatte. Hinzu kam eine Sammlung von Ollampen mit Exemplaren von der vorisraelitischen Zeit bis in die Gegenwart. Schließlich nannte DALMAN Landkarten — darunter drei Reliefkarten von Pater R. KOEPPEL S . J . in Tübingen —, die umfangreiche Fotosammlung und die Bibliothek, die sowohl Palästinaliteratur als auch Literatur zum Judentum enthielt. Später bekam das Institut noch Funde aus Sichern von ERNST SELLIN und von den Grabungen auf der Dormitio — bereitgestellt durch die staatlichen Museen. Als dann im Herbst 1929 die gesamte Theologische Fakultät im Hauptgebäude der Universität zusammengefaßt wurde, fand auch das Gustaf-Dalman-Institut dort seinen Platz. In diesem Bericht aus dem Jahre 1926 vermerkte DALMAN auch, daß das Institut noch keine ethnologische Abteilung besitze. Man habe aber die Absicht, „wenigstens in der Form von Modellen die Typen der wichtigsten Hausformen, Geräte, Werkzeuge, Musikinstrumente, Gewänder" den Sammlungen hinzuzufügen. Dann erst seien alle Gebiete vertreten, auf welchen Palästina Lehr- und Lernmittel liefern kann. 13 Was das Institut heute an Gegenständen des täglichen Gebrauchs besitzt — u.a. einige Sicheln, Hirtenstöcke und eine Steinschleuder, ein hölzernes Türschloß, zwei von DALMAN angefertigte Webstuhlmodelle, zwei Schalmeien, alles Dinge, die in DALMANS Hauptwerk „Arbeit und Sitte in Palästina" abgebildet sind — dürfte demnach erst nach DALMANS Tod von der Dalman-Stiftung erworben und dem Institut eingegliedert worden sein. Vom Umfang her ist es zweifellos sehr bescheiden. Aber während man die Gesteine und Pflanzen Palästinas im wesentlichen noch heute so antreffen kann, sind die Werkzeuge, mit denen die Bauern Palästinas noch zu Beginn unseres Jahrhunderts Getreide ernteten oder die zur Ausrüstung der Hirten gehörten, längst durch moderne Geräte und Techniken verdrängt, und es wäre heute wahrscheinlich auch schwer zu erfahren, wie die Webstühle der Bauern und Beduinen ausgesehen haben, um noch einmal solche Modelle anzufertigen, wie DALMAN sie 13 A . a . O . , 138.
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hergestellt hat. Deshalb sind gerade auch diese Stücke von besonderem, einmaligem Wert. Umso mehr verwundert es, daß A L F R E D JEPSEN in seinem Aufsatz „Das Gustaf-Dalman-Institut für Biblische Landes- und Altertumskunde und sein Begrün• • ist der" 14 diese Dinge nur ganz pauschal erwähnt. 15 Vielleicht das aber kein Zufall. Die Gesteinssammlung, die Hölzer, das Herbarium, die Keramik ließen sich ohne weiteres den jeweiligen Fachdisziplinen innerhalb des Gesamtspektrums der Universität zuordnen und könnten dort als „Geologie Palästinas", „Flora Palästinas" etc. ihren Platz finden. Ethnographie und Ethnologie gehören nicht unbedingt zum klassischen Fächerkanon der Universität, und die wenigen Objekte machen zwangsläufig eher den Eindruck des Zufälligen, vielleicht sogar Banalen. Von daher mag es nachvollziehbar sein, daß JEPSEN es nicht für wichtig hielt, näher darauf einzugehen. Doch nicht nur ihrer oben skizzierten Bedeutung wegen müssen sie unbedingt Erwähnung finden. Die Sammlung des Gustaf-DalmanInstituts ist mehr als eine Zusammenstellung von Spezialkollektionen verschiedener Disziplinen, von denen man in einer Beschreibung eben die umfangreichsten und relativ vollständigsten erwähnt. Auch hier gilt: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. DALMAN bezog diese verschiedenen Gebiete aufeinander — die Ethnologie gehört als unverzichtbarer Bestandteil dazu — und band sie unter dem Begriff „Palästinakunde/Palästinawissenschaft" zusammen. Fehlt ein Steinchen in diesem Mosaik, ist das ganze Bild nicht mehr zu erkennen. Damit schuf DALMAN in Grunde etwas Neues. In dem von ihm entworfenen Brief der Fakultät an den Minister bezüglich der Errichtung eines Palästina-Institutes definierte er Palästinawissenschaft folgendermaßen: Die Palästinawissenschaft, deren die Theologie zu ihrer Hilfe bedarf, hat deshalb zu umfassen: Landes- und Ortskunde, Naturkunde, Altertumskunde, Volkskunde und Sprachkunde Palästinas. Keiner dieser Zweige kann betrieben werden ohne Herstellung einer Verbindung mit dem 14 WZ(G).GS 4,1954/55 , 7075. 15 „Dalmans volkskundliche Sammlungen sind wohl zumeist in Jerusalem zurückgeblieben, so daß diese Abteilung bisher nur im geringen Umfang ausgebaut i s t A . a. 0 . , 71.
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heutigen Palästina. Aber ebenso notwendig- ist die Benutzung- literarischer Hilfsmittel, welche die Vergangenheit dieses Landes erläutern, und unter denen das jüdische Schrifttum, wegen seines Reichtums an Mitteilungen über palästinische Realien voransteht. Keine Universität hatte bisher einen Lehrstuhl für den Betrieb dieser Wissenschaft, welche eine volle Manneskraft fordert und nicht nebenher betrieben werden kann.**'
Diese Konzeption lag- auch den Sammlungen des Instituts zugrunde. Doch vielleicht hing- diese Sache zu sehr an seiner Person. Auf jeden Fall war er auf diesem Gebiet ein Einzelgänger, so wie bis heute das Gustaf-Dalman-Institut eine mindestens in Europa einzigartige Einrichtung ist, deren Bedeutung erst in den letzten Jahren wieder mehr und mehr von den Fachleuten wahrgenommen wird. Die Ursachen hierfür liegen zweifellos im 2. Weltkrieg und seinen Folgen und der Isolierung der ostdeutschen Universitäten, die bis 1989 Kontakte über die Grenzen hinweg fast unmöglich machte, und zwar in beiden Richtungen. Doch J E P S E N S oben zitierte Darstellung des Instituts aus dem Jahre 1955 betrifft dessen Konzeption und erweckt den Verdacht, daß er Palästinawissenschaft wie DALMAN sie verstand, nicht mehr im Blick hatte. Er steht damit nicht allein. In der RGG (3. Aufl.) gibt es weder den Begriff Palästinawissenschaft noch Palästinakunde. Ob die TRE in dieser Hinsicht etwas bringen wird, läßt sich noch nicht sagen. Das Evangelische Kirchenlexikon von 1959 (R. BORCHERT) versteht unter Palästinakunde „alle Wissenschaftszweige, die Palästina erforschen" mit dem Ziel der „Aufhellung des Hintergrundes und Schauplatzes der biblischen Geschichte". In älterer Zeit, so heißt es weiter, hätte sich die Palästinakunde im wesentlichen mit der Archäologie gedeckt. Jetzt werden als wichtige Zweige Landeskunde, Klima, Pflanzen- und Tierwelt, Archäologie, Sitten und Bräuche und Erforschung der Sprachen der antiken Völker genannt. Unter „Literatur" wird auf weitere Stichworte (Archäologie, Biblische Nachschlagewerke, Geographie) verwiesen. Als einzige Namen werden im Zusammenhang mit der Topographie 16 Die Theologische Fakultät an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, 21.1.1918, Akten der Theologischen Fakultät, Dekanatsjahr 1917/18, UAG 107, Universitätsarchiv Greifswald.
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M . N O T H genannt und R. K O E P P E L wegen seiner Reliefkarten. In der Ausgabe von 1 9 9 2 schreibt EDWART NOORT unter diesem Stichwort:
Palästinakunde als Oberbegriff für die wiss. Erforschung Palästinas in bezug auf die hist., wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und geographischen Verhältnisse der Region galt ursprünglich als Hilfsdisziplin der
Bibelwiss.^
Als was sie heute gilt, erfährt man nicht. In anderen enzyklopädischen Systemen, so fährt er fort — und er steht dieser Auffassung- offenbar selbst auch nahe — erscheint Palästinakunde als Biblische Archäologie, worunter Feldforschung" und die Auswertung- literarischer Quellen zu verstehen sei. Für die nachbiblische Periode käme die christliche Archäologie hinzu. In einem knappen historischen Uberblick markiert er sodann drei Etappen für die Palästinakunde: Bis ins 19. Jahrhundert erschöpfte sie sich hauptsächlich in der Erforschung" literarischer Quellen. Dann kamen im Rahmen der großen Forschungsreisen Vermessungen und Ausgrabungen hinzu und schließlich, seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, die Feldarchäologie. Nach einer Aufzählung der wichtigsten außerbiblischen literarischen Quellen nennt er dann Personen und vor allem Institutionen, die zur Forderung der Palästinakunde beigetragen haben: der Palestine Exploration Fund, die American Palestine Exploration Society und der Deutsche Verein zur Erforschung Palästinas. Nach dem vorher Gesagten überrascht es kaum, daß weder GUSTAF DALMAN noch das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes erwähnt werden und DALMAN auch in den Literaturangaben nicht zu finden ist. Mit dieser Tendenz, Palästinakunde — wenn man denn überhaupt noch davon spricht — mehr oder weniger auf Archäologie zu reduzieren, ist schließlich auch ihre Loslösung von der Theologie verbunden. N O O R T S Satz: Ursprünglich war sie eine Hilfsdisziplin der Bibelwissenschaft — kommt da dem Verständnis DALMANS schon näher. Für ihn war Palästinakunde eine theologische Disziplin, und zwar aus verschiedenen Grün17 Evangelisches Kirchenlexikon, 1992,1005.
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den. Zum einen sah er in ihr tatsächlich eine Hilfswissenschaft, vergleichbar etwa dem Hebräischen und Griechischen, ohne das man keinen Zugang zum Urtext der Bibel hat. Denn da die biblischen Texte für Palästina verfaßt seien, setzten sie bei den Lesern Palästinakenntnisse voraus und ließen manches ungesagt, was man aber eben Bewohnern anderer Gegenden der Erde ausführlich erklären muß.18 Zur Illustration führt er das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24—30) an. Man hat gesagt, es sei für die Auslegung der Worte Jesu gleichgültig1 zu wissen, welche Unkräuter in Palästina auf dem Acker vorkommen. Nun scheint es doch, daß die nicht klare Erkennbarkeit des Unkrauts während des Wachstums des Getreides für eines seiner Gleichnisse wesentlich ist. Dann ist es auch von Bedeutung1, daß die Qx^avia von Matth. 13 und der zauwän der jetzigen Palästiner die Grasart Taumellolch (Lolium temulentum) ist, welche in der Botanik in unmittelbarer Nähe des Weizens aufgeführt wird und welche nach dem heutigen Volksglauben der Palästiner als seine denaturierte Entstellung zu betrachten ist.^
Zum anderen ist ja aber die Bibel selbst ein Produkt Palästinas, auf diesem Boden entstanden und gewachsen und somit auch Gegenstand, Objekt der Palästinawissenschaft. Von daher kann DALMAN sogar formulieren: Die biblische Theologie ist insofern ein Zweig der Palästinawissenschaft und darf deshalb nicht ohne Rücksichtnahme auf alle anderen Zweige dieser Wissenschaft betrieben werden.
Und dann, etwas weniger steil: Man kann sogar sagen, daß sie (die biblische Theologie, d. Vfn.) im Grunde die Klammer ist, welche die gesamte Palästinawissenschaft zusammenhält, die Seele, welche ihr die ihr eigene Bedeutung für die Menschheitskultur verleiht, der Geist, durch welchen Palästina den Erdkreis erobert.^®
Wie auch immer man die Beziehung zwischen Theologie und Palästinawissenschaft definieren mag — nach DALMANS Verständnis gehören sie zusammen, und zwar nicht nur additiv, 18 DALMAN, Daß und wie wir Palästinaforschung treiben müssen, PJ 20,1924, 17. 19 A . a . O . , 18. 20 A . a . O . , 8.
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als sich ergänzende Teile, sondern miteinander verzahnt und verwoben. So wie die Bibel als Produkt Palästinas Gegenstand der Palästinawissenschaft ist, ist auf der anderen Seite das heilige Land Gegenstand der Theologie. Sein Buch „Orte und Wege Jesu" beginnt von der 2. Auflage an mit einem Kapitel „Das Land Jesu". Hier erläutert DALMAN sein Anliegen und die Voraussetzungen, von denen er dabei ausgeht. Er bezeichnet seine Aufgabe als die eines „Geographen des Lebens Jesu" 2 1 , will aber weit mehr, als auf der Karte oder in der Landschaft Punkte bezeichnen, an denen sich einzelne Episoden im Leben Jesu zugetragen haben. Die Ortskenntnis der Evangelisten sei ohnehin nicht durchweg zuverlässig. Die Frage aber nach der historischen Bedeutung eines Ortes, die Suche nach bestimmten, in der Bibel erwähnten Plätzen, Gebräuchen, Werkzeugen, Gebäuden hält er für verfehlt, weil „doch ganz Palästina in ir99 gendwelchem Sinne ein biblisches Dokument" sei, kein Punkt des Landes in seiner Vereinzelung-, sondern nur im Zusammenhang' mit seiner näheren und ferneren Umgebung- geschichtlich etwas hat bedeuten können und ... jeder einzelne Punkt, selbst wenn in der Geschichte niemals genannt, für das Ganze mitbestimmend gewesen ist. 2 3
forderte also für Palästina insgesamt, was er einzelnen Orten absprechen will: den Nimbus des Schauplatzes bedeutender Ereignisse. Den hat es aber nicht in erster Linie, weil die Erzväter, die Könige Israels, die alttestamentlichen Propheten und Jesus dort gelebt haben. Dann wären wirklich nur bestimmte Orte und Verkehrswege von Interesse. Das Land Palästina als solches ist für DALMAN eine theologisch qualifizierte Größe, weil Gott es zum Ausgangspunkt und Schauplatz der Heilsgeschichte erwählt hat. DALMAN
Gott hat gewollt, daß die für alle Menschen bestimmte Kundgebung seines Wesens und Willens in ihrer Erscheinungsform für keinen Bewohner
21 DALMAN, Orte und Wege Jesu, Gütersloh 21921 , 8. 22 DALMAN, Daß und wie wir Palästinaforschung treiben müssen, PJ 20, 1924, 8. 23 DALMAN,
Orte und Wege Jesu, 19212, 9 .
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des Erdballs völlig- fremdartig sein sollte. Deshalb ließ er sie in Palästina sich geschichtlich entfalten und Fleisch werden,^
weil hier eine ungewöhnlich große Vielfalt der Vegetation, des Klimas und der Jahreszeiten zu finden ist. Die Erwählung" des Landes ging der Erwählung des Volkes Israel und der Menschwerdung" Gottes in Jesus Christus voraus und verbindet deshalb nicht nur diese beiden Heilsereignisse, sondern auch Altes und Neues Testament, Judentum und Christentum. Wenn die Theologie das vergißt, wenn sie die Palästinawissenschaft und die Ergebnisse ihrer Arbeit beiseiteläßt, verliert sie buchstäblich den Boden unter den Füßen. Es war D A L M A N S Anliegen, immer wieder zu betonen, daß die biblische Geschichte kein Schauspiel ist, welches auf dem zufälligen Ort irgendeiner Bühne, die man auch durch eine andere ersetzen könnte, über die Bretter gegangen ist, sondern ein von Gott in den dafür bereiteten Boden gesenktes Gewächs, dessen Blätter, Blüten und Frucht in organischem Zusammenhang mit ihm stehen und in allen Teilen ihre Herkunft verraten
Jesus von Nazareth, der im Mittelpunkt des Christentums steht, ist von Palästina, wo er gelebt hat und gestorben ist, nicht zu trennen. In diesem Zusammenhang bezieht DALMAN ausdrücklich Front gegen verschiedene theologische Strömungen vor und nach dem 1. Weltkrieg. Schon in seiner Ansprache zur Eröffnung des Instituts in Jerusalem im Jahre 1903 hatte er unter Bezugnahme auf den Bibel-Babel-Streit betont, daß man sich nicht beirren lassen wolle „durch die Wünsche derjenigen, welche die Geschichte der göttlichen Offenbarung zu einem bescheidenen Kapitel in der Religionsgeschichte des Orients herabzudrücken bemüht sind." 26 Und auch in späteren Beiträgen zum Thema Theologie und Palästinaforschung fehlt nie eine deutliche Ab-
24 A . a . O . , 1. 25 DALMAN, Das Palästina-Institut der Universität Greifswald, PJ 22, 1926, 139. 26 DALMAN, Entstehung und bisherige Entwicklung des Instituts, PJ 1, 1905, 17.
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sage an jeden „Panbabylonismus" 27 . Zur 3. Auflage von „Orte und Wege Jesu" (erschienen 1924) schrieb dann ein Rezensent: Für die große Streitfrag« der Zeit wirft das Buch den Gewinn ab, daß es einen starken Eindruck von der engten Verflochtenheit der evangelischen Uberlieferung mit dem palästinischen Mutterboden vermittelt und damit die Auflösung des Christusgeschehens in Mythus als ein wissenschaftlich nicht zu rechtfertigendes Unterfangen dartut.2® DALMAN war hier auf BULTMANNS 1 9 2 1 erschienene „Geschichte der synoptischen Tradition" eingegangen. Gegen die Postulierung von Kultlegenden und Mythen verwies er darauf, daß die alte Kirche „mit der schlichten Erzählung von der geschichtlichen Tatsächlichkeit einer Person, die Gott zu Großem bestimmt hat", vor die Welt trat. Die biblische Geschichte sei eben keine Sammlung von Erzählungsstoffen, die auch bei anderen Völkern zu finden sind. Eine solche Meinung könne nur entstehen, wenn man ihre Beziehung zu dem Land, in dem sie sich abgespielt hat, außer acht läßt. So trägt im Verständnis DALMANS die Palästinawissenschaft dazu bei, daß die Theologie bei ihrer Sache bleibt und sich nicht auflöst in allgemein religiöse und sittliche Gedanken. Sie verweist immer wieder auf die jüdischen Wurzeln des Christentums und auf die Menschwerdung Gottes. Im Rahmen einer 1922 erschienenen Schrift „Greifswalder Reformgedanken zum Theologischen Studium" hat DALMAN diese Gedanken dann im Hinblick auf die Theologenausbildung entfaltet. Im Mittelpunkt des Studiums muß die Bibel stehen, und zwar die Bibel als untrennbare Einheit von Altem und Neuem Testament. Aber erst durch die Kenntnis der der Bibel eigenen Sprachen und ihres geschichtlichen und kulturellen Hintergrundes im weitesten Sinne, eben durch das Wissen von ihrem Land, von Palästina, kann sie tatsächlich verstanden, kann die Wirklichkeit des in den biblischen Texten Geschriebenen erfaßt und gegenständlich werden. Deshalb darf auch der akademische Unterricht nicht in einen palästinafremden Teil und eine Belehrung über Palästina zerfallen, sondern muß die Darstellung des Zusammen-
27 DALMAN, Die Theologie und Palästina, PJ 17, 1921, 7; Daß und wie wir Palästinaforschung treiben müssen, PJ 20,1924,15. 28 H. DUENSING, GGA 18,1926, 91.
Palästinawissenschaft als theologische Disziplin
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hangs von Natur und Kultur Palästinas und biblischer Geschichte zum Ziel haben. 2 9 Von DALMANS eigenen Lehrveranstaltungen — die letzte hielt er 1938, mit 83 Jahren — sind nur die Themen bekannt, es existieren weder Manuskripte noch Mitschriften. Aber in seinem Hauptwerk „Arbeit und Sitte in Palästina" (7 Bände, 1928ff., der 8. Band ist unvollendet geblieben) hat er eindrucksvoll vorgeführt, wie er Palästinawissenschaft verstand. Bis kurz vor seinem Tod im August 1941 hat er daran gearbeitet und ein für jeden Exegeten unentbehrliches Werk geschaffen.
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DALMAN,
Die Theologie und Palästina, PJ 17,1921, 9.
THOMAS WILLI
Stummes Zwiegespräch Judaica und Judaistica der Bibliothek des Gustaf-Dalman-Institutes an der Theologischen Fakultät Greifswald I. Entstehung und Bestand Raum 16 der Theologischen Fakultät im Hauptgebäude der Universität Greifswald atmet eine besondere Atmosphäre. Das Hinterzimmer, eine Art Arcanum des Gustaf-Dalman-Institutes, beherbergt die Hebraica und Hebraistica, Judaica und Judaistica der Dalman-Bibliothek. Das Institut firmiert zwar seit 1946 als „Gustaf-Dalman-Institut für biblische Landes- und Altertumskunde". 1 Tatsächlich vermittelt diese Bezeichnung- nur eine eingeschränkte und einseitige Vorstellung- von der Zielsetzung- der Sammlung-, wie sie G U S T A F DALMAN (1855—1941) ursprünglich vorgeschwebt haben mag-. Der bei der Gründung- des Instituts verwendete Begriff der „Palästinawissenschaft" 2 wollte sicher möglichst offen ver1 Dem Antrag der Theologischen Fakultät auf Umbenennung des „GustafDalman-Instituts für Palästinawissenschaft" in „Gustaf-Dalman-Institut für biblische Landes- und Altertumskunde" entsprach der Rektor der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald mit Schreiben an den Dekan der Theologischen Fakultät vom 19.1.1946 (Universitätsarchiv UAG R 203). 2 Am 6.2.1920 gab der Kurator dem Rektor und dem Senat der Universität bekannt, daß der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Einrichtung eines Instituts für Palästinawissenschaft unter Leitung von G U S T A F D A L M A N genehmigt habe (Universitätsarchiv UAG R 203). Damit sollte Dalman auch in Greifswald eine Fortführung seiner Forschungen ermöglicht werden, die er als erster Direktor des Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes von 1902 bis 1916 in
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Thomas Willi
standen werden und sollte all die weitgefächerten sprachlichen, archäologischen, landeskundlichen, historischen und theologischen Interessen DALMANS decken. Vieles spricht dafür, daß die judentumskundlichen Bestandteile Kern und Ausgangspunkt für DALMANS unermüdliche Sammlertätigkeit darstellen. Zwar ist heute kaum mehr zu eruieren, wie DALMAN ZU den zum Teil seltenen Werken gekommen ist. Den Grundstock dazu dürfte er aber sicher schon in der Zeit vor seinem Jerusalemaufenthalt gelegt haben. Dann kämen in erster Linie die Jahre seines Wirkens in Leipzig in Betracht, wo er am Institutum Judaicum in ISRAEL KAHANE einen Mitarbeiter mit Verbindungen zum osteuropäischen Judentum an der Seite hatte 3 — verschiedene der älteren Druckwerke scheinen auf diesem Umweg zu DALMAN gelangt zu sein. Die Vorrede zu der Sammlung jüdisch-deutscher Volkslieder, die GUSTAF HERMANN DALMAN 1888 in Leipzig herausgab, zeigt jedenfalls, wo sein Herz schlug (Sign. J XI 69). „Man würde gerechter sein", meint DALMAN hier, wenn man das Judentum nicht bloß nach Traditionen und geistigen Höhenflügen der Vergangenheit beurteilte, sondern es als lebendige Größe zur Kenntnis nähme: wenn man nach den gegenwärtigen Geistesprodukten der Juden fragte, und dann eben vorzugsweise nach solchen, welche für die Öffentlichkeit des nichtjüdischen Volkslebens nicht bestimmt sind. Wenn ein Dichter, dessen Lied in den Volksmund übergeht, das erste Recht hat, als Dolmetscher der Empfindungen seines Volks betrachtet zu werden, so erheben die Dichtungen, von denen wir hier eine kleine Auswahl mitteilen,
Jerusalem in Angriff genommen hatte. Dazu vgl. J. MÄNNCHEN, Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald 1902-1941: ADPV 9/II (1993). - Am 9.6.1925, dem 70. Geburtstag GUSTAF DALMANS, wurde die Bezeichnung des Instituts erweitert zu „Gustaf-Dalman-Institut für Palästinawissenschaft". Gleichzeitig wurde die GustafDalman-Stiftung ins Leben gerufen, die dem Institut den Ankauf der reichen Material-, Bilder- und Büchersammlungen ermöglichen sollte, die bis dahin DALMANS persönliches Eigentum darstellten. 3 Mündlicher Hinweis von Frau Privatdozentin Dr. JULIA MÄNNCHEN. Vgl. auch DIES., Gustaf Dalmans Leben und Wirken in der Brüdergemeine, für die Judenmission und an der Universität Leipzig 1855—1902: ADPV 9/1 (1987).
Stummes Zwiegespräch
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begründete Anspruch auf das Interesse edler derer, welchen es um wahrheitsgemäße Kenntnis des Judentums zu thun ist.^
„Wahrheitsgemäße Kenntnis des Judentums" zu vermitteln, dürfte auch das Ziel gewesen sein, von dem sich D A L M A N bei seiner Sammeltätigkeit und beim Aufbau der judaistischen Bereiche seiner Bibliothek leiten ließ. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Gewiß haben die Zeitläufte und die wechselvolle Geschichte, der die Universität Greifswald und ihre theologische Fakultät in den letzten 60 Jahren ausgesetzt waren, dazu geführt, daß auch die Judaica-Bestände der DALMAN-Sammlung alles andere als lückenlos sind. Aber die Bibliothek hat ihren Reiz, der sich vor allem in der Zusammensetzung und in ihren zum Teil höchst seltenen fast drei Dutzend Erstdrucken äußert, bis heute bewahrt. Die menschlichen Züge des Begründers und seine theologische Haltung sind unverkennbar. Die Zusammenordnung von jüdischer Literatur und christlicher Bemühungen um ihre Würdigung berührt wie ein stummes Zwiegespräch, dessen Bedeutung einer Generation nach der Schoa doppelt vor Augen steht. Bei allen Desideraten bildet die Judaica-Abteilung des Dalman-Instituts ein geeignetes Instrument für Lehre und Forschung an dem 1994 neu eingerichteten Lehrstuhl für Altes Testament, Kunde des Judentums und Religionsgeschichte. Eine kürzlich erfolgte bibliothekswissenschaftliche Aufnahme der historischen Bestände der Bibliothek der Theologischen Fakultät zählt auf dem Gebiet der Judaica nicht weniger als 51 Titel aus dem 16. Jahrhundert, 49 Titel aus dem 17. Jahrhundert, 81 Titel aus dem 18. Jahrhundert und 899 Titel aus dem 19. Jahrhundert. 128 Titel sind undatiert. 5 Einen Hinweis auf die Zusammensetzung vermittelt schon die Tatsache, daß von den Druckwerken in hebräischer Sprache 48 im 16., 25 im 17., 51 im 18. und 298 im 19. Jahrhundert erschienen sind und daß den 386 rein alttestamentlichen Titeln aus dem 19. Jahrhundert 4 5
G U S T A F H E R M A N N D A L M A N , Jüdischdeutsche Volkslieder: Schriften des Institutum Judaicum Leipzig Nr. 20-21, Leipzig (1888) IV. P E T E R W O L F F , Die historischen Bestände der Bibliothek der Theologischen Fakultät Greifswald. Abschlußarbeit am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin vom 12. Juni 1993 (maschinenschriftlich), 15.
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nur 10 aus dem 18. und 6 àus dem 17. Jahrhundert gegenüberstehen. 6 In der Zusammensetzung- der Bücherbestände steht also die Dokumentation jüdischer Geistesgeschichte und jüdischer Bibelrezeption im Vordergrund. Sie ist es, die den Zugang- zum Alten wie zum Neuen Testament eröffnet. Das charakterisiert die Bibliothek des Dalman-Instituts der Theologischen Fakultät, von dem ALFRED JEPSEN zum 500-Jahr Jubiläum der Universität Greifswald urteilte, es sei „in dieser Art einzig." 7
II. Annäherung-en der französische jüdische Denker, hat das traditionelle Verhältnis des Christentums gegenüber dem Judentum auf die knappe Formel eines durchgängigen „enseignement du mépris" gebracht. Aus der von dieser „Lehre der Verachtung bzw. Verächtlichmachung" geprägten langen Geschichte heben sich zwei Epochen der europäischen Geistesgeschichte besonders heraus, die dieses generelle Urteil gerade dadurch bestätigen, daß und weil sie Ansätze zu einer anderen Haltung aufweisen: Das Zeitalter der Renaissance und das Zeitalter des Barock. Intensivere Beschäftigung mit den Grundlagen des Judentums bereitete in beiden Perioden den Boden für den Aufbruch zu neuen geistigen Ufern, Reformation der Kirche beziehungsweise Erneuerung von Schule und Erziehung im 16. Jahrhundert, Aufklärung beziehungsweise Demokratisierimg der Bildung im 18. Jahrhundert. Theologiegeschichtlich ist es bedeutsam, daß diese Aufbrüche Hand in Hand mit einer neuen Zuwendung zum Alten Testament gingen, und zwar unter Einbezug seiner Uberlieferung und Bedeutung als der heiligen Schrift des Judentums. Daß die Wissenschaft vom Alten Testament und Kenntnis und Wissenschaft vom Judentum im 19. Jahrhundert zunehmend auseinanderdrifteten, hat verschieJULES ISAAC,
6 WOLFF, Bestände, 16—17. 7 A L F R E D JEPSEN, Das Gustaf-Dalman-Institut für biblische Leindes- und Altertumskunde und sein Begründer, in: FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald 17.10.1956, Bd. 2,1956, 7 0 - 7 5 ; das Zitat S. 71.
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dene Gründe. Vor allem trug- es bei zu den theologischen Mangelerscheinungen des gegenwärtigen 20. Jahrhunderts und zur Lähmung- der Kirche und ihrer Lehre gegenüber den Parolen, die das antisemitische Zerstörungswerk vorbereiteten und sein Vernichtungsprogramm begleiteten. Zu jener untrennbaren Einheit zwischen der Bibel und ihrem ursprünglichen Adressaten, dem jüdischen Volk, müssen wir heute erst wieder zurückfinden. Historische Besinnung in der durch DALMANS Sammlung gewiesenen Richtung ist dazu nötig. Die neue Beschäftigung mit der Heiligen Schrift auf der Grundlage ihrer hebräischen Grundsprache im humanistischen Deutschland ist mit dem Namen von JOHANNES REUCHLIN (1455—1521) verbunden. Die Bedeutung seines religiös motivierten Einsatzes für die Erschließung der hebräischen Sprache im Blick auf die Erneuerung der Kirche und für die Bewahrung der jüdischen Traditionsliteratur vor den Angriffen einer antijudaistischen Theologie ist erst in der Barockzeit deutlicher erkannt und formuliert worden — nicht zuletzt deshalb, weil sich die Aufgabe hier neu stellte. JOHANN GOTTFRIED HERDER etwa sieht sie in Aufnahme und Fortführung der vom Humanismus gelegten Anfänge. In dieser Perspektive schreibt er 1777 über REUCHLIN: Nach Orient hin hat er uns die Thür geöffnet; zu den verschlossenen Heiligthümern des Worts Gottes und der Morgenländisehen Weisheit den verödeten Weg wieder gebahnet. Morgenland nicht blos wiedergefunden, sondern auch verfochten bis ans Ende seines Lebens, und es von dem ihm gedrohten Untergange, als ein Held, der sich aufopferte, gerettet. ... Es herrscht in seinen Aufsätzen, selbst bis auf seine .. Vertheidigung der Kabbala und der Rabbinen, eine Stille und Tiefe des Geistes, die da zeigt, dass er die Perle funden habe, und über die Scheden und Hüllen der Wissenschaft ihren Kern gekostet. ...Selbst wo er, zu nahe den Rabbinen und der damals blühenden Platonisch-Pythagoräischen Philosophie, uns überspannt scheint, sieht man den Menschen von Kraft und Weisheit. ... Reuchlins Freunde standen ihm (für eine gerechte Würdigung) zu nahe; wir stehn ihm zu weit und fast zu schief, da er doch ewig nicht blos der Erwecker, sondern was noch mehr ist, der Beschützer der Orientalischen Literatur bleibet. Lasst es seyn, dass er sie noch mit fremden Binden umwickelt sah und hinter sich Hess; eben das erhöht sein Verdienst, dass er durch diese Binden hindurch zu blicken wusste. Er sprach das Machtwort: „Stehe auf! Komm herauf, Todter!" Der Todte kam, wie er war, mit Rabbinischen Grabtüchern umwunden, und sein
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Thomas Willi Haupt mit dem Schweistuch der Kabbala verhüllt; das zweite Wort war und ist ungleich leichter: „Löset ihn auf und lasst ihn gehen!" Und das ist das gelobte Verdienst der Folgezeit Reuchlins gewesen.®
Die ältesten und kostbarsten Bestandteile der DALMANschen Judaica-Sammlungen gehören denn auch dem Zeitalter REUCHLINS an. Italien, wo er seine hebraistischen Kenntnisse bei keinem Geringeren als R. OBADJA SFORNO in Rom vervollkommnete, ist auch das Ursprungsland der hebräischen Typographie. Schon den jüdischen Chronisten des 1 6 . Jahrhunderts gilt DANIEL BOMBERG nach den Soncinaten als „Vater des hebräischen Buchdrucks" und einer der •'piDH der r r nil3S? \ •'Ton, •• • - : ' der „Frommen " Völker". Der aus Antwerpen stammende christliche Drucker hat in Venedig unter Einsatz — und Verlust — seines ganzen Vermögens gewirkt und ist dort 1 5 4 9 (oder 1 5 5 3 ? ) verstorben. 9 Seine Offizin ist in Greifswald mehrfach vertreten. Vorhanden ist die Ausgabe Venedig 1 5 1 7 — 1 5 1 8 des wohl berühmtesten alten Prophetenkommentars, jenes des R . DAVID KIMCHI ( 1 1 6 0 — 1 2 3 5 ) , die in den Partien der prophetae priores die editio princeps darstellt (Sign. J I 25) und parallel zur ersten Ausgabe der Biblia rabbinica steht, die DANIEL BOMBERG 1516—17 in Venedig herausgab. Vertreten ist auch der Erstdruck des ganzen babylonischen Talmud, den BOMBERC selbenorts von 1 5 2 0 bis 1 5 2 3 besorgte. An ihr orientiert sich bekanntlich die äußere Form 8 Sämtliche Werke, hrsg. von BERNHARD SUPHAN ( S T F S ) 9, 514—516. Vgl. dazu das gleichzeitige Gedicht S I F S 1, 242—246. Auch im Lebensbild HUTTENS schwingt H E R D E R S Sympathie spürbar mit: „Seine Bücher .. sind Stimme aus seinem Leben, .. Handlung. .. Und nun drang ihn die B e klemmung, in der damals die Ehre und das Licht Deutschlands, ein verdienter Mann von manchen noch unerkannten Seiten, Reuchlin, war, zu Herzen ..: er machte sich .. auf, zu helfen. .. Kurz, diese Schrift [die Epistulae obcurorum virorum] Huttens überwand für Reuchlin mit. .. Möchte zu unsrer Zeit ein Hutten epistolas clarorum virorum schreiben! .. Hutten bahnte Luthern unwissend den Weg, und half ihm nachher, da er ihn kannte, treulich. .. Huttens und Sickingens Werk ging unter. Es war der Punkt, dass Deutschland andre Gestalt gewinnen konnte ..; es sollte nicht seyn. .. Liegt in ihrem Untergange, der Katastrophe deutscher Freiheit, nicht eben die grösste L e h r e ? " (STFS 9, 479.481f.486.495f.) (Im Original gesperrter Text wurde hier kursiv gesetzt). 9 Vgl. A . M . HABERMAN, The Printer Daniel Bomberg - and the List of Books Published by his Press (hebr.) ( S a f e d - T e l 'Aviv 1 9 7 8 ) .
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und die Zitierweise sämtlicher Druckausgaben10 des babylonischen Talmud bis heute: jeweils Textbeginn eines Traktats auf Blatt 2, da 1 dem Titelblatt vorbehalten ist; Vorder- und Rückseite jeden Blatts werden als a und b gezählt.11 Die Seitenaufteilung richtet sich in allen Ausgaben nach der editio princeps, ebenso die Beifügung des Raschi-Kommentars auf der Innenseite des Textes, der Tosafot auf der Außenseite. Von diesem Erstdruck des babylonischen Talmud finden sich in Greifswald Teile aus den Ordnungen Naschim (Traktate Nedarim, Nazir und Sota) und Neziqin (Traktate Sanhedrin, Schebuot, Edujot, Pirqe Abot und Horajot) (Sign. J IV 1). Das Zeitalter REUCHLINS war für das jüdische Volk insgesamt durch die Katastrophe der Vertreibung aus Spanien überschattet. Unter größten Schwierigkeiten gelang es den Entrechteten und aus ihrer Heimat Geflohenen, vor allem im osmanischen Reich eine neue Existenz aufzubauen und den Faden der unvergleichlich hochstehenden sefardischen Kultur und Uberlieferung neu anzuknüpfen. Davon legen die Bücher mit dem Druckort Konstantinopel ein stilles Zeugnis ab. Hier hatten JEHUDA NACHMIAS und sein Sohn SAMUEL nach ihrer Flucht aus Spanien den Grund zu einer exquisiten Buchdruckerei gelegt. In Ergänzung zum Programm der Familie SONCINO in Italien verlegte man sich in Konstantinopel mit besonderer Vorliebe auf die Midraschim, die jüdischen lehrhaften Schriftauslegungen. Midraschim sind in der Dalman-Sammlung zahlreich vorhanden (vor allem unter den Rubriken Sign. J VI und Sign. J VII). Erstdrucke sind der Midrasch Bereschit Rabba, die Auslegung zum Buch Genesis, Konstantinopel 1512, der Midrasch zu den Psalmen, ebenda 1512, die Mechilta (Mechilta de Rabbi Ji•
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schmael), die Auslegung des Buches Exodus, ebenda 1515, der Midrasch zu den Samuelisbüchern ebenda 1517 (Sign. J 10 Mit einer zweiten Ausgabe begann BOMBERG selber wenig später, 1526; sie wurde 1531 abgeschlossen. 11 V g l . RAPHAEL RABBINOWICZ, TIN'PNN N O S I N bv
"LÜKO, M ü n c h e n (1866 als
Bd. I von •"HD'IO "'pTIpt erschienen, 1877 separat; von A . M . HABERMAN überarbeitet und neu hrsg. Jerusalem 1952). 12 V g l . HERMANN LEBERECHT STRACK — GÜNTER STEMBERCER, Einleitung'
Talmud und Midrasch. (71982) 241.
in
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Thomas Willi
VI l). 13 Hingegen stammt die editio princeps des Midrasch zu den 5 Megillot wieder aus Italien; sie ist 1519 in Pesaro gedruckt worden (ebenfalls Sign. J VI 1).W In Pesaro, wohin er nach kurzen Aufenthalten in Fano und Ortona soeben wieder zurückgekehrt war, hatte der berühmte GERSCHON BEN M O S C H E SONCINO, der Neffe des im 1 5 . Jahrhundert aus Deutschland eingewanderten Firmengründers JOSUA SALOMO SONCINO, vorher schon den Zweitdruck des berühmten talmudischen Wörterbuchs besorgt, das NATAN BEN JECHIEL um 1 1 0 0 in Rom angefertigt hatte und das daselbst vor 1480 als eins der allerersten hebräischen Druckwerke erschienen war: 1517 erschien das 15 T ^ - I R I N N P O in Pesaro erneut (Sign. J XXI 5 0 ) . Natürlich sind die genannten Bücher nur die Perlen einer Sammlung, die offenkundig auf eine möglichst breite Einführung der christlichen Benutzer in die biblisch-jüdische Lebensund Geistewelt angelegt ist. So fehlen daher auch nicht jene frühesten Annäherungen. Zu ihnen zählt der im „siecle de Richelieu" in Frankreich sozusagen wiederentdeckte Pugio fidei des spanischen Dominikaners RAMON MARTI' (RAIMUNDUS M A R T I N I , ca. 1 2 2 0 — c a . 1 2 8 5 ) . Das Werk aus dem Jahr 1 2 7 8 stellt die reife Frucht der christlich-jüdischen Kontroversliteratur des 1 3 . Jahrhunderts dar und ist durchaus der Summa des T H O M A S 16 VON AQUIN an die Seite zu stellen. Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als eine riesige rabbinische Zitatensammlung zur Christologie, und damit hat der Pugio fidei den christlichen Zugang zum Judentum auf Jahrhunderte hinaus vorgeprägt, aber auch bis zu einem gewissen Grad erst ermöglicht. Denn es hat vor MARTINI keinen nichtjüdischen Christen gegeben, der sich so weit in das Judentum und die jüdische Einleitung 3 2 0 . 14 H.L. STRACK — G. STEMBERCER, Einleitung' 289: „Die editio princeps Pesaro 1519 verwendet die Bezeichnungen Schir ha-Schirim Rabbati und Midrasch Schir ha-Schirim", während der Midrasch sonst nach dem zu Beginn angeführten Vers aus dem Buch der Sprüche (Spr 22,29 rPTn ~Pno KTX) auch Aggadat Chazita genannt wird. 15 JOSEPH PRIJS — BERNHARD PRIJS, Die Basler hebräischen Drucke (Ölten und Freiburg i.Br. 1964), Nr. 26 S. 49 (vgl. auch Nr. 158 S. 257f.). 16 Dazu INA WILLI-PLEIN — THOMA9 WILLI, Glaubensdolch und Messiasbeweis: FJCD 2 (1980). 13 H . L . STRACK — G . STEMBERCER,
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Traditionsliteratur eingelassen hätte. Sein Ziel ist es, der Christenheit einen Zugang1 zu Sprache und Geisteswelt des rabbinischen Judentums zu verschaffen — natürlich in der Absicht, für Glaubensgespräche wie die Disputation von Barcelona des Jahres 1263 besser gerüstet zu sein. Freilich wurde das Werk, nach einem Plagiat, 17 erst im 17. Jahrhundert wieder ans Licht gezogen. 18 Den ersten Versuch einer Edition machte JACQUES PHILIPPE DE MAUSSAC (ca. 1 5 9 0 — 1 6 5 0 ) im Jahr 1 6 4 2 ; zustande kam sie aber erst durch die Bemühungen von JOSEPH DE VOISIN in Paris 1651.19 Welche Wirkung davon ausging, kann man an BLAISE PASCALS Ausführungen zum Judentum in den „Pensées" ermessen. 2 0 Sie reicht über die Grenzen Frankreichs hinaus, denn schon 1 6 8 7 hat JOHANN BENEDIKT CARPZOV in Leipzig einen mit einigen Beigaben erweiterten Nachdruck veranstaltet (Sign. J XXIV Bl). CARPZOV hatte sich bereits einige Jahre zuvor um die Verbreitung eines ganz anderen, zeitgenössischen Werkes verdient gemacht, das in das Judentum einführte. 1676 ( = 1 6 7 9 ) , erneut 1 6 8 4 (Sign. J XXII 1), hatte er JOHN LIGHTFOOTS Horae mit seinem Opus de arcanis catholicae veritatis, Basel (1550) wird von JOHANNES B U X T O R F d À . zu Recht als „compilator" M A R T I N I S erwähnt im Vorwort zu seinem Lexicón chaldaicum, talmudicum et rabbinicum, Basel (1639) fol. (*) 3r (vgl. J O S E P H P R I J S — B E R N H A R D P R I J S , Die Basler hebräischen Drucke. 369): „Martinus Raymundus (cujus compilator fuit Petrus Galatinus) ..." 18 J O H A N N E S B U X T O R F d . Ä . hatte Louis C A P P E L nach Ausweis eines Briefes des Letzteren vom 18.1.1616 zu einer Veröffentlichung eines im Besitz von J A C Q U E S DU P L E S S I S - M O R N A Y befindlichen Manuskripts des Pugio fidei geraten, vgl. F R A N Ç O I S S E C R E T , Notes pour une histoire du Pugio fidei à la Renaissance, in: Sefarad 20,1960, 1—7. 19 F R A N Ç O I S S E C R E T , Une première oublie du „pugio fidei", in: A F P 36, 1966, 449- 455. 20 Vor allem in den Fragmenten 425 —736 in der Ausgabe von B R U N S C H W I C C ; vgl. die Zitatenzusammenstellungen nach dem Pugio in Fragment 446 (S. 188); 635 (S. 242) und das ausdrückliche Zitat des Pugio in Fragment 726 (S. 275). Besonders bemerkenswert die Fragmente 620ÍF. unter der Uberschrift „Avantages du peuple juif" sowie vor allem 630—631 unter dem Stichwort „La sincérité des Juifs": „Sincérité contre leur honneur, et mourant pour cela; cela n'a point d'exemple dans le monde, ni sa racine dans la nature." Eine umso erstaunlichere Feststellung, als sie unmittelbar auf einen Satz folgt, der sich direkt auf das im Pugio zusammengestellte Material beziehen muß! 17
P E T R U S GALATINUS ( P I E T R O COLONNA)
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Hebraicae et Talmudicae in quatuor evangelistas ebenfalls in Leipzig1 herausgegeben. Auch in diesem Falle handelte es sich um eine Zweitausgabe. Die Horae, die einen Kommentar zu den Evangelien, in der Fortsetzung auch zum 1. Korintherbrief, zur Johannesoffenbarung und einigen Kapiteln des Römerbriefs enthielten, waren 1658 bzw. 1674 in Cambridge erstmals erschienen. J O H N L I G H T F O O T (1602—1675) gehörte zu den Mitarbeitern der Londoner Polyglotte (1653—1657 [tatsächlich 1658]),21 der letzten der vier berühmten Polyglottenbibeln. Er revidierte für B R I A N W A L T O N , deren Herausgeber, den samaritanischen Pentateuch. Schon zu seinen Lebzeiten galt der Puritaner L I G H T F O O T als einer der profundesten Kenner des Judentums. J O H A N N E S L E U S D E N (1602—1675), der Herausgeber der Athiasausgabe, der ersten vollen Biblia Hebraica mit Verszählung, selber ein hervorragender Hebraist und Judaist, besorgte 1699 in den „Opera omnia" eine Gesamtausgabe seiner judaistischen Werke. Was Haltung, Umsicht und Gelehrsamkeit betrifft, bilden die Horae wohl die bis heute unübertroffene Spitzenleistung einer Forschungsrichtung, die sich die Erhellung des Neuen Testaments und der christlichen Ursprünge aus dem Judentum zum Ziel gesetzt hat. LICHTFOOTS Werk hat eine Reihe von Nachfolgeuntersuchungen und Ergänzungen erfahren. Der Polyhistor JOHANN CHRISTIAN SCHOETTGEN (1687—1751) knüpft schon durch den fast identischen Titel Horae hebraicae et talmudicae in novum Testamentum, Dresden Bd. 1—2, 1733—1744 (Sign. J XXII la) an LIGHTFOOT a n . ^ In dieselbe Zeit gehört der unten zu berücksichtigende Sammelband von JOHANNES ANDREAS D A N Z , JACOBUS RHENFERD et JOHANNES GERHARDUS MEUSCHEN, Novum Testamentum ex Talmude et antiquitatibus Hebraeorum illustratum, Leipzig 1736 (Sign. J XXII 3). Die Literaturgattung, die später durch Autoren w i e JOHANN JAKOB WETTSTEIN, FRANZ DELITZSCH u n d AUGUST WÜNSCHE
bereichert worden ist, wird in der Gegenwart vor allem durch den von 21
, Der alttestamentliche Text in den vier großen Polyglottenbibeln nach dem heutigen Stand der Forschung, in: ThRv 9, 1994, 185-188. 2 2 Vgl. schließlich FRANZ DELITZSCH, Horae hebraicae et Talmudicae. Ergänzungen zu Lightfoot und Schoettgen (Sonderdruck Leipzig o.J.: Sign. J XXII 8) 23 S. 50. ADRIAN SCHENKER
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(HERMANN LEBERECHT STRACK — ) PAUL BILLERBECK verfassten 4 - (bzw. 6-) bändigen Kommentar zum Neuen Testament repräsentiert (Sign. J XXII 15). Vom ersten Band, dem Kommentar zum Mt-Evangelium, 1922 in der 1. Auflage erschienen, besitzt die Greifswalder Fakultät das im Vergleich zur gedruckten Fassung umfangreichere Manuskript als Vermächtnis aus dem Nachlaß von PAUL BILLERBECK.
Um sich ein Bild über die einschlägige jüdische, judaistische und hebraistische Literatur verschaffen zu können, sind Bibliographien unentbehrlich. Beide großen Bibliographen des 18. Jahrhunderts sind denn auch in der Dalman-Sammlung vertreten:
JOHANN
CHRISTOPH
WOLF
und
GIOVANNI
BERNARDO
DE
ROSSI.
1715-1733 ließ der Hamburger Hauptpastor W O L F (1683-1739) sein Riesenwerk der Bibliotheca hebraea in Hamburg/Leipzig bzw. dann in Hamburg - erscheinen (Sign. J XVIII A 2). Er konnte von der bedeutenden Büchersammlung des böhmischen Landesrabbiners R. D A V I D A B R A H A M O P P E N H E I M (1664—1736) ausgehen, die heute in der Bodleiana in Oxford aufbewahrt wird. Die Bibliotheca sollte ursprünglich nur aus zwei Bänden bestehen (1715 und 1722). Die Bände 3 und 4 (1725 und 1733) traten als Supplemente hinzu und zeugen von einer ebensolchen Umsicht und Sachkenntnis wie das Hauptwerk selbst. Die Bände 1 und 3 (teilweise auch Bd. 4) behandeln jüdische und auch einige christliche Verfasser hebräischer Schriften nach alphabetischer Reihenfolge, während die Bände 2 und 4 anonymen Werken gelten. Das größte Lob wird W O L F von wohl kundigster Seite gezollt, wenn M O R I T Z STEINSCHNEIDER, der Begründer der im eigentlichen Sinne wissenschaftlichen hebräischen Bibliographie (1816—1907) in seinem Bibliographischen Handbuch (Sign. J XVIII A 10) schreibt, daß W O L F „an Fleiß, Ehrlichkeit, Besonnenheit und Unbefangenheit ... noch von keinem christlichen und von sehr wenigen jüdischen Autoren auf diesem Gebiete übertroffen worden" sei. 24 Ähnlich wirkte im selben 18. Jahrhundert GIOVANNI B E R N A R D O DE R O S S I in Parma, der sich für seine gründlichen und gediegenen Untersuchungen der eigenen Sammlung hebräischer Handschriften und Drucke bedienen konnte, die dann in die Bibliothek seiner Vaterstadt 24 MORITZ
XVIII.
STEINSCHNEIDER,
Bibliographisches
Handbuch
(Leipzig
1859)
40
Thomas Willi OP
überging-: De hebraicae typographiae origine, Parma 1776 (Sign. J XVIII A 50), Variae lectiones Veteris Testamenti, Bde. 1—4, Parma 1784—1788 (Sign. Fa 77). Als vierter ist neben den genannten Bibliographen des 18. und des 19. Jahrhunderts schließlich der mit FRANZ DELITZSCH befreundete JULIUS FÜRST (1805—1873) zu nennen, dessen immer wieder zu konsultierende Bibliotheca Judaica in 3 Bänden in Leipzig" zwar 1849-1863 erschienen ist (Sign. J XVIII A 1), tatsächlich aber leider nur auf früher gesammeltem bibliographischem Material beruht und die inzwischen bereits weitg-ediehenen und umfassenden Untersuchungen von MORITZ STEINSCHNEIDER nicht berücksichtigt.
III. Die doppelte Tora Das Judentum ist wesentlich Lebenspraxis. Natürlich hat die Lebensg^estaltung" Auswirkungen auf die Lebensanschauung-. Aber nicht die Doktrin, sondern das verantwortliche Tun der Mizwa, des Gebotes, macht das jüdische Leben aus. Jede einzelne Handlung wird zur praktischen Anerkennung- der Gültig-keit der Tora. Tora erweist sich im Laufe der Entwicklung- immer stärker als das Ganze der am Sinai dem Mose geoffenbarten und vom jüdischen Volk durch die Generationen tradierten und vollzogenen göttlichen Weisung. Der Pentateuch,' die 3f)D3t7 r : • v m ri n die in den 5 Büchern Moses bestehende schriftliehe Tora gehört dazu. Aber sie ist nur ein Teil, besser eine Seite oder ein Aspekt der gesamten Tora. Denn sie ist, nach jüdischer Konzeption, von Angang an eingebettet in und begleitet durch die ¡"Hin, die mündliche Tora. So entspricht die schriftliche Tora, um einen Vergleich zu gebrauchen, der Grundgesetz oder der Verfassung, während die mündliche Tora die dazu erforderlichen Ausführungsbestimmungen liefert, ohne die das Grundgesetz gar nicht anwendbar ist.
Gerade weil die Tora als solche ewig- und immer gültig- ist, verlangt sie nach berufener Applikation auf die Situation des jüdi-
25 Später ausgeweitet in den Annales (Parma 1795—1799) und im Dizionario loro opere (2 Bde., Parma 1802).
hebraeo-typographici 1475—1540 storico degli autori ebrei e delle
Stummes Zwiegespräch
41 O /:
sehen Volkes und seiner Glieder, die ja dauernd im Fluß ist. Von daher ergibt sich die große Verantwortung- der befugten Ausleger der Schrift, Schriftgelehrten im besten Sinne des Wortes: der • " H D ' i O , 7Qa|j.[icn:ei-f» -*.1-^CMIHMHiôaïœôRifcS®®* ».tts » •>- '.¿h •» s SWIÉ « ïjHsôe a s loQH
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Taf. 8: Chamissah chumsej Törah, Basel 1583 (Titelblatt)
Taf. 9: Talmud Jerusalmì,
Venedig 1523/24 (Titelkupfer des "IITO -,10)
lai. lU: Talmud nabli, Wilna l ö ö U - l ö ö b (ttd. 1: litelkuplerj
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Taf. 11: J. B. E. KARO, " | n » |n*7ü ( Schulchan Aruch),
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Venedig 1567 (Titelblatt)
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Taf. 12: Machsor
Aschkenas,
Venedig 1568 (Titelblatt)
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Taf. 13a: J. BUXTORF d. Ä., Lexicon
Chaldaicum,
Basel 1639 (Frontispiz)
Taf. 13b: J. BUXTORF d. A., Lexicon
ChaLdaicum,
Basel 1639 (Titelkupfer)
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Taf. 14a: J. LlGHTFOOT, Horae Hebraicas,
Leipzig 1684 (Frontispiz)
3HAKNIS L I G H T F O O T I Dccfcoris Angli, &c Collegi! S.Catharinai in Cancabrigienfi Academià Prefetti,
HEBRAICfc ET
jl ^ ¿lI^ MUDIC/E I N
QVATUOR BVAJfGELISTAS CUM T R A C T A T I B U S C H O R O GRAPHICIS, S INGUtlS SUO EVANGELISTA PRAMISSiS.
Nirnc fecundìim in Germania junctim,
rum Indicibus locorum Scriptune, rerumqve 1 t/v i. é ac vcrbofum ncceiianis edita
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jo: B E S E r i ^ H E ARPZOVl, Ling. S.in Academià Lipfieniì Profeflòris. £
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Sun^tibu* S j t o & t t l U ^ l d LÀNCJ3SI1, ' Ty-pis JOH, H E I X K I C I R I CUT T R 1. ANNO Mix: LXXXIV. Taf. 14b: J. LIGHTFOOT, Horae Hebraicae,
Leipzig 1684 (Titelkupfer)
Profesi! Publ. Lingvarum Oriente. & h, a, Gymnaiii Reitoris
CVJVSCVNQVE
A : T A T I S , TVM SCR1PTORVM Qy.$: VEL HEBRAICE PR1MVM E X A R A T A VFL AB ALI1S CONVERSA SVNT, AD NOSTRAM /ETATtM DEDVCTA.
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..., Wittenberg 1523 (Titelblatt)
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THEOLOGICO P O LI T I C U S Conthiens
Diilcrtationes aliquot, Qinbus oftenditur Libertaicm Philofophandi non tantum iàlva Pittate, Sc Reipublicx Pace paffe concedi: ièd «.andern nifi cum Pace Rei public«, ipiàgue Pittate tolli non pofìe. Johann: Epìft; I. Gap. IV, veri: Xilt-
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• iiffé he cwicjchmi! quo» in De» mttemm, & Deus mane: hi iisbh, quid tk Sfuifu faä dedit utibis.
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Taf. 17:
B. DE SPINOZA,
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Tractcìtus Theologico-Politicus, Amsterdam 1670 (Titelblatt)
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l a i . 18: M. MENDELSSOHN, Jerusalem
. . . , Berlin 1783 (Titelblatt)
Taf. 21: D a l m a n u. L e h r k u r s auf d. R ö m e r s t r a ß e n. Jericho, 26. 02. 1908 (Foto: Bertholet)
Taf. 22: Wadi Kelt, ca. 1905 (Foto: unbekannt)
Taf. 29: Jerusalem. Goldenes Tor (Inneres), u m 1870 (Foto: u n b e k a n n t )
Taf. 30: Jerusalem. Goldenes Tor von Westen, 1908 (Foto: R e y r a a n n )
Taf. 31: Jerusalem. Robinson-Bogen, ca. 1905 (Foto: Hentschel)
Taf. 33: Jerusalem. F e l s e n d o m von Süden, 1909 (Foto: Nestle)
Taf. 34: Jerusalem. Felsendom von Süden, u m 1909/10 (Foto: Nestle?)
Taf. 35: Jerusalem, Bab el-Katanin
a m haram (Foto: u n b e k a n n t )
Taf. 36: Jerusalem, Via Dolorosa.
Ecce-Homo-Bogen
von Westen, 1912 (Foto: P a l m e r )
Taf. 39: Jerusalem, Pia Dolorosa. Stelle des „ersten Falls", 8. 5. (1911?) (Foto: G[raf] [?])
Taf. 40: Jerusalem, Grabeskirche, Südportal. Sog. F r a n k e n k a p e l l e (Foto: u n b e k a n n t )
Taf. 43: Jerusalem. Jüdisches H a u s in Mea Shearim,
1909 (Foto: Nestle)
Taf. 44: Birket ebkT bei der jemenitischen jüdischen Kolonie nördl. J e r u s a l e m s , 1911 (Foto: G r a f )
Taf. 49: Baalbek. Bacchus-Tempel von Südwesten, 1909 (Foto: Nestle)
Taf. 50: Baalbek. Bacchus-Tempel (Peristyl) von Osten, 1909 (Foto: Nestle)
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Die Vorlagen für sämtliche Abbildungen stammen aus dem Gustaf- Dalman Institut Greifswald. Für die Tafeln 1; 3—18 wurden die Objekte von der Bildstelle der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald neu aufgenommen. Die Fotografen der Abbildungen Taf. 19 und 29 sind unbekannt. Das gilt auch für die Fotografien Taf. 22, 23, 35, 40 — die allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit von Lehrkursteilnehmern der Jahre 1905—1914 angefertigt wurden. Die Aufnahme Taf. 37 stemmt vom Palestine Exploration Fund und wurde als Lichtbild-Positiv verbreitet. Taf. 25 und 26 liegen Luftaufnahmen von Angehörigen der Bayerischen Fliegerstaffel 304 zugrunde, die 1917/18 .in Palästina stationiert war. D A L M A N erhielt die abgebildeten Fotografien als Diapositive Nr. 745 und Nr. 844 aus dem damaligen Reichsarchiv in Potsdam. Die Vorlagen der Taf. 19—21; 24— 52 bilden Grauwert-Lichtbilder als Positive in gerahmten Glasplatten, in der Regel im Format 8x10 cm. Taf. 22, 23 beruhen auf Negativen auf Glas im Format 13x18 cm. Sämtliche Lichtbilder (Taf. 19—52) wurden auf Anlagen des UniversitätsRechenzentrums Greifswald digitalisiert und in dieser Form für den Druck bereitgestellt. Die Fotografien Taf. 26, 27, 37 wurden bereits veröffentlicht, nämlich: -Taf. 26 mit der Bezeichnung „Abstieg nach Bethanien" in: G. D A L M A N , 100 Deutsche Fliegerbilder aus Palästina (Schriften des Deutschen PalästinaVereins 2) (Gütersloh 1925), dort Nr. 17. -Taf. 27 mit der Bezeichnung „ Himmelfahrtskuppe und Jerusalem vom Russenturm" in: PJ 12,1916, dort Taf. 4. -Taf. 37, z. B. mit der Bezeichnung „Ursprüngliche Gestalt des Ecce-HomoBogens" in: H. G U T H E , Palästina (Monographien zur Erdkunde 21), (Wiesbaden/Leipzig 2. Aufl. 1927), dort S. 116. Alle übrigen Fotografien werden hier erstmals gedruckt.
STUDIA JUDAICA Forschungen zur Wissenschaft des J u d e n t u m s Herausgegeben von Ernst L u d w i g Ehrlich Groß-Oktav
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PETER
Ganzleinen
SCHÄFER
Rivalität zwischen Engeln und Menschen Untersuchungen zur rabbinischen Engelvorstellung XIV, 280 Seiten. 1975. ISBN 3-11-004632-6 (Band 8) JOSEPH
HEINEMANN
Prayer in the Talmud Forms and Patterns 1977. X, 320 pages. ISBN 3-11-004298-4 (Volume 9) IRA
CHERNUS
Mysticism in Rabbinic Judaism Studies in the History of Midrash 1982. XII, 162 pages. ISBN 3-11-008589-5 (Volume 11) CHANA
SAFRAI
Women and Temple The Status and Role of Women in the Second Temple of Jerusalem 1995. Approx. 260 pages. ISBN 3-11-013676-7 (Volume 12)
Mysticism, Magic and Kabbalah in Ashkenazi Judaism International Symposium held in Frankfurt a. M. 1991 Edited by Karl Erich Grözinger and Joseph Dan 1995. VI, 331 pages. ISBN 3-11-013744-5 (Volume 13) DIRK
U. R O T T Z O L L
Rabbinischer Kommentar zum Buch Genesis Darstellung der Rezeption des Buches Genesis in Mischna und Talmud unter Angabe targumischer und midraschischer Paralleltexte X, 539 Seiten. 1994. ISBN 3-11-014231-7 (Band 14)
Walter de Gruyter
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Berlin • New York