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Forschungen zum Alten Testament 2. Reihe Edited by Bernd Janowski (Tübingen) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Orakel und Gebete Interdisziplinäre Studien zur Sprache der Religion in Ägypten, Vorderasien und Griechenland in hellenistischer Zeit Herausgegeben von
Markus Witte und Johannes F. Diehl
Mohr Siebeck
Markus Witte ist Professor für Altes Testament an der Humboldt-Universität zu Berlin. Johannes F. Diehl ist Akad. Rat (Altes Testament und Nordwestsemitistik) an der Universität Frankfurt/M.
e-ISBN PDF 978-3-16-151136-3 ISBN 978-3-16-150044-2 ISSN 1611-4914 (Forschungen zum Alten Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die sich im Schatten Alexanders des Großen realisierende Begegnung der griechischen mit der ägyptischen, syrisch-palästinischen und vorderorientalischen Welt veränderte nicht nur die angestammten politischen und wirtschaftlichen Systeme grundlegend, sondern erfasste praktisch alle Lebensbereiche, nicht zuletzt die Literatur und die Religion. Die in diesem Band gesammelten Aufsätze widmen sich nun gezielt dem Phänomen, dass in hellenistischer Zeit sowohl in Griechenland als auch im Vorderen Orient traditionelle literarische Gattungen modifiziert und neue Genres geschaffen werden. Sie thematisieren neue sprachliche Formen auf dem Feld gelebter, poetisch verdichteter und reflektierter Religionen und versuchen, diese motivisch, traditionsgeschichtlich und textpragmatisch zu klassifizieren.1 Im Mittelpunkt der hier zusammengestellten Studien stehen die zwei wesentlichen Formen religiöser Kommunikation in der Antike, die je auf ihre Weise und an ihrem Ort Erfahrungen mit dem Göttlichen verbalisieren und dabei zugleich religiöse und soziale Normen artikulieren, mitunter diese auch legitimieren: zum einen das Gebet, hier verstanden als an Gott oder die Götter gerichtete menschliche Bitte und Dank, Klage und Lob, zum anderen das Orakel, hier in einem weiten Sinn verstanden als ein menschlich vermittelter und auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft hin gedeuteter bzw. deutbarer Spruch einer Gottheit. So bieten die hier versammelten Beiträge zum einen eine Übersicht über Formen, Strukturen und Funktionen von Orakeln und Gebeten im hellenistischen Ägypten, Vorderasien, Israel und Griechenland, zum anderen exemplarische Interpretationen ausgewählter Quellentexte aus den genannten Regionen. Dabei werden die jeweils behandelten Quellentexte literatur- und religionsgeschichtlich verortet, so dass sich Grundzüge des Gebets und des Orakels in ihren historischen Kontexten, Entwicklungen und Beziehungen von Ägypten bis Mesopotamien und von Syrien-Palästina bis Griechenland zeigen lassen.
1 Zu einem ähnlichen Ansatz vgl. für das Thema Gebet den von W. BURKERT und F. STOLZ herausgegebenen Band „Hymnen der Alten Welt im Kulturvergleich“, OBO 131, Fribourg/Göttingen 1994, und für das Thema Orakel den von A. BLASIUS und B.U. SCHIPPER edierten Band „Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten“, OLA 107, Leuven u.a. 2002.
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Vorwort
Ein Schwerpunkt der einzelnen Darstellungen liegt auf der Bestimmung 1.) der literarischen Gestalt von Gebeten und Orakeln, 2.) deren spezifischer Rolle als Einzeltexte und als Elemente größerer literarischer Kompositionen sowie 3.) vorhandener struktureller und inhaltlicher Interdependenzen. Gleichwohl werden die Fragen nach der Einbindung der Orakel und Gebete in konkrete kultische und rituelle Vollzüge nicht ausgeklammert. Damit verbunden ist die Interpretation der den behandelten Orakeln und Gebeten innewohnenden Theologien und Anthropologien. Dies schließt, zumal bei der Fokussierung auf die hellenistische Zeit, die Darstellung der kritischen Reflexion von Orakeln und Gebeten in den jeweiligen religiösen Symbolsystemen sowie deren Spiritualisierung und Überführung in transkultische Horizonte ein. Insgesamt hoffen wir, dass der vorgelegte Band, der in seinem Kern auf zwei Symposien der Projektgruppe „Altorientalisch-Hellenistische Religionsgeschichte“ an der Universität Frankfurt/M. in den Jahren 2007 und 2008 zurückgeht, gerade in seiner interdisziplinären Behandlung von Orakeln und Gebeten einen Beitrag zum Identifizieren und zum Verstehen der Sprache von Religion und Religionen und deren Trägergruppen, seien es Priester, Propheten, Weise, Apokalyptiker, Philosophen oder Hofdichter,2 in der Welt und Umwelt des Alten Testaments leistet. Für die finanzielle Unterstützung der beiden Tagungen danken wir in erster Linie der BURSE – Gemeinnütziger Verein zur Förderung der Studentenhilfe an der Universität Frankfurt/M., sodann der Frankfurt Graduate School for the Humanities and Social Sciences und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie e.V. Den Autoren und Autorinnen danken wir dafür, dass sie ihre Vorträge für die Publikation zur Verfügung gestellt haben3 bzw. eigens Beiträge zu diesem Buch beigesteuert haben4. Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen am Frankfurter Lehrstuhl für Altes Testament, Frau Dr. Miriam von Nordheim-Diehl, Herrn Sven Behnke und Frau Sonja Feldmar, sind wir für Unterstützung beim Lesen der Korrekturen dankbar. Schließlich danken wir den Herausgebern der Forschungen zum Alten Testament für die spontane Bereitschaft, den Band in ihre Reihe aufzunehmen, sowie Frau Anna K. Krüger und Herrn Dr. Henning Ziebritzki für die verlegerische Betreuung. Dem LIT-Verlag (Münster) danken wir für die Erlaubnis, die dem Beitrag von 2 Wie die einzelnen Aufsätze, zumal die zu den Orakeln, zeigen, sind die Übergänge hier fließend. 3 So für Teil 1 des Bandes Eva Cancik-Kirschbaum, Joachim Friedrich Quack, Michael Erler und für Teil 2 Martin Stadler, Thomas Paulsen, Andreas Wagner, Hermut Löhr. 4 So für Teil 1 Markus Witte und Anselm C. Hagedorn, für Teil 2 Karin Stella Schmidt und für den Appendix Beat Weber.
Vorwort
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Joachim F. Quack beigegebene Übersetzung der Demotischen Chronik abzudrucken.5 Berlin und Frankfurt/Main, im Oktober 2009
Markus Witte Johannes F. Diehl
Hinweise zur Zitation In den Anmerkungen der einzelnen Aufsätze wird die zitierte Literatur jeweils bei der ersten Nennung mit den vollständigen bibliographischen Angaben genannt, bei folgenden Bezugnahmen wird dann lediglich der Verfassername und ein Kurztitel aufgeführt. Am Ende des Bandes findet sich eine Bibliographie, in der alle in diesem Buch zitierten Werke sowie eine Auswahl weiterführender Literatur zum Thema erfasst sind. Die bibliographischen Abkürzungen folgen dem von S. Schwertner erstellten „Internationalen Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete“ (Berlin/New York 21993). Darüber hinaus kommen die Abkürzungsverzeichnisse der „Religion in Geschichte und Gegenwart“ (Tübingen 41998–2005), des „Greek-English Lexicon“ von H.G. Liddell und R. Scott (revised and augmented throughout by H.J. Jones, with a revised supplement, Oxford 1996) und des „Lexikon der Ägyptologie“ von W. Helck und W. Westendorf (Lexikon der Ägyptologie VII. Nachträge, Korrekturen und Indices, Wiesbaden 1992), zur Anwendung.
5 F. Hoffmann u. J.F. Quack, Anthologie der Demotischen Literatur. Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie, Bd. 4., Münster 2007, 183–191.
Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... V
Orakel und Texte prophetischen Inhalts EVA CANCIK-KIRSCHBAUM Literarische Weissagungen aus spätbabylonisch-hellenistischer Zeit ........................................................................................................... 3 JOACHIM F. QUACK Menetekel an der Wand? Zur Deutung der „Demotischen Chronik“ ....... 23 Anhang: Die sogenannte Demotische Chronik – Vollständige Übersetzung ............................................................................................ 45 MICHAEL ERLER Epikurismus als Orakelphilosophie. Orakel und Mantik in der hellenistischen Philosophie ..................................................................... 53 MARKUS WITTE Orakel und Gebete im Buch Habakuk ..................................................... 67 ANSELM C. HAGEDORN „Über jedes Land der Sünder kommt einst ein Sausen.“ Überlegungen zu einigen Fremdvölkerworten der Sibyllinen ................. 93
Gebete KARIN STELLA SCHMIDT Zur Struktur mesopotamischer Gebete in hellenistischer Zeit ............... 119 MARTIN STADLER Spätägyptische Hymnen als Quellen für den interkulturellen Austausch und den Umgang mit dem eigenen Erbe – drei Fallstudien ............................................................................................ 141
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Inhaltsverzeichnis
THOMAS PAULSEN Götterhymnen aus dem archaischen und hellenistischen Griechenland ......................................................................................... 165 ANDREAS WAGNER Strukturen des Gebets im Alten Testament ........................................... 197 HERMUT LÖHR Strukturen des Gebets im frühesten Christentum .................................. 217
Appendix BEAT WEBER Asaf – ein Name, seine Träger und ihre Bedeutung in biblischen Zeiten ................................................................................... 235
Bibliographie ........................................................................................ 261 Autorenverzeichnis ............................................................................... 293 Register ................................................................................................. Autorenregister (moderne Autoren und Autorinnen) ............................ Sach- und Namensregister .................................................................... Stellenregister (in Auswahl) .................................................................
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I. Orakel und Texte prophetischen Inhalts
Literarische Weissagungen aus spätbabylonisch-hellenistischer Zeit Eva Cancik-Kirschbaum Politischen Texten der keilschriftlichen Überlieferung ist nicht selten eine im weitesten Sinne religiöse Diktion eigen. Sie reicht von einer religiösmythologischen Bildsprache über inhaltliche Anknüpfungen bis hin zu Textstrukturen, die primär der religiösen Textkultur zugeordnet werden. Von besonderem Interesse für die hellenistische Zeit sind zwei literarische Weissagungen in akkadischer Sprache, die sogenannte „Uruk-Prophetie“ und die sogenannte „Dynastische Weissagung“. Ihr Thema ist die Politik, gefasst im Motiv der Heils- und Unheilszeiten königlicher Herrschaft. Ihre Diktion und ihre Formensprache verbindet historiographische Konventionen mit solchen der Divination, jenes überaus produktiven Bereiches altorientalischer Selbstvergewisserung und Welterkenntnis. In Ermangelung eigensprachlicher antiker textwissenschaftlicher Klassifikation, werden diese beiden Texte heute unter Bezeichnungen wie Prophezeiung, akkadische Apokalyptik, fictional Akkadian autobiography oder literary predictive text geführt und aufgrund von im weitesten Sinne textsemantischen Ähnlichkeiten mit drei weiteren Texten zusammengestellt. Die unterschiedlichen klassifizierenden Benennungen verweisen auf die Schwierigkeit, diese Texte in komparatistischer Perspektive typologisch und funktional zu verorten. Zu ihrer Klassifikation werden meist inhaltlich-formale Gesichtspunkte angeführt, die in anderen antiken und nachantiken TextKulturen als gattungskonstitutiv gelten. Allerdings setzen diese Merkmale nicht nur auf unterschiedlichen textuellen Ebenen an, sondern sie erreichen auch nicht jene Dichte und Kohärenz, die hinsichtlich der literarischen Gattung Eindeutigkeit herstellen könnte. Eine antike indigene, in diesem Falle akkadische Gattungsbezeichnung ist nicht überliefert, nur für zwei der Texte (s.u.) konstituiert die Art der Überlieferung einen originären, wenngleich möglicherweise nicht primären Zusammenhang. Erschwert wird die Analyse ferner durch eine gewisse Unschärfe in der deskriptiven Terminologie, mit der die verschiedenen Phänomene des altorientalischen Prophetismus erfasst werden. Und schließlich wird die Diskussion um diese Texte massiv beeinflusst durch die Frage nach ihrem Wert als historische, d.h. historiographisch zu nutzende Quelle und der Objektivierbarkeit der darin geschilderten Ereignishorizonte. Wie kaum
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Eva Cancik-Kirschbaum
eine andere Textgruppe stehen diese Texte im Spannungsfeld zwischen Fiktionalität und Historizität. Im folgenden soll gezeigt werden, dass die ‚literarischen Weissagungen’ gattungstechnisch als Hybride auf zwei unterschiedlichen Texttypen der keilschriftlichen Tradition aufsatteln: den Omina und den Chroniken. Diese verbinden in je eigener Weise Zeitebene und Ereignisebene miteinander. Für den Texthybrid der literarischen Weissagung ergibt sich aus dieser Fusion ein fluides Profil, in dem sich Zeitlichkeit und Zeitlosigkeit, Realität und Fiktionalität, anlassgebundene Mündlichkeit und traditionsbildende Schriftlichkeit, religiöse Sprache und repräsentative Darstellung vereinen. Ihr ‚Sitz-im-Leben’ bleibt nicht zuletzt aufgrund des fragmentarischen Charakters der Texte undeutlich; jedoch eignet ihnen unbestreitbar eine politische Dimension, die sie am ehesten in der Nähe des Herrscherlobes situiert.
1. Die Texte Die fünf literarischen Weissagungen werden in der Assyriologie unter folgenden (modernen) Bezeichnungen geführt: Schulgi-Prophetie, MardukProphetie, Text A, Uruk-Prophetie und Dynastische Weissagung.1 Nur die beiden erstgenannten wurden offenbar im Altertum als zusammengehörig empfunden, dies zumindest signalisiert ihre Verbindung auf ein- und derselben Tontafel.2 Von diesen werden uns im folgenden nur die Uruk-Prophetie und die Dynastische Weissagung näher beschäftigen. Diese Aufteilung hat zunächst chronologische Gründe, denn die drei erstgenannten Texte entstanden noch innerhalb der politisch eigenständigen altorientalischen Reiche. Uruk-Prophetie und Dynastische Weissagung hingegen sind Texte des Hellenismus, gehören also jener ‚Spätzeit’ an, deren literarische Produktivität hier näher betrachtet werden soll.3 1 Grundlegend GRAYSON, A.K. u. LAMBERT, W.G., Akkadian Prophecies, JCS XVIII (1964), 7–29; Details zur Forschungsgeschichte sowie Übersetzungen s. LONGMAN III, T., Fictional Akkadian Autobiography. A Generic and Comparative Study, Winona Lake 1991, 131–165 (Übersetzungen im Anhang). 2 BORGER, R., Gott Marduk und Gott-König Šulgi als Propheten, BiOr 28, 1971, 3– 24. 3 Zu dieser Epoche vgl. BRIANT, P., From Cyrus to Alexander: A History of the Persian Empires, Winona Lake 2002; OPPENHEIM, A.L., The Neo-Babylonian Empire and its Successors, in: ANET, 31969, 301–307; KUHRT, A., Usurpation, Conquest and Ceremonial: From Babylon to Persia, in: CANNADINE, D. u. PRICE, S.R.F. (Hgg.), Rituals of Royalty. Power and Ceremonial in Traditional Societies, Cambridge 1987, 20–55; ZAWADZKI, ST., The Fall of Assyria and Median-Babylonian Relations in Light of the Nabopolassar Chronicle, Poznan 1988.
Literarische Weissagungen aus spätbabylonisch-hellenistischer Zeit
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Für beide Texte liegt jeweils nur ein Textvertreter vor; im Unterschied zu der sonst typischen Mehrfach- bzw. Vielfachüberlieferung der keilschriftlichen literarischen Überlieferung ist dieser Befund durchaus auffällig. Keiner dieser Texte gehört in den Bereich des aktiven Prophetismus, also jener Teildisziplin der Divination, die für den Alten Orient besonders durch die Texte aus dem altbabylonischen Mari (18. Jh. v. Chr.), bzw. aus neuassyrischer Zeit (7. Jh. v. Chr.) prominent dokumentiert ist. 4 Diese beiden Befunde dokumentieren schlaglichtartig die enorme Prominenz, die das Orakelwesen in den altorientalischen Kulturen genoss. Sie zeigen auch den Weg vom ‚mündlichen Prophetenwort’ hin zur Verschriftung solcher Prophezeiungen. Gegenstand dieses Beitrages sind nun zwei literarische Kompositionen, von spontanem oder gelenktem Prophetismus weit entfernt. Es handelt sich um Literatur, komponierte Texte, gebunden an das Medium der Schriftlichkeit, die ihre typologischen und systematischen Wurzeln in der keilschriftlichen Tradtionsliteratur haben. 1.1 Die Uruk-Prophetie Bei drei Grabungskampagnen in den Wohnvierteln der spätbabylonischen, und hellenistischen Zeit in Uruk (Ue XVIII) zwischen 1970 und 1972 wurden u.a. die Bestände von zwei relativ umfangreichen Bibliotheken gefunden. 5 Es handelt sich dabei um die Tafelsammlungen von Gelehrten, die 4 Die Forschung hat gerade in den letzten beiden Jahrzehnten ein breites Spektrum an einschlägiger Literatur hervorgebracht, betreffend die keilschriftlichen Überlieferungen der verschiedenen Epochen und Regionen sowie die Verbindungen zu den westsemitischen Textmaterialien und den alttestamentlichen Schriften, vgl. z.B. CANCIKKIRSCHBAUM, E., Prophetismus und Divination – Ein Blick auf die keilschriftlichen Quellen, in: KÖCKERT, M. u. NISSINEN, M., Propheten (s.u.), 33–53; DURAND, J.-M., Le contact avec la divinité. Les conduites religieuses non rituelles, in: OLMO LETE, G. DEL (Hg.), Mythologie et religion des Sémites Occidentaux, Vol. I, Ébla, Mari, Leuven / Paris / Dudley 2008, 431–547; KÖCKERT, M. u. NISSINEN, M. (Hg.), Propheten in Mari, Assyrien und Israel, FRLANT 201, Göttingen 2003; NISSINEN, M., References to Prophecy in Neo-Assyrian Sources, SAAS VII, Helsinki 1998; NISSINEN, M. (Hg.), Prophecy in its Ancient Near Eastern Context. Mesopotamian, Biblical, and Arabian Perspectives, SBL 13, Atlanta 2000. 5 Die Grabungen sind publiziert durch: H OH, M., Die Grabung in Ue XVIII 1, in: SCHMIDT, J., XXIX. und XXX. vorläufiger Bericht über die von dem Deutschen Archäologischen Institut aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unternommenen Ausgrabungen in Uruk-Warka 1970/71 und 1971/72, Bagdad / Berlin 1979, 28–35; SACK, D., Die Grabung in U/V XVIII. 30. Kampagne, I. Architektur und Stratigraphie, in: SCHMIDT, J., XXIX. und XXX. vorläufiger Bericht über die von dem Deutschen Archäologischen Institut aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unternommenen Ausgrabungen in Uruk-Warka 1970/71 und 1971/72, Bagdad / Berlin 1979, 47–50; SCHMIDT, J., Die Grabung in Ue XVIII 1, in: SCHMIDT, J., XXIX. und XXX. vorläufiger Bericht über die von dem Deutschen Archäologischen Institut aus Mitteln der
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Eva Cancik-Kirschbaum
über mehrere Generationen geführt wurden. Von einigen weiß man, dass sie unter anderen in der Funktion eines šipu am Rš-Heiligtum, dem Tempel des Gottes Anu, tätig waren. Beide Sammlungen sowie die Funde von Tafelrohlingen und Schreibgriffeln zeigen zudem, dass die Ausbildung zu Schriftgelehrten einigen Raum einnahm – de facto ist ein nicht geringer Teil der Texte offenbar unmittelbar im Rahmen der Ausbildung entstanden. Die jüngere Bibliothek der Sippe des Ekur-zkir entstand ausweislich der datierbaren Bestände zwischen dem 4. und dem späten 3. Jahrhundert. Etwas älter ist die Textsammlung der Familie des Šangî-Ninurta, wobei ein bedeutender Teil der Texte aus dieser Gelehrten-Bibliothek einem Mann namens Anu-ikur zuzuweisen ist, der vermutlich im ausgehenden 5. Jahrhundert oder zu Anfang des 4. Jahrhunderts tätig war. Neben wenigen administrativen Texten befanden sich in den beiden Gelehrtenbibliotheken eine kleinere Zahl literarischer Texte im engeren Sinne, einige chronikartige Texte bzw. solche historischen Inhalts, ferner Beschwörungsliteratur und eine große Zahl von Texten, die verschiedenen gelehrten Disziplinen zugehören: medizinische, astronomische, divinatorische Texte sowie Texte aus dem Bereich der Metrologie, der Mathematik und der Lexikographie.6 Unter den Texten, die aufgrund von Schreibervermerken der Tätigkeitsphase des Anu-ikur zugewiesen werden können, fand sich eine Tafel, auf deren Nähe zu den sogenannten Akkadian Prophecies aufgrund von formalen bzw. stilistischen Merkmalen bereits in der Edition durch Hermann Hunger hingewiesen wurde.7 Thema des Textes ist ein wohlbekanntes Motiv, nämlich der Topos der Heils- und Unheilszeiten bezogen auf die ‚zukünftigen‘ Herrscher Mesopotamiens. Die Struktur des Textes wird bestimmt durch die prognostische Formulierung der Aussagen, wobei die stark beschädigte Vorderseite vielleicht konkrete Vorzeichen und einige Elemente historischer Rückschau mit den Voraussagen verbindet. Die sehr viel besser erhaltene Rückseite bietet folgenden Text (n.b.: die ÜbersetDeutschen Forschungsgemeinschaft unternommenen Ausgrabungen in Uruk-Warka 1970/71 und 1971/72, Bagdad / Berlin 1979, 56; HUNGER, H., Spätbabylonische Texte aus Uruk, I, ADFGUW Endberichte 9, Berlin 1976; WEIHER, E. VON, Spätbabylonische Texte aus Uruk, II, ADFGUW Endberichte 10, Berlin 1982; DERS., Spätbabylonische Texte aus Uruk, III, ADFGUW Endberichte 11, Berlin 1988; DERS., Spätbabylonische Texte aus dem Planquadrat U 18, IV, ADFGUW Endberichte 12, Mainz 1993; DERS, Spätbabylonische Texte aus dem Planquadrat U 18, V, ADFGUW Endberichte 13, Mainz 1998. 6 Zur Verteilung der über 400 Texte auf die beiden Bibliotheken sowie ihre Zuwiesung an unterschiedliche zeitliche und funktionale Horizonte vgl. die Einleitung bei HUNGER, H., Spätbabylonische Texte I (s. Anm. 5), 11–13. 7 Ediert als HUNGER, H., Spätbabylonische Texte I (s. Anm. 5), Nr. 3 S. 21–23. 124 (Autographie). Ausführliche Bearbeitungen durch HUNGER, H. u. KAUFMAN, S.A., A New Akkadian Prophecy Text, JAOS 95 (1975), 371–375.
Literarische Weissagungen aus spätbabylonisch-hellenistischer Zeit
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zung ist der besseren Übersichtlichkeit halber in Sinnabschnitte eingeteilt, diese Aufteilung ist im Originaltext nicht geboten): Rs. 1 [Ein König] wird erstehen, er wird die verwüsteten Teile des Landes regieren. [...] einen König des Meerlandes, der in Babylon herrschte.
Rs. 3–7a [Nach] ihm wird ein König erstehen, aber er wird dem Land keine Gerechtigkeit geben, wird keine rechte Entscheidung für das Land fällen. Er wird die immerwährende Schutzgottheit von Uruk aus Uruk entfernen. Er wird sie in Babylon wohnen lassen. Er wird eine Un-Schutzgottheit in das Heiligtum Uruks verbringen. Er wird ihr Leute, die ihr nicht gehören, als Geschenk übereignen. Er wird schwere Steuern auf Uruk legen, das Stadtgebiet von Uruk wird er verwüsten, die Kanäle mit Schlamm füllen, die bebauten Felder wird er brach liegen lassen.
Rs. 7b–8 Nach ihm wird ein König erstehen, aber er wird dem Land keine Gerechtigkeit geben, wird keine rechte Entscheidung für das Land fällen. Weiter wie oben. Er wird den Besitz Babylons nach Assyrien bringen.
Rs. 9–10 Nach ihm wird ein König erstehen, er wird dem Land keine Gerechtigkeit geben, wird keine rechte Entscheidung für das Land fällen. Er wird die vier Weltgegenden regieren. Die Welt wird bei / vor seinem Namen erzittern.
Rs. 11–15 Nach ihm wird ein König aus der Mitte Uruks erstehen und dieser wird dem Land Gerechtigkeit geben. Er wird die rechte Entscheidung für das Land fällen. Er wird die Riten des Anu-Kultes in Uruk dauerhaft machen, er wird die immerwährende Schutzgottheit der Stadt Uruk aus Babylon zurückbringen und sie in ihrem Heiligtum in Uruk wohnen lassen. Er wird ihr ihre eigenen Leute als Geschenk übereignen. Er wird die Tempel von Uruk errichten, die Wohnsitze der Götter erneuern, Uruk erneuern. Er wird die Tore von Uruk mit Lapislazuli verkleiden, er wird die Flüsse und Felder mit Reichtum und Überfluss erfüllen.
Rs. 16–17 Nach ihm wird ein König, sein Sohn, in Uruk erstehen und er wird die vier Weltgegenden beherrschen. Er wird das Königtum in Uruk ausüben. Seine Dynastie wird für immer bestehen.
Rs. 18 Die Könige von Uruk werden die Herrschaft ausüben wie die Götter.
Die historische Verortung der in diesem Text teils in erstarrten Topen, teils in eher individueller Form geschilderten Ereignisse ist umstritten – interessanterweise wurde jedoch ihre Historizität selbst nicht in Frage gestellt. Während in der Assyriologie bis vor kurzem überwiegend die neu- bis spätbabylonische Zeit, d.h. das 7. Jh. und 6. Jh. v. Chr. als Referenzrahmen angenommen wurde 8 , hatte Peter Höffken 1977 in einem Artikel über 8 Zu den Vorschlägen im Einzelnen siehe LONGMAN III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1), 147-149.
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Heilszeiterwartung die späte Perserzeit als plausiblen Hintergrund vertreten.9 Diese ‚Divergenz’ ist kein Zufall, sondern vermutlich für die weitere Verortung des Textes zentral. Als wichtiges Identifikationsmerkmal gilt einerseits die prominente Position der Stadt Uruk in diesem Text und andererseits die Vater-SohnFolge, die in den letzten beiden Abschnitten benannt wird.10 Die historische Vergleichung mit anderen Quellen macht wahrscheinlich, dass hinter diesen beiden die Gestalten Nebukadnezzars II. von Babylon und seines Sohnes Amel-Marduk stehen. Ihnen vorangestellt sind eine Reihe von Herrschern, die offensichtlich symbolisch für die Phase der assyrischen Hegemonie über Babylonien stehen – Tiglatpilesar III. bis Assurbanipal. Diese bilden die negative Folie, vor der sich die beiden letzten Könige so überaus positiv abheben. Nebukadnezzar und Amel-Marduk werden aus der Perspektive der Stadt Uruk positiv bewertet, weil diese beiden – im Unterschied zu den vorhergehenden Herrschern – Uruk in ihrer Position als altehrwürdige Kultstadt gewürdigt haben. Einmal mehr wird hier das Selbstbewusstsein der großen alten Kultstädte des Südens sichtbar. Doch ist es wirklich Amel-Marduk, auf den der Text zielt? Für diese Frage wird die Beobachtung Höffkens konstitutiv. Anders als Höffken andeutet ist jedoch nicht ein anderer, jüngerer historischer Referenzrahmen anzunehmen, sondern vielmehr hat der Text eine paradigmatische Funktion: Nebukadnezzar II. und Amel-Marduk sind Exempla für zwei zeitgenössische Herrscher wie Paul-Alain Beaulieu überzeugend dargelegt hat, nämlich die beiden ersten Seleukiden, Seleukos und Antiochos.11 Denn es waren die Seleukidenherrscher, die durch ihre umfassenden Erneuerungsarbeiten an den großen Heiligtümern Uruks, dem Bit Rš und dem Anu-Heiligtum, die Erneuerung und das Prosperieren der Stadt in hellenistischer Zeit sichergestellt haben. In welcher Form möglicherweise ein seleukidischer Herrscher in Uruk jemals diesen Text zur Kenntnis bekommen haben könnte, ob also möglicherweise griechische oder aramäische Fassungen dieses Textes existierten, bleibt einstweilen offen.
9 HÖFFKEN, P., Heilszeitherrschererwartung im babylonischen Raum, WO 9 (1977), 57–71. 10 HUNGER, H. u. KAUFMAN, S.A., Text (s. Anm. 7), 373. 11 BEAULIEU, P.-A., The Historical Background of the Uruk Prophecy, in: C OHEN, M.E.; SNELL, D.C. u. WEISBERG, D.B. (Hgg.), The Tablet and the Scroll. Near Eastern Studies in Honor of W.W. Hallo, passim. Vermutlich ist Antiochos I., der Sohn des Dynastiegründers Seleukos I. gemeint. Seit 294/3 regierte er als Coregent die transeuphratischen Gebiete, Hauptstadt war Seleukia bzw. Babylon.
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1.2 Die Dynastische Prophezeiung Dieser Text, von dem bislang nur ein Exemplar bekannt ist, wurde 1975 durch Kirk A. Grayson veröffentlicht.12 Die Tafel ist in keinem guten Zustand, vor allem die Vorderseite des Textes ist fast vollständig zerstört. Dadurch fehlt nicht nur die Einleitung des Textes. In den besser erhaltenen Abschnitten findet sich, durch Trennstrich abgesetzt, folgendes: [...] er wird hinaufgehen [...], überwältigen [... Er wird das Königtum] ausüben für drei Jahre. Die Grenzen und [...] Sein Volk [...] Nach ihm wird sein Sohn den Thron besteigen [...] nicht [...] Ein aufständischer Fürst wird erstehen. Er wird die Dynastie von Harran errichten. [Er wird das Königtum] ausüben für 17 Jahre. Er wird das Land unterdrücken und [aussetzen?] die Feierlichkeiten in Esangila. Er wird eine Befestigung in Babylon errichten. Er wird Übles gegen das Land Akkade planen. Ein König von Elam wird erstehen. Das Szepter [...] Er wird ihn von seinem Thron stoßen [...] Er wird den Thron ergreifen und der König, der auf dem Throne erstand [...]. Der König von Elam wird seinen Platz wechseln [...]. Er wird ihn in einem anderen Land wohnen lassen. [...] Dieser König wird das Land unterdrücken [...] Alle Länder werden ihm Tribut bringen. Während seiner Herrschaft wird Akkade [nicht] friedvoll leben. [...] Könige [...] seines Vaters [...] Er wird das Königtum ausüben während zweier Jahre. Ein Eunuch wird diesen König [töten]. Irgendein Fürst wird erstehen. Er wird angreifen und den Thron ergreifen. Er wird das Königtum für die Dauer von fünf Jahren ausüben. [...] Das Heer der Hanäer wird angreifen [...]. Sein Heer wird plündern und rauben. Danach wird sein Heer sich sammeln und die Waffen erheben. Enlil, Schamasch und Marduk werden an der Seite seines Heeres marschieren. Er wird das Heer der Hanäer überwältigen. Er wird reiche Beute wegführen und sie in seinen Palast verbringen. Das Volk, das Unglück erlitten hat, wird nunmehr Wohlstand erfahren. Die Gesinnung des Landes [...] Steuer-Befreiung. [...]
Hier bricht der Text ab. Bereits in der Erstedition wurde auf die typologische Nähe zum biblischen Daniel-Buch (8,23–25 und 11,3–45) hingewiesen. Ein Versuch der Deutung ergibt folgenden historischen Hintergrund: Der erste erhaltene Abschnitt (I,7–25) scheint sich auf die Überwindung der assyrischen Hegemonie über Südmesopotamien zu beziehen. Man bringt gewöhnlich Nabopolassar, den Begründer der Chaldäer-Dynastie, damit in Verbindung, das assyrische Reich wird zwischen 614 und 609 zerschlagen. Die Befreiung Babyloniens steht relativ am Anfang dieses Prozesses. Der folgende Abschnitt bezieht sich auf die Herrschaft der Chaldäer-Dynastie selbst, und zwar bis auf den vorletzten König dieser Dynastie, Labaši-Marduk, der nur wenige Monate herrschte. Abschnitt II,11– 16 beschreibt die Ankunft des Rebellen-Fürsten, gemeint ist Nabonid. Die12
GRAYSON, A.K., Babylonian Historical-Literary Texts, Toronto 1975, 24–37.
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ser Herrscher, der unter anderem von der Priesterschaft in Babylon heftig angefeindet wurde, hat tatsächlich wohl biographische Wurzeln in Harran – daher die Anspielung auf den Begründer der Dynastie von Harran. Die Verweise auf die Unruhen im Lande und die Vernachlässigung der Kulte ist nicht auf diesen Text beschränkt. Auch in anderen Kontexten, insbesondere in dem sogenannten Spottlied auf Nabonid wird die Vernachlässigung der Kulte durch Nabonid hervorgehoben. 13 Beinahe wie eine Erlösung erscheint nun der König von Elam – eine altertümliche Form, die Ankunft der Achämenidenherrscher zu beschreiben. Es ist Kyros, der 539 in Babylon einzieht und Nabonid in die Verbannung schickt. Soweit scheint die historische Kontextualisierung der hier beschriebenen Ereignisse überzeugend. Doch die folgenden Passagen belegen eine ganze Reihe von exegetischen Problemen, zumal der Schreiber die klare Gliederung des Textes, diese Periodik der Reiche, aufgegeben hat. Offenbar spiegelt sich jedoch in diesen Zeilen die lange Auseinandersetzung zwischen den Persern bzw. Medern und den Griechen, auf die sich vermutlich der Ausdruck „Hanäer“ beziehen dürfte. Allerdings ist nicht ohne weiteres verständlich, weshalb dann der Text die Überwältigung der Hanäer beschreibt – dies würde einen Sieg der Perser über die Griechen bedeuten. Die Lückenhaftigkeit des Textes verbietet weitere Spekulationen, zumal wenigstens noch zwei bis drei weitere Herrschaftsphasen zu folgen scheinen, bevor der Kolophon die Tafel beschließt. Damit führt der Text bis in die Zeit der ersten beiden Seleukiden, somit etwa zeitgleich zu der unter 1.1 vorgestellten Uruk-Prophetie.
2. Konstituenten der literarischen Weissagungen Die beiden hier vorgestellten Texte entstammen somit der hellenistischen Zeit, entstanden in einer Phase, in der die altorientalischen Reiche längst ihre politische Selbständigkeit verloren hatten. Sie wurden gefertigt in Babylon bzw. Uruk und zielen offenbar auf die Seleukiden-Herrscher. Wie sind diese Texte gattungstypologisch einzuordnen? Die verschiedenen Benennungen, mit denen man versuchte Funktion und Gattung klassifikatorisch zu erfassen, machen das Problem der kulturellen Heteronomien offensichtlich. Ausgangspunkt für die Klassifikationen waren Texterfahrungen, die in der klassischen Antike oder im Alten Testament, ja sogar in der modernen Literatur gründen. Eine mesopotamische Eigenbenennung ist nicht bekannt, die Zahl der Texte zu gering, um 13 Zu den Herrscherinschriften Nabonids und Kyros’ s. SCHAUDIG, H., Die Inschriften Nabonids von Babylon und Kyros’ des Großen samt den in ihrem Umfeld entstandenen Tendenzschriften. Textausgabe und Grammatik, AOAT 256, Münster 2001, passim.
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merkmalstypologisch überzeugend zu argumentieren. Aus diesem Grunde soll hier ein anderer Weg genommen werden, indem die möglichen Bezüge innerhalb der Traditionen der keilschriftlichen Literatur selbst dargelegt werden. Dabei erweisen sich zwei Bereiche als zentral, die Texttraditionen der Divination und die chronographischen Werke. 2.1 Omen-Texte Die Bedeutung divinatorischer Aussagen für die Handlungsfelder politischer Herrschaft ist in Mesopotamien immens und bereits seit dem späten dritten Jahrtausend (Naram-Sîn von Akkade, Cutha-Legende) in Mesopotamien bezeugt. Vor allem die Extispizin und die Astronomie entwickeln sich im zweiten und ersten Jahrtausend zu den zentralen Techniken der Stabilisierung und Entscheidungsfindung. Die Interessen der in diesen Prozess einbezogenen Gruppen sind durchaus unterschiedlich. 14 Der folgende Abschnitt stammt aus der Gruppe der sogenannten JupiterOmina – also Aussagen, die Position, Aussehen und Struktur des Planeten Jupiter allein, oder im Verhältnis zu anderen Himmelskörpern, Sternbildern oder virtuellen Strukturen der mesopotamischen Himmelsgeographie kommentieren. Sie gehören systematisch in den Kreis der großen astronomischen Omen-Serie Enuma Anu Enlil. Diese Serie weist nicht nur mehrere Textschichten sowie eine komplexe, bis heute nur zu Teilen kenntliche Redaktionsgeschichte auf. Auch ihr ‚Zweck’ erschließt sich bislang nur zu Teilen. Denn ein größerer Teil der darin verzeichneten Konstellationen sind ‚astronomisch’ unmöglich, – unmöglich entweder 1. weil sie tatsächlich nicht auftreten können, oder aber 2. weil sie unter den geographischen Positionen jener Zeit nicht zu beobachten waren, oder aber 3., weil sie während des genannten Zeitraumes nicht sichtbar gewesen sein können. Dies betrifft insbesondere die Gruppe der Jupiter-Omina.15
14 In systematischer Hinsicht kann man eine deutliche ‚texttypologisch’ relevante Differenzierung zwischen der Extispizin und den astronomisch-astrologischen Teilen der Divination ausmachen. Tatsächlich kann man innerhalb der Überlieferung zur Leberschau durchaus Veränderungen hin zu einer Systematik erkennen, die versucht diese den astrologischen Traditonen anzupassen – wie Ulla Koch-Westenholz (Mesopotamian Astrology. An Introduction to Babylonian and Assyrian Celestial Divination, CNI Pbl. 19, Kopenhagen 1995) gezeigt hat. Es scheint eine gewisse Konkurrenz zwischen den Vertretern dieser beiden Disziplinen bestanden zu haben – die auch im übrigen in den Briefen an die Könige etc. zum Ausdruck kommt. Das bedeutet aber auch, dass nicht nur vor, sondern auch während der schriftlichen Fixierung von Omina und ihrer Kompilation zu Kompendien, den sogenannten Serien – eine ständige mündliche Tradierung erfolgte. 15 REINER, E. in collab. with PINGREE, D., Babylonian Planetary Omens Part Four, CM 30, Leiden / Boston 2005, 28: “Thus very few of the constellation omens in the Jupiter tablets are based on phenomena that could actually have been observed unless the
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80-7-19,90 Rückseite Zeilen 5–15 (Übersetzung nach Reiner / Pingree S. 71): „(...) Wenn Jupiter im rechten Horn des Mondes steht: der König von Akkad / Var. der König von Amurru wird sterben. Wenn Jupiter im linken Horn des Mondes steht: der König von Akkad / Var. der König von Amurru wird sterben. Wenn Jupiter in der Mitte des Gehörns des Mondes steht: in diesem Jahr werden überall Könige sterben. Wenn Jupiter auf der Innenseite des linken Horns des Mondes steht: es wird eine Eklipse von Sonne und Mond geben und ein großer König wird sterben. Wenn Jupiter vor dem Mond steht: ein großer König wird sterben. Wenn Jupiter im Inneren des Mondes steht: innerhalb desselben Jahres wird der König sterben / Var. wird es eine Eklipse von Mond und Sonne geben und ein großer König wird sterben. Wenn Jupiter in das Innere des Mondes eintritt: es wird eine Hungersnot in Amurru geben, der König von Elam wird durch Waffengewalt fallen, Subartu / Var. eine wichtige Persönlichkeit wird sich gegen ihren Herrn auflehnen. Wenn Jupiter in das Innere des Mondes eintritt: die Wirtschaft des Landes wird darniederliegen. Wenn Jupiter in das rechte Horn eintritt: ein mächtiger König, auserwählt durch Enlil, wird im Lande sein. Wenn Jupiter in das linke Horn eintritt / Var. sich annähert: ein despotischer König wird im Land herrschen (...).“
Derlei astronomische Omina bieten mit der Verbindung von entindividualisiertem und in die Zukunft projiziertem Ereignishorizont mit einem politisch-gesellschaftlichen Handlungskontext eine interessante Vorlage für die Stilistik der literarischen Weissagungen.16 Die Nähe der Akkadian Prophecies zu den astronomischen Omina (fälschlich noch immer mit dem Begriff ‚Astrologie’ belegt) ist bekannt, insbesondere Robert Biggs hat hier explizit intertextuelle Belege gesucht.17 Dabei muss einer Gruppe von Omen-Aussagen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, nämlich jenen, die in den Apodosen nicht – wie die oben zitierten Beispiele – grundsätzliche Ableitungen machen, sondern auf historische Ereignisse verweisen.
protases are interpreted in some esoteric fashion. This unreality is emphasized by the fact that the only ones that are cited in the Reports and Letters invole the king.” (28). 16 “Astrology in particular projected history into the vastness of space, the perception of which astronomy continually enhanced (...).” (GLASSNER, J.-J., Mesopotamian Chronicles, SBL – Writings from the Ancient World 19, Atlanta 2004, 18). 17 BIGGS, R.D., The Babylonian Prophecies and the Astrological Traditions of Mesopotamia, JCS 37 (1985), 86–90; BIGGS, R.D., Babylonian Prophecies, Astrology, and a New Source for ‚Prophecy Text B.’, in: ROCHBERG-HALTON, F. (Hg.), Language, Literature, and History: Philological and Historical Studies Presented to Erica Reiner, AOS 67, New Haven 1987, 1–14.
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Diese in der Assyriologie als „historische Omina“ bezeichneten Divinationsbefunde18 finden ihre ‚historischen’ Bezugspunkte überwiegend in den Herrschern der 1. Dynastie von Akkade, den Königen des Reiches von Ur, sowie der 1. Dynastie von Isin, das heißt, sie referieren auf das letzte Drittel des 3. und den Beginn des 2. Jahrtausends. Daneben gibt es eine Reihe von Einzelpersönlichkeiten aus allen Epochen, die ebenfalls Eingang in diese Tradition gefunden haben. 19 Historische Omina finden sich eingestreut im wesentlichen in drei großen kanonischen Werken der Divination, nämlich in Barûtu – dem Kompendium der Haruspizin, in Šumma Izbu – einer Serie über menschliche und tierische Anomalien, und in Enuma Anu Enlil – der großen Sammlung zur Deutung von Himmelsphänomenen. Es ist sicher kein Zufall, dass die Serien der terrestrischen Omina wie z.B. Šumma lu (Wenn eine Stadt ...), die physiognomischen und diagnostischen Omenserien keine historischen Omina enthalten. Die konkrete Genese dieser historischen Omina ist unklar. Einige altbabylonische Tonlebermodelle aus Mari, auf denen historische Anmerkungen vermerkt sind, könnten eine andere Phase der Verschriftlichung dokumentieren, als die Systematisierung und Kanonisierung innerhalb der großen divinatorischen Serien. Denn diese Modelle weisen nur eine Apodosis historischen Inhalts auf, das Modell selbst stellt die Befundsituation dar, diese wird also gewissermaßen dreidimensional explizit. Dort findet sich z.B. der folgende Text, der ein für die historischen Omina typisches Spannungsverhältnis zwischen konkret historisch situiertem Ereignishorizont (Primärhorizont) und einer entzeitlichten prognostischen Analytik aufweist: „Dies ist der Befund des Königs Sîn-iddinam, auf den im Tempel des Gottes Šamaš im Monat Elunum eine Treppe herabstürzte. Der Besitzer 18 GÜTERBOCK, H.G., Die historische Tradition und ihre literarische Gestaltung bei Babyloniern und Hethitern bis 1200, ZA 42 (1934), 1–91 (Teil 1) und ZA 44 (1938), 45– 145 (Teil 2); REINER, E., New Light on Some Historical Omens, in: BITTEL, K. u.a. (Hgg.), Anatolian Studies Presented to Hans Gustav Güterbock in the Occasion of His Sixty-Fifth Birthday, Istanbul 1974, 265–271; STARR, I., Notes on Some Published and Unpublished Historical Omens, JCS 29 (1977), 157–166; STARR, I., The Place of Historical Omens in the System of Apodoses, BO 43 (1986), 628–642. 19 Legendäre Herrscher wie Gilgameš oder Etana (s. dazu LAMBERT, W.G., Gilgameš in Religious, Historical and Omen Texts and the Historicity of Gilgameš, in: GARELLI, P. [Hg.], Gilgameš et sa légende: études recueilles par Paul Garelli à l’occasion de la VIIe Rencontre assyriologique internationale, CRRAI VII, Paris 1958, 39–56; NOUGAYROL, J., Note sur la place des ‘présages historiques’ dans l’extispicine babylonienne, Annuaire de l’Écle Pratique des Hautes Études 5ème section, 1954, 5–41), regionale Herrscher der altbabylonischen Zeit wie z.B. Sîn-iddinam v. Larsa oder Dduša v. Ešnunna (s. dazu GOETZE, A., Historical Allusions in Old Babylonian Omen Texts, JCS 1 [1947], 253– 265) oder auch Assurbanipal (7. Jh.) (s. dazu STARR, I., Historical Omens Concerning Ashurbanipal’s War against Elam, AfO 32 [1985], 60–67).
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des Schafes wird den Feind überwinden, und über das, was ihm nicht gehört, die Oberhand gewinnen.“20 Es wurde bereits mit Blick auf die historische Reichweite der Bezüge darauf hingewiesen, dass keineswegs nur die entfernte Vergangenheit als Referenzrahmen dient. Tatsächlich erfolgt die Einlagerung von zeitgenössischem historischem Material auch nach der Phase der Kanonisierung, wie Starr am Beispiel der Elam-Kriege Assurbanipals zeigen konnte. 21 Damit stellt sich freilich die Frage nach der Historizität entsprechender Angaben. Denn in der Tat kommt diesen Texten für die Untersuchungen zu historischem Bewusstsein, Historiographie und geschichtlichem Denken im Alten Orient keine geringe Bedeutung zu. 22 Könnte man bei den Referenzen auf Gilgamesch oder andere legendäre Gestalten der Frühzeit die historische Sachhaltigkeit der Angaben bezweifeln, so wird die prinzipielle Verwendbarkeit der Aussagen zu den Königen des 3. und 2. Jahrtausends als ‚historische Quelle’ durchaus kontrovers debatiert. 23 Denn angesichts der Topik der Aussagen ist nicht ohne weiteres gewiss, inwiefern es sich hier möglicherweise um ‚Konstrukte’ handelt, um idealisierte Aussagen, die über einem historischen Kern errichtet wurden. Ulla Koch-Westenholz merkt an, dass die „Geschichte“, die in die Omina eingebettet ist, eine erstaunliche Ähnlichkeit – weniger mit den bekannten historischen Fakten – als vielmehr mit der indigenen, je zeitgenössischen „historischen Tradition“ auf(weist). D.h. die historischen Omina in den Serien des 1. Jahrtausends scheinen einem ähnlichen historiographisch-literarischen Horizont zuzugehören, wie die Chroniken über das 3. Jahrtausend.24 In diesen Omina erscheint zum Beispiel die Regentschaft der Könige von Akkade – jener mächtigen Dynastie, die im 24. Jh. v. Chr. von Akkade aus ein erstes Territorial-Reich etablierte. Sie wird beschrieben als Wechsel von Heils- und Unheilszeiten und „mit diesem Wechsel von guten und schlimmen Zeiten ist bereits das Schema geschaffen, das der späteren ba20 MEYER, J.-W., Untersuchungen zu den Tonlebermodellen aus dem Alten Orient, AOAT 39, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1987, 212. 21 STARR, I., Ashurbanipal’s War (s. Anm. 19). 22 W ILCKE, C., Die Sumerische Königsliste und erzählte Vergangenheit, in: UNGERNSTERNBERG, J. VON u. REINAU, H. (Hgg.), Vergangenheit in mündlicher Überlieferung, Stuttgart 1988, 113–140, hier 127 mit Anm. 76, 128ff. 23 „Hence the Historian can safely utilize the omen texts as a historical source.“ GOETZE, A., Historical Allusions (s. Anm. 19), S. 265; GÜTERBOCK, H.G., Historische Tradition (s. Anm. 18), 60–62; GRAYSON, A.K., Divination and the Babylonian Chronicles: A Study of the Role Which Divination Plays in Ancient Mesopotamian Chronography, in: Studies in Honor of Benno Landsberger on His Seventy-Fifth Birthday, AS 16, Chicago 1965, 337–342; s. aber z.B. COOPER, J., Apodotic Death and the Historicity of ‘Historical Omens’, in: ALSTER, B. (Hg.), Death in Mesopotamia. Papers Read at the XXVIe Rencontre Assyriologique Internationale, Mes.(C) 8, Kopenhagen 1980, 99–105. 24 KOCH-W ESTENHOLZ, U., Mesopotamian Astrology (s. Anm. 14), 15.
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bylonischen Geschichtsdarstellung eigentümlich ist“, wie Güterbock es formulierte. 25 Güterbock bezog sich dabei allerdings auf die sogenannte ‚Weidner-Chronik’, einen seinerzeit nur fragmentarisch vorliegenden Text, der das Motiv der Verfehlung eines Herrschers gegen die Pflege des Tempels Esangila mit dem Verlust politischer Macht verbindet. Heute – nach Auffindung eines weiteren, vollständigen Exemplars dieses Textes – ist klar, dass es sich hier um einen literarischen Brief handelt, also nicht um eine Chronik und auch nicht um eine Omen-Sammlung im eigentlichen Sinne. 26 Er bietet jedoch den Topos der Heils- und Unheilsherrscher in einer Form dar, die den historischen Omina entspricht, und insofern sind Güterbocks Überlegungen zu diesem Aspekt durchaus zutreffend. Mit dem literarischen Brief liegt dann das Stadium einer weiteren textuellen Verarbeitung, einer Loslösung von den primären Kontexten dieser Omina vor. Güterbock verweist in seiner Analyse einerseits auf den anekdotenhaften Charakter dieser ‚historischen Omina‘, akzeptiert sie aber zugleich auch als historische Quellen.27 2.2 Chroniken Auch wenn gelegentlich Reihungen von historischen Omina innerhalb der divinatorischen Literatur (oder auch z.B. in der sogenannten ‚WeidnerChronik’) belegt sind, dürfte für die literarischen Weissagungen die Gattung der Chroniken ebenfalls eine konstitutive Rolle gespielt haben. In diesen Texten wird historisches Material mit unterschiedlicher Dimensionierung (einzelne Herrscher, Reiche, kontrastierend, vergleichend) stark verkürzt in einer linearen Abfolge angeordnet.28 Die Nähe dieser Texte zu den Omen-Apodosen der historischen Omina ist nicht zu leugnen, auch wenn eine unmittelbare Beeinflussung mit
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GÜTERBOCK, H.G., Historische Tradition (s. Anm. 18) (Teil 1), 57–58. AL-RAWI, F.N.H., Tablets from the Sippar Library, I. The ‘Weidner Chronicle’: A Supposititious Royal Letter concerning a Vision, Iraq 52 (1990), 1–13. 27 GÜTERBOCK, H.G., Historische Tradition (s. Anm. 18) (Teil 1), 60ff. 28 Zusammenstellungen der Texte bieten GRAYSON, A.K., Assyrian and Babylonian Chronicles (TCS 5), 1. Ausgabe Locust Valley 1975; 2. Ausgabe Winona Lake 2005; GLASSNER, J.-J., Histoire babylonienne et sa réflexion dans les chroniques de l’époque récente, in: RENGER, J. (Hg.), Babylon: Focus mesopotamischer Geschichte, Wiege früher Gelehrsamkeit, Mythos in der Moderne, CDOG 2, Saarbrücken 1999, 157–166; GLASSNER, J.-J., Chronicles (s. Anm. 16); ARNOLD, B.T., Achaemenid Period Historical Texts Concerning Mesopotamia, in: CHAVALAS, M.W. (Hg.), Historical Sources in Translation. The Ancient Near East, Oxford 2006, 407–426 – mit Übersetzung der neuund spätbabylonischen Texte. Einen Überblick gibt ferner GRAYSON, A.K., Art. Königslisten und Chroniken (B. Akkadisch), in: RLA 6 (1980–83), 86–135. 26
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Grayson wohl abzulehnen ist. 29 Nicht nur haben hier die primären chronographischen Gattungen, wie z.B. die Königslisten, die Listen der Jahresnamen und Eponymen prägend gewirkt – und zumindest die beiden erstgenannten Gruppen sind lange vor den historischen Omina bereits in Gebrauch. Auch die Tatsache, dass keineswegs alle Chroniken diese Schematik nutzen, macht eine Herausbildung der Chronik aus den historischen Omina unplausibel. Dies schließt jedoch keineswegs die Verwendung von Omina innerhalb der Chroniken oder eben den Rekurs auf entsprechende Argumentationsstrukturen aus.30 Die Chroniken wiederum dürften eine wichtige Quelle für die Kompilation neuer ‚historisch-literarischer‘ Textformen darstellen. Insbesondere für die in diesem Beitrag näher untersuchten Texte stellt das ‚Chronikformat’, d.h. die Gliederung in kurze Abschnitte, die das Wesen einer Regentschaft charakterisieren, die formale Substanz. Diese freilich erfährt eine sehr grundsätzliche Veränderung: in den Chroniken wird konkrete Historie berichtet, eine Rückschau auf vergangenes Geschehen gegeben, in dem die Namen der Akteure (überwiegend Herrscher) genannt werden. Demgegenüber bieten die literarischen Weissagungen eine begrenzte, eine ScheinAnonymität, welche die Fiktion der offenen Prognose begründet. Während Städte, Regionen, politische Größen benannt werden, bleiben die Handelnden namenlos. Doch setzt der Autor ganz gezielt Hinweise auf Filiationen („sein Sohn ..“), auf die Herkunft („aus der Mitte Uruks ..“); zudem ergänzen Anspielungen auf spezifische Ereignishorizonte das Repertoire der negativen bzw. positiven Topoi des Herrscherhandelns. Diese Hinweise dürften für einen mit der historischen Situation vertrauten Leser / Hörer jener Zeit hinreichend Material zur Identifikation der Personen und zur Dekodierung der Anspielungen auf konkrete Ereignisse bieten. 31 Wie lässt sich das Motiv der nahezu vollständigen Anonymisierung von Geschichte erklären? Hier bietet möglicherweise ein etwas älterer Text aus der Gruppe der Akkadian Prophecies einen Hinweis, der sogenannte Text A.
29 “In conclusion it must be emphasized that divination plays no essential role in the origin or development of the chronographic literature of ancient Mesopotamia. In fact it plays no essential role in Sumero-Akkadian historiography.” (GRAYSON, A.K., Divination and the Babylonian Chronicles, in: La Divination en Mésopotamie Ancienne et dans les Régions Voisines. XIVe Recontre Assyriologique Internationale (Strasbourg 2-6 juilette 1965), Paris 1966, 69-76, hier 76). 30 GRAYSON, A.K., Assyria and Babylonia, OrNS 49 (1980), 140–194, hier 181, verweist auf das Interesse der Schreiber “in putting together omen apodoses in chronicle form.” 31 Dass dies für den modernen Leser nicht unbedingt möglich ist und somit wie gesehen unterschiedliche ‚Lösungen’ vorgeschlagen werden, ist nicht weiter verwunderlich.
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3. Text A – ein Bindeglied zwischen ‚historischen Omina’, Chronik und den Weissagungen Die Tafel (publiziert als KAR 421) stammt aus der Stadt Assur und wurde nach Schrifttypus und Duktus zu schließen im 7. Jh. geschrieben, der Text selbst könnte etwas älter sein. Der Text ist vor allem auf der Vorderseite stark zerstört. Das Layout der Tafel umfasst vier Kolumnen, je zwei auf Vorder- und Rückseite. Hier findet sich erstmals jenes Muster, das – mit Bezug auf einen ‚namenlosen’ Herrscher – Vorhersagen macht:32 „[Ein Fürst wird erstehen, er wird das König]tum ausüben 18 Jahre lang. Das Land wird sicher und wohlbehalten sein, die Leute [werden in Wohlstand leben]. Die Götter werden ein gutes Schicksal für das Land bestimmen, die Winde werden günstig wehen. [Hacke] und Pflug werden die Ernte einbringen. Šakkan und Nisaba werden [im Überfluss vorhanden sein] im Land. Es wird Regen und Flut geben. Die Bevölkerung des Landes wird jauchzen. Dieser Fürst wird durch einen Aufstand geschlagen werden. Ein Fürst wird erstehen, er wird 13 Jahre lang das Königtum ausüben. Es wird einen Angriff Elams gegen Akkade geben, die Beute von Akkad wird weggeführt werden. Die Heiligtümer der großen Götter werden zerstört werden. Die Niederlage von Akkad wird entschieden werden. Es wird Unordnung, Unruhen und üble Ereignisse im Land geben. Der Große wird gering werden. Ein anderer, dessen Name nicht genannt wird, wird erstehen. Als König wird er den Thron besteigen und seine Edlen töten. Er wird die Ebene von Tupliš mit der Armee Akkades anfüllen. Die Menschen werden heftigen Hunger leiden. Ein Fürst wird erstehen, seine Tage werden kurz sein. Er wird das Land nicht beherrschen.(… … …)“
Schließlich heißt es: „Ein Fürst wird erstehen, er wird das Königtum für acht Jahre ausüben. Die Heiligtümer der Götter werden [in gutem Zustand sein]. Die Kulte der großen Götter werden in Ordnung sein, Regen und Flut ..., (...) der Reiche wird seine Hand dem Armen hinstrecken ..., die Mutter wird Richtiges zu ihrer Tochter sagen, ... Rat für das Land ... das Land verzehren, Unheil wird der König über das Land bringen.“
In diesem Text verbindet sich das Format der Omina mit dem der Chronik zu einem neuen Dritten. Die Protasis, die Bedingungsvorgabe der divinatorischen Argumentationsstruktur, entfällt, die Herrscher-Individuen der Chroniken werden zu geschichtlichen Typen. Die Personennamen entfallen vollständig, es bleiben erhalten die Zahl der Regentschaftsjahre, eindimensionale Genealogien (Vater-Sohn), sowie Toponyme – Assur, Babylon, Elam – gelegentlich überhöht in Archaismen wie Subartu, Amurru. In der assyriologischen Sekundärliteratur zu diesem Text hat vor allem die Frage nach der Identität der ‚anonymen’ Herrscher die Diskussion be32 Übersetzung nach Vs. Kol. II 2‘-19‘ sowie aus der Rs. Kol. II 10’ff. nach Longman III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1), 240-242.
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stimmt.33 Der Ereignishorizont, auf den der Text referiert, ist das Verhältnis zwischen Assyrien und Babylonien. Das Merkmal, das zur näheren Eingrenzung herangezogen wird, ist hier – wie auch in anderen Texten – die Gruppierung der Regentschaftszeiten, die als eine Art ‚historischer Fingerabdruck’ dient. Danach scheint die Folge der anonymen Herrscher in diesem Text in etwa der sogenannten „Zweiten Dynastie von Isin“ zu entsprechen, d.h. jene Könige, die Babylon zwischen dem ausgehenden 12. und dem Beginn des 10. Jhs. v. Chr. beherrschten. Gegen Longman wird man diesen Text jedoch sicher nicht als fiktive Autobiographie klassifizieren. 34 Vielmehr steht auch hier eine politische Indienstnahme der Geschichte im Vordergrund, die eine Rechtfertigung oder Ablehnung des gegenwärtigen Zustandes darstellt. Wir haben es hier mit einer durchaus kritischen Verarbeitung von Geschichte zu tun. Vermutlich ist auch dieser Text nicht etwa zeitnah zum Geschehen entstanden, sondern mehrere Jahrhunderte später, als die Könige von Assur sich anschickten, Babylonien endgültig unter ihre Herrschaft zu bringen.
4. Zusammenfassung Die beiden hier diskutierten literarischen Weissagungen, die sogenannte Uruk-Prophetie und die sogenannte Dynastische Prophezeiung, vereinen in sprachlicher und struktureller Form Merkmale verschiedener eigenständiger Textgattungen: Struktur und prognostischer Aspekt der Omen-Texte verbinden sich mit der linearen Abfolge von Ereignishorizonten, wie sie den Chroniken zu eigen ist. Plausibel wird die Verschmelzung gerade dieser beiden Genres aufgrund der Reflexion auf Geschichte. Diese ist zweifelsohne ureigenstes Movens der Chroniken und in den Omina eher eine randständige Erscheinung. Doch gerade aus der Idee einer Kontingenz des (historischen) Ereignisses, welche das grundlegende Prinzip der Divination ist, wird eine Verbindung der Gattungen möglich. Nicht zuletzt zeigt wiederum die Einbindung von Omina in die chronographische Tradition, dass ein enger Zusammenhang dieser beiden Systeme von den antiken Gelehrten gesehen wurde.35 Mit ‚Text A’ aus Assur ist zudem zumindest ein Beispiel bekannt, das die Produktivität dieser Verbindung bereits während der imperialen Phase der altorientalischen Reiche im 7. Jahrhundert bezeugt.
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Literatur bei LONGMAN III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1), 154. LONGMAN III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1), argumentiert S. 162 in diesem Sinne allein aufgrund der ‚generischen’ Ähnlichkeit und der Tatsache, dass in der Einleitungssektion möglicherweise eine 1. Person spricht. 35 GRAYSON, A.K., Divination (s. Anm. 23). 34
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Text A, ‚Dynastische Prophezeiung’ und Uruk-Prophetie sind seit den 70er Jahren Gegenstand einer interessanten Auseinandersetzung über eschatologische Vorstellungen in den Religionen des Alten Orients, die mögliche Existenz apokalyptischer Texte und die Bedeutung dieses Phänomens für die alttestamentlichen Texte. Eröffnet wurde diese Diskussion durch einen Aufsatz von William Hallo mit dem Titel Akkadian Apocalypses, im Jahr 1966. (Eine erste Deutung in diese Richtung, namentlich die Verbindung mit dem Danielbuch geht freilich auf Liagre-Böhl im Jahre 1940 zurück.) 36 Hallo verwies insbesondere auf die seiner Ansicht nach zyklische Geschichtssicht und die eschatologische Zuspitzung. Sollte also die israelitische Apokalyptik im wahrsten Sinne der Umwelt des Alten Testaments entnommen sein? Innerhalb der Assyriologie stieß Hallo’s Vorschlag auf heftige Ablehnung. Das wichtigste Argument war das völlige Fehlen eschatologischer Elemente in akkadischen Texten.37 „Im alten Assyrien waren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft alle Teil eines kontinuierlichen Ereignisstromes in Himmel und auf Erden. Es gab einen Beginn – in weit entfernter Vergangenheit, aber es gibt keine Vorstellung von einer Mitte oder einem Ende. Götter und Menschen setzen sich ad infinitum fort. Es gibt keinerlei Hinweise im babylonischen Gedankengut auf Eschatologie, noch gibt es dort Raum für in irgendeiner Weise zyklische Geschichtsvorstellungen.“38 Zuletzt hat Tremper Longman neuerlich die Prophecies nicht nur als ein Subgenre der Fictional Akkadian Autobiography identifziert, sondern sie zudem als apokalyptische Literatur klassifiziert. Doch die von Longman angeführten typologischen Kennzeichen apokalyptischer Texte – wie immer diese gewonnen werden können – lassen sich m.E. weder mit Text A, noch mit der Uruk-Prophetie oder der Dynastischen Prophezeiung verbin-
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BÖHL, F.M.TH., Religieuze Teksten uit Assur (VI–IX), JEOL 7 (1940), 415–417. Exemplarisch für die mittlerweile kaum mehr zu überschauende Literatur zu dieser Thematik: HALLO, W.W., Akkadian Apocalypses, IEJ 16, 1966, 231–242; HALLO, W.W., The Dawn of Apocalyptic, Philadelphia 1975; HASEL, G.F., The Four world Empires of Daniel 2 against its Near Eastern Environment, JSOT 12 (1979), 17–30; LAMBERT, W.G., The Background of Jewish Apocalyptic, London 1978; KAUFMAN, S.A., Prediction, Prophecy, and Apocalypse in the Light of New Akkadian Texts, in: Proceedings of the Sixth World Congress of Jewish Studies, Jerusalem 1977, 221–228; LONGMAN III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1) – mit einem Abriss der Diskussion 167–178; THOMAS, D.J. u.a., Jewish Apocalyptic and the Comparative Method, in: EVANS, C.D.; HALLO, W.W. u. WHITE, J.B. (Hgg.), Scripture in Context: Essays on the Comparative Method, PThMS 34, Pittsburgh 1980, 245–262; TSUKIMOTO, A., On Prophecies in Ancient Mesopotamia – With Special Reference to a Comparison Between Prophecies in Neo-Assyria and Prophecy in Ancient Israel, Seisho-Gaku-Renshu 16 (1981), 19–45 (zusammengef. durch ISHIDA, TH., OTA 5 [1982], 122). 38 GRAYSON, A.K., Assyria and Babylonia (s. Anm. 30), 191. 37
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den.39 Die Anonymität der Texte – gemeint ist die fehlende Verfasserangabe – ist nicht ohne Parallele in der mesopotamischen Literatur, auch wenn für eine ganze Reihe von Kompositionen die Namen von ‚Autoren’ oder ‚Redaktoren/Kompilatoren’ bekannt ist.40 Die Sprache selbst wie auch die Anonymisierung sind, wie dargelegt, typologisches Merkmal der Omen-Literatur. Eine gewisse deterministische Geschichtssicht ergibt sich aus den Argumentationsmustern der Divination 41 und die Idee, dass sich hier die Stimme der Opposition artikuliere, lässt sich kaum mit den Bedingungen gelehrter Schriftlichkeit in den Keilschriftkulturen verbinden. Die lange historische Periode, die von den Texten umfasst wird, ist ein typologisches Merkmal der Chroniken – hierin versehen mit einer fiktiven prognostischen Perspektive. Die thematische Leitlinie, der Wechsel von Heils- und Unheilszeiten, findet neben den Parallelen in den historischen Omina und den Chroniken noch einen dritten Bezugspunkt, nämlich die historischen Einleitungen der Herrscherinschriften, in denen der Beginn einer neuen Regentschaft regelmäßig als Ära der Verheißung und des Heils beschrieben wird. Es handelt sich also hier um einen Topos, der nicht nur Teil der historischen Erfahrung, sondern eben auch gerade der herrscherlichen Rhetorik und Selbstdarstellung ist. Die literarischen Weissagungen des späten 1. Jahrtausends sind also weniger die Vorboten alttestamentlicher Apokalyptik, als vielmehr Vertreter eines Genres, das auf der Autorität lange tradierter keilschriftlicher Gattungen – Omina, Chroniken – aufruht, diese aber in einen anderen Kontext transferiert. Dieser Kontext ist das Herrscherlob – im weitesten Sinne – , der Versuch, einen Regenten, der einer anderen kulturellen Sphäre entstammt, in das Kontinuum mesopotamischer Herrschaftspraxis einzubinden. In der Vergangenheit hatten gewöhnlich die Herrscherinschriften, d.h. im Auftrag des Königs gefertigte Tatenberichte diese Funktion erfüllt. Dies war der Ort gewesen, an dem der Herrscher sein segensreiches Wirken für das Land, die Stadt, den Tempel kundgetan hatte. Uruk-Prophetie und Dynastische Prophezeiung scheinen, soweit dies aus der fragmentarischen 39
LONGMAN III, T., Akkadian Autobiography (s. Anm. 1), 184: “In conclusion, it is interesting to note that the Akkadian apocalypses differ from omens, Mari prophecy, and neo-Assyrian oracles in just those traits that are so often used to distinguish apocalypse from prophecy: pseudonymity, vaticinium ex eventu, wide scope of history, and vague allusions to future kings. This is a further argument for retainig the application of Hallo’s apocalypse to these texts, in spite of the fact that their eschatological character cannot yet be confirmed.” 40 Vgl. dazu z.B. FOSTER, B.R., On Authorship in Akkadian Literature, AION 51 (1991), 17–32; GLASSNER, J.-J., Who Were the Authors Before Homer in Mesopotamia?, Diogenes 49 (2002), 86–92. 41 Vgl. z.B. LAMBERT, W.G., History and the Gods. A Review Article, OrNS 39 (1970), 170–177, differenziert GLASSNER, J.-J., Chronicles (s. Anm. 16), 3–33.
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Textstruktur zu ermitteln ist, die jeweils aktuelle politische Situation positiv zu bewerten. Dabei wird eine raffinierte Form gewählt, in der die Gegenwart bzw. die zu erwartende Zukunft als Klimax der Historie erscheint. Erzählt wird the future of the past, wie Jean-Jacques Glassner es nennt.42 Es ist die Technik des Vaticinium ex eventu, in der sich ganz selbstverständlich mesopotamische Weltsicht und die in der Divination erprobten Denk- und Argumentationsmuster verbinden: die Abfolge von Großperioden wurde im regelhaften Wechsel der politischen Vormachtstellung, bereits im 3. Jahrtausend, z.B. der Sumerischen Königsliste, formuliert, und das Auftreten von Heils- und Unheilsherrschern darf als seit langem typisiertes Moment historischer Erfahrung gelten. Der jeweils regierende Monarch erscheint selbstverständlich in einer mit Sehnsucht erwarteten Heilszeit – stets jedoch wird ihm eines oder mehrere positive Referenzbeispiele beigegeben. Es ist vielleicht kein Zufall, dass derartige Texte – als Unikate – im 4./3. Jh. v. Chr. abgefasst werden. Die alten Kultzentren Mesopotamiens kämpfen um ihr Überleben. Die wirtschaftliche Prosperität einzelner Städte, wie Uruk oder Babylon, reichte nicht aus, unter den Bedingungen der hellenistischen Reiche wie bisher zu bestehen. Es galt also, die Aufmerksamkeit, das Interesse und das Wohlwollen der neuen Regenten zu sichern, und im Dienste solcher lokaler, religiös-politischer Interessen dürften auch die beiden Texte angesiedelt sein. Ob der Ort dieser Texte, ihr Sitz-im-Leben, der königliche Hof oder eher ein zeremoniell-religiöser Rahmen, bspw. die Wiedereinweihung eines Tempels war, ist noch zu untersuchen. Die Ähnlichkeit zum Daniel-Buch43 könnte hier – nicht nur motivgeschichtlich – sondern eben auch situationsgebunden von Interesse sein.
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GLASSNER, J.-J., Chronicles (s. Anm. 16), chapt. I. Nach HALLO, W.W., Dawn of Apokalyptic (s. Anm. 37), existierte in spätbabylonischer Zeit ein Genre, das die Vorlagen für die relevanten Passagen zum Beispiel im Danielbuch gab “it is possible, perhaps even probable, that the author of Daniel adopted the style of a traditional Babylonian genre for his own purposes.” (S.16). S.a. BEHRENS, A., Prophetische Visionsschilderungen im Alten Testament, AOAT 292, Münster 2002, 333–345. 43
Menetekel an der Wand? Zur Deutung der „Demotischen Chronik“ Joachim Friedrich Quack Einer der bekanntesten literarischen Texte der ägyptischen Spätzeit ist eine Komposition, die bis heute meist unter dem Begriff „Demotische Chronik“ läuft.1 Tatsächlich ist dieser Titel alles andere als angemessen, handelt es sich doch ganz offensichtlich nicht um eine Chronik, deren Intention eine Art der Geschichtsschreibung im üblichen Sinne ist. Bereits Spiegelberg hat vorgeschlagen, statt dessen den Terminus „Orakel“ zu gebrauchen, 2 doch konnte sich diese Begrifflichkeit nicht durchsetzen. Allerdings scheint mir auch der Begriff Orakel nicht wirklich den Kern der Sache zu treffen. Mein Ziel soll es sein, durch eine genauere Betrachtung des Textes 1 Die bis heute nicht ersetzte Basisbearbeitung des Textes ist SPIEGELBERG, W., Die sogenannte demotische Chronik des Pap. 215 der Bibliothèque Nationale zu Paris nebst den auf der Rückseite des Papyrus stehenden Texten, DeSt 7, Leipzig 1914; eine erste historische Einordnung auf der Basis von Spiegelbergs Übersetzung versucht MEYER, E., Ägyptische Dokumente aus der Perserzeit, SPAW 1915/16, Berlin 1915; neuere Literatur bes. JOHNSON, J.H., The Demotic Chronicle as a Statement of a Theory of Kingship, JSSEA 13 (1983), 61–72; JOHNSON, J.H., Is the Demotic Chronicle an Anti-Greek Tract?, in: THISSEN, H.J. u. ZAUZICH, K.-TH. (Hgg.), Grammata demotika. FS E. Lüddeckens, Würzburg 1984, 107–124; HUSS, W., Der makedonische König und die ägyptischen Priester. Studien zur Geschichte des ptolemaiischen Ägypten, Historia Einzelschriften 85, Stuttgart 1994, 143–162; FELBER, H., Die demotische Chronik, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hrsg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven/Paris/Sterling 2002, 65–111; LIPPERT, S.L., Komplexe Wortspiele in der demotischen Chronik und im Mythus vom Sonnenauge, Enchoria 27 (2001), 88–100; GOZZOLI, R.B., The Writing of History in Ancient Egypt during the First Millennium BC (ca. 1070–180 BC). Trends and Perspectives, GHP Egyptology 5, London 2006, 283–290. Eine neue deutsche Übersetzung gebe ich in HOFFMANN, F. u. QUACK, J.F., Anthologie der demotischen Literatur, Münster u.a. 2007, 183–191 (siehe Anhang zu diesem Beitrag). Die Thesen von KAPLONY, P., Bemerkungen zum ägyptischen Königtum vor allem in der Spätzeit, CdÉ 46 (1971), 250–274, hier 253–256; KAPLONY, P., Art. Demotische Chronik, LÄ I (1975), Sp. 1056–1060, halte ich für nicht diskussionsfähig; ihr Ausgangspunkt ist übrigens eine Fehllesung, da der von ihm Bemerkungen, S. 250 angesprochene demotische Titel nicht öy, sondern m-nr zu lesen ist; vgl. kritisch zu Kaplony QUAEGEBEUR, J., Le dieu égyptien Shaï dans la religion et l’onomastique, OLA 2, Leuven 1975, 117f. 2 SPIEGELBERG, W., Sogenannte demotische Chronik (s. Anm. 1), bes. 5.
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seine Kategorisierung und damit auch seine Funktion zu erhellen, bzw. die relativ knappen Darlegungen, die ich dazu bereits skizziert habe, 3 etwas ausführlicher zu hinterfüttern. Der Text ist – wie es bei den demotischen prophetischen Texten normal ist4 – nur in einer einzigen Handschrift überliefert, scheint also kein allzu populäres und verbreitetes Werk gewesen zu sein. Auffällig ist vor allem, daß aus dem Fundkomplex von Tebtynis, der für die demotische Literatur den größten und repräsentativsten Überblick bietet, keine Kopie erhalten ist, was für die Römerzeit an seiner Verfügbarkeit zumindest zweifeln läßt.5 Man kann daraus versuchsweise auch den Schluß ziehen, daß diese Art von Literatur in Ägypten nicht öffentlich vorgetragen, sondern eher allein oder in kleinen Zirkeln durch Lektüre rezipiert wurde. Dies bietet einen interessanten Kontrast etwa zur reichen Überlieferung des JesajaBuches in Qumran, die ein Indiz für eine Nutzung als Rezitationstext darstellen könnte.6 Der Papyrus ist ein ausgesprochener Altfund, wurde er doch schon im Zuge der napoleonischen Expedition nach Paris gebracht. Paläographisch dürfte er aus dem 3. Jh. v. Chr. stammen, somit aus der früheren Ptolemäerzeit. Da der Text zumindest in der Letztfassung die Herrschaft der Griechen in Ägypten voraussetzt, liegt also kein langer Zeitraum zwischen Abfassung und erhaltener Niederschrift. Allerdings impliziere ich mit dem Begriff „Letztfassung“ bereits, daß ich von der Existenz einer Redaktionsgeschichte ausgehe, also deutliche 3 QUACK, J.F., Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III. Die demotische und gräko-ägyptische Literatur, Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie 3, Münster 22009, 181–186. 4 Vgl. zu diesen QUACK, J.F., Einführung (s. Anm. 3), 174–188, dabei auch 175 zur geringen Bezeugung. 5 Überblick über die Texte dort bei RYHOLT, K., On the Contents of the Tebtynis Temple Library. A Status Report, in: LIPPERT, S. u. SCHENTULEIT, M. (Hgg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos. Leben im römerzeitlichen Fajum, Wiesbaden 2005, 141–170; der bislang einzige wirklich prophetische (nicht technisch divinatorische) Text von dort ist von mir in QUACK, J.F., Ein neuer prophetischer Text aus Tebtynis (Papyrus Carlsberg 399 + PSI Inv. D 17 + Papyrus Tebtunis Tait 13), in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven/Paris/Sterling 2002, 253–274, veröffentlicht worden. 6 Vgl. in diesem Sinne den Vortrag von Stefan A. Nitsche auf dem AHRG-Symposion 2007 sowie dessen Studien: NITSCHE, S.A., Jesaja 24–27: ein dramatischer Text. Die Frage nach den Genres prophetischer Literatur des Alten Testaments und die Textgraphik der großen Jesajarolle aus Qumran, BWANT 166, Stuttgart 2006; DERS., Prophetische Texte als dramatische Texte lesen. Zur Frage nach den Textgestaltungsprinzipien in der prophetischen Literatur des Alten Testaments, in: UTZSCHNEIDER, H. u. BLUM, E. (Hgg.), Lesarten der Bibel. Untersuchungen zu einer Theorie der Exegese des Alten Testaments, Stuttgart 2006, 155–181.
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Anzeichen späterer Überarbeitung wahrzunehmen glaube.7 Dies soll unten im Detail ausgeführt werden, gerade weil die Ägyptologie sich bislang damit relativ schwer getan hat, Konzepte von Redaktion und Fortschreibung zu rezipieren, wie sie etwa in der alttestamentlichen Wissenschaft längst gängig sind, 8 und ich entsprechend auch mit erheblichem Widerstand gegen meinen Vorschlag rechne.9 Sehr erschwert werden alle Deutungsansätze des Textes dadurch, daß Anfang und Ende des Papyrus verloren sind, und damit auch die innertextliche Situierung fehlt. Für die verlorenen ersten fünfeinhalb Kapitel dürfte man nach Maßgabe des normalen Umfangs der erhaltenen Kapitel wohl von drei bis vier Seiten der Handschrift ausgehen können, hinzu kommt noch eine mutmaßlich vor den Kapiteln anzusetzende Rahmenhandlung mit einer Situierung des Ganzen. Unter Einschluß der letzten Seite, von der nur die ersten Zeichen jeder Zeile erhalten sind, wird man mit einem Mindestumfang von fünf verlorenen bzw. nicht mehr verständlichen Seiten zu rechnen haben. Gemessen an den fünf gut erhaltenen Seiten (Seite 2–6 der Handschrift) kommt man damit zu dem Schluß, daß eher mehr als die Hälfte des ursprünglichen Werkes verloren ist, und dies sollte eine Warnung für alle Deutungen darstellen. Dies ist mehr als einzelne verbliebene philologische Probleme auch der Grund dafür, daß die derzeitigen Interpretationen so erheblich auseinandergehen. So wird der Text gelegentlich auch heute noch als Zeugnis eines traditionell-ägyptischen Widerstands gegen die griechische Fremdherr-
7 In diese Richtung hat bislang vor allem HUSS, W., Der makedonische König (s. Anm. 1), 143 argumentiert. Skeptisch dazu FELBER, H., demotische Chronik (s. Anm. 1), 68 mit Anm. 6; auch THISSEN, H.J., Das Lamm des Bokchoris, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven/Paris/Sterling 2002, 113–138, hier 121, ist gegenüber redaktionsgeschichtlichen Ansätzen grundsätzlich zurückhaltend. Zumindest kann ich anders als der von ihm kritisierte Meyer behaupten, daß meine Analyse auf Arbeit am demotischen Wortlaut selbst beruht. 8 Teilweise dürfte dies damit zusammenhängen, daß der erste größere Versuch einer redaktionsgeschichtlichen Untersuchung, nämlich HERRMANN, S., Untersuchungen zur Überlieferungsgestalt mittelägyptischer Literaturwerke, Berlin 1957, weder die theoretischen Prämissen hinreichend deutlich macht noch einen wirklich geeigneten Untersuchungsgegenstand zur Demonstration gewählt hat. 9 Zur Frage der Fortschreibung von Texten in Ägypten verweise ich auch auf meine Analyse in QUACK, J.F., Corpus oder membra disiecta? Zur Sprach- und Redaktionskritik . Diener des Horus, FS D. Kurth, des Papyrus Jumilhac, in: WAITKUS, W., Aegyptiaca Hamburgensia 1, Gladbeck 2008, 203–228. Konkret zur demotischen Chronik hat immerhin bereits DEVAUCHELLE, D., Le sentiment anti-perse chez les anciens Égyptiens, Transeuphratène 9 (1995), 67–80, hier 73, erwogen, ein während der zweiten Perserherrschaft entstandener Text sei später neu aktualisiert worden.
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schaft gesehen (wie es früher generell üblich war), 10 teilweise besonders die antipersische Haltung in den Vordergrund gestellt und der Text vornehmlich als Theorie über das Königtum verstanden,11 oder sogar als promakedonische Propaganda gelesen.12 Äußerlich ist augenfällig und wurde auch schon immer so verstanden, daß es sich um einen Basistext und eine Kommentierung handelt, d.h. kurze Aussagen werden auf die historisch-politischen Realitäten und Zukunftshoffnungen des späten Ägypten hin ausgelegt.13 Was weniger beachtet wurde, ist die Tatsache, daß wenigstens für einen Teil der Aussagen zwei verschiedene Ebenen der Auslegung vorliegen. Eine erste betrifft rein die sprachliche Adaptierung, indem nur sehr leichte Modifikationen vorgenommen werden. Meist handelt es sich darum, das im Demotischen obsolete subjunktivische sm=f in ein normales Futur (gleichzeitig auch Modalform) umzusetzen. Erst die zweite Ebene der Bearbeitung führt dann dadurch, daß sie konkrete historische Namen und Ereignisse anführt, auf die intendierte Nutzanwendung. Die Art der Ausdeutung ist meist relativ drastisch, d.h. der Basistext aus sich heraus bietet bei einer Analyse des Literalsinnes keine Anhaltspunkte dafür, daß er als Bewertung der rezenten Geschichte und Ankündigung der zukünftigen Geschichte Ägyptens zu verstehen ist. Darauf werde ich unten noch zurückkommen. Meist ist die Deutung auch nicht explizit, d.h. sie gibt keine Erläuterung dafür, warum sie bestimmte Basisaussagen in dieser und keiner anderen Weise versteht. Ausgenommen sind lediglich seltene Fälle wie die Erläuterung „Wasser bedeutet Mensch. Der Stein bedeutet Gemetzel.“ (5,3–4) zu einer Auslegung, die vielleicht sonst selbst die Gutwilligkeit der Zuhörer/Leser überfordert hätte. Die Sprache des Textes ist als „Mitteldemotisch“ beschrieben worden, wobei man üblicherweise keine wesentliche Divergenz zwischen Basissprüchen und Ausdeutungen sah bzw. eine solche allenfalls als bewußtes Mittel angesehen hat, die Sprüche gegenüber den Erläuterungen älter er-
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So etwa noch HUSS, W., Der makedonische König (s. Anm. 1) und KÜCHLER, J., Pharao und Christus?, Religionsgeschichtliche Untersuchungen zur Frage einer Verbindung zwischen altägyptischer Königstheologie und neutestamentlicher Christologie im Lukasevangelium, BBB 113, Bodenheim 1997, 92–93. Zumindest ansatzweise in dieselbe Richtung geht wohl auch FRANKFURTER, D., Elijah in Upper Egypt. The Apocalypse of Elijah and Early Christianity, Minneapolis 1993, 175f. 11 So JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1); J OHNSON, J.H., Anti-Greek Tract (s. Anm. 1). 12 So FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), bes. 106–112. 13 Zur Auslegungstechnik im Vergleich mit Qumrantexten vgl. DAUMAS, F., Littérature prophétique et exégétique égyptienne et commentaires esséniens, in: Mémorial Albert Gélin, Lyon 1961, 203–221.
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scheinen zu lassen. 14 Allerdings fehlt es bislang an jeder Detailausarbeitung dieses Standpunktes. Vor allem muß die Frage gestellt werden, anhand welcher Kriterien man eine frühptolemäische Sprachform von einer z.B. der 30. Dynastie realistisch unterscheiden will – hier fehlen uns nicht nur grammatische Untersuchungen, sondern die bislang definierten Eigenheiten des Frühdemotischen beruhen vorrangig auf dem frühperserzeitlichen pRylands IX, sind im Zweifelsfall also für einen etwa 150 Jahr jüngeren Text des mittleren 4. Jh.s v. Chr. kaum ein verläßlicher Maßstab. Zudem geben die wenigen kurzen Sätze des Basistextes kaum Material für eine wirklich signifikative Diagnose her, mit der man jenseits möglicher orthographischer Schreibgewohnheiten in der Sprachstruktur an sich einen Unterschied von Früh- und Mitteldemotisch festmachen könnte.15 Eingeteilt ist der Text in „Kapitel“ (äg. w.t). Von ihnen ist das Ende des sechsten sowie das siebte bis dreizehnte heute noch erhalten.16 Da noch geringste Spuren von Zeilenanfängen einer gesamten weiteren Seite verloren sind, muß man mit wenigstens zwei bis drei weiteren Kapiteln rechnen, welche heutzutage ganz verloren sind, deren einstige Existenz jedoch für die Gesamtbewertung als relevant gelten muß. Ebenso sollte man sich die Frage stellen, was alles in den ersten fünf Kapiteln durchgesprochen worden sein mag, ob die erste Perserherrschaft bzw. sogar noch weiter zurücklegende Ereignisse, oder unter anderen Blickwinkeln dieselben Ereignisse wie in den erhaltenen Bereichen. Auffällig und schon oft kommentiert ist, daß die historische Nahvergangenheit im Text zwei Mal in durchaus etwas unterschiedlicher Weise durchgegangen wird. Im 6. Kapitel werden die auf die Perserzeit folgenden einheimischen Könige in chronologischer Sequenz durchgesprochen, nämlich Amyrtaios (28. Dynastie), Nepherites I., Hakoris, Nepherites II. (29. Dynastie),17 Nektanebes und Teos – mindestens Psammuthis fehlt hier völlig. Es folgt ein bewußt anonym gehaltener darauf folgender Herrscher, der für die Zukunft versprochen wird. Das gesamte 7. Kapitel widmet sich 14 JOHNSON, J.H., Anti-Greek Tract (s. Anm. 1), 108 Anm. 9; JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1), 62; FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), 69. 15 Gerade Johnsons Bestimmung der Sprache, die bislang bestimmend war, unterscheidet leider nicht zwischen Orthographie und wirklicher Sprachstruktur. 16 Es sei als forschungsgeschichtliche Anmerkung erwähnt, daß Eduard MEYER (Ägyptische Dokumente [s. Anm. 1], 288) erwogen hat, die Numerierung (die er, Spiegelbergs unsicherer Lesung folgend, noch als „Tafeln“ auffaßt) nicht als Überschrift, sondern als Unterschrift zum vorangehenden Abschnitt zu verstehen. Da bei ägyptischen Texten, die in Kapitel unterteilt sind, die Numerierung grundsätzlich vor dem Abschnitt steht, auf den sie sich bezieht, kann man diese Idee endgültig ad acta legen. 17 Zu dieser s. CARREZ-MARATRAY, J.-Y., Psammétique le tyran. Pouvoir, usurpation et alliances en Méditerranée orientale au IVe siècle av. J.-C., Transeuphratène 30 (2005), 37–63.
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eben diesem zukünftigen Herrscher. Es legt einen starken Akzent auf die Stadt Herakleopolis, die als dessen Herkunftsort stilisiert wird. Auch das achte Kapitel handelt von diesem zukünftigen Herrscher, doch gibt es hier neue Wendungen und Situierungen. Während im siebten Kapitel der künftige Herrscher anscheinend direkt auf Nektanebes und dessen Sohn Teos folgen sollte, wird er nunmehr hinter die „Barbaren“ (d.h. Perser) und die Griechen eingeordnet. Herakleopolis bleibt dominant, der zukünftige Herrscher wird sogar explizit als Prophet des dortigen Gottes Harsaphes bezeichnet. Im neunten Kapitel wird eine Rebellion dieses künftigen Herrschers in Details ausgemalt, die ihr wesentlich die Rolle eines religiösen Spektakels geben, das monatsweise organisiert ist. Hier spielen Pe und Dep (im Delta, Bereich von Buto) als religiöse Orte des Horus sowie Atfih als Ort der Isis eine Rolle, Herakleopolis erscheint nicht mehr. An sich könnte mit der erfolgreichen Machtergreifung des zukünftigen Herrschers und der Freude der Götter über seine gerechte Machtausübung der Text schließen, statt dessen erfolgt hier aber der oben schon angedeutete totale Neuansatz. Im zehnten Kapitel werden erneut die ägyptischen Herrscher ab der 28. Dynastie (also der ersten nach der persischen Herrschaft) durchgesprochen. Namentlich genannt werden die Pharaonen Amyrtaios, Nepherites I., ein anonymer dritter Herrscher, Psammouthis, Hakoris, Nepherites II., Nektanebes und Teos, dann noch ein „zukünftiger Herrscher“. Für die letzten drei wird auch die genaue Regierungsdauer angegeben. Die zweite Perserherrschaft wird ohne Nennung konkreter Herrscher als Greuelzeit geschildert. Sehr auffällig ist das elfte Kapitel. Es legt einerseits König Nektanebes Worte direkt in den Mund, in denen dieser die Sicherheit seiner Herrschaft ausspricht, andererseits wird eben dieser Herrscher auch von einem ungenannten Sprecher direkt angeredet und vermahnt.18 Auch im zwölften Kapitel geht es um Nektanebes. Einerseits spielt die Bedrohung durch die „Meder“, d.h. Perser eine Rolle; allerdings wird verheißen, der Gott würde sie zu den Orten zurückführen, woher sie gekommen seien. Historischer Hintergrund ist somit ein erfolgloser Rückeroberungsversuch der Perser, mutmaßlich der gescheiterte Invasionsversuch von 373 v. Chr.19 Haupinhalt dieses Kapitels sind jedoch Vorwürfe gegen
18 JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1), 64, meint, die Vorwürfe an „du“ würden sich an Teos richten, da Nektanebes in der ersten Person spreche. Tatsächlich ist aber die „erste Person“ eine Aussage, welche der real sprechende Deuter dem König in den Mund legt. 19 Zu ihm vgl. HUSS, W., Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr., München 2001, 47.
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Nektanebes, speziell seine Gier und sein Streben nach Gelderwerb. Ein wohltätiger Herrscher wird von den Göttern erfleht. Eine ganz neue Wendung bekommt der Text in Kapitel 13. Hier wird angekündigt, nach einer im Plural direkt angesprochenen Gruppe würden die Barbaren kommen, um in Ägypten zu herrschen. Schließlich wird eine lange Herrschaft der Griechen vorhergesagt. Mit diesem historischen Komplex bricht der erhaltene und für die Interpretation verwertbare Teil ab. Nunmehr soll versucht werden, die reale Intention und politische Stoßrichtung des Textes ebenso wie seine mutmaßliche Entstehungszeit und mögliche spätere Überarbeitungen zu erschließen. Die Einbettung des Textes als solche ist zweifellos eine dialogische, denn der nie genannte Sprecher des Textes richtet sich mehrfach in der 2. Pers. sg. an ein konkretes Gegenüber. Dessen Natur ist sogar relativ leicht zu erkennen. Schlüsselpassage hierfür ist das 11. Kapitel. Darin sind die Basisaussagen weitgehend in der 1. Pers. sg. gehalten, und bei der Auslegung wird hier einmal, und ebenso noch einmal in Kapitel 12, angegeben, der Sprecher mache seine Aussage im Hinblick auf König Nektanebes. Der inneren Situierung des Textes nach ist er somit in die Zeit des Nektanebes I. und seines Sohnes, Mitregenten und ephemeren Nachfolgers Teos (Tachos) gesetzt. Deutlich wird dies besonders in 2,6f., wo die bis Teos geführte Liste der Könige nicht namentlich weitergeht, sondern nur allgemein von einem „Herrscher, der nach ihnen kommen wird“ gesprochen wird. Ebenso gilt dies für 4,18, wo auf die Nennung von Nektanebes I. und Teos erneut die eines „Herrschers, der kommen wird“ folgt. Tatsächlich ist es auffällig, daß beim zweiten Durchgang durch die Herrscher alle Aussagen bis zu Nepherites II. konsequent in der Vergangenheit formuliert sind, diejenigen über die Regierungslängen des Nektanebes und Teos dagegen als Futur, und spezifisch die Herrschaftsausübung des Nektanebes wird 4,15 sogar ganz evident als präsentische formuliert. Beim ersten Durchgang durch die Herrscher werden der Syrienfeldzug und die Ablösung des Teos durch Nektanebos ebenfalls als Zukunft formuliert. Auffällig ist dabei, daß nur Teos zusätzlich zum Titel pr- noch denjenigen nsw trägt, also die historisch alte Bezeichnung für Könige Ägyptens. Die Haltung des Textes beim ersten Durchgang durch die Herrscher ist ganz eindeutig in dem Sinne, daß nicht nur die Ablösung des Teos durch einen zukünftigen Herrscher vorhergesagt wird, sondern vor allem auch Nektanebes als jemand betrachtet wird, der das Recht verlassen hat, so daß
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die Strafe ihn und seinen Sohn trifft (2,16–17).20 Auch im zweiten Durchlauf muß man sagen, daß Mahnworte gegen das Verhalten des Nektanebes eine erhebliche Rolle spielen. Ihm wird Gier und mangelnde Fürsorge für die Bedürftigen vorgeworfen. Die Detailfreudigkeit dieser Anklagen übertrifft bei weitem die meist dürren Worte, in denen davor regierende Herrscher thematisiert werden – üblicherweise dient ganz knapp unrechtmäßiges Verhalten in ihrer Zeit als Grund dafür, daß sie entweder selbst vom Thron gestoßen werden oder ihr Sohn keine lange Herrschaft hat. Insgesamt situiert sich der Text somit ganz eindeutig als eine Auslegung von Zeichen, konkret Texten, auf die politische Geschichte Ägyptens nach der ersten Perserherrschaft. Sie hat vorgeblich in der Zeit des Nektanebes stattgefunden, und zwar als direkte Rede eines Deutungsspezialisten an den König – dazu unten mehr. Damit ist es an der Zeit, sich die historischen Hintergründe hierzu genauer anzuschauen. Zu unterscheiden sind zwei Herrscher, die korrekt und allen zeitgenössischen Zeugnissen nach ebenso wie gemäß der manethonischen Überlieferung als Könige Nektanebes (äg. N t-nb=f) und Nektanebos (äg. N t- r- by.t) zu unterscheiden sind.21 Leider ist in der modernen historischen Forschung vieles schiefgelaufen, weil man die Zuordnung der griechisch bezeugten Namensformen zu den ägyptischen teilweise fehlerhaft vorgenommen hat.22 Letztlich führte dies dazu, daß man heute oft von Nektanebos I. und II. spricht, obgleich in keinem einzigen antiken Zeugnis je für beide dieselbe Namensform benutzt worden ist.23 Beides sind Herrscher der 30. Dynastie, allerdings nicht aus derselben Linie. Tatsächlich war es so, daß Nektanebes’ Sohn Teos im Zuge eines groß angelegten Syrienfeldzuges aus Ägypten fortgezogen war und dann von General Samaus (äg. i -n.m=w), Bruder des Nektanebes, eine erfolgreiche Rebellion an-
20 Wenig plausibel im Textzusammenhang scheint mir die Annahme von HUSS, W., Der makedonische König (s. Anm. 1), 149, diese Passage beziehe sich auf Nektanebos und dessen nie zur Regierung gelangten Sohn. 21 Während FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), 91 Anm. 29, es für „sehr akademisch“ hält, die beiden Namen in der Lautform zu unterscheiden, sehe ich es als indiskutabel an, zwei Namen zu vereinheitlichen, die sowohl in der ägyptischen Originalform als auch in der griechischen Wiedergabe konsequent geschieden und lediglich aufgrund einer irrigen Zuordnung der griechischen Formen (z.B. bei SPIEGELBERG, W., Sogenannte demotische Chronik [s. Anm. 1], 6) in der modernen Forschung miteinander verwirrt worden sind. 22 Verantwortlich hierfür ist wohl A. Mariette im Zuge seiner Einschätzung des Befundes im Serapeum von Memphis; s. MEYER, E., Ägyptische Dokumente (s. Anm. 1), 291. 23 Einzige Ausnahme ist eventuell Plutarch, Ages., 37,3.7.10; 38,1.5.7.8 mit der Form Nektanabis für den Herrscher, der eine erfolgreiche Revolte gegen Tachos durchführt – allerdings fehlt in diesem Text eine Nennung des älteren Herrschers.
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gezettelt wurde, als deren Ergebnis er seinen Sohn Nektanebos auf den Thron setzen konnte.24 Da ich davon ausgehe, daß der Textautor keine reale Gabe der Prophetie besessen hat und deshalb nicht im Voraus wußte, daß Nektanebos während des Syrienfeldzuges Teos ablösen würde, liefert dieses Datum (360 v. Chr.) einen Terminus post quem für die Entstehung der Komposition. Zumindest für das 13. Kapitel, das eine Herrschaft der Griechen für lange Zeit ankündigt, wird man wenigstens ans Ende des 4. Jh.s oder sogar das 3. Jh. v. Chr. kommen. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, daß dies für das Werk insgesamt gilt. Zu deutlich ist sein Aufbau im Grunde anders angelegt. Ich möchte versuchen, dies möglichst klar zu thematisieren. In der ersten Einheit der historischen Schau (Kap. 6–10) werden die zweite Perserherrschaft und die Griechen kaum erwähnt. Wesentlicher Platz für sie ist der Beginn von Kapitel 8, wo sie allerdings eine wenig überzeugende Rolle spielen. Tatsächlich muß das ganze achte Kapitel in seiner jetzigen Form als mißlungen und inkohärent eingestuft werden. Einerseits führt es mit seinen Ausführungen über einen zukünftigen Herrscher, der enger mit Herakleopolis verbunden ist, das siebte Kapitel sinnvoll weiter. Daneben aber gibt es plötzlich nicht nur einen zukünftigen Herrscher, sondern drei, über deren Herrschaftsausübung sich die Götter freuen – allerdings nur im Bereich von 2,20–22, denn unmittelbar anschließend ist nur noch die Rede davon, daß die Göttin einen ganz bestimmten Herrscher aus Herakleopolis holen wird, dessen erfolgreiche Rebellion dann im neunten Kapitel geschildert wird. Dieser eine zukünftige Herrscher wird explizit als jemand bezeichnet, der nach den Fremdländern und den Griechen herrschen wird (2,25), so daß er eigentlich von dem zu unterscheiden wäre, dessen Auftreten am Ende von Kapitel 6 und 7 angesprochen und speziell in Kapitel 7 bereits mit Herakleopolis verbunden war. Zudem wird eine Herrschaft der Perser sowie der Griechen jetzt etwas aus dem Nichts angesagt, ohne daß ihr eine einzige spezifische Ausdeutung einer Aussage des Basistextes entsprechen würde. Das ist so unplausibel, daß ein Gegenmodell einem geradezu in die Augen springt. Ursprünglich gab es überhaupt nur einen zukünftigen Herrscher, der mit Herakleopolis verbunden war, und dessen Behandlung zunächst am Ende von Kapitel 7 begonnen und dann in Kapitel 8 bruchlos fortgesetzt wurde. Eine solche Textschicht findet mit Kapitel 9 einen plausiblen Abschluß, wenn 24 Zur Verwandtschaft s. zuletzt ENGSHEDEN, Å., La parenté des Nectanébo, CdÉ 81 (2006), 62–70. Vgl. auch den Gesamtüberblick bei BLÖBAUM, A.I., „Denn ich bin ein König, der die Maat liebt“. Herrscherlegitimation im spätzeitlichen Ägypten. Eine vergleichende Studie der Phraseologie in den offiziellen Königsinschriften vom Beginn der 25. Dynastie bis zum Ende der makedonischen Herrschaft, AegMon 4, Aachen 2006, 15– 20.
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eine Zeit der Achtung der Gesetze durch eben diesen künftigen Herrscher angekündigt wird. Entstanden sein kann eine solche hier postulierte Version am plausibelsten zu einer Zeit und in einer Situation, in der politische Meinungsbeeinflussung25 zugunsten eben dessen erwünscht war, der hier nur vage als zukünftiger Herrscher etikettiert wird, aber durch die Angabe seiner Abfolge auf Nektanebes und Teos sowie das Faktum der Revolte für Zeitgenossen problemlos erkennbar war. Daß eine solche Art der Einflußnahme vorgenommen wurde, kann um so weniger überraschen, wenn man bedenkt, daß der Herrschaftsantritt des Nektanebos alles andere als wirklich legitim war, er somit allen Grund hatte, die höhere Berechtigung seines Vorgehens herauszustreichen. Sicher erst nach dem Ende des Nektanebos wurden dann Teilbereiche dieser „Zukunftsvorhersage“ aktualisiert. Man mußte damit fertig werden, daß die angekündigte gute Herrschaft nicht einfach das Ende der Geschichte war, sondern es danach erst einmal ziemlich schlecht kam. Gelöst wurde dieses Problem, indem man vor allem in Kapitel 8, in erheblich geringerem Umfang auch in Kapitel 9 Zusätze vornahm. Hinzugesetzt sind wenigstens Teile der ersten Sätze von Kapitel 8, zumindest alle, welche von mehreren zukünftigen Herrschern reden. Außerdem möchte ich vorschlagen, in den Sätzen „Man sagt ‚Mann von Herakleopolis‘ zu dem, der nach den Barbaren und den Griechen herrschen wird“ (2,25) sowie „Der Prophet des Harsaphes wird sich freuen nach den Griechen“ (3,1) die chronologischen Präzisierungen für nachträglich zu halten; ursprünglich dürfte der Wortlaut einfach „Man sagt ‚Mann von Herakleopolis‘ zu dem, der herrschen wird“ sowie „Der Prophet des Harsaphes wird sich freuen“ gelautet haben. Tiefergehend sind die Indikatoren für jüngere Entstehung im zweiten historischen Durchgang (Kap. 10–13). Bei diesem muß man ohnehin die Grundsatzfrage stellen, ob er eine ursprüngliche auktorial intendierte Einheit mit dem ersten Durchgang darstellt. Welcher Grund sollte bestanden haben, die bereits einmal durchgehechelte Geschichte Ägyptens, die in die Vision einer gerechten Regierung unter dem Herrscher nach Teos mündet, erneut abzuhandeln? Weitere Dinge sind augenfällig: Es werden feste Angaben über die Herrscherlänge angegeben, von denen ich ebenfalls davon 25 Ich wähle hier bewußt den Begriff der Meinungsbeeinflussung statt des vielleicht allzu belasteten Wortes Propaganda, möchte aber betonen, daß ich die prinzipielle Zurückweisung eines Propaganda-Konzeptes für die ägyptische Literatur, wie sie zuletzt PARKINSON, R., Poetry and Culture in Middle Kingdom Egypt. A Dark Side to Perfection, London/New York 2002, bes. 13–17, auf hohem Niveau unternommen hat, so nicht mittragen kann (vgl. meine Bemerkungen in: QUACK, J.F., Rez. zu Parkinson, Poetry and Culture, JAOS 124 [2004], 357–360).
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ausgehe, daß sie nicht auf einer Gabe der Prophetie, sondern auf historischer Kenntnis im Nachhinein beruhen. Dies betrifft auch die Herrschaft des Nektanebos, für die historisch zutreffend 18 Jahre genannt werden. Da diese Zahl in einer verwickelt-symbolischen Weise gewonnen wird, die strukturell den Mitteln entspricht, mit welchen auch die Regierungslängen von Nektanebes und Teos ermittelt werden, kann man sie kaum als redaktionelle Zutat abtun, sondern muß sie als Bestandteil des Urtextes akzeptieren, falls hier nicht sehr geschickt nachgeahmt wurde. Ebenso wird die Herrschaft der Perser diesmal kompositionell sehr viel überzeugender als in Kapitel 8 eingeführt, indem es reale Basisaussagen gibt, die auf diese Fakten hin ausgedeutet werden. Wenigstens das zehnte Kapitel, für das alle diese Beobachtungen relevant sind, kann somit auch in seiner ursprünglichsten Form frühestens während der zweiten Perserherrschaft entstanden sein. Weniger evident ist ein derartiger Schluß allerdings für die Kapitel 11 und 12. Zunächst fällt auf, daß sie nicht sauber in die historische Sequenz passen. Kapitel 10 brachte die Ereignisse bis zur zweiten Perserherrschaft voran, Kapitel 11 und 12 gehen dagegen wieder zurück in die Zeit des Nektanebes, der den jüngsten historischen Fixpunkt für sie liefert. Ohne daß dies ein absolut zwingendes Argument darstellt, erscheint es doch erstaunlich genug, daß ein solcher schlecht motivierter Rücksprung vorgenommen wird.26 Die Möglichkeit, daß Kapitel 11 und 12 überlieferungsgeschichtlich von Kapitel 10 zu trennen sind, sollte sehr ernsthaft ins Auge gefaßt werden. Kapitel 13 schließt zwar einerseits sehr plausibel an Kapitel 12 an, da es die Diskussion um Nektanebes zum Abschluß bringt, um dann nach einer kurzen Erwähnung der Perser (nur allgemein als „Fremdländer“ bezeichnet) zu den Griechen überzugehen. Andererseits ist eine Merkwürdigkeit augenfällig. Die vorhergesagte Herrschaft der Perser folgt direkt auf diejenige des Nektanebes bzw. einer in der zweiten Person Plural angeredeten Gruppe. Nektanebos wird weder direkt noch indirekt in irgendeiner Form genannt. Zudem ist, schaut man sich den entscheidenden Satz genau an, ein schwerer Bruch festzustellen. Es heißt zunächst w=w (r) i .t wi n s.wt r ri nb n Kmy m-s=tn „Man wird die Fremdländer kommen lassen, um Herren in Ägypten zu sein nach euch“. Direkt anschließend heißt es aber r p mw (r) Ûw n py=f h „Die Überschwemmung wird hoch sein in seiner Zeit“ (6,15). Wer ist diese Gestalt, auf die mit dem Suffix der 3. sg. verwiesen wird? Nektanebes, der im Text konsistent schlecht gemacht wird, sicher nicht, zumal diese Glückszeit direkt folgend (6,18) mit der 26 Bezeichnend ist, daß MEYER, E., Ägyptische Dokumente (s. Anm. 1), 301, vermutet, hier sei Nektanebos gemeint (obgleich die Lesung des demotischen Textes als n tnb=f absolut zweifelsfrei ist).
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weniger guten des angeredeten „du“, also eben des Nektanebes kontrastiert wird. Aber im aktuellen Zustand des Textes ist auch keine andere plausible Referenz in Sicht.27 Beide Beobachtungen zusammengenommen führen auf eine klare Schlußfolgerung. Im ursprünglichen Text standen nicht die Fremdländer als künftige Herrscher, sondern eine singularische Gestalt, eben der Herrscher, dessen Kommen der Text gerade im ersten Durchgang bereits so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat und hinter dessen scheinbarer Anonymität Nektanebos nur allzu leicht erkennbar ist. Im Zuge einer späteren Überarbeitung, welche die Realität der zweiten persischen Eroberung, wahrscheinlich auch bereits die der griechischen Herrschaft erlebt hatte, wurde die Passage daraufhin umgeschrieben. Allerdings ist das Resultat gerade dadurch wenig überzeugend geraten, daß es in eklatantem Gegensatz zum ersten historischen Durchgang nunmehr bei rein synchroner Lesung eben die Perserzeit als Glückszeit stilisiert.28 Ich möchte meine bisherigen Ergebnisse zusammenfassen und auf den Punkt bringen. Bei weitem das meiste Augenmerk der historischen Bewertung liegt auf der Zeit der Herrschaft des Nektanebes, gekoppelt mit der seines ephemeren Nachfolgers Teos. Diese Epoche wird sehr kritisch bewertet und mit einer zu erwartenden besseren Situation unter einem zukünftigen Herrscher kontrastiert. Einige Indizien erlauben es, hinter dessen Anonymität zweifellos den erfolgreichen Usurpator Nektanebos zu erkennen. Da nicht zu sehen ist, welches Interesse eine wesentlich spätere Zeit, mindestens ab der griechischen Herrschaft, noch an einer so intensiven Kontroversargumentation dieser Epoche gehabt haben könnte, sehe ich als logisch plausible Entstehungszeit des Werkes nur die Zeit des Nektanebos selbst an. Dieses Werk ist ganz deutlich eine Schrift, mit deren Verbreitung zugunsten eben dieses Herrschers Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen werden sollte. Da es dessen erfolgreiche Machtübernahme bereits kennt, handelt es sich zweifellos um eine ex-eventu-Prophezeiung. Insofern ist sie der Prophezeiung des Neferti zugunsten des Heilskönigs Ameni (d.h. Amenemhet I.) nicht unähnlich.29 27
FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), 90, übersetzt, wohl um dieser Schwierigkeit zu entgehen, „Das Wasser wird steigen zu seiner (rechten) Zeit“, aber das Wort h wird nicht in dieser Weise verwendet. 28 FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), 105f., versucht, diese Heilszeit auf die Griechenherrschaft zu beziehen, aber das dürfte am überlieferten Text scheitern. Die Schilderungen der Heilszeit im Kapitel 13 liegen im Textverlauf vor der Ankündigung der Griechenherrschaft. 29 Ich gehe weiterhin davon aus, daß die klassische Deutung durch POSENER, G., Litérature et politique dans l’Egypte de la XIIe dynastie, Paris 1956, 21–60, im Wesentlichen zutrifft und kann mich der andersartigen Position von GNIRS, A., Das Motiv des Bürgerkriegs in Merikare und Neferti – Zur Literatur der 18. Dynastie, in: MOERS, G.; BEHLMER, H.; DEMUSS, K. u. WIDMAIER, K. (Hgg.), jn.t r.w. FS F. Junge,
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Ebenso deutlich ist aber auch, daß wir, stimmt man meiner Basisannahme zu, das Werk nicht im Originalzustand vor uns haben können, da es spätere historische Ereignisse konkreter Natur, nämlich die zweite persische Eroberung ebenso wie die Herrschaft der Griechen, korrekt kennt. Damit ergibt sich logisch die Folgerung, daß der Text über seine ursprüngliche Intention hinaus ein Selbstläufer geworden ist, der um- bzw. fortgeschrieben und aktualisiert wurde, um in veränderten historischen Situationen seine Relevanz zu behalten. In der Fassung der letzten uns erhaltenen Version, welche die Griechen als Herrscher kennt, gleichzeitig aber von der Rebellion eines Mannes aus Herakleopolis spricht, kann die Stoßrichtung kaum eine andere als antimakedonisch gewesen sein. In dieser Fassung ist es sicher nicht mehr Angabe realer Geschehnisse, sondern eine Hoffnung für die Zukunft, die so nie eingetreten ist. Zur Annahme von Überarbeitungs- und Redaktionsstufen passen unabhängig von der von mir angenommenen ursprünglichen Nutzung auch die hier präsentierten Beobachtungen über Brüche und Unstimmigkeiten innerhalb des Werkes, welche ein typischer Anzeiger dafür sind, daß es nicht aus einem Guß ist, sondern sekundär umgearbeitet. Bei der Frage der Intention ist es nunmehr dringend Zeit, sich zur besseren Absicherung meiner Auffassung mit dem bisherigen Verständnis des Textes auseinander zu setzen. Insbesondere gilt dies für Johnsons Wertung, es handele sich nicht um ein antigriechisches, sondern um ein antipersisches Werk, 30 welche die aktuelle Rezeption bei Demotisten dominiert, 31 keineswegs in gleichem Maße allerdings die bei Althistorikern. 32 Verbunden ist dies mit einer Bewertung des Werkes als Theorie vom Königtum.33 In gewissem Sinne ist der Text sicher, wie Johnson besonders betont hat, eine Darlegung einer Konzeption vom Königtum.34 Allerdings natürlich nicht in dem Sinne, daß es sich um einen Traktat darüber handelt, wie ein Herrscher handeln soll. Vielmehr wird dieser Punkt bereits vorausgeGöttingen 2006, 207–265, nicht anschließen; sie wird auch von BURKARD, G. u. THISSEN, H.J., Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte I. Altes und mittleres Reich, Münster 22007, 105, abgelehnt. 30 JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1); JOHNSON, J.H., Anti-Greek Tract (s. Anm. 1). 31 So etwa FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1). 32 Dies gilt besonders für HUSS, W., Der makedonische König (s. Anm. 1). 33 JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1), 62–72. 34 JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1) (etliche Details würde ich aufgrund einer anderen Interpretation besonders des 11. Kapitels nicht mittragen wollen). Tatsächlich hat bereits MEYER, E., Ägyptische Dokumente (s. Anm. 1), 299, knapper, aber ausreichend deutlich die Geschichtsauffassung des Textes und ihre Ähnlichkeit zur deuteronomistischen bemerkt.
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setzt, d.h. der Text geht davon aus, daß den Lesern oder Zuhörern klar ist, was korrektes königliches Verhalten und Gerechtigkeit ist. Rein theoretische Traktate sind in Ägypten ohnehin keine sehr übliche literarische Gattung, und Morallehren erfolgen fast immer an konkreten Exempeln. Statt dessen werden die als bekannt angesetzten Konzepte hier konkret angewendet, um das Schicksal verschiedener Könige zu erklären. Dies ist aber keine desinteressierte allgemeine Meßlatte, der sich z.B. auch der angekündigte künftige Herrscher unterziehen müßte,35 sondern es ist durchaus konkret ein Instrument, um ganz dezidiert eine bestimmte Gruppe von Herrschern zu desavouieren, nämlich Teos und vor allem Nektanebes. Es kann kaum ein Zufall sein, daß die kritische Abrechnung mit Nektanebes und seinem Sohn bei weitem den meisten Raum in der ganzen historischen Musterung des Textes einnimmt. Während für die sonstigen Herrscher eine Deutungsaussage pro Durchgang, also insgesamt zwei, normal sind, erhält Nektanebes mehrere Kapitel schwerpunktmäßig für sich allein. Eben darin sehe ich eines der wesentlichsten Argumente für meine Deutung des Textes als ursprünglich politische Schrift zugunsten des Nektanebos. Korrekt an Johnsons Festlegung des Werkes als antipersisch ist zweifellos, daß die Zeit der zweiten Perserherrschaft als sehr leidvolle Periode beschrieben wird. Allerdings betrifft dies nur den Anfang des zweiten historischen Durchgangs, denn der erste erwähnt die Perser ja nur ganz knapp und ohne negative Züge (Kap. 8), und der hintere Bereich des zweiten Durchgangs (Kap. 13) situiert in ihrer Zeit bei ebenfalls kurzer Erwähnung sogar positive Ereignisse, bevor er zu den Griechen übergeht, was wohl doch ein Anzeichen ist, daß der Autor bzw. letzte Redaktor kein gesteigertes Interesse daran hatte, die Perser eigens anzuschwärzen (bzw. im Sinne seiner Stoßrichtung gar kein Bedarf daran bestand) – selbst wenn ich im Rahmen meiner Deutung diese Passage für das Resultat einer Überarbeitung halte (s.o.). Jedenfalls beschränkt sich die explizit negative Darstellung der Perserherrschaft auf 6 Zeilen des Gesamttextes (4,22–5,4), was doch entschieden zu wenig ist, um daraus die Hauptstoßrichtung des Werkes zu machen. Für ausgesprochen problematisch halte ich auch die in Johnsons Analyse angelegte Wertung, der Text sei nicht antigriechisch. Dies setzt nämlich die heute noch erhaltenen Bereiche zu simpel mit dem Gesamtwerk in eins. Es gilt, daß der Text im größten Teil keine Ereignisse behandelt, die ihn dazu bringen würden, in irgendeiner Weise Stellung zu den Griechen zu beziehen. Die wenigen Angaben des 13. Kapitels konstatieren primär die Herrschaft, wie sie ja faktisch auch stattfand. Aber alle entscheidenden 35 So von JOHNSON, J.H., Demotic Chronicle (s. Anm. 1), 72, angenommen. Tatsächlich wird die gute Qualität seiner Herrschaft in der Zukunftsverheißung als selbstverständlich angenommen.
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Aussagen, an denen sich das Verhältnis des Textautors zu den aktuellen Herrschern bemessen ließe, standen frühestens auf der 7. Seite, und da diese heute weitestgehend verloren ist, kann die Annahme einer rundweg nicht griechenfeindlichen Haltung sich auf keine substantielle positive Evidenz berufen. Sicherlich kann man nicht einfach davon ausgehen, in diesem Bereich sei eine negative Haltung zu den derzeitigen makedonischen Herrschern ausgesprochen. Allerdings schiene mir eine einfache Zustimmung zur derzeit regierenden Dynastie kaum mit den Zukunftserwartungen auf eine Rebellion vereinbar, welche der Text bereits in den noch erhaltenen Teilen unbestreitbar vorträgt. Tatsächlich zeigen nämlich bereits die erhaltenen Passagen hier deutliche Indizien einer nicht einfach ptolemäerfreundlichen Haltung, bzw. zumindest einer solchen, welche sich für die Zukunft andere Konstellationen als die Weiterführung der Ptolemäerdynastie vorstellt. Im hinteren Bereich des siebten Kapitels wird von einem Herrscher nach den Persern und den Griechen gesprochen (2,25 und 3,1). Das neunte Kapitel spricht deutlich von einer Rebellion (bgs; 3,7), die von einem Mann aus Herakleoplis ausgehen wird. Allerdings ist diese Angabe weniger direkt verwertbar, da ich im Sinne meiner Redaktionstheorie für diesen Bereich eine vorgriechische Entstehung annehme. Aber Johnson macht es sich wohl doch zu einfach, wenn sie nur angibt, der zukünftige Herrscher aus Herakleopolis würde nicht etwa die Ptolemäer ersetzen, weil diese fremd seien, sondern weil sie nicht mehr gemäß der Maat regierten.36 Selbst dann, wenn der Text sich nicht gegen die Griechen wendet, weil sie an sich fremd sind, sondern weil sie sich konkret falsch verhalten haben mögen, bleibt er ja immer noch ein Zeugnis des Widerstandes gegen die Herrschaft konkreter Ptolemäer. Hier ist Felber, der im vorhergesagten künftigen Herrscher eben ein Mitglied der Ptolemäerdynastie sieht, zumindest konsequenter, allerdings m.E. nicht überzeugend. Die im Text verwendete Terminologie der Rebellion dürfte es selbst mit noch so viel geschickter Hermeneutik unmöglich machen, in Felbers Sinne an den Herrschaftsantritt eines Ptolemäers, speziell Ptolemaios’ I., zu denken, 37 denn gegen wen sollte dieser rebelliert haben, und warum sollte er spezifisch mit Herakleopolis verbunden sein. Unabhängig davon, wie möglicherweise der Lesezusammenhang einer ursprünglichen Fassung war, in dem meinen Theorien nach die Griechen überhaupt nicht relevant vorkamen, kann die synchrone Lesung des überlieferten Textzustandes eine als zukünftig angekündigte Revolte nur als Frontstellung gegen die aktuellen Herrscher, d.h. aber die Ptolemäer verstanden haben – und immerhin bewegen wir uns mit der aktuellen Niederschrift der erhaltenen Handschrift im späteren 3. Jh. v. Chr. bereits in der 36 JOHNSON, J.H., Anti-Greek Tract (s. Anm. 1), 123f. 37 So von FELBER, H., demotische Chronik (s. Anm. 1),
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Nähe der Raphiaschlacht, nach der eine ägyptische nationale Front den Ptolemäern so sehr zu schaffen machte, daß sie aufgrund innerer Unruhen auf eine völlige Nutzung des Sieges über Antiochos III. verzichten mußten, um die Hände im Inneren frei zu haben.38 Somit sehe ich gerade in diesem Bereich einen wesentlichen Punkt, an dem meine oben vorgeschlagene Redaktionstheorie relevant ist. Für den Basistext ist die Frage einer antigriechischen Haltung schlicht irrelevant, da er aus einer Zeit stammt, in der die Griechen noch kein politisch dominierender Faktor in Ägypten waren, und antipersisch ist sie ebensowenig explizit, da die erste Perserherrschaft einstweilen vorüber war, die hinter dem Text stehenden Kreise aber kein gesteigertes Interesse daran haben konnten, die Vertreibung der Perser in den Vordergrund zu stellen, da eher andere als sie selbst daraus Verdienste ableiten konnten. Vielmehr ist die Haltung kritisch gegenüber den meisten der eigenen Herrscher der nahen Vergangenheit, und ganz besonders gegen Nektanebes, der die reale Zielscheibe darstellt. Die antipersische Haltung ist zweifellos vorhanden, aber auf eine einzige Partie beschränkt – wenn auch mit einer Drastik ausgemalt, die alle Kritik an den eigenen Herrschern übertrifft. Eine antigriechische Haltung mutmaßlich mit Optionen auf eine ägyptische Revolte würde ich in den nicht mehr erhaltenen Kapiteln noch breiter ausgemalt erwarten; jedoch ist schon im erhaltenen Bereich die Letztfassung so deutlich stilisiert, daß sie m.E. nicht mehr anders denn als Frontstellung gegen die Griechen lesbar ist. Sie ist m.E. als jüngere Fortschreibung über den ursprünglichen Text gelegt. Abschließend möchte ich noch auf die Mechanismen der Deutung und die mögliche ursprüngliche Situierung des Textes im Sinne einer Rahmenhandlung eingehen.39 Dafür ist es methodisch sinnvoll, einmal den ausgedeuteten Basistext für sich allein zu stellen.40 6. Kapitel [...] Der letzte Monatstag möge entstehen. Der erste, der zweite, der dritte, der vierte, der fünfte, der sechste wurde voll. Man gab den siebten dem Ptah.
38 VEÏSSE, A.E., Les « révoltes égyptiennes ». Recherches sur les troubles intérieurs en Egypte du règne de Ptolémée III à la conquête romaine, Leuven 2004. 39 Vgl. hierzu W ESSETZKY, W., Zur Deutung des „Orakels“ in der sogenannten demotischen Chronik, WZKM 49 (1942), 161–171. 40 So schon einmal von SPIEGELBERG, W., Sogenannte demotische Chronik (s. Anm. 1), 7–9, unternommen.
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7. Kapitel Das Mondmonatsfest(?) tritt in Pe ein am 2. Monat der Aussaatzeit. Der Anfang des Neumondfestes ist in Dep im 3. Monat der Aussaatzeit. Der Mond überquert den Fluß. Man wird links mit rechts vertauschen. Der von Herakleopolis – es fand ihn der von Hermoupolis. Herakleopolis, Herakleopolis, Herakleopolis. 8. Kapitel Die erste Phyle hat den Riegel geschoben. Die zweite Phyle ist es, die geöffnet hat. Die dritte Phyle ist es, die vor dem Uräus geöffnet hat. Die glatte Schlange(?) wird kommen und den von Herakleopolis in ihrem Schurz holen. Empfang doch die Freude, o Prophet des Harsaphes. Möge er die Öfen öffnen, dann will ich ihm die Mastrinder geben. Sei wacker(?), sei wacker, o Herakleopolis! Tatiyi(?) ist nach Süden gekommen und hat geöffnet. 9. Kapitel 3. Monat der Überschwemmungszeit – Schwangerschaft. 4. Monat der Überschwemmungszeit – Geburt. 1. Monat der Aussaatzeit – Ernähren. „Ruf zu mir, dann ruf ich zu dir“ im 2. Monat der Aussaatzeit. Mein ist die Titulatur im 3. Monat der Aussaatzeit. Man gab Pe einen Thron. Man gab Dep Brot. Die Witwe des Djed-Pfeilers, man hat ihr ... empfangen. Glücklich ist ihr Herz, das derer von Atfih. 10. Kapitel Gestern ist vergangen. Heute ist, was entstanden ist. Der Erste. Der Zweite von der ... Der Dritte, ihm wurde gegeben. Der Vierte existierte nicht. Der Fünfte wurde voll. Der Sechste, er existierte nicht. Der siebte: Tag 10, es gehorcht(?) ihm Tag 30. Das Maß des Baumeisters, Tag 1. Die Waage des Steinmetzen, Tag 7. Man hat die Tore ... geöffnet. Unser See und unsere Inseln sind voll Tränen. Ich liebe Tag 1 mehr als Tag 30. Regen auf den Stein. Der Himmel wird rein sein. 11. Kapitel Ich bin von Kopf bis Fuß bekleidet. Ich bin erschienen mit dem goldenen Diadem. Man wird es nicht von meinem Kopf entfernen.
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Joachim F. Quack Mein Panzerhemd(?) ist auf mir. Das Sichelschwert ist in meiner Hand. Er wird handeln, wenn du handelst. Apis, Apis, Apis. 12. Kapitel Die Herden(?) des Wüstenwildes sind nach Ägypten gezogen. Die Krokodile werden sie nehmen. Gärtner, tu deine Arbeit! Obergärtner, richte deine Hecke auf! Bewässere die kleinen Bäume, laß die großen Bäume leben! Dein eines Auge hat keine Krankheit. Es ist eine Trübung an ihm, dem anderen. Es ist voll Honig. Mut ist ihr Heilmittel. Mut(?), die Kuh, sie wurde nicht versorgt. Sie ist hungrig und ruft im Gebet zu Amun. Die Palette vermindert(?), die Zange(?) reißt aus, der Strick tanzt. Der Profit(?) hat kein Maß. Der Landmann weint, seine Frau ist glücklich(?). Die Knaben werden fortgehen zu den Speichern(?) des Handwerkers(?). Er wird ihnen Spreu(?) geben. 13. Kapitel Der große Strom, sein Anfang möge groß sein in Elephantine, er möge die Bäcker nähren. Freut euch, ihr Burschen, ihr sollt zu essen finden! Die Knaben, die auf den Straßen leben, sie stehen auf der Straße mit ihrem ... bei sich. Die Hunde sollen leben! [...]
Eine gewisse Uneinheitlichkeit dieses Textes ist deutlich. Man kann ihn kaum als in sich genügsamen einzelnen Text lesen und verstehen. Allerdings ist ebenso deutlich, daß gewisse Sequenzen durchaus eine innere Stringenz aufweisen. Am evidentesten scheint mir eine Zweiteilung. Auf der einen Seite stehen die Aussagen der Kapitel 6–10, in denen Monate und Priesterdienst sowie religiöse Feste dominieren.41 Hervorzuheben hinsichtlich der Tagessequenz ist, daß die Abfolge nicht mit dem ersten Monatstag beginnt. Vielmehr ist der erste erhaltene Eintrag (2,1) dem letzten Monatstag gewidmet, potentiell gab es schon davor ein relevantes Stichwort. Eventuell könnte dies darauf beruhen, daß im Mondkalender der Zyklus gerne mit der Endphase des abnehmenden Mondes (konkret dem 28. oder 29. Tag, d.h. der letzten Sichtbarkeit) begonnen wird, so im Festkalender von Medinet Habu ebenso wie im Mondkapitel des Nutbuches,
41 Diese stehen im Zentrum der Betrachtung von WESSETZKY, W., Deutung (s. Anm. 39), allerdings scheint mir sein Versuch eines Bezugs der Texte des ersten Teils auf die Nilüberschwemmung ziemlich gezwungen.
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und einer Liste der Mondmonatstage im Onomastikon von Tebtynis.42 Gerade der Mondmonat (im Gegensatz zum bürgerlichen Monat) war aber die Einheit, nach der sich in dieser Zeit der Dienst der Priester im Tempel richtete.43 Dagegen weichen Kapitel 11 und 13 erheblich ab. Hier dominieren Aussagen, die in den vorherigen Kapiteln bestenfalls eine marginale Rolle gespielt haben und die wenigstens für unser Empfinden auch etwas näher an ihrer historischen Ausdeutung stehen, so willkürlich diese auch immer noch erscheinen mag. Dies mag ein weiteres Indiz im Sinne der von mir vermuteten redaktionellen Überarbeitungen sein. Es fällt eher schwer, diesen Basistext als „Orakel“ im strengen Sinne zu lesen.44 Hier muß man sich zunächst die Grundfrage stellen, wie ein Orakel an sich beschaffen ist, bzw. welche Formen es in Ägypten annehmen kann. Grundsätzlich gibt es dort zweifellos Aussagen von Göttern, in denen z.B. im Rechtswesen umstrittene Ereignisse der Vergangenheit auf eine bestimmte Lesart festgelegt werden bzw. für die Zukunft eine bestimmte Entscheidung empfohlen wird.45 Die üblichsten Verfahren waren das Barkenorakel und das Ticketorakel. Dabei wurden – entweder mündlich oder auf vorgefertigten Zetteln – dem Gott zwei alternative Texte gegeben, von denen er einen als richtig erklärte. Dagegen sind akustische Orakel mit frei neuformuliertem Text einerseits nicht üblich,46 andererseits sind göttliche Aussprüche in Ägypten (anders als etwa manche griechischen Orakel) aus sich heraus bereits klar und nicht auslegungsbedürftig, während den Basistext als solchen wohl nicht einmal das delphische Orakel hätte produzieren können. Somit kann man ausschließen, daß er als Aussage eines ägyptischen Orakels eingeführt worden ist. Plausibel ist nur, daß hier eine historisch-politische Deutung über einen als „Zeichen“ vorgefundenen Text gelegt wird. Die Kernfrage ist allerdings, in welcher Art dieser Text als Zeichen präsentiert wurde, für das eine Ausdeutung nötig und berechtigt war. Eben hier möchte ich das einführen, was bereits im Titel meines Beitrags vorkommt, nämlich die 42
LIEVEN, A. VON, Grundriß des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch. The Carlsberg Papyri 8, CNI Publications 31, Kopenhagen 2007, 175–177. 43 LIPPERT, S., Au claire de la lune. The organisation of Cultic Service by Moon Calendar in Socnopaiou Nesos, Actes du IXe Congrès International des Etudes Démotiques, Paris august 2005 (im Druck). 44 Ablehnend dazu auch FELBER, H., Demotische Chronik (s. Anm. 1), 71f. 45 Vgl. hier LIEVEN, A. VON, Divination in Ägypten, Altorientalische Forschungen 26 (1999), 77–126. 46 Vgl. hier etwa BIANCHI, R.S., The Oracle at the Temple of Dendur, in: C LARYSSE, W.; SCHOORS, A. u. WILLEMS, H. (Hgg.), Egyptian Religion, the Last Thousand Years, Part II. Studies dedicated to the Memory of Jan Quaegebeur, OLA 85, Leuven 1998, 773–780, gegen die Annahme, in Dendur habe es ein direkt sprechendes Orakel gegeben.
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Situation des Menetekels im biblischen Danielbuch (Kap. 5).47 Dort ist es bekanntlich so, daß bei Belsazars Gastmahl eine übernatürliche Hand erscheint und an die Wand Worte schreibt, die niemand versteht. Die Suche nach einem Deutungsspezialisten führt dann zu Daniel, der nicht nur den Text an sich liest, sondern ihn auch noch ausdeutet. Dabei ist der Basistext „Mene, Tekel und Parsin“ eigentlich eine vorderhand banale metrologische Abfolge von Mine, Schekel und Halbmine als Gewichts- bzw. Währungseinheiten.48 Daniel aber macht jeden dieser Begriffe über Lautähnlichkeit zum Schlüsselwort eines Satzes, nämlich „zählen“, „wiegen“ und „teilen“ sowie „Perser“. Im Falle des biblischen Textes ist auch offenkundig, warum man den scheinbar irrelevanten Text mit banalem Wortlaut überhaupt für das Objekt einer notwendigen Auslegung hält: Die übernatürliche Art seines Erscheinens hat allzu deutlich angezeigt, daß er eine hohe Relevanz hat, die über seinen Literalsinn hinausgehen muß. Gleichartig sehe ich auch den Fall der demotischen Chronik an. Der teils bizarre und inkohärent wirkende Wortlaut des Basistextes hat nicht von sich aus das Gewicht, als relevante und maßgebliche Aussage über die nahvergangene und künftige Geschichte Ägyptens verstanden zu werden. Die Legitimierung für eine Auslegung in diesem Sinne kann ihm nur durch die Umstände seines Auftauchens gegeben worden sein. Ich will hier nicht ins Spekulieren verfallen, aber einige Basisparameter sind evident: Der Deuter tritt vor dem König in einer Audienzsituation auf, er gibt ihm den Basistext und die Auslegung, und er ist relativ unbequem, d.h. die Aussagen sind nicht eben freundlich zum aktuellen Herrscher. Plausibel ist dies nur, wenn auf übernatürliche Weise der Basistext unter Umständen aufgetaucht ist, die seinen Bezug auf die politische Situation nahelegten, gleichzeitig aber sein Verständnis so schwer erschien, daß der Rahmen der üblichen Gefolgsleute bei Hofe unter Einschluß der dortigen Wissensspezialisten nicht für eine überzeugende Deutung ausreichte, so daß ein auswärtiger, eher marginal zum Königshof stehender Experte herangezogen werden mußte. Es muß keineswegs exakt so wie bei Daniel abgelaufen sein, aber der biblische Bericht gibt uns ein Modell an die Hand, das sicher nicht schlechter als andere Möglichkeiten 47 Bereits MEYER, E., Ägyptische Dokumente (s. Anm. 1), 294, betont, daß Daniels Deutung der Wandinschrift eine volle Parallele für die demotische Chronik biete. 48 Vgl. etwa an (willkürlich herausgegriffenen) Kommentaren HAMMER, R., The Book of Daniel, Cambridge u.a. 1976, 64f.; HARTMAN, L.F. u. LELLA, A.A. DI, The Book of Daniel, AncB 23, New York/London/Toronto/Sydney/ Auckland 1978, 189–190; LEBRAM, J.-Ch., Das Buch Daniel, ZBK.AT 23, Zürich 1984, 73 u. 77; PORTEOUS, N.W., Das Buch Daniel, ATD 23, Göttingen 41985, 65f.; HAAG, E., Daniel, NEB.AT 30, Würzburg 1993, 49–51; BAUER, D., Das Buch Daniel, Neuer Stuttgarter Kommentar – Altes Testament 22, Stuttgart 1996, 125–128; REDDIT, P.L., Daniel, NCBC, Sheffield 1999, 97–99.
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illustrieren kann, wie ein ursprünglicher Rahmen der demotischen Chronik ausgesehen hat. Man kann natürlich noch darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn bei Daniel die Metrologie als Basis der auszulegenden Aussage herangezogen wird, in der demotischen Chronik dagegen zumindest im vorderen Teil der Kalender, einschließlich seiner Nutzung für den priesterlichen Dienst. Ohne dies zu sehr vertiefen zu wollen, ist doch auffällig, daß in beiden Fällen Dinge genutzt werden, die aus sich heraus einen starken Grad an verbindlicher Normativität haben – und das ist zumindest keine schlechte Startvoraussetzung, will man normativ gültige Aussagen über die Geschichte machen. Abschließend fasse ich noch einmal meine wesentlichsten Thesen zusammen: Die demotische Chronik ist im Kern eine politische Schrift zugunsten des Königs Nektanebos, die im Zusammenhang mit dessen erfolgreicher Revolte gegen Teos, Sohn des Nektanebes, steht. In diesem Zusammenhang war sie ein ex-eventu-Orakel. Im Zuge einer redaktionellen Überarbeitung und Fortschreibung ist sie später mit einer Frontstellung gegen die Ptolemäer genutzt worden – und zwar als echte Zukunftserwartung, die so nie eingetreten ist. Für die Situierung des Textes und eine mögliche Rahmenhandlung würde das fünfte Kapitel des Danielbuches eine recht plausible Analogie abgeben, mit der man alle noch erkennbaren wesentlichen Punkte des Textes zumindest befriedigend erklären könnte.
Anhang: Die sogenannte Demotische Chronik Vollständige Übersetzung (2,1) Der letzte Monatstag möge entstehen. Der letzte Monatstag wird entstehen. D.h.: Die Vollendung der Untersuchungen wird geschehen, die man von Seiten der oben genannten Götter durchführen wird. Der erste, der zweite, der dritte, der vierte, der fünfte, der sechste wurde voll. Der erste Tag wurde voll. D.h. Pharao Amyrtaios. Der zweite Tag (wurde voll). D.h. Pharao Nepherites (I). Der dritte Tag (wurde voll). D.h. Pharao Hakoris. Der vierte Tag (wurde voll). D.h. Pharao Nektanebes. Der fünfte (Tag wurde voll). D.h. Pharao Nepherites (II). Der sechste (Tag wurde voll). D.h. König Pharao Teos. Das, was sie getan haben, wurde aufgeschrieben von seiten des Thot, als er ihre Angelegenheiten in Herakleopolis untersucht hat. (2,5) Man gab den siebten dem Ptah. Er nennt den Herrscher, der nach ihnen kommen wird, um die Angelegenheiten von Memphis zu untersuchen, weil man das, was er tun wird, untersuchen wird, wobei das, was er tun wird, in Memphis ist. Summe. Das 7. Kapitel Das Mondmonatsfest(?) tritt in Pe ein am 2. Monat der Aussaatzeit. D.h.: Die Vollendung der Generation ist entsprechend dem, was man im 2. Monat der Aussaatzeit angeordnet hat. D.h.: In ihm findet das Eintreten des Todesfalles ein, denn das Mondmonatsfest(?) ist das Ende des Monats. (2,10) Der Anfang des Neumondfestes ist in Dep im 3. Monat der Aussaatzeit. D.h.: Der Anfang der Machtausübung, die der zukünftige Herrscher machen wird, ist der 3. Monat der Aussaatzeit, denn das Neumondfest ist der Anfang des Monats. Der Mond überquert den Fluß. Der Herrscher wird das ganze Land durchqueren. D.h.: Der Herrscher, der nach ihnen sein wird, wird Ägypten verlassen. Man wird links mit rechts vertauschen. Rechts ist Ägypten, links ist Syrien. D.h.: Derjenige, der nach Syrien gehen wird – welches links ist –, den wird man im Tausch geben gegen den, der in Ägypten sein wird – welches rechts ist.
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Der von Herakleopolis – es fand ihn der von Hermoupolis. Der von Herakleopolis ist Harsaphes. Es fand ihn der von Hermoupolis. D.h.: Als Thot nach Herakleopolis ging, (2,15) da waren es Untersuchungen dessen, was er dem Harsaphes für Ägypten angeordnet hatte, was er machte. Herakleopolis, Herakleopolis, Herakleopolis. D.h.: Derjenige, der nach Herakleoplis ging und die Gesetze mißachtete, [über den] machte man [eine] Unter[suchung in] Herakleopolis. Man ließ die Strafe ihn erreichen. Man ließ die Strafe seinen Sohn erreichen. Summe. Das 8. Kapitel. Die erste Phyle hat den Riegel geschoben. D.h.: Der Herrscher, der in Ägypten kommen wird, wird die Riegel aufschieben. Das bedeutet, daß Pharao ihn öffnet. (2,20) Die zweite Phyle ist es, die geöffnet hat. D.h.: Der zweite Herrscher ist es, der es öffnet. Die dritte Phyle ist es, die vor dem Uräus geöffnet hat. D.h.: Der dritte Herrscher, der kommen wird, über dessen Machtausübung wird man sich freuen. Das ist der dritte Rest, der unter den Barbaren ist. Das bedeutet Freude seitens der Götter über ihre Machtausübung. Die glatte Schlange(?) wird kommen und den von Herakleopolis in ihrem Schurz holen. D.h.: Die glatte Schlange – welche der Uräus ist – wird den von Herakleopolis in ihrem Schurz zum Palast holen, indem sie zufrieden ist. Es ist Harsaphes, der dem zukünftigen Herrscher Anordnungen erteilen wird. (2,25) Man sagt „Mann von Herakleopolis“ zu dem, der nach den Barbaren und den Griechen herrschen wird. (3,1) Empfang doch die Freude, o Prophet des Harsaphes. D.h.: Der Prophet des Harsaphes wird sich freuen nach den Griechen. Das bedeutet das Auftreten des Herrschers in Herakleopolis. Möge er die Öfen öffnen, dann will ich ihm die Mastrinder geben. D.h.: Der zukünftige Herrscher wird die [Tore] der Tempel öffnen und Gottesopfer für die Götter darbringen lassen. Sei wacker(?), sei wacker, o Herakleopolis! Sei glücklich, sei glücklich, Herakleopolis! D.h.: Viel Glück wird in Herakleopolis geschehen in selbiger Zeit. (3,5) Tatiyi(?) hat geschlossen und geöffnet. D.h.: Der Uräus wird schließen und öffnen. Das bedeutet, daß sie aus Oberägypten kommt und nach Unterägypten geht. Summe.
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Das 9. Kapitel 3. Monat der Überschwemmungszeit – Schwangerschaft. D.h.: Der Herrscher, der in Herakleopolis auftreten wird, wird im 3. Monat der Überschwemmungszeit rebellieren. 4. Monat der Überschwemmungszeit – Geburt. D.h.: Er wird um sich sammeln im 4. Monat der Überschwemmungszeit. 1. Monat der Aussaatzeit – Ernähren. D.h.: Er wird im 1. Monat der Aussaatzeit Kriegsgerät „kauen“. „Ruf zu mir, dann ruf ich zu dir“ im 2. Monat der Aussaatzeit. D.h.: Ein Soldat wird mit dem anderen Krieg führen im 2. Monat der Aussaatzeit. (3,10) Mein ist die Titulatur im 3. Monat der Aussaatzeit. D.h.: Er wird offenbar, gekrönt mit dem goldenen Diadem, im 3. Monat der Aussaatzeit. Das bedeutet Machtausübung durch ihn im 3. Monat der Aussaatzeit. Man gab Pe einen Thron. D.h.: Man wird seinen ältesten Sohn an seine Stelle setzen. D.h.: Der zukünftige Herrscher. Das bedeutet, ihn mit Horus, Sohn der Isis, zu vergleichen. Man gab Dep Brot. Man wird denen, die in Dep sind, Brot geben. D.h.: Es ist seine Truppe. Die Witwe des Djed-Pfeilers, man hat ihr ... empfangen. D.h.: Die Witwe des Djed-Pfeilers hat ihre Trauer beendet. D.h.: Isis wird herzensfroh sein über den zukünftigen Herrscher. (3,15) Glücklich ist ihr Herz, das derer von Atfih. D.h.: Das Herz der einen(?), d.h. Isis, welche die Herrin von Atfih ist. Das bedeutet Herzenszufriedenheit gegenüber dem zukünftigen Herrscher, weil er das Gesetz nicht mißachten wird. Summe. Das 10. Kapitel Gestern ist vergangen. D.h.: Der erste Herrscher, der nach den Barbaren auftrat – welche die Meder sind – : Pharao Amyrtaios. Da man in seiner Zeit Gesetzwidrigkeit beging, ließ man ihn die Gänge von gestern machen. Es gab keine Machtausübung durch seinen Sohn nach ihm. (3,20) Heute ist, was entstanden ist. D.h.: Der zweite Herrscher, der nach den Medern auftrat d.h. Pharao Nepherites (I). Da er das, was er tat, in Gewissenhaftigkeit tat, ließ man seinen Sohn ihm nachfolgen. Man gab ihm selbst aber nur eine kurze Spanne wegen vieler Sünden, die man in seiner Zeit beging. Heute ist, was entstanden ist. D.h.: Was man heute sagt, wenn man Anordnungen erteilt, ist es, was ihretwegen entstehen wird. (4,1) Der Erste. „Erster“ sagte er , der nach den Medern kam. Da er befahl, Unrecht zu tun, schaute man auf das, was ihm angetan wurde. Man ließ seinen Sohn ihm nicht nachfolgen. Außerdem setzte man ihn zu Lebzeiten von seinem Thron ab.
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Der Zweite von der ... D.h.: Der zweite Herrscher, der nach den Medern auftrat, d.h. Pharao Nepherites (I). Du hast gesehen, was ihm geschah: Man ließ seinen Sohn ihm nachfolgen. Von der ... Er sagt es in bezug auf den, der jetzt Herrscher ist, d.h. Nektanebes. Er ist derjenige, der Besitz Ägyptens und aller Tempel hingegeben hat, (4,5) um Geld zu erwerben. Wenn er „die ...“ als Namen des Nektanebes genannt hat – was ein Frauenname ist, so um gleichsam zu sagen: „Er war nicht männlich(?) in seiner Zeit.“ Der Dritte, ihm wurde gegeben. D.h.: Der dritte Herrscher, der unter den Medern auftrat, dem wurde gegeben. D.h.: Da er das Gesetz mißachtete, ersetzte man ihn zu Lebzeiten. Der Vierte existierte nicht. D.h.: Der vierte Herrscher, der nach den Medern auftrat. D.h. Pharao Psammouthis. Er existierte nicht. D.h.: Er war nicht auf dem Weg des Gottes. Man ließ ihn nicht an der Macht verweilen. Der Fünfte wurde voll. D.h.: Der fünfte Herrscher, der nach den Medern kam d.h. Hakoris, der Wiederholer des Erscheinens. Man ließ seine Tage der Machtausübung voll werden, (4,10) d.h. da er wohltätig war zu den Tempeln. Sie gingen zu Ende. D.h.: Er mißachtete das Gesetz und inspizierte nicht mehr wegen seiner Brüder. Der Sechste, er existierte nicht. D.h.: Der sechste Herrscher, der nach den Medern entstand, d.h. Pharao Nepherites (II), der existierte nicht. D.h.: Man befahl, ihn nicht existieren zu lassen, weil man das Gesetz unter seinem Vater mißachtet hatte. Man ließ die Strafe seinen Sohn nach ihm erreichen. Der siebte: Tag 10, es gehorcht(?) ihm Tag 30. D.h.: Der siebte Herrscher, der nach den Medern kommen wird, d.h. Pharao Nektanebes, dem wird man 6 (+) 10 (=) 16 Jahre geben. Man wird ihm Tag 30 geben. Das ist die Vollendung von Tag 10, denn(?) drei Monate und drei Dekaden sind es, die zu drei Jahren werden, welche hinzukommen(?) zu 16, macht 19 Jahre; um dich zu belehren über (4,15) seine Jahre der Machtausübung, diejenigen, welche er verbringt. Das Maß des Baumeisters, Tag 1. D.h.: Derjenige, der auf dem Weg ist, den sein Vater gebaut hat. Tag 1. D.h.: Ein Jahr ist es, was man ihn an der Macht verbringen lassen wird, d.h. Pharao Tachos, welcher geht nach dem Maß seines Vaters. Die Waage des Steinmetzen, Tag 7. D.h.: Der Herrscher, der nach ihnen kommen wird, den wird man 18 Jahre verbringen lassen, denn die Waage des Steinmetzen ist das Schwert, welches fünf Teile sind. Man wird es sagen: „das sind 6 (+) 7, macht 13, um es vollzumachen mit 5, macht wiederum 18 Jahre.“
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(4,20) Man hat die Tore ... geöffnet. Man wird die Tore ... öffnen. D.h. der Anfang derjenigen, die nach ihm kommen werden, d.h. die Meder. Das bedeutet, vor dem Uräus zu öffnen. Das bedeutet die Barbaren. Unser See und unsere Inseln sind voll Tränen. [D.h.:] Die Häuser der Ägypter werden keine Menschen haben, um in ihnen zu wohnen. D.h.: Selbige Zeit ist, als ob man sagt: „Die Meder werden sie abschlachten, sich Häuser nehmen und dort wohnen.“ (5,1) Ich liebe Tag 1 mehr als Tag 30. Was er damit sagt: Schöner ist das erste Jahr als das letzte Jahr in den Zeiten, die sie verbringen werden, d.h. die Meder. Regen auf den Stein. Der Himmel wird rein sein. D.h.: Sie werden die Ägypter abschlachten, während die Sonne sie sieht. Das ist das Opfer(?) des Sonnengottes. Wenn er sagt „Der Himmel wird rein sein“, so heißt das: „Die Sonne wird sie sehen.“ Wenn er sagt: „Regen auf den Stein“, so heißt das: „Man wird die Menschen zum Gemetzel treiben“. Wasser bedeutet Mensch. Der Stein bedeutet Gemetzel. (5,5) Summe. Das 11. Kapitel Ich bin von Kopf bis Fuß bekleidet. D.h.: Was du damit sagst, ist: „Ich bin erschienen mit dem goldenen Diadem. Man wird es nicht von meinem Kopf entfernen.“ Er sagt es in bezug auf Pharao Nektanebes. Mein Panzerhemd(?) ist auf mir. D.h.: Meine Festgewänder sind auf mir, man wird sie nicht entfernen (5,10) von mir. Das Sichelschwert ist in meiner Hand. Was er damit sagt: „Vielleicht sprichst du bei dir selbst: Das Herrscheramt ist in meiner Hand, man wird es mir nicht entreißen.“ Das Sichelschwert ist das Herrscheramt, welches ein Falkenerscheinen(?) ist, denn „Schwert des Sieges“ ist, was man sagt. Er wird handeln, wenn du handelst. Er wird stark sein, wenn du stark bist. D.h.: Der Gott wird für dich handeln entsprechend dem, was du tun wirst. Wenn du dein Herz vergewisserst, wird er dir gewiß sein. Apis, Apis, Apis. D.h.: Ptah, Pre und Horus, Sohn der Isis, welche die Herren des Herrscheramtes sind. Du hast sie vergessen, als du daran gedacht hast, Besitz zu erwerben. Sein Glück liegt in den drei Malen. D.h.: Apis sind die drei Götter, die er oben genannt hat. Apis ist Ptah, Apis ist Pre, Apis ist Horus, Sohn der Isis. Summe.
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Das 12. Kapitel (5,15) Die Herden(?) des Wüstenwildes sind nach Ägypten gezogen. D.h.: Das sind die Barbaren, die im Osten und Westen des Landes sind. Sie sind nach Ägypten gezogen. Das sind die Meder. Die Krokodile werden sie nehmen. Was er damit sagt: Der Gott wird sie zu den Orten, von wo sie gekommen sind, nehmen, d.h. die Barbaren – das sind die Meder. Gärtner, tu deine Arbeit. D.h.: Pharao, tu deine Arbeit. Er sagt es in bezug auf Pharao Nektanebes, d.h. sein Werk der Gier. Obergärtner, richte deine Hecke auf! In bezug auf ihn wiederum sagt er es. Der Rest des anderen: Hecke aufrichten um seinen Raubbesitz herum. (5,20) Bewässere die kleinen Bäume, laß die großen Bäume leben. Der Rest dessen, was er gesagt hat, ist, als ob man sagt: Achte auf die Gierigen. Dein eines Auge hat keine Krankheit. D.h.: Dein Uräus, der auf dir ist. Nicht er ist es, der krank ist. Als ob man sagt: „Er hat keinen ... eines Herrschers.“ D.h.: Derjenige, der wohltätig sein wird, den wird er lieben. Er sagt es in bezug auf die Weiße, welche der Uräus von Oberägypten ist. Es ist eine Trübung an ihm, dem anderen. Es ist voll Honig. Es ist eine Trübung an dem Uräus, der auf dir ist, d.h. die rote Krone –, sie ist voller Raub. Das ist Honig, [d.h. Besitz], den man durch Raub erwirbt. (6,1) Mut ist ihr Heilmittel. D.h.: Derjenige, den sie lieben wird, d.h. Mut ist die Herrin der Liebe. Mut(?), die Kuh, sie wurde nicht versorgt. Sie ist hungrig und ruft im Gebet zu Amun. D.h.: Der Uräus ist hungrig. Er konnte deinen Raub nicht verzehren. Er fleht zu Amun: „Gib den Herrscher, der wohltätig sein wird.“ Die Palette vermindert(?), die Zange(?) reißt aus, der Strick tanzt. Er sagt es in bezug auf Nektanebes. (6,5) D.h.: Deine Palette, Zange, Strick haben aufgehört, in Ägypten zu rauben. Der Profit(?) hat kein Maß. D.h.: Der Profit(?), den du hast, hat kein Maß. Wir haben überprüft und wissen, daß es die Stimme der Götter ist. Der Landmann weint, seine Frau schaut aus. D.h.: Der Bauer geht weinend aufs Feld. (?) Gerste und Emmer ist die Art seines Lebens. D.h.: Die Gerste der Felder des Pharao wird nicht voll. (6,10) Die Knaben werden fortgehen zu den ... des Handwerkers(?). Er wird ihnen Spreu(?) geben. D.h.: Die Knaben, die in deiner Zeit leben, sind hungrig. Sie werden weggehen. Der Handwerker(?) ist Memphis. Er wird ihnen Spreu(?) geben. Das ist dasjenige, was keine Nahrung darstellt. Denn: Auf der Sykomore entsteht es, deren Name „Mut“ ist. Milch(?) kommt aus ihr heraus, die wiederum mit ... befestigt ist. Summe.
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Das 13. Kapitel Der große Strom, sein Anfang möge groß sein in Elephantine, er möge die Bäcker nähren. Das sagt man in bezug auf Pharao (6,15) Nektanebes. Man wird die Barbaren kommen lassen, um in Ägypten Herr zu sein nach euch. Die Überschwemmung wird hoch sein in seiner Zeit. Die Bäcker werden leben in seiner Zeit. Freut euch, ihr Burschen, ihr sollt zu essen finden! D.h.: Die Knaben, die in [selbiger] Zeit leben werden, sie werden zu essen finden. Sie hungern nicht wie diejenigen, die in deiner Zeit sind. Die Knaben, die auf den Straßen leben, sie stehen auf der Straße mit ihrem ... bei sich. D.h.: Es wird wieder geschehen in selbiger Zeit, daß es die Griechen sind, welche nach Ägypten kommen werden. Sie werden sich für lange Zeit Ägyptens bemächtigen. Die Hunde sollen leben. Der größte Hund wird zu fressen finden. Er wird die Abfälle(?) verlassen. Sie werden Herren sein in selbiger Zeit.
Epikureismus als Orakelphilosophie Orakel und Mantik in der hellenistischen Philosophie Michael Erler 1. Einführung „Es braucht keine große Anstrengung des Verstandes, um die Entdeckung zu machen, dass Furcht und Hoffnung die zwei großen Tyrannen sind, die das menschliche Leben beherrschen, und dass, wer diese beiden sich gehörig zu machen weiß, das geschwindeste Mittel reich zu werden, gefunden hat. Nun sahen sie (sc. die Menschen) wohl, dass für den Hoffenden und den Fürchtenden nichts nötiger wäre, als das Künftige voraus zu wissen, dass die Menschen daher auch nach wenigen Dingen begieriger sind, dass es einzig und allein diese Begierde sei, was schon von Alters her Delphoi und Delos und Klaros und die Branchiaden (Didyma) reich und berühmt gemacht“ (Übers. Chr.M. Wieland).1 Furcht und Hoffnung und Wissen der Zukunft: Dies sind die Koordinaten, mit deren Hilfe Lukian in seiner Schrift Alexander aus Abonuteichos – ich trug die Übersetzung Wielands vor – die sozialen Voraussetzungen beschreibt, auf denen das Orakelwesen und die Divination, die Kunst der Vorhersage, beruhen, die seit jeher in Griechenland praktiziert wurde. Die Kunst, aus Zeichen Zukunft vorherzusagen und Vergangenheit zu deuten, kam offenbar dem Wunsch der Menschen entgegen, ihr grundsätzlich beschränktes Wissen zu überschreiten und sich gleichsam zur Allwissenheit Gottes zu erheben,2 um zu richtigen Entscheidungen zu finden oder getroffene zu bestätigen. Indem man zukünftige Ereignisse zu erkennen oder vergangene Phänomene besser zu verstehen glaubte, hoffte man, Sicherheit und Freiheit von Furcht gewinnen zu können. Mantik und Orakelkunst wurden in der Tat als eine „Form der Psychotherapie“ empfunden, die den Menschen, „die an eine Vielzahl von übernatürlichen Mächten glaubten, (half) ihre Ängste zu beherrschen, und nötigte sie, Entschlüsse zu
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Lukian, Alex. 8; Chr.M. Wieland 80. KLAUCK, H.-J., Die religiöse Umwelt des Urchristentums, Bd. 1, KStTh 9, Stuttgart u.a. 1995, 147. 2
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fassen, wenn alle Denkmittel erschöpft waren.“3 Kein Wunder also, dass man versuchte, aus dieser Situation Kapital zu schlagen wie jener Wundermann und Scharlatan Alexander, der im 2. Jh. n. Chr. ein eigenes Orakel erfand und mit großem Erfolg anwendete. Lukian beschreibt, wie es zum Erfolg dieser Orakelfälschung kam, aber auch den Widerstand, auf den diese Fälschung stieß, ein Widerstand, den Lukian vor allem mit dem Namen Epikurs und dessen Anhängern im 2. Jh. n. Chr. verbindet: „Denn mit welchem anderen hätte ein solcher Betrüger und Scharlatan, der von Handwerks wegen ein erklärter Feind der Wahrheit sein musste, mit größerem Recht Krieg führen sollen als mit Epikur, dem Manne, der die Natur der Dinge durchschaut und besser als irgendein anderer das Wahre in allem ausfindig gemacht hat“ (Übers. Chr.M. Wieland). 4 Als so bedrohlich empfanden Alexanders Anhänger die Epikureische Polemik, dass sie Epikurs Hauptlehrsätze öffentlich verbrannten, „an Stelle des Autors“ wie es bei Lukian heißt.5 Freilich, die Epikureer waren nicht allein. Sie wurden nach Lukians Zeugnis tatkräftig von Christen unterstützt: „Raus mit den Epikureern, raus mit den Christen“, das war Schlachtruf der aufgebrachten Anhängerschaft Alexanders anlässlich eines Kultfestes.6 Epikureer und Christen also: Eine bemerkenswerte Allianz zweier eigentlich verfeindeter Gruppen, hier verbunden in gemeinsamer Abwehr von religiösem Obskurantismus, getrieben freilich von unterschiedlichen Motiven. Strebten die Epikureer nach Aufklärung und Befreiung von religiöser superstitio, so darf bei den Christen auch religiöser Alleinvertretungsanspruch als Triebfeder vermutet werden. Immerhin: Andere Philo-
3 Vgl. LUCK, G., Magie und andere Geheimlehren in der Antike. Mit 112 neu übersetzten und einzeln kommentierten Quellentexten, KTA 489, Stuttgart 1990, 327. Zu Orakeln und Mantik: HOPFER, T., Art. Mantike, in: RE XIV 1 (1928), Sp. 1258–1288; BLOCH, R., La divination dans l’Antiquité, Que sais-je? 2135, Paris 1984; COURCELLE, P., Art. Divination, in: RAC III (1957), 1235–1251; vgl. MOTTE, A., (Hg.), Oracles et mantique en Grèce ancienne. Actes du colloque internationale du CERGA de liège (mars 1989), Kernos 3, Athen u.a. 1990; PARKE, H.W., Greek oracles, Hutchinson university library 89: classical history and literature, London 1967; MIKALSON, J.D., Athenian popular religion, Chapel Hill/London 1983. 4 Lukian, Alex. 25. 5 Vgl. Lukian, Alex. 47; zur Rolle Epikurs und des Epikureismus in der Kaiserzeit vgl. SCHMID, W., Art. Epikur, RAC V (1961), 681–819. Zur Kaiserzeit: 761ff.; ERLER, M. (Hg.), Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 30. September – 3. Oktober 1998 in Würzburg, Philosophie der Antike 11, Stuttgart 2000. 6 Lukian, Alex. 25, vgl. dazu CLAY, D., Lucian of Samosata: Four philosophical lives (Nigrinus, Demonax, Peregrinus, Alexander Pseudomantis), ANRW II 36,5 (1992), 3406–3450.
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sophenschulen, die den Christen näher gestanden haben mögen, hielten sich von der Auseinandersetzung fern, wie Lukian konstatiert. „Die Anhänger des Platon, Chrysippos und Pythagoras hingegen sahen Alexander als Freunde an; mit ihnen lebte er in stolzem Frieden“ (Übers. Chr.M. Wieland).7 Platoniker und Stoiker also auf der einen, Epikureer und Christen auf der anderen Seite. Diese Konstellation spiegelt die Haltung der jeweiligen Philosophenschulen seit dem 4. Jh. v. Chr. gegenüber Mantik und Orakelkunde wieder. Das Spektrum reicht von grundsätzlicher Skepsis und Ablehnung bei Epikureern und Kynikern über Teilakzeptanz bei den Platonikern bis zur philosophischen Rehabilitierung traditioneller Mantik bei den Stoikern. Diese differenzierten theoretischen Reflexionen darf man auch als Reaktionen auf das rapide gesunkene Ansehen von Mantik und divinatio im und nach dem 5. Jh. v. Chr. ansehen. Gewiss, Kritik an traditioneller Mantik, Prophetien und ihren Vertretern finden wir schon früher; schon im 7. Jh. v. Chr. gibt es Stimmen, die Sehern und ihrer Kunst skeptisch gegenüber standen. 8 Doch besonders nach den Perserkriegen werden Orakel immer weniger befragt. Die gescheiterte Sizilienexpedition Athens im Peloponnesischen Krieg, deren Erfolg alle Seher prophezeit hatten, schadete der öffentlichen Reputation der Mantik. Dass General Nikias durch eine als Götterzeichen missverstandene Naturerscheinung eine Fehlentscheidung traf, die das Heer der Athener endgültig der Vernichtung auslieferte, tat ein Übriges. Komödienspott oder Bemerkungen des Personals in Platons Dialogen spiegeln den Ansehensverlust. Cicero konstatiert im Rückblick, dass die Orakel nicht erst in seiner Zeit, sondern schon lange wirkungslos darnieder lagen.9 Gleichwohl war man sich des „therapeutischen Effektes“ von religiöskultischen Praktikern wie der Mantik, von Prophetie und Verheißung durchaus bewusst – die Athener priesen Demetrios Poliorketes als „lebendes Orakel“. Was der König sagte, sollte als Orakelspruch behandelt werden – ein Bedürfnis, dem die Philosophenschulen auf je unterschiedliche 7
Lukian, Alex. 25. Vgl. Homer, Il. 149–151; vgl. dazu TRAMPEDACH, K., Platons Unterscheidung der Mantik, in: PIEPENBRINK, K. (Hg.), Philosophie und Lebenswelt in der Antike, Darmstadt 2003, 52–66. Die Publikation einer Arbeit von Trampedach, Politische Mantik. Studien zur Kommunikation über Götterzeichen und Orakel im klassischen Griechenland (Habilitationsschrift, Publikation in Vorbereitung), ist in Vorbereitung; vgl. auch LEVIN, S., The Old Greek Oracles in Decline, ANRW II 18,2 (1989), 1599–1649, hier: 1606– 1615; zu Plutarchs Orakelkritik HAMMERSTEADT, J., Der Kyniker Oenomaus von Gadara, ANRW II 36,4, 1990, 2834–2865, hier: 2854ff. 9 Vgl. Thukydides 8,2,1; Platon, R. 364b; Cicero, div. 2, 117. Zu Cicero und Mantik vgl. SCHOFIELD, M., Cicero for and against divination, JRS 76 (1986), 47–65. 8
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Weise Rechnung zu tragen versuchten, in der Akademie, in der Stoa, aber auch – und dies scheint bemerkenswert – im Kepos, der Schule Epikurs also, wo Elemente traditioneller Religiosität wie Mantik, Prophetie und Orakelkunde infolge der dort vertretenen philosophischen Grundpositionen auf prinzipielle Ablehnung stoßen mussten. 10 Gerade die Epikureer machten mit ihrer Philosophie ja Angebote für das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit in einer sich weitenden Welt. Philosophia medicans ist eine treffende Charakterisierung ihres philosophischen Konzeptes. Es ist daher von Interesse, dass und wie sie traditionelle Elemente religiöser Praxis wie z.B. Mantik und Prophetie trotz ihrer grundsätzlich ablehnenden Position gerade mit Blick auf ihren therapeutischen Charakter in ihr philosophisches System übernahmen.11 Dies geschah nämlich – anders als bei Platon oder den Stoikern – nicht durch Rehabilitation oder Teilrehabilitation, sondern dadurch, dass sie ihre Philosophie als Alternative, als nicht nur gleichwertigen, sondern überlegenen Ersatz für traditionelle Mantik anboten. Dies wird manifest durch bewusste Bezüge, die sprachlich, terminologisch, aber auch inhaltlich zur traditionellen Mantik hergestellt werden. Epikurs Philosophie also als Prophetie oder Mantikersatz: Man kann zeigen, dass es sich bei entsprechenden Reminiszenzen um mehr als eine façon du parlez handelt, dass es um ein bewusstes Ersatzangebot geht, das sich als effektiver, weniger kritikwürdig weil theoretisch gesichert und dadurch attraktiver als das traditionelle Angebot erweisen soll. Es geht dabei letztlich um das Verhältnis von Religion und Philosophie im Bereich epikureischer Philosophie, einem Bereich, in dem diese Frage eigentlich schon entschieden scheint. Gleichwohl gibt es einige interessante Aspekte zu beobachten. Ich möchte zu diesem Zweck zunächst an Platons Position erinnern, mich dann kurz der Stoa zuwenden, um dann intensiver Epikurs Lehre zu behandeln.
10 Vgl. Epikureer: SEG 39,4112; vgl. LEVIN, S., Oracles (s. Anm. 8); Seher werden in den Reden des 4. Jh. v. Chr., kaum mehr erwähnt, vgl. SMITH, N.D., Diviners and Divination in Aristophanic Comedy, ClAnt 8 (1989), 140–158. 11 Vgl. GIGANTE, M., Philosophia medicans, CErc 5 (1975), 53ff.; NUSSBAUM, M.C., The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Martin classical lectures N.s. Vol. 2, Princeton 1994, bes. 140ff.; ERLER, M., Philologia medicans. Wie die Epikureer die Texte ihrer Meister lasen, in: KULLMANN, W. u. ALTHOFF, J. (Hgg.), Vermittlung und Tradierung von Wissen in der griechischen Kultur, ScriptOralia 61, Tübingen 1993, 281–303. Interessante Verbindungen von Mantik und Philosophie unter verschiedenen Aspekten in HOGREBE, W. (Hg.), Mantik, Profile prognostischen Wissens in Wissenschaft und Kultur, Würzburg 2005.
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2. Platon Es mag mit dieser Krise der Mantik zusammenhängen, dass sie in Platons Œuvre keine herausragende Rolle spielt. Nur bisweilen und kontextbedingt wird sie aus argumentativen Gründen angesprochen. Gleichwohl kommt es dabei – vor allem in den Dialogen Phaidros und Timaios – zu differenzierten Aussagen, die für die weitere philosophische Diskussion wegweisend sind. Im Phaidros geht es Sokrates in seiner Palinodie, der Rede über die Liebe, darum, Liebe als eine besondere Art der Raserei zu erweisen. Deshalb grenzt er die Liebesraserei von anderen als negativ empfundenen Arten des Wahnsinns ab und bringt mit Hilfe einer etymologischen Spielerei die Mantik ins Spiel – mania - mantike – wobei er – vermutlich künstlich – eine natürliche, von Gott inspirierte, von einer bloß künstlichen Mantik unterscheidet, die auf Empirie beruht und sich von menschlichem Verstand leiten lässt. Als Beispiel erinnert er an die Vogelschau, die „Oionistik“: „In demselben Maße nun, wie die Mantik vollkommener und vornehmer ist als die Oionistik /.../ ist nach dem Zeugnis der Alten der Wahnsinn, mania, herrlicher als die besonnene Verständigkeit, sofern jene gottbewirkt ist, diese menschlich bedingt.“ (Übers. E. Heitsch).12 Gewiss, mit der Realität hat diese Differenzierung offenbar wenig zu tun. Seher wie Kalchas oder Teiresias praktizieren bei Homer ihr Sehertum keineswegs im Zustand des Wahnsinns. Platons Unterscheidung ist vielmehr dem argumentativen Kontext geschuldet. 13 Technische Vogelschau steht an Rang unter der inspirierten Mantik, was die Bedeutung von göttlich inspiriertem Liebeswahnsinn unterstreicht. Doch ist diese Abwertung technisch-empirischer Mantik bei allem etymologischen Spiel mit Blick auf Platons Epistemologie und Ontologie doch konsequent und aussagekräftig, bezieht sie ihre Informationen doch aus dem Bereich der Phänomene, bei dem sich nach Platon gerade kein Wissen gewinnen lässt. Die göttlich inspirierte, natürliche Mantik ist also höher anzusiedeln. Doch ist auch sie für Platon nicht der Königsweg zu wahrem Wissen – dies ist der Dialektik vorbehalten. Inspirierte Mantik wird daher der Philosophie untergeordnet, ja deren Kontrolle unterworfen. Denn die göttlich inspirierten Sänger – so führt Platon im Timaios aus und erinnert an Delphi – geben nur unverständliche Laute von sich. Sie bedürfen eines Propheten, 12 Platon, Phdr. 244cd; HEITSCH, E., Phaidros. Übersetzung und Kommentar von E. Heitsch, Platon Werke III/4, Göttingen 21997; zu Platons differenzierter Haltung gegenüber der Mantik vgl. auch BRISSON, L., Du bon usage du dérèglement in: VERNANT, J.-P.; VANDERMEERSCH, L. u. GERNET, J. (Hgg.), Divination et rationalité, Paris 1974, 222–230. 13 Vgl. Platon, Phdr. 244c; dazu TRAMPEDACH, K., Unterscheidung (s. Anm. 8), 55.
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eines Dolmetschers, der die Deutungshoheit über Informationen aus natürlicher, aber irrationaler Mantik hat und diese Information vernunftorientierter Deutung unterwirft. Göttlich inspirierte natürliche Mantik ist also insofern defizitär, als sie vernünftiger Deutung bedarf.14 Der Seher gilt Platon also als Sprachrohr Gottes, das ohne Verstand ausspricht, was zwar richtig sein kann, aber begründet werden muss, 15 was freilich nicht der Seher selbst, sondern allein der Philosoph leisten kann. Verlangt wird eine vernunftgeleitete Deutung, die also aus den inspirierten Aussagen eindeutige Informationen und Wissen macht. Mantik ist für Platon ein vernunftloses Kommunikationsmedium, das durch philosophische Vernunft ergänzt werden muss. Andererseits wird Mantik wie andere Elemente religiöser Tradition auch in Platons Philosophie integriert, indem sie der Philosophie untergeordnet wird, ganz so wie die Götter selbst ihren göttlichen Status erst durch die Schau der Ideen erhalten.16 Durch göttliche Verheißung erworbene Erkenntnis verlangt also nach philosophischer Interpretation, d.h. der Prüfung und – wie es im Menon heißt – des Festbindens durch rationale Begründung. Sokrates selbst illustriert dies, indem sein philosophisches Pragma, sein Prüfen des Wissens anderer Menschen, durch seinen Wunsch erklärt wird, ein delphisches Orakel zu deuten, mit dem Ziel, die Verheißung des Orakels, Sokrates sei der klügste aller Menschen, in dem Sinne zu verstehen, dass er nicht gemeint sei. Als dies nicht gelingt, beruhigt sich Sokrates mit der Deutung, er sei nur insofern gemeint, als er um sein Nicht-Wissen wisse. Philosophisches Pragma wird also durch Orakel initiiert und als deren Deutung verstanden. Immer wieder illustrieren die Dialoge, dass und wie Sokrates mit derartigen „göttlichen Informationen“ umgeht. Immer wieder schärft Sokrates ein, dass diese erst dann Teil des eigenen Wissens und zum Leitfaden eigenen Handelns werden können, wenn sie rational überprüft und begründet sind. Bloßes Hören der Botschaft reicht nicht aus. Auf diese Weise transferiert Platon religiöse Praktiken wie die Mantik auf eine neue theoretische Ebene und subordiniert sie zugleich der Philosophie. Zugleich steckt er mit seiner Differenzierung zwischen natürlicher und technischer Mantik den Rahmen für künftige Diskussionen ab, wie wir sie in den hellenistischen Philosophenschulen beobachten können, wobei von besonderem Interesse die Stoiker, aber auch die Epikureer sind.
14 Vgl. Platon, Ti. 71e–72b; dazu PFEFFER, F., Studien zur Mantik in der Philosophie der Antike, BKP 64, Meisenheim 1976, 12–15. 15 Vgl. Platon, Ion 534c. 16 Vgl. Platon, Men. 99c. Phdr. 249e; dazu PFEFFER, F., Studien zur Mantik (s. Anm. 14), 60; ERLER, M., Platon, Beck’sche Reihe: Denker 573, München 2006, 57ff. 72ff.
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3. Stoa Die Stoa übernimmt die von Platon eingeführte Differenzierung von technischer und natürlicher Mantik. Anders als Platon sieht die Stoa jedoch in beiden Wegen ein probates Mittel, Kenntnis vom Willen der Götter zu erlangen. 17 Die Existenz der Mantik wird unter Hinweis auf die Existenz Gottes, vor allem aber auf seine Eigenschaften begründet und erklärt. Zum Wesen Gottes gehöre demnach sein Wunsch nach Selbstentäußerung und Wertschätzung; wenn Gott existiere, aber die Zukunft nicht offenbare, dann erfahre er keine Liebe. Grundlage der stoischen Auffassung ist also die schon von Platon vertretene These, dass Gott für die Menschen Sorge trage, ist die von der Stoa propagierte Sympathie aller Teile des vom Logos durchwalteten Kosmos und die damit verbundene Prädetermination und Vorhersagbarkeit der Dinge. 18 Mit ihrem sympathetischen und pantheistischen System hebt die Stoa jene dualistische Weltsicht auf, die Platon zur Abwertung der technischen Mantik führte, insofern eben jene Sympathie den Dingen einen Zeichencharakter verleiht, der Rückschlüsse auf den den Ereignissen zugrunde liegenden vernünftigen göttlichen Plan erlaubt. Freilich besteht zwischen Zeichen und angekündigtem Ereignis nach stoischer Sicht kein Kausalverhältnis. Vielmehr handelt es sich bei den Zeichen um Ankündigungen in dem Sinne, dass – um mit Cicero zu sprechen – „der Kosmos von Urbeginn darauf hin angelegt (ist), dass bestimmten Ereignissen bestimmte Zeichen vorausgehen /.../“ (Übers. Schäublin).19 Ein Vergleich mit der stochastisch arbeitenden Heilkunst liegt nahe und wird hergestellt, insofern auf die voraussagbare Heilkraft bestimmter Pflanzen hingewiesen wird. 20 Entscheidend ist hier wie dort die richtige Diagnose. Um nochmals Cicero zu bemühen: „wer sie (sc. die Zeichen) richtig auffasst, gelangt selten zu einem falschen Ergebnis; unrichtige Deutungen dagegen sind nicht falsch, weil die Sache an sich fehlerhaft 17 Vgl. SVF II,119; Poseidonios Fr. 267.106–111 EDELSTEIN, L. u. KIDD, I.G., Posidonius, Bd. I. The Fragments, hg. von L. Edelstein und I.G. Kidd, Cambridge 21989, Bd. II. The Commentary, hg. von I.G. Kidd, Cambridge 1988; Bd III. The Translation of the Fragments, hg. von I.G. Kidd, Cambridge 1999. 18 Vgl. Platon, Lg. 885aff.; Xenophon, Mem. 1,1; 9,9; Cicero, div. 1,82, zur diesbezüglich unterschiedlichen Argumentation von Stoa und Epikur vgl. GRAESER, A., Individualität und individuelle Form als Problem in der Philosophie der Spätantike und des frühen Mittelalters, MH 53 (1996), 187–196. 19 Vgl. SVF II,1210 (Cicero, div. 1, 118). Dazu die Bemerkungen von SCHÄUBLIN, CHR., M. Tullius Cicero. Über die Wahrsagung. De Divinatione. Lateinisch – deutsch. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Chr. Schäublin, München/Zürich 1991, 399ff. 20 Vgl. PFEFFER , F., Studien zur Mantik (s. Anm. 14), 63.
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wäre, sondern infolge der Unkenntnis der Erklärer“. Man sieht: Regelmäßigkeit von Erscheinungen ersetzt Platons Anspruch auf deduktive Allgemeingültigkeit. Mantik wird zu einer empirischen Wissenschaft, für die Stoiker umfangreiche Materialsammlungen von Orakeln und Träumen anlegen, gleichsam Fall- und Übungsstudien für den Ernstfall einer geforderten Deutung.21 Man sieht: Für die Stoiker ist Empirie kein Argument gegen technische Mantik, sondern führt zu deren Rehabilitierung als Möglichkeit eines Erkenntnisgewinns, der freilich der Deutung bedarf. Die Deutungskompetenz aber liegt, wie bei Platon auch, für die Stoiker in der Hand des Weisen, des Philosophen.22 In Akademie und Stoa wird Mantik also in gewisser Weise akzeptiert unter der Voraussetzung, dass die Kontrolle in den Händen der übergeordneten Philosophie liegt.
4. Epikur Dies scheint sich nun im Kepos ganz anders zu verhalten. Epikurs philosophische Grundhaltung lässt erwarten, dass er Mantik wie auch andere traditionelle Kultausübungen radikal ablehnt. Erinnern wir uns an die Grundlage seiner Theologie, formuliert im ersten Hauptlehrsatz: „Das glückselige und unvergängliche Wesen hat weder selbst Sorgen noch bereitet es diese einem anderen“ (Übers. R. Müller).23 Epikur steht für eine deistische Theologie. Weder ist die Welt von einem Gott geschaffen, noch kümmern sich die Götter um die Menschen, weil dies Mühen bedeutete, die zu ihrer Göttlichkeit nicht passen. Epikurs Götter stehen in keinerlei Kontakt mit den Menschen, nehmen also auch keinen Einfluss auf sie, sind deshalb also auch nicht zu fürchten. Es ist deshalb konsequent, dass die Epikureer die Möglichkeit einer natürlichen Mantik bestreiten. 24 Ohne Verbindung zwischen Menschen und Göttern gibt es keine Zeichen der Götter für die Menschen als Hinweis auf ihren 21
Vgl. TRAMPEDACH, K., Unterscheidung (s. Anm. 8), 61. Vgl. PFEFFER, F., Studien zur Mantik (s. Anm. 14), 95; LÉVY, C., De Chrysippe à Posidonius: variations stoïciennes sur le thème de la divination, in: HEINTZ, J.G. (éd.), Oracles et prophéties dans l'Antiquité. Actes du colloque de Strasbourg, 15–17 juin 1995, Travaux du Centre de Recherche sur le Proche Orient et la Grèce Antiques 15, Strasbourg/Rome, 1997, 331. 23 Vgl. KD 1; Lukrez 5,165ff.; vgl. 2,646ff., 2,1090ff. 24 Vgl. Lukrez 2,178ff.1090ff.; Diogenes Laertius, 10,135; vgl. ERLER , M., Epikur – Die Schule Epikurs – Lukrez, in: FLASHAR, H. (Hg.), Die Hellenistische Philosophie, Grundriß der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Bd. 4,1, Basel 1994, 29-490, hier: 149ff. 22
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Willen, als Deutungshilfe für die Zukunft oder als Unterstützung für die menschliche Suche nach Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen Welt. Noch im 2. Jh. n. Chr. verweist der Epikureer Diogenes, der im Lykischen Oinoanda eine monumentale epikureische Inschrift hatte aufstellen lassen, die Mantik in den Bereich der Pseudodoxia. 25 Auch Träume sollten nach Epikurs Ansicht nicht im Sinne göttlicher Zeichen missverstanden werden. Denn wie Lukrez in De rerum natura ausführlich darlegt und Diogenes aus Oinoanda ausführt, handelt es sich bei Träumen um einen Bilderfluss, dessen Bildteile unterschiedlichste Verbindungen eingehen können. Dabei können Bilder zufällig entstehen, denen keine Realität entspricht. Diesen im Sinne traditioneller Mantik realen Gehalt und damit Zeichencharakter zuzubilligen, wäre eine Fehldeutung. 26 Deshalb kann Epikur behaupten, dass die Mantik mit der Wirklichkeit nichts zu schaffen hat und sie uns ansonsten gleichgültig sein müsse. 27 Denn, so die Argumentation der Epikureer, selbst wenn es zu einer Koinzidenz von Vorhersage und vorhergesagtem Ereignis kommt, kann das auf Zufall beruhen.28 Selbst wenn es Zufall nicht gäbe, erweise sich Mantik als nutzlos, ja als geradezu schädlich. Denn gäbe es keinen Zufall, und wäre alles vorher bestimmbar, dann wäre es auch vorherbestimmt und nicht zu ändern. Würde man Unheil erwarten müssen, dann würde diese Erwartung das Leid vergrößern, nicht aber Heilung von Leid verschaffen.29 Jedenfalls würde die Mantik gerade das nicht erfüllen, was man von ihr erhoffe, nämlich Sicherheit, Mut und Orientierungshilfe bei allfälligen Entscheidungen. Eben dies aber reklamiert Epikur für seine atomistische Philosophie. Epikurs Physiologie löst den Anspruch, Teil einer philosophia medicans zu sein, ein, indem sie rational nachvollziehbare Erklärungen auch für jene Phänomene anbietet, die als mysteriös und als gottgesandtes Zeichen gelten, z.B. Blitz oder Donner oder andere Phänomene, die irritieren und als Hinweise der Götter gelten. Epikur im Pythoklesbrief oder Lukrez in De rerum natura bieten deshalb ein ganzes Arsenal rational nachvollziehbarer naturphilosophischer Erklärungen für Naturphänomene – nil admirari ist das Motto – und weisen auf Ungereimtheiten hin, wenn man diese
25 Frg. 23.53 in: SMITH, M.F., Diogenes of Oinoanda. The Epicurean inscription, La scuola di Epicuro, Supplementi 1, Neapel 1992. 26 Vgl. Lukrez 4,758ff.962–1036; Cicero, div. 2, 119; Diogenes Oen., Frg. 24 in: SMITH, M.F., Diogenes (s. Anm. 25), vgl. dazu CLAY, D., An Epicurean Interpretation of Dreams, in: CLAY, D., Paradosis and Survival: Three Chapters in the History of Epicurean Philosophy, Michigan 1998, 211ff. 27 Vgl. Diogenes Laertius, 10,135. 28 Vgl. Frg. 53 in: SMITH, M.F., Diogenes (s. Anm. 25). 29 Vgl. Frg. 395 Us. (=Schol. Aesch. PV 624).
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Erscheinungen als Zeichen eines Gottes verstehen will.30 Lukrez’ Gedicht De rerum natura, Epikurs Pythoklesbrief, aber auch andere Texte der Epikureer stellen mit ihrer aufklärerischen Tendenz geradezu anti-mantische Schriften dar. Wenn die Stoiker empirisches Material über Phänomene sammelten, die man als göttliches Zeichen werten kann, so die Epikureer als Beleg für ihre These, dass keines dieser Phänomene als göttliches Zeichen gewertet werden soll. Dabei erheben diese Erklärungen keineswegs den Anspruch, die jeweils einzig richtige Erklärung des Phänomens zu bieten, vielmehr werden Alternativerklärungen aneinandergereiht; denn um derartigen Phänomenen ihren Charakter als göttliches Zeichen und damit ihren furchteinflößenden Charakter zu nehmen, genügt es zu zeigen, dass sie rational erklärt werden können, um traditioneller Mantik das Material zu entziehen. Wie bei Platon oder in der Stoa kommt also auch im Epikureismus bei der Frage nach der Bedeutung von Mantik der Philosophie eine wichtige Rolle zu. Anders als bei Platon oder in der Stoa handelt es sich dabei nicht um eine kontrollierende Funktion; epikureischer Philosophie geht es darum, Mantik als Element traditioneller Religiosität zu desavouieren, weil sie den erhofften therapeutischen Effekt für richtige Lebensführung nicht einlösen kann, sondern im Gegenteil zu Furcht und Irritation und damit zu falscher Lebensführung beitrage. Mantik wird nicht ersatzlos gestrichen, sondern durch Epikurs Philosophie und epikureische Texte ersetzt. Nicht zufällig nämlich apostrophiert sich der epikureische Philosoph selbst als der eigentliche Prophet. Im Gnomologium Vaticanum verkündet Epikur: „In aller Offenheit möchte ich lieber als Erforscher der Natur allen Menschen wie ein Orakel verkünden, was ihnen nützt, auch wenn keiner mich verstehen sollte, als den üblichen Meinungen beizupflichten und dabei bei der Menge den rechten Beifall finden“ (Übers. R. Müller).31 Und Epikurs Schüler Metrodor bestätigt, dass die Epikureer Physiologie als eine Art Prophetie verstehen, erlaubt sie doch eine Betrachtung der Natur und ihrer ewig gültigen Gesetze. Wer aber diese kennt, kann erklären, warum und wie alle Phänomene geschehen. Hören wir Metrodor: „Bedenke, dass du, von Natur sterblich und im Besitz begrenzter Lebenszeit, durch Erörterungen über die Natur zur Unendlichkeit und Ewigkeit aufgestiegen bist und Gegenwärtiges, Künftiges und Vergangenes schauen kannst“ (Üb. R. Müller). Metrodor zitiert hier – kaum zufällig – einen Vers aus dem ersten Gesang der Ilias, mit dem der Seher Kalchas seine Qualifikation als Seher beschreibt. 32 Der epikureische Philosoph also als neuer 30 Vgl. Lukrez 5,96–159.160–356); vgl. CLAY, D., Lucretius and Epicurus, Ithaca/ London 1983, 260ff. 31 Epikur, Sent. Vat. 29. 32 Vgl. Sent. Vat. 10, vgl. dazu Homer, Il. A 70.
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Kalchas, Epikurs Lehre als Prophetie, die natürliche Phänomene als Zeichen zu deuten weiß, diese nicht als Belege von Gottes Einfluss deuten, sondern die Regeln erklären will, denen auch die Menschen unterliegen. Lukrez bezeichnet Epikurs Lehren als „prophetisches“ Rufen.33 Metrodor spricht davon, dass sich die wahren Jünger Epikurs „befreit haben zu den wahrhaft gottgeoffenbarten ‚Mysterien Epikurs‘“ (Übers. R. Müller).34 Die Verehrung des Meisters trägt religiöse Züge, die nicht nur einfach als Stilisierung anzusehen sind. Denn Epikur hat nach eigener Auffassung göttliches Leben verwirklicht und sich in die Reihe der Theoi soteres gestellt. Oft finden sich in der Sprache epikureischer Texte Ankläge an die Mysteriensprache. Es ist also mehr als bloßes Spiel, wenn noch Lukian Epikur als Propheten – als thespesios – preist, und wenn Lukrez ihn zu einem vates, einem philosophischen Propheten, stilisiert, der Wahrheit in Form philosophischer Orakelsprüche35 verkündet. Die Epikureer setzen vielmehr Physiologie nicht nur mit Prophetie gleich, sondern wollen mit ihr traditionelle Prophetie sogar übertrumpfen. „Bevor ich aber beginne, dir das darüber Verhängte auszubreiten, viel heiliger und sicherer als Pythia das tut ...“ (Übers. J. Martin): So beginnt Lukrez im 5. Buch seine Ausführungen über die Vergänglichkeit der Welt, deren Überlegenheit gegenüber traditionellen Orakeln aus Sicht der Epikureer sich schon deshalb ergibt, weil epikureische Physiologie und ihre Darstellungsform durch Lukrez oder griechische Epikureer Klarheit und Verständlichkeit reklamieren.36 Anders als traditionelle Orakel bedürfen Epikurs Ausführungen also keiner tieferen Deutung. Vielmehr sollen sie leicht fasslich in Sentenzsammlungen, Kompendien oder Zusammenfassungen memorierbar vermittelt, durch beständiges Wiederholen eingeübt und zum Bestandteil des eigenen Habitus gemacht werden. Manche dieser eindeutigen und nachvollziehbaren „epikureischen Lehrmeinungen“ lesen sich nachgerade wie die traditionellen Verheißungen und wurden schon in der Antike – wie z.B. Epikurs Hauptlehrsätze als oracula bezeichnet.37
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Vgl. Lukrez 3,14f.: ratio tua coepit vociferari naturam rerum. Metrodor, Frg. 38. 35 Vgl. Lukian, Alex. 61; Lukrez 3,5.14.104; vgl. OBBINK, D., Philodemus. De pietate, Oxford 1996, 568. 36 Vgl. Lukrez 5, 110ff. carmina lucida über eine res obscura. 37 Vgl. Philodemus, Piet. 2044f., und den Kommentar H. Useners in seinem „Glossarium Epicureum“: „Praeceptum doctrinae tamquam oracula habentur“ (USENER, H., Glossarium Epicureum, Edendum curaverunt M. Gigante et W. Schmid, Lessico intellectuale europeo 14, Rom 1977, 728). 34
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Zentrale Verheißung ist, dass „wie ein Gott unter den Menschen“ leben werde, wer sich mit Epikurs Lehre wieder und wieder beschäftige. Wenn alle Menschen Philosophen werden wie Epikur es will, dann – so glaubt Diogenes – wird daraus Sicherheit und Glück erwachsen.38 Epikur verheißt also das Paradies auf Erden. Diese epikureische Prophezeiung eines goldenen Zeitalters erinnert an Prophetien aus anderen Bereichen, insbesondere an die berühmte Prophezeiung des Gottesreiches der Wahrheit und des Friedens bei Jesaja, wo es u.a. heißt: „Er (Gott) richtet unter den Völkern, spricht den vielen Nationen Recht. Zu Pflugscharen schmieden sie um ihre Schwerter, ihre Lanzen zu Winzermessern“. Schwerter zu Pflugscharen also, 39 die Parallelität ist bemerkenswert. Doch gerade vor dem Hintergrund der Konvergenzen, die gewiss nicht als Folgen von gegenseitigem Einfluss verstanden werden können, wird eine zentrale Differenz deutlich. Bei Jesaja geht es um die Restauration eines ursprünglichen Zustandes unter maßgeblicher Hilfe Gottes. Bei den Epikureern und Diogenes hingegen geht es um einen paradiesischen Zustand, dessen Verwirklichung allein aus der Kraft der menschlichen Vernunft möglich scheint. Trotz dieser Unterschiede bleibt die Konvergenz in der Form bemerkenswert und fügt sich in das Bild, das wir zu zeichnen versuchten. Epikureer übernehmen traditionelle Formen, insbesondere auch religiöser Provenienz, um ihre neue Botschaft zu verkünden. Es ist kaum zufällig, dass wir eine solche Prophetie in einer epikureischen Inschrift aus dem zweiten Jh. n. Chr. lesen, als im paganen Bereich aber auch im aufblühenden Christentum Prophetie und Orakel erneut Konjunktur hatten, eine Zeit, in der uns in epikureischen Quellen religiöse Terminologie zunehmend begegnet. 40 Es handelt sich um religiöse Ausdrucksweisen, die im philosophischen Kontext nicht häufig sind, aber im epikureischen Kontext Tradition haben, im späteren Epikureismus aber häufiger auftreten und dort an die Sprache des Neuen Testaments erinnern, wo die Termini „Herold“ und „Apostel“ verbunden werden oder „Retter“ für Christus eingesetzt wird.41 Es ist bemerkenswert, dass zu gleicher Zeit in platonischem Kontext Sokrates gerne als gottgesandter Retter herausgestellt wird, wobei dies auch im Platonismus keine Innovation, sondern nur eine besondere Akzentuierung dessen darstellt, was Platons Sokrates von sich selbst in der Apologie behauptet.42 Es liegt nahe, dass die beson38
Frg. 56 in: SMITH, M.F., Diogenes (s. Anm. 25). Jes 2,4b. 40 Vgl. Epikur z.B. als „Retter (soter)“ oder „Bote (keryx)“, der rettete (vgl. fr. 72 III 12–14 in: SMITH, M.F., Diogenes [s. Anm. 25]). 41 Vgl. z.B. II Tim 1,10. 42 Vgl. Platon, Ap. 31a. 39
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dere Betonung traditioneller religiöser Ausdrucksformen hier wie im Epikureismus in der Kaiserzeit als Konkurrenzangebot gegenüber dem aufblühenden Christentum verstanden werden kann. Auch in epikureischen Texten trifft man also auf Ausdrucksweisen oder Termini, welche Epikurs Lehre einen religiösen Anstrich geben und geben sollen, verstand sich doch das contubernium Epicureum als Gemeinschaft, die ihren Meister – Epikur und seine Meisterschüler – geradezu religiös verehrten. Das Epikurbild, das Lukrez zeichnet, vermittelt einen Eindruck davon. Gewiss, man könnte darin Ironie oder literarisches Spiel sehen.43 Schon in der Antike hat man jedoch den epikureischen Hang zu religiöser Ausdrucksweise offenbar registriert, ernst genommen und entsprechend kritisiert. In manchen Büchern Epikurs herrsche ein Ton, so Cicero, der demjenigen von Oberpriestern gleiche, nicht aber zu einem Autor passe, der Religion von Grund aus vernichten wolle. Nicht nur für Cicero ist dies willkommener Anlass, einen Widerspruch von religiöser Ausdruckweise und deistischer Theologie zu konstatieren und „Hypokrisie“ zu beklagen, ein Vorwurf, der durch den Rat Epikurs, an traditionellen Kulten teilzunehmen, weiter Nahrung erhielt.44 Doch wäre es verfehlt, im epikureischen Gebrauch religiöser Motive oder Sprache eine bloße façon de parlez oder bloß die Destruktion von Tradition zu sehen. Vielmehr geht es um die Übernahme der therapeutischen Funktion religiöser Praxis zum Zweck der Fortifaktion des eigenen Selbst gegen Anfechtungen in einer unübersichtlich gewordenen Welt. Wer hier wie Cicero oder später die Kirchenväter Hypokrisie beklagt, verkennt, dass die Hinwendung zur Innerlichkeit zu einer Neubewertung religiöser Traditionen und religiöser Sprache führt, die alte Form bewahrt, die Zielvorgabe aber ändert. Dies wird deutlich z.B. bei Epikurs Umwertung des Gebetes, das er trotz der Gottesferne als für einen epikureischen Weisen angemessen hält.45 In seinem Traktat De pietate, in dem es um die richtige Haltung gegenüber den Göttern geht, bezeichnet Philodem Epikurs Theologie als eine fylake epiteles, einen Schutz gegen allfällige Angriffe von außen. Die Worte fylake epiteles stammen aus
43 Vergleiche philosophischer Lehre mit Orakeln finden sich zudem schon bei Platon (vgl. Lg. 716a). 44 Cicero, nat. deor. 1, 66, 115; vgl. Cicero, nat. deor. 1, 30, 85. 45 Vgl. dazu ERLER, M., Selbstfindung im Gebet, in: SZLEZÁK, TH.A. u.a. (Hgg.), Platonisches Philosophieren, FS H.J. Krämer, Spoudasmata 82, Hildesheim u.a. 2001, 155–172; auch in: KOBUSCH, TH.; MOJSISCH, B. u. SUMMERELL, O.F. (Hgg.), SelbstSingularität-Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum deutschen Idealismus, Amsterdam 2002, 23–40.
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religiösem Kontext – verwendet im Sinne eines erfolgreich durchgeführten Rituals mit therapeutischer Wirkung.46 Epikureische Theologie formuliert also gleichsam als verbalisiertes Pharmakon in Sentenzen wie diejenige über das selige Leben der fernen Götter. Wie solche Sentenzen als Schutz verwendet werden sollen, illustriert Horaz im Iter Brundisinum. Auf seinem Weg nach Brundisium wird er – so erzählt er – in Gnatia mit einer seltsamen Behauptung konfrontiert. Man will ihm weismachen, dass es dort Opfergaben gebe, die ohne Feuer brennen. Horaz reagiert auf diese Zumutung, die als göttliches Zeichen verstanden wird und Irritation hervorruft und wohl auch hervorrufen soll, indem er sich an lukrezische Verse mit epikureischem Inhalt erinnert: „Er habe gelernt, dass Wundersames in der Natur nicht von den Göttern komme“.47 Ebenso sollen epikureische Physiologie wie eben auch traditionelle Mantik dazu dienen, Zukunftsangst zu nehmen, indem Erscheinungen mit therapeutischer Intention interpretiert werden. Wie prophetische Texte sollen Epikurs Lehren auf diese glücklichere Zukunft vorbereiten.
5. Schluss Wir fragten nach der Rolle von Mantik und Orakeln im Hellenismus im philosophischen Kontext. Dabei war von Interesse, dass und wie gerade vor dem Hintergrund der kritischen Haltung des Kepos Versuche deutlich werden, die religiöse Tradition – auch Mantik – nicht einfach zu beseitigen, sondern sie zu ersetzen, das Bedürfnis aber, auf das sie reagieren, gleichwohl zu berücksichtigen. Auch im Epikureismus gibt es Prophetien, wobei mit der Verheißung zugleich die philosophischen Mittel mitgeliefert werden, diese Verheißung Wirklichkeit werden zu lassen, in einer Welt, in der Hilfe von außen nicht zu erwarten ist. Epikureische Texte bieten nicht nur theoretische Spekulation, sondern praktische Handlungsanweisungen, deren Wirkung mit religiösen Kategorien beschrieben wird. Die religiöse Einfärbung der Aussagen ist dabei nicht nur äußeres Zierwerk, sondern dokumentiert den Anspruch, traditionelle religiöse Praxis zu ersetzen, ja mit Blick auf das gemeinsame Ziel zu überbieten, das Ziel nämlich, Zuversicht, Sicherheit und Entscheidungskriterien zu bieten.
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OBBINK, D., Philodemus (s. Anm. 35), 531ff. Horaz, serm. 1,5,97ff.
Orakel und Gebete im Buch Habakuk1 Markus Witte „Habakuk’s erhabne Vision, worin er den Vergeltungs-Tag der Chaldäer beschreibt, und die Gottheit zur Beschleunigung der Rache kühn auffordert, wird am richtigsten mit einem Sturm verglichen, der den Leser gewaltsam mit sich fortreisst.“2
Schon der älteren an den Gattungen (genres) der biblischen Literatur interessierten Forschung ist aufgefallen, dass das Buch Habakuk eine eigentümliche Mischung aus Reden an und zu Gott, also Gebete, und Reden von und durch Gott an einen menschlichen Empfänger, also Orakel, enthält, die der kleinen Schrift einen eigentümlichen dialogischen, mitunter liturgischen und dramatischen Charakter verleihen. 3 In besonderer poetischer Verdichtung prägen hier Gebete und Orakel die Grundstruktur des Werks, so dass das Buch, auch wegen seines überschaubaren Umfangs von 56 Versen, ein gutes Beispiel bietet, um zu zeigen, wie im jüdischen Kontext der hellenistischen Zeit4 Gebete und Orakel sowie die in ihnen zur Anwendung kommenden Motive und Traditionen literarisch miteinander kombi1 Eine ältere, stärker auf systematisch-theologische Aspekte konzentrierte Fassung dieses Artikels ist in der Festschrift für Hermann Deuser „Theologie zwischen Pragmatismus und Existenzdenken“ (hg. v. LINDE, G.; PURKARTHOFER, R.; SCHULZ, H. u. STEINACKER, P., MThSt 90, Marburg [2006], 323–337) unter dem Titel „Vom Glauben in der (End-)Zeit – ein exegetischer Spaziergang durch das Buch Habakuk“ erschienen. Für die Erlaubnis, diesen Artikel zur Grundlage des hier vorliegenden gattungsgeschichtlichen Beitrags zu nehmen, danke ich den Herausgebern der Festschrift und den für die Edition der Marburger Theologischen Studien verantwortlichen Kollegen Friedhelm Hartenstein und Michael Moxter. 2 AUGUSTI, J.CHR.W., Grundriss einer historisch-kritischen Einleitung in’s alte Testament, Leipzig 1806, 289 (21827, 342). 3 Am deutlichsten zeigt sich dies bei M OULTON, R.G., The Literary Study of the Bible. An Account of the Leading Forms of Literature Represented in the Sacred Writings, London 1896, 364–369; vgl. aber auch schon DELITZSCH, FZ., Der Prophet Habakuk, Exegetisches Handbuch zu den Propheten des Alten Bundes, Leipzig 1843, XIII 104, und EWALD, H., Die Propheten des Alten Bundes erklärt, Stuttgart 1840/1841 (Göttingen 21867/1868), Bd. 1, 373–389, hier: 375f.; erheblich weitergeführt dann in der zweiten Auflage (Bd. 2, 29–53, hier: 32f.); zur neueren Forschung DANGL, O., Habakkuk in Recent Research, Currents in Research BS 9 (2001), 131–168, hier: 151–154. 4 Zu dieser Datierung s.u.
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niert und funktionalisiert werden können. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist eine kompositions- und traditionsgeschichtliche Analyse, 5 deren Ergebnisse abschließend vor dem Hintergrund der Literaturund Kulturgeschichte des antiken Israel/Juda im Rahmen seiner vorderorientalischen und griechischen Umwelt reflektiert werden. Das Buch Habakuk wird durch die Überschriften in 1,1 und 3,1 in zwei große Blöcke gegliedert. Über die Angabe in 1,1 „Das Orakel (ma), das der Prophet Habakuk schaute (zh)“,6 wird alles folgende, zumindest der bis 2,20 reichende Text, als eine Offenbarung charakterisiert. Der Titel „Eine tepillh des Propheten Habakuk“ (3,1) kennzeichnet 3,2–19 ausdrücklich als ein Gebet. Im Kern handelt es sich um eine hymnische Darstellung des zum Gericht erscheinenden Jahwe, also eine Theophanieschilderung, die in den Vv. 2 und 8–15 in die direkte Anrede Gottes übergeht und über die Abschlussverse 18–19 und das liturgische Pausalwort sælh in den Vv. 3b.9b.13b Kap. 3 einen kultisch-rituellen Charakter verleiht. Die Tatsache, dass Hab 3 auch als Einzelstück überliefert wurde, 7 5 Damit berührt sich mein Artikel grundsätzlich mit den Aufsätzen von THOMPSON, M.E.W., Prayer, Oracle and Theophany: The Book of Habakkuk, TynB 44/1 (1993), 33– 53, SWEENEY, M.A., Structure, Genre, and Intent in the Book of Habakkuk, VT XLI (1991), 63–83, und WATTS, J.W., Psalmody in Prophecy: Habakkuk 3 in Context, in: WATTS, J.W. u. HOUSE, P.R. (Hgg.), Forming Prophetic Literature. Essays on Isaiah and the Twelve in Honor of J.D.W. Watts, JSOT.S 235, Sheffield 1996, 209–223, von denen sich die folgenden Beobachtungen aber an entscheidenden Punkten der kompositionskritischen, literaturgeschichtlichen und historischen Einordnung unterscheiden. 6 Zur Verknüpfung der Begriffe „Orakel“ (ma) und „schauen“ (zh) als Kennzeichnung einer prophetischen Tätigkeit vgl. auch Jes 13,1; Nah 1,1; Thr 2,14 und Kol. I,2 der „Bileam-Inschrift“ vom Tell Deir Alla (dazu BLUM, E., Die Kombination I der Wandinschrift vom Tell Deir Alla, in: KOTTSIEPER, I.; SCHMITT, R. u. WÖHRLE, J. (Hgg.), Berührungspunkte. Studien zur Sozial- und Religionsgeschichte Israels und seiner Umwelt, FS R. Albertz, Münster 2008, 573–601). Zur Interpretation des Terminus ma als Gattungsbezeichnung und Leseanweisung für das so bezeichnete Buch siehe FLOYD, M.H., The ‚ (MA’) as a Type of Prophetic Book, JBL 121 (2002), 401– 422, bes. 413–415; zu den redaktionsgeschichtlichen Implikationen der ma-Überschrift KESSLER, R., Nahum-Habakuk als Zweiprophetenschrift. Eine Skizze, in: ZENGER, E. (Hg.), „Wort Jhwhs, das geschah ...“ (Hos 1,1). Studien zum Zwölfprophetenbuch, HBS 35, Freiburg u.a. 2002, 149–158, und WÖHRLE, J., Die frühen Sammlungen des Zwölfprophetenbuches. Entstehung und Komposition, BZAW 360, Berlin/New York 2006, 40ff. 7 Vgl. die in die Septuaginta aufgenommene Sammlung der Oden (Od 1 = Ex 15,1– 19; Od 2 = Dtn 32,1–43; Od 3 = Regn I [I Sam] 2,1–10; Od 4 = Hab 3; Od 5 = Jes 26,9– 20; Od 6 = Jon 2,3–10; Od 7 = Dan 3,26–45; Od 8 = Dan 3,52–88; Od 9 = Lk 1,46– 55.68–79; Od 10 = Jes 5,1–9; Od 11 = Jes 38,10–20; Od 12 = OrMan; Od 13 = Lk 2,29– 32; Od 14.). Der babylonische Talmud (bMeg 31a) belegt Hab 3 als Prophetenlesung zu Dtn 16,9 für das Wochenfest (vgl. dazu auch CATHCART, K.J. u. GORDON, R.P., The Targum of Minor Prophets. Translated, with a Critical Introduction, Apparatus, and Notes, The Aramaic Bible 14, Edinburgh 1989, 155).
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spricht dafür, dass die Überschrift in 3,1 eine jüngere editorische Randbemerkung ist. 8 Der Wechsel in der Sprechrichtung von einer Rede über Jahwe in 2,20 hin zu einer Rede an Jahwe in 3,2 markiert aber, dass mit 3,2ff. eine neue kompositionelle Einheit beginnt. Diese erstreckt sich, wie die Wiederaufnahme des Ausrufs „ich habe gehört“ zeigt, mindestens bis V. 16. Wenn 3,1 sekundär ist, liegt es nahe, 1,1 als Überschrift des gesamten Werks zu betrachten. Eine weitergehende kompositionelle Gliederung erschließt sich über binnentextliche Signale. Den deutlichsten Einschnitt bietet 2,2a: „Da antwortete mir Jahwe und sagte.“ Damit wird einmalig im Buch ausdrücklich einerseits auf eine Rede Habakuks zurückgeschaut, andererseits eine Rede Jahwes an den Propheten, ein Orakel, eingeleitet. Als vorangehende Rede Habakuks erweist sich der Block 1,2– 2,1, als nachfolgende Jahwerede der Abschnitt 2,2a–20. Demzufolge besteht das Buch aus drei Teilen: 1,2–2,1; 2,2–20; 3,2–16(19).
1. Hab 1,2–2,1 – „Ist Gott gerecht?“ Die erste große Rede Habakuks in 1,2–2,1 lässt sich ihrerseits anhand wechselnder Sprachformen in drei Abschnitte teilen. Der erste Abschnitt (1,2–4) besteht aus einer sechs Bikola umfassenden Klage des Propheten, die sich im Du an Jahwe wendet und die für ein Klagegebet typischen Strukturmerkmale der Fragen nach der Dauer (ad-nh), dem Grund und dem Ziel (lmmh) des Leids aufweist. Im Zentrum der Klage steht die von Jahwe zugelassene gegenwärtige Erfahrung (rh) von Rechtsbruch (ms) (V. 3),9 die in der Feststellung des Zerfalls des Gesetzes, d.h. der Tora,10 und der Bedrängnis des Gerechten durch einen nicht näher benannten Frevler (rö) gipfelt.11 Der Abschnitt hat seine nächsten Parallelen in 8 Vergleichbar ist die Notiz in Hi 31,40c („zu Ende sind die Worte Hiobs“). Angesichts der sehr engen inhaltlichen und formalen Verknüpfung von Hab 3,2–16 mit Hab 1,2–2,20 halte ich diese literargeschichtliche Beurteilung der Überschrift in 3,1 für wahrscheinlicher als die Annahme, Hab 3,1 verweise auf den sekundären Charakter des gesamten dritten Kapitels, wie dies im Gefolge von Bernhard Stade (1884) zuletzt wieder Lothar Perlitt (2004) vertreten hat (STADE, B., Miscellen 3. Habakuk, ZAW 4 [1884], 154–159; PERLITT, L., Die Propheten Nahum, Habakuk, Zephanja, ATD 25,1, Göttingen 2004, 42 u. 82ff.). 9 Vgl. Jer 15,10. 10 Dass hier mit tôrh bereits das Gesetz in seinem dtn Sinn gemeint ist, betonen auch GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk und das Problem des leidenden , ZAW 98 (1986), 400–415, hier: 408, und PERLITT, L., Propheten (s. Anm. 8), 50f., wenngleich mit anderen traditions- und redaktionsgeschichtlichen Konsequenzen; siehe dazu auch Anm. 33– 34. 11 Zwingende Gründe für eine literarkritische Differenzierung liegen trotz der unterschiedlichen Metren in Vv. 2–3a, Vv. 3a–4a und V. 4b, des in der Poesie unüblichen
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individuellen Klage- und Bittgebeten sowie in weisheitlichen Anfragen an die Gerechtigkeit Gottes.12 Insgesamt handelt es sich um eine kleine Theodizeedichtung. Davon abgesetzt folgt eine sich über zwölf Bikola erstreckende visionäre Beschreibung des unmittelbar bevorstehenden Handelns Jahwes mittels eines fremden Volkes (1,5–11).13 Der Abschnitt ist über die Stichworte „Sehen“ (1,5), „Recht“ (1,7) und „Gewalttat“ (1,9) eng mit der Klage in 1,2–4 verknüpft. Er bildet eine Rede des Propheten an eine mit dem „Gerechten“ aus 1,4 zu identifizierende Gruppe (1,5b). Entgegen der Gestaltung von 1,6 im masoretischen Text als Jahwerede („Denn siehe ich erwecke ...“) ist in Analogie zu V. 5b („denn er wirkt ein Werk“) die 3. Pers. sg. zu lesen. 14 Sprechendes Subjekt ist noch der Prophet, so dass es verfehlt ist (zumindest im Blick auf den ursprünglichen Text), schon hier von einem Dialog zwischen dem Propheten und Gott zu sprechen.15 Der Hinweis auf die Chaldäer (kadîm) in V. 6a,16 der im Rahmen der zeitgeschichtlichen Verortung des „Propheten“ Habakuk eine wichtige Rolle spielt, 17 fällt metrisch, textkritisch und inhaltlich heraus. 18 Im urGebrauchs der nota accusativi in V. 4b und der Wiederholung der Wendung yeê miöpÅ aus V. 4a in V. 4b nicht vor. 12 Vgl. Hi 19,7; Ps 22,3 sowie weiterhin Ps 74,10; 79,5; 89,47; 94,3. 13 Die metrischen Unregelmäßigkeiten in V. 8 und V. 9 gehen offenbar auf Textstörungen zurück. V. 8a dürfte sekundär sein. Hinter V. 9a ist wohl ein Stichos ausgefallen. 14 Vgl. I Sam 2,8 (meqîm). Möglicherweise ist als ausdrückliches Subjekt in V. 6a „Jahwe“ zu ergänzen (kî-hinneh [yhwh] meqîm, vgl. Am 6,11 sowie Jes 3,1; 26,21; Mi 1,3), so mit DUHM, B., Das Buch Habakuk. Text, Übersetzung, Erklärung, Tübingen 1906, 19; SELLIN, E., Das Zwölfprophetenbuch, KAT XII, Leipzig/Erlangen 1922, 340f.; HERRMANN, W., Das unerledigte Problem des Buches Habakkuk, in: VT LI (2001), 481– 496, hier: 494. 15 So aber zumeist in der Forschung, vgl. exemplarisch DELITZSCH, F Z., Habakuk (s. Anm. 3), 8f.; HUMBERT, P., Problèmes du livre d’Habacuc, Mémoires de l’université de Neuchâtel 18, Neuchâtel 1944, 12f.; THOMPSON, M.E.W., Prayer (s. Anm. 5), 35f., HAAK, R.D., Habakkuk, VT.S XLIV, Leiden u.a. 1992, 14, die Hab 1,5–11 als prophetisches Orakel und erste Antwort Gottes auf die Klage des Propheten interpretieren; modifiziert auch FLOYD, M.H., ‚ (s. Anm. 6), 414, der Hab 1,5–11 als Zitat eines älteren Orakels, das sich in der Gegenwart des Propheten erfüllt habe und damit die Klage aus 1,2–4 motiviere bzw. verstärke, versteht; richtig hingegen schon DUHM, B., Habakuk (s. Anm. 14), 17. 16 Zu deren Gleichsetzung mit den Neubabyloniern siehe nur II Reg 25,4; Jes 47,1; Jer 25,12 u.v.a. 17 Sofern die kadîm in der Forschung nicht als Symbol oder Chiffre für ein anderes Volk gedeutet werden, bilden sie eines der wesentlichen Argumente für die historische Verortung Habakuks und seiner Schrift (sei es, dass diese als eine literarische Einheit betrachtet wird, sei es, dass sie auf einen literar- und redaktionsgeschichtlichen Grundbestand reduziert wird) in der Zeit um 600 v. Chr., vgl. dazu z.B. aus holistischer Perspektive HAAK, R.D., Habakkuk (s. Anm. 15); SWEENEY, M.A., Art. Habakkuk, Book of, in:
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sprünglichen Text dürfte die Identität des schneller als Panther daherstürmenden Volks, das sich selbst zum Gesetz und seine Kraft zum Gott erklärt, bewusst offen gelassen sein. 19 Als prophetische Beschreibung des Handelns Jahwes bilden die Vv. 5–11 eine Steigerung der Eingangsklage. Zu dem von Jahwe geduldeten Erschlaffen der Tora wird in unmittelbarer Zukunft das von ihm erweckte fremde Volk treten. Der Horizont der vom Propheten geschauten Gewalttat (ms) weitet sich damit sowohl in räumlicher als auch zeitlicher Hinsicht (vgl. 1,9 gegenüber 1,2).20 Mit 1,12–2,1 folgt ein sich ebenfalls über zwölf Bikola erstreckender Abschnitt der zunächst in Parallele zu Vv. 2–4 mit einer Anrede Jahwes anhebt (Vv. 12–14) und erneut Elemente des Gebets, vor allem der Doxologie und der Klage, enthält, dann in eine Fortsetzung der Beschreibung des Handelns des fremden Volkes übergeht (Vv. 15–17) und in eine bekenntnisähnliche Selbstaufforderung des Propheten zum Empfang einer Antwort Jahwes mündet (2,1). Auch dieser Abschnitt ist als Rede des Propheten stilisiert. Über Leitworte („Recht“, „Sehen“, „Frevel“, „Frevler“, „Gerechter“) ist er eng mit den vorangehenden Vv. 2–4 und Vv. 5–11 verbunden. Inhaltlich unterstreicht die Passage die vom Propheten geschaute notvolle Situation: Der mit unterschiedlichen Epitheta21 in Bitte und Klage angerufene Jahwe schweigt angesichts der Vernichtung des Gerechten (V. 13) und lässt dem nun gesamtmenschheitliche Dimensionen annehmenden Morden des fremden Volkes freien Lauf (V. 17). Wie in Hi 9,24 entsteht der Eindruck, dass „die Erde in die Hand des Gottlosen (rö) gegeben ist“.
AncB.D III (1992), 1–6; ANDERSEN, F.I., Habakkuk. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 25, New York u.a. 2001, und aus literar- und redaktionsgeschichtlicher Perspektive SEYBOLD, K., Nahum, Habakuk, Zephanja, ZBK.AT 24/2, Zürich 1991; PERLITT, L., Propheten (s. Anm. 8); OTTO, E., Art. Habakuk/Habakukbuch, in: RGG4 III (2000), 1360–1362; FLOYD, M.H., Minor Prophets, Part 2, FOTL XXII, Grand Rapids 2000, 79–161. 18 So durchbricht die Angabe æt-hakkadîm das kolometrische Schema von 1,5–12; vgl. PFEIFFER, H., Jahwes Kommen von Süden. Jdc 5; Hab 3; Dtn 33 und Ps 68 in ihrem literatur- und traditionsgeschichtlichen Zusammenhang dargestellt, FRLANT 211, Göttingen 2005, 138. LXX weist mit darauf hin, dass hier entweder zwei griechische Textraditionen zusammengeflossen sind oder dass der ursprüngliche griechische Text nur enthielt und erst sekundär in Anpassung an MT um erweitert wurde, was ich für wahrscheinlicher halte. 19 Vgl. Am 6,14; Jer 5,15. 20 Vgl. Gen 6,11; Ez 7,23; 8,17. 21 Zum Epitheton miqqædæm vgl. Ps 74,12; zur Bezeichnug Gottes als „Heiliger (qdôö) vgl. II Reg 19,22; Jes 1,4; 5,19; 10,17; 49,7; Ps 71,22; 78,41; 89,19; Sir 50,17 u.v.a.; zum Epitheton „Fels“ (ûr) vgl. Dtn 32,4.18.37; I Sam 2,2; II Sam 22,32; Jes 44,8; Ps 18,3.47; 19,15; 28,1; 62,3.7; 92,16; 144,1 u.ö.
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Mit der Herausforderung Jahwes zum Reden in 2,1 wird die Eingangsklage zusammengefasst. 22 Der Vers bestätigt die oben ausgesprochene Vermutung, dass in 1,6 ursprünglich keine Gottesrede vorlag, sondern Jahwe erstmals in 2,2 selbst redend eingeführt wird. Die Selbstermutigung des Propheten, sich auf einen Aussichtspunkt zu begeben, um von dort eine göttliche Deutung des von ihm geschauten Geschehenen zu erhalten, beinhaltet – zumindest auf der literarischen Ebene – nach den Gebeten als einer Form des Einblicks in die Stimmungen des Propheten und nach den sprachlichen Visualisierungen des heranstürmenden Volkes einen erneuten Szenenwechsel. Dabei spielt der in 2,1 verwendete Begriff miömæræt („Posten“) gemäß II Chr 7,6 darauf an, dass Habakuk am Jerusalemer Tempel auf eine Antwort Jahwes ausspähen wird (ph). 23 Als Spannungsbogen für den ersten Hauptteil ergibt sich damit eine Linie von der Tora, über deren Erschlaffen der Prophet klagt (1,4), hin zum Tempel, von wo der Prophet eine neue Tora erwartet (2,1).24 Der zweifach zu beobachtende formale Unterschied zwischen der Klage (1,2–4 bzw. 1,12–14) und der Beschreibung des fremden Volkes (1,5–11 bzw. 1,15–17) und der zweifache Wechsel der Sprechrichtung von einer Anrede Jahwes (1,2–4 bzw. 1,12–14) und einer Anrede der Leser/Hörer des Propheten (1,5–11 bzw. 1,15–2,1) zeigen – unabhängig von literarischen Vorstufen der Stücke 1,2–4 und 1,12–14[2,1] einerseits und 1,5–11 und 1,15–17 andererseits – rhetorisch ein dramatisch gestaltetes Textprofil und literaturgeschichtlich eine Kompositstruktur.
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So schlägt Hab 2,1b den Bogen zu 1,2. Vgl. Jes 21,6ff.; Ez 3,17; 33,7. Zu ph als Funktionsbeschreibung eines Propheten vgl. Num 23,14; Jer 6,17; Jes 52,8; Mi 7,4; Hos 9,8 und wohl auch die neupunische Inschrift KAI 159,6, in der p vermutlich einen „Seher“ bezeichnet. Zur Deutung von Hab 2,1 vor dem Hintergrund der Teichoskopie siehe UTZSCHNEIDER, H., Michas Reise in die Zeit. Studien zum Drama als Genre der prophetischen Literatur des Alten Testaments, SBS 180, Stuttgart 1999, 24f.; NITSCHE, S.A., Jesaja 24–27: ein dramatischer Text. Die Frage nach den Genres prophetischer Literatur des Alten Testaments und die Textgraphik der großen Jesajarolle aus Qumran, BWANT 166, Stuttgart 2006, 123–130. 24 In der Damaskusschrift (CD) ist diese räumliche Vorstellung dann personalisiert, wenn die Mahnung, jeder solle auf seiner Warte stehen, sich auf den Anschluss an die „Gemeinde des neuen Bundes“ bezieht (CD-A IV,11f.; vgl. dazu E. LOHSE, Die Texte aus Qumran, Darmstadt 41986, 73 u. 288); siehe weiterhin den „Midrasch zur Eschatologie“ (4Q174 + 4Q177) IX,5ff. (Rekonstruktion nach STEUDEL, A., Die Texte aus Qumran II, Darmstadt 2001, 187–213, hier: 204f.) und 1QHa XXIIbottom,5 (Frg. 4). 23
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2. Hab 2,2–20 – „Gott antwortet und die Welt hebt an“ Der mit Hab 2,2 eingeleitete Komplex läuft bis 2,20. In 2,6a liegt mit der Reihe der weisheitlichen Gattungsbegriffe (möl, melih, îdh) 25 und der Zitationsformel26 eine erneute Einleitung vor, die 2,6b–20 als eine von Jahwe zitierte künftige Rede der Völker charakterisiert. Damit lässt sich die Jahwerede, die mittels 2,2a überschrieben ist, selbst in zwei Teile gliedern: 1. in eine direkte Anrede des Propheten (2,2–5) und 2. in eine Zitation der Völker (2,6–20). Der erste Teil der Jahwerede (2,2–5) besteht aus sechs Bausteinen: 1. 2. 3. 4.
aus dem Befehl an Habakuk, eine Vision zu verschriften (2,2a), aus einer Begründung der Verschriftung (2,2b), aus einer inhaltlichen Erläuterung der Vision (2,3a), aus einer Ermahnung, mit der Verwirklichung der Vision zu rechnen (2,3b), 5. aus der Zusage des Todes für den Frevler und des Lebens für den Gerechten (2,4), 6. aus der Ankündigung des Untergangs des Herrschers des fremden Volks (2,5).27 Der Verschriftungsbefehl in 2,2 hat innerhalb der prophetischen Literatur seine nächste Parallele in Jes 30,8. 28 Wie der Prophet in Hab 2,2 erhält Jesaja einen göttlichen Auftrag zur Niederschrift einer Vision auf eine Tafel (lûa). Während in Jes 30,8 die Verschriftung auf eine Konservierung und Materialisierung, also auf eine „Verewigung“ zielt,29 gibt Hab 2,2 als Grund für die schriftliche Fixierung an, „dass der, der darin liest, läuft (yrû).“ Damit ist entweder die Verkündigung oder die sorgfältige Beachtung des Gelesenen gemeint. Für die Deutung von rû in Hab 2,3 im Sinn von „Verkündigen“ sprechen die häufige Verwendung dieses Verbs im Zusammenhang von Boten- und Heroldsberichten30 und der Gebrauch von rû im Parallelismus mit nibb („prophezeien“) in Jer 23,21. Da rû in Ps 119,32 und Prov 4,12 auch als Terminus der Frömmigkeitssprache im Sinn von „Wandeln (hlak) im Gesetz“ gebraucht wird, ist es nicht ausge25 Vgl. Prov 1,6; Sir 47,17; aber auch Num 23,7.18; 24,3.15.20.21.23; Jes 14,4; Hi 27,1; 29,1. 26 Anstelle von weyômar lies mit 1QpHab VIII,7 und LXX weyômerû. 27 Zum Text von Hab 2,4–5 s.u. Anm. 40. 28 Vgl. daneben auch Jes 8,1 und Ez 24,2. 29 Vgl. in diesem Sinn auch 4Q417 Frg. 2 I,16. 30 Vgl. II Sam 18,19ff.; II Chr 30,6 u.ö.
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schlossen, dass Hab 2,2 ein Befolgen des vom Propheten Verschrifteten meint (vgl. Dtn 17,18f.).31 Die Besonderheit von Hab 2,2 liegt darin, dass das Wort lûa im Plural und mit Artikel gebraucht ist und dass der Befehl der Verschriftung durch den Imperativ ber unterstrichen wird. Das Wort beer erscheint nur noch in Dtn 1,5 und 27,8 und davon abhängig in 1Q22 II,8 jeweils in der Bedeutung von „auslegen“, und zwar die Tora.32 Insofern nach Dtn 4,13 und 9,9ff. auch die Tora auf „Tafeln“ (luôt) geschrieben ist,33 liegt es nahe, in Hab 2,2 eine Anspielung auf die „Tafeln des Mose“ zu sehen.34 Angesichts der hier vorgeschlagenen Deutung von Hab 2,2ff. sei an die im babylonischen Talmud überlieferte Meinung von R. Šimlaj erinnert, derzufolge Habakuk die 613 Vorschriften der Tora des Mose mittels seiner Sentenz in 2,4 auf eine reduzierte (bMak 24a). Als Vorläufer Habakuks auf dem Weg der Torakonzentration gelten gemäß dieser Diskussion David, der die Tora in elf Gebote zusammengefasst habe (vgl. Ps 15), Jesaja in sechs (vgl. Jes 33,15) bzw. zwei (vgl. Jes 56,1), Micha in drei (vgl. Mi 6,8) und Amos ebenfalls in eins (vgl. Am 5,4). Auch das Targum Jonathan hat die Anspielung von Hab 2,2 auf die „Tafeln des Mose“ erkannt, erinnert aber unmittelbar an die „im Buch des Gesetzes“ verschriftete und klar ausgelegte (mprö) Prophetie (des Mose), so dass hier die Tora als eigentliche Quelle der Prophetie Habakuks gilt (vgl. auch TgJ zu Hab 1,4; 3,1.3).35
Die Vision, die Habakuk verschriften soll, erhält durch die Wahl des „mosaischen“ Schriftträgers besonderes Gewicht: Sie tritt als eine neue Tora zu der Tora des Mose.
31 Vgl. GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 412. Dass yrû hier adverbial zu qôre im Sinn von „geläufig lesen“ gebraucht sei, wie es häufig in der Forschung vertreten wird (vgl. zuletzt PERLITT, L., Propheten [s. Anm. 8], 62), halte ich aus sprachlichen und motivischen Gründen für unwahrscheinlich. 32 Vgl. auch Jos 8,30 und zur Sache VEIJOLA, T., Moses Erben. Studien zum Dekalog, zum Deuteronomismus und zum Schriftgelehrtentum, BWANT 149, Stuttgart 2000, 216; PFEIFFER, H., Jahwes Kommen (s. Anm. 18), 144f. 33 Vgl. weiterhin Ex 24,12 (vgl. 4Q364 Frg. 14,3); 27,8; 31,8; 32,15; 34,1.4.29; 38,7; Dtn 5,22; 10,3; 11,5; I Reg 8,9 34 Vgl. auch GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 408; 412, BOSSHARDNEPUSTIL, E., Rezeptionen von Jesaja 1–39 im Zwölfprophetenbuch. Untersuchungen zur literarischen Verbindung von Prophetenbüchern in babylonischer und persischer Zeit, OBO 154, Fribourg/Göttingen 1997, 315f., der die Abhängigkeit Habakuks vom Dtn allerdings erst auf eine jüngere Redaktionsschicht im Habakukbuch zurückführt, sowie BEHRENS, A., Habakuk 2,1–4 und die Treue zur Offenbarung, in: BARNBROCK, CHR. u. KLÄN, W. (Hgg.), Gottes Wort in der Zeit: verstehen – verkündigen – verbreiten, FS V. Stolle, Münster 2005, 173–187, hier: 179. 35 SPERBER, A. (Hg.), The Bible in Aramaic Based on Old Manuscripts and Printed Texts, III, Leiden u.a. 21992, 459–466; CATHCART, K.J. u. GORDON, R.P., Targum (s. Anm. 7), 143–161 (im Hintergrund von TgJ zu Hab 2,4 stehen möglicherweise Ex 24,12; Dtn 27,2f. und Neh 8,8; a.a.O., 150).
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Inhaltlich wird die Vision des Habakuk in der Forschung zumeist mit einem Teil des Buchs identifiziert, in der Regel mit den folgenden Versen.36 V. 3a bietet aber keine Vision, sondern erklärt in Entfaltung des Imperativs ber, dass die Vision sich auf einen festgesetzten Zeitpunkt (môed) bezieht (ôd)37 und dass sie untrüglich Zeugnis ablegt (ypea)38 hinsichtlich des Endes bzw. der (End-)Zeit (qe). V. 3a interpretiert somit wie Dan 8,19; 11,27.35 und 12,7 etwas vom Propheten Geschautes, stellt aber nicht dessen Inhalt dar. Dies gilt auch für V. 3b: Das Bikolon unterstreicht, wie die „Gottesrede“ in Ez 12,22ff., das Eintreffen der Vision bzw. des geschauten Zeitpunkts, 39 bildet aber nicht die Vision selbst ab. Dies könnte nun für Vv. 4–5 gelten. Soweit angesichts des in V. 4a und V. 5a nicht unversehrt erhaltenen Textes erkennbar, 40 wird hier folgendes angekündigt:
36 Sei es mit V. 3, mit V. 4, mit Vv. 4–5 oder auch mit Vv. 6ff. Eine Zusammenstellung sämtlicher bis 1977 vertretener Möglichkeiten bietet JÖCKEN, P., Das Buch Habakuk. Darstellung der Geschichte seiner kritischen Erforschung mit einer eigenen Beurteilung, BBB 48, Köln/Bonn 1977, 520. 37 Zur Ableitung von ôd von der Verbalwurzel wd im Sinn von „bezeugen“ bzw. zur Konjektur in ed („Zeuge“) siehe KOENEN, K., Heil den Gerechten – Unheil den Sündern. Ein Beitrag zur Theologie der Prophetenbücher, BZAW 229, Berlin/New York 1994, 148 Anm. 62. 38 Zur Ableitung ypea von pw II im Sinn von „Zeugnis ablegen“ siehe HALAT s.v. im Anschluss an RUDOLPH, W., Micha – Nahum – Habakuk – Zephanja, KAT XIII/3, Gütersloh 1975, 211. 39 Vgl. dann syrBarApk 48,31ff. sowie II Petr 3,7–10; Hebr 10,35ff.; Offb 1,3 und dazu STROBEL, A., Untersuchungen zum eschatologischen Verzögerungsproblem aufgrund der spätjüdisch-urchristlichen Geschichte von Habakuk 2,2ff., NT.S 2, Leiden 1961. 40 In V. 4a lies anstelle von uppelh „aufgeblasen/übermütig“ awwl oder awwîl „der Frevler“ (vgl. Zeph 3,5; Hi 18,21; 27,7; 29,17; 31,3 bzw. Hi 16,11). Weitergehende Textkorrekturen scheinen mir nicht nötig: yöar kann hier in seiner Grundbedeutung und in Parallele zu yh in V.4b mit „bleiben“ wiedergegeben werden, so dass der Vers insgesamt zu übersetzen ist: „Siehe, der Frevler: seine Seele bleibt nicht in ihm / aber der Gerechte: aufgrund seiner Treue bleibt er am Leben.“ V. 5a ist über weap kî rhetorisch eng an V. 4 angeschlossen (vgl. Prov 11,31). Auch das Motiv vom Wein, der täuscht und übermütig macht, findet sich in mit Hab 2,4–5 vergleichbaren weisheitlichen Sentenzen (vgl. Sir 19,2 sowie die Spruchreihen in Prov 21,15–18 und 31,4f.). Gleichwohl deuten die von MT abweichenden Versionen (1QpHab VIII,3 liest anstelle von hayyayin [„Wein“] hôn [„Reichtum“ ....]) darauf hin, dass hier der Text gestört ist. Ich lasse daher V. 5a unübersetzt, vermute allerdings hinter bôged eine zu 1,11 parallele Bezeichnung eines Frevlers und leite yinwæh von einer Wurzel nwwh „wohnen/bleiben“ (vgl. Prov 3,33) ab, so dass der Vers so übersetzt werden könnte: „... der übermütige Mann: er wird nicht bleiben, / er, der seine Kehle wie die Unterwelt weit machte, und er, der wie der Tod war, und nicht satt wurde / und zu sich alle Völker sammelte / und zu sich alle Volksgruppen häufte.“ (vgl. zum Bild Jes 10,14; 14,6).
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1. der Tod des Frevlers und das mittels Treue (æmûnh) ermöglichte Überleben des Gerechten im Gericht,41 womit auf die Klage in 1,4 und 1,13 zurückgeblickt wird, 2. der Untergang des fremden Volkes, hier repräsentiert durch dessen Herrscher, womit auf die Beschreibung in 1,5–11 und 1,15–17 rekurriert wird. Als eigentlicher Inhalt einer auf das Ende bzw. die (End-)Zeit bezogenen und auf Tafeln zu verschriftenden Vision sind die weisheitlichen Sentenzen in Vv. 4–5 aber zu knapp.42 Nun ist das gesamte Buch Habakuk durch Begriffe aus dem Wortfeld „sehen“ durchsetzt. Jeweils an kompositionellen Schlüsselstellen bekennt der Prophet, etwas gesehen zu haben (1,3; 3,2), etwas sehen zu wollen (2,1) oder ruft zu einem Sehen auf (1,5). Ab 3,3 beschreibt der Prophet das Erscheinen Jahwes. D.h. dem Verschriftungsbefehl gehen einerseits „Schauungen“ des Propheten voraus, andererseits folgen ihm solche. Damit lässt sich der Begriff zôn („Schauung“) aus Hab 2,2 auf das gesamte Buch beziehen. Für diese Annahme spricht auch die Überschrift des Gesamtwerks in 1,1: „Das ist das Orakel, das der Prophet (nbî) Habakuk geschaut (zh) hat.“ So begründet die Jahwerede in 2,2 die Existenz des Buchs Habakuk.43 Dass in 2,2 als Material der Verschriftung „Tafeln“ und nicht, wie vielleicht zu erwarten, „Buch“ (sepær) oder „Rolle“ (megillh) genannt werden, unterstreicht die Bedeutung des Schrift gewordenen Inhalts. Eine Identifikation dieser Tafeln, sei es mit einer Wand- oder Steleninschrift, 44 sei es mit Klapptafeln eines
41 Vgl. Gen 15,6 (par. Jub 14,6, 4Q225 Frg. 2,I,8); Neh 9,8; Sir 15,15 (HB); (45,5); PsSal 9,5; Röm 1,17; Gal 3,11; Hebr 10,37f.; Pirke Abot II,8 („wer Tora mehrt, mehrt Leben“, zitiert nach BAMBERGER, S., Pirke Abot. Die Sprüche der Väter, Basel 1995 [Nachdr.], 24). 42 Dies veranlasste bereits JULIUS W ELLHAUSEN zu der spöttischen Bemerkung, der Prophet habe „herzlich wenig“ geschaut (Die kleinen Propheten übersetzt und erklärt, Berlin 41964 [= 31898], 168). 43 Ähnlich bereits SELLIN, E., Das Zwölfprophetenbuch (s. Anm. 14), 333; 347, und GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 412. 44 Vgl. z.B. die ostjordanische „Bileam-Inschrift“ (siehe zu dieser zuletzt BLUM, E., Kombination [s. Anm. 6], 573–601; BLUM, E., „Verstehst du dich nicht auf die Schreibkunst ...?“, in: BAUKS, M.; LIESS, K. u. RIEDE, P. [Hgg.], Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? [Psalm 8,5], FS B. Janowski, Neukirchen-Vluyn 2008, 33–51) oder die neupunische Inschrift KAI 145 (Inschrift von Mactar), in der l eine Steintafel an einem Portikus, die gelesen werden soll, bezeichnet. Zum Brauch, dass Besucher des griechischen Orakels von Trophonios nach ihrem Abstieg in das unterirdische Heiligtum auf einer öffentlich aufgestellten Tadel niederschreiben sollten, was sie gesehen oder gehört hatten, siehe ROSENBERGER, V., Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte, Darmstadt 2001, 38.
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Schreibers, wie sie aus vorderorientalischen Darstellungen bekannt sind,45 erübrigt sich angesichts des synonymen Gebrauchs von sepær und lûa in Jes 30,8, angesichts der Bedeutungsvielfalt der hebräischen Begriffe für Schrift und Schriftträger, vor allem aber aufgrund der festgestellten literarischen Anspielung von Hab 2,2 auf die „Tafeln des Mose“. Wie der Wunsch Hiobs, seine Worte mögen auf Dauer in Felsgestein eingegraben werden (Hi 19,23f.), metaphorisch auf ein zeitliches Fortwirken in Gestalt des Hiobbuchs (sepær) bezogen ist, so stehen die „Tafeln Habakuks“ bildlich für dessen Buch: Der Botschaft Habakuks, die als Offenbarung (zôn) über die Endzeit charakterisiert ist, soll offenbar dasselbe literarische und theologische Gewicht zukommen wie den Tafeln vom Sinai. Wie diese das Leben versprechen (Dtn 30,19), so erscheint die Botschaft Habakuks als Verheißung des Lebens für den Gerechten (Hab 2,4). Nachdem der erste Teil des Buchs den Propheten im Ich redend zeigte und der zweite Teil mit einer Rede Jahwes eröffnet wurde, treten nun, wenn auch im Zitat, als dritte Sprechergruppe die „Völker“ auf (2,6–20). Der Abschnitt korrespondiert inhaltlich und szenisch mit den Völkerabschnitten in 1,5–11 und 1,15–17. Auf der Basis ursprünglich aus der Totenklage stammender, im Rahmen prophetischer Unheilsverkündigung breit rezipierter Weherufe (hôy) 46 entfaltet er die Todesankündigung für das fremde Volk bzw. dessen Herrscher, der die anderen Völker unterdrückte. In vier Strophen, die aus fünf bzw. vier Bikola (2,6b–8|9*– 12|15*–17|18–19) bestehen, wird dieser mittels des fünffachen hôy („wehe“) wegen seiner Frevel an Menschen, Pflanzen, 47 Tieren und an Gott selbst in den Bereich des Todes hineingezogen. Leitbegriff des Völkergedichts ist das schon aus 1,2f.9 bekannte Wort ms („Gewalttat“, 2,8; 2,17f.). Der Abschlussvers 20 ist wie die Vv. 13–14 ein hymnischer Kommentar zu den vorangegangenen Weherufen. Er unterstreicht die monotheistische Götzenpolemik (2,18–19) und leitet mit 45 Vgl. z.B. die assyrische Darstellung von Schreibern vom Tell Ahmar (9./8. Jh. v. Chr.), in: ANEP (1954), 74, oder die Stele des Barrakib aus Samali (8. Jh. v. Chr.), in: ANEP (1954), 158. Zur Deutung des Schreibmaterials, das der Schreiber Barrakibs unter dem Arm trägt, als Tafel siehe GALLING, K., Tafel, Buch und Blatt, in: GOEDICKE, H. (Hg.), Near Eastern Studies in Honor of W.F. Albright, Baltimore 1971, 207–223, hier: 215, sowie WARTKE, R.-B., in: Das Vorderasiatische Museum Berlin, hg. v. Staatliche Museen zu Berlin, Mainz 32001, 227f. 46 Vgl. I Reg 13,30; Jer 22,18; 34,5 sowie als Schlüsselwort und Gattungsmerkmal prophetischer Unheilsankündigung Jes 1,4; 5,8ff.; Am 5,18; 6,1; Mi 2,1; Nah 3,1; Zeph 2,5; 3,1 u.v.a. und zur Sache CLEMENTS, R.E., Art. Woe, AncB.D VI (1992), 945–946; vgl. weiterhin unten Anm. 49. 47 Der „Frevel am Libanon“ als dem paradigmatischen Waldgebiet des vorderen Orients steht hier für den Frevel an der Natur schlechthin (vgl. II Reg 14,9; Ps 72,16; 92,13; 104,6; Jes 40,16; 60,13; Sir 50,8).
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einem auch in Zeph 1,7 (Sach 2,17; Neh 8,11) verwendeten Schweigegebot an die ganze Erde über zu der in Kap. 3 geschilderten Erscheinung des einen Gottes, dessen Glanz Himmel und Erde füllt (Hab 3,3). Das Völkergedicht enthält zahlreiche philologische und poetologische Detailprobleme, auf die ich hier nicht eingehen kann. Gegen eine literarkritische Sezierung des Abschnitts spricht die sehr dichte kompositionelle und begriffliche Parallelität der Strophen 2,6b–8 und 2,15–17 bzw. 2,9–12 und 2,18–19 sowie der Kommentare in 2,13f. und 2,20. Lediglich in Vv. 9b, 10b, 15b und 19b dürften Glossen vorliegen. Die Zusammensetzung des Abschnitts aus Motiven, Wendungen und Versatzstücken, die aus anderen prophetischen Schriften und aus den Psalmen bekannt sind,48 zeigt dieselbe Collagetechnik wie 1,2–2,1 und spricht nicht für die Annahme, die Weheworte zielten auf einer älteren literarischen Stufe des Buchs auf judäische Gegner des Propheten und seien erst sekundär auf das fremde Volk bzw. dessen Herrscher bezogen worden.49 Vielmehr stehen auch die Weherufe gemäß 2,3 unter einem eschatologischen Vorzeichen. 50 Das kompositionelle Gefälle des zweiten Hauptteils entspricht dem des ersten: So gipfelt auch der zweite Hauptteil, nachdem er mit einer Anspielung auf die Tora einsetzte (2,3 vgl. 1,4), in einem Ausblick auf den Tempel (2,20 vgl. 2,1), wobei nun auf den himmlischen Palast (hêkal) Jahwes geschaut wird. 51 Gegenüber dem ersten Teil zeigt der zweite die Fortsetzung des endzeitlichen Dramas. Dieses zielt, wie die doxologischen Kommentare in 2,13f. und 2,20 belegen, auf die universale Anerkennung des Weltengottes Jahwes.52
48 Vgl. v.a. Hab 2,9 mit Jer 49,16 und Ob 4; Hab 2,12 mit Mi 3,19; Hab 2,13b mit Jer 51,58; Hab 2,14 mit Jes 11,9; Hab 2,16 mit Jes 51,17; Jer 25,15ff.; 49,12; 51,7; Thr 4,1; Ez 23,31ff.; Ps 75,9; PsSal 8,14; Offb 14,10; 16,9; Hab 2,18f. mit Jes 40,19; 44,10; Jer 10,12–16; 51,15–19; Ps 115,5–8; 135,15–18 sowie Hab 2,20 mit Zeph 1,7 und Ps 11,4. 49 JEREMIAS, J., Kultprophetie und Gerichtsverkündigung in der späten Königszeit, WMANT 35, Neukirchen-Vluyn 1970, 57ff.; OTTO, E., Die Stellung der Wehe-Worte in der Verkündigung des Propheten Habakuk, ZAW 89 (1977), 73–107; modifiziert aufgenommen u.a. von GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 400–415, mit Bezug auf den „Frevler“, über den in dem zu einer weisheitlichen Grundschicht des Buches gerechneten Gebet 1,2–4 geklagt werde, von KOENEN, K., Heil (s. Anm. 37), 124–164, NOGALSKI, J., Redactional Processes in the Book of the Twelve, BZAW 218, Berlin/New York 1993, 129–181; BOSSHARD-NEPUSTIL, E., Jesaja (s. Anm. 34), 297–316, und KESSLER, R., Nahum-Habakuk (s. Anm. 6), 149–158. 50 Vgl. I Hen 94–99; SibOr 3,303ff. (siehe dazu den Beitrag von ANSELM C. HAGEDORN in diesem Band, S. 93–116); VI Esr 2 (16),1ff.; Offb 18,10ff. 51 Vgl. Jes 6,1f.; 63,15; II Sam 22,7; Ps 11,4; 18,6; 29,9; Mi 1,2; I Hen 14,15ff. 52 Vgl. Jes 11,9; Ez 38,16.23; Tob 2,14; 14,6; I Hen 10,21; 4Q215 Frg. 1 II,5.
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3. Hab 3,2–19 – „Gott lässt sich sehen“ Die Theophanieschilderung des dritten Hauptteils (3,3–15) wird durch eine Rede des Propheten in der 1.P.Sg. und eine gebetsähnliche Anrede Jahwes in der 2.P.Sg. gerahmt (3,2.16). Der vordere Rahmen blickt über die Begriffe „sehen“ (rh) und „wirken“ (pl) auf den ersten Hauptteil zurück (vgl. 1,3.5). Über die seltene Wendung beqæræb önîm („inmitten der Jahre“), die ihre nächste Parallele in den Jüdischen Sibyllinen (3,91) hat,53 wird auf die Deutung der Offenbarung als Vision über das Ende (qe) zu Beginn des zweiten Hauptteils zurückgegriffen (vgl. 2,3). Zugleich wird mit dieser Zeitangabe in Erinnerung gerufen, dass das vom Propheten geschaute Werk Jahwes in den „Tagen“ (bîmêkæm) seiner Leser/Hörer geschehen wird (1,5). Diese „Tage“ erweisen sich jetzt als „Mitte der Zeit“, die gemäß 2,3 zugleich als das „Ende“ qualifiziert ist und die von dem Gott, der von Urzeit an (miqqædæm) ist (1,12), bestimmt und strukturiert wird. Der hintere Rahmen (3,16) greift den Eingangsruf des Propheten „ich habe gehört“ auf (3,2) und bietet mit dessen Bekenntnis, geduldig auf den „Tag der Bedrängnis (yôm rh / )“ als dem Tag des endzeitlichen und endgültigen Gerichts 54 zu warten, ebenfalls einen Rekurs auf den ersten und den zweiten Hauptteil. Die Vv. 17–19 lesen sich auf den ersten Blick wie ein mehrschichtiger Nachtrag, der zum einen den „Tag der Bedrängnis“ in seinen katastrophalen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit der Natur näher beschreibt (V. 17), 55 zum anderen ein doppeltes Bekenntnis des Propheten zu Jahwe enthält. Da sich aber V. 17 motivisch eng an V. 16 anlehnt und die Vv. 18–19a einen betonten Kontrast zur Eingangsklage in 1,2 bieten und darüber hinaus begrifflich eng mit den Jahweanreden in 1,12; 3,3 und 3,13 verbunden sind, spricht nichts dagegen, die Vv. 17–19a noch zum Grundbestand von Hab 3 zu 53 „Dann wird Gottes großes Weltgericht ( ) inmitten der großen Weltperiode ( ) erscheinen, wenn all das geschieht.“ (GAUGER, J.-D., Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch. Auf der Grundlage der Ausgabe von A. Kurfeß neu übersetzt und herausgegeben, STusc, Düsseldorf/Zürich 2 2002, 72f.). In einem sehr viel stärkeren Maß, als dies bisher in der alttestamentlichen Forschung noch immer üblich ist, sollten die Jüdischen Sibyllinen, zumindest Buch 3, nicht nur wirkungsgeschichtlich betrachtet werden, sondern auch literatur- und religionsgeschichtlich mit der späten Prophetie und der frühen Apokalyptik korreliert werden; siehe dazu COLLINS, J.J., Seers, Sibyls, and Sages in Hellenistic-Roman Judaism, JSJ.S 54, Leiden u.a. 1997, 181ff.; KAISER, O., Die Sibyllinischen Orakel und das Echo biblischer Ethik und Prophetie in ihrem Dritten Buch, in: HARTENSTEIN, F.; KRISPENZ, J. u. SCHART, A. (Hgg.), Schriftprophetie, FS J. Jeremias, Neukirchen-Vluyn 2004, 381–400, hier: 387ff.; und den Beitrag von ANSELM C. HAGEDORN in diesem Band (s. Anm. 50). 54 Vgl. Jer 16,19; Zeph 1,15; Dan 12,1; Tob 4,9; I Hen 1,1; syrApkBar 83,4; VI Esr 2,75. 55 Vgl. Joel 1,17ff.
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zählen. Nach V.19a scheint ein Kolon ausgefallen zu sein. 56 V. 19a (vgl. Ps 18,34) dürfte wie die musiktechnische Angabe in V. 19b zur sekundären kultisch-rituellen Ausgestaltung von Hab 3 zählen. Über das Stilmittel einer Theophanie lässt der Verfasser Jahwe selbst auftreten57 und kreiert somit eine neue Szene. Bedenkt man, dass das Habakukbuch mit einer Theodizeedichtung anhob (1,2–4), die enge Parallelen zum Hiobbuch aufweist, dann deutet die jetzt gewählte Stilform darauf hin, dass die im bisherigen Verlauf aufgeworfenen Fragen ähnlich wie bei der Jahweerscheinung im Hiobbuch einer Lösung zugeführt werden (Hi 38,1; 42,5).58 Tatsächlich zielt die in Hab 3,3ff. geschilderte Epiphanie Jahwes auf eine universale Lösung der in 1,3 beklagten Krise (rîb / ) und auf eine Überwindung des in 1,4 thematisierten Zerfalls des Rechts (miöpÅ).59 In diesem Sinn sind zunächst die in der Eröffnungsstrophe (3,3–7) gebrauchten geographischen Angaben Teman und Paran zu deuten. Unabhängig von dem religionsgeschichtlichen Problem, ob die Landschaftsnamen Teman und Paran auf eine ursprüngliche Beheimatung Jahwes im nordarabischen Raum hinweisen,60 sind diese Namen literarisch und dramaturgisch bewusst gewählt. Der Berg Paran gilt im Abschiedssegen des Mose wie der Sinai und das edomitische Seir als Auszugsort Jahwes zur Gabe der Tora (Dtn 33,2). 61 Die Lokalisierung des Aufbruchs Jahwes in 56 So mit H ORST, F., Die Zwölf Kleinen Propheten. Nahum bis Maleachi, HAT I/14, Tübingen 1938, 182; vgl. auch ELLIGER, K. im Apparat der BHS (1970/77; 51997). 57 Vgl. Dtn 33,2; Jdc 5,4; Ps 68,8f.; Mi 1,3, und zur Sache SCRIBA , A., Die Geschichte des Motivkomplexes Theophanie, FRLANT 167, Göttingen 1995. 58 Ähnlich GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 415, und W ATTS, J.W., Psalmody (s. Anm. 5), 213–215. 59 Vgl. auch die sekundäre Bezeichnung der Komposition als tepillh, worunter möglicherweise ein Gebet zu Gott als dem Richter zu verstehen ist, vgl. Ps 17,1; 80,5.7; 142,1. Zur Gestaltung dieser Überschrift (tepillh l-NN) vgl. Ps 17,1 (David); 86,1 (David) und 90,1 (Mose!) sowie 4Q381 Frg. 33+35,8 (Manasse). 60 Unter Heranziehung der Parallelen in Jdc 5,4; Ps 68,9 und Dtn 33,2 sowie der Inschriften von Kuntillet Ard (vgl. die Inschrift Nr. 3, in: RENZ, J. u. RÖLLIG, W., Handbuch der althebräischen Epigraphik, I, Darmstadt 1995, 59 [KAgr(9):7]) wird die religionsgeschichtliche Herkunft Jahwes zumeist im Süden bzw. Südosten Palästinas lokalisiert. Allerdings erweisen sich die entsprechenden alttestamentlichen Texte durchgehend als jung, die Lesung von KAgr(9):7 ist ungesichert; wesentliche Züge Jahwes entsprechen dem Typ des (nord)syrischen Wettergottes, so dass eine ursprüngliche Beheimatung Jahwes in den ariden Zonen Nordarabiens fraglich erscheint. Siehe dazu PFEIFFER, H., Jahwes Kommen (s. Anm. 18), 260ff., der mit einer Herkunft Jahwes aus dem Norden und einer traditionsgeschichtlich bedingten Verlagerung in den Süden rechnet, die nicht religionsgeschichtlich ausgewertet werden dürfe. 61 So begegnet die Wüste Paran im Rahmen der Pentateuchüberlieferung u.a. als die erste Station nach dem Sinaiaufenthalt des Gottesvolks (Num 10,11f. [P/PS]) und als Ausgangspunkt der Entsendung der Kundschafter in das Gelobte Land (Num 13,3.26 [P/R]). Zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Num 10,11f. und 13,3ff. siehe
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Hab 3,3 dient demgemäß der Aktualisierung der zentralen Heilstaten Jahwes für sein Volk, nämlich der Gabe der Tora (vgl. Hab 1,4) 62 und der Überwindung fremder Völker (vgl. Hab 1,6; 3,16). Traditionsgeschichtlich zeigt sich hier die Vorstellung von der Wiederkehr der idealen Urzeit in der Endzeit (vgl. I Hen 1,3f.; VitProphHab 13f.)63. Das edomitische Teman erscheint darüber hinaus vor dem Hintergrund der Gerichtsworte gegen Edom in Jer 49,7.20; Ez 25,13 und Ob 9 als Chiffre für Jahwes Richten. In Sach 9,14 trägt diese Vorstellung eschatologische Züge, wenn es heißt, dass Jahwe in den „Stürmen Temans“ zum endzeitlichen Gericht auftreten werde (vgl. Jes 21,1). Symbolische Geographie ist auch die Erwähnung des Landes Midian in Hab 3,7 – ein Ausdruck, der nur noch in Ex 2,15 begegnet: Midian ist das Land, in das Mose aus Ägypten flieht und wo er Jahwe kennenlernt. Weiter steht Midian im Rahmen der Pentateucherzählung für das letzte von Mose bzw. Israel geschlagene Fremdvolk vor dem Einzug nach Kanaan (vgl. Num 33,1ff.; Jos 13,21).64 Schließlich gehört Midian zu den exemplarischen Gegnern Israels im Kontext seiner heilsgeschichtlichen Gründungszeit (Jdc 6,16; 7,7; 8,3).65 Die zweite Strophe (Vv. 8–11), in der Jahwe im Du angesprochen wird, wodurch der doxologische Charakter der Theophanieschilderung noch verstärkt wird, weitet den Horizont der Gerichtsdarstellung. Nun wird die Reaktion des gesamten Kosmos auf Jahwes Erscheinen beschrieben. Diese universale Perspektive setzt das in 1,14; 2,14 und 2,20 anklingende Thema fort: Jahwe ist der Gott der ganzen Erde. Demgegenüber konzentriert die ebenfalls als direkte Anrede Jahwes gestaltete dritte Strophe (Vv. 12–15) den Blick wieder auf Jahwes Handeln SCHMIDT, L., Das 4. Buch Mose. Numeri. Kapitel 10,11–36,13, ATD 7/2, Göttingen 2004, 12f. und 43, der die Texte auf die Priesterschrift (P) bzw. sekundäres Material in der Priesterschrift (PS) und die Endredaktion des Pentateuchs (RPt) zurückführt. Zur Rezeption von Dtn 33,2 und Mi 1,3 siehe auch AssMos 10,3.7 und dazu BEDENBENDER, A., Als Mose und Henoch zusammenfanden. Die Entstehung der frühjüdischen Apokalyptik in Reaktion auf die Religionsverfolgung unter Antiochos IV. Epiphanes, in: LICHTENBERGER, H. u. OEGEMA, G.S. (Hgg.), Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext, JSHRZ.S 1, Gütersloh 2002, 182–203, hier: 201. 62 So dann explizit TgJ zu Hab 3,3; in seiner Paraphrase von V. 10 spielt das Targum dann den „Sinai“ ein. 63 Vgl. dazu BLACK, M., The Book of Enoch or I Enoch. A New English Edition with Commentary and Textual Notes, SVTP VII, Leiden 1985, 105f. Zu VitProphHab 13f. siehe SCHWEMER, A.M., Vitae Prophetarum, JSHRZ I/7, Gütersloh 1997, 623–628 (hier: 628), nach deren Zählung ich die VitProph zitiere. 64 Zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Num 10,11f. und 31,3ff. siehe SCHMIDT, L., Numeri (s. Anm. 61), 12f. u. 183: RPt. 65 Vgl. dann auch Jes 9,3; Ps 83,10 und 4Q372 Frg. 3,11f. Worauf die Nennung Kuschans (kûšn) anspielt, ist angesichts des nur hier belegten Namens unklar. Eine Identität mit Kusch (kûš) ist keineswegs gesichert, auch wenn LXX dies nahelegt ( !).
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an den Völkern, insbesondere an seinem Volk und an dessen Gesalbten, d.h. an dessen König.66 Insofern dieser König als hilfsbedürftig erscheint, steht Hab 3,13 neben der Messiasweissagung Sach 9,9. Damit verbunden ist der Ausblick auf die Vernichtung des Gottlosen (3,14): Die eingangs vom Propheten erfahrene und für die nahe Zukunft verschärft erwartete Bedrängnis des Gerechten (1,4; 1,13) kommt zum Ende – ebenso wie im Sog des göttlichen Zorns die Völker und unter diesen das zu Beginn des Dramas auftretende wilde Volk ihrem Ende entgegen gehen werden (V. 12).
4. Die Gattung des Buchs Habakuk Stand für die ältere Forschung die literarische Integrität des Habakukbuchs fest, so setzte mit den Analysen von Bernhard Stade (1884), Friedrich Giesebrecht (1890) und Julius Wellhausen (1892) eine literarkritische Differenzierung ein, die in dem Kommentar von Karl Marti (1905) einen Höhepunkt erreichte und in dem jüngsten Kommentar von Lothar Perlitt (2004) eine Renaissance erlebt.67 Unabhängig von der genauen Anzahl der eruierten Schichten wird hier jeweils zwischen vorexilischem Grundbestand, der zumeist auf den Propheten Habakuk selbst zurückgeführt wird, exilischer Überarbeitung und nachexilischer relecture unterschieden. Erst auf dieser dritten Stufe habe das Buch ein eschatologisches Profil erhalten. Ausgangspunkt dieser Schichtungshypothesen sind jeweils 1.) die (vermeintlichen) literarischen Brüche zwischen 1,4/5, 1,11/12, 1,17/2,1, 2,5/6a, 2,20/3,1, 2.) der besondere formgeschichtliche Charakter von Hab 3 und 3.) die Bestimmung des Adressaten der Weherufe. Demgegenüber vertritt die neuere angelsächsische Forschung mit Recht die literarische, wenngleich kompositionsgeschichtlich differenzierte, Einheitlichkeit.68 Ein 66 Anders THOMPSON, M.E.W., Prayer (s. Anm. 5), 43, der den Gesalbten mit dem Gottesvolk identifiziert. 67 GIESEBRECHT, F., Beiträge zur Jesajakritik. Nebst einer Studie über prophetische Schriftstellerei, Göttingen 1890, 196–198; STADE, B., Habakuk (s. Anm. 8); WELLHAUSEN, J., Propheten (s. Anm. 41); MARTI, K., Das Dodekapropheton, KHC XIII, Tübingen 1904, 326–356; PERLITT, L., Propheten (s. Anm. 8); für weitere literar- und redaktionskritische Hypothesen in der neueren Forschung siehe auch SEYBOLD, K., Nahum (s. Anm. 17), 1991; NOGALSKI, J., Redactional Processes (s. Anm. 49), 129–181; KOENEN, K., Heil (s. Anm. 37), 124–164; OTTO, E., Art. Habakuk/Habakukbuch (s. Anm. 17), 1360–1362; PFEIFFER, H., Jahwes Kommen (s. Anm. 18), 135ff.; WÖHRLE, J., Der Abschluss des Zwölfprophetenbuches. Buchübergreifende Redaktionsprozesse in den späten Sammlungen, BZAW 389, Berlin/New York 2008, 289–334. 68 Siehe dazu H AAK, R.D., Habakkuk (s. Anm. 15); S WEENEY, M.A., Art. Habakkuk (s. Anm. 17), 1–6; ANDERSEN, F.I., Habakkuk (s. Anm. 17), und den Forschungsbericht
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am kompositionellen und rhetorischen Profil orientierter Durchgang durch das Buch Habakuk zeigt, dass die genannten Übergänge keinen literarischen Bruch markieren, sondern textstrategisch jeweils einen Sprecher-, Szenen- und Perspektivenwechsel kennzeichnen und dass literarische Gattungen priesterlicher, prophetischer, rechtlicher, weisheitlicher und narrativer Herkunft bewusst miteinander kombiniert sind. Die einzelnen Teile des Buchs sind durch ein engmaschiges Netz von Leitworten und Leitmotiven verknüpft, wobei ein durchlaufender thematischer und theologischer Faden vorhanden ist. Es bleibt die Frage nach literaturgeschichtlichen Parallelen für eine solche Kombination von unterschiedlichen Formen. Die frühere formgeschichtliche Forschung glaubte in der von Hermann Gunkel (1933) beschriebenen Gattung einer „prophetischen Liturgie“ das literarische Muster des in das ausgehende 7. Jh. v. Chr. datierten Habakukbuches zu finden.69 Richtig an dieser Einschätzung ist die Erkenntnis des liturgieähnlichen, dramatischen Charakters des Buchs, das zwischen unterschiedlichen Sprechern und verschiedenen kultischen und nichtkultischen Redeformen wechselt. Falsch ist die Zuordnung zur festen Gattung einer „prophetischen Liturgie“, die ein Konstrukt der formgeschichtlichen Schule darstellte, und die Lokalisierung der Komposition im ausgehenden 7. Jh. v. Chr.70 Hingegen treffen auf die hier herausgearbeiteten Phänomene (d.h. 1.) die Mischung unterschiedlicher Sprachformen, 2.) die spezifischen textstrategischen und rhetorischen Funktionen der kombinierten Gattungen, 3.) die Sprecher-, Adressaten- und Szenenwechsel sowie 4.) die unmittelbar aufeinander bezogenen thematischen Sequenzen) die wesentlichen Kriterien für eine Klassifikation als Drama zu, wie sie vor allem Helmut Utzschneider (1999) am Beispiel des Buchs Micha und Stefan A. Nitsche von DANGL, O., Habakkuk (s. Anm. 3), 131ff.; aber auch RUDOLPH, W., Micha (s. Anm. 38), 195; KAISER, O., Einleitung in das Alte Testament, Gütersloh 51984, 245f.; HERRMANN, W., Problem (s. Anm. 14), 481–496. 69 GUNKEL, H., Einleitung in die Psalmen. Die Gattungen der religiösen Lyrik Israels, zu Ende geführt von Joachim Begrich, Göttingen 1928/1933, 407ff. (137; 314; 358); MOWINCKEL, S., Psalmenstudien III. Kultprophetie und Prophetische Psalmen (1922), Nachdruck Amsterdam 1961, 27ff.; im Anschluss daran HORST, F., Propheten (s. Anm. 56), 167–182; HUMBERT, P., Problèmes (s. Anm. 15), 293ff.; FOHRER, G., Das Gebet des Propheten Habakuk (Hab 3,1–16), in: Studien zum Alten Testament (1966–1988), BZAW 196, Berlin/New York 1991, 70–79; in weiterem Sinn gehört auch die These von ERHARD S. GERSTENBERGER, der Psalm in Hab 3 verleihe dem gesamten Buch ein liturgisches Profil und bezeuge die lebendige gemeindliche Kommunikation in persischer Zeit, in diesen Forschungskontext (Psalms in the Book of the Twelve. How Misplaced Are They?, in: REDDIT, P.L. u. SCHART, A. [Hgg.], Thematic Threads in the Book of the Twelve, BZAW 325, Berlin/New York 2003, 72–89; bes. 76f.). 70 Diese Fehleinschätzung kennzeichnet auch die durchgehend frühdatierende neuere angelsächsische Forschung.
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(2006) am Beispiel der Jesaja-Apokalypse (Jes 24–27) für prophetische Literatur des Alten Testaments aufgewiesen haben. 71 So liegt mit den einander abwechselnden Reden des Propheten, Gottes und der Völker eindeutig eine Figurenrede (Lexis) vor. Der Wechsel der angesprochenen Adressaten (Gott, Prophet, Völker, Gemeinde) unterstreicht den dialogischen und dynamischen Charakter der Komposition. Über die hauptsächlich verwendeten Sprachformen des Gebets in Gestalt der Klage, Bitte, aber auch des Gotteslobs, und des Orakels wird mittels Worten eine Bühne zwischen Himmel und Erde aufgebaut, auf der dem Hörer/Leser als agierende Figuren der Prophet, das fremde Volk und sein Herrscher, die Völker und Gott vor Augen gestellt werden (Opsis). Die zweifache Beschreibung einer Epiphanie, zunächst des über die Welt dahinstürmenden fremden Volkes, sodann des zum Gericht auftretenden Jahwe, die Ausschau des Propheten am Jerusalemer Tempel 72 oder die das Universum in den Blick nehmende Rede der Völker sind „Wortkulissen“73, die der Dichter aufzieht. Sie unterstreichen das auf Visualität und Imagination ausgerichtete Wesen des Buchs, das den Hörer/Leser unmittelbar an den ihm vom Dichter vor Augen geführten Geschehnissen teilhaben lässt, ihn in den buchimmanenten Dialog mit dem Propheten, Gott und den Völkern hinein holt und somit eine diskursive Kommunikationsstruktur aufweist. 74 Schließlich spiegelt der Weg von der Klage angesichts des fehlenden Rechts und der ermüden71 UTZSCHNEIDER, H., Michas Reise (s. Anm. 23); NITSCHE, S.A., Jesaja 24–27 (s. Anm. 23). Inwieweit die von diesen beiden Autoren vertretene Gattungsbestimmung auf alle prophetischen Texte des Alten Testaments zutrifft, bedarf freilich der Prüfung am Einzelfall unter Einschluss der redaktions- und sozialgeschichtlichen Perspektive (vgl. dazu grundsätzlich UTZSCHNEIDER, H. u. NITSCHE, S.A., Arbeitsbuch literaturwissenschaftlicher Bibelauslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 22005, 133; zu forschungsgeschichtlichen Vorläufern siehe EWALD, H., Propheten [s. Anm. 3] [21868], 32f.; der speziell im Blick auf Habakuk treffend von einem „dreigetheilte[n] schau- und hörstück [ein Drama]“ sprach, sowie die Übersicht bei UTZSCHNEIDER, Michas Reise [s. Anm. 23], 41ff., und HOUSE, P.R., Dramatic Coherence in Nahum, Habakkuk, and Zephaniah, in: WATTS, J.W. u. HOUSE, P.R. [Hgg.], Forming Prophetic Literature. Essays on Isaiah and the Twelve in Honor of J.D.W. Watts, JSOT.S 235, Sheffield 1996, 195–208.). 72 Hab 2,1 ist also eine literarische Topographie (vgl. WATTS, J.W., Psalmody [s. Anm. 5], 221f.) und bietet keinen Hinweis auf eine historische Klassifikation Habakuks als „Kultprophet“ (so aber dezidiert JEREMIAS, J., Kultprophetie [s. Anm. 49], 104–107; vgl. dazu bereits die Überschrift zur apokryphen Danielerzählung Bel und der Drache in der LXX, die Habakuk zu einem „Sohn des Jesus aus dem Stamm Levi“ erklärt, und die engen Bezüge Habakuks zum Tempel in der Habakuk-Miniatur der Vitae Prophetarum (VitProphHab 10–14 [SCHWEMER, A.M., Vitae (s. Anm. 63), 626–628]). 73 Zum Begriff siehe U TZSCHNEIDER, H., Michas Reise (s. Anm. 23), 18; 27; 57 u.ö. 74 Vgl. dazu ausführlich NITSCHE, S.A., Jesaja 24–27 (s. Anm. 23), 284ff., der dementsprechend eine Dialog- oder Diskurshermeneutik als die angemessene Hermeneutik prophetischer Texte vorschlägt.
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den Tora über den Empfang einer neuen Tora hin zur endzeitlichen und universalen Durchsetzung der Gerechtigkeit Gottes, die im Lobpreis des Propheten gipfelt, einen stringenten Handlungsablauf und ein thematisches Beziehungsgeflecht im Sinn eines Plot. Zu der formalen Klassifikation des Buchs Habakuk als dramatischer Komposition treten inhaltliche Aspekte, die eine weitergehende literaturgeschichtliche Einordnung ermöglichen: 1. die Parallelen zwischen der Eingangsklage in 1,2–4 und der Hiobdichtung und die Thematisierung der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes,75 2. die sich mit Dan 8,19; 11,27.23 und 12,7 sowie Sir 36,8 berührende Verwendung der eschatologischen Spezialbegriffe moed und qe in 2,3 und die für apokalyptische Literatur charakteristische Thematisierung der Zeit in ihren Dimensionen der Urzeit, heilvoller Vergangenheit, von Bedrängung geprägter Gegenwart und Endzeit sowie radikal anderer neuer Zeit, 3. die Mose-, Tora- und Sinai-Anspielungen in 2,2; 2,4 und 3,3, die sowohl auf die priesterschriftliche als auch die deuteronomische Pentateuchschicht zurückblicken und die, wie Andreas Bedenbender (2000) für I Hen 1–5 herausgearbeitet hat, 76 im Kontext einer „Mosaisierung der Apokalyptik“ und einer „Apokalyptisierung der Tora“ stehen, 4. der Verschriftungsbefehl, den Habakuk in 2,2 erhält, der im Blick auf die gesamte Schrift und auf die Funktion, diese Schrift zu legitimieren, über Jes 30,8 hinaus neben I Hen 14,1 steht,77 wobei Hab 2,2 mit dem Henochbuch insgesamt auch die Hochschätzung von „Tafeln“ als Schriftträger teilt, die das besondere Gewicht des Geschriebenen verdeutlichen sollen (I Hen 93,2; 103,2; 106,19),78
75 Vgl. dazu auch GUNNEWEG, A.H.J., Habakuk (s. Anm. 10), 408–410; THOMPSON, M.E.W., Prayer (s. Anm. 5), 45ff.; 50ff.; HERRMANN, W., Problem (s. Anm. 14), 493f. 76 Vgl. besonders I Hen 1,3f.; 5,4 und dazu ausführlich BEDENBENDER, A., Der Gott der Welt tritt auf den Sinai. Entstehung, Entwicklung und Funktionsweise der frühjüdischen Apokalyptik, ANTZ 8, Berlin 2000, 143ff.; 215ff.; 259ff.; BEDENBENDER, A., Mose (s. Anm. 61), 195. 77 Vgl. weiterhin I Hen 104,11 sowie ApkEsr 7,9; negativ: Offb 10,4. 78 Zu den „himmlischen Tafeln“ siehe die Fragmente des Henochbuchs aus Qumran 4Q202 Frg. 7–8; 4Q204 Frg. 5 II,26; 4Q212 Frg. 1 III,22, sowie TestLev 5,4; TestAs 2,10; 7,5; Jub 32,21f.; 4Q177 X,12 (STEUDEL, A., Texte [s. Anm. 24], 208f.); 4Q537 Frg. 1,4f.; OrJos Frg. B (SMITH, J.Z., Prayer of Joseph, in: OTP II [1985], 699–714); Offb 1,11; 21,5, zu den „Toratafeln“ vgl. unter der deutero- und außerkanonischen jüdischen (und frühchristlichen) Literatur Jub Prol., 1,3ff. (vgl. 4Q216 I,3ff.); IV Esr 14,24ff.; VitAd 1; SibOr 3,257 und zur Sache BEDENBENDER, A., Mose (s. Anm. 61), 198.
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5. der eschatologische Charakter der gesamten Komposition: Das Erschlaffen der Tora (1,4), 79 der Konflikt zwischen dem Frommen und dem Gottlosen und der maßlose Frevel eines fremden Volks und seines Herrschers, der weltweite Dimensionen erreicht, sind Zeichen der von Jahwe gebrachten Endzeit. Diese wird geprägt von der in der Totenklage vorweggenommenen Vernichtung der Gottlosen, dem universalen Bekenntnis zu dem einen, bildlos zu verehrenden Gott, dem endgültigen, die gesamte Schöpfung betreffenden machtvollen Erscheinen Jahwes 80 zur Durchsetzung der Tora, Rettung des Gottesvolks und seines Messias (3,13) 81 sowie von der endgültigen Freude des Gerechten (3,18)82. Damit lässt sich das Buch literaturgeschichtlich insgesamt als ein wesentlich auf den Elementen des Gebets, der Visionsschilderung und des Orakels aufgebautes eschatologisches Lesedrama mit apokalyptischen Zügen ansprechen, das einmalig für die alttestamentliche Literatur in seiner Überschrift den Begriff nbî („Prophet“) mit dem Prophetennamen und dessen Funktionsbeschreibung zh („schauen“) verbindet. 83 Der Begriff des Lesedramas, das in der klassischen griechischen Literatur bereits bei Aristoteles vorausgesetzt wird und das sich in hellenistischer Zeit zunehmender Beliebtheit erfreute,84 bietet sich hier auch deshalb an, da für das 79 Vgl. Dan 7,25; TestLev 16,2 (unter Berufung auf das Buch Henoch!); TestJud 18,1; TestDan 5,6; TestNaph 4,1. 80 Vgl. I Hen 1,3ff. (4Q201 I,5ff.); Jdt 16,10ff.; IV Esr 2 (16),12ff.; AssMos 10,3ff. 81 Vgl. neben Sach 9,9 auch PsSal 17,4.21ff.32ff.; 18,5ff.; 1QS IX,11; 4Q174 III,10ff. (als Auslegung von II Sam 7; zur Textanordnung siehe STEUDEL, A., Texte [s. Anm. 24], 187–213, hier: 194f.); 4Q246 II; 4Q252 V,3ff. (als Auslegung von Gen 49,10; vgl. Ps 2); 4Q521 Frg. 2 II,1; 11QMelch II,18 (als Auslegung von Dan 9,25); CD-A XII,23. 82 Vgl. Ps 14,7; 96,11; 97,1; 149,2; Jes 9,2; 25,9; Sach 2,14; ApkAbr 31,6. 83 Im Rahmen einer Prophetenbuchüberschrift begegnet der Titel nbî nur noch in Hag 1,1 und Sach 1,1, die Wurzel zh in Verbindung mit dem Prophetennamen in unterschiedlichen Formulierungen nur in Jes 1,1; Am 1,1, Mi 1,1 und Nah 1,1. Die nächste Parallele zu Hab 1,1 innerhalb der alttestamentlichen Prophetenbücher findet sich in der Überschrift der Teilkomposition Jes 13–23; allerdings fällt hier nicht der Titel nbî, der im Jesajabuch ohnehin nur in den Jesajalegenden in 37,2; 38,1 und 39,3 verwendet wird. Ihre nächsten Parallele hat Hab 1,1 im Titel der Apokalypse des Esra, mit der das Buch Habakuk weitere motivische und theologische Gemeinsamkeiten teilt; vgl. dazu treffend EIßFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphen Qumrn-Schriften, Tübingen 31964, 571, freilich mit einer völlig anderen als hier vorgeschlagenen Datierung: „Es ist im Grund dasselbe Empfinden, dem 700 Jahre später der Verfasser der Esra-Apokalypse eine rationalere, aber nicht minder ergreifende und ebenso wie hier aus tiefstem Erleben und Erleiden kommende Gestalt verliehen hat.“ 84 Vgl. ARISTOTELES, Po., 1453b; 1462a–b; HORAZ, Ars Poetica, 180–182; PLUTARCH, Alex., 668d; SCHMID, W. u. S TÄHLIN, O., Geschichte der griechischen Literatur, Tl. 1, Bd. 2, HAW VII/1,2, München 1934; Tl. 1, Bd. 3, HAW VII/1,3, München 1940;
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antike Judentum eindeutige Hinweise für eine Aufführung auf einer Bühne fehlen.85 Zu erwägen wäre eine Rezitation (mit verteilten Rollen).86 Die im Mittelpunkt des Habakukbuchs stehende Frage nach der Gerechtigkeit Gottes87 ist gleichsam ein dramatisches Merkmal, ist doch die Theodizee ein wesentlicher Motor der klassischen Tragödie sowie ihrer hellenistischen und römischen, stärker oder ausschließlich zur Lektüre bestimmten, Nachfahren.88 Von daher überrascht es auch nicht, dass weitere als Lesedrama zu klassifizierende Texte des Alten Testaments wie die Klagelieder Jeremias oder das Buch Hiob89 um die Frage der Theodizee kreisen. Sprecher-, Formen- und Szenenwechsel, die dem Hörer/Leser multiperspektivische Einblicke in die Welt Gottes geben, mittels Gebet die Möglichkeit zur Integration in das Geschehen und zur Artikulation eigener Erfahrungen eröffnen sowie qua Vision und Orakel eine Transformation der Wirklichkeit erzielen, eignen sich in besonderer Weise zur literarischen Behandlung der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, ohne dass die dramatische Dichtung dafür die einzige angemessene Form wäre, wie beispielhaft die platonischen Dialoge oder im Bereich der biblischen Literatur der philosophische Traktat des Kohelet und das Weisheitsbuch des Ben Sira zeigen. Hinsichtlich einer Datierung des Habakukbuchs deuten die genannten formalen und inhaltlichen Parallelen sowie literarischen Abhängigkeiten Tl. 1, Bd. 4, HAW VII/4, München 1946; Tl. 2, Bd. 1, HAW VII/2,1, München 61959, Tl. 1, Bd. 2, 65; Tl. 1, Bd. 3, , 180f.; Tl. 1, Bd. 4, 552; LESKY, A., Die tragische Dichtung der Hellenen, Göttingen 3197, 531; ZIMMERMANN, B., Art. Tragödie, in: DNP 12/1 (2002), 734–740, hier: 738f. Zur Anwendung des Begriffs des Lese- oder Buchdramas auf prophetische Literatur des Alten Testaments siehe auch UTZSCHNEIDER, H., Michas Reise (s. Anm. 23), 26; 175f., und mit dem Blick auf das Buch Habakuk tendenziell schon SELLIN, E., Zwölfprophetenbuch (s. Anm. 14), 333. Unter der jüdisch-hellenistischen Literatur ist sicher das Mose-Exodus Drama des Tragikers Ezechiel (VOGT, E., JSHRZ IV/3, Gütersloh 1983) als Lesedrama anzusprechen (SCHMID W. u. STÄHLIN, O., Geschichte [s. o.], Tl. 2, Bd. 1, HAW VII/2,1, München 61959, 608). 85 Vgl. UTZSCHNEIDER, H., Michas Reise (s. Anm. 23), 175f., der im Blick auf das Michabuch auch auf die für das zur Aufführung bestimmte Drama wichtigen Nebentexte, die hier fehlen, und auf die Kürze des Textes hinweist. Zum Problem siehe auch HOUSE, P.R., Dramatic Coherence (s. Anm. 71), 207f. 86 Vgl. GERSTENBERGER, E.S., Psalms (s. Anm. 69), 86, und bereits die Überlegungen von EWALD, H., Propheten (s. Anm. 3) (21868), 33. 87 Vgl. dazu auch THOMPSON , M.E.W., Prayer (s. Anm. 5), 45ff.; 50ff.; CRENSHAW, J.L., Theodicy in the Book of the Twelve, in: REDDIT, P.L. u. SCHART, A. (Hgg.), Thematic Threads in the Book of the Twelve, BZAW 325, Berlin/New York 2003, 175–191; bes. 186f. 88 SCHMID, W. u. STÄHLIN, O., Geschichte (s. Anm. 84), Tl. I, Bd. 2, 105; 742f.; Tl. 1, Bd. 4, 546–553. 89 Siehe dazu W ITTE, M., Die literarische Gattung des Buches Hiob. Robert Lowth und seine Erben, in: JARICK, J. (Hg.), Sacred Conjectures. The Context and Legacy of Robert Lowth and Jean Astruc, LHBOT 457, New York/London 2007, 92–123, hier: 119.
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auf eine Entstehung in der (früh-)hellenistischen Zeit hin. Die Einordnung in das Dodekapropheton und die Positionierung zwischen den Büchern Nahum und Zephanja, und damit in die „babylonische Epoche“90, die u.a. mittels der historisierenden und paradigmatisch identifizierenden Einfügung der „Chaldäer“ in 1,6 erfolgte,91 spricht für einen terminus ante quem um 200 v. Chr.92 Die hier vertretene literaturgeschichtliche Klassifikation bestätigt grundsätzlich einerseits die alte Deutung von Otto Happel (1900), das Buch Habakuk sei eine protoapokalyptische Schrift aus hellenistischer Zeit, die visionär auf das Auftreten des endzeitlichen Feindes, der die Frommen bedrängt und letztlich von Gott besiegt wird, blicke,93 anderer90 Diese historisierende Linie ist in der apokryphen Danielerzählung Bel und der Drache (= Dan 14 / DanZus 2) und in VitProphHab (SCHWEMER, A.M., Vitae [s. Anm. 63], 623–628) fortgesetzt. Vgl. auch den Prolog zum Dodekapropheton von Hieronymus in der Vulgata (Biblia Sacra iuxta Vulgatam versionem [hg. v. R. WEBER, Stuttgart 21975, 2, 1374). Zu den redaktionsgeschichtlichen Implikationen der Positionierung des Buchs Habakuk im Kontext des Dodekaprophetons siehe einerseits unter der Annahme literarischer Einheitlichkeit EVERSON, A.J., The Canonical Location of Habakuk, in: REDDIT, P.L. u. SCHART, A. (Hgg.), Thematic Threads in the Book of the Twelve, BZAW 325, Berlin/New York 2003, 165–173, andererseits auf der Basis einer differenzierten literar- und redaktionsgeschichtlichen Wachstumshypothese WÖHRLE, J., Abschluss (s. Anm. 67), 333; 443f. 91 Zu dieser sekundären Historisierung vgl. auch STÄRK, W., Zu Hab 1 5–11. Geschichte oder Mythos?, ZAW 51 (1933), 1–28, hier: 21f. Zu den Chaldäern bzw. Babylon als Deckname für die gottfeindliche Macht schlechthin siehe dann grApkBar 67,7; syrApkBar 8,4; SibOr 3,303; 5,143; 5,159; I Petr 5,13; Offb 14,8. 92 Vgl. die allerdings text- und literargeschichtlich umstrittene Belegstelle in Sir 49,10. Die ältesten bisher bekannten Handschriften, die das Buch Habakuk (zumindest fragmentarisch) repräsentieren bilden 1.) der Habakuk-Pesher (1QpHab, 1. Jh. v. Chr.), 2.) die griechische Zwölfprophetenrolle aus dem Naal ever (8evgr, zwischen 50 v. Chr und 50 n. Chr.), 3.) die Zwölfprophetenrolle aus Murabba’at (Mur 88,18 um 135 n. Chr.) und 4.) (unsicher) eine Zwölfprophetenrolle aus Qumran 4Q82 Frg. 102,3 (mit Resten von Hab 2,4?). 4Q238 bietet gegen GARCÍA MARTINEZ, F. u. TIGCHELAAR, EIBERT J.C. (The Dead Sea Scrolls, Study Edition, I, Leiden u.a. 1997), denen ich mich in meinem in Anm. 1 genannten Aufsatz angeschlossen hatte, keinen Text aus Hab 3, sondern soweit angesichts des sehr fragmentarischen Textes erkennbar, eine sonst unbekannte Beschreibung der Zeit des (göttlichen) Gerichts (FLINT, P., in: DJD XXVIII [2001/2003], 119–123). 93 HAPPEL, O., Das Buch des Propheten Habackuk, Würzburg 1900. Dabei verortete Happel das Buch wie das Danielbuch in der Zeit zwischen 175/164 v. Chr. Vgl. dazu auch PROCKSCH, O., Die kleinen Prophetischen Schriften vor dem Exil, EzAT 3, Calw/Stuttgart 1910, 157–168; SELLIN, E., Zwölfprophetenbuch (s. Anm. 14), 329–365; NOWACK, W., Die Kleinen Propheten, HK III/4, Göttingen 31922, 258–285, sowie in jüngerer Zeit wieder HERRMANN, W., Problem (s. Anm. 14), 481–496, die allerdings im Gefolge von DUHM, B., Habakuk (s. Anm. 14), das Buch als protoapokalyptischen Reflex auf den Zug Alexanders d. Gr. gedeutet haben, was ich aus motivischen und redaktionsgeschichtlichen Gründen für wahrscheinlicher halte als Happels Datierung in die Zeit Antiochos IV. Epiphanes. Die von HAPPEL u.a. richtig beobachteten Parallelen zwischen dem Habakuk- und dem Danielbuch
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seits die Interpretation von Richard G. Moulton (1896), der das Buch angesichts seiner dramatischen Elemente dem Genre „rhapsody“ zugeordnet hatte.94 In einem weiteren literatur- und sozialgeschichtlichen Kontext steht das Buch Habakuk dann neben der paganen Orakelliteratur. Hier ist besonders auf das aus Ägypten stammende, bisher nur auf griechisch erhaltene Töpfer-Orakel und auf das iranische Hystaspes-Orakel zu verweisen, 95 die beide in der Zeit nach Alexander dem Großen als eine Form der literarischen Auseinandersetzung mit den durch den Hellenismus bedingten kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen verstanden werden können. Mit dieser Literatur teilt das Habakukbuch die Ablehnung der fremden, d.h. nicht autochthonen griechischen Herrschaft (vgl. Hab 1,5ff.; 1,15ff.; 2,5), die Kritik an sozialen Missständen und an ökonomischer Ausbeutung (vgl. Hab 2,6ff.) sowie die Verteidigung des eigenen traditionellen Rechtssystems und der eigenen Religion (vgl. Hab 1,4; 1,12–14; 2,4; 2,18ff.; 3,2ff.).96 sind offenbar auch verantwortlich für die in hellenistisch-römischer Zeit erfolgte Integration einer kleinen Habakukszene in die apokryphe Erzählung von Daniel, Bel und dem Drachen (Dan 14 / DanZus 2), vgl. neben der Götzenbildthematik in Hab 2,18f., die Dan 14 bestimmt, die Sentenz aus Hab 2,4 mit Dan 14,38 (siehe dazu auch Dan 9,4 sowie Dtn 7,9; Ps 145,20; Neh 1,5; Sir 34,19). 94 MOULTON, R.G., Study (s. Anm. 3), 364ff.; 380f. 95 Vgl. dazu KÖHLER, L., Die Apologie des Töpfers an König Amenophis oder das Töpferorakel (Tafel I–III), in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, 139–187, 139–187; GAUGER, J.-D., Weissagungen (s. Anm. 53), 412–415 (Töpfer-Orakel); 416–418 (Hystaspes-Orakel); BEDENBENDER, A., Gott (s. Anm. 76), 91ff. Zur umstrittenen Frage, ob auch die so genannte Demotische Chronik in den Kontext prophetischer oder apokalyptischer Texte gehört, siehe einerseits FELBER, H., Die Demotische Chronik, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, 65–111, andererseits den Beitrag von JOACHIM FRIEDRICH QUACK hier in diesem Tagungsband, S. 23–51. Für eine dramatische Ausgestaltung von Prophezeiungen, die aufgrund ihrer zeitgeschichtlichen Verrätselungen und gelehrten mythologischen Anspielungen wohl für einen kleinen gebildeten Leserkreis bestimmt war, könnte im paganen Bereich auf die Lykophron aus Chalkis (3. Jh. v. Chr.) zugeschriebene, wohl aber erst aus dem 2. Jh. v. Chr. stammende Dichtung „Alexandra“ verwiesen werden (MASCIALINO, L., Lycophronis Alexandra, Leipzig 1964; SCHMID, W. u. STÄHLIN, O., Geschichte [s. Anm. 84], Tl. 2, Bd. 1, HAW VII/2,1, 174–178; LESKY, A., Dichtung [s. Anm. 84], 535f.; EFFE, B., Die griechische Literatur in Text und Darstellung, Bd. 4, RUB 8064, Stuttgart 1985, 74–81). 96 Siehe dazu auch BEDENBENDER, A., Gott (s. Anm. 76), 88ff., im Anschluss an EDDY, S.K., The King is Dead. Studies in the Near Eastern Resistance to Hellenism 334– 31 BC, Lincoln 1961, und GAUGER, J.-D., Weissagungen (s. Anm. 53), 404ff., sowie mit kritischen Modifikationen an EDDYs These der antihellenistischen Widerstandsliteratur BLASIUS, A., Zur Frage des geistigen Widerstands im griechisch-römischen Ägypten –
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5. Zusammenfassung Das Buch Habakuk ist ein schriftgelehrtes, eschatologisch orientiertes Lesedrama mit einzelnen Elementen einer Apokalypse,97 das literarisch mit unterschiedlichen Sprachformen und Traditionen kultischer, prophetischer, weisheitlicher, narrativer und rechtlicher Provenienz spielt.98 Es gibt sich durchgehend als literarisch gebildete prophetische Zukunftsschau, die ihren Bildhintergrund wohl, wie B. Duhm (1906) richtig beobachtet hatte, im Alexanderzug hat,99 aber mit dem Auftreten eines nicht näher identifizierten endzeitlichen Feindes rechnet. Der bewusste Wechsel zwischen den Sprachformen des Gebets und des Orakels kennzeichnet den besonderen literarischen Charakter des Werks und nimmt den Leser mit hinein in den Dialog mit Gott und in die Unterweisung durch Gott. Die Anspielung auf die „Tafeln des Mose“ in 2,3 und die Lokalisierung der Jahweerscheinung in 3,3ff. kennzeichnen das Buch als eine eschatologische Auslegung der Mosetora. In diesem Sinn ist „Habakuk“ im wahrsten Sinn des Wortes ein „Schriftprophet“. Er bekennt in der Situation der weltpolitischen Krise die sich letztendlich durchsetzende Gerechtigkeit Gottes. So wird hier die Mosezeit im Dienste der Eschatologie erinnert, und „Habakuk“ erscheint als ein rechtmäßiger Nachfolger und Hermeneut des Propheten Mose (Num 12,6f.; Dtn 18,15ff.; Dtn 34,10). Dabei erfüllt seine Schrift, wie für eine Apokalypse typisch, die Funktion, die im Glauben angefochtenen Torafrommen zu trösten. In forschungsgeschichtlicher Hinsicht steht das Buch Habakuk schließlich für die bleibende Aufgabe, die traditions- und redaktionsgeschichtliche Interdependenz zwischen der Tora, der Prophetie und der Apokalyptik zu bestimmen. Wie die kritische Auseinandersetzung Habakuks mit der Tora zeigt, ist das literar- und traditionsgeschichtliche Verhältnis zwischen die historische Situation, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, 41–62. 97 Zu den Kriterien apokalyptischer Elemente siehe COLLINS, J.J., The Apocalyptic Imagination. An Introduction to Jewish Apocalyptic Literature, Grand Rapids/Cambridge, 21998; SCHIPPER, B.U., „Apokalyptik“, „Messianismus“, „Prophetie“ – Eine Begriffsbestimmung, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, 21–40, sowie GAUGER, J.-D., Der „Traum des Nektanebos“ – Die griechische Fassung, in: BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechischrömischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, 189–219, hier: 202–205. 98 W ATTS, J.W., Psalmody (s. Anm. 5), 222, spricht treffend von „a sophisticated montage“. 99 S.o. Anm. 93.
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dem Pentateuch und den sogenannten Schriftpropheten“ sehr viel komplexer als es die klassische Formel „lex post prophetas“100 nahelegen könnte. Eine literargeschichtliche Verhältnisbestimmung zwischen der Tora, der Prophetie und der Apokalyptik kann sich dabei nicht auf eine alttestamentliche Binnenperspektive beschränken, sondern muss auch die vielfältigen Beziehungen des Alten Testaments und der jüdischen Literatur der Antike zur klassischen griechischen und altvorderorientalischen Literatur inklusive ihrer in hellenistischer Zeit erfolgten Transformationen klären.101
100 Zu dieser „Formel“ siehe REUSS, E., Die Geschichte der heiligen Schriften des Alten Testaments, Braunschweig (1881) 21890, VIII; 81; WELLHAUSEN, J., Prolegomena zur Geschichte Israels, Berlin (1878), 61905, 3f. 101 Als Problemanzeige vgl. für die ältere KOCH, K. u. SCHMIDT, J.M. (Hgg.), Apokalyptik, EdF 365, Darmstadt 1982, und KOCH, K., Vor der Wende der Zeiten. Beiträge zur apokalyptischen Literatur, GA 3, Neukirchen-Vluyn 1996; für die Beziehungen zwischen der jüdischen und der ägyptischen prophetischen und apokalyptischen Literatur ist auf den musterhaften Sammelband von BLASIUS, A. u. SCHIPPER, B.U. (Hgg.), Apokalyptik und Ägypten. Eine kritische Analyse der relevanten Texte aus dem griechisch-römischen Ägypten, OLA 107, Leuven u.a. 2002, zu verweisen.
„Über jedes Land der Sünder kommt einst ein Sausen“ Überlegungen zu einigen Fremdvölkerworten der Sibyllinen* Anselm C. Hagedorn Michael A. Signer in memoriam
Fremdvölkerworte oder besser Worte gegen bzw. über fremde Völker sind integraler Bestandteil der alttestamentlichen Prophetie.1 Fast alle prophetischen Bücher enthalten Worte dieses Genres, und Schriften wie Nahum und Obadja sind ganz von der Völkerthematik bestimmt. „Dies hängt einfach damit zusammen, daß Israel und Juda durch die politischen Umwälzungen, die mit den militärischen Invasionen der Assyrer, Babylonier und Perser nach Westen verbunden waren, in sehr viel engere Berührung zu den anderen Völkern und Mächten des Vorderen Orients gerieten als zuvor und daß ihr Wohl und Wehe nach dem staatlichen Zusammenbruch vollständig von der großen internationalen Politik abhing.“ 2 Dies ent* Ich bedanke mich bei Dr. J.L. Lightfoot (New College/Oxford), die mir unkompliziert Teile ihrer umfangreichen Monographie (LIGHTFOOT, J.L., The Sibylline Oracles with Introduction, Translation, and Commentary on the First and Second Books, Oxford 2007) zu den Oracula Sibyllina zur Verfügung gestellt hat – ich habe aus diesem Werk viel gelernt. Folgende Textausgaben und Übersetzungen werden benutzt: ALEXANDRE, C., " #$ . Textu ad codices manuscriptos recognito, Paris 21853. GEFFCKEN, J., Die Oracula Sibyllina, GCS 8, Leipzig 1902. KURFEß, A. u. GAUGER, J.D., Sibyllinische Weissagungen (griechisch-deutsch), Tusc, Zürich 22002. RZACH, A., " #$ Oracula Sibyllina, Prag 1891. COLLINS, J.J., Sibylline Oracles, in: CHARLESWORTH, J.H. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha Vol. 1, New York 1983, 317–472. MERKLEIN, H., Sibyllinen, JSHRZ V/8, Gütersloh 1998. Soweit nicht anders vermerkt, wird der griechische Text der Sib nach der Ausgabe von Geffcken zitiert; die deutsche Übersetzung folgt Merklein. 1 BARTON, J., Oracles of God. Perceptions of Ancient Prophecy in Israel after the Exile, London 1986, 203: „... it seems to be thought normal, even obligatory, for prophetic books to include oracles against a variety of foreign nations.” Das Phänomen ist nicht auf das Alte Testament beschränkt, vgl. etwa WEIPPERT, M., „König, fürchte dich nicht!” Assyrische Prophetie im 7. Jh. v. Chr., Or 71 (2002), 1–54, und HAGEDORN, A.C., Looking at Foreigners in Biblical and Greek Prophecy, VT 57 (2007), 432–448. 2 ALBERTZ, R., Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr., BE 7, Stuttgart 2001, 135.
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spricht der neueren Definition von Prophetie als einer politischen Aktivität und zwingt dazu, nach der Motivation dieser Völkerworte zu fragen.3 Da es sich bei den Hörern/Lesern dieser Worte ausschließlich um Israel handelt, können die Völkerworte als indirekte Heilsankündigung für Israel gelten.4 So sind die Worte Teil des israelitischen Identitätsdiskurses, da die eigene Identität in Beziehung zum Fremden gesetzt wird und man sich selbst über sein Verhältnis zu den umliegenden Völkern definiert, ohne ganz in diesem Gegensatz aufzugehen. 5 Dieser Identitätsdiskurs erweist sich als erstaunlich stabil und wird auch in der nachbiblischen Zeit fortgesetzt. Wir wollen im folgenden einige Aspekte des Nachlebens der biblischen Völkerworte in den Sibyllinischen Orakeln untersuchen und darstellen, wie Prophetie nach dem Ende der Prophetie benutzt werden kann, um die eigene Identität zu bestimmen. Aus Platzgründen beschränken wir uns auf das dritte Buch der Sammlung, welches nach gängiger Auffassung als der älteste Teil zu gelten hat.6 Sib 3 ist keineswegs eine einheitliche Komposition,7 und man kann – J.J. Collins folgend – drei literarische Komplexe unterscheiden:8
3 So etwa BREMMER, J., Prophets, Seers, and Politics in Greece, Israel, and Early Modern Europe, Numen 40 (1993), 150–183; BLENKINSOPP, J., Sage, Priest, Prophet. Religious and Intellectual Leadership in Ancient Israel, Library of Ancient Israel, Louisville 1995, 115–165; REIMER, D., Political Prophets? Political Exegesis and Prophetic Theology, in: MOOR, J.C. DE (Hg.), Intertextuality in Ugarit and Israel, OTS 40, Leiden 1998, 126–142. Für eine frühe anthropologische Perspektive siehe BOURDILLON, M.F.C., Oracles and Politics in Ancient Israel, Man n.s. 12 (1977), 124–140. 4 „In such cases the punishment announced for the foreign nation might be described not so much in terms of its disastrous consequences for them as conversely in terms of beneficial consequences for the audience ... The announcement of punishment concerning the enemy nation thus might include elements of an announcement of salvation for the people of Yahweh, to be overheard (as it were) by them, so that the prophecy of punishment against a foreign nation functioned for Israel or Judah virtually as a prophecy of salvation” (FLOYD, M.H., Minor Prophets. Part 2, FOTL XXII, Grand Rapids 2000, 636). 5 LACAPRA, D., History in Transit. Experience, Identity, Critical Theory, Ithaca 2004, 37. 6 So COLLINS, J.J., The Development of the Sibylline Tradition, ANRW II/20.1 (1987), 421–459, hier 430. 7 GEFFCKEN, J., Komposition und Entstehungszeit der Oracula Sibyllina, TU N.F. VIII/1, Leipzig 1902, 1–17, und den Einspruch gegen ein kompliziertes literarkritisches Modell in NIKIPROWETZKY, V., La Troisième Sibylle, Études Juives 9, Paris 1970, 175– 226 (einheitliche Komposition aus der Zeit des zweiten Triumvirats); dagegen richtig KAISER, O., Die Sibyllinischen Orakel und das Echo biblischer Ethik und Prophetie in ihrem Dritten Buch, in: HARTENSTEIN, F.; KRISPENZ, J. u. SCHART, A. (Hgg.), Schriftprophetie. FS J. Jeremias, Neukirchen-Vluyn 2004, 381–400, hier 388: „Angesichts des kompilatorischen Charakters der antiken Spruchsammlungen besitzt das literarkritische
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1. Sib 3,97–349 und Sib 3,489–829 – das Hauptcorpus9 2. Sib 3,350–488 – Völkerworte 3. Sib 3,1–96 – vielleicht Teil eines anderen Buches. Seit den bahnbrechenden Studien von J.J. Collins kann es als gesichert gelten,10 daß Sib 3 in seiner jetzigen Form jüdischer Provenienz ist und vermutlich in Ägypten zusammengestellt wurde,11 auch wenn eine Entstehung in Kleinasien durchaus denkbar wäre,12 da so eine Verbindung mit Erythrai hergestellt würde, also einem Ort, der traditionell mit einer der Sibyllen in Verbindung gebracht wird. Bei den jüdischen Teilen der Sibyllinen handelt es sich also um Diasporaliteratur, 13 welche andere Traditionen aufnimmt und verarbeitet.14
Schichtenmodell Geffckens angesichts der inneren Spannungen und abrupten Brüche grundsätzlich den Vorzug gegenüber der Einheitshypothese Nikiprowetzkis.“ 8 COLLINS, J.J., The Sibylline Oracles of Egyptian Judaism, SBL.DS 13, Missoula 1974, 28. 9 Hier kann Sib 3,776 (%& ' $" ()) als eine christliche Interpolation gelten. 10 Siehe COLLINS, J.J., Sibylline Oracles (s. Anm. 8), 38–53 und COLLINS, J.J., Development (s. Anm. 6), 431–432. 11 Vgl. etwa die Bemerkung über den 7. König in Sib 3,193–194 (* !& +$ $ , - $/ | /! $/, 0 123 45 6).318.608 und die Erwähnung des Königs der Sonne in Sib 3,652–654: " 73 1!3 8 (& ! $9, | 0 !: ) !/ ! ), | ; !' . Anders MOMIGLIANO, A., La Portata Storica dei Vaticini sul Settimo Re nel Terzo Libro degli Oracoli Sibillini, in: Forma Futuri, Studi in Onore del Cardinale Michele Pellegrino, Turin 1975, 1077–1084, der in Sib 3,194 (" 73 6( ( ! & 6) einen Hinweis auf die Einheit der jüdischen Gemeinde von Ägypten und Palästina nach dem Makkabäeraufstand sieht: „La solidarietà della Sibilla giudeo-egiziana con gli Ebrei palestinesi qui prende la forma specifica di una imitazione del vaticinio apocalittico di Daniele” (1083) und „Il manteniemento della unità del Giudaismo, nonstante la diversificazione tra Giudaismo palestinense post-maccabaico e Giudaismo egiziano estraneo alla esperianza della ribellione, è una delle condizioni per la formazione dell’ambiente in cui si svilupperà il Christianismo” (1084). 12 So BUITENWERF, R., Book III of the Sibylline Oracles and its Social Setting with an Introduction, Translation, and Commentary, SVTP 17, Leiden 2003, 304–309, der die Sammlung auf die Jahre 80–40 v. Chr. datiert und im Zusammenhang mit den mithridatischen Kriegen sehen will. 13 Der Begriff ‚Diaspora’ ist mittlerweile zu einem kulturwissenschaftlichen „buzzword“ geworden, ANG, I., Diaspora, in: BENNETT, T.; GROSSBERG, L. u. MORRIS, M. (Hgg.), New Keywords. A Revised Vocabulary of Culture and Society, Oxford 2005, 82– 84; LEVY, A. u. WEINGROD, A. (Hgg.), Homelands and Diasporas. Holy Lands and Other Places, Stanford 2005, sowie DUFOIX, S., Diasporas, Berkeley/London 2008. Zur Entstehung des Begriffs im antiken Judentum siehe die umfangreiche Studie von KIEFER, J.,
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Ehe wir uns den Völkerworten aus Sib 3 im Detail zuwenden, müssen kurz zwei Phänomene erörtert werden, welche zum Verständnis der Sibyllinen wesentlich sind – nämlich die Funktion der Prophetie nach dem Ende der Prophetie und die Figur der Sibylle selbst.
1. Prophetie nach dem Ende der Prophetie Es gehört zu den bemerkenswerten Erscheinungen im Alten Testament, daß das Phänomen der Prophetie doppelt begrenzt wird. In der Fabel des Pentateuchs ist die Periode der Prophetie bereits zu Ende, ehe Israel das verheißene Land betreten hat, wenn es in Dtn 34,10 heißt: Und es stand fortan kein Prophet wie Mose mehr auf in Israel (... ), den JHWH erkannte von Angesicht zu Angesicht.
Der Maßstab für die Prophetie ist also Mose, und an diesem Maßstab muß jeder Prophet notwendigerweise scheitern.15 Zum zweiten Mal wird am Ende der kanonischen Prophetenbücher das Ende der Prophetie in Israel thematisiert, wenn es in Sach 13,2–6 heißt:16 (2) Und es wird geschehen an jenem Tage – Ausspruch JHWHs der Heerscharen – da schneide ich weg die Namen der Götzen ( ) aus dem Land und man wird ihrer nicht mehr gedenken; auch die Propheten und den Geist der Unreinheit ( ) werde ich wegschaffen. (3) Und wenn es (dann) geschieht, daß ein Mann als Prophet auftritt ( ni.), dann sollen sein Vater und seine Mutter, die ihn gezeugt haben, zu ihm sagen: „Du sollst nicht am Leben bleiben, denn Lüge hast du gesprochen im Namen JHWHs.“ Dann sollen sein Vater und seine Mutter, die ihn gezeugt haben, ihn durchbohren (), wegen seines Auftretens als Prophet. (4) Und es Exil und Diaspora. Begrifflichkeit und Deutungen im antiken Judentum und in der hebräischen Bibel, ABG 19, Leipzig 2005. 14 Vgl. etwa Sib 3,156–161 (sowie Sib 3,105–155), welche die Sibylle in der Universalgeschichte verorten und jede jüdische Thematik vermissen lassen. 15 Zum Thema Mose als Prophet und zum Verhältnis von Prophetie und Deuteronomium PERLITT, L., Mose als Prophet, in: DERS., Deuteronomium-Studien, FAT 8, Tübingen 1994, 1–19; OTTO, E., „Das Deuteronomium krönt die Arbeit der Propheten“. Gesetz und Prophetie im Deuteronomium, in: DIEDRICH, F. u. WILLMES, B. (Hgg.), „Ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil“ (Jes 45,7). Studien zur Botschaft der Propheten. FS L. Ruppert, fzb 88, Würzburg 1998, 277–310. 16 Der Text ist nicht einheitlich. Sach 13,3.5 sind Nachträge. Sach 13,3 interpretiert die Ausrottung der Prophetie durch JHWH im Lichte von Dtn 18,19–22 und Sach 13,5 nimmt Am 7,14 auf und deutet das Amoswort auf die neue Situation um, indem die Feststellung des Amos, daß er „seine prophetische Tätigkeit einem unerwarteten Eingriff Gottes in seinen bäuerlichen Alltag verdankt, der ihn zum prophetischen Auftreten im Nordreich nötigte“ (JEREMIAS, J., Der Prophet Amos, ATD 24.2, Göttingen 1995, 110), nun so interpretiert wird, daß ein Wechsel des Berufstandes nicht mehr möglich ist ( ).
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wird geschehen an jenem Tage, daß die Propheten zuschanden werden, ein jeder wegen seiner Vision bei seinem Prophezeien und sie sollen sich nicht mehr mit dem härenen Mantel kleiden, um zu lügen. (5) Und er wird sagen: „ein Prophet bin ich nicht, (sondern) ein Mann des Ackerbaus bin ich, denn Grund und Boden ist mein Besitz von Jugend an.“17 (6) Und sagt man zu ihm, „was sind das für Wunden zwischen deinen Armen?“, so antwortet er: „(das sind die), mit denen ich geschlagen wurde im Haus meiner Liebhaber.“
Auch wenn die Prophetie hier zusammen mit dem Namen der Götzen und dem Geist der Unreinheit genannt wird, ist es problematisch, Sach 13,2–6 als Teil der Debatte über wahre und falsche Prophetie zu sehen.18 Der Text spricht lediglich von Propheten. Sach 13,2a erinnert an Hos 2,19, allerdings ist hier von den Baalen die Rede.19 Ebenso ist überwiegend im Bereich innerisraelitischer kultischer Unreinheit belegt. 20 „Vorausgesetzt ist also ein Interesse des Textes und seiner intendierten Leser an kultischer Reinheit. Dieser Text bejaht den Kult und setzt auch sicher als dessen ordentliches Zentrum im Land den Tempel in Jerusalem voraus.“21 Aus diesem Grund ist anzunehmen, daß die Situation, die Sach 13,2–6 beschreibt, große Ähnlichkeit mit der Konzeption des Deuteronomium hat, da auch hier Prophetie in Opposition zum Kultus und der korrekten Toraobservanz gesehen wird.22 So wiederholt Sach 13,2–6 in der ausgehenden Perserzeit, den Gedanken des Deuteronomiums und bricht in der Fortschreibung eines prophetischen Buches mit der allgemeinen Wertschätzung der Prophetie. Dieser Bruch ist bereits in der Figur des Deuteengels in Sach 1–8 angelegt, indem diese Figur prophetische Aufgaben wahrzunehmen beginnt. Im Maleachibuch findet diese Konzeption dann eine weitere Ausgestaltung, wenn JHWH seinen Boten senden will, der den Weg bereiten soll (Mal 3,1). Damit vollzieht sich bereits im biblischen Kanon der Schritt zu anderen Formen der Divination, wie z.B. der inspirierten Exegese (schriftlicher Texte) durch Gestalten, 23 die nicht als Propheten beschrieben werden. 24
17 Konjektur in Sach 13,5b$ nach W ELLHAUSEN, J., Die Kleinen Propheten, Berlin 1963, 201; vgl. die Diskussion in RUDOLPH, W., Haggai – Sacharja 1–8 – Sacharja 9–14 – Maleachi, KAT XIII/4, Gütersloh 1976, 225 Anm. 5a). 18 So etwa SWEENEY, M.A., The Twelve Prophets Vol. II., Berit Olam, Collegeville 2000, 692: „The association of idols, prophets, and an impure spirit is clearly intended to address the issue of false prophecy.” 19 nur hier im Alten Testament; „Götze“ in der Prophetie nur Jes 10,11; 46,1; Jer 50,2; Hos 4,17; 8,4; 13,2; 14,9; Mi 1,7; Sach 13,2. 20 So etwa Lev 5,3; 7,20f.; 14,19; 15,3.25; Num 19,13. 21 W ILLI-P LEIN, I., Haggai, Sacharja, Maleachi, ZBK.AT 24.4, Zürich 2007, 205. 22 PEARSON, R.F., Second Zechariah and the Deuteronomistic School, JSOT.S 167, Sheffield 1993, 105–106. 23 Sir 24,33 (6 ? !2 @ " AB @ ' C); 39,6–8. 4
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Gleichzeitig wird das Ende der Prophetie in Gestalt von konkreten Personen erklärt – Fortschreibungsprozesse sind davon selbstverständlich nicht berührt, da diese Form der literarischen Prophetie anonym bleibt.25 Auch Ps 74,9 scheint das Ende der Prophetie in Israel zu beklagen: Zeichen für uns haben wir nicht mehr gesehen Es gibt keinen Propheten mehr Und keiner ist mehr bei uns der wüßte: bis wann?26
Ob hier allerdings von einem definitiven Ende der Prophetie gesprochen wird, muß fraglich bleiben, da der Psalm doch in erster Linie das Exil im Blick hat und lediglich auf das Ende der Prophetie in der Exilszeit zu weisen scheint.27 Weiterhin ist V. 9a$ deutlich als späterer Zusatz auszumachen, der die beiden zusammengehörigen Kola unterbricht und das Fehlen der Zeichen (
) nachträglich als ein Fehlen der Prophetie interpretiert.28 In Qumran gehört die (schriftliche) Prophetie zur biblischen Vergangenheit.29 Eine Ausnahme bildet hier Daniel, dem explizit ein Buch zugeschrieben wird.30 Dies heißt allerdings nicht, daß es keine Prophetie mehr
24 Vgl. besonders Mal 2,7 – hier wird der Priester zum Bewahrer der Weisung und Lehre ( ) und so zum Boten JHWHs ( ); zur Rolle der Priester im Maleachibuch SCHAPER, J., The Priests in the Book of Malachi and Their Opponents, in: GRABBE, L.L. u. BELLIS, A.O. (Hgg.), The Priests in the Prophets. The Portrayal of Priests, Prophets and Other Religious Specialists in the Latter Prophets, JSOT.S 408, London/New York 2004, 177–188. 25 Die Frage, inwieweit die Prophetie endete, ist umstritten; AUNE, D.E., Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World, Grand Rapids 1983, 103–106; COHEN, S.D., From the Maccabees to the Mishnah, Louisville 22006, 127–128; GREENSPAHN, F.E., Why Prophecy Ceased, JBL 108 (1989), 37–49; STEMBERGER, G., Propheten und Prophetie in der Tradition des nachbiblischen Judentums, JBTh 14 (1999), 145–174; SOMMER, B., Did Prophecy Cease? Evaluating a Reevaluation, JBL 115 (1996), 31–47. 26 Zum Psalm ROBERTS, J.J.M., Of Sounds, Prophets and Time Limits. A Note on Psalm 74:9, CBQ 39 (1977), 474–481; SPIECKERMANN, H., Heilsgegenwart. Eine Theologie der Psalmen, FRLANT 148, Göttingen 1989, 122–133; HOSSFELD, F.-L. u. ZENGER, E., Psalmen 51–100, HThKAT, Freiburg 2000, 355–372. 27 BARTON, J., Oracles (s. Anm. 1), 107. 28 So SPIECKERMANN, H., Heilsgegenwart (s. Anm. 26), 123–124. 29 Vgl. etwa CD-A III,21; IV,13 und BRIN, G., , in: FISHBANE, M. u. TOV, E. (Hgg.), Shaarei Talmon. Studies in in the Bible, Qumran, and the Ancient Near East Presented to Shemaryahu Talmon, Winona Lake 1992, 101*–112*; zum Problem allgemein BOWLEY, J.E., Prophets and Prophecy at Qumran, in: FLINT, P.W. u. VANDERKAM, J.C. (Hgg.), The Dead Sea Scrolls after Fifty Years. A Comprehensive Assessment, Bd. II, Leiden/Boston/Köln 1999, 354–378, mit älterer Literatur in Anm 1. 30 So 4Q174 (4QFlor) Frg. 1 II,3,24,5: ].
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gibt, 31 da 1Q29 und 4Q375–376 davon sprechen, daß der Hohepriester über wahre und falsche Prophetie entscheidet,32 aber dort, wo aktuelle Prophetie erwähnt wird, geht es mehr um die richtige Exegese der Tora – so wie es auch bei Jesus Sirach der Fall ist.33 Ebenso wird nach 1QS IX,7–11 ein Prophet wie Mose in der Endzeit die Eigentumsverhältnisse der Gemeinde regeln. 11Q13 erwartet das Kommen von Propheten, wenn in der Auslegung von Jes 52,7 die „Berge“ mit den Propheten gleichgesetzt werden.34 Für Josephus und das rste Makkabäerbuch ist die Zeit der Propheten ebenfalls zu Ende. 35 Allerdings erwähnt Josephus prophetische Figuren, aber er hebt deutlich hervor, daß diese keine schriftlichen Überlieferungen verfaßt haben.36 In seinem Bericht über die Essener spricht er davon, daß die Gemeinde sich dem Studium der Prophetie widmete.37 Die rabbinische Literatur geht dann davon aus, daß die Prophetie entweder mit Haggai, Sacharja und Maleachi (t. Sot. 13,3) oder zur Zeit Alexanders d. Gr. endete (Seder Olam [ad Dan 8,21; 11,3–4]).38Aufgrund des 31 4Q265 Frg. 7 II.7–8. Hier wird davon ausgegangen, daß in der Propheten anwesend sind. 32 Besonders die aramäische Liste der „Lügenpropheten” ([] ) in 4Q339, allerdings ist die genaue Einordnung des Fragments schwierig (BOWLEY, J.E., Prophets [s. Anm. 29], 365) 33 Hier 1QpHab VII,2–5, wo explizit gesagt wird, daß der Lehrer der Gerechtigkeit, dem Propheten überlegen ist; zum Problem siehe VIELHAUER, R., Das Werden des Buches Hosea. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung, BZAW 349, Berlin/New York 2007, 209–214. 34 Siehe 11Q13 II,17: [ ] [ ] [. 35 Josephus, Ap. 1.41 (1!& < DEE (3 : 7 ! t || 1! A" j Festeröffnung (Ps 75f. Lobpsalmen) => Vigil (Ps 77 Meditation angesichts Krise; Ps 78 Lehre aus dem Geschichtswirken Gottes) => Tage der Bitten (Ps 79f.) => Neujahrsfeier als Festhöhepunkt (Ps 81f. JHWHs Triumph; Ps 83 Feindschaft der Völker als Realität).62 (2) Formkritisch bestimmte Anordnung mit den zwei parallelen Kompositionsbögen Ps 73–77 und Ps 78–83. Die Abfolge geschieht nach dem Schema: weisheitliche Reflexion bzw. Lehre (Ps 73/78) => (Volks-)Klage (Ps 74/79f.) => Gericht (mit Gottesorakel) (Ps 75f./81f.) => Klage (Ps 77/83).63 (3) Thematisch-(geschichts)theologisch bestimmte Anordnung mit den drei Sequenzen Ps 74–76 (Gerichtsklagebitte => Gerichtsansage => Gerichtseingreifen [Menschen]), Ps 77–79 (Gerichtsklage [Untergang Nordreich] => Geschichtsdeutung [hermeneutisch-theologische Mitte] => Gerichtsklage [Untergang Südreich]) und Ps 80–82 (Gerichtsklagebitte => Gerichtsermahnung => Gerichtseingreifen [Götter]). Darum gelegt sind die Eckpsalmen Ps 73 (Status der Anfechtung) und 83 (Klagebitte um umfassende Herrschaft JHWHs). Der zentralen Kleingruppe Ps 77–79 und darin besonders Ps 78 kommt eine hervorgehobene, interpretativ relevante Mitteposition zu (konzentrische Anlage).64 Wie immer man das Arrangement der Asafpsalmen – liturgisch oder buchredaktionell – gewichten mag, im asaphitischen Kleinpsalter Ps 73–83 60 Inwieweit die Anordnung Ps 73–83 auf einen mit dieser Gruppe verbundenen asafitischen Trägerkreis zurückgeht oder aber mit anderen, mit Redaktion und Edition des Psalters betrauten Grössen in Zusammenhang steht, lässt sich nicht sicher sagen. 61 Vgl. die Darstellung der Lösungsvorschläge samt eigener Option bei BURGER, M., Psalm 76. Zionslied und Asafpsalm, Zürich 2002, 121–128. 62 So GOULDER, M.D., Psalms of Asaph (s. Anm. 45), 37–187. 63 So insbesondere H OLTMANN, S., Die Asafpsalmen als Spiegel der Geschichte Israels. Überlegungen zur Komposition von Ps 73–83. Teil 1, BN 122 (2004), 45–79 / Teil 2, BN 123 (2004), 49–63, hier Teil 1, 45f.; MILLARD, M., Die „Mitte des Psalters“. Ein möglicher Ansatz einer Theologie der Hebräischen Bibel, in: BALLHORN, E. u. STEINS, G. (Hgg.), Der Bibelkanon in der Bibelauslegung. Methodenreflexionen und Beispielexegesen, Stuttgart 2007, 252–260, hier 255f., sowie mit Abweichungen im Einzelnen ähnlich auch ZENGER, E., Psalm 82 (s. Anm. 42), 283–286; BURGER, M., Psalm 76 (s. Anm. 61), 125–128. 64 So in leichter Modifizierung von WEBER, B., Asaph-Psalter (s. Anm. 45), 133–139 (vgl. auch das frühere Schema in WEBER, B., Psalm 77 [s. Anm. 29], 290–296).
Asaf – ein Name, seine Träger und ihre Bedeutung in biblischen Zeiten
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nimmt Ps 7865 jedenfalls eine hervorgehobene Stellung ein. Es handelt sich nicht nur um den mit Abstand umfangreichsten Asafpsalm und zugleich um den nach Ps 119 zweitlängsten Psalm im (später gewordenen) Psalter. Ihm kommt als „asafitischer Zentralpsalm“ 66 in der Elferreihe neben der positionellen auch eine hermeneutische bzw. theologische „Mitte“ innerhalb der Asafpsalmengruppe zu. Darüber hinaus markiert er möglicherweise auf der Endstufe des fünfteiligen Psalters in nochmals neuer Weise eine „Mitte“ – diesmal im Blick auf das gesamte Buch und die darin eingeschriebene Botschaft.67
5. Asaf(psalmen) in Qumran und im Neuen Testament Dass um die Zeitenwende neben die Prophetisierung auch die Davidisierung des Psalters tritt,68 zeigt sich in einem eschatologischen Midrasch aus Qumran. Dort wird ein Zitat aus (dem Asaf zugeschriebenen) Ps 82 als Schriftwort aus den „Liedern Davids“ eingeführt (11QMelch II,9–11). In der handschriftlichen Überlieferung des Neuen Testaments erscheint der Name Asaf lediglich in Mt 1,7f. (s.o.). Am Ende der Gleichnisrede (Mt 13,3–33) wird Jesu Reden in Gleichnissen mit einem Wort aus dem Asaf zugeschriebenen Ps 78 (Erfüllungszitat) als Ausspruch „durch den Propheten“ respektive „durch Jesaja, den Propheten“ (Mt 13,35) eingeführt. Für beide Lesarten69 lassen sich gewichtige Handschriften anführen.70 Bei der angeführten Schriftstelle handelt es sich aber unzweifelhaft um Ps 78,2. Von daher ist der Lesart „durch den Propheten“ den Vorzug zu geben
65 Vgl. FÜGLISTER, N., Psalm LXXXVIII [sic! = Ps 78]: Der Rätsel Lösung?, in: EMERTON, J.A. (Hg.), Congress Volume, VT.S 43, Leiden 1991, 264–297; WEBER, B., Psalm 78 (s. Anm. 56); WITTE, M., From Exodus to David – History and Historiography in Psalm 78, in: History and Identity. How Israel’s Later Authors Viewed Its Earlier History, Deuterocanonical and Cognate Literature. Yearbook 2006, Berlin/New York 2006, 21–42. 66 W EBER, B., Psalm 77 (s. Anm. 29), 293. 67 Vgl. MILLARD, M., Mitte (s. Anm. 63); W EBER, B., Psalm 78 als „Mitte“ des Psalters? – ein Versuch, Bib. 88 (2007), 305–325. 68 Vgl. FÜGLISTER, N., Die Verwendung und das Verständnis der Psalmen und des Psalters um die Zeitenwende, in: SCHREINER, J. (Hg.), Beiträge zur Psalmenforschung. Psalm 2 und 22, fzb 60, Würzburg 1988, 319–384, hier 365–371. 69 Hieronymus erwähnt noch eine (weiter nicht bezeugte) Lesart „durch Asaf“, die aber als Anpassung an das atl. Zitat zu werten ist. 70 Vgl. METZGER, B.M., A Textual Commentary on the Greek New Testament. A Companion Volume to the United Bible Societies’ Greek New Testament (Third Edition), London/New York 1975, 33.
252
Beat Weber
und als Indiz dafür zu nehmen, dass Asaf und seinem Psalm prophetische Autorität eingeräumt wird (vgl. I Chr 25,2; II Chr 29,30).71
6. Asaf und die Asafiten im biblischen Gesamtbild und geschichtlichen Kontext 6.1 Geschichte und Bedeutung der Asafiten in nachexilischer Zeit anhand Esra-Nehemia und Chronika Im Verzeichnis der Exilsheimkehrer (unter Serubbabel) werden die Asafiten nach der Erwähnung der Priester und der Leviten als einzige Gruppe der „Sänger“ aufgeführt (Esr 2,41, vgl. Neh 7,44). Unter der Annahme, dass diese Angabe historisch zutreffend ist, ergibt sich ein Doppeltes: (1) Die Asafiten haben eine Geschichte, die ins babylonische Exil und die Zeit davor zurückreicht (vgl. Esr 2,1f.). Dass sie bereits vor dem Exil eine Funktion an Heiligtum oder Königshof innehatten, ist wahrscheinlich. Für die vorexilische Zeit sind jedenfalls Sänger und Musiker in bzw. aus Jerusalem sowohl in biblischen als auch in neuassyrischen Überlieferungen bezeugt. Von „Sängern und Sängerinnen“ am Königshof Davids ist in II Sam 19,36 die Rede. In den Annalen von Sanheribs drittem Feldzug (701 v. Chr.) wird in der Liste der Huldigungsgeschenke Hiskias erwähnt, dass auch „Sänger und Sängerinnen nach Ninive“ (III,46f.) gebracht wurden.72 Zudem findet sich auf einem Relief des Palastes von Sanherib in Ninive die Abbildung dreier Leierspieler.73 Othmar Keel identifiziert diese aufgrund der Kopftracht mit (deportierten) Judäern 74 und schreibt dazu: „Die jüd. Musikkultur musste schon um 700a einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, denn es ist völlig außergewöhnlich, dass sich Deportierte musikalisch betätigen“75.
Eine Identifizierung mit den Asafiten ist damit allerdings nicht gegeben, und den Büchern Samuel und Könige ist über Asaf bzw. die Asafiten als (Tempel-)Musiker nichts zu entnehmen. Allein die Chronika schildert den auf David-Salomo zurückgehenden Dienst von Asaf und seinen Nachfah71
Passagen aus Asaf zugeschriebenen Psalmen werden – zieht man den Anhang der Nestle-Aland-Ausgabe zu Rate – dreimal zitiert (Ps 78,2 in Mt 13,35; Ps 78,24 in Joh 6,31; Ps 82,6 in Joh 10,34), ohne dass dabei der Name Asaf fällt. Zur Rezeption des Psalters im NT vgl. RÜSEN-WEINHOLD, U., Der Septuagintapsalter im Neuen Testament. Eine textgeschichtliche Untersuchung, Neukirchen-Vluyn 2004. 72 TUAT I/4, 390. 73 ANEP, Abb. 205. 74 Vgl. KEEL, O., Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus, OLB IV,1+2, Göttingen 2007, Abb. 497 und 327–329. 75 KEEL, O., Geschichte (s. Anm. 74), 734, vgl. auch KEEL, O., Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Göttingen 5 1996 (1972), 323–325 (mit Abb. 470).
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ren am vorexilischen Tempel. Der diesbezügliche Quellenwert der Chronik und damit die Frage, ob und inwiefern diese historisch zutreffende Angaben nicht nur für die Erzählzeit des zweiten Tempels, sondern auch für die erzählte Zeit des ersten Tempels enthält, ist bekanntlich umstritten (s.o.). Eine Kontinuität der Funktionen der Asafiten vom ersten zum zweiten Tempel ist aufgrund der derzeitigen Quellenlage genauso wenig auszuschliessen wie sich eine Diskontinuität behaupten lässt. Die wichtige Funktion, welche die Asafiten bereits ab frühnachexilischer Zeit einnehmen, lässt aber nach deren Autorisierung fragen. Der Umstand, dass – nach der Sichtweise der Chronika – Asaf und die Asafiten bereits bei der Konstituierung des Tempelgottesdienstes am ersten Tempel eine herausragende, mit dem Dienst vor der Lade verbundene Rolle einnehmen, würde jedenfalls (auch) deren Legitimierung für den Dienst am nachexilischen Tempel ausweisen.76 (2) Die in frühnachexilischer Zeit zurückgekehrten Asafiten hatten am Jerusalemer Tempel zweifellos wichtige Funktionen als Kultpersonal inne. Diese kamen ihnen bereits in der Anfangszeit des neu erbauten Tempels zu, wie der Auftritt der den Leviten zugerechneten Asafiten bei der Fundamentlegung des Tempels (Esr 3,10) deutlich macht. Anders als in EsrNeh, wo – mit Ausnahme eines Jedutun-Nachfahren in Neh 11,19 – allein die Asafiten als Tempelsänger und -musiker Dienst tun, differenziert sich dieses Bild in Chronika insofern, als neben Asaf und seinen Nachfahren weitere Sängerhäupter erwähnt werden. Das Buch der Chronik reflektiert damit einen Zeitraum, in dem (funktional) unterschiedliche, möglicherweise rivalisierende Sängergilden am Tempel zur Geltung kommen. Einflussreich erwies sich ein Aufsatz von Hartmut Gese, in dem dieser eine Entwicklungsgeschichte der Kultsänger am zweiten Tempel skizzierte.77 Gemäss seinem PhasenModell sind im ersten Stadium (gegen Ende des 6. Jh. v. Chr.) die Asafiten die einzigen Kultsänger. Im zweiten Stadium (Mitte des 5. Jh. v. Chr.) findet sich eine zweite Linie, die sich auf Jedutun zurückführt, wobei die Sänger(gruppen) nun unter dem Oberbegriff „Leviten“ geführt bzw. mit ihnen vereinigt wurden. Im dritten Stadium werden drei Sängergruppen nebeneinander erwähnt, wobei eine ältere Tradition (III.A.) die Abfolge Asaf – Heman – Jedutun (zweite Hälfte 4. Jh. v. Chr., chronistisch) und eine jüngere (III.B.) Heman – Asaf – Etan (Wende 4./3 Jh. v. Chr., nachchronistisch) bietet. Geses traditionsgeschichtliche Skizze wird in der neueren Forschung häufig diskutiert, teils modifiziert, 76 GILLINGHAM, S.E., Temple Liturgy, Levitical Singers and the Editing of the Hebrew Psalter, in: ZENGER, E. (Hg.), The Composition of the Book of Psalms, BEThL, Leuven 2009 (forthcoming), geht davon aus, dass levitische Sänger in persischer und hellenistischer Zeit die wesentlichen Triebkräfte für die Sammlung von Psalmen und die Komponierung des Psalters waren. 77 Vgl. GESE, H., Zur Geschichte der Kultsänger am zweiten Tempel, in: DERS., Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, BEvTh 64, München 1984, 147–158 (Erstveröffentlichung in: BETZ, O.; HENGEL, M. u. SCHMIDT, P. [Hgg.], Abraham unser Vater, FS O. Michel, Leiden 1963, 222–234).
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aber selten gänzlich bestritten. So stimmt Joachim Schaper Gese weithin zu, setzt aber dessen zweites Stadium später an (erste Hälfte 4. Jh. v. Chr.).78 Modifizierungen nimmt auch Antti Laato vor, indem er u.a. III.B. (mit Hugh G. M. Williamson) noch in die Zeit des Chronisten selbst datiert. Zudem nimmt er an, dass das erste Stadium eine (sehr) alte, vorexilische Tradition reflektiere. 79 Nach Georg Steins lassen sich nur zwei Entwicklungsstufen differenzieren: Zunächst ist Asaf einziges Musikerhaupt, später wird unter Rückgriff auf die Psalmenüberschriften die (fiktive) Konzeption mit drei Musikergilden (mit Variationen bei der Nennung und Reihenfolge) entwickelt.80
Konsens ist, dass die Asafiten zunächst die einzige Musikergilde waren, später aber eingebunden wurden in eine Kooperation (oder „Konkurrenz“) mit weiteren levitischen Dienstgruppen am Tempel. Kam ihnen dabei zunächst noch der Primat zu (Dienst an der Lade), deutet sich im Laufe der Zeit eine Bedeutungsabnahme ihres Status’ an. Als Leviten nahmen die Asafiten neben instrumentierter Aufführung und gesanglichem Lobpreis (seit Esra) auch Aufgaben der Tradierung, der Unterweisung und der prophetisch akzentuierten Schriftaktualisierung („Kultprophetie“) wahr. 6.2 Verhältnisbestimmung zwischen den Asafpsalmen und den Schilderungen in Esra-Nehemia und Chronika Inhaltliche wie gruppenspezifische Gemeinsamkeiten lassen nach der historischen Zuordnung zwischen den beiden Korpora und ihren Asaf-Aussagen fragen. In der Forschung werden zwei Basismodelle zur Erklärung vertreten, die aufgrund unterschiedlicher Gewichtung von Textaussagen sowie Veranschlagung historischer Parameter81 zustande kommen: (1) Exilisch-nachexilisches („synchrones“) Verstehensparadigma: Die Asafpsalmen sind als zeitähnlich mit den Schilderungen über Asaf und die Asafiten von Esra-Nehemia und v.a. Chronik (zweiter Tempel) einzustufen.82 Für dieses Modell werden Gemeinsamkeiten wie der kollektive (na78 Vgl. SCHAPER, J., Priester und Leviten im achämenidischen Juda. Studien zur Kultund Sozialgeschichte Israels in persischer Zeit, FAT 31, Tübingen 2000, 280–302. 79 Vgl. LAATO, A., The Levitical Genealogies in 1 Chronicles 5–6 and the Formation of Levitical Ideology in Post-Exilic Juda, JSOT 62 (1994), 77–99, hier 83–92. 80 Vgl. STEINS, G., Chronik (s. Anm. 33), 271–282; STEINS, G., Art. › öir II.5.b), ThWAT VII (1993), 1278–1282, hier 1279–1282. 81 Ps 78 kann als eine Art „Leitfossil“ für die Einordnung der Asafpsalmen-Gruppe gelten. An seiner Interpretation wird der Stellenwert eines historischen und theologischen Gesamtrahmens deutlich. So stehen sich gegenwärtig die Annahmen einer (früh)vorexilischen Einordnung (bes. z.Z. der Regentschaft Hiskias) und einer (spät)nachexilischen Datierung im Blick auf die geäusserten Einschätzungen in der Forschung gegenüber (tendenziell wird im deutschsprachigen Raum die zweite, im angelsächsischen die erste Ansetzung präferiert). 82 Vgl. SCHELLING, P., Asaphspsalmen (s. Anm. 45); TOURNIER, R.J., Voir et entendre Dieu avec les Psaumes ou la liturgie prophétique du second temple à Jérusalem, CRB 24, Paris 1988 (= engl.: Seeing and Hearing God with the Psalms. The Prophetic Liturgy of
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tionale) Horizont, die gottesdienstlichen (kultischen) Bezüge, prophetische und schriftaktualisierende Aspekte sowie die Verbindung von musikalisch vorgetragener Psalmdichtung und Theologie ins Feld geführt. Die „Volksklagen“ werden mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels (587 v. Chr.) in Zusammenhang gebracht und zeitlich etwas früher (exilisch-frühnachexilisch) angesetzt. Die übrigen Asafpsalmen werden, was deren Inhalte anbetrifft, weithin deuteronomistischen (Ps 78) bzw. chronistischen Traditionslinien zugeordnet und funktional mit nachexilischer „Kultprophetie“ 83 oder aber mit spätbiblischer (weisheitlich-reflektierender) „Rollendichtung“ (frühjüdische Gebete) verbunden.84 (2) Vorexilisch-nachexilisches („diachrones“) Verstehensparadigma: Die Asafpsalmen sind (in ihrer Mehrzahl) vorexilisch; entsprechend ist eine zeitliche Absetzung und inhaltliche Differenz zwischen den Asafpsalmen einerseits und dem Asaf(iten)-Bild in Esr-Neh und Chr anzunehmen.85 Bei diesem Modell werden gegenüber den Gemeinsamkeiten (s.o.) die Differenzen zwischen den Korpora stärker gewichtet und geben den Ausschlag für Ansetzungen in zeitverschiedenen Kontexten. Dazu gehören Unterschiede zwischen den von Klagen und Gerichtsansagen bestimmten Asafpsalmen einerseits und den chr. Asafiten, die durchgängig Lobpreis darbringen, andererseits. Das chr. Asafbild fügt sich eher zu den Psalmen aus den Teilbüchern IV–V, die gegenüber den Asafpsalmen aus Teilbuch III einer späteren Wachstumsstufe des Psalters angehören. 86 Dies zeigt
the Second Temple in Jerusalem, JSOT.S 118, Sheffield 1991); OORSCHOT, J. VAN, Strukturen des Gebetes, in: EGGER-WENZEL, R. u. CORLEY, J. (Hgg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural Conference of the ISDCL at Salzburg, Austria 5–9 July 2003, Deuterocanonical and Cognate Literature. Yearbook 2004, Berlin/New York 2004, 17– 39. 83 Anders HILBER, J.W., Cultic Prophecy in the Psalms, BZAW 352, Berlin/New York 2005, 128–185, der mit vorexilischer Kultprophetie (für Ps 81, möglicherweise auch Ps 50) rechnet. 84 Vgl. OORSCHOT, J. VAN, Strukturen (s. Anm. 82), 33: „Die Sammlung exilischer Volksklagen in Ps 74*; 79*; 80* und 83 … wird nachexilisch um die Trias der Psalmen 76–78 ergänzt“ (die Asaf-Überschriften sowie die Psalmen 50*; 81f. kommen nach ihm in einer noch späteren Entwicklungsstufe hinzu, vgl. 35f.). 85 Vgl. BUSS, M.J., The Psalms of Asaph and Korah, JBL 82 (1963), 382–392; NASUTI, H.P., Tradition History (s. Anm. 42); GOULDER, M.D., Asaph’s History of Israel (Elohist Press, Bethel, 725 BCE), JSOT 65 (1995), 71–81; GOULDER, M.D., Psalms of Asaph (s. Anm. 45); WEBER, B., Asaph-Psalter (s. Anm. 45). 86 Dazu fügt sich, dass in Chronika nur Psalmen(abschnitte) aus den Büchern IV und V rezitiert werden, nämlich Ps 96; 105; 106; 132, dazu der (refrainartige) Lobaufruf „Lobpreiset JHWH, denn gut ist er; denn für immer währet seine Gnade!“ in Ps 106,1; 107,1; 118,1.29; 136,1 (vgl. BEENTJES, P.C., Psalms and Prayers [s. Anm. 32], 11). Erwähnenswert ist ferner, dass im Zusammenhang der Rezeption der Passagen aus den genannten vier Psalmen in I Chr 16,8–36 und II Chr 6,40–42 die Lade eine wichtige
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nicht nur ein Vergleich der Gattungen und des einschlägigen Vokabulars87, sondern auch die Aufführung von Ps 96 und 105f. in I Chr 16,8–36 durch Asaf. 88 Das „Label“ „zugehörig Asaf“ tragen diese drei Psalmen nicht (mehr) – wahrscheinlich war der Editionsprozess der Gruppe der Asafpsalmen bzw. des „elohistischen Psalters“ zu dieser Zeit bereits abgeschlossen.89 Wesentlich zur Einschätzung der vorexilischen Herkunft eines Teils der Asafpsalmen trägt das sich mehrfach zeigende Nordreich-Kolorit (verbunden mit Exodus-Traditionen) bei (s.o.). Werden diese Phänomene im Rahmen des „synchronen“ Modells als Ausdruck eines gesamtisraelitischen (ideales Israel) oder universalen Horizonts interpretiert bzw. einer chronistischen Perspektive (Samaritaner-Schisma) zugeordnet, 90 so wird im „diachronen“ Modell davon ausgegangen, dass ein Teil der Asafpsalmen aus dem Nordreich (Ephraim) stammt (Bethel?). Nach dessen Fall wurden die hinter den Psalmen stehenden (protodtn. oder frühdtn.) Trägerkreise im Südreich unter Hiskia neu beheimatet.91 Die Asafpsalmen halten dergestalt die Zugehörigkeit der Nordstämme in Israel unter Führung Jerusalems wach (vgl. dazu den asafitischen „Schlüsselpsalm“ 78 92 ). Zum Chronisten fügt sich diese Interpretation dann, wenn man seinen Berichten zu Hiskia (und Josia) (zumindest partiell) historische Glaubwürdigkeit zubilligt. Für dieses m.E. zu favorisierende „diachrone“ Erklärungsmodell ergibt sich im Blick auf die Asafpsalmen ungefähr das folgende grobe Zeit- und Geschehensraster: Rolle spielt (vgl. I Chr 16,1–6.37–43; II Chr 5,4–14; 6,41 = Ps 132,8f.) und eine Verbindung zwischen der Autorität Moses und Davids / Salomos herstellt. 87 Die Tätigkeiten der Tempelsänger in Esr-Neh und Chr werden oft mit den Verben und beschrieben (s.o.) – ein Umstand, der sich kaum zu den Asafpsalmen (und den Psalterteilbüchern I–III generell), wohl aber zu den vielen Lobpsalmen in den Teilbüchern IV–V fügt. 88 So aufgrund der üblicherweise angenommenen Abhängigkeitsklage. Anders KRATZ, R.G., Die Tora Davids. Psalm 1 und die doxologische Fünfteilung des Psalters, ZThK 93 (1996), 1–34, hier 15f.21–28, der von einer lit. Priorität von Chr ausgeht. 89 RÖSEL, CHR., Die messianische Redaktion des Psalters. Studien zu Entstehung und Theologie der Sammlung Ps 2–89*, CThM.BW 19, Stuttgart 1999, 71–91.214–217, rechnet mit der Formierung des „elohistischen Psalters“ (Ps 42–83*) in exilisch-frühnachexilischer Zeit (die David-Asaf-Sammlung Ps 50–83* geht diesem zeitlich voran). Für den „messianischen Psalter“ (Ps 2–89*) nimmt er einen terminus a quo 515 v. Chr. (Tempeleinweihung) an. 90 Vgl. BAE, H.-S., Vereinte Suche nach JHWH. Die Hiskianische und Josianische Reform in der Chronik, BZAW 355, Berlin/New York 2005, bes. 162ff. 91 Zu einer bereits früheren priesterlich-levitischen Umorientierung vom Norden nach Jerusalem vgl. II Chr 11,13–17. 92 Vgl. W EBER, B., Psalm 78 (s. Anm. 56); W EBER, B., Asaph-Psalter (s. Anm. 45), 127ff.
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(A) Eine bedeutende Zahl der Asafpsalmen lag bereits um ca. 700 v. Chr. in Jerusalem (Hiskia-Zeit) vor. 93 Die Sammlung bestand aus alten Nordreichpsalmen (prophetische Gerichtspsalmen) und (Volksklage-) Psalmen, die den Fall des Nordreichs verarbeiteten.94 Die mitgebrachten, ursprünglich im Nordreich beheimateten Überlieferungen wurden mit solchen aus Jerusalem verbunden. 95 Die hinter den Asafpsalmen stehenden Trägerkreise dürften in der Regentschaft Hiskias eine bedeutende Stellung gehabt haben96 und mitverantwortlich für die Einbringung eines gesamtisraelitischen Horizonts 97 gewesen sein. 98 Aufgrund der häufigen und vielfältigen Rezeption und Adaption frühgeschichtlicher Israel-Überlieferungen, die in den Asafpsalmen greifbar wird, besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass die hinter ihnen stehenden Trägerkreise in der vorexilischen Königszeit über diese Psalmen hinaus auch mit Sammlung, Überlieferung und Edierung weiterer (nationaler) Stoffe in Zusammenhang zu bringen sind.99
93 Vgl. dazu die Ehrenbezeichnung Asafs als „Seher“ des Königs und die Autorisierung von ihm zugeschriebenen Psalmen durch König Hiskia in II Chr 29,30 (s.o.). 94 Zum Plädoyer für eine Interpretation von Ps 74 – der (zusammen mit Ps 79) fast unisono auf das Geschehen von 587 v. Chr. bezogen wird – auf dem Hintergrund des Falls des Nordreichs (722 v. Chr.) vgl. WEBER, B., Zur Datierung der Asaph-Psalmen 74 und 79, Bib. 81 (2000), 521–532, hier 521–528. 95 Damit wurden bereits ab Hiskia die Umrisse eines gesamtisraelitischen Horizonts ansichtig, vgl. FINKELSTEIN, I. u. SILBERMAN, N.A., Temple and Dynasty: Hezekiah, the Remaking of Judah and the Rise of the Pan-Israelite Ideology, JSOT 30 (2006), 259–285. Zur Herkunft von (Land-)Leviten aus dem Gebiet des Nordreichs und ihrer Bedeutung für Überlieferung und Komposition biblischer Schriften vgl. CHRISTIAN, M.A., Revisiting Levitical Authorship: What Would Mose Think?, Zeitschrift für Altorientalische und Biblische Rechtsgeschichte 13 (2007), 194–236. 96 Falls sich der Befund der vorexilischen Asafsiegel (s.o.) auswerten und in einen Zusammenhang mit den Trägerkreisen hinter den Asafpsalmen bringen lässt, so könnten die Siegel darauf hinweisen, dass Asafiten bzw. eine asafitische Seitenlinie hohe Ämter (!?) am Königshof innehatten. 97 Vgl. FINKELSTEIN, I. u. S ILBERMAN, N.A., Temple (s. Anm. 95). Anders NAAMAN, N., When and How Did Jerusalem Become a Great City? The Rise of Jerusalem as Judah’s Premier City in the Eighth–Seventh Centuries B.C.E., BASOR 347 (2007), 21–56, hier 28–40.46–48. 98 Eine erste, vorläufige Gruppierung der Asafpsalmen wurde möglicherweise bereits vorexilisch festgelegt und in die Abfolge eine theologische (WEBER, B., Asaph-Psalter [s. Anm. 45], 127–136), allenfalls liturgische Programmatik (GOULDER, M.D., Asaph’s History [s.Anm 85]; GOULDER, M.D., Psalms of Asaph [s. Anm. 45]; STEYMANS, H.U., Traces of Liturgies in the Psalter: The Communal Laments. Psalms 79, 80, 83, 89 in Context, in: HUMAN, D.J. u. VOS, C.J.A. [Hgg.], Psalms and Liturgy, JSOT.S 410, London/New York 2004, 168–234) eingeschrieben. 99 Vgl. GOULDER, M.D., Psalms of Asaph (s. Anm. 45), 190–327. Auch wenn man Goulders teils kühnen Thesen nicht zustimmen kann, sind seine Versuche, einen Zusam-
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(B) Aufgrund der Analogie der Geschehnisse von 587 v. Chr. (Fall des Südreichs) mit 722 v. Chr. (Fall des Nordreichs) kam es zur Neuverwendung und -aktualisierung bestehender Asafpsalmen, der Fortschreibung der Gruppe durch Ps 79100 und damit zur Herausbildung des „Asafpsalters“ in exilisch-frühnachexilischer Zeit.101 Das frühe und markante Auftreten der Asafiten nach dem Exil erklärt sich durch ihre vorexilische Herkunft sowie ihre besondere Kompetenz der theologischen Verarbeitung der Exilskatastrophe(n). (C) Am zweiten Tempel bleiben die Asafiten, deren Kleinpsalter praktisch abgeschlossen ist und bereits in grössere Editionen („elohistischer Psalter“ Ps 42–83*; „messianischer Psalter“ Ps 2–89*) eingefügt wurde, über längere Zeit eine bestimmende Gruppe am Jerusalemer Tempel.102 In der frühnachexilischen Zeit allein verantwortlich für die Tempelmusik, teilen die Asafiten diese Aufgabe später mit anderen Gilden. In spätbiblischer Zeit scheint ihre Bedeutung – aus nicht geklärten Gründen – abzunehmen. Die nachbiblische Zeit und spätere Quellen nehmen zwar Bezug auf Psalmen, die Asaf zugeschrieben sind, und erwähnen Leviten und Tempelsänger,103 aber die Spur der Nachfahren Asafs verliert sich.
7. Zur Wirkungsgeschichte Aufgrund des Umstandes, dass – soweit ich sehe – in nachbiblischer Zeit praktisch keine (neuen) Informationen über Asaf und den Asafiten zu finden sind, ist eine Wirkungsgeschichte im engeren Sinn nicht (be)schreibbar. In einem weiteren Sinn wirkt Asaf als Urbild und Typus des Dichters, Sängers und Musikers geistlicher Lieder nach. Das zeigt sich etwa auf dem Epitaph für den bekannten lutherischen Dichterpfarrer Paul Gerhardt (1607–1676) im brandenburgischen Lübben. Das lateinische menhang zwischen den asafitischen Trägerkreisen und der Überlieferung und Formierung pentateuchischer Stoffe herzustellen, weiterer Überlegungen wert. 100 Dazu W EBER, B., Datierung (s. Anm. 94), 528–532. 101 Vgl. MILLARD, M., Die Komposition des Psalters. Ein formgeschichtlicher Ansatz, FAT 9, Tübingen 1994, 89–103; RÖSEL, CHR., Messianische Redaktion (s. Anm. 89), 82– 85; WEBER, B., Asaph-Psalter (s. Anm. 45), 136–138. 102 Einflüsse von ihnen auf Prozesse der Psalterredaktion (v.a. im Blick auf die Teilbücher III und IV) wie auch auf die Abfassung der Chronika, in welcher der Jerusalemer Kult, seine Musik und die Tempelsänger einen gewichtigen Platz einnehmen, ist zu vermuten (die Zuordnung bzw. Abfolge von Asaf und Qorach ist im Arrangement von deren Psalmen innerhalb des Psalter und möglicherweise in der Schilderung von II Chr 20 reflektiert). 103 Vgl. die Hinweise in SAFRAI, S., Die Wallfahrt im Zeitalter des Zweiten Tempels, FJCD 3, Neukirchen-Vluyn 1981.
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Epigramm lautet übersetzt: Wie lebendig siehst Du hier / Paul Gerhardts teures Bild, / Der ganz vom Glaube, Lieb und Hoffnung / War erfüllt. / In Tönen voller Kraft, / gleich Asaphs Harfenklängen / Erhob er Christi Lob / Mit himmlischen Gesängen. / Sing seine Lieder oft, o Christ, in heil’ger Lust, / so dringet Gottes Geist / durch sie in deine Brust.
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Autorenverzeichnis CANCIK-KIRSCHBAUM, Eva Professorin für Altorientalistik an der Freien Universität Berlin. DIEHL, Johannes Friedrich Akademischer Rat für Altes Testament und Nordwestsemitische Sprachen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main. ERLER, Michael Professor für Klassische Philologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. HAGEDORN, Anselm C. Privatdozent für Altes Testament an der Humboldt-Universität Berlin. LÖHR, Hermut Professor für Neues Testament an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. PAULSEN, Thomas Professor für Klassische Philologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main. QUACK, Joachim F. Professor für Ägyptologie an der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg. SCHMIDT, Karin Stella Akademische Rätin für Altorientalistik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. STADLER, Martin Privatdozent für Ägyptologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. WAGNER, Andreas Professor für Altes Testament an der Universität Bern (Schweiz). WEBER, Beat Evangelisch-reformierter Pfarrer sowie Fachdozent für Altes Testament (Masterprogramm) am Theologischen Seminar Bienenberg, Liestal (Schweiz), und am Theologisch-Diakonischen Seminar, Aarau (Schweiz). WITTE, Markus Professor für Altes Testament an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Register 1. Autorenregister (moderne Autoren und Autorinnen) Achenbach, R. 110 Adamzik, K. 199 Afanasieva, V. 126 Albertz, R. 93 Albrecht, J. 199 Alexandre, C. 93 Allen, J.P. 147 Allen, T.W. 167, 168, 178 Al-Rawi, F.N.H. 15 Alster, B. 14, 126 Althoff, J. 56 Amir, Y. 107 Andersen, F.I. 71, 82 Ang, I. 95 Antos, G. 199 Arnim, H. v. 185 Arnold, B.T. 15 Asper, M. 189 Assmann, J. 141, 142, 143, 153, 154, 155, 157, 159 Augusti, J.Chr.W. 67 Aune, D.E. 98 Ausfeld, K. 224 Avigad, N. 237, 238 Bae, H.-S. 256 Baker, H.D. 236 Ballhorn, E. 250 Bamberger, S. 76 Barguet, P. 156 Barnbrock, Chr. 74 Barton, J. 93, 98 Bauckham, R. 107 Bauer, D. 42 Bauks, M. 76, 159 Baus, K. 229 Bayer, K. 199 Beaulieu, P.-A. 8, 135
Becking, B. 242 Bedenbender, A. 81, 85, 89 Beentjes, P.C. 242, 255 Begrich, J. 197 Behlmer, H. 34, 151 Behrens, A. 21, 74 Bellis, A.O. 98 Bennett, T. 95 Betz, O. 253 Bianchi, R.S. 41 Bickel, S. 147, 151, 152, 155, 156 Biggs, R.D. 12 Bittel, K. 13 Black, J.A. 119, 124, 127 Black, M. 81 Blasius, A. V, 23, 24, 25, 89, 90, 91, 147 Blenkinsopp, J. 94, 99 Blöbaum, A.I. 31 Bloch, R. 54 Blum, E. 24, 68, 76 Blumenthal, E. 153 Böhl, F.M.Th. 19 Boiy, T. 119, 120, 126, 139 Bordreuil, P. 238 Borger, R. 4, 122, 126 Bosshard-Nepustil, E. 74, 78 Bourdillon, M.F.C. 94 Bousset, W. 222 Bowley, J.E. 98, 99 Boyce, M. 162 Bradshaw, P.F. 228 Brandt, S. 106 Bremmer, J. 94 Briant, P. 4
Bricault, L. 161 Brin, G. 98 Brinker, K. 199 Brisson, L. 57 Brown, D. 125 Bryan, B.M. 156 Buitenwerf, R. 95, 109, 113, 115, 228 Burger, M. 250 Burkard, G. 35 Burkert, W. V Buschmann, G. 229 Buss, M.J. 255 Cancik-Kirschbaum, E. 5 Cannadine, D. 4 Capes, D.B. 219 Caplice, R. 125 Carlotti, J.-F. 156 Carrez-Maratray, J.-Y. 27 Cathcart, K.J. 68, 74 Charlesworth, J.H. 93, 104 Chassinat, É. 144 Chavalas, M.W. 15 Christian, M.A. 257 Civil, M. 126 Clarysse, W. 41 Clay, D. 54, 61, 62 Clements, R.A. 219 Clements, R.E. 77 Cohen, M.E. 8, 121, 124, 126, 129, 130, 133 Cohen, S.D. 98 Collins, J.J. 79, 90, 93, 94, 95, 103, 104, 105, 107, 112
Register Coogan, M.D. 237 Cooper, J. 14 Cordes, A. 247 Corley, J. 255 Coseriu, E. 199 Courcelle, P. 54 Crenshaw, J.L. 87 Crüsemann, F. 203, 212 Cuypers, M. 188, 189 Dangl, O. 67, 83 Daumas, F. 26 Deichgräber, R. 227 Delitzsch, Fz. 67, 70 Demuss, K. 34 Derchain, Ph. 142, 157 Deutsch, R. 235, 237, 238, 239, 240 Devauchelle, D. 25 Diedrich, F. 96 Diels, H. 103 Dimant, D. 111 Doeker, A. 226 Dorman, P.F. 156 Doty, L.T. 139 Driel, G. Van 128 Dufoix, S. 95 Duhm, B. 70, 88 Durand, J.-M. 5, 128 Ebenbauer, P. 226 Eddy, S.K. 89 Edel, E. 156 Edelstein, L. 59 Edzard, D.O. 121 Effe, B. 89, 192 Effenterre, H. van 112 Egger-Wenzel, R. 255 Eißfeldt, O. 86 Elliger, K. 80 Emerton, J.A. 251 Engelmann, H. 101, 104 Engsheden, Å. 31 Erler, M. 54, 56, 58, 60, 65 Erman, A. 237 Evans, C.D. 19 Everson, A.J. 88 Ewald, H. 67, 84, 87 Exum, J.C. 237
Falkenstein, A. 121, 122, 124, 129, 134, 137 Felber, H. 23, 25, 26, 27, 30, 34, 35, 37, 41, 89 Fiensy, D. 219 Finkelstein, I. 257 Fishbane, M. 98 Fix, U. 199 Flashar, H. 60 Flint, P. 88 Flint, P.W. 98 Floyd, M.H. 68, 70, 71, 94 Flusser, D. 228 Fohrer, G. 83 Foster, B.R. 20, 122, 125, 134, 135, 137 Fowler, R. 108 Frahm, E. 236 Frankfurter, D. 26 Fuchs, A. 137 Füglister, N. 251 Galling, K. 77 Gantz, T. 102 García Martinez, F. 88 Gardiner, A.H. 145, 146 Garelli, P. 13 Garsiel, M. 236 Gauger, J.-D. 79, 89, 90, 93 Geertz, C. 112 Geffcken, J. 93, 94, 104, 114 Gerber, U. 199 Gerhards, A. 226 Gernet, J. 57 Gerstenberger, E.S. 83, 87 Gese, H. 253 Gessel, W. 220 Gestermann, L. 143 Giesebrecht, F. 82 Gigante, M. 56 Gillingham, S.E. 253 Girone, M. 161 Glassner, J.-J. 12, 15, 20, 21
295 Glickler Chazon, E. 219 Gnirs, A. 34, 151 Goebs, K. 151 Goedicke, H. 77 Goetze, A. 13, 14 Gordon, R.P. 68, 74 Görg, M. 160 Goulder, M.D. 247, 250, 255, 257 Gozzoli, R.B. 23 Grabbe, L.L. 98 Graeser, A. 59 Gray, R. 99 Grayson, A.K. 4, 9, 14, 15, 16, 18, 19 Greenspahn, F.E. 98 Grenfell, B.P. 161 Greule, A. 199 Griffiths, J.G. 160 Grossberg, L. 95 Grund, A. 209 Güterbock, H.G. 13, 14, 15 Guichard, M. 128 Gunkel, H. 83, 197, 203 Gunneweg, A.H.J. 69, 74, 76, 78, 80, 85 Guthe, H. 237 Haag, E. 42 Haak, R.D. 70, 82 Hagedorn, A.C. 78, 79, 93 Halliday, W.R. 178 Hallo, W.W. 19, 21, 122 Hammer, R. 42 Hammersteadt, J. 55 Happel, O. 88 Harder, M.A. 188 Hartenstein, F. 79, 94, 197 Hartman, L.F. 42 Hasel, G.F. 19 Haussig, H.W. 162 Hecker, K. 120, 121, 122, 123 Heiler, F. 198 Heinemann, M. 199 Heinemann, W. 199 Heintz, J.G. 60
296 Heitsch, E. 57 Held, W. 135 Heltzer, M. 237, 239 Hengel, M. 105, 253 Henten, J.W. van 229 Hermisson, H.-J. 115 Herrmann, S. 25, 153 Herrmann, W. 70, 83, 85, 88 Herzfeld, E. 162 Hilber, J.W. 255 Hoberg, R. 199 Höffken, P. 8 Hoffmann, F. 23, 135, 149, 150, 163 Hogrebe, W. 56 Hoh, M. 5 Hölbl, G. 160 Holtmann, S. 250 Hopfer, T. 54 Horst, F. 80, 83 Horst, P.W. van der 219 Hossfeld, F.-L. 98, 207 House, P.R. 68, 84, 87 Hruška, B.U. 126, 135 Human, D.J. 257 Humbert, P. 70, 83 Hunger, H. 6, 8 Hunt, A.S. 161 Hunter, R. 108 Hurtado, L.W. 222 Huss, W. 23, 25, 26, 28, 30, 35 Hutchinson, G.O. 192 Huwyler, B. 247 Ishida, Th. 19 Janowski, B. 246 Jarick, J. 87 Jenni, E. 236, 246 Jeremias, J. 78, 84, 96 Joannès, F. 119 Jöcken, P. 75 Johnson, J.H. 23, 26, 27, 28, 35, 36, 37, 145 Kaempfert, M. 198 Kaiser, O. 79, 83, 94, 109, 115, 126
Register Kaplony, P. 23 Kaufman, S.A. 6, 8, 19 Kautzsch, E. 237 Keel, O. 252 Kern, O. 165 Kessler, R. 68, 78 Kidd, I.G. 59 Kiefer, J. 95 Kirk, G.S. 167 Klän, W. 74 Klauck, H.-J. 53 Kleinig, J.W. 242, 245 Kloft, H. 176 Klopfenstein, M.A. 236 Klotz, D. 143 Knigge, C. 142, 149, 155, 157, 158, 159 Kobusch, Th. 65 Koch, D.-A. 228 Koch, K. 91 Koch-Westenholz, U. 11, 14 Köckert, M. 5, 246 Koenen, K. 75, 78, 82 Köhler, L. 89 Komoróczy, G. 135 König, P.-P. 208 Kottsieper, I. 68 Krahmalkov, C.R. 235 Kramer, S.N. 128 Kratz, R.G. 256 Krecher, J. 121 Krispenz, J. 79, 94 Krispijn, T.J.H. 128 Kropp, M. 213 Krüger, A. 159 Küchler, J. 26 Kuhrt, A. 4, 120, 135, 136, 138 Kullmann, W. 56 Kurfess, A. 93 Kurth, D. 144 Laato, A. 254 Laboury, D. 156 LaCapra, D. 94 Lambert, W.G. 4, 13, 19, 20, 124, 125, 126, 127, 129, 133, 134, 135
Langdon, S. 121, 122, 124, 136, 138 Larson, J. 143 Laubmann, G.L. 106 Lauffer, S. 188 Lebram, J.-Ch. 42 Leeuw, G. van der 198 Lefèbvre, G. 148 Leitz, Ch. 142 Lella, A.A. di 42 Lemaire, A. 205, 237, 238, 239 Lesky, A. 87, 89 Levin, S. 55, 56 Levy, A. 95 Lévy, C. 60 Lichtenberger, H. 81 Lichtheim, M. 150 Liess, K. 76, 159 Lietzmann, H. 229 Lieven, A. von 41, 144 Lightfoot, J.L. 93, 105, 106, 107, 109, 110, 113, 115 Linde, G. 67 Linssen, M. 125 Linssen, M.J.H. 119, 126 Lippert, S. 24, 41, 149 Lippert, S.L. 23 Lohfink, N. 126 Löhr, H. 218, 224, 225, 226, 227, 228 Lohse, E. 72 Longman III, T. 4, 7, 17, 18, 19, 20 Loprieno, A. 141 Lubs, S. 237 Luck, G. 54 Luiselli, M.M. 155 Luzarraga, J. 232 Mac Laurin, E.C.B. 236 Maehler, H. 183 Marti, K. 82 Mascialino, L. 89 Mathys, H.-P. 247 Maul, S.M. 124 McEwan, G.J.P. 119, 139
Register McKane, W. 115 Merkelbach, R. 101, 104 Merklein, H. 93, 100 Metzger, B.M. 251 Metzner-Nebelsick, C. 145 Meyer, E. 23, 27, 30, 33, 35, 42 Meyer, J.-W. 14 Michel, D. 206 Mikalson, J.D. 54 Millard, M. 250, 251, 258 Miller, T.A. 219 Minas-Nerpel, M. 149 Moers, G. 34, 151 Mojsisch, B. 65 Momigliano, A. 95 Monro, D.B. 167 Moor, J.C. de 94 Moran, W.L. 126 Morenz, S. 153 Morris, M. 95 Motte, A. 54 Moulton, R.G. 67, 89 Mowinckel, S. 83 Mulder, M.J. 111 Mykytiuk, L.J. 236, 237, 238 Naaman, N. 257 Nasuti, H.P. 246, 247, 255 Newman, J.H. 219 Niederwimmer, K. 228 Nikiprowetzky, V. 94, 104, 113, 114, 115 Nissinen, M. 5 Nitsche, S.A. 24, 72, 84 Nogalski, J. 78, 82 Nordheim, E. von 159 Nougayrol, J. 13 Nowack, W. 88 Nunn, A. 213 Nussbaum, M.C. 56 Obbink, D. 63, 66 Oegema, G.S. 81
Oelsner, J. 126, 135, 139 Oeming, M. 144, 204 Olmo Lete, G. del 5 Onasch, A. 153 Oorschot, J. van 255 Oppenheim, A.L. 4 Otto, E. 71, 78, 82, 96, 147, 148 Papadopoulos, S.G. 199 Parke, H.W. 54, 101, 103 Parkinson, R. 32 Pearson, R.F. 97 Pécoil, J.-F. 156 Peels, E. 242 Perlitt, L. 69, 71, 74, 82, 96 Pfeffer, F. 58, 59, 60 Pfeiffer, H. 71, 74, 80, 82 Pfeiffer, R. 188 Philonenko, M. 232 Piepenbrink, K. 55 Pingree, D. 11 Plassmann, J.O. 165 Polenz, P. von 201 Porteous, N.W. 42 Posener, G. 34, 156 Price, S.R.F. 4 Procksch, O. 88 Purkarthofer, R. 67 Quack, J.F. 23, 24, 25, 32, 89, 142, 143, 144, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 155, 156, 157, 158, 163 Quaegebeur, J. 23 Qumran 24, 72, 85, 88, 98, 218, 251, 255, 267 Ratschow, C.H. 198 Rawlinson, H.C. 134 Ray, J.D. 145, 147, 148 Recklinghausen, D. v. 142
297 Reddit, P.L. 42, 83, 87, 88 Reimer, D. 94 Reinau, H. 14 Reiner, E. 11, 13 Reisner, G. 133 Renger, J. 15 Renz, J. 80, 235, 237, 238, 239, 246 Reuss, E. 91 Reventlow, H. Graf 201 Richardson, N.J. 171, 176, 178 Riede, P. 76, 159 Roberts, J.J.M. 98 Rochberg-Halton, F. 12 Röllig, W. 80, 121, 235, 237, 238, 239, 246 Römer, W.H.P. 120, 122 Rösel, Chr. 256, 258 Rosenberger, V. 76 Rudolph, W. 75, 83, 97 Rüsen-Weinhold, U. 252 Ruzé, F. 112 Ryholt, K. 24, 149, 150 Rzach, A. 93 Sack, D. 5 Safrai, S. 258 Sandman, M. 154 Sandt, H. van de 228 Sandt, H. van de 228 Sass, B. 237, 238 Sasson, J. M. 126 Sasson, J.M. 122 Satran, D. 219 Sauneron, S. 143, 157, 158 Saur, M. 113 Schadewaldt, W. 167 Schäfer, P. 99 Schaper, J. 98, 254 Schart, A. 79, 83, 87, 88, 94 Schäublin, Chr. 59 Schaudig, H. 10, 135 Scheffer, T. v. 180, 181 Schelling, P. 247, 254
298 Schentuleit, M. 24, 149 Schiaparelli, E. 148 Schipper, B.U. V, 23,24, 25,89, 90, 91, 147 Schmid W. 87 Schmid, K. 144 Schmid, W. 54, 86, 87, 89 Schmidt, E.G. 180, 181 Schmidt, J. 5 Schmidt, J.M. 91 Schmidt, K.S. 120, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 135 Schmidt, L. 81 Schmidt, P. 253 Schmitt, R. 68 Schneider, Th. 159 Schofield, M. 55 Schoors, A. 41 Schreiner, J. 251 Schretter, M. 129 Schüle, A. 144 Schulz, H. 67 Schulz, R. 160 Schwemer, A.M. 81, 84, 88 Scriba, A. 80 Sellin, E. 70, 76, 87, 88 Seux, M.-J. 134, 137 Seybold, K. 71, 82, 204, 207, 208, 209, 210, 211, 247 Sherwin-White, S. 120, 135, 136, 138 Sikes, E.E. 178 Silberman, N.A. 257 Smith, J.Z. 85 Smith, M. 143, 145, 146, 147 Smith, M.F. 61, 64 Smith, N.D. 56 Snell, B. 100, 183 Snell, D.C. 8 Soden, W. von 119, 122, 124, 135, 139 Sommer, B. 98 Spa, I. 125, 126, 127, 129, 133, 134, 135
Register Sperber, A. 74 Spieckermann, H. 98 Spiegelberg, W. 23, 30, 38 Spillmann, H.O. 199 Stade, B. 69, 82 Stadler, M.A. 135, 150, 151, 152 Stager, L.E. 237 Stählin, O. 86, 87, 89 Stamm, J.J. 139, 236 Stärk, W. 88 Starr, I. 13, 14 Steinacker, P. 67 Steins, G. 242, 250, 254 Stemberger, G. 98 Sternberg-El Hotabi, H. 143 Steudel, A. 72, 85, 86 Steymans, H.U. 257 Stol, M. 128 Stolz, F. V Strobel, A. 75 Summerell, O.F. 65 Sweeney, M.A. 68, 70, 82, 97 Szlezák, Th.A. 65 Tacke, N. 145 Teeter, E. 143 Thissen, H.J. 23, 25, 35 Thissen, H.-J. 149 Thomas, D.J. 19 Thompson, D.J. 145 Thompson, M.E.W. 68, 70, 82, 85, 87 Thureau-Dangin, F. 121, 126, 128 Tigchelaar, Eibert J.C. 88 Totti, M. 160, 161 Totti-Gmünd, M. 161 Tournier, R.J. 254 Tov, E. 98 Trampedach, K. 55, 57, 60 Tsukimoto, A. 19 Uehlinger, Chr. 237, 238
Ungern-Sternberg, J. von 14 Usener, H. 63 Ussishkin, D. 237 Utzschneider, H. 24, 72, 84, 87 VanderKam, J.C. 98, 100 Vandermeersch, L. 57 Vawter, B. 126 Veenhof, K.R. 128 Veijola, T. 74 Veïsse, A.E. 38 Vernant, J.-P. 57 Vielhauer, R. 99 Vogt, E. 87 Volk, K. 126 Vos, C.J.A. 257 Voss, S. 156 Wagner, A. 199, 200, 201, 203, 205, 208, 213 Waitkus, W. 142 Wallenfels, R. 139 Wanke, G. 235 Warnke, I. 199 Wartke, R.-B. 77 Watts, J.W. 68, 80, 84, 90 Watzinger, C. 237 Weber, B. 240, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 255, 256, 257, 258 Weber, R. 88 Wegner, J.R.H. 150 Weiher, A. 168, 169 Weiher, E. von 6 Weingrod, A. 95 Weippert, M. 93 Weisberg, D.B. 8 Weissbach, F.H. 134 Wellhausen, J. 76, 82, 91, 97 Wenig, St. 156 Werner, O. 184 Wessetzky, W. 38, 40 West, M.L. 183
Register Westenholz, A. 120 Weszeli, M. 126 White, J.B. 19 Widmaier, K. 34, 151 Widmer, Gh. 149 Wiegers, H. 208 Wilcke, C. 14, 124, 129 Wilcken, U. 145 Willems, H. 41 Willi-Plein, I. 97
Willmes, B. 96 Wilpert, G. von 197 Winkle, S. 167 Witte, M. 87, 251 Wöhrle, J. 68, 82, 88 Wunsch, C. 126 Yoyotte, J. 158
299 Zauzich, K.-Th. 23, 145 Zawadzki, St. 4 Zeidler, J. 155 Zenger, E. 68, 98, 110, 207, 246, 247, 249, 250, 253 Zimmermann, B. 87, 183 Zobel, H.-J. 110
Zadok, R. 235, 236, 238
2. Sach- und Namensregister Alexander d. Gr. V, 4, 54, 88, 89, 99, 120, 191 Amel-Marduk 8 Antiochos I. (Soter) 8, 81, 88, 120, 134, 136, 137, 138 Antiochos III. 38 Apokalyptik, Apokalypse V, 3, 19, 20, 23, 24, 25, 79, 81, 84, 85, 86, 89, 90, 91, 147 Apollon 101, 102, 166, 167, 168, 169, 179, 180, 181, 184, 194 Aretalogie 155, 161, 166, 167, 169, 170, 177, 178, 181, 182, 187, 189, 193 Asaf, Asafiten 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259 Asafpsalm(en) 240, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 254, 255, 256, 257, 258 Assur 17, 18, 19 Aton 158 Atum 146, 147, 155 Autobiographie 18
Babylon 4, 7, 8, 9, 10, 15, 17, 21, 88, 103, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 119, 120, 135, 139 Bittgebet 70, 120, 134, 136, 137, 138, 139, 140, 202, 220, 228 Botanischer Garten des Achmenu 156 Chaldäer 9, 67, 70, 88 Chnum-Re 157 Christentum 64, 217, 218, 219, 220, 222, 223, 226, 227, 229, 230, 231 Chronik(a), Chroniken 4, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 23, 242, 243, 245, 252, 253, 254, 255, 256, 258 Daniel, Danielbuch 9, 19, 21, 42, 43, 68, 75, 79, 85, 86, 88, 89, 98, 99, 229, 236 Dime 160 Divination 3, 5, 11, 13, 14, 16, 18, 20, 21, 41, 53, 56, 57, 97, 105, 264, 265, 271, 276, 278
Elam 9, 10, 12, 13, 14, 17 Enlil 9, 11, 12, 13, 128, 130, 132, 133, 134 Epiphanie 80, 84, 175, 177 Epitheton 71, 138, 146, 167, 169, 173 Eschatologie 19, 72, 90 Esna 142, 143, 157, 158 Esra, Esrabuch 78, 79, 85, 86, 238, 240, 241, 246, 252, 253, 255, 256 Esra-Nehemia 241, 252, 254 Ezechiel, Ezechielbuch 87, 99 Fortschreibung 25, 38, 43, 97, 258 Fremdvölkerworte 93, 108, 110 Gnomologium Vaticanum 62 Griechen 10, 24, 28, 29, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 46, 51, 160, 165 Gula 120, 130, 132 Henoch 81, 86, 105 Herakleopolis 28, 31, 32, 35, 37, 39, 45, 46, 47
300 Heraklit v. Ephesos 100, 101, 103, 105 Hiob, Hiobbuch 69, 77 Hiskia 223, 239, 240, 244, 252, 254, 256, 257 Hymne, Hymnos V, 102, 120, 121, 122, 123, 124, 129, 131, 133, 134, 137, 141, 142, 143, 144, 145, 150, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 168, 169, 171, 173, 174, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 195, 197, 203, 206, 214, 222, 227 Inan(n)a 120, 124 Intertextualität, intertextuell 12, 123, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 138, 140 Invokation 166, 169, 170, 173, 177, 182, 186, 188 Isidoros von Narmuthis 160, 161 Isis 28, 47, 49, 142, 148, 160, 161, 162, 163 Jesaja, Jesajabuch 24, 64, 72, 73, 74, 78, 84, 86, 100, 111, 251 Josephus 99, 223, 240 Jupiter 11, 12, 171 Klage V, 69, 70, 71, 72, 76, 84, 121, 123, 124, 128, 130, 132, 133, 134, 138, 140, 205, 206, 226, 250, 255 Kleopatra 106, 107
Register Königtum 7, 9, 17, 23, 26, 35, 136, 214 Lesedrama 86, 87, 90 Levi, Leviten 84, 240, 241, 242, 243, 244, 252, 253, 254, 257, 258 Litanei, litaneihaft 123, 131, 132, 133, 134, 145, 147, 148 literary predictive text 3 Liturgie 83, 218, 219, 220, 223, 226, 227, 231 Mantik 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 66 Marduk-Prophetie 4 Metatranszendenztheologie, Kritik der 153, 155, 157 Mose 74, 77, 80, 81, 85, 87, 90, 96, 99, 101, 105, 153, 159, 248, 256, 257 Mundöffnungsritual 147, 148 Mysterien 63, 165, 176, 177 Nabû 134, 135, 136, 137, 138 Nebukadnezar II. 121, 135 Nehemia, Nehemiabuch 74, 76, 78, 89, 238, 240, 241, 243, 246, 252, 253, 255, 256 Nektanebes 27, 28, 29, 30, 32, 33, 34, 36, 38, 43, 45, 48, 49, 50, 51 Nektanebos 29, 30, 31, 32, 33, 34, 36, 43, 90 Noah 102, 108 Omen-Texte 11, 18 Orakelwesen 5, 53
Perser 10, 28, 31, 33, 36, 38, 42, 93, 162 Philosophie 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 163, 202 Physiologie 61, 62, 63, 66 Politische Meinungsbeeinflussung 32 Prophetie 3, 4, 5, 10, 18, 19, 20, 31, 33, 55, 56, 62, 63, 64, 66, 74, 79, 90, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 112, 113, 116, 244, 247, 249 Prophetie, Ende der 94, 96, 98 Prophezeiung 3, 5, 18, 19, 34, 64, 89, 100 Sänger 240, 244, 252 Sänger(gilde) 57, 124, 165, 241, 242, 243, 244, 252, 253 Seleukos 8, 138 Tafel 6, 9, 10, 17, 27, 73, 74, 76, 77, 85, 89, 90, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 166, 214 Tempelsänger 241, 242, 243, 244, 253, 256, 258 Teos 27, 28, 29, 30, 31, 32, 34, 36, 43, 45 Theodizee 87 Theologie VI, VII, 60, 65, 66, 67, 75, 98, 144, 145, 153, 155, 199, 213, 218, 220, 242, 247, 248, 249, 250, 253, 255, 256 Theophanie 80, 249 Tora 69, 71, 72, 74, 76, 78, 80, 85, 86, 90, 99, 110, 210, 256
301
Register Uruk-Prophetie Siehe Prophetie Vogelschau (Auspizien) 57
Weltgott (ramessidischer) 153, 155, 157 Weltkammer im Sonnenheiligtum des Niuserrê 156 Wissenschaft 25, 56, 60
Zeus 102, 168, 172, 173, 175, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193
3. Stellenregister (in Auswahl) Biblische Texte Deuteronomium 34,10 90, 96 4,13 74 9,9ff. 74 Psalmen 1 211 2 205, 211 3 204, 205, 207, 209, 210 3,1–4 205 3,1–4.(7).8a 205 3,4 208 3,5 205 3,5–6(7) 208 3,6 205, 209 3,8 205 3,8b/9a/9b 205 3,9 205, 207, 209 4 211 5 210 6 211 7 210 8 212 9 210 10 210, 211 11 211 12 210 13 210 14 211 15 212 16 210 17 212 18 210 19 209, 210 19,1–11 210
Psalmen 19,12–15 209 19,13–15 210 19,15 209 19,1–7 210 19,8–11 210 20 210 21 210 22 210 23 210 24 211 25 210 26 210 27 210 28 210 28,8 207 29 211 29,11 211 30 210 31 211 32 211 33 211 34 211 35 211 36 211 37 211 37,39 207 38 212 39 212 40 211 41 211 42 211 43 211 44 211 45 212 46 211
Psalmen 46,11 211 47 211 48 211 49 211 50 211 50,14–15 211 51 212 52 211 53 211 54 211 55 211 56 211 57 211 57,8–12 211 58 211 59 211 60 211 60,7–14 211 61 211 62 211 63 211 64 211 65 212 66 211 67 211 68 211 69; 211 70 200, 202, 210, 212 71 211 72 211 73 211 74 70, 71, 98, 207, 212, 247, 248, 249, 250, 255, 257 74,12 207
302
Register
Psalmen 75 211 76 211 77 211 78 211 79 212 80 212 81 211 82 211 83 212 84; 211 85 211 86 212 87 211 88 212 89 211 90 211 91 211 92 211 93 211 94 211 95 211 96 211 97 211 98 211 99 211 100 211 101 210, 211 101,1 210 101,2–8 210 102 211 103 211 104 159, 203, 211 105 211 106 211 107 211
Psalmen 108 211 109 211 110 211 111 211 112 211 113 202, 203, 211 114 211 115 211 116 211 117 202, 203, 211 117,1 203 117,2 203 118 211 119 211 120 211 121 211 122 211 123 211 124 211 125 211 126 211 127 211 128 211 129 211 130 211 131 211 132 211 133 211 134 211 135 211 136 211 137 211 138 211 139 212 140 211
Psalmen 141 212 142 211 143 212 144 211 145 211 146 211 147 211 148 211 149 211 150 211 Hiob 38 80, 159, 163 Jesaja 2,4 64 30,8 73, 77, 85 Jeremia 3,23 207 Sacharja 13,2 96, 97 Jona 2,10 207 IIMakkabäer 1,24–29 227 Acta 4,24–30 223, 224 ITimotheusbrief 2,1 220, 227
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Aischylos, Ag. 160–183 184 bala uru2-ul-a-ke4 an die Göttin Inan(n)a 130ff. bala uru2-ul-a-ke4 an die Göttin Gula (oder den Gott An gu-la) bzw. Nintinug(g)a 132ff.
bala abzu pe-el-lá-àm an den Gott Enki 133ff. I Clem 59–61 225, 226, 227, 230
CD-A IV,11f. 72 Chronik, demotische VII, 23, 26, 27, 30, 34, 35, 41, 45, 89
Didache 8–10 98, 227, 228, 232, 257 Dynastische Prophezeiung 9, 20 Dynastische Weissagung 3, 4 Epikur, Hauptlehrsätze 54, 60, 63 Epikur, Pythoklesbrief 61, 62
303
Register Großer Sonnenhymnus Echnatons 154, 157, 158 Homer, Il. £ 26–32 166 Homer, Il. A 37–43 166 Homer, Il. £ 46f 168 Homer, Il. A 70 62 Homer, Il. E 149–151 55 Homer, Il. 434–435 115 Homer, Il. 345–346 108 Homer, Il. 742 108 Homer, Od. 22–23 111 Homer, Od. 266–366 181 Homerische Hymnen 102, 165, 168ff., 187, 190, 195
Isis-Hymnus des Papyrus Wien D. 6297+6329+10101 160ff. Kallimachos, Dian. 193ff. Kallimachos, Jov. 188ff. KAR 421 (Text A) 4, 16, 17, 18, 19 Kleanthes, Stoic. fragm. 1,1–21 185ff, Kleanthes, Stoic. fragm. 1,33–39 187 Lukrez, De rerum natura 61, 62
Origenes, De Oratione 33 220, 221 Ostrakon des Hor 142ff. Papyrus Insinger (24) 149ff. Papyrus Oxyrrhynchos XI.1380 161, 162 Philodem, De pietate 63, 65 Platon, Apologie 64, 89 Platon, Phaidros 57 Platon, Timaios 57, 58, 185, 186 Prophezeiung des Neferti 34 Schulgi-Prophetie 4
Martyrium des Polykarp 14 222, 229, 230 Origenes, De Oratione 14 220
Uruk-Prophetie 3,4,5,10,18, 19,20