Offshoring von Zentralbereichen: Von den Erfahrungen deutscher und amerikanischer Unternehmen lernen (German Edition) 3540719342, 9783540719342

Unternehmen lassen verstärkt zentrale Leistungen wie IT, Finanz- und Rechnungs- oder Personalwesen im Ausland erbringen.

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Offshoring von Zentralbereichen: Von den Erfahrungen deutscher und amerikanischer Unternehmen lernen (German Edition)
 3540719342, 9783540719342

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thomas hutzschenreuter stephan dresel wolfgang ressler

Strategische Off shoring von PersonalZentralbereichen entwicklung Von den Erfahrungen deutscher und amerikanischer Unternehmen lernen

 

Offshoring von Zentralbereichen

Thomas Hutzschenreuter Stephan Dresel · Wolfgang Ressler

Offshoring von Zentralbereichen Von den Erfahrungen deutscher und amerikanischer Unternehmen lernen

Mit 147 Abbildungen

123

Professor Dr. Thomas Hutzschenreuter Stephan Dresel Wolfgang Ressler WHU Otto Beisheim School of Management Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensentwicklung Dietmar Hopp Stiftungslehrstuhl Burgplatz 2 56179 Vallendar [email protected] [email protected] [email protected]

ISBN 978-3-540-71934-2 Springer Berlin Heidelberg New York

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ¨ uber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich gesch¨ utzt. Die dadurch begr¨ undeten Rechte, insbesondere die der ¨ bersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der FunkU sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielf¨ altigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielf¨ altigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zul¨ assig. Sie ist grunds¨ atzlich verg¨ utungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w¨ aren und daher von jedermann benutzt werden d¨ urften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg SPIN 12048380

42/3180YL - 5 4 3 2 1 0

Gedruckt auf s¨ aurefreiem Papier

Vorwort

Die Zentrale verlagert. Nein, die Zentrale wird verlagert. Was vor Jahren noch undenkbar war, ist heute bereits Realität: Zentralbereiche werden ins Ausland verlagert. Das Phänomen heißt Offshoring von Zentralbereichen. Offshoring hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Neben dem seit mehreren Jahrzehnten bekannten Offshoring im Produktionsbereich nimmt auch die Verlagerung von Zentralbereichsfunktionen verstärkt zu. Dies macht sich auf zwei Arten bemerkbar. Einerseits wächst die Zahl der ins Ausland verlagerten Tätigkeiten stetig an, andererseits lässt sich auch ein Wandel bei der öffentlichen Wahrnehmung des Themas feststellen. Bis vor kurzem wurde Offshoring in der breiten Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert und weitgehend negativ wahrgenommen. Heute hat sich das Bild teilweise geändert. In Verbindung mit der Internationalisierung und Globalisierung von Unternehmen werden auch die damit verbundenen Chancen für die deutsche Wirtschaft erkannt. Um die Relevanz des Themas für das eigene Unternehmen bestimmen zu können, ist eine intensive Auseinandersetzung unerlässlich. Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über die Tätigkeiten deutscher Unternehmen einschließlich der positiven und auch negativen Erfahrungen mit Verlagerungen ins Ausland. Basierend auf diesen Grundlagen lassen sich Wirkungszusammenhänge beim Offshoring identifizieren und die Erfahrungen von anderen Unternehmen als Entscheidungshilfe im eigenen Unternehmen verwenden. Da die US-amerikanischen Unternehmen oft als Vorreiter im Bereich Offshoring betrachtet werden, ist ein Vergleich deutscher mit US-amerikanischen Unternehmen von besonderem Interesse. Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Offshoring der Unternehmen dieser beiden Länder zeigen wichtige Indizien für zukünftige Entscheidungen bei Verlagerungen ins Ausland. Das Buch liefert auf dieser Basis praxisrelevante Entscheidungshilfen für das Management. Grundlage dieses Buches ist eine großzahlige Untersuchung am Lehrstuhl für Unternehmensentwicklung der WHU - Otto Beisheim School of Management (Dietmar Hopp Stiftungslehrstuhl), Vallendar, der Teil des Offshoring Research Network (ORN), einem internationalen Forschungs-

VI

Vorwort

konsortium, ist. ORN wurde im Jahre 2005 von Professor Arie Lewin initiiert und wird durch Booz Allen Hamilton unterstützt. Bei der Erstellung der zugrunde liegenden Studie und der Erstellung dieses Buches sind wir von einer Reihe von Menschen unterstützt worden. Finanzielle Unterstützung haben wir durch das ORN und die Fuqua School of Business an der Duke University erhalten. Für viele Anregungen und fruchtbare Diskussionen sowie für die Bereitstellung der Daten der USamerikanischen Unternehmen danken wir ganz herzlich Professor Arie Lewin (Duke University), Initiator dieser Offshoring Forschung und Gründer des ORN. Aus dem ORN geht unser Dank zudem an Professor Torben Pedersen (Copenhagen Business School), Professor Henk Volberda (Rotterdam School of Management), Joan Eric Ricart (IESE Barcelona), Silvia Massini (Manchester Business School) und Carine Peters (University of Brussels). Am Lehrstuhl für Unternehmensentwicklung danken wir besonders Dr. Johannes Voll, Erna Blumhardt sowie Antonia Neubauer. Ein ganz besonderer Dank richtet sich zudem an alle Interviewpartner, ohne deren Einsatz beim Beantworten unseres sehr komplexen Fragebogens die Studie nicht hätte erfolgreich abgeschlossen werden können. Für die sehr konstruktive Zusammenarbeit danken wir ebenfalls ganz herzlich Frau Barbara Feß vom Springer Verlag. Wir hoffen, mit diesem Buch Fragen zu beantworten und neue Fragen aufzuwerfen. Sollte dies gelingen, freuen wir uns über jede Art von Feedback an [email protected].

Vallendar, September 2007 Prof. Dr. Thomas Hutzschenreuter Stephan Dresel Wolfgang Ressler

Inhaltsverzeichnis

1

Einführung…………………………………………………………... 1 1.1 Aktuelle Situation und Bedeutung von Offshoring…………….2 1.2 Zielsetzung und Struktur des Buchs……………………………3

2

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche………………..9 2.1 Hintergrund der Globalisierung……………………………...... 9 2.2 Differenzierung zwischen Kernfunktionen und zentralen Funktionen…………………………………………………… 13 2.3 Aufstrebende Regionen………………………………………. 16 2.3.1 Wichtige Regionen für Verlagerungen………………... 16 2.3.2 Vergleich wichtiger Offshoring-Länder………………. 17 2.4 Wichtige Erkenntnisse……………………………………….. 21

3

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen…………. 23 3.1 Abgrenzung zwischen Offshoring und Outsourcing………….23 3.2 Mögliche Realisierungsalternativen…………………………..26 3.3 Wahl und Implementierung einer geeigneten Realisierungsalternative……………………………………… 30 3.4 Wichtige Erkenntnisse……………………………………….. 35

4

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen…………………..37 4.1 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Funktionen…... 40 4.2 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Unternehmensgröße………………………………………….. 43 4.3 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Industrie……... 45 4.4 Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen….47 4.5 Wichtige Erkenntnisse……………………………………….. 64

5

Management der Verlagerung von Zentralbereichen……………65 5.1 Motivation und Zielsetzung der Verlagerung………………... 66 5.2 Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel………………………………………………. 72

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.3

5.2.1 Entscheidungskomponente Funktion: Welche Funktionen?.................................................................... 72 5.2.2 Entscheidungskomponente Erbringungsort: Wohin?..... 76 5.2.3 Entscheidungskomponente Erbringungsmodus: Extern versus intern?.................................................................. 87 5.2.4 Zusammenspiel der drei Entscheidungskomponenten..108 5.2.5 Wichtige Erkenntnisse……………………………….. 115 Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen….. 116 5.3.1 Kosteneinsparungen: positive und negative Abweichungen auf hohem Niveau…………………... 117 5.3.2 Qualität und Servicelevel: Verzögerungen und Verbesserungsbedarf………………………………… 124 5.3.3 Wichtige Erkenntnisse……………………………….. 131

6

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen……… 133 6.1 Relevanz der Risikofaktoren und Hemmnisse: Was spricht gegen Offshoring?................................................................... 133 6.1.1 Entscheidung gegen Offshoring auf Grund von Risiken……………………………………………….. 134 6.1.2 Entscheidung für Offshoring trotz Risiken…………... 140 6.2 Nicht erkannte Chancen der Globalisierung………………... 143 6.3 Wichtige Erkenntnisse……………………………………… 144

7

Planungen für weitere Verlagerungen………………………….. 147 7.1 Offshoring-Wachstumsraten der einzelnen Funktionen……. 148 7.2 Offshoring-Wachstumsraten der einzelnen Regionen……… 153 7.3 Trend zu einer externen Leistungserbringung……………… 156 7.4 Veränderungen bei den existierenden OffshoringAktivitäten…………………………………………………...158 7.5 Veränderungen bei der inländischen Erbringung…………... 160 7.6 Wichtige Erkenntnisse……………………………………… 164

8

Unterschiede im Offshoring-Verhalten von deutschen und USamerikanischen Unternehmen…………………………………... 167 8.1 Motivation der Verlagerung………………………………… 169 8.2 Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel……………………………………………... 172 8.2.1 Welche Funktionen werden verlagert?......................... 172 8.2.2 Wohin wird verlagert?.................................................. 175 8.2.3 Wie wird verlagert?...................................................... 179 8.2.4 Wichtige Erkenntnisse……………………………….. 181

Inhaltsverzeichnis

8.3

8.4 8.5 9

IX

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen…...182 8.3.1 Zielabweichungen auf der Kostenseite………………. 182 8.3.2 Zielabweichungen beim Servicelevel………………... 187 8.3.3 Wichtige Erkenntnisse……………………………….. 189 Zukünftige Entwicklung……………………………………. 189 Hintergrund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede……… 191

Ausblick…………………………………………………………… 195

Anhang…………………………………………………………………. 199 A Information zur Forschungsstudie………………………….. 199 B Einflussgrößen bei der Offshoring-Entscheidung…………... 201 Literaturverzeichnis…………………………………………………... 215

1 Einführung

Offshoring von zentralen Funktionsbereichen ist ein Phänomen, das mehr und mehr um sich greift. Bereits in den 60er und 70er Jahren haben Unternehmen begonnen, Tätigkeiten der Produktion in Billiglohnländer zu verlagern. Nun machen sie von der Möglichkeit Gebrauch, auch zentrale Funktionen wie z.B. IT, Personalwesen, Finanz- & Rechnungswesen etc. im Ausland zu erbringen. Hauptmotivation für die Verlagerung sind meist Kostenvorteile durch Zentralisierung, geringere Lohnkosten, Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften und Erhöhung der Anpassungsfähigkeit bzw. Flexibilität der Leistungserbringung (siehe Abbildung 1). 1960

1970

1980

1990

2000

Verlagerung von Tätigkeiten der Produktion ins Ausland Verlagerung von zentralen Funktionen ins Ausland

Hauptmotive für die Verlagerung von zentralen Funktionen ins Ausland: • Erschließung von Kostensenkungspotenzialen und Reaktion auf Kostendruck durch den Wettbewerb • Zugang zu einem großen Pool an Arbeitskräften mit funktionsspezifischem Know-how bei gleichzeitig geringen Lohnkosten • Erhöhung der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität durch globale Erbringungsmöglichkeiten (z.B. 24 Std. Callcenter durch weltweit verteilte Standorte)

Abb. 1. Zeitliche Entwicklung und Hauptmotive für die Verlagerung von Tätigkeiten ins Ausland

2

Einführung

1.1 Aktuelle Situation und Bedeutung von Offshoring Durch den rasanten Fortschritt in der Telekommunikation und Informationstechnologie haben die Unternehmen heute die Möglichkeit, einzelne Tätigkeiten oder unter bestimmten Voraussetzungen auch ganze Prozesse vollständig digital zu bearbeiten. Durch die Digitalisierung können die Tätigkeiten geographisch verteilt oder auch vollständig im Ausland erbracht werden. In diesen Fällen werden ausschließlich die Ergebnisse der Arbeit digital in das Heimatland transferiert. Insbesondere bieten sich die globalen Erbringungsmöglichkeiten in aufstrebenden Entwicklungsländern an. Mit diesen neuen Möglichkeiten stellt sich für Unternehmen nicht nur die Frage, ob sie ihre Leistungen selbst erstellen oder extern erstellen lassen (Outsourcing-Frage bzw. Make-or-Buy-Frage), sondern auch, wo die Leistung erstellt wird (Offshoring-Frage). Dieser zusätzliche Gestaltungsraum stellt für Unternehmer ein großes Potenzial zur Profitabilitätssteigerung dar. Im Vergleich zum Offshoring von zentralen Funktionen sind die Verlagerungen in der Produktion bereits seit Jahrzehnten gängige Praxis für Unternehmen. Es werden entweder Teile der Produktion oder bei einfacheren Gütern die ganze Produktion ins Ausland verlagert. Die Verlagerungstendenz im Bereich der Produktion hat sich inzwischen soweit verstärkt, dass bestimmte Güter nahezu ausschließlich in bestimmten ausländischen Regionen hergestellt werden. Beispiele für die neuen Möglichkeiten der globalen Erbringung von Zentralbereichen gibt es einige. So will der weltweit agierende ITDienstleister Electronic Data Systems (EDS) seine Kapazitäten in den Niedriglohnländer stark aufbauen und die Zahl seiner dortigen Mitarbeiter von 15 auf 30 Tausend innerhalb der nächsten zwei Jahre verdoppeln (Wilkens, 2005). Andere Unternehmen haben solche Verlagerungen bereits in der Vergangenheit durchgeführt. Bei der Siemens Netzwerktochter COM-FN (ehemals Siemens ICN) werden seit 2004 mehr als 50 Prozent der Software-Programmierung in Indien, China und Osteuropa erbracht (Haimann, 2005). Ein besonders interessantes Beispiel sind aber die Pläne des Departments for Work and Pension (DWP) in Großbritannien. Das DWP ist die in Großbritannien zuständige nationale Behörde für Renten, Arbeitslosenund Kindergeld. Nach Medienberichten (Claassen, 2006) plant sie derzeit, einen größeren Teil seiner Verwaltungstätigkeiten aus Kostengründen künftig in Indien erbringen zu lassen. Damit wäre das DWP die erste Behörde, die nach dem Vorbild der Privatwirtschaft die Chancen einer ausländischen Erbringung nutzt.

Zielsetzung und Struktur des Buchs

3

Die genannten Beispiele verdeutlichen die Bedeutung von Offshoring. Eine Einschätzung des weltweiten Marktvolumens von OffshoringDienstleistungen ist schwierig. Je nachdem, welche Länder als OffshoringStandorte bezeichnet werden, schwankt das Volumen erheblich. Schätzungen für das Jahr 2005 gehen von 32 Mrd. (Farrell et al., 2005b) bis 40 Mrd. (Schaaf, 2005) US-Dollar aus. Betrachtet man einzelne Länder, so ist eine Abschätzung des Volumens leichter möglich. Beispielsweise betragen in Indien die gesamten Umsätze für Offshoring-Dienstleistungen etwa 17 Mrd. US-Dollar (Sharma, 2005). Dabei werden etwa 700.000 Arbeitskräfte beschäftigt. Bis zum Jahr 2007-2008 wird ein Anwachsen der Arbeitskräfte auf etwa 1.500.000 Beschäftige erwartet (Farrell et al., 2005a). Ein Ende des Offshoring-Booms und der damit verbundenen Globalisierung von Unternehmen ist bei weitem noch nicht in Sicht. Während bis heute die Erzielung von Kostenvorteilen für viele Unternehmen im Mittelpunkt steht, wird in Zukunft die Erschließung neuer, auf Grund der Preissensibilität noch nicht bedienter Märkte, im Fokus stehen (Farrell, 2004). Viele Arbeitnehmer nehmen die neuen Möglichkeiten einer Verlagerung als Bedrohung wahr. Wenn mehr und mehr Aktivitäten ins Ausland verlagert werden, dann fallen im Heimatland Tätigkeiten weg, die zum Verlust von Arbeitsplätzen führen können. Diese Befürchtungen führten dazu, dass das Thema Offshoring auch auf einer politischen Ebene diskutiert wird. So haben prominente Politiker Unternehmer, die Arbeitsplätze aus Kostengründen ins Ausland verlagern, als „vaterlandslose Gesellen“ kritisiert. Aufsehen erregte auch eine Rede von unpatriotischem Verhalten in diesem Zusammenhang.

1.2 Zielsetzung und Struktur des Buchs Das Buch fokussiert sich auf die Untersuchung der Verlagerung von zentralen Funktionen ins Ausland. Diese sind dadurch charakterisiert, dass sie nicht direkt im Prozess der Erstellung von Produkten bzw. Dienstleistungen für den Kunden involviert sind, sondern nur die Erstellung dieser unterstützen. Zu den Funktionen gehören IT, Personalwesen, Finanz- & Rechnungswesen, Forschung & Entwicklung, Produktentwicklung, Beschaffung oder Callcenter. Diese werden im Allgemeinen in den Zentralbereichen der Unternehmen erbracht und auch als unterstützende Funktionen bezeichnet. Im Folgenden werden wir daher die Begriffe zentrale Funktionen bzw. unterstützende Funktionen analog verwenden.

4

Einführung

Inhaltlicher Fokus. Bedenkt man, dass praktisch alle Unternehmen unterstützende Funktionen besitzen, so ist das damit verbundene Potenzial der Funktionsverlagerung immens. Ziel dieses Buchs ist es, x die verschiedenen Möglichkeiten zur Verlagerung aufzuzeigen, x dieses Potenzial für Unternehmen genauer zu untersuchen, x das Offshoring-Verhalten von deutschen Unternehmen zu analysieren und x die zukünftigen Trends im Bereich Offshoring darzustellen. Gleichzeitig verfolgt das Buch aber nicht das Ziel, die volkswirtschaftlichen Implikationen von Offshoring zu beschreiben. Ebenso wird auch die gesellschaftspolitische Dimension des Themas nicht im Detail erläutert. Zielgruppe. Das Buch spricht bewusst Entscheider im wirtschaftlichen Umfeld an. Die Analysen sind durchgängig aus einer Unternehmensperspektive erstellt und ermöglichen es dem Leser, konkrete Schlüsse für strategische Entscheidungen zu ziehen. So werden beispielsweise die potentiellen Vor- und Nachteile oder Risikofaktoren des Offshorings detailliert erklärt. Das Buch richtet sich damit an Leser, die die Hintergründe und die Funktionsweise der Erbringung von unterstützenden Funktionen im Ausland verstehen möchten. Das Buch legt dabei Wert darauf, das Thema nicht nur an Hand von Einzelphänomenen zu beschreiben, sondern die dahinter liegenden Wirkungszusammenhänge zu erklären. Häufig findet man in der Literatur Untersuchungen basierend auf einzelnen Fallstudien. Diese beschreiben die Offshoring-Situation von einzelnen Unternehmen und verallgemeinern dann auf einen größeren Kreis von Unternehmen. Daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen sollten daher kritisch betrachtet werden. Um die Wirkungszusammenhänge im Bereich Offshoring zu verstehen, wurden für dieses Buch ausführliche Recherchen in der existierenden Managementliteratur und eine umfangreiche Forschungsstudie mit über hundert deutschen Unternehmen durchgeführt. Untersuchung an deutschen Unternehmen. US-amerikanische Unternehmen begannen bereits in den achtziger Jahren damit, ihre unterstützenden Funktionen ganz oder teilweise ins Ausland zu verlagern. Häufig zitierte „Geburtsstunden“ des Offshorings sind die Eröffnungen der ITNiederlassungen von Texas Instruments und Motorola in Bangalore (Indien) Mitte der achtziger Jahre. In Deutschland war die Deutsche Bank eines der ersten Unternehmen, die Offshoring zentraler Funktionen genutzt hat. Ihr Tochterunternehmen, die Deutsche Software Limited, arbeitet bereits seit 1992 im Bereich der Softwareentwicklung in Bangalore (Hand-

Zielsetzung und Struktur des Buchs

5

werk, 2004). Inzwischen gibt es viele Beispiele aus allen westlichen Industrienationen, die ihre unterstützenden Funktionen teilweise oder ganz ins Ausland verlagert haben. Viele existierende Untersuchungen (Groshen et al., 2005; Matloff, 2004) fokussieren sich ausschließlich auf US-amerikanische Unternehmen. Dabei ist es fraglich, ob das Offshoring-Verhalten von US-Unternehmen dem von Nicht US-Unternehmen ähnelt oder ob generelle Unterschiede bestehen. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,24 Bill. EUR (nominales BIP, Statistisches Bundesamt, 2006) ist Deutschland die größte Volkswirtschaft in Europa und die drittgrößte in der Welt. Gleichzeitig sind viele wirtschaftliche Rahmenbedingungen signifikant anders als in den USA. Die Notwendigkeit einer Untersuchung des Themas Offshoring an Hand von deutschen Unternehmen ist damit offensichtlich. Beschreibung der zugrunde liegenden empirischen Studie. Um das Phänomen Offshoring fundiert analysieren zu können, wurde eine umfangreiche empirische Forschungsstudie mit deutschen Unternehmen durchgeführt. Viele der bisher durchgeführten Studien basieren lediglich auf Case Studies (siehe z.B. Boes u. Schwemmle, 2004; Boes u. Schwemmle, 2005; Reichert, 2005). Diese können per se nur Hinweise auf die möglichen Wirkungszusammenhänge im Bereich Offshoring geben. Den in diesem Buch vorgestellten Analysen liegt eine empirische Untersuchung von 119 deutschen Unternehmen zu Grunde. Diese haben einen ausführlichen Fragebogen zu ihrer aktuellen bzw. geplanten Erbringung von unterstützenden Funktionen im Ausland befüllt. Die Angaben wurden statistisch ausgewertet und werden in den nächsten Kapiteln vorgestellt. Die Studie deckt sowohl Kleinunternehmen, mittelständische Unternehmen als auch Großkonzerne ab. Für Analysen in Abhängigkeit der Mitarbeiteranzahl werden die Unternehmen in drei Größenklassen zusammengefasst. Dabei befinden sich in der Größenklasse I alle Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern. Der Größenklasse II gehören Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl zwischen 1.000 und 20.000 an. Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern sind der Größenklasse III zugeordnet (siehe Abbildung 2). Die Teilnehmer der Studie kommen aus verschiedensten Industriebereichen (siehe Abbildung 3). Mit fast 50 Prozent sind die meisten Teilnehmer im verarbeitenden Gewerbe tätig. An zweiter Stelle stehen mit 16 Prozent die Finanzdienstleister (Banken und Versicherungen), gefolgt von technischen, wissenschaftlichen und anderen professionellen Dienstleistern mit einem Anteil von 11 Prozent. Damit repräsentieren die drei am häufigsten vertretenen Gruppen bereits 73 Prozent der gesamten Teilnehmer.

6

Einführung

28%

22%

10%

10%

0

21%

9%

250

1.000

Größenklasse I (20%)

5.000

20.000

Größenklasse II (50%)

100.000

>100.000

Größenklasse III (30%)

Abb. 2. Verteilung der teilnehmenden Unternehmen nach Mitarbeiteranzahl (basierend auf den Angaben von 118 Unternehmen)

46%

Verarbeitendes Gewerbe Finanz- und Versicherungsunternehmen

16%

Technische, wissenschaftliche und professionelle Dienstleister

11%

Informationsverarbeitende Unternehmen

7%

Versorgungsunternehmen

7%

Einzelhandelsunternehmen

5%

Transport- und Logistikunternehmen

4%

Andere

4%

Abb. 3. Verteilung der teilnehmenden 119 Unternehmen nach Industrien (entsprechend dem North American Industry Classification System, NAICS)

Zielsetzung und Struktur des Buchs

7

Von den Personen, die den Fragebogen beantwortet haben, sind 29 Prozent in der Geschäftsleitung tätig oder arbeiten sehr eng mit dieser zusammen (siehe Abbildung 4). Zusätzlich sind weitere 54 Prozent als Bereichsleiter oder Abteilungsleiter tätig. Weitere Details zur Studie finden sich im Anhang.

12%

Vorstand/Geschäftsleitung Senior Vice President

Vice President Sprecher des Vorstands/ der Geschäftsleitung

3%

2%

1%

Assistent des Vorstands/ der Geschäftsleitung Bereichsleiter

In Geschäftsleitung tätig oder arbeiten eng mit Geschäftsleitung zusammen

10%

2%

53%

Abteilungsleiter Manager

17%

Abb. 4. Position der Personen, die den Fragebogen beantwortet haben (basierend auf den Angaben von 89 Unternehmen)

Trotz des Umfangs des Datenmaterials kann die Studie nur eine Momentaufnahme der heutigen Situation bzw. der derzeit bekannten Planungen sein. Langfristig ist es daher das Ziel, die Fragebogenerhebung in regelmäßigen Abständen durchzuführen, um auch die zeitliche Entwicklung des Themas zu untersuchen. Wir dürfen gespannt sein, was die Trends in der Zukunft sein werden. Struktur des Buchs. Das Kapitel 2 stellt die notwendigen Grundlagen für das Offshoring von Zentralbereichen vor. Eingehend erfolgt die Darstellung der Hintergründe für die aufkommende Globalisierung von unterstützenden Funktionen. Anschließend werden die wichtigsten OffshoringLänder vorgestellt und basierend auf ausgewählten Kriterien miteinander verglichen. Im Kapitel 3 erfolgt eine umfassende Differenzierung zwischen Outsourcing, Offshoring und daraus ableitbaren Bezeichnungen. Basierend auf

8

Einführung

diesem Hintergrundwissen werden die möglichen Optionen für die Erbringung einer unterstützenden Funktion vorgestellt und an Hand von Vorund Nachteilen bzw. Unterschieden und Gemeinsamkeiten bewertet. Kapitel 4 befasst sich mit einer detaillierten Untersuchung des Offshoring-Verhaltens deutscher Unternehmen. Es wird analysiert, welche Unternehmen Offshoring durchführen, wann welche Funktionen ins Ausland verlagert wurden, welche Branchen als erste begonnen haben, Offshoring zu nutzen, und ob Unternehmen eine individuelle Offshoring-Dynamik besitzen. Das Kapitel 5 untersucht den Prozess einer Verlagerung aus der Management-Perspektive. Dieser besteht aus den Schritten Motivation und Zieldefinition, Entscheidung über Umsetzungsoptionen und Erfolgskontrolle. Die wichtigsten Aspekte der einzelnen Prozessschritte werden ausführlich in den einzelnen Unterkapiteln beschrieben. Das Kapitel 6 fokussiert sich auf Hemmnisse bzw. Risikofaktoren für das Offshoring und analysiert, warum Unternehmen kein Offshoring durchführen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kapiteln, die sich auf Unternehmen konzentrieren, die bereits heute Offshoring durchführen oder zumindest planen, untersucht Kapitel 6 Unternehmen, die in absehbarer Zukunft kein Offshoring durchführen werden. Das sind einerseits Unternehmen, die sich bewusst gegen Offshoring entschieden haben, und andererseits Unternehmen, die sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Der Fokus der bisher vorgestellten Kapitel lag insbesondere auf dem IstZustand bzw. auf den Entwicklungen in der Vergangenheit. Das Kapitel 7 gibt einen Ausblick über zukünftige Entwicklungen. Es stellt das erwartete Wachstum in der ausländischen Funktionserbringung vor und zeigt die erwarteten Veränderungen für die Funktionserbringung in Deutschland auf. Wie bereits in der Einleitung erläutert, bestehen wesentliche Unterschiede zwischen dem Offshoring-Verhalten von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen. Kapitel 8 stellt hier die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten vor und erläutert die Bedeutung dieser Unterschiede für deutsche Unternehmen. Das Kapitel 9 fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Diskussionen zusammen und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Offshoring-Phänomens.

2 Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

Moderne IT und Kommunikationsinfrastruktur, Standardisierung von Prozessen und die rasche Entwicklung in den Billiglohnländern ermöglichen die Globalisierung der Leistungserbringung. Zusammen mit der Aufteilung in Kernprozesse und unterstützende Prozesse wurde eine Verlagerung von zentralen Funktionsbereichen ins Ausland erheblich erleichtert.

2.1 Hintergrund der Globalisierung Um die Globalisierung zu ermöglichen, mussten zunächst entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der technische Fortschritt in der IT und der Telekommunikation ist ein wesentlicher Auslöser für die Veränderungen der örtlichen Erbringung der Tätigkeiten. Entwicklung in IT und Telekommunikation. Sowohl die Steigerung der Rechenleistung und Speicherkapazitäten als auch die modernen Eingabeverfahren ermöglichen eine Digitalisierung der Dokumente, eine digitale Durchführung der notwendigen Prozesse und eine Archivierung in global zugänglichen Datenbanksystemen. Breitbandige Datenleitungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Internets ermöglichen den Zugriff auf diese Datenbanken von nahezu jedem beliebigen Ort der Welt. Durch die damit verbundene örtliche Unabhängigkeit sind Entwicklungs- und Schwellenländer für die Erbringung von Tätigkeiten im Ausland immer interessanter geworden. Abbildung 5 zeigt die historische Entwicklung der IT und Telekommunikation im Detail. Im Wesentlichen haben drei unterschiedliche Phänomene die Entwicklung der heutigen weltweiten vorhandenen Kommunikationsnetzwerke geprägt: x die zunehmende Dynamik im Aufbau von international verfügbaren Informations- und Kommunikationssystemen in den 80er Jahren im Zuge der Schaffung eines weltweiten Finanzmarktes (Baukrowitz u. Boes, 1996, S. 129 ff),

10

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

x die Entwicklung von proprietären Informations- und Kommunikationssystemen durch internationale Konzerne im selben Zeitraum und x die Standardisierung und vor allem die Ausweitung bzw. Modernisierung der Kommunikationswege durch den Aufschwung des Internets in den 90er Jahren und somit die Schaffung einer einheitlichen Kommunikationsplattform, die für jeden zugänglich ist. Das Internet hat dabei den größten Beitrag zu der raschen Modernisierung der Kommunikationssysteme beigetragen. Auf der einen Seite initiierte es den raschen Ausbau der Breitbandinfrastruktur im Festnetz- und Mobilbereich. Auf der anderen Seite hat das Ziel des Aufbaus einer für jeden zugänglichen Kommunikationsplattform zu einer Homogenisierung der Netze und einer Standardisierung der verwendeten Protokolle geführt. Nicht nur eine rasche Entwicklung der Netzwerke in den Hochlohnländern sondern auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern verhalf den Billiglohnländern zu deren guten Eignung als Offshoring-Standort. Entwicklung im Bereich der IT und Telekommunikation Telegraph (1844)

1840

Mobiltelefon (1979)

1870

1970

Erster Personal Computer (1968)

Erster Computer Zuse Z3 (1941)

1940

Telefon (1870)

1950

1960

Arpanet** (1969)

1970

ISDN* (1987)

1980

1990

Erster Apple (1976)

Internet (1983)

1980

1990

Breitband (1990)

2000

World Wide Web (1989)

2000

* Integrated Services Digital Network ** Vorgänger Internet Wesentliche Erfindungen in der IT und Telekommunikation sind ein Teil der Grundlage für die Ermöglichung von ausländischer Erbringung von unterstützenden Funktionen. Die Erfindung des Computers ermöglicht die Digitalisierung von vielen unterstützenden Aufgaben. Durch die Weiterentwicklung in der Telekommunikation und von überregionalen Netzwerken (Arpanet und Internet) wird eine ortsunabhängige Zusammenarbeit möglich. Die Entwicklung von breitbandigen Übertragungsmedien ermöglicht den Austausch der erforderlichen, großen Datenmengen.

Abb. 5. Historische Entwicklung in der IT und Telekommunikation (Information aus Hartmann, 2006)

Hintergrund der Globalisierung

11

Standardisierung von Prozessen. Eine hohe Standardisierung erleichtert die Bündelung von Prozessen. Damit kann eine Zentralisierung und somit auch die Verlagerung von Prozessen vereinfacht werden. Die zur Verlagerung vorgemerkten Prozesse sollten vereinheitlicht und standardisiert werden. Damit kann der reibungslose Ablauf über große Entfernungen hinweg leichter sichergestellt werden und die gewünschten Skaleneffekte durch eine Prozesserbringung über mehrere Unternehmen hinweg einfacher erreicht werden. Die Standardisierung bzw. Vereinheitlichung ist dabei aber keine zwingende Voraussetzung. Abbildung 6 zeigt einen deutschen Erstversicherer und Finanzdienstleister, der vor der Verlagerung Funktionen in einem Shared Service Center zentralisiert hat. Schrittfolge bei einer Verlagerung ins Ausland 1

Zentralisierung in Deutschland

2

Verlagerung ins Ausland Lettland

Indien Deutschland Viele der Unternehmen nutzen eine Verbesserung des Verlagerungsausgangspunkts durch eine zeitlich vorgelagerte Zentralisierung und Standardisierung der Funktionserbringung in Deutschland. Eine der Möglichkeiten zur vorgelagerten Vereinheitlichung der Funktionserbringung ist die Erbringung von Funktionen in Shared Service Center. Das hier dargestellte Unternehmen hat vor der Verlagerung ins Ausland seine Funktionen in Shared Service Center konzentriert. Damit wurde die Verlagerung ins Ausland erleichtert. Heute werden die Funktionen im Ausland in einem Joint Venture (Lettland) und mit einem externen Leistungsanbieter (Indien) erbracht.

Abb. 6. Beispiel eines deutschen Erstversicherers und Finanzdienstleisters zu Standardisierung und Zentralisierung von Funktionen

Oft dient die Automobilindustrie als ein Beispiel für eine sehr weit fortgeschrittene Standardisierung in der Produktentwicklung. Eine ausgereifte Plattformstrategie sorgt hier für die Wiederverwendungen von gleichen Bauteilen oder ganzen Baugruppen und damit für die Vereinfachung der

12

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

Produktentwicklungsprozesse und für eine Reduktion der Kosten. In vielen anderen Bereichen können ähnliche Anstrengungen zur Standardisierung beobachtet werden. Ein Beispiel ist die Verbreitung des ITIL-Modells (Information Technology Infrastructure Library) im Bereich der Softwareentwicklung und des Serverbetriebs. Das Modell befasst sich nicht nur mit der Beschreibung von rein technischen Standards innerhalb von ITSystemen, sondern ist eine Methodik zur Organisation von Prozessen, die im Rahmen der Softwareentwicklung und des Serverbetriebs durchgeführt werden. Damit wird eine Standardisierung auf einem wesentlich höheren Level realisiert. Parallel zu diesem bewussten Einsatz von Standards führt die marktdominierende Stellung von globalen Softwarekonzernen, wie beispielsweise SAP oder Oracle, zur Einführung von „Quasi-Standards“. Diese Unternehmen bieten auf Industriebranchen zugeschnittene Softwarelösungen an, die einen ganzheitlichen Softwareansatz für gesamte Unternehmensbereiche bereitstellen. So bietet beispielsweise SAP die Möglichkeit, nahezu alle Prozesse innerhalb des Bereichs Finanz- & Rechnungswesen IT-technisch zu unterstützen. Damit ist der Einsatz von weiteren Softwarelösungen anderer Hersteller meist nicht mehr notwendig. Die Unternehmen profitieren unmittelbar durch einen einfachen, unternehmensinternen Datenaustausch und können auf die Entwicklung teurer Schnittstellenanpassungen verzichten. Sowohl ein allgemein gültiger Standard aber auch eine marktdominierende Stellung von Unternehmen führen dazu, dass ein Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg vereinfacht wird. Setzen zwei Unternehmen dieselbe Softwarelösung ein, so ist auch ein Datenaustausch bzw. eine Datenintegration ohne wesentliche Anpassungen möglich. Durch eine Standardisierung kann eine Kostenreduktion auf zwei verschieden Art und Weisen erreicht werden. Auf der einen Seite kann eine Kostenreduktion anhand von Skaleneffekten (economies of scale), durch die gleichzeitige Erbringung von Leistungen für mehrere Unternehmen und somit eine Erhöhung des Leistungsumfangs, erzielt werden. Auf der anderen Seite ergeben sich zusätzliche Kostensenkungspotenziale durch die Erbringung von unterschiedlichen Tätigkeiten (economies of scope) mit Hilfe der gleichen Infrastruktur und der gleichen Prozesse. Abnahme der Notwendigkeit für persönliche Kommunikation bei der Dienstleistungserbringung. Vor dem digitalen Zeitalter waren Dienstleistungen durch das so genannte Uno-actu-Prinzip gekennzeichnet (Bhagwati, 1987). Das uno-actu-Prinzip besagt, dass die Dienstleistungen zwingend am selben Ort erbracht werden müssen, an dem Sie auch konsumiert werden. Für einige Dienstleistungen, wie zum Beispiel den Tourismus oder persönliche Behördenbesuche, gilt dies auch heute noch. Allerdings haben

Differenzierung zwischen Kernfunktionen und zentralen Funktionen

13

sich für viele andere Dienstleistungen durch die Digitalisierung und die Schaffung von anderen Kommunikationsmedien (z.B. Interaktionsplattformen über das Internet) andere Möglichkeiten für die Leistungserbringung eröffnet. Zum Beispiel war früher die Administration von Telefonanschlüssen (sowohl Festnetz als auch Mobiltelefon) fast ausschließlich nur durch den persönlichen Kontakt an den Verkaufsstellen möglich. Durch die zunehmende Digitalisierung und den Forschritt in der Kommunikation wurde für viele Bereiche eine Online-Selbstadministration möglich. Nichtselbstadministrierbare Angelegenheiten werden zumeist durch Callcenter in Billiglohnländern abgehandelt. Eine derartige räumliche „Loslösung“ ermöglicht es den Unternehmen, Prozesse zu zentralisieren und dann in einem zweiten Schritt zu verlagern. Durch diese neu gewonnene „Verlagerbarkeit“ können heute wesentlich mehr Tätigkeiten losgelöst vom Heimatland eines Unternehmens und damit global erbracht werden.

2.2 Differenzierung zwischen Kernfunktionen und zentralen Funktionen Die in Deutschland dominierenden Unternehmensorganisationen sind die funktionale und die divisionale Organisationsstruktur (Osterloh u. Frost, 1996). Bei der funktionalen Organisationsstruktur sind Unternehmen nach Funktionen wie Beschaffung, Produktion, Verkauf oder Personal gegliedert. Bei der divisionalen Organisationsstruktur ist die Organisation nach Objekten gegliedert, wie beispielsweise Produktgruppen, Regionen und Kunden (siehe Abbildung 7). Funktionale Organisationsform

Divisionale Organisationsform*

Geschäftsführung

Beschaffung

Personal

Produktion

Geschäftsführung

Verkauf

Produkt 1 Besch.

Pers.

Produkt 2 Prod.

Verk.

* Anstelle nach Produkten können die Geschäftsbereiche auch nach Regionen oder Kundensegmenten getrennt werden

Abb. 7. Divisionale und funktionale Organisationsform

Produkt…

14

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

Bei beiden Organisationsformen besteht die Gefahr, dass die vertikal gestalteten Bereiche nur noch ihre eigenen Aufgaben im Blickfeld haben und die Ausrichtung am Kunden verloren geht. Viele Unternehmen haben dieses Problem erkannt und organisationsübergreifende Gesamtprozesse definiert. Diese unterteilen sich in Kernprozesse und unterstützenden Prozesse. Kernprozesse sind dadurch definiert, dass sie direkt in der Erstellung von (für die externen Kunden wertschaffenden) Produkten und Dienstleistungen involviert sind. Unterstützende Prozesse dagegen ermöglichen und unterstützen nur die Erstellung dieser (siehe Abbildung 8). Sie bilden damit das Fundament für die Ausführung der Kernprozesse. Auch wenn sie aus Kundensicht nicht notwendig sind, wäre ohne unterstützende Wertschöpfungsprozesse der Ablauf des Gesamtprozesses nicht möglich. Unterstützende Prozesse kennzeichnen sich durch folgende gemeinsame Kriterien: x Unterstützender Charakter. Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kernprozesse durch Bereitstellung und Verwaltung der erforderlichen Ressourcen x Interne Kunden. Erbringung von Leistungen für unternehmensinterne Kunden x Kein unmittelbarer Kundennutzen. Kundennutzen nur in Kombination mit den Kernprozessen gegeben

Kernprozesse

Unterstützende Prozesse

Logistik für einlaufende Warenströme

Erstellung der Produkte & Dienstleistungen

Logistik für Warenströme

Marketing & Vertrieb

Kundenservice

IT, Callcenter, Beschaffung, Personalwesen, Finanz- & Rechnungswesen, Produktentwicklung, Forschung & Entwicklung

Abb. 8. Kernwertschöpfungsprozesse und unterstützende Wertschöpfungsprozesse

IT, Callcenter, Personalwesen, Produktentwicklung, Forschung- & Entwicklung, Finanz- & Rechnungswesen und Beschaffung sind die wichtigsten unterstützenden Funktionen. Fast jedes Unternehmen benötigt diese Prozesse zur Bewältigung der Gesamtprozesse. Nur vereinzelt können Unternehmen auf den einen oder anderen Prozess verzichten. Zum Beispiel muss eine Vertriebsorganisation nicht über einen Forschungs- & Entwicklungsprozess verfügen. Im Detail umfassen die jeweiligen Funktionen: x IT. Die wesentlichen Aufgaben des Bereichs IT sind der Aufbau und Betrieb der Rechenzentren bzw. Sprach- und Datenkommunikation (z.B.

Differenzierung zwischen Kernfunktionen und zentralen Funktionen

x

x

x

x

x

x

15

Planung, Wartung, Installation, Anpassung, Weiterentwicklung, Archivierung und andere Dienstleistungen), das Desktop Management (Software-Entwicklung, Installationen, Software-Aktualisierung und Wartung) und die Unterstützung bzw. Durchführung von Einzelprojekten (Beratung über mögliche Einsatzbereiche der IT und Durchführung von Kosten-Nutzen Analysen). Einfache Beispiele für verlagerbare Teilprozesse sind Systemkonfiguration und Tests, Softwareentwicklung und Wartung, sowie Unterstützung der Endnutzer. Callcenter. Die Aufgaben von Callcenter sind vielfältig. Sie dienen Informationszwecken (z.B. Produktinformationen für Kunden oder ITHelpdesk für Mitarbeiter), Auftrags- und Bestellannahme (z. B. Versandhäuser), Kundendienst, Beschwerdemanagement und Markt- bzw. Meinungsforschung. Des Weiteren wird der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen über Callcenter abgewickelt. Tätigkeiten, die häufig verlagert werden, sind der Kundendienst und der IT-Helpdesk. Beschaffung. Die wesentlichen Prozesse im Bereich Beschaffung sind Bedarfsermittlung, Bestandskontrolle, Budgetfreigabe, Lieferantenauswahl, Bestellung, Bestellüberwachung, Wareneingang und Zahlungsabwicklung. Typische Offshoring-Tätigkeiten sind die Dateneingabe und Überwachung von Bestellungen. Personalwesen. Dieser Bereich setzt sich systematisch mit dem Produktionsfaktor Arbeitskraft auseinander. Er umfasst Tätigkeiten aus den Bereichen Personalplanung, -beschaffung, -einsatz, -wirtschaftskontrolle, -entwicklung, -führung, -controlling, -beurteilung und -entlohnung. Einfache verlagerbare Tätigkeiten sind die Gehaltsabrechnung, die Berechnung von außerordentlichen Zahlungen (z.B. Bonuszahlungen) oder die Unterstützung des Recruiting-Prozesses Finanz- & Rechnungswesen. Diese Funktion beinhaltet die Bereiche Buchführung, Bilanzierung, Inventarerfassung, Controlling, Treasury, Finanzwirtschaft und Liquiditätssicherung. Einfache Beispiele für verlagerbare Tätigkeiten aus diesem Bereich sind Reisekostenabrechnung, Fakturierung und Rechnungsstellung und Forderungsmanagement. Produktentwicklung. Die Produktentwicklung umfasst die Phasen Erstellung des Anforderungsprofils (Lastenheft) und des Pflichtenhefts für die Entwicklung, Bewertung von Ideen bzw. Konzepten, Design erster Entwürfe, Bau und Test von Prototypen, Unterstützung beim Start der Serienproduktion. Typische Beispiele für Offshoring-Tätigkeiten sind das Erstellen von Gebrauchsanweisungen, das Testen von Geräten und das Zusammenstellen von Informationen für das Marketing. Forschung & Entwicklung. Der Bereich Forschung & Entwicklung umfasst je nach Industrie sehr unterschiedliche Tätigkeiten und lässt sich

16

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

daher nicht industrieübergreifend beschreiben. Wesentliche Komponenten sind die Entwicklung von bestimmten Produktfunktionalitäten oder Herstellungsverfahren, das Design und die Durchführung von Experimenten oder Massentests, Simulationen, das Patentmanagement etc. Einfache Beispiel für verlagerbare Tätigkeiten sind die Durchführung von standardisierten Tests, die Aufarbeitung von Forschungsberichten oder die Durchführung von Marktstudien.

2.3 Aufstrebende Regionen Die vorangegangenen Ausführungen erläutern die Gründe, warum eine Mobilisierung der Leistungserbringung generell möglich wurde. IT, Kommunikation, Standardisierung und Wegfall der Notwendigkeit für persönliche Interaktion sind Voraussetzungen, dass eine Leistung im Ausland erbracht werden kann. Jedoch führen all diese Modernisierungen und Verbesserungen nur in Kombination mit den aufstrebenden Ländern und ihren niedrigen Faktorkosten, neuen Arbeitskraftressourcen und diversem Know-how zum Erfolg. Diese Länder zeichnen sich zum Beispiel durch günstige Lohnkosten, eine stabile politische Lage und einem großen Pool von verfügbaren, sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften aus. 2.3.1 Wichtige Regionen für Verlagerungen Die für deutsche Unternehmen wichtigsten Regionen für Verlagerungen sind Osteuropa und Asien. In Osteuropa sind die kaum vorhandenen sprachlichen und kulturellen Differenzen und die geringe geographische Entfernung bzw. Zeitdifferenz die Hauptgründe für die hervorragende Eignung einer Verlagerung in diese Region. Beispielsweise sind notwendige Besprechungen vor Ort ohne langfristig geplante Reisen und rasche Abstimmungstelefonate ohne Rücksichtnahme auf Zeitverschiebungen jederzeit möglich. Eine Vielzahl von deutsch- und englischsprachigen Fachkräften mindert die kulturelle und sprachliche Distanz. Vor allem Mitarbeiter, die in der Vergangenheit in Deutschland tätig waren und inzwischen wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, bringen Know-how nach Osteuropa. Mit ihren Netzwerken stellen sie oft das Bindeglied zu westlichen Unternehmen dar. Nachdem Verlagerungen ins nahe Osteuropa Vorteile, wie geringe Entfernung und ähnliche Kulturen, mit sich bringen, hat die Verlagerung nach Asien eine Vielzahl von anderen Vorteilen zu bieten.

Aufstrebende Regionen

17

x Auf Grund der Zeitverschiebung können in Asien Arbeiten erledigt werden, während in Europa nachts der Betrieb eingestellt ist. Des Weiteren lassen sich 24 Stunden Callcenter nahezu ohne Überstunden und Nachtschichten realisieren. x Mit der asiatischen Bevölkerung von mehreren Milliarden Menschen erhalten die Unternehmen Zugang zu einem großen Pool an talentierten und hoch qualifizierten Arbeitskräften. x Eine in Asien teilweise bessere Software-Entwicklung ermöglicht die Reduktion der Fehlerquote bei Implementierungen. Erkennbar ist dies durch die hohen Volumina an gleichen Projekten, den damit verbunden Skaleneffekten und der Ermöglichung einer Spezialisierung von Unternehmen oder Geschäftsbereichen auf konkrete Software-Entwicklungsprojekte. Dadurch sind eine permanente Weiterentwicklung der einzelnen Lösungen und eine Reduktion der auftretenden Fehler möglich. x Eine hohe Bündelung der Aktivitäten für Leistungsnehmer auf der ganzen Welt ermöglicht höhere Skaleneffekte und somit ein höheres Kosteneinsparpotenzial. Eines der wichtigsten Zentren in Asien ist Bangalore (Indien). Eine Vielzahl von internationalen Unternehmen erbringt dort ihre weltweiten ITLeistungen, wie beispielsweise die Softwareentwicklung und den Serverbetrieb (Boes u. Schwemmle, 2005, S.76). Jedoch gibt es inzwischen auch Aussagen wie „Indien ist die wichtigste Offshore-Destination und hat den Status eines Discountanbieters längst abgelegt. Seine größten Unternehmen verlagern inzwischen ihrerseits Aufgaben in noch günstigere Länder wie China oder die Philippinen“ (Schaaf, 2004). Abhängig von der jeweiligen zu verlagernden Aktivität können sich stark variierende Antworten für die zu wählende Region ergeben. 2.3.2 Vergleich wichtiger Offshoring-Länder Unternehmen haben im Allgemeinen verschiedene Anforderungen bei der Verlagerung von Tätigkeiten in ein potentielles Zielland. Sie müssen für die ausländische Erbringung eine möglichst vorteilhafte Kombination aus Standort und Leistungsumfang bzw. Erbringungsmodus wählen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass ein Unternehmen potentielle Zielländer basierend auf verschiedenen Kriterien im Vorfeld zu einer Verlagerung bewertet. Abbildung 9 zeigt einen von Farrell et al. (2005b) entwickelten Vergleich der wichtigsten Länder für Verlagerungen aus der Perspektive deutscher Unternehmen.

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

2,2

3,7

4,7

3,5

4,7

Marktpotenzial 3,0

3,5

3,3

4,2

3,3

4,0

4,7

3,3

2,2

2,8

2,3

Vorhandenes lokales Umfeld 1,5

3,0

3,4

3,1

3,3

1,9

2,8

3,3

2,5

2,5

2,0

2,8

Indien

China

Malaysia

Brasilien

Ungarn

3,5

2,7

2,2

1,7

2,2

2,1

2,3

2,8

3,0

3,0

1,5

USA

2,7

Qualität der Infrastruktur

4,5

4,5

Tschechei

1,9

Risiko

2,5

4,5

4,1

5,0 N/A

1,8

3,2

2,2

3,5

2,8

2,8

2,5

3,0

2,8

3,5

3,5

2,1

1,5

2,0

1,5

2,3

3,4

3,7

3,0

1,9

3,3

2,0

2,3

2,0

2,3

2,8

3,0

2,3

4,5

4,7

2,8

1,0

Deutschland

1,8

2,6

Irland

Angebot an Dienstleistern 2,5

1,5

Japan

3,5

Kanada

2,3

Grossbrit.

1,8

Mexiko

1,8

5 Unattraktiv für Offshoring

Russland

1,5

Kosten

Entscheidungskriterien

4,4

1 Attraktiv für Offshoring

Polen

Referenzland

Philippinen

18

3,5

3,3

3,9

3,7

3,4

1,8

Erbringungsländer

Abb. 9. Vergleich der wichtigsten Offshoring-Länder anhand ihrer Kernmerkmale (Untersuchung von McKinsey Global Institute, 2005)

Im Zuge dieses Beispiels erfolgt der Vergleich entlang von sechs Entscheidungskriterien, welche entlang potentieller Offshoring-Länder bewertet werden. Die Bewertung eines Kriteriums kann zwischen dem Wert 1 und 5 schwanken. Der Wert 1 assoziiert eine sehr gute Eignung des Landes für eine Erbringung von unterstützenden Funktionen. Länder mit schwacher Standortattraktivität zeigen sich durch Werte nahe von 5. Die Bewertung der einzelnen Kriterien wurde an Hand von mehreren Einzelkriterien durchgeführt, welche im Folgenden kurz erläutert werden: x Kosten. Vielmals wird der Vergleich der Kosten ausschließlich basierend auf der Lohnkostendifferenz vorgenommen. Für eine realitätsnahe Bewertung sollten aber die tatsächlichen Gesamtkosten in Deutschland mit den Gesamtkosten in den potentiellen Offshoring-Ländern vergli-

Aufstrebende Regionen

x

x x

x

x

19

chen werden. Der dargestellte Vergleich betrachtet daher neben den Lohnkosten auch die Infrastrukturkosten und die auftretenden Steuern. Angebot an Dienstleistern. Vor allem bei der Verlagerung zu einem externen Dienstleister ist die Anzahl und Qualität der verfügbaren Dienstleister von Interesse. Aber auch beim Aufbau einer eigenen Niederlassung ist dies ein wichtiger Indikator für die vorhandenen Rahmenbedingungen im zukünftigen Erbringungsland. Für die Bestimmung werden die Größe des lokalen Marktes an unterstützenden Dienstleistungen, die Anzahl der lokalen Drittanbieter und der Anteil an exportierten Dienstleistungen herangezogen. Marktpotenzial. Zur Bestimmung des jeweiligen Marktpotenzials der einzelnen Länder werden das Bruttoinlandsprodukt, dessen Wachstumsrate und die Zugangsmöglichkeiten zu den lokalen Märkten analysiert. Risiko. Das erhöhte Risiko bei der Funktionserbringung im Ausland ist ein besonders wichtiges Thema bei der Standortwahl. Sicherheit, Betriebsstörungen, regulatorische Limitierungen, Investitionsrisiken und Datenschutz werden in diesem Kriterium betrachtet. Vorhandenes lokales Umfeld. Die politische Situation und die Lebensbedingungen im zukünftigen Erbringungsland sind Rahmenbedingungen, die ebenfalls in die Wahl des Offshoring-Landes mit einfließen. Des Weiteren sind auch die auftretenden Kulturunterschiede und Zeitdifferenzen von Bedeutung. Qualität der Infrastruktur. Die Qualität der Infrastruktur wird anhand von drei wesentlichen Faktoren, der vorhandenen Telekommunikationsinfrastruktur, den vorhandenen Immobilien und den lokalen Transportmitteln gemessen. Vor allem eine reibungslose Datenkommunikation muss für die Verlagerung von unterstützenden Funktionen gegeben sein.

Bei der Betrachtung der Länderbewertung entlang der sechs erläuterten Kriterien sind deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern erkennbar. Beispielsweise können innerhalb des Kriteriums Kosten drei verschiedene Kostenniveaus erkannt werden: x Hohes Kostenniveau. Ein hohes Kostenniveau ist in den westlichen Industrieregionen, Nordamerika und Europa, und in Japan anzutreffen. In diesen Ländern scheint es, dass durch höhere Kosten eine Reduzierung des Risikos und eine Erhöhung der Qualität der Infrastruktur erreicht werden kann. Demgegenüber ist ein Nachteil dieser Regionen das mangelnde Angebot an Dienstleistern. x Mittleres Kostenniveau. Die Länder der Region Osteuropa stellen Standorte mit mittlerem Kostenniveau dar. Der Kompromiss bei den Kosteneinsparungen bewirkt bei nahezu allen anderen Kriterien einen

20

Globalisierung zentraler Wertschöpfungsbereiche

ähnlichen Effekt. Beispielsweise kann das Risiko gegenüber einer Verlagerung in ein asiatisches Land reduziert werden, jedoch bleibt es in jeden Fall höher als in den westlichen Industrieregionen bzw. Japan. x Niedriges Kostenniveau. Eine Minimierung der Kosten wird durch die Leistungserbringung in asiatischen Ländern erzielt. Dabei führen Indien und die Philippinen die Liste der kostengünstigsten Erbringungsländer an. Viele Dienstleister nutzen diesen Vorteil und verfügen über lokale Standorte in diesen Ländern. Neben den monetären Vorteilen gilt es aber, das steigende Risiko und das teilweise schwierige lokale Umfeld zu beachten. Analoge Beobachtungen sind ebenso für andere Kriterien darstellbar. Priorisiert man die Länder basierend auf der individuellen Einschätzung der Wichtigkeit der jeweiligen Kriterien, so ist offensichtlich, dass unterschiedliche Unternehmen unterschiedliche Offshoring-Länder bevorzugen. Ausländische Standorte für die Erbringung der unterstützenden Funktion IT

Russland

Wesentliche Standortvorteile • Niedrige Betriebskosten • Qualität der Infrastruktur

Wesentliche Standortvorteile • Niedrige Betriebskosten • Vorhandenes lokales Umfeld Indien Für die Wahl eines Offshoring-Landes sind im Allgemeinen mehrere Kriterien von Bedeutung. Die Merkmale werden dabei unternehmensindividuell bewertet. Für das oben gezeigte Beispielunternehmen war für die Verlagerung nach Russland neben den Kostenvorteilen das Kriterium Qualität der Infrastruktur ein ausschlaggebender Grund für die ausländische Erbringung der IT Funktionen. Bei der Verlagerung nach Indien standen neben den Kostenvorteilen das vorhandene lokale Umfeld im Vordergrund.

Abb. 10. Beispiel eines internationalen Medienkonzerns und dessen Kriterien für die Wahl des Erbringungsorts

Wichtige Erkenntnisse

21

Dabei entsteht ein Übergang von einer allgemeinen zu einer unternehmensindividuellen Reihenfolge der Erbringungsländer. Unumstritten haben aber die Länder mit geringen Kosten meist eine bedeutende Rolle und sind somit auch häufig unter den bevorzugten Ländern zu finden. Abbildung 10 zeigt als Beispiel einen international tätigen Medienkonzern und dessen Standort-Wahl für die ausländische Erbringung der IT. Die in diesem Abschnitt verwendeten Kriterien zur Beschreibung der Offshoring- Ländern stellen ein einfaches Bewertungsschema dar. Um noch detailliertere Ergebnisse zu erhalten und den unternehmensspezifischen Charakter stärker herauszuarbeiten, wird das Bewertungsschema in Kapitel 5.2.2 weiter verfeinert bzw. ausgeweitet.

2.4 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Abschnitten sind: 1. Der Fortschritt in IT und Telekommunikation führte dazu, dass viele Prozesse in Unternehmen heute digital bearbeitet und durch breitbandige Datenleitungen an nahezu jedem Ort der Welt erbracht werden können. Damit können einzelne Prozesse auch in Entwicklungs- bzw. Schwellenländer verlagert werden. 2. Eine hohe Standardisierung erleichtert die Bündelung von Prozessen. Damit wird eine Zentralisierung und im Weiteren die Verlagerung von Prozessen vereinfacht. Gleichzeitig werden durch die Zentralisierung Skaleneffekten realisiert. 3. Die wichtigsten Zielregionen für Verlagerungen sind Osteuropa und Asien. Während Osteuropa wegen der kaum vorhandenen sprachlichen bzw. kulturellen Differenzen und der geringen geographischen Entfernung interessant ist, werden nach Asien viele Tätigkeiten auf Grund der hohen Offshoring-Professionalität und des großen Pools an qualifizierten Arbeitskräften verlagert. 4. Bei der Wahl des Offshoring-Standorts kann keine generelle Empfehlung für ein bestimmtes Land gegeben werden. Unternehmen müssen basierend auf einem individuellen Bewertungsschema den für sie am besten geeigneten Offshoring-Standort bestimmen.

3 Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Sehr häufig werden die Begriffe Offshoring und Outsourcing in einem falschen Zusammenhang verwendet. Eine ausführliche Erläuterung und eine Gegenüberstellung der Begriffe soll hier Klarheit schaffen. Dabei wird dem Begriff Offshoring verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt.

3.1 Abgrenzung zwischen Offshoring und Outsourcing Wie bereits in Kapitel 1 kurz erläutert wurde, befasst sich der Begriff Offshoring mit dem Ort der Leistungserbringung. Der Ursprung des Begriffs ist dabei nicht eindeutig geklärt. Offshoring stammt aus der Finanzökonomie, in der mit Offshore-Zentren Steueroasen bezeichnet werden, die mit niedrigen Steuersätzen und striktem Bankgeheimnis ausländische Anleger locken (Schaaf, 2004). Nach anderen Quellen steht Offshoring für Orte wie den karibischen Inseln, wohin in den 70er- und 80er- Jahren USamerikanische Unternehmen einfache Datenerfassungsdienste verlagerten (Union Network International, 2003). Etwas allgemeiner ausgedrückt spricht man heute von Offshoring im Falle einer Verlagerung der Leistungserbringung ins Ausland. Bereits seit mehreren Jahrzehnten sind Offshoring-Bewegungen in der Produktion zu erkennen. Anfang der 60er Jahre wurden die ersten Produktionsstätten nach Japan verlagert. Eine breitere Ausdehnung in Regionen wie Süd-Ost-Asien und Lateinamerika und der damit verbundenen Nutzung von günstigen ausländischen Produktionsmöglichkeiten erfolgte erst in den 80er Jahren (Schaaf, 2004). Seit den 90er Jahren ist auch ein verstärkter Abwanderungstrend bei Dienstleistungen zu erkennen. Grundsätzlich können alle Prozesse und Leistungserbringungen, die keinen persönlichen Kontakt zwischen den beteiligten Personen benötigen, ins Ausland verlagert werden. Somit weitet sich zusätzlich zur Verlagerung der Produktion auch das Offshoring von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen ständig aus.

24

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Abhängig vom Standort des Unternehmens und dem Ort der Erbringung wird zwischen den drei Offshoring-Formen Onshore, Nearshore-Offshoring und Farshore-Offshoring unterschieden. x Onshore. Im Falle einer Leistungserbringung innerhalb des gleichen Landes, in dem auch der Unternehmensstandort liegt, wird von Onshore gesprochen. x Nearshore-Offshoring. Befindet sich der Leistungserbringer und der Leistungsbezieher auf demselben Kontinent (aber nicht im selben Land), fügt man zu Offshoring noch den Zusatzbegriff Nearshore hinzu. In diverser Fachlektüre findet oft auch der Begriff Nearshoring Verwendung. Aus der Perspektive Deutschlands sind alle Länder innerhalb Europas Nearshore-Offshoring-Standorte. Vor allem die Länder der EUOsterweiterung bieten sich besonders für Nearshore-Offshoring an. x Farshore-Offshoring. Eine Verlagerung auf einen anderen Kontinent wird als Farshore-Offshoring bezeichnet. Des Öfteren wird anstelle von Farshore-Offshoring auch einfach nur Offshoring verwendet. Da dies häufig zu Missverständnissen führt, verwenden wir den Begriff Offshoring ausschließlich als Oberbegriff zu Nearshore-Offshoring und Farshore-Offshoring.

Abb. 11. Illustration der unterschiedlichen Offshoring-Formen aus der Perspektive Deutschlands

Abgrenzung zwischen Offshoring und Outsourcing

25

Abbildung 11 verdeutlicht noch einmal die unterschiedlichen OffshoringFormen aus der Perspektive Deutschlands. Aus der Perspektive Deutschlands werden damit alle Verlagerungen ins Ausland als Offshoring bezeichnet, Verlagerungen ins europäische Ausland als Nearshore-Offshoring und Verlagerungen ins nicht europäische Ausland als FarshoreOffshoring. Abbildung 12 zeigt das Beispiel eines deutschen Herstellers von medizinischen Produkten, das die IT sowohl in eine Nearshore- als auch Farshore-Region verlagert hat. Anknüpfend an die kurze Darstellung in Kapitel 1, befasst man sich beim Outsourcing (im Gegensatz zum Offshoring) mit dem Modus der Leistungserbringung (interne vs. externe Erbringung). Als Outsourcing wird dabei der Übergang von einer internen zu einer externen Leistungserbringung bezeichnet. Wichtig ist dabei, dass der Begriff Outsourcing keine Information über den Ort der Leistungserbringung enthält (und damit nicht synonym zum bereits erklärten Begriff Offshoring ist). Durchgeführte Verlagerungen im Bereich der IT

Nearshore-Offshoring

Deutschland

Frankreich

FarshoreOffshoring

Malaysia

Hersteller von medizinischen Produkten Umsatz: 2,8 Mrd. EUR Mitarbeiteranzahl: 29.000

Nearshore- vs. Farshore-Offshoring: Ein Unternehmen entscheidet vor der Wahl eines bestimmten Erbringungslandes zwischen verschiedenen Offshoring-Varianten. Abhängig von der gewählten Region unterscheidet man zwischen Nearshore-Offshoring oder Farshore-Offshoring. Dabei ergeben sich für die jeweilige Variante verschiedene Vorteile: • Nearhore-Offshoring – Geringere Zeitverschiebung und geringe Entfernung zum deutschen Standort • Farshore-Offshoring – Geringere Kosten und höhere öffentliche Anreize

Abb. 12. IT-Verlagerungen eines deutschen Herstellers von medizinischen Produkten in verschiedene Regionen

26

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Outsourcing hat seinen Ursprung in der englischen Wirtschaftssprache und setzt sich aus Teilen der Wörter Outside, Resource und Using zusammen (Dittrich u. Braun, 2004). Ins Deutsche übersetzt, versteht man darunter die „Nutzung von externen Ressourcen“ und im weiteren Sinne die Auslagerung zu externen Unternehmen. Dabei werden Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen abgeben und dann von diesen als externe Leistung bezogen. Outsourcing ist somit eine spezielle Form des Fremdbezugs von bisher intern erbrachter Leistung, wobei die Dauer und der Gegenstand der Leistung vertraglich fixiert werden. Im weiteren Verlauf werden wir für nicht selbstständig erbrachte Leistungen den Begriff externe Leistungserbringung anstelle von Outsourcing verwenden. Zwischen der vollständig internen und der vollständig externen Leistungserbringung existieren auch Mischformen wie z.B. Joint Venture (JV). Grundlage eines Joint Venture ist die Nutzung von gemeinsamen Ressourcen. Dazu wird ein gemeinsames, rechtlich selbstständiges Unternehmen gegründet, an dem beide (oder auch mehrere) Seiten mit ihrem Kapital beteiligt sind. Neben dem Kapital bringen die Gründungsgesellschaften im Allgemeinen noch weitere Ressourcen wie beispielsweise Technologien und Know-how ein. Die Ziele von Joint Venture sind die Streuung von Risiken bzw. Kosten, der Zugang zu günstigen Arbeitkräften bzw. speziellem Know-how und die Nutzung von Skaleneffekten. Prinzipiell kann beim Offshoring ein Joint Venture sowohl mit einem lokalen Partner aus dem Zielland als auch mit einem nicht lokalen Partner gegründet werden. Teilweise ist die Gründung zusammen mit einem lokalen Partner aber aus rechtlichen Gründen zwingend erforderlich. In einigen Ländern ist die Gründung einer hundertprozentigen Tochter eines ausländischen Unternehmens nicht oder nur unter sehr strengen Auflagen möglich (z.B. China). Damit sind Joint Venture mit einem lokalen Partner die einzige Möglichkeit, in dem jeweiligen Land Fuß zu fassen. Gleichzeitig verzichtet das Unternehmen aber auf die vollständige Kontrolle der ausländischen Einheit bzw. auf den Schutz von unternehmensspezifischem Know-how und teilt potentielle Gewinne mit strategischen Geschäftspartnern.

3.2

Mögliche Realisierungsalternativen

Wie bereits erläutert wurde, sind Offshoring und Outsourcing zwei unabhängige Dimensionen. Neben der Eingrenzung des Orts der Leistungserbringung durch Offshoring stellt Outsourcing den gewählten Erbringungsmodus dar. Die beiden Dimensionen lassen sich beliebig kombinie-

Mögliche Realisierungsalternativen

27

ren, wodurch vier verschiedene Erbringungsoptionen entstehen (siehe Abbildung 13). OffshoringOutsourcing

Non Captive

Externe Leistungserbringung im Inland (B)

Externe Leistungserbringung im Ausland (D)

Captive

Interne Leistungserbringung im Inland (A)

Interne Leistungserbringung im Ausland (C)

Modus der Erbringung

Nearshore Onshore

Outsourcing Offshoring

Farshore

Offshore

Ort der Erbringung

Abb. 13. Die verschiedenen Realisierungsoptionen bei der Funktionserbringung

A. Interne Leistungserbringung im Inland. Alle vertikal integrierten unterstützenden Funktionen, die im Inland und im eigenen Unternehmen erbracht werden, sind in diesem Quadranten der Matrix zu finden. Man unterscheidet bei dieser Erbringungsform zwischen einer lokalen Erbringung in den dezentralen Unternehmenseinheiten und einer zentralisierten Erbringung in einem Shared Service Center (SSC). In einem SSC werden bestimmte Prozesse für alle verschiedenen Einheiten zentral an einem Standort gebündelt. Ziel ist es, mit unternehmensweit einheitlichen und standardisierten Prozessen eine möglichst effiziente Bearbeitung zu gewährleisten. Dabei profitieren die SSC im Allgemeinen von Kostenvorteilen (durch Skaleneffekte) und von einer höheren Qualität. B. Externe Leistungserbringung im Inland. Die Leistungen werden von einem externen Dienstleistungsunternehmen innerhalb des gleichen Landes erbracht. Hierbei handelt es sich um die klassische Form des Outsourcings. Bevor sich das Offshoring der Dienstleistungen Mitte der 90er Jahre etabliert hat, wurden die Dienstleistungen häufig be-

28

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

reits im Inland durch externe Leistungsanbieter erbracht. Damit konnten erste signifikante Kostenersparnisse erreicht werden. C. Interne Leistungserbringung im Ausland. Weiterhin werden die Leistungen intern im Unternehmen erbracht, nur der Ort der Erbringung verschiebt sich ins Ausland. Dabei kann es sich um eine Lösung innerhalb des Kontinents (Nearshore-Offshoring) oder auf der restlichen Welt (Farshore-Offshoring) handeln. Meistens sind es Kostengründe, die Unternehmen zur Verlagerung von einzelnen Leistungen in andere Länder veranlassen. Aber auch strategische Entscheidungen, die Zentralisierung der Leistungserbringung über Ländergrenzen hinweg, der Zugriff auf Mitarbeiterressourcen bzw. sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte und die Erschließung von neuen Märkten sind Beweggründe für die Verlagerung von Dienstleistungen. Eine interne Leistungserbringung im Ausland kann auf der einen Seite der erste Schritt für die Ausgliederung von Leistungen sein. Auf der anderen Seite ist es für einige Tätigkeiten auf Grund von speziell erforderlichem Wissen oder strategischen Gründen oft die einzige Möglichkeit, Leistungen ins Ausland zu verlagern. Die interne Erbringung am Offshoring-Standort ist nach externen Schätzungen dabei für zwei Drittel des weltweiten Offshoring-Volumens verantwortlich (Schaaf, 2004). D. Externe Leistungserbringung im Ausland. Durch die Kombination von Offshoring und Outsourcing ergibt sich eine für Unternehmen besonders interessante Form der Funktionserbringung. Die externe Erbringung, oft auch Offshoring-Outsourcing (Allweyer et al., 2004; Pohl u. Onken, 2003) genannt, ist eine Verlagerungsform, bei der die Leistungserbringung im Ausland durch einen externen Leistungserbringer (Outsourcing-Provider) erbracht wird. Diese Kombination ermöglicht es dem Unternehmen, die Vorteile aus Outsourcing und Offshoring gleichzeitig zu nutzen. Offshoring-Outsourcing gewinnt vor allem durch die zunehmende Standardisierung (siehe auch Kapitel 2.1) immer mehr an Bedeutung. Durch eine Reduktion der Wertschöpfungstiefe erfolgt eine Konzentration auf die eigentlichen Kernprozesse des Unternehmens. Man beachte, dass meist nur im Falle der internen Erbringung im Inland (A) sowohl eine zentrale (SSC) als auch dezentrale Erbringung sinnvoll ist. In den anderen Fällen (B, C, D) ist eine dezentrale Erbringung für die Praxis kaum relevant, da die verteilte Erbringung häufig einen hohen Mehraufwand für die Koordination bedeuten würde. Für die Praxis relevante Realisierungsalternativen. Die vorgestellten Realisierungsalternativen sind die auf Grund der verschiedenen Konfigurationsmöglichkeiten theoretisch möglichen Optionen. Nicht alle sind aber

Mögliche Realisierungsalternativen

29

auch in der Praxis von signifikanter Bedeutung. Aus diesem Grund werden wir uns in den nachfolgenden Untersuchungen dieses Buchs auf die wichtigsten Optionen beschränken. Diese sind in Abbildung 14 zusammengefasst. Bei der onshore Leistungserbringung existieren drei verschiedene Erbringungsmodi, die interne dezentrale Erbringung, die interne Erbringung durch ein zentrales SSC oder die Erbringung durch einen externen Dienstleister. Bei der offshore Erbringung dagegen unterscheiden wir vier verschiedene Modi: die interne Erbringung durch einen eigenen Geschäftsbereich bzw. eigenes Tochterunternehmen, die interne Erbringung durch ein Joint Venture mit einem lokalen Partner, die interne Erbringung durch ein Joint Venture ohne einen lokalen Partner oder die Erbringung durch einen externen Dienstleister. Hier ist zu beachten, dass wir auch im Fall eines Joint Venture von einer internen Erbringung sprechen (obwohl der Leistungsbezieher nur Teileigentümer ist). Wir gehen aber davon aus, dass der Leistungsbezieher im Allgemeinen einen signifikanten Einfluss auf das Joint Venture besitzt und damit die Funktionserbringung in einem Joint Venture dem Charakter einer internen Erbringung entspricht. Abbildung 15 zeigt ein Unternehmensbeispiel, bei dem ein Maschinenbauunternehmen verschiedene Realisierungsalternativen für seine im Ausland erbrachten unterstützenden Funktionen verwendet. Onshore Erbringungsmodi

Dezentrale Erbringung

Shared Service Center (zentrale, interne Erbringung)

Interne Leistungserbringung

Externer Dienstleister Externe Leistungserbringung

Offshore Erbringungsmodi Geschäftsbereich / Tochterunternehmen

Joint Venture mit lokalem Partner Interne Leistungserbringung

Joint Venture ohne lokalen Partner

Externer Dienstleister Externe Leistungserbringung

Abb. 14. Darstellung der für die Praxis bedeutenden Realisierungsalternativen

30

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Unterschiedliche Realisierungsoptionen Onshore IT

Nearshore

Farshore

Externe Leistungserbringung im Inland

Externe Leistungserbringung im Ausland

Interne Leistungserbringung im Inland

Interne Leistungserbringung im Ausland

IT

IT Forschung & Entwicklung Finanz- & Rechnungswesen

Forschung & Entwicklung Forschung & Entwicklung

Finanz- & Rechnungswesen

Ein Unternehmen wählt durch die Kombination von Erbringungsort und -modus eine bestimmte Realisierungsoption. Dabei wird beim Erbringungsort zwischen onshore, nearshore- und farshore und beim Erbringungsmodus zwischen intern und extern gewählt. Das abgebildete Unternehmen verwendet verschiedenste Realisierungsmodi für seine drei ins Ausland verlagerten Funktionen. Die Entscheidungen wurden basierend auf den gewünschten Eigenschaften der jeweiligen Verlagerung getroffen.

Abb. 15. Unterschiedlich verwendete Realisierungsalternativen eines deutschen Maschinenbauunternehmens

3.3 Wahl und Implementierung einer geeigneten Realisierungsalternative Die vorgestellten Entscheidungsalternativen besitzen ihre jeweiligen Vorund Nachteile. In Abhängigkeit der unterstützenden Funktion ist die eine oder andere Realisierungsalternative besser geeignet. Für die Wahl einer geeigneten Option ist es daher wichtig, die entsprechenden Vor- und Nachteile zu kennen und mit den Anforderungen der betrachteten Funktion zu vergleichen. Verschiedene Funktionen besitzen unterschiedliche Anforderungen. Prinzipiell hat jedes Unternehmen die Wahlmöglichkeit zwischen den ge-

Wahl und Implementierung einer geeigneten Realisierungsalternative

31

nannten Optionen. In der Praxis zeigt sich aber, dass bestimmte Optionen wesentlich häufiger für bestimmte Funktionen gewählt werden als andere. Das ist darin begründet, dass jede Funktion spezifische Anforderungen stellt. Damit ist nicht jede Entscheidungsalternative für jede Funktion geeignet. Häufig werden die verschiedenen Optionen ohne die dazugehörige Abhängigkeit der jeweiligen Funktion diskutiert. Jedoch sollten mögliche Optionen für jede Funktion genau analysiert werden. Dies kann dazu führen, dass man für zwei unterschiedliche Funktionen im gleichen Unternehmen auch zwei unterschiedliche Lösungen erhält. Beschreibung der wichtigsten Fähigkeiten. Um dem Leser einen Überblick über die wichtigsten Eigenschaften der verschiedenen Optionen zu geben, werden im Folgenden die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ausprägungen dargestellt. Die entstehenden Vor- und Nachteile des Erbringungsorts (Onshore, Nearshore-Offshoring und Farshore-Offshoring) basieren im Wesentlichen auf der räumlichen und kulturellen Distanz zwischen dem Heimatland und dem Zielland (siehe Abbildung 16). Auf der einen Seite dominieren beim Offshoring insbesondere die Möglichkeit, Einsparpotenziale zu erreichen und der Zugang zu umfangreichen Ressourcen mit entsprechender Expertise. Vorteil Nachteil

Erbringungsort Onshore Potenzial

Nearshore-Offshoring Farshore-Offshoring

Einsparpotential Ressourcenzugang

Datenaustausch

Datenintegration Datensicherheit

RahSprachliche Differenzen menbedin- Kulturelle Differenzen gungen Zeitverschiebung Reiseaufwand

Abb. 16. Vor- und Nachteile verschiedener Erbringungsorte

32

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Auf der anderen Seite verursacht die räumliche Trennung signifikante Sprachprobleme und Zeitunterschiede, erzeugt kulturelle Differenzen und erschwert durch erhöhten Reiseaufwand den Austausch von Informationen und die Abstimmung. Für den Datenaustausch treten leichte Nachteile im Zuge einer Verlagerung auf. Die erforderliche Basis ist jedoch für eine sichere Integration der Verlagerung gegeben. Bei der Wahl des geeigneten Erbringungsmodus (interne vs. externe Erbringung) sind die Vor- und Nachteile ähnlich transparent (siehe Abbildung 17). Bei der externen Erbringung profitiert das Unternehmen von der Expertise des Dienstleisters. Gleichzeitig kann der Dienstleister Skaleneffekte realisieren, die er teilweise an den Leistungsbezieher weitergibt. Betrachtet man den Spezialfall SSC bei der internen Erbringung, so können auch dort bis zu einem gewissen Maß Skaleneffekte erzielt werden. Die Kombination aus Prozessexpertise und Skaleneffekte führt zu niedrigeren Kosten. Das Unternehmen muss aber im Gegenzug hinnehmen, dass seine Einflussmöglichkeiten und der Aufbau von Unternehmens Know-how beschränkt werden. Schaffung der notwendigen Grundlagen für den Einsatz einer gewählten Realisierungsalternative. Bevor das Unternehmen die gewählte Option realisieren kann, müssen die entsprechend notwendigen Voraussetzungen auf Seiten des Unternehmens geschaffen werden. Hierbei unterscheidet man im Allgemeinen zwischen infrastrukturellen und organisatorischen Voraussetzungen. Vorteil Nachteil

Erbringungsmodus Intern Potenzial

Skaleneffekte

Knowhow

Prozessexpertise

Extern

Aufbau UnternehmensKnow-how Prozesse

Abstimmung und Anpassung Kontrolle und Steuerung

Abb. 17. Vor- und Nachteile verschiedener Erbringungsmodi

Wahl und Implementierung einer geeigneten Realisierungsalternative

33

Bei den infrastrukturellen Voraussetzungen ist insbesondere die ITInfrastruktur von entscheidender Bedeutung. Nahezu alle Zentralfunktionen werden heute mit Unterstützung der IT erbracht. Soll eine Tätigkeit verlagert werden, so setzt dies voraus, dass der Datenaustausch zwischen dem Unternehmen und dem externen Dienstleister bzw. zwischen dem Heimatland und der ausländischen Einheit reibungslos funktioniert. Dies stellt vor allem Anforderungen an die Kompatibilität und Interoperabilität der IT-Infrastrukturen (siehe auch Kapitel 2.1 zur allgemeinen Bedeutung der IT für Offshoring). Der zweite wichtige Aspekt sind die organisatorischen Voraussetzungen. Wie bereits erläutert wurde, sollte sowohl beim Offshoring als auch beim Outsourcing die Leistungserbringung in den meisten Fällen zentralisiert erfolgen. Nicht in jedem Unternehmen, das in Zukunft eine Funktion durch einen externen Dienstleister bzw. offshore erbringen lassen will, wird die Funktion bereits heute zentral erbracht. Für diese dezentral organisierten Unternehmen empfiehlt es sich in den meisten Fällen, die Verlagerung in mehreren Arbeitsschritten durchzuführen. Im ersten Schritt wird die Funktionserbringung zunächst standardisiert, aber weiterhin dezentral und intern in den einzelnen Unternehmenseinheiten wahrgenommen. Durch die Standardisierung werden in den verschiedenen dezentralen Unternehmensteilen die gleichen Prozesse verwendet und die Qualität der Ergebnisse nach gleichen Kriterien bewertet. Hieran schließt sich im zweiten Schritt die Zentralisierung der Funktionserbringung (innerhalb des Unternehmens) und der Aufbau eines SSC an. Dabei werden die benötigten Ressourcen aus den dezentralen Einheiten zusammengezogen und in einer zentralen Einheit gebündelt. Diese zentrale Einheit erbringt dann die benötigten Leistungen gleichzeitig für alle Unternehmensteile. Im dritten Schritt wird die zentrale Einheit ins Ausland verlagert und/oder an einen externen Dienstleister übertragen. Abbildung 18 stellt die idealtypische Abfolge der Organisationsveränderungen dar. Dezentrale interne Leistungserbringung im Inland

Standardisierung • Standardisierung der Prozesse • Standardisierung Input • Standardisierung Output

Zentralisierung

Auslagerung bzw. Verlagerung

• Bildung SSC • Auflösung des • Onshore, intern SSC und aber zentral Verlagerung ins • Nutzung von Ausland und/ Skaleneffekten oder Erbringung durch externen Dienstleister

Abb. 18. Idealtypische Abfolge von Organisationsveränderungen

Externe, und/oder offshore Leistungserbringung

34

Möglichkeiten zur Verlagerung von Zentralbereichen

Die dargestellten Schritte entsprechen einem in der Praxis häufig vertretenen Vorgehen. In Abhängigkeit der speziellen Situation eines Unternehmens kann aber auch ein anderes Vorgehen angemessen sein. Kann ein Unternehmen die Standardisierung bzw. Zentralisierung nicht aus eigener Kraft durchführen (z.B. weil die entsprechenden Kompetenzen fehlen) oder ist ein solcher Schritt aus sachlogischen Gründen nicht sinnvoll, so kann bereits im ersten Schritt eine Verlagerung durchgeführt werden. Verlagerungsumfang und Implementierung. Neben der Wahl der Entscheidungsalternative ist es wichtig, auch die Grundzüge der zukünftigen Organisation zu definieren. Dazu muss einerseits der Umfang der Tätigkeiten im Ausland und andererseits die Steuerung der verlagerten Einheit festgelegt werden. Der Umfang der Tätigkeiten wird dadurch bestimmt, wie groß der Anteil der Leistungen ist, die extern bzw. offshore erbracht werden. Eine wichtige Steuerungsgröße ist hier die Anzahl der Mitarbeiter in der verlagerten Einheit im Vergleich zur Gesamtzahl der in der Funktion tätigen Mitarbeiter. Verteilte Erbringung der unterstützenden Funktion IT 70%

20%

Tschechien

Singapur 10% Deutscher Finanzdienstleister Deutschland

Umsatz: Mitarbeiteranzahl:

K.A. 30.000

Im Zuge von Verlagerungsaktivitäten müssen sich Unternehmen überlegen, wie der Gesamtumfang zwischen den verschiedenen Standorten verteilt und gleichzeitig die Kontrolle über den gesamten funktionalen Bereich gewährt werden kann. Der dargestellte Finanzdienstleister hat eine verteilte Erbringung der Funktion IT an drei Standorten gewählt. Der größte Teil des Gesamtumfangs wird in Osteuropa erbracht. Der verbleibende Anteil wird auf Asien und Deutschland verteilt. Der deutsche Standort behält insbesondere die Kontrolle und Steuerung.

Abb. 19. Verteilung der Leistungserbringung der Funktion IT eines deutschen Finanzdienstleisters

Wichtige Erkenntnisse

35

Abbildung 19 zeigt einen deutschen Finanzdienstleister, der den größten Anteil seiner IT in Tschechien (70 Prozent) und Singapur (20 Prozent) erbringt. In Abhängigkeit der zu erbringenden Funktion und anderer unternehmensinterner Faktoren muss die Steuerung der verlagerten Einheit direkt aus dem Unternehmenshauptsitz heraus oder relativ autonom durch die Einheit selbst erfolgen. Ist eine enge Verzahnung erwünscht, so wird häufig eine eigene Koordinationseinheit in der Unternehmenszentrale aufgebaut. Primäre Aufgabe dieser Einheit ist es, die Abstimmung und Koordination zwischen der verlagerten Einheit und der Unternehmenszentrale durchzuführen. Damit sind alle Grundzüge der zu realisierenden Option definiert. Eine detaillierte Ausgestaltung ist nur in Abhängigkeit der zu erbringenden Funktion und der individuellen Situation möglich.

3.4 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Abschnitten sind: 1. Offshoring und Outsourcing sind zwei unabhängige, unternehmerische Gestaltungsdimensionen. Offshoring befasst sich mit dem Ort der Leistungserbringung, Outsourcing mit dem Erbringungsmodus. 2. Entscheidet sich ein Unternehmen, Tätigkeiten zu verlagern, so kann es als Zielregion eine Nearshore-Region (auf demselben Kontinent) oder eine Farshore-Region (auf einem anderen Kontinent) wählen. Bei der Wahl des Erbringungsmodus muss sich das Unternehmen zwischen einer internen und externen Erbringung entscheiden. 3. Die verschiedenen Realisierungsoptionen besitzen spezifische Vorund Nachteile. Bezüglich der Standortwahl lassen sich die höchsten Kosteneinsparungen im Regelfall beim Farshore-Offshoring realisieren. Andererseits sind sprachliche bzw. kulturelle Differenzen und der Reiseaufwand bzw. die Zeitverschiebung potentielle Hindernisse. Bei der Wahl der Erbringungsform verspricht eine externe Erbringung höhere Einsparungen. Auf der anderen Seite sind der Verlust von Unternehmens-Know-how und Kontrolle signifikante Nachteile. 4. Erfolgt die Funktionserbringung vor der Verlagerung dezentral an mehreren inländischen Standorten, so ist gegebenenfalls eine Zentralisierung vor der Verlagerung empfehlenswert. Diese vereinfacht die spätere Verlagerung ins Ausland.

4 Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Deutschlands Wirtschaft erlebt derzeit eine Vielzahl von OffshoringBewegungen. In der Presse wird nahezu täglich über die Verlagerungsaktivitäten deutscher Unternehmen berichtet. Dabei entsteht der Eindruck, dass nahezu alle großen Unternehmen bereits Verlagerungen in der Vergangenheit durchgeführt haben oder unmittelbar davor stehen. Es stellt sich damit die Frage, wie das Offshoring-Verhalten der deutschen Unternehmen tatsächlich aussieht, wie es sich in den letzten Jahren verändert hat und wie Entscheider in Unternehmen auf die derzeitige Entwicklung reagieren sollten. Trotz des derzeitigen Booms im Bereich Offshoring zeigen die Untersuchungen, dass bisher nur 35 Prozent der teilnehmenden Unternehmen eine oder mehrere unterstützende Funktionen im Ausland erbringen (siehe Abbildung 20). Jedoch gilt es für Entscheider zu beachten, dass weitere Gruppen sich bereits konkret mit Offshoring auseinandergesetzt haben. 4 Prozent der Unternehmen befinden sich in der konkreten Planungsphase. Diese haben bereits ihre Entscheidung zu Gunsten von Offshoring getroffen, müssen aber die Verlagerung noch umsetzen. Unternehmen, die über Offshoring-Aktivitäten verfügen Unternehmen, die OffshoringAktivitäten konkret planen Unternehmen, die Offshoring in Betracht ziehen Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben Unternehmen, die sich noch nicht mit Offshoring auseinander gesetzt haben

35%

4%

10%

9%

42%

Abb. 20. Unternehmen und deren bisherige Offshoring-Aktivitäten (basierend auf den Angaben von 119 Unternehmen)

38

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Darüber hinaus ziehen weitere 10 Prozent der Unternehmen Offshoring in Betracht, jedoch haben diese bisher weder eine endgültige Entscheidung bezüglich einer Verlagerung ins Ausland getroffen, noch existieren detaillierte Planungen. Demgegenüber haben sich nur 9 Prozent der Unternehmen bewusst gegen Offshoring entschieden. Jedoch sind diese Unternehmen bei erhöhtem Kostendruck durch Wettbewerber bereit, über die Entscheidung gegen Offshoring erneut nachzudenken und diese gegebenenfalls zu revidieren. Dies zeigt, welch großes Potenzial im Bereich Offshoring vorhanden ist. Somit haben sich 58 Prozent der Unternehmen mit Offshoring auseinandergesetzt. Auffallend ist, dass der verbliebene Anteil (42 Prozent) relativ hoch ist. Dies ist erstaunlich, da das Thema Offshoring in den Medien ausführlich diskutiert wird und damit den Entscheidern in Unternehmen bewusst sein sollte. Viele Unternehmen sind jedoch mit ihrer aktuellen Leistungserbringung sehr zufrieden und denken aus diesem Grunde nicht über die Option Offshoring nach (weitere Details folgen im Kapitel 6.2). In Summe verdeutlichen die Zahlen, dass Offshoring kein Randthema ist, welches nur für spezielle Unternehmenstypen geeignet ist. Vielmehr wird Offshoring bereits von mehr als einem Drittel der Unternehmen umgesetzt. Gleichzeitig bietet es aber auch die Chance, sich gegenüber Wettbewerbern zu differenzieren. Aus diesem Grunde sollten sich Entscheider zumindest mit dem Phänomen Offshoring befassen und die Relevanz für unterstützende Funktionen in ihrem Unternehmen prüfen. Bei den Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern (Größenklasse III) verfügen bereits 60 Prozent über Offshoring-Aktivitäten im Ausland (siehe Abbildung 21). Hier gelingt es, durch die mögliche thematische Spezialisierung von Abteilungen und Mitarbeitern ein umfassendes funktionales Wissen in bestimmten Bereichen aufzubauen. Dadurch wird ein frühzeitiges Erkennen von neuen Möglichkeiten bei der Leistungserbringung gefördert. Auf der anderen Seite wird bei größeren Unternehmen die notwendige kritische Größe für Verlagerungen meist erreicht. Folglich ist bei Unternehmen der Größenklasse I (weniger als 1.000 Mitarbeitern) und der Größenklasse II (zwischen 1.000 und 20.000 Mitarbeitern) der Anteil mit Offshoring-Erfahrung deutlich geringer (27 bzw. 24 Prozent). Erwartungsgemäß haben sich bei den Unternehmen der Größenklasse III die meisten Unternehmen (86 Prozent) bereits bzgl. Offshoring entschieden. Sowohl der Wettbewerbsdruck bei global agierenden Unternehmen als auch die ausländische Leistungserbringung von Wettbewerbern macht eine Auseinandersetzung mit dem Thema unumgänglich. Unternehmen, die zu den verbleibenden 14 Prozent gehören, sollten sich als bald mit der Thematik beschäftigen, um nicht einen signifikanten Rückstand zu Ihren Konkurrenten zu bekommen.

Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Funktionen

Unternehmen, die Offshoring-Aktivitäten konkret planen

Größenklasse III

Größenklasse II

3 %

60%

5% 7%

24%

Größenklasse I

27%

Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben

Unternehmen, die Offshoring in Betracht ziehen

Unternehmen, die über Offshoring-Aktivitäten verfügen

14%

Unternehmen, die sich noch nicht mit Offshoring auseinander gesetzt haben 14%

9%

52%

12%

4 %

11%

39

58%

Abb. 21. Offshoring-Aktivitäten abhängig von der Größenklasse (basierend auf den Angaben von 119 Unternehmen)

Der aktuelle Stand der Offshoring-Entwicklung hängt aber nicht nur von der Unternehmensgröße, sondern auch von der Industriezugehörigkeit ab (siehe Abbildung 22). Unternehmen, die Offshoring-Aktivitäten konkret planen

Unternehmen, die über Offshoring-Aktivitäten verfügen 40%

Verarbeitendes Gewerbe Finanz- und Versicherung

21%

15%

38%

25%

13%

Unternehmen, die sich noch nicht mit Offshoring auseinander gesetzt haben 34% 53%

54%

Informationsverarbeitende Unternehmen

Andere

Unternehmen, die Offshoring in Betracht ziehen 4 13% 9% %

11% 5% 10%

Dienstleister

Versorgungsunternehmen

Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben

8% 12%

23% 25%

87% 31%

13%

56%

Abb. 22. Offshoring-Aktivitäten abhängig von der Industrie (basierend auf den Angaben von 119 Unternehmen)

40

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Über die größten Anteile an bestehenden Verlagerungen verfügen mit 54 Prozent Dienstleistungsunternehmen gefolgt von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes (40 Prozent) und informationsverarbeitenden Unternehmen (38 Prozent). Konkrete Planung nehmen momentan nur Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und im Finanz- und Versicherungsbereich vor. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass Versorgungsunternehmen entweder über ausländische Leistungserbringung verfügen oder sich noch nicht mit Offshoring auseinandergesetzt haben. Dies bedeutet, dass in dieser Industrie alle Unternehmen, die sich bereits mit einer Verlagerung ins Ausland beschäftigt haben, diese auch realisierten. Deutschlands Wirtschaft erlebt eine Vielzahl von Offshoring-Bewegungen in unterschiedlichen Funktionsbereichen in der heutigen Zeit. Während am Beginn des vergangenen Jahrzehnts die Verlagerung der Funktion IT dominiert hat, nehmen die Anzahl der Verlagerungsaktivitäten bei anderen Funktionen in den letzten Jahren zu. Durch verschiedene Analysen werden zeitliche Zusammenhänge und bestimmte Muster innerhalb der Unternehmen und über alle Offshoring-Aktivitäten hinweg ermittelt.

4.1 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Funktionen Die Verlagerungen ins Ausland haben seit Anfang der 90er Jahre an Bedeutung gewonnen. Voraussetzungen, wie Digitalisierung von Daten und Prozessen, neue Echtzeitkommunikationsmöglichkeiten, breitbandige Verbindungen und das Internet, wurden geschaffen. Die zunehmende Standardisierung steigert die Verlagerungsmöglichkeiten und ermöglicht eine höhere Effizienz durch Offshoring. Eine detaillierte Betrachtung der Voraussetzung für Offshoring ist Kapitel 2.1 zu entnehmen. Verlagerungen der IT waren aber keineswegs die ersten OffshoringAktivitäten innerhalb der unterstützenden Funktionen. Funktionen, die für ihre Abwicklung im Ausland keine aufwendige IT-Unterstützung benötigen, werden schon viel länger in Ländern außerhalb Deutschlands erbracht. Generell unterscheidet man daher zwei Typen von Funktionen. Auf der einen Seite sind das Funktionen, die nur teilweise auf die modernen Funktionalitäten von IT und Telekommunikation angewiesen sind und daher seit den 90er Jahren in einem signifikanten Umfang verlagert werden konnten. Diese Funktionen werden im Folgenden als IT-unterstützte Funktionen bezeichnet. Dazu gehören die Funktionen Beschaffung und Produktentwicklung. Auf der anderen Seite gibt es Funktionen, die nur mit Hilfe von moderner Technik verlagert werden können. Zum Beispiel ist

Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Funktionen

41

ein Callcenter im Ausland ohne eine ausfallsichere Telekommunikationsverbindung und direkte Anbindung an Datenbanksysteme in Deutschland praktisch nicht realisierbar. Diese Funktionen werden im Folgenden als ITbasierte Funktionen bezeichnet und umfassen alle übrigen unterstützenden Funktionen. Unternehmen, die sich derzeit mit der Verlagerungsthematik auseinandersetzen, sollten daher nicht nur die populären OffshoringFunktionen IT und Callcenter im Fokus haben, sondern bewusst auch die IT-unterstützen Funktionen betrachten. Abbildung 23 zeigt einen Vergleich der zeitlichen Entwicklungen der beiden Funktionsgruppen. Dabei ist zu erkennen, dass die IT-unterstützten Funktionen bis Mitte der 90er Jahre überwiegen und bis heute kontinuierlich gewachsen sind. Sie konnten aber bei Weitem nicht so stark vom technischen Fortschritt profitieren und wurden daher ab dem Jahr 2000 von den IT-basierten Funktionen überholt. 100%

75% Kumulierte Anzahl der Imple- 50% mentierungen

IT-basierte Funktionen

25%

0% 1990

IT-unterstützte Funktionen

1995

2000

2005

* 100% = Kumulierte Anzahl der heute existierenden Implementierungen aller Unternehmen

Abb. 23. Vergleich der zeitlichen Entwicklungen von IT-unterstützten und ITbasierten Funktionen (basierend auf den Angaben zu 117 Offshoring-Implementierungen)

Erste IT-unterstützte Funktionen wurden bereits Anfang bis Mitte der 80er Jahre trotz einer zu diesem Zeitpunkt noch funktional beschränkten IT und Telekommunikation verlagert. Damals standen für die Funktion Beschaffung nicht Kostensenkungspotenziale sondern die lokale Nähe zu den Zulieferern im Vordergrund. Vor allem bei einem international agierenden Unternehmen mit hoher Beschaffungsaktivität und unterschiedlichsten Zulieferern war eine lokale Präsenz nahezu unabdingbar. Notwendige, tägliche Interaktionen mit wichtigen Geschäftspartnern im Ausland wurden auf Grund der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten und auch der

42

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Zeitdifferenz durch lokale Mitarbeiter vor Ort durchgeführt. Die Kommunikationspreise waren in den achtziger Jahren im Vergleich zu heute noch so hoch, dass lokale Mitarbeiter für das Unternehmen kostengünstiger waren. Im Gegensatz zu der Kommunikationsproblematik im Bereich Beschaffung, ist bei der Produktentwicklung die Nähe zur Produktion der entscheidende Faktor. Betrachtet man die in Kapitel 1 beschrieben Verlagerungsphänomene und -zeitpunkte bei der Produktion (erste Verlagerungen in den 60er Jahren), lassen sich auch die frühzeitigen Verlagerungen bei dieser unterstützenden Funktion erklären. Bei vielen Unternehmen mit eigener Produktion ist es unabdingbar und von strategischer Bedeutung, dass die Produktentwicklung am selben Standort wie die Produktion angesiedelt ist. Wesentliche Gründe hierfür sind beispielsweise die permanent erforderliche Kommunikation zwischen Produktentwicklung und Produktion im Zuge des Anlaufs von Neuprodukten und das essentielle Aufgreifen von Feedback aus der laufenden Serienproduktion. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wurde in vielen Fällen die Produktentwicklung frühzeitig an Standorte im Ausland verlagert. Diese Unternehmen besitzen daher (zumindest teilweise) bereits umfangreiches Wissen über die Verlagerung von Tätigkeiten ins Ausland. Die Manager sollten daher das vorhandene Wissen für weitere Verlagerungsaktivitäten nutzen. In der Praxis haben es jedoch viele Unternehmen nicht geschafft, diese Erfahrungen aus den Verlagerungen von IT-unterstützten Funktionen systematisch auf die Verlagerungen von IT-basierten zu übertragen. Viele Unternehmen besitzen daher noch ungenutztes Potenzial und können aus ihrer Vergangenheit lernen. Abbildung 24 zeigt die Entwicklung der einzelnen Funktionen im Detail. Etwa zwei Drittel der gesamten Verlagerungen in den Bereichen Beschaffung und Produktentwicklung haben vor dem Verlagerungsboom im IT-Bereich stattgefunden. Nach einem Rückgang bei den Verlagerungsaktivitäten rund um das Jahr 2000 nehmen bei beiden Funktionen die Verlagerungen in den letzten Jahren wieder zu. Sicherlich stellen die Modernisierung und Standardisierung der IT und Kommunikation neue, bisher nicht genutzte Möglichkeiten und Potenziale dar. Die Verlagerungswelle bei den IT-basierten Funktionen IT, Callcenter, Finanz- & Rechnungswesen, Personalwesen und Forschung & Entwicklung ist ab Ende der 90er Jahre ins Rollen gekommen. Bei allen fünf Funktionen haben in den letzten drei Jahren die meisten Verlagerungen (jeweils mehr als 50 Prozent) stattgefunden. Klar zu erkennen ist, dass die Verlagerung der IT dabei meistens in der ersten Offshoring-Welle integriert ist und als Motor für die Verlagerung anderer Funktionen der beiden Gruppen dient. Die Funktion Forschung & Entwicklung zeigt dabei eine Besonder-

Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Unternehmensgröße

43

heit. Als einzige der fünf unterstützenden Funktionen dieser Gruppe fanden einzelne Verlagerungen bereits vor dem Aufschwung der IT und Telekommunikation statt. Den tatsächlichen Boom brachten allerdings erst die modernen Technologien mit sich. Forschung & Entwicklung

58% 11%

5%

0%

0%

0%

9%

26%

45% Callcenter

IT

34%

50% Personalwesen

Finanz- & Rechnungswesen

Produktentwicklung

Beschaffung

0%

55%

57%

IT-basierte Funktionen

50%

0% 57%

0%

14%

29%

50%

38% 13%

33%

33%

Vor 1995

1995-1998

ITunterstützte Funktionen

0%

13%

20%

1999-2002

2003-2005

Abb. 24. Verteilung der Verlagerungszeitpunkte je Funktion (basierend auf den Angaben zu 117 Offshoring-Implementierungen)

4.2 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Unternehmensgröße Bis zum Jahre 2001 haben ausschließlich Unternehmen der Größenklasse II und III (mehr als 1000 Mitarbeiter) Verlagerungsaktivitäten ins Ausland durchgeführt (siehe Abbildung 25). Jedoch führen Unternehmen der Größenklasse I (weniger als 1.000 Mitarbeiter) nach dem relativ späten Verlagerungsbeginn in den letzen Jahren einen signifikanten Anteil aller Verlagerungen durch (siehe Abbildung 26).

44

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

100%

Größenklasse I 75%

Kumulierte Anzahl der Implementierungen

Größenklasse II

50%

Größenklasse III

25%

0% 1990

1995

2000

2005

* 100% = Kumulierte Anzahl der heute existierenden Implementierungen aller Unternehmen

Abb. 25. Vergleich der zeitlichen Entwicklung der Anzahl der Verlagerungen bei unterschiedlichen Größenklassen (basierend auf den Angaben zu 117 OffshoringImplementierungen)

52%

41%

Größenklasse III

24%

Größenklasse II

35%

Größenklasse I

57% 74%

48%

43% 19% 7%

Vor 1995

1995-1998

1999-2002

2003-2005

Abb. 26. Zeitliche Entwicklung der Anteile der verschiedenen Größenklassen an den Offshoring-Aktivitäten (basierend auf den Angaben zu 117 OffshoringImplementierungen)

In diesem Zusammenhang haben besonders Unternehmen der mittleren Klasse in den letzten beiden betrachteten Zeiträumen am Anteil der Verlagerungsaktivitäten verloren. Der letzte Zeitraum wird von Unternehmen mit weniger als 1.000 und mehr als 20.000 Mitarbeitern dominiert. Der Anstieg an Verlagerungen der kleinsten Größenklasse ist ein Indiz, dass durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen während der letzten Jahre (z.B. Entwicklung der IT, Standardisierung oder Zentralisierung) neue

Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Industrie

45

Möglichkeiten für Unternehmen kleiner Größenklassen geschaffen wurden. Insbesondere kleinere Unternehmen (Größenklasse I) sollten sich bewusst machen, dass Offshoring inzwischen eine valide strategische Handlungsoption ist. Die Zeiten in denen Offshoring nur für große Unternehmen geeignet ist, sind nun eindeutig vorbei. Auch kleiner Unternehmen können (bei entsprechenden Voraussetzungen) von Offshoring profitieren und sollten daher die Chancen nutzen.

4.3 Offshoring-Entwicklung in Abhängigkeit der Industrie Neben der fälschlichen Annahme, dass Offshoring nur für Großkonzerne geeignet ist, findet man auch häufig das Vorurteil, dass nur bestimmte Industrien Offshoring nutzen können. Auf Grund der Tatsache, dass unterstützende Funktionen in nahezu jedem Unternehmen unabhängig von der Industriezugehörigkeit existieren, sind heute prinzipiell alle Wirtschaftsbereiche für Offshoring geeignet. Wie aus Abbildung 27 ersichtlich ist, wurden vor 1995 praktisch nur im verarbeitenden Gewerbe unterstützende Funktionen ins Ausland verlagert. Erst ab 1995 kamen Unternehmen aus den Bereichen technische, wissenschaftliche und professionelle Dienstleister, Banken und Versicherungen, informationsverarbeitende Industrie und dem Einzelhandel hinzu. Auf Grund der geringen Anzahl an Verlagerungen, wurde der Einzelhandel gemeinsam mit anderen Industrien zu der Kategorie Andere Industrien zusammengefasst. Insgesamt ist die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes aber seit 1995 schrittweise auf 51 Prozent zurückgegangen (siehe Abbildung 28). Die ersten Erfahrungen hat man hier bereits in den 60er und 70er Jahren mit der Verlagerung von Produktionsteilen ins Ausland gesammelt. Dieses Wissen konnte man schon relativ früh auch bei der Verlagerung von unterstützenden Funktionen einsetzen. Es ist damit nicht verwunderlich, dass die ersten deutschen Unternehmen mit Offshoring-Aktivitäten aus dem verarbeitenden Gewerbe stammen. Die übrigen Industrien haben sich erst ab Mitte bzw. Ende der 90er Jahre nach und nach international ausgerichtet und begonnen, ihre unterstützenden Funktionen ins Ausland zu bringen. Vor allem die ausländische Erbringung im Bereich der technischen, wissenschaftlichen und professionellen Dienstleister hat an Bedeutung gewonnen. 25 Prozent aller Verlagerungen wurden in den letzten Jahren in diesem Bereich durchgeführt. Insbesondere Unternehmen aus Industrien

46

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

mit geringer Offshoring-Verbreitung, wie beispielsweise Einzelhandelsunternehmen, sollten sich systematisch mit Offshoring auseinandersetzen, um gegebenenfalls mit Verlagerungen ihre Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten auszubauen Finanz- und Versicherungsunternehmen

100%

Dienstleister 75%

Kumulierte Anzahl der Implementierungen*

Informationsverarbeitende Unternehmen Andere Industrien

50%

Verarbeitendes Gewerbe

25%

0% 1990

1995

2000

2005

* 100% = Kumulierte Anzahl der heute existierenden Implementierungen aller Unternehmen

Abb. 27. Vergleich der zeitlichen Entwicklung der Anzahl der Verlagerungen in unterschiedlichen Industrien (basierend auf den Angaben zu 117 OffshoringImplementierungen)

69%

51%

Verarbeitendes Gewerbe

25%

Technische, wissenschaftliche und professionelle Dienstleister

62%

100%

Vor 1995

14%

26%

7% 5%

4%

Informationsverarbeitende Unternehmen 7%

3% 8% 3% 5% 2% 7% 1995-1998 1999-2002 2003-2005

Finanz- und Versicherungsunternehmen 2% Einzelhandelsunternehmen Andere Unternehmen

Abb. 28. Zeitliche Entwicklung der Anteile der verschiedenen Industrien an den Offshoring-Aktivitäten (basierend auf den Angaben zu 117 Offshoring-Implementierungen)

.

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

47

4.4 Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen Die drei vorangegangenen Abschnitte beschäftigten sich mit der kontinuierlichen Veränderung des Verlagerungsverhaltens von Unternehmen in den letzten Jahrzehnten. Dabei wurden allgemeine Trends in der Industrie dargestellt, aber bisher nicht die unternehmensindividuellen Verlagerungsmuster diskutiert. Die Frage, ob bei Unternehmen typische Entwicklungspfade für Verlagerungsaktivitäten existieren und wie diese im Detail aufgebaut sind, blieb somit bis jetzt unbeantwortet. Ob bestimmte Funktionen eine Vorreiterrolle innerhalb von Unternehmen spielen und daher besonders häufig als erstes verlagert werden, ist dabei von besonderem Interesse. Erstverlagerungen. Für jedes Unternehmen stellt sich vor der ersten Verlagerung die Frage, welche unterstützenden Funktionen als erstes transferiert werden sollen und in welchen Ländern diese Funktionen zukünftig erbracht werden sollen. Dabei haben die Unternehmen im Wesentlichen zwei Gestaltungsoptionen. Sie können eine Funktion in ein Land oder mehrere Länder verlagern oder mehrere Funktionen in ein Land. Natürlich ist auch eine gleichzeitige Verlagerung von mehreren Funktionen in mehrere Länder denkbar. Dies ist aber auf Grund der Komplexität eines solchen Verlagerungsschritts für viele Unternehmen ungeeignet. Die meisten Unternehmen (70 Prozent) bevorzugen es, nur eine unterstützende Funktion in ein bestimmtes Land verlagern. Weitere 20 Prozent entscheiden sich im Rahmen der ersten Offshoring-Aktivitäten zwei Verlagerungen gleichzeitig durchzuführen. Dabei werden in zwei Drittel dieser Fälle tatsächlich zwei unterschiedliche Funktionen verlagert. Bei dem verbleibenden Drittel wird nur eine Funktion in zwei verschiedene Länder verlagert. Die verbleibenden 10 Prozent der Erstverlagerungen, bei denen mehr als zwei Verlagerungen gleichzeitig durchgeführt werden, stellen eher Ausnahmen dar. Unternehmen mit Offshoring-Ambitionen sollten hier eine ähnliche Vorgehensweise wie ihre Wettbewerber wählen und sich vor Augen führen, dass die meisten Unternehmen zunächst mit einfachen Verlagerungen begonnen haben. Tabelle 1 zeigt, wie sich die Erstverlagerungen bezüglich der einzelnen Funktionen verteilen und die Präferenz von Unternehmen hinsichtlich bestimmter Funktionen anlässlich der Erstverlagerung. In der Tabelle sind dazu zwei wesentliche Kennzahlen ausgewiesen: x Anteil der Erstverlagerungen pro Funktion an allen Erstverlagerungen. Diese Verteilung zeigt, wie sich die beobachteten Erstverlagerungen auf

48

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

die verschiedenen Funktionen verteilen. Beispielsweise stammen 31 Prozent aller Erstverlagerungen aus dem Bereich IT. Damit werden die meisten Erstverlagerungen in der IT durchgeführt. Dieser hohe Wert relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass auch die meisten aller Implementierungen (Erstverlagerungen und Folgeverlagerungen) in diesem Bereich durchgeführt werden. x Anteil der Erstverlagerungen pro Funktion an allen Verlagerungen in der entsprechenden Funktion. Dieser Anteil gibt an, wie viele Verlagerungen innerhalb einer bestimmten Funktion Erstverlagerungen sind. Ein relativ hoher Wert im Vergleich zu den anderen Funktionen bedeutet, dass die Funktion eine Vorreiterrolle bei Verlagerungen in das Ausland spielt. Mit einer solchen Funktion sammeln die Unternehmen typischerweise erste Erfahrungen. Ist hingegen der Wert niedrig, so haben die Unternehmen bereits Verlagerungen mit anderen unterstützenden Funktionen durchgeführt. Tabelle 1. Übersicht der Funktionen, die die Unternehmen als Erstes verlagern

Unterstützende Funktion

Anteil der Erstverlagerungen Anteil der Erstverlage- pro Funktion an allen Verlarungen pro Funktion an gerungen in der entsprechenallen Erstverlagerungen den Funktion

IT

31%

44%

Forschung & Entwicklung 18%

55%

Callcenter

16%

42%

Finanz- & Rechnungsw.

13%

45%

Beschaffung

11%

58%

Produktentwicklung

7%

33%

Personalwesen

4%

40%

Absolut betrachtet, werden die meisten Erstverlagerungen im Bereich IT durchgeführt. Des Weiteren zeigt sich, dass der Anteil der Erstverlagerungen pro Funktion an allen Verlagerungen bei Beschaffung und Forschung & Entwicklung relativ hoch ist. Verlagerungen, die in diesen beiden Funktionen durchgeführt werden, sind zu 58 bzw. 55 Prozent Erstverlagerungen. Demgegenüber ist der Anteil bei der IT mit 44 Prozent signifikant kleiner. Den niedrigsten relativen Wert zeigt die Funktion Produktentwicklung mit 33 Prozent. Dies ist ein erstes Indiz, dass ein Unternehmen diesen kri-

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

49

tischen Aufgabenbereich erst nach positiv erfolgten Verlagerungsaktivitäten in das Ausland verlagern sollte. Die obigen Überlegungen zur funktionalen Vorreiterrolle können analog auf eine regionale Perspektive übertragen werden. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse einer solchen regionalen Betrachtungsweise. Die meisten deutschen Unternehmen bevorzugen es, ihre ersten Offshoring-Erfahrungen innerhalb Europa zu machen. 70 Prozent aller Erstverlagerungen werden in West- und Osteuropa durchgeführt. Dabei ist der Anteil an Erstverlagerungen in Westeuropa besonders groß. 82 Prozent aller Implementierungen in dieser Region sind Erstverlagerungen. Anders verhält es sich mit den Erstverlagerungen nach Asien. Diese Region kann nur ein Viertel aller Erstverlagerungen an sich ziehen. Gleichzeitig ist der Anteil der Erstverlagerungen in dieser Region mit 35 Prozent relativ gering. Die anderen Regionen fallen in ihrer Bedeutung für Erstverlagerungen noch weiter zurück. Für Entscheider bedeutet dies, dass die Verlagerung der ersten Funktion in das nahe Ausland hilfreich sein kann. Eventuell erforderliche Veränderungen der Prozesse des eigenen Unternehmens und des Leistungsanbieters lassen sich in diesem Falle leichter adaptieren. Tabelle 2. Übersicht der Regionen, in die die Unternehmen als erstes verlagern

Region

Anteil der Erstverlagerungen Anteil der Erstverlage- pro Funktion an allen Verlarungen pro Funktion an gerungen in der entsprechenallen Erstverlagerungen den Funktion

Westeuropa

35%

82%

Osteuropa

35%

54%

Asien

24%

35%

Nord- & Mittelamerika

4%

14%

Andere Länder

2%

21%

Folgeverlagerungen bei bereits verlagerten Funktionen oder in bereits genutzte Regionen. Bei den Folgeverlagerungen sind zwei verschiedene Formen zu unterscheiden. Die eine Form ist eine zusätzliche Verlagerung einer bereits im Ausland erbrachten Funktion an einen neuen OffshoringStandort. Die andere Form ist die Verlagerung von weiteren Funktionen an einen bereits existierenden Standort. Abbildung 29 zeigt die Anteile der Unternehmen, die Folgeverlagerung mit derselben Funktion oder demselben Standort durchführen. 59 Prozent der Unternehmen verlagern bereits verlagerte Funktionen noch zu einem weiteren Offshoring-Standort.

50

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Wiederholte Verlagerung einer Funktion

Wiederholte Verlagerung zu einem Standort

59%

16%

Abb. 29. Anteil der Unternehmen, die bei Folgeverlagerungen dieselbe Funktion bzw. denselben Standort nutzen

Das Zentralisierungskriterium und die damit einhergehenden Skaleneffekte scheinen auf den ersten Blick im Widerspruch zu diesen 59 Prozent zu stehen. Dazu ist folgende Erläuterung notwendig: Auf der einen Seite haben die Einsparungen durch Skaleneffekte Grenzen in beide Richtungen. Erreicht ein Unternehmen eine bestimmte Größe bei einer unterstützenden Funktion nicht, so ist es unerheblich, ob die Funktion an einem oder an mehreren Standorten erbracht wird. Ebenso ist ab einer gewissen Größe die Steigerung der Skaleneffekte vernachlässigbar klein. Auch hier ist eine Verteilung auf mehrere Standorte sinnvoll. Neben der Beeinflussung der Skaleneffekte spielt vor allem die Entwicklung des Unternehmens und der Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Abbildung 30 zeigt als Beispiel einen führenden deutschen Werkzeugmaschinenhersteller, der die Beschaffung zuerst in den unmittelbar angrenzenden Osten (Tschechische Republik, 1980) verlagert hat. Mehrere Jahre später hat das Management die Notwendigkeit gesehen auf die zunehmende Bedeutung von Asien zu reagieren und hat eine zusätzliche Verlagerung nach Asien (Indien, 1990) durchgeführt. Mit weiteren Verlagerungen nach China (1995) und in die Vereinigten Staaten von Amerika (2000) hat das Unternehmen insgesamt drei Folgeverlagerungen der Funktion Beschaffung durchgeführt. Das Unternehmen hat durch seine Aktivitäten ständig auf die Veränderungen der Wirtschaft und der Globalisierung der Märkte reagiert. Basierend auf den genannten Gründen empfiehlt es sich für viele Unternehmen, etwaige Verlagerungen zu einem Standort innerhalb einer Verlagerungsaktivität durchzuführen. Nur in speziellen Fällen, wie beispielsweise Veränderungen von externen Rahmenbedingungen oder fehlenden Ressourcen in Unternehmen, sollte eine schrittweise Verlagerung gewählt werden. Im Vergleich dazu ist der Anteil der Unternehmen, die zusätzliche Funktionen an einen bereits bestehenden Offshoring-Standort verlagern, mit 16 Prozent relativ klein.

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

Erstverlagerung

Beschaffung (Tschechische Republik, Jan. 1980)

1980 Folgeverlagerungen der gleichen Funktion

51

Beschaffung (Indien, Jan. 1990)

1990

Beschaffung (China, Jan. 1995)

1995

Beschaffung (USA, Jan. 2000) 2000

2007

Abb. 30. Werkzeugmaschinenhersteller mit wiederholter Verlagerung der Beschaffung

Die Vermutung, dass nach einer Verlagerung einer unterstützenden Funktion an einen bestimmten Standort weitere Funktionen an denselben Standort verlagert werden, wird durch die Untersuchungen nicht bestätigt. Nur 16 Prozent der Unternehmen haben eine weitere Funktion an einen bereits vorhandenen Offshoring-Standort verlagert. Im Gegensatz dazu verlagern 22 Prozent der Unternehmen mehrere Funktionen gleichzeitig an einen neuen Standort (siehe Abbildung 32). Erzielbare Synergieeffekte bei einer gemeinsamen Verlagerung überwiegen die Vorteile einer zusätzlichen Verlagerung an einen vorhandenen Standort. Jedoch gibt es auch für die Verlagerung zu einem bereits vorhandenen Standort einige Beispiele. Abbildung 31 zeigt beispielsweise einen deutschen Finanzdienstleister, der ein Jahr nach der Verlagerung von IT und Callcenter auch die Funktion Finanz- & Rechnungswesen nach Tschechien verlagert hat. Gründe für die Erstverlagerung in den Bereichen IT und Callcenter waren die Erschließung von Kostensenkungspotentialen, die gängige Praxis in der Branche, die Umstrukturierung des Geschäftsprozesses und der Zugang zu qualifiziertem Personal. Auch für die zweite Verlagerung zum tschechischen Standort waren diese Einflussfaktoren, sowie zusätzlicher Wettbewerbsdruck ausschlaggebend. Nach Klärung der Frage, welche Funktionen und welche Regionen für Erstverlagerungen von den Unternehmen bevorzugt werden und wann Folgeverlagerungen auftreten, ist nun von Interesse, ob noch andere typische Verlagerungsmuster existieren. Der Fokus ist dabei auf Gemeinsamkeiten bzgl. des Verlagerungsumfangs und auf typische Verlagerungsketten. Ziel ist es, zu verstehen, welche Konfigurationen für welche Unternehmen geeignet sind und was Unternehmen bei der Umsetzung der jewieligen Konfiguration beachten sollten.

52

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Callcenter, IT (Tschechische Republik, Jan. 2003) Erstverlagerungen 2003 Finanz- & Rechnungswesen (Tschechische Republik, Jan. 2004)

Folgeverlagerungen in die gleiche Region

2004

2007

Abb. 31. Finanzdienstleister verlagert im Nachgang auch Finanz- & Rechungswesen an einen vorhandenen Offshoring-Standort

Verlagerungsumfang nach Funktion und Region. Unternehmen können im Rahmen eines Verlagerungsschritts gleichzeitig eine oder mehrere Funktionen an einen oder mehrere ausländische Standorte verlagern. Offensichtlich steigt der Verlagerungsumfang, je mehr Funktionen und je mehr Standorte involviert sind. Auf der Basis des Verlagerungsumfangs werden Unternehmen entlang der beiden Dimensionen Anzahl der Funktionen und Anzahl der Länder kategorisiert (siehe Abbildung 32). Dabei können Unternehmen ausschließlich über Verlagerungen in einer der vier möglichen Kategorien verfügen.

Mehrere Funktionen

22% verlagern mehrere Funktionen in ein Land (B)

16% verlagern mehrere Funktionen in mehrere Länder (D)

53% verlagern 1 Funktion in 1 Land (A)

9% verlagern 1 Funktion in mehrere Länder (C)

1 Land

Mehrere Länder

Anzahl der Funktionen 1 Funktion

Anzahl der Länder

Abb. 32. Verteilung der Unternehmen nach Komplexität ihres Verlagerungsumfangs (basierend auf den Angaben von 42 Unternehmen)

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

53

Jedoch besteht auch die Möglichkeit, dass in der Vergangenheit bereits verschiedene Verlagerungsumfänge aufgetreten sind. Im letzteren Fall werden Unternehmen der Kategorie der komplexeren Verlagerungsumfänge zugeteilt. Somit gehört beispielsweise ein Unternehmen mit zwei Verlagerungen, eine mit einer Funktion in ein Land und eine mit zwei Funktionen in zwei Länder, der Kategorie Mehrere Funktionen und mehrere Länder an. Insgesamt gibt es vier unterschiedliche Unternehmenstypen (siehe Abbildung 32): A. Bei 53 Prozent aller Unternehmen ist die komplexeste Verlagerungsaktivität eine Verlagerung mit einer Funktion in ein Land. Diese Verlagerungsaktivität ist über alle Unternehmen hinweg das gebräuchlichste Szenario. Der Vorteil liegt in der Überschaubarkeit der Verlagerung. Durch die funktionale Begrenzung ist nur ein kleiner Teil des Unternehmens von der Verlagerungsaktivität betroffen. In anderen Bereichen reicht es aus, nur die Schnittstellen an die verlagerten Prozesse anzupassen. Damit verbunden sinkt das Risiko für die Beeinträchtigung der normalen Unternehmensabläufe. Diesem Vorteil stehen aber gegebenenfalls ungenutzte Synergiepotenziale gegenüber. Planen Unternehmen ohnehin mehrere Funktionen an den gleichen Standort zu verlagern, so kann es günstiger sein, die Verlagerungen gleichzeitig durchzuführen. Das bedeutet, dass viele Unternehmen bereit sind, höhere Kosten zu bezahlen und mehr Zeit zu investieren, um im Gegenzug Risiken zu minimieren. Durch die schrittweise Verlagerung entstehen Vorteile gegenüber einer parallelen Verlagerung mehrer Funktionen. Beispielsweise haben Unternehmen die Möglichkeit, aus vorangegangenen Verlagerungen zu lernen. Zusätzlich können sie veränderte Rahmenbedingung in den folgenden Verlagerungen beachten und dadurch auf äußere Veränderungen reagieren. Für Manager gilt es dabei zu beachten, dass möglicherweise Synergiepotenziale durch die gleichzeitige Verlagerung von mehreren Funktionen verloren gehen. Abbildung 33 zeigt einen in Europa führenden Touristikkonzern, der schrittweise verschiedene Funktionen in unterschiedliche Länder verlagert hat. B. Bei 22 Prozent aller Unternehmen ist die komplexeste Verlagerungsaktivität eine Verlagerung mit mehreren Funktionen in ein Land. Rund ein Viertel der Unternehmen nutzen die Möglichkeit, im Zuge von Verlagerungsaktivitäten mehrere Funktionen gleichzeitig ins Ausland zu verlagern. Auf der einen Seite rechtfertigen verschiedene Gründe diese Vorgehensweise des Managements.

54

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

3

1 Callcenter Irland Jan. 2000 2

Callcenter Tschechien Jan. 2003

Beschaffung Großbritannien Jan. 2001 4 IT Indien Jan. 2004

Abb. 33. In Europa führender Touristikkonzern mit vier Verlagerungen von jeweils einer Funktion in ein Land

Erstens, muss dem unternehmensinternen und unternehmensexternen politischen Druck nur einmal Stand gehalten werden. Zweitens, beinhalten wiederkehrende Verlagerungsaktivitäten redundante Arbeiten, die im Zuge einer gleichzeitigen Verlagerung eingespart werden können. Drittens, sind unterstützende Funktionen innerhalb Deutschlands oft in einem Shared Service Center gebündelt (über mehrere Funktionen hinweg). Aus diesem Grund liegt eine Verlagerung der gesamten Einheit ins Ausland nahe. Auf der anderen Seite dürfen die Risiken im Zuge einer umfangreichen Verlagerung von Entscheidern nicht übersehen werden. Einschränkung oder Ausfall von einzelnen unterstützenden Funktionen durch auftretende Probleme kann sich rasch auf die Kernprozesse des Unternehmens auswirken. Innerhalb kürzester Zeit können negative Effekte auf den Unternehmenserfolg und im weiteren Sinne auf die Unternehmensexistenz auftreten. Zur Illustration werden ein Unternehmen ohne Verlagerungserfahrung und ein Unternehmen mit vorangegangenen Verlagerungen gezeigt (Abbildung 34 und 35). In Abbildung 34 ist ein internationaler Computerhersteller dargestellt, der die drei Funktionen Produktentwicklung, Beschaffung und Forschung & Entwicklung gleichzeitig nach Japan verlagert, ohne über Offshoring-Erfahrung von früheren Aktivitäten zu verfügen. Zunächst hat der Computerhersteller die Funktionen Beschaffung, Produktentwicklung und Forschung & Entwicklung nach Japan verlagert.

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

2 Callcenter Türkei Jan. 2002

3

55

1 1 Beschaffung Japan Jan. 1985

Produktentwicklung Japan Jan. 1985

1 Forschung & Entwicklung China Jan. 2003

Forschung & Entwicklung Japan Jan. 1985

Abb. 34. Internationaler Computerhersteller verlagert ohne vorangegangene Verlagerungen drei Funktionen gleichzeitig ins Ausland

1 Beschaffung Tschechien Jan. 1980

2 Produktentwicklung Indien Jan. 1990

2 Beschaffung Indien Jan. 1990

Abb. 35. Metallverarbeitendes Unternehmen verlagert nach der Verlagerung von nur einer Funktion in ein Land zwei Funktionen gleichzeitig in ein weiteres Land

Hierbei standen die Nutzung von vorhandener Expertise und die Nähe zu bereits existierenden Geschäftspartnern in Japan im Vordergrund. Nach der Jahrtausendwende erkannte das Unternehmen die neuen Möglichkeiten in Osteuropa und verlagerte sein Callcenter in die Türkei. Kurz danach folgte eine weitere Verlagerung der Forschung & Entwicklung nach China. Im Vergleich dazu zeigt Abbildung 35 die Auslagerung bei einem Unternehmen, das vor der gleichzeitigen Verlagerung von Produktentwicklung und Beschaffung nach Indien schon einschlägige Erfahrungen gesammelt hat. Dieses metallverarbeitende Unternehmen hat

56

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

bereits in den 80er Jahren die Beschaffung ins Ausland verlagert. Das Unternehmen konnte daher für die Folgeverlagerung von dem bereits vorhandenen Wissen profitieren. Es hat 1990 zwei unterstützende Funktionen gleichzeitig nach Indien verlagert. Durch diese parallele Verlagerung konnte das Unternehmen Synergienpotentiale erzielen. Im Vergleich zu dem in Abbildung 34 dargestellten Computerhersteller wählte dieses Unternehmen den Weg von einer Verlagerungsaktivität mit nur einer Funktion zu einer komplexeren Verlagerungsvariante. C. Bei 9 Prozent aller Unternehmen ist die komplexeste Verlagerungsaktivität eine Verlagerung mit einer Funktion in mehrere Länder. Anknüpfend an die vorangegangenen Erläuterungen ist es nicht verwunderlich, dass der Anteil dieser Verlagerungsaktivitäten mit 9 Prozent eher klein ist. Vor allem die Erzielung von Synergieeffekten durch zentrale Erbringungsformen und damit verbundenen Skaleneffekten sind normalerweise die Hauptgründe für die Verlagerung von Funktionen ins Ausland. Jedoch verdeutlicht die Verlagerungen einer Funktion in mehrere Länder, dass auch andere Gründe für die ausländische Erbringung für Entscheider vorhanden sind. In 75 Prozent der Fälle handelt es sich um die Erbringung der ITFunktion im Ausland. Auf der einen Seite machen immer gängiger werdende 24-Stunden Supportservices die Betreibung von mehreren weltweit verteilten Standorten attraktiv. Auf der anderen Seite erfordert der hohe Zeitdruck bei der Projektabhandlung eine effiziente Nutzung der verfügbaren Ressourcen. Anstelle von Nachtschichten in Deutschland (welche im Bereich der unterstützenden Funktionen unüblich sind), ist eine "rund um die Uhr Bearbeitung" von Projekten an zwei bis drei weltweiten Standorten möglich. Bei den verbleibenden 25 Prozent der Fälle handelt es sich um Verlagerungen im Bereich der Funktion Forschung & Entwicklung. Vorhandenes Know-how und verfügbare, sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte in verschiedenen Regionen ist der Hintergrund für die Erschließung mehrerer Standorte. Für beide Funktionen entstehen bei der dezentralen Erbringung Nachteile, wie etwas höhere Kosten durch Ausbleiben von Synergieeffekten und erhöhtem Koordinationsaufwand. Abbildung 36 zeigt einen multinationalen Chemiekonzern der seine IT-Funktionen in 2001 gleichzeitig nach Nordamerika und Osteuropa verlagert hat. Eine der Motive für die zeitgleiche Verlagerung an mehrere Standorte war die Nutzung der weltweit verfügbaren Fachkräfte für eine schnelle und vor allem kostengünstige Abwicklung von IT-Projekten.

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen 1

1

IT Vereinigte Staaten Jan. 2001

57

IT Osteuropa Jan. 2001

2 IT 2 China Juni 2005

Abb. 36. Multinationaler Chemiekonzern verlagert ohne vorangegangene Verlagerungen unterstützende Funktion in zwei Länder gleichzeitig

Des Weiteren wurde die Verlagerungsaktivität durch eine geplante Wachstumsstrategie und eine damit verbundene Erschließung von neuen Märkten geleitet. Der Chemiekonzern reagierte daher im Jahr 2005 auf das rasante Wachstum in asiatischen Ländern und verlagerte einen Teil der IT nach China. Mit dieser Strategie hat sich das Unternehmen weltweit Zugang zu gut ausgebildeten Arbeitskräften gesichert. D. Bei 16 Prozent aller Unternehmen ist die komplexeste Verlagerungsaktivität eine Verlagerung mit mehreren Funktionen in mehrere Länder. Nur 16 Prozent der Unternehmen verlagern mehrere unterstützende Funktionen gleichzeitig an unterschiedliche Standorte in verschiedene Länder. Die Anzahl der Länder, in die zum selben Zeitpunkt verlagert wird, ist deutlich geringer als die Anzahl der Funktionen bei einer Verlagerung von mehreren Funktionen an einen neuen Standort. Dieses Phänomen unterstreicht den angestrebten Bündelungseffekt bei der Verlagerung von Funktionen ins Ausland. Durch die Zentralisierung verschiedener Funktionen an ein und demselben Standort kann das Management gegebenenfalls vorhandene Synergien ausschöpfen und Gemeinkosten sparen. Als Beispiel ist jeweils ein Unternehmen mit und ohne vorangegangene Verlagerung dargestellt. Ein weltweit führender Elektrotechnik- und Elektronikkonzern hat als Start seiner Offshoring-Aktivitäten eine komplexe Verlagerung gewählt (siehe Abbildung 37). Es wurden in einem Schritt vier Funktionen, IT, Callcenter, Finanz- & Rechnungswesen und Personalwesen in zwei Länder, Russland und Kanada verlagert. Synergieeffekte wogen in diesem Fall die zusätzli-

58

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

che Komplexität auf. Dies verdeutlicht auch die Standortwahl. Vier der fünf verlagerten Funktionen werden an einem Standort in Russland erbracht. Nur die Funktion IT wird an zwei Standorten, einem in Russland und einem in Kanada, erbracht. Dadurch kann die auftretende Zeitverschiebung für IT-Support und -Projekte gut genutzt werden. Ein anderes Beispiel zeigt ein Unternehmen aus dem Landwirtschaftsund Pflanzenschutzbereich, das zuerst Erfahrung im Zuge einer Verlagerung mit geringem Verlagerungsumfang gesammelt hat (siehe Abbildung 38). Im Anschluss wurde eine gleichzeitige Verlagerung von zwei unterschiedlichen Funktionen, IT und Forschung & Entwicklung an drei verschiedene Standorte, Frankreich, Indien und Vereinigte Staaten durchgeführt. Die beiden Verlagerungsaktivitäten unterscheiden sich vor allem in der Standortentscheidung. Im Zuge der ersten Verlagerungsaktivität von Callcenter und Finanz- und Rechungswesen wurde zur Erzielung von Synergieeffekten die Verlagerung an nur einen ausländischen Standort (Spanien) gewählt. Auch bei der zweiten Verlagerungsaktivität hat man eine Bündelung der beiden Funktionen IT und Forschung & Entwicklung in Frankreich vorgenommen. Jedoch wurden, um weltweit vorhandene Ressourcen nutzen zu können, für beide Funktionen zusätzliche ausländische Verlagerungen vorgenommen. Des Weiteren war die Erschließung von Kostensenkungspotentialen durch günstige Arbeitskräfte in Billiglohnländer (Indien) ein Grund für einen zusätzlichen Standort. 1

1

IT Russland Jan. 2000 Callcenter Russland Jan. 2000

1

1 IT Kanada Jan. 2000

1

Personalwesen Russland Jan. 2000 Finanz- & Rechnungswesen Russland Jan. 2000

Abb. 37. Ein weltweit führender Elektrotechnik- und Elektronikkonzern verlagert ohne vorangegangene Verlagerungen 5 Funktionen in 2 Länder

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

59

2 1

Callcenter Spanien Jan. 2000

IT Frankreich Jan. 2002 Forschung & Entwicklung Frankreich Jan. 2002

2 Forschung & Entwicklung Vereinigte Staaten Jan. 2002

2

1 Finanz- & Rechnungswesen Spanien Jan. 2000

2 IT Indien Jan. 2002

Abb. 38. In einem zweiten Schritt verlagert ein Agrarkonzern zwei Funktionen (IT, Forschung & Entwicklung) gleichzeitig an drei Standorte (Frankreich, Indien, Vereinigte Staaten von Amerika)

Fasst man die gewonnen Erkenntnisse, stellt man fest, dass unterschiedlichste Verlagerungsmuster auftreten. Meist steht die Senkung von Kosten im Vordergrund. Dies bestätigen auch die durchschnittlichen Kosteneinsparungen je Verlagerungstyp (siehe Abbildung 39).

Mehrere Funktionen

40% durchschnittliche Kosteneinsparung (B)

23% durchschnittliche Kosteneinsparung (D)

1 Funktion

30% durchschnittliche Kosteneinsparung (A)

24% durchschnittliche Kosteneinsparung (C)

1 Land

Mehrere Länder

Anzahl der Funktionen

Anzahl der Länder

Abb. 39. Durchschnittliche Kosteneinsparungen nach Komplexität des Verlagerungsumfangs

60

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

Ein Unternehmen kann die höchsten Synergien und somit auch die höchsten Einsparungen (40 Prozent) bei der Verlagerung von mehreren Funktionen an einen Standort erzielen. Wie bei einem Shared Service Center in Deutschland werden hier die Synergieeffekte der Zentralisierung genutzt. Im Gegensatz dazu werden bei einer Verteilung der Funktionen auf mehrere Länder niedrigere Kosteneinsparungen (23 bzw. 24 Prozent) erzielt. Die Entscheider in einem Unternehmen sollten sich hier aber bewusst machen, dass die Einsparungen nicht automatisch mit dem gewählten Verlagerungsumfang entstehen. Vielmehr existiert je nach Komplexität ein bestimmtes Einsparpotenzial, das bei entsprechender Offshoring-Erfahrung auch umgesetzt werden kann. Ist diese Erfahrung nicht vorhanden, sollte sich das Unternehmen zunächst auf einfachere Verlagerungen konzentrieren. Typische unternehmensübergreifende Verlagerungsketten. Wiederkehrende Verlagerungsketten können entlang verschiedener Parameter auftreten. Zwei mögliche Parameter sind der Umfang der Verlagerungen und die zeitliche Reihenfolge der Verlagerung von unterstützenden Funktionen. Anknüpfend an die im letzten Abschnitt erklärten unterschiedlichen Verlagerungsumfänge werden wir zuerst wiederkehrende Muster entlang des Umfangs betrachten. Es treten dabei vier verschiedene Arten von Verlagerungsketten, Verlagerungen mit gleichem Umfang, Verlagerungen von geringen zu komplexen Umfängen, Verlagerungen von komplexen zu geringen Umfängen und Verlagerungen mit abwechselnden Umfängen, auf. x Auf der einen Seite ist es möglich, dass ein Unternehmen ausschließlich Verlagerungen gleichen Verlagerungsumfangs durchführt. Dabei kann es sich um einfache und komplexe Verlagerungen handeln. Jedoch bleibt die Komplexität des Verlagerungsumfangs über alle Verlagerungen eines Unternehmens unverändert. Es entsteht dadurch eine Verlagerungskette mit Verlagerungen gleicher Komplexität. 63 Prozent aller untersuchten Unternehmen verfügen ausschließlich über Verlagerungsketten dieses Typs (siehe Abbildung 40). Anders ist dies bei den drei verbleibenden Verlagerungsketten. Der Verlagerungsumfang und somit die Komplexität ändert sich mit der Anzahl der durchgeführten Verlagerungen. Dabei treten drei verschieden Szenarien auf. x 9 Prozent der Unternehmen führen zuerst Verlagerungen mit geringem Umfang durch. Dabei haben sie die Möglichkeit wichtige Grundlagen für Verlagerungen ins Ausland zu lernen. In einem zweiten Schritt erhöhen sie den Verlagerungsumfang und verlagern gleichzeitig mehrere Funktionen in ein Land, eine Funktion in mehrere Länder oder eine

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

61

Kombination aus beiden. Es entsteht eine Verlagerungskette mit anfänglichen geringen und später komplexen Verlagerungsumfängen. x Bei 16 Prozent der Unternehmen ist eine umgekehrte Vorgehensweise zu erkennen. Im Zuge der ersten Aktivität wird eine Verlagerung ins Ausland von mehreren Funktionen und/oder an mehrere Standorten durchgeführt. Nach einer oder mehreren Verlagerungen dieser Komplexität folgen ein oder mehrere Verlagerungen einfacher Komplexität (eine Funktion und ein Standort). Es entsteht eine Verlagerungskette mit anfänglich komplexen und später einfachen Verlagerungsumfängen. Mehrere Gründe sind für diese Vorgehensweise denkbar. Auf der einen Seite ist am Beginn der Verlagerungsaktivitäten ein Bedarf für eine rasche Verlagerung von mehreren Funktionen denkbar. Auf der anderen Seite ist es auch denkbar, dass die Komplexität bei den ersten Verlagerungen zu groß ist, sodass sich das jeweilige Unternehmen zu einfacheren Verlagerungen für etwaige Folgeverlagerungen entscheidet. x Für die verbleibenden 12 Prozent der Unternehmen ist die Komplexität nach Verlagerungsumfang nicht von Bedeutung. Der Umfang der Verlagerung wird je nach gegebener Situation bestimmt. Dadurch entsteht bei diesen Unternehmen eine Verlagerungskette mit einer individuellen Aneinanderreihung von einfachen und komplexen Umfängen. Durch einen Vergleich der erzielten durchschnittlichen Kosteneinsparungen je Verlagerungskette, zeigt sich, dass die höchsten Einsparungen (33 Prozent) bei wiederkehrenden Verlagerungen des gleichen Umfangs erzielt werden können. Diese Unternehmen haben den für sie optimalen Umfang gefunden und bleiben daher beim gleichen Verlagerungsmuster. Des Weiteren werden bei Verlagerungsketten mit abwechselnden Umfängen noch 31 Prozent erreicht. Unternehmen passen den Verlagerungsumfang an die individuelle Situation an und maximieren somit die erzielbaren Ergebnisse. Für Unternehmen stellt diese Möglichkeit die interessanteste Alternative dar. Diese kann aber nur umgesetzt werden, wenn Unternehmen die entsprechende Offshoring-Expertise besitzen. Die geringsten Einsparungen (18 Prozent) werden von Unternehmen erreicht, die zunächst komplexe und dann einfache Verlagerungen durchführen. In diesem Falle haben die Unternehmen bei der ersten Verlagerung die Komplexität oft unterschätzt und in weiterer Zukunft Verlagerungen mit geringerem Umfang gewählt. Für Entscheider ist an dieser Stelle wichtig zu verstehen, worin die Ursachen für niedrigere Einsparungen liegen. Es ist nicht der Übergang von komplexen zu weniger komplexen Verlagerungen, sondern meist die anfängliche Fehleinschätzung, die zu den schlechten Ergebnissen geführt hat. Die Verteilung der Unternehmen auf die einzelnen auftretenden Verlagerungsketten, die wichtigsten Charakteristika und die damit verbunden

62

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

mittleren Einsparungen sind in der Abbildung 40 zusammengefasst dargestellt. Ein anderer Parameter für das Auftreten von Verlagerungsketten ist die zeitliche Reihenfolge bei der Verlagerung von mehreren unterstützenden Funktionen innerhalb eines Unternehmens. Auch bei dieser Betrachtungsweise sind erste Ansätze zur Bildung von Ketten erkennbar. In vielen Fällen, in denen IT verlagert wird, werden auch Callcenter ins Ausland transferiert. Des Weiteren gibt es auch Indikationen, dass die Funktionen Beschaffung und Produktentwicklung in der Regel vor anderen Funktionen verlagert werden. Unternehmen, die vor ihrer ersten Verlagerung stehen, sollten sich daher bewusst machen, dass die Verlagerungen von IT und Callcenter bzw. Beschaffung und Produktentwicklung typische Einstiegsfunktionen sind. Diese müssen nicht zwangsweise gewählt werden, haben sich aber schon in anderen Unternehmen als günstig erwiesen. Art der Verlagerungskette Anteil

Beschreibung

Mittlere Einsparungen Beispiel

63 % der • Eine oder mehrere VerlagerUnterungs-aktivitäten mit gleichem nehmen Verlagerungsumfang

33 %

• Ein Unternehmen verlagert mehrmals eine Funktion an einen Standort

9 % der Unternehmen

• Im ersten Schritt eine oder mehrere Verlagerungen mit geringem Umfang • Im zweiten Schritt eine oder mehrere Verlagerungen mit komplexem Umfang

23 %

• Nach der Verlagerung von einer Funktion an einen Standort werden zwei Funktionen gleichzeitig zu einem Standort verlagert

16 % der • Im ersten Schritt eine oder Untermehrere Verlagerung mit Von komplexem Umfang komplexen zu nehmen • Im zweiten Schritt eine oder geringen mehrere Verlagerungen mit Umfängen geringem Umfang

18 %

• Nach der gleichzeitigen Verlagerung von zwei Funktionen zu zwei Standorten wird eine Funktion an einen Standort verlagert

31 %

• Nach der Verlagerung von einer Funktion an einen Standort werden drei Funktionen gleichzeitig an einen Standort verlagert. • Anschließend erfolgt erneut die Verlagerung von nur einer Funktion an einen Standort

Gleicher Umfang

Von geringen zu komplexen Umfängen

12 % der • Abwechselnde Verlagerungen Untermit geringem und komplexem nehmen Verlagerungsumfang Abwechselnde Umfänge

Abb. 40. Zusammenfassung der vier unterschiedlichen Verlagerungsketten nach Verlagerungsumfang

Offshoring-Dynamik: Verlagerungsketten in Unternehmen

63

Eine weitere Eigenschaft eines funktional wiederkehrenden Musters tritt innerhalb der untersuchten Unternehmen auf. 19 Prozent der Unternehmen haben ausschließlich die IT ins Ausland verlagert. Etwa zwei Drittel dieser Unternehmen haben die IT in mehreren Schritten an verschiedenen Standorten verlagert. Als Beispiel für eine weltweite Verteilung der unterstützenden Funktion IT hat ein international tätiges Dienstleistungsunternehmen sechs ausländische Standorte für die Erbringung von IT-Prozessen implementiert (siehe Abbildung 41). Das Unternehmen verfolgt dabei die Strategie einer bewusst verteilten Funktionserbringung über mehrere Länder hinweg. Dadurch können beispielsweise weltweit verfügbare Experten besser genutzt werden. Regional vorhandenes Know-how kann auf diese Weise in die Entwicklung von Produkten für den globalen Markt einfließen. Des Weiteren können bei einer verteilten Erbringung die Ressourcen simultan genutzt werden. Damit können große IT-Projekte schneller umgesetzt werden. Darüber hinaus kann auf Grund der Zeitverschiebungen rund um die Uhr eine günstige IT-Unterstützung angeboten werden. Eine Erkenntnis von weiteren, übergreifenden Verlagerungsketten ist noch nicht möglich, da das Phänomen Offshoring bei einigen untersuchten unterstützenden Funktionen erst vor wenigen Jahren aufgekommen ist. 2

1

IT Ungarn Jan. 1999

IT China Jan. 1997 4

3 IT Vereinigte Staaten Jan. 2000

IT Malaysia Jan. 2005

4 IT Thailand Jan. 2005

4 IT Singapur Jan. 2005

Abb. 41. Dienstleistungsunternehmen mit sechs weltweiten Offshoring-Standorten und den zugehörigen Verlagerungszeitpunkten

64

Offshoring-Verhalten deutscher Unternehmen

4.5 Wichtige Erkenntnisse Aus den zeitlichen Analysen der Verlagerungen lassen sich einige wesentliche Erkenntnisse ableiten: 1. 84 Prozent der Unternehmen führen alle Verlagerungstätigkeiten zu einem Standort in einem Schritt durch. Entscheider in Unternehmen sollten sich aber des Risikos eines solchen Schrittes bewusst sein. Die mit der gleichzeitigen Verlagerung erzielten Synergien sollten das unternehmerische Risiko aufwiegen. 2. Trotz des insgesamt hohen Anteils von Verlagerungen nach Asien bevorzugen Unternehmen bei ihrer ersten Verlagerung eine Nearshore-Offshoring-Region, wie West- oder Osteuropa. Nur in einem Viertel der Fälle machen Unternehmen den ersten Schritt ins Ausland mit einer Verlagerung nach Asien. Offshoring-unerfahrene Unternehmen sollten daher kritisch überlegen, welches Land sie für ihre erste Verlagerung wählen. 3. Die Verlagerung der IT nimmt eine gewisse Vorreiterrolle für die Verlagerung von weiteren unterstützenden Funktionen ein. In den Fällen, in denen IT bereits im ersten Verlagerungsschritt transferiert wurde, wurden teilweise aber auch gleichzeitig noch andere Funktionen verlagert. Unternehmen sollten sich an dieser Stelle bewusst machen, dass die IT nicht zwangsweise die Funktion ist, die verlagert werden sollte. Auch andere Funktionen sind für Erstverlagerungen denkbar. 4. Generell führen Unternehmen Verlagerungen zu verschiedenen Zeitpunkten durch. Jeder Verlagerungsschritt hat dabei einen bestimmten Verlagerungsumfang (z.B. Verlagerung einer Funktion in ein Land oder mehrerer Funktionen in mehrere Länder). 63 Prozent der Unternehmen behalten bei jeder Verlagerung denselben Verlagerungsumfang bzw. -komplexität bei. Weitere 16 Prozent reduzieren ihn im Laufe der Verlagerungsschritte (z.B. im ersten Schritt mehrere Funktionen in mehrere Länder und im zweiten Schritt nur noch eine Funktion in ein Land). Welcher Verlagerungsumfang für welches Unternehmen ideal ist, lässt sich dabei leider nicht pauschal beantworten. In Abhängigkeit der eigenen Offshoring-Expertise sollten die Unternehmen abschätzen, welche Komplexität sie erfolgreich bewältigen können.

5 Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Entscheidet sich ein Unternehmen für eine Verlagerung von zentralen Funktionen ins Ausland, so muss das Management einen umfassenden Verlagerungsprozess durchführen. Dieser besteht aus den Schritten Motivation und Zieldefinition, Entscheidung über Umsetzungsoptionen und Erfolgskontrolle (siehe Abbildung 42). Motivation und Zieldefinition (Kapitel 5.1) • Bestimmung der Einflussfaktoren auf die Offshoring-Entscheidung • Ableitung der Ziele einer Verlagerung (z.B. erwartete Mindesteinsparungen)

Entscheidung über Umsetzungsoptionen (Kapitel 5.2) • Wahl der verschiedenen Entscheidungskomponenten Funktion, Erbringungsort und Erbringungsmodus • Überprüfung des Zusammenspiels der Kombination aus verschiedenen Entscheidungskomponenten

Erfolgskontrolle (Kapitel 5.3) • Überprüfung der erreichten Kosteneinsparungen an Hand der absoluten Einsparungen, der Diskrepanz zu den geplanten Einsparungen und der benötigten Zeit bis zum Erreichen der Einsparungen • Überprüfung der erreichten Service-Qualität und Aufzeigen von notwendigen Verbesserungen im Servicelevel

Abb. 42. Managementprozess zur Verlagerung von unterstützenden Funktionen

Verschiedene Faktoren können eine Entscheidung für Offshoring motivieren. Basierend auf den jeweiligen unternehmensspezifischen Motivationsfaktoren definiert das Management Ziele, die es durch eine Verlagerung erreichen will. Diese Ziele können dabei sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien beinhalten. Bei den quantitativen sind es meist Einsparungen, die das Unternehmen durch eine Verlagerung erreichen will. Das Unternehmen legt fest, wie hoch die Einsparungen mindestens sein müssen, damit sich eine Verlagerung für das Unternehmen lohnt. Neben den Einsparungen sind auch andere Kriterien denkbar, wie beispielsweise Erhöhung der Servicequalität oder flexiblere Leistungserbringung.

66

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Im Anschluss an die Zieldefinition muss das Management über die Rahmenbedingungen der Verlagerung entscheiden. Der Gestaltungsfreiraum setzt sich aus drei wesentlichen Entscheidungskomponenten zusammen: x Welche unterstützenden Funktionen sollen verlagert werden? x Wohin sollen diese Funktionen verlagert werden? x In welchem Erbringungsmodus (intern oder extern) sollen die Funktionen in Zukunft erbracht werden? Die drei Entscheidungskomponenten beeinflussen den späteren Erfolg der Offshoring-Implementierung maßgeblich. Je nachdem welche Ziele für eine Verlagerung von Bedeutung sind (z.B. Zugang zu qualifizierten Personal oder Kostensenkungspotenzial), sind unterschiedliche Kombinationen der Entscheidungskomponenten geeignet. Unternehmen sollten daher vor der Wahl die möglichen Realisierungsmöglichkeiten ausführlich analysieren. Nach dem Aufbau der Einheit im Ausland sollte dann eine kritische Erfolgskontrolle durchgeführt werden. Diese ist wichtig, um gegebenenfalls existierende Abweichungen von den gesetzten Zielen zu erkennen. Abhängig von der bestehenden Diskrepanz sind entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Im Falle der qualitativen Ziele ist die Bewertung durch das Management zumindest teilweise subjektiv. Damit ist eine eindeutige Bewertung der Zielerreichung oft nicht möglich. Zusätzlich sind die quantitativen Kriterien, wie beispielsweise erreichte Kosteneinsparungen, häufig nicht unmittelbar messbar. Oft fehlen entsprechende Daten, um eine Beurteilung zu ermöglichen. Selbst wenn die Kosten der neu geschaffenen Offshoring-Einheit bekannt sind, so stehen viele Unternehmen vor dem Problem, einen fairen Vergleichswert für die ursprünglichen Kosten zu berechnen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist ein Kontrollmechanismus unerlässlich. Die Erfolgskontrolle sollte in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden, um die zeitliche Entwicklung zu verfolgen. Dabei ist wichtig, dass ein Untenehmen die ursprünglich gesetzten Ziele immer wieder kritisch hinterfragt. Bei unrealistischen Zielen sind entsprechende Korrekturen erforderlich.

5.1 Motivation und Zielsetzung der Verlagerung Warum eine bestimmte Funktion ins Ausland verlagert werden soll, ist eine der wichtigsten Fragen, die sich jedes Unternehmen im Rahmen des Verlagerungsprozesses stellt. Für die meisten Unternehmen stehen dabei

Motivation und Zielsetzung der Verlagerung

67

die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen, die Möglichkeit, auf den Wettbewerbsdruck zu reagieren, und der Zugang zu qualifiziertem Personal im Vordergrund (siehe Abbildung 43). Der Faktor Kostendruck durch Wettbewerber ist dabei offensichtlich eng verknüpft mit dem Thema Kostensenkungspotenzial. Im Gegensatz dazu hat der Faktor Zugang zu qualifiziertem Personal eine andere Bedeutung. Die rasante Entwicklung von Billiglohnländern hat eine Verbesserung der Bildungssysteme in diesen Ländern hervorgerufen. Zusätzlich wird durch die Ansiedlung global agierender Unternehmen ständig Know-how in diese Länder transferiert. Damit werden ausländische Arbeitskräfte immer kompetenter und können auch höherwertige Tätigkeiten durchführen. So lassen sich zum Beispiel auch Tätigkeiten aus dem Bereich Forschung & Entwicklung ins Ausland verlagern. Der Zugang zu kostengünstigem und qualifiziertem Personal ist damit nicht nur eine Möglichkeit, Kosten zu reduzieren, sondern auch eine Chance, mit dem zusätzlichen Know-how eine bessere Wettbewerbsposition auf- bzw. auszubauen. Neben den genannten Faktoren gibt es noch weitere Gründe, die Unternehmen im Rahmen ihrer Offshoring-Überlegungen in Betracht ziehen sollten. Abbildung 43 zeigt die Bedeutung der potenziellen Einflussfaktoren (eine detaillierte Erklärung der Faktoren findet sich im Anhang). Inwieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Ihre Entscheidung, die Funktionen im Ausland erbringen zu lassen, positiv beeinflusst haben? Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,2 / STD: 1,0

Kostendruck durch Wettbewerber

2,7 / STD: 0,9

Zugang zu qualifiziertem Personal

2,5 / STD: 0,9

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

2,5 / STD: 1,0

Positive Erfahrung mit ausländ. Erbringung

2,4 / STD: 0,9

Gängige Praxis der Branche

2,2 / STD: 1,0

Unterstützung einer Wachstumsstrategie

2,2 / STD: 1,0

Umstrukturierung des Geschäftsprozesses

2,1 / STD: 1,1

Höhere Servicequalität

2,0 / STD: 1,0

Höhere Zuverlässigkeit

1,9 / STD: 1,0

Verkürzung der Produkteinführungszeit

1,8 / STD: 1,2

Zugang zu neuen Absatzmärkten

1,8 / STD: 1,3

Verwendung standardisierter & kompatibler IT

1,8 / STD: 1,1 1,7 / STD: 1,0

Verbesserte IT-Umsetzungsmöglichkeiten Höhere Ausfallsicherheit Systemredundanz STD = Standardabweichung

Kein Einfluss (0)

1,6 / STD: 0,9 Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss Starker vorhanden Einfluss (4)

Abb. 43. Motivationsfaktoren für eine Verlagerung (basierend auf den Angaben von 82 verlagerten Funktionen)

68

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Beispielsweise sind neben dem Kostensenkungspotenzial insbesondere die Flexibilität bei einem in Deutschland tätigen Mobilfunkunternehmen die Hauptmotivation für die Verlagerung der Funktion Callcenter ins Ausland gewesen (siehe Abbildung 44). IT und Telekommunikation haben inzwischen sowohl eine sehr hohe Standardisierung als auch eine weite Verbreitung erlangt. Sie sind damit heute keine entscheidenden Motivationsfaktoren mehr. Offensichtlich sind die unternehmensinterne Verwendung von standardisierten und kompatiblen Informationstechnologien, die verbesserte bzw. komfortablere informationstechnologische Umsetzungsmöglichkeit und die Erhöhung der Ausfallsicherheit durch Systemredundanz gegebene Standards. Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für verschiedene Funktionen. Die Bedeutung der einzelnen Faktoren hängt dabei stark von der zu verlagernden Funktion ab. In Abbildung 45 sind jene Einflussfaktoren dargestellt, die sich für die verschiedenen Funktionen wesentlich unterschieden. Diese Vorgehensweise wurde analog für andere Detailanalysen dieser Art gewählt. Beispielsweise ist der Zugang zu qualifiziertem Personal für die Verlagerung der Funktionen Forschung & Entwicklung und Beschaffung von großer Bedeutung, während er im Bereich Finanz- & Rechnungswesen weniger ausschlaggebend für eine Offshoring-Entscheidung ist. Unternehmenscharakteristika

Verlagerungsmotivation

Die wichtigsten EinEinflussfaktoren fluss TätigkeitsDeutschland Erschließung von Kostenbereich senkungspotenzial Anpassungsfähigkeit und Größe 3.000 MitarFlexibilität beiter (GröOffshoring Weniger bedeutsame Einßenklasse II) Einflussfaktoren fluss Ja Verkürzung der ProduktErwartete 30–40 ProNein einführungszeit Einsparungen zent Zugang zu neuen AbsatzVerlagerte Callcenter märkten Verbesserte IT-UmsetzungsFunktion möglichkeiten Verlagerung Oktober Höhere Ausfallsicherheit, im 2005 Systemredundanz Starker Einfluss Kein Einfluss Industrie

Mobilfunk

Abb. 44. Verlagerungsmotivation für ein deutsches Mobilfunkunternehmen

Motivation und Zielsetzung der Verlagerung 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,0

Kostendruck durch Wettbewerber

4 Starker Einfluss

3,4

2,5

2,8

3,3

2,8

3,1

2,8

Zugang zu qualifiziertem Personal

1,8

Verwendung standardisierter & kompatibler IT

1,9

1,9

1,1

1,7

Verbesserte IT Umsetzungsmöglichkeiten

1,9

1,9

1,1

1,8

Höhere Ausfallsicherheit Systemredundanz

1,7

Finanz- & Rechnungswesen (10)

69

2,8

2,9

1,8

1,7

IT (28)

Beschaffung (7)

2,9

1,6

Forschung & Entwicklung (13)

Abb. 45. Relevanz der Einflussgrößen auf die Verlagerungsentscheidung einzelner Funktionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen)

Da es in der Forschung & Entwicklung vor allem auf die Ideen und das Wissen von Mitarbeitern ankommt, ist dieses Ergebnis leicht nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu sind IT-relevante Faktoren (Verwendung standardisierter und kompatibler IT und verbesserte IT-Umsetzungsmöglichkeiten) für die Funktion Finanz- und Rechnungswesen auf Grund der notwendigen sicheren Übermittlung von vertraulichen Daten von entscheidender Bedeutung. In Summe gibt es keine allgemeingültigen Motivationsfaktoren. Unternehmen verfolgen je nach verlagerter Funktion unterschiedliche Ziele. Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für verschiedene Industrien. In allen Industrien sind die Erschließung von Kostensenkungspotenzial und der Zugang zu qualifiziertem Personal bedeutende Einflussgrößen (siehe Abbildung 46). Nur die Gewichtung der Relevanz ist für beide Faktoren unterschiedlich. Anders ist dies bei den restlichen dargestellten Faktoren. Beispielsweise sind Anpassungsfähigkeit und Flexibilität für informationsverarbeitende Unternehmen und Versorgungsunternehmen von besonderer Bedeutung. Demgegenüber ist der Zugang zu neuen Absatzmärkten für Informationsverarbeitende Unternehmen nahezu irrelevant. Vor allem bei Versorgungsunternehmen sind die gegebenen Voraussetzungen und mögliche Verbesserungen in der IT wichtige Einflussfaktoren im Zuge der Verlagerungsentscheidung.

70

Management der Verlagerung von Zentralbereichen 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,1

Kostendruck durch Wettbewerber

2,8

Zugang zu qualifiziertem Personal

2,7

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität Zugang zu neuen Absatzmärkten

2,8

3,6

2,3

2,2

1,9 1,1

3,0

2,4

2,0

2,5 2,3

4 Starker Einfluss

3,0 2,0

3,2 0,6

3,0 2,0

Verwendung standardisierter & kompatibler IT

2,0

1,3

1,8

3,0

Verbesserte IT Umsetzungsmöglichkeiten

2,0

1,3

1,6

3,0

Verarbeitendes Gewerbe (46)

Dienstleister (15)

Informationsverarbeitende Unternehmen (5)

Versorgungsunternehmen (1)

Abb. 46. Relevanz der Einflussgrößen auf die Verlagerungsentscheidung in verschiedenen Industrien (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen)

Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für verschiedene Unternehmensgrößen. Bei der Betrachtung der einzelnen Faktoren für verschieden Größenklassen sind die auftretenden Unterschiede deutlich geringer als bei verschiedenen Industrien und Funktionen (siehe Abbildung 47). Die Maxima der Faktoren treten bei 5 der 6 dargestellten Faktoren bei Unternehmen der Größenklasse I und III auf. Nur die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität ist für Unternehmen der mittleren Größenklassen von größter Bedeutung. Die größte Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Größenklassen zeigt sich für die Faktoren Erschließung von Kostensenkungspotenzial und verbesserte IT-Umsetzungsmöglichkeiten. Unabhängig von der zu verlagernden Funktion, der Unternehmensgröße oder der Industriezugehörigkeit ist der wichtigste Grund für eine Verlagerung die Möglichkeit, Kosten zu sparen. 83 Prozent der Unternehmen wollen eine Mindesteinsparung von 10 Prozent gegenüber einer Erbringung in Deutschland erreichen (siehe Abbildung 48). 39 Prozent erwarten eine Einsparung von mehr als 30 Prozent. Mit einer Kosteneinsparung von weniger als 10 Prozent gibt sich kein Unternehmen zufrieden. Darüber hinaus existieren aber auch einige Unternehmen (17 Prozent), für die das mögliche Einsparpotenzial keinen Einfluss auf ihre Entscheidung hatte.

Motivation und Zielsetzung der Verlagerung 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial

2,9

Kostendruck durch Wettbewerber

2,6

Zugang zu qualifiziertem Personal

2,7

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität Unterstützung einer Wachstumsstrategie

3,5

2,6

2,8

2,3

2,6 2,5

2,7

2,5

Verwendung standardisierter & kompatibler IT Verbesserte IT Umsetzungsmöglichkeiten

4 Starker Einfluss

2,9

2,2 2,0

2,1

2,1

1,7

2,1

1,6

1,8

Größenklasse I (17)

Größenklasse II (25)

71

1,5

Größenklasse III (40)

Abb. 47. Relevanz der Einflussgrößen auf die Verlagerungsentscheidung für Unternehmen unterschiedlicher Größe (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen) 25% 21% 19% 17%

16%

2%

10% - 20%

20% - 30%

30% - 40%

40% - 50%

> 50%

Kein Einfluss auf Entscheidung

Abb. 48. Erwartetes Kosteneinsparpotenzial bei einer Verlagerung ins Ausland (basierend auf den Angaben von 52 Unternehmen)

Dies sind meist Unternehmen, die mit einer Verlagerung ausschließlich das im Ausland vorhandene Know-how nutzen wollen und damit nicht primär auf die im Ausland vorhandenen Kostenvorteile fokussiert sind. Zu

72

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

betonen ist an dieser Stelle, dass Unternehmen sehr unterschiedliche Ziele mit einer Verlagerung anstreben, wenn auch die Motivation, Kosten zu sparen, dominiert. Jeder Manager sollte sich vor einer Verlagerung ins Ausland kritisch mit deren Zielen auseinandersetzen. Im Einklang mit diesen Zielen sollte dann im nächsten Schritt eine dazu passende Implementierungsoption gewählt werden.

5.2 Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel Für die Umsetzung einer Offshoring-Implementierung muss sich das Management entscheiden, welche Funktion an welchen Standort verlagert und wie sie dort erbracht werden soll. Das Management hat bzgl. dieser drei Entscheidungskomponenten einen umfassenden Gestaltungsspielraum. Hinsichtlich der funktionalen Komponente können die Unternehmen nicht nur definieren, welche Funktionen verlagert werden sollen, sondern auch in welchem Umfang und wie häufig. Bezüglich der Standortkomponente können die Unternehmen im ersten Schritt zwischen Nearshore- und Farshore-Regionen und dann im zweiten Schritt ein individuelles Zielland wählen. Der Erbringungsmodus, die dritte Komponente, gliedert die Offshoring-Aktivitäten nach den Eigentumsverhältnissen am OffshoringStandort. Dabei kann zwischen einem internen und einem externen Erbringungsmodus gewählt werden. 5.2.1 Entscheidungskomponente Funktion: Welche Funktionen? Unabhängig vom Erbringungsort und vom Erbringungsmodus müssen sich Manager in einem ersten Schritt entscheiden, welche unterstützenden Funktionen ihres Unternehmens ins Ausland verlagert werden. In Summe haben die von den Autoren untersuchten 42 Unternehmen 93 unterstützende Funktionen zu 178 ausländischen Standorten transferiert (siehe Abbildung 49). Dabei zeigt sich, dass die Unternehmen im Mittel rund zwei Funktionen ins Ausland verlagern und diese dann an rund vier OffshoringStandorten erbringen. Das heißt, dass sich jede im Ausland implementierte Funktion im Mittel auf etwa zwei Standorte verteilt. Diese gemittelten Werte für die vorhandenen Standorte variieren stark über die untersuchten Unternehmen hinweg.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Unternehmen mit Offshoring

Verlagerte Funktionen

OffshoringStandorte

42 Unternehmen (von 119 untersuchten)

93 unterstützende Funktionen (von 294 maximal möglichen)

178 Implementierungen an weltweiten Standorten

73

Abb. 49. Gesamte Verlagerungsaktivitäten

Abbildung 50 zeigt dazu zwei Unternehmen, die sich sowohl bzgl. der Zahl der verlagerten Funktionen als auch bzgl. der Zahl der OffshoringStandorte stark unterscheiden. Die Komplexität der aktuellen Verlagerungsaktivitäten des dargestellten internationalen Chemiekonzerns ist mit der Verlagerung von nur einer Funktion zu einem Standort gering. Im Gegensatz dazu verlagert der zweite Konzern aus der Elektronikbranche drei Funktionen an zehn Standorte. Die genannten Mittelwerte werden hier deutlich übertroffen. Aus diesem Beispiel ist für das Management ersichtlich, dass die genannten Mittelwerte keinesfalls einer Idealkonfiguration entsprechen müssen. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel ausführlich erläutert wurde, hängt der optimale Umfang einer Verlagerung von vielen Faktoren ab und muss unternehmensindividuell bestimmt werden. Des Weiteren variiert der Verlagerungsumfang stark in Abhängigkeit von der betrachteten Funktion. Unternehmen mit Offshoring

Unternehmen mit hoher Implementierungsanzahl

Unternehmen mit geringer Implementierungsanzahl

Internationaler Konzern mit Fokus in Elektronik

Internationaler Chemiekonzern

Verlagerte Funktionen

OffshoringStandorte

Finanz- und Rechnungswesen

Indien Ungarn Großbritannien USA USA

IT

Indien Rumänien Ungarn Spanien

Callcenter

Spanien

Callcenter

Irland

Abb. 50. Unternehmen mit unterschiedlicher Implementierungsanzahl

Unternehmen hat drei Funktionen ins Ausland verlagert und erbringt diese an zehn Standorten Unternehmen hat eine Funktion ins Ausland verlagert und erbringt diese an einem Standort

74

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Die Unterschiede zeigen sich bzgl. der Anzahl der Unternehmen, die eine bestimmte Funktion verlagert haben, bzgl. des Anteils an den gesamten Verlagerungen und bzgl. des Anteils an den gesamten ausländischen Standorten. Abbildung 51 zeigt hierzu eine vergleichende Darstellung mit: x Verteilung der Unternehmen, die eine bestimmte Funktion verlagert haben (für jede Funktionen wird der prozentuale Anteil der Unternehmen bestimmt, die diese bestimmte Funktion verlagert haben) x Verteilung der verlagerten Funktionen (Übersicht über den jeweiligen Anteil einer Funktion aus der Summe aller Verlagerungen) x Verteilung der Offshoring-Standorte (Verteilung aller Offshoring-Standorte entlang der Funktionen) So wird beispielsweise der Einsatz von unternehmensweiten IT-Systemen (z.B. Customer Relationship Management oder Enterprise Resource Planning Systeme) für die anderen unterstützenden Funktionen auch in einer starken Vereinheitlichung der Prozessabläufe resultieren und damit eine stärkere Wachstumswelle in den anderen Funktionen auslösen. Insbesondere die Funktionen Callcenter und Finanz- & Rechnungswesen werden davon profitieren. Erwartungsgemäß besitzt die IT den größten Anteil an allen Verlagerungen. 32 Prozent aller verlagerten Funktionen stammen aus diesem Bereich. Dabei wird jede verlagerte IT-Funktion durchschnittlich an 2,2 Standorten implementiert. Unternehmen mit Offshoring (42) IT

71%

Forschung & Entwicklung

Finanz- & Rechnungswesen Produktentwicklung Personalwesen

10%

16% 16%

15%

12%

9%

29% 21%

37%

17%

33% 19%

OffshoringStandorte (178)

32%

38%

Callcenter

Beschaffung

Verlagerte Funktionen (93)

13% 10% 4%

9% 8% 2%

Abb. 51. Verteilung der verlagerten Funktionen, Verteilung der Offshoring-Standorte und Anteil der Unternehmen mit Verlagerungen

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

75

Dieser Wert ist überproportional groß im Vergleich zum Mittelwert von 1,9. Folglich ist auch der Anteil der Offshoring-Standorte, an denen die Funktion IT implementiert wurde, mit 38 Prozent relativ hoch. Gleichzeitig haben 71 Prozent der untersuchten Unternehmen diese Funktion verlagert. An zweiter Stelle folgt die Funktion Callcenter. Diese repräsentiert 17 Prozent aller Verlagerungen, 16 Prozent aller ausländischen Standorte und wurde von 38 Prozent aller Unternehmen verlagert. Auf den letzten Positionen befinden sich die Funktionen Produktentwicklung und Personalwesen. Bemerkenswert ist, dass Manager die Funktion Beschaffung auf relativ viele Standorte verteilen. Während im Durchschnitt je Funktion 1,9 Standorte geschaffen werden, sind es bei Beschaffung 2,6 Standorte. Diese hohe Verhältniszahl ist auf eine Sondersituation bei der Beschaffung zurückzuführen. Bei den anderen Funktionen konzentrieren Entscheider die Leistungserbringung zentral, um möglichst große Skaleneffekte zu realisieren (siehe auch Kapitel 3.3 zu den Vorteilen einer Zentralisierung bei einer verlagerten Einheit). Bei der Beschaffung stehen aber auch noch andere Ziele im Vordergrund. Die Unternehmen wollen einerseits die Kostenvorteile nutzen, aber auch andererseits für die Beschaffung in den jeweiligen Ländern vor Ort präsent sein. Daher werden die Prozesse im Bereich Beschaffung häufig nicht zentral erbracht. Das reduziert einerseits mögliche Einsparpotenziale (durch Skaleneffekte), andererseits profitieren die Unternehmen von der Nähe zu ihren Zulieferern. Somit verlagern die Unternehmen den Bereich Beschaffung häufiger in mehrere Länder gleichzeitig als bei anderen Funktionen. Für Entscheider ist es wichtig, diese Sondersituation in der Funktion Beschaffung zu verstehen und zwischen Kostenvorteilen und Zulieferernähe abzuwägen. Offshoring-Mitarbeiter abhängig von der Funktion. Neben der Frage, welche unterstützenden Funktionen verlagert werden, ist insbesondere von Interesse, wie viele Mitarbeiter jeweils im Ausland für die Funktionsbereiche tätig sind. Abbildung 52 zeigt die Verteilung der ausländischen Mitarbeiter entlang der verschiedenen Funktionen im Vergleich zur Verteilung der Standorte. Bei den Funktionen IT, Callcenter, Beschaffung und Produktentwicklung ist eine ähnliche Verteilung für die Standorte und die Mitarbeiter zu erkennen. Je mehr Standorte für eine bestimmte Funktion existieren, desto mehr Mitarbeiter sind in der jeweiligen Funktion im Ausland tätig. Anders ist dies für die Funktionen Forschung & Entwicklung und Finanz- & Rechnungswesen. Bei der Funktion Forschung & Entwicklung konzentriert sich ein überproportional hoher Anteil von Mitarbeitern. Dies bedeutet, dass an den Forschungs- und Entwicklungsstandorten relativ viele Mitarbeiter tätig sind. Vergleicht man beispielsweise diese mit IT,

76

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

so sind in beiden Funktionen ähnlich viele Mitarbeiter tätig, im Bereich IT existieren aber mehr als doppelt so viele Standorte. Einer der möglichen Gründe ist die effektive Nutzung von wenigen weltweiten Standorten mit lokaler Expertise zu bestimmten Themen (z.B. Software-Entwicklung in Bangalore). Ein umgekehrtes Phänomen tritt bei der Funktion Finanz- & Rechnungswesen auf. An einer hohen Anzahl an Standorten sind relativ wenig Mitarbeiter tätig. Dies bedeutet, dass momentan an mehreren Standorten kleine autonome Aktivitäten bearbeitet werden. Eine in den kommenden Jahren verstärkte Standardisierung und Zentralisierung innerhalb dieser Funktion wird hier gegebenenfalls eine Konsolidierung von verteilten Standorten mit sich bringen. Standorte (174*) IT

37%

Forschung & Entwicklung

16%

Callcenter

16%

Beschaffung Produktentwicklung Finanz- & Rechnungswesen

Mitarbeiter (9.372*) 34% 28% 14%

12% 8% 9%

13% 7% 4%

* Keine Betrachtung von Personalwesen (Standortanteil von 2 Prozent) auf Grund zu geringer Fallzahlen

Abb. 52. Verteilung der Offshoring-Standorte und der Offshoring-Mitarbeiter entlang der Funktionen

5.2.2 Entscheidungskomponente Erbringungsort: Wohin? Kaum besser als bei einer Weltreise kann man die vorherrschenden Unterschiede an den potenziellen Erbringungsorten für Offshoring in Erfahrung bringen. Zum Beispiel sind es unterschiedliche Währungen, die bei längerfristigen Geschäftsbeziehungen Wechselkursschwankungen hervorrufen, oder die unterschiedlichen Kosten für Güter gleicher Art, welche sich als unterschiedliche Faktorkosten widerspiegeln. Neben den monetären Differenzen gibt es aber auch deutliche kulturelle und sprachliche Unterschiede. Hinzukommend erschwert die auftretende Zeitdifferenz und die geographi-

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

77

sche Entfernung zwischen Leistungserbringer und –bezieher oftmals die Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren. Zusätzlich sollten auch die unterschiedlichen politischen Situationen nicht außer Acht gelassen werden. Unter Beachtung der oben genannten Differenzen weisen verschiedene Offshoring-Länder einen unterschiedlichen Eignungsgrad für eine Verlagerung ins Ausland auf. Innerhalb der etablierten Offshoring-Länder kommt es immer mehr zur Bildung von lokalen Offshoring-Zentren für die Erbringung von bestimmten Funktionen. Zum Beispiel ist Indien mit seinem Offshoring-Zentrum Bangalore bekannt für seine Stärke im IT-Offshoring. Deutschlands Nearshore-Offshoring-Region Osteuropa verfügt über eine Vielzahl von gut ausgebildeten Arbeitskräften, wodurch sich die Region in Kombination mit der geringen Entfernung, der geringen sprachlichen Differenz und nahezu keiner Zeitverschiebung hervorragend für Offshoring von Callcentern eignet. Manager von Unternehmen mit Offshoring-Aktivitäten sollten sich diese länderspezifischen Vor- und Nachteile bewusst machen. Wie schon bzgl. der Entscheidungskomponente Funktion haben die Entscheider auch bei der Länderwahl einen erheblichen Gestaltungsspielraum. In Abhängigkeit von den gesetzten Offshoring-Zielen müssen sie sich ein passendes Zielland auswählen. Dabei gibt es keine allgemeingültige Standardlösung. Die Manager nutzen für ihre Offshoring-Aktivitäten Nearshore- als auch Farshore-Regionen nahezu zu gleichen Anteilen (siehe Abbildung 53). Bei einem Drittel der gesamten Verlagerungen werden die Aktivitäten von Deutschland in die Farshore-Offshoring-Region Asien transferiert (siehe Abbildung 54). Daneben sind die führenden Wirtschaftsregionen wie Westeuropa und Nord- & Mittelamerika beim Finanz- & Rechnungswesen, beim Personalwesen und bei Forschung & Entwicklung beliebte Optionen für die Verlagerung ins Ausland. Nur bei der Verlagerung der Funktionen IT, Callcenter und Beschaffung verlieren sie klar an Bedeutung.

Nearshore-Offshoring

Farshore-Offshoring

52%

48%

Abb. 53. Verteilung der Offshoring-Aktivitäten zwischen Nearshore- und Farshore-Offshoring (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

78

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Aufstrebende Entwicklungsregionen

Führende Wirstschaftsregionen

Asien

33%

Osteuropa

26%

Westeuropa

26%

Nord- & Mittelamerika Andere Länder

12%

3%

Abb. 54. Verteilung der Offshoring-Aktivitäten entlang der Regionen (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Beispielsweise werden im Bereich IT bereits über 70 Prozent der verlagerten Aktivitäten in Osteuropa oder Asien erbracht. Sind es bei IT und Callcenter lokal vorhandene Kompetenzen, geringe Lohnkosten und damit verbundene mögliche Kosteneinsparungen, so ist bei der Beschaffung die räumliche Nähe zu den aufstrebenden Produzenten der Billiglohnländer ausschlaggebend. Die Länder außerhalb der vier genannten Regionen spielen bisher nur eine untergeordnete Rolle, jedoch wird in den nächsten Jahrzehnten ein ähnlicher Wachstumsschub wie bei den Entwicklungsregionen (Osteuropa und Asien) erwartet. Die beliebtesten Offshoring-Länder. Innerhalb der wichtigsten Offshoring-Region Asien entscheiden sich die meisten Unternehmen für die Länder Indien und China (siehe Abbildung 55). Jedoch werden bereits 10 Prozent aller Verlagerungen in anderen asiatischen Ländern erbracht. In unmittelbarer Zukunft wird es für Indien und China die größte Herausforderung sein, die Führerschaft im Offshoring zu bewahren. Höhere Qualifikation der angebotenen Arbeitskräfte, Offshoring-gerechte Infrastruktur und adäquate Dienstleistungsunternehmen sind Möglichkeiten, mit denen sie sich gegenüber anderen asiatischen Ländern, welche meist einen Faktorkostenvorteil besitzen, durchsetzen können. Manager von Unternehmen mit Fokus auf Asien sollten sich nicht nur auf Indien und China konzentrieren, sondern auch andere asiatische Länder als potenzielle OffshoringStandorte betrachten. In der Nearshore-Offshoring-Region Osteuropa sind die OffshoringAktivitäten gleichmäßiger verteilt. Tschechien (7 Prozent der Verlagerungen) und die Türkei (4 Prozent der Verlagerungen) heben sich leicht von anderen Ländern wie Russland oder Ungarn (mit jeweils 3 Prozent) ab.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Indien

China

15%

8%

Asien

Ungarn Tschechien Türkei* Russland 7%

Osteuropa

4%

3%

Westeuropa

7% Vereinigte Staaten

4%

10%

33%

9%

26%

Andere

3%

12%

26%

Andere

8%

Nord- & Mittelamerika

Andere

Andere

3%

Großbri- Spanien tannien Irland

79

4%

12%

Brasilien Andere (1%) Andere Länder 2%

3%

* Die Türkei wurde bei dieser Studie Osteuropa zugeordnet

Abb. 55. Die wichtigsten Offshoring-Länder nach Regionen (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Bezüglich der Zugehörigkeit der Türkei zu Osteuropa bzw. Asien gibt es konträre Meinungen. Innerhalb dieses Buchs wurde die Türkei in allen Analysen der Region Osteuropa zugeordnet. Für die Länder Osteuropas gilt es in den kommenden Jahren OffshoringZentren, wie es beispielsweise in der Slowakei für die Produktion im Automobilbereich gelungen ist, zu bilden und sich dadurch gegenüber anderen Offshoring-Ländern innerhalb derselben Region hervorzuheben. Kulturelle Unterschiede, Faktorkosten, Zeitzonen oder die Entfernung spielen bei der Selektion asiatischer Offshoring-Standorte eine Rolle. Innerhalb Osteuropas sind die auftretenden Unterschiede in diesen Bereichen verschwindend klein und haben keine Bedeutung für die Auswahl eines Offshoring-Lands. Bei der Verlagerung von Aktivitäten innerhalb Westeuropas wird immer wieder das Festland verlassen und ein Standort jenseits des Ärmelkanals in Großbritannien und Irland aufgesucht. Besonders bei IT und Callcenter zeigen diese beiden Länder ausgezeichnete Kompetenzen bei einem (insbesondere in Irland) noch akzeptablen Gehaltsniveau. Die Vereinigten Staaten spielen innerhalb der Region Nord- & Mittelamerika eine dominierende Rolle. In keiner anderen Region ist eine derartig hohe Bedeutung eines einzelnen Offshoring-Landes zu erkennen. Über 70 Prozent der Verlagerung in diese Region gehen in die Vereinigten Staa-

80

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

ten. Beachtet man allerdings die wirtschaftliche Bedeutung der Vereinigten Staaten innerhalb der Region Nord- & Mittelamerikas ist es nicht verwunderlich, dass eine solche Situation vorherrscht. In Abbildung 55 ist die deutlich erhöhte Fragmentierung unter den verschiedenen Ländern Osteuropas gegenüber den Ländern Asiens erkennbar. Werden in Asien innerhalb der Länder Indien und China etwa 70 Prozent der gesamten Offshoring-Aktivitäten dieser Region bewältigt, so sind es in den zwei wichtigsten Länder Osteuropas, Tschechien und Türkei, nur 42 Prozent. Ergänzend zeigt Abbildung 56 die Reihenfolge der bedeutendsten Offshoring-Länder unabhängig von Ihrer regionalen Zugehörigkeit. So befinden sich neben den vier osteuropäischen Ländern nur zwei asiatische Länder unter den zehn wichtigsten Ländern, wobei Indien und China jedoch auf Rang eins und zwei liegen und in Summe mehr OffshoringAktivitäten als alle vier Länder Osteuropas zusammen ausüben. Der asiatische Schwerpunkt bei der Wahl der Region bzw. des Landes beruht auf der hohen Häufigkeit von zwei speziellen Strategien, der ausschließlichen Asienstrategie und der Mehrländerstrategie mit asiatischem Schwerpunkt, unter allen Verlagerungsstrategien deutscher Unternehmen. Anhand mehrerer Unternehmen werden diese beiden Strategien in Abbildung 57 illustriert. Indien FarshoreOffshoring

China

8%

Vereinigte Staaten von Amerika

8%

Großbritannien

7%

Tschechien

7%

Türkei NearshoreOffshoring

15%

4%

Russland

3%

Ungarn

3%

Irland

3%

Spanien

3%

Abb. 56. Die zehn wichtigsten Offshoring-Länder nach Zahl der OffshoringStandorte (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Unternehmen mit einer Mehrländerstrategie, aber asiatischem Schwerpunkt

Unternehmen mit ausschließlicher Asienstrategie

Unternehmen Weltweites Unternehmen bei Konstruktion und Zulieferung im Industriegasbereich Weltweiter Automobilkonzern

Verlagerungen An- Re- Land zahl gion 2

Unternehmen

Asien Indien

VS. 2

Asien Indien

1

Asien Pakistan

81

Weltweit tätiger Werkzeugmaschinenhersteller Internationaller Mobiltelefonhersteller

Verlagerungen An- Re- Land zahl gion 2 2 1 1

1 1 1

Asien Asien Osteuropa Nordamerika

Indien China Tschechien USA

Asien Asien Osteuropa

Indien China Tschechien

Abb. 57. Unterschiedliche Unternehmensstrategien mit Verlagerungsschwerpunkt nach Asien

Unterschiede der geographischen Verteilung für verschiedene Funktionen. Mit Ausnahme des Personalwesens sind alle unterstützenden Funktionen jeweils in den vier wesentlichen Offshoring-Regionen Asien, Osteuropa, Westeuropa und Nord- & Mittelamerika angesiedelt (siehe Abbildung 58). Das Personalwesen wird ausnahmslos nach West- und Osteuropa verlagert. Ein möglicher Grund dafür ist der erhöhte Interaktionsaufwand und die Vertraulichkeit von sensitiven Personaldaten bei Personalprozessen. Asien ist als Offshoring-Region auf die Funktionen IT, Beschaffung und Produktentwicklung fokussiert. Bei IT sind es die Offshoring-Zentren wie Bangalore, bei der Beschaffung die Nähe zu den Zulieferern und bei der Produktentwicklung der immense Pool an sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften, die Asien zu diesem Erfolg verholfen haben. Wie bereits vorher bemerkt, fehlt in Osteuropa noch die Ausprägung von starken funktionsspezifischen Zentren. Dennoch sind alle unterstützenden Funktionen in Osteuropa durchschnittlich gut präsent. Das Spitzenfeld der verlagerten Funktionen führen Callcenter mit einem Anteil von 39 Prozent an. Am wenigsten ausgeprägt ist die Produktentwicklung in Osteuropa vertreten. Hingegen werden die Produktentwicklung und auch die Forschung & Entwicklung sehr oft in Nord- & Mittelamerika, insbesondere in den Vereinigten Staaten, erbracht. Die USA hat schon immer eine Vorreiterrolle bei den

82

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Themen Forschung und Innovation inne gehabt. Diese Tatsache kommt ihr auch bei der Verlagerung dieser unterstützenden Funktionen ins Ausland zu gute. In Westeuropa ist ein eindeutiger Schwerpunkt beim Finanz- & Rechnungswesen und dem Personalwesen zu erkennen. Sind es im Personalwesen die Nähe zum Kunden und ähnliche Kulturen, so spielen beim Finanz- & Rechnungswesen die einheitlichen Standards eine entscheidende Rolle. Die anderen Länder werden zu einem Großteil nur dann gewählt, wenn in diesen Zukäufe von Lieferanten erfolgen oder anderwärtige Geschäftsbeziehungen bereits bestehen. Abbildung 58 gibt einen detaillierten Einblick der Verteilung der unterschiedlichen Funktionen entlang der fünf Regionen. Wesentliche Einflussgrößen für die Länderwahl. Neben der generellen Entscheidung, ob die Erbringung onshore oder offshore erfolgen soll, ist natürlich die Frage nach einem geeigneten Offshoring-Land für die Unternehmen von zentraler Bedeutung. Ähnlich der Diskussion über mögliche Entscheidungsalternativen besitzen die verschiedenen Zielländer ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Aus diesem Grund müssen Unternehmen analysieren, welches ein geeignetes Zielland für ihre Offshoring-Aktivitäten ist. Abbildung 59 gibt für das Management einen Überblick über die verschiedenen Entscheidungskriterien und die Gewichtung der einzelnen Faktoren. Asien 46%

IT

Produktentwicklung

Forschung & Entwicklung

Callcenter

Finanz- & Rechnungswesen

Personalwesen

Osteuropa 25%

43%

Beschaffung

36%

22%

18%

12%

25%

19%

14%

25%

14%

29%

32%

14%

10%

21%

21%

29%

39%

31%

Nord- & Mittelamerika Andere Westeuropa 18% 8% 3%

44%

7% 7%

13%

75%

Abb. 58. Verteilung der verlagerten unterstützenden Funktionen entlang der verschiedenen Regionen (basierend auf den Angaben zu 178 Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

83

In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Ihre Entscheidung, die Funktionen/ Teilfunktionen in dem jeweiligen Land erbringen zu lassen, positiv beeinflusst haben? Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

2,8 / STD: 0,9

Niedrige Betriebskosten

2,8 / STD: 1,2

Qualität der Infrastruktur

2,6 / STD: 0,9

Bestehende Geschäftserfahrungen

2,6 / STD: 1,0

Politische Stabilität

2,5 / STD: 0,8

Kombination mit erbrachten Funktionen

2,3 / STD: 1,1

Sprachliche Aspekte

2,3 / STD: 1,1

Standort des besten Service Providers

2,1 / STD: 1,1

Wettbewerber bereits in diesem Land tätig

2,1 / STD: 1,2

Zugang zu neuen Absatzmärkten

2,0 / STD: 1,2

Öffentliche Anreize

2,0 / STD: 1,1

Standortnähe STD = Standardabweichung

Kein Einfluss (0)

2,0 / STD: 1,1 Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

Abb. 59. Einflussgrößen für die Selektion eines Offshoring-Landes (basierend auf den Angaben zu 144 Offshoring-Implementierungen)

Allen voran sind die vorhandenen Fachkenntnisse und die niedrigen Betriebskosten die wichtigsten Faktoren für die Erbringung in einem bestimmten Land. Unternehmen möchten ähnlich qualifizierte, im Idealfall höher qualifiziertere Arbeitskräfte, im zukünftigen Erbringungsland vorfinden. Vor allem bei den Funktionen Forschung & Entwicklung und Callcenter (siehe Abbildung 60) sind vorhandene Fachkenntnisse unumgänglich. Kombiniert mit geringeren Betriebskosten lassen sich Einsparungen bei ähnlicher oder höherer Qualität erzielen. Um einen reibungslosen Ablauf über Ländergrenzen hinweg sicherzustellen, ist eine hohe Qualität der Infrastruktur im Erbringungsland erforderlich. Die Nähe des Standorts zu Deutschland, öffentliche Anreize im Erbringungsland (z.B. Steuererleichterungen) und der Zugang zu neuen Absatzmärkten haben dagegen für das Unternehmensmanagement nur wenig Bedeutung. Insbesondere im Falle von Forschung & Entwicklung ist die geringe Bedeutung von öffentlichen Anreizen leicht verständlich. Hier stellt sich die konkrete Frage, ob die öffentlichen Anreize überzeugen können, wenn im zukünftigen Erbringungsland keine sehr gut ausgebildeten Arbeitskräfte und Fachkenntnisse vorhanden sind. Eine geringere Steuerabgabe kann an dieser Stelle sicherlich nicht die ausbleibenden Innovationen und Entwicklungen für zukünftige Produkte ersetzen.

84

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Interessant ist, dass sprachliche Probleme im Allgemeinen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Häufig werden diese in der Presse als Hauptgrund gegen eine ausländische Erbringung genannt. Zweifelsohne ist dieser Faktor für den Bereich Callcenter entscheidend (siehe Abbildung 60). In anderen Bereichen, wie beispielsweise Forschung & Entwicklung oder Beschaffung, haben die Unternehmen dagegen nur selten Kommunikationsprobleme. Manager sollten an dieser Stelle nicht zu große Angst vor Sprachbarrieren haben und zwischen Tätigkeiten mit Kundenkontakt und solchen ohne Kundenkontakt unterscheiden. Besitzen die Aktivitäten keine unmittelbare Schnittstelle zu Kunden, so lassen sich Sprachprobleme leichter verschmerzen als bei kundenrelevanten Aktivitäten. Zum Beispiel ist eine Verlagerung eines Callcenters in eine Region ohne vorhandene deutschsprachige Mitarbeiter keine Option. Die deutschsprachigen Arbeitskräfte sind hier erfolgskritisch. Anders ist dies bei der Verlagerung der Beschaffung. Hier stehen die Nähe zu den Zulieferern und die Kommunikation mit den Zulieferern im Vordergrund. In Abbildung 60 werden insbesondere die Funktionen dargestellt, die besonders stark von den Durchschnittswerten abweichen. Diese Vorgehensweise wurde für alle weiteren Detailanalysen dieser Art gewählt. 0 Kein Einfluss Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

2,8

Niedrige Betriebskosten

Kombination mit erbrachten Funktionen

2,5

2,7 2,9

Callcenter (26)

2,1

2,3

1,8

2,1

3,1

2,3

2,9

Sprachliche Aspekte Öffentliche Anreize

2,0

3,3

Qualität der Infrastruktur

4 Starker Einfluss

1,6 2,0

Beschaffung (18)

2,7 2,0 1,9

Forschung & Entwicklung (23)

Abb. 60. Einflussgrößen für die Selektion eines Offshoring-Landes je Funktion (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für verschiedene Industrien. Das über die meisten Verlagerungen ins Ausland verfügende verar-

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

85

beitende Gewerbe verhält sich bei den in Abbildung 61 dargestellten Einflussfaktoren sehr ähnlich den durchschnittlichen Werten aller Funktionen. Interessant ist, dass der Faktor Standort des besten Service Providers für das verarbeitende Gewerbe die größte Bedeutung unter allen untersuchen Industrien hat. Dies ist ein Indikator, dass für Unternehmen aus dieser Industrie die externe Leistungserbringung eine wichtige Erbringungsform darstellt. Eindeutig erkennbar ist, dass Banken und Versicherungen ihre ausländischen Niederlassungen ausschließlich für die Unterstützung der Geschäftstätigkeit in Deutschland nutzen. Der Zugang zu neuen Absatzmärkten spielt für Manager dieser Unternehmen nahezu keine Rolle. Qualität der Infrastruktur und Standortnähe sind auf Grund des hohen Interaktionsaufwands besonders für Dienstleister von Interesse. Einzelhandelsunternehmen suchen vor allem die Nähe zu lokalen Geschäftspartnern. Aus diesem Grunde ist es offensichtlich, dass öffentliche Anreize gegenüber lokalen fachlichen Kompetenzen im Vordergrund stehen. In Summe sind für verschiedene Industrien auch verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Entscheider sollten daher versuchen, insbesondere von den Erfahrungen ihrer Industriekollegen zu lernen. So ist Offshoring als Zugang für Absatzmärkte im Bereich Banken und Versicherungen keine bzw. eine nur schwierig umzusetzende Marktzugangsstrategie. 0 Kein Einfluss Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

2,9

3,1

Niedrige Betriebskosten

2,8

3,0

Qualität der Infrastruktur

2,6

Standort des besten Service Providers

2,5

Zugang zu neuen Absatzmärkten

2,4

Öffentliche Anreize

2,3

Standortnähe

2,1

Verarbeitendes Gewerbe (85)

4 Starker Einfluss 2,9 2,6

2,8 2,0 0,8

3,1 1,2

1,5

Finanz- und Versicherungsunternehmen (8)

2,0 1,7 1,0

1,9

1,3

2,0

1,0

1,9 2,3

Dienstleister (30)

3,0 2,0

Einzelhandelsunternehmen (3)

Abb. 61. Einflussgrößen für die Selektion eines Offshoring-Landes für verschiedene Industrien (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

86

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für verschiedene Unternehmensgrößen. Für Manager kleinerer Unternehmen (Größenklasse I) ist besonders die Relevanz der lokalen fachlichen Kompetenz im OffshoringLand entscheidend (siehe Abbildung 62). Kleinere Unternehmen können keine langwierigen Know-how-Transfers in Billiglohnländer realisieren und müssen zwangsweise auf lokale Kompetenz vertrauen. Da die Interaktion meist auf wenige Mitarbeiter begrenzt ist, sind sprachliche Aspekte von geringerer Bedeutung als bei größeren Unternehmen. Für Manager größerer Unternehmen (Größenklasse III) haben Wettbewerbertätigkeiten die geringste Relevanz. Diese Unternehmen treffen ihre Entscheidung basierend auf Analysen zur internen Situation und zur Entwicklung des globalen Marktes. Aktivitäten des Wettbewerbs haben nur eine zweitrangige Relevanz. Hingegen ist eine hohe Qualität der Infrastruktur auf Grund des erhöhten Interaktionsaufwands bei Unternehmen der Größenklasse III besonders wichtig. Unterschiedliche Bedeutung der Faktoren für die Offshoring-Regionen. Erwartungsgemäß bieten die verschiedenen Offshoring-Regionen ihre individuellen Vor- und Nachteile (siehe Abbildung 63). Die meisten Manager entscheiden sich auf Grund der niedrigeren Kosten für Asien oder Osteuropa. Für Westeuropa spricht dagegen die Qualität der Infrastruktur. Dies entspricht dem gängigen Bild von den verschiedenen OffshoringRegionen. 0 Kein Einfluss Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

3,0

Niedrige Betriebskosten

2,6

Bestehende Geschäftserfahrungen

2,7

Sprachliche Aspekte Standort des besten Service Providers Wettbewerber bereits in diesem Land tätig

2,6

2,4

Qualität der Infrastruktur

1,7

4 Starker Einfluss 2,9

2,9

2,9

2,2

2,9

2,7

2,5

2,2

2,1

2,1

2,3

2,3

Größenklasse I (25)

Größenklasse II (43)

2,5 2,2 1,9

Größenklasse III (44)

Abb. 62. Einflussgrößen für die Selektion eines Offshoring-Landes für Unternehmen unterschiedlicher Größe (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

87

Interessant ist aber, dass die Unternehmen dem Thema Fachexpertise in allen drei Regionen die gleiche Bedeutung beimessen. Während in der Vergangenheit die Unternehmen nahezu ausschließlich sehr einfache Tätigkeiten nach Asien und Osteuropa und komplexe Tätigkeiten nach Westeuropa oder Nordamerika vergeben haben, hat sich dieses Bild inzwischen gewandelt. Auch in Asien und Osteuropa werden höherwertige Tätigkeiten erbracht, so dass auch hier umfangreiche Fachkenntnisse benötigt werden. Für Manager ist es wichtig, das Potenzial dieser Entwicklung richtig einzuschätzen. Komplexe Tätigkeiten können bei genügend vorhandenen Fachkenntnissen sehr wohl in Asien oder Osteuropa kostengünstig erbracht werden. 0 Kein Einfluss Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

2,8

Niedrige Betriebskosten

2,8

2,4 2,2

2,3

Sprachliche Aspekte

2,1

2,3

1,9

Asien (52)

1,9

2,6

Kombination mit erbrachten Funktionen

Öffentliche Anreize

2,8 3,4

3,2

Qualität der Infrastruktur

4 Starker Einfluss

2,1

Osteuropa (41)

2,8 2,5 2,1 2,0

Westeuropa (33)

Abb. 63. Einflussgrößen für die Selektion eines Offshoring-Landes für unterschiedlichen Offshoring-Regionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

5.2.3 Entscheidungskomponente Erbringungsmodus: Extern versus intern? Neben Funktion und Erbringungsort hat das Management in einer weiteren Dimension, dem zukünftigen Erbringungsmodus, zu entscheiden. Damit wird definiert, ob die Leistung vom Unternehmen selbst oder durch einen Drittanbieter erbracht wird. Die interne Leistungserbringung verfügt über Vorteile, wie beispielsweise an die Bedürfnisse der Leistungsbezieher angepasste Prozesse am Offshoring-Standort oder die Geheimhaltung von vertraulichen Informationen. Die externe Leistungserbringung ermöglicht

88

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

hingegen eine bessere Nutzung von Skaleneffekten durch die Bündelung von unterstützenden Funktionen über mehrere Unternehmen hinweg (siehe Kapitel 3.1 und 3.3). Die Bedeutung dieser Komponente sollte vom Management nicht unterschätzt werden. Sie hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg des Offshoring-Vorhabens (siehe Kapitel 5.2.4). Basierend auf einer Abwägung zwischen Vor- und Nachteilen sollten die Entscheider den Erbringungsmodus am Offshoring-Standort als auch den Erbringungsmodus der in Deutschland verbleibenden Funktionsteile definieren. Damit hat das Management zwei Ansatzpunkte, den Erbringungsmodus zu verändern und an die neuen Gegebenheiten anzupassen (siehe Abbildung 64): x Anpassung des ursprünglichen an den heute genutzten Erbringungsmodus in Deutschland x Anpassung des ursprünglichen in Deutschland genutzten an den heute im Ausland genutzten Erbringungsmodus Vor der Verlagerung in Deutschland genutzte Erbringungsformen. Vor der Verlagerung haben die Unternehmen den größten Teil der Funktionen in Deutschland dezentral intern erbracht (56 Prozent). Nur 9 Prozent waren bereits vor der Verlagerung an externe Leistungserbringer vergeben (siehe Abbildung 65). Der Großteil der Prozesse wurde in allen Funktionen intern erbracht (siehe Abbildung 66). Veränderung des Erbringungsmodus in Deutschland

Erbringungsmodus in Deutschland nach Verlagerung

Erbringungsmodus in Deutschland vor Verlagerung

Veränderung des Erbringungsmodus im Ausland Situation vor der Verlagerung

Erbringungsmodus im Ausland nach Verlagerung

Situation nach der Verlagerung

Zeit t

Abb. 64. Transformationspfade des Erbringungsmodus bei der Verlagerung von Deutschland ins Ausland

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Interne Erbringung

89

56%

Dezentrale Erbringung Shared Service Center

35%

Externe Erbringung

9%

Abb. 65. Verteilung der vor der Verlagerung in Deutschland genutzten Erbringungsformen (basierend auf den Angaben zu 155 Offshoring-Implementierungen) Interne dezentral Erbringung 74%

Forschung & Entwicklung

Produktentwicklung

60%

IT

58%

Callcenter

Personalwesen

24%

71%

Beschaffung

Finanz- & Rechnungswesen

Externe SSC Erbringung

24%

30%

31%

46%

39%

2%

5%

10%

11%

15%

75%

25%

100%

Abb. 66. Verteilung der vor der Verlagerung in Deutschland genutzten Erbringungsformen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 155 Offshoring-Implementierungen)

Während bei Forschung & Entwicklung, Beschaffung, Produktentwicklung und IT die interne dezentrale Erbringung überwiegte, war bei Callcenter die Erbringung in SSC nahezu genauso häufig wie die interne dezentrale Erbringung vertreten. Bei Finanz- & Rechnungswesen war der Anteil der SSC signifikant größer als die interne dezentrale Erbringung. Im Personalwesen wurden alle Tätigkeiten in SSC erbracht. Der Anteil der externen Erbringung war über alle Funktionen hinweg relativ gering. Die größte Ausprägung erreicht sie bei Callcenter mit 15 Prozent. In den Funktionen Finanz- & Rechnungswesen bzw. im Personalwesen spielte die externe Erbringung dagegen gar keine Rolle.

90

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Nach der Verlagerung in Deutschland genutzte Erbringungsformen. Bei der Verlagerung einer Funktion transferieren die Manager der Unternehmen nicht alle Aktivitäten ins Ausland. Meist verbleibt ein erheblicher Teil in Deutschland, da nicht alle Aktivitäten verlagert werden können. Durch die Verlagerung sind die Unternehmen teilweise in der Situation, dass der ursprünglich in Deutschland genutzte Erbringungsmodus für die Erbringung der verbliebenen Teile nicht mehr geeignet ist. Daher nutzt das Unternehmensmanagement häufig die Möglichkeit, den Erbringunsgmodus im Rahmen der notwendigen Reorganisation zu ändern. Nach der Verlagerung ist der Anteil der internen dezentralen Erbringung in Deutschland nur noch 42 Prozent (siehe Abbildung 67). Gleichzeitig ist der Anteil der Erbringung in SSC auf 44 Prozent und der externen Erbringung auf 14 Prozent gestiegen. Auf Funktionslevel zeigen sich noch deutlichere Unterschiede (siehe Abbildung 68). In den Bereichen Forschung & Entwicklung, Beschaffung und Produktentwicklung werden etwa zwei Drittel der Implementierungen dezentral intern erbracht. Bedenkt man, dass im Rahmen einer Verlagerung die Organisation ohnehin signifikant umgebaut wird, ist anzunehmen, dass die Unternehmen die Verlagerung genutzt haben, um die in Deutschland verbliebene Restorganisation so effizient wie möglich zu gestalten. Es ist daher davon auszugehen, dass die verbliebenen Funktionsteile nur bedingt durch ein SSC oder extern erbracht werden können. Umgekehrt ist die Situation bei den Funktionen IT und Finanz- & Rechnungswesen. Dort wird nach der Verlagerung nur noch ein Drittel dezentral intern erbracht und der größte Teil in SSC. Hier nutzen die Entscheider die Möglichkeit, nach der Verlagerung auch die Funktionserbringung in Deutschland zu bündeln. Noch günstiger ist die Situation in den Funktionen Callcenter und Personalwesen. Dort werden nur 21 bzw. 12 Prozent dezentral erbracht. Interessant ist dabei, dass der SSC-Anteil im Personalwesen 75 Prozent erreicht und damit innerhalb aller Funktionen der größte ist.

Interne Erbringung

42%

Dezentrale Erbringung Shared Service Center Externe Erbringung

44% 14%

Abb. 67. Verteilung der nach der Verlagerung in Deutschland genutzten Erbringungsformen (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Interne dezentrale Erbringung

SSC

67%

29%

Forschung & Entwicklung

Beschaffung

64%

Produktentwicklung

64%

IT

Callcenter

Personalwesen

22%

12%

4%

14%

10%

52%

35%

21%

Externe Erbringung

36%

38%

Finanz- & Rechnungswesen

91

10%

55%

43%

36%

75%

13%

Abb. 68. Verteilung der nach der Verlagerung in Deutschland genutzten Erbringungsformen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Im Bereich Personalwesen existieren viele Tätigkeiten, die zwar zentralisiert in Deutschland erbracht, nicht aber an Drittanbieter vergeben werden können. Dies liegt insbesondere an der Sensibilität von Personaldaten. Bei Callcenter ist der externe Anteil am größten. Einige Tätigkeiten im Bereich Callcenter können nicht ins Ausland verlagert, aber zumindest innerhalb von Deutschland an einen externen Anbieter ausgelagert werden. Ein Beispiel dafür ist eine Hotline für Premium-Kunden. Bei dieser Kundengruppe ist es besonders wichtig, dass die Kunden zufrieden sind. Aus diesem Grund riskieren es die Unternehmen nicht, einzelne Kunden auf Grund von Sprachproblemen zu verärgern. Sie verzichten daher auf eine Verlagerung ins Ausland, nutzen aber zumindest die Möglichkeit, durch eine Auslagerung an einen Drittanbieter teilweise Kosten zu sparen. Veränderung vom ursprünglich zum heute genutzten Erbringungsmodus in Deutschland. In Summe nutzt das Unternehmensmanagement die Organisationsveränderungen, um den Anteil der externen Erbringung von 9 auf 14 Prozent zu steigern und bei der internen Erbringung den Anteil der SSC von 35 auf 44 Prozent zu erhöhen (siehe Abbildung 69).

92

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Externe Erbringung

100% 9%

Shared Service Center

35%

Dezentrale Erbringung

56%

100% 14% 44%

Interne Erbringung

Erbringungsmodus in Deutschland vor Verlagerung

42%

Erbringungsmodus in Deutschland nach Verlagerung

Abb. 69. Erbringungsmodus aller verlagerten Funktionen vor und nach der Verlagerung in Deutschland (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Dennoch ist für den größten Anteil der Funktionen die interne bzw. externe Erbringungsform nach der Verlagerung erhalten geblieben (siehe Abbildung 70). 80 Prozent der Funktionen werden sowohl vorher als auch nachher intern erbracht. Weitere 3 Prozent werden vorher und nachher extern erbracht. Die Beibehaltung des Erbringungsmodus kann für viele Unternehmen durchaus sinnvoll sein. Die Mitarbeiter des Unternehmens haben sich meist bereits über Jahre hinweg mit dem Modus vertraut gemacht. Eine Veränderung würde zusätzliche Komplexität schaffen, die das Unternehmen unter Einsatz von Zeit und Energie erst einmal bewältigen müsste.

Extern

6%

3%

Intern

80%

11%

Erbringungsmodus in Deutschland vor Verlagerung

Intern

Für 17 Prozent hat sich der Erbringungsmodus geändert

Extern

Erbringungsmodus in Deutschland nach Verlagerung

Abb. 70. Veränderung vom ursprünglich zum heute genutzten Erbringungsmodus in Deutschland

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

93

In einigen Fällen ist aber die Beibehaltung des alten Modus nicht mehr akzeptabel. Verändern sich durch die Verlagerung die Rahmenbedingungen für eine Erbringung in Deutschland signifikant, so ist das Management gezwungen, auch die Erbringungsform zu überdenken. Somit ist auch verständlich, warum insgesamt für 17 Prozent der Funktionen der Erbringungsmodus im Rahmen der Verlagerung geändert wurde. In Summe dominieren hier die Wechsel von einer internen zu einer externen Erbringung. Das heißt, dass im Rahmen der Verlagerung Manager bevorzugt Funktionen externalisieren statt internalisieren. Dieses Veränderungsmuster variiert aber teilweise erheblich für bestimmte Funktionen (siehe Abbildung 71). Für Entscheider bedeutet dies, dass Veränderungen des Erbringungsmodus in bestimmten Bereichen sinnvoll sind, in anderen Bereichen dagegen eher kritisch betrachtet werden müssen. In der IT ist der Anteil der Veränderungen mit 32 Prozent am größten. Hier werden typischerweise große Teile verlagert. Damit ergeben sich umfangreiche Veränderungen, die eine Anpassung des Erbringungsmodus in Deutschland erforderlich machen. Deckt die Verlagerung dagegen nur einen beschränkten Teil einer Funktion ab, so sind gegebenenfalls keine umfassenden Änderungen in Deutschland nötig bzw. sinnvoll und die Unternehmen behalten den ursprünglich in Deutschland genutzten Erbringungsmodus. Wechsel intern nach extern Vorher und Wechsel extern nachher extern nach intern

Vorher und nachher intern Callcenter

52%

16%

Produktentwicklung

80%

IT

79%

27%

5% 20%

3 % 8% 10% 4

Forschung & Entwicklung

91%

5% %

Finanz- & Rechnungswesen

93%

7%

Beschaffung

94%

6%

Personalwesen

100%

Abb. 71. Veränderung vom ursprünglich zum heute genutzten Erbringungsmodus in Deutschland je Funktion (basierend auf den Angaben zu 76 verlagerten Funktionen)

94

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Dieses Phänomen ist überlagert von der Tatsache, dass Manager es bevorzugen, den Erbringungsmodus beizubehalten, um keine zusätzliche Komplexität im Rahmen der Verlagerung zu erzeugen. Eine allgemeine Empfehlung kann hier leider nicht gegeben werden. Unternehmensmanager müssen basierend auf dem derzeitigen Verlagerungsumfang und den zukünftig geplanten Offshoring-Aktivitäten entscheiden, ob die Veränderung des Erbringungsmodus erforderlich ist bzw. den zusätzlichen Aufwand für Anpassungen rechtfertigt. Nach der Verlagerung im Ausland genutzte Erbringungsformen. Den größten Teil (71 Prozent) der ins Ausland verlagerten Tätigkeiten erbringen die Unternehmen in einem eigenen Geschäftsbereich bzw. Tochterunternehmen (siehe Abbildung 72). Hier haben die Unternehmen die Möglichkeit der maximalen Kontrolle über die Prozesse. Weitere 9 Prozent der Unternehmen nutzen die Erbringung zusammen mit einem Partner in Form eines Joint Ventures. Damit werden in Summe 80 Prozent aller ausländischen Erbringungen intern erbracht. Dieser hohe Anteil ist in der eher konservativen Grundeinstellung der deutschen Manager begründet. In anderen Ländern sind die Unternehmen risikofreudiger. So ist beispielsweise der externe Anteil bei US-amerikanischen Unternehmen mit 51 Prozent mehr als doppelt so hoch (weitere Details in Kapitel 8.2.3). Das Bedürfnis bzw. die Notwendigkeit des Managements, durch eine rein interne Erbringung Einfluss auf die ausländische Einheit auszuüben, variiert stark in den verschiedenen Funktionen (siehe Abbildung 73). In den Bereichen IT, Personalwesen und Callcenter wird bereits mehr als jede fünfte Implementierung extern erbracht. Hier ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass die Unternehmen genügend Vertrauen in eine externe Erbringung besitzen und entsprechend viele Tätigkeiten durch Service Provider erbringen lassen. Für die Bereiche Callcenter und IT ist das offensichtlich. Interessanter ist es dagegen beim Bereich Personalwesen. Zweifelsohne sind hier auf Grund der Datensensibilität nicht alle Tätigkeiten für eine Verlagerung an einen externen Anbieter geeignet. Jedoch existieren noch viele Aktivitäten, für die eine Auslagerung möglich ist.

Interne Erbringung

Geschäftsbereich/ Tochterunternehmen Joint Venture Externe Erbringung

71% 9% 20%

Abb. 72. Verteilung der nach der Verlagerung im Ausland genutzten Erbringungsformen (basierend auf den Angaben zu 159 Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Produktentwicklung Beschaffung Finanz- & Rechnungswesen

Geschäftsbereich/ Tochterunternehmen 84%

IT Personalwesen Callcenter

Joint Externe Venture Erbringung 9% 7% 19%

71%

10%

23%

64%

Forschung & Entwicklung

10%

68%

22% 25%

75%

Interne Erbringung

13% 18%

82%

63%

95

5%

32% Externe Erbringung

Abb. 73. Anteile der verschiedenen Erbringungsmodi im Ausland je Funktion (basierend auf den Angaben zu 159 Offshoring-Implementierungen)

Manager von Unternehmen mit Offshoring-Ambitionen sollten daher nicht nur für IT und Callcenter eine externe Erbringung in Betracht ziehen, sondern vor allem auch für den Personalbereich. Hervorzuheben ist auch die Bedeutung von Joint Ventures. Diese haben insbesondere für die Bereiche Beschaffung sowie Finanz- & Rechnungswesen eine besonders hohe Relevanz. Sie bieten den Unternehmen die Möglichkeit, die Vor- und Nachteile einer internen und einer externen Erbringung zu kombinieren. Auf der einen Seite können Manager starken Einfluss auf die ausländische Einheit nehmen und beispielsweise schnell auf Qualitätsprobleme reagieren. Auf der anderen Seite können sie auf die Expertise des lokalen Partners zugreifen. Trotz dieser einzigartigen Chancen müssen hier aber auch die damit verbundenen Probleme genannt werden. Joint Ventures erzeugen durch die beiderseitige Einflussnahme auch erhebliche Komplexität. Gleichzeitig ist der Erfolg von Joint Ventures stark gefährdet, wenn sich ein Partner opportunistisch verhält und beispielsweise versucht, zu Lasten des anderen vom Joint Venture zu profitieren. Basierend auf den verschiedenen Einflussgrößen ergeben sich auch unterschiedliche Ausprägungen der Erbringungsmodi in den verschiedenen Regionen (siehe Abbildung 74). Den größten Anteil einer internen Erbringung findet man in Nord- & Mittelamerika bzw. in Westeuropa.

96

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Geschäftsbereich/ Tochterunternehmen Nord- & Mittelamerika

Joint Externe Venture Erbringung

78%

17% 5%

Westeuropa

Asien

63%

Osteuropa

62%

Andere

17%

83%

13%

12%

24%

26%

100% Interne Erbringung

Abb. 74. Anteile der verschiedenen Erbringungsmodi im Ausland je Region (basierend auf den Angaben zu 159 Offshoring-Implementierungen)

In diese Regionen verlagern die Unternehmen vornehmlich höherwertige Tätigkeiten (siehe Kapitel 5.2.2). Die Auslagerung solcher Tätigkeiten an einen externen Anbieter ist nicht trivial. In vielen Fällen ist es auch nicht von den Unternehmen erwünscht, da diese befürchten, wichtiges Knowhow zu verlieren. Damit ist verständlich, warum die Unternehmen eine interne Erbringung bevorzugen. In die Regionen Asien und Osteuropa verlagert das Unternehmensmanagement insbesondere aus Kostengründen. Eine gleichzeitig externe Erbringung verspricht hier zusätzliche Einsparungen. Dies erklärt, warum sich viele Entscheider zu einer externen Erbringung in diesen Regionen entschließen. Besonders interessant ist es für das Management zu verstehen, wie die Unternehmen die Joint Ventures in den verschiedenen Regionen für ihre Zwecke nutzen können. In Nord- & Mittelamerika bilden Unternehmen häufig Partnerschaften, um in Joint Ventures ihre Technologie-Expertise zu bündeln. Dies ist insbesondere in den Bereichen Forschung & Entwicklung und Produktentwicklung von großer Bedeutung. In Asien und Osteuropa erfüllen Joint Ventures dagegen eine ganz andere Aufgabe. Die Unternehmen können von den lokalen Kenntnissen der Partner über die Kultur und Arbeitsgewohnheiten profitieren. Damit wird die ausländische Erbringung erleichtert, was langfristig den Erfolg einer ausländischen Implementierung sichert. Zusätzlich existiert in einigen Ländern Asiens eine Besonderheit, die die Leistungserbringung in Joint Venture erzwingt.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

97

Teilweise ist die Gründung eines Tochterunternehmens, das im vollständigen Besitz der Muttergesellschaft ist, nicht möglich. Zum Beispiel war bis vor einigen Jahren in Thailand per Gesetz die Kooperation mit einem lokalen Partner bei der Gründung eines Unternehmens zwingend vorgeschrieben. Veränderung vom ursprünglich in Deutschland genutzten zum heute im Ausland genutzten Erbringungsmodus. Im Zuge einer Verlagerung ins Ausland stehen umfangreiche organisatorische Veränderungen an. Über einen langen Zeitraum etablierte Prozesse und Strukturen können daher im Rahmen eines Transfers leichter verändert werden. Einige Unternehmen nutzen diese Chance und passen den ursprünglich in Deutschland genutzten Erbringungsmodus an die neuen Gegebenheiten am OffshoringStandort an. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Veränderungen von einer internen zu einer externen Leistungserbringung. Das heißt, dass die Unternehmen im Zuge des Transfers ins Ausland ihre Funktionen (ähnlich wie in Deutschland) tendenziell eher „externalisieren“ (siehe Abbildung 75). Vor der Verlagerung haben die Unternehmen nur 9 Prozent ihrer Funktionen extern erbracht. Nach der Verlagerung ist der Anteil mehr als doppelt so groß (20 Prozent). Abbildung 76 zeigt, dass 17 Prozent der Manager die Verlagerungen ins Ausland nutzen, um den Erbringungsmodus zu verändern. Beim überwiegenden Teil (14 Prozent) wird dabei von einer internen auf eine externe Funktionserbringung umgestellt. Nur bei 3 Prozent tritt ein Wechsel von einer externen zu einer internen Leistungserbringung auf. Auch hier muss noch einmal die Bedeutung der Organisationsveränderungen betont werden.

Externe Erbringung

Interne Erbringung

100% 9%

91%

Erbringungsmodus in Deutschland vor Verlagerung

100% 20%

80%

Erbringungsmodus im Ausland nach Verlagerung

Abb. 75. Erbringungsmodus aller verlagerten Funktionen vor und nach der Verlagerung in das Ausland (basierend auf den Angaben zu 155 Offshoring-Implementierungen)

98

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Extern

3%

6%

Intern

77%

14%

Erbringungsmodus in Deutschland vor Verlagerung

Intern

Für 17 Prozent hat sich der Erbringungsmodus geändert

Extern

Erbringungsmodus im Ausland nach Verlagerung

Abb. 76. Veränderung des Erbringungsmodus im Zuge der Verlagerungen (basierend auf den Angaben zu 155 Offshoring-Implementierungen)

Durch die Verlagerung ins Ausland führen die Unternehmen bereits umfassende Änderungen an ihrer Organisationsstruktur durch. Dies gilt sowohl bei einer gleichzeitigen Veränderung als auch bei einer Beibehaltung des Erbringungsmodus. Verspricht eine gleichzeitige Veränderung des Modus zusätzliche Vorteile, so sollten Entscheider diese Möglichkeit in jedem Fall in Erwägung ziehen. Immerhin hat sich fast jedes sechste Unternehmen für einen solchen Schritt entscheiden. Dieser Anteil ist in einzelnen Funktionsbereichen sogar noch höher (siehe Abbildung 77). Auf der einen Seite gibt es Funktionen, beispielsweise wie Personalwesen und Beschaffung, bei denen im Zuge einer Verlagerung praktisch keine Veränderung des Erbringungsmodus auftritt. Auf der anderen Seite wird in den Funktionen Forschung & Entwicklung, IT, Produktentwicklung und Callcenter bei etwa einem Fünftel der Verlagerungen der Erbringungsmodus geändert. Entscheider sollten sich also insbesondere bei diesen Funktionen überlegen, ob durch eine Veränderung des Erbringungsmodus nicht noch zusätzliche Vorteile realisiert werden können. Übergang von einer internen zu einer externen Erbringung. Manager unterschiedlicher Unternehmen, die sich entscheiden, von einer internen zu einer externen Leistungserbringung zu wechseln, finden unterschiedliche Ausgangspositionen in ihren Unternehmen vor.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Vorher und nachher intern IT

73%

Forschung & Entwicklung

74%

Produktentwicklung

Wechsel extern Vorher und nach intern nachher extern Wechsel intern nach extern 7%

4%

16% 24%

2%

10% 10%

80%

Callcenter

67%

18%

15%

Finanz- & Rechnungswesen

93%

7%

Beschaffung

94%

6%

Personalwesen

99

100%

Abb. 77. Veränderung des Erbringungsmodus im Zuge der Verlagerungen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 155 Offshoring-Implementierungen)

Ein Transfer ins Ausland wird erleichtert, wenn die zu verlagernde Funktion bereits im Inland zentralisiert erbracht wird (Shared Service Center). Die einzelnen Geschäftsbereiche besitzen in diesem Fall bereits die erforderlichen Kompetenzen und Prozesse, um mit einer separaten Einheit umzugehen. Das Shared Service Center muss nur noch an den externen Leistungserbringer ausgelagert werden (siehe auch Kapitel 3.3). Viele Manager verzichten aber auf diese Zentralisierung der Funktionen vor der Verlagerung (siehe Abbildung 78). Nur im Falle der Funktion Callcenter ist bei über zwei Dritteln der Verlagerungen bereits vor dem Transfer ein Shared Service Center implementiert. Dezentral intern Callcenter Finanz- & Rechnungswesen IT

Shared Service Center 70%

30%

50%

50%

43%

57%

Forschung & Entwicklung

100%

Produktentwicklung

100%

Abb. 78. Vor dem Wechsel von einer internen zu einer externen Erbringung genutzter Erbringungsmodus in Deutschland je Funktion (basierend auf den Angaben zu 23 Offshoring-Implementierungen)

100

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Bei den Funktionen Finanz- & Rechnungswesen und IT sind es zumindest noch 50 bzw. 43 Prozent. Die Funktionen Forschung & Entwicklung und Produktentwicklung dagegen sind vor ihrer Verlagerung typischerweise dezentral organisiert. In Abbildung 78 sind die Funktionen Beschaffung und Personalwesen nicht dargestellt, da für diese im Rahmen der Untersuchung kein Wechsel von einer internen zu einer externen Erbringung beobachtet wurde. Vergleich des heute in Deutschland mit dem im Ausland genutzten Erbringungsmodus. Im letzten Schritt soll geklärt werden, ob sich die nach der Verlagerung in Deutschland genutzten Erbringungsformen signifikant von den am Offshoring-Standort genutzten Erbringungsformen unterscheiden. Insgesamt zeigt sich, dass der Anteil der externen Erbringung in Deutschland mit 14 Prozent wesentlich geringer ist als im Ausland (siehe Abbildung 79). Viele Tätigkeiten, die an Dritte vergeben werden können, sind auch ins Ausland verlagerbar. Da die Einsparungen bei einer externen Erbringung im Ausland aber meist größer sind als in Deutschland, sind Unternehmen motiviert, diese Tätigkeiten nicht nur an Drittanbieter zu geben, sondern auch im Ausland erbringen zu lassen. Damit sind die in Deutschland verbliebenen Aktivitäten tendenziell weniger für eine externe Erbringung geeignet. Entscheider sollten sich dennoch fragen, ob diese Situation bereits in ihrem Unternehmen gegeben ist oder ob die derzeit in Deutschland erbrachten Tätigkeiten nicht gegebenenfalls im Ausland kostengünstiger erbracht werden können. Dieser Trend zu einer höheren externen Erbringung im Ausland existiert in fast allen Funktionen (siehe Abbildung 80). Nur in den Bereichen Produktentwicklung und Callcenter ist der Anteil der internen Erbringung im Ausland höher als bei der verbliebenen Leistungserbringung in Deutschland. 100%

100%

Externe Erbringung

14%

20%

Interne Erbringung

86%

80%

Erbringungsmodus in Deutschland nach Verlagerung

Erbringungsmodus im Ausland nach Verlagerung

Abb. 79. Erbringungsmodus aller verlagerten Funktionen nach der Verlagerung in Deutschland und im Ausland (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

Beschaffung

100%

Forschung & Entwicklung

90%

IT

90%

Personalwesen

88%

Produktentwicklung

86%

Callcenter

90%

96%

Finanz- & Rechnungswesen

57% Anteil der internen Erbringung in Deutschland nach Verlagerung

101

82% 87% 78% 75% 93% 68% Anteil der internen Erbringung im Ausland nach Verlagerung

Abb. 80. Vergleich des Anteils der internen Erbringung im Ausland und in Deutschland nach der Verlagerung (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Insbesondere in den Bereichen Beschaffung, Forschung & Entwicklung, IT und Personalwesen beträgt der Unterschied 10 Prozent und mehr. Abbildung 81 zeigt als Beispiel für die Veränderung der Erbringungsformen ein deutsches Maschinenbauunternehmen. Dieses hat im Zuge der Verlagerungen weitgehend davon Gebrauch gemacht, die Erbringungsformen entsprechend anzupassen. Gründe für eine interne Leistungserbringung. In Summe sind die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen und der unternehmensinterne Verbleib von Prozesskompetenz bzw. -kontrolle die wichtigsten Faktoren für die Managemententscheidung zu Gunsten einer internen Erbringung (siehe Abbildung 82). Auffällig ist, dass mögliche Kostensenkungspotenziale an erster Stelle stehen. Häufig geht man davon aus, dass das größte Einsparungspotenzial bei Nutzung eines Drittanbieters erzielt wird. Skaleneffekte, effizienter Ressourceneinsatz und Spezialisierung in einem Bereich sind Gründe hierfür. Die deutschen Unternehmen haben jedoch auch negative Erfahrungen, beispielsweise durch zusätzlichen Koordinationsaufwand, Anlaufschwierigkeiten und Qualitätsmängel, gemacht. Entscheider sollten also bei Kosteneinsparzielen nicht undifferenziert auf eine externe Erbringung setzen, sondern auch eine interne Erbringung mit in Betracht ziehen. Welche Form letztendlich die kostengünstigere ist, muss in jedem einzelnen Fall gesondert geklärt werden.

102

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Veränderung des Erbringungsmodus durch Verlagerungen am Beispiel eines Maschinenbauunternehmens Finanz- & Rechnungswesen

SSC

IT

Extern

SSC und dezentral intern

Deutschland

Geschäftsbereich/ Tochterunter.

Niederlande

SSC, dezentral intern und extern

Deutschland

Extern SSC

Forschung & Entwicklung

SSC und dezentral

Situation vor der Verlagerung

Indien Deutschland

Geschäftsbereich/ Tochterunter.

Finnland

Geschäftsbereich/ Tochterunter.

China

Geschäftsbereich/ Tochterunter.

Tschechien

Situation nach der Verlagerung

Das international tätige Familienunternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern und ca. 1,5 Mrd. EUR Umsatz hat die Funktionen Finanz- & Rechnungswesen, IT und Forschung & Entwicklung ins Ausland verlagert und dabei teilweise umfangreiche Veränderungen am Erbringungsmodus vorgenommen. Die Funktionen wurden vor der Verlagerung sehr unterschiedlich erbracht. So waren die Tätigkeiten im Bereich Finanz- & Rechnungswesen bereits vorher in einem SSC gebündelt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Unternehmen nach der Verlagerung bestrebt ist, den in Deutschland verbliebenen Rest weiterhin in einem SSC zu erbringen. In der IT stellt sich die Situation anders dar. Dort wurde bereits vor der Verlagerung der Großteil extern erbracht. Damit bietet sich eine Beibehaltung der externen Erbringung auch nach der Verlagerung an. Nichtsdestotrotz ist sich das Unternehmen bewusst, dass nicht alle Tätigkeiten im Ausland extern durchgeführt werden können, und lässt einen Teil der Tätigkeiten weiterhin im Inland extern erbringen. Gleichzeitig ist das Unternehmen gezwungen, auf Grund der neuen, komplexeren Situation Teile der Leistungserbringung nun auch dezentral und in einem SSC zu erbringen. Im Gegensatz dazu hat die organisatorische Aufstellung im Bereich Forschung & Entwicklung Modellcharakter. Vor der Verlagerung wurden die Leistungen in SSCs und dezentral erbracht. Im Zuge der Verlagerung wurde der in Deutschland verbliebene Rest in einem SSC gebündelt. Im Ausland besitzt das Unternehmen Standorte in Finnland, China und Tschechien. Während in den letzt genannten mit großen Kostenvorteilen einfache Tätigkeiten durchgeführt werden können, nutzt das Unternehmen das hoch qualifizierte Personal in Finnland, um komplexere Aufgaben bearbeiten zu lassen. Dass das Unternehmen dabei vollständig auf eine externe Erbringung verzichtet, ist nicht unüblich, da im Bereich Forschung & Entwicklung teilweise sehr sensible Aufgaben durchgeführt werden.

Abb. 81. Veränderung der Erbringungsmodi bei einem deutschen Maschinenbauunternehmen

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

103

In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Einfluss auf die Wahl des internen Erbringungsmodus für die jeweilige Funktion hatten? Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,1 / STD: 0,8

Kompetenz / Know-how im Unternehmen

3,0 / STD: 0,8

Prozesskontrolle im Unternehmen

2,9 / STD: 0,7

Positive Erfahrung mit interner Erbringung

2,9 / STD: 0,8

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

2,9 / STD: 0,8

Eigenes Know-how bereits vorhanden

2,8 / STD: 1,0

Zuverlässigkeit Prozess kritisch / strategische Bedeutung Abhängigkeit soll vermieden werden Bedenken bzgl. Datenaustausch

2,6 / STD: 0,9 2,5 / STD: 1,3 2,4 / STD: 0,8 2,0 / STD: 1,2

Mangelnde Kompatibilität der IT Systeme

1,9 / STD: 1,0

Zugang zu neuen Absatzmärkten

1,9 / STD: 1,3

Negative Erfahrung mit externen Providern Kein geeigneter externer Provider vorhanden STD = Standardabweichung

Kein Einfluss (0)

1,5 / STD: 1,0 1,3 / STD: 1,0 Wenig Neutral Einfluss Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

Abb. 82. Einflussgrößen für die Wahl einer internen Leistungserbringung (basierend auf den Angaben zu 93 Offshoring-Implementierungen)

Daneben sind die Prozess-Kompetenz und die Prozesskontrolle erwartungsgemäß die wichtigsten Faktoren für die Wahl einer internen Leistungserbringung. Bei der Prozess-Kompetenz handelt es sich um unternehmensspezifisches, wertvolles Know-how, das in der Regel einen Wettbewerbsvorteil bedeutet und somit nicht mit Dritten geteilt werden sollte. Ähnlich ist die Situation bei der Prozesskontrolle. Hier bestehen bei den Unternehmen Bedenken, die Steuerung an Dritte weiterzugeben. Die Unternehmen möchten sich nicht in Abhängigkeit von externen Leistungserbringern begeben. Aus diesem Grund eigenen sich gemischte Erbringungsformen mit Sicherstellung der Kontrolle durch das eigene Unternehmen in manchen Fällen besonders gut (z.B. Joint Venture). Umgekehrt ist insbesondere das Fehlen von geeigneten externen Leistungserbringern heute kein Grund mehr für eine Entscheidung zu Gunsten einer internen Leistungserbringung. Die Verfügbarkeit und Professionalität von Service Providern ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Dadurch existieren für nahezu alle Tätigkeiten passende Anbieter. Das bereits öfters erwähnte Bangalore ist nur eine von vielen Regionen, in der OffshoringZentren mit verschiedenen lokalen Anbietern entstanden sind. Analog dazu ist auch die Zahl der Unternehmen mit negativen Erfahrungen bzgl. einer externen Erbringung überschaubar.

104

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Die genannten Faktoren haben für das Management in den einzelnen Funktionen eine unterschiedliche Bedeutung (siehe Abbildung 83). Beispielsweise sind die Unternehmen im Bereich Personalwesen eher zurückhaltend bzgl. einer externen Erbringung. Für die Entscheider ist daher die bisherige positive Erfahrung mit der internen Erbringung besonders wichtig. Umgekehrt verhält es sich mit der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität durch eine interne Erbringung. Dieser Faktor besitzt nur einen begrenzten Einfluss. Offensichtlich ist im Personalwesen die Anpassung von Systemen an die jeweiligen Prozesse kein Problem. Anders verhält es sich bei der IT. Den größten Einfluss hat ebenso wie bei der Funktion Callcenter die Erschließung der Kostensenkungspotenziale. Im Gegensatz dazu ist bei der Funktion Produktentwicklung dieser Faktor nicht an erster Stelle. Hier motivieren vor allem das Verbleiben der Prozesskontrolle und des Know-hows im Unternehmen die interne Erbringung. Bedenkt man, dass für viele Unternehmen die Produktentwicklung eine geschäftskritische Funktion ist, so ist diese Einschätzung verständlich. Für viele Unternehmen ist es zu risikoreich, die Kontrolle oder das Knowhow an externe Unternehmen zu vergeben. Bezüglich der Zielregion der Verlagerung zeigen die Unternehmen stark unterschiedliche Einschätzungen. Erwartungsgemäß dominiert in den Regionen Asien und Osteuropa die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen als wichtigster Grund für eine interne Erbringung (siehe Abbildung 84). 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,0

Kompetenz / Know-how im Unternehmen

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

3,0 1,5

Positive Erfahrung mit interner Erbringung Eigenes Know-how bereits vorhanden

3,5 2,0

Personalwesen (8)

3,4

3,2

2,5

Prozesskontrolle im Unternehmen

4 Starker Einfluss

3,1

2,9

3,3

2,9

2,9

3,3

3,1

2,9 3,2

2,9 2,9

IT (36)

3,2

2,6

Callcenter (14)

3,0 2,8 3,0

Produktentwicklung (6)

Abb. 83. Vergleich der Einflussgrößen für die Wahl einer internen Leistungserbringung bei vier Funktionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial Kompetenz / Know-how im Unternehmen Prozesskontrolle im Unternehmen

3,2

3,3 3,1 2,8

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

3,1

Positive Erfahrung mit interner Erbringung

2,7

Eigenes Know-how bereits vorhanden

2,8

Asien (32)

105

4 Starker Einfluss 2,6

2,5

2,6

2,9

3,3

2,8

3,0

3,3

2,7 2,8 2,6

Osteuropa (28)

2,5 2,9 2,9

Westeuropa (21)

2,9 3,4 2,9

Nord- & Mittelamerika (8)

Abb. 84. Vergleich der Einflussgrößen für die Wahl einer internen Leistungserbringung je Region (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Beide sind beliebte Niedriglohnregionen. Es ist somit nicht verwunderlich, dass das Kostenargument die Wahl des Erbringungsmodus beeinflusst. Im Gegensatz dazu dominieren in den Regionen Westeuropa und Nord- & Mittelamerika andere Faktoren. Für Westeuropa ist es insbesondere das Verbleiben der Prozesskontrolle im Unternehmen. In Nord- & Mittelamerika sind es zusätzlich noch die Faktoren Kompetenz / Know-how im Unternehmen und positive Erfahrung mit der internen Erbringung. Dabei ist interessant, dass der Faktor positive Erfahrung mit interner Erbringung mit einem Wert von 3,4 besonders stark ausgeprägt. Die interne Erbringung in den USA funktioniert in den meisten Fällen reibungslos. Die Unternehmen entscheiden sich daher (basierend auf diesen positiven Erfahrungen) immer wieder für diesen Erbringungsmodus. Gründe für eine externe Leistungserbringung. Obwohl nur 20 Prozent der Unternehmen eine externe Erbringung im Ausland bevorzugen, so gibt es gute Gründe, einzelne Tätigkeiten an einen externen Anbieter zu verlagern. Die wichtigsten sind die kostengünstigere Leistungserbringung, der Zugang zu qualifiziertem Personal und eine anpassungsfähigere und flexiblere Leistungserbringung (siehe Abbildung 85). Mit Abstand am bedeutendsten ist – wie auch bei der Wahl der internen Erbringung – die Realisierung einer kostengünstigen Leistungserbringung. Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben, variieren die Bedeutung und die Vorteile einer externen Erbringungsform für unterschiedliche Funktionen und im

106

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Weiteren auch für spezifische Prozesse innerhalb dieser Funktionen. Aus diesem Grunde kann in dem einen oder anderen Fall auch die interne Erbringungsform die bessere Wahl darstellen. Dadurch ist sowohl bei der Entscheidung für eine externe als auch für eine interne Leistungserbringung die Einsparung von Kosten das wichtigste Argument. Des Weiteren ist der Zugang zu qualifiziertem Personal ein weiterer Grund für die Entscheidung. Oft findet man bei Drittanbietern in Offshoring-Regionen eine Ansammlung von lokalen Experten. Die bessere Reaktionsfähigkeit auf erforderliche Leistungsspitzen und die Vermeidung von Leerläufen ist der drittwichtigste Grund für die Wahl einer externen Erbringungsform. Umgekehrt haben die Qualität der internen Funktionserbringung bzw. eine negative Erfahrung mit der internen Erbringung nahezu keinen Einfluss auf die Wahl einer externen Erbringung (siehe Abbildung 85). Die in den letzten Jahren stark vorangeschrittene Verbesserung in der Standardisierung der IT-Systeme (sowohl bei unternehmensinternen als auch externen Systemen) und der Kommunikation haben heutzutage kaum Entscheidungsrelevanz. Diese Eigenschaften erleichtern Verlagerungen ins Ausland, sind jedoch kein alleiniger Grund für eine Entscheidung. Die Bedeutung der Faktoren hängt ähnlich wie bei der internen Erbringung auch von den einzelnen Zielregionen ab (siehe Abbildung 86). In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Einfluss auf die Wahl des externen Erbringungsmodus für die jeweilige Funktion hatten? 3,6 / STD: 0,8 3,0 / STD: 0,9

Erschließung von Kostensenkungspotenzial Zugang zu qualifiziertem Personal Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

2,8 / STD: 1,1

Konzentration auf das Kerngeschäft

2,7 / STD: 1,3

Verbesserung der Servicequalität Positive Erfahrung mit externem Leistungserbringer

2,7 / STD: 1,2 2,5 / STD: 1,1

Zuverlässigkeit

2,4 / STD: 1,2

Umstrukturierung des Geschäftsprozesses

2,0 / STD: 1,1

Gängige Praxis der Branche

1,9 / STD: 1,4

Verbesserte IT Umsetzungsmöglichkeiten Verwendung standardisierter / kompatibler IT Negative Erfahrung mit der int. Erbringung STD = Standardabweichung

Kein Einfluss (0)

1,7 / STD: 1,2 1,4 / STD: 1,0 1,1 / STD: 1,0 Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

Abb. 85. Einflussgrößen für die Selektion der externen Leistungserbringung (basierend auf den Angaben zu 31 Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

107

Auch hier sind es vor allem die potenzielle Kostensenkungspotenziale, die eine externe Erbringung in den Regionen Asien und Osteuropa motivieren. Für Asien sind es zusätzlich noch der Zugang zu qualifiziertem Personal und die Steigerung der Flexibilität. Demgegenüber sind es in Westeuropa die Konzentration auf das Kerngeschäft, die Verbesserung der Servicequalität, die positive Erfahrung mit der externen Leistungserbringung und der Zugang zu qualifiziertem Personal. In Summe haben die vorangegangenen Abschnitte gezeigt, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, die für eine interne bzw. externe Erbringung sprechen. Leider kann hier keine eindeutige Empfehlung zu einer bestimmten Erbringungsform gegeben werden. Vielmehr müssen sich die Unternehmen mit Offshoring-Ambitionen, die Vor- und Nachteile des jeweiligen Erbringungsmodus für ihre spezielle Situation untersuchen und die entsprechend bestmögliche Form wählen. Abbildung 87 zeigt das Beispiel eines internationalen Computerherstellers, der sich bzgl. Beschaffung für eine interne und bzgl. Callcenter für eine externe Erbringung entschieden hat. 0 Kein Einfluss Erschließung von Kostensenkungspotenzial

3,9

3,7

Zugang zu qualifiziertem Personal

3,1

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

3,1

2,4

2,8 2,7

Konzentration auf das Kerngeschäft

2,5

2,6

Verbesserung der Servicequalität

2,5

2,6

Positive Erfahrung mit externem Leistungserbringer

4 Starker Einfluss

2,1

2,9

Asien (15)

Osteuropa (11)

3,0 2,5 3,6 3,2 3,2

Westeuropa (5)

Abb. 86. Vergleich der Einflussgrößen für die Wahl einer externen Leistungserbringung in den Regionen Asien, Osteuropa und Westeuropa (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

108

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Interne Erbringung der Beschaffung in Japan

Externe Erbringung eines Callcenters in der Türkei

Erschließung von Kostensenkungspotenzial

Erschließung von Kostensenkungspotenzial

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

Negative Erfahrung mit externen Leistungserbringern

Positive Erfahrung mit externen Leistungserbringern

Zuverlässigkeit

Zuverlässigkeit

Mangelnde Kompatibilität der ITSysteme

Verbesserte IT- Umsetzungsmöglichkeiten

Positive Erfahrung mit interner Erbringung

Negative Erfahrung mit interner Erbringung

Kein Einfluss

Starker Einfluss

Der international tätige Computerhersteller (Umsatz ca. 2 Mrd. EUR, 100.000 Mitarbeiter) erbringt derzeit unter anderem die Funktionen Callcenter und Beschaffung im Ausland. Die Funktion Beschaffung wird dabei in Japan mit einer internen und die Funktion Callcenter in der Türkei mit einer extern Erbringungsform erbracht. Die Gründe für die interne Erbringung sind ähnlich wie bei anderen Unternehmen. Am wichtigsten sind dem Unternehmen die Umsetzung von Kostensenkungspotenzialen und eine Steigerung der Anpassungsfähigkeit bzw. Flexibilität und der Zuverlässigkeit. Erst an zweiter Stelle folgen die negativen bzw. positiven Erfahrungen mit einer externen bzw. internen Erbringung und die mangelnde Kompatibilität der IT-Systeme. Insbesondere die hohe Bewertung der Zuverlässigkeit der Leistungserbringung macht deutlich, dass die unterstützende Funktion Beschaffung essenziell für den Geschäftserfolg des Unternehmens ist. Im Vergleich dazu ist dieser Faktor bei der Funktion Callcenter weniger entscheidend. Das Unternehmen ist bereit, höhere Einsparpotenziale auf Kosten der Zuverlässigkeit zu erreichen. Ob sich dieses Verhalten langfristig als erfolgreich herausstellt, ist fraglich. Es ist ein allgemein bekanntes Phänomen, dass einige Computerhersteller bei der Kundenbetreuung, wie beispielsweise durch Callcenter, erhebliche Schwächen zeigen. Entscheider müssen an dieser Stelle für ihr Unternehmen abwägen, ob dies die richtige Strategie ist.

Abb. 87. Erbringungsmodi eines weltweit tätigen Computerherstellers

5.2.4 Zusammenspiel der drei Entscheidungskomponenten Die in den letzten Kapiteln einzeln vorgestellten Entscheidungskomponenten bei der Umsetzung von Offshoring-Vorhaben bieten alle für sich eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten. Für das Unternehmensmanagement

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

109

ist es daher wichtig, die geeignete Kombination aus den drei Komponenten zu finden, um den Erfolg eines geplanten Offshoring-Vorhabens sicherzustellen. Wählt das Management eine ungeeignete Kombination, so kann dies zum Scheitern einer Offshoring-Implementierung führen und damit eine aufwendige Rückverlagerung erforderlich machen. Aus diesem Grund ist für jede Verlagerungsaktivität eine detaillierte Überprüfung der gewählten Kombination im Vorfeld notwendig. Auf der einen Seite hat das Management die Möglichkeit, aus sieben verschiedenen Funktionen von IT bis Beschaffung auszuwählen. Auf der anderen Seite können sie zwischen fünf Zielregionen und zwei verschiedenen Erbringungsformen wählen (siehe Abbildung 88). Damit ergeben sich 70 theoretisch mögliche Kombinationen (zur Vereinfachung wurde hier auf eine Differenzierung in einzelne Offshoring-Länder verzichtet). Es stellt sich damit die Frage, welche Kombinationen in der Praxis tatsächlich vorkommen und welche vom Management besonders häufig genutzt werden. In Summe zeigt sich, dass nur 47 der 70 möglichen Kombinationen überhaupt vorkommen. Im Detail ergibt sich folgendes Bild:







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x Bei den Funktionen IT und Callcenter werden neun der zehn möglichen Kombinationen genutzt. Hingegen ist es im Personalwesen (drei Kombinationen) und in der Produktentwicklung (5 Kombinationen) maximal die Hälfte der Optionen.

Kombinationen (70)

• • • • • • •

Funktion (7) IT Callcenter Personalwesen Beschaffung Finanz & Rechnungswesen Forschung & Entwicklung Produktentwickung

Abb. 88. Festlegung der möglichen Kombinationen

110

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Offensichtlich sind in Abhängigkeit von der Funktion nicht alle Kombinationen möglich bzw. haben sich einzelne Kombinationen als eher ungünstig erwiesen. Entscheider sollten daher beachten, dass bzgl. einzelner Funktionen die Wahlfreiheit in Bezug auf Zielregion und Erbringungsmodus eingeschränkt ist. x Aus der Perspektive Erbringungsort schöpfen die Unternehmen die möglichen Kombinationen in den Regionen Asien und Osteuropa mit 11 von 14 Kombinationen und in Westeuropa mit 12 Kombinationen gut ausgeschöpft. Nur in der Region Nord- und Mittelamerika ist eine Fokussierung auf 7 der 14 möglichen Kombinationen gegeben. x Bezüglich des Erbringungsmodus zeigen die Analysen, dass das Unternehmensmanagement deutlich mehr Kombinationen mit einer internen als mit einer externen Erbringungsform wählt. Offensichtlich besitzen die Unternehmen bei der Wahl eines internen Erbringungsmodus mehr Wahlfreiheit bzgl. der anderen Komponenten. Werden auf der einen Seite 32 der 35 möglichen Kombinationen mit einer internen Erbringung genutzt, so sind es auf der anderen Seite mit einer externen Erbringung nur 15 Kombinationen. Fasst man diese Erkenntnisse zusammen, so zeigt sich, dass die meisten der Kombinationen aller Regionen und Funktionen mit internem Erbringungsmodus in der Praxis genutzt werden. Es bleibt die Frage, ob diese Kombinationen gleich häufig auftreten oder ob die Unternehmen bestimmte Kombinationen bevorzugen. Dominierende Kombinationen. Ein kleiner Teil der möglichen Kombinationen wird vom Unternehmensmanagement besonders stark bevorzugt. Die 16 am häufigsten genutzten Kombinationen (23 Prozent aller möglichen Kombinationen) decken 69 Prozent aller vorkommenden Verlagerungen ab. Tabelle 3 zeigt diese 16 wichtigsten Kombinationen und ihren Anteil an den gesamten Verlagerungen. Wie bereits aus den Ergebnissen zu den einzelnen Entscheidungskomponenten in vorangegangenen Kapiteln ersichtlich wurde, überwiegt die Funktion IT. Aus diesem Grund ist es offensichtlich, dass die drei am häufigsten auftretenden Kombinationen (12, 7 und 6 Prozent) Verlagerungen der IT-Funktion sind. Demgegenüber ist die Anzahl der Verlagerungen in den Funktionen Personalwesen und Produktentwicklung relativ klein und ist daher nicht unter den bedeutendsten 16 Kombinationen zu finden. Für die verbleibenden in Tabelle 3 aufgeführten Funktionen (Beschaffung, Forschung & Entwicklung, Callcenter und Finanz- & Rechnungswesen) ist ersichtlich, dass der Anteil der jeweiligen Kombinationen zwischen 5 und 3 Prozent ist. Bei den übrigen 31 Kombinationen jenseits des 16. Rangs (nicht dargestellt in Tabelle 3) ist der durchschnittliche Anteil nur noch

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

111

etwa 1 Prozent. Offensichtlich gibt es damit typische OffshoringKombinationen, die von den Entscheidern sehr häufig umgesetzt werden. Diese haben sich als besonders günstig erwiesen und werden immer wieder verwendet. Unternehmen, die sich zum ersten Mal mit Offshoring auseinandersetzen, sollten daher diese Kombinationen als besonders interessante Einstiegsoptionen betrachten. Viele Unternehmen haben damit positive Erfahrungen gemacht. Ein Einstieg sollte unerfahrenen Managern hier besonders einfach fallen. Besitzt ein Unternehmen dagegen bereits eine umfassende Offshoring-Expertise, so sind für weitere OffshoringAktivitäten auch ungewöhnlichere Kombinationen denkbar. Abbildung 89 zeigt beispielsweise ein deutsches Mobilfunkunternehmen, das sowohl eine Standardkombination (interne Erbringung der IT in Asien) als auch weniger häufige Kombinationen gewählt hat. Tabelle 3. Dominierende Kombinationen bei der Verlagerung von Funktionen Prozentsatz aller Verlagerungen

Nr. Funktion

Region

Modus

1

IT

Asien

Intern

12%

2

IT

Osteuropa

Intern

7%

3

IT

Westeuropa

Intern

6%

4

Beschaffung

Asien

Intern

5%

5

IT

Asien

Extern

5%

6

Forschung & Entw.

Westeuropa

Intern

4%

7

Callcenter

Osteuropa

8

Finanz- & Rechnungsw. Westeuropa

9

Forschung & Entw.

Intern

3%

Intern

3%

Nord- & Mittelamerika Intern

3%

10 Callcenter

Osteuropa

Extern

3%

11 Callcenter

Westeuropa

Intern

3%

12 Finanz- & Rechnungsw. Osteuropa

Intern

3%

13 Forschung & Entw.

Asien

Intern

3%

14 Forschung & Entw.

Osteuropa

Intern

3%

15 IT

Nord- & Mittelamerika Intern

3%

16 IT

Osteuropa

3%

Andere auftretende Kombinationen

Extern

31%

112

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Aktuelle Verlagerungssituation Mobilfunkunternehmen Umsatz: N/a Mitarbeiteranzahl: 14.000

Finanz- & Rechnungswesen Tschechien (Kombination Nr. 12)

Produktdesign China (andere Kombination)

IT Indien (Kombination Nr. 1)

Unternehmen besitzen bei der Implementierung von Offshoring-Aktivitäten drei wesentliche Entscheidungskomponenten: die zu verlagernde Funktion, den zukünftigen Standort der Erbringung und die Erbringungsform. Damit entsteht eine große Vielfalt von möglichen Umsetzungsoptionen. In der Praxis wird aber nur ein kleiner Teil der Optionen genutzt. Einzelne Kombinationen haben sich in der Praxis als besonders günstig herausgestellt und werden daher häufiger von den Unternehmen bevorzugt als andere. Das hier gezeigte Mobilfunkunternehmen mit ca. 14.000 Mitarbeitern nutzte für seine Offshoring-Aktivitäten verschiedene Kombinationen. Zum einen verwendete es die am häufigsten genutzte Kombination, die interne Erbringung der IT, in Indien. Diese Kombination wird für 12 Prozent aller Verlagerungen gewählte (siehe Kombination Nr. 1 in Tabelle 3). Dennoch hat sich das Unternehmen aber auch für weniger gebräuchliche Kombinationen entschieden. So wird beispielsweise das Finanz- & Rechnungswesen in Tschechien intern erbracht. Diese Kombination wird nur für 3 Prozent der Verlagerungen genutzt (siehe Kombination Nr. 12 in Tabelle 3).

Abb. 89. Deutsches Mobilfunkunternehmen mit klassischer Verlagerung und nicht gängiger Verlagerung

Funktionale Gliederung der wichtigsten Kombinationen. Da in Tabelle 3 einige interessante Kombinationen auf Grund der starken Dominanz von IT verdeckt sind, werden im Folgenden zusätzlich die wichtigsten Kombinationen innerhalb jeder Funktion diskutiert. In Tabelle 4 sind die am häufigsten vorkommenden Kombinationen je Funktion dargestellt. Dadurch lassen sich auch interessante Kombinationen mit einer relativ geringeren Verlagerungsanzahl, wie beispielsweise bei der Produktentwicklung und dem Personalwesen, genauer analysieren. In Summe ist aus Tabelle 4 ersichtlich, dass für die Unternehmen der externe Erbringungsmodus hauptsächlich in den Funktionen Callcenter und Personalwesen von signifikanter Bedeutung ist. Dagegen tritt bei Beschaffung, Finanz- & Rechnungswesen, Forschung & Entwicklung, IT und

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

113

Produktentwicklung unter den zahlenmäßig signifikanten Kombinationen nur der interne Erbringungsmodus auf. Tabelle 4. Dominierende Kombinationen innerhalb von Funktionen

Nr. Funktion

Region

Modus

Prozentsatz je Funktion

1

Beschaffung

Asien

Intern

43%

2

Beschaffung

Osteuropa

Intern

14%

3

Beschaffung

Westeuropa

Intern

14%

Andere Kombinationen

29%

1

Callcenter

Osteuropa

Intern

21%

2

Callcenter

Osteuropa

Extern

18%

3

Callcenter

Westeuropa

Intern

18%

Andere Kombinationen

43%

1

Finanz- & Rechnungsw.

Westeuropa

Intern

38%

2

Finanz- & Rechnungsw.

Osteuropa

Intern

31%

3

Finanz- & Rechnungsw.

Nord- & Mittelamerika

Intern

13%

Andere Kombinationen

18%

1

Forschung & Entw.

Westeuropa

Intern

25%

2

Forschung & Entw.

Nord- & Mittelamerika

Intern

21%

3

Forschung & Entw.

Asien

Intern

18%

Andere Kombinationen

36%

1

IT

Asien

Intern

33%

2

IT

Osteuropa

Intern

18%

3

IT

Westeuropa

Intern

16%

Andere Kombinationen

33%

1

Produktentwicklung

Asien

Intern

29%

2

Produktentwicklung

Westeuropa

Intern

29%

3

Produktentwicklung

Nord- & Mittelamerika

Intern

21%

Andere Kombinationen

21%

1

Personalwesen

Westeuropa

Intern

50%

2

Personalwesen

Osteuropa

Intern

25%

3

Personalwesen

Westeuropa

Extern

25%

114

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Im Folgenden werden die wichtigsten Kombinationen innerhalb ihrer funktionalen Gruppe erläutert. Beschaffung. Die Beschaffung ist neben dem Personalwesen eine der Funktionen, bei der nur eine dominierende Kombination vorherrscht. Die interne Erbringung in Asien ist mit 43 Prozent aller Verlagerung mit Abstand die wichtigste Verlagerungskombination. Der wachsende Einkauf von Gütern aus asiatischen Ländern ist der wichtigste Grund für die Verlagerung der Beschaffungsfunktion in diese Länder. Die Nähe zum Zulieferer ermöglicht die erforderliche, häufige Kommunikation auf eine effiziente Art und Weise und senkt die Kosten. Callcenter. Osteuropa ist die bedeutendste Region für die Verlagerung der unterstützenden Funktion Callcenter. Die interne und die externe Erbringungsform in Osteuropa sind die beiden am häufigsten auftretenden Kombinationen. Eine weitere wichtige Rolle spielen eigene Callcenter in Westeuropa. Dabei sind Irland und Spanien die dominierenden Länder. Finanz- & Rechnungswesen. Das Potenzial der umliegenden Länder wird bei Finanz- & Rechungswesen ausgeschöpft. Die interne Erbringung in Westeuropa, gefolgt von der internen Erbringung in Osteuropa, ist die beliebteste Verlagerungskombination. Spezifische europäische Standards und häufig erforderliche Interaktionen erschweren momentan noch eine Verlagerung nach Asien. Forschung & Entwicklung. Die sehr gut ausgebildeten Arbeitskräfte in den aufstrebenden Entwicklungsländern spielen bisher noch keine signifikante Rolle. Die etablierten Wirtschaftsnationen in Westeuropa und Nord- & Mittelamerika dominieren hier die bedeutendsten Kombinationen. Des Weiteren schützen die Unternehmen ihr spezifisches Know-how durch eine interne Leistungserbringung im Ausland. IT. Drei wesentliche Kombinationen dominieren die auftretenden Konstellationen bei der Verlagerung von IT. Alle drei verwenden dabei einen internen Erbringungsmodus. Auf Grund der Vorteile von Nearshore-Offshoring kann sich die interne Erbringungsform in Osteuropa nahezu einen Anteil von 20 Prozent sichern. Aber auch die Entwicklung der Drittanbieter und die zunehmende Standardisierung machen sich bemerkbar. Die externe Erbringungsform nimmt in Asien stark zu und ist daher unter den vier wichtigsten Kombinationen zu finden. Produktentwicklung. Anders als in der Forschung & Entwicklung nutzt man das Potenzial der sehr gut ausgebildeten Arbeitskräfte in Asien bei der Gestaltung der Produkte. Die zwei Kombinationen interne Produktentwicklung in Westeuropa und in Asien führen zu gleichen Volumenanteilen

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

115

die Liste der bedeutendsten Kombinationen an. Gemeinsam decken sie nahezu 60 Prozent aller Verlagerungen im Bereich Produktentwicklung ab. Personalwesen. Die Verlagerung von Personalwesen ins Ausland hat die geringste Anzahl an Offshoring-Aktivitäten. Unternehmen tasten sich im Zuge ihrer ersten Verlagerungsschritte hauptsächlich ins nahe westeuropäische Ausland vor. Interne Implementierungen in Westeuropa bilden die einzigen Kombinationen. Zwei verschieden Ursachen führen dazu, dass bei allen Funktionen gewisse Kombinationen nicht auftreten. Auf der einen Seite sind es fehlende externe Leistungserbringer für bestimmte Funktionen in den verschiedenen Regionen. Existiert kein geeigneter Service Provider, so besteht für ein Unternehmen auch keine Möglichkeit, seine Leistungen extern zu erbringen. Dies erklärt den größten Teil der nicht auftretenden Kombinationen. Auf der anderen Seite werden manche Funktionen ausschließlich in etablierte Offshoring-Regionen verlagert. Standorte in anderen Ländern werden nur bei bestehenden Geschäftsbeziehungen oder für die erforderliche Nähe bei der Beschaffung erschlossen. Dadurch erklären sich die verbleibenden nicht auftretenden Kombinationen. Will ein Unternehmen eine unterstützende Funktion verlagern, so kann mit Hilfe der vorgestellten Ergebnisse eine erste Vorselektion von geeigneten Kombinationen erfolgen. Im Anschluss daran kann zusammen mit der in Kapitel 3.3 beschriebenen Vorgehensweise die für das Unternehmen günstigste Kombination gefunden werden. 5.2.5 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln zu der Managemententscheidung über mögliche Umsetzungsoptionen sind: 1. Die Funktion IT ist bei der Verlagerung von unterstützenden Funktionen ins Ausland in allen Dimensionen führend. 71 Prozent der Unternehmen verlagern die IT-Funktion, 32 Prozent aller verlagerten Funktionen sind IT-Funktionen, 38 Prozent aller ausländischen Standorte sind IT-Standorte und 34 Prozent aller ausländischen Mitarbeiter sind IT-Mitarbeiter. Die IT ist damit die dominierende Offshoring-Funktion. Die Funktionen Callcenter und Forschung & Entwicklung folgen der IT mit mehr als 50 Prozent kleineren Anteilen in allen Dimensionen. 2. Aufstrebende Entwicklungsregionen, wie Asien und Osteuropa, sind heute mit der Erbringung von 59 Prozent aller vorhandenen deutschen Offshoring-Aktivitäten die führenden Regionen für ausländische

116

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Leistungserbringung. Dabei ist Indien das Land mit dem größten Anteil (15 Prozent). Führende Wirtschaftsregionen, wie Westeuropa und Nordamerika, erbringen 38 Prozent aller ausländischen Leistungserbringung und liegen somit deutlich hinter den aufstrebenden Entwicklungsregionen zurück. 3. Im Zuge der Verlagerungen hat das Unternehmensmanagement die Möglichkeit genutzt, für 17 Prozent der in Deutschland verbliebenen Aktivitäten den Erbringungsmodus zu ändern. Dabei wurde in den Fällen mit geänderter Erbringungsform meist von einer internen zu einer externen Erbringung gewechselt. In Summe ist der Anteil der externen Erbringung aber auch nach den Verlagerungen mit 14 Prozent relativ klein. 4. Im Vergleich dazu ist der Anteil der ins Ausland verlagerten Aktivitäten mit einer externen Erbringung auf 20 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg resultiert aus den bereits ursprünglich extern erbrachten Aktivitäten (6 Prozent) und denen, bei denen die Erbringungsform von intern auf extern geändert wurde (14 Prozent). Damit ist der Anteil der externen Erbringung im Ausland um 6 Prozent größer als im Inland. 5. In der Praxis nutzen Manager nur 47 der 70 theoretisch möglichen Kombinationen aus Funktionen, Erbringungsort und Erbringungsmodus. Dabei stellt die Verlagerung der Funktion IT nach Asien gekoppelt mit einem internen Erbringungsmodus die am häufigsten auftretende Kombination (12 Prozent) dar. Für Entscheider ohne Offshoring-Erfahrung ist es meist empfehlenswert, mit einer häufig genutzten Kombination zu beginnen und erst später weniger gebräuchliche Kombinationen in Betracht zu ziehen.

5.3 Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen Nach der Darstellung des Gestaltungsraums, den die Unternehmen bei der Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland besitzen, werden auf den folgenden Seiten die für den Erfolg entscheidenden Komponenten vorgestellt. Vor allem die Kosteneinsparungen sind heute in aller Munde und stellen eines der Kernziele bei Offshoring-Aktivitäten dar. Sowohl verfügbare Studien (siehe z.B. Deloitte Research, 2005; PriceWaterhouseCoopers, 2005; siehe z.B. Schaaf, 2004; Schaaf u. Weber, 2005) als auch die in diesem Buch bereits gezeigten Resultate können diese Aussage bestätigen. In vielen Fällen sind die geplanten Einsparungen jedoch höher als die tatsäch-

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

117

lich erreichten. Zusätzlich auftretende Kosten, wie z.B. mehrfach entstehende Kosten während der Verlagerungszeit (am ursprünglichen Standort und gleichzeitig am Offshoring-Standort), erhöhte Transaktionskosten und der Einsatz von deutschem Management vor Ort, werden häufig von den Unternehmen im Zuge des Planungsprozesses außer Acht gelassen und sind Gründe für die Diskrepanz zwischen den geplanten und den tatsächlichen Einsparungen. Um eine erfolgreiche Verlagerung zu garantieren, müssen die zu erzielenden Einsparungen und die erwartete Servicequalität im Ausland bereits im Vorfeld der Verlagerung definiert werden. Diese dienen dem Management als Basis zur Überprüfung des Verlagerungserfolgs. Zusätzlich sollten im Rahmen der Erfolgskontrolle die eigenen erzielten Ergebnisse mit denen anderer Unternehmen verglichen werden. 5.3.1 Kosteneinsparungen: positive und negative Abweichungen auf hohem Niveau Die Abweichung der ursprünglich erwarteten von den tatsächlich erreichten Einsparungen ist für die Unternehmen weniger schmerzhaft, wenn die tatsächlich erzielten Kosteneinsparungen zumindest ein bestimmtes Niveau erreichen. Meist erreichen die Unternehmen die größten Einsparpotenziale in den Funktionen IT und Produktentwicklung. Langjährige Erfahrung, weit fortgeschrittene Standardisierung und eine Vielfalt von externen Leistungserbringern ermöglichen Einsparungen von bis zu 32 Prozent (siehe Abbildung 90).

IT

32% 26%

Produktentwicklung

24%

Beschaffung Callcenter

23%

Personalwesen

20%

Finanz- & Rechnungswesen

16%

Forschung & Entwicklung

16%

Abb. 90. Durchschnittliche erreichte Kosteneinsparungen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 104 Offshoring-Implementierungen)

118

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Für die Funktion Produktentwicklung macht sich die hohe Lohnkostendifferenz für die Arbeitskräfte bemerkbar und ermöglicht eine durchschnittliche Einsparung von 26 Prozent. Bei den Funktionen Finanz- & Rechnungswesen und Forschung & Entwicklung werden hingegen nur Kostenersparnisse von 16 Prozent erzielt. Ein Grund bei der Funktion Forschung & Entwicklung ist, dass die Hauptmotivation für eine Verlagerung nicht das Erreichen einer Kosteneinsparung ist, sondern die Wahl einer Region mit sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften. Im Finanz- und Rechungswesen werden Verlagerungen ins Ausland erst seit kurzer Zeit durchgeführt. Dadurch sind die überwiegenden Zielländer Länder führender Wirtschaftregionen oder Länder der Nearshore-Region Osteuropa. Auf Grund der kleinen Lohnkostendifferenz sind geringere Kosteneinsparungen die Folge. Offensichtlich stehen in diesem Bereich andere Gründe für eine Verlagerung im Vordergrund. Vergleich zwischen geplanten und erreichten Einsparungen. Neben dem absoluten Einsparpotenzial ist für das Management von besonderem Interesse, ob auch die ursprünglichen Planungen erreicht werden. Dazu zeigt Abbildung 91 die Anteile der Implementierungen je Funktion bei denen die Einsparziele erreicht, nicht erreicht oder übertroffen wurden. Bei 25 Prozent der Verlagerungen im Finanz- & Rechnungswesen können die geplanten Einsparungen übertroffen werden. Leider ist dieser positive Effekt eine Ausnahme. Einsparungen nicht erreicht (41) Callcenter

57%

Rechnungswesen

50%

IT

44%

Einsparungen erreicht (45) 38%

5% 25%

25% 13%

43%

Forschung & Entwicklung

36%

55%

Beschaffung

36%

57%

Produktentwicklung Personalwesen

20% 0%

Einsparungen übertroffen (9)

9% 7%

80%

0%

100% 0%

Abb. 91. Erreichung der geplanten Kosteneinsparungen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

119

Beispielsweise können in 57 Prozent der Fälle bei Callcenter und in 50 Prozent bei Finanz- & Rechnungswesen die geplanten Einsparungen nicht realisiert werden. Diese enttäuschenden Ergebnisse lassen Erfolgserlebnisse beim Management schnell in Vergessenheit geraten. Mit Ausnahme des Personalwesens existiert über alle Funktionen hinweg eine Vielzahl von Implementierungen, bei denen die Einsparungen nicht erreicht werden. In der Regel ist es zwischen ein und zwei Drittel aller Verlagerungsaktivitäten, die ihre erwarteten Einsparungen nicht erreichen können. Einzig im Personalwesen wird bei allen Verlagerungen die erwartete Kostenersparnis realisiert. Der Hauptgrund für die Diskrepanz zwischen geplanten und tatsächlichen Einsparungen ist eine zu ungenaue Wirtschaftlichkeitsrechnung, die ausschließlich auf den Faktorkostenvorteilen einer Verlagerung ins Ausland basiert. In vielen Fällen werden von den Entscheidern oft nur die Personalkosten im zukünftigen Erbringungsland mit denen in Deutschland verglichen und kurzsichtige Prognosen für potenzielle Einsparungen auf dieser Basis erstellt. Realität ist aber, dass neben den einmaligen Verlagerungskosten auch permanente zusätzliche Kosten durch die Erbringung in der Ferne entstehen. Abhängig von der Lage des zukünftigen Erbringungsorts kommt es teilweise zu erheblichem Interaktionsaufwand. Reisen, Kommunikation und Datendienste bekommen einen anderen Stellenwert als bei der Erbringung innerhalb des deutschen Standorts. Auch unerwartete Probleme, wie z.B. bei der Qualität, verursachen zusätzliche Kosten. Unzureichende Auseinandersetzung und fehlende Informationen zu Offshoring-Aktivitäten bzw. deren Auswirkungen führen oft zu unrealistischen Erwartungen. Entscheider sollten daher bei der Planung der Offshoring-Aktivitäten die Größe der zu erzielenden Einsparungen besonders kritisch betrachten und bei entsprechenden Wirtschaftlichkeitsrechnungen Sicherheiten integrieren. Der hohe Anteil der Unternehmen, die die geplanten Kosteneinsparungen nicht erreichen, relativiert sich, wenn die Differenz zwischen der tatsächlich erreichten und der geplanten Kosteneinsparung gering ist. Aus diesem Grund ist für eine Bewertung im Rahmen der Erfolgskontrolle nicht nur der Anteil von Implementierungen interessant, bei denen eine fehlerhafte Einschätzung vorgenommen wurde, sondern auch um wie viel die geplanten Einsparungen von den tatsächlichen abweichen. Abbildung 92 zeigt daher die durchschnittliche Abweichung zwischen den Plan- und Istzahlen für die Implementierungen mit einer fehlerhaften Einschätzung. Werden die Erwartungen übertroffen, dann konnten zusätzlich bis zu 20 Prozent an Kosteneinsparungen erreicht werden. Dieses zusätzliche Potenzial variiert aber stark in den verschiedenen Funktionen.

120

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Während im Bereich Callcenter nur zusätzliche Einsparungen von 5 Prozent möglich waren, sind es bei IT und Beschaffung 18 bis 20 Prozent. Im Gegensatz zu diesen überraschenden positiven Effekten sind jene Implementierungen, bei denen die geplanten Einsparungen nicht erreicht werden konnten, für das Management von besonderem Interesse. Dort variieren aber die Plan-Ist-Differenzen noch stärker und erreichen durchschnittlich 30 Prozent. Die kleinsten Abweichungen existieren im Bereich Forschung & Entwicklung mit 10 Prozent und die größten beim Finanz- & Rechnungswesen mit 25 Prozent bzw. bei der Produktentwicklung mit 30 Prozent. So große Abweichungen werden im Allgemeinen die zu Grunde liegenden Wirtschaftlichkeitsrechnungen so stark verzerren, dass die entsprechenden Verlagerungen wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll sind. Somit sind derartig hohe Abweichungen ein Alarmzeichen für den Entscheider, sich über das Thema Offshoring und die tatsächlich erreichbaren Einsparungspotenziale im Detail aufzuklären. Erforderlicher Zeitraum bis zur Erreichung der Einsparungen. Im Hinblick auf die gesamte finanzielle Planung für die Verlagerung einer Funktion ins Ausland ist für das Management der Zeitraum bis zum Erreichen der möglichen Kosteneinsparungen im zukünftigen Erbringungsstandort von wesentlicher Bedeutung. Einsparungen nicht erreicht -12%

Callcenter

5%

-25%

Finanz- & Rechnungswesen

15%

-16%

IT

18%

-10%

Forschung & Entwicklung

-14%

Beschaffung

Produktentwicklung

Einsparungen übertroffen

10%

20%

-30%

Durchschnittliche geringere Einsparung

Durchschnittliche zusätzliche Einsparung

Abb. 92. Höhe der Diskrepanz zwischen erwarteten und erreichten Kosteneinsparungen (basierend auf den Angaben zu 95 Offshoring-Implementierungen)

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

121

Mögliche Kosteneinsparungen sind – im Gegensatz zu den von den Unternehmen ursprünglich geplanten Einsparungen – Einsparungen, die ein Unternehmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums tatsächlich erreichen kann. Die Kosteneinsparungen der ersten Monate werden zunächst durch die im Zuge der Verlagerung entstehenden Einmalaufwendungen aufgebraucht. Des Weiteren führen beispielsweise unerwartete Probleme mit ITSystemen, mangelnde Produktivität und Probleme bei der Qualität zu zusätzlichen Verzögerungen bei der Erreichung der Kosteneinsparungen. Umso bemerkenswerter ist es, dass Entscheider bei 26 Prozent der Verlagerungen die möglichen Kosteneinsparungen bereits innerhalb des ersten Monats erzielt werden können. Auf der anderen Seite tritt für über 27 Prozent der Verlagerungen die mögliche Kosteneinsparung erst zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach dem zwölften Verlagerungsmonat ein. Diese Fälle zeigen die existierende Unsicherheit bei der Zeitdauer bis zur Erreichung der erwarteten Kosteneinsparungen für das Management. Eine detaillierte Darstellung der prozentualen Verteilung der Dauer bis zu Erreichung der möglichen Kosteneinsparung kann Abbildung 93 entnommen werden. Einfluss der Erbringungsform. Eine Betrachtung der Verteilung der internen und externen Erbringungsform innerhalb des jeweiligen Zeitintervalls für alle Verlagerungen mit erreichten bzw. übertroffenen Kosteneinsparungen gibt Aufschluss über die unterschiedliche Eignung der gewählten Erbringungsmodi. Erreichung Kosteneinsparungen

Zeitraum bis zur Erreichung 43%

0 bis 1 Monat

100%

2 bis 5 Monate

57%

6 bis 12 Monate

Mehr als 12 Monate Nicht erreicht

26%

19%

28%

27%

Erreicht oder übertroffen

Abb. 93. Dauer bis zur Erreichung der möglichen Kosteneinsparungen (basierend auf den Angaben zu 95 Offshoring-Implementierungen)

122

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Zusätzlich werden potenzielle Fehlentscheidungen für das Unternehmensmanagement sichtbar. Bei den intern erbrachten Implementierungen zeigt sich, dass die Prozesse in den neuen Offshoring-Standorten zunächst anlaufen und dann über die ersten Monate hinweg ständig verbessert werden müssen. Die Verteilung der Anteile von interner und externer Leistungserbringung ist in Abbildung 94 graphisch illustriert. Im Gegensatz dazu werden bei Unternehmen, die sich für eine Leistungserbringung durch einen Drittanbieter entschieden haben, bei vielen verlagerten Funktionen die Kosteneinsparungen bereits innerhalb der ersten fünf Monate erreicht. Grundvoraussetzung hierfür ist, dass das verlagernde Unternehmen die erforderlichen Prozesse gut vorbereitet hat und die Anknüpfung an die standardisierten Prozesse des Drittanbieters reibungslos verläuft. Auch die vertraglichen Übereinkommen mit einem externen Leistungsanbieter zwingen diesen in den meisten Fällen, die vereinbarten Kosteneinsparungen innerhalb eines kurzen Zeitrahmens zu erreichen. In Summe sollten sich Entscheider bewusst sein, dass das Erreichen der Einsparungen bei einer internen Erbringung meist mehr Zeit benötigt. Dies muss auch in die entsprechenden Finanzierungsüberlegungen von Offshoring-Aktivitäten mit einfließen. Unterschiede entlang der verschiedenen Funktionen. Das Personalwesen und das Finanz- & Rechungswesen unterscheiden sich von den restlichen Funktionen (siehe Abbildung 95). Sie besitzen einen relativ großen Anteil an Implementierungen, bei denen die Unternehmen mehr als 12 Monate benötigen, um die Einsparungen zu erreichen.

0 bis 1 Monat

2 bis 5 Monate

5 bis 12 Monate

Mehr als 12 Monate

Interne Erbringung

Externe Erbringung

54%

46%

71%

29%

94%

97%

6%

3%

Abb. 94. Verteilung der internen und externen Leistungserbringung bei der Zeitdauer für die Erreichung der Kosteneinsparungen (basierend auf den Angaben zu 54 Offshoring-Implementierungen)

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

123

Gleichzeitig existieren keine Implementierungen, bei denen die Einsparungen bereits innerhalb eines Monats erreicht wurden. Gründe dafür sind die unternehmensindividuellen Prozesse und die daraus resultierenden längeren Anpassungszeiten, die zu Verzögerungen bei den Kosteneinsparungen führen. Bei den restlichen unterstützenden Funktionen verteilt sich die mögliche Kosteneinsparung relativ gleichmäßig auf alle Zeiträume. Auffällig ist der etwas größere Anteil im Zeitraum 6-12 Monate bei der Funktion Callcenter. Bei Callcenter-Prozessen handelt es sich in der Regel um kundenindividuelle Lösungen, die Verbesserungen in der Anfangszeit bedürfen. Für das Management sollte an dieser Stelle die Qualität für den Kunden gegenüber der raschen Erzielung der Einsparungen im Vordergrund stehen. Abbildung 95 illustriert den Zeitraum bis zur Erreichung der möglichen Kosteneinsparungen für alle Verlagerungen, bei denen die Kosteneinsparungen erreicht oder übertroffen wurden. Unterschiede bei verschiedenen Regionen. Anders als bei der funktionalen Betrachtung sind bei den verschiedenen Regionen deutliche Unterschiede zu erkennen. In Nord- & Mittelamerika werden in 64 Prozent der Fälle die möglichen Kosteneinsparungen innerhalb des ersten Monats erreicht (siehe Abbildung 96). Die oft bestehenden Geschäftsbeziehungen, die vorhandenen eigenen Niederlassungen, die hervorragende Infrastruktur oder professionelle Drittanbieter ermöglichen dem Management eine bessere Vorbereitung der Verlagerung und damit eine schnelle Realisierung der Kosteneinsparungen. 0 bis 1 Monat Forschung & Entwicklung

35%

Beschaffung

33%

Callcenter

Produktentwicklung IT Finanz- & Rechnungswesen Personalwesen

12%

9%

25%

25%

25%

22% 17%

50%

Mehr als 12 Monate

12%

41% 13%

27%

27%

17%

2 bis 5 6 bis 12 Monate Monate

27%

23%

41%

38%

12%

20%

33% 66%

50%

Abb. 95. Erreichung der möglichen Kosteneinsparungen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 54 Offshoring-Implementierungen)

124

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Asien

0 bis 1 Monat

2 bis 5 Monate

6 bis 12 Monate

Mehr als 12 Monate

17%

33%

31%

19%

Osteuropa Westeuropa

15%

Nord- & Mittelamerika Andere Länder

9%

31%

16%

38%

27%

42%

36%

64%

20%

22%

40%

40%

Abb. 96. Erreichung der möglichen Kosteneinsparungen je Region (basierend auf den Angaben zu 54 Offshoring-Implementierungen)

Aber auch in Osteuropa können bei 31 Prozent der Verlagerungen die maximalen Kosteneinsparungen innerhalb eines Monats erreichen. Die geringe Entfernung, deutsche Arbeitskräfte und kaum kulturelle Differenzen sind ein Erfolgsfaktor in der Vorbereitungsphase und bei der Beseitigung von Problemen. In Asien werden 64 Prozent der Kosteneinsparungen zwischen dem zweiten und zwölften Monat erreicht. Abbildung 96 stellt die detaillierte Verteilung der Erreichung der Kosteneinsparung für alle Verlagerungen, bei denen die Kosteneinsparungen erreicht oder übertroffen wurden, auf die verschiedenen Zeiträume je Region dar. Auch hier sollten sich die Entscheider bewusst machen, dass der Finanzierungsbedarf stark von der gewählten Zielregion abhängt. 5.3.2 Qualität und Servicelevel: Verzögerungen und Verbesserungsbedarf Selbst die höchste Kosteneinsparung durch ein Offshoring-Vorhaben wird unbedeutend, wenn die erwartete Qualität bzw. der erwartete Servicelevel nicht erreicht wird. Idealerweise sinken im Zuge der Verlagerung ins Ausland die Kosten, während die Qualität der Dienstleistungen steigt. Mindestanspruch ist jedoch die Vermeidung einer Verschlechterung des Servicelevels gegenüber der Leistungserbringung innerhalb des deutschen Standorts. Aus diesem Grunde definieren Unternehmen im Zuge der Vorbereitung der Verlagerung einen Servicelevel, den sie mindestens erreichen möchten. Im Idealfall kann das Unternehmen den erwarteten Servicelevel bereits innerhalb weniger Monate erreichen. Zukünftige Steigerungen des Servicelevels sind in diesem Fall nicht mehr zwingend erforderlich,

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

125

wenn auch wünschenswert. Wird der erwartete Servicelevel nicht erreicht, so muss das Management die Gründe dafür möglichst zeitnah erkennen und unverzüglich entsprechende Maßnahmen einleiten. Zeitraum bis zur Erreichung des geplanten Servicelevels. Als erster Schritt erfolgt eine Betrachtung der erforderlichen Zeiträume bis zur Realisierung des gewünschten Servicelevels. Neben der Analyse über alle Verlagerungen hinweg, werden die einzelnen Funktionen und Regionen im Detail betrachtet. Abbildung 97, eine Darstellung der prozentualen Verteilung aller Verlagerungen über die unterschiedlichen Zeiträume, zeigt eine nahezu gleichmäßige Verteilung über alle Zeiträume hinweg. Positiv ist, dass bei 26 Prozent der verlagerten unterstützenden Funktionen der erwünschte Servicelevel bereits innerhalb des ersten Monats erreicht wird. Im Gegensatz dazu ist es weniger erfreulich, dass es bei weiteren 26 Prozent länger als zwölf Monate bis zur Erreichung des gewünschten Servicelevels dauert. Entscheider sollten bei der Planung einer Verlagerung darauf achten, dass die gewünschte Qualität nach einem kurzen Zeitraum realisiert werden kann. Die Bedeutung der schnellen Erreichung des gewünschten Servicelevels einer Implementierung variiert dabei erheblich für unterschiedliche Funktionen und Regionen (siehe Abbildung 98 und Abbildung 99). Auch diese Analysen werden für die Implementierungen durchgeführt, bei denen der geplante Servicelevel erreicht wurde. Erreichung Servicelevel

10%

Zeitraum bis zur Erreichung 0 bis 1 Monat 100%

2 bis 5 Monate 90%

Nicht erreicht

26%

22%

6 bis 12 Monate

26%

Mehr als 12 Monate

26%

Erreicht

Abb. 97. Erreichung des geplanten Servicelevels (basierend auf den Angaben zu 126 Offshoring-Implementierungen)

126

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

0 bis 1 2 bis 5 Monat Monate Callcenter 9% IT

18%

Finanz- & Rechnungswesen

20%

6 bis 12 Monate

Mehr als 12 Monate

55%

18%

18% 28%

28%

20%

Beschaffung

40%

Forschung & Entwicklung

42%

26%

60% 14%

33%

5%

Produktentwicklung

50%

Personalwesen

50%

16%

13%

37% 12%

25%

13%

50%

Abb. 98. Erreichung des geplanten Servicelevels je Funktion (basierend auf den Angaben zu 114 Offshoring-Implementierungen) 0 bis 1 Monat Asien

Osteuropa

16%

23%

55%

20%

Mehr als 12 Monate

32%

22%

19%

39%

20%

37%

Nord- & Mittelamerika

6 bis 12 Monate

30%

19%

Westeuropa

Andere Länder

2 bis 5 Monate

20%

9%

18%

23%

18%

80%

Abb. 99. Erreichung des geplanten Servicelevels je Region (basierend auf den Angaben zu 114 Offshoring-Implementierungen)

Servicelevel je Funktion. Für die einzelnen Funktionen zeigen sich erhebliche Unterschiede (siehe Abbildung 98). So wird in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Produktentwicklung und Personalwesen bei 42 bis 50 Prozent der Verlagerungen der gewünschte Servicelevel innerhalb des ersten Monats erreicht. Das Personalwesen hebt sich dabei durch eine besondere Eigenschaften von den restlichen Funktionen ab. Der Zeitrahmen

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

127

bis zur Erreichung des erwünschten Servicelevels tritt nur in seinen beiden Extrema auf. Entweder schaffen es die Unternehmen, die gewünschte Qualität bereits innerhalb eines Monats zu erreichen, oder sie benötigen länger als zwölf Monate. Bei Finanz- & Rechnungswesen wird bei 60 Prozent der Verlagerungen der Servicelevel erst nach zwölf Monaten erreicht. Wenig Erfahrung mit der Erbringung im Ausland und fehlende Prozessstandardisierung sind die wesentlichen Gründe für den langen Zeitraum bis zur Erreichung der geplanten Kosteneinsparungen. Die Erreichung des erwünschten Servicelevels bei Callcenter verhält sich ähnlich wie die Erreichung der möglichen Kosteneinsparungen. Die unternehmensindividuellen Prozessabläufe benötigen eine längere Anlaufzeit und umfangreichere Anpassungen. Dadurch erfolgt eine Realisierung der erwarteten Qualität in den meisten Fällen erst innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Servicelevel je Region. Ähnlich der funktionalen Betrachtung zeigt sich auch bzgl. der verschiedenen Offshoring-Regionen ein sehr unterschiedliches Bild bei der Dauer bis zur Erreichung des erwarteten Servicelevels (siehe Abbildung 99). Westeuropa und Nord- & Mittelamerika können sich mit einer schnelleren Realisierung des Servicelevels von den restlichen Regionen abheben. In Kombination mit dem raschen Erreichen des Kostensenkungsziels verfügt Nord- & Mittelamerika über interessante Eigenschaften für Verlagerungen. Entscheider sollten an dieser Stelle zwischen den jeweiligen Vor- und Nachteilen der einzelnen Regionen abwiegen. Stehen die absoluten Kosteneinsparungen im Vordergrund, dann sollten sich die Unternehmen vornehmlich auf Billiglohnländer in Asien und Osteuropa konzentrieren. Ist dagegen ein zügiges Erreichen der erwarteten Ziele von Bedeutung, dann ist eine Verlagerung nach Nord- & Mittelamerika empfehlenswert. Abbildung 100 zeigt hierzu das Beispiel eines international tätigen Unternehmens aus dem verarbeitenden Gewerbe und dessen benötigte Zeit bis zum Erreichen des geplanten Servicelevels bzw. der erwarteten Einsparungen. Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, dass der Gesamterfolg einer Verlagerung von verschiedenen Faktoren bestimmt wird. Die Unternehmen müssen daher individuell entscheiden, ob beispielsweise die absolute Höhe der Einsparungen oder das Erreichen des Servicelevels von größerer Bedeutung ist. In Abhängigkeit davon sollten die Entscheider eine entsprechende Wahl von Offshoring-Land und Erbringungsmodus für eine bestimmte zu verlagernde Funktion treffen.

128

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

Unternehmen und Verlagerung Mitarbeiter 5.700

Funktion

Forschung & Entwicklung

Industrie

Verarbeitendes Gewerbe

Region

Westeuropa

Umsatz

1 Mrd. EUR

Land

Italien

Erreichte Ergebnisse Kosteneinsparungen Erwartet

-20 Prozent -10 Prozent

Erreicht 0 -10 Zeitraum bis zur Zielerreichung

-20 > 12 Monate

Kosten Servicelevel

6-12 Monate 0

6

12

Bei einer Verlagerung ins Ausland kann es vorkommen, dass die tatsächlich erreichten Ergebnisse von den erwarteten Ergebnissen divergieren. Besonders bei den Kosteneinsparungen ist eine exakte Prognose der durch die zukünftige Verlagerung erzielbaren Ergebnisse schwierig. Eine gute Planung der Verlagerung aber auch vorhandene Verlagerungserfahrung im Unternehmen tragen zu einer realistischen Abschätzung im Vorfeld zur Verlagerung bei. Das gezeigte Unternehmensbeispiel konnte nur die Hälfte der erwarteten Kostenein-sparungen erreichen. Des Weiteren wurde für die Zielerreichung der Kosten (>12 Monate) und des Servicelevels (6-12 Monate) relativ lange benötigt.

Abb. 100. Erreichung der Ergebnisse bei einem internationalen Unternehmen

Notwendige Verbesserungen im Servicelevel. Besonders interessant für das Management und dessen zukünftige Aktivitäten ist die erforderliche Entwicklung des Servicelevels der vorhandenen Implementierungen in den nächsten Jahren. Die in Abbildung 101 gezeigten Daten spiegeln die notwendigen Verbesserungen der Qualität für Unternehmen, die den geplanten Servicelevel nicht erreicht haben, und die zusätzlich erwarteten Verbesserungen bei Unternehmen, die den Servicelevel bereits erreicht haben, wider. Insbesondere bei Unternehmen, die den geplanten Servicelevel noch nicht erreicht haben, muss das Management möglichst zügig entsprechende Maßnahmen einleiten. Bei 36 Prozent der Unternehmen, die den Servicelevel noch nicht erreicht haben, fordert das Unternehmensmanagement eine maßgebliche Verbesserung, bei weiteren 55 Prozent eine geringe Verbesserung.

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

Unternehmen mit Servicelevel-Ziel erreicht (114)

maßgebliche Verbesserung geringe Verbesserung keine Veränderung

129

Unternehmen mit Servicelevel-Ziel noch nicht erreicht (12)

24%

36% 55%

41% 35%

9%

Abb. 101. Erwartete und erforderliche Veränderung des Servicelevels in den nächsten 3 Jahren (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Aber auch Unternehmen, die ihren geplanten Servicelevel bereits erreicht haben, streben nach einer weiteren Verbesserung innerhalb der nächsten drei Jahre. Es stellt sich die Frage, wie die Unternehmen bei diesen Implementierungen eine Verbesserung erzielen können. Wesentliche Möglichkeiten der Qualitätssteigerung sind der Transfer von Wissen aus Deutschland zum Offshoring-Standort, die Unterstützung bei der Verbesserung der Erbringung durch das deutsche Management und der damit verbundene Aufbau von weiteren, besser ausgebildeten Fachkräften. Zusätzlich ermöglicht die Steigerung des Volumens der Verlagerungen eine weitere Spezialisierung und zugleich Fokussierung auf spezifische unterstützende Funktionen. Leider gibt es hier keine allgemeingültige Lösung. Das Management muss in Abhängigkeit von der konkreten Situation entscheiden, wie die Qualität möglichst zügig verbessert werden kann. Von besonderem Interesse sind die unterschiedlichen Erwartungen für verschiedene Funktionen und Regionen bei Unternehmen, die ihren geplanten Servicelevel bereits erreicht haben. Aus diesen Analysen lassen sich Indikationen für weitere mögliche Verbesserungen bei Funktionen und in Regionen ableiten. Erwartete Veränderung des Servicelevels je Funktion bei Unternehmen, die den Servicelevel bereits erreicht haben. Die erwartete Veränderung des Servicelevels für einzelne Funktionen zeigt einige Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Bei nahezu allen verlagerten Funktionen erwarten die Unternehmen für über 50 Prozent der Verlagerungen eine Verbesserung des aktuellen Servicelevels (siehe Abbildung 102). Hingegen werden nur bei vier Funktionen Beschaffung, Callcenter Forschung & Entwicklung und IT für über 25 Prozent der Verlagerungen maßgebliche Verbesserungen der Qualität erwartet.

130

Management der Verlagerung von Zentralbereichen Geringe Verbesserung (47)

Finanz- & Rechnungswesen

9%

36%

Personalwesen

50%

0% 31%

25%

Callcenter

33%

Forschung & Entwicklung

33%

IT

14%

29%

Produktentwicklung

Beschaffung

Maßgebliche Verbesserung (27)

25% 29% 54%

25%

Abb. 102. Erwartete Veränderung des Servicelevels in den nächsten 3 Jahren je Funktion (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Neben der niedrigen Anzahl an maßgeblichen Verbesserungen im Finanz& Rechungswesen und in der Produktentwicklung wird im Personalwesen keine maßgebliche Verbesserung des Servicelevels innerhalb der nächsten Jahre angenommen. Das Management ist für eine Vielzahl der Implementierungen mit der erreichten Qualität zufrieden. Erwartete Veränderung des Servicelevels je Region bei Unternehmen, die den Servicelevel bereits erreicht haben. Die Verbesserungspotenziale des Servicelevels sind eindeutig mit der Region verknüpft. Die Funktionserbringung ist in den Regionen Nord- & Mittelamerika und Westeuropa bereits auf einem sehr hohen Niveau. Dies kann durch das schnelle Hochlaufen des Servicelevels im Zuge einer Verlagerung erkannt werden (siehe dazu Abbildung 103). Dadurch ist ein zukünftiges Verbesserungspotenzial nicht vorhanden bzw. sehr gering. 81 Prozent der Verlagerungen in Nord& Mittelamerika und 47 Prozent der Verlagerungen in Westeuropa ohne erwartete Verbesserungen in der Qualität sind hierfür die Bestätigung. Auf der anderen Seite zeigen die Regionen Asien bzw. Osteuropa mit 40 bzw. 19 Prozent maßgebliche Verbesserungsmöglichkeiten bei der Qualität. Diese potenziellen Verbesserungsmöglichkeiten können beispielsweise durch eine engere Abstimmung mit dem Auftraggeber, durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Prozessverbesserung und durch den Aufbau einer Wissensdatenbank ausgereizt werden.

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

Geringe Verbesserung (47) Asien

40% 19%

62%

Westeuropa Nord- & Mittelamerika

Maßgebliche Verbesserung (27)

35%

Osteuropa

18%

35%

6%

13%

Andere Länder

131

67%

17%

Abb. 103. Erwartete Veränderung des Servicelevels in den nächsten drei Jahren je Region (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Manager sollten bei Verlagerungen in diese Region besonders auf die Planung und Realisierung eines hohen Servicelevels achten. 5.3.3 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse zur Erfolgskontrolle von Offshoring-Implementierungen sind: 1. 43 Prozent der Unternehmen können die erwarteten Kosteneinsparungen nicht erreichen. Dabei tritt eine durchschnittliche Diskrepanz von 15 Prozent gegenüber den erwarteten Einsparungen auf. Im Gegensatz dazu erreichen 9 Prozent der Unternehmen eine höhere als erwartete Kosteneinsparung. Aus diesem Grund sollten Manager im Voraus die erzielbaren Kosteneinsparungen besser abschätzen. Daraus resultieren weniger negative Überraschungseffekte. 2. Die höchsten durchschnittlichen Kosteneinsparungen (32 Prozent) sind bei der Funktion IT zu erreichen. Bei der Funktion Produktentwicklung liegen die durchschnittlichen Einsparungen bei 26 Prozent und stellen somit die Funktion mit dem zweitgrößten Einsparpotenzial dar. Ist das Hauptmotiv des Managements die Erreichung von hohen Kosteneinsparungen, dann sollte es sich auf die Verlagerung der Funktionen IT und Produktentwicklung konzentrieren. 3. Bei 90 Prozent der Implementierungen erreichen die Unternehmen den erwarteten Servicelevel. In Nord- & Mittelamerika wird der Servicelevel signifikant schneller (64 Prozent im ersten Monat) als in

132

Management der Verlagerung von Zentralbereichen

den aufstrebenden Entwicklungsregionen, wie beispielsweise Asien (17 Prozent im ersten Monat), erreicht. Entscheider sollten sich bei der Verlagerung in Entwicklungsregionen auf die Realisierung eines zufrieden stellenden Servicelevels konzentrieren. 4. Bezüglich der übrigen 10 Prozent der Implementierungen, bei denen das Servicelevelziel noch nicht erreicht wurde, müssen die Unternehmen bei einem Drittel noch maßgebliche Verbesserungen erreichen.

6 Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

Die Motivationsfaktoren für eine Verlagerung, wie beispielsweise die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen oder der Zugang zu qualifiziertem Personal, sind offensichtlich. Gleichzeitig sind mit der Verlagerung aber auch Risiken verbunden. Diese führen dazu, dass sich 9 Prozent der Unternehmen bewusst gegen eine Verlagerung entscheiden (siehe Kapitel 4). Für diese sind die Risiken von größerer Bedeutung, als die potenziellen Vorteile. Andere Unternehmen sehen die Gefahren einer Verlagerung weniger kritisch und entscheiden sich trotz der Risiken für eine Verlagerung (38 Prozent). Basierend auf diesen unterschiedlichen Perspektiven sollten die Entscheider ihre Risikoeinschätzung kalibrieren und von den Erfahrungen anderer Unternehmen lernen. Zusätzlich zu den genannten gibt es noch eine weitere Gruppe von Unternehmen, die kein Offshoring durchführen. Diese haben sich bisher noch nicht mit Offshoring auseinandergesetzt und daher eine Entscheidung weder für noch gegen Offshoring getroffen. Der Anteil dieser Gruppe ist mit 42 Prozent sogar größer als der Anteil der Unternehmen, die sich bereits für Offshoring entschieden haben (38 Prozent). Dies verdeutlicht, welches Offshoring-Potenzial bei deutschen Unternehmen noch vorhanden ist.

6.1 Relevanz der Risikofaktoren und Hemmnisse: Was spricht gegen Offshoring? Sowohl die Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben, als auch die, die sich dafür entschieden haben, sind sich der Risiken einer Verlagerung bewusst. Die Unternehmen der ersten Gruppe beenden den Verlagerungsprozess aber bereits im ersten Schritt mit einer Entscheidung gegen Offshoring, wohingegen die Unternehmen der zweiten Gruppe den Prozess bis zur Umsetzung durchführen (siehe auch Kapitel 5.1). Verantwortlich hierfür ist eine unterschiedliche Wahrnehmung der OffshoringRisiken. Während Manager der ersten Gruppe die Risiken einer Verlage-

134

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

rung im Mittel mit einem Wert von 2,0 bewerten, ist dieser Wert in der zweiten Gruppe mit 1,7 wesentlich geringer (siehe Abbildung 104). Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben

2,0 / STD: 1,1

Unternehmen, die sich für Offshoring entschieden haben Kein Einfluss

1,7 / STD: 1,1 Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss

Abb. 104. Unterschiedliche Einschätzung des Risikos einer Verlagerung ins Ausland bei Unternehmen, die sich für bzw. gegen Offshoring entschieden haben (basierend auf den Angaben von 53 Unternehmen)

6.1.1 Entscheidung gegen Offshoring auf Grund von Risiken Entscheider von Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben, bewerten verschiedene Risikofaktoren unterschiedlich (siehe Abbildung 105). Insbesondere die hohe Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung, der verdeckte Kostenanstieg sowie die politischen Widerstände bzw. die öffentliche Diskussionen in Deutschland sind für Unternehmen Gründe, sich gegen Offshoring zu entscheiden. Die hohe Zufriedenheit als wichtigster Grund ist besonders interessant. Alle anderen untersuchten Faktoren stellen ein potenzielles Risiko für das Unternehmen dar, wenn die Erbringung im Ausland erfolgt. Es drohen materielle und immaterielle Verluste, wenn der Risikofall eintritt. Die hohe Zufriedenheit ist kein Risikofaktor im eigentlichen Sinne. Hier handelt es sich nicht um ein drohendes Gefahrenpotenzial, sondern darum, dass es keine Motivation gibt, ein Risiko einzugehen. Die Unternehmen sind mit ihrer derzeitigen Situation zufrieden und sehen keinen Handlungsbedarf. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen der potenziellen Vorteile von Offshoring (zumindest teilweise) bewusst sind, sich aber dagegen entscheiden. Entscheider in Unternehmen sollten sich an dieser Stelle selbstkritisch fragen, ob tatsächlich rationale Überlegungen gegen eine ausländische Erbringung sprechen oder ob diese Risikoaversion eigentlich unbegründet ist. Die beiden anderen Gründe, verdeckter Kostenanstieg und die politischen Widerstände bzw. die öffentliche Diskussion, sind unmittelbar einsichtig.

Was spricht gegen Offshoring?

135

In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren ein Risiko bei der ausländischen Erbringung darstellen bzw. gegen eine Erbringung von Funktionen im Ausland geführt haben? Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung 2,6 / STD: 0,9 Verdeckter Kostenanstieg 2,5 / STD: 1,2 Politische Widerstände/öffentliche Diskussionen 2,5 / STD: 1,2 Mangelnde Anpassungsfähigkeit und Flexibilität 2,3 / STD: 1,1 Mangelnde Erfahrung mit ausländischer Erbringung 2,2 / STD: 1,1 Beeinträchtigung der Mitarbeitermotivation 2,2 / STD: 1,0 Mangelnde Kundenakzeptanz 2,2 / STD: 1,2 Verlust von Prozess-Kompetenz / Know-how 2,1 / STD: 1,2 Heterogene Anwendungen und Datenbestände 2,1 / STD: 1,0 Verlust der Prozesskontrolle im Unternehmen 2,0 / STD: 0,9 Mangelnde Servicequalität 2,0 / STD: 1,0 Unterschied der Länderkulturen 2,0 / STD: 1,0 Ineffizienz beim Datenaustausch / -integration 2,0 / STD: 1,3 Mangelnde Kompatibilität und Interoperabilität der IT 2,0 / STD: 1,0 Fähigkeit die Erbringung im Ausland umzusetzen 1,9 / STD: 1,0 Verlust von geistigem Eigentum 1,7 / STD: 1,1 Mangelndes Krisen- und Katastrophenmanagement 1,7 / STD: 0,6 Mangelnde Unterstützung der Prozesse durch IT 1,7 / STD: 1,0 Fluktuation der Beschäftigten im Offshoring-Land 1,6 / STD: 1,0 Politische Instabilität im Offshoring-Land 1,5 / STD: 1,2 Mangelnde Datensicherheit 1,5 / STD: 1,1 Mangelnde fachliche Kompetenz im Offshoring-Land 1,4 / STD: 1,0 Instabile Infrastruktur im Offshoring-Land 1,4 / STD: 1,1 Kein Wenig Neutral Einfluss Starker STD = Standardabweichung Einfluss (0) Einfluss vorhanden Einfluss (4)

Abb. 105. Gründe für die Entscheidung gegen Offshoring (basierend auf den Angaben von elf Unternehmen)

Der verdeckte Kostenanstieg ist direkt verknüpft mit dem wichtigsten Motivationsgrund für Offshoring, der Erschließung von Kostensenkungspotenzialen. Sieht man auf Grund der Gefahr eines verdeckten Kostenanstiegs kein Potenzial für Einsparungen, so ist die Verlagerung ins Ausland in vielen Fällen nicht mehr sinnvoll. Ähnlich rational sind die Überlegungen bezüglich der politischen Widerstände. Ist ein großer Imageverlust zu befürchten, werden die Unternehmen von einer Verlagerung ins Ausland absehen. Im Gegensatz zu diesen wesentlichen Faktoren haben mangelnde Datensicherheit, mangelnde fachliche Kompetenz und infrastrukturelle Instabilität im Land der Erbringung nur wenig Einfluss auf die Entscheidung. Beim Faktor mangelnde Datensicherheit ist die IT inzwischen soweit fortgeschritten, dass die Probleme hier beschränkt sind. Die Möglichkeit, dass alle Daten physisch im Heimatland gespeichert werden und nur bei Bedarf aus dem Ausland darauf zugegriffen wird, gewährleisten die Sicherheit der Daten. Ebenso ist die mangelnde fachliche Kompetenz offensichtlich kein Problem. Die Unternehmen sind davon überzeugt, dass prinzipiell die benötigten qualifizierten Arbeitskräfte im Ausland zur Verfügung stehen.

136

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

Dies ist zumindest teilweise konträr zu dem, was man in der aktuellen Presse liest (siehe z.B. Farrell et al., 2005a). Dort wird immer wieder auf den Fachkräftemangel in den Offshoring-Ländern hingewiesen. Des Weiteren ist auch die infrastrukturelle Instabilität kein Hemmnis. Die Infrastruktur wurde in den letzten Jahren entsprechend ausgebaut bzw. die Unternehmen haben mit eigenen Einrichtungen (z.B. Notstromaggregaten) gegebenenfalls existierenden Probleme behoben (Schaaf, 2005). Manager, die in den genannten Faktoren heute noch Risiken sehen, sollten in regelmäßigen Abständen die Relevanz der Risiken erneut prüfen und gegebenenfalls ihre Entscheidung überdenken. Einige der genannten Gründe gegen Offshoring-Aktivitäten sind unter anderem bei einer Verlagerung der Hannover Rückversicherung AG nach Indien eingetreten und haben zu signifikanten Problemen geführt (siehe Abbildung 106). Beruhend auf diesen Vorkommnissen hat sich das Unternehmen entschieden, ähnliche Aktivitäten in Zukunft wieder vorzugsweise in Deutschland zu erbringen. Für das Management von unterschiedlich großen Unternehmen gilt es teilweise sehr unterschiedliche Barrieren zu überwinden. In der Größenklasse III dominiert die Angst vor einem verdeckten Kostenanstieg. Der Faktor Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung befindet sich nur auf Platz zwei. Er ist aber immer noch stärker ausgeprägt als in der Größenklasse II. Folglich ist der Faktor Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung nicht nur ein Thema für kleine und mittlere Unternehmen. Ausgangssituation

Problemfelder

Ergebnis

• Initiierung der Offshoring-Aktivität durch die Fachabteilung • Motivation für die Verlagerung ist die Reduktion von Kosten • Verlagerung von IT-Aufgaben zu einem externen Anbieter nach Indien • Erstellung einer Software für die Abwicklung von Geschäftsprozessen im Internet • Erzielung eines signifikanten Kostenvorteils (Projektkosten von 70.000 EUR gegenüber maximal 700.000 EUR bei einem deutschen Anbieter)

• Nachträgliche Spezifikation von selbstverständlichen Anforderungen • Kommunikationsprobleme zwischen den deutschen und den indischen Projektmitarbeitern • Erhöhter Zeitbedarf durch langwierige Arbeitsmeetings • Erhöhter Arbeitsaufwand durch redundante Prozessschritte • Mangelndes Know-how der Mitarbeiter des Offshoring-Dienstleisters

• Vorhandene funktionsfähige Software • Fehlende Anbindung zu anderen IT-Systemen • Verzögerter operativer Start aufgrund von langwieriger Problembehebung

Abb. 106. Probleme der Hannover Rückversicherung AG bei einer Verlagerung nach Indien (Vogel, 2005)

Was spricht gegen Offshoring?

137

Auch bei Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern werden Offshoring-Möglichkeiten nicht wahrgenommen, weil man mit der derzeitigen Erbringung zufrieden ist. Umgekehrt verhält es sich mit dem Faktor mangelnde Erfahrung mit einer ausländischen Erbringung. Dieser ist mit 1,7 in der Größenklasse III weniger ausgeprägt als bei den anderen Klassen. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, dass grosse Unternehmen tendenziell über mehr ausländische Aktivitäten verfügen (z.B. aus Produktion oder Vertrieb) und damit auch mehr Erfahrung bezüglich einer ausländischen Erbringung besitzen. Auch das Management von kleineren Unternehmen sollte in vielen Fällen trotz mangelnder Erfahrung den Schritt zur Erbringung im Ausland wagen. Bei der Größenklasse I dominiert neben der Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung insbesondere die Angst vor politischen Widerständen und vor öffentlichen Diskussionen. Für kleinere Unternehmen ist es häufig schwieriger gegen das negative Image einer Verlagerung ins Ausland zu reagieren. Diese Unternehmen besitzen meist nicht die Ressourcen und die Erfahrung, um mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit diese Widerstände zu überwinden. Für Manager, die dennoch ins Ausland verlagern möchten, wäre der Zusammenschluss von Aktivitäten mit anderen kleineren Unternehmen eine Möglichkeit, um gegen Barrieren in der Öffentlichkeit anzukämpfen. Umgekehrt sehen die Unternehmen aber nahezu keine Probleme bezüglich eines verdeckten Kostenanstiegs oder einer mangelnden Anpassung an die ausländische Erbringung. Beide Risikofaktoren sind in kleineren Unternehmen überschaubar und auf Grund der noch beschränkten Unternehmensgrößen beherrschbar. Gründe für Unternehmen, eine Entscheidung gegen Offshoring zu revidieren. Obwohl sich die vorgestellten Unternehmen im ersten Schritt gegen Offshoring entschieden haben, würden sie diese Entscheidung unter bestimmten Umständen überdenken. Interessant ist daher zu verstehen, was Unternehmen dazu bringen könnte, ihre ursprüngliche Ablehnung gegenüber Offshoring zu revidieren. Die wichtigsten Faktoren, die Entscheidung gegen Offshoring zu revidieren, sind ein erhöhter Kostendruck durch Wettbewerber, eine unternehmensinterne Verwendung von standardisierter und kompatibler IT, eine höhere Unterstützung der unternehmensinternen Geschäftsprozesse durch IT und die verbesserten Umsetzungsmöglichkeiten der IT (siehe Abbildung 107). Insbesondere der am stärksten bewertete Faktor, erhöhter Wettbewerbsdruck, ist konsistent mit den bereits dargestellten Risiken. Auch hier zeigt sich wieder, dass Unternehmen primär mit ihrer derzeitigen Situation zu-

138

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

frieden und nicht bereit sind, jeden Kostenvorteil um jeden Preis zu realisieren. In Summe handeln die Unternehmen also reaktiv auf die äußeren Zwänge und nicht proaktiv, um effizienter zu werden. Eine solche Entwicklung ist besonders kritisch zu betrachten. Gegebenenfalls verschenken Unternehmen hier erhebliche Einsparpotenziale. Die anderen drei genannten Faktoren spiegeln die Bedeutung der ITStruktur für eine Verlagerung wider. Nur wenn eine entsprechende Standardisierung und Funktionalität der IT vorhanden ist, kann mit einem akzeptablen Aufwand eine Verlagerung ins Ausland erfolgen. Die Unternehmen sollten daher erst die entsprechenden internen Strukturen schaffen. Aus diesem Grund kommt eine Verlagerung häufig erst dann wieder in Betracht, wenn die entsprechenden Schritte erledigt sind. Auf der anderen Seite haben der verbesserte Schutz von geistigem Eigentum oder eine verbesserte politische Stabilität praktisch keinen Einfluss auf das Überdenken der Entscheidung. Dies ist konsistent mit dem Bild, dass die beiden Faktoren generell als Risikofaktoren kaum Bedeutung besitzen. Interessant ist, dass der am wenigsten bedeutsamste Faktor für eine Zurücknahme der Entscheidung die Fähigkeit zu einer besseren Risikoabschätzung ist. In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Ihre bisherige Entscheidung gegen eine Erbringung von Funktionen/Teilfunktionen im Ausland revidieren würden? Erhöhter Kostendruck durch Wettbewerber Verwendung von standardisierter und kompatibler IT Bessere Unterstützung der Prozesse durch IT Verbesserte Umsetzungsmöglichkeiten durch IT Gängige Praxis der Branche Sicherheit, Kostensenkungspotenzial zu erreichen Höhere Effizienz beim Datenaustausch / -integration Abschwächung der politischen Widerstände Höhere Fähigkeit die Erbringung umzusetzen Zuwachs Firmengröße damit Offshoring profitabel Höhere Anpassungsfähigkeit und Flexibilität Bessere Eignung der Unternehmenskultur Mehr Erfahrung mit externen Leistungserbringern Höhere Zuverlässigkeit Bessere Infrastruktur im Offshoring-Land Bessere Fähigkeit Erbringung im Ausland zu managen Höhere fachliche Kompetenz im Land der Erbringung Verbesserte politische Stabilität im Offshoring-Land Verbesserter Schutz von geistigem Eigentum Fähigkeit, Risiken im Ausland besser abzuschätzen STD = Standardabweichung

Kein Wenig Einfluss (0) Einfluss

2,4 / STD: 1,0 2,3 / STD: 0,7 2,2 / STD: 0,7 2,1 / STD: 0,7 2,1 / STD: 1,2 2,0 / STD: 0,9 2,0 / STD: 1,0 1,9 / STD: 0,8 1,9 / STD: 0,7 1,9 / STD: 0,9 1,8 / STD: 0,9 1,8 / STD: 1,0 1,7 / STD: 1,0 1,7 / STD: 0,9 1,6 / STD: 1,0 1,5 / STD: 1,1 1,5 / STD: 0,9 1,5 / STD: 0,9 1,5 / STD: 1,0 1,5 / STD: 0,9 Neutral Einfluss Starker vorhanden Einfluss (4)

Abb. 107. Gründe, eine Entscheidung gegen Offshoring zu revidieren (basierend auf den Angaben von elf Unternehmen)

Was spricht gegen Offshoring?

139

Offensichtlich glauben die Entscheider der Unternehmen, die Risiken einer ausländischen Erbringung sehr genau einschätzen zu können. Ein konkretes Beispiel für eine Risikobewertung zeigt Abbildung 108. Hier hat sich ein weltweit tätiger Logistikkonzern gegen Offshoring entschieden, ist aber unter bestimmten Voraussetzungen bereit, diese Entscheidung zu überdenken. Gründe für eine Entscheidung gegen Offshoring

Gründe, die Entscheidung gegen Offshoring zu revidieren

Verdeckter Kostenanstieg

Bessere Fähigkeit ausl. Erbringung zu managen

Mangelnde Kompatibilität / Interoperabilität der IT

Höhere Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

Kontrollverlust

Höhere Effizienz beim Datenaustausch / -integration

Mangelnde Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

Fähigkeit, Risiken im Ausland besser abzuschätzen

Mangelndes Krisen- und Katastrophenmanagement

Mehr Erfahrung mit externen Leistungserbringer

Politische Widerstände / öffentliche Diskussionen

Abschwächung der politischen Widerstände

Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung

Höhere Zuverlässigkeit

Unterschied der Länderkulturen

Bessere Infrastruktur im Offshoring-Land

Selbst für bereits international tätige Unternehmen ist eine Verlagerung der unterstützenden Funktionen nicht trivial und mit signifikanten Risiken verbunden. Die Risikobewertung eines weltweit tätigen Logistikkonzerns zeigt, dass sich das Unternehmen insbesondere aus Angst vor einem verdeckten Kostenanstieg und mangelnder Kompatibilität der IT gegen Offshoring entschieden hat (nur Risiken mit Einfluss bzw. mit starkem Einfluss sind dargestellt). Umgekehrt sind es insbesondere die verbesserte Fähigkeit entfernte Standorte zu managen, die höhere Anpassungsfähigkeit und die höhere Effizienz beim Datenaustausch, die nötig sind, um die ursprüngliche Entscheidung gegen Offshoring zu revidieren. Starker Einfluss Kein Einfluss

Abb. 108. Faktoren für eine Entscheidung gegen Offshoring und Gründe, diese Entscheidung gegebenenfalls zu revidieren

140

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

6.1.2 Entscheidung für Offshoring trotz Risiken Auch Manager, die sich für eine Verlagerung entschieden haben, sehen die potenziellen Risiken einer ausländischen Erbringung. Die wichtigsten sind für diese die Unterschiede in den Länderkulturen, mangelnde Erfahrung mit der ausländischen Erbringung und Fluktuation der Beschäftigten im Land der Erbringung (siehe Abbildung 109). Die ersten beiden Faktoren sind eng miteinander verknüpft. Einerseits ist den Entscheidern bewusst, dass es klare kulturelle Unterschiede gibt, die Probleme verursachen können. Auf der anderen Seite fehlen aber auch teilweise die Erfahrungen, um mit diesen kulturellen Unterschieden umgehen zu können. Mehr und mehr Dienstleister bieten Trainings für interkulturelle Belange an und beraten die Unternehmen beim Start in einem neuen Land. Doch diese Unterstützung alleine ist nicht ausreichend. Die Unternehmen benötigen erfahrene Experten mit lokalem Know-how, um erfolgreich im Offshoring-Land zu starten. Der dritte Faktor, Fluktuation der Beschäftigten, ist ein erst seit kurzem auftretendes Phänomen. In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren bei der ausländischen Erbringung ein Risiko darstellen bzw. hemmend auf Ihre Offshoring-Entscheidung gewirkt haben? 2,0 / STD: 1,0 Unterschied der Länderkulturen 1,9 / STD: 1,1 Mangelnde Erfahrung mit ausländischer Erbringung 1,9 / STD: 1,2 Fluktuation der Beschäftigten im Offshoring-Land 1,9 / STD: 1,1 Mangelnde Fähigkeit die Erbringung umzusetzen 1,8 / STD: 1,0 Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Erbringung 1,8 / STD: 1,0 Verdeckter Kostenanstieg 1,8 / STD: 1,1 Beeinträchtigung der Mitarbeitermotivation 1,7 / STD: 1,3 Verlust von Prozess-Kompetenz / Know-how 1,7 / STD: 1,1 Verlust der Prozesskontrolle im Unternehmen 1,7 / STD: 1,0 Mangelnde Servicequalität 1,7 / STD: 0,9 Mangelndes Krisen- und Katastrophenmanagement 1,7 / STD: 1,0 Heterogene Anwendungen und Datenbestände 1,7 / STD: 0,9 Ineffizienz beim Datenaustausch / -integration 1,6 / STD: 1,0 Mangelnde Kundenakzeptanz 1,6 / STD: 1,0 Politische Widerstände/öffentliche Diskussionen 1,6 / STD: 1,0 Mangelnde Kompatibilität und Interoperabilität der IT 1,5 / STD: 1,0 Mangelnde Unterstützung der Prozesse durch IT Mangelnde Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land 1,4 / STD: 1,0 Instabile Infrastruktur im Offshoring-Land 1,4 / STD: 0,9 Verlust von geistigem Eigentum 1,4 / STD: 1,1 Mangelnde Datensicherheit 1,3 / STD: 0,9 1,3 / STD: 0,9 Politische Instabilität im Offshoring-Land Kein Wenig Neutral Einfluss Starker Einfluss (0) Einfluss vorhanden Einfluss (4) STD = Standardabweichung

Abb. 109. Risikofaktoren einer ausländischen Erbringung aus Perspektive von Unternehmen, die sich für Offshoring entschieden haben (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen)

Was spricht gegen Offshoring?

141

Auf Grund der inzwischen hohen Nachfrage nach qualifiziertem Personal in den Offshoring-Ländern ist eine hohe Fluktuationsrate entstanden (Schaaf, 2005). Interessanterweise wird der Faktor verdeckter Kostenanstieg erst an sechster Stelle genannt. Dieser Faktor ist von besonderer Bedeutung, da die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen der wichtigste Motivationsfaktor für Offshoring ist (siehe Kapitel 5.1). Offensichtlich sehen die Unternehmen aber kein oder ein nur geringes Risiko, diese Kosteneinsparungen nicht zu erreichen. Insgesamt sind selbst die am wichtigsten eingestuften Risiken nur sehr schwach ausgeprägt. Dies ist konsistent damit, dass sich die Unternehmen trotz der bekannten Risiken für Offshoring entscheiden. Die Faktoren, die nach Ansicht der Unternehmen mit Offshoring-Erfahrung kaum ein Risiko darstellen, sind der Verlust von geistigem Eigentum, die mangelnde Datensicherheit und die politische Instabilität. Detailanalyse je Funktion. Manager nehmen die Risiken einer Verlagerung für die verschiedenen Funktionen unterschiedlich wahr. Insbesondere bei den Funktionen Produktentwicklung, Finanz- & Rechnungswesen und Personalwesen haben die Faktoren im Mittel den stärksten Einfluss (siehe Abbildung 110). Das bedeutet, dass die Entscheider von Unternehmen eine Verlagerung in diesen Funktionen riskanter einschätzen als bei den anderen Funktionen. In keiner Funktion ist aber der Durchschnittswert größer als 2,0 (neutral). Somit wird das Risiko einer Verlagerung für alle Funktionen als sehr begrenzt angesehen. Manager schätzen die zehn wichtigsten Faktoren für die Funktionen Produktentwicklung sowie Finanz- & Rechnungswesen sehr unterschiedlich ein (siehe Abbildung 111). Faktoren, die für die eine Funktion von Bedeutung sind, haben bei anderen wesentlich weniger Einfluss. Zusätzlich schwanken die Risikobewertungen erheblich. Damit lässt sich kein einheitliches Muster erkennen. Auffällig ist, dass im Bereich Finanz- & Rechnungswesen neben der mangelnden Erfahrung mit der ausländischen Erbringung der Faktor Verlust von Prozess-Kompetenz bzw. Know-how als besonders wichtig eingestuft wird. Offensichtlich sind die in diesem Bereich verlagerten Tätigkeiten komplex und der Verlust von Expertise ist für die Unternehmen besonders schmerzhaft. Aus diesem Grund sollten Manager bei der Planung und Umsetzung einer Offshoring-Implementierung des Bereichs Finanz- & Rechnungswesen ganz besonderen Wert auf den Schutz von Know-how legen.

142

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

2,0 / STD: 0,9

Produktentwicklung Finanz- & Rechnungswesen

1,8 / STD: 1,0

Personalwesen

1,8 / STD: 1,2 1,7 / STD: 1,0

IT Callcenter

1,5 / STD: 1,0

Beschaffung

1,5 / STD: 1,2 1,4 / STD: 1,1

Forschung & Entwicklung Kein Einfluss (0)

Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

STD = Standardabweichung

Abb. 110. Durchschnittliche Ausprägung der Risikofaktoren je Funktion (basierend auf den Angaben zu 85 verlagerten Funktionen) 0 Kein Einfluss

4 Starker Einfluss 1,9

Unterschied der Länderkulturen

2,3

Mangelnde Erfahrung mit ausländischer Erbringung

2,3

Fluktuation der Beschäftigten im Offshoring-Land

2,3

Mangelnde Fähigkeit die Erbringung umzusetzen

2,3

Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Erbringung

2,1

2,2

2,0

2,1

Verdeckter Kostenanstieg Beeinträchtigung der Mitarbeitermotivation

1,8

Verlust von Prozess-Kompetenz / Know-how

1,9

Verlust der Prozesskontrolle im Unternehmen

1,8

Mangelnde Servicequalität

2,0 Produktentwicklung (8)

2,6 1,5 2,0

2,1 2,5 2,2 1,7 Finanz- & Rechnungswesen (11)

Abb. 111. Die zehn wichtigsten Risikofaktoren für die Funktionen Produktentwicklung und Finanz- & Rechnungswesen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen)

Was spricht gegen Offshoring?

143

6.2 Nicht erkannte Chancen der Globalisierung Wie bereits erläutert wurde, gibt es neben den Unternehmen, die sich gegen bzw. für Offshoring entschieden haben, eine weitere Gruppe. Das Management dieser Unternehmen hat sich bisher noch gar nicht mit Offshoring auseinandergesetzt. Der Anteil dieser Unternehmensgruppe ist mit 42 Prozent erstaunlich hoch. Dies ist bemerkenswert, da Offshoring sowohl in den Medien diskutiert wird, als auch die Vorteile einer Verlagerung ins Ausland transparent sind. Das Management in diesen Unternehmen muss sich daher selbstkritisch fragen, warum Offshoring nicht als unternehmerische Gestaltungsmöglichkeit wahrgenommen wird und warum eine systematische Auseinandersetzung bisher vermieden wurde. Meist hält die hohe Zufriedenheit mit der inländischen Funktionserbringung die Manager dieser Unternehmen davon ab, über Offshoring nachzudenken (siehe Abbildung 112). Darüber hinaus sind es vor allem die Grundsätze der Unternehmenskultur, die dazu führen, dass über Offshoring nicht entschieden wird. Eine zukünftige Auseinandersetzung mit Offshoring wird durch einen erhöhten Kostendruck durch Wettbewerber angestoßen (siehe Abbildung 113). Auch hier ist der wichtigste Faktor ein. Als zweitwichtigster Faktor folgt die geringere Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung und als dritter Faktor, die gängige Praxis in der Branche. Ähnlich den Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben, ist das Verhalten auch hier eher reaktiv als proaktiv. Nur wenn der Druck von außen größer wird oder die Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung sinkt, sind die Unternehmen bereit, sich mit Offshoring zu beschäftigen. In wieweit stimmen Sie zu, dass diese Faktoren einen Einfluss darauf haben, dass Sie sich bisher nicht mit der möglichen Erbringung von Funktionen im Ausland auseinandergesetzt haben? Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung

2,8 / STD: 0,9

Grundsätze der Unternehmenskultur

2,6 / STD: 1,3

Auslastung durch umfangreiche Projekte

2,5 / STD: 1,3

Keine gängige Praxis der Branche

2,4 / STD: 1,0

Inanspruchnahme des Managements durch das Tagesgeschäft

2,2 / STD: 1,2 1,5 / STD: 1,1

Kostendruck durch Wettbewerber STD = Standardabweichung

Kein Einfluss (0)

Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

Abb. 112. Gründe sich nicht mit Offshoring auseinanderzusetzen (basierend auf den Angaben von 51 Unternehmen)

144

Gründe gegen die Globalisierung von Zentralbereichen

In wieweit stimmen Sie zu, dass die unten genannten Faktoren Sie dazu bewegen würden, sich mit der möglichen Erbringung von Funktionen im Ausland auseinanderzusetzen? Kostendruck durch Wettbewerber

2,8 / STD: 1,0 2,3 / STD: 1,1

Geringe Zufriedenheit mit Erbringung

1,9 / STD: 1,1

Gängige Praxis der Branche

1,8 / STD: 1,1

Geringere Auslastung durch Projekte Geringere Inanspruchnahme des Managements Kein STD = Standardabweichung Einfluss (0)

1,5 / STD: 1,1 Wenig Einfluss

Neutral

Einfluss vorhanden

Starker Einfluss (4)

Abb. 113. Gründe sich in Zukunft mit Offshoring auseinanderzusetzen (basierend auf den Angaben von 51 Unternehmen)

Auch der dritte Faktor, gängige Praxis in der Branche, ist diesen Überlegungen ähnlich. Es ist keine aktive Entscheidung des Unternehmens, sich mit Offshoring auseinanderzusetzen, sondern man folgt allgemeinen Trends der Branche. Das Ergebnis ist, dass das Unternehmensmanagement bereits heute existierende Potenziale für eine weitere Steigerung der Profitabilität nicht wahrnimmt. Ungenutztes Potenzial bei deutschen Unternehmen. Die vorangegangenen Überlegungen haben gezeigt, warum viele Unternehmen heute Offshoring noch nicht wahrnehmen bzw. sich noch nicht dazu entschieden haben. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil beider Unternehmensgruppen in der Zukunft zurückgehen wird. Einerseits wird die steigende Verbreitung von Offshoring dazu führen, dass mehr und mehr Entscheider in der Wirtschaft mit diesem Thema in Berührung kommen (z.B. durch Zulieferer, die ausländische Implementierungen aufbauen). Andererseits führt der steigende Wettbewerbsdruck dazu, dass mehr und mehr Entscheider aktiv nach Lösungen suchen, um ihre Kosten weiter zu reduzieren. Damit kann für die Zukunft ein zusätzliches Potenzial für Offshoring entstehen.

6.3 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Analysen zu den verschiedenen Risikofaktoren sind:

Was spricht gegen Offshoring?

145

1. Manager, die sich für Offshoring entschieden haben, bewerten die potenziellen Risiken niedriger als Manager von Unternehmen, die sich dagegen entschieden haben. Folglich werden Manager bei ihrer Entscheidung zu Gunsten von Offshoring nicht nur durch die potenziellen Vorteile einer Verlagerung motiviert, sondern auch durch das als begrenzt wahrgenommene Risiko. 2. Manager, die sich gegen Offshoring entschieden haben, nennen als Grund für ihre Entscheidung insbesondere die Zufriedenheit mit ihrer derzeitigen Situation. Das bedeutet, dass sich diese Manager nur zum Teil auf Grund der Risiken gegen Offshoring entscheiden. In vielen Fällen sehen Manager keine Notwendigkeit für Veränderungen. Erst bei erhöhtem Wettbewerbsdruck wird diese Einstellung überdacht und die Entscheidung gegebenenfalls revidiert. 3. Bei Managern, die sich für Offshoring entschieden haben, werden die Risiken für verschiedene zu verlagernde Funktionen unterschiedlich wahrgenommen. Das bedeutet, dass eine Risikoabschätzung stets funktionsspezifisch erfolgen sollte. 4. Bei Managern, die sich bisher noch nicht mit Offshoring auseinandergesetzt haben, ist es die hohe Zufriedenheit mit ihrer derzeitigen Erbringung, die eine intensive Betrachtung bislang verhindert hat. Bei diesen Unternehmen würde aber ein erhöhter Wettbewerbsdruck oder eine geringere Zufriedenheit mit der inländischen Erbringung eine entsprechende Auseinandersetzung mit Offshoring auslösen.

7 Planungen für weitere Verlagerungen

Ein Überblick über den aktuellen Stand der ausländischen Funktionserbringung zeigt, dass IT und Callcenter bei den heutigen OffshoringImplementierungen dominieren (siehe Kapitel 4.2.1). Beide sind die „Klassiker“ der Verlagerung von unterstützenden Funktionen. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Bereiche auch in Zukunft dominieren oder ob sie langfristig von anderen Funktionen übertroffen werden. Die im Folgenden gezeigten Wachstumsraten beziehen sich stets auf die 119 untersuchten Unternehmen. Eine Abschätzung des gesamten Offshoring-Wachstums aller deutschen Unternehmen ist nicht möglich. Insbesondere ist das zukünftige Entscheidungsverhalten der Unternehmen, die sich bisher noch mit Offshoring auseinandergesetzt haben, unsicher. Bis Ende 2007 werden zu den bereits existierenden 178 Implementierungen noch einmal weitere 60 neue hinzukommen. Das entspricht einem Wachstum von 34 Prozent. Dieses setzt sich zusammen aus Implementierungen von Unternehmen, die bisher noch keine Offshoring-Aktivitäten besitzen, und aus zusätzlichen Implementierungen von Unternehmen, die bereits Funktionen ins Ausland verlagert haben (siehe Abbildung 114).

13% 34% 21%

Wachstum durch Unternehmen, die noch keine OffshoringImplementierungen besitzen

Wachstum durch Unternehmen, die bereits OffshoringImplementierungen besitzen

Gesamtwachstum durch Unternehmen mit oder ohne Offshoring-Erfahrung

Abb. 114. Erwartetes Wachstum von Offshoring-Implementierungen bei Unternehmen mit und ohne Offshoring-Erfahrung (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

148

Planungen für weitere Verlagerungen

Der größere Teil des Wachstums kommt dabei aus der ersten Gruppe (38 Implementierungen bzw. 21 Prozent). Für Entscheider ist dies ein Indiz, um über mögliche zukünftige Verlagerungen ins Ausland nachzudenken.

7.1 Offshoring-Wachstumsraten der einzelnen Funktionen Die Anzahl der geplanten Neuimplementierungen variiert für die verschiedenen Funktionen stark (siehe Abbildung 115). Das Wachstum reicht von einem Prozent in der Funktion Personalwesen bis zu 10 Prozent in der Funktion Beschaffung. Das Management kann an dieser Stelle zukünftige Trends bei Verlagerungen von Funktionen erkennen. Die IT als „klassische“ Offshoring-Funktion dominiert seit Jahren die Offshoring-Aktivitäten und ist auch heute noch die am häufigsten verlagerte Funktion (37 Prozent aller Offshoring-Implementierungen). Für die Zukunft wird aber nur ein Wachstum von 4 Prozent erwartet. Das bedeutet, dass zu den existierenden Implementierungen 8 neue im Bereich IT hinzukommen werden. Das Wachstum basiert im Wesentlichen auf der gleichmäßigen Weiterentwicklung im Bereich der Standardisierung.

3% Neue Implementierungen 34% Personalwesen 2%

+1% +2% +8%

10% 17%

Produktentwicklung Finanz- & Rechnungswesen

8% 9%

Beschaffung

12%

Forschung & Entwicklung

16%

Callcenter

16%

IT

37%

+4%

42%

Heutige Implementierungen

Erwartetes Wachstum

Zukünftig Implementierungen

22%

+10% +3% +5%

19%

21%

Abb. 115. Wachstum von Offshoring-Implementierungen je Funktion (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

149

Durch diese Standardisierung werden langsam mehr und mehr Tätigkeiten für Offshoring interessant. Ein größerer Wachstumsschub wird aber für die nächsten Jahre nicht erwartet. Alle arbeitsintensiven Bereiche sind bereits im Fokus von Offshoring oder sind prinzipbedingt nicht verlagerbar. Selbst höherwertige Tätigkeiten, wie die Planung von IT-Systemen, werden teilweise bereits von ausländischen Dienstleistern übernommen. Diese haben vor Ort beim Kunden lokale Dependancen eröffnet, um in dieser abstimmungsintensiven Planungsphase direkt mit dem Kunden zusammenzuarbeiten. Beispielsweise hat der indische Offshoring-Betreiber Infosys angekündigt, eine Zweigniederlassung in der tschechischen Republik zu eröffnen (siehe auch Kapitel 4.2.2). Aus diesen Gründen ist das prognostizierte Wachstum in der Funktion IT mit 4 Prozent relativ gering. Eine ähnliche Situation ist im Bereich Callcenter gegeben. Auch dort ist das Wachstum beschränkt (5 Prozent), da viele Tätigkeiten, die verlagerbar sind, bereits in der Vergangenheit transferiert wurden. Manager, die ihre Funktionen IT und Callcenter derzeit noch nicht verlagert haben, sollten nochmals kritisch über eine Verlagerungsmöglichkeit nachdenken. In der Funktion Forschung & Entwicklung beträgt das Wachstum 3 Prozent. Der Bereich ist wissensbasiert und nicht so stark durch Prozessroutinen geprägt. Diese Tätigkeiten werden häufig nicht in Billiglohnländer verlagert, sondern nach Westeuropa oder Nord- & Mittelamerika, wo entsprechende Experten vorhanden sind. Gleichzeitig sind die Anforderungen an Mitarbeiter relativ hoch. Die Zahl der verfügbaren Mitarbeiter mit einem entsprechenden Know-how ist begrenzt und damit auch das Wachstum von Offshoring im Bereich Forschung & Entwicklung. Langfristig ist nur ein größeres Wachstum möglich, wenn es Indien und andere Offshoring-Länder schaffen, ihre Bildungssysteme noch weiter auszubauen. Mit der steigenden Anzahl von qualifizierten Hochschulabgängern wird auch der Ressourcenengpass langsam zurückgehen. Damit wären langfristig höhere Wachstumsraten im Bereich Forschung & Entwicklung denkbar. Unternehmen, die sich bisher auf Grund von Ressourcenengpässen gegen eine Verlagerung von Forschungs- & Entwicklungstätigkeiten entschieden haben, sollten daher in den nächsten Jahren ihre Entscheidung regelmäßig überprüfen. Eine ganz andere Situation ergibt sich bei der Funktion Beschaffung. Dort ist die Wachstumsrate 10 Prozent. Somit ist die Funktion Beschaffung für fast ein Drittel des Gesamtwachstums verantwortlich. Dieses hohe Wachstum ist auf die bereits in Kapitel 4.2.1 erläuterte Sondersituation in diesem Bereich zurückzuführen. Das Unternehmensmanagement will nicht nur die Erbringungskosten reduzieren, sondern für die Beschaffung in den jeweiligen Ländern vor Ort präsent sein. Analysiert man die OffshoringPläne im Detail, so sieht man, dass die Unternehmen den Bereich Beschaf-

150

Planungen für weitere Verlagerungen

fung typischerweise in mehrere Länder gleichzeitig verlagern. Bei den neu geplanten Verlagerungsaktivitäten wird die Funktion im Durchschnitt in 1,8 Länder verlagert. Die Unternehmen eröffnen nicht nur eine zentrale Einheit in einem Offshoring-Land, sondern mehrere in verschiedenen Ländern. Bei den übrigen Funktionen ist diese Zahl mit 1,1 Ländern wesentlich niedriger. Interessant sind die Auswirkungen auf die Wachstumszahlen. Dadurch, dass die Unternehmen in mehreren Ländern parallel eine Offshoring-Einheit aufbauen, ist im Bereich Beschaffung das Wachstum überproportional hoch. Eine ähnlich hohe Wachstumsrate wird im Bereich des Finanz- & Rechnungswesen erwartet (8 Prozent). Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer der wichtigsten ist die Globalisierung der Unternehmen. Durch die Globalisierung sind die Unternehmen gezwungen, ihr Finanz- & Rechnungswesen zu standardisieren und zu zentralisieren. Dahinter stehen einerseits pragmatische Überlegungen zur Steuerung von internationalen Unternehmen und andererseits auch gesetzliche Anforderungen. Vorschriften zur Rechnungslegung (z.B. IFRS, International Financial Reporting Standards) und spezifische Gesetze (z.B. Sarbanes-Oxley Act) zwingen die Unternehmen, international einheitliche Finanzinformationen zur Verfügung zu stellen. Das wird am einfachsten dadurch erreicht, dass alle verschiedenen Landesgesellschaften von der gleichen zentralisierten Einheit bedient werden. Somit trägt die Globalisierung dazu bei, dass die Unternehmen ihr Finanz- & Rechnungswesen zentralisieren und dann aus Kostengründen im Ausland erbringen. Zusätzlich zu diesen sachlogischen Zwängen existieren aber auch viele einfache Tätigkeiten, die für eine Verlagerung ins Ausland sehr gut geeignet sind, aber bisher häufig noch nicht angegangen wurden. Das sind beispielsweise das Forderungsmanagement, das Rechnungsmanagement, Beteiligungsmanagement und die Anlagenverwaltung. Meist stehen dahinter einfache administrative Tätigkeiten, die wenig Komplexität beinhalten, aber auch nur sehr eingeschränkt automatisiert werden können. So können beispielsweise ausstehende Forderungen meist durch ein kurzes Telefonat eines Sachbearbeiters geklärt werden, automatisch versendete Emails dagegen würden häufig ignoriert werden. Durch die geringen Lohnkosten können diese Tätigkeiten in den Billiglohnländern zu wesentlich günstigeren Kosten durchgeführt werden. Damit ist ersichtlich, dass sich der Bereich Finanz- & Rechnungswesen noch in der Anfangsphase befindet und in den nächsten Jahren sehr stark wachsen wird. Entscheider sollten sich daher diesen Bereich in Zukunft genau ansehen und bzgl. Verlagerungsmöglichkeiten überprüfen. In den Bereichen Produktentwicklung und Personalwesen ist das Wachstum relativ begrenzt (2 bzw. 1 Prozent). Beide haben derzeit eine

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

151

geringe Bedeutung (8 bzw. 2 Prozent). Aus diesem Grund sind die relativ geringen Wachstumsraten verständlich. Abbildung 116 zeigt einen internationalen Pharmakonzern, der für 2007 drei Verlagerungen nach Westeuropa und Indien plant. Obwohl das Unternehmen noch keine Erfahrung im Offshoring besitzt, hat es sich entschieden zwei Funktionen gleichzeitig zu verlagern. Veränderung der Aufteilung entlang der Funktionen in den nächsten Jahren. Nachdem das erwartete Wachstum in den verschiedenen unterstützenden Funktionen diskutiert wurde, bleibt die Frage, wie sich die Gewichtung zwischen den Funktionen verschieben wird. Vorgehen bei der Verlagerung

Finanz- & Rechnungsw. Irland, 2007

Internationaler Pharmakonzern Umsatz: 1,8 Mrd. EUR Mitarbeiteranzahl: 5.200

IT Indien, 2007

Finanz- & Rechnungsw. Indien, 2007

Das Beispielunternehmen ist bereits heute mit seiner Produktion als auch seinem Vertrieb international tätig. Bisher hat es aber noch keine Erfahrung mit der Verlagerung von Zentralfunktionen. Interessant ist daher, dass es dennoch die gleichzeitige Verlagerung von zwei Funktionen (IT und Finanz- & Rechnungswesen) in die Länder Indien und Irland plant. Hauptmotivation für die Verlagerungen sind die Kostensenkungspotenziale und die Aussicht auf mehr Flexibilität. Bei der Länderwahl gaben einerseits die niedrigen Betriebskosten den Ausschlag für Indien und andererseits die gute Infrastruktur bzw. die politische Stabilität für Irland. Die Funktion Finanz- und Rechungswesen wird heute in Deutschland in einem Shared Service Center erbracht. Das Management wird im Zuge der Verlagerung eine Veränderung im Erbringungsmodus vornehmen. Durch die zukünftige externe Erbringungsform, in den Offshoring-Regionen Irland und Indien, erwartet sch das Unternehmen zusätzliche Einsparungen und erhöhte Flexibilität bei der Leistungserbringung. Auch bei der unterstützenden Funktion IT hat sich das Unternehmensmanagement zu diesem Schritt entschieden. Jedoch hat es hier eine größere Herausforderung zu bewältigen. Die Funktion IT wird momentan in Deutschland dezentral erbracht. Somit müssen Prozesse für eine zentralisierte oder externe Erbringung erst im Unternehmen etabliert werden.

Abb. 116. Geplante Implementierungen eines internationalen Pharmakonzerns

152

Planungen für weitere Verlagerungen

IT und Forschung & Entwicklung verlieren auf Grund ihres unterdurchschnittlichen Wachstums an Bedeutung (siehe Abbildung 117). Die IT wird zwar mit einem Anteil von 31 Prozent die stärkste Funktion bleiben, verliert aber 6 Prozent. Bei Forschung & Entwicklung ist der Rückgang mit zwei Prozent nicht so stark ausgeprägt. Interessanter sind die Auswirkungen bei Finanz- & Rechnungswesen bzw. Beschaffung. Das Finanz- & Rechnungswesen steigt von 9 Prozent auf 13 Prozent und die Beschaffung von 12 Prozent auf 16 Prozent. Damit erreicht der Bereich Beschaffung einen gleich großen Anteil wie die Funktion Callcenter. Die Gründe für den Bedeutungsrückgang der Funktionen Callcenter sind vielfältig. Während beispielsweise Unternehmen aus Nord- & Mittelamerika oder Großbritannien mit Indien eine große Quelle an englischsprachigen Mitarbeitern für Callcenter besitzen, sind entsprechende deutschsprachige Ressourcen selbst in Osteuropa beschränkt. Damit erfolgten nach einer ersten Boom-Phase sehr schnell die Ernüchterung und die Einsicht, dass für deutsche Unternehmen die Möglichkeiten Callcenter-Verlagerungen nur begrenzt sind. Einige Unternehmen mussten auf Grund von Qualitätsproblemen die Callcenter teilweise wieder nach Deutschland zurückverlagern (Ascari et al., 2005). Personalwesen

2%

0%

2%

Produktentwicklung

8%

0%

8%

Finanz- & Rechnungswesen

9%

4%

13%

Beschaffung

12%

Forschung & Entwicklung

16%

Callcenter

IT

16%

37%

Bereits implementierte Funktionen

4%

16%

-2%

14%

0% 16%

16%

-6%

31%

Bereits implementierte und zukünftig geplante Funktionen

Abb. 117. Heutige und zukünftige Aufteilung der Offshoring-Aktivitäten entlang der verschiedenen Funktionen (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Für das Personalwesen und die Produktentwicklung bleiben die Anteile unverändert. Beide haben mit 2 Prozent bzw. 8 Prozent weiterhin nur einen kleinen Anteil am gesamten Offshoring-Volumen.

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

153

7.2 Offshoring-Wachstumsraten der einzelnen Regionen Neben der Frage, welche Funktionen für das Wachstum in den nächsten Jahren entscheidend sind, ist für das Management insbesondere von Interesse, wohin diese Funktionen zukünftig verlagert werden. Das Wachstum wird vor allem bestimmt durch die Regionen Asien und Osteuropa (siehe Abbildung 118). In Asien werden zu den existierenden Implementierungen 21 neue und in Osteuropa 22 neue hinzukommen. Aus der Perspektive deutscher Unternehmen ist insbesondere das Wachstum in der Nearshore-Region Osteuropa verständlich. Für deutsche Unternehmen bietet Osteuropa auf Grund von räumlicher, sprachlicher und kultureller Nähe entscheidende Vorteile. Die geringe geographische Distanz vereinfacht beispielsweise die Anreise der Manager, wenn eine Abstimmung vor Ort notwendig ist. Die sprachliche Nähe ermöglicht es, mit den deutschsprachigen Mitarbeitern vor Ort Callcenter zu betreiben. Die kulturelle Nähe stellt sicher, dass die Zusammenarbeit mit der ausländischen Einheit verlässlich und mit hoher Qualität funktioniert. Das alles zusammen erklärt die Beliebtheit Osteuropas bei deutschen Managern (siehe auch Beyerle, 2006). 5% Neue Implementierungen 34% Andere 3% Nord- & Mittelamerika

+2%

14%

+2% 32%

12% +6%

Westeuropa

26% 38% +12%

Osteuropa

26%

Asien

33%

Heutige Implementierungen

+12%

Erwartetes Wachstum

45%

Zukünftige Implementierungen

Abb. 118. Wachstum von Offshoring-Implementierungen in den verschiedenen Offshoring-Regionen (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen

154

Planungen für weitere Verlagerungen

Innerhalb von Osteuropa sind es erwartungsgemäß die Länder Tschechien und Polen, die das Offshoring-Wachstum dominieren. Beide Länder haben direkte Grenzen zu Deutschland und besitzen auf Grund dieser räumlichen Nähe einen unmittelbaren Vorteil. Das drittwichtigste Land in Osteuropa ist Litauen. In den führenden Wirtschaftsnationen sind die Wachstumsraten sowohl für Westeuropa als auch Nord- & Mittelamerika mit 6 Prozent bzw. 2 Prozent signifikant geringer als für Asien und Osteuropa. Dies ist konsistent mit den vorangegangen Erläuterungen über die Wachstumsraten der verschiedenen Funktionen und der in Kapitel 5.2.2 dargestellten aktuellen Situation. Unter der Annahme, dass insbesondere der Bereich Forschung & Entwicklung nach Westeuropa bzw. Nord- & Mittelamerika verlagert wird, ist verständlich, dass sich die niedrigen Wachstumsraten in dieser Funktion (3 Prozent) auch in den niedrigen Wachstumsraten dieser beiden Regionen widerspiegeln. Innerhalb von Westeuropa wird das größte Wachstum für die beiden Länder Irland und Spanien erwartet, in Nord- & Mittelamerika für die USA. Für Manager, die die Funktion Forschung & Entwicklung verlagern möchten, sollten die jeweiligen Vorteile von Hochund Niedriglohnländer in Betracht ziehen. Das Wachstum von 12 Prozent in Asien wird insbesondere von Unternehmen der Größenklasse II gefördert. In Osteuropa sind es Unternehmen der Größenklasse III (siehe Abbildung 119). Die Unternehmen der Größenklasse I spielen in beiden Regionen nur eine untergeordnete Rolle. Betrachtet man die Auswirkungen des Wachstums (siehe Abbildung 120), so sieht man, dass Asien auch in Zukunft mit etwa einem Drittel (34 Prozent) aller Offshoring-Implementierungen nach wie vor die wichtigste Offshoring-Region bleibt. Wachstum in der Farshore-Region Asien

Wachstum in Nearshore-Region Osteuropa

3% 7% 12%

12%

8% 4% 1%

Größenklasse I

1%

Größenklasse II

Größenklasse III

Alle Unternehmen

Größenklasse I

Größenklasse II

Größenklasse III

Alle Unternehmen

Abb. 119. Wachstum von Offshoring-Implementierungen in den Regionen Osteuropa und Asien in Abhängigkeit der Unternehmensgröße (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

155

Als zweitwichtigste kann sich Osteuropa weiter etablieren. Dessen Anteil wächst von 26 Prozent auf 29 Prozent. Im Gegensatz dazu verliert Westeuropa an Stellenwert und sinkt von 26 Prozent auf 23 Prozent. Die anderen Regionen behalten in etwa ihren Anteil am Offshoring-Volumen bei. Entscheider sollten vermehrt über die Alternative Osteuropa gegenüber Westeuropa nachdenken. Bedeutung der Wachstumsraten für die führenden Wirtschaftsnationen. Auch wenn es weiterhin etliche Verlagerungen nach Westeuropa bzw. Nord- und Mittelamerika gibt, ist hier das Wachstum nur unterdurchschnittlich. Die Führungskräfte deutscher Unternehmen bevorzugen das Offshoring in die Niedriglohnländer. Auch die Expertise und das besondere Know-how in den führenden Wirtschaftsnationen können nicht verhindern, dass die Mehrzahl der Funktionen aus Kostenvorteilen in die günstigen asiatischen und osteuropäischen Länder verlagert wird. Vor allem die schnelle Weiterentwicklung der Bildungssysteme in diesen Ländern und die Schaffung von entsprechenden Infrastrukturen ermöglicht es ihnen, immer mehr Verlagerungen an sich zu ziehen. Auf Unternehmensseite müssen aber einige Voraussetzungen geschaffen werden, um dieses Wachstum zu realisieren. Beispielsweise muss sich das Management neue Fähigkeiten für die Interaktion und Steuerung von Mitarbeitern in diesen Regionen aneignen. Zusätzlich sind das Verständnis und der Umgang mit anderen Kulturen ein entscheidendes Erfolgskriterium. Andere Länder

3%

Nord- & Mittelamerika

12%

Westeuropa

26%

Osteuropa

26%

Asien

33%

Heutige Verteilung

1%

4%

-2%

10%

-3%

23%

3%

29%

1%

34%

Zukünftige Verteilung

Abb. 120. Heutige und zukünftige Aufteilung der Offshoring-Aktivitäten entlang der verschiedenen Regionen (basierend auf den Angaben zu 178 Offshoring-Implementierungen)

156

Planungen für weitere Verlagerungen

7.3 Trend zu einer externen Leistungserbringung Ähnlich der Wahl des Offshoring-Standorts verschieben sich die Präferenzen des Unternehmensmanagements auch bei der Wahl des Erbringungsmodus. Während in der Vergangenheit die interne Erbringung klar dominiert hat, wächst seit 2001 der Anteil der externen Erbringung kontinuierlich (siehe Abbildung 121). Für das Management können somit weitere Potenziale hinsichtlich Flexibilität, Know-how und Kosten erschlossen werden. In den Jahren bis 2001 war der Anteil der externen Erbringung relativ begrenzt und ist im Schnitt jährlich um 0,2 Prozent gewachsen. Seit etwa 2001 zeigt sich aber ein klarer Wachstumstrend. Jährlich ist der Anteil der externen Erbringung im Mittel um 3,5 Prozent gestiegen und hat bis heute 25 Prozent erreicht. Für 2007 wird ein weiterer Anstieg auf etwa 28 Prozent erwartet. Die Gründe für dieses Wachstum sind vielfältig: x Anstieg der generellen Verfügbarkeit von Service Providern. Wie bereits in Kapitel 1.2 erläutert wurde, begannen die ersten US-amerikanischen Unternehmen in den achtziger Jahren und die ersten deutschen Unternehmen Anfang der neunziger Jahre, unterstützende Funktionen ins Ausland zu verlagern. In diesen Anfangsjahren existierten nahezu keine externen Dienstleister, die die entsprechenden Leistungen hätten erbringen können. Die Manager der Unternehmen mussten daher eigene Implementierungen aufbauen. 30% Seit 2001 durchschnittlicher jährlicher Zuwachs 3,5%

25% 20% 15%

Bis 2001 durchschnittlicher jährlicher Zuwachs 0,2%

10% Anteil der externen Erbringung

5% 0% 1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Abb. 121. Steigender Anteil der externen Erbringung bei Offshoring Implementierungen (basierend auf den Angaben zu 157 Offshoring-Implementierungen)

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

157

Erst im Laufe der Zeit haben sich externe Dienstleister entwickelt, so dass heute die Möglichkeit besteht, aus einer großen Anzahl von potenziellen Anbietern zu wählen. x Erweiterung des Spektrums der angebotenen Dienstleistungen. Parallel zur steigenden Verfügbarkeit, haben die Service Provider das Portfolio an angebotenen Dienstleistungen kontinuierlich ausgebaut. Während in den Anfangsjahren nur einzelne, sehr einfache Tätigkeiten angeboten wurden, erstreckt sich heute das Serviceangebot auf ein sehr großes Spektrum. Damit kann das Unternehmensmanagement viel mehr Tätigkeiten an Service Provider vergeben. Insbesondere können heute auch höherwertige Tätigkeiten, wie beispielsweise Marktanalysen, von Dienstleistern erbracht werden. x Allgemeine Professionalisierung der Service Provider. Zusätzlich haben die Service Provider die letzten Jahre genutzt, um kontinuierlich ihre Qualität zu steigern. Dies erreichten sie unter anderem durch entsprechende Zertifizierungen wie beispielsweise CMM (Capability Maturity Model), ISO 9000 (Grundsätze für das Qualitätsmanagement in Unternehmen) oder Six Sigma (Methode des Qualitätsmanagements). Damit ist auch das Vertrauen der Entscheider in die Service Provider gestiegen und mehr Unternehmen sind bereit, deren Angebote zu nutzen. x Standardisierung der Dienstleistungen. Als weitere Komponente erleichtert die in Kapitel 2.1 diskutierte Standardisierung von Prozessen die externe Erbringung. Durch die Standardisierung ist es für externe Anbieter mit einem wesentlich geringeren Aufwand möglich, die Dienstleistungen zu erbringen. Die Service Provider können ihre Infrastruktur, ihre Expertise und ihre Ressourcen gleichzeitig für mehrere Kunden nutzen. Damit ergeben sich signifikante Kostenvorteile durch Skaleneffekte. Diese werden zumindest teilweise von den externen Anbietern an die Kunden weitergegeben, was die Attraktivität einer externen Erbringung steigert. In Summe sollten die Unternehmen bei einer Verlagerung stets eine interne als auch externe Erbringung in Betracht ziehen. Ein kategorisches Ausschließen der externen Erbringung, wie es in den Anfangsjahren des Offshorings erfolgte, ist heute nicht mehr zeitgemäß.

158

Planungen für weitere Verlagerungen

7.4 Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten Nach der Diskussion der zukünftigen Offshoring-Implementierungen stellt sich die Frage, welche Veränderungen für die bereits im Ausland existierenden Implementierungen geplant sind. Für 45 Prozent der Implementierungen planen die Entscheider eine Ausweitung der Funktionserbringung (siehe Abbildung 122). Eine Ausweitung bedeutet in diesem Fall, den Umfang der Leistungserbringung zu erhöhen. Ob der Start einer vollständig neuen Einheit oder die Ausweitung einer existierenden Einheit besser geeignet ist, hängt von der jeweiligen unternehmensindividuellen Situation ab. Für weitere 5 Prozent der Implementierungen plant das Management eine Rückverlagerung nach Deutschland. Mögliche Gründe sind einerseits veränderte Rahmenbedingungen, die nun eine Erbringung in Deutschland erfordern oder zumindest begünstigen, oder andererseits ein Scheitern der Verlagerung. Eine Rückverlagerung ist meist mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Die im Ausland getätigten Investitionen müssen zumindest teilweise abgeschrieben werden. Zusätzlich müssen im Offshoring-Land Mitarbeiter gekündigt und im Heimatland neue Mitarbeiter angeworben werden. Des Weiteren wird der laufende Betrieb signifikant gestört und es bedarf einiger Anstrengungen, den Ablauf auf das ursprüngliche Qualitätsniveau zu bringen. Aus diesem Grund muss ein solcher Schritt gut überlegt sein. Trotz der genannten potenziellen Komplikationen im Zuge einer Rückverlagerung ist dieses Vorgehen für Unternehmen immer wieder erforderlich. Manager verschiedenster internationaler Unternehmen haben in den letzten Jahren Offshoring-Aktivität beendet (siehe Abbildung 123).

Ausweitung der bestehenden Offshoring-Implementierung

Rückverlagerung der ausländischen Offshoring-Implementierung nach Deutschland

45%

5%

Abb. 122. Geplante Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Implementierungen (basierend auf den Angaben zu 154 Offshoring-Implementierungen)

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

159

Unternehmen

Maßnahme

Entstandene Probleme

DVB-Bank Frankfurt

Rückholung des Rechenzentrums

Mangelnde Anpassung Kundenanforderungen

GE Money Bank

Rückverlagerung des Callcenters von Polen nach Hannover

Unterschiedliches Dienstleistungsverständnis

Powergen (E.ONKonzern)

Rückverlagerung des Callcenters von Indien nach Großbritannien

Lange Wartezeiten und qualitative schlechte Antworten durch indische Agents

Dell

Rückverlagerung des Callcenters von Bangalore in die USA

Probleme innerhalb des indischen IT-Dienstleistungspartners mit der unerwarteten hohen Anzahl von Anrufen

Lehmann Brothers (US-Finanzdienstleister)

Kündigung des Offshoring-Vertrags mit dem indischen Partner

Mangelhafte Leistungen innerhalb der IT-Helpdesk

Capital One (USFinanzdienstleister)

Auflösung der indischen Callcenteraktivitäten

Eigenmächtige Handlungen der Callcenter-Agents (Kontrollverlust)

an

die

Abb. 123. Internationale Beispiele von Rückverlagerungen und Auflösungen von Offshoring-Aktivitäten (Brignall, 2006; Lixenfeld, 2005; www.softwarekompetenz.de, 2007)

Des Weiteren gibt es noch eine Vielzahl von anderen Gründen für das Scheitern einer Verlagerung. Hierzu gehören als wichtigste: x Unzureichende Vorbereitung der Verlagerung. Einer der am häufigsten genannten Gründe für das Scheitern ist eine unzureichende Vorbereitung der Verlagerung durch das Unternehmensmanagement. Unabhängig von der Wahl der Erbringungsform ist eine Verlagerung eine einschneidende, organisatorische Veränderung. Diese muss sehr gut überlegt sein und präzise geplant werden. Die Vorbereitung ist für den gesamten Erfolg entscheidend. Die Verlagerung muss in einem eigenständigen Projekt organisiert werden und kann nicht Teil des Tagesgeschäfts sein. Sie benötigt die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des verantwortlichen Managements und ausreichende, eigens für dieses Thema bereitgestellte Ressourcen. Zur Planung der Verlagerung gehört unter anderem eine genaue Erfassung und Dokumentation der zu verlagernden Prozesse, die Definition der Schnittstellen, eine dedizierte Ressourcenplanung, die Festlegung von Qualitätsstandards und die Einrichtung eines Notfallplans. In der schwierigen Anfangszeit ist außerdem sicherzustellen, dass erfahrene Experten vor Ort sind und genügend Extrakapazitäten bereit stehen. Beispielsweise wird empfohlen 20 Prozent des ehemaligen Teams im Inland am Offshoring-Standort vorzuhalten (Booz Allen Hamilton, 2003), um auf unerwartete Probleme entsprechend reagieren zu können.

160

Planungen für weitere Verlagerungen

x Falsche Wahl der Funktion, des Erbringungsmodus oder des Offshoring-Standorts. Auch wenn Offshoring-Anbieter oder Beratungsunternehmen gerne anderes behaupten, ist nicht jeder Prozess für eine Verlagerung geeignet. Oft ist die Situation gegeben, dass die Verlagerung eines bestimmten Prozesses für ein Unternehmen nicht sinnvoll ist, obwohl es in einem anderen Unternehmen möglich wäre. Insbesondere sind Tätigkeiten, die einen relativ hohen Grad an personeller Interaktion erfordern oder bei denen sich häufig Änderungen im Ablaufplan ergeben, weniger für eine Verlagerung geeignet. Die Manager eines Unternehmens müssen daher sehr genau prüfen, welche Funktion an welchem Standort mit welchem Erbringungsmodus erbracht werden kann. Es gilt zwischen den möglichen Einsparpotenzialen und den damit verbundenen Risiken abzuwägen. x Nicht genügend finanzielle Reserven. Eine Verlagerung ist immer mit einem signifikanten finanziellen Aufwand verbunden. Daher ist eine realitätsnahe Wirtschaftlichkeitsrechnung besonders wichtig. Der BreakEven-Punkt wird bei vielen Verlagerungen erst nach zwei Jahren erreicht (Booz Allen Hamilton, 2003). Gleichzeitig kommen oft noch Extrakosten hinzu, die nur schwer abschätzbar sind, und daher kaum in einer Wirtschaftlichkeitsrechnung abgebildet werden können. Dies sind beispielsweise die Kosten für gerichtliche Auseinandersetzungen mit Arbeitnehmern oder für Imagekampagnen. Die Manager müssen sicherstellen, dass genügend finanzielle Reserven zur Verfügung stehen. x Unzureichende Steuerung der ausländischen Einheit. Ist der Start der ausländischen Einheit geglückt, so warten bereits die nächsten Herausforderungen. Insbesondere bei einer externen Erbringung muss auf die Zusammenarbeit mit dem Leistungserbringer ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Eigens eingerichtete Steuerungsgremien stellen sicher, dass auch notwendige Prozessänderungen zügig umgesetzt werden und bei Problemen ein Eskalationsmechanismus greift.

7.5 Veränderungen bei der inländischen Erbringung Neben den Veränderungen bei den verlagerten Einheiten ist natürlich auch von Interesse, welche Veränderungen bei der in Deutschland verbliebenen heimischen Erbringung geplant sind. Wie die vorangegangenen Analysen bereits gezeigt haben, sind Manager, die sich bisher gegen Offshoring entschieden oder sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, größtenteils mit ihrer derzeitigen Erbringung zufrieden (siehe Kapitel 6.1). Diese planen daher nur für 19 Prozent

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

161

ihrer in Deutschland erbrachten Funktionen eine Veränderung (siehe Abbildung 124). Im Gegensatz dazu sind es bei den Unternehmen mit Offshoring-Aktivitäten 31 Prozent. Hier nutzt das Management die Verlagerung der Leistungserbringung ins Ausland auch für eine Veränderung der heimischen Erbringungsform. Dies ist eine interessante Möglichkeit, um notwendige Organisationsänderungen umzusetzen und diese mit der Verlagerung ins Ausland zu rechtfertigen. Unternehmen mit Offshoring-Erfahrung und deren Veränderungen bei der inländischen Erbringung. Bei den Funktionen, für die Veränderungen geplant sind, dominiert mit 66 Prozent die Transformation von einer dezentralen internen Erbringung zu einem SSC (siehe Abbildung 125). Danach folgen mit 18 Prozent der Wechsel zu einem externen Dienstleister und mit 10 Prozent die Auslagerung von einem SSC zu einem externen Dienstleister. Die Gründe, warum Entscheider Veränderungen durchführen, sind vielfältig. Wie bereits in Kapitel 3.3 erläutert wurde, erleichtert eine zentralisierte Erbringung eine Verlagerung ins Ausland. Einerseits können die drei genannten Veränderungen ein Indiz für weitere, in der Zukunft anstehende Verlagerungen ins Ausland sein. Andererseits ist es aber auch denkbar, dass eine weitere Ausdehnung der Funktionserbringung ins Ausland nicht möglich ist. Daher wird eine möglichst stark zentralisierte inländische Struktur angestrebt, um zumindest in einem beschränkten Maß Skaleneffekte zu realisieren. Hervorzuheben ist auch, dass die Manager keine Rückintegration eines externen Dienstleisters ins Unternehmen planen.

Unternehmen mit OffshoringImplementierungen (216)

Unternehmen, gegen Offshoring entschieden bzw. noch nicht damit auseinander gesetzt (447)

31%

19%

Abb. 124. Anteil der in Deutschland erbrachten Funktionen, bei denen Veränderungen geplant sind (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Funktionen in Deutschland)

162

Planungen für weitere Verlagerungen

Von einer dezentralen internen Erbringung hin zu einem Shared Services Center

66%

Von einer dezentralen internen Erbringung hin zu einer externen Erbringung

18%

Von einem Shared Services Center hin zu einer externen Erbringung Von einem Shared Services Center hin zur einer dezentralen internen Erbringung

10%

6%

Von einer externen Erbringung hin 0% zu einem Shared Services Center Von einer externen Erbringung hin zu 0% einer dezentralen internen Erbringung

Abb. 125. Geplante Veränderungen der inländischen Funktionserbringung bei Unternehmen mit Offshoring-Erfahrung (basierend auf den Angaben zu 67 Funktionen in Deutschland)

Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden bzw. sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Entscheider planen für nur 19 Prozent der in Deutschland erbrachten Funktionen eine Veränderung (siehe Abbildung 124). Immerhin dominiert auch hier der Übergang von der dezentralen Erbringung zu einem SSC mit 48 Prozent (siehe Abbildung 126), gefolgt von der Auslagerung von SSC an externe Dienstleister (25 Prozent). Für weitere 5 Prozent der Funktionen ist eine direkte Auslagerung der dezentralen Erbringung an einen externen Dienstleister (ohne Zwischenschritt SSC) geplant. Daneben sollen auch einige SSC wieder aufgelöst werden und in Zukunft die Funktionen dezentral erbracht werden (17 Prozent). Besonders interessant ist, dass in einigen Fällen eine Reintegration einer bisher externen Einheit zu einem SSC geplant ist (5 Prozent). Solche Schritte können ein Indiz dafür sein, dass die vorangegangene Auslagerung bzw. Zentralisierung nicht erfolgreich war und nun zurückgenommen werden muss. Dass ein solcher Vorgang sehr aufwendig ist, wurde bereits erläutert (siehe Kapitel 7.4). Interessant ist aber, dass durch ein gegebenenfalls zu Grunde liegendes Scheitern eine grundsätzliche Ablehnung gegen die Themen Zentralisierung, Offshoring oder Outsourcing entstanden ist. Dies könnte erklären, warum das Unternehmensmanagement bezüglich weiterer Veränderungen sehr zurückhaltend agiert.

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

Von einer dezentralen internen Erbringung hin zu einem Shared Services Center Von einer dezentralen internen Erbringung hin zu einer externen Erbringung

48%

5%

Von einem Shared Services Center hin zu einer externen Erbringung

25%

Von einem Shared Services Center hin zur einer dezentralen internen Erbringung Von einer externen Erbringung hin zu einem Shared Services Center

163

17%

5%

Von einer externen Erbringung hin zu 0% einer dezentralen internen Erbringung

Abb. 126. Geplante Veränderungen bei der inländischen Funktionserbringung von Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben bzw. sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben (basierend auf den Angaben zu 86 Funktionen in Deutschland)

Zukünftige Trends im Offshoring. Aus den gewonnenen Daten und den durchgeführten Analysen lassen sich einige zukünftige Trends im Bereich Offshoring ableiten. Wie sowohl die Zeitreihenanalysen (siehe Kapitel 4.1) andeuten als auch die vorgestellten Wachstumsraten (siehe Kapitel 7.2) bestätigen, werden in den nächsten Jahren die Entscheidungen des Managements für Verlagerungen in allen Funktionen weiter zunehmen. Die fortschreitende Standardisierung ermöglicht es, mehr und mehr Tätigkeiten ins Ausland zu verlagern. In einigen Bereichen, wie beispielsweise bei der Gehaltsabrechnung, sind die Tätigkeiten bereits „Standardware“ geworden. Damit sind Verlagerungen mit begrenztem Aufwand möglich. Gleichzeitig wird der Wechsel zwischen verschiedenen externen Dienstleistern erleichtert. Somit können Manager den Anbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis auswählen. Bereits heute lässt sich daher beobachten, dass die Vertragsdauern bei Outsourcing-Kontrakten von sieben auf vier bis fünf Jahre sinken (Computerwoche, 2005b). Je mehr das Thema Offshoring für deutsche und allgemeiner für westeuropäische Unternehmen an Bedeutung gewinnt, desto mehr ausländische Einheiten können von Osteuropa gewonnen werden. Leider haben die neuen EU-Staaten durch die EU-Richtlinien mit signifikanten Auflagen zu

164

Planungen für weitere Verlagerungen

kämpfen und können daher bei weitem nicht die Kostenvorteile wie die asiatischen Staaten bieten. Es ist daher absehbar, dass einige Manager die etablierten Länder Polen und Tschechien hinter sich lassen und noch weiter Richtung Osten ziehen werden. Beispielsweise könnten Staaten wie die Ukraine und Rumänien von dieser Entwicklung profitieren und die neuen Stars in Osteuropa werden. Aber auch asiatische Länder werden mit ihren bereits sehr gut entwickelten Offshoring-Zentren auch in Zukunft eine signifikante Rolle spielen. Insbesondere Indien wird sich im Bereich der höherwertigen Tätigkeiten noch stärker etablieren. So hat es Wolfgang Hoehn, der ehemalige Managing Director von Atena India Pvt. Ltd., passend formuliert. „Während China zur verlängerten Werkbank der Welt wird, etabliert sich Indien als Entwicklungszentrum“ (Neumann et al., 2006). Gleichzeitig nehmen die indischen Anbieter die neue Konkurrenz aus Osteuropa wahr und versuchen nun durch den Aufbau von eigenen Zweigstellen in Europa, mehr Nähe zu den Kunden aufzubauen. Für das Unternehmensmanagement gilt es, die individuell günstigste Länderwahl zu treffen. Parallel dazu haben die Anbieter in den Offshoring-Ländern erkannt, dass es für mittelständische Unternehmen wesentlich schwieriger ist, das Potenzial von Offshoring zu nutzen. Sie werden daher beginnen, mehr und mehr Dienstleistungen anzubieten, die auf diese Unternehmensgröße zugeschnitten sind. Dazu gehört vor allem auch die Beratung vor Ort bei den Kunden. Aber auch für größere deutsche Unternehmen steigt die Bedeutung von Offshoring. Auf absehbare Zeit droht ein Fachkräftemangel in Deutschland, der das Wachstum der Unternehmen behindern könnte. Schafft das deutsche Bildungssystem es nicht, entsprechend qualifiziertes Personal bereitzustellen, so werden die deutschen Unternehmen zwangsweise auf ausländische Ressourcen zugreifen müssen.

7.6 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Abschnitten sind: 1. Bis Ende 2007 wird bei den untersuchten Unternehmen ein Offshoring-Wachstum von 34 Prozent erwartet. Das Wachstum wird primär von Unternehmen gefördert, die bisher noch keine OffshoringImplementierungen besitzen.

Veränderungen bei den existierenden Offshoring-Aktivitäten

165

2. Das größte Wachstum planen die Unternehmen für die Funktionen Beschaffung und Finanz- & Rechnungswesen. Die IT wird nach wie vor den größten Anteil an den ausländischen Implementierungen besitzen, aber an Bedeutung verlieren. An zweite Stelle rückt die Beschaffung und verdrängt damit die Funktion Callcenter auf Platz drei. 3. Der größte Teil der neuen Implementierungen wird in den Offshoring-Regionen Asien und Osteuropa angesiedelt. Dabei basiert das Wachstum in Asien insbesondere auf Unternehmen der Größenklasse II und das in Osteuropa auf Unternehmen der Größenklasse III. Manager sollten bei ihren Entscheidungen diesen Trend beachten. 4. Zusätzlich zu den neuen Implementierungen wird für 45 Prozent der bereits im Ausland existierenden Implementierungen eine Ausweitung des Umfangs geplant, bei 5 Prozent eine Rückverlagerung nach Deutschland. Entscheider sollten diese Zahlen zum Anlass nehmen, die Möglichkeiten für eine Ausweitung auch in ihren Unternehmen zu überprüfen. 5. Auch für die in Deutschland verbliebene Funktionserbringung werden umfassende Veränderungen erwartet. Die Unternehmen mit Offshoring-Erfahrung planen den Erbringungsmodus bei 31 Prozent ihrer inländisch erbrachten Funktionen zu ändern, die Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben bzw. sich noch nicht damit auseinandergesetzt haben, bei 19 Prozent. In beiden Gruppen dominiert dabei die Transformation von einer dezentralen internen Erbringung zu einem SSC (66 bzw. 48 Prozent). Dies ist ein Indiz, dass auch die in Deutschland verbliebenen Funktionsteile unter bestimmten Voraussetzungen optimiert werden können. Entscheider sollten sich daher nicht nur auf eine ausländische Erbringung fokussieren, sondern auch die in Deutschland verbliebenen Aktivitäten im Blick behalten

8 Unterschiede im Offshoring-Verhalten von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

In den bisherigen Kapiteln wurden die Offshoring-Aktivitäten von deutschen Unternehmen ausführlich analysiert. Das folgende Kapitel stellt Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Unternehmen aus verschiedenen Ländern dar. Wie bereits in der Einleitung diskutiert wurde (siehe Kapitel 1), sind die Vereinigten Staaten von Amerika das Ursprungsland für das Offshoring von unterstützenden Funktionen. Aus einem internationalen Vergleich für Offshoring zwischen deutschen und US-amerikanischen Unternehmen können Manager potenzielle zukünftige Trends erkennen. An einzelnen, ausgewählten Stellen erfolgt zusätzlich zu diesem eine Gegenüberstellung mit Unternehmen aus Großbritannien, den Niederlanden und Spanien. Die Vergleichsdaten stammen von Partnerinstituten, die im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts, ähnlich den in den letzten Kapiteln vorgestellten Analysen für deutsche Unternehmen, das OffshoringVerhalten anderer ausländischer Unternehmen untersucht haben. Diese Studien umfassen aber keine Unternehmen, die sich bisher noch mit Offshoring auseinandergesetzt haben. Um einen aussagekräftigen Vergleich zu ermöglichen, wurde daher die Grundmenge der deutschen Unternehmen entsprechend reduziert. Die folgenden Analysen basieren daher auf den Angaben von den 69 statt 119 deutschen Unternehmen. Betrachtet man ausschließlich Unternehmen, die sich bereits mit Offshoring auseinandergesetzt haben, so sind die Anteile der deutschen (61 Prozent) und US-amerikanischen (60 Prozent) mit Offshoring-Erfahrung nahezu gleich groß (siehe Abbildung 127). Anders ist die Situation bei den übrigen Unternehmensgruppen. Der Anteil der Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben, ist bei den deutschen Unternehmen mit 16 Prozent wesentlich geringer als bei den US-amerikanischen (23 Prozent). Umgekehrt ist die Situation bei den Unternehmen, die OffshoringAktivitäten konkret planen oder in Betracht ziehen. Mit 23 Prozent der deutschen Unternehmen ist dieser Anteil um 6 Prozent größer als der der US-amerikanischen.

168

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Unternehmen, die über Offshoring-Aktivitäten verfügen

61%

Unternehmen, die OffshoringAktivitäten konkret planen oder in Betracht ziehen

23%

Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben

16%

60%

17%

23%

Deutsche Unternehmen (69)

US-amerikanische Unternehmen (231)

Abb. 127. Vergleich der bisherigen Offshoring-Aktivitäten bei deutschen und USamerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Unternehmen)

Deutsche Manager sollten sich bei Aktivitäten, die sie planen oder in Betracht ziehen, möglichst zeitnah für oder gegen Offshoring entscheiden. Einen weiterführenden, internationalen Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt Abbildung 128. Anteil der Unternehmen, die bereits Offshoring durchführen Deutschland

61%

USA

60%

Spanien

50%

Großbritannien

Niederlande

45%

24%

Erfahrung mit Offshoring im internationaler Vergleich Betrachtet man die Unternehmen, die sich bereits mit Offshoring auseinandergesetzt haben, so zeigt sich, dass der Anteil der Unternehmen mit Offshoring-Implementierungen in Deutschland am größten ist (61 Prozent). Er übertrifft sogar den Anteil bei US-amerikanischen Unternehmen (60 Prozent). Im Vergleich dazu haben die übrigen Länder Spanien, Großbritannien und Niederlande einen signifikant kleineren Anteil. Besonders interessant ist dabei Großbritannien. Die Ausgangsbedingungen (z.B. sprachliche Vorteile) sind für US-amerikanische und britische Unternehmen ähnlich. Dennoch ist der Anteil bei britischen Unternehmen (45 Prozent) kleiner.

Abb. 128. Internationaler Vergleich des Anteils der Unternehmen, die Erfahrung im Offshoring von unterstützenden Funktionen besitzen

Motivation der Verlagerung

169

8.1 Motivation der Verlagerung Wie in Kapitel 5 bereits dargestellt, gilt es im ersten Schritt des Verlagerungsprozesses zu verstehen, was das Management zur jeweiligen Offshoring-Entscheidung bewegt. Dazu werden einerseits die Unterschiede bezüglich der Motivationsfaktoren und andererseits bezüglich der wahrgenommenen Risiken untersucht. Basierend auf diesen Analysen können Entscheider von der Einschätzung anderer lernen und gegebenenfalls ihr eigenes Schema zur Bewertung von potenziellen Offshoring-Möglichkeiten verbessern. Motivationsfaktoren für Offshoring. Wie in Kapitel 5.2.1 bereits vorgestellt wurde, sind die wichtigsten Offshoring-Motivationsfaktoren für deutsche Manager die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen, die Reaktion auf den Wettbewerbsdruck und der Zugang zu qualifiziertem Personal. Vergleicht man diese Angaben mit US-amerikanischen Unternehmen, so zeigen sich teilweise signifikante Unterschiede (siehe Abbildung 129). Bei den US-amerikanischen Unternehmen dominiert genauso wie bei den deutschen Unternehmen die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen. 0 Kein Einfluss

Erschließung von Kostensenkungspotenzial

2,8

2,5

Gängige Praxis der Branche

2,2

Unterstützung einer Wachstumsstrategie

2,2

Umstrukturierung des Geschäftsprozesses

2,1

2,1 2,9 2,4 2,5

2,0

Höhere Servicequalität

Höhere Ausfallsicherheit, Systemredundanz

2,6

2,7

Zugang zu qualifiziertem Personal

Zugang zu neuen Absatzmärkten

3,4

3,2

Kostendruck durch Wettbewerber

Verkürzung der Produkteinführungszeit

4 Starker Einfluss

2,3

1,8 1,8 1,6

Deutsche Unternehmen (82)

1,3 1,8

US-amerikanische Unternehmen (177)

Abb. 129. Vergleich der Motivationsfaktoren für Offshoring bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen)

170

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Bei den US-amerikanischen Unternehmen ist dieser Faktor mit 3,4 aber noch stärker ausgeprägt (deutsche Unternehmen: 3,2). Der Faktor Kostendruck durch Wettbewerber ist bei beiden Unternehmensgruppen fast identisch stark ausgeprägt (2,6 für US-amerikanische und 2,7 für deutsche Unternehmen). Entscheider beider Länder sehen in Offshoring die Möglichkeit, auf den Druck durch Wettbewerber zu reagieren und sich strategisch zu positionieren. Eine ähnlich hohe Bewertung erhält auch der Faktor Zugang zu qualifiziertem Personal bei den USamerikanischen Unternehmen (2,8). Bei den deutschen Unternehmen wird dieser Anteil mit 2,5 wesentlich niedriger bewertet. Der zweitwichtigste Motivationsfaktor für US-amerikanische Unternehmen mit einem Wert von 2,9 ist die Unterstützung einer Wachstumsstrategie durch die Offshoring-Aktivitäten. Dieser Faktor wird von deutschen Unternehmen nur mit 2,2 bewertet. Das bedeutet, dass die USamerikanischen Unternehmen bessere Möglichkeiten sehen, durch die Offshoring-Aktivitäten zu wachsen. Durch die ausbleibende Leistungserbringung im Heimatland können sich die freigewordenen Mitarbeiter anderen Aufgaben zuwenden. Deutsche Entscheider sollten in Zukunft vermehrt darüber nachdenken, ob durch eine Offshoring-Aktivität auch ein Wachstum in anderen Märkten möglich ist. Weitere signifikante Abweichungen zeigen sich bei den Faktoren Höhere Servicequalität, Verkürzung der Produkteinführungszeiten und Zugang zu neuen Absatzmärkten. Die beiden ersten Faktoren bewerten die USamerikanischen Unternehmen höher. Bei den übrigen Faktoren sind die Einschätzungen der US-amerikanischen und der deutschen Unternehmen nahezu identisch. Risiken des Offshorings. Neben den Motivationsfaktoren für Offshoring ist die wichtigste Frage, was von den Entscheidern jeweils als Risikofaktor angesehen wird. Bei US-amerikanischen Unternehmen sind die bedeutendsten Risikofaktoren mangelnde Zuverlässigkeit/Servicequalität, mangelnde Datensicherheit und Ineffizienz beim Datenaustausch bzw. -integration (siehe Abbildung 130). Alle drei Faktoren sind bei US-amerikanischen Unternehmen wesentlich stärker ausgeprägt als bei den deutschen. Bedenkt man, dass für US-amerikanische Manager die Steigerung der Servicequalität eine wesentliche Motivation für Offshoring ist, ist verständlich, dass eine mangelnde Zuverlässigkeit bzw. Servicequalität im Umkehrschluss als großer Risikofaktor gesehen wird (2,7). Die deutschen Entscheider haben hier mehr Zuversicht (1,7). Besonders eklatant sind die Unterschiede beim Faktor Datensicherheit. Dieser wird von deutschen Unternehmen mit 1,3 bewertet und ist damit auf dem vorletzten Platz der untersuchten Risikofakto-

Motivation der Verlagerung

171

ren. Bei den US-Unternehmen dagegen ist dieser Faktor an zweiter Stelle. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Manager von US-amerikanischen Unternehmen ein wesentlich höheres Bedürfnis nach Datensicherheit haben. Zusätzlich ist auch bei deutschen Unternehmen, die sich gegen Offshoring entschieden haben, das Thema mangelnde Datensicherheit nahezu nicht von Bedeutung (siehe Kapitel 6.1.1). Dies ist ein Indiz dafür, dass deutsche Manager die Datensicherheit für jede Verlagerungsaktivität sehr kritisch bewerten sollten. Bezüglich der restlichen Faktoren sind die Einschätzungen der US-amerikanischen und deutschen Unternehmen sehr ähnlich. Insgesamt zeigt sich, dass sowohl die Motivationsfaktoren als auch die Risikofaktoren von den deutschen Managern im Allgemeinen zurückhaltender eingeschätzt werden als von den US-amerikanischen. 0 Kein Einfluss Unterschied der Länderkulturen

4 Starker Einfluss

2,0

Fluktuation Beschäftigte im Offshoring-Land

1,8

1,9

2,2

Verlust von Prozess-Kompetenz / Know-how

1,7

1,9

Verlust der Prozesskontrolle im Unternehmen

1,7

1,9

Mangelnde Servicequalität

1,7

Ineffizienz beim Datenaustausch / -integration

1,7

Mangelnde Kundenakzeptanz

1,6

Politische Widerstände / öffentliche Diskussionen

1,6

Mangelnde Kompatibilität & Interoperabilität IT

1,6

Verlust von geistigem Eigentum

1,4

Mangelnde Datensicherheit

1,3

Politische Instabilität im Offshoring-Land

1,3 Deutsche Unternehmen (85)

2,7 2,3 2,0 1,5 1,3 1,9 2,4 1,5 US-amerikanische Unternehmen (185)

Abb. 130. Vergleich der Risikofaktoren für Offshoring bei deutschen und USamerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an verlagerten Funktionen)

172

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

8.2 Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel Der zweite Schritt im Rahmen des Verlagerungsprozesses ist die Entscheidung über die möglichen Umsetzungsoptionen bzgl. der zu verlagernden Funktion, des Erbringungsorts und des Erbringungsmodus (siehe Kapitel 5.2). Vergleicht man die Verlagerungsaktivitäten von deutschen und USamerikanischen Unternehmen, so lassen sich teilweise erhebliche Unterschiede feststellen. An dieser Stelle ist es für das Management deutscher Unternehmen von besonderem Interesse, welche Offshoring-Aktivitäten von US-amerikanischen Unternehmen bereits durchgeführt werden. Da die USA eine Vorreiterrolle im Offshoring eingenommen haben, können auf diese Art und Weise zukünftige Trends frühzeitig erkannt werden. 8.2.1 Welche Funktionen werden verlagert? Die deutschen und US-amerikanischen Unternehmen besitzen bezüglich der Funktionsauswahl ein ähnliches Offshoring-Verhalten (siehe Abbildung 131).

IT

38%

Callcenter

16%

Forschung & Entwicklung

16%

Beschaffung

12%

Finanz- & Rechnungswesen

9%

Produktentwicklung

8%

Personalwesen

2%

33% 21% 12% 9% 15% 6% 5%

Deutsche Unternehmen (178)

US-amerikanische Unternehmen (448)

Abb. 131. Vergleich der Offshoring-Aktivitäten entlang der verschiedenen Funktionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

173

Die Anteile je Funktion unterscheiden sich um maximal 6 Prozent. Die größten Abweichungen ergeben sich in den Bereichen IT (5 Prozent), Callcenter (5 Prozent), Forschung & Entwicklung (4 Prozent) und Finanz& Rechnungswesen (6 Prozent). Der höhere Verlagerungsanteil in der IT kann darauf zurückgeführt werden, dass die Verlagerungsmöglichkeiten für andere unterstützende Funktionen in den USA weiter fortgeschritten sind. Während sich deutsche Unternehmen hauptsächlich auf die IT konzentrieren, haben sich die USamerikanischen Unternehmen davon teilweise gelöst. Ihr Verlagerungsfokus verteilt sich auf mehrere Funktionen. Folglich liegt der US-amerikanische Anteil bei der Funktion IT unter dem deutschen Anteil. Deutsche Manager sollten daher noch stärker versuchen, mögliche Verlagerungsoptionen bei anderen Funktionen zu nutzen. Im Gegensatz dazu findet man bei Callcenter erwartungsgemäß einen niedrigeren Wert bei deutschen Unternehmen. In vielen Bereichen ist es unerlässlich, deutschsprachige Mitarbeiter in Callcenter einzusetzen (z.B. Hotline für Endkunden). Da in den meisten Offshoring-Regionen der Anteil deutschsprachiger Mitarbeiter wesentlich geringer ist als der von englischsprachigen, können Callcenter nur eingeschränkt ins Ausland verlagert werden. Dies resultiert in einem niedrigeren Anteil an Verlagerungen bei deutschen Unternehmen. Die dritte Funktion mit einem großen Unterschied beim Verlagerungsanteil ist die Funktion Forschung & Entwicklung. Für deutsche Unternehmen ist es seit Jahren gängige Praxis, das Know-how in anderen westeuropäischen Ländern oder in den USA zu nutzen. Deutsche Unternehmen besitzen daher bereits seit langem Forschungszentren in diesen Regionen, während sich US-amerikanische Unternehmen primär auf ihr Heimatland konzentriert haben. In Zukunft sollten auch US-amerikanische Unternehmen verstärkt vorhandene hoch qualifizierte Arbeitskräfte in anderen Regionen nutzen. Der größte Unterschied mit 6 Prozent ist bei der Funktion Finanz- & Rechnungswesen zu beobachten. Hier ist die Entwicklung des Offshorings in den USA weiter vorangeschritten als in Deutschland. Wie bereits in Kapitel 7.1 argumentiert wurde, ist das Finanz- & Rechnungswesen eine der derzeit am stärksten wachsenden Funktionen. In den USA hat dieser Trend bereits früher eingesetzt, so dass sie heute über einen größere Anzahl an Verlagerungen verfügen. In Summe kann man aus den relativ kleinen Unterschieden erkennen, dass deutsche und US-amerikanische Unternehmen ähnliche Präferenzen bezüglich der Verlagerung von spezifischen Funktionen besitzen. Die verschiedenen Rahmenbedingungen der beiden Länder, wie beispielsweise Sprache und rechtliche Anforderungen, haben offensichtlich keinen gra-

174

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

vierenden Einfluss auf die Wahl. Ein zusätzlicher Grund für die Übereinstimmungen im Offshoring-Verhalten ist die Vorreiterrolle der US-amerikanischen Unternehmen. Die deutschen bauen auf den Erfahrungen der US-amerikanischen Unternehmen auf und nutzen eine ähnliche Vorgehensweise. Einen weiterführenden Vergleich der beiden wichtigsten OffshoringFunktionen mit Unternehmen aus weiteren Ländern zeigt Abbildung 132. Anteil der Unternehmen, die ihre IT bzw. Callcenter verlagert haben

77%

USA Deutschland

37%

71%

Großbritannien

69%

Spanien

38% 23%

57%

Niederlande

41% IT

46% 11% Callcenter

Offshoring der Funktionen IT und Callcenter im internationalen Vergleich IT und Callcenter sind die „Klassiker“ des Offshorings von unterstützenden Funktionen. Aktivitäten aus beiden Funktionen werden bereits seit den 80er Jahren verlagert. Bzgl. der Funktion IT verhalten sich US-amerikanische, deutsche und britische Unternehmen ähnlich. Ca. 70 Prozent der Unternehmen mit OffshoringImplementierungen haben die Funktion IT verlagert. In Spanien und den Niederlanden ist dieser Anteil kleiner. Bei der Funktion Callcenter divergieren die Anteile stärker. Während fast die Hälfte der spanischen Unternehmen (46 Prozent) Callcenter ins Ausland verlagert haben, ist der Anteil der britischen und niederländischen Unternehmen wesentlich geringer (23 bzw. 11 Prozent).

Abb. 132. Internationaler Vergleich des Anteils der Unternehmen, die die Funktionen IT und Callcenter verlagert haben

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

175

8.2.2 Wohin wird verlagert? Vergleicht man die Präferenzen bzgl. der Offshoring-Standorte, so zeigen sich wesentlich größere Unterschiede zwischen deutschen und USamerikanischen Unternehmen. Während das deutsche Management Nearshore- und Farshore-Regionen nahezu gleichermaßen bevorzugt, hat das US-amerikanische vor allem Farshore-Regionen im Fokus (siehe Abbildung 133). Für die deutschen Unternehmen sind mit jeweils 26 Prozent die wichtigsten Nearshore-Regionen West- und Osteuropa, für die USamerikanischen die Länder Kanada und Mexiko (jeweils 3 Prozent). Insgesamt erbringen US-amerikanische Unternehmen zwei Drittel (67 Prozent) ihrer Offshoring-Aktivitäten in der Farshore-Region Asien. Von diesen 67 Prozent werden 41 Prozent nach Indien verlagert. Dieser hohe Anteil ist nicht überraschend. Indien ist das hinsichtlich Offshoring am stärksten etablierte Land und wird bereits seit den 80er Jahren von USamerikanischen Unternehmen genutzt. Daneben kann das zweitwichtigste Offshoring-Land China nur 10 Prozent der US-amerikanischen Offshoring-Aktivitäten anziehen. Indiens größter Vorteil gegenüber China ist, dass Englisch neben Hindi eine offizielle Landessprache ist. Der im Vergleich dazu relativ geringe asiatische Anteil an Leistungserbringung bei deutschen Unternehmen (33 Prozent) erklärt sich durch deren starke Präferenz für die Nearshore-Regionen West- und Osteuropa. Die unmittelbare Nähe, eine relativ hohe Anzahl von deutschsprachigen Mitarbeitern und die kulturelle Ähnlichkeit sind besonders interessant. Damit besteht aus der Perspektive deutscher Unternehmen weniger Interesse für eine Verlagerung in Farshore-Regionen. Nichtsdestotrotz sollten deutsche Manager verstärkt über die Verlagerung in Farshore-Regionen nachdenken. In vielen der Fälle sind damit weitere Einsparmöglichkeiten oder der Zugriff auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte verbunden.

Nearshoring

Farshoring

52%

6%

48%

Deutsche Unternehmen (178)

Südamerika 11 Prozent

94%

US-amerikanische Unternehmen (447)

Abb. 133. Vergleich der Nearshore- und Farshore-Aktivitäten bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen entlang der verschiedenen Regionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

176

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Weniger attraktiv ist die Region Europa für US-amerikanische Unternehmen. Sie können weder von einer räumlichen Nähe der europäischen Länder noch von den deutschen Sprachkenntnissen profitieren. Für diese sind daher Verlagerungen nach Mexiko oder Kanada eine interessante Option. Die US-amerikanischen Unternehmen finden dort ähnliche Vorteile wie die deutschen in Osteuropa. Geringe geographische Entfernung, geringe Zeitdifferenzen, viele hoch qualifizierte englischsprachige Mitarbeiter (insbesondere in Kanada) und ähnliche Kulturen haben dazu geführt, dass immerhin sechs Prozent der gesamten US-amerikanischen Funktionen in diesen Ländern erbracht werden. Eine spezielle Rolle für US-amerikanische Unternehmen spielt Südamerika (11 Prozent). Diese Region ist nach Definition (siehe Kapitel 3.1) eine Farshore-Region, besitzt aber für US-amerikanische Unternehmen auch Charakteristika einer Nearshore-Region. Viele Spanisch sprechende USAmerikaner, Einwanderer aus Südamerika und die nicht vorhandene bzw. nur geringe Zeitdifferenz erklären die Beliebtheit südamerikanischer Länder für US-amerikanische Unternehmen. Bzgl. der Wahl zwischen Nearshore- und Farshore-Regionen besitzen die US-amerikanischen Unternehmen eine klare Präferenz für FarshoreOffshoring (siehe Abbildung 134). Bei allen Funktionen erreicht das Farshore-Offshoring der US-amerikanischen Unternehmen einen Anteil von mindestens 88 Prozent. Demgegenüber ist der größte Anteil bei deutschen Unternehmen nur 67 Prozent. Im Detail nutzen die deutschen Unternehmen für die Funktionen Beschaffung, Produktentwicklung und IT bei mehr als der Hälfte der Implementierungen eine Farshore-Region. Bei den US-amerikanischen Unternehmen ist der Anteil wesentlich größer. Mindestens 93 Prozent aller Implementierungen befinden sich in einer Farshore-Region. In den Funktionen Forschung & Entwicklung, Callcenter und Finanz- & Rechnungswesen sind die Unterschiede noch größer. Am deutlichsten unterscheiden sich die Werte im Personalwesen. Von den untersuchten deutschen Unternehmen erbringen 100 Prozent in West- und Osteuropa, während die USamerikanischen alle Verlagerungen in einer Farshore-Region erbringen. Diese teilweise signifikanten Unterschiede sollten von deutschen Entscheidern kritisch betrachtet werden. Je nach individueller Situation der Unternehmen existieren gegebenenfalls noch weitere Verbesserungs- und Einsparpotenziale durch eine stärkere Nutzung von Farshore-Offshoring.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

FarshoreRegionen

Beschaffung

NearshoreRegionen

67%

33%

FarshoreRegionen

177

NearshoreRegionen

97% 3%

Produktentwicklung

57%

43%

IT

57%

43%

Forschung & Entwicklung Callcenter Finanz- & Rechnungswesen Personalwesen

46%

54%

100%

93%

7%

98% 2%

68%

32%

25%

75%

88%

93%

12%

7%

100%

100%

Deutsche Unternehmen (178)

US-amerikanische Unternehmen (447)

Abb. 134. Vergleich der Nearshoring- und Offshoring-Aktivitäten bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen entlang der verschiedenen Funktionen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Wesentliche Einflussgrößen bei der Länderwahl. Die verschiedenen Standortpräferenzen basieren auf einer unterschiedlichen Gewichtung der Einflussgrößen für die Standortwahl. Die größten Unterschiede zeigen sich bei den Faktoren Qualität der Infrastruktur, politische Stabilität und öffentliche Anreize (siehe Abbildung 135). Alle drei Faktoren werden von deutschen Managern wichtiger eingestuft als von US-amerikanischen. Die höhere Bewertung der Qualität der Infrastruktur bei deutschen Unternehmen ist mit dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in der deutschen Mentalität erklärbar. Deutsche Unternehmen wollen sicherstellen, dass die äußeren Rahmenbedingungen im Zielland eine hoch effiziente Erbringung ermöglichen. Damit ist auch das Thema politische Stabilität eng verknüpft. Ist diese nicht gewährleistet, dann leidet meist auch die Qualität der Infrastruktur. Der dritte Faktor ist vor allem durch die generell hohe Präferenz der deutschen Unternehmen für osteuropäische Standorte bedingt. Da dort die Lohnkostenvorteile niedriger sind als in Indien, sind die deutschen Unternehmer stärker daran interessiert, andere Kostenvorteile zu realisieren. Dazu gehören unter anderem öffentliche Anreize in den jeweiligen Offshoring-Ländern.

178

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

0 Kein Einfluss Fachliche Kompetenz im Offshoring-Land

2,8

Niedrige Betriebskosten

2,8

2,8 3,1

2,6

Qualität der Infrastruktur

1,9

2,5

Politische Stabilität

1,8

2,3

Kombination mit erbrachten Funktionen

1,8

2,3

Sprachliche Aspekte Standort des besten Service Providers

4 Starker Einfluss

2,5

2,1

Zugang zu neuen Absatzmärkten

2,0

Öffentliche Anreize

2,0

Standortnähe

2,0 Deutsche Unternehmen (144)

2,0 1,5 1,4 1,6 US-amerikanische Unternehmen (340)

Abb. 135. Vergleich der Einflussgrößen bei der Wahl eines Offshoring-Landes bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Deutsche Manager könnten durch eine Reduzierung der Qualitätsansprüche hinsichtlich der Infrastruktur und durch eine höhere Toleranz bei der notwendigen politischen Stabilität auf hohe öffentliche Anreize verzichten und etwaige höhere Potenziale anderer Regionen nutzen. Bezüglich der übrigen Faktoren verhalten sich US-amerikanische und deutsche Unternehmen ähnlich. Beide bewerten die fachliche Kompetenz im Offshoring-Land und die niedrige Betriebskosten als die wichtigsten Faktoren. Hier dominieren bei US-amerikanischen Unternehmen die niedrigen Betriebskosten über alle anderen Faktoren und sind mit einem Wert von 3,1 stärker ausgeprägt als in Deutschland (2,8). Ähnlich ist die Situation bezüglich der sprachlichen Aspekte. Auch hier bewerten die USamerikanischen Unternehmen den Faktor höher als die deutschen. Bei den anderen Faktoren, Kombination mit bereits im Ausland erbrachten Funktionen, Standort des besten Providers, Zugang zu neuen Absatzmärkten und Standortnähe ist die Situation umgekehrt. Diese Faktoren werden von deutschen Unternehmen wichtiger eingeschätzt.

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

179

8.2.3 Wie wird verlagert? Neben der Wahl des Standorts ist insbesondere die Wahl eines geeigneten Erbringungsmodus von Bedeutung. Dabei stellt sich für das Management die Frage, ob die Leistungen intern oder durch einen externen Dienstleister erbracht werden sollen. Wie bereits in Kapitel 5.2.3 erläutert wurde, bevorzugen die deutschen Unternehmen nur für 20 Prozent ihrer ausländischen Implementierungen eine externe Erbringung. Bei den USamerikanischen Unternehmen ist dieser Anteil mit 51 Prozent mehr als doppelt so groß. Insgesamt sind die deutschen Unternehmen damit wesentlich zurückhaltender beim Einsatz von externen Dienstleistern. Bereits an dieser Stelle kann man erkennen, dass hier für deutsche Unternehmen gegebenenfalls weitere Optimierungspotenziale existieren. Manager sollten über eine stärkere externe Erbringung nachdenken, um etwaige zusätzliche Kosteneinsparungen zu erzielen. Mit einer stärkeren externen Erbringung sind oft zusätzliche Kosteneinsparungen möglich. Den größten Anteil einer internen Erbringung (77 Prozent) findet man bei US-amerikanischen Unternehmen in der Funktion Produktentwicklung (siehe Abbildung 136). Externe Interne Erbringung Erbringung Produktentwicklung

93%

Beschaffung

90%

Externe Erbringung

Interne Erbringung

23%

77% 7%

39%

61% 10%

Finanz- & Rechnungswesen Forschung & Entwicklung

12%

88%

82%

18%

IT

78%

22%

Personalwesen

75%

25%

Callcenter

68%

32%

Deutsche Unternehmen (159)

28%

72%

53%

42%

52%

33%

47%

58%

48%

67%

US-amerikanische Unternehmen (383)

Abb. 136. Vergleich des Erbringungsmodus bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

180

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Dieser Anteil ist auch bei deutschen Unternehmen am stärksten ausgeprägt (93 Prozent). Für beide Länder gilt die Tatsache, dass sich Tätigkeiten aus diesem Bereich nur schwer auslagern lassen. Die Gestaltung entsprechender Verträge mit einem externen Dienstleister ist nicht trivial, da die Ergebnisse nicht einfach quantifizierbar sind und die Prozesse nur begrenzt durch Regeln beschrieben werden können. Gleichzeitig ist Vertraulichkeit in diesem Bereich entscheidend. Wichtige Innovationen oder Produktdetails dürfen den Wettbewerbern nicht bekannt werden. Dies kann bei einer internen Erbringung wesentlich leichter sichergestellt werden. Eine ähnliche Situation existiert im Bereich Beschaffung. Auch hier ist der Anteil der Tätigkeiten, die extern erbracht werden können, beschränkt. Sowohl bei den deutschen als auch bei den US-amerikanischen Unternehmen werden im Vergleich zum jeweiligen Durchschnitt (90 vs. 80 Prozent bei deutschen und 61 vs. 49 Prozent bei US-amerikanischen Unternehmen) relativ viele Aktivitäten intern erbracht. Im Finanz- & Rechnungswesen sind es die rechtlichen Anforderungen als auch die Komplexität des Themas, die die Möglichkeiten der externen Erbringung beschränken. Sowohl bei den deutschen als auch USamerikanischen ist der Anteil der internen Erbringung mit 88 bzw. 72 Prozent signifikant höher als der jeweilige Durchschnitt. Der höhere Anteil bei den deutschen kann durch die besonderen gesetzlichen Anforderungen erklärt werden. Diese müssen einerseits internationale Standards berücksichtigen (z.B. IFRS) und teilweise besonderen nationalen Anforderungen genügen (z.B. Handelsgesetzbuch, HGB). Dieses Extra an Komplexität kann teilweise nur durch eine interne Erbringung bewältigt werden. Im Bereich der Callcenter ist der signifikant höhere Anteil der internen Erbringung bei deutschen Unternehmen leichter verständlich (68 Prozent zu 33 Prozent). Bisher hat eine Etablierung von deutschsprachigen Callcenter im Ausland nur begrenzt stattgefunden. Um ein entsprechendes Qualitätsniveau sicherzustellen, betreiben viele deutsche Unternehmen ausländische Callcenter heute intern. In Zukunft könnte sich dieser interne Anteil durch ein steigendes Angebot von externen Leistungsanbietern noch weiter reduzieren. Bei den verbleibenden Funktionen Forschung & Entwicklung, IT und Personalwesen entsprechen die Anteile nahezu den Durchschnittswerten. Insgesamt lässt sich feststellen, dass nicht nur im Mittel, sondern auch in allen einzelnen Funktionen, der Anteil der internen Erbringung bei deutschen Unternehmen signifikant größer ist. Dies bestätigt die Vermutung, dass die deutschen Manager beim Outsourcing tendenziell zurückhaltender sind als die US-amerikanischen. Auf der einen Seite kann dies in der generell unterschiedlichen Mentalität liegen. Auf der anderen Seite kann es die Tatsache sein, dass das Outsourcing in den USA bereits stärker etabliert

Entscheidungskomponenten beim Offshoring und ihr Zusammenspiel

181

ist. Somit ist fraglich, ob die deutschen Unternehmen im Laufe der Zeit ihren Anteil an Outsourcing auf das US-amerikanische Niveau steigern werden. 8.2.4 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Vergleich des OffshoringVerhaltens von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen sind: 1. Unter den Unternehmen, die sich bereits mit Offshoring auseinandergesetzt haben, entscheiden sich anteilsmäßig etwa genauso viele deutsche wie US-amerikanische Manager für Offshoring. 2. Die Motivation für das Offshoring ist teilweise unterschiedlich. Bei deutschen und US-amerikanischen Managern dominiert die Erschließung von Kostensenkungspotenzialen. Faktoren wie der Zugang zu qualifiziertem Personal, die Unterstützung einer Wachstumsstrategie, eine höhere Servicequalität und die Verkürzung der Produkteinführungszeiten werden aber bei den US-amerikanischen Unternehmen wesentlich höher bewertet. 3. Bei den möglichen Risiken sind es dagegen die Faktoren mangelnde Servicequalität, Ineffizienz beim Datenaustausch bzw. -integration, Verlust von geistigem Eigentum und mangelnde Datensicherheit, die von US-amerikanischen Unternehmen höher eingeschätzt werden. Deutsche Manager sollten hierauf in Zukunft verstärkt achten. 4. Bei US-amerikanischen Unternehmen werden die Funktionen Callcenter, Finanz- & Rechnungswesen und Personalwesen häufiger ins Ausland verlagert als bei den deutschen. 5. US-amerikanische Unternehmen bevorzugen hauptsächlich FarshoreRegionen für ihre Offshoring-Implementierungen (94 Prozent). Im Gegensatz dazu erbringen die deutschen 48 Prozent in Farshore- und 52 in Nearshore-Regionen. Deutsche Entscheider sollten in Zukunft vermehrt über Farshore-Offshoring nachdenken. 6. Die für die deutschen Unternehmen wichtigen Nearshore-Regionen West- und Osteuropa haben für US-amerikanische eine wesentlich geringere Bedeutung. 7. Bei der Wahl der Offshoring-Länder sind für deutsche und USamerikanische Unternehmen teilweise unterschiedliche Kriterien entscheidend. Für deutsche Manager haben die Faktoren Qualität der Infrastruktur, politische Stabilität und öffentliche Anreize einen wesentlich höheren Stellenwert als für US-amerikanische.

182

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

8. Während deutsche Entscheider eine interne Erbringung im Ausland bevorzugen (80 Prozent), liegt der Anteil der internen Erbringung bei den US-amerikanischen Unternehmen bei nur 49 Prozent.

8.3 Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen Wie die vorangegangenen Untersuchungen gezeigt haben, besitzen die USamerikanischen Unternehmen teilweise ein signifikant anders OffshoringVerhalten als die deutschen. Es stellt sich damit die Frage, ob die beiden Gruppen sich auch bzgl. ihres Erfolgs bei den Offshoring-Implementierungen unterscheiden. 8.3.1 Zielabweichungen auf der Kostenseite Kosteneinsparungen sind für das Unternehmensmanagement meist der wichtigste Grund, Funktionen ins Ausland zu verlagern. Damit ist es von besonderem Interesse zu untersuchen, wie erfolgreich deutsche Unternehmen im Vergleich zu US-amerikanischen sind und wo deutsche Führungskräfte gegebenenfalls von ihren US-amerikanischen Kollegen lernen können. In Summe sind die US-amerikanischen Unternehmen erfolgreicher. Sie sparen durch Offshoring im Mittel 38 Prozent ihrer vergleichbaren Inlandskosten, während es bei den deutschen Unternehmen nur 26 Prozent sind. In den einzelnen Funktionen sind die Unterschiede teilweise stärker ausgeprägt (siehe Abbildung 137). In allen Funktionen sind die durchschnittlichen Einsparungen bei den US-amerikanischen größer als bei den deutschen Unternehmen. Die Unterschiede variieren zwischen 3 Prozent für IT und 29 Prozent im Bereich Forschung & Entwicklung. Die größten Einsparungen erreichen die US-amerikanischen Unternehmen in der Produktentwicklung mit 49 Prozent. In dieser Funktion wird nahezu die Hälfte der Kosten im Vergleich zu einer inländischen Erbringung eingespart. Bei den deutschen Unternehmen sind es nur 26 Prozent. Diese signifikanten Unterschiede sind teilweise auf die unterschiedliche Länderwahl zurückzuführen. Dadurch, dass viele deutsche Unternehmen Osteuropa als Offshoring-Land bevorzugen, können im Mittel nicht die gleich hohen Einsparungen wie bei einer Erbringung im asiatischen Raum erreicht werden. Deutsche Manager sollten in Zukunft die Erbringung der unterstützenden Funktion Produktentwicklung in Asien in Betracht ziehen.

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

IT

32%

Produktentwicklung

Callcenter Personalwesen

35%

26%

Beschaffung

24% 23% 20%

Finanz- & Rechnungswesen

16%

Forschung & Entwicklung

16%

Deutsche Unternehmen (104)

183

49% 35% 38% 36% 41% 45%

US-amerikanische Unternehmen (272)

Abb. 137. Vergleich der erreichten Einsparungen in Prozent der Gesamtkosten je Funktion für US-amerikanische und deutsche Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Einen weiterführenden, internationalen Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt Abbildung 138. Deutsche Unternehmen erreichen im internationalen Vergleich bei den durchschnittlich erzielten Einsparungen nur den vierten Rang. Vergleicht man die tatsächlichen Einsparungen mit den ursprünglich geplanten, so zeigt sich, dass die US-amerikanischen Unternehmen bei 47 Prozent aller Implementierungen das Einsparziel nicht erreichen (siehe Abbildung 139). Der entsprechende Anteil ist bei deutschen Unternehmen mit 43 Prozent etwas geringer. Ähnliches gilt, wenn die Einsparungen übertroffen wurden. Dort ist der Anteil der deutschen Unternehmen mit 10 Prozent kleiner als bei den US-amerikanischen (15 Prozent). Im Gegensatz dazu ist der Anteil der Implementierungen, bei denen exakt die geplanten Einsparungen realisiert werden können, mit 47 Prozent bei den deutschen Unternehmen größer als bei den US-amerikanischen (38 Prozent). Insgesamt zeigt sich somit, dass sowohl die Manager deutscher als auch US-amerikanischer Unternehmen Probleme haben, die möglichen Einsparziele korrekt einzuschätzen. Auch bzgl. der verschiedenen Anteile auf Funktionslevel, zeigt sich ein ähnliches Bild (siehe Abbildung 140). Bei allen Funktionen bis auf Callcenter und Finanz- & Rechnungswesen ist der Anteil der US-Implementierungen, bei denen das Ziel nicht erreicht wurde, größer als bei den deutschen Unternehmen. Die erwarteten Kosteneinsparungen werden bei der Funktion Forschung & Entwicklung am wenigsten oft erreicht.

184

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Unternehmen aus verschiedenen Erreichte Einsparungen beim OffshoLändern und ihre durch Offshoring ring im internationaler Vergleich erzielbaren Einsparungen

38%

USA

Spanien

30%

29%

Niederlande

Deutschland

Großbritannien

26%

23%

Eines der wichtigsten Ziele von Offshoring ist die Einsparung von Kosten. Die US-amerikanischen Unternehmen sind hier am erfolgreichsten. Sie sparen im Mittel 38 Prozent ihrer vergleichbaren Inlandskosten durch Offshoring ein. Mit einigem Abstand folgen spanische und niederländische Unternehmen (30 Prozent bzw. 29 Prozent). Die deutschen Unternehmen befinden sich mit 26 Prozent an vierter Stelle. Interessant sind die geringen Einsparmöglichkeiten bei britischen Unternehmen. Hier sollten die ähnliche Ausgangsbedingungen für Offshoring wie bei USamerikanischen auch zu vergleichbaren Einsparpotenzialen führen. Die mittleren Einsparungen sind aber bei britischen Unternehmen mit 23 Prozent wesentlich geringer.

Abb. 138. Internationaler Vergleich der erreichten Einsparungen in Prozent der Gesamtkosten

Einsparungsziel nicht erreicht

43%

Einsparungsziel erreicht Einsparungsziel übertroffen

46%

47% 10%

Deutsche Unternehmen (95)

39% 15%

US-amerikanische Unternehmen (242)

Abb. 139. Vergleich der erwarteten Einsparziele bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Hier haben die US-amerikanischen Unternehmen die größten Probleme, ihre Planungen umzusetzen. Bei nur 24 Prozent werden die geplanten Einsparungen erreicht und bei nur 12 Prozent übertroffen.

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen Einsparungen

Callcenter

nicht erreicht 57%

Finanz- & Rechnungswesen IT

50%

44%

Einsparungen

erreicht übertroffen 38% 5% 25%

25%

44%

nicht erreicht 41%

erreicht 47%

übertroffen 12%

37%

44%

19%

37%

50% 12%

Forschung & Entwicklung

36%

13% 64%

55%

24%

9%

Beschaffung

36%

185

12% 47%

57%

32%

21%

7%

Produktentwicklung Personalwesen

20%

80% 100% Deutsche Unternehmen (95)

33%

22%

47%

56%

20%

22%

US-amerikanische Unternehmen (242)

Abb. 140. Vergleich der erwarteten Einsparziele bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen je Funktion (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Jedoch gilt es zu beachten, dass in diesem Bereich das Einsparvolumen bei den US-amerikanischen Unternehmen mit 45 Prozent am größten ist (siehe Abbildung 137). Obwohl die ursprünglichen Erwartungen bei dieser Funktion oft nicht erreicht werden, sind die tatsächlich erreichten Einsparungen immer noch im Bereich der höchsten realisierten Einsparungen. Deutsche Manager sollten auch in Zukunft versuchen, das gesetzte Ziel so oft wie möglich zu erreichen. Die Qualität der erwarteten Kosteneinsparungen wird aber nicht nur durch den Anteil der Implementierungen, für die die Einsparungen erreicht bzw. nicht erreicht werden, bestimmt. Zusätzlich ist die Höhe der vorhandenen Abweichungen von Bedeutung. Planungen sind dann besonders unzureichend, wenn einerseits der Anteil der Implementierungen, die das Ziel nicht erreicht haben, signifikant ist und andererseits die Abweichungen vom Zielwert groß sind. Die durchschnittliche Abweichung bei nicht Erreichung der erwarteten Kosteneinsparungen ist bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen nahezu identisch (15 Prozent bzw. 14 Prozent). Anders ist die Situation, wenn die Einsparziele übertroffen werden. Hier übertreffen die deutschen Unternehmen im Mittel um 16 Prozent ihre Ziele, während es bei den US-amerikanischen nur 8 Prozent sind.

186

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Bezüglich der mittleren Abweichungen je Funktion zeigt sich ein stark unterschiedliches Bild (siehe Abbildung 141). Die größten Abweichungen (nicht Erreichung und Übertreffung des Ziels) zeigen sich bei den USamerikanischen Unternehmen in der Funktion Forschung & Entwicklung (minus 21 Prozent bzw. plus 17 Prozent). Dies ist konsistent mit der bereits vorher diskutierten Verteilung der Implementierungen (siehe Abbildung 140). Hier haben die US-amerikanischen Unternehmen offensichtlich das größte Problem, ihre Einsparungen richtig abzuschätzen. Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei den deutschen Unternehmen. Die größten Abweichungen existieren hier in der Funktion Produktentwicklung (minus 30 Prozent) und im Bereich Beschaffung (plus 20 Prozent). Auch bezüglich der Zeit, die die Unternehmen benötigen um die Einsparungen zu erreichen, zeigt sich die Planungsstärke der deutschen Unternehmen. Diese erreichen ihr Einsparziel innerhalb des ersten Halbjahres bei 45 Prozent aller Implementierungen und innerhalb des vollen ersten Jahres bei 73 Prozent (siehe Abbildung 142). Bei den US-amerikanischen Unternehmen sind die Anteile 24 bzw. 66 Prozent. Das bedeutet, dass die deutschen Unternehmen, ihre erwarteten Einsparungen im Mittel schneller erreichen. Einsparungen nicht erreicht Callcenter Finanz- & Rechnungswesen IT Forschung & Entwicklung Beschaffung Produktentwicklung Personalwesen

-12% -25% -16%

Einsparungen übertroffen 5% 15% 18%

-10%

10%

-14% -30% N/A Durchschnittl. geringere Einsparungen

20%

Einsparungen nicht erreicht -12%

Einsparungen übertroffen 6%

-16%

8%

-15%

7%

-21%

17%

-13%

7%

N/A

-11%

6%

N/A

-13%

Durchschnittl. zusätzliche Einsparungen

Deutsche Unternehmen (95)

Durchschnittl. geringere Einsparungen

10% Durchschnittl. zusätzliche Einsparungen

US-amerikanische Unternehmen (242)

Abb. 141. Vergleich der mittleren Abweichungen je Funktion zwischen geplanten und tatsächlichen Einsparungen bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Vergleich der Planungen mit den erreichten Ergebnissen

0 bis 1 Monat

2 bis 5 Monate

26%

19%

187

10%

14%

6 bis 12 Monate

28%

Mehr als 12 Monate

27%

Deutsche Unternehmen (120)

42%

34%

US-amerikanische Unternehmen (259)

Abb. 142. Vergleich der benötigten Zeit bis zum Erreichen der Einsparungen bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

8.3.2 Zielabweichungen beim Servicelevel Im Rahmen der Erfolgskontrolle ist neben der Überprüfung der erreichen Einsparungen die Kontrolle des erreichten Servicelevels für das Management entscheidend (siehe auch Kapitel 5). In der Regel steht erst nach einer gewissen Anlaufzeit die benötigte Funktionalität im vollen Umfang und mit einer entsprechenden Qualität zur Verfügung. Der Anteil der Unternehmen, die den erwarteten Servicelevel erreichen, ist bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen nahezu identisch (90 bzw. 89 Prozent, siehe Abbildung 143). Die deutschen Unternehmen erreichen bei 48 Prozent den erwarteten Servicelevel innerhalb von 5 Monaten (siehe Abbildung 144). Bei USamerikanischen Unternehmen ist dieser Anteil nur 33 Prozent. Bezogen auf das erste volle Jahr ergibt sich aber eine umgekehrte Reihenfolge. Bei den deutschen Unternehmen wächst der Anteil der Implementierungen, die den Ziellevel innerhalb von 12 Monaten erreicht haben, auf 74 Prozent, während er bei US-amerikanischen Unternehmen auf 81 Prozent steigt und somit den Wert der deutschen Unternehmen übertrifft. Von besonderer Bedeutung ist, dass deutsche Entscheider versuchen, den geplanten Servicelevel für alle Implementierungen im ersten Jahr zu erreichen. Aus den Ergebnissen ist es offensichtlich, dass ein erheblicher Teil der deutschen Unternehmen besonders erfolgreich bei der Planung und Vorbereitung ihrer ausländischen Implementierungen. Bedenkt man, dass die ty-

188

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

pische Projektlaufzeit für eine Verlagerung ins Ausland (von der Planung bis zur Umsetzung) meist mehr als ein Jahr beträgt, so ist der relativ hohe Anteil (26 Prozent) bei den Implementierungen, die bereits im ersten Monat den Ziellevel erreichen, bemerkenswert. Während sich die Implementierungen der deutschen Unternehmen in etwa gleichmäßig auf die verschiedenen Zeiträume verteilen, zeigt sich bei den US-amerikanischen ein deutliches Maximum für den Zeitraum 6 bis 12 Monate. Fast die Hälfte der US-amerikanischen Implementierungen benötigt diesen Zeitraum, um den erwarteten Service Level zu erreichen.

Geplanter Servicelevel erreicht

Geplanter Servicelevel nicht erreicht

90%

89%

10%

11%

Deutsche Unternehmen (126)

US-amerikanische Unternehmen (303)

Abb. 143. Vergleich der Erreichung des Servicelevels bei deutschen und USamerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

0 bis 1 Monat 2 bis 5 Monate

26% 22%

6 bis 12 Monate

26%

Mehr als 12 Monate

26%

Deutsche Unternehmen (114)

8% 25% 48% 19%

US-amerikanische Unternehmen (271)

Abb. 144. Vergleich des Zeitraums bis zur Erreichung des Servicelevels bei deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Zukünftige Entwicklung

189

8.3.3 Wichtige Erkenntnisse Die wesentlichen Erkenntnisse aus den vorangegangenen Abschnitten sind: 1. Die Einsparungen, die die US-amerikanischen Unternehmen erreichen, sind bei allen Funktionen größer als die der deutschen. Im Mittel erreichen sie Kosteneinsparungen von 38 Prozent, während es bei den deutschen nur 26 Prozent sind. Deutsche Entscheider sollten durch gezieltes Farshore-Offshoring versuchen, die Einsparungen zu erhöhen. 2. Dafür können die deutschen Unternehmen im Mittel die Einsparungen schneller realisieren als die US-amerikanischen. 3. Ebenso benötigen die deutschen Unternehmen in der Regel weniger Zeit, den erwarteten Servicelevel zu erreichen als die US-amerikanischen. Dies sollten deutsche Manager für alle Implementierungen versuchen zu erreichen.

8.4 Zukünftige Entwicklung Für die deutschen Unternehmen haben wir bereits in Kapitel 7.1 gezeigt, dass das größte Wachstum an neuen Implementierungen in den Funktionen Beschaffung und Finanz- & Rechnungswesen erwartet wird. Bei den USUnternehmen ist das Wachstum anders aufgeteilt (siehe auch Abbildung 145). Während bei den deutschen Unternehmen ein Wachstum der Offshoring-Implementierungen, um 34 Prozent erwartet wird, beträgt dieses bei den US-amerikanischen 48 Prozent (siehe Abbildung 145). Deutsche Manager sollten unerschlossene Potenziale von Verlagerungen ins Ausland verstärkt nutzen. Das Wachstum wird bei den US-amerikanischen Unternehmen insbesondere durch die Funktionen IT (Wachstum von 12 Prozent) und Callcenter (Wachstum von 9 Prozent) getrieben. Beide Funktionen repräsentieren mehr als die Hälfte der bereits heute existierenden Implementierungen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass auch diese wesentlich zum Wachstum beitragen. Vergleicht man aber das Wachstum mit dem von deutschen Unternehmen, so zeigen sich klare Unterschiede. In Deutschland tragen die Funktionen IT und Callcenter nur mit 26 Prozent zum Wachstum bei, während es bei den US-amerikanischen 44 Prozent ist. Das bedeutet, dass deutsche Unternehmen in den klassischen OffshoringFunktionen signifikant langsamer wachsen. Insbesondere im Bereich der

190

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

IT ist der Unterschied eklatant. Hier beträgt das Wachstum bei den deutschen Unternehmen 4 Prozent und bei den US-amerikanischen 12 Prozent. Das drittgrößte Wachstum beobachtet man bei den US-amerikanischen Unternehmen in der Funktion Finanz- & Rechnungswesen (Wachstum von 8 Prozent). Hier ist das Wachstum identisch mit dem der deutschen Unternehmen. Im Gegensatz zu Deutschland wächst die Beschaffung mit 4 Prozent relativ langsam (deutsche Unternehmen mit einem Wachstum von 10 Prozent). Die übrigen Funktionen zeigen ein ähnliches Verhalten wie bei den deutschen Unternehmen. Neben dem Start von neuen Offshoring-Implementierungen ist insbesondere von Interesse, wie sich die existierenden Implementierungen im Ausland entwickeln und ob Manager planen, sie auszuweiten. Dies ist im Allgemeinen auch ein Zeichen dafür, dass die ausländische Erbringung dort besonders erfolgreich ist. Im Mittel plant das deutsche Unternehmensmanagement, 45 Prozent seiner existierenden ausländischen Implementierungen zu erweitern (siehe Abbildung 146). Bei den US-amerikanischen sind es 42 Prozent. Bezüglich einzelner Funktionen zeigen sich aber erhebliche Unterschiede. Deutsche Unternehmen (178)

US-amerikanische Unternehmen (448) 3%

Zuwachs Implem. 34% 2% 8% 9% 12%

10% 17%

Zuwachs Implem. 48% 5%

22% 19%

16%

6% 15%

10% 9%

Personalwesen Produktentwicklung

23%

Finanz- & Rechnungswesen

13%

Beschaffung

18%

Forschung & Entwicklung

30%

Callcenter

45%

IT

9% 12%

21% 16%

37% Heute implementierte Funktionen

21% 42%

32%

Heute Zukünftig implementierte implementierte Funktionen Funktionen

Zukünftig implementierte Funktionen

Abb. 145. Vergleich der Wachstumsraten je Funktion bei deutschen und USamerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

Hintergrund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede

191

Während bei den deutschen Unternehmen insbesondere die IT (64 Prozent) ausgeweitet werden sollen, sind es bei US-amerikanischen die Produktentwicklung (54 Prozent) und die Beschaffung (49 Prozent). Darüber planen die US-amerikanischen Unternehmen lediglich für 1 Prozent der Implementierungen eine Rückverlagerung in das Heimatland. Bei den deutschen Unternehmen ist der entsprechende Anteil mit 5 Prozent noch begrenzt, aber bereits wesentlich größer. Die deutschen Manager haben hier erkannt, dass beispielsweise bei der Funktion Callcenter eklatante Nachteile auf Grund der sprachlichen Differenzen gegenüber den USamerikanischen Verlagerungen vorhanden sind. IT Produktentwicklung

54%

42%

Callcenter

38%

Beschaffung

38%

Finanz- & Rechnungswesen

33%

Forschung & Entwicklung Personalwesen

47%

64%

23%

40% 49% 31% 33% 27%

0%

Deutsche Unternehmen (154)

US-amerikanische Unternehmen (448)

Abb. 146. Vergleich der Ausweitung der existierenden Offshoring-Implementierungen zwischen deutschen und US-amerikanischen Unternehmen (basierend auf der in Klammern angegebenen Anzahl an Offshoring-Implementierungen)

8.5 Hintergrund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede Die vorgestellten Untersuchungen zeigen, dass viele Phänomene im Bereich des Offshorings für US-amerikanische Unternehmen und deutsche Unternehmen ähnlich sind. So werden beispielsweise in beiden Gruppen am häufigsten die IT- und Callcenter-Tätigkeiten ausgelagert. Hauptmotivation dabei ist meist die Möglichkeit, signifikante Kostenvorteile zu erzielen.

192

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

Unterschiede werden insbesondere bei der Länderwahl offensichtlich. Bei den US-amerikanischen Unternehmen dominiert die Region Asien. Die deutschen Unternehmen haben ein wesentlich stärkeres Verlagerungsaufkommen in den Nearshore-Regionen Ost- und Westeuropas. Die wichtigsten Gründe für die unterschiedlichen Entscheidungen deutscher und US-amerikanischer Manager sind: x Professionalisierung und Erfahrung mit der ausländischen Erbringung. Im Vergleich zu US-amerikanischen Managern haben viele deutsche Manager noch nicht entsprechend umfangreiche Erfahrungen mit der ausländischen Erbringung. Das spiegelt sich insbesondere bei den niedrigeren Einsparungen wider. Ursache für diesen Unterschied ist die Etablierung von Offshoring in den USA. Während die deutschen Unternehmen erst seit den 90er Jahren begonnen haben, unterstützende Tätigkeiten ins Ausland zu verlagern, haben die US-amerikanischen Unternehmen damit ungefähr zehn Jahre früher begonnen. Dementsprechend mehr Erfahrung besitzen die Manager dieser Unternehmen. x Unternehmerisches Risiko. Bezüglich der Frage, welche Tätigkeiten ins Ausland verlagert werden können, sind die US-amerikanischen Unternehmen häufig innovativer. Während das deutsche Unternehmensmanagement zunächst die Erfahrungen von anderen abwartet, wird bei USamerikanischen Unternehmen häufig eine Verlagerung auch dann durchgeführt, wenn diesbezüglich noch keine Erfahrungen vorliegen. Damit verbunden ist einerseits die Aussicht auf höhere Kostenvorteile gegenüber Konkurrenten und andererseits ein erhöhtes Risiko, mit der Verlagerung nicht erfolgreich zu sein. Die Ursache für diese unterschiedliche Risikobereitschaft liegt in der Mentalität. Während nicht erfolgreiche Projekte in Deutschland häufig mit dem negativen Bild des Scheiterns in Verbindung gebracht werden, sind diese Aktivitäten in den USA Teil eines unvermeidlichen Lernprozesses. x Gesellschaftliche und politische Zwänge. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland ist häufig mit Jobverlusten im Heimatland verbunden. Die damit einhergehende politische Diskussion ist in Westeuropa und insbesondere in Deutschland stark ausgeprägt und hat zu Protektionismus-Tendenzen geführt. Für deutsche Unternehmen wird es daher auf absehbare Zeit schwieriger bleiben, Arbeitsplätze im großen Umfang ins Ausland zu verlagern und diese gleichzeitig in Deutschland abzubauen. x Sprachliches und politisches Umfeld innerhalb der europäischen Union. Mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur EU ist eine Sondersituation für deutsche Unternehmen entstanden. Osteuropäische Staaten stellen eine stabile und interessante Offshoring-Region in unmittelbarer

Hintergrund der Gemeinsamkeiten und Unterschiede

193

Nähe dar. Gleichzeitig sind jedoch die Kostenvorteile geringer als in den asiatischen Ländern. Zusätzlich ist auch in Osteuropa mit starken Kostenanstiegen in der Zukunft zu rechnen. Zukünftige Entwicklung. Eine Annäherung der deutschen Unternehmen an das Offshoring-Verhalten von US-amerikanischen ist zu erwarten. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Outsourcing-Anteil weiter steigen wird. In Deutschland wird das Potenzial von Offshoring bisher nur unzureichend von mittelständischen Unternehmen genutzt. Für diese ist eine eigene Implementierung in vielen Fällen nur zu prohibitiv hohen Kosten möglich. Speziell diese Unternehmen werden bei zukünftigen Implementierungen auf externe Anbieter zurückgreifen. Erfolgt eine Anpassung an die Bedürfnisse der mittelständischen Unternehmen durch die ausländischen Dienstleister, so kann dort ein enormes Potenzial für eine externe Erbringung adressiert werden. Durch dieses Wachstum gewinnt das Thema Offshoring insgesamt an Bedeutung. Ob ein ähnlich hoher Outsourcing-Anteil wie bei US-amerikanischen Unternehmen erreicht werden wird, bleibt an dieser Stelle unbeantwortet. Ähnlich wie beim Erbringungsmodus ist davon auszugehen, dass sich auch die Anteile der verlagerten Funktionen größtenteils den USamerikanischen Verhältnissen annähern werden. Heute sind bei den deutschen Unternehmen die Verlagerungsaktivitäten von IT noch sehr stark ausgeprägt. Langfristig werden aber andere Bereiche an Bedeutung gewinnen. Nur die Funktion Callcenter wird sich langfristig anders verhalten. Hier ist für deutsche Unternehmen das mangelnde deutschsprachige Personal an den Offshoring-Standorten auch in Zukunft ein limitierender Faktor. Damit wird der Callcenter Anteil bei deutschen Unternehmen auch in Zukunft hinter dem der US-amerikanischen liegen. Bezüglich der Wahl der bevorzugten Offshoring-Regionen werden permanent Unterschiede existieren. Die deutschen Unternehmen haben mit den osteuropäischen Ländern einige interessante Nearshore-OffshoringStandorte direkt vor der Haustüre. In diesen Ländern ist die Leistungserbringung derzeit weniger professionalisiert als in Indien. Es ist jedoch zu erwarten, dass auch in den nächsten Jahren die Qualität der OffshoringServices in osteuropäischen Ländern steigen wird. Die aus den Verlagerungen resultierenden Einsparungen werden in Zukunft in etwa konstant bleiben. Auf der einen Seite führt die stetig voranschreitende technische Entwicklung und Standardisierung zu neuen erzielbaren Skaleneffekten. Auf der anderen Seite steigen die Löhne und Gehälter an den Offshoring-Standorten kontinuierlich an. Damit werden die Effizienzvorteile durch steigende Lohnkosten kompensiert. Insgesamt

194

Unterschiede von deutschen und US-amerikanischen Unternehmen

werden sich beide Effekte in etwa die Waage halten, was zu konstanten Einsparpotenzialen führt. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass die deutschen Unternehmen bei den Einsparungen langfristig hinter den US-amerikanischen zurückbleiben. Die Einsparungen sind bei den deutschen Unternehmen durch die bevorzugte Verlagerung nach Osteuropa begrenzt. Mit dem zunehmenden Offshoring-Wissen der Unternehmen und der kontinuierlich steigenden Professionalität der Service Provider wird sich die Umsetzung von Verlagerungen in Zukunft vereinfachen. Beide konnten durch die in der Vergangenheit durchgeführten Verlagerungen wertvolle Erfahrungen sammeln und damit umfangreiches Offshoring-Know-how aufbauen. Dies ermöglicht es den Unternehmen, in Zukunft die Zeit bis zum Erreichen des erwarteten Servicelevels bzw. bis zum Erreichen der geplanten Einsparungen weiter zu verkürzen. Insbesondere wird auch der Anteil der Unternehmen, die ihre Service- bzw. Einsparziele nicht erreichen, bei deutschen und auch US-amerikanischen Unternehmen weiter zurückgehen. Zusammen mit dem Aufbau des Offshoring-Know-hows können die Unternehmen auch ihre Planungsfähigkeiten verbessern. Damit können die teilweise erheblichen Diskrepanzen zwischen geplanten und tatsächlich erreichten Kosteneinsparungen in Zukunft vermieden oder zumindest reduziert werden. Wie Abbildung 127 gezeigt hat, ist der Anteil der Unternehmen, die bereits heute Offshoring-Aktivitäten besitzen, bei deutschen und USamerikanischen Unternehmen in etwa gleich groß. Im Gegensatz dazu unterscheidet sich der für die Zukunft prognostizierte Wachstum erheblich. Während bei den deutschen Unternehmen bis Ende 2007 zu den existierenden Implementierungen ein weiteres Drittel (34 Prozent) hinzukommen wird, sind es bei den US-amerikanischen Unternehmen 48 Prozent. Damit wird der Anteil der Unternehmen mit Offshoring-Implementierungen bei den US-amerikanischen Unternehmen in Zukunft überwiegen. Sobald Service Provider speziell auf den Mittelstand zugeschnittene Leistungen anbieten, wird das Wachstum bei den deutschen Unternehmen auf das US-amerikanische Niveau ansteigen.

9 Ausblick

Nach der ausführlichen Diskussion des Phänomens Offshoring ist die Frage zu stellen, welche langfristigen Auswirkungen Offshoring auf die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft hat. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Offshoring nur der Vorreiter für wesentlich umfassendere Veränderungen in Unternehmen ist. Diese Veränderungen basieren auf den folgenden drei großen Strömungen (Lewin, 2005): x Die Unternehmensprozesse werden noch stärker standardisiert und sind unternehmensunabhängig einsetzbar, x es entstehen hybride intermediäre Organisationsformen und x die Service Provider erbringen immer größere Teile der Wertschöpfungskette. Wie bereits in Kapitel 2.1 erläutert wurde, war die Standardisierung von Prozessen eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Offshorings. Diese Standardisierung wird sich in Zukunft fortsetzen. In der Vergangenheit war ein Großteil der Prozesse unternehmensindividuell gestaltet. Dies erforderte spezielles Know-how und eine darauf abgestimmte Organisationsstruktur. Damit war es zunächst schwierig, diese Leistungen durch externe Anbieter erbringen zu lassen. Heute sind viele Prozesse zu „Standardware“ geworden und werden von vielen Unternehmen auf eine ähnliche Art und Weise durchgeführt. Durch die Erbringung gleicher Leistungen für mehrere Unternehmen können wesentliche Einsparpotenziale erzielt werden. Damit ist die Erbringung dieser Prozesse durch einen externen Service Provider wesentlich interessanter geworden. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen. Die Unternehmen werden sich noch stärker von Nicht-Kernprozessen trennen. Dazu müssen sie unternehmensspezifisches Wissen an die Drittanbieter weitergeben und eine entsprechende Organisationsstruktur schaffen. Von dieser Veränderung der Unternehmensprozesse profitieren nicht nur internationale Konzerne, sondern speziell auch kleine und mittlere Unternehmen. Während in der Vergangenheit Verlagerungen ins Ausland häufig nur von Großkonzernen auf Grund der benötigten finanziellen Res-

196

Ausblick

sourcen durchgeführt werden konnten, hatten kleinere Unternehmen kaum Möglichkeiten, durch Offshoring Wettbewerbsvorteile zu generieren. Die Erbringung von entsprechend kleinen Volumina rechtfertigte auf Grund fehlender Skaleneffekte keine Verlagerung ins Ausland. Durch zunehmendes Wachstum der ausländischen Erbringungsform entwickelt sich ein Massenmarkt, von dem auch kleinere Unternehmen ihre benötigten Dienstleistungen zu attraktiven Preisen beziehen können. Damit können auch kleinere Unternehmen von den Möglichkeiten einer globalen Funktionserbringung profitieren. Gleichzeitig wird für die Service Provider eine neue Kundengruppe erschlossen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Anteil der externen Leistungserbringung seit dem Jahr 2001 kontinuierlich zugenommen hat (siehe Kapitel 7.3). Bis Ende 2007 wird ein Anstieg auf 28 Prozent erwartet. Es ist davon auszugehen, dass der Anteil in den nächsten Jahren auch weiter steigen wird. Damit wird es für die Unternehmen immer wichtiger, Organisationsstrukturen zu schaffen, die eine möglichst effiziente Einbindung externer Anbieter ermöglichen. Dies erreichen sie durch besonders flexible und anpassungsfähige Organisationsformen. Es entstehen neue Organisationsformen, in denen ganze Unternehmen oder Unternehmensteile als Intermediäre auftreten. Deren Kernkompetenz besteht in einer möglichst effizienten und effektiven Koordination bzw. Steuerung der einzelnen vernetzten Partner. Dabei entstehen neue Governance-Strukturen, die Mischmodelle bereits bekannter Strukturen sind. Ansätze hierzu gibt es bereits. Beispielsweise werden bei Build-Operate-Transfer Modellen die Leistungen zunächst von einem externen Dienstleister erbracht (Built-Operate). Langfristig hat das Partnerunternehmen aber die Möglichkeit, die Einheit unter bestimmten Bedingungen zu übernehmen (Transfer). Eine andere mögliche Form ist die Erbringung von Funktionen zusammen mit einem Partnerunternehmen. Hat ein Unternehmen seine Auslastungsgrenze erreicht, so kann ein Partner die Ressourcenengpässe zu Spitzenzeiten abdecken. Erste Beispiele existieren bereits im Bereich des Finanz- und Rechnungswesen. Bei der Erstellung der Jahresbilanzen treten am Ende eines Fiskaljahres immer wieder erhebliche Engpässe auf. Diese können durch die zeitlich begrenzte Einbindung von externen Ressourcen zumindest teilweise überwunden werden. Die Vernetzung mit externern Partner stellt aber auch neue Herausforderungen an die Steuerung der Unternehmen. Wie die Analysen im Kapitel 4.4 gezeigt haben, beinhalten heutige Verlagerungen bereits erhebliche Komplexität. Mit der skizzierten Vernetzung wird die Komplexität noch weiter steigen. Die Unternehmen müssen daher geeignete Managementinstrumente entwickeln, um die Komplexität beherrschbar zu machen. Beispielsweise müssen Unternehmen Regeln für ihre Netzwerke definieren,

Ausblick

197

die nicht nur innerhalb des jeweiligen Unternehmens, sondern auch für die Partner gültig sind. Im Zuge der voranschreitenden Vernetzung werden externe Service Provider nicht mehr nur einfache Dienstleistungen erbringen. Bisher werden die meisten Anbieter in den Billiglohnländern noch wegen ihrer kostengünstigen Ressourcen genutzt. Durch die ständige Verbesserung der Bildungssysteme in den Offshoring-Ländern und die zunehmende Professionalisierung der Anbieter werden die Serviceprovider kontinuierlich ihr Produktportfolio ausbauen und verstärkt höherwertige Tätigkeiten wie beispielsweise die Analyse von Röntgenbildern, die Übersetzung bzw. Überarbeitung von medizinischen Texten oder redaktionelle Tätigkeiten für Nachrichtenagenturen anbieten. Aber auch bei den etablierten Offshoring-Aktivitäten wie beispielsweise Softwareentwicklung stehen Veränderungen an. In Zukunft werden etablierte Unternehmen wie IBM, EDS, Accenture im unmittelbaren Wettbewerb mit Offshoring-Anbietern wie Wipro oder Tata stehen. Einige indische Offshoring-Anbieter sind bereits heute unternehmerische „Schwergewichte“. So betrug beispielsweise der Umsatz der Tata Consultancy Services im Jahr 2006 2,3 Mrd. EUR (Tata Consultancy Services, 2006). Die Leistungsbezieher profitieren von dieser Entwicklung und können sich dadurch stärker auf die eigenen Kerntätigkeiten konzentrieren. Die genannten Veränderungen stellen die Unternehmen vor neue Herausforderungen. Um in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen die Entscheider in Unternehmen etablierte Strukturen aufbrechen und neue Fähigkeiten entwickeln (Couto et al., 2006). Einer der entscheidenden Punkte ist die Fähigkeit, die Ressourcen eines Unternehmens global zu managen. Je nach Bedarf müssen die Unternehmen in den verschiedenen Regionen dieser Welt auf einen Pool von Mitarbeitern zugreifen können. Dazu benötigen sie die Fähigkeit, neue Mitarbeiter weltweit zu rekrutieren und existierende Mitarbeiter möglichst effektiv einzusetzen. War es für Führungskräfte in der Vergangenheit eine wesentliche Aufgabe, zu entscheiden, welches vor Ort ansässige Team am besten eine bestimmte Tätigkeit durchführt, so müssen sie in Zukunft entscheiden, wo auf dem Globus gerade Ressourcen bereit stehen. Diese Fähigkeit, die Ressourcen global zu managen, muss aufgebaut werden und eingesetzt werden können. Entscheider müssen beispielsweise verstehen, wie die Gehaltsstrukturen in anderen Ländern funktionieren, wie die Teams vor Ort möglichst effizient arbeiten oder wie die lokale Infrastruktur gestaltet ist. Unternehmen müssen lernen, etablierte regionale Grenzen abzubauen. Bei vielen Unternehmen werden die geographischen Wurzeln in Zukunft verschwinden. Heute spricht man noch von deutschen oder US-amerikanischen Unternehmen. In Zukunft wird man sie als globale Unternehmen be-

198

Ausblick

zeichnen. Der Grund hierfür ist aber nicht, dass sie weltweit ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten, sondern dass die Erstellung dieser in verschiedenen Ländern erfolgt. Einige Start-Ups wie beispielsweise das Software-Unternehmen Ketera haben bereits seit ihrer Gründung konsequent auf den Einsatz von Offshoring-Mitarbeitern gesetzt (Kenney u. Dossani, 2005). So arbeitet die Hälfte aller 150 Mitarbeiter in Bangalore. Solche Unternehmen überspringen die typische Entwicklungsschritte eines Unternehmens und sind von Anfang an international tätig. Diese Unternehmen sind so genannte „born global“ Unternehmen. Abschließend gilt es festzuhalten, dass durch die fortschreitende Standardisierung, durch die Veränderung der Organisationsform und durch die verstärkte Fokussierung auf die Kernprozesse die Verlagerung ins Ausland an Bedeutung gewinnen wird. Insbesondere die externe Leistungserbringung wird durch die Konzentration der Unternehmen auf deren vorhandenes, spezifisches Know-how und den damit verbundenen Kernprozessen starkes Wachstum erfahren. Dadurch werden auch nicht für den Kernprozess relevante höherwertige Tätigkeiten vermehrt verlagert.

Anhang

A

Information zur Forschungsstudie

Um ein gesamtheitliches Verständnis über das Offshoring-Verhalten von deutschen Unternehmen zu bekommen, wurden im Rahmen der Studie nicht nur Unternehmen befragt, die bereits heute Offshoring durchführen oder es planen, sondern auch Unternehmen, die sich bewusst dagegen entschieden haben oder sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Dadurch lassen sich auch die Hemmnisse bzw. Barrieren für die Verlagerung ins Ausland analysieren. Dies differenziert dieses Buch von bereits existierenden Untersuchungen. Häufig sind diese bei ihren Analysen ausschließlich auf Unternehmen fokussiert, die bereits Offshoring durchführen (siehe z.B. Deloitte Research, 2005; PriceWaterhouseCoopers, 2005; siehe z.B. Schaaf, 2004). Basierend auf der aktuellen Situation der ausländischen Funktionserbringung werden die Unternehmen in fünf Gruppen eingeteilt: x Unternehmen, die bereits heute ihre unterstützenden Funktionen ganz oder teilweise im Ausland erbringen, x Unternehmen, die bisher ihre unterstützenden Funktionen nicht im Ausland erbringen, aber die zukünftige ausländische Erbringung bereits konkret planen, x Unternehmen, die bisher ihre unterstützenden Funktionen nicht im Ausland erbringen, aber die zukünftige ausländische Erbringung in Betracht ziehen, x Unternehmen, die ihre unterstützenden Funktionen nicht im Ausland erbringen und sich bewusst gegen eine ausländische Erbringung entschieden haben und x Unternehmen, die bisher ihre unterstützenden Funktionen nicht im Ausland erbringen und sich bisher noch nicht mit dem Thema einer ausländischen Erbringung auseinandergesetzt haben.

200

Anhang

Für jede Gruppe enthält die Studie eine eigene Zusammenstellung von Fragen, die auf die individuelle Situation des Unternehmens eingehen. So sind beispielsweise Fragen zu Ablehnungsgründen von Offshoring nur für Unternehmen interessant, die Offshoring auch tatsächlich ablehnen. Dabei werden im Wesentlichen folgende Bereiche abgedeckt: 1. Aktueller Stand der ausländischen Funktionserbringung (Werden derzeit unterstützende Funktionen im Ausland erbracht oder ist deren Erbringung geplant? Wo werden welche Funktionen in welchem Umfang erbracht? Mit welchem Governance Modell? etc.) 2. Einflussfaktoren auf die Entscheidung über die Funktionserbringung (Motivationsfaktoren, Risikofaktoren und Hindernisse etc.) 3. Planung und Realisierung der Funktionserbringung (erwartete bzw. realisierte Einsparungen, Zeitdauer bis zur Erreichung der Kosteneinsparungen, Zeitdauer bis zur Erreichung des Ziel-Servicelevels etc.) 4. Weitere Planung der Funktionserbringung (Start neuer Funktionen im Ausland, Rückverlagerung nach Deutschland, Ausdehnung innerhalb von Deutschland etc.) Mit diesem umfangreichen Datenmaterial können sowohl die aktuellen bzw. geplanten Offshoring-Aktivitäten als auch die dazugehörigen Einflussfaktoren untersucht werden. Angesprochen zur Teilnahme an der Studie wurden die 500 größten Unternehmen Deutschlands nach Umsatz (basierend auf dem Ranking der Tageszeitung Welt aus dem Jahr 2004) und weitere, die explizit Interesse an der Studienteilnahme bekundet haben. Um qualitativ hochwertige Ergebnisse und eine hohe Teilnehmerquote sicherzustellen, wurde auf eine „blinde“ schriftliche Massenansprache der Unternehmen verzichtet. Stattdessen wurden die Unternehmen in einem zweistufigen Prozess angesprochen. Zunächst wurden die geeigneten Ansprechpartner im jeweiligen Unternehmen ermittelt (telefonisch oder per Email) und dann wurden diese in einem zweiten Schritt zur Studie eingeladen. Dieser Ansatz hat sich mit einer hohen Rücklaufquote von 26 Prozent bewährt. Die Angaben aus dem Fragebogen wurden für verschiedene Analysen mit Daten aus Sekundärquellen ergänzt. Da es sich dabei teilweise um wettbewerbssensible Informationen handelt, konnten für einzelne Unternehmen die Daten nicht vollständig erhoben werden (Umsatzzahlen bei nicht publizitätspflichtigen Unternehmen sind teilweise nicht verfügbar bzw. beruhen auf Schätzungen). Abbildung 147 zeigt beispielsweise die Verteilung der teilnehmenden Unternehmen nach Umsatz. Hier ist anzumerken, dass eine Klassifizierung von Banken und Versicherungen nach Umsatz theoretisch möglich, aber nicht zielführend ist. Aus diesem Grund

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wurde bei Banken und Versicherungen auf eine Erhebung der Umsatzzahlen verzichtet. 35%

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Abb. 147. Verteilung der teilnehmenden Unternehmen nach Umsatz (in Mio. EUR, basierend auf den Angaben von 92 Unternehmen)

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Detaillierte Erläuterung der Einflussgrößen bei der Offshoring-Entscheidung: x Abhängigkeit soll vermieden werden. Bei einer externen Erbringung kann auf akute Problemfelder nicht spontan (beispielsweise durch sofortige Übernahme des mangelhaften externen Prozess) reagiert werden. Im Allgemeinen stehen die benötigten Ressourcen im eigenen Unternehmen nur erheblich zeitversetzt zur Verfügung. Damit sind die Einflussmöglichkeiten auf den externen Leistungserbringer begrenzt und es kann eine Abhängigkeit von diesem entstehen. x Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Leistungserbringung. Eine anpassungsfähige und flexible Leistungserbringung bringt umfassende Vorteile mit sich, wie beispielsweise eine schnelle Reaktion auf erforderliche Änderungen, eine Erhöhung der Qualität durch Skaleneffekte und eine flexible Anpassung auf unterschiedliche Auslastungen. Vor allem durch Skaleneffekte, wie beispielsweise durch eine weltweite Bün-

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delung der unterstützenden Funktion, kann oft auch eine Senkung der Kosten erreicht werden. Leider können jedoch auch negative Effekte eintreten. Wird eine Einheit verlagert, so sinkt meist die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität dieser Einheit. Es müssen formale Prozesse zur Abstimmung eingehalten werden. Insbesondere wenn ein externer Dienstleister involviert ist, können kleine Änderungen nicht mehr so schnell umgesetzt werden (z.B. müssen diese Änderungen erst in verschiedenen Gremien abgestimmt werden). Auslastung durch umfangreiche Projekte. Häufig dominieren umfangreiche Projekte (z.B. Akquisitionen oder Fusionen) die Prioritätenliste von hoch qualifizierten Mitarbeitern. Diese besitzen dann häufig keine Zeit, sich mit anderen Themen, wie beispielsweise Offshoring, auseinanderzusetzen. Bedenken bezüglich Datenaustausch / -integration mit Dritten - Bei der externen Leistungserbringung müssen die im Zuge der Leistungserbringung generierten Daten über digitale Kommunikationswege und Schnittstellen mit dem Auftraggeber ausgetauscht werden. Die damit zwingend erforderliche Integration eines Drittanbieters erzeugt häufig Probleme. Da innerhalb eines Unternehmens in der Regel die gleichen oder zumindest kompatible Systeme auch am Offshoring-Standort verwendet werden, ist die Anbindung einer internen Offshoring-Einheit deutlich einfacher. Beeinträchtigung der Mitarbeitermotivation. Ankündigungen über bevorstehende Verlagerungen ins Ausland werden von vielen Mitarbeitern häufig mit einem drohenden Jobverlust gleichgesetzt. Die damit einhergehende Frustration lässt die Mitarbeitermotivation sinken, was sich letztendlich negativ auf die Produktivität auswirkt. Von dem Produktivitätsrückgang sind dabei nicht nur einzelne Bereiche bzw. Abteilungen betroffen, sondern meist ganze Unternehmen. Betriebskosten. Häufig sind die geringeren Lohnkosten im potentiellen Offshoring-Land der wichtigste Motivationsfaktor für die Verlagerung ins Ausland. Sehr oft sind sie der Hauptgrund, dass eine kostengünstigere Leistungserbringung möglich wird. In der Vergangenheit wurde leider häufig der Fehler begangen, dass der komplette Lohnkostenvorteil als tatsächliches Einsparpotenzial angesehen wurde. In der Realität müssen jedoch die Gesamtkosten betrachtet werden. Somit müssen auch sämtliche Betriebskosten in die Betrachtung mit einfließen. Dazu gehören beispielsweise auch die höheren Transaktionskosten. Bestehende Geschäftserfahrungen im Land der Erbringung. Besitzt ein Unternehmen bereits (positive oder negative) Erfahrungen mit Geschäftsaktivitäten in einem bestimmten Offshoring-Land, so wird es die-

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se bei der Entscheidung für eine zukünftige Erbringung mit einfließen lassen. Diese Geschäftsaktivitäten müssen dabei nicht zwangsweise im unmittelbaren Zusammenhang mit der Funktionserbringung stehen. Bereits einfache Geschäfte mit lokalen Unternehmen (z.B. Zulieferern) ermöglichen es, mögliche Probleme durch kulturelle Differenzen abzuschätzen. Effizienz beim Datenaustausch / -integration. Die Ineffizienzen beim Datenaustausch bzw. bei der Datenintegration lassen sich in drei Kategorien klassifizieren: die Daten sind nicht vollständig, nicht schnell genug oder nicht in einem standardisierten Format verfügbar. Während die resultierende Ineffizienz aus den ersten beiden Punkten offensichtlich und damit leicht adressierbar ist, ist die Behebung im letzten Fall nicht trivial. Häufig stehen alle Daten (in digitaler Form) zur Verfügung, aber der automatische Datenaustausch ist nicht entsprechend implementiert. Das klassische Beispiel ist eine Datenanfrage, die nicht direkt an eine Datenbank adressiert wird, sondern an einen Sachbearbeiter. Dieser führt dann die entsprechende Abfrage manuell durch und versendet die Daten per Email. Erfahrung mit ausländischer Funktionserbringung. Auch wenn Unternehmen prinzipiell die Fähigkeiten zum Management einer ausländischen Einheit besitzen, so Bedarf es einiger erfahrener Mitarbeiter. Insbesondere bei unerwarteten Problemen reicht standardisiertes Wissen nicht aus, sondern man benötigt umfangreiche Erfahrung. Diese kann beispielsweise durch einen unternehmensweiten Austausch von Mitarbeitern oder das strukturierte Erfassen von Erfahrungsberichten in den verschiedenen Abteilungen aufgebaut werden. Eng verknüpft mit der generellen Erfahrung mit der ausländischer Funktionserbringung ist die Fähigkeit, die Funktionserbringung im Ausland umzusetzen. Erfahrung mit der internen Erbringung. Über die letzen Jahre hinweg haben viele Unternehmen mit der internen Erbringung von unterstützenden Funktionen positive Erfahrungen gemacht. Im Gegensatz zu den immer wieder in der Presse genannten Problemen beim Outsourcing (Computerwoche, 2006), läuft die unternehmensinterne Erbringung meist reibungslos. Erfahrung mit externen Leistungserbringern. Viele Unternehmen haben meistens bereits in anderen Bereichen Erfahrungen mit externen Leistungserbringern gemacht. Oft bleiben negative Erfahrungen länger in Erinnerung und sorgen für Skepsis bei zukünftigen Aktivitäten. Dabei sind aber die verschiedenen Quellen der Erfahrungen und vor allem deren Anwendbarkeit für die geplante Verlagerung genau zu beachten. In den meisten Fällen wurden die negativen Erfahrungen in einem anderen

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Bereich des Unternehmens gemacht. Nur in Ausnahmesituationen liegen schon Erfahrungen mit derselben unterstützenden Funktion vor. Es gilt zu beachten, dass in anderen Bereichen gemachte Erfahrungen nur teilweise auch auf andere unterstützende Funktionen übertragbar sind. Erhöhung der Ausfallsicherheit durch Systemredundanz. Die ständige Weiterentwicklung der IT und Kommunikation bringt immer wieder neue Lösungen bezüglich der Verfügbarkeit und Sicherheit der ITSysteme und Netze auf den Markt. Physikalische und logische Redundanzen sowohl innerhalb der Kommunikationsnetze als auch bei den ITSystemen sorgen für eine steigende Stabilität beim Datenaustausch zwischen verschiedenen Interaktionspartnern. In absehbarer Zukunft wird die interkontinentale Kommunikation über eine ähnliche Ausfallsicherheit wie unternehmensinterne Netze und Systeme innerhalb eines Standortes verfügen. Erschließung von Kostensenkungspotenzialen. Durch Offshoring können die Gesamtkosten der Leistungserbringung gesenkt werden. Dies spiegelt sich im Faktor Kostensenkungspotenzial wieder. Demgegenüber ist das Risiko eines verdeckten Kostenanstiegs (siehe Faktor verdeckter Kostenanstieg) einer der wichtigsten Gründe gegen Offshoring. Fachliche Kompetenz im Land der Erbringung. Eine wichtige Voraussetzung für den Betrieb im Zielland ist, dass vor Ort genügend Mitarbeiter mit einer entsprechenden Qualifikation und Expertise zur Verfügung stehen. Während bis vor wenigen Jahren in Ländern wie Indien ausreichend Fachkräfte vorhanden waren, ist die Verfügbarkeit von spezialisierten Mitarbeitern heute in einigen Ländern bereits ein Problem. In Indien ist beispielsweise die Fluktuationsrate auf Grund der hohen Nachfrage nach IT-Spezialisten inzwischen auf 15 bis 30 Prozent gestiegen (Schaaf, 2005). Für die Unternehmen wird es daher schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden und insbesondere diese auch zu halten. Fähigkeit, die Funktionserbringung im Ausland umzusetzen. Insbesondere für Unternehmen, die das erste Mal eine ausländische Einheit implementieren, ist die Verlagerung ein sehr komplexes Projekt. Die dafür benötigten Fähigkeiten müssen häufig erst durch die Rekrutierung von entsprechenden Mitarbeitern erworben werden. Zusätzlich zu der Einstellung von externen Experten müssen interne Ressourcen rechtzeitig geschult und die Prozesse für die zukünftige ausländische Erbringung vorbereitet werden. Hat ein Unternehmen diesen Vorgang schon einmal in einem anderen Bereich durchlaufen, so besitzt es Vorteile gegenüber anderen Unternehmen.

Einflussgrößen bei der Offshoring-Entscheidung

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x Fähigkeit, die Funktionserbringung im Ausland zu managen und zu kontrollieren. Auch nach dem Aufbau einer Funktionserbringung im Ausland ergeben sich für das Management in Deutschland komplexe Fragen, beispielsweise zur Steuerung der ausländischen Einheit, zur Anbindung an das Heimatland, zu passenden Managementstrukturen in Deutschland und zu geeigneten Steuerungsgrößen. Diese Fragen müssen rechtzeitig durchdacht und ein entsprechend angepasstes Vorgehen im Detail vorbereitet werden. Idealerweise verfügt ein Unternehmen bereits über derartige Strukturen für eine andere Funktion und kann diese für die neue Verlagerung nutzen bzw. muss sie nur geringfügig adaptieren. Ist dies nicht der Fall, gilt es alle für die Steuerung notwendigen Prozesse rechtzeitig zu implementieren. x Fähigkeit, die Risiken der Funktionserbringung im Ausland besser abschätzen zu können. Diese Fähigkeit ermöglicht es den Unternehmen, die mit der ausländischen Erbringung verbundenen Risiken zu analysieren bzw. zu quantifizieren und im weiteren Sinne entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit sinkt auch die Hemmung gegenüber Offshoring. x Fluktuation der Beschäftigten im Offshoring-Land. Die Fluktuation der Beschäftigten variiert stark in den verschiedenen Offshoring-Ländern. Ist die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften im potentiellen Zielland hoch, so werden sich die Arbeitnehmer den lukrativsten Arbeitsplatz aussuchen und gegebenenfalls das Unternehmen wechseln. Entsprechend hoch ist die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern. x Gängige Praxis der Branche. Entschließen sich Wettbewerber aus derselben Branche zu einer Verlagerung ins Ausland, so können diese gegebenenfalls Wettbewerbsvorteile aufbauen. Die übrigen Unternehmen werden daher unter bestimmten Voraussetzungen nachziehen, um einen Kostenvorteil oder Innovationsvorsprung der Konkurrenten zu vermeiden. Ist dagegen das Offshoring in der jeweiligen Branche noch nicht etabliert, so verzichten viele Unternehmen darauf, in die Vorreiterrolle zu gehen und ein signifikantes Risiko auf sich zu nehmen. Im Allgemeinen orientieren sich viele Unternehmen an anderen Unternehmen in ihrem unmittelbaren Umfeld und folgen den Branchentrends. x Geistiges Eigentum. Der Schutz des geistigen Eigentums ist nicht in allen potentiellen Offshoring-Ländern gegeben. In vielen Staaten herrscht weder ein entsprechendes Rechtsbewusstsein noch die Möglichkeit, seine Rechte mit juristischen Mitteln einzufordern. Insbesondere im Bereich der Softwareentwicklung ist das Thema kritisch. Der Aufwand, innovative Entwicklungen zu kopieren und auf andere Bereiche zu über-

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tragen, ist relativ gering. Dementsprechend sind die Urheberrechte hier besonders gefährdet. Heterogene unternehmensinterne Anwendungen und Datenbestände. Die Organisation eines Unternehmens verändert sich permanent, um auf die Einwirkungen der Umwelt zu reagieren. Das hat zur Folge, dass auch die IT-Landschaft immer heterogener wird. Insbesondere bei Mergers und Akquisitionen müssen häufig komplette Teile der ITLandschaft des Fusionspartners bzw. des übernommenen Unternehmens integriert werden. Somit entsteht ein gewisser „Wildwuchs“ an ITSystemen, der nicht immer vollständig überschaubar ist. Will man in dieser Situation eine Anbindung an eine verlagerte Einheit schaffen, sind Anpassungen der IT-Struktur an verschiedenen Stellen nötig. Die Gefahr, dass dabei eine notwendige Anpassung übersehen oder nicht korrekt durchgeführt wird, ist sehr groß. Häufig muss daher vor einer Verlagerung eine aufwendige Konsolidierung der IT-Systeme durchgeführt werden. Inanspruchnahme des Managements durch das Tagesgeschäft. Häufig fehlen die Ressourcen, sich systematisch mit dem Thema Offshoring auseinanderzusetzen. Insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen ist das Management meist stark in das Tagesgeschäft eingebunden. Damit steht zu wenig Zeit für eine Auseinandersetzung mit Thema Offshoring zur Verfügung. Infrastruktur im Offshoring-Land. Die Qualität der Infrastruktur ist entscheidend, um einen laufenden Betrieb sicherstellen zu können. Dazu gehören einerseits die Anbindung des Offshoring-Standorts über Flughäfen, Strassen oder Bahnverbindungen und andererseits auch die Energieversorgung und Telekommunikationsanbindung. Insbesondere bei der Energieversorgung ist es inzwischen bereits etabliert, die ausländischen Einheiten durch eigene Notstromeinheiten zumindest kurzzeitig von der öffentlichen Stromversorgung unabhängig zu machen (Neumann et al., 2006). Kein geeigneter externer Leistungserbringer vorhanden. Verschiedene Gründe können dazu führen, dass aus Sicht eines Unternehmens kein adäquater Outsourcing-Provider verfügbar ist. Erstens ist für manche spezifische Prozessabläufe tatsächlich kein Outsourcing Provider mit einer Standardlösung verfügbar. Zweitens wird häufig bei der Prüfung der Verfügbarkeit eines Outsourcing-Providers der ein oder andere existierende Drittanbieter übersehen. Die Unternehmen kommen dann zum Ergebnis, dass eine Auslagerung an einen Dienstleister nicht möglich ist.

Einflussgrößen bei der Offshoring-Entscheidung

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x Kombination mit bereits im Land erbrachten Funktionen/ Teilfunktionen. Werden bereits Leistungen im potentiellen Zielland erbracht, so hat das Unternehmen Kenntnisse über die Stärken und Schwächen eines Landes. Insbesondere kann es einschätzen, welchen Einfluss die landesspezifischen Gegebenheiten auf den Geschäftsbetrieb haben. Neben diesem Wissensvorsprung hat das Unternehmen auch die Möglichkeit, Tätigkeiten in einem Land zu bündeln (um z.B. Skaleneffekte zu realisieren). x Kostendruck durch Wettbewerber. Wie bereits weiter oben bei der Erschließung von Kostensenkungspotenzial diskutiert, ist der Kostendruck meist ein Motivationsfaktor für Offshoring. Fehlt der entsprechende Wettbewerbsdruck, so sehen die Unternehmen häufig nicht die Veranlassung, zu reagieren. Steigt hingegen der Wettbewerbsdruck, so sind mehr und mehr Unternehmen bereit, sich mit dem Thema Offshoring auseinanderzusetzen und gegebenenfalls bestehende Vorbehalte zu überwinden. x Mangelnde Datensicherheit - Datendiebstahl und der Verlust von Daten durch mutwillige Löschung oder unsachgemäße Arbeitsweise können erhebliche Verluste für ein Unternehmen bedeuten. Durch das Offshoring sind unterschiedliche Personenkreise aus verschiedenen Ländern involviert. Dass damit ein gewisses Risiko bei der Datensicherheit entsteht, ist offensichtlich. Auch der deutsche Gesetzgeber hat die Gefährdung der Datensicherheit erkannt. So müssen Unternehmen, die Dienstleistungen offshore erbringen lassen, im Ausland teilweise dieselben Datensicherheitsbestimmungen einhalten wie im Heimatland. x Mangelnde Kompatibilität und Interoperabilität der unternehmensinternen Anwendungen, Datenbestände und IT-Infrastruktur mit externen ITSystemen. Das Problem der mangelnden Kompatibilität und Interoperabilität ist meist nur bei einer externen Erbringung gegeben. Über die erschwerende Integration der Drittanbieter-Systeme hinaus, kommen oft noch mangelnde Kompatibilität und Interoperabilität der unterschiedlichen Systemwelten und Datenbanken hinzu. Bei einer internen Erbringung hat das Unternehmen genügend Einflussmöglichkeiten, um eine optimale Funktionsweise sicherzustellen. Werden die Dienstleistungen aber extern erbracht, so ist häufig die Situation gegeben, dass die beiden Seiten unterschiedliche Standards und verschiedene IT Lösungen verwenden. Somit müssen eigens technische Schnittstellen gebaut werden. Provisorische Lösungen und technische aufwendige Schnittstellen werden zur Konfliktlösung eingesetzt. Diese erzeugen nicht nur signifikante Kosten beim Aufbau, sondern auch bei der Pflege. Insbesondere führen

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Änderungen in den jeweiligen Systemen zu Anpassungsbedarf an der Schnittstelle. Zu beachten gilt, dass es zu erheblichen Anlaufschwierigkeiten kommen kann. Mangelnde Kundenakzeptanz. Für die Unternehmen kann von Bedeutung sein, dass die Kunden den Offshoring-Aktivitäten negativ gegenüberstehen. Die Bedenken können dabei in Hinsicht auf die Qualität, Termintreue usw. entstehen, aber auch durch sozialpolitische Überlegungen. Teilweise werden Endkunden von Seiten der Politik aufgefordert, bestimmte Produkte nicht zu kaufen, da diese mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sind und daher der Kauf dieser Produkte „unmoralisch“ ist. Mangelndes Krisen- und Katastrophenmanagement. Das Krisen- und Katastrophenmanagement ist eng verknüpft mit dem Thema Risikomanagement. Häufig existiert in den Zielländern kein Bewusstsein dafür, dass bestimmte Ereignisse die Funktionserbringung schlagartig und vollständig zum Erliegen bringen können und damit gegebenenfalls das Geschäft im Heimatland signifikant beeinträchtigen können. Zusätzlich sind auch die gesetzlichen Anforderungen meist nicht so hoch wie in den Herkunftsländern. So fordert beispielsweise Basel II geeignete Maßnahmen zur Steuerung von operationellen Risiken. Öffentliche Anreize im Land der Erbringung. Auch die Regierungen der Zielländer haben das immense Potenzial von Offshoring und die damit verbundene Chance auf steigenden Wohlstand erkannt. Aus diesem Grund schaffen sie direkte Anreize, um ausländische Unternehmen zu überzeugen, die Dienstleistungen in ihrem Land erbringen zu lassen. Damit ist aber auch der Wettbewerb unter den einzelnen Ländern gestiegen. Aus diesem Grund geben viele Länder inzwischen massive Steuervergünstigungen. Diese reichen von befristeter, aber vollständiger Steuerbefreiung wie beispielsweise in der Slowakei (Computerwoche, 2004) bis zu permanent günstigeren Steuersätzen wie beispielsweise in Litauen (Hamburger Abendblatt, 2005). Gleichzeitig wurden staatliche Einrichtungen (eigene Beratungsstellen) geschaffen, die die Unternehmen bei der Verlagerung Ihrer Tätigkeiten unterstützen sollen. Politische Stabilität im Offshoring-Land. Mit dem Aufbau einer ausländischen Tochter bzw. mit der Auslagerung an einen ausländischen Dienstleister sind häufig Sicherheitsbedenken verbunden. Seit dem einige osteuropäischen Staaten 2004 der EU beigetreten sind, sind die notwendigen Voraussetzungen hinsichtlich politischer Stabilität und rechtlicher Sicherheit dort gegeben. In anderen Ländern ist diese Situation noch anders. Beispielsweise hat Indien als eines der wichtigsten Offshoring-Länder seit den 40er Jahren einen latenten Konflikt mit Pakistan

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zum Thema Kaschmir. Obwohl sich die Situation in den letzten Jahren entspannt hat, könnte eine kurzzeitige Eskalation signifikante Investitionen zerstören. x Politische Widerstände/öffentliche Diskussionen in Deutschland. Wie bereits in Kapitel 1.1 erläutert wurde, wird das Phänomen Offshoring und seine gesellschaftspolitischen Auswirkungen aktiv in der Presse und Politik diskutiert. Dabei ist das Thema Offshoring teilweise mit einem negativen Image behaftet. Unternehmen, die sich für das Offshoring entscheiden, werden häufig als unsozial abgestempelt. Dies führt zu einem erhöhten Druck, sich gegen Offshoring zu entscheiden, um das Image des Unternehmens nicht zu gefährden. Neben der Angst vor negativen Schlagzeilen sind es aber auch konkrete finanzielle Interessen, die Unternehmen bei der Entscheidung zu Gunsten Offshoring zögern lassen. Aufträge aus der öffentlichen Hand werden häufig nur an Unternehmen vergeben, die bestimmte Auflagen erfüllen. Beispielsweise müssen diese Unternehmen Investitionen in einem Mindestumfang im Heimatland tätigen. Um sich hier nicht von solchen Aufträgen auszuschließen, müssen die Unternehmen zumindest teilweise auf Offshoring verzichten. x Prozess-Kompetenz / Know-how. Ist das Management der Meinung, dass sich das Unternehmen durch sein Know-how deutlich von der Konkurrenz differenziert und die Weitergabe des Know-hows an Unternehmensfremde diese Position gefährdet, so ist eine Leistungserbringung durch Drittanbieter ausgeschlossen. Ist diese Situation nicht gegeben, so kann es bei Weitergabe an Dritte zum Verlust von Know-how kommen. Wird eine Einheit verlagert, so ist es das Ziel, das Wissen aus dem Inland in die neue Einheit zu transferieren. Oftmals geht beim Transfer aber ein Teil des Wissens verloren. Der eigentliche Verlust geschieht dabei durch den mit der Verlagerung verbundenen Personalwechsel und den Wechsel von Verantwortlichkeiten. Das verlorene Wissen muss daher in der ausländischen Einheit wieder mühsam aufgebaut werden, was zu Störungen im laufenden Betrieb und zu zeitlichen Verzögerungen führt. x Prozesskontrolle im Unternehmen. Durch die Verlagerung entzieht sich die transferierte Einheit teilweise der Kontrolle durch den Unternehmenshauptsitz im Inland und das Management kann nur noch eingeschränkt auf die ausländische Einheit Einfluss nehmen. Konkret bestehen weniger Möglichkeiten zur Kontrolle von Qualität, Termintreue, Servicelevel etc. Das führt gegebenenfalls dazu, dass Probleme zu spät erkannt werden und die Effizienz in der verlagerten Einheit leidet.

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x Prozess ist kritisch und von strategischer Bedeutung. Jedes Unternehmen verfügt über ein gewisses Set an Kompetenzen, die von signifikanter Bedeutung für den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens sind. Zum Beispiel kann es für ein Unternehmen, welches sich auf Innovationsführerschaft im Technologiebereich konzentriert, ein Fehler sein, externen Ressourcen Einblick in das unternehmensinterne Know-how in der Produktentwicklung zu gewähren. Anders ist dies beispielsweise bei der Entwicklung von Software für unterstützende Geschäftsprozesse, wie beispielsweise für Finanz- & Rechnungswesen oder Callcenter. Hier ist es wesentlich sinnvoller auf vorhandene, standardisierte IT-Lösungen zurückzugreifen und gegebenenfalls erforderliche Anpassungen durch einen externen Dienstleister durchführen zu lassen. x Servicequalität und Zuverlässigkeit. Die funktionale Bündelung und die Erbringung von identischen Dienstleistungen (in großem Umfang an ein und demselben Ort) führen zur Verbesserung der Servicequalität und zu einer zuverlässigeren Leistungserbringung. Bei einer idealen Implementierung bleibt die Zuverlässigkeit und Qualität der ursprünglichen inländischen Erbringung auch im Ausland erhalten oder wird im Idealfall gesteigert. In vielen Fällen sinkt sie aber anfangs ab. Das ist zum einen in den Anlaufschwierigkeiten während der Startphase begründet, zum anderen aber auch in permanent existierenden Prozessmängeln auf Seite der verlagerten Einheit. Diese sind beispielsweise auf eine andere Sensibilität beim Thema Qualität oder auf eine mangelnde Sorgfaltspflicht zurückzuführen. x Sprachliche Aspekte. Einer der am häufigsten genannten und auch anschaulichsten Gründe für das Scheitern von Offshoring-Aktivitäten sind sprachliche Barrieren. Insbesondere an der Schnittstelle zu Kunden sind hier in den Anfangsjahren des Offshorings massive Probleme aufgetreten. So hat beispielsweise Powergen (Tochterunternehmen der deutschen E.ON AG) auf Grund massiver Kundenbeschwerden angekündigt, die Callcenter aus Indien nach Großbritannien zurückzuverlagern (Brignall, 2006). Für deutsche Unternehmen ergibt sich eine besonders ungünstige Situation. Da die deutsche Sprache bei weitem nicht so verbreitet ist wie Englisch, ist es für deutschsprachige Unternehmen wesentlich schwieriger, geeignete Mitarbeiter im Ausland zu finden. Dies erklärt auch das relativ starke Interesse deutscher Unternehmen (im Vergleich zu US-amerikanischen oder englischen Unternehmen) an osteuropäischen Ländern. Diese verfügen über relativ viele deutschsprachige Fachkräfte (European Comission, 2006). x Standort des besten externen Leistungserbringers. Viele Unternehmen sind in der Situation, dass sie aus bestimmten Gründen (z.B. besondere

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Fachkenntnisse) bei einer externen Erbringung nur bestimmte Dienstleister auswählen können. Da nicht alle Service Provider überall vertreten sind, schränkt das die Länderauswahl stark ein. Einige etablierte Dienstleister haben dieses Problem erkannt und bieten nun auch ihre Dienstleistungen in anderen als ihren Ursprungsländern an. So hat beispielsweise kürzlich der aus Indien stammende Offshoring-Betreiber Infosys angekündigt, eine Dependance im tschechischen Brno zu eröffnen (Computerwoche, 2005). x Standortnähe zum deutschen Unternehmen/Geschäftsbereich. Bezüglich der Standortnähe gilt es die zwei wesentlichen Faktoren Zeitdifferenz und räumliche Entfernung zu betrachten. Je nachdem, ob sich ein Unternehmen für Nearshore- oder Farshore-Offshoring entscheidet, sind die Zeitunterschiede zwischen dem Unternehmenssitz und der verlagerten Einheit immens. So ist beispielsweise die Zeitdifferenz zwischen Deutschland und China sieben Stunden. Diese Differenz kann sich vorteilhaft aber auch nachteilig auswirken. Soll beispielsweise rund um die Uhr eine bestimmte Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden, so können asiatische Mitarbeiter nachts die Arbeit Ihrer europäischen Kollegen übernehmen. Dabei muss das Unternehmen nicht einmal Nachtzuschläge bezahlen. Auf der anderen Seite kann durch die Zeitdifferenz die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmenssitz in Deutschland und der ausländischen Einheit massiv erschwert werden. In dem obigen Beispiel für China bleiben pro Tag nur wenige Stunden, in denen eine direkte Interaktion erfolgen kann. Die räumliche Distanz zum Offshoring-Land erschwert die Abstimmung vor Ort. Ist es für ein Unternehmen notwendig, einen Mitarbeiter zu einem Offshoring-Standort zu schicken, so ist das je nach Entfernung sehr aufwendig. x Umstrukturierung des Geschäftsprozesses. Ein weiterer wesentlicher Aspekt von Offshoring ist die Unterstützung einer Umstrukturierung des Geschäftsprozesses im Zuge einer Verlagerung. Besonders schwierige Prozessveränderungen innerhalb einer veränderungsresistenten Organisation können bei der Verlagerung der Prozesse für Offshoring häufig leichter angepasst werden. x Unternehmenseigene Kompetenz/Know-how ist bereits vorhanden. Im Unternehmen ist die notwendige Kompetenz für die unterstützenden Funktionen bereits vorhanden und die erforderlichen Prozesse sind etabliert. Für die externe Erbringung durch einen Drittanbieter müssten neue Prozesse zur Steuerung des Zulieferers gestaltet und eingeführt werden. Auch bei einer internen Erbringung im Ausland sind neue Prozesse erforderlich, jedoch hat hier das Management einen wesentlich größeren Einblick und Handlungsspielraum.

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x Unternehmensinterne Verwendung von standardisierten und kompatiblen Informationstechnologien. Die immer stärker werdende Standardisierung und die somit folgende Kompatibilität der IT-Systeme schaffen notwendige Voraussetzungen für eine Vereinfachung der Verlagerung ins Ausland und zu Drittanbietern. x Unternehmenskultur. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind sehr bodenständig und eher konservativ gegenüber dem Thema Offshoring eingestellt. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland und damit verbundene, umfassende organisatorische Veränderungen widersprechen häufig den traditionellen Werten dieser Unternehmen. Größtenteils ist in einem konservativen Umfeld die Verlagerung von Aufgaben ins Ausland nicht opportun. x Unterschied der Länderkulturen. Ein weiterer häufig unterschätzter Faktor bei einer Verlagerung ins Ausland sind die kulturellen Unterschiede. Während sich beispielsweise die Zahl der tatsächlichen Arbeitstage durch sorgfältige Recherche der lokalen Feiertage, Urlaubsansprüche usw. genau bestimmen lassen, sind die „weichen“ Faktoren wie Termintreue, Verbindlichkeit, Loyalität usw. schwieriger einzuschätzen. Dies kann zu einer signifikant reduzierten Effizienz im Vergleich zu Deutschland führen. Wird dann eine nach deutschen Maßstäben „korrekte“ Arbeitsweise eingefordert, so stößt dies häufig auf Unverständnis bei den Mitarbeitern der ausländischen Einheit. x Unterstützung der unternehmensinternen Geschäftsprozesse durch IT. Die IT ist heute eines der wichtigsten Standbeine in der Prozessbearbeitung. Die meisten Prozesse sind informationstechnisch abgebildet und können teilweise vollständig digital bearbeitet werden. Ist eine entsprechende Funktionalität der IT nicht gegeben, dann können einige Prozesse nur unvollständig durchgeführt werden und aufwendige, manuelle Arbeiten sind nötig. x Unterstützung einer Wachstumsstrategie. Das rasante Aufstreben der ehemaligen Entwicklungsländer ist ein Grund für die verstärkte Internationalisierung von Unternehmen. Ist es bei der Globalisierung der wachsende Markt, so sind es bei Offshoring oft die geringeren Faktorkosten, die zu einer Verlagerung ins Ausland führen. Oft dient dabei Offshoring als Unterstützung für eine Wachstumsstrategie. x Verbesserte bzw. komfortablere informationstechnologische Umsetzungsmöglichkeiten. Neue innovative Lösungen in diesem Bereich können den Aufbau und den Betrieb einer ausländischen Einheit weiter erleichtern. Beispiele sind die Einführung von technischen Standards zur Kommunikation von verschiedenen Systemen für den Austausch von

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Daten (z.B. Extensible Markup Language oder Open Document Format). Verdeckter Kostenanstieg. Der verdeckte Kostenanstieg ist ein häufig unterschätztes Problem. Dieser tritt entweder zeitlich versetzt oder in Bereichen ein, die ursprünglich nicht in die Analyse einbezogen wurden. Die Konsequenzen sind in beiden Fällen identisch. Es entstehen höhere Kosten als ursprünglich geplant und die Wirtschaftlichkeit der Verlagerung ins Ausland ist gegebenenfalls nicht mehr gegeben bzw. die erwarteten Kosteneinsparungen treten nicht ein. Der Entscheidung für oder gegen Offshoring geht eine detaillierte Analyse voraus. Häufig werden dabei nur die Kosten betrachtet, die sich einerseits unmittelbar aus der Verlagerung und andererseits aus dem Betrieb der ausländischen Einheit bzw. aus der Leistungsbeziehung von einem externen Betreiber ergeben. Was nicht beachtet wird, sind die späteren Folgekosten, die sich aus der gestiegenen Komplexität ergeben. Neben diesen zeitlich versetzten Kosten entstehen häufig Kosten in Bereichen, die in der Kostenanalyse nicht mit betrachtet wurden. Dies sind insbesondere die Kosten für einen höheren Managementaufwand, höhere Telekommunikationskosten und zusätzliche Aufwendungen bei Qualitätsproblemen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Fehleinschätzung der zukünftigen Kosten. Verkürzung der Produkteinführungszeit. Eine Verkürzung der Produkteinführungszeit wird im Zuge von Offshoring durch zwei Aspekte ermöglicht. Auf der einen Seite kann durch die lokale Präsenz besser und schneller auf die Entwicklung und Veränderung der lokalen Märkte eingegangen werden. Auf der anderen Seite ermöglicht die Zeitverschiebung zwischen den globalen Standorten ein Arbeiten rund um die Uhr und somit eine Verkürzung der Entwicklungszeit. Wettbewerber erbringen bereits Funktionen in diesem Land. Hat das Unternehmen selbst keine Erfahrungen mit dem potentiellen Zielland, so kann es gegebenenfalls auf die Erfahrungen von Wettbewerbern aufbauen. Entsprechende Erfahrungsberichte der Konkurrenz liegen dem Unternehmen zwar im Allgemeinen nicht unmittelbar vor, dennoch können häufig Aussagen zum generellen Erfolg einer ausländischen Einheit gemacht werden. In Abhängigkeit des Erfolgs des Konkurrenten können dann auch die Entscheidungen für oder gegen das Zielland getroffen werden. Zufriedenheit mit der inländischen Funktionserbringung. Besteht eine hohe Zufriedenheit mit der derzeitigen Erbringung, so hat das Unternehmen keinen Zwang, sich nach Alternativen umzusehen. Somit gibt es für das Unternehmen keine Motivation, die Risiken einer Verlage-

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rung einzugehen. Das Unternehmen ist mit der derzeitigen Erbringung sowohl hinsichtlich der Kosten, der Qualität und der Flexibilität zufrieden. x Zugang zu neuen Absatzmärkten für Produkte und Dienstleistungen. Teilweise steht für Unternehmen das Wachstum in neuen Regionen im Vordergrund. Das lokale Management übernimmt den ersten Schritt beim Aufbau neuer Geschäftstätigkeiten in einem selektierten Land. Das Unternehmen kann somit ein erstes Netzwerk vor Ort schaffen, erste Erfahrungen sammeln und von dort sein weiteres Engagement planen. x Zugang zu qualifiziertem Personal. Die Unternehmen in den führenden Industrienationen stehen heute vor dem Problem, dass für bestimmte Tätigkeiten nicht genügend hoch qualifizierte Mitarbeiter im Inland zur Verfügung stehen. Durch Offshoring erhalten die Unternehmen Zugang zu sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften im Ausland und können damit ihre Ressourcenengpässe überwinden. x Zuwachs der Unternehmensgröße, so dass von der Funktionserbringung im Ausland besser profitiert werden kann. Eine Verlagerung ins Ausland ist mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind häufig in der Situation, dass die möglichen Einsparungen diesen Aufwand nicht rechtfertigen. Erst wenn die Unternehmen eine bestimmte Größe erreicht haben, lohnt sich eine ausländische Funktionserbringung für diese. Teilweise sind die Unternehmen in der Situation, dass sie für das Thema Offshoring generell nur sehr eingeschränkt geeignet sind. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen besitzen häufig nicht eine entsprechende Unternehmensgröße, dass sie von der Funktionserbringung im Ausland genügend profitieren könnten.

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