Neutestamentliche Zeitgeschichte: Die Biblische Welt 500 v.–100 n. Chr. [2., verb. Aufl. Reprint 2019] 9783111343686, 9783110991918


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German Pages 257 [276] Year 1968

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INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
I. JUDA UNTER PERSISCHER HERRSCHAFT 539—332 v. Chr.
II. JUDÄA UNTER HELLENISTISCHEN HERRSCHAFTEN 332—142 v. Chr.
III. DAS HASMONÄISCHE REICH, 142—63 v. Chr.
IV. PALÄSTINA UNTER ROM UND HERODES, 63—4 v. Chr.
V. PALÄSTINA ZUR ZEIT JESU UND DER APOSTEL 4 v. Chr.—66 n. Chr.
VI. DAS RÖMISCHE IMPERIUM ZUR ZEIT JESU UND DER APOSTEL 4 v. — 66 n. Chr.
VII. DAS RÖMISCHE IMPERIUM ZUR ZEIT DER APOSTEL JÜNGER 67 — ca. 100 n. Chr.
BIBLIOGRAPHIE
NAMEN- UND SACHREGISTER
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Neutestamentliche Zeitgeschichte: Die Biblische Welt 500 v.–100 n. Chr. [2., verb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111343686, 9783110991918

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de Gruyter Lehrbuch

Bo Reicke

Neutestamentliche Zeitgeschichte Die biblische Welt 500 v. — 100 n. Chr.

Zweite, verbesserte Auflage

Walter de Gruyter & Co. Berlin 1968

Die wissenschaftliche Leitung der theologischen Lehrbücher im Rahmen der „de Gruyter Lehrbuch"-Reihe Hegt in den Händen des ord. Prof. der Theologie D. Kurt A l a n d , D. D. Diese Bände sind aus der ehemaligen „Sammlung Töpelmann" hervorgegangen.

Ardiiy-Nr. 39 04 «82 © 1968 by Walter de Gruyter ic Co., Berlin 30 Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrüdclidie Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Budi oder Teile daraus auf photomechanisdiem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG I. J U D A U N T E R PERSISCHER HERRSCHAFT, 539—332 v. Chr 1. Der iranische Machtbereich

1 4 4

2. Die frühen Großkönige, 539—424 v. Chr Zeittafel a) Kores, Darius I., Xerxes und Artaxerxes 1 b) Esra und Nehemia in Jerusalem c) Das Judentum im Perserreidi

6 6 7 10 17

3. Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr Zeittafel a) Die allgemeine Lage b) Das samaritanisdie Schisma c) Die letzten Perserkriege d) Nachwirkung des Persertums auf das Judentum

19 19 20 21 23 24

II. J U D Ä A U N T E R HELLENISTISCHEN H E R R S C H A F T E N , 332—142 Y. Chr

26

1. Der hellenistische Machtbereich a) Der Alexanderzug . b) Der Hellenismus c) Diadochen und Epigonen

26 26 27 31

2. Die ägyptische Herrschaft, 320—200 v. Chr Zeittafel . a) Ptolemäus I.—III. und der Machtaufstieg Ägyptens b) Judäa als ptolemäisdies Tempelland . . . . c) Ptolemäus IV.—V. und der Machtverlust Ägyptens

31 32 33 34 36

3. Die syrische Herrschaft, 200—142 v. Chr

37

Zeittafel a) Antiodius III., Seleukus IV. und Antiochus IV b) Die religiöse Unterdrückung c) Makkabäus, Jonathan und Simon III. DAS H A S M O N Ä I S C H E R E I C H , 142—63 v. Chr Zeittafel 1. Priesterfürsten, 142—105 v. Chr a) Simon als Hoherpriester b) Hyrkan 1

38 37 42 44 48 48 49 49 50

2. Könige, 104—63 v. Chr a) Aristobul 1 b) Jannäus . . . . c) Alexandra, Hyrkan II. und Aristobul II IV. PALÄSTINA U N T E R ROM U N D HERODES, 63—4 v. Chr 1. Der römisdie Machtbereich . a) Roms Aufstieg zur Weltmacht b) Pompejus besetzt Palästina 2. Triumvirn, Antipater und Herodes, 63—4 v. Chr. Zeittafel a) Antipater b) Herodes I .. c) Das Geburtsdatum Jesu V. PALÄSTINA ZUR Z E I T JESU U N D DER APOSTEL, 4 v. Chr.—66 n. Chr.

51 51 52 56 58 58 58 61 63 64 63 67 79

81

1. Die Teilung des Herodesreidies» 4 v. Chr. Zeittafel

82 82

2. Galiläa-Peräa und Nordtransjordanien zur Zeit Jesu a) Die beiden Länder des Antipas b) Die Heimat Jesu,. c) Die Synagogen d) Die Regierung des Antipas, 4 v.—39 n. Chr e) Land und Regierung des Philippus

85 85 86 .88 92 93

3. Judäa-Samarien zur Zeit Jesu und der Urkirdie, 4 v.—41 n. Chr. . . Zeittafel a) Die beiden Länder des Archelaus b) Die Regierung des Archelaus, 4 v.—6 n. Chr c) Die Einrichtung der ersten Prokuratur 6 n. Chr d) Die römischen Behörden 6—41 n. Chr e) Die jüdische Verwaltung f) Der Hohe Rat § 1. Hannas als Prinzeps 106 — § 2. Der Hohepriester als Präses 106 — § 3 . Die Ratsherren 108 — a) Die Hohenpriester als Konsistorium 109 — b) Die Ältesten 111 — c) Die Schriftgelehrten 111

95 94 96 98 99 102 105 105

g) Sadduzäer und Pharisäer 113 § 1. Die Herrenpartei der Sadduzäer 114 — § 2. Die Bürgerpartei der Pharisäer 116. h) Priester und Essener § 1. Der Tempeldienst der Priester 122 — $ 2. Das Ordensleben 4er Essener 125.

121

i) Pilatus, Golgatha, die Urkirdie

129

§ 1. Gratus und Pilatus 130 — S 2. Das Todespassa Jesu 131 — a) Der Zeitpunkt des Abendmahls und der Kreuzigung 131 — b) Der Verlauf des Golgathadramas 137 — § 3. Die Pfingstzeit der Kirdie, 33—41 n. Chr. 140 — a) Die Entwidmung der Apostelgemeinde 140 — b) Die Absetzung des Pilatus und die Stephan Ufverfol gun g 141 — c) Caligulas Machtübernahme und die Ausbreitung des Evangeliums 143 — d) Agrippas Karriere und der Kulturkampf 144. 4. Palästina zur Zeit des Jakobus und Paulus, 41—66 n. Chr. .

146

Zeittafel

147

a) Agrippa I. als König Judäas 41—44 n. Chr

148

S 1- Die Begünstigung des Pharisäismus 148 — $ 2. Das Martyrium des Zebedaiden Jakobus 149 — $ 3. Der Tod Agrippas I.; seine Hinterbliebenen 149. b) Die zweite Prokuratur, der Zelos und die Kirdie 44—66 n . C h r . 150 $ 1. Patrioten und Zeloten in Judäa 151 — § 2. Die sieben Prokuratoren und der wachsende Terror 752 — a) Fadus, Alexander, Cumanus, Felix bis 54 n. Chr. I f 2 — b) Felix nach dem J a h r 54, Festus, Albinus, Florus 1S4 — $ 3. Judenmission und Heidenmission in der Kirdie 44—46 n. C h r . 157 — a) Der Herrenbruder Jakobus 1S7 — b) D e r Heidenapostel Paulus 161 — c) Der Obergang des Petrus vom Zion nach Rom 165. VI. DAS R Ö M I S C H E I M P E R I U M ZUR Z E I T J E S U U N D D E R APOSTEL, 4 v. Chr.—66 n. Chr Zeittafel

168 168

1. Imperium, Judentum und Christentum

168

2. Augustus und Tiberius, 30 v.—37 n. C h r

169

a) Das Regierungssystem des Augustus b) Die Provinzeinteilung seit Augustus

169 170

$ 1. Impcratorisdie Provinzen, darunter Syrien und GalatienLykaonien 170 — § 2. Senatorische Provinzen, darunter Cypern, Asien, Mazedonien, Adiaja 171 — § 3. Die Pax Romana 174. c) Der Status quo unter Tiberius 3. Caligula, Claudius, Nero, 37—68 n. Chr

175 176

a) Die Enttäuschung unter Caligula

176

b) Der Provinzausbau unter Claudius

177

c) Die Auflösung unter Nero

179

$ 1. Aufstieg und Untergang des Despoten 179 — J 2. Nero und die Juden bis 66 n. Chr. 181 — $ 3. Nero und die Christen 182.

VII. DAS RÖMISCHE IMPERIUM ZUR ZEIT DER APOSTELJÜNGER, 67—ca. 100 n. Chr 188 Zeittafel

189

1. Zelotenkrieg und Armeerevolten, 66—70 n. Chr a) Der jüdische Krieg 66—70 n. Chr b) Die römischen Revolten 68—69 n. Chr § 1. Galba, Otho in Rom 194 — § 2. Vitellius im Westen 195 — § 3. Vespasian im Osten 196. c) Der Untergang Jerusalems 70 n. Chr § 1. Belagerung und Eroberung Zions 198 — § 2. Folgen für das Judentum Palästinas 198.

190 190 194

2. Vespasian, Titus, Domitian, 69—96 n. Chr. a) Die Befestigung unter Vespasian b) Die Entspannung unter Titus c) Die Versdiärfung unter Domitian d) Juden und Christen unter den Flaviern § 1. Das Judentum 211 — a) Die politische Stellung 211 — b) Die soziale Haltung 214 — § 2. Das Christentum 217 — a) Die politische Stellung 217 — b) Die soziale Haltung 225.

199 199 201 202 211

3. Nerva, Trajan, der Übergang zur Märtyrerzeit Bibliographie Namen- und Sachregister

198

235 238 248

EINLEITUNG Von der Wegführung nach Babylon bis zu Christus waren es vierzehn Geschlechter (Matth. 1,17) Gegenstand der Neutestamentlichen Zeitgeschichte ist das Weltgeschehen, das Hintergrund und Umgebung des Evangeliums und der Urkirche bildete. Mit bewußtem Verzicht auf die eigentlich theologische Fragestellung wird hier eine historische Betrachtung angelegt. Die himmlische Wirklichkeit wird dabei nicht erfaßt, die inhaltliche Eigenart nicht erklärt, nur die irdischen Umstände werden es, die mit den Mitteln der induktiven und kausalen Geschichtsforschung erforscht werden. Jedoch rechtfertigt sich dieses Unterfangen auch theologisch, wenn man das Hauptthema der Christologie beherzigt: das Wort ward Fleisch, nämlich als die Zeit erfüllt war (Joh. 1, 14; Gal. 4,4). Christus und die Kirche hatten die Erfüllung der jüdischen Geschichte zu bringen. De facto traten sie verschiedentlich in Beziehung zum Judentum, mittelbar auch zum Hellenismus und zum Römerreich. Zur historischen Erläuterung dieser Mächte im Hintergrund und in der Umgebung des Neuen Testaments sind Überblicke über mehrere Jahrhunderte notwendig, in denen sich ihre Eigenart und Bedeutung entwickelten. Weil die Entwicklung des Judentums kurz vor 500 v. Chr. begann und weil die Geschichte des Neuen Testaments bis gegen 100 n. Chr. reichte, begrenzen diese Zeitpunkte unsere Darstellung. Da ferner Jesus und seine Jünger vor allem mit staatlichen, sozialen und sakralen Verhältnissen zu tun hatten, wird die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf solche Umstände gerichtet1. Wenn im folgenden vom Judentum die Rede ist, handelt es sich also um jüdisches Gemeinwesen, jüdische Kultur und Religion der Zeit nach dem babylonischen Exil bis gegen Ende der neu testamentlichen Periode, und auf diese Entwicklung beziehen sich die Kapitel I—V. Die kulturell und religiös entscheidende Bedeutung der Wiederherstellung des Judentums nach der babylonischen Gefangenschaft 1

1

Auf die politische und soziale Gesdiidite konzentrierte sidi mit Recht das Vorbild moderner Darstellungen der ncutestamentlidien Zeitgesdiichte: E. SCHÜRER, Gesdiidite des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, 1—3 (3.—4. Aufl. 1901—1909), unten als Scbürer 1—3 zitiert. Eine anregende Geistesgeschichte des Hellenismus schrieb H . PREISKER, Neutestamentliche Zeitgeschichte = Sammlung Töpelmann 11,2 (1937), ließ aber nur ein paar Zeittafeln die politische Gesdiidite vertreten. — Andere übersichtliche Darstellungen erwähnt unsere Bibliographie (u. S. 238—247). Texte und Studien werden in den Fußnoten nur dann angeführt, wenn Hinweise besonders nützlich erscheinen. Bo Reidte, N e u t e s t a m e n t l . Zeitgeschichte

2

Einleitung

(586—539 v. Chr.) rechtfertigt es, von der jüdischen Rückwanderung und von der persischen Hegemonie (539—332 v. Chr.) auszugehen. Schon damals kamen Erscheinungen und Einrichtungen auf, die für die jüdische Gesellschaft der urchristlichen Zeit charakteristisch waren. Danach müssen im Blick auf den tief eingreifenden Kulturkampf des Judentums gegen den Hellenismus die hellenistischen Herrschaften (332—142 v. Chr.) berührt werden. Auch vom politischen Glanz des Hasmonäerreichs (142—63 v. Chr.) ist zu sprechen, den noch die neutestamentliche Zeit mittelbar widerspiegelt. Jedoch soll auf der römischen Zeit bis zum Beginn der politischen Katastrophe des Judentums (63 v.—66 n. Chr.) mehr Gewicht liegen, weil es sich hier um die vorchristliche-urchristliche Zeit handelt. Daß die Schilderung auch für den apostolischen Zeitabschnitt (33—66 n. Chr.) vom Judentum ausgeht, ist darin begründet, daß trotz der innerlichen Loslösung des Evangeliums vom Judentum und trotz der Mission unter den Heiden die apostolische Kirche zum großen Teil freiwillig in gesellschaftlicher Verbindung, unfreiwillig auch in Schicksalsgemeinschaft mit dem jüdischen Volk blieb. Grundsätzlich wollte sie die Trägerin der alttestamentlichen Verheißung sein. Jerusalem galt deswegen bis zum jüdischen Aufstand im Jahr 66 als kirchliches Zentrum, die Apostel suchten gern Anschluß in den Judenkolonien des Römerreichs, und ihre Verkündigung nahm oft — bewußt oder unbewußt — mündliche und schriftliche Traditionen der hellenistisdi-jüdischen Missionspropaganda zum Vorbild (bezeichnend ist die Ubereinstimmung zwischen Weish. 13, 1—10 und Rom. 1,18—23). Zudem faßte die romische Öffentlichkeit bis zur neronischen Verfolgung 65 n. Chr. und teilweise noch während der domitianischen Verfolgung in den Jahren 93—95 das Christentum als eine Frucht des Judentums auf. Auf die Lage der Kirche im Römerreich beziehen sich die Kapitel VI—VII. Für die apostolische Zeit ist ergänzend auf das Weltreich und die Provinzen zu achten, in denen Jesus und die Apostel auftraten. Mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche beschäftigt sich die Schilderung der nachapostolischen Zeit (66—100 n. Chr.). Damals bildete das Judentum nicht mehr den äußeren Rahmen des Christentums, sondern letzteres fand sich dem Kaiserturn direkt konfrontiert, das ihm zum Teil feindlich gegenüberstand, wie die Verfolgungen durch Nero und Domitian zeigen. Weil das letzte Fünftel des neutestamentlichen Kanons diese Lage widerspiegelt (Pastoralbriefe, Hebräerbrief, katholische Briefe und Offenbarung), muß über die übliche Handbuchtradition hinaus die Zeit der Apostelschüler berücksichtigt werden. Die primären Quellen zum Studium dieser ganzen Geschichte sind alttestamentlich und jüdisdi: 1. einige Bücher des Alten Testaments, die im hebräischen Kanon bei den Propheten und Hagiographen (den „Schriften") jeweils zuletzt erscheinen: unter den Propheten Hagg., Sach., Mal.; unter den

Einleitung

3

Hagiographen Pred., Esth., Dan. und vor allem das Werk des Chronisten: Esr., Neh., 1.—2. Chr. (bei anderen Büchern ist die Spätdatierung zweifelhaft oder umstritten); 2. die sogenannten Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments2 sowie die Qumran schiften 8 ; 3. die Gesdiiditswerke des Josephus (37—ca. 95 n. Chr.): Bellum Judaicum, Antiquitates Judaicae, Vita Josephi und Contra Apionem 4 ; 4. die älteren Rabbinertexte, vor allem die in derlMischna (um 200 n. Chr.) 5 . Zu berücksichtigen sind ferner griechische und lateinische Autoren, wo sie den Kulturraum des nachexilischen Judentums und des ältesten Christentums berühren, so vor allem Polybius (ca. 200—120 v. Chr.), Diodor (ca. 90—30 v. Chr.); Statius (ca. 40—96 n. Chor.), Tacitus (55—ca. 120 n. Chr.), Plinius d. J. (61—ca. 115 n. Chr.), Sueton (ca. 75—150 n. Chr.), Dio Cassius (155—235 n. Chr.). Manchmal enthalten auch die Schriften des Neuen Testaments Einzelheiten, welche die zeitgeschichtlichen Umstände beleuchten. Doch sind unsere verhältnismäßig zahlreichen Hinweise auf neutestamentliche Stellen nur teilweise als Belege gemeint. Sie wollen überwiegend zum Vergleich mit dem Neuen Testament auffordern, das an sich nicht Grund, sondern Ziel der Darstellung ist6.

" E. KAUTZSCH, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des A. T., 1—2 (1900, Nachdruck 1962); R.H.CHARLES, T h e A p o c r y p h a a n d P s e u d e p i g r a p h a of the

Nachdruck 1 9 6 4 ) ; P. RIESSLER, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel (1928). 3 J . M A I E R , Die Texte vom Toten Meer, 1 — 2 ( 1 9 6 0 ) ; E . L O H S E , Die Texte aus Qumran ( 1 9 6 4 ) . * Flavi Josephi Opera ed. et apparatu crit. instr. B . N I E S E [et J. v. D E S T I N O N ] , 1—7 (1885—95, Nachdruck 1955). Flavius Josèphe, Oeuvres complètes, trad. sous la dir. de Th. REINACH, 1—7 (1900—32). Josephus with an English Translation by H . St. J. THACKERAY, R . M A R C U S , and A. WIKGREN/, 1—9 (1926—64). Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer, übers, von H . CLEMENTZ, 1 — 2 (1899, Nachdruck 1959). Flavius Josephus, De bello judaico (gr. u. dt.), hrsg. von O. M I C H E L und O. BAUERNFEIND, 1—2,1 (1959—63, Fortsetzung vorbereitet). Flavius Josèphe, Autobiographie. Texte établi et traduit par A. PELLETIER (1959). 5 Ph. BLACKMAN, Mishnayoth, 1 — 6 ( 1 9 5 1 — 5 6 ) ; H . D / ^ N B Y , T h e Mishna ( 6 . Aufl. O . T., 1 — 2 (1913,

1956). 6

1*

Schürer und andere haben der neutestamentlichen Zeitgeschichte eine jüdische Literaturgeschichte angehängt. Eine solche Anordnung erschien uns hier unförmlich, auch weil neue Funde den Stoff vermehrt haben. Wir verweisen f ü r die jüdische wie für die urchristliche Literaturgeschichte auf alttestamentliche und neutestamentliche Einleitungen.

I. JUDA UNTER PERSISCHER HERRSCHAFT 539—332 v. Chr. Im ersten Jahre des Königs Kyros forderte er mich auf, stark zu werden und mutig zu sein (Dan. 11,1 LXX). Schon das Danielbuch ließ die vor dem Kommen des Menschensohnes liegende, entscheidende Geschichtsepoche mit dem Perserreich (539—332 v. Chr.) beginnen. Denn der Engel, der in Dan. 11,1—45 die Schicksale des Judentums andeutet, die schließlich in die Heilszeit ausmünden sollen (12,1), geht von der Perserzeit aus. Zuerst 'wird in 11,1 nach dem Text der Septuaginta — der masoretisdie Text ist hier nicht eindeutig — der Gründer der persischen Weltmacht, Kores oder Cyrus, erwähnt1. Gemeint ist die Tatsache, daß Kores nach der Eroberung Babylons 539 v. Chr. die Juden von der sogenannten babylonischen Gefangenschaft befreite und damit eine Neuorganisation des Judentums ermöglichte, die übrigens bis zur politischen Katastrophe des Jahres 70 n. Chr. nachwirkte. Dann werden in 11, 2a ohne Namen drei nachfolgende Großkönige genannt, die man als Darius I., Xerxes und Artaxerxes I. auffassen kann. Schließlich redet der Engel in 11,2b von einem Perserkönig, der trotz großer Macht vergeblich gegen Griechenland kämpfen werde: hier ist Darius III. gemeint, dessen Reich 333—331 v. Chr. von Alexander erobert wurde. Im prophetischen Stil und im Blick auf die Heilsgeschichte kündigt der Engel also die etwas über zweihundert Jahre der persischen Hegemonie als eine Zeit der Wiederbelebung des Gottesvolkes an. Wie sieht diese für das Judentum grundlegende Epoche weltgeschichtlich aus? 1. Der iranische

Machtbereich

Geographisch und geschichtlich war der Hintergrund des persischen Reiches der Iran, das gewaltige Bergland zwischen Assyrien und Indien, Transkaspien und Persischem Golf. Der Iran umfaßt das heutige 1

Der masoretisdie T e x t erwähnt in D a n . 11,1 „den Meder Darius", aber diese Gestalt ist mit bekannten Tatsadien nicht vereinbar, und der N a m e mag durch einen Schreibfehler entstanden sein. Hingegen ist der Septuaginta-Text des Verses für eine geschichtliche Erklärung ohne weiteres brauchbar.

Der iranische Machtbereich

5

Persien, außerdem Afghanistan und Belutsdiistan; die Gesamtfläche ist etwa fünfmal größer als die Frankreichs. In die Ebenen und die Täler der von Nordwesten nach Südosten sich hinziehenden Gebirge des Irans drangen vom Nordosten her vor und während der israelitischjüdischen Königszeit kosakenähnliche Stammesverbände ein, die sich Arier nannten, sich indo-europäischer Sprachen bedienten und von Adelsfamilien geführt wurden. Nach ihnen wurde die Hochebene der Iran genannt, das Land der Arier (altpers. Arjänam). Drei dieser Stammesverbände sollten weltgeschichtliche Bedeutung erlangen und auch für die Juden eine wichtige Rolle spielen. — 1. Zunächst drangen die Meder am Elburz-Gebirge südlich! des Kaspischen Meers entlang gegen Westen bis in die Nähe Assyriens vor. Sie schufen im nordwestlichen Iran, der nach ihnen Medien genannt wurde, ein um 700—550 v. Chr. mächtiges Reich (Jer. 25,25). An den Einmarschwegen von Osten her lagen ihre Hauptorte: Rages (Tob. 1,14 usw.) nahe der modernen persischen Hauptstadt Teheran und Ekbatana (Jdt. 1,1 usw.), dem heutigen Hamadan entsprechend. — 2. Gegen den südwestlichen Iran richtete sich der Zug der Perser. Sie ließen sich im südlichen Teil der zwischen Iran und Assyrien verlaufenden Zagros-Berge nieder, östlich des inneren Persischen Golfes in der Gebirgsgegend, die eben wegen der Besiedlung durch die Perser griechisch Persis genannt wurde, die heutige Provinz Fars. Von dort und von der benachbarten Flußebene Elam östlich der Tigrismündung aus, welche nach Assyriens Fall 612 besetzt werden konnte, beherrschten die Perserkönige der Dynastie der Achämeniden die Weltpolitik von etwa 550 bis 331 v. Chr. Seit 525 erstreckte sich die Macht der Großkönige im Westen bis zum Hellespont und zur großen Syrte, im Osten bis zum Industal. Die persischen Residenzstädte waren Persepolis (2. Makk. 9,2), eine Neugründung in den Bergen von Persis, und Susan (Neh. 1,1 usw.), die alte Königsstadt Elams (Gen. 14,1) nördlich des Golfs, auf der Grenze zwischen Flußebene und Zagros-Bergen. — Nach dem Untergang des Perserreichs wurden Vorderasien und Iran von Alexander dem Großen und dann vor allem von den Seleukiden beherrscht und hellenisiert. — 3. Um 250 v. Chr. begannen die aus Transkaspien kommenden Parther, dem Seleukidenreich gefährlich zu werden. Sie eroberten Hyrkanien und Parthien, heute die Provinz Chorazan südöstlich des Kaspischen Meeres, und verstärkten die Karawanserei Hekatompylos. Vom nördlichen Iran aus unternahmen ihre Könige und Ritter überraschende Vorstöße gegen Osten und der medischen Heerstraße entlang nach Südwesten und eroberten unter Mithradates I. um 150 v. Chr. das Zweistromland. Darauf konnten die Könige der parthischen Dynastie der Arsakiden während der ganzen vorund frühchristlichen Zeit die Handelsstraßen zwischen den beiden damaligen Kaiserreichen Rom und China kontrollieren. Sie blieben die gefährlichsten Gegner der Römer, bis sie 224 n. Chr. von einem persischen Vasallen verdrängt wurden. Residenzstädte der Parther waren

6

Juda unter persischer Herrschaft, 539—332 v. Chr.

Ekbatana in Medien und Seleukia am Westufer des Tigris, letztere eine Hochburg des Hellenismus, die 42 n. Chr. im Zusammenhang mit einer Renaissance des Orientalismus durch das parthische Ktesiphon am gegenüberliegenden Ostufer ersetzt wurde. — 4. Nach dem Sturz der parthischen Arkasiden 224 n. Chr. herrschten wieder die Perser unter der Dynastie der Sassaniden. Diese zoroastrischen Könige kämpften mit dem Römerreich um die Weltmacht bis zur Eroberung des Zweistromlandes durch die Araber 636 n. Chr. Ktesiphon blieb Hauptstadt der neupersischen Großmacht und des Orientalismus. Aus dieser Übersicht der altiranischen Reichsbildungen geht hervor, daß die Iranier und vor allem die Perser den Kulturraum um ein Mehrfaches erweiterten, zu dem Palästina und die Juden gehörten. Bisher hatten Israel und Juda abwechselnd unter dem Einfluß des Niltals und des Zweistromlandes gestanden. Kores und die Perser machten die Juden zu freien Mitgliedern einer kosmopolitischen Zivilisation, die außer diesen altehrwürdigen Gebieten auch den entwicklungsfähigen Iran und das zum Teil hochkultivierte Kleinasien, neben Semiten auch östliche Völker wie die Arier und westliche Bevölkerungselemente wie die griechischen Kolonisten umfaßte. Dieser kosmopolitische Charakter des ersten Perserreichs kam der äußeren Entwicklung des Judentums zugute und wurde auch der Grund für die rasche Expansion des Hellenismus, beides für die urchristliche Mission sehr wesentliche Faktoren. Später bildete das zweite Perserreich den Rahmen, der vom Islam ausgefüllt wurde.

2. Die frühen Großkönige,

539—425 v. Chr.

Um die folgende Schilderung des Aufstiegs des Perserreidis und der Wiederherstellung Judas chronologisch zu veranschaulichen, sei hier eine Liste der früheren Achämeniden unter Beiziehung einiger im chronistischen Werk wichtigen Namen vorausgeschickt. Großkönige:

Provinzbeamte:

Kambyses 529—522

Xcrxes 486—465

Hohepriester (Neh. 12,10):

Sesbazar (Esr. 1,8)

Kores 539—529

Darius I. 522—486

Jüdische Vertrauensm'inner:

Thatnai Satrap in Syrien; Sether-Bosnai Pasdia in Samarien (Esr. 5,3) Megabyzus General, seit 459 Satrap in Syrien

Serubabel (Esr. 2,2)

Jesua

Jojakim

Die frühen Großkönige, 539—425 v. Chr. Artaxerxes I. 465—425

Sanballat I. Pasdia in Esra 459 Samarien; Tobia in Am(Esr. 7,7) mon; Gcsem in Edom (Neh. 2,19); Nehemia in Juda 446—434 (Neh. 5,14)

7 Eljasib Jojada

Zu allen hier und später angeführten Jahreszahlen sei angemerkt, daß nach antikem Gebrauch der Anfangs- und der Absdilußtermin mitgezählt werden. H a t z. B. Artaxerxes I. 465 die Macht ergriffen, so bedeutet „im 20. Jahre seiner Regierung" (Neh. 1,1) nidit 445, sondern 446 v . C h r .

a) K o r e s , D a r i u s I., X e r x e s u n d A r t a x e r x e s

I.

Kores, der erste persische Großkönig, wurde 559 v. Chr. medischer Vasall über das vorher zu Elam gehörende Gebiet Anschan, stürzte mit Hilfe des neubabylonischen Königs und des medischen Adels das Königtum der Meder in Ekbatana, besiegte dann 546 den reichen Kroisos von Lydien und eroberte ganz Kleinasien. Er rundete sein Reich durch Siege in Phönizien und im Mitteliran ab und zog 539 in Babylon ein, dessen Tore ihm die Mardukpriester öffneten. Damit war er der Herr eines Reiches geworden, das räumlich alles Frühere weit übertraf, und blieb es bis zu seinem Tode 529 (die Hauptdaten seines Lebens verteilen sich etwa auf drei zehnjährige Perioden). Audi seine Innenpolitik bedeutete etwas Neues in der Geschichte des Morgenlandes: Kores ließ seine Befehlshaber und Statthalter die unterworfenen Völker in toleranter Weise regieren. Er versuchte nicht wie die Babylonier und Assyrer, die fremden Nationalitäten, Sprachen und Kulte zu verdrängen, sondern trat ausdrücklich für deren Anerkennung und gegebenenfalls Wiederherstellung ein2. Sogar jn griechischer Uberlieferung erschien Kores als Vorbild eines humanen Fürsten (Xenoph. Cyropaed.). Für die Juden der Diaspora und der Heimat wurde die von Deuterojesaja begrüßte Politik des Kores (Jes. 44, 28; 45,1) von entscheidender Bedeutung. 1. Schon das Aufhören der babylonischen Gefangenschaft trug zur Erhaltung der jüdischen Nationalität bei. Freilich hatten die Babylonier nur die führenden Schichten Judas verschleppt; weil aber diese als Träger des Volksganzen aufgefaßt wurden, bedeutete die Möglichkeit ihrer Rückwanderung, daß die völkische Eigenart nicht aufgelöst werden mußte. Nach dem sicher idealisierenden, doch vielleicht nicht unglaubwürdigen Bericht des Chronisten fand schon unter Kores eine Rückwanderung einiger Patrizier und Priester statt (Esr. 1,5), die vom Geheimrat für jüdische Angelegenheiten Sesbazar geleitet wurde (1, 8. 11; 5,15. 16) und den Ausgängspunkt f ü r die spätere Rückwanderung unter Serubabel bildete (2,1—70; 5,13—6,12). 3

M. NOTH, Geschichte Israels ( 4 1959), S. 271—279.

Juda unter persischer Herrschaft, 539—332 v. Chr.

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Jedenfalls hat die Toleranzpolitik des Kores die nachexilische Remigration und Repristination des Judentums grundsätzlich ermöglicht. 2. Kores und seine Nachfolger haben ferner die wichtigsten Sprachen der unterworfenen Gebiete anerkannt und ihre Erlasse in den Volkssprachen erscheinen lassen (Esth. 1, 22), eine Praxis, die von den dreisprachigen Keilinschriften der Perserkönige bestätigt wird. Bereits gegen Ende der judäischen Königszeit war in Syrien und Palästina das Aramäische die in Handel und Politik maßgebliche Sprache geworden (2. Kön. 18,26), was mit der Bedeutung des Reiches von Damaskus und der anderen syrischen Staaten zusammenhing. Außerdem hatten die Assyrer und Babylonier aramäisch sprechende Volksschichten nach Israel und Juda verpflanzt. Ferner hatten sich die israelitisch-judäischen Aristokraten im Exil die internationale aramäische Sprache angeeignet und trugen sie bei ihrer Rückwanderung in die alte Heimat. An diese Gegebenheiten paßten sich die Achämeniden an und erhoben in Syrien und Palästina das Aramäische zur Amtssprache (Esr. 4, 7), so daß sich ein besonderes Reichsaramäisch entwickelte. Wenn auch das Hebräisdie die Kultsprache blieb, so wurde das Aramäische allmählich die Volkssprache Palästinas und blieb es auch in der Spätantike für Juden und Christen des Landes. Zu diesem für die geistige Einheit und Entwicklung des Judentums wesentlichen Sprachfaktor trugen Kores und die Achämeniden bei. 3. Kores ließ im Gegensatz zu früheren Weltherrschern die Religionen und Kultorte unterworfener Völker weder zerstören noch entweihen noch dem Kult des Reichsgottes unterordnen, sondern wiederaufrichten; der Kores-Zylinder des British Museum mit Anweisungen für die Restauration der assyrischen Kulte bezeugt es ausdrücklich3. In bezug auf Juda soll Kores als Vertreter des Himmelsgottes auch den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels befohlen haben: diese Notiz bildet den Gipfel des ganzen chronistischen Werkes (2. Chr. 36, 22 f.; Esr. 1,1—4), und der Chronist findet sie in einem späteren Kanzleisdireiben des Darius bestätigt (Esr. 6, 3—12). Ob sich Kores, der nach seinem Erfolg in Babylon mit Unruhen im Osten zu schaffen hatte und 529 während eines iranischen Feldzuges fiel, wirklich um das kleine Juda im fernen Westen so gekümmert hat, scheint fraglich. Hier mag die auch bei Deuterojesaja hervorschimmernde Idealisierung seiner Gestalt eine Rolle gespielt haben. So viel ist aber deutlich, daß jüdische Patrizier, Priester und Propheten schon in den Tagen des Kores die Chance ergriffen haben, mit der Aufrichtung des Tempels anzufangen, nur daß man wegen Schwierigkeiten und Privatinteressen das gemeinsame Werk bald aufgab (Hagg. 1,1—11). Nach dem Tode des Kores 529 v. Chr. regierte sein temperamentvoller, in der Bibel nicht erwähnter Sohn Kambyses (529—522), der 525 Ägypten und Libyen eroberte. 3

F. H . WEISSBACH, Die Keilinschriften der Achämeniden (1911), S. X I , 2—8.

Die frühen Großkönige, 5 3 9 — 4 2 5 v. Chr.

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Das riesige Perserreich wurde dann nach schweren Kämpfen von Darius I. ( 5 2 2 — 4 8 6 ) übernommen und vortrefflich organisiert. Es wurde auf 20 Vizekönigtümer unter je einem Satrapen geteilt, die sich wiederum in Landkreise unter einem Pascha (hebr.-aram. pechah) gliederten. Syrien und Palästina bildeten die 5. Satrapie, Transeuphrat (Esr. 5,3); ihr Satrap residierte vermutlich in Damaskus und Phönizien. Mit dieser Satrapie war ein neuer Kulturraum geschaffen, der noch lange Zeit eine beachtliche Eigenart behalten sollte. Transeuphrat oder Syrien erschien manchmal als ein relativ selbständiges Reich, die Satrapenwürde beinahe als familiengebunden. Politisch wurde dieses Gebiet, obwohl es während der Ptolemäerherrschaft ( 3 2 0 — 2 0 0 v. Chr.) geteilt war, unter Seleukiden und Römern wieder eine relative Einheit. Kulturell behielt es trotz der jüdischen Reinheitsbestrebungen noch länger seine Eigenart, indem die Handelsverbindungen und die aramäische, später die syrische und arabische Sprache zusammenhaltend wirkten. Innerhalb der persischen Satrapie Transeuphrat war Palästina ein Bezirk, dessen Statthalter oder Pasdia in Samaria saß (Esr. 4 , 1 7 ; Neh. 3, 34), das nicht wie Jerusalem verödet, sondern von zahlreichen Immigranten verschiedener Herkunft bevölkert war (Esr. 4, 9 f.). Dem kulturellen Austausch im Perserreich zugute kamen auch die Militärstraßen und Post Verbindungen, die Darius anlegen ließ; als Beispiel für das Wegwesen sei die großartige Königsstraße von Susa nach Ephesus genannt, für das Postwesen die im Esra-Nehemia-Werk eingearbeitete Kanzleikorrespondenz. Später wurden diese beiden Einrichtungen der Perser in einer von Griechen und Römern weiterentwickelten Form für die Verkündigung der Apostel wichtig. Darius konnte um 520 v. Chr. seine Kuriere wie die Reiter der ersten Sacharja-Vision über große Teile der Erde aussenden und alles in leidlicher Ordnung finden (Sach. 1, 8 — 1 1 ) . Bei den jüdischen Patriziern, Priestern und Propheten erweckte dieser günstige Zustand ein heißes Verlangen nach einer Wiederherstellung Zions, nachdem der Versuch unter Sesbazar gescheitert war. Infolgedessen zog 520 aus der Diaspora unter der Leitung des Patriziers Serubabel und des Priesters Jesua eine starke Gruppe Zionisten nach Jerusalem (Esr. 2 , 1 — 1 0 ) . Serubabel, ein Nachkomme der Davidskönige (1. Chron. 3 , 1 7 mit Esr. 3, 2 usw. kombiniert), konnte in J e rusalem als eine Art Bürgermeister auftreten (Hagg. 1 , 1 : „Pascha von J u d a " ) . E r war von den als „Ältesten" bezeichneten Patriziern umgeben (Esr. 5, 5 usw.), einer im Hohen R a t der neutestamentlichen Zeit noch vorkommenden Adelsversammlung. Jesua, ein Nachkomme der Zadokpriester (1. Chron. 5 , 4 1 mit Esr. 3 , 2 usw. kombiniert), wurde in Jerusalem als neuer Hoherpriester angesehen (Hagg. 1,1). Propheten wie Haggai und Sacharja unterstützten die Politik der Remigranten (Esr. 5 , 1 f.; 6, 14; Hagg. 1, 2 — 1 1 ; Sach. 1 , 1 2 — 2 , 5). Mutig wurde der Wiederaufbau des Tempels in Angriff genommen.

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Anläßlich einer Störaktion der ländlichen Bevölkerung (Esr. 4,1—5) und des syrischen Satrapen (5, 3—17) bemühten sich die Juden, das Unternehmen auf einen Befehl des Kores zurückzuführen. Es gelang ihnen dabei, die Unterstützung des Darius zu gewinnen (6,1—13). Der zweite Tempel, Serubabels Werk, konnte so 515 v. Chr. eingeweiht werden, und der Dienst des Hohenpriesters, der Priester und der Leviten setzte in der für die nachexilische Zeit charakteristischen Form ein (Esr. 6,15—18), die über den Umbau des Tempels durch Herodes hinaus bis zum Fall Jerusalems 70 n. Chr. bestehen blieb (u. S. 122 bis 125). Politisch waren die erwähnte Einrichtung der jüdischen Patrizierversammlung und die Wiederherstellung des Jerusalemer Kultes deswegen möglich geworden, weil Darius im Blick auf die Landverbindung nach Ägypten ein gutes Verhältnis zu Jerusalem und Juda suchte. Daher sollte die Priesterschaft dort nicht nur dem Himmelsgott opfern, den man als allen Völkern gemeinsam verstand, sondern auch für den Großkönig und seine Dynastie beten (Esr. 6,10). Tatsächlich erfolgte also die Restauration des Judentums unter Serubabel auf Grund einer günstigen Lage im Perserreich. Während der Regierung des Sohnes des Darius, der in der griechischen Geschichte als Xerxes (486—465) und in der biblischen als Ahasveros (Esr. 4, 6) bekannt ist, und „der da König war von Indien bis an Mohrenland über hundertsiebenundzwanzig Länder" (Est. 1,1), blieb das Haus des Darius noch reich, wie die kolossalen Bauwerke des Xerxes in Persepolis und Ekbatana bestätigen. Freilich setzten die vielbesungenen Siege der Hellenen bei Salamis und Platää der persischen Expansion nach Westen eine Grenze, was zu gewissen Unruhen in Babylonien führte. Aber für die Juden trat unter Xerxes keine bemerkenswerte Veränderung ein. Der Sohn und Nachfolger, Artaxerxes I. (465—425), der biblische Arthahsastha, mußte in der ersten Hälfte seiner Regierungszeit um die Hegemonie kämpfen, die er nachher glänzend behauptete. Er führte mit Athen von 463 an einen heftigen Kampf um Ägypten, bis im Frieden des Kallias 449 die Griechen auf das reiche Pharaonenland verzichteten; danach hatte Artaxerxes das ganze Reich in seiner Hand. Die ägyptische Frage und ihre Lösung unter Artaxerxes I. bestimmte die Ereignisse in Jerusalem, die mit dem Auftreten Esras 459 und Nehemias 446 zusammenhingen. Chronologische und politische Daten gehen aus der folgenden Erörterung hervor. b) E s r a u n d N e h e m i a i n Das chronistische Werk Gegner der zionistischen schildert ausführlich, wie den Kult und das Gesetz

Jerusalem

läßt unter Xerxes und Artaxerxes mächtige Bewegung auftreten (Esr. 4,6.7—23) und trotzdem unter Artaxerxes zunächst Esra restaurierte (Esr. 7,1—10,44) und danach

Die frühen Großkönige, 539—425 v. Chr.

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Nehemia die Hauptstadt befestigte (Neh. 2,1—7,4). Für den Chronisten ist der von der Tempelstadt Babel kommende Esra ein priesterliches Gegenüber zu dem von der Königsstadt Susan kommenden Nehemia, dem politischen Würdenträger, so wie ehemals Jesua und Serubabel ein sakral-ziviles Paar bildeten. Wie sich Esra geschiditlich zu Nehemia verhalten hat, bleibt wegen dieser Stilisierung etwas unklar, und der Chronist hat die Uberlieferungen nicht ganz systematisch geordnet. Jedoch steht fest, daß Esra gelegentlich von Nehemia vorausgesetzt wird (Neh. 8,1—6.9.13; 12,26), aber niemals umgekehrt (Esr. 2,2 bezieht sich auf einen anderen Nehemia). Somit erscheint Esra auch in den nidit-redaktionellen, unabsichtlich hindurchschimmernden Einzelheiten als ein vor Nehemia aufgetretener Reformator, wie es die ausdrücklichen chronologischen Notizen angeben. Esra soll als „Schreiber", das heißt Notar, und Referent für jüdisches Sakralrecht „im siebenten Jahre Arthahsasthas" mit einigen Anhängern nach Jerusalem gekommen sein (Esr. 7,6—9). Da ihn der Chronist eindeutig vor Nehemia datiert und letzterer nur unter Artaxerxes I. (465—425) aufgetreten sein kann (s. S. 14), ist das siebente Jahr Arthahsasthas für dfen Chronisten das Jahr 459 nach unserer Zeitrechnung. Ob die Auswanderung Esras genau in der angegebenen Form stattfand, bleibt im Blick auf die stilisierte Darstellung unsicher. Daß sie aber in eine ganz andere Zeit gehören sollte, ist eine Hypothese, die von unsicheren Erwägungen ausgeht. a) Manche wollen Esra als späteren Zeitgenossen Nehemias betrachten und in den letzten Jahren des Artaxerxes I. unterbringen. Dadurch soll erklärt werden, daß sich Nehemia nicht so deutlich auf das Restaurationswerk Esras bezieht, wie man gern sähe. Entweder setzt man Esra zwischen den beiden Besuchen Nehemias in Jerusalem (Neh. 13,6) oder nach seinem zweiten Besuch an 4 . Gegen beide Datierungen ist einzuwenden: — 1. Daß die ausdrückliche, wiederholte Angabe über das siebente Jahr des Artaxerxes (Esr. 7,7 f.) abgetan wird, ist willkürlich, weil dieser chronologische Ansatz sich nicht aus irgendeiner literarischen Konstruktion herleiten läßt. — 2. Esra erscheint im Text auf konsequente, aber nichtprögrammatische Weise als der etwas ältere Zeitgenosse Nehemias, während sich vom Gegenteil keine Spur findet (s. o.). Die vorgeschlagene Umdatierung rüttelt daher an einer grundlegenden Struktur der Quellen, die keineswegs als nachträglich unterschoben erscheint. Für die Umdatierung ist übrigens fatal, daß gerade Nehemia von der Existenz des anderen Partners weiß, denn nach allgemeiner Uberzeugung der Experten hat der auf Memoiren gegründete Nehemia-Beridit den größeren Geschichtswert. Zwar fällt auf, daß Esra bei Nehemia nur selten erwähnt wird. Aber dafür muß eine geschichtliche Erklärung gesucht werden (s. u. S. 13). Daß man wegen der geringen Zahl der Notizen eine Umdatierung vornimmt, welche diese Notizen für absurd erklärt, ist methodisch nicht befriedigend. — 3. Nehemia wirkte seinen Memoiren zufolge in Jerusalem vom 20. bis zum 32. Regierungsjahr des Artaxerxes I. (d. h. 446—434) und dann noch während eines späteren Zeit* W. RUDOLPH, Esra und Nehemia samt 3. Esra (1949), S. 70 f., 168; u. a.

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raums (Neh. 5,14; 13,6 f.); offenbar hatte er audi einen nachhaltigen Erfolg. Dann muß aber eine Tätigkeit Esras während der wenigen noch übrigen Jahre desselben Königs (434—425), sei es vor oder nach dem zweiten Besuch Nehemias, erst recht überflüssig erscheinen. b) Andere haben Esras Tätigkeit erst in das siebente Jahr des Artaxerxes II. (404—358 v. Chr.) datieren wollen 5 . Früher beruhte das auf einer nur instinktiven Spätdatierung des von Esra vertretenen „Gesetzes" (Neh. 8,1)8. Ohnehin erscheint diese gewaltsame Spätdatierung Esras nicht objektiv begründet: — 1. Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß Esra für den Chronisten bewußt wie unbewußt der ältere Zeitgenosse Nehemias war (o. S. 11). Dazu kommt, daß letzterer unter Artaxerxes I. (d. h. 465—425) auftrat (s. u. S. 14). Es leuchtet wenig ein, daß der über viel ältere Verhältnisse orientierte und mit Archivmaterial arbeitende Chronist ohne jeden vernünftigen Grund einen Mann um 61 Jahre zu früh datieren sollte, der gerade bei der angenommenen Beziehung auf Artaxerxes II. zu seiner eigenen jüngsten Vergangenheit gehört haben müßte. — 2. Josephus berichtet, daß unter Artaxerxes II. der persische Pascha in Juda, Bagoas, als Strafmaßnahme den Jerusalemer Tempel sieben Jahre lang besteuerte (Jos.Ant. XI, 297—301). Durch drei Papyri von Elephantine (u. S. 19 f.) ist die judäische Amtsstellung dieses Bagoas für die Jahre 411 und 409 v. Chr. belegt (Pap.Cowley 30—32), und nichts hindert die Annahme, das Bagoas noch unter Artaxerxes II. in den Jahren nach 404 dieselbe Rolle spielte. Mit dieser Tempelkrise unter Bagoas verträgt sich aber gar nicht die juristisch und pekuniär von der persischen Krone unterstützte Mission Esras zur Restauration des Tempels (Esr. 7,6.11—28). Auch die Bruderfehde 401 zwisdien Artaxerxes II. und Kyros dem Jüngeren (Xenoph.Anab.) macht es unwahrscheinlich, daß man, Jerusalem gleich nachher diesen Schritt zur Verselbständigung erlaubt hätte. Die beiden erwähnten Versuche, Esra später als im siebenten Jahr des Artaxerxes I. zu datieren, sind also mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Es soll nicht geleugnet werden, daß im chronistischen Werk Ungenauigkeiten vorkommen, aber die Umstellung von Esra und Nehemia oder die Spätdatierung des Erstgenannten geben nur größere Rätsel auf.

Die überlieferte Esra-Chronologie paßt zu dem, was aus der Zeit des Artaxerxes I. bekannt ist. Ebenso läßt sich die auffallend vorsichtige Weise, in der Nehemia über Esra redet, im Blick auf die unten geschilderte Lage verstehen. Im angegebenen Jahre der Regierung Arthasasthas zog Esra von Babel nach Jerusalem mit einem Geleitbrief des Perserkönigs (Esr. 7, 11—26). Was aus diesem Brief angeführt wird, ist wohl im klerikalen Sinne des Chronisten idealisiert. Jedoch läßt sich im Blick auf die politische Lage 459 v. Chr. ohne weiteres verstehen, daß die persische Regierung den Plan einer Verstärkung Jerusalems damals guthieß. Ägypten hatte von Athen unterstützt seit 463 gegen Persien revoltiert. Nach gewaltigen Rüstungen und Manövern in Phönizien zogen die Truppen des Artaxerxes 460 an der Küste entlang und durch Pa6

K. G A L L I N G , Die Bücher der Chronik, Esra, Nehemia (1954), S. 13 f.; u. a. ® A. ALT, Zur Geschichte der Grenze zwischen Judäa und Samaria: Pal.-Jahrb. 31 (1935), 94—111, S. 107 f., auch in Kleine Schriften, 2 (1953), S. 357 f.: Weil der Pentateudi erst geraume Zeit nach Nehemia entstanden sei, müsse Esra spät angesetzt werden. Das ist eine Petitio prineipii.

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lästina nach Ägypten, das 456 erobert Vrzr (Diod. Sic. XI, 71,3—6; 74,1—75,4; 77,1—5). Jerusalems moralische Bedeutung für das Grenzland muß im Verlaufe dieses Feldzuges den Behörden deutlich geworden sein. So kann man sich durchaus vorstellen, wie der syrische Satrap Megabyzus als Generalissimus der persischen Landstreitkräfte und der Großkönig selbst im Jahre 459 für den Plan einer kultischen Aufrüstung der Stadt durch Esra zu gewinnen waren. Man gewinnt den Eindruck, daß einige der Begleiter Esras danach eine Befestigung Jerusalems beabsichtigten. Esra selbst hat es vielleicht angedeutet (Esr. 9,9). Vor allem teilt der Chronist in anderem Zusammenhang einen Brief mit, nach dem Anhänger des Königs einen geplanten Wiederaufbau der Mauern als Versuch einer Revolte abstempelten, so daß Artaxerxes jedes derartige Unternehmen bis auf weiteres verbot (Esr. 4,7—23). Obwohl der Name Esras hier nicht genannt wird, waren die im Dokument angeführten Ubersiedler (4,12) offenbar einige seiner Genossen. Hier kommt nur die erste Hälfte der vierzigjährigen Regierung des Artaxerxes I. in Frage, denn für die zweite Hälfte schließt der offiziell erlaubte Mauerbau Nehemias ein solches Verbot aus (Neh. 1,1), und zur Zeit des Artaxerxes II. hätte die Tempelkrise unter Bagoas die Mission Esras überhaupt unmöglich gemacht (o. S. 12). Dabei kann man in den ersten zwanzig Jahren des Artaxerxes I. kaum mit einer anderen Gola als der von Esra geleiteten rechnen, wenn auch nicht sicher ist, daß alle gleichzeitig auswanderten. Ohne weiteres zeigt aber die politische Entwicklung dieser Zeit, wie eine solche Spannung zwischen Mitgliedern der Esragruppe und Vertretern der Regierung entstehen konnte. Die eifrigen Berichterstatter warnten in jenem Schreiben den König vor einer Revolution der ganzen syrischen Satrapie (Esr. 4,16). Zu einer solchen Revolution kam es durch Megabyzus 451, fünf Jahre nach der Bezwingung Ägyptens (Ktes. Pers. 36); erst nach heftigen Kämpfen wurden Artaxerxes und Megabyzus wieder versöhnt (ebd. 37-39). Es ist begreiflich, daß Megabyzus als selbständig politisierender Satrap vor dem Beginn oder im Verlauf dieses Aufruhrs eine Befestigung Jerusalem begünstigte, welche dann vom König verhindert wurde. Waren also Mitglieder der Esragruppe beteiligt, dürften sie später politisch belastet erschienen sein. Das erklärt, weshalb Esra seine Mission als rein kultisch und ganz unpolitisch darstellte, so daß er seinen Verzicht auf militärische Bedeckung unterstrich (Esr. 8,22), während Nehemia als treuer Diener des Großkönigs die Esragruppe überhaupt mit Vorsicht erwähnte (vor allem fehlt sie anscheinend im Mauerbaubericht, Neh. 3,1—32'). Jedenfalls wurde Esra für Nehemia und vor allem für die Nachwelt der Wiederbeleber des jüdischen Kultes und Gesetzes. Er wurde wie ein neuer Mose dargestellt (Ex. 24,1.9 ist Vorbild für die Szene in Neh. 8,4) und galt im Judentum als der größte Schriftgelehrte (z. B. 7

RUDOLPH ( A . 4 ) , S. 6 9 .

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IV Esr. 14,37—47: Wiederherstellung der kanonischen und apokryphen Schriften durch Esra)8. Nebemia spielte aber eine praktisch wichtigere Rolle. Die besonderen Verhältnisse zur Zeit des Artaxerxes I. bedingten seinen Erfolg, wie unten gezeigt wird; unter keinem späteren Artaxerxes wäre dieser möglich gewesen. Für die politische Wiederherstellung und die spätere Entwicklung des Judentums wurde sein Einsatz schließlich entscheidend. Als großköniglicher Mundschenk in Susan erwirkte Nehemia im zwanzigsten Jahr Arthasasthas, das ist also 446 v . C h r . (Neh. 1,1; 2,1), eine gnädige Vollmacht, Jerusalem wieder aufzubauen und sogar befestigen zu dürfen (2,5—8). Dort angelangt, stieß Nehemia auf den Widerstand der Pasdias von Samarien und Ammon mit ihren Leuten (2,10.19; 4,1—23), die von seiten Jerusalems mit Recht eine Konkurrenz befürchteten, ersterer besonders als unmittelbare Oberinstanz Judas. Trotzdem konnte Nehemia angeblidi sdion im Sept. 444 die Mauern Jerusalems aufrichten (3,1—32 ; 6, 15) und dann die Tempelburg befestigen (2,8; 7,2). Diese seine erste Tätigkeit dauerte zwölf Jahre, bis 434 (5,14). Ungefähr 430 kehrte Nehemia zum Zweck levitischer Regelungen nach Jerusalem zurück (13,6 f.).Nehemia hat offenbar als persischer Pascha oder Präfekt über Juda auftreten können (5,14—19; 7,2; 8,9; 10,2) 9 . Er wagte, den samaritischen Pascha Sanballat I. zu desavouieren, ebenso gewisse mit den transjordanischen Magistraten konspirierende Juden (6,1—19),und konnte das Judentum gegen das Heidentum behaupten (13,15—30). Wie wurde diese politische und militärische Emanzipation in den Jahren nach 446 möglich, obwohl der König einige Jahre vorher einen geplanten Mauerbau verboten hatte? Das hing mit der veränderten Weltlage zusammen. Artaxerxes I. hatte die Schwierigkeiten mit Ägypten und Megabyzus überwunden; dieser hatte im Jahre 449 den vorteilhaften Kallias-Frieden mit Athen vermittelt. Jerusalem war neben Ladiis, das ungefähr gleichzeitig eine persische Burg erhielt 10 , wichtig als Stützpunkt an der Militärstraße nach Ägypten. Es wirkte zur Zeit zuverlässiger als Samaria, das mehr unter dem aufrührerisch gewesenen Satrapen stand. Artaxerxes konnte deswegen Juda eine-besondere Präfektur werden lassen. Ein neuer Aufruhr der Satrapie bradi 430 unter Zopyrus aus (Ktes. Pers. 45). Das hat wohl die zweite Sendung Nehemias veranlaßt. Palästina blieb eine Präfektur bis gegen 400 v. Chr., wie Josephus und die Elephantine-Papyri bezeugen (o. S. 12), und vermutlich noch länger. * Uber die Persönlichkeit Esras vgl. RUDOLPH (A. 4), S. 167—171. • A.ALT, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des Judentums: Festschrift O. Protksch (1934), 5—28, S. 21—28, auch in Kleine Schriften (A. 6), 313—337, S. 330—337. 10 W. F. ALBRIGHT, The Archaeology of Palestine (1949), S. 144, Fig. 47.

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Das von Nehemia militärisch befestigte und durch Synökismus auch bevölkerungsmäßig verstärkte Jerusalem (Neh. 7,4; 11,1—19) umfaßte wohl nur das Tempelareal, ferner die Landzunge Ophel südlich und ein Stück des Plateaus westlich des Tempels, dagegen nicht den großen Südwesthügel, der erst in hellenistischer Zeit als Teil der Stadt bezeugt ist. Zu dieser Polis gehörten als Landgebiete nur Benjamin und das nördliche Juda. Die übrigen Teile Palästinas standen unter Fremdherrschaft (Neh. 2,19; Ob. 19). Galiläa und Samarien waren hauptsächlich von Aramäern bevölkert; die Küste wurde von den Phöniziern beherrscht; in die Philisterebene, Süd juda, Edom, Moab und Ammon oder Transjordanien waren die arabischen Idumäer und Nabatäer eingedrungen. Die wichtigsten Städte dieser Gebiete: Samaria, Tyrus, Gaza, waren reicher und mächtiger als Jerusalem. Nehemia erhob aber die heilige Stadt wieder zu einem politisch und militärisch beachtlichen Zentrum, das sich in der Folgezeit zusehends entwickelte. In dreierlei Hinsicht hat das von Esra vorbereitete und dann vom Perserkönig ermöglichte Werk Nehemias für Jerusalem und das Judentum bis in die neutestamentliche Zeit und bis zur Katastrophe 70 n. Chr. Bedeutung gehabt. 1. Die bisher kleine Patrizier- und Priester-Kolonie in Jerusalem, die von der babylonischen Diaspora abhing, erhielt politisch eine relativ selbständige Stellung. Allmählich führte die um 520 von Serubabel gegründete Zionistenbewegung dazu, daß die Juden wieder eine politische Heimat besaßen, wie heute seit der Gründung des Staates Israel 1948 n. Chr. Gewiß war die Hegemonie der Könige von Susan und Persepolis nicht aufgehoben. Für die Erhaltung der Judenschaft in der antiken Welt wurde es aber wesentlich, daß jeder Jude auf diese Weise nach einem geographischen Zentrum bliesen konnte, so wie es Daniel beim Gebet immer tat (Dan. 6,11), obwohl von einer politischen Suprematie der Jerusalemer Priester und Ältesten über die Diaspora keine Rede sein konnte. 2. Eigentlich war diese Zentralstellung Jerusalems sakral, weil die Stadt als geschützter Ort des von Serubabel aufgebauten Heiligtums und des bald zur höchsten Autorität aufsteigenden Hohepriestertums hervortrat. Natürlich ist hier das Sakrale vom Politischen insofern nicht zu trennen, als nach der Abschaffung des einheimischen Königtums der Tempel und die Priester den Gipfel und Mittelpunkt des Volkes bildeten, durch welchen der Gottessegen allen zuteil werden sollte. Dabei aber ist das spezifisch religiöse Interesse jedoch auffallend stark. Anlaß für die gesamte Restauration war der Tempel. Unter dem Eindruck der Strafen über Israel und Juda wollten die Priester und Leviten die neue Gemeinde nach den Satzungen der levitischen Heiligkeit aufbauen. Zu dieser sakralen Bewegung beigetragen haben unmittelbar die positive Tempelpolitik der persischen Regierung, per analogiam wohl auch der ausgesprochene Reinheitseifer des iranischen

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Priestertums. So erhielt wie überhaupt im Perserreich das Sakralredit eine grundlegende Bedeutung für das neue Juda. Zu den Patriziern und Priestern traten daher als Ersatz für die Propheten allmählich die Schreiber oder „Schriftgelehrten", die als levitische Experten für sakrales Recht angesehen und teils in der Verwaltung und Rechtsprechung, teils im Lehrbetrieb unentbehrlich wurden. Vermutlich spielten Schriftgelehrte schon im Exil eine Rolle (sie werden in 2. Chron. 17, 7—9; 19,8—11 zu Josaphat, in 34,14; 35,3 zu Josia vordatiert). Esra, die Idealgestalt eines Schriftgelehrten, und Nehemia beschleunigten offenbar die Entwicklung dieses Berufes (Neh. 8,4.7.13; 13,13), der später zum großen Teil hinter dem chronistischen Geschichtswerk stand. Auch für Uberlieferung, Studium und Entwicklung der älteren Gesetzesquellen waren die^achexilischen Schriftgelehrten von größter Bedeutung. In der Umgebung Jesu sowie überhaupt im späteren Judentum übten sie unter dem Titel Rabbinen eine beträchtliche Macht aus. Grundsätzlich blieben diese Rechtsexperten zur Zeit Esras und Nehemias dem Hohenpriester und den Magnaten untergeordnet (2. Chron. 17,7; 19,11; Neh. 8,13). Aber manche Priester, Patrizier und Bürger vernachlässigten damals wie audi später die levitischen Ideale und verbanden sich mit heidnischen Elementen (Esr. 9,14—10,44; Neh. 13,1—9; Jos. Ant. XI, 297—303). Hier wurde der Grund zu einer Spannung zwischen den kosmopolitischen Aristokraten und den puritanischen Schriftgelehrten gelegt, die sich im chronistischen Werk widerspiegelt (vgl. Neh. 10, 28—30), in der hellenistischen Epoche zum bitteren Kulturkampf steigern und auf die sich die Diskussion zwischen Sadduzäern und Pharisäern gründen sollte. Jedoch blieb die jüdische Gesellschaft unter dem Hohenpriester eine im wesentlichen sakral bestimmte Einheit. Deren führende Schichten waren seit Esra und Nehemia: 1. die Priester, 2. die Patrizier oder „die Ältesten", 3. die Schriftgelehrten, das heißt die Gruppen, aus denen zur Zeit Jesu und der Apostel der Jerusalemer Hohe Rat bestand (u. S. 109). Als das zusammenhaltende Symbol stelle man sich das auf dem befestigten Tempelberg aufbewahrte Palladium des Judentums vor: das heilige Gewand des Hohenpriesters (Sach. 3,4 f.; Esr. 2,63; Neh. 7,65). 3. Auch merkantil sollte die nehemianische Befestigung Jerusalems für die Zukunft große Bedeutung erhalten. Schon die Kultrestauration brachte aus der Diaspora Geld und Arbeitskraft nach Jerusalem (Esr. 2,68 f.; 3,7; 7,15—23; 8,31—36), noch mehr die Mauerarbeit, zu welcher der reiche Nehemia, die Patrizier und auch das gemeine Volk durch Spenden beitrugen (Neh. 5,16—19; 7,70—72). Angeblich umfaßte Jerusalem mit zugehörigem Landgebiet unter Esra und Nehemia 42 360 Personen mit 7 337 Sklaven, 736 Pferden, 234 Mauleseln, 435 Kamelen und 6 720 Eseln (Esr. 2,64—67; Neh. 7,67—69). Wenn auch der Chronist bei diesen Zahlen eventuell von späteren Verhältnissen ausging, scheint diese Statistik nicht phantastisch oder übertrieben,

Die frühen Großkönige, 539—425 v. Chr.

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sondern kann einen Eindruck der wirtschaftlichen Lage vermitteln. Ferner läßt der Nehemia zugeschriebene Kampf gegen jeden Geschäftsbetrieb am Sabbat spüren, daß sich Jerusalem allmählich zum internationalen Marktplatz entwickelte, wo Kaufleute aus dem in persischer Zeit blühenden Handelszentrum Tyrus und anderen Städten eifrig Geschäfte machten (Neh. 10,31; 13,15—22). Jerusalem nahm bereits am orientalisch-ägäisdien Handel teil, der wegen des von den Persern in Lydien vorgefundenen und von ihnen verbreiteten Münzwesens einen außerordentlichen Aufschwung erlebte. Nicht zufällig ist die älteste in der Bibel erwähnte Münze der von Darius geprägte Darike (Esr. 8,27), grundlegend für Goldmünzfuß und Welthandel. Durch das Geldwesen übte in der Achämenidenzeit auch die griechische Handelswelt über Phönizien und Ägypten auf Palästina einen Einfluß aus, wie hier geprägte Münzen mit Nachbildung attischer Symbole bezeugen". Im 4. Jahrhundert scheint Jerusalem sogar eigene Münzen mit der Inschrift „ Juda" geprägt zu haben12. Stimmt das, hat man ein weiteres Zeichen dafür, daß im Perserreich die Entwicklung der lokalen Tempel zu Bank- und Münzinstituten gefördert wurde 1 . Ein wichtiger Faktor dieser Entwicklung des Münzwesens war der Opferbetrieb, der durch konventionelle Zahlungsmittel für Einkünfte und Ausgaben rationalisiert werden konnte14. Das sind die Anfänge der Einrichtung, auf die Jesus mit der Tempelreinigung reagierte (Matth. 21,12 f. par.), obwohl der Tempel damals nur als Bank und Wechselinstitut, nicht mehr als Münzanstalt diente. Profitierten also Tempel, Adel und Kaufleute seit Nehemia vom persischen und griechischen Kapitalismus, so führte das neue Geldwesen doch zu Schwierigkeiten für die Kleinbauern (Neh. 5,1—2). Seither bestand ein unerfreulicher Gegensatz zwischen Reich und Arm. c) D a s J u d e n t u m

im

Perserreich

Die erfolgreiche Aktion Nehemias für die Wiederherstellung Jerusalems erhellt mittelbar auch die Stellung der Diasporajuden unter dem Schutz der Perserkönige. Wie unter Kores der wenig bekannte 11

G.F.HILL, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (1914), S. lxxxiii— lxxxix; K. GALLING, Denkmäler zur Geschichte Syriens und Palästinas unter der Herrschaft der Perser: Pal.-Jahrb. 34 (1938), S. 74—79; W. F. ALBRIGHT (A. 10), S. 143; NOTH ( A . 2), S. 310.

12

Jhd, nicht Jhw (wie man früher las): E. L. SUKENIK, Journ. Pal. Or. Soc. 14

13

GALLING (A. 11), S. 62, über phönizische Städte; ALBRIGHT (A, 10), S. 143, über das syrische Hierapolis. B. LAUM, Heiliges Geld (1924), S. 126—151; ders., Geld: Die Rel. in Gesch. u. Geg., 2. Aufl., 2 (1928), Sp. 970 f.; G. LANCZKOWSKI, Münze: ebd., 3. Aufl., 4 (1960), Sp. 1184 f.

(1934), S. 78 ff.; 15 (1935), S. 341 f f . ; GALLING ( A . 1 1 ) , S. 75 f .

14

2 Bo Reicke, Neutestamentl. Zeitgeschichte

18

Juda unter persis&er Hcrrsdiaft, 539—332 y. Chr.

Sesbazar und dann unter Darius der bedeutendere Serubabel mit ihren Anhängern imstande waren, am persischen Königshof jüdische Anliegen zu fördern, so ist dieses erst recht Nehemia gelungen, der als königlicher Mundschenk in Susan und als persischer Pascha in Jerusalem ansehnliche Staatsämter bekleidete. Diese glückliche Anpassung hervorragender Juden an das persische Hof- und Verwaltungswesen spiegelt sich in jüdischen Erzählungen der nachexilischen Zeit wider. Bezeichnend ist der an die Josephsgeschichte erinnernde Bericht vom Aufstieg des großköniglichen Pagen Daniel, dessen Tätigkeit zwar einleitend mit der babylonischen Gefangenschaft, aber endgültig mit dem persischen Satrapenreich verknüpft wurde (Dan. 6,1—28). Laut einer persisch-griechischen Version des chronistischen Werkes machte Serubabel eine ähnliche Karriere als Hofpage des Darius (3. Esr. 3,1—4,63). Nach der Tobiterzählung brachte es der weise Jude Achikar in Nineve bis zum Reichskanzler (Tob. 1,21 f.). Ein weiteres Beispiel liefern die schöne Esther und der kluge Mardochai, welche im Frauenhaus und am Hofe des Artaxerxes zu höchsten Würden gelangten (Esth. 2,17; 8,2). In anmutig poetischer Form stellen diese Erzählungen jüdische Ideale dar, die in der Achämenidenzeit soziale Wirklichkeit werden konnten. Trotz der Rückwanderung vieler Juden nach Palästina blieb die Diaspora bedeutsam. Sie hat sich immer mehr ausgedehnt, wie spätere Nachrichten bezeugen, teils durch neue Auswanderung, teils durch Bevölkerungszunahme. Die ehemaligen Kriegsgefangenen und die freien Emigranten konnten als Verwalter und Geschäftsführer, als Pächter und Bauern, als Handwerker und Unternehmer ihre Tüchtigkeit beweisen und an der achämenidischen Hochkonjunktur teilnehmen. Trefflich werden die Verhältnisse von der Korrespondenz des unter Artaxerxes I. und seinen Nachfolgern blühenden Bankhauses „Muraschu Söhne" in Nippur beleuchtet". Diese babylonischen Finanzmagnaten haben zahlreichen Pächtern und Unternehmern das nötige Kapital zur Verfügung gestellt; man bekommt den Eindruck einer wirklichen Hochkonjunktur. Zu den Kunden gehörten besonders viele Juden, die sich hinaufarbeiten wollten14. östlich erstreckte sich das Judentum damals vermutlich bis nach Medien (Tob. 1,14; 3,7; 9,2; 14,4, eine zwar spätere, jedoch auf früheren Erzählungen fußende Quelle), gegen Ende der Achämenidenzeit infolge einer Deportation angeblich bis nach Hyrkanien (Eus. Chron. 360, ed. Helm 121,6—10, unter Berufung auf einen älteren HistoriJ5

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G. CARDASCIA, Les ardiives de Muralu (1951), S. 8: Muraschu Söhne war eine Leihbank, die sich im Ansdiluß an die feudalen Verhältnisse des Perserreichs mit ihrem enormen Kapital auch zur mächtigen Treuhandgesellschaft entwickelte. B.MEISSNER, Die Achämenidenkönige und das Judentum: Sitz.ber. Preuli.Ak. Wiss. 1938, Phil.-hist. Kl. (1938), 6—32, S.9.11; andere Darstellungen angeführt von Cardascia (A. 15), S. III.

Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr.

19

ker). In nordwestlicher Richtung scheinen jüdische Sklaven während der Achämenidenzeit nach dem jonischen Kleinasien gebracht worden zu sein (Joel 4,6), so daß die später bedeutende kleinasiatisdie Judenschaft schon damals ihren Anfang nahm. Südwestlich, nadi Ägypten, kamen Auswanderer aus Israel und Juda im 6. Jahrhundert bis zum ersten Nilkatarakt, wo die Perser auf der Insel Elephantine eine israelitisch-jüdische Garnison unterhielten. Nachrichten über diese Kolonie sind in den aramäischen Elephantine-Papyri erhalten. Gewiß handelt es sich überall zunächst um Einzelsiedlungen, aber diese waren Ausgangspunkte für die außerordentliche Verbreitung des Judentums in der hellenistischen und der römischen Zeit, ein auch f ü r die Ausstrahlung des Evangeliums sehr wichtiger Umstand. Die erwähnte Ausdehnung des Judentums in drei Himmelsrichtungen erfolgte im Bereich der persischen Großmacht. Jerusalem blieb das geistige Zentrum dieses international gewordenen Judentums. So appellierten beispielsweise die Elephantine-Kolonisten 410 v. Chr. in einer Notlage zunächst an die heilige Stadt (Pap. Cowley 30,18 f.). Allerdings wußten die führenden Juden genau, daß man den Fortschritt außer der göttlichen Gnade nur dem königlichen Wohlwollen zu verdanken hatte (Esr. 9,9), wie es unter Artaxerxes I. besonders deutlich Nehemia erlebte. 3. Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr. Anschließend sind die Verhältnisse unter den späten Achämeniden (424—331 v. Chr.) kurz zu schildern. Eine chronologische Liste wird vorausgeschickt, worin auch persische Provinzstatthalter, jüdische Hohepriester und einige nach der Macht strebende Brüder derselben angeführt werden. Das soll die Erörterung des samaritanischen Schismas und anderer Probleme dieser Epoche erleichtern. Großkönige:

Statthalter:

(Artaxerxes I. bis 425) Darius II. 424—404

in Samarien Deleja, Sanballats I. Sohn; in Juda Bagoas17

Artaxerxes II. 404—358 (Anabasis des Kyros 401)

in Juda Bagoas (wie oben) 17

17

2*

Hohepriester:

Brüder der

Hohenpriester:

Johanan (Neh. 12,11.22)

1. Neh. 13,28: Ein anonymer Bruder Johanans war der Schwiegersohn des Sanballat; er wurde von Nehemia vertrieben 17 . 2. Jos.Ant. XI, 297—301: Johanans Bruder Jesua war der Kandidat des Bagoas für die Hohepriesterwürde; er wurde von Johanan umgebracht, wonach Bagoas die Opfer sieben Jahre lang besteuerte. 17

In der zweiten Kolumne und in der vierten unter 1. ist Sanballat der von Neh. 2,10 usw. her bekannte Pasdia in Samarien (o. S. 14). Der Sohn und

Juda unter persischer Herrschaft, 539—332 v. Chr.

20

Sanballat II. ca. 380

Artaxerxes III. 358—338

Darius III. 336—330

Jaddua (Neh.ebd.)

Hananja

Sanballat III.

a) D i e a l l g e m e i n e

3. Jos.Ant.XI, 302 f. 306312. 321-325: Jadduas Bruder Manasse war der Schwiegersohn des Sanballat; er wurde als solcher von den Ältesten in Jerusalem vertrieben. Sanballat wollte ihn zum Hohenpriester befördern, plante deswegen einen Garizim-Tempel unter Darius und baute diesen noch sdinell beim Anmarsch der Mazedonier unter Alexander 332 v.Chr. 1 8

Lage

Trotz mancher Schwierigkeiten wegen der großen Entfernungen und der vielen Prätendenten konnten die späten Adiämeniden die Hegemonie bis zuletzt aufrechterhalten. Zwar schien die Monarchie nach jeder Thronbesteigung bedroht, so etwa 401 bei der durch Xenophon berühmt gewordenen Anabasis des jüngeren Kyros gegen seinen Bruder Artaxerxes II. Jedoch konnte die Machtstellung jedesmal wieder gefestigt werden. Der vorletzte Großkönig Artaxerxes III. war sogar ein ungewöhnlich tatkräftiger Politiker, der sich im Westen erfolgreich behauptete. Erst die überraschend große Schlagkraft der Mazedonier unter Alexander brachte seinen Nachfolger Darius III. und das ganze Perserreich zu Fall. Von der Geschichte des Judentums während dieses Zeitraums ist wenig bekannt. Daß mosaische Gesetze und davidische Psalmen zum Teil in die spätachämenidische Epoche datiert werden, geschieht auf grund unsicherer Schulmeinungen, und auch wer letzteren Glauben schenkt, kann nicht ohne Manipulationen solche Texte für die Geschichte der Zeit verwenden. Selbst w o der Inhalt wegen Anachronismen wie beim Werk des Chronisten auf eine spätachämenidische Re-

18

Nachfolger Deleja mit seinem Bruder sowie Bagoas und Johanan begegnen in drei Elephantine-Papyri aus dem Jahre 407 v. Chr. (Pap. Cowley 30—32). Sie versahen also unter Darius II. ihre Ämter. Bagoas amtierte noch unter Artaxerxes II., wenn die in der vierten Kolumne unter 2. angeführte JosephusNotiz richtig ist, in der es »der andere Artaxerxes" heißt. In dem zuletzt unter 3. angeführten Josephus-Bericht erscheint ein 100 Jahre später datierter Sanballat als „Satrap" von Samarien. — Die neuentdeckten Papyri aus Wadi Dalije (14 km nnw. von Alt-Jericho) lassen zwischen den zwei Sanballat noch einen hervortreten, der um 380 Pasdia von Samaria war; F. M. C R O S S jr., The Discovery of the Samaria Papyri: The Bibl. Ardiaeol. 26 (1963), HO 121, S. 120 f. Es zeigt sich: das Amt übernahm jeweils ein Sohn, den Namen ein Enkelsohn. Josephus konnte Sanballat I., I I , III. wohl nidit auseinanderhalten.

Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr.

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daktion hinweist, spiegelt die Schilderung höchstens allgemeine Zustände, aber keine feststellbaren Ereignisse aus der Zeit des Redaktors wider. Uber periphere Einzelheiten geben die Papyri von Elephantine Auskunft; die von Dalijeh kommen nunmehr hinzu (A. 18). Später entstandene Erzählungen wie Judith haben vielleicht ein paar Wurzeln in der spätachämenidischen Zeit, aber keine noch greifbaren. Josephus hat außer dem Alten Testament für diese Epoche nur einige legendarische Uberlieferungen zur Verfügung gehabt. Für das weitverbreitete Judentum des späten Achämenidenreiches ist trotzdem anzunehmen, daß sich die unter den früheren Großkönigen begonnene Entwicklung fortsetzte. Allgemein haben die Juden wohl immer noch von den politischen Verhältnissen und dem kulturellen Großraum profitiert. b) D a s s a m a r i t a n i s c h e

Schisma

Für das reorganisierte Jerusalem ist andererseits in der späten Achämenidenzeit ein Rückgang des Einflusses zu verzeichnen, der zur Zeit Jesu und der Apostel noch ein brennendes Problem war. Sichern, das bis etwa 900 v.Chr. ein kultisches und politisches Zentrum Nordisraels gewesen war und später durch Samaria verdrängt wurde, trat wieder als Tempelhüter auf: Man baute auf dem Berge Garizim unmittelbar südwestlich der Stadt einen Tempel, der als Kultzentrum der Bevölkerung Nordpalästinas gegen den Jerusalemer Tempel ausgespielt wurde. Obwohl die Umstände für das Aufkommen des samaritanischen Schismas nicht ganz einsichtig sind, beruhte dieses wohl hauptsächlich auf einer Reaktion der Behörden in Samarien und einiger Aristokraten in Juda auf das zentralistisdie, sozusagen zionistische Reformwerk Nehemias. Wie die rechte Kolumne unserer Zeittafel (o.S. 19 f.) zeigt, widersprechen sich die vom Schisma handelnden Angaben bei Nehemia und Josephus recht kräftig in der Chronologie, stimmen aber in den Andeutungen der Lage unbewußt überein. In allen drei Texten tritt ein Bruder des jerusalemisdien Hohenpriesters als Verräter auf, der mit den Vertretern der Satrapie verbunden war. Unter 1. und 2. ist es jeweils ein Bruder des Hohenpriesters Johanan, teils ein anonymer und teils einer namens Jesua; jener soll von Nehemia vertrieben, dieser von Johanan umgebracht worden sein. Keineswegs erscheint die Existenz dieser beiden zu Kollaborateuren gestempelten Brüder des Hohenpriesters undenkbar. Gegenüber der Uberlieferung 3. wird man eher Zweifel empfinden. Wie in den Nehemia-Memoiren heißt der Schwiegervater des seinem hohenpriesterlichen Bruder feindlich Gesonnenen wieder Sanballat, aber während Sanballat I. unter Darius II. diente, so habe dieser unter Darius III. amtiert, d. h. Sanballat III. Bereits die Namensgleichheit legt die Vermutung eines

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Juda unter persischer Herrschaft, 539—332 v. Chr.

Anachronismus nahe. Es ist auch zu bezweifeln, daß ein Bruder des spätestens etwa 380 anzusetzenden Jaddua (vgl. die Zeittafel S. 20) gegen 332 noch am Leben war. Vor allem wurde der Garizimtempel bestimmt nicht so im Handumdrehen beim Anmarsch der Mazedonier neu gebaut. Eher wurde er nachher wegen der mazedonischen Kolonie in Samaria ausgebaut. Die von Josephus hier angeführte Uberlieferung wird offenbar von der Tendenz getragen, die verhaßte Samaritanergemeinde als unreife Frucht eines hellenistischen Opportunismus darzustellen. Es läßt sich annehmen, daß in Wirklichkeit schon die exklusive Levitenpolitik des Nehemia und der ihm folgenden Hohenpriester in nehemianisdier und spätachämenidischer Zeit einigen Mitgliedern der hohepriesterlidien Familie nicht paßte und der ganzen Jeunesse doree die Bewegungsfreiheit einschränkte. Vertreter der Satrapie in Juda und Samarien nutzten die Reaktion, um den neuen Priesterstaat zurückzudrängen. Artaxerxes II. verlor Ägypten 404, erlebte die Anabasis des Kyros 401 und konnte die Herrschaft über Ägypten nicht wiedergewinnen. Zur besseren Kontrolle Palästinas hat wohl Bagoas als Kommissar Judas um 400 den Jerusamer Tempelkult für sieben Jahre besteuert (Jos. Ant. XI, 297—301) und haben wohl Sanballat II. um 380 oder andere Machthaber in Samarien den Neubau oder Wiederaufbau eines Tempels auf dem Garizim veranlaßt. Man vermied dabei geschickt das in jüdischen Augen immer von Götzendienst geprägte Samaria und wählte in Sichern und auf dem Garizim einen Ort aus, mit dem mosaische, königliche und andere Uberlieferungen verbunden waren (Gen. 12,6; Deut. 11,29; l.Kön. 12,25; Jer. 41,5). Durch jene revoltierenden Mitglieder des zadokidischen Hauses in Jerusalem kam der neue Tempel zu einer vornehm genug erscheinenden Priesterdynastie. Wie die spätere Frömmigkeitsgeschichte zeigt, wurde dem Gottesdienst bei Sichern auch der jüdische Pentateudi zugrundegelegt (in Deut. 27,4 wurde Ebal durch Garizim ersetzt). Vorsichtigerweise verwarf man die Propheten und Hagiographen. Dafür nahm der .neue Kultort der gemischten Bevölkerung Nordpalästinas unvermeidlich synkretistische Züge an. Gegen diesen Versuch zur Rekonstruktion der Anfänge des samaritanischen Schismas läßt sich nicht einwenden, daß die Übernahme des Pentateuchs auf eine spätere Zeit hinweise. Denn über die redaktionelle Vollendung dieser Schriftensammlung weiß man in der Tat nicht so genau Bescheid, daß von da aus eine bestimmte Chronologie möglich wäre. Sehr für den vorgeschlagenen Zeitansatz sprechen dagegen die politischen Umstände. Die samaritischen Vertreter der Satrapie und ihre Anhänger intrigierten nach den Büchern Esra und Nehemia wiederholt gegen den Aufstieg Jerusalems, und zwar gerade um die Vorrangstellung Nordpalästinas zu erhalten. Gründung oder Restau-

Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr.

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ration von Tempeln gehörte zur typischen Politik des persischen Reichs, wie bei der Wiederherstellung des Tempels in Jerusalem und auch von Tempeln in Syrien festzustellen ist. Zudem ist viel wahrscheinlicher, daß Sanballat II. oder einer seiner Nachfolger als Schachzug gegen den Fortschritt Jerusalems den Tempelbau bei Sichern mit Hilfe revoltierender Zadokiden betrieben haben, als daß erst Alexanders plötzlidier Einbruch das große Unternehmen auslöste19. Ethnisdi hatte der neue Aufstieg Sichems wie der alte in den Tagen des ersten Jerobeam ( l . K ö n . 12,25) eine Verschärfung des Gegensatzes zwischen Norden und Süden zur Folge. Im letzten Teil des zweiten Jahrhunderts v. Chr. führte diese Spannung zu verheerenden Feldzügen der Juden gegen die Samariter (u. S. 51), und die neutestamentliche Zeit erlebte nodi viele Zusammenstöße beider Volksgruppen. Religiös bewirkte der Tempelbau auf dem Garizim wie auch damals Jerobeams Opfereinrichtungen in Beth-El und Dan (12,28— 33), daß sich eine besondere israelitisdi-synkretistische Kultgemeinde entwickelte. Das war die Gemeinde der Samaritaner, die mit ihren eigenständigen Uberlieferungen durch Jahrhunderte weiterlebte, die in neutestamentlicher Zeit, gnostisch beeinflußt, zu Judäa und Jerusalem in einem gespannten Verhältnis stand (Luk. 9,53; Joh. 4,9.20; Apg. 8,18—23) und sich in kümmerlichen, aber ehrwürdigen Resten noch heute um den Garizim versammelt. c) D i e l e t z t e n

Perserkriege

In den Jahren 351—342 v. Chr. zog Artaxerxes III. mehrmals in Feld gegen Aufrührer in Syrien, Phönizien und Ägypten. Die blutigen Kämpfe endeten mit dem vollständigen Sieg des Königs, der besonders Sidon und Ägypten schwer bestrafen ließ. Juden scheinen an der Empörung irgendwie beteiligt gewesen zu sein, denn außer den in Massen deportierten Ägyptern sollen auch Juden verschleppt worden sein, und zwar nach Hyrkanien südöstlich des Kaspisdien Meeres (o. S. 18)20. Nichts aber deutet in den Quellen darauf hin, daß Juda betroffen war. Daß das heilige Land verschont blieb, kann sich vielmehr im Buch Judith widerspiegeln, wie von mehreren angenommen wird. Es läßt sich auf eine interessante Namensgleidiheit hinweisen: Holophernes und Orophernes, von denen ersterer der Angreifer im Judithbuch (Jdt. 2,4 usw.), letzterer der General des Artaxerxes bei den phönizisch-ägyptischen Feldzügen war. Obwohl dieses Buch später 18

20

Literatur zum samaritisdien Sdiisma: R . MARCUS, Josephus with an English Translation, 6 (1937), S. 498—511; G.E.WRIGHT, The Samaritans at Shechem: The H a r y . Theol. Rev. 55 (1962), S. 357—366; H.H.ROVLEY, Men of God. Studies in Old Testament History and Prophecy (1963), S. 246—276. Weiteres bei SCHÜRER, 3, S. 6; I. GUTMANN, Artaxerxes III.: Encycl. jud. 3 (1929), S. 407.

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Juda unter persischer Herrschaft, 539—332 v. Chr.

entstand und nicht über Tatsachen berichten, sondern zum Mut auffordern wollte, könnte seine Legende auf eine tatsächliche Sonderstellung Judas bei den Strafexpeditionen des Artaxerxes zurückgehen. Die achämenidische Hegemonie hörte aber nach dieser Manifestation überraschend schnell auf. Intrigen der Satrapen führten Darius III. auf den Thron. Er war nicht klug und stark genug, um der eruptiven Kraft des mazedonischen Staates unter Alexander standzuhalten. Schon nach sechs Regierungsjahren wurde, wie es das Buch Daniel malerisch darstellt, der Widder mit den Hörnern Mediens und Persiens vom angriffslustigen Ziegenbode aus dem Westen vernichtet (Dan. 8,7). Die bekannten Schlachten bei Granikos 334, Issos 333 und Arbela 331 (im Nordwesten und Südosten Kleinasiens und an der Königsstraße nordöstlich Nineves) bezeichnen den Untergang des achämenidischen Reichs und den Beginn einer neuen Epoche der Antike. d) N a c h w i r k u n g d e s P e r s e r t u m s auf das J u d e n t u m Für die Juden wie für andere Völker des Nahen Ostens bedeuteten der Fall der Adiämeniden und der Sieg des Alexander 331 keinen Bruch mit der Vergangenheit. Obwohl die Herrschaften dann häufig wechselten und die Großreiche einander heftig bekämpften, behielten die Juden des Heimatlandes und der Diaspora im allgemeinen ihre politische Stellung und ihre sozialen Beziehungen bei. Auf dem im Perserreich gelegten- Grunde lief auch ihr kulturelles und geistiges Leben weiter; nur allmählich wurde der östliche Kulturtyp von dem westlichen, ^durch Alexander eingeführten überlagert. Eben dahin zielte das Programm Alexanders, auf eine politische und kulturelle Verschmelzung von Ost und West, von bodenständigen orientalischen und internationalen griechischen Elementen, wie unten zur Entwicklung des „Hellenismus" angeführt werden soll. Alexander und seine ersten Nachfolger dachten nicht daran, die Eigenart des Judentums gewaltsam einzuschränken. Gleich nach der Eroberung durch Alexander konnten jüdische Priester und Leviten, Älteste und Schriftgelehrte das Werk Esras und Nehemias ohne weiteres fortsetzen. Neben den vom Chronisten geschilderten Kult- und Gesetzesüberlieferungen, die um den Tempel herum restauriert wurden, umfaßte die jüdische Religion der Zeit 539—332 v. Chr. vermutlich auch Elemente, die mit der persischen Herrschaft zusammenhingen, so vor allem in der östlichen Diaspora. Nur selten läßt sich eine direkte Übernahme persischer Traditionen feststellen, wie beim Wettkampf der Hofpagen im apokryphen Esrabuch (3. Esr. 3,1—4,42). Vorwiegend dürfte es sich nicht um Influenz, sondern um Konvergenz handeln, um Weiterentwicklung vorhandener Motive wegen Analo-

Die späten Großkönige, 424—331 v. Chr.

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gien in der mächtigen Umgebung. Ferner ist darauf zu achten, daß keine altiranische Religion und kein eigentlicher Zoroastrismus den Juden begegnet waren, sondern ein chaldäisch-iranischer Synkretismus in hauptsächlich aramäischer Übertragung, über den uns entweder sehr fragmentarische oder viel spätere Quellen recht unsichere Auskunft geben. Trotzdem ist deutlich, daß sich die jüdische Frömmigkeit noch lange nach der Achämenidenzeit mit der chaldäischen und persischen Kulturwelt verbunden fühlte, wie es die Bücher Tobit, Esther und Daniel bezeugen. Der grundlegende Anlaß zu diesen Kontakten dürfte die Perserherrschaft gewesen sein. Einige religiöse Motive des Judentums der späteren nachexilischen Zeit, die im Anschluß an ältere Vorstellungen durch Konvergenz mit dem persischen Synkretismus weiterentwickelt worden sein können, sind diese: 1. die Auffassung des Himmels im Stil eines Hofstaats; 2. die Neigung zum Dualismus, teils physisch-ethisch, teils dramatisch-geschichtlich ausgestaltet; 3. die Lehre von einander ablösenden Weltreichen; 4. die Gestalt eines göttlichen Mittlers, der als Urmensch, Prophet und Erlöser auftreten konnte; 5. systematische Engel- und Teufelsbegriffe; 6. die Erwartung einer Auferstehung und Vergeltung. Erst in späteren Texten zeichnet sich die Bedeutung dieser Motive ab, doch ist a priori zu vermuten, daß schon die Achämenidenherrschaft die Entwicklung derselben förderte. Dazu griffen im späteren Kulturkampf gegen das Griechentum konservative Juden auf das Persertum zurück und ließen sich ebenso vom Partherreich inspirieren, so daß Elemente des chaldäisch-iranischen Synkretismus noch in den letzten vorchristlichen und ersten christlichen Jahrhunderten die jüdische Vorstellungswelt bereicherten. Es ist unmöglich zu entscheiden, in welchem Ausmaß sich dem Iranismus vergleichbare Motive des Judentums in persischer oder in parthischer Zeit entfalteten. Allgemein aber darf wegen der politischen und kulturellen Bedeutung des Perserreichs für das Judentum ein beträchtlicher Kultureinfluß schon der älteren Zeit zugeschrieben werden. Auf alle Fälle haben die Juden aus der Achämenidenzeit in die Alexanderzeit ein geistiges Erbe hinübergerettet, das für sie in folgenden Jahrhunderten eine bedeutende Rolle spielte21.

21

B. REICKE, Iranische Religion, Judentum und Urchristentum: Die Rel. in Gesdi. u. Geg. 3 (1959), Sp. 881—884.

II. JUDÄA UNTER HELLENISTISCHEN HERRSCHAFTEN 332—142 v. Chr. 1. Der hellenistische Machtbereich Dann wird ein gewaltiger König aufstehen ... Und plötzlich wie bei seinem Aufstieg wird sein Reich zerbrochen und nach den vier Himmelsrichtungen zerteilt werden (Dan. 11,3 f.). a) D e r

Alexanderzug

Alexander (König 336—323) war als Mazedonier eigentlich kein Grieche, jedoch griechisch erzogen, zuletzt von Aristoteles, und als er im Alter von zwanzig Jahren 336 den Thron bestieg, übernahm er vom Vater die Macht über Griechenland. Sein 334 v. Chr. eingeleiteter Feldzug gegen Persien war eine Fortsetzung der früheren griechischen Expeditionen zur Sidierung der Kolonien ini Osten, nur besser vorbereitet und tatkräftiger durchgeführt. In ungeahnter Weise gelang es dem genialen und rastlosen Strategen, den Perserkönig immer wieder in die Flucht zu schlagen und eine Satrapie nach der anderen zu erobern. Zugleich wurde der Alexanderzug durch Kleinasien, Phönizien, Palästina, Ägypten, Mesopotamien, Iran und Vorderindien ein Siegeszug der griechischen Kultur. Die Eroberung Palästinas geschah 332 ohne Widerstand der Juden. Alexander belagerte zunächst Tyrus und zog dann der Küste entlang gegen Gaza. Inzwischen ergaben sich Samaria und Jerusalem freiwillig. Josephus läßt Alexander dem in feierlichem Schmuck ausgezogenen Hohenpriester Jerusalems versichern, dieser sei ihm schon in Mazedonien durch einen Traum erschienen und habe ihm den Auftrag des Gottes Israels übermittelt, die Macht über das Perserreich zu ergreifen (Jos. Ant. XI, 334 f.). Diese anekdotische Schilderung ist typisch für das Verhalten Alexanders dem Kult der unterworfenen Völker gegenüber. Berühmt ist auch seine Wallfahrt zum Orakel des Ammon in Libyen, wo er sich als Sohn des ägyptischen Reichsgottes begrüßen ließ. Überall trat Alexander mit solcher überraschenden Selbstverständlichkeit als göttlich eingesetzter Weltherrscher auf. Jedoch versuchte er nicht, die führenden Schichten und vorherrschenden Kulturen des eroberten Orients durch griechisch-mazedonische Elemente zu ersetzen. Vielmehr durften die Orienttepiche sozusagen überall liegen bleiben,

Der hellenistische Machtbereich

27

er nahm sie nur unter die Füße. Tempel und Kulte wurden belassen und Alexander selbst als der von der betreffenden Gottheit bestimmte Herrscher dargestellt. Unter weitgehender Schonung der bestehenden Einrichtungen setzte Alexander nur Verwalter und! Besatzungen ein und gründete zur Stärkung des Handels strategisch günstig gelegene Städte. Nach dem Induszug trat er in der alten Königsstadt Susa als Nachfolger der Adiämeniden auf und heiratete eine Tochter des besiegten Darius. Außerdem vermählte er seine Offiziere mit Töchtern des persischen Adels und nahm in seine Kavallerie persische Reiter auf. Deutlich erstrebte also Alexander eine Verbindung von Okzident und Orient, doch lag für ihn persönlich der Schwerpunkt im Osten. Mazedonier und Griechen opponierten gegen diese optimistische Orientpolitik audi nach den Einschränkungen, zu denen sich Alexander kurz vor seinem plötzlichen Tode genötigt sah. Trotzdem war das Ergebnis des Alexanderzuges für Jahrhunderte eine intensive Verschmelzung von hellenistischen und orientalisdien Kulturelementen, eine Erscheinung, die für den Mittelmeerraum und Vorderasien bis zur Römerzeit und darüber hinaus bis zur spätantiken Teilung des Römerreidis charakteristisch blieb. b) D e r

Hellenismus

Weil die von der Alexanderzeit über das Römerreidi bis zur Spätantike beherrschende Kultur des Mittelmeerraums und Vorderasiens von griechischen, hellenischen Elementen geprägt war, spridit die moderne Forschung vom Hellenismus\ Allerdings genügt im Blick auf die Geschichte des Judentums und Christentums dieser Begriff nicht allein, um den Rahmen der Entwicklung während der ersten christlichen Jahrhunderte zu charakterisieren. Denn in gewissen Zusammenhängen spielten damals orientalische Elemente die Hauptrolle, vor allem in mächtigen religiösen Bewegungen, auch in einigen politischen Erscheinungen. Wo das der Fall ist, mag eher vom „Orientalismus" die Rede sein2. Für den Hellenismus, der sidi auf grund der Errungenschaften Alexanders während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte entwickelte und für das Judentum positive und negative Bedeutung gewann, waren folgende Verhältnisse kennzeichnend: 1. Bisher hatte das Perserreich den weitesten Kulturraum des Altertums gebildet (o. S. 6). Dieser wurde durch Alexander um Maze1

2

„Hellenismus" (eig. „griechisches Wesen") wurde zunächst als Bezeichnung für die Kulturgeschichte von Alexander bis Augustus verwendet und verbreitet durch J. G. DROYSEN, Geschichte Alexanders d. Gr. (1833—34); Geschichte des Hellenismus, 1—2 (1836—43). Später ist es üblich geworden, den Ausdruck auch für die Kaiserzeit zu gebrauchen. So auch F.C.GRANT, Hellenismus: Die Rei. in Gesch. u. Geg. 3 (1959), Sp. 210.

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Judäa unter hellenistischen Herrschaften, 3 3 2 — 1 4 2 v. Chr.

donien und Griechenland samt beider Kolonien erweitert. So konnten die „Inselländer" (Gen. 10,5), die schon lange durch Expeditionen, Faktoreien und Kolonien mit dem Morgenland in Verbindung standen und zur Zeit die geistig, merkantil und technisch bedeutendsten Gegenden der Welt waren, in weitaus größerem Umfang als früher Macht und Kapital, Geist und Kultur exportieren. Eine politische Suprematie fiel Mazedonien, Griechenland und Jonien nicht zu, aber der mazedonische Adel hat mancherorts dominiert, und die griechischjonische Bürgerkultur wurde maßgebend vom Tyrrhenischen Meer bis zum Indischen Ozean. Auch das Hellenentum selbst wurde durch jene gewaltige Erweiterung des Lebensraums bereichert. Materiell kam das vor allem den ägäischen Handelsinseln — wie Delos, Rhodus — und den jonischen Industriestädten — wie Ephesus — zugute. Geistig sind Fortschritte der Natur- und Menschenkunde festzustellen, andererseits wurde das altgriechische Wesen unvermeidlich von der kosmopolitischen Gesinnung aufgelockert3. 2. Stützpunkte des enormen griechischen Einflusses auf den Orient wurden die zahlreichen Städte, die Alexander und seine Nachfolger förderten und gründeten. Es handelt sich um den Typ der griechischen Polis: die Stadt hatte oft eine Agora und rechtwinklige Straßen, Regierungsgebäude und Staatskapelle, Gymnasium und Theater, alles mit griechischen Kunstwerken geschmückt; dazu kam ein von der Stadt abhängiges Landgebiet. Solche administrative und merkantile Zentren des Hellenismus finden sich auf der Landkarte in dichten Reihen von Jonien über Südkleinasien und Syrien durch Mesopotamien und Westiran bis zum Persischen Golf, ebenso von Phönizien durch Transjordanien und Philistäa bis nach Ägypten und Nordafrika4. Meist liegen sie an der Route des Alexanderzuges, und obwohl viele schon vorher bestanden oder erst später gegründet wurden, hat Alexander diesem großen System von Poleis den Aufschwung gegeben. Die größte und reichste aller hellenistischen Städte Iwar seine persönliche Gründung und trägt noch heute seinen Namen, Alexandria im Westteil des Nildeltas. Bevölkert wurden die hellenistischen Städte in der ersten Zeit durch eine Oberschicht von Mazedoniern und Griechen sowie mehrere Unterschichten von Einheimischen, Beisassen und Sklaven. In den Reihen der Beisassen fanden sich oft Juden. Die politischen und sozialen Verhältnisse bewirkten, daß griechisches Bärgerrecht und griechische Bildung den nicht-griechischen Elementen oft außerordentlich wertvoll erschienen. Um als vollwertiges Mitglied der modernen Gesellschaft zu gelten, mußte eigentlich jedermann Bürgerrecht (gr. politeia) in einer der S

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H . BENGTSON, Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römisdie Kaiserzeit ( ' i 9 6 0 ) , S. 2 8 5 — 5 0 6 . BENGTSON, K a r t e nach S. 448.

Der hellenistische Maditbereidi

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hellenistischen Städte besitzen. Das bedeutete nicht Besitz einer Nationalität, sondern in Analogie zum griechisch-jonischen Begriff der Polis volle Teilnahme an den Rechten und Pflichten der Bürgerschaft einer Stadt. Da nun diese Rechte grundsätzlich den Griechen zustanden, aber die Griechen im Osten nicht selten durch „Barbaren" verstärkt werden mußten, wurde Griechentum im sozialen Sinne ein überall gesuchtes Privileg. Sogar dort, wo man ohne Aufgabe der nationalen Eigenart bürgerliche Gleichberechtigung oder Mitbürgerrecht (gr. isopoliteia) beanspruchte, wie später die Juden in Alexandrien, ging man vom Begriff des griechischen Bürgers aus. Übrigens war auch das römische Mitbürgerrecht ein städtisches Privileg, nur als ganz besonders wertvoll empfunden, wie bei Paulus ersichtlich wird (Apg. 22,28). Die hellenistischen Städte waren gewiß von der jeweiligen Königsmacht abhängig, doch übten die Bürger durch Stadtrat und Senat eine weitgehende Selbstverwaltung aus. Außerdem waren die Bürger zum Schutz ihrer Interessen in verschiedenen Körperschaften organisiert. Das hochentwickelte griechische Vereinswesen erlangte auch im Osten Bedeutung und half in Kleinasien, Syrien und Ägypten das griechische Bewußtsein zu bewahren. Die griechische Gesinnung wurde besonders in den Städten mit Gymnasium gepflegt, wo aktive Kommilitonen, Epheben genannt, und Altstudenten eine akademische Verbindung bildeten: hier war man sicher, als griechischer Bürger voll anerkannt zu werden (vgl. die Exklusivität gewisser Colleges in England oder Fraternities in Amerika). Aber auch viele andere Genossenschaften staffelten das städtische Leben: berufliche Zünfte, religiöse Orden, soziale Kassen, politische Clubs. Überall standen die Korporationen unter dem Schutz einer Gottheit, nach Möglichkeit auch unter dem eines reichen Gönners. Nach der römischen Eroberung Griechenlands, Kleinasiens, Syriens und Ägyptens wurde das hellenistische Vereinswesen ein Sammelpunkt der Opposition und des Nationalismus und war in der Kaiserzeit deshalb grundsätzlich verboten. Die junge Kirche mußte sich allmählich mit diesem religiösen, politischen und sozialen Vereinswesen auseinandersetzen, weil ihre Gemeinden in Städten entstanden (u. S. 230 f.). 3. Zu dem weit verbreiteten Griechentum gehörte als Kommunikationsmittel vor allem die griechische Sprache. Es handelt sich um die Koine, ein vereinfachtes Attisdi mit jonischen Einschlägen, das im 4. Jahrhundert v. Chr. die alten Mundarten zu ersetzen begann. Der neue Kosmopolitismus verlangte eine gemeinsame, bequeme Sprachform. Als die Sprache der Offiziere, der Notare, der Redner und der Bürger drängte das Koine-Griechisch in Vorderasien das Aramäische vorläufig zurück und wurde überall die Gemeinsprache in Politik und Administration, in Handel und Unterricht. Jedoch blieben in nicht-griechischen Gebieten die einheimischen Volkssprachen bestehen. Dort waren viele Menschen zweisprachig, so in Rom die Gebildeten, in Syrien, Palästina und Ägypten auch einfache Leute, wie Hand-

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S c h r i f t e n und Inschriften bestätigen. Noch im ersten und zweiten christlichen Jahrhundert behielt die Koine ihre Machtstellung vom Tiber bis zum Tigris oder sogar noch weiter. Es ist daher kein Zufall, daß die volkstümlichen Schriften des Neuen Testaments im KoineGriechisch geschrieben wurden und erst gegen 200 n. Chr. übersetzt werden mußten. Aber auch für Rhetorik und Kunstprosa wurde die Koine verwendet. Dabei haben kleinasiatische Rhetoriklehrer eine barockähnliche Stilform entwickelt, den Asianismus; diesem gegenüber stand seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, von alexandrinischen Akademikern unterstützt, die neuklassizistische Schule des Attizismus. Seit 150—200 n. Chr. erfolgte ein geographischer Rückgang des Griechischen, als man in Italien nicht mehr so eifrig Griechischstudien trieb, während in Ägypten und Vorderasien der Orientalismus zur literarischen Wiederbelebung' von Koptisch, Hebräisch, Syrisch und anderen Volkssprachen beitrug. Mit griechischer Schule und Sprache unauflöslich verbunden waren auch im Hellenismus griechische Mythologie und Literatur. Alexander las eifrig Homer und hatte zur Aufzeichnung der Erlebnisse überall griechische Schriftsteller bei sich. Im ganzen Hellenismus zeichneten sich die führenden Schichten durch derartige Interessen aus. Lebenshaltung, Götterglaube, Philosophie, Moral, alles wurde in der griechischen Diaspora hauptsächlich von den stolzen mythologischen und literarischen Überlieferungen getragen. 4. Über die hellenistischen Städte und Landgebiete herrschte ein schließlich als göttlich dargestelltes Königtum. Alexander wandte auf sich das königliche Ubermensch-Ideal des Orients an, und seine Nachfolger, die Diadochen und Epigonen, paßten sich auch in diesem Punkt allmählich dem Vorbild an. Die typischen Münzbilder Alexanders und seiner Nachfolger heben göttliche Züge hervor: dasi Haar erinnert an Sonnenstrahlen, die Augen blicken in die Ferne, aus dem Munde kommt ein göttlicher Hauch, und auf der Rückseite findet sich ein Gott wie Zeus oder Apollon. Jedoch haben die Diadochen zunächst nicht selbst die Initiative zum Herrscherkult ergriffen. Vielmehr begann es damit, daß Athen in serviler Weise den westlichen Diadochen Antigonus und seinen Sohn Demetrius Poliorcetes als Erlöser und Götter verehrte. Bald folgten andere Städte eifrig nach5.

Die königliche Suprematie umfaßte im Alexanderreith zunächst das Militär- und Fiskalwesen, zwei Gebiete, die Alexander organisatorisch voneinander trennte. Was der Einzelbürger von der Reichsmacht sah, das waren also hauptsächlich Soldaten und Steuerbehörden. Im übrigen konnte er sich ziemlich selbständig den kommunalen und privaten Geschäften widmen. Anders wurde es später in den Teilreichen, wo die Staatsmacht bisweilen hart ins Kommunalleben eingriff, wie unter Antiochus Epiphanes in Syrien-Palästina. Von den 8

M. P. NILSSON, Geschichte der griechischen Religion, 2 f l 9 6 1 ) , S. 150—154.

Die ägyptische Herrschaft, 320—200 v. Chr.

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Römern wurde aber eine weitgehende Selbstverwaltung der abhängigen Länder und Städte wieder zum Grundsatz erhoben. c) D i a d o c h e n

und

Epigonen

In großen Zügen verlief die politische Geschichte der von Alexander eingeleiteten Periode folgendermaßen. Alexander schuf aus Mazedonien, Griechenland, dem Perserreich und einem Teil Indiens ein so großes Reich, daß nicht einmal er selbst es fest zusammenhalten konnte. Nach seinem Tode 323 v. Chr. kämpften mazedonische und griechische Generäle als vermeintliche „Diadochen" Alexanders um die Macht. Es waren der Präsident des Reichsministeriums Perdikkas in Babylonien und mehrere Verwalter der mazedonisch-griechischen Kernländer und der persischen Satrapien. Schließlich wurde 301 das Alexanderreich so geteilt, daß 1. in Mazedonien die Antigoniden, 2. in Ägypten-Libyen die Lagiden oder Ptolemäer, 3. in Syrien-Persien die Seleukiden herrschten. Die drei Hauptländer der „Epigonen" Alexanders wurden später von der systematisch expansiven Stadtrepublik Rom erobert: Mazedonien 146, Syrien 64 und Ägypten 30 v. Chr. Palästina stand von 332 an unter der Herrschaft Alexanders und der Mazedonier, kam 320 zu Ägypten, 200 zu Syrien und 63 zu Rom. 2. Die ägyptische Herrschaft, 320—200 v. Chr. Dann wird der König des Südens stark werden (Dan. 11,5). Für die Bevölkerung des heiligen Landes bedeutete die Eroberung durch Alexander 332 zunächst keinen Umsturz. Man wechselte einfach den Herrscher wie vorher bei jeder neuen Thronbesteigung im Perserreich. Zudem blieb Juda, nach der griechischen Nomenklatur „Judäa", ein Teif der Satrapie Transeuphrat, die einem Offizier Alexanders namens Laomedon unterstellt wurde. Erst einige Jahre nach dem Tod Alexanders 323 wurde Judäa durch Ptolemäus, den Herrscher der Satrapie Ägypten, in das weltpolitische Geschehen hineingezogen. Eine chronologische Übersicht des 3. vorchristlichen Jahrhunderts mag die Dynastien Ägyptens und Syriens und deren Kriege kurz beleuchten, ehe die Einzelheiten berührt werden. Dabei seien audi die jüdischen Hohenpriester genannt, soweit Josephus sie in seinen allerdings nicht sicheren Angaben erwähnt, und die Vertreter des mächtigen Finanzhauses der Tobiaden, die seit etwa 260 die jüdische Politik stark beeinflußten.

Judäa unter hellenistisdien Herrschaften, 332—142 v. Chr.

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Die syrische Herrschaft, 200—142 v. Chr.

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Sieg bei Paneion 200 und die nachfolgende Zurückdrängung der Ägypter aus Palästina gaben Antiochus die Möglichkeit, wieder Eroberungen in Kleinasien zu machen, um dann auch nach Thrazien und Mazedonien hinüberzugreifen. Infolgedessen wurden die Juden, welche dem Feldherrn des Antiochus die Hauptstadt ausgeliefert hatten (Polyb.Hist. XVI, 39,4), politisch respektiert und kultisch sogar unterstützt (2. Makk. 3,2; Jos.Ant. X I I , 138—146). Ebenso machte Antiochus den jungen Ptolemäus V. zu seinem Schwiegersohn und ließ die Einkünfte aus Palästina weiterhin in die Ptolemäerkasse fließen, wofür der Tobiade Joseph zu sorgen hatte (S. 36 f.). Antiochus beging aber den verhängnisvollen Fehler, durch seine Herrschaftsansprüche in Kleinasien und Hellas sowie durch seine Zusammenarbeit mit Hannibal die Römer zum kräftigsten Gegenangriff herauszufordern. Er wurde aus Hellas verdrängt, dann bei Magnesia in Lydien 190 von Scipio Asiaticus besiegt und nachher zu einer sehr hohen, in zwölf Jahren abzuzahlenden Kriegsentschädigung verurteilt. Damit fand sich das reiche Seleukidenhaus plötzlich ruiniert. Antiochus versuchte durch Konfiskationen der Tempel — der Großbanken jener Zeit — den Finanzen aufzuhelfen, wurde aber bei einem solchen Unternehmen in Elymais 187 ermordet. Die enorme Kriegsschuld mußte der Sohn und Nachfolger Seleukus IV. (187—175) übernehmen. Es war kein Wunder, daß er auch nach dem reichen Tempelschatz in Jerusalem trachtete. Die lange Hochkonjunktur unter dem Tobiaden Joseph hatte Judäa ohnehin zum interessanten Steuerobjekt gemacht (o. S. 37). Jetzt aber verwaltete die Tempelbank das Geld des Tobiaden Hyrkanus (2.Makk. 3,11), des ehemaligen Aschenbrödels der Familie, der auf dem transjordanischen Stammschloß saß (S. 36), die nabatäische Umgebung beherrschte und die ägyptischen Interessen vertrat (Jos.Ant. X I I , 186—235). Neben einer Volksdemonstration in Jerusalem veranlaßte dieser Umstand den syrischen Kanzler Heliodorus, auf die geplante Konfiskation zu verzichten, was die Juden dann als ein Wunder feierten (2. Makk. 3,1—40). Später ermordete Heliodorus Seleukus IV. in der Absicht, die Macht allein zu übernehmen. Um die Dynastie zu retten, machte sich der Bruder des Ermordeten, Antiodius IV. Epiphanes (175—164 v. Chr.), rasch zum König über Syrien. Er hatte nach der Schlacht bei Magnesia als Geisel in Rom gelebt und war für diese Stadt und besonders für den in diplomatischen Kreisen dort gepflegten, an den späteren Renaissancegeist erinnernden Hellenismus eingenommen. Der minderjährige Kronprinz (der spätere König Demetrius I.) war an Stelle des Onkels als Geisel gerade nach Rom gebracht worden. Antiochus hörte auf der Heimreise vom Anschlag des Heliodorus und benutzte die Gelegenheit, sich in Antiochien auf den Thron zu schwingen. Es entsprach seinem Temperament und seiner hellenistischen Einstellung, daß er die großpolitische Linie des Vaters Antiochus III. fortsetzen wollte. Sein von

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Ptolemäus V. her übernommener Beiname Epiphanes, „Offenbar", sollte angeben, daß er die Gottheit in offenbarer Gestalt sei. Er ließ sich in kräftiger Verstärkung einer seleukidischen Tradition als den olympischen Zeus verehren (2. Makk. 6,2; auch Münzen), was seinem Imperialismus und Hellenismus einen besonderen westlichen Akzent verlieh. Anders als der Vater achtete er immerhin auf ein gutes Verhältnis zu Rom und dessen Verbündeten in Kleinasien. So wurde sein Ziel zunächst' die Beherrschung des geschwächten Ägypten, wo Schwager und Schwester nicht mehr lebten und auf die obenerwähnten Steuereinkommen keine Ansprüche erheben konnten (o. S. 39). Natürlich wurden die Juden dabei in Mitleidenschaft gezogen, einmal weil Antiochus IV. für die ägyptischen Feldzüge Geld brauchte, zum anderen weil Judäa ein wichtiges Etappengebiet wurde. Beides war keineswegs neu in der Geschichte Israels, Judas und des Judentums. Epiphanes griff aber in seiner Begeisterung für den Hellenismus und in seiner Bemühung um die Reichseinheit (1. Makk. 1,41) auch zu kulturellen 'ind religiösen Zwangsmitteln, wie sie lange vorher die Babylonier und Assvrer, aber nicht mehr die Perser und nur teilweise Alexander und seine Epigonen gebraucht hatten. Der überlieferte Volkskult sollte durch einen neuen Staatskult, die levitische Ordnung durch einen hellenistischen Lebensstil ersetzt werden. Antiochus selbst und seine Ratgeber hatten diese Hellenisierung Judäas gewiß als eine verhältnismäßig einfache Angelegenheit betrachtet. Das kleine Tempelland war von hellenistischen Gebieten umgeben (ZenoBriefe, o. S. 35), es gab seit langem bedeutende Kollaborateure wie die Brüder der Hohenpriester (S. 21), die Tobiaden (S. 36), und seit der Verpachtung der Steuern durch Joseph hatte Judäa die sakrale Sonderstellung grundsätzlich verloren (o. S. 37). Überraschenderweise führten aber die Hellenisierungsversuche des Antiochus zu einer heroischen Reaktion der Gesetzestreuen. Diese begannen einen erbitterten Kampf für die Erhaltung der in der persischen Zeit entwickelten und in der ptolemäischen Zeit bewahrten Verhältnisse. Sie sahen in Antiochus Epiphanes den schlimmsten Despoten der Weltgeschichte (Dan. 11,36), während sie Ägypten natürlich Erfolg wünschten (2. Makk. Antiochus IV. nahm das Projekt einer Hellenisierung des ptolemäischen Tempellandes Judäa schon auf, bevor er gegen Ägypten zog. Der konservative zadokidische Hohepriester Onias III. hatte einen fortschrittlich-hellenistisch gesinnten Bruder Jason; dieser schlug dem König gewisse Hellenisierungsmaßnahmen vor und durfte 174 v. Chr. als geeigneter Kollaborateur die Stellung eines Hohenpriesters übernehmen. Jason richtete dann unter der Tempelburg in Jerusalem ein Gymnasium und ein Ephebenlokal ein (2. Makk. 4,9). Das waren Anlagen für akademischen Sport, musische und militärische Übungen, die sich jede ambitiöse Stadt des hellenistischen Kulturraums hielt. Man kann die Hauptteilnehmer an solchen Übungen, die Epheben,

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als waffentragende Studenten und Anhänger einer ursprünglich attischen, dann internationalen Burschenschaftsbewegung auffassen. Vor allem sollten die neuen Hochschulinstitute den Jerusalemer Junkern hellenistisches Mitbürgerrecht in Antiochien verschaffen (4,9.19; über Bürgerrecht im Hellenismus, S. 28 f.). Jetzt stutzten also zum Schrecken der Altgläubigen mondäne Studenten in der charakteristischen Uniform der attischen Epheben herum: an der Schulter ein breitkrempiger Hut (gr. petasos, einem Pfadfinderhut ähnlich), um den Oberkörper ein sportlicher Reitermantel (chlamys, auffallend kurz), die Beine nackt (der lange orientalische Rock hingegen deckte sie wohlanständig), zum Paradieren Lanze und kleiner Schild". Angeblidi waren auch Priester so begeisterte Zaungäste am Sportplatz, daß sie beim ersten Startsignal vom Altardienst weg zum Diskuswerfen liefen (4, 14). Jason veranstaltete bereitwillig einen stattlichen Fackelzug zu Ehren des Antiochus Epiphanes, als dieser zu Propagandazwecken vor dem geplanten ägyptischen Feldzug Jerusalem besuchte. Doch war Jasons Interesse für gymnische und festliche Spiele kulturell, und das genügte der offensiven Politik Syriens auf die Dauer nicht. So wurde Jason 171 vom Bruder des Tempelobersten (u. S. 110) verdrängt, dem nichtpriesterlichen Menelaus, der für das politische Spiel mehr Geschmack und Kapital hatte. Mit tobiadischer Unterstützung erkaufte sich dieser krasse Streber das ehrwürdige Hohepriesteramt vom menschgewordenen Zeus, der an seine Kriegskosten denken mußte. Das kluge Geschäft hatte für beide einen Vorteil: der König bekam ein skrupelloses Werkzeug, und Menelaus durfte über seine Landsleute regieren. Dann führte Antiochus IV. 170—168 den 6. syrisch-ägyptischen Krieg, in dessen Verlauf er zweimal gegen Ägypten marschierte. Beim ersten Ansturm 170—169 fielen ihm die östliche Grenzfestung Pelusium, die alte Hauptstadt Memphis und der Großteil Ägyptens in die Hände; Ptolemäus VI. wurde als sein Vasall behandelt. Doch konnte die neue Hauptstadt Alexandrien, wo die Griechen den jüngeren Bruder Ptolemäus VIII. zum Ersatzkönig erhoben hatten, den Truppen des Seleukiden widerstehen. Da der Angreifer nicht zu viel riskieren wollte und Unruhen in Judäa und Phönizien gemeldet wurden, zog er sich zurück. Jerusalem war ein Herd der Unruhe, weil Jason im Begriff stand, Menelaus zu stürzen. Antiochus verdrängte Jason, konfiszierte den Tempelschatz und setzte zur Unterstützung des Menelaus in Jerusalem und auf dem Garizim Vögte ein (1. Makk. 1,16—28; 2. Makk. 5,11—23). Beim zweiten Vorstoß gegen Ägypten 168 zog Antiochus mit noch größeren Streitkräften gegen Alexandrien, über die vorläufige Zusammenarbeit der Ptolemäer-Brüder empört. Da kamen „Schiffe aus Chittim" (Dan. 11,30): bei Eleusis, dem östlichen Vorort Alexandriens, trat nämlich der römische Legat 12

B i l d in C . DAREMBERG & E . SAGLIO, D i c t . des a n t . , 2 ( 1 8 9 2 ) , S. 6 3 0 .

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C. Popilius Laenas dem König entgegen. Er reichte ihm einen Senatsbeschluß (Polyb. Hist. XXIX, 2,1—4), zog arrogant mit dem Stab einen Kreis um ihn herum und zwang ihn auf der Stelle zum Verzicht auf den Feldzug (ebd. 27,1—8). Antiochus mußte innerhalb einer bestimmten Frist nach Syrien zurückmarschieren, „vor Mißmut stöhnend, den Umständen aber vorläufig nachgebend" (ebd. 9). Für ihn entscheidend war nicht bloß die Erinnerung an den römischen Sieg über seinen Vater bei Magnesia (190 v. Chr.) und an seine eigenen Jahre als Geisel in Rom, sondern auch die gerade eingetroffene Nachricht vom römischen Sieg über Mazdonien bei Pydha (168 v. Chr.)13. b) D i e r e l i g i ö s e

Unterdrückung

Aus Gründen politischen Prestiges beschloß dann Antiochus IV., Palästina ordentlich an sich zu binden, was für ihn als Zeus Epiphanes einer kultischen Hellenisierung des Landes und des Volkes gleichkam. Außenpolitisch war der Gedanke nicht unvernünftig, zumal altgläubige Priester ägyptische, fortschrittliche Kapitalisten hingegen syrische Sympathien zeigten (Jos. Bell. 1,32). Kulturgeschichtlich ist zu berücksichtigen, daß für eine Hellenisierung der Boden schon vorbereitet war und daß Antiochus orientalische Städte wie Babylon hellenistisch ausbaute. Wenn der König auch kein wirklicher Epiphanes war, so erscheint der Spottname Epimanes, „Narr", den ihm ein bekannter römischer Mitläufer gab (Polyb.Hist.XXVI, 1,1), völlig unberechtigt. In der jüdischen Propaganda gegen die Maßnahmen des Antiochus hat man übersehen, daß später unter Hyrkan I. die Juden selbst gegen Idumäa und Samarien gewaltsam vorgingen. Dodi bedeutete die Regierung des Antiochus IV. gewiß einen Bruch mit der noch von Antiochus III. bestätigten Religionsfreiheit. So hat dieser Hellenist einen jüdischerseits verständlichen Kulturkampf ausgelöst, der weltgeschichtlich ungeahnte Folgen haben sollte. Zunächst ließ Antiochus 167 vor der Nordmauer Jerusalems am Sabbat eine Militärparade abhalten, die Truppen dann überraschend in die Stadt einmarschieren und die Burg auf dem Hügel in der hohen nordwestlichen Ecke des Tempelplatzes besetzen und ausbauen; sie hieß Akra (später Antonia)14. Diese syrische Garnison mit Ablösungen in der Stadt sollte ein Ärgernis bilden (1. Makk. 1,29—40; 11

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Zum 6. syrischen Krieg H. VOLKMANN, Ptolemaios: Paulys Realencycl. 23 (1959), Sp. 1705—1710. Nach 1. Makk. 1,33—2,31 war »Davids Stadt* der Sitz der syrischen Zwingburg. Schürer, 1, S. 198 f., verlegte sie daher auf den Ophel, den Südosthügel Jerusalems. Jedodi paßt der unter dem Tempelplatz nach Süden abfallende Ophel strategisch nicht gut; 1. Makk. spricht wohl einfach unbestimmt vom Tempelhügel.

Die syrische Herrschaft, 200—142 v. Chr.

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2. Makk. 5,24—26), bis sie im Jahre 141 verdrängt werden konnte (u.S.49). Dazu kam ein für die Altgläubigen noch viel ärgerer Greuel religiöser Art: zur Befestigung der Reichseinheit (l.Makk. 1,41) verordnete Antiochus Epiphanes 167 auch die Unterdrückung jüdischer Gesetzesobservanzen und die Einführung hellenistischer Kultzeremonien (1. Makk. 1,44—53; 2. Makk. 6,1—9). Freilich 'war der Zweck dieser religionspolitischen Aktion keineswegs antisemitisch, sondern antiägyptisch und prosyrisch, wie es Situation und Methode unverkennbar zeigen. 1. Leiter des Unternehmens wurde ein Ratsherr aus Athen (2. Makk. 6,1), der wohl als königlich syrischer Erzpriester und Spezialist für eleusinische Mysterien oder dergleichen aufzutreten hatte. Religionspolitisch war das eine formale Analogie zur ehemaligen Mission Esras, nur daß es jetzt um die Ablösung des jüdischen Kultes durch einen hellenistischen Opferdienst ging. Wie in der hellenistischen Religionspolitik üblidi, bediente sich die Regierung in der Kultpropaganda auch lokaler Mithelfer (1. Makk. 1,51). Bei den Juden handelten später die hasmonäischen Hohenpriester ähnlich. 2. Hervorgehoben werden in den Quellen folgende Ausprägungendes Staatskultes: — a) Auf dem Jerusalemer Brandopferaltar wurde ein Altar des Zeus Ölympios errichtet und dort seit dem 25. Chislev (Dez.) 167 v. Chr. jeden Monat am 25. geopfert (1. Makk. 1,54.59; 2. Makk. 6,1.7). Da der 25. Monatstag als Geburtstag des Epiphanes zu feiern war, so galten die Opfer eigentlich ihm. In der Apokalyptik wurde dieser Zeusaltar „der Greuel der Verwüstung" genannt (Dan. 11,31; 12,11; hebr. schiqqü? schömem, Andeutung des Namens Baal Sdiamajim statt Zeus Olympios; griech. Übersetzung in Matth. 24,15 mitPar.); ferner wurde die Zeit des Greuels (nach dem l.Makk. 3 Jahre, vgl. S. 45) als eine eschatologische Periode von 31/« Jahren oder eine halbe Jahrwoche dargestellt (Dan. 7,25 u. a.). Audi in anderen Gegenden Judäas wurden hellenistische Altäre und Opfer eingerichtet (l.Makk. 1,47.54). Der samaritanische Garizim-Tempel wurde dem Zeus Xenius geweiht (2. Makk. 6,2). Gleichzeitig zwang man die Diasporajuden der syrischen Städte zur Teilnahme am Staatskult (2. Makk. 6,8). — b) Neben den Zeusopfern werden interessanterweise auch Dionysusfeste erwähnt (2. Makk. 6,7). Zu solchen gehörten als reine Selbstverständlichkeit Ferkelopfer; das ist wohl der religionsgeschichtliche Hintergrund des als Widerwärtigkeit erwähnten Schweinefleisches (1. Makk. 1,47). Vermutlich war jener Athener für diese Vegetationsmysterien besonders zuständig; eine antiägyptische Spitze hatte aber die Angelegenheit auch, denn Ptolemäus IV., der mit einem Epheublatt tätowiert war, hatte eben die Dionysusverehrung zur Nationalreligion Ägyptens erhoben. 3. Der eigentliche Zweck dieser Kultmaßnahrtien war der, die Suprematie des Antiochus und seiner Götter über das vorher ptole-

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maische Palästina auszuposaunen. Man wollte nicht nur das Land für Syrien sichern, sondern auch das Volk für das System gewinnen. Dazu sollte die kultische Unterdrückung der syrischen Regierung ermöglichen, Gebiete des lange geschützten Tempellandes den Offizieren und Soldaten als Lehnsland, Kleruchie, zur Verfügung zu stellen (1. Makk. 3,36); das war die übliche Besoldungsmethode der Zeit. c) M a k k a b ä u s ,

Jonathan

und

Simon

Judas Makkabäus und seine Brüder stritten für Israel mit Freuden (1. Makk. 3,2). Mit den geschilderten Bemühungen hatte die syrische Regierung bei den Juden teilweise Erfolg. „Aber die vom Volk, so ihren Gott kennen, werden sich ermannen" (Dan. 11,32). Die fremden Religionsformen, die man einführen wollte, lösten auch eine volkstümliche Reaktion aus, die von den tiefgehenden Wirkungen der nehemianischen und levitischen Restauration des Judentums zeugt. Vor allem bekamen die Gesetzestreuen im Kulturkampf tatkräftige Leiter in der Familie des Priesters Mattathias von Modein (nordwestlich von Jerusalem halbwegs gegen das Meer zu), der fünf Söhne hatte. Wegen seines berühmtesten Sohnes, Judas Makkabäus (gr. Makkabaios, wohl nicht auf hebr. maqqebet, „Hammer", sondern auf ein nicht feststellbares aram. Wort zurückzuführen), heißt die Familie in der späteren Literatur oft „die Makkabäer". Nach einem angeblichen Vorfahren Hasmon wurden aber die Nachfolger des Judas von den Zeitgenossen „die Hasmonäer" genannt (Jos. Ant. X I , 111 u. a.). Es handelt sich um eine ländliche, reiche, aber nicht hochadelige Priesterfamilie (1. Makk. 2,1), die im Gegensatz zu den Tobiaden die syrisch-hellenistische Herrschaft ablehnte. In diesem Kampf sollten Mattathias und seine Söhne großen Erfolg haben, seine Nachkommen sogar zur hohepriesterlichen und königlichen Würde aufsteigen. Mattathias tötete 167 v. Chr. einen Juden, der den syrischen Kultgesandten zuliebe auf dem heidnischen Altar opfern wollte; auch letztere wurden umgebracht (l.Makk. 2,23—26). Damit hatte er das für Kultstätten beanspruchte Asylrecht verletzt. Er begab sich mit seinen fünf Söhnen in die Wüste Juda, wo man Freischaren bildete, und die Hellenisten bekämpfte. Zu ihnen gesellten sich auch die Chasidim oder Asidäer (Luther „die Frommen"), die für das Gesetz eiferten (1. Makk. 2,42). Nachdem Mattathias 166 gestorben war, übernahm sein dritter Sohn, Judas Makkabäus, die Leitung des Aufstandes und behielt sie bis zu seinem Tod 160. „Er war mutig wie ein Löwe" (1. Makk.3, 4). Keine hervorragende religiöse Persönlichkeit, aber eine militärische

Die syrische Herrschaft, 200—142 v. Chr.

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und politische Kraftgestalt, ist er mit Recht ein jüdischer Nationalheld geworden. Antiochus IV. war gegen die Parther gezogen, so daß Lysias, der Militärgouverneur des Westens, für die Unterdrückung des jüdischen Aufruhrs sorgen mußte, der allerdings ganz starke Kräfte weder einsetzen wollte noch konnte. Durch überraschende Guerillaüberfälle schlug Judas syrische Einheiten bei Samaria, Beth-Horon, Emmaus und Bethzur (1. Makk. 3,10—4,35). Anschließend reinigte er den Jerusalemer Tempel vom Zeuskult, dem „Greuel der Verwüstung" (o. S. 43). So stellte er 3 Jahre (nicht 3V2) nach dem Beginn des Greuels den levitischen Opferkult am 25. Chislev (Dez.) 164 wieder her (1". Makk. 4,36—58), was seither jährlich als Chanukkah oder Tempelweihe gefeiert wurde (4,59; Joh. 10,22)". Nachdem der König in Persien 164 unerwartet gestorben war (1. Makk. 6,1—16), machte sich Lysias in Antiochien zum Vormund des nur 10jährigen Antiochus V. (164—162) und nahm sidi vor, die jüdischen Insurgenten ordentlich zu bestrafen. Er griff von Idumäa aus an, besiegte Judas Makkabäus bei Bethzadiaria (südwestlich von Jerusalem) und leitete eine Belagerung der Hauptstadt ein (6,28—54). Da erschien als Rettung für die Juden Philippus, ein von Persien her gegen Syrien marschierender Mitbewerber um den Seleukidenthron. Lysias mußte schnell nach Antiochien zurückkehren. Er hieß 162 zur Sicherung der Lage im Süden den Knabenkönig, den Juden Religionsfreiheit Zu gewähren; doch mußten sie die Mauern Jerusalems abreißen (6,55—63). Bald danach sollte aber ein sehr zielbewußter Seleukide dem Judas Makabäus zum Verhängnis werden. Demetrius I. (162—150), Sohn des Seleukus IV., hatte minderjährig seinen Onkel Antiochus IV. als Geisel in Rom ersetzen müssen (0. S. 39). Er betrachtete mit Recht Antiochus IV. und V. als Usurpatoren. Während er in Rom mit hellenistischen Intellektuellen und Reformgeistern verkehrte — vor allem den Gracchen, Polybius und den Scipionen —, wartete er auf seine Chance. Auf den Rat dieser Freunde setzte sich Demetrius über den konservativen Senat hinweg und zog 162 plötzlich nach Antiochien, stürzte die Machthabenden und nahm den väterlichen Thron ein. Die bei ihm vorsprechenden Hellenisten Palästinas nahm er sofort in Schutz und ließ seine Truppen dreimal ins heilige Land ziehen. 1. Beim ersten Anmarsch 161 wurde den Juden ein genealogisch zwar 15

Zu den Datierungsfragen W. KOLBE, Beiträge zur syrischen und jüdischen Geschichte (1926), S.28—42; W.EICHRODT, Theol.d.Geg. 20 (1926), S. 265; J . SCHAUMBERGER, Die neue Seleukiden-Liste BM 35 603 und die makkabäische Chronologie: Biblica 36 (1955), 423—435, S. 434; R . HANHART, Zur Zeitrechnung des I und II Makkabäerbuches: Zeitschr. f. d. alttest. Wiss. Beih. 88 (1964), 49—96, S. 79—84. 93. Letzterer berechnet die Zeit des „Greuels" so (S. 83 h): Anfang im Sommer 167 v. Chr.; Dauer etwa 3 1 /* Jahre (Dan. 7,25 u. a.); Ende am 14. Dez. 164.

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Judäa unter hellenistischen Herrschaften, 332—142 v. Chr.

aaronitischer, ideologisch aber hellenistischer Hoherpriester namens Alcimus aufgezwungen; 2. beim zweiten konnte Judas den syrischen Oberst Nikanor schlagen und tötien, am sogenannten Nikanortag, der nachher ein jährliches Freudenfest wurde; 3. beim dritten aber fand Judas 160 v. Chr. den Tod in der Niederlage bei Elasa nahe Beth-Horon nordwestlich Jerusalems (7,1—9,22). Vorläufig hatten die Hellenisten die Lage in der Hand (9,23—28). Jedoch sollte der syrische Druck nicht lange dauern. Rom sah nidit gerne einen starken Herrscher auf dem syrischen Thron. Nach dem Grundsatz „divide et impera" spielte es in der Folgezeit SeleukoDemetriden und Antiochiden, die Nachkommen des Seleukus IV. und des Antiochus IV. mit ihren Anhängern, gegeneinander aus und begrüßte eine verhältnismäßig unabhängige Stellung der Juden. Diesen Umstand haben die Helden der makkabäisch-hasmonäischen Familie geschickt ausgenutzt. Ägypten unterstützte seinerseits nach Möglichkeit die Juden gegen die Syrer. Unter dem Eindruck der Machtentfaltung des Demetrius I. und des Todes des Judas ließ Ptolemäus VI, 160 v. Chr. einen alten Tempel in Leontopolis den ägyptischen Juden zukommen und für ihren Opferkult einrichten (Jos. Ant. XIII, 70). Hoherpriester wurde ein Onias 16 , Hofphilosoph ein Aristobul (2. Makk. 1,10; Eus. Praep. XIII, 12). Dieser jüdische Ersatztempel bestand noch lange; er wurde erst 72 n. Chr. im Anschluß an den jüdischen Krieg von den Römern geschlossen (u. S. 216). Als unmittelbarer Nachfolger des Judas trat Jonathan auf, der fünfte und jüngste Bruder, und stand 160—143 v. Chr. an der Spitze der Nationalisten (1. Makk. 9,28—12,53). Freilich mußte er sich zunächst mit der Stellung eines Guerillahäuptlings in der Wüste begnügen, bis er in Michmas, nördlich Jerusalems, eine Art Richter des Volkes wurde (9,73). Allmählich aber löste sidi der syrische Druck, weil Demetrius I. in Alexander Balas einen angeblich antiochidischen, vom römischen Senat unterstützten Mitbewerber bekam. Jonathan ging eilends auf die Seite des Baal über. Dann haben sich die zwei Konkurrenten in Gnadenspenden an die Juden überboten. Es schien letzteren aussichtsreicher, bei Alexander zu bleiben, und das wurde 152 belohnt, indem Jonathan am Laubhüttenfest als Hoherpriester und Söldnergeneral glänzen konnte (10,21). Damit wurde der Kampf für die Beiwahrung der jüdischen Religionsfreiheit und des levitischen Tempelstaates zur dynastischen Angelegenheit der Hasmon'der, wie man die Nachfolger des Judas nannte. Jonathan und die anderen Hasmonäer kämpften für die Machtentfaltung des eigenen Hauses und Volkes über die Grenzen des Judentums hinaus. Das begann mit der erwähnten Übernahme des Hohepriestertums durch Jonathan, der eine zwar priesterliche (1. Makk. 2,1), aber nicht zadokidische Familie vertrat. Ein weiterer Schritt erfolgte 150 14

SCHÜRER, 3, S. 97—100.

Die syrische Herrschaft, 200—142 v. Chr.

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v. Chr. in Ptolemais, wo Alexander Balas und der ihm damals beistehende Ptolemäus VI. von Ägypten den Jonathan in Purpur stolzieren ließen (10,62), eine Andeutung der Königswürde, die später von der hasmonäischen Dynastie beansprucht wurde (S. 51 f.). Politisch und strategisch wurde Jonathan in den 140er Jahren sehr erfolgreich. Er nutzte die Konkurrenz zwischen den Söhnen des Demetrius I. und des Alexander Balas, die Demetrius II. und Antiochus VI. hießen, in geschickter Weise aus. Dabei fand er Unterstützung bei Ptolemäus VI., bei Rom und Sparta. So bekam er von der einen Partei einige Landgebiete, von der anderen wiederum einige. Geld strömte ein, und sein Bruder Simon wurde Befehlshaber über die wichtige Küstenebene (11,59). Schließlich herrschte Jonathan mit seinem Söldnerheer über ein Land, das auch nichtjüdische Gegenden und befestigte Orte umfaßte (12,31—38). Dann mußte aber Jonathan fallen, denn er war in den Augen des syrischen Feldmarschalls Tryphon, der hinter Antiochus VI. stand, zu mächtig geworden. Von diesem Tryphon 143 bei Bethsan-Skythopolis besiegt, wurde Jonathan gefangengenommen und später hingerichtet (12,39—=-53). Leiter des jüdischen Widerstandes wurde danach Simon, dem Alter nach der zweite von den Brüdern (13,1—16,17). Er führte die Juden 143—134 v. Chr. und hatte wie Jonathan politischen und militärischen Erfolg. Da die Partei des Antiochus VI. seinen Bruder gestürzt hatte, suchte Simon nun mit dem Gegenkönig Demetrius II. Verbindung und erwarb durch ihn 142 v. Cnr. Steuerfreiheit für die Juden. Die drei bedeutendsten Errungenschaften der Makkabäerfamilie verteilen sich demnach auf je einen der Brüder und auf Perioden von etwa zehn Jahren: Judas erhielt Religionsfreiheit 162 v. Chr. Jonathan wurde Hoherpriester 152 v. Chr. Simon erwirkte Steuerfreiheit 142 v. Chr. Vor allem weist die Makkabäer- und die erste Hasmonäergeschichte eine schrittweise Annäherung an die politische Unabhängigkeit Judäas auf. Zum ersten Mal seit dem Fall Jerusalems 597 v. Chr. bildeten die Juden aufgrund der Steuerfreiheit 142 v. Chr. wieder einen selbständigen Staat, obwohl die umgebenden Großmächte immer nodi Druck ausüben konnten. Eine neue Periode, die neunundsiebzigjährige Freiheitszeit des Hasmonäerreichs, setzte ein.

III. DAS HASMONÄISCHE REICH, 142—63 v. Chr.

Israel ward frei von den Feinden und fing an, zu schreiben in Briefen und Verträgen also: Im ersten Jahr Simons, des großen Hohenpriesters und Feldhauptmannes und Fürsten der Juden (1. Makk. 13,41 f.). Mit dem Jahre 142 v. Chr. begannen die Juden anläßlich der gewonnenen Steuerfreiheit (1. Makk. 13,39; Jos. Ant. X I I I , 213) eine neue Zeitrechnung ( l . M a k k . 13,42). Simon ließ Jerusalemer Münzen mit den neuen Jahreszahlen und einer hebräischen Legende prägen. Auch als Staats- und Kultsprache wurde Hebräisch wieder gepflegt, obwohl Aramäisch und Griechisch das Zivilleben weiterhin beherrschten; die Literatur spiegelt diese hebräische Renaissance wider, vor allem die Schriften der Qumranbibliothek (u. S. 127 f.). Die neue Epoche wird politisch durch folgende Zeittafel veranschaulicht. Ptolemäer:

Seleukiden

Hasmonäer:

Seleuko-Demetriden links, Antiodiiden rechts. Ptolemäus VIII. (vorher 164—163) 145—116

Demetrius II. 145—138 Simon (nachher 129—125) (Volksleiter 143) Antiodius VI. 145—143 Hoherpriester Tryphon 143—138 142—134 Hyrkan I. Antiodius VII. 138—129 Hoherpriester Demetrius II. 134—105 (vorher 145—138) 129—125 Alexander Zabinas 128—122 Seleukus V. 125

Ptolemäus IX. 116—107 (nachher 88—80)

Antiodius VIII. 125—113 (nachher 111—96)

Kleopatra III.

Antiodius IX. 113—95

107—101

(111—95 in Cölesyrien)

Aristobul I. König 104 Alexander Jannäus König 103—76

Priesterfürsten, 142—105 v. Chr.

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Ptolemäus X . 101—88

Antiochus V I I I . (vorher 125—113) 111—96

Ptolemäus I X . (vorher 116—107) 88—80

Antiochus X . gegen 5 Söhne des Ant. V I I I . 95—83 1

Ptolemäus X I I . 80—58. 55—51

(Tigranes beherrschte Syrien 83—69)

Alexandra Königin 76—67

Antiodius X I I I . 69—65

Hyrkan II. König 67

(Pompejus besetzte Syrien 64)

Aristobul II. König 66—63

1. Priesterfürsten, 142—105 v. Chr. a) S i m o n a l s

Hoherpriester

Offenbar hatte der seit 143 als Volksleiter auftretende Simon eigene Geldmittel zur Verfügung, die er für Rüstungen und Werbungen generös einsetzte (1. Makk. 13,16; 14,32). Das von ihm unterhaltene Söldnerheer, das aus gemisditen, teilweise hellenistischen Elementen bestand und keineswegs nur vom Ideal der levitisdien Reinheit getragen war, brachte Simon verschiedene Erfolge. Vor allem nahmen die Truppen für ihn Gazara ein (1. Makk. 13,43—48), das nunmehr hellenistische Geser an der Grenze zur reichen Küstenebene; die Stadt wurde mit Gewalt judaisiert und bekam Johannes Hyrkan, den Sohn des Hohenpriesters, zum Militärgouverneur. Sogar nach der Hafenstadt Joppe ließ Simon einen Vorstoß machen (13,11; 14,5). Die seit Antiodius IV. bestehende Syrergarnison der Akra konnte Simon 141 entfernen (13,49—52); die Burg richtete er als sein Schloß ein. Politisch ist zu berücksichtigen, daß Simon baldmöglichst die mit Sparta und Rom eingegangenen Verbindungen stärkte (14,16—24). So wurde das Heilige Land wieder ein aktiver Faktor im staatlichen Leben des Nahen Osten, was es seit der Königszeit nidit mehr gewesen war. Man kann schon unter Simon von einem Hasmonäerreich sprechen, obwohl Judäa grundsätzlich noch von Syrien abhängig blieb. Denn die Seleuko-Demetriden und Antiochiden haben immer wieder miteinander gekämpft (s. o. die Zeittafel), wobei jede Partei sich gezwungen sah, den Juden die Privilegien zu bestätigen. Unverkennbar schrumpfte die Macht Syriens zusammen, während Rom einen stärkeren Einfluß bekam und die Parther wiederholte Eroberungen machten. Judäa wurde mit Hilfe Roms und Spartas relativ unabhängig von den syrischen Herrschern. 1

Von den fünf Söhnen des Antiodius V I I I . griff Demetrius III., 95—87 H e r r scher von Damaskus, in die jüdische Gesdiidite aktiv ein (u. S. 54).

4 Bo Reldce, Neutestamentl. Zeitgeschichte

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Das hasmonäische Reich, 142—63 v. Chr.

Simon ließ sich 140 v. Chr. im Blick auf seine Verdienste von den Juden als Hoherpriester, Strateg (General) und Ethnarch (Volksfürst, etwa Großherzog) für ewige Zeit begrüßen; diese Proklamation wurde durch Kupfertafeln auf dem Zion verewigt (1. Makk. 14,25— 49) und vom Senat auf dem Kapitol gebilligt (15,15—24; Jos. Ant. X I V , 145—148) 1 . Der „ewige" Bestand seines priesterlich-militärischzivilen Amtes betraf seine Familie. Eine neue Dynastie war inthronisiert, das Haus der hasmonäischen Priesterfürsten. Den königlichen Rang beanspruchten die Hasmonäer erst unter einem Enkelsohn Simons, aber schon der letztgenannte trat auf dem Zion, im Tempel und im Palast als ein Dynast mit prächtigem Hofstaat hervor (15,32: goldene, silberne Gefäße, zahlreiche Dienerschaft). Gegen die Forderungen des neuen Seleukiden Antiochus VII. konnte er sich gut behaupten und auf die Philisterstädte noch weitere Angriffe vornehmen (15,25—16,10). In orientalisch-hellenistischer Weise wurde aber 134 der finanztüchtige, patriarchalische Simon mit zwei Söhnen bei einem Gelage nahe Jericho von einem Schwiegersohn ermordet, der mit Antiochus VII. intrigierte (16,11—20). Es gelang dem Mörder nicht, den Zweitältesten Sohn Johannes Hyrkan umzubringen, der zur Zeit als Militärgouverneur in Gazara saß (16,21 f.). Hyrkan floh nach Jerusalem und wurde vom Pöbel gegen den angreifenden Schwager geschützt und zum Hohenpriester eingesetzt (Jos.Ant. X I I I , 229 f.). b) H y r k a n

I.

Der militärisch schon erprobte Johannes Hyrkan I. sollte eine lange Zeit, 134—105 v. Chr., das Volk führen una als Heerführer und Eroberer glänzen (Jos.Ant. X I I I , 229—300). Zunächst stand er allerdings vor großen außenpolitischen Schwierigkeiten und wäre beinahe gestürzt. Antiochus V I I . wollte seine von Simon zurückgewiesenen, aber von dessen Schwiegersohn unterstützten Obrigkeitsansprüdie in Palästina sofort gegen Hyrkan I. behaupten. Er nahm Joppe und Gazara wieder ein und belagerte Jerusalem längere Zeit. Schon hatte sich die Hauptstadt ergeben, da verboten die Römer dem Antiochus, ihren Bundesgenossen zu beeinträchtigen (Jos.Ant. X I I I , 259—266) s . Antiochus V I I . mußte dann 130 in einen Partherkrieg ziehen, in dessen Verlauf er 129 starb. Demetrius II., der aus parthischer Gefangenschaft entlassen wurde und den syrischen Thron jetzt wieder bestieg, fand so unruhige Verhältnisse vor, daß er an keine Kraftentfaltung gegen Hyrkan denken konnte. Nach diesem Thronwechsel in Syrien setzte Hyrkan I. die Erobe2

Daß sich die Josephusstelle auf Simon bezieht, zeigt Schürer, 1, S. 250—253; vgl. R . MARCUS, Josephus with an English Translation, 7 (1943), S. 524.

* SCHÜRER, 1 , S . 2 6 1 .

Könige, 104—63 v. Chr.

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rungskriege seines Vaters ohne Zögern fort. Er nahm in Transjordanien das befestigte Medeba ein, von wo aus er den nabataischen Handelsverkehr stören konnte. Dann griff er 128 v. Chr. Sichern an und vernichtete den Tempel auf dem Garizim (o. S. 21). Weiter zwang er die heidnischen Idumäer, die wegen der Nabatäer von Edom her in Südjuda eingedrungen waren, sich zu beschneiden. Schließlich eroberten Hyrkan und seine Söhne im Jahre 109 das stark befestigte Samaria. Das geschah nach schwierigem Kampf gegen syrische und ägyptische Hilfstruppen, aber mit Unterstützung der Kleopatra III., der ägyptischen Königsmutter mit dem griechischen Spottnamen „die Rote", die jüdische Sympathien hegte. Hyrkan ließ das früher persische und später hellenistische Kulturzentrum Samaria zerstören (Jos. Ant. XIII, 254—258.267—287). Die grausame Tat gegen Samaria löste eine Reaktion der Gesetzestreuen aus (Jos. ebd. 288—299). Ursprünglich hatten die sogenannten Chasidim die makkabäischen Brüder im antihellenistischen Kampf unterstützt (s. o. S. 44), mußten aber bald eine Entwicklung der Hasmonäerpolitik in hellenistische Richtung feststellen. Unabsichtlich zeigt Josephus, wie das Verhältnis jener Gesetzestreuen, die seit Jonathan Pharisäer genannt wurden, zu den Hasmonäern unter Hyrkanus zunächst noch ungestört blieb. Erst nach seiner Beschreibung des Samarien-Krieges findet der Historiker Anlaß zu berichten, die Erfolge des Hyrkanus und seiner daran beteiligten Söhne hätten eine Reaktion der Pharisäer und eine Annäherung des Hyrkanus an die Herrenpartei der Sadduzäer ausgelöst, obwohl sich die Spannung schließlich doch auflöste (Jos.Bell. 1,67; Ant. XIII, 299). Mancher fand also schon damals die Hellenisierung und Materialisierung des Hohepriestertums falsch. Später kam es zum dauernden Bruch zwischen Hasmonäern und Pharisäern (u. S. 54). Hyrkan I. nannte sich nicht König, betonte aber seine Würde dadurch, daß er die Inschrift auf den Münzen mit seinem Namen beginnen ließ. Neben dem zivilen und priesterlichen Amt wurde ihm das prophetische zugeschrieben (Jos. Bell. I, 68 f.; Ant. XIII, 299 f.). 2. Könige, 104—63 v. Chr. a) A r i s t o b u l

I.

Nach dem Tode Hyrkans war sein ältester Sohn Aristobul I. zum Hohenpriester bestimmt, während die Witwe des Verstorbenen regieren sollte. Aristobul sperrte aber seine Mutter und Brüder ein, ließ die Mutter verhungern und regierte danach ein Jahr lang, 104 v. Chr. mit Beginn vor oder nach unserem Neujahr. Er ist plötzlich gestorben, angeblich von Gewissensbissen geplagt, weil er inzwischen noch einen Bruder ermordet hatte. Aristobul nannte sich als erster von den -Has-

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Das hasmonäisdie Reich, 142—63 v. Chr.

monäern nadi außen König (Jos. Ant. XIII, 301). Er galt im übrigen als Hellenenfreund und hat deswegen bei griechischen Verfassern und Josephus den Ruf einer milden Gesinnung hinterlassen (Jos.Ant. XIII, 319). Mit den vorher berichteten Greueltaten verträgt sich dieses Urteil schwerlich, aber sein Charakter war vielleicht ambivalent. Religionsgeschiditlich von größter Bedeutung war, daß Aristobul I. Galiläa eroberte und durch Zwangsbeschneidung das Volk judaisierte. Josephus drückt sich dabei im Anschluß an seine griechischen Gewährsleute so aus: „Aristobul bekämpfte die Ituräer, fügte einen großen Teil ihres Landes zu Judäa und zwang die Einwohner, sidi zu beschneiden und nadi den Judengesetzen zu leben" (ebd. 318). Er meint die früher transjordanischen Jeturäer (Gen. 25,15), die sich wegen der Nabatäer in das Tal zwisdien Libanon und Hermon-Antilibanon zurückgezogen hatten. Von dort haben die Ituräer zur Zeit des Aristobul Galiläa beherrsdit, während sie unter Antiodius IX. standen, den Kleopatra III. haßte (Zeittafel S. 48). So erklärt sich die angeführte Bemerkung des Josephus, daß Aristobul einen Teil des Ituräerreiches bezwang und dessen Einwohner judaisierte. Galiläa war seit dem Fall Israels 722 v. Chr. in fremden Händen geblieben und hatte eine hauptsächlich aramäische Bevölkerung bekommen. Keiner der jüdischen Hohenpriester und Hasmonäerfürsten hatte bisher auf Galiläa großen Einfluß ausüben können. Aristobul ist es mit Hilfe der „roten" Kleopatra gelungen, das Land für das Judentum zu gewinnen. In der Folgezeit stand Galiläa immer mit Judäa in Verbindung (Jos. ebd. 322 usw.), auch wenn es nadi dem Tode des Herodes zum Teil anders verwaltet wurde. Obwohl die größeren Städte hellenistisch blieben, hielt die Landbevölkerung an den jüdisdien Gesetzen fest, die ihr Aristobul aufgezwungen hatte. Die von ihm eingeleitete Judaisierung der Galiläer ging allmählich durch Umsiedlungen, pharisäische Tätigkeit und synagogale Veranstaltungen so weit, daß im ersten christlichen Jahrhundert Galiläa den Keimboden der zelotischen Bewegung bildete (u. S. 88). Aristobul I. hat doch allen Greueltaten zum Trotz das historische Verdienst, das Heimatland Jesu und der ersten Apostel für den alttestamentlichen Glauben gewonnen zu haben. b) J a n n ä u s Die Witwe des früh verstorbenen Aristobul I., Salma oder Salome Alexandra, wurde aus dynastischen Gründen von dessen ältestem überlebendem Bruder geheiratet, Alexander Jannäus (Jonathan), dem König der Juden 103—76 v. Chr. (Jos.Ant. XIII, 320—404). Es war eine Leviratsehe, durch welche der etwa dreizehn Jahre jüngere Bräutigam zur Königswürde gelangte. Als er nadi siebenundzwanzig Jahren starb, regierte Alexandra noch neun Jahre lang allein. Diese dynastische Gebundenheit bestätigt den Einfluß des Hellenismus auf das Judentum und die späten Hasmonäer, die audi direkt als Gönner

Könige, 104—63 v. Chr.

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hellenistischer Einrichtungen auftraten. Alexander Jannäus trug nicht ohne Grund den Namen des großen mazedonischen Eroberers. Mit einem audi in dieser Kondottierezeit seltenen, verzweifelten Heroismus kämpfte er für die Macht des Hasmonäerhauses und breitete sie unter tollen Abenteuern zu einem Umfang aus, der nur mit dem des Davidreiches vergleichbar ist. Hier muß zunächst das große politische und soziale Zeitgeschehen berücksichtigt werden, zumal es für die Zukunft weitgehende Folgen haben sollte. 1. Alexandrien, noch die größte Stadt der Welt, bestimmte im Grunde den ersten Akt der Geschichte des Jannäus. Dort wohnten im Westviertel Ägypter, in der Stadtmitte Griechen und im Ostviertel Juden. In der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, während Rom die Macht über Griechenland und Kleinasien ausbreitete, hatte der sich auf die Römer verlassende Ptolemäus VIII. die immer zahlreicheren Ägypter der Hauptstadt gewähren lassen und die führenden Griechen verdrängt. Sein prorömisches Testament wurde von der energischen Witwe, Kleopatra III., „der Roten", verwaltet. Da ihr älterer Sohn Ptolemäus IX. bei den Ägyptern beliebt war, Kleopatra aber den ägyptischen Nationalismus fürchtete, versetzte sie ihn 107 als Militärgouverneur nach Cypern und begünstigte statt dessen ihren jüngeren Sohn Ptolemäus X. Um so enger verband sich Kleopatra mit den Juden Alexandriens, setzte im Blick auf kommende Kriegshandlungen zwei Söhne des jüdischen Leontopolispriesters Onias über ihre See- und Landstreitkräfte und deponierte wie die Juden ihr Geld auf die römertreue Bankinsel Kos (Jos.Ant. XIII, 349 f.). In dieser vorteilhaft erscheinenden Lage beschloß Jannäus 103 v. Chr., die Offensivpolitik des Vaters und des Bruders fortzusetzen. Er griff Ptolemais an, wurde allerdings vom Cyperngouverneur Ptolemäus IX. zurückgeschlagen und am Jordan besiegt, von Kleopatra III. aber wieder gestärkt. Dann konnte er während einiger Jahre, auch nadidem Ptolemäus X. seine Mutter ermordet hatte, blühende hellenistische Städte wie Gadara im Ostjordanland und Gaza an der Westküste plündern. In seinem Söldnerheer kämpften sehr gemischte Elemente; nicht wenige kamen aus den berüchtigten Räuberlandschaften Cilicien und Pisidien. 2. Rom beeinflußte mittelbar den zweiten Akt der Jannäusgeschichte, weil soziale und politische Umwälzungen im Römerreidi für den Osten weitgehende Folgen hatten. In der Hauptstadt und in Italien bestand während der 90er Jahre eine Spannung zwischen drei Sozialgruppen. Rechts stand die senatorische Adelspartei der Vornehmen oder „Optimates" unter Sulla; in der Mitte die kapitalstarke Herrenpartei, die aus neureichen Rittern oder „Equites" bestand; links die fortschrittlidie Volkspartei der Sozialisten. Die beiden letztgenannten Parteien, die „Populäres" unter Marius, dem Pionier des Kondottierewesens und der Kohortentaktik, kämpften für größere Redite

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Das hasmonäische Reidi, 142—63 v. Chr.

im neuen Großreich, die sie 90—89 teilweise erlangen konnten. In den östlichen Provinzen und Protektoraten gab es seit langem eine ähnliche Spannung zwischen den griechischen Bürgern, den römischen Unternehmern und den nichtprivilegierten Bevölkerungselementen, zu denen die Juden und andere Orientalen gehörten. Diese soziale Spannung kam Mithradates VI. sehr zugute, dem iranischen Herrscher über das wachsende Pontus am Schwarzen Meer. Er verbündete sich mit Armenien, Parthien, Syrien und Ägypten (App.Hist. XII, 15 f.); sein ägyptischer Partner war Ptolemäus IX. auf Cypern, Vertreter der Nationalen in Ägypten, welcher den seleukidischen Prinzen Demetrius III. von Knidus nach Damaskus gesandt und dort gegen die anderen Prinzen als König von Syrien hatte auftreten lassen. So gedeckt im Osten und im Süden, besetzte Mithradates 88 fast ganz Kleinasien und die Inselwelt sowie Teile von Griechenland und ließ überall die Römer und Italiker umbringen, während er den Griechen gegenüber als Befreier auftrat und den Asiaten trotzdem Burgerrecht in Aussicht stellte. Ptolemäus IX. beeilte sich, seinen Bruder in Alexandrien zu stürzen und ganz Ägypten in Besitz zu nehmen. Dieser plötzliche Vormarsch der Nichtprivilegierten und der Orientalen riß die Juden mit. Auch bei den palästinensischen Juden lassen sich drei soziale Gruppen unterscheiden, obwohl die religiösen Verhältnisse dem Bild ein anderes Gepräge verliehen. Politisch rechts standen hier die Vertreter des alten Priesteradels; in der Mitte die Sadduzäer und die Neureichen, Leute wie einst die Tobiaden und jetzt der Großvater und Vater des Herodes; links die Pharisäer, Nachfolger der Chasidim und nunmehr Vertreter einer bürgerlichen Volkspartei. Letztere hatten schon unter Hyrkan I. gegen das Hasmonäerhaus opponiert (o. S. 51). Gleichzeitig mit den sozialen Auseinandersetzungen im Römerreich trat am Laubhüttenfest ungefähr 90 die Bürgerpartei der Pharisäer demonstrativ gegen Jannäus auf, indem man die Festzitronen auf ihn warf (Jos.Ant. XIII, 327). Eine solche Volksdemonstration war etwas Neues in der jüdischen Geschidite. Dann kam der Mithradateszug 88, der überhaupt einen Vormarsch der Nichtprivilegierten und der Orientalen bedeutete. Jannäus wurde in der Gaulanitis von den Kamelreitern der Nabatäer geschlagen, floh nach Jerusalem und wurde dort vom „Volk" abgelehnt (Jos. ebd. 375 f.). Zu denken ist an die von den Pharisäern angeführte Volksmenge, einen neuen politischen Faktor. Solche aufwärtsstrebenden Kreise riefen noch im Mithradatesjahr 88 Demetrius III. von Damaskus zu Hilfe, der Jannäus bei Sichern besiegte und ihn zwang, ins Gebirge zu fliehen (ebd. 377—379). Demetrius konnte den Sieg nicht ausnützen, sondern mußte nach Nordsyrien ziehen, wo ihn sein Bruder mit Hilfe der Parther besiegte. Es sei noch bemerkt, daß zur selben Zeit die Juden in Kyrene unruhig waren (Jos.Ant. XIV, 114). Offenbar reagierte das Judentum vielerorts auf die Schwäche Roms und den Vormarsch des Orients.

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3. Die erneuerte Adelsherrschaft bildete den Rahmen für den dritten Akt der Jannäusgeschichte. Sulla und die Optimaten konnten 86—79 das System wieder herstellen. Mithradates wurde zurückgeschlagen und die Herrschaft des Senats über Italien und den Osten mit neuer Kraft demonstriert, wobei die Volkspartei durch blutige Proskriptionen für den Augenblick lahmgelegt wurde. Auch dem jüdischen Priesterkönig Jannäus gelang dank dem Zusammenbruch der Mithradati sehen Asienpolitik eine Machtrestitution. Nach dem Abzug des Demetrius 88 gewann Jannäus wieder Anhänger, bekämpfte die Volkspartei und führte eine Proskription der Gegner durch, indem er achthundert der Anführer in Jerusalem kreuzigen ließ, während er auf dem Schloßdach mit seinem Harem schmauste (Jos. Ant. XIII, 380). Achttausend Insurgenten seien vor dem Tyrannen ins Ausland geflohen (ebd. 383). Dazu gehörte eventuell die Gemeinde der pharisäisch erscheinenden Damaskusschrift (u. S. 128), wenn ihre Auswanderung nach Damaskus geograpisdi und nicht symbolisch zu verstehen ist, denn mit dieser Stadt hatten die Pharisäer eben Verbindungen geknüpft. Jannäus wurde audi nach außen wieder reich und mächtig. Zwar hatte er mit den Nabatäern noch einige Schwierigkeiten und baute 85 vergeblich Palisaden auf der Philisterebene, um den letzten Damaskusseleukiden Antiodius XII. an einem Durchmarsch gegen die Nabatäer zu hindern (ebd. 391). Nadidem aber dieser Seleukide gefallen war und nadidem die Nabatäer das Damaskusreich besetzt und Jannäus anschließend eine Niederlage beigebracht hatten, ließen sie den Judenkönig in Ruhe, vermutlidi weil Tigranes von Armenien seit 83 Syrien und Phönizien kontrollierte. Aus der nächsten Umgebung Palästinas riß Jannäus an sidi, was er nur vermochte, und wurde aufgrund seiner Erfolge um 80 vom jüdischen Volk wieder mit Jubel empfangen. Es sah damals aus, als ob das Davidsreidi wieder auferstanden wäre. Jannäus und die Juden beherrschten auch Städte und Gebiete der hellenistischen Phönizier, Philister, Idumäer, Nabatäer und Syrer (Jos.Ant. XIII, 395—397): am Meere Stratons Turm, Apollonia, Joppe, Jamnia, Asdod, Gaza, Anthedon, Raphia, Rhinocorura; im Inland Adoraim, Marisa, ganz Idumäa, Samarien, den Karmel und den Thabor, Skythopolis, Gadara; in der Gaulanitis Seleucia und Gamala; im Dekapolisgebiet das Kilikiertal und Pella, letzteres war wegen Nichtannahme des Judentums zerstört worden; in Moab Hesbon, Medeba, Lemba usw.

Von jenem levitischen Tempel land im Gebirge Juda, das Esra und Nehemia unter persischer Oberhoheit organisieren durften, über das von Simon 142 verselbständigte Hasmonäerland bis zum militanten Königtum des priesterlichen Kondottiere Jannäus war der Schritt groß 4 . Unter jüdischer Kontrolle stand jetzt praktisch ganz Palästina 4

Die beigefügte Karte „Palästina zur Zeit der Makkabäer und Hasmonäer" zeigt, wie das Hasmonäerreidi von 142 bis 80 v. Chr. etwa viermal größer wurde.

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Das hasmonäische Reich, 142—63 v. Chr.

westlich des Jordans von Idumäa bis Ituräa, nur Ptolemais und Askalon ausgenommen, und dazu kamen beträchtliche Gebiete östlich des Jordans vom Hermon bis zum Toten Meer. In diesem Raum lagen mehrere reiche Städte hellenistischer Kultur, die Jannäus aber entweder zerstörte oder unterdrückte. Wenn er politisch an einen der Renaissancepäpste erinnert, so ist ein kultureller Vergleich dennoch nicht möglich. c) A l e x a n d r a , H y r k a n II. u n d A r i s t o b u l II. Der jüdische Namensvetter des mazedonischen Eroberers Alexander soll vor seinem Tode 76 der Gemahlin Alexandra geraten haben, der Bürgerpartei der Pharisäer nachzugeben (Jos.Ant. XIII, 400). Wenn sie in Jerusalem mit deren Parteileitern (gr. stasiotai) verhandelte, würde sie auf die Unterstützung des „Volkes" rechnen können. Alexandra hat jedenfalls während ihrer Regierungszeit 76—67 ein positives Verhältnis zur Pharisäerpartei gesucht und gefunden. Hoherpriester wurde des Jannäus älterer Sohn, Hyrkan II., der notorisch indolent war und im Blick auf die neue Sozialpolitik harmlos erscheinen mußte. Die pharisäischen Volkstribunen steuerten durch ihre Reden die Masse in die ihnen genehme Richtung und erließen neue, gegen die Oberschicht gerichtete Gesetze, begannen auch eine Proskription der Jannäusanhänger (Jos.Ant. XIII, 405.408.411). Es gab wie in Rom zur Zeit des Pompejus und Spartacus eine Gärung der Mittel- und Unterklasse, nur daß unter Alexandra eine puritanische Partei diesen Verlauf beeinflußte. Selbstverständlich löste das Walten der pharisäischen Volkstribunen in Jerusalem den Widerstand der sadduzäischen Juristen und adligen Offiziere aus. Gleich beim Beginn der Proskription sprachen die jüdischen Optimaten (gr. dynatoi) im Palast vor. Unter ihnen war der jüngere Königssohn Aristobul, der im Sinne des Vaters von militärischer Ehre träumte und das Frauenregiment verachtete. Er und andere junge Helden wurden mit militärischen Beförderungen abgespeist. Als aber die Königin später krank wurde, bemächtigte sich Aristobul der östlichen Grenzfestungen. Nach dem Tode Alexandras 67 machte sich Hyrkan II. zum König. Aristobul II. zog sofort gegen den älteren Bruder, schlug ihn bei Jericho, ließ ihn zwar die Revenuen behalten, aber übernahm selbst die Würde des Priesterkönigs (Jos.Ant. XIV, 6), die er von 66 bis ¿3 behaupten konnte. In diesem Zeitraum trat wieder ein, was schon ihr Vater mit den Pharisäern erlebt hatte, nämlich daß ein fremder Fürst zu Hilfe gerufen wurde, diesmal vom Süden her. Hyrkan selbst unternahm zwar nichts. Aber hinter ihn stellte sich ein Homo novus, der im Geist der Zeit politische Karriere machen wollte. Es war Antipater, dessen

Könige, 104—63 v. Chr.

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idumäischer Vater als Kollaborateur und Statthalter von Idumäa dem Jannäus gedient hatte; er selbst wurde der Vater des späteren Königs Herodes. Ein politischer Streber ersten Ranges, rechnete sich Antipater aus, daß eine Mitwirkung zur Wiedereinsetzung des H y r kan ihm förderlich sein müßte. Hyrkan wurde das Werkzeug der von Antipater angeführten Kapitalistenclique und war damit einverstanden, daß Antipater den König der Nabatäer gegen Aristobul ziehen und diesen im Tempel belagern ließ. Das erschien respektablen Juden zu kraß (Jos.Ant. XIV, 21—28), aber die Belagerung war nicht mehr aufzuheben. Aristobul suchte Unterstützung bei den Römern und rief den Quästor Scaurus herbei, der anläßlich eines neuen Mithradateskrieges im Auftrag des Pompejus nach Damaskus gekommen war. Ein römisches Drohwort genügte dann als Abmarsdisignal für die Nabatäer. Damit war der Bruderstreit doch nicht entschieden, zumal er mit der für die Zeit charakteristischen Spannung der Gesellschaftsklassen zusammenhing, während Antipater aus persönlichen Gründen den Wettkampf förderte. Nur eine höhere Macht schien die Fortsetzung des Bürgerkrieges aufheben zu können. Das war Rom, dessen Feldherr Pompejus jetzt ganz Vorderasien unter römische Kontrolle bringen wollte, und zwar im Interesse der Hauptstadt und der Neureichen.

IV. PALÄSTINA UNTER ROM UND HERODES, 63—4 v. Chr. 1. Der römische Machtbereich a) R o m s A u f s t i e g z u r

Weltmacht

Die methodisch arbeitende und fortschreitende Stadtrepublik Rom wurde von gewählten, ehrenamtlichen und hierarchisch gegliederten Magistratspersonen verwaltet. Zur öffentlichen Karriere eines Römers gehörten neben zivilen auch priesterliche und militärische Funktionen. An der Spitze des Beamtenstabs standen zwei jährlich gewählte Konsuln mit Amtsantritt am 15. März, seit 153 v.Chr. am 1. Januar. Zwei privilegierte Stände traten in der Republik besonders hervor. — 1. Aufsichtsbehörde der Magistrate war der Senat, eine städtische Ältestenversammlung von 300, seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. 600 Mitgliedern. Ursprünglich saßen darin Vertreter der patrizischen Geschlechter (patres), seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. wurden einige plebejische, also nicht ganz traditionsreiche und doch bedeutende Familien zugelassen (conscripti), und seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert sogar Neureiche, wobei neben Abstammung auch Beamtenerfahrung als Voraussetzung galt. Dieses römische House of Lords, dessen Mitglieder purpurgefärbte Stiefel, purpurverbrämte Toga und goldenen Ring trugen, bestand hauptsächlich aus Großgrundbesitzern. Sie beherrschten als Oberschicht des Amtsadels die ganze Republik, bis im ersten vorchristlichen Jahrhundert andere Kräfte die Leitung übernahmen, traten aber noch im ersten christlichen Jahrhundert gegen die Kaiser als Fürsprecher der republikanischen Oligarchie auf. — 2. Mit dem Amtsadel, dem 129 v. Chr. Finanztätigkeit verboten wurde, konkurrierten als Geldadel die Industriellen, die von den neueröffneten Handelswegen profitierten. Waren solche Geschäftsleute von sozialem Ehrgeiz erfüllt, konnten sie ihre Söhne als berittene Reserveoffiziere an der öffentlichen Karriere teilnehmen lassen, weil als Qualifikation dazu ein größeres Vermögen genügte. Die anerkannten Reserveoffiziere bildeten die Klasse der sogenannten Ritter, Equités. Man denke an Bürger der Stadt mit einem so großen Vermögen, daß sie im Kriegsfall oder bei Paraden Kavalleriedienst tun konnten. Seit 129 v. Chr. waren die Adligen auch von diesem Dienst ausgeschlossen. Folglich bildeten die Equités keine Adelsklasse wie die mittelalterlichen Ritter, die einem Fürsten zugeordnet waren. Als gelegentlich bewaffnete und berittene Bürger erinnern die römischen Equités eher an die griechischen Epheben, obwohl bei ihnen Vermögen und nicht Ausbildung grundlegend war.

Der römisdie Machtbereich

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Sie erhielten 123 v. Chr. durch Gajus Gracchus (u. S. 60) politische Vorrechte im Interesse des Kapitalismus und trugen als Zeichen ihrer Würde eine Toga mit etwas schmäleren Purpurstreifen als die der Senatoren, seit Vespasian auch einen goldenen Ring (u. S. 200). Beruflich waren sie meist Geschäftsleute. — In der Zeit der Umstellung zur hellenistischen Weltmacht wurde die römische Gesellschaft von einem zähen Wettbewerb der Senatoren und der Geldritter geprägt, wobei letztere auch mit den Bürgern der hellenistischen Städte zu konkurrieren begannen. Rom sorgte immer ruhig und zielbewußt für seine Machterweiterung. Es hatte 275 v. Chr. den vom hellenistischen Angriffsgeist beherrschten König Pyrrhus von Epirus zurückgeschlagen und war seither unbestrittene Herrscherin über Untertanen und Bundesgenossen in Mittel- und Süditalien. Während der punischen Kriege wurde die Kapazität der römischen Flotte entwickelt und die Schlagkraft der Armee durch neue Waffen, darunter Wurfspeer, Stoßdegen, sowie durch eine beweglichere Aufstellung als die der mazedonischen Phalanx verstärkt. Unter der Leitung der Brüder Scipio Africanus d. Ä. und Scipio Asiaticus besiegte Rom zuerst Hannibal 202 westlich Zamas in Numidien und sodann Antiochus III. 190 bei Magnesia in Lydien (o. S. 39). Die ganze Mittelmeerwelt kam dadurdi unter die Kontrolle der Tiberstadt. Mazedonien wurde nach der Schlacht bei Pydna 168 (o. S. 42) ein viergeteiltes Vasallenreich und 148 eine römisdie Provinz, die nach der Zerstörung Korinths 146 v. Chr. auch Griechenland umfaßte. Im selben Jahr wurde Karthago durch Scipio Africanus d. J. vernichtet. Wachsende römische Interessen in Ägypten sowie überlieferte Gegensätze zu Phönizien und Syrien führten zur Bereitschaft des Senats, sich mit Hasmonäern und Juden solidarisch zu erklären (o. S. 49 f.). Das hellenistische Königreich Pergamon kam durch Vermächtnis 133 in römische Hände und wurde als die Provinz Asien organisiert. Mit dieser östlichen Ausbreitung des Einflusses stand die römisdie Republik da als die größte Macht der hellenistischen Welt. Auch ließen sich führende Römer, wie die Scipionen und Gracchen, gerne hellenisieren, und obwohl Latein noch interne Bedeutung hatte, bemühten sich römische Weltbürger und Politiker um griechische Spradie und Bildung, besonders um asiatische Rhetorik und (seit 155 v. Chr.) stoische Philosophie (u. S. 206, 232). Im letzten Drittel des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts wurde die Machtenfaltung durch Klassenkämpfe aufgehalten. Die alte Gesellschaftsordnung entsprach nicht den Verhältnissen des Weltreichs. Sie wurde von den aristokratisch gesinnten Optimates verteidigt, aber von den volkstümlich denkenden Populäres angegriffen. Dabei lassen sich drei Parteien unterscheiden (o. S. 53): — 1. Als konservative Gutsbesitzerklasse und Adelspartei versuchte die senatorische Nobilität und die übrige Aristokratie, jede Einschränkung ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Vorrechte zu hindern. — 2. Die durch

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Palästina unter Rom und Herodes, 63—4 v. Chr.

Geschäftstätigkeit begütert gewordenen Ritter und ihre Kollegen, die Herrenpartei, kämpften eifrig für eine Vermehrung von Rang und Macht, wollten damit zu den Optimates gehören. Sie verbanden sich aber gelegentlich aus opportunistischen oder idealistischen Gründen mit den unteren Klassen und peripheren Gruppen, wobei sie als Populäres hervortraten. — 3. Unterdrückte oder benachteiligte Volksgruppen waren die zahlreichen Städter in Rom, ruinierte oder noch kämpfende Kleinbauern auf dem Lande und entfernt wohnende Unternehmer. Sie strebten nach erweitertem Bürgerrecht und anderen Vorteilen, waren dabei auf die Hilfe volkstümlich gesinnter Adliger und Bürger hingewiesen, so daß mit verschiedenen Konstellationen eine Volkspartei hervortrat. Als stoisch beeinflußte Leiter der Populäres führten nun die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus soziale Reformen durch, jener zugunsten der Kleinbauern, dieser zugunsten der Geldritter. Zwar wurde der eine Bruder 133, der andere 122 v. Chr. umgebracht, aber die Reformen wirkten teilweise nach. Vor allem konnten sich die Ritter als Publicani oder staatliche Unternehmer im Rahmen des Steuerwesens der Provinz Asien und des Verkehrswesens Italiens bereichern. Die nach den Gracchen wieder herrschende Adelspartei bewies ihre Untauglichkeit in zwei Kriegen, die Italien berührten, nämlich gegen Jugurtha in Afrika und gegen Kimbern und Teutonen in Gallien. Jetzt rettete ein Mann von der Herrenpartei die römische WafFenehre. Es war Marius, der nach hellenistischem Vorbild wurzellose Existenzen als Söldner warb und damit 106—101 v. Chr. die Feinde im Süden wie im Norden besiegte. Rom ersetzte nachher mehr und mehr seinen Heerbann durch solche Berufssoldaten, die in Kriegsführung und Verteidigung beweglicher und brauchbarer waren. Weil aber mehrere Bewerber um die Macht im Staat auf die Idee kamen, Söldnerheere aufzustellen und mit deren Hilfe auch innenpolitische Gegner anzugreifen, leitete die Armeereform des Marius eine Periode von Bürgerkriegen ein, die bis zum Sieg Oktavians bei Actium 31 v. Chr. dauerte. Marius war trotz seiner Siege politisch nicht stark genug, um mit der Volkspartei zusammen weiterzugehen, sondern mußte seine Herrenpartei unter den Schutz der konservativen, von Sulla angeführten Adelspartei stellen. Er bekam nicht das Oberkommando in Kleinasien, wo er gegen den expansiven König Mithradates von Pontus einen für die Geldritter ertragreichen Krieg führen zu können hoffte. Widerwillig mußte Marius in Italien gegen römisdie Bundesgenossen kämpfen, die das Bürgerrecht beanspruchten. Der 91—89 dauernde Sonderbundkrieg endete damit, daß römisches Bürgerrecht auf die Munizipien der mit Rom verbündeten Italiker übertragen wurde. Mithradates nützte diese innenpolitische Krise aus und führte 88—85 mit Rom den ersten pontischen Krieg, der mit seiner Eroberung von Asien und Hellas begann. Gleichzeitig war die Hauptstadt des Römer-

Der römisdie Machtbereich

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reichs einem Bürgerkrieg ausgesetzt, der sowohl mit dem Wettstreit der Senatorischen und der Ritterlichen um das orientalische Kommando wie mit Bemühungen der Linkspolitiker um individuelle Erweiterung des Bürgerrechts zusammenhing. Sulla trieb Marius aus Rom und zog auftragsgemäß gegen Mithradates, dann machten sich Marius und der linksgesinnte Cinna mit Gewalt zu Konsuln, jedoch starb ersterer im Januar 86 an Altersschwäche. Inzwischen vertrieb Sulla die pontischen Truppen aus Griechenland, zwang Mithradates 85 zum Friedensschluß und reorganisierte 84 die Provinz Asien; der zweite Mithradateskrieg 83—81 brachte keine Änderung der Lage. Nach langem Kampf in Italien stellte Sulla dann in Rom die Macht der Senatoren wieder her. Oben wurde geschildert, wie Jannäus in Palästina gleichzeitig eine pharisäische Revolution bekämpfte und nachher die sadduzäische Autorität vergrößerte (o. S. 54 f.). Sulla erneuerte als Diktator die aristokratische Verfassung und zog sich dann von der Politik zurück. Jedoch blieb die römische Innen- und Außenpolitik auch nachher voller Spannungen. Nur zum Teil waren die Bedürfnisse der Industriellen und der Nichtprivilegierten gedeckt. Vor allem störten Seeräuber den für Rom wichtigen Osthandel, und 74 begann Mithradates im Bund mit Tigranes von Armenien einen dritten Krieg, der bis 64 dauerte. In dieser Lage trat der zur Adelspartei gehörende Lucullus, für seine Kunstliebe bekannt, als tüchtiger Vorkämpfer der römischen Ostherrschaft auf, in der Schlußphase der zur Herrenpartei übergetretene Pompejus. Durch letzteren wurde die römische Levantemacht auf kapitalistischer Basis befestigt und auch über das ehemalige Seleukidenreich einschließlich Palästinas erweitert. b) P o m p e j u s b e s e t z t

Palästina

Pompejus machte Jerusalem den Römern steuerpflichtig, trennte aber die Städte Zölesyriens ab, deren sich die Juden bemächtigt hatten, und unterstellte diese seinem Legaten (Jos.Ant. XIV¿74). Als er 23 Jahre alt war, stellte Pompejus (106—48 v.Chr.) ein Söldnerheer auf, mit dem er für den Adel und Sulla ins Feld zog. Er ging aber 70 v. Chr. zur Herrenpartei, zum Millionär Crassus und Rechtsanwalt Cicero über und trug zu gewissen Reformen der Sullaverfassung bei, die in Italien den zurückgestellten Volksgruppen, in den Provinzen den römischen Finanzkreisen zugute kommen sollten. Um das römische Geld wirksam zu machen, erhielt Pompejus unbeschränkte Vollmacht, mit seinen Truppen die Seeräuber im Mittelmeer zu bezwingen, und verdrängte dann Lucullus von dem Vor-

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Palästina unter Rom und Herodes, 63—4 v. Chr.

haben, den Krieg gegen Mithradates von Pontus und Tigranes von Armenien abzuschließen. Pompejus löste beide Aufgaben glänzend und kam 64 nach Damaskus, um das seleukidische, zuletzt von Tigranes kontrollierte Syrien als römische Provinz zu organisieren. Dort antichambrierten bei Pompejus die Vertreter der drei Judenparteien: 1. Aristobul II. mit einigen in Paradeuniform stolzierenden Adelsjunkern, was Pompejus an die revolutionären Catilinarier erinnern mußte; 2. Hyrkan II. mit einer von Antipater aufgebotenen Schar der "Vermögenden; 3. die Fürsprecher des „Volkes", die beteuerten, von keiner Monarchie, sondern höchstens von einem Priesterregiment wissen zu wollen (Jos.Ant. XIV, 41—45). Am liebsten hätte Pompejus zunächst die Nabatäer inspiziert, wurde aber durch militärische Maßnahmen der Rechtsextremen veranlaßt, Aristobul zu verhaften und sofort gegen Jerusalem zu marschieren. Der defaitistische Hyrkan ließ die Tore öffnen, und natürlich war es den erfahrenen Soldaten des Pompejus nicht schwierig, nach Fertigstellung der Belagerungsmaschinen den vom Priesteradel verteidigten Tempelplatz zu erstürmen. Pompejus und sein Stab betraten im Sinne einer römischen Besitznahme das Allerheiligste im Herbst 63 v. Chr. an einem Festtag, vermutlich am Versöhnungstag (XIV, 66.72). Hyrkan durfte zur Belohnung das Hohepriesteramt behalten. Judäa war damit wieder ein kleines Tempelland unter fremder Oberhoheit geworden. Wie es früher zur persischen Satrapie Transeuphrat und zum hellenistischen Ägypten und Syrien gehört hatte, so wurde es nun 63 von Pompejus der römischen Provinz Syrien zugeordnet, deren Hauptorte Antiochien und Damaskus waren. Außerdem wurde das Land, das Hyrkan II. vorläufig als Klient verwalten durfte, auf Judäa, Peräa und Galiläa beschränkt. Die zwei letztgenannten Gebiete waren unter den Hasmonäern so wirkungsvoll judaisiert worden, daß sie zum jüdischen Tempel und nicht mehr zur hellenistischen Kultur gerechnet werden mußten. Aber die von Hyrkan I., Aristobul I. und Jannäus eroberten und meistens zerstörten Poleis im Westen, in Samarien und im Osten wurden abgetrennt und zur Provinz Syrien geschlagen. Pompejus und seine Nachfolger ließen sie wieder aufbauen, weil Rom nach den Mithradateskriegen in der hellenistischen Stadtkultur überhaupt das beste politische und merkantile Instrument für den Osten sah. Wegen dieser pompejanisdien Restauration des Hellenismus wurden Judäa, Peräa und Galiläa, die Landschaften, in denen Johannes der Täufer, Jesus und die ersten Apostel lebten, durch Reihen von hellenistischen und als fremd empfundenen Handels- und Kulturorten umgeben oder gespalten. Strategisch war nunmehr ganz Palästina für Rom widitig. Hatte das Land vorher an der Militärstraße gelegen, die von Persien, Mesopotamien und Syrien nach Ägypten führte, und war es immer wieder in diesem von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Spannungsfeld hin und her gezerrt worden, so bildete Palästina jetzt mit

Triumvirn, Antipater und Herodes

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Syrien und Phönizien zusammen die Landbrücke zwischen den für Roms Versorgung wichtigen Interessensphären Kleinasien und Ägypten. Dabei saßen in Transjordanien und im Süden die noch unbezwungenen Nabatäer, die weiterhin den Karawanenhandel zwischen Asien und Afrika kontrollierten. Zu berücksichtigen war auch das seit dem Sturz der Könige von Syrien, Pontus und Armenien immer akuter werdende Vorrücken des Partherreiches gegen das Mittelmeer. Für die Römer war es also sehr wichtig, das heilige Land in Händen zu halten. 2. Triumvirn, Antipater und Herodes, 63—4 v. Chr. Die mit der römischen Besetzung Palästinas 63 v. Chr. beginnende Epoche der jüdischen Geschichte war von den Beziehungen palästinischer Usurpatoren zu den römischen Triumvirn geprägt. Es war überhaupt eine Zeit der Usurpatoren und Machtsucher. Antipater legte durch geschicktes Intrigieren den Grund für das Königtum des Herodes, aber Vater wie Sohn waren von den Großen der Welt: Pompejus und Cäsar, Antonius und Oktavian, restlos abhängig. Die wichtigsten Namen und Daten der Periode bis zum Tode des Herodes 4 v. Chr. werden unten tabellarisch angeführt (S. 64). a)

Antipater Antipater hatte viel Kapital zur Verfügung; er war ein geschäftiger Typ und ein Parteigänger (Jos. Ant. XIV, 8).

Der idumäische Ratgeber Hyrkans II., Antipater, nützte unter der Römerherrschaft seinen Einfluß auf den Hohenpriester weiter aus. Er war von der römischen Okkupation 63 bis 55 der inoffizielle Efendi des Landes, danach bis zu seiner Ermordung 43 der römische Prokurator in Jerusalem, zuletzt über das ganze Land. Zeitweilig konnte er auch das ägyptische Judentum dirigieren. Eine solche Machtsucht eines Kapitalisten war in der Triumvirnzeit nichts Besonderes. Der als Halbjude geltende Antipater, ebensowenig beliebt wie sein Sohn Herodes, war auch keineswegs uneigennützig. Er spielte aber die politischen Karten mit Glück und Meisterschaft, behielt trotz der wechselnden Konstellationen am Himmel Roms immer ein gutes Verhältnis zu den Madithabenden und konnte für die Juden, auch die in der hellenistischen Welt, beträchtliche Vorteile erwirken (Jos. Bell. I, 159—226; Ant. XIV, 80—283)1. Pompejus nahm Aristobul samt Familie als Kriegsgefangene mit und ließ Scaurus als Legaten in Syrien zurück. Dieser unternahm 62 1

U. WILCKEN, Antipatros, 17: Paulys Realencycl. 1 (1894), Sp. 2509—2511.

Palästina unter Rom und Herodes, 63—4 v. Chr. 7I ö iHHi «V ^< — 1 « a —r o n 3S Ce « « « 3 aS * Sg 3rt i-i_ - .a -5 Ö. ^ 3 = _ "O 9 a-S „2; S ®5ocu*••ächter, die oft der Geldgier bezichtigt wurden. Schon unter den Ptoemäern hatte ein reicher Tobiade die Steuern pausdial vorgeschossen und dann für sich eingetrieben (o. S. 36 f.). Jetzt handelte es sich um einen durchorganisierten Beruf, nicht selten raubgierig und deswegen verabscheut, nämlich die equestrischen „Publikanen" und die einfacheren „Conductores". Der römisdie Orient klagte seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert über die Publikanen (lat. publicanus, „Staatspächter"), das heißt Mitglieder der römischen Kapitalistenklasse, die in großen Gesellschaften organisiert waren und in den Provinzen das Steuermonopol pachten durften. Cäsar hatte die Ausbeutung der Juden durch solche Steuerpächter etwas begrenzt (Jos. Ant. XIV,201). Daß sich auch Herodes, Archelaus und Antipas römischer Steuerpächter bedienten, obwohl es um den Fiskus in Jerusalem und Tiberias ging, ist wenigstens denkbar. Zwar wurden ihre Steuern und Zölle hauptsächlich durch einheimische Unternehmer erhoben, weldie mit römischer Terminologie Conductores, Unternehmer, heißen würden. Aber in Galiläa wurden die jüdischen „Zöllner" (gr. sing, telones) volkstümlich mit Heiden und Sündern zusammengestellt (Matth. 5, 46 usw.), was auf eine Beziehung zu den verhaßten Publikanen hinweisen kann. Da der Prokurator in Cäsarea dem Fiskus in Rom gegenüber verantwortlich war und selbst der Kapitalistenklasse angehörte, liegt bei ihm die Annahme einer Verwendung von römischen Publikanen nahe. Jedoch, ließ er im Blick auf die Empfindlichkeit des Volkes als direkte Einnehmer hauptsächlich Juden auftreten. So erklärt sich, daß im Neuen Testament die Zöllner allgemein Juden sind, die von Pharisäern und Nationalisten als Kollaborateure verabscheut wurden, so daß Jesu Umgang mit ihnen abstoßend wirkte (Matth. 9,11 usw.). Die judäischen Zöllner waren also nicht Beamte, sondern einheimische Unternehmer vom Typ der Conductores mit angestellten Mitarbeitern, ein System, das im 2. Jahrhundert v. Chr., das römisdie Publikanentum zu ergänzen begann. Als ein solcher Unternehmer begegnet uns der kapitalstarke Zachäus in Jericho, der Oberzöllner genannt wird (Luk. 19,2), weil er die Grenz- und Marktzölle des Gebietes pachtete und durch Assistenten erhob. Ein anderer Jude tritt später als Zöllner und Fürsprecher der Judenschaft in Cäsarea auf (Jos.Bell. II, 287), vermutlich als Verbindungsmann des Pro-

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Palästina zur Zeit Jesu und der Apostel, 4 v.—66 n. Chr.

kurators. Wenn das Neue Testament sonst Zöllner erwähnt, darf man diese zum Teil als untergeordnete Mitarbeiter der Steuerpäditer auffassen, aber eben als Geschäftsagenten, nicht als Staatsangestellte. Infolgedessen beruhte der H a ß des Volkes gegen die Zöllner erstens auf deren Kollaboration mit der Besatzungsmacht, zweitens auf den manchmal ungerechten Verdienstmöglichkeiten dieses Standes (Luk. 3,13; 18,11; 19,8). Um mögliche Volksunruhen zu bekämpfen, hatte der Prokurator auch Soldaten zur Verfügung. Da in Palästina keine Legionen standen, waren es Auxiliartruppen, aus Provinzialen gebildete und einfacher bewaffnete Landsturmeinheiten, denen sich Juden anschließen konnten, aber nicht mußten. Als höherer Reserveoffizier kommandierte der Prokurator ungefähr ein Regiment in Stärke von normalerweise fünf Kohorten, von denen jede etwa 600 Mann umfaßte, wie heute ein Bataillon. An der Spitze jeder Kohorte stand ein wie der Prokurator der bürgerlichen Mittelklasse angehörender Offizier (Joh. 18,12; Apg. 21,31—25,23), der Tribun hieß (gr. chiliarchos, „Major", Luther „Hauptmann"). Seine aus dem Volk hervorgegangenen Unteroffiziere (Apg. 10,1 usw.) trugen den Titel Centurio (gr. hekatöntarchos, „Feldwebel", Luther wieder „Hauptmann"). — Garnisonsort war Cäsarea (Apg. 25,23), aber nach Bedarf wurden Einheiten auch in andere Orte verlegt, nach Jericho und den Festungen in der Umgebung des Toten Meeres. Jerusalem hatte immer eine Kohorte in der Antonia, wie Herodes die Burg in der nordwestlichen Ecke des Tempelplatzes umbenannt hatte. Zur hiesigen Besatzung gehörte auch eine Reiterabteilung (Apg. 23, 23), weshalb sie zu den Cohortes quingenarii equitatae gehörte, die aus etwa 500 Infanteristen und 100 Kavalleristen bestanden. Von den auf den Feldzeichen üblichen Bildern des Imperators ließ Augustus die Stadt befreien. Zu den großen Festen kam oft der Prokurator mit Eskorte nach Jerusalem, und durch letztere wurde das Militär der Hauptstadt etwa verdoppelt. Wohnort des Prokurators und seiner Leibgarde war hier der Herodespalast im Westen, der also mit der römischen Terminologie das Prätorium genannt wurde (Matth. 27,27); zu Verhandlungen aber ist der Prokurator auch in die Antonia gekommen, wie vermutlich Pilatus beim Verhör Jesu (u. S. 137). Der judäische Prokurator war als Regimentskommandeur oberster Militärrichter. Ihm war den römischen Soldaten gegenüber das Jus gladii übertragen, und auch der Zivilbevölkerung gegenüber bekam er das Recht, zum Tode zu verurteilen (Joh. 18,31). So wurde Jesus auf Befehl des Pilatus unter der Aufsicht eines Centurio hingerichtet (Matth. 27,26.54 mit Par.). Auch im anderen Zusammenhang hat der Prokurator als Militärriditer die Rolle einer Oberinstanz gespielt, .wie es Felix im Paulusprozeß tun mußte (Apg. 23,24). In administrative Angelegenheiten konnte dieser Beamte gelegentlich eingreifen, so Pilatus beim Bau einer Wasserleitung (u. S. 131).

Judäa-Samarien zur Zeit Jesu und der Urkirdie, 4 v.—41 n. Chr.

e) D i e j ü d i s c h e

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Verwaltung

Innenpolitisch behielten die Juden indes eine weitgehende Selbständigkeit. Das betrifft vor allem die Religion, jedoch auch die Jurisdiktion und Administration. Augustus kannte die Liebe der Juden zu den kultischen und sittlichen Überlieferungen. Deswegen hütete er sidi im Blick auf die .Religion vor einer allzu starken Betonung römischer Suprematie. Die imperatorischen Bilder auf den Feldzeichen sollten in Jerusalem nicht gebraucht werden. Von den Juden wurde kein Herrscherkult verangt; nur ließ der Imperator bei den zwei täglichen Opfern in Jerusalem audi für sich ein paar Opfer spenden (Phil.Gai. 157; Jos.Bell. II, 197). Die römische Religion wurde dem Volk überhaupt nicht aufgezwungen, sondern im Gegenteil nahm Augustus den Tempelkult in seinen Schutz und ließ das Verbot für Heiden bestehen, das Innere des Tempels zu betreten. Religiös war auch bedeutsam, daß jüdische Männer nicht zwangsrekrutiert werden durften. Im römischen Orient wurden Jurisdiktion und Administration gerne den lokalen Behörden überlassen, vor allem den traditionsreichen griechischen Bürgerversammlungen. Da audi die Juden überlieferte Verwaltungsorgane besaßen und ihre Aristokraten seinerzeit eben zu dem Zwecke die Prokuratur vorgeschlagen hatten, um eine prorömische Oligarchie einführen zu können, wurden Judäa wie den griechischen Stadt- und Landgemeinden die sozialen Organisationen belassen. Cäsarea und Sebaste mit Umgebung behielten als hellenistische Städte eigene Verwaltung, aber der Rest des Landes wurde mit Jerusalem als Zentrum wie eine Polis, eine Stadt mit zugehörigem Land, behandelt.

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f) D e r H o h e R a t Die höchste innenpolitische Verwaltungsinstanz der Prokuratur wurde also der Jerusalemer Hohe Rat, verstanden als Senat der jüdischen Polis. Infolgedessen wurden offizielle Schreiben der Römer an „Regierung, Senat und Volk der Jerusalemer" adressiert (Jos.Ant. XX,11). Historisch ging der jerusalemische Hohe Rat oder das Synedrium auf die NotabelnverSammlung zurück, die nach der Gefangenschaft entstanden war (o.S.9.16).Bei der seleukidischen Eroberung 200 v. Chr. taucht er als eine repräsentative Ältestenversammlung (gr. gerousia) auf, nach der erst die Priesterschaft erwähnt wird (Jos. Ant. XII,138. 142). Entscheidend waren also damals noch die Ältesten: die Patrizier oder Geschlechtsobersten, wie in griechischen Stadtversammlungen und im römischen Senat. In der Makkabäerzeit werden zwei Gruppen erwähnt, die Archonten und die Ältesten (l.Makk. 1,26), wobei jene als die besonders Beauftragten, diese als die Patrizier überhaupt auf-

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zufassen sind. Gegen den arroganten, jungen Militärgouverneur Herodes in Galiläa trat die nunmehr Synedrium genannte Patrizierversammlung mit dem bestimmten Anspruch auf, gesetzliche Rechtinstanz des ganzen Landes zu sein (Jos. Ant. XIV, 167—179). Herodes drängte jedoch als König sowohl den existierenden Priesteradel wie die Patrizier zurück und machte das Synedrium zum lenkbaren Werkzeug seiner Prozesse (ebd. XV, 173 u. a.). In der römischen Prokuratur wurde nun diese Instanz restauriert und gewann als Parlament eine innenpolitische Bedeutung wie nie zuvor. Das geschah mit Erlaubnis des Quirinius unter der Leitung des Hannas, des von diesem eingesetzten Hohenpriesters (Jos.Ant. XVIII,26). § 1. Hannas als Prinzeps Ananus I. oder Hannas, amtierender Hoherpriester 6—15 n. Chr., war das Oberhaupt eines Priestergeschledits, das mit ihm die bisher vorherrschende, auf das Herodeshaus bezogene Priesterfamilie des Boethus zu verdrängen begann (Jos. ebd.). Quirinius wählte ihn wohl deswegen zum Hohenpriester, weil Hannas zu denjenigen Sadduzäern und Begüterten gehörte, die seit Jahren eine römische Regierung befürworteten, und weil er beim Sturz des Archelaus eine führende Rolle spielte; denn es handelte sich um einen politischen Vertrauensposten. Hannas hat aber nicht bloß den Hohen Rat in Jerusalem reorganisiert und diesem während seiner Amtszeit präsidiert, sondern auch nach seiner Absetzung im Jahr 15 bis zu seinem Tod um das Jahr 35 die Versammlung beherrscht. Diese lebenslängliche Führerrolle in der Innenpolitik verdankte er seiner taktischen Klugheit und patriarchalischen Machtstellung. Aus der reichen Familie des Hannas stiegen allmählich ein Sohn, der Schwiegersohn Kaiphas und dann noch vier Söhne zur Würde des TT ' * """" Hannas hat die beiden Augustus der Prinzeps des römischen Senats war (o. S. 72), so wurde Hannas zur Zeit Jesu und der ersten Apostel sozusagen als der „Prinzeps" des jüdischen Senats geehrt, dessen Meinung zuerst gehört werden mußte (Matth. 26,3 mit Par.; Luk. 3,2; Joh. 18,24; Apg. 4,5). Wie nämlich jedermann wußte, stand er konstitutiv hinter dem reorganisierten Synedrium, das in der ganzen neutestamentlichen Zeit bis zur Katastrophe Jerusalems die Regierung, das Parlament und das Reichsgericht der Juden bildete. § 2. Der Hohepriester als Präses An der Spitze der Juden stand mit Hannas und seinen Nachfolgern wieder der amtierende Hohepriester, doch war dieser geistliche Wür-

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denträger nicht mehr wie zur Hasmonäerzeit ein priesterlicher Fürst des Volkes, sondern ein aristokratischer Präses des Rates. Die in der Geschichte Jesu und der Apostel wichtigsten Inhaber dieser Stellung waren: Ananus I. oder Hannas 6—15 Kaiphas, Schwiegersohn des Hannas 18—36 Jonathan, Sohn des Hannas 36—37 Ananias, ein mächtiger Finanzmann 48—58 Ananus II., Sohn des Hannas 62 Sehr genau sorgten die Römer für eine Begrenzung der Macht des Hohenpriesters. Das hohepriesterliche Gewand wurde 6—36 n. Chr. von der Garnison in der Antonia aufbewahrt. Jederzeit konnten die Behörden einen Hohenpriester absetzen und einen neuen berufen, und viele blieben nur wenige Jahre im Amt. Das Recht zur Ernennung hatten zunächst die Prokuratoren, nach dem Ende der ersten Prokuratur die späteren herodäischen Klientelkönige: Agrippa I. (41—44), Herodes II. von Chalkis (für die Jahre 44—48) und Agrippa II. von Chalkis, später Nordtransjordanien (für die Jahre 50—66). Trotzdem war der Hohepriester während der ersten Prokuratur 6—41 n. Chr. der nach dem Prokurator mächtigste Mann in Idumäa, Judäa und Saniarien, während der zweiten Prokuratur 44—66 n. Chr. auch in Galiläa. Er war von Amts wegen Vorsitzender des Hohen Rates und leitete in dieser Rolle sowohl den ständigen Ministerrat oder das Konsistorium der „Hohenpriester" (u. § 3a) wie die Gesamtversammlung, die als Parlament und Obergericht diente (Matth. 26,3 usw.; Apg. 5,21; 22,5). Nach einer rabbinisdien Überlieferung hätten führende Schulmänner abwechselnd das Präsidium geführt; das ist aber ein Anachronismus (Misdin. Chag. 11,2)". Im allgemeinen hatte der Hohepriester zur Zeit Jesu und der Apostel aufgrund seiner altüberlieferten religiösen Bedeutung und seiner wiedergewonnenen politischen Stellung folgende drei Aufgaben: 1. dem Gott Israels gegenüber das ganze Judentum zu vertreten, vor allem bei den Jahresfesten: am Versöhnungstag, beim Laubhüttenfest, Passa- und Wochenfest, nach Möglichkeit auch bei anderen Gelegenheiten liturgisch zu agieren sowie das Tempel- und Opferwesen mit den zugehörigen Priestern und Leviten zu überwachen; 2. dem Prokurator gegenüber das Volk in Judäa, dem Imperator gegenüber wenigstens symbolisch das Judentum im ganzen Reich zu vertreten; 3. der judäischen Innenpolitik, Jurisdiktion und Administration vorzustehen. Als führendes Mitglied des Priesteradels war der Hohepriester eine politische Autorität für die Patrizier und Sadduzäer (Apg. 5,17), "

SCHÜRER, 2, S. 202—205.

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die in der ersten wie in der zweiten Prokuratur die Regierungspartei bildeten. Dazu kam die geistliche Bedeutung, welche der Hohepriester für das Priestertum und mittelbar für das Judentum der ganzen Welt hatte. § 3. Die Ratsherren Außer dem Hohenpriester umfaßte der Hohe Rat siebzig Beisitzer, weshalb die Vollversammlung aus 71 Ratsherren bestand. Man berief sich.auf das Schriftwort „sammle mir 70 Mann" (Num. 11,16), zählte Mose hinzu und folgerte „also zusammen 71" (Mischn. Sanh. I,6b). Für die Plenarsitzungen wurde eine Halle im Südwestteil des Tempelplatzes am Xystus-Tal gebraucht (Jos. Bell. V,144),s. Die mit Talar bekleideten Ratsherren saßen in theaterähnlichen Halbkreisen, vorne in der Mitte der Hohepriester und neben ihm die Vornehmen (Mischn. Sanh. XV,3a); unter den letzteren sind die Mitglieder des Konsistoriums der „Hohenpriester" (u., a) zu denken. Vor dem Präses standen bei Gerichtsverhandlungen Ankläger und Beklagter, dieser in Trauerkleidern. Man hörte die Zeugen jeweils einzeln an (ebd. 111,5) und verhandelte dann in Abwesenheit der Parteien (Apg. 5,34). Bei den Abstimmungen zeichneten Gerichtsschreiber die Voten auf (Mischn. Sanh. XV,3b). Studenten (ebd. 4) und Zuhörer (Tos. Sanh. VII,8, 426) durften hinten stehend den Verhandlungen beiwohnen; ein solches Publikum verstärkte den Tumult gegen Stephanus (Apg. 7,54. 57). Notwendig war eine Plenarsitzung nur in besonders schwierigen Fällen, wie bei der Verurteilung eines falschen Propheten (Mischn. Sanh. 1,5). Weil nämlich die Versammlung auch eine „Älteste" genannte Gruppe von Laien umfaßte (u., b), konnte der Hohepriester sie offenbar nicht jeden Moment zusammenrufen. Doch im Zusammenhang mit den Jahresfesten dürfte es möglich gewesen sein, wie beim Prozeß gegen Jesus (Mark. 15,1: Plenarsitzung). Daneben kamen Sektionssitzungen vor, eventuell privat beim Hohenpriester, und zwar als Ersatz oder Vorbereitung für die Plenarsitzung. Bei einfacheren Angelegenheiten genügte eine solche (Mischn. Sanh. 1,1-3; 4,6: Kommissionen von 3,10 und 23 Mitgliedern). Fast immer hatte der Hohepriester zur Verfügung: erstens die Mitglieder jenes Konsistoriums der „Hohenpriester", zweitens die Eifrigsten von der Abteilung der „Schriftgelehrten" (u., c); nach rabbinischer Uberlieferung hätten sich die Gelehrten auf dem Tempelplatz täglich aufgehalten (Tos.Sanh. VII,1,425). Diese beiden Gruppen standen bei der Verschwörung gegen Jesus dem Hohenpriester zur Seite (Mark. 14,1; Luk. 22,2) und kamen nach Jesu Gefangennahme neben einigen der Ältesten zur nächtlichen Sektionssitzung im hohepriesterlichen Palast ,S

SCHURER, 2,,S. 211; H. St. J. THACKERAY: Josephus with an English Translation, 3 (1928), S. 242 f. Anm.; ebd. Karte III.

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(Matth. 26,57 mit Par.), bevor am Morgen die endgültige Plenarsitzung stattfand (Mark. 15,1). Die 71 jüdischen Senatoren der neutestamentlidien Zeit verteilten sich auf drei Abteilungen, die in den Evangelien und der Apostelgeschichte regelmäßig auseinandergehalten werden (u.a. Mark. 11,27; Apg. 4,5), nämlich a) „die Hohenpriester" (gr. archiereis) oder „die Archonten" {irdiontes, Luther „Oberste"); b) die Ältesten (presbyteroi); c) die Schriftgelehrten (grammateis). Es waren die beiden aus der Makkabäerzeit bekannten Gremien (o. S. 105) mit Ergänzung der immer unentbehrlicheren Gesetzesexperten. a) Die Hohenpriester als Konsistorium. Der oft mißverstandene Plural die Hohenpriester bezeichnet im Neuen Testament auf hellenistische Weise ein aus Priestern und Laien bestehendes KonsistoriumEin solcher Ausschuß der Ältestenversammlung begegnet zuerst in einem diplomatischen Schreiben von Jerusalem nach Sparta um 144 v. Chr. (Tos. Ant. XIII,166), und zwar als „Rat der Priester" (gr. koin6n tön hiervon). Inwiefern dieses Dokument (über 1. Makk. 12,6—18 hinaus) eine Konstruktion darstellt, ist hier nicht entscheidend, aber die Terminologie ist bezeichnend, zumal auch in bezug auf Sparta eine gewisse Genauigkeit der Titulatur erstrebt wird. Mehrere griechische Analogien bestätigen, daß es sich bei den sogenannten Hohenpriestern um ein solches administratives Kollegium handelt, das für das regionale Tempel- und Opferwesen verantwortlich war, z.B. „die Hohenpriester der Insel" (seil. Zypern); „die Hohenpriester von Asien" (vgl. Apg. 19,14); „die Hohenpriester des Verbandes der Galater"15. Weil die Aufsicht des Tempel- und Opferwesens in Jerusalem seit Herodes kompliziert war, ergänzte man auch hier den amtierenden Hohenpriester durch ein solches Konsistorium, welches den üblichen verwaltungstechnischen Namen „die Hohenpriester" erhielt. Der übergreifenden Bedeutung des Kultgesetzes und Altardienstes zufolge erstreckte sich die Zuständigkeit des Jerusalemer Konsistoriums auf verschiedene Gebiete des Innenpolitischen überhaupt. Daher hießen seine Beisitzer auch „die Archonten" (1. Makk. 14,28; Apg. 4,5.8, Luther „Oberste"; Jos. Bell. 11,405.407). Ein anderer Ausdruck für diese exekutive Oberbehörde war „die zehn Ersten" (Jos. Ant. XX, 194), woraus ersichtlich wird, daß etwa zehn Vornehme und Vermögende dazu gehörten. Hier liegt noch eine Analogie zum Hellenismus vor, denn ein grundsätzlich zehnköpfiger Aussschuß edler und reicher Ratsherren (gr. dekaprötoi, 14 ,B

Ein festes Kollegium: aufgrund rabbinischer Texte wurde dies zuerst nachgewiesen von J. JEREMIAS, Jerusalem zur Zeit Jesu, II B 1 (1929), S. 33—40. C.G. BRANDIS, Ardüereus: Paulys Realencycl. 2 (1896), 471—483, Sp. 471—478.

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lat. decemprimi) fand sich in mehreren griechischen und römischen Städten, auch in der galiläischen Hauptstadt Tiberias (Jos. Vit. 69. 296)1'. Folglich bildeten die Jerusalemer „Hohenpriester" einen aristokratischen Aussdiuß des Hohen Rates, ein Konsistorium, das im judäisdien Tempelstaat als exekutive Regierungsbehörde funktionierte. Präses des regierenden Konsistoriums wie des ganzen Hohen Rates war im betreffenden Zeitraum der amtierende Hohepriester, und zwar beim Prozeß gegen Jesus der von Hannas abhängige Kaiphas (Matth. 26,3; Joh. 18,24) , bei dem gegen Paulus der reiche Ananias (Apg. 23,2; 24,1). Konsistoriairäte, das heißt Beisitzer im Kollegium der Hohenpriester und Mithelfer des Hohenpriesters im Kult- und Rechtswesen, waren folgende Würdenträger: 1. der Tempeloberst (aram. s.gan „Statthalter", gr. ho strategös tod hierou), im Neuen Testament als Befehlshaber der Tempelwache wichtig (Apg. 5,24.26), ein hochadeliger Priester, der oft Kandidat für die Hohepriesterwürde war (Talm. j. Jom. III,41a,5); 2. etwa fünf andere Adelspriester, nämlidi in den ersten Jahren der Urgemeinde die folgenden: Hannas als Prinzeps der Versammlung, dann außer Kaiphas als Präses noch einige Priesteraristokraten, deren Namen in zwei Fällen überliefert sind (Apg. 4,6; rabbinische Uberlieferungen, die im Stil der Chronik idealisieren, führen statt dessen einen ganzen Hofstaat von Tempelfunktionären an); 3. drei bis vier Priester oder Laien als Schatzmeister iNeh. 13,13; Jos.Ant.XIV,106; Tos.Scheq. 11,15,177), zur Zeit Jesu und der Apostel erfahrene Geschäftsleute, weil der Waren- und Geldumsatz des Tempels sehr bedeutend war. Dieses grundsätzlich aus zehn Vornehmen und Vermögenden bestehende Konsistorium beschäftigte sich mit den laufenden Fragen, die nach modernen Vorstellungen in den Bereich eines Kultus-, Justizund Finanzministeriums gehören würden. — 1. Für die Ordnung im Gotteshaus und auf dem Tempelplatz sorgte der Tempeloberst als der Adjutant des Hohenpriesters. Er kommandierte die Tempelwache, eine jüdisdie Militärpolizei. Diese trat, weil man jede Volksbewegung fürchtete, bei der Gefangennahme Jesu und der Apostel in Funktion (Joh. 18,3.12; Apg. 5,26) und sorgte auch für die Bewachung des Grabes Jesu (Matth. 27,65). — 2. Die anderen Adelspriester des Konsistoriums hatten neben den Kultfragen hauptsächlich Justizangelegenheiten zu behandeln (z. B. Matth. 27,6; Apg. 5,17). Auch über 2, S . 172.201 f. Die wiederholte Bemerkung des Johannesevangeliums, Kaiphas wäre der Hohepriester jenes Jahres (Joh. 11,49.51; 18,13), drückt nicht die Vorstellung aus, daß man den Hohenpriester jährlich wählte, sondern nur die Erwägung, daß im Todesjahr Jesu das höchste jüdisdie Amt besonders verantwortungsvoll war.

>® SCHÜRER, 17

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Juden in anderen Ländern konnten die Hohenpriester der neutestamentlichen Zeit die Gerichtsbarkeit beanspruchen. Jesus gehörte zur Tetrarchie des Antipas und wurde doch als Festpilger, den man der Unruhestiftung anklagte, zunächst von den Hohenpriestern verhört (Luk. 22,66); erst nachher wurde der Prokurator zur Bestätigung des Todesurteils aufgefordert (23,1). Paulus, der bei der Stephanusverfolgung einen freiwilligen Polizeidienst versah (Apg. 7,58), erbat sich dann vom Hohenpriester eine Vollmacht, um Jesusjünger von Damaskus mit Gewalt nach Jerusalem zu bringen (9,2). Offenbar stellte hier der Hohepriester den Anspruch, einem alljüdischen Tribunal zu präsidieren. — 3. Die drei oder vier Schatzmeister waren für das Tempelinventar sowie für die Opfereinkünfte und die Priester- und Arbeiterlöhne verantwortlich. Aus vorchristlicher Zeit sind ähnliche Funktionäre bekannt. Nehemia setzte zur Verwaltung der Tempelvorräte und Besoldung der Tempeldiener ein vierköpfiges Komitee ein, das aus einem Priester, einem Schreiber, einem Leviten und einem Laien bestand (Neh. 13,13). Sonst kam auch eine Einzelperson als Verwaltungsleiter vor, der einmal Vogt des Hohenpriesters (2. Chr. 24,11), ein anderes Mal Vogt des Tempels (2. Makk. 3,4) genannt wird (gr. prostates); er sollte im Auftrag des Hohenpriesters Finanzen und Mobiliar des Tempels kontrollieren. In einem der Fälle gehörte er deutlich zu den Geschäftsleuten (2. Makk. 4,23) und war für die Tempelbank und den Marktzoll verantwortlich (3,4.10 f.). Während der neutestamentlidien Zeit hatte man dieses Amt wieder auf mehrere Männer verteilt, vor allem weil nach der Regulierung der Einkünfte durch Cäsar (o. S. 67) und nach dem Umbau des Tempels durch Herodes die Geschäfte schnell gewachsen waren. Also mußten die Schatzmeister tüchtige Finanzleute sein, ob Priester oder Laien. Im letzeren Fall heißen sie gelegentlich, zum Unterschied von den priesterlichen Regierungsräten, die Ardionten im engeren Sinne (Luk. 23,13; 24, 20). b) Die Ältesten. Die zweite Kategorie des Hohen Rates, die Ältesten, bestand aus den Führern der vornehmen Familien. Wie in griechischen Ratsvcrsammlungen und im römischen Senat, waren diese Aristokraten für den Hohen Rat früher konstitutiv, weshalb Josephus denselben in bezug auf die Zeit um 200 v. Chr. die Ältestenversammlung nannte (o. S. 105). In der neutestamentlichen Zeit spielten aber die Patrizier nicht mehr die entscheidende Rolle, weil einerseits die Hohenpriester als regierendes Konsistorium und andererseits die Schriftgelehrten als theologisch-juristische Experten die aktuellen Fragen gründlicher beherrschten. Daher war die Versammlung nicht mehr ein House of Lords, sondern ein allgemeines Parlament. Trotzdem blieben die Ältesten als Vertreter des Priester- und Gutsbesitzeradels bedeutsam, weil sie die Regierung stellten und ebenso konservative, sadduzäische Gesichtspunkte vertraten.

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c) Die Sdiriftgelehrten. Die in den Hohen Rat zuletzt aufgenommene Klasse, die Schriftgelehrten, waren Experten der Gesetzesauslegung, deswegen zugleich Theologen und Juristen. Wie die Bezeichnung „ Sdiriftgelehrter" (hebr. söpher, gr. grammateüs) angibt, standen geschichtlich hinter dieser Abteilung des Hohen Rates die Schreiber, die Notare der orientalischen Könige und Statthalter18, welche den Juden besonders im Perserreich ein Begriff wurden (Pap. Cowl. Aljiqar 1; vgl. Tob. 1,22; 3. Esr. 2,15 f.). Für den Chronisten war es selbstverständlich, daß solche Könige von Juda, die lange vorher Hierarchie und Bürokratie ausgebaut hatten, wie das im Perserreich vorkam, sich kompetenter Notare aus der Levitenklasse bedienten (2. Chr. 19,11; 24,11; 34,1.3.15—20). Ägyptische und griechisdie Verhältnisse bedingten, daß Beamte dieses Ranges besonders im Ptolemäerreich unentbehrlich erschienen (Pap. Zen., o. S. 35; 3. Makk. 4,17). Wegen der Berührungen mit dem Römerreich wurden die Juden vermutlich auch von der Rolle beeindruckt, welche die aus der Ritterklasse hervorgegangenen und in Kollegien organisierten Scribae dort spielten. Für den Chronisten und nachher für das ganze Judentum war das Ideal eines Schriftgelehrten der Reformator Esra, der als persischer Staatskommissar und jüdischer Gesetzesexperte (Esr. 7,6) nach Juda gekommen war, um für Unterricht im Gesetz und für Einsetzung von Richtern zu sorgen (7,10.25). Es wurden dann eben Leviten zur Unterweisung des Volkes eingesetzt (Neh. 8,7). Also sollte ein jüdischer Schriftgelehrter als Beamter, als Lehrer oder als Richter dienen, und in jedem dieser Fälle beruhte seine Autorität auf Spezialkenntnissen des mosaischen Gesetzes. Traditionsgemäß aber gehörte zum Ideal eines Schreibers darüber hinaus die Pflege der weltlichen Weisheit (Pap. Cowl. ebd.); diese Verbindung tritt nicht in der Chronik, aber in späteren Texten hervor (Sir. 38,24; 1. Kor. 1,20; Pirq. ab. 1,4 etc.). Dementsprechend waren die jüdischen Schriftgelehrten der nachexilischen Zeit qualifizierte Juristen" mit einer Ausbildung, die als eine Kombination von Theologie, Jurisprudenz und Philosophie aufgefaßt werden mag. Forschen in den heiligen Schriften und Entwicklung sakralrechtlicher Traditionen, Unterricht und Rechtsprechung waren ihre Hauptbeschäftigungen. Sie waren in Kollegien organisiert, die Synagogen genannt wurden (l.Makk. 2,42; 7,12 f.). Falls sie nicht zur besoldeten Bürokratie gehörten, lehrten sie wie die griechischen Philosophen aus Begeisterung für das System; nebenbei hatten viele einen bürgerlichen Beruf. Die angesehensten Schriftgelehrten wurden auch von Studierenden umgeben, die ihnen oft als Famuli dienten. Einige von diesen suchten religiös-bürgerliche Bildung, wie Paulus und Josephus, als sie pharisäische Lehrkurse besuchten, andere M

"

H . KEES, Ä g y p t e n (1933), S. 3 6 9 s. v . Schreiber. SCHÜRER, 2 , S . 3 2 0 .

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studierten bis zum akademischen Grad. Weil der jüdische Professor damals auf einem Stuhl sitzend unterrichtete und die Studierenden vor ihm auf dem Boden hockend saßen, heißt es bei Paulus, er habe zu Füßen des berühmten Gamaliel gesessen (Apg. 22,3). Eifrig lernte der Student auswendig, was der Professor im Kolleg vortrug, und achtete darüber hinaus auf jedes Wort und jede Gebärde des Meisters. Ehrenhalber wurden die anerkannten Gelehrten „Rabbi" genannt, was „Magister" heißt. Jesus wurde auch mit dieser Bezeichnung geehrt, daneben als Lehrer und Meister begrüßt (Matth. 8,19; 26,25; Luk. 5,5), obwohl er keine akademische Venia legendi erworben hatte (Joh. 7,15). Man griff dabei in volkstümlicher Weise allgemeine Gelehrtenprädikate auf, um persönliche Ehrfurcht vor diesem großen Lehrer auszudrücken. Bei seinen Jüngern aber lehnte der Meister von Nazareth jeden Gelehrtendünkel ab (Matth. 23,6—10). • Aus nachbiblischer Zeit sind eine feierliche Ordination der jüdischen Schriftgelehrten und ihre Aufnahme in einen Berufsverband bekannt (Mischn. Sanh.. I,3a; Talm. bab. Sanh. 13b; jer. 1,3 Schwab X,236) 20 . In der Titulatur wird dabei eine gewisse Differenzierung spürbar. Man blickte nunmehr auf die jüdischen Autoritäten der vor- oder frühchristlichen Zeit als die eigentlichen „ Schriftgelehrten" zurück, welche aus dem von Esra gegründeten Berufsverband der „Großen Synagoge" hervorgegangen seien (Pirq. ab. 1,1—2), und verlieh jedem hpnoris causa den Titel Rabbi. In bezug auf die Ordinierten der nachbiblischen Zeit sprach man von den „Weisen" und behielt jedem den Titel Rabbi als Bezeichnung für den rite erworbenen Grad vor. g) S a d d u z ä e r

und

Pharisäer

Unter den Schriftgelehrten gab es seit langem verschiedene Parteien, auf die sich die jüdische Gesellschaft weitgehend verteilte. Es handelt sich zunächst um die in den Evangelien und der Apostelgeschichte oft begegnenden Gruppen der Sadduzäer und Pharisäer. Jede wird von Lukas eine „Partei" (gr. hairesis) genannt (Apg. 5,17; 15,5; 26,5), und von Josephus gewöhnlich so behandelt 21 ; in der Misdina erscheinen sie als Richtungen der Schriftgelehrsamkeit (Mischn. Jad. IV,6 usw)2a. Außerdem erwähnt Josephus, merkwürdigerweise nicht das Neue Testament, die Bewegung der Essener und führt hellenisierend alle drei Gruppen als Schulen der jüdischen Philosophie an (Jos.Ant. XIII, 171—173), wobei er doch nicht Metaphysik, sondern Staats- und Rechtslehre meint. Da die Essenerbewegung zwar audi Beziehungen zur Schriftgelehrsamkeit hatte, im Hohen Rat aber nicht vertreten war und eher vom Priesteri.deal ausging, wie im Mönchswesen, behandeln wir sie später im Zusammenhang mit dem Priestertum. M

BILLERBECK ( A . 6), 2, S. 6 4 8 — 6 6 1 .

n

Josephusstellen gesammelt bei Schürer, 2, S. 382—384. Misdinastellen ebd., S. 384—386. 409 A. 16.

8 Bo Reldce, Neutestamentl. Zeitgeschichte

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§ 1. Die Herrenpartei der Sadduzäer Ob der Bezeichnung Sadduzäer (aram. nur durch syr. zadduqäjä bekannt; gr. saddoukaios, neuhebr. sdüql) ein Eigenname oder ein Eigenschaftswort zugrundeliegt, ist umstritten. Manchmal wird als Eponym dieser Schule der Hohepriester Zadok vorgeschlagen, weil seine Nachkommen als legitime Priester des neuen Jerusalem dargestellt wurden (Ez.- 40,46 usw.), ebenso weil Esra (Esr. 7,2) und vor allem die Hohenpriester der nachexilisch-vormakkabäischen Zeit (1. Chr. 24,3; Hagg. 1,1; Sir.hebr. 51,12) von ihm abstammen wollten. Aber die Quellen lassen die Sadduzäer nie den Anspruch erheben, eine priesterliche Sukzession von oder eine geistige Verwandtschaft mit jenem Zadok zu vertreten. Sie unterstützten im Gegenteil die nicht zadokidische Hannas-Dynastie (Apg. 4,1; 5,17). Wenn eine Gruppe geistige Söhne Zadoks unter sich zu haben beanspruchte, so waren es die Essener (Ordensregel von Qumran V,2; Damaskusschrift IV,3 f.). Die moderne Gleichung Zadokiden—Sadduzäer ist also mit historisch bekannten Verhältnissen unvereinbar. Man führt auch eine rabbinisdie Tradition an, nach der die Sadduzäer auf einen im zweiten vorchristlichen Jahrhundert tätigen Gelehrten Zadok zurückgehen sollen (Ab.R.Nath. 5). Aber dieser Zadok wird einem Boethus parallelisiert, in dem man den Stammvater der mit den Hannaspriestern wetteifernden Boethuspriester erkennt (o.S. 106), und damit zeigt sich die angeführte Notiz als eine ätiologisdie Legende. So lange kein Beleg für einen Eigennamen vorhanden ist, darf man zur alten Annahme eines Eigenschaftswortes zurückkehren13. Eherais das hebräische jaddlq, „Recht, habend", mag vielleicht in formaler Analogie zu hannün, „Gnade übend", ein hebräisches $addüq, „Recht übend", als Grund der Bezeichnung vorausgesetzt werden. Das würde zu der rechtlich strengen Haltung der Sadduzäer passen. Josephus gibt durch zahlreiche Einzelheiten an, worin das Wesen der sadduzäischen Anschauung bestand, und wir können es als einen immanenten Begriff der Gerechtigkeit kennzeichnen. Denn die als Handlungsprogramm dienende Theorie der Sadduzäer war eine auf Gesetz und Ordnung konzentrierte Pflicht- und Straflehre, die einer politisch konservativen und realistischen Staatsführung rücksichtslos dienstbar gemacht wurde. Nach sadduzäischer Auffassung seien die geschriebenen Gesetze einzige Rechtsnorm, und man sollte im Gegensatz zu den Pharisäern weder auf zusätzliche Überlieferungen noch 23

T . W.MANSON, Sadducee and Pharisec: Bull. J . Ryl. Libr. 22 (1938), S. 144— 59, betont audi die Unwahrscheinlidikeit einer Herleitung aus Eigennamen. Sadduzäer käme nach ihm von gr. syndikos, „Rechtsbeistand", Pharisäer von aram. parsa'a, „Perser", S. 147—156. Dabei werden allerdings weder die Vokale der neutestamentlichen und josephischen nodi die Konsonanten der rabbinisdien W o r t f o r m e n befriedigend erklärt. Manson hat aber geschichtlich wichtige U m stände hervorgehoben.

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auf menschliche Lehrmeinungen achtgeben (Jos. Ant. X I I I , 297; XVIII, 16). Ferner sei der Mensch für seine Handlungen restlos verantwortlich (Bell. II, 164; Ant. X I I I , 173), und jeder müsse für seine Übertretungen schon im Erdenleben büßen, da es keine nach dem Tode weiterlebende oder wiederauferstehende Seele gebe (nach Apg. 23,8 keinen „Engel"; ferner Jos. Bell. II, 165; Ant. XVIII, 16). Infolgedessen traten die Sadduzäer in der Rechtsprechung streng auf (Bell. 11,166; Ant. X X , 199), während die Pharisäer als Richter gerade wegen Berücksichtigung der im sadduzäischen Lager abgelehnten Faktoren zu volkstümlicher Milde neigten. Das alles prädestinierte die Sadduzäer zur Rolle einer konservativen Partei, die theoretisch und praktisch für die Autorität der Herren und die Disziplin des Volkes wirkte. In der Geschichte des Judentums erscheinen die Sadduzäer bei Josephus zuerst neben den Pharisäern und Essenern anläßlich einer Gesandtschaft, die im Auftrag des Jonathan und der Ältestenversammlung um 144 v. Chr. nach Rom und Sparta ging (Jos.Ant. X I I I , 171—173). Unerwartet begegnet hier eine philosophisch formulierte, aber politisch gemeinte Charakteristik der jüdischen Parteien, vielleicht weil die Quelle des Josephus gewisse Analogien zu dem für die römische Republik damals bezeichnenden Kampf zwischen Optimates und Populares (o. S. 53.59) hervorheben wollte. Jedenfalls treten die Sadduzäer nachher deutlich als eine mit den Patriziern und den Neureichen verbundene Gruppe auf. Die nichtadligen makkabäischen Brüder standen ihnen ursprünglich ferne. Sogar der realpolitische Hyrkan I. umgab sidi zunächst mit Lehrern und Ratgebern von der Bürgerpartei der Pharisäer, bis er nach seiner grausamen Bezwingung Samarías 109 v. Chr. von diesen gerügt wurde und sich der Herrenpartei der Sadduzäer anschloß (XIII, 288—298), obwohl er die pharisäische Opposition nachher beschwichtigte (ebd. 299). Dann brach unter Jannäus (104—76 v. Chr.) der innenpolitische Kampf heftig aus und reichte bis zur Zeit des Herodes, wie vorher geschildert (S. 54.77). Auf der einen Seite standen da Junker una Sadduzäer, welche das Militärregime des Jannäus unterstützten und! nachher bewunderten, auf der anderen Bürger und Pharisäer. Eine sadduzäische Blütezeit bedeuteten somit auch die Adelsrevolten unter Aristobul II. (66—63) und dessen Sohn Antigonus (40—37). Herodes unterdrückte als Vertreter der Gegenpartei die jüdischen Magnaten, ließ aber durch Umbau des Tempels und Verbesserung des Opferwesens das Priestertum wieder erstarken, so daß nachher ein reicher Priesteradel bereitstand, um in der römischen Prokuratur die innere Macht zu übernehmen. Damit war die große Chance der Sadduzäer gekommen: denn nichts konnte ihnen besser passen, als mit theologisch-juristischen Argumenten für die Souveränität des römischen Prinzeps und des jüdischen Adels zu plädieren. Leute vom Priester- und Laienadel waren Jünger der Sadduzäer (Jos. Ant. XIII, 298) und wählten solche Schrift8*

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Palästina zur Zeit Jesu und der Apostel, 4 v.—66 n. Chr.

gelehrten mit Vorliebe zu Ratgebern (XVIII, 17). Obwohl eine Minoritätsgruppe, bildeten die Sadduzäer in der ersten Prokuratur die Regierungspartei. Hannas und seine Kollegen waren mit den Sadduzäern so eng verbunden, daß Lukas die Anhänger des Hohenpriesters und die Partei der Sadduzäer gleichstellte (Apg. 5,17). Dadurch versteht sich, weshalb die Sadduzäer mit Eifer gegen jede Volksbewegung eingriffen, welche! die Machtstellung der Kaiserlichen und der Hohenpriester zu bedrohen schien: gegen Jesus in Zusammenarbeit mit den Hohenpriestern und ausnahmsweise sogar mit den Pharisäern (Matth. 16,1 usw.), gegen die Apostel nur in [Verbindung mit den Hohenpriestern (Apg. 4,1; 5,17) und teilweise unter Widerspruch der Pharisäer (5,34; 23,6—9). § 2. D i e Bürgerpartei der Pharisäer

Die ebenso umstrittene Bezeichnung Pharisäer (aram. und syr. p'rischä, gr. pharisaios, neuhebr. pärüsch) ist auf pärasch-p-rasch „trennen, absondern" zurückzuführen. In der Bibel heißt dieses Verb „deutlichmachen", und deshalb hat Pharisäer nach einer älteren Annahme vielleicht ursprünglich „Untersucher, Erklärer" (der Schrift) bedeutet". Aber in der Rabbinenliteratur heißt das Verb meistens „absondern", und dort wird Pharisäer wiederholt als „Abgesonderter" verstanden. Man kann mit vielen Forschern schon für die vorchristliche Zeit etwas derartiges voraussetzen. Falsch ist dabei allerdings, wenn Pharisäer als Dissident oder Separatist aufgefaßt wird. Ausnahmsweise bedeutet pärüsch Dissident, aber ohne daß es um Pharisäer geht (Talm. babl. Pes. 70a). Sowohl im Neuen Testament wie bei Josephus und überwiegend in der Rabbinenliteratur treten die Pharisäer als das Gegenteil von einer isolierten Sekte auf, nämlich als eine sehr expansive Bürgerpartei mit ausgeprägt sozialen Beziehungen und Gemeinschaftsformen. Im rabbinischen Schrifttum weist der Kontext des Namens auf eine Bedeutung wie etwa „Puritaner", Reinheitseiferer hin (u. a. Mischn. Chag. 11,17; Talm. jer. Ber. IX, 14b, 40, Schwab, 1, 169)2S. Da dies zu neutestamentlidien und josephischen Angaben paßt (etwa Matth. 15,2; Jos.Ant. XVIII, 12—15), kann für die vor- und frühchristliche Zeit derselbe Sinn vorausgesetzt werden. Grundlegend war also keine Absonderung von den Volksgenossen, 2