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German Pages 354 [364] Year 1982
de Gruyter Lehrbuch
w DE
G
Bo Reicke
Neutestamentliche Zeitgeschichte Die biblische Welt von 500 v. Chr. bis 100 n. Chr.
Dritte, verbesserte Auflage
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1982
Die wissenschaftliche Leitung der theologischen Lehrbücher im Rahmen der „de Gruyter Lehrbuch"-Reihe liegt in den Händen des ord. Prof. der Theologie D. Kurt A l a n d , D. D., D. Litt. Diese Bände sind aus der ehemaligen „Sammlung Töpelmann" hervorgegangen.
CIP-Kurztitelaufiiahme
der Deutschen Bibliothek
Reicke, Bo: Neutestamentliche Zeitgeschichte : d. bibl. Welt von 500 v. Chr. bis 100 n. Chr. / Bo Reicke. - 3., verb. Aufl. - Berlin : New York : de Gruyter, 1982. (de-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-008662-X
© 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz, Lemförde • Druck: Kupijai & Prochnow, Berlin Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin.
VORWORT Als ein Hilfsmittel zum Verständnis der biblischen Botschaft, der ältesten Kirche und der klassischen Antike will diese „Neutestamentliche Zeitgeschichte" die politischen, sozialen und religiösen Verhältnisse beleuchten, die für die Entwicklung des nachexilischen Judentums und der neutestamentlichen Christenheit bedeutsam waren. Sie vertritt die Tradition, die von der monumentalen „Geschichte des Judentums" von Eduard Schürer (s. Einleitung, Anm. 1) ausgeht. Trotz der Beschränkung des Umfangs auf das Format eines Lehrbuchs überschreitet sie allerdings in zeitlicher und räumlicher Dimension den von diesem Klassiker und seinen Nachfolgern eingehaltenen Rahmen. Zu beachten sind folgende Erweiterungen des Horizonts: - 1. Weil das Judentum der neutestamentlichen Zeit das Erbe der Rückwanderer aus Babylonien verwaltete, beginnt die Darstellung schon mit Kores und der Heimkehr der Juden aus dem Exil kurz nach 539 v. Chr. - 2. Nicht nur die lokal bedingten Verhältnisse in Palästina werden geschildert, sondern auch die weltgeschichtlichen Machtfaktoren im Perserreich, im Hellenismus, in der römischen Republik und im römischen Kaiserreich. - 3. Die für Juden und Christen mit dem römischen Imperium verbundene politische, soziale und religiöse Problematik wird im Blick auf die Zeit Jesu, der Apostel, der Hellenisten und der Aposteljünger bis zum Ende des neutestamentlichen Zeitraums um 100 n. Chr. verfolgt. In dieser Perspektive werden die Hauptzüge der Kirchengeschichte des ganzen ersten Jahrhunderts erklärt. Die erste Auflage des Lehrbuchs erschien 1965, die zweite verbesserte Auflage 1968. Ubersetzungen machten das Buch besonders in englischsprechenden und skandinavischen Ländern bekannt. Für die vorliegende dritte Auflage hat sich der Verfasser bemüht, die Darstellung in verschiedenen Punkten sprachlich
VI
Vorwort
und sachlich zu verdeutlichen, wobei ihm Bemerkungen einer besonders aufmerksamen Leserin hilfreich waren. Er hat auf Wunsch des Herausgebers, Prof. D. Kurt Aland, eine konzentrierte Ubersicht der hellenistischen Philosophie eingefügt (Kap. II, lc). Wegen zwei neugefundener Inschriften wurde die Datierung der römischen Eroberung Masadas zum Jahre 72 n. Chr. noch eingehender begründet (Kap. VII, Anm. 24). Andere kleine Ergänzungen finden sich besonders in bezug auf das Leben des Paulus. Weil die Fußnoten hauptsächlich im didaktischen Interesse auf bewährte Standardwerke hinweisen, wurden sie nur sporadisch modernisiert. Die neuere Literatur wurde in der abschließenden Bibliographie berücksichtigt. Basel, im Juli 1981
Bo Reicke
INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG I. JUDA U N T E R PERSISCHER HERRSCHAFT, 539-332 v. Chr. . . 1. Der iranische Machtbereich
1 5 6
2. Die frühen Großkönige, 539-424 v. Chr Zeittafel a) Kores, Darius I., Xerxes und Artaxerxes 1 b) Esra und Nehemia in Jerusalem c) Das Judentum im Perserreich
8 8 9 13 22
3. Die späten Großkönige, 424-331 v. Chr Zeittafel a) Die allgemeine Lage b) Das samaritanische Schisma c) Die letzten Perserkriege d) Nachwirkung des Persertums auf das Judentum
24 25 26 27 30 31
II. JUDÄA U N T E R HELLENISTISCHEN HERRSCHAFTEN, 332-142 v. Chr
33
1. Der hellenistische Machtbereich a) Der Alexanderzug b) Der Hellenismus c) Die Philosophie des Hellenismus d) Diadochen und Epigonen
33 33 34 39 48
2. Die ägyptische Herrschaft, 320-200 v. Chr a) Ptolemäus I.—III. und der Machtaufstieg Ägyptens Zeittafel b) Judäa als ptolemäisches Tempelland c) Ptolemäus IV.-V. und der Machtverlust Ägyptens
49 49 50 53 55
3. Die syrische Herrschaft, 200-142 v. Chr Zeittafel a) Antiochus III., Seleukus IV. und Antiochus IV b) Die religiöse Unterdrückung c) Makkabäus, Jonathan und Simon
56 57 58 62 65
VIII
Inhaltsverzeichnis
III. DAS HASMONÄISCHE REICH, 142-63 v. Chr Zeittafel
71 71
1. Priesterfürsten, 142-105 v. Chr a) Simon als Hoherpriester b) Hyrkan 1
72 72 74
2. Könige, 104-63 v. Chr a) Aristobul 1 b) Jannäus c) Alexandra, Hyrkan II. und Aristobul II
75 75 77 81
IV. PALÄSTINA U N T E R R O M U N D HERODES, 63-4 v. Chr 1. Der römische Machtbereich a) Roms Aufstieg zur Weltmacht b) Pompejus besetzt Palästina 2. Triumvirn, Antipater und Herodes, 63-4 v. Chr Zeittafel a) Antipater b) Herodes 1 c) Das Geburtsdatum Jesu V. PALÄSTINA ZUR ZEIT JESU U N D DER APOSTEL, 4 v. Chr.-66 n. Chr
85 85 85 89 91 92 93 97 112
115
1. Die Teilung des Herodesreiches, 4 v. Chr Zeittafel
116 116
2. Galiläa-Peräa und Nordtransjordanien zur Zeit Jesu a) Die beiden Länder des Antipas b) Die Heimat Jesu c) Die Synagogen d) Die Regierung des Antipas, 4 v.-39 n. Chr e) Land und Regierung des Philippus
121 121 122 124 129 131
3. Judäa-Samarien zur Zeit Jesu und der Urkirche, 4 v.-41 n. Chr.. . Zeittafel a) Die beiden Länder des Archelaus b) Die Regierung des Archelaus, 4 v.-6 n. Chr c) Die Einrichtung der ersten Prokuratur, 6 n. Chr d) Die römischen Behörden, 6-41 n. Chr e) Die jüdische Verwaltung f) Der Hohe Rat § 1. Hannas als Prinzeps 147 - § 2. Der Hohepriester als Präses 148 - § 3. Die Ratsherren 149 - a) Die Hohenpriester als Konsistorium 151 - b) Die Ältesten 154 - c) Die Schriftgelehrten 154
133 132 134 136 139 142 145 146
Inhaltsverzeichnis
IX
g) Sadduzäer und Pharisäer 156 § 1. Die Herrenpartei der Sadduzäer 157 - § 2. Die Bürgerpartei der Pharisäer 160. h) Priester und Essener 167 § 1. Der Tempeldienst der Priester 167 - § 2. Das Ordensleben der Essener 172. i) Pilatus, Golgatha, die Urkirche 177 § 1. Gratus und Pilatus 178 - § 2. Das Todespassa Jesu 179 a) Der Zeitpunkt des Abendmahls und der Kreuzigung 180 b) Der Verlauf des Golgathadramas 187 - § 3. Die Pfingstzeit der Kirche, 33-41 n. Chr. 191 - a) Die Entwicklung der Apostelgemeinde 191 - b) Die Absetzung des Pilatus und die Stephanusverfolgung 192 - c) Caligulas Machtübernahme und die Ausbreitung des Evangeliums 195 - d) Agrippas Karriere und der Kulturkampf 197. 4. Palästina zur Zeit des Jakobus und Paulus, 41-66 n. Chr Zeittafel a) Agrippa I. als König Judäas, 41-44 n. Chr § 1. Die Begünstigung des Pharisäismus 202 - § 2. Das Martyrium des Zebedaiden Jakobus 203 - § 3. Der Tod Agrippas I.; seine Hinterbliebenen 204. b) Die zweite Prokuratur, der Zelos und die Kirche, 44-66 n. Chr § 1. Patrioten und Zeloten in Judäa 206 - § 2. Die sieben Prokuratoren und der wachsende Terror 207 - a) Fadus, Alexander, Cumanus, Felix bis 54 n. Chr. 207 - b) Felix nach dem Jahr 54, Festus, Albinus, Florus 209 - § 3. Judenmission und Heidenmission in der Kirche, 44-66 n. Chr. 213 - a) Der Herrenbruder Jakobus 214 - b) Der Heidenapostel Paulus 219 - c) Der Ubergang des Petrus vom Zion nach Rom 224. VI. DAS R Ö M I S C H E IMPERIUM ZUR ZEIT J E S U U N D DER APOSTEL, 4 v. Chr.-66 n. Chr Zeittafel 1. Imperium, Judentum und Christentum
200 201 202
205
227 227 227
2. Augustus und Tiberius, 30 v.-37 n. Chr a) Das Regierungssystem des Augustus b) Die Provinzeinteilung seit Augustus § 1. Imperatorische Provinzen, darunter Syrien und GalatienLykaonien 230 - § 2. Senatorische Provinzen, darunter Cypern, Asien, Mazedonien, Achaja 231 - § 3. Die Pax Romana 235. c) Der Status quo unter Tiberius
228 229 229
3. Caligula, Claudius, Nero, 37-68 n. Chr a) Die Enttäuschung unter Caligula
238 238
236
X
Inhaltsverzeichnis b) Der Provinzausbau unter Claudius 239 c) Die Auflösung unter Nero 241 § 1. Aufstieg und Untergang des Despoten 241 - § 2. Nero und die Juden bis 66 n. Chr. 244 - § 3. Nero und die Christen 245.
VII. DAS RÖMISCHE IMPERIUM ZUR ZEIT DER APOSTELJÜNGER, 67-ca. 100 n. Chr 253 Zeittafel 254 1. Zelotenkrieg und Armeerevolten, 66-70 n. Chr a) Der jüdische Krieg 66-70 n. Chr b) Die römischen Revolten 68-69 n. Chr § 1. Galba, Otho in Rom 261 - § 2. Vitellius im "Westen 263 § 3. Vespasian im Osten 264. c) Der Untergang Jerusalems 70 n. Chr § 1. Belagerung und Eroberung Zions 266 - § 2. Folgen für das Judentum Palästinas 266.
256 256 261
266
2. Vespasian, Titus, Domitian, 69-96 n. Chr a) Die Befestigung unter Vespäsian b) Die Entspannung unter Titus c) Die Verschärfung unter Domitian d) Juden und Christen unter den Flaviern § 1. Das Judentum 283 - a) Die politische Stellung 283 b) Die soziale Haltung 286 - § 2. Das Christentum 291 a) Die politische Stellung 291 - b) Die soziale Haltung 301.
267 268 270 271 283
3. Nerva, Trajan, der Übergang zur Märtyrerzeit
313
Bibliographie Namen- und Sachregister Tafelanhang
317 332 345
EINLEITUNG Von der Wegführung nach Babylon bis zu Christus waren es vierzehn Geschlechter (Matth. 1,17) Gegenstand der Neutestamentlichen Zeitgeschichte ist das Weltgeschehen, das Hintergrund und Rahmen des Evangeliums und der Urkirche bildete. Mit bewußtem Verzicht auf die eigentlich theologische Fragestellung wird hier eine historische Betrachtung angelegt. Die himmlische Wirklichkeit wird dabei nicht erfaßt, die inhaltliche Eigenart nicht erklärt, nur die irdischen Umstände werden es, die mit den Mitteln der induktiven und kausalen Geschichtsforschung erforscht werden. Jedoch rechtfertigt sich dieses Unterfangen auch theologisch, wenn man das Hauptthema der Christologie beherzigt: das Wort ward Fleisch, nämlich als die Zeit erfüllt war (Joh. 1,14; Gal. 4,4). Christus und die Kirche hatten die Erfüllung der jüdischen Geschichte zu bringen. De facto traten sie verschiedentlich in Beziehung zum Judentum, mittelbar auch zum Hellenismus und zum Römerreich. Zur historischen Erläuterung dieser Mächte in dem Hintergrund und in der Umgebung des Neuen Testaments sind Überblicke über mehrere Jahrhunderte notwendig, in denen sich derer Eigenart und Bedeutung entwickelten. Weil die Entwicklung des Judentums kurz vor 500 v. Chr. begann und weil die Geschichte des Neuen Testaments bis gegen 100 n. Chr. reichte, begrenzen diese Zeitpunkte unsere Darstellung. D a ferner Jesus und seine Jünger vor allem mit staatlichen, sozialen und sakralen Verhältnissen zu tun hatten, wird die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf solche Umstände gerichtet 1 .
1
Auf die politische und soziale Geschichte konzentrierte sich mit Recht das Vorbild moderner Darstellungen der neutestamentlichen Zeitgeschichte:
2
Einleitung
Wenn im folgenden vom Judentum die Rede ist, handelt es sich also um jüdisches Gemeinwesen, jüdische Kultur und Religion der Zeit nach dem babylonischen Exil bis gegen Ende der neutestamentlichen Periode, und auf diese Entwicklung beziehen sich die Kapitel I-V. Die kulturell und religiös entscheidende Bedeutung der Wiederherstellung des Judentums nach der babylonischen Gefangenschaft (586-539 v. Chr.) rechtfertigt es, von der jüdischen Rückwanderung und von der persischen Hegemonie (539-332 v. Chr.) auszugehen. Schon damals kamen Erscheinungen und Einrichtungen auf, die für die jüdische Gesellschaft der urchristlichen Zeit charakteristisch waren. Danach müssen im Blick auf den tief eingreifenden Kulturkampf des Judentums gegen den Hellenismus die hellenistischen Herrschaften (332-142 v. Chr.) berührt werden. Auch vom politischen Glanz des Hasmonäerreichs (142-63 v. Chr.) ist zu sprechen, den noch die neutestamentliche Zeit mittelbar widerspiegelt. Jedoch soll die römische Zeit bis zum Beginn der politischen Katastrophe des Judentums (63 v.-66 n. Chr.) eingehender behandelt werden, da es sich hier um die vorchristliche-urchristliche Epoche handelt. Daß die Schilderung auch für den apostolischen Zeitabschnitt (33-66 n. Chr.) vom Judentum ausgeht, ist darin begründet, daß trotz der innerlichen Loslösung des Evangeliums vom Judentum und trotz der Mission unter den Heiden die apostolische Kirche zum großen Teil freiwillig in gesellschaftlicher Verbindung, unfreiwillig auch in Schicksalsgemeinschaft mit dem jüdischen Volk verblieb. Grundsätzlich wollte sie die Trägerin der alttestamentlichen Verheißung sein. Jerusalem galt deswegen bis zum jüdischen Aufstand im Jahr 66 als kirchliches Zentrum, die Apostel suchten gern Anschluß in den Judenkolonien des Römerreichs, und ihre Verkündigung nahm oft - bewußt oder unbewußt - mündliche und schriftliche Traditionen der helleE. SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, 1-3 (3.-4. Aufl. 1901-1909), unten als Schürer 1-3 zitiert. Eine anregende Geistesgeschichte des Hellenismus schrieb H. PREISKER, Neutestamentliche Zeitgeschichte = Sammlung Töpelmann 11,2 (1937), ließ aber nur ein paar Zeittafeln die politische Geschichte vertreten. - Andere übersichtliche Darstellungen erwähnt unsere Bibliographie (u. S. 316ff.). Texte und Studien werden in den Fußnoten nur dann angeführt, wenn Hinweise besonders nützlich erscheinen.
Einleitung
3
nistisch-jüdischen Missionspropaganda zum Vorbild (bezeichnend ist die Ubereinstimmung zwischen Weish. 13,1-10 und Rom. 1,18-23). Zudem faßte die römische Öffentlichkeit bis zur neronischen Verfolgung 65 n. Chr. und teilweise noch während der domitianischen Verfolgung in den Jahren 93-95 das Christentum als eine Frucht des Judentums auf. Auf die Lage der Kirche im Römerreich beziehen sich die Kapitel VI-VII. Für die apostolische Zeit ist ergänzend auf das Weltreich und die Provinzen zu achten, in denen Jesus und die Apostel auftraten. Mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche beschäftigt sich die Schilderung der nachapostolischen Zeit (66-100 n. Chr.). Damals bildete das Judentum nicht mehr den äußeren Rahmen des Christentums. Vielmehr befand sich das Christentum dem Kaisertum direkt konfrontiert, das ihm zum Teil feindlich gegenüberstand, wie die Verfolgungen durch Nero und Domitian zeigen. Weil der letzte Teil des neutestamentlichen Kanons diese Lage widerspiegelt (Gemeindebriefe und Offenbarung), wird im Unterschied von den traditionellen Lehrbüchern auch die Zeit der Apostelschüler berücksichtigt. Die primären Quellen zum Studium der neutestamentlichen Zeitgeschichte sind Teile des Alten Testaments und Schriften des frühen Judentums: 1. einige Bücher des Alten Testaments, die im hebräischen Kanon bei den Propheten und Hagiographen (den „Schriften") jeweils zuletzt erscheinen: unter den Propheten Hagg., Sach., Mal.; unter den Hagiographen Pred., Esth., Dan. und vor allem das Werk des Chronisten: Esr., Neh., 1.-2. Chr. (bei anderen Büchern ist die Spätdatierung zweifelhaft oder umstritten); 2. die sogenannten Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments 2 sowie die Qumranschriften 3 ; 3. die Geschichtswerke des Josephus (37-ca. 95 n. Chr.): 2
3
E. KAUTZSCH, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des A. T . , 1 - 2 (1900, Nachdruck 1962); R . H. CHARLES, The Apocrypha und Pseudepigrapha of the O. T., 1 - 2 (1913, Nachdruck 1964); P. RIESSLER, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel (1928). J. MAIER, Die Texte vom Toten Meer, 1 - 2 (1960); E. LOHSE, Die Texte aus Qumran
(1964).
4
Einleitung
Bellum Judaicum, Antiquitates Judaice, Vita Josephi und Contra Apionem 4 ; 4. die älteren Rabbinertexte, vor allem die in der Mischna (um 200 n. Chr.) 5 . Zu berücksichtigen sind ferner griechische und lateinische Autoren, wo sie den Kulturraum des nachexilischen Judentums und des ältesten Christentums berühren, so vor allem Polybius (ca. 200-120 v. Chr.), Diodor (ca. 90-30 v. Chr.); Statius (ca. 40-96 n. Chr.), Tacitus (55-ca. 120 n. Chr.), Plinius d. J. (61ca. 115 n.Chr.), Sueton (ca. 75-150 n.Chr.), Dio Cassius (155-235 n. Chr.). Auch die Schriften des Neuen Testaments können Einzelheiten enthalten, welche die zeitgeschichtlichen Umstände erhellen. Doch sind unsere verhältnismäßig zahlreichen Hinweise auf neutestamentliche Stellen nur teilweise als Belege gemeint. Sie wollen überwiegend zum Vergleich mit dem Neuen Testament auffordern, das an sich nicht Grund, sondern Ziel der Darstellung ist6.
4
Flavi Josephi Opera ed. et apparatu crit. instr. B. NIESE [et J. V. DESTINON], 1-7 (1885-95, Nachdruck 1955). Flavius Josèphe, Oeuvres complètes, trad. sous la dir. de Th. REJNACH, 1-7 (1900-32). Josephus with an English Transl a t i o n b y H . St. J. THACKERAY, R . MARCUS, a n d A . WIKGREN, 1 - 9 ( 1 9 2 6 - 6 4 ) .
Des Flavius Josephus jüdische Altertümer, übers, von H. CLEMENTZ, 1-2 (1899, Nachdruck 1959). Flavius Josephus, De bello judaico (gr. u. dt.), hrsg. von O. MICHEL und O. BAUERNFEIND, 1 - 3 (1959-69). Flavius Josèphe,
Autobiographie. Texte établi et traduit par A. PELLETIER (1959). 5
Ph. BLACKMAN, Mishnayoth, (6. Aufl. 1956).
1-6
(1951-56);
H . DANBY,
The
Mishna
' Schürer und andere haben der neutestamentlichen Zeitgeschichte eine jüdische Literaturgeschichte angehängt. Eine solche Anordnung erschien uns hier unförmlich, auch weil neue Funde den Stoff vermehrt haben. Wir verweisen für die jüdische wie für die urchristliche Literaturgeschichte auf alttestamentliche und neutestamentliche Einleitungen.
I. JUDA U N T E R PERSISCHER HERRSCHAFT 539-332 v. Chr. Im ersten Jahre des Königs Kyros forderte er mich auf stark zu werden und mutig zu sein (Dan. 11,1 LXX). Schon das Danielbuch ließ die vor dem Kommen des Menschensohnes liegende, entscheidende Geschichtsepoche mit dem Perserreich (539-332 v. Chr.) beginnen. Denn der Engel, der in Dan. 11,1-45 die Schicksale des Judentums andeutet, die schließlich in die Heilszeit ausmünden sollen (12,1), geht von der Perserzeit aus. Zuerst wird in 11,1 nach dem Text der Septuaginta - der masoretische Text ist hier nicht eindeutig— der Gründer der persischen Weltmacht, Kores oder Cyrus, erwähnt 1 . Gemeint ist die Tatsache, daß Kores nach der Eroberung Babylons 539 v. Chr. die Juden aus der sogenannten babylonischen Gefangenschaft befreite und damit eine Neuorganisation des Judentums ermöglichte, die übrigens bis zur politischen Katastrophe des Jahres 70 n. Chr. nachwirkte. Dann werden in 11,2a ohne Namen drei nachfolgende Großkönige genannt, die man als Darius I., Xerxes und Artaxerxes I. deuten kann. Schließlich redet der Engel in 11,2b von einem Perserkönig, der trotz großer Macht vergeblich gegen Griechenland kämpfen werde: hier ist Darius III. gemeint, dessen Reich 333-331 v. Chr. von Alexander erobert wurde. Im prophetischen Stil und im Blick auf die Heilsgeschichte kündigt der Engel also die etwas über zweihundert Jahre der persischen Hegemonie als eine Zeit der Wiederbelebung des Gottesvolkes an. 1
Der masoretische Text erwähnt in Dan. 11,1 „den Meder Darius", aber diese Gestalt ist mit bekannten Tatsachen nicht vereinbar, und der Name mag durch einen Schreibfehler entstanden sein. Hingegen ist der Septuaginta-Text des Verses für eine geschichtliche Erklärung ohne weiteres brauchbar.
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Juda unter persischer Herrschaft
Wie sieht diese für das Judentum grundlegende Epoche weltgeschichtlich aus? 1. Der iranische Machtbereich Geographisch und geschichtlich war der Hintergrund des persischen Reiches der Iran (Tafel I), das Bergland zwischen Assyrien und Indien, Transkaspien und dem Persischen Golf. Der Iran umfaßt das heutige Persien, außerdem Afghanistan und Belutschistan; die Gesamtfläche ist etwa fünfmal so groß wie Frankreich. In die Ebenen und die Täler der von Nordwesten nach Südosten sich hinziehenden Gebirge des Irans drangen vom Nordosten her vor und während der israelisch-judäischen Königszeit kosakenähnliche Stammesverbände ein, die sich Arier nannten, sich indo-europäischer Sprachen bedienten und von Adelsfamilien angeführt wurden. Nach ihnen wurde die Hochebene der Iran genannt, das Land der Arier (altpers. Arjänam). Drei dieser Stammesverbände sollten weltgeschichtliche Bedeutung erlangen und auch für die Juden eine wichtige Rolle spielen. - 1. Zunächst drangen die Meder am Elburz-Gebirge südlich des Kaspischen Meers entlang gegen Westen bis in die Nähe Assyriens vor. Sie schufen im nordwestlichen Iran, der nach ihnen Medien genannt wurde, ein um 700-550 v. Chr. mächtiges Reich (Jer. 25,25). An den Einmarschwegen von Osten her lagen ihre Hauptorte: Rages (Tob. 1,14 usw.) nahe der modernen persischen Hauptstadt Teheran und Ekbatana (Jdt. 1,1 usw.), das heutige Hamadan. - 2. Gegen den südwestlichen Iran richtete sich der Zug der Perser. Sie ließen sich im südlichen Teil der zwischen Iran und Assyrien verlaufenden Zagros-Berge nieder, östlich des inneren Persischen Golfes in der Gebirgsgegend, die eben wegen der Besiedlung durch die Perser griechisch Persis genannt wurde, die heutige Provinz Fars. Von dort und von der benachbarten Flußebene Elam östlich der Tigrismündung aus, welche nach Assyriens Fall 612 besetzt werden konnte, beherrschten die Perserkönige der Dynastie der Achämeniden die Weltpolitik von etwa 550 bis 331 v. Chr. Seit 525 erstreckte sich die Macht der Großkönige im Westen bis zum Hellespont und zur großen Syrte, im Osten bis
Der iranische Machtbereich
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zum Industal. Die persischen Residenzstädte waren Persepolis (2. Makk. 9,2), eine Neugründung in den Bergen von Persis, und Susan (Neh. 1,1 usw.), die alte Königsstadt Elams (Gen. 14,1) nördlich des Golfs, auf der Grenze zwischen der Flußebene und den Zagros-Bergen. - Nach dem Untergang des Perserreichs wurden Vorderasien und Iran von Alexander dem Großen und dann vor allem von den Seleukiden beherrscht und hellenisiert. - 3. Um 250 v. Chr. begannen die aus Transkaspien kommenden Parther, dem Seleukidenreich gefährlich zu werden. Sie eroberten Hyrkanien und Parthien, heute die Provinz Chorazan südöstlich des Kaspischen Meeres, und verstärkten die Karawanserei Hekatompylos. Vom nördlichen Iran aus unternahmen ihre Könige und Ritter überraschende Vorstöße gegen Osten und entlang der medischen Heerstraße nach Südwesten und eroberten unter Mithradates I. um 150 v. Chr. das Zweistromland. Darauf konnten die Könige der parthischen Dynastie der Arsakiden während der ganzen vor- und frühchristlichen Zeit die Handelsstraßen zwischen den beiden damaligen Kaiserreichen Rom und China kontrollieren. Sie blieben die gefährlichsten Gegner der Römer, bis sie 224 n. Chr. von einem persischen Vasallen vertrieben wurden. Residenzstädte der Parther waren Ekbatana in Medien und Seleukia am Westufer des Tigris, letztere eine Hochburg des Hellenismus, die 42 n. Chr. im Zusammenhang mit einer Renaissance des Orientalismus durch das parthische Ktesiphon am gegenüberliegenden Ostufer ersetzt wurde. 4. Nach dem Sturz der parthischen Arsakiden 224 n. Chr. herrschten wieder die Perser unter der Dynastie der Sassaniden. Diese zoroastrischen Könige kämpften mit dem Römerreich um die Weltmacht bis zur Eroberung des Zweistromlandes durch die Araber 636 n. Chr. Ktesiphon blieb Hauptstadt der neupersischen Großmacht und des Orientalismus. Aus dieser kurzen Schilderung der altiranischen Reichsbildungen geht hervor, daß die Iranier und vor allem die Perser den Kulturraum um ein Mehrfaches erweiterten, zu dem Palästina und die Juden gehörten. Bisher hatten Israel und Juda abwechselnd unter dem Einfluß des Niltals und des Zweistromlandes gestanden. Kores und die Perser machten die Juden zu freien Mitgliedern einer kosmopolitischen Zivilisation, die außer diesen altehrwürdigen Gebieten auch den entwicklungsfä2
R e i c k c : Neutestamentl. Zeitgesch. 3
8
Juda unter persischer Herrschaft
higen Iran und das zum Teil hochkultivierte Kleinasien umfaßte. Hier fanden sich neben Semiten auch östliche Völker wie die Arier und westliche Bevölkerungselemente wie die griechischen Kolonisten. Dieser kosmopolitische Charakter des ersten Perserreichs kam der äußeren Entwicklung des Judentums zugute und wurde auch der Grund für die rasche Expansion des Hellenismus, beides für die urchristliche Mission sehr wesentliche Faktoren. Später bildete das zweite Perserreich den Rahmen, der vom Islam ausgefüllt werden sollte.
2. Die frühen Großkönige, 539-425 v. Chr. Um die folgende Schilderung des Aufstiegs des Perserreichs und der Wiederherstellung Judas chronologisch zu veranschaulichen, sei hier eine Liste der früheren Achämeniden unter Beiziehung einiger im chronistischen Werk wichtigen Namen vorausgeschickt. Großkönige:
Provinzbeamte:
Jüdische Vertrauensmanner:
Hohepriester (Neh. 12,10):
Sesbazar (Esr. 1,8)
Kores 5 3 9 - 5 2 9 Kambyses 5 2 9 - 5 2 2 Darius I. 522-486
Xerxes 486-465 Artaxerxes I. 465-425
Thatnai Satrap in Syrien; Serubabel Sether-Bosnai (Esr. 2,2) Pascha in Samarien (Esr. 5,3) Megabyzus General, seit 459 Satrap in Jojakim Syrien Sanballat I. Pascha in Esra 459 Samarien; Tobia in (Esr. 7,7) Ammon; Gesem in Edom (Neh. 2,19); Nehemia in Juda 446-434 (Neh. 5,14)
Jesua
Eljasib Jojada
Die frühen Großkönige
9
Zu allen hier und später angeführten Jahreszahlen sei angemerkt, daß nach antikem Gebrauch der Anfangs- und der Abschlußtermin mitgezählt werden. Hat z. B. Artaxerxes I. 465 die Macht ergriffen, so bedeutet „im 20. Jahre seiner Regierung" (Neh. 1,1) nicht 445, sondern 446 v. Chr.
a)
K o r e s , D a r i u s I . , X e r x e s u n d A r t a x e r x e s I.
Kores, der erste persische Großkönig, wurde 559 v. Chr. medischer Vasall über das vorher zu Elam gehörende Gebiet Anschan, stürzte mit Hilfe des neubabylonischen Königs und des medischen Adels das Königtum der Meder in Ekbatana, besiegte dann 546 den reichen Kroisos von Lydien und eroberte ganz Kleinasien. Er rundete sein Reich durch Siege in Phönizien und im Mitteliran ab und zog 539 in Babylon ein, dessen Tore ihm die Mardukpriester öffneten. Damit war er der Herr eines Reiches geworden, das räumlich alles Frühere weit übertraf, und blieb es bis zu seinem Tode 529 (die Hauptdaten seines Lebens verteilen sich etwa auf drei zehnjährige Perioden). Auch seine Innenpolitik bedeutete etwas Neues in der Geschichte des Morgenlandes: Kores ließ seine Befehlshaber und Statthalter die unterworfenen Völker in toleranter Weise regieren. Er versuchte nicht wie die Babylonier und Assyrer, die fremden Nationalitäten, Sprachen und Kulte zu verdrängen, sondern trat ausdrücklich für deren Anerkennung und gegebenenfalls Wiederherstellung ein 2 . Sogar in griechischer Überlieferung erschien Kores als Vorbild eines humanen Fürsten (Xenoph. Cyropaed.). Für die Juden der Diaspora und der Heimat wurde die von Deuterojesaja begrüßte Politik des Kores (Jes. 44,28; 45,1) von entscheidender Bedeutung. 1. Schon das Aufhören der babylonischen Gefangenschaft trug zur Erhaltung der jüdischen Nationalität bei. Freilich hatten die Babylonier nur die führenden Schichten J u d a s verschleppt; weil aber diese als Träger des Volksganzen aufgefaßt wurden, bedeutete die Möglichkeit ihrer Rückwanderung, daß die völkische Eigenart nicht aufgelöst werden mußte. Nach dem sicher idealisierenden, doch im gründe nicht unglaubwürdigen Bericht des Chronisten fand schon unter Kores eine 2
2"
M. NOTH, Geschichte Israels ( 4 1959), S. 271-279.
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Juda unter persischer Herrschaft
Rückwanderung einiger Patrizier und Priester statt (Esr. 1,5), die vom Beauftragten für jüdische Angelegenheiten Sesbazar geleitet wurde (1,8. 11; 5.15.16) und den Ausgangspunkt für die spätere Rückwanderung unter Serubabel bildete (2,1-70; 5,13-6,12). Jedenfalls hat die Toleranzpolitik des Kores die nachexilische Remigration und Repristination des Judentums grundsätzlich ermöglicht. 2. Kores und seine Nachfolger haben ferner die wichtigsten Sprachen der unterworfenen Gebiete anerkannt und ihre Erlasse in den Volkssprachen erscheinen lassen (Esth. 1,22), eine Praxis, die von den dreisprachigen Keilinschriften der Perserkönige bestätigt wird. Bereits gegen Ende der judäischen Königszeit war in Syrien und Palästina das Aramäische die in Handel und Politik maßgebliche Sprache geworden (2. Kön. 18,26), was mit der Bedeutung des Reiches von Damaskus und der anderen syrischen Staaten zusammenhing. Außerdem hatten die Assyrer und Babylonier aramäisch sprechende Volksschichten nach Israel und Juda umgesiedelt. Ferner hatten sich die israelitisch-judäischen Aristokraten im Exil die internationale aramäische Sprache angeeignet und trugen sie bei ihrer Rückwanderung in die alte Heimat. An diese Gegebenheiten paßten sich die Achämeniden an und erhoben in Syrien und Palästina das Aramäische zur Amtssprache (Esr. 4,7), so daß sich ein besonderes Reichsaramäisch entwickelte. Wenn auch das Hebräische die Kultsprache blieb, so wurde das Aramäische allmählich die Volkssprache Palästinas und blieb es auch in der Spätantike für Juden und Christen des Landes. Zu diesem für die geistige Einheit und Entwicklung des Judentums wesentlichen Sprachfaktor trugen Kores und die Achämeniden bei. 3. Kores ließ im Gegensatz zu früheren Weltherrschern die Religionen und Kultorte unterworfener Völker weder zerstören oder entweihen noch dem Kult des Reichsgottes unterordnen, sondern wiederaufrichten; der Kores-Zylinder des British Museum mit Anweisungen für die Restauration der assyrischen Kulte bezeugt es ausdrücklich 3 . In bezug auf Juda soll Kores als Vertreter des Himmelsgottes auch den Wiederaufbau
3
F. H. WEISSBACH, Die Keilinschriften der Achämeniden (1911), S. XI, 2-8.
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des Jerusalemer Tempels befohlen haben: diese Notiz bildet den Gipfel des ganzen chronistischen Werkes (2. Chr. 36,22 f.; Esr. 1,1-4), und der Chronist findet sie in einem späteren Kanzleischreiben des Darius bestätigt (Esr. 6,3-12). Ob sich Kores, der nach seinem Erfolg in Babylon mit Unruhen im Osten zu schaffen hatte und 529 während eines iranischen Feldzuges fiel, wirklich um das kleine Juda im fernen Westen so gekümmert hat, scheint fraglich. Hier mag die auch bei Deuterojesaja hervorschimmernde Idealisierung seiner Gestalt eine Rolle gespielt haben. So viel ist aber deutlich, daß jüdische Patrizier, Priester und Propheten schon in den Tagen des Kores die Chance ergriffen haben, mit der Aufrichtung des Tempels anzufangen, nur daß man wegen Schwierigkeiten und Privatinteressen das Werk bald aufgab (Hagg. 1,1-11). Nach dem Tode des Kores 529 v. Chr. regierte sein temperamentvoller, in der Bibel nicht erwähnter Sohn Kambyses (529-522), der 525 Ägypten und Libyen eroberte. Das riesige Perserreich wurde dann nach schweren Kämpfen von Darius I. (522-486) übernommen und vortrefflich organisiert. Persis blieb Stammland und war steuerfrei; der Rest wurde in 20 Vizekönigtümer unter je einem Satrapen geteilt, die sich wiederum in Landkreise unter einem Pascha (hebr.aram. pechah) gliederten. Syrien und Palästina bildeten die 5. Satrapie, Transeuphrat (Esr. 5,3); ihr Satrap residierte vermutlich in Damaskus und Phönizien. Mit dieser Satrapie war ein neuer Kulturraum geschaffen, der noch lange Zeit eine beachtliche Eigenart behalten sollte. Transeuphrat oder Syrien erschien manchmal als ein relativ selbständiges Reich, die Satrapenwürde beinahe als familiengebunden. Politisch wurde dieses Gebiet, obwohl es während der Ptolemäerherrschaft (320-200 v. Chr.) geteilt war, unter Seleukiden und Römern wieder eine relative Einheit. Kulturell bewahrte es trotz der jüdischen Reinheitsbestrebungen noch länger seine Eigenart, indem die Handelsverbindungen und die aramäische, später die syrische und arabische Sprache zusammenhaltend wirkten. Innerhalb der persischen Satrapie Transeuphrat war Palästina ein Bezirk, dessen Statthalter oder Pascha in Samaria saß (Esr. 4,17; Neh. 3,34), das nicht wie Jerusalem verödet, sondern von zahlreichen Immigranten verschiedener Herkunft bevölkert war (Esr. 4,9f.).
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Dem kulturellen Austausch im Perserreich zugute kamen auch die Militärstraßen und Postverbindungen, die Darius anlegen ließ; als Beispiel für das Wegwesen sei die großartige Königsstraße von Susa nach Ephesus genannt, für das Postwesen die im Esra-Nehemia-Werk eingearbeitete Kanzleikorrespondenz. Später wurden diese beiden Einrichtungen der Perser in einer von Griechen und Römern weiterentwickelten Form für die Verkündigung der Apostel wichtig. Darius konnte um 520 v. Chr. seine Kuriere wie die Reiter der ersten Sacharja-Vision über große Teile der Erde aussenden und alles in leidlicher Ordnung finden (Sach. 1,8-11). Bei den jüdischen Patriziern, Priestern und Propheten erweckte dieser günstige Zustand ein heißes Verlangen nach einer Wiederherstellung Zions, nachdem der Versuch unter Sesbazar gescheitert war. Infolgedessen zog 521 aus der Diaspora unter der Leitung des Patriziers Serubabel und des Priesters Jesua eine recht starke Gruppe von Zionisten nach Jerusalem (Esr. 2,1-10). Serubabel, ein Nachkomme der Davidskönige (1. Chron. 3,17 mit Esr. 3,2 usw. kombiniert), konnte in Jerusalem als eine Art Bürgermeister auftreten (Hagg. 1,1: „Pascha von Juda"). Er war von den als „Ältesten" bezeichneten Patriziern umgeben (Esr. 5,5 usw.), einer im Hohen Rat der neutestamentlichen Zeit noch vorkommenden Adelsversammlung. Jesua, ein Nachkomme der Zadokpriester (1. Chron. 5,41 mit Esr. 3,2 usw. kombiniert), wurde in Jerusalem als neuer Hoherpriester angesehen (Hagg. 1,1). Propheten wie Haggai und Sacharja unterstützen die Politik der Remigranten (Esr. 5,1 f.; 6, 14; Hagg. 1,2-11; Sach. 1,12-2,5). Juli 520 wurde der Wiederaufbau des Tempels in Angriff genommen. Anläßlich einer Störaktion der ländlichen Bevölkerung (Esr. 4,1-5) und des syrischen Satrapen (5,3-17) bemühten sich die Juden, das Unternehmen auf einen Befehl des Kores zurückzuführen. Es gelang ihnen dabei, die Unterstützung des Darius zu gewinnen (6,1-13). Der zweite Tempel, Serubabels Werk, konnte im Februar 516 eingeweiht werden, und der Dienst des Hohenpriesters, der Priester und der Leviten setzte in der für die nachexilische Zeit charakteristischen Form ein (Esr. 6,15-18), die über den Umbau des Tempels durch Herodes hinaus bis zum Fall Jerusalems 70 n. Chr. bestehen blieb (u. S. 167 bis 172). Politisch waren die erwähnte Einrichtung der jüdischen Pa-
Die f r ü h e n Großkönige
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trizierversammlung und die Wiederherstellung des Jerusalemer Kultes deswegen möglich geworden, weil Darius im Blick auf die Landverbindung nach Ägypten ein gutes Verhältnis zu J e rusalem und J u d a suchte. Daher sollte die Priesterschaft dort nicht nur dem Himmelsgott opfern, den man als allen Völkern gemeinsam verstand, sondern auch für den Großkönig und seine Dynastie beten (Esr. 6,10). Tatsächlich erfolgte also die Restauration des Judentums unter Serubabel auf Grund einer günstigen Lage im Perserreich. Während der Regierung des Sohnes des Darius, der in der griechischen Geschichte als Xerxes ( 4 8 6 - 4 6 5 ) und in der biblischen als Ahasveros (Esr. 4, 6) bekannt ist, und „der da König war von Indien bis an Mohrenland über hundertsiebenundzwanzig Länder" (Est. 1,1), verblieb das Haus des Darius noch reich, wie die kolossalen Bauwerke des Xerxes in Persepolis und Ekbatana bestätigen. Freilich setzten die vielbesungenen Siege der Hellenen bei Salamis und Platää der persischen Expansion nach Westen eine Grenze, was zu gewissen Unruhen in Babylonien führte. Aber für die Juden trat unter Xerxes keine bemerkenswerte Veränderung ein. D e r Sohn und Nachfolger, Artaxerxes I. ( 4 6 5 - 4 2 5 ) , der biblische Arthahsastha, mußte in der ersten Hälfte seiner Regierungszeit um die Hegemonie kämpfen, die er nachher glänzend behauptete. E r führte mit Athen von 463 an einen heftigen Kampf um Ägypten, bis im Frieden des Kallias 449 die Griechen auf das reiche Pharaonenland verzichteten; danach hatte Artaxerxes das ganze Reich in seiner Hand. Die ägyptische Frage und ihre Lösung unter Artaxerxes I. bestimmte die Ereignisse in Jerusalem, die mit dem Auftreten Esras 459 und Nebemias 446 zusammenhingen. Chronologische und politische Daten gehen aus der folgenden Erörterung hervor.
b)
E s r a u n d N e h e m i a in J e r u s a l e m
Das chronistische Werk läßt unter Xerxes und Artaxerxes mächtige Gegner der zionistischen Bewegung auftreten (Esr. 4 , 6 . 7 - 2 3 ) und schildert ausführlich, wie trotzdem unter Artaxerxes zunächst Esra den Kult und das Gesetz restaurierte (Esr. 7 , 1 - 1 0 , 4 4 ) und danach Nehemia die Hauptstadt befestigte
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Juda unter persischer Herrschaft
(Neh. 2,1-7,4). Für den Chronisten ist der von der Tempelstadt Babel kommende Esra ein priesterliches Gegenüber zu dem von der Königsstadt Susan kommenden Nehemia, dem politischen Würdenträger, so wie ehemals Jesua und Serubabel ein sakral-ziviles Paar bildeten. Wie sich Esra geschichtlich zu Nehemia verhalten hat, bleibt wegen dieser Stilisierung etwas unklar, und der Chronist hat die Uberlieferungen nicht ganz systematisch geordnet. Jedoch steht fest, daß Esra gelegentlich von Nehemia vorausgesetzt wird (Neh. 8,1-6.9.13; 12,26), aber niemals umgekehrt (Esr. 2,2 bezieht sich auf einen anderen Nehemia). Somit erscheint Esra auch in den nicht-redaktionellen, unabsichtlich hindurchschimmernden Einzelheiten als ein vor Nehemia aufgetretener Reformator, wie es die ausdrücklichen chronologischen Notizen angeben. Esra soll als „Schreiber", das heißt Notar, und Referent für jüdisches Sakralrecht „im siebenten Jahre Arthahsasthas" mit einigen Anhängern nach Jerusalem gekommen sein (Esr. 7,6-9). Da ihn der Chronist eindeutig vor Nehemia datiert und letzterer nur unter Artaxerxes I. (465-425) aufgetreten sein kann (s. S. 17 f.), ist das siebente Jahr Arthahsasthas für den Chronisten das Jahr 459 nach unserer Zeitrechnung. Ob die Auswanderung Esras genau in der angegebenen Form stattfand, bleibt im Blick auf die stilisierte Darstellung unsicher. Daß sie aber in eine ganz andere Zeit gehören sollte, ist eine Hypothese, die von unsicheren Erwägungen ausgeht. a) Manche wollen Esra als späteren Zeitgenossen Nehemias betrachten und in den letzten Jahren des Artaxerxes I. unterbringen. Dadurch soll erklärt werden, daß sich Nehemia nicht so deutlich auf das Restaurationswerk Esras bezieht, wie man gern sähe. Entweder setzt man Esra zwischen den beiden Besuchen Nehemias in Jerusalem (Neh. 13,6) oder nach seinem zweiten Besuch an4. Gegen beide Datierungen ist einzuwenden: - 1. Daß die ausdrückliche, wiederholte Angabe über das siebente Jahre des Artaxerxes (Esr. 7,7 f.) abgetan wird, ist reine Willkür, weil dieser chronologische Ansatz sich nicht aus irgendeiner literarischen Konstrukion herleiten läßt. - 2. Esra erscheint im Text auf konsequente, aber nichtprogrammatische Weise als der etwas ältere Zeitgenosse Nehemias, während sich vom Gegenteil keine Spur findet (s. o.). Die vorgeschlagene Umdatierung rüttelt daher an einer grundlegenden Struktur der Quellen, die keineswegs als nachträglich unterschoben erscheint. Für die
4
W. RUDOLPH, Esra und Nehemia samt 3. Esra (1949), S. 70f., 168; u. a.
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Umdatierung ist übrigens fatal, daß gerade Nehemia von der Existenz des anderen Partners weiß, denn nach allgemeiner Überzeugung der Experten hat der auf Memoiren gegründete Nehemia-Bericht den größeren Geschichtswert. Zwar fällt auf, daß Esra bei Nehemia nur selten erwähnt wird. Aber dafür muß eine geschichtliche Erklärung gesucht werden (s. u. S. 16). Daß man wegen der geringen Zahl der Notizen eine Umdatierung vornimmt, welche diese Notizen für absurd erklärt, ist methodisch nicht befriedigend. - 3. Nehemia wirkte seinen Memoiren zufolge in Jerusalem vom 20. bis zum 32. Regierungsjahr des Artaxerxes I. (d. h. 446-434) und dann noch während eines späteren Zeitraums (Neh. 5,14; 13,6f.); offenbar hatte er auch einen nachhaltigen Erfolg. Dann muß aber eine Tätigkeit Esras während der wenigen noch übrigen Jahre desselben Königs (434-425), sei es vor oder nach dem zweiten Besuch Nehemias, erst recht überflüssig erscheinen. b) Andere haben Esras Tätigkeit erst in das siebente Jahr des Artaxerxes II. (404-358 v. Chr.) datieren wollen 5 . Früher beruhte das auf einer nur instinktiven Spätdatierung des von Esra vertretenen „Gesetzes" (Neh. 8,1)6. Ohnehin erscheint diese gewaltsame Spätdatierung Esras nicht objektiv begründet: - 1. Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß Esra für den Chronisten bewußt wie unbewußt der ältere Zeitgenosse Nehemias war (o. S. 14). Dazu kommt, daß letzterer unter Artaxerxes I. (d. h. 465-425) auftrat (s. u. S. 17). Es leuchtet wenig ein, daß der über viel ältere Verhältnisse orientierte und mit Archivmaterial arbeitende Chronist ohne jeden vernünftigen Grund einen Mann um 61 Jahre zu früh datieren sollte, der gerade bei der angenommenen Beziehung auf Artaxerxes II. zu seiner eigenen jüngsten Vergangenheit gehört haben müßte. - 2. Josephus berichtet, daß unter Artaxerxes II. der persische Pascha in Juda, Bagoas, als Strafmaßnahme den Jerusalemer Tempel sieben Jahre lang besteuerte (Jos. Ant. XI,297-301). Durch drei Papyri von Elephantine (u. S. 24-26) ist die judäische Amtsstellung dieses Bagoas für die Jahre 411 und 409 v. Chr. belegt (Pap.Cowley 30-32), und nichts hindert die Annahme, das Bagoas noch unter Artaxerxes II. in den Jahren nach 404 diese Rolle spielte. Mit dieser Tempelkrise unter Bagoas verträgt sich aber gar nicht die juristisch und pekuniär von der persischen Krone unterstützte Mission Esras zur Restauration des Tempels (Esr. 7,6.11-28). Auch die Bruderfehde 401 zwischen Artaxerxes II. und Kyros dem Jüngeren (Xenoph.Anab.) macht es unwahrscheinlich, daß man Jerusalem gleich nachher diesen Schritt zur Verselbständigung erlaubt hätte. Die beiden erwähnten Versuche, Esra später als im siebenten Jahr des Artaxerxes I. zu datieren, sind also mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Es 5 6
K. GALLING, Die Bücher der Chronik, Esra, Nehemia (1954), S. 1 3 f.; u. a. A. ALT, Zur Geschichte der Grenze zwischen Judäa und Samaria: Pal.-Jahrb. 31 (1935), 94-111, S. 107f., auch in Kleine Schriften, 2 (1953), S. 357f.: Weil der Pentateuch erst geraume Zeit nach Nehemia entstanden sei, müsse Esra spät angesetzt werden. Das ist eine Petitio principii.
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J u d a unter persischer H e r r s c h a f t
soll nicht geleugnet werden, daß im chronistischen Werk Ungenauigkeiten vork o m m e n , aber die U m s t e l l u n g von E s r a und N e h e m i a oder die Spätdatierung des Erstgenannten geben nur größere Rätsel auf.
Die überlieferte Esra-Chronologie paßt zu dem,was aus der Zeit des Artaxerxes I. bekannt ist. Ebenso läßt sich die auffallend vorsichtige Weise, in der Nehemia über Esra redet, im Blick auf die unten geschilderte Lage verstehen. Im angegebenen Jahre der Regierung Arthasasthas zog Esra von Babel nach Jerusalem mit einem Geleitbrief des Perserkönigs (Esr. 7,11-26). Was aus diesem Brief angeführt wird, ist wohl im klerikalen Sinne des Chronisten idealisiert. Jedoch läßt sich im Blick auf die politische Lage 459 v. Chr. ohne weiteres verstehen, daß die persische Regierung den Plan einer Verstärkung Jerusalems damals guthieß. Ägypten hatte seit 463 mit Hilfe von Athen gegen Persien revoltiert. Nach gewaltigen Rüstungen und Manövern in Phönizien zogen die Truppen des Artaxerxes 460 an der Küste entlang und durch Palästina nach Ägypten, das 456 erobert war (Diod. Sic. X I , 71,3—6; 74,l-75,4;77,l-5). Jerusalems moralische Bedeutung für das Grenzland muß im Verlaufe dieses Feldzuges den Behörden deutlich geworden sein. So kann man sich durchaus vorstellen, wie der syrische Satrap Megabyzus als Generalissimus der persischen Landstreitkräfte und der Großkönig selbst im Jahre 459 für den Plan einer kultischen Aufrüstung der Stadt durch Esra zu gewinnen waren. Man gewinnt den Eindruck, daß einige der Begleiter Esras danach eine Befestigung Jerusalems beabsichtigten. Esra selbst hat es vielleicht angedeutet (Esr. 9,9). Vor allem teilt der Chronist in anderem Zusammenhang einen Brief mit, nach dem Anhänger des Königs einen geplanten Wiederaufbau der Mauern als Versuch einer Revolte abstempelten, so daß Artaxerxes jedes derartige Unternehmen sofort und bis auf weiteres verbot (Esr. 4,7-23). Obwohl der Name Esras hier nicht genannt wird, waren die im Dokument angeführten Ubersiedler (4,12) offenbar einige seiner Genossen. Hier kommt nur die erste Hälfte der vierzigjährigen Regierung des Artaxerxes I. in Frage, denn für die zweite Hälfte schließt der offiziell erlaubte Mauerbau Nehemias ein solches Verbot aus (Neh. 1,1), und zur Zeit des Artaxerxes II. hätte die Tempelkrise unter Bagoas die Mission Esras überhaupt unmöglich gemacht (S. 15). Da-
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bei kann man in den ersten zwanzig Jahren des Artaxerxes I. kaum mit einer anderen Gola als der von Esra geleiteten rechnen, wenn auch nicht sicher ist, daß alle gleichzeitig auswanderten. Ohne weiteres zeigt aber die politische Entwicklung dieser Zeit, wie eine solche Spannung zwischen Mitgliedern der Esragruppe und Vertretern der Regierung entstehen konnte. Die eifrigen Berichterstatter warnten in jenem Schreiben den König vor einer Revolution der ganzen syrischen Satrapie (Esr. 4,16). Zu einer solchen Revolution kam es durch Megabyzus 451, fünf Jahre nach der Bezwingung Ägyptens (Ktes.Pers. 36); erst nach heftigen Kämpfen wurden Artaxerxes und Megabyzus wieder versöhnt (ebd. 37-39). Es ist begreiflich, daß Megabyzus als selbständig politisierender Satrap vor dem Beginn oder im Verlauf dieses Aufruhrs eine Befestigung Jerusalem begünstigte, welche dann vom König verhindert wurde. Waren also Mitglieder der Esragruppe beteiligt, dürften sie später politisch belastet erschienen sein. Das erklärt, weshalb Esra seine Mission als rein kultisch und ganz unpolitisch darstellte, indem er seinen Verzicht auf militärische Deckung unterstrich (Esr. 8,22), während Nehemia als treuer Diener des Großkönigs die Esragruppe überhaupt mit Vorsicht erwähnte (vor allem fehlt sie anscheinend im Mauerbaubericht, Neh. 3,1—327). Jedenfalls wurde Esra für Nehemia und vor allem für die Nachwelt der Wiederbeleber des jüdischen Kultes und Gesetzes. Er wurde wie ein neuer Mose dargestellt (Ex. 24,1.9 ist Vorbild für die Szene in Neh. 8,4) und galt im Judentum als der größte Schriftgelehrte (z. B. IV Esr. 14,37-47; Wiederherstellung der kanonischen und apokryphen Schriften durch Esra) 8 . Nehemia spielte aber eine praktisch wichtigere Rolle. Die besonderen Verhältnisse zur Zeit des Artaxerxes I. bedingten seinen Erfolg, wie unten gezeigt wird; unter keinem späteren Artaxerxes wäre dieser möglich gewesen. Für die politische Wiederherstellung und die spätere Entwicklung des Judentums wurde sein Einsatz schließlich entscheidend.
7
RUDOLPH ( A . 4 ) , S . 6 9 .
8
Über die Persönlichkeit Esras vgl. RUDOLPH (A. 4), S. 167-171.
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Als großköniglicher Mundschenk in Susan erwirkte Nehemia im zwanzigsten Regierungsjahr des Arthasastha, das ist also 446 v. Chr. (Neh. 1,1; 2,1), die Vollmacht, Jerusalem wieder aufzubauen und sogar zu befestigen (2,5-8). Dort angelangt, stieß Nehemia auf den Widerstand der Paschas von Samarien und Ammon mit ihren Leuten (2,10.19; 4,1-23), die von Seiten Jerusalems mit Recht eine Konkurrenz befürchteten, ersterer besonders als unmittelbare Oberinstanz Judas. Trotzdem konnte Nehemia im Sept. 445 (nach Jos.Ant. XI, 179 im Nov. 438) die Mauern aufrichten (3,1-32; 6,15) und dann die Tempelburg befestigen (2,8; 7,2). Diese seine erste Tätigkeit dauerte zwölf Jahre, bis 434 (5,14). Ungefähr 430 kehrte Nehemia zum Zweck levitischer Regelungen nach Jerusalem zurück (13,6f.). Nehemia hat dann sogar als persischer Pascha oder Präfekt über Juda auftreten können (5,14-19; 7,2; 8,9; 10,2)9. Er wagte, den samaritischen Pascha Sanballat I. zu desavouieren, ebenso gewisse mit den transjordanischen Magistraten konspirierende Juden (6,1-19), und konnte das Judentum gegen das Heidentum behaupten (13,15—30). Wie wurde diese politische und militärische Emanzipation in den Jahren nach 446 möglich, obwohl der König einige Jahre vorher einen geplanten Mauerbau verboten hatte? Das hing mit der veränderten Weltlage zusammen. Artaxerxes I. hatte die Schwierigkeiten mit Ägypten und Megabyzus überwunden; dieser hatte im Jahre 449 den vorteilhaften KalliasFrieden mit Athen vermittelt. Jerusalem war neben Lachis, das ungefähr gleichzeitig eine persische Burg erhielt 10 , wichtig als Stützpunkt an der Militärstraße nach Ägypten. Es wirkte zur Zeit zuverlässiger als Samaria, das mehr ausgeprägt unter dem aufrüherisch gewesenen Satrapen stand. Artaxerxes konnte deswegen Juda eine besondere Präfektur werden lassen. Ein neuer Aufruhr der Satrapie brach 430 unter Zopyrus aus (Ktes. Pers. 45). Das hat eben die zweite Sendung Nehemias veranlaßt. Palästina blieb eine Präfektur bis gegen 400 v. Chr., wie Josephus und die Elephantine-Papyri bezeugen (o. S. 15), und vermutlich noch länger. 9
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A. ALT, Die Rolle Samarias bei der Entstehung des Judentums: Festschrift O. Procksch (1934), 5-28, S. 21-28, auch in Kleine Schriften (A. 6), 313-337, S. 330-337. W . F . ALBRIGHT, T h e A r c h a e o l o g y o f P a l e s t i n e ( 1 9 4 9 ) , S. 1 4 4 , F i g . 4 7 .
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Das von Nehemia militärisch befestigte und durch Synökismus auch bevölkerungsmäßig verstärkte Jerusalem (Neh. 7,4; 11,1-19) umfaßte wohl nur das Tempelareal, ferner die Landzunge Ophel südlich und ein Stück des Plateaus westlich des Tempels, dagegen nicht den großen Südwesthügel, der erst in hellenistischer Zeit als Teil der Stadt bezeugt ist. Zu dieser PoIis gehörten als Landgebiete nur Benjamin und das nördliche Juda. Die übrigen Teile Palästinas standen unter Fremdherrschaft (Neh. 2,19; Ob. 19). Galiläa und Samarien waren hauptsächlich von Aramäern bevölkert; die Küste wurde von den Phöniziern beherrscht; in die Philisterebene, Südjuda, Edom, Moab und Ammon oder Transjordanien waren die Idumäer und die arabischen Nabatäer eingedrungen. Die wichtigsten Städte dieser Gebiete: Tyrus, Samaria, Gaza, waren reicher und mächtiger als Jerusalem. Nehemia erhob aber die heilige Stadt wieder zu einem politisch und militärisch beachtlichen Zentrum, das sich in der Folgezeit zusehends entwickelte. In dreierlei Hinsicht hat das von Esra vorbereitete und dann vom Perserkönig ermöglichte Werk Nehemias für Jerusalem und das Judentum bis in die neutestamentliche Zeit und bis zur Katastrophe 70 n. Chr. Bedeutung gehabt. 1. Die bisher kleine Patrizier- und Priester-Kolonie in Jerusalem, die von der babylonischen Diaspora abhing, erhielt politisch eine relativ selbständige Stellung. Allmählich führte die um 520 von Serubabel geleitete Zionistenbewegung dazu, daß die Juden wieder eine politische Heimat besaßen, wie heute seit der Gründung des Staates Israel 1948 n. Chr. Gewiß war die Hegemonie der Könige von Susan und Persepolis nicht aufgehoben. Für die Erhaltung der Judenschaft in der antiken Welt wurde es aber wesentlich, daß jeder Jude auf diese Weise nach einem geographischen Zentrum blicken konnte, so wie es Daniel beim Gebet immer tat (Dan. 6,11), obwohl von einer politischen Suprematie der Jerusalemer Priester und Altesten über die Diaspora keine Rede sein konnte. 2. Eigentlich war diese Zentralstellung Jerusalems sakral, weil die Stadt als geschützter Ort des von Serubabel aufgebauten Heiligtums und des bald zur höchsten Autorität aufsteigenden Hohepriestertums hervortrat. Natürlich ist hier das Sakrale vom Politischen insofern nicht zu trennen, als nach der Abschaffung des einheimischen Königtums der Tempel und
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die Priester den Gipfel und Mittelpunkt des Volkes bildeten, durch welchen der Gottessegen allen zuteil werden sollte. Dabei aber ist das spezifisch religiöse Interesse jedoch auffallend stark. Anlaß für die gesamte Restauration war der Tempel. Unter dem Eindruck der Strafen über Israel und Juda wollten die Priester und Leviten die neue Gemeinde nach den Satzungen der levitischen Heiligkeit aufbauen. Zu dieser sakralen Bewegung beigetragen haben unmittelbar die positive Tempelpolitik der persischen Regierung, per analogiam wohl auch der ausgesprochene Reinheitseifer des iranischen Priestertums. So erhielt wie überhaupt im Perserreich das Sakralrecht für das neue Juda eine grundlegende Bedeutung. Zu den Patriziern und Priestern traten daher als Ersatz für die Propheten allmählich die Schreiber oder „Schriftgelehrten", die als levitische Experten für sakrales Recht angesehen und teils in der Verwaltung und Rechtsprechung, teils im Lehrbetrieb unentbehrlich wurden. Vermutlich spielten Schriftgelehrte schon im Exil eine Rolle (sie werden in 2. Chron. 17, 7-19; 19,8-11 zu Josaphat, in 34,14; 35,3 zu Josia vordatiert). Esra, die Idealgestalt eines Schriftgelehrten, und Nehemia beschleunigten offenbar die Entwicklung dieses Berufes (Neh. 8,4.7.13; 13,13), der später zum großen Teil hinter dem chronistischen Geschichtswerk stand. Auch für Uberlieferung, Studium und Entwicklung der älteren Gesetzesquellen waren die nachexilischen Schriftgelehrten von größter Bedeutung. In der Umgebung Jesu sowie überhaupt im späteren Judentum übten sie unter dem Titel Rabbiner eine beträchtliche Macht aus. Grundsätzlich blieben diese Rechtsexperten zur Zeit Esras und Nehemias dem Hohenpriester und den Magnaten untergeordnet (2. Chron. 17,7; 19,11; Neh. 8, 13). Aber manche Priester, Patrizier und Bürger vernachlässigten damals wie auch später die levitischen Ideale und verbanden sich mit heidnischen Elementen (Esr. 9, 14-10, 44; Neh. 13, 1-9; Jos.Ant.XI, 297-303). Hier wurde der Grund zu einer Spannung zwischen den kosmopolitischen Aristokraten und den puritanischen Schriftgelehrten gelegt, die sich im chronistischen Werk widerspiegelt (vgl. Neh. 10, 28-30), in der hellenistischen Epoche zum bitteren Kulturkampf steigern und auf die sich die Diskussion zwischen Sadduzäern und Pharisäern gründen sollte. Jedoch blieb die jüdische Gesellschaft unter dem Hohenpriester eine im we-
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sentlichen sakral bestimmte Einheit. Deren führende Schichten waren seit Esra und Nehemia: 1. die Priester, 2. die Patrizier oder „die Ältesten", 3. die Schriftgelehrten, das heißt die Gruppen, aus denen zur Zeit Jesu und der Apostel der Jerusalemer Hohe Rat bestand (u. S. 150f.). Als das zusammenhaltende Symbol stelle man sich das auf dem befestigten Tempelberg aufbewahrte Palladium des Judentums vor: das heilige Gewand des Hohenpriesters (Sach. 3, 4f.; Esr. 2,63; Neh. 7, 65). 3. Auch merkantil sollte die nehemianische Befestigung Jerusalems für die Zukunft große Bedeutung erhalten. Schon die Kultrestauration brachte aus der Diaspora Geld und Arbeitskraft nach Jerusalem (Esr. 2, 68 f.; 3, 7; 7, 15-23; 8, 31-36), noch mehr die Mauerarbeit, zu welcher der reiche Nehemia, die Patrizier und auch das gemeine Volk durch Spenden beitrugen (Neh. 5, 16-19; 7, 70-72). Angeblich umfaßte Jerusalem mit zugehörigem Landgebiet unter Esra und Nehemia 42 360 Personen mit 7337 Sklaven, 736 Pferden, 234 Mauleseln, 435 Kamelen und 6720 Eseln (Esr. 2, 64-67; Neh. 7, 67-69). Wenn auch der Chronist bei diesen Zahlen eventuell von späteren Verhältnissen ausging, erscheint seine Statistik nicht phantastisch oder übertrieben, sondern kann einen Eindruck der wirtschaftlichen Lage vermitteln. Ferner läßt der Nehemia zugeschriebene Kampf gegen jeden Geschäftsbetrieb am Sabbat spüren, daß sich Jerusalem allmählich zum internationalen Marktplatz entwickelte, wo Kaufleute aus dem in persischer Zeit blühenden Handelszentrum Tyrus und anderen Städten eifrig Geschäfte machten (Neh. 10, 31; 13, 15-22). Jerusalem nahm bereits am orientalisch-ägäischen Handel teil, der wegen des von den Persern in Lydien vorgefundenen und von ihnen verbreiteten Münzwesens einen außerordentlichen Aufschwung erlebte. Nicht zufällig ist die älteste in der Bibel erwähnte Münze der von Darius geprägte Darike (Esr. 8, 27), grundlegend für Goldmünzfuß und Welthandel. Durch das Geldwesen übte in der Achämenidenzeit auch die griechische Handelswelt über Phönizien und Ägypten auf Palästina einen Einfluß aus, wie hier geprägte Münzen mit Nachbildung attischer Symbole bezeugen 11 . Im 4. Jahrhundert scheint Jerusa11
G. F. HILL, Catalogue of the Greek Coins of Palestine (1914), S. Ixxxiiilxxxix; K. G A L L I N G , Denkmäler zur Geschichte Syriens und Palästinas unter
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Juda unter persischer Herrschaft
lern sogar eigene M ü n z e n mit der Inschrift „ J u d a " geprägt zu haben 1 2 . Stimmt das, hat man ein weiteres Zeichen dafür, daß im Perserreich die Entwicklung der lokalen Tempel zu Bankund Münzinstituten gefördert wurde 1 3 . Ein wichtiger Faktor dieser Entwicklung des Münzwesens war der Opferbetrieb, der durch konventionelle Zahlungsmittel für Einkünfte und Ausgaben rationalisiert werden konnte 1 4 . D a s sind die A n f ä n g e der Einrichtung, auf die Jesus mit der Tempelreinigung reagierte (Matth. 21, 12 f. par.), obwohl der Tempel damals nur als Bank und Wechselinstitut, nicht mehr als Münzanstalt diente. Profitierten also Tempel, Adel und Kaufleute seit N e hemia vom persischen und griechischen Kapitalismus, so führte das neue Geldwesen doch zu Schwierigkeiten für die Kleinbauern (Neh. 5, 1-2). Seither bestand ein unerfreulicher Gegensatz zwischen Reich und Arm.
c ) D a s J u d e n t u m im P e r s e r r e i c h D i e erfolgreiche Aktion Nehemias für die Wiederherstellung Jerusalems erhellt mittelbar auch die Stellung der Diasporajuden unter dem Schutz der Perserkönige. Wie unter K o r e s der wenig bekannte Sesbazar und dann unter Darius der bedeutendere Serubabel mit ihren Anhängern imstande waren, am persischen K ö n i g s h o f jüdische Anliegen zu fördern, so ist dieses erst recht Nehmia gelungen, der als königlicher M u n d schenk in Susan und als persischer Pascha in Jerusalem ansehnliche Staatsämter bekleidete. Diese glückliche Anpassung hervorragender J u d e n an das persische H o f - und Verwaltungswesen spiegelt sich in jüdischen Erzählungen der nachexilischen Zeit wider. Bezeichnend der Herrschaft der Perser: Pal.-Jahrb. 34 (1938), S. 74-79; W. F. ALBRIGHT (A. 10), S. 143; NOTH (A. 2), S. 310. 12
Jhd, nicht Jhw (wie man früher las): E. L. SUKENIK, Journ. Pal. Or. Soc. 14
13
GALLING (A. 11), S. 62, über phönizische Städte; ALBRIGHT (A. 10), S. 143, über das syrische Hierapolis. B. LAUM, Heiliges Geld (1924), S. 126-151; ders., Geld: Die Rel. in Gesch. u. Geg., 2. Aufl., 2 (1968), Sp. 970f.; G. LANCZKOWSKI, Münze: ebd., 3. Aufl., 4 (1960), Sp. 1184f.
( 1 9 3 4 ) , S . 7 8 f f . ; 15 ( 1 9 3 5 ) , S . 3 4 1 f f . ; GALLING ( A . 1 1 ) , S . 7 5 f .
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Die frühen Großkönige
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ist der an die Josephsgeschichte erinnernde Bericht vom Aufstieg des großköniglichen Pagen Daniel, dessen Tätigkeit zwar einleitend mit der babylonischen Gefangenschaft, aber endgültig mit dem persischen Satrapenreich verknüpft wurde (Dan. 6, 1-28). Laut einer persisch-griechischen Version des chronistischen Werkes machte Serubabel eine ähnliche Karriere als Hofpage des Darius (3. Esr. 3, 1-4, 63). Nach der Tobiterzählung brachte es der weise Jude Achikar in Nineve bis zum Reichskanzler (Tob. 1, 21 f.). Ein weiteres Beispiel liefern die schöne Esther und der kluge Mardochai, welche im Frauenhaus und Ratgeberkreis des Xerxes zu höchsten Würden gelangten (Esth. 2, 17; 8, 2). In anmutig poetischer Form stellen diese Erzählungen jüdische Ideale dar, die in der Achämenidenzeit soziale Wirklichkeit werden konnten. Trotz der Rückwanderung vieler Juden nach Palästina blieb die Diaspora bedeutsam. Sie hat sich immer mehr ausgedehnt, wie spätere Nachrichten bezeugen, teils durch neue Auswanderung, teils durch Bevölkerungszunahme. Die ehemaligen Kriegsgefangenen und die freien Emigranten konnten als Verwalter und Geschäftsführer, als Pächter und Bauern, als Handwerker und Unternehmer ihre Tüchtigkeit beweisen und an der achämenidischen Hochkonjunktur teilnehmen. Trefflich werden die Verhältnisse von der Korrespondenz des unter Artaxerxes I. und seinen Nachfolgern blühenden Bankhauses „Muraschu Söhne" in Nippur beleuchtet 15 . Diese babylonischen Finanzmagnaten haben zahlreichen Pächtern und Unternehmern das nötige Kapital zur Verfügung gestellt; man bekommt den Eindruck einer wirklichen Hochkonjunktur. Zu den Kunden gehörten besonders viele Juden, die sich hinaufarbeiten wollten 16 . Ostlich erstreckte sich das Judentum damals vermutlich bis nach Medien (Tob. 1, 14; 3, 7; 9, 2; 14, 4, eine zwar spätere,
15
16
3
G. CARDASCIA, Les archives de MuraSu (1951), S. 8: Muraschu Söhne war eine Leihbank, die sich im Anschluß an die feudalen Verhältnisse des Perserreichs mit ihrem enormen Kapital auch zur mächtigen Treuhandgesellschaft entwickelte. B. MEISSNER, Die Achämenidenkönige und das Judentum: Sitzber. Preuß.Ak. Wiss. 1938, Phil.-hist. Kl. (1938), 6-32, S. 9, 11; andere Darstellungen angeführt von Cardascia (A. 15), S. III. Reicke: Neutestamentl. Zeitgesch. 3
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Juda unter persischer Herrschaft
jedoch auf früheren Erzählungen fußende Quelle), gegen Ende der Achämenidenzeit infolge einer Deportation angeblich bis nach Hyrkanien (Eus. Chron. 360, ed. Helm 121, 6-10, unter Berufung auf einen älteren Historiker). In nordwestlicher Richtung scheinen jüdische Sklaven kurz vor der Achämenidenzeit nach Lydien in Kleinasien gebracht worden zu sein (Obadja 20), so daß die später bedeutende kleinasiatische Judenschaft schon damals ihren Anfang nahm. Südwestlich, nach Ägypten, kamen Auswanderer aus Israel und Juda im 6. Jahrhundert bis zum ersten Nilkatarakt, wo die Perser auf der Insel Elephantine eine israelitisch-jüdische Garnison unterhielten. Nachrichten über diese Kolonie sind in den aramäischen Elephantine-Papyri erhalten. Gewiß handelt es sich überall zunächst um Einzelsiedlungen, aber diese waren Ausgangspunkte für die außerordentliche Verbreitung des Judentums in der hellenistischen und der römischen Zeit, ein auch für die Ausstrahlung des Evangeliums sehr wichtiger Umstand. Die erwähnte Ausdehnung des Judentums in drei Himmelsrichtungen erfolgte im Bereich der persischen Großmacht. Jerusalem blieb das geistige Zentrum dieses international gewordenen Judentums. So appellierten beispielsweise die Elephantine-Kolonisten 410 v. Chr. in einer Notlage zunächst an die heilige Stadt (Pap. Cowley 30, 18 f.). Allerdings wußten die führenden Juden genau, daß man den Fortschritt außer der göttlichen Gnade nur dem königlichen Wohlwollen zu verdanken hatte (Esr. 9, 9), wie es unter Artaxerxes I. besonders deutlich Nehemia erlebte.
3. Die späten Großkönige, 424-331 v. Chr. Anschließend sind die Verhältnisse unter den späten Achämeniden (424-331 v. Chr.) kurz zu schildern. Eine chronologische Liste wird vorausgeschickt, worin auch persische Provinzstatthalter, jüdische Hohepriester und einige nach der Macht strebende Brüder derselben angeführt werden. Das soll die Erörterung des samaritanischen Schismas und anderer Probleme dieser Epoche erleichtern.
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Die späten Großkönige
Großkönige:
Statthalter
Hohepriester
Brüder der Hohenpriester:
(Artaxerxes I.
Johanan
1. Neh. 13, 28: Ein ano-
bis 425)
(Neh. 12, 11.
nymer Bruder Johanans
22)
war der Schwiegersohn
Darius II.
in Samarien D e -
des Sanballat; er wurde
424-404
leja, Sanballats I.
430 oder etwas später von
Sohn; in Juda Ba-
Nehemia vertrieben 17 .
goas 17 2. Jos. Ant. X I , 2 9 7 - 3 0 1 : Artaxerxes II.
in Juda Bagoas
Johanans Bruder Jesua war
404-358
(wie oben) 1 7
der Kandidat des Bagoas
(Anabasis des
für die Hohepriester-
Kyros 401)
würde; er wurde (vermutlich 407) von Johanan umgebracht, wonach Bagoas den Tempel sieben Jahre lang (also bis zur Niederlage des Kyros 401) besteuerte. 17 Sanballat II.
Jaddua
ca. 380
(Neh. ebd.)
3. Jos. Ant. X I , 302 f. 306-312.321-325:Jadduas Bruder Manasse war der Schwiegersohn des Sanballat; er wurde als
Artaxerxes
Hananja
solcher von den Ältesten
III.
in Jerusalem vertrieben.
358-338
Sanballat wollte ihn zum Hohenpriester befördern, plante deswegen einen GaSanballat III.
Darius III. 336-330
rizim-Tempel unter Darius und baute diesen noch schnell beim Anmarsch der Mazedonier unter Alexander 332 v. Chr. 1 8
17
18
3*
In der zweiten Kolumne und in der vierten unter 1. ist Sanballat der von Neh. 2, 10 usw. her bekannte Pascha in Samarien (o. S. 15). D e r Sohn und Nachfolger Deleja mit seinem Bruder sowie Bagoas und Johanan begegnen in drei Elephantine-Papyri aus dem Jahre 407 v. Chr. (Pap. Cowley 3 0 - 3 2 ) . Sie versahen also unter Darius II. ihre Ämter. Bagoas amtierte noch unter Artaxerxes II., wenn die in der vierten Kolumne unter 2. angeführte J o s e phus-Notiz richtig ist, in der es „der andere Artaxerxes" heißt. In dem zuletzt unter 3. angeführten Josephus-Bericht erscheint ein 100 Jahre später datierter Sanballat als „ S a t r a p " von Samarien. - Die neu-
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Juda unter persischer Herrschaft
a) D i e a l l g e m e i n e L a g e Trotz mancher Schwierigkeiten wegen der großen Entfernungen und der vielen Prätendenten konnten die späten Achämeniden die Hegemonie bis zuletzt aufrechterhalten. Zwar schien die Monarchie nach jeder Thronbesteigung bedroht, so etwa 401 bei der durch Xenophon berühmt gewordenen Anabasis des jüngeren Kyros gegen seinen Bruder Artaxerxes II. Jedoch konnte die Machtstellung jedesmal wieder gefestigt werden. Der vorletzte Großkönig Artaxerxes III. war sogar ein ungewöhnlich tatkräftiger Politiker, der sich im Westen erfolgreich behauptete. Erst die überraschend große Schlagkraft der Mazedonier unter Alexander brachte seinen Nachfolger Darius III. und das ganze Perserreich zu Fall. Von der Geschichte des Judentums während dieses Zeitraums ist wenig bekannt. Daß mosaische Gesetze und davidische Psalmen zum Teil in die spätachämenidische Epoche datiert werden, geschieht aufgrund unsicherer Schulmeinungen, und auch wer letzteren Glauben schenkt, kann nicht ohne Manipulationen solche Texte für die Geschichte der Zeit verwenden. Selbst wo der Inhalt wegen Anachronismen wie beim Werk des Chronisten auf eine spätachämenidische Redaktion hinweist, spiegelt die Schilderung höchstens allgemeine Zustände, aber keine feststellbaren Ereignisse aus der Zeit des Redaktors wider. Über periphere Einzelheiten geben die Papyri von Elephantine Auskunft; die von Dalijeh kommen nunmehr hinzu (A. 18). Später entstandene Erzählungen wie Judith haben vielleicht ein paar Wurzeln in der spätachämenidischen Zeit, aber keine noch greifbaren. Josephus hat außer dem Alten Testament für diese Epoche nur einige legendarische Überlieferungen zur Verfügung gehabt. Für das weitverbreitete Judentum des späten Achämenidenreiches ist trotzdem anzunehmen, daß sich die unter den früheren Großkönigen
entdeckten Papyri aus Wadi Dalije (14 km nnw. von Alt-Jericho) lassen zwischen den zwei Sanballat noch einen hervortreten, der um 380 Pascha von Samaria war; F. M. Cross jr., The Discovery of the Samaria Papyri: The Bibl. Archaeol. 26 (1963), 110-121, S. 120f. Es zeigt sich: das Amt übernahm jeweils ein Sohn, den Namen ein Enkelsohn. Josephus konnte Sanballat I., II., III. nicht so gut auseinanderhalten.
Die späten Großkönige
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begonnene Entwicklung fortsetzte. Allgemein haben die Juden wohl immer noch von den politischen Verhältnissen und dem kulturellen Großraum profitiert.
b) D a s s a m a r i t a n i s c h e S c h i s m a Für das reorganisierte Jerusalem ist andererseits in der späten Achämenidenzeit ein Rückgang des Einflußes zu verzeichnen, der zur Zeit Jesu und der Apostel noch ein brennendes Problem war. Sichern, das bis etwa 900 v. Chr. ein kultisches und politisches Zentrum Nordisraels war und später durch Samaria verdrängt wurde, trat wieder als Tempelhüter auf: Man baute auf dem Berge Garizim unmittelbar südwestlich der Stadt einen Tempel, der als Kultzentrum der Bevölkerung Nordpalästinas gegen den Jerusalemer Tempel ausgespielt wurde. Obwohl die Umstände für das Aufkommen des samaritanischen Schismas nicht ganz einsichtig sind, beruhte dieses wohl hauptsächlich auf einer Reaktion der Behörden in Samarien und einiger Aristokraten in Juda auf das zentralistische, sozusagen zionistische Reformwerk Nehemias. Wie die rechte Kolumne unserer Zeittafel (o. S. 25) zeigt, widersprechen sich die vom Schisma handelnden Angaben bei Nehemia und Josephus recht kräftig in der Chronologie, stimmen aber in den Andeutungen der Lage unbewußt überein. In allen drei Texten tritt ein Bruder des jerusalemischen Hohenpriesters als Verräter auf, der mit den Vertretern der Satrapie verbunden war. Unter 1. und 2. ist es jeweils ein Bruder des Hohenpriesters Johanan, teils ein anonymer und teils einer namens Jesua; jener soll von Nehemia vertrieben, dieser von Johanan umgebracht worden sein. Keineswegs erscheint die Existenz dieser beiden zu Kollaborateuren gestempelten Brüder des Hohenpriesters undenkbar. Gegenüber der Uberlieferung 3. wird man eher Zweifel empfinden. Wie in den Nehemia-Memoiren heißt der Schwiegervater des seinem hohenpriesterlichen Bruder feindlich Gesonnenen wieder Sanballat, aber während Sanballat I. unter Darius II. diente, so habe dieser unter Darius III. amtiert, d. h. Sanballat III. Bereits die Namensgleichheit legt die Vermutung eines Anachronismus nahe. Es ist auch zu bezweifeln, daß ein
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J u d a unter persischer Herrschaft
Bruder des spätestens etwa 380 anzusetzenden Jaddua (vgl. die Zeittafel S. 25) gegen 332 noch am Leben war. Vor allem wurde der Garizimtempel bestimmt nicht so im Handumdrehen beim Anmarsch der Mazedonier neu gebaut. Eher wurde er nachher wegen der mazedonischen Kolonie in Samaria ausgebaut. Die von Josephus hier angeführte Uberlieferung wird offenbar von der Tendenz getragen, die verhaßte Samaritanergemeinde als unreife Frucht eines hellenistischen Opportunismus darzustellen. Es läßt sich annehmen, daß in Wirklichkeit schon die exklusive Levitenpolitik des Nehemia und der ihm folgenden Hohenpriester in nehemianischer und spätachämenidischer Zeit einigen Mitgliedern der hohepriesterlichen Familie nicht paßte und der ganzen Jeunesse dorée die Bewegungsfreiheit einschränkte. Vertreter der Satrapie in Juda und Samarien nutzten die Reaktion, um den neuen Priesterstaat zurückzudrängen. Artaxerxes II. verlor Ägypten 404, erlebte die Anabasis des Kyros 401 und konnte die Herrschaft über Ägypten nicht wiedergewinnen. Zur besseren Kontrolle Palästinas hatte Bagoas als Kommissar Judas seit 407 den Jerusalemer Tempelkult für sieben Jahre besteuert (Jos. Ant. X I , 297-301). Dann haben wohl Sanballat II. um 380 oder andere Machthaber in Samarien den Neubau oder Wiederaufbau eines Tempels auf dem Garizim veranlaßt. Man vermied dabei geschickt das in jüdischen Augen immer von Götzendienst geprägte Samaria und wählte in Sichern und auf dem Garizim einen Ort aus, mit dem mosaische, königliche und andere Uberlieferungen verbunden waren (Gen. 12, 6; Deut. 11, 29; 1. Kön. 12, 25; Jer. 41, 5). Durch jene revoltierenden Mitglieder des zadokidischen Hauses in Jerusalem kam der neue Tempel zu einer genügend vornehm erscheinenden Priesterdynastie. Wie die spätere Frömmigkeitsgeschichte zeigt, wurde dem Gottesdienst bei Sichern auch der jüdische Pentateuch zugrundegelegt (in Deut. 27, 4 wurde Ebal durch Garizim ersetzt). Vorsichtigerweise verwarf man die Propheten und die Hagiographen. Dafür nahm der neue Kultort der gemischten Bevölkerung Nordpalästinas unvermeidlich synkretistische Züge an. Gegen diesen Versuch zur Rekonstruktion der Anfänge des samaritanischen Schismas läßt sich nicht einwenden, daß die Übernahme des Pentateuchs auf eine spätere Zeit hinweise.
Die späten Großkönige
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Denn über die redaktionelle Vollendung dieser Schriftensammlung weiß man in der Tat nicht so genau Bescheid, daß von da aus eine bestimmte Chronologie möglich wäre. Sehr für den vorgeschlagenen Zeitansatz sprechen dagegen die politischen Umstände. Die samaritischen Vertreter der Satrapie und ihre Anhänger intrigierten nach den Büchern Esra und Nehemia wiederholt gegen den Aufstieg Jerusalems, und zwar gerade um die Vorrangstellung Nordpalästinas zu erhalten. Gründung oder Restauration von Tempeln gehörte zur typischen Politik des persischen Reichs, wie bei der Wiederherstellung des Tempels in Jerusalem und auch von Tempeln in Syrien festzustellen ist. Zudem ist viel wahrscheinlicher, daß Sanballat II. oder einer seiner Nachfolger als Schachzug gegen den Fortschritt Jerusalems den Tempelbau bei Sichern mit Hilfe revoltierender Zadokiden betrieben haben, als daß erst Alexanders plötzlicher Einbruch das große Unternehmen auslöste 19 . Ethnisch hatte der neue Aufstieg Sichems wie der alte in den Tagen des ersten Jerobeam (1. Kön. 12, 25) eine Verschärfung des Gegensatzes zwischen Norden und Süden zur Folge. Im letzten Teil des zweiten Jahrhunderts v. Chr. führte diese Spannung zu verheerenden Feldzügen der Juden gegen die Samaritaner (u. S. 74), und die neutestamentliche Zeit erlebte noch viele Zusammenstöße beider Volksgruppen. Religiös bewirkte der Tempelbau auf dem Garizim wie auch damals Jerobeams Opfereinrichtungen in Beth-El und Dan (12, 28-33), daß sich eine besondere israelitisch-synkretistische Kultgemeinde entwickelte. Das war die Gemeinde der Samaritaner, die mit ihren eigenständigen Uberlieferungen durch Jahrhunderte weiterlebte, die in neutestamentlicher Zeit, gnostisch beeinflußt, zu Judäa und Jerusalem in einem gespannten Verhältnis stand (Luk. 9, 53; Joh. 4, 9. 20; Apg. 8, 18-23) und sich in kümmerlichen, aber ehrwürdigen Resten noch heute um den Garizim versammelt.
" Literatur zum samaritischen Schisma: R. MARCUS, Josephus with an English Translation, 6 (1937), S. 4 9 8 - 5 1 1 ; G. E. Wright, The Samaritans at Shechem: The Harv. Theol. Rev. 55 (1962), S. 357-366; H. H. ROWLEY, Men of God. Studies in Old Testament History and Prophecy (1963), S. 2 4 6 - 2 7 6 .
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Juda unter persischer Herrschaft
c) D i e l e t z t e n
Perserkriege
In den Jahren 351-342 v. Chr. zog Artaxerxes III mehrmals ins Feld gegen Aufrührer in Syrien, Phönizien und Ägypten. Die blutigen K ä m p f e endeten mit dem vollständigen Sieg des Königs, der besonders Sidon und Ägypten schwer bestrafen ließ. Juden scheinen an der Empörung irgendwie beteiligt gewesen zu sein, denn außer den in Massen deportierten Ägyptern sollen auch Juden verschleppt worden sein, und zwar nach Hyrkanien südöstlich des Kaspischen Meeres (o. S. 24) 2 0 . Nichts aber deutet in den Quellen darauf hin, daß Juda betroffen war. D a ß das heilige Land verschont blieb, kann sich vielmehr im Buch Judith widerspiegeln, wie von mehreren angenommen wird. Es läßt sich auf eine interessante Namensgleichheit hinweisen: Holophernes und Orophernes, von denen ersterer der Angreifer im Judithbuch (Jdt. 2, 4 usw.), letzterer der General des Artaxerxes bei den phönizischägyptischen Feldzügen war. Obwohl dieses Buch später entstand und nicht über Tatsachen berichten, sondern zum Mut auffordern wollte, könnte seine Legende auf eine tatsächliche Sonderstellung J u d a s bei den Strafexpeditionen des Artaxerxes zurückgehen. Die achämenidische Hegemonie hörte aber nach dieser Manifestation überraschend schnell auf. Intrigen der Satrapen führten Darius III auf den Thron. Er war nicht klug und stark genug, um der eruptiven K r a f t des mazedonischen Staates unter Alexander standzuhalten. Schon nach sechs Regierungsjahren wurde, wie es das Buch Daniel malerisch darstellt, der Widder mit den Hörnern Mediens und Persiens vom angriffslustigen Ziegenbock aus dem Westen vernichtet (Dan. 8, 7). Die bekannten Schlachten bei Granikos 334, Issos 333 und Arbela 331 (im Nordwesten und Südosten Kleinasiens und an der Königsstraße nordöstlich Nineves) bezeichnen den Untergang des achämenidischen Reichs und den Beginn einer neuen Epoche der Antike.
20
Weiteres bei SCHÜRER, 3, S. 6; I. GUTMANN, Artaxerxes III.: Encycl. jud. 3 (1929), S. 407.
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d)
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N a c h w i r k u n g des P e r s e r t u m s a u f das J u d e n t u m
Für die Juden wie für andere Völker des Nahen Ostens bedeuteten der Fall der Achämeniden und der Sieg des Alexander 331 keinen Bruch mit der Vergangenheit. Obwohl die Herrschaften dann häufig wechselten und die Großreiche einander heftig bekämpften, behielten die Juden des Heimatlandes und der Diaspora im allgemeinen ihre politische Stellung und ihre sozialen Beziehungen bei. Auf dem im Perserreich gelegten Grunde lief auch ihr kulturelles und geistiges Leben weiter; nur allmählich wurde der östliche Kulturtyp von dem westlichen, durch Alexander eingeführten überlagert. Eben darauf zielte das Programm Alexanders ab, nämlich auf eine politische und kulturelle Verschmelzung von Ost und West, von bodenständigen orientalischen und internationalen griechischen Elementen, wie unten zur Entwicklung des „Hellenismus" angeführt werden soll. Alexander und seine ersten Nachfolger dachten nicht daran, die Eigenart des Judentums gewaltsam einzuschränken. Gleich nach der Eroberung durch Alexander konnten jüdische Priester und Leviten, Älteste und Schriftgelehrte das Werk Esras und Nehemias ohne weiteres fortsetzen. Neben den vom Chronisten geschilderten Kult- und Gesetzesüberlieferungen, die in bezug auf den Tempel restauriert wurden, umfaßte die jüdische Religion der Zeit 539-332 v. Chr. vermutlich auch Elemente, die mit der persischen Herrschaft zusammenhingen, so vor allem in der östlichen Diaspora. Nur selten läßt sich eine direkte Übernahme persischer Traditionen feststellen, wie beim Wettkampf der Hofpagen im apokryphen Esrabuch (3. Esr. 3, 1-4, 42). Vorwiegend dürfte es sich nicht um Influenz, sondern um Konvergenz handeln, um Weiterentwicklung vorhandener Motive wegen Analogien in der mächtigen Umgebung. Ferner ist darauf zu achten, daß keine altiranische Religion und kein eigentlicher Zoroastrismus den Juden begegnet waren, sondern ein chaldäisch-iranischer Synkretismus in hauptsächlich aramäischer Übertragung, über den uns entweder sehr fragmentarische oder viel spätere Quellen recht unsichere Auskunft geben. Trotzdem ist deutlich, daß sich die jüdische Frömmigkeit noch lange nach der Achämenidenzeit mit der chaldäischen und persischen Kultur-
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J u d a unter persischer Herrschaft
weit verbunden fühlte, wie es die Bücher Tobit, Esther und Daniel bezeugen. Der grundlegende Anlaß zu diesen Kontakten dürfte die Perserherrschaft gewesen sein. Einige religiöse Motive des Judentums der späteren nachexilischen Zeit, die im Anschluß an ältere Vorstellungen durch Konvergenz mit dem persischen Synkretismus weiterentwickelt worden sein können, sind folgende: 1. die Auffassung des Himmels im Stil eines Hofstaats; 2. die Neigung zum Dualismus, teils physisch-ethisch, teils dramatisch-geschichtlich ausgestaltet; 3. die Lehre von einander ablösenden Weltreichen; 4. die Gestalt eines göttlichen Mittlers, der als Urmensch, Prophet und Erlöser auftreten konnte; 5. systematische Engel- und Teufelsbegriffe; 6. die Erwartung einer Auferstehung und Vergeltung. Erst in späteren Texten zeichnet sich die Bedeutung dieser Motive ab, doch ist a priori zu vermuten, daß schon die Achämenidenherrschaft die Entwicklung derselben förderte. Dazu griffen im späteren Kulturkampf gegen das Griechentum konservative Juden auf das Persertum zurück und ließen sich ebenso vom Partherreich inspirieren, so daß Elemente des chaldäisch-iranischen Synkretismus noch in den letzten vorchristlichen und ersten christlichen Jahrhunderten die jüdische Vorstellungswelt bereicherten. Es ist unmöglich zu entscheiden, in welchem Ausmaß sich dem Iranismus vergleichbare Motive des Judentums in persischer oder in parthischer Zeit entfalteten. Allgemein aber darf wegen der politischen und kulturellen Bedeutung des Perserreichs für das Judentum ein beträchtlicher Kultureinfluß schon der älteren Zeit zugeschrieben werden. Auf alle Fälle haben die Juden aus der Achämenidenzeit in die Alexanderzeit ein geistiges Erbe hinübergerettet, das für sie in folgenden Jahrhunderten eine bedeutende Rolle spielte 21 .
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B. REICKE, Iranische Religion, Judentum und Urchristentum: Die Rel. in Gesch. u. Geg. 3 (1959), Sp. 881-884.
II. JUDÄA U N T E R HELLENISTISCHEN HERRSCHAFTEN 332-142 v. Chr. 1. Der hellenistische Machtbereich Dann wird ein gewaltiger König aufstehen . . . Und plötzlich wie bei seinem Aufstieg wird sein Reich zerbrochen und nach den vier Himmelsrichtungen zerteilt werden (Dan. 11, 3f.). a) D e r A l e x a n d e r z u g Alexander (König 336-323) war als Mazedonier eigentlich kein Grieche, jedoch griechisch erzogen, zuletzt von Aristoteles, und als er im Alter von zwanzig Jahren 336 den Thron bestieg, übernahm er vom Vater die Macht über Griechenland. Sein 334 v. Chr. eingeleiteter Feldzug gegen Persien war eine Fortsetzung der früheren griechischen Expeditionen zur Sicherung der Kolonien im Osten, nur besser vorbereitet und tatkräftiger durchgeführt. In ungeahnter Weise gelang es dem genialen und rastlosen Strategen, den Perserkönig immer wieder in die Flucht zu schlagen und eine Satrapie nach der anderen zu erobern. Zugleich wurde der Alexanderzug durch Kleinasien, Phönizien, Palästina, Ägypten, Mesopotamien, Iran und Vorderindien ein Siegeszug der griechischen Kultur. Die Eroberung Palästinas geschah 332 ohne Widerstand der Juden. Alexander belagerte zunächst Tyrus und zog dann der Küste entlang gegen Gaza. Inzwischen ergaben sich Samaria und Jerusalem freiwillig. Josephus läßt Alexander dem in feierlichem Schmuck ausgezogenen Hohenpriester Jerusalems versichern, dieser sei ihm schon in Mazedonien durch einen Traum erschienen und habe ihm den Auftrag des Gottes Israels übermittelt, die Macht über das Perserreich zu ergreifen (Jos. Ant. XI, 334f.). Diese anekdotische Schilderung ist typisch für das Verhalten Alexanders dem Kult der unterworfenen Völker gegenüber. Berühmt ist auch seine Wallfahrt zum Orakel des Ammon in Libyen, wo er sich als Sohn des ägyptischen Reichsgottes begrüßen ließ.
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Judäa unter hellenistischen Herrschaften
Überall trat Alexander mit solcher überraschenden Selbstverständlichkeit als göttlich eingesetzter Weltherrscher auf. Jedoch versuchte er nicht, die führenden Schichten und vorherrschenden Kulturen des eroberten Orients durch griechisch-mazedonische Elemente zu ersetzen. Vielmehr durften die Orientteppiche sozusagen überall liegen bleiben, er nahm sie nur unter die Füße. Tempel und Kulte wurden belassen und Alexander selbst als der von der betreffenden Gottheit bestimmte Herrscher dargestellt. Unter weitgehender Schonung der bestehenden Einrichtungen setzte Alexander nur Verwalter und Besatzungen ein und gründete zur Stärkung des Handels strategisch günstig gelegene Städte. Nach dem Induszug trat er in der alten Königsstadt Susa als Nachfolger der Achämeniden auf und heiratete eine Tochter des besiegten Darius. Außerdem vermählte er seine Offiziere mit Töchtern des persischen Adels und nahm in seine Kavallerie persische Reiter auf. Deutlich erstrebte also Alexander eine Verbindung von Okzident und Orient, doch lag für ihn persönlich der Schwerpunkt im Osten. Mazedonier und Griechen opponierten gegen diese optimistische Orientpolitik auch nach den Einschränkungen, zu denen sich Alexander kurz vor seinem plötzlichen Tode genötigt sah. Trotzdem war das Ergebnis des Alexanderzuges für Jahrhunderte eine intensive Verschmelzung von hellenistischen und orientalischen Kulturelementen, eine Erscheinung, die für den Mittelmeerraum und Vorderasien bis zur Römerzeit und darüber hinaus bis zur spätantiken Teilung des Römerreichs charakteristisch blieb.
b) D e r H e l l e n i s m u s Weil die von der Alexanderzeit über das Römerreich bis zur Spätantike beherrschende Kultur des Mittelmeerraums und Vorderasiens von griechischen, hellenischen Elementen geprägt war, spricht die moderne Forschung von Hellenismus1.
1
„Hellenismus" (eig. „griechisches Wesen") wurde zunächst als Bezeichnung für die Kulturgeschichte von Alexander bis Augustus verwendet und verbreitet durch J. G. DROYSEN, Geschichte Alexanders d. Gr. (1833-34);
Der hellinistische Machtbereich
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Allerdings genügt im Blick auf die Geschichte des Judentums und Christentums dieser Begriff nicht allein, um den Rahmen der Entwicklung während der ersten christlichen Jahrhunderte zu charakterisieren. Denn in gewissen Zusammenhängen spielten damals orientalische Elemente die Hauptrolle, vor allem in mächtigen religiösen Bewegungen, auch in einigen politischen Erscheinungen. Wo das der Fall ist, mag eher vom „Orientalismus" die Rede sein2. Für den Hellenismus, der sich aufgrund der Errungenschaften Alexanders während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte entwickelte und für das Judentum positive und negative Bedeutung gewann, waren folgende Verhältnisse kennzeichnend:
1. Bisher hatte das Perserreich den weitesten Kulturraum des Altertums dargestellt (o. S. 7 f.). Dieser wurde durch Alexander um Mazedonien und Griechenland samt beider Kolonien erweitert. So konnten die „Inselländer" (Gen. 10, 5), die schon lange durch Expeditionen, Faktoreien und Kolonien mit dem Morgenland in Verbindung standen und zur Zeit die geistig, merkantil und technisch bedeutendsten Gegenden der Welt waren, in weitaus größerem Umfang als früher Macht und Kapital, Geist und Kultur exportieren. Eine politische Suprematie fiel Mazedonien, Griechenland und Jonien nicht zu, aber der mazedonische Adel hat mancherorts dominiert, und die griechisch-jonische Bürgerkultur wurde maßgebend vom Tyrrhenischen Meer bis zum Indischen Ozean. Auch das Hellenentum selbst wurde durch jene gewaltige Erweiterung des Lebensraums bereichert. Materiell kam das vor allem den ägäischen Handelsinseln - wie Delos, Rhodus - und den jonischen Industriestädten - wie Ephesus - zugute. Geistig sind Fortschritte der Natur- und Menschenkunde festzustellen, andererseits wurde das altgriechische Wesen unvermeidlich von der kosmopolitischen Gesinnung aufgelockert 3 .
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Geschichte des Hellenismus, 1-2 (1836-43). Später ist es üblich geworden, den Ausdruck auch für die Kaiserzeit zu gebrauchen. So auch F. C. GRANT, Hellenismus: Die Rel. in Gesch. u. Geg. 3 (1959), Sp. 210. H. BENGTSON, Griechische Geschichte von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit ( 2 1960), S. 285-506.
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2. Stützpunkte des enormen griechischen Einflusses auf den Orient wurden die zahlreichen Städte, die Alexander und seine Nachfolger förderten und gründeten. Es handelt sich um den Typ der griechischen Polis: die Stadt hatte oft eine Agora und rechtwinklige Straßen, Regierungsgebäude und Staatskapelle, Gymnasium und Theater, alles mit griechischen Kunstwerken geschmückt; dazu kam ein von der Stadt abhängiges Landgebiet. Solche administrative und merkantile Zentren des Hellenismus finden sich auf der Landkarte in dichten Reihen von Jonien über Südkleinasien und Syrien durch Mesopotamien und Westiran bis zum Persischen Golf, ebenso von Phönizien durch Transjordanien und Philistäa bis nach Ägypten und Nordafrika 4 . Meist liegen sie an der Route des Alexanderzuges, und obwohl viele schon vorher bestanden oder erst später gegründet wurden, hat Alexander diesem großen System von Poleis den Aufschwung gegeben. Die größte und reichste aller hellenistischen Städte war seine persönliche Gründung und trägt noch heute seinen Namen, Alexandria im Westteil des Nildeltas. Bevölkert wurden die hellenistischen Städte in der ersten Zeit durch eine Oberschicht von Mazedoniern und Griechen sowie mehrere Unterschichten von Einheimischen, Beisassen und Sklaven. In den Reihen der Beisassen fanden sich oft Juden. Die politischen und sozialen Verhältnisse bewirkten, daß griechisches Bürgerrecht und griechische Bildung den nichtgriechischen Elementen oft außerordentlich wertvoll erschienen. Um als vollwertiges Mitglied der modernen Gesellschaft zu gelten, mußte eigentlich jedermann Bürgerrecht (gr. politeia) in einer der hellenistischen Städte besitzen. Das bedeutete nicht Besitz einer Nationalität, sondern in Analogie zum griechisch-jonischen Begriff der Polis volle Teilnahme an den Rechten und Pflichten der Bürgerschaft einer Stadt. D a nun diese Rechte grundsätzlich den Griechen zustanden, aber die Griechen im Osten nicht selten durch „Barbaren" verstärkt werden mußten, wurde Griechentum im sozialen Sinne ein überall gesuchtes Privileg. Sogar dort, wo man ohne Aufgabe der nationalen Eigenart bürgerliche Gleichberechtigung oder 4
BENGTSON, Karte nach S. 448.
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Mitbürgerrecht (gr. isopoliteia) beanspruchte, wie später die Juden in Alexandrien, ging man vom Begriff des griechischen Bürgers aus. Übrigens war auch das römische Mitbürgerrecht ein städtisches Privileg, nur als ganz besonders wertvoll empfunden, wie bei Paulus ersichtlich wird (Apg. 22, 28). Die hellenistischen Städte waren gewiß von der jeweiligen Königsmacht abhängig, doch übten die Bürger durch Stadtrat und Senat eine weitgehende Selbstverwaltung aus. Außerdem waren die Bürger zum Schutz ihrer Interessen in verschiedenen Körperschaften organisiert. Das hochentwickelte griechische Vereinswesen erlangte auch im Osten Bedeutung und half in Kleinasien, Syrien und Ägypten das griechische Bewußtsein zu bewahren. Die griechische Gesinnung wurde besonders in Städten mit einem Gymnasium gepflegt, wo aktive Kommilitonen, Epheben genannt, und Altstudenten eine akademische Verbindung bildeten. Hier war man sicher, als griechischer Bürger voll anerkannt zu werden (vgl. die Exklusivität gewisser Colleges in England oder Fraternities in Amerika). Aber auch viele andere Genossenschaften staffelten das städtische Leben: berufliche Zünfte, religiöse Orden, soziale Kassen, politische Clubs. Uberall standen die Korporationen unter dem Schutz einer Gottheit, nach Möglichkeit auch unter dem eines reichen Gönners. Nach der römischen Eroberung Griechenlands, Kleinasiens, Syriens und Ägyptens wurde das hellenistische Vereinswesen ein Sammelpunkt der Opposition und des Nationalismus und war in der Kaiserzeit deshalb grundsätzlich verboten. Die junge Kirche mußte sich allmählich mit diesem religiösen, politischen und sozialen Vereinswesen auseinandersetzen, weil ihre Gemeinden zunächst in Städten entstanden (u. S. 306f.). 3. Zu dem weit verbreiteten Griechentum gehörte als Kommunikationsmittel vor allem die griechische Sprache. Es handelt sich um die Koine, ein vereinfachtes Attisch mit jonischen Einschlägen, das im 4. Jahrhundert v. Chr. die alten Mundarten zu ersetzen begann. Der neue Kosmopolitismus verlangte eine gemeinsame, bequeme Sprachform. Als die Sprache der Offiziere, der Notare, der Redner und der Bürger drängte das Koine-Griechisch in Vorderasien das Aramäische vorläufig zurück und wurde überall die Gemeinsprache in Politik und Administration, in Handel und Unterricht. Jedoch blieben in
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nicht-griechischen Gebieten die einheimischen Volkssprachen bestehen. Dort waren viele Menschen zweisprachig, so in Rom die Gebildeten, in Syrien, Palästina und Ägypten auch einfache Leute, wie Handschriften und Inschriften bestätigen. Noch im ersten und zweiten christlichen Jahrhundert behielt die Koine ihre Machtstellung vom Tiber bis zum Tigris oder sogar noch weiter. Es ist daher kein Zufall, daß die Schriften des Neuen Testaments im Koine-Griechisch geschrieben wurden und erst gegen 200 n. Chr. in andere Volkssprachen, wie Latein, Syrisch, Koptisch, übersetzt werden mußten. Aber auch für Rhetorik und Kunstprosa wurde die Koine verwendet. Dabei haben kleinasiatische Rhetoriklehrer eine barockähnliche Stilform entwickelt, den Asianismus; diesem gegenüber stand seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, von alexandrinischen Akademikern unterstützt, die neuklassizistische Schule des Attizismus. Seit 150-200 n. Chr. erfolgte ein geographischer Rückgang des Griechischen, als man in Italien nicht mehr so eifrig Griechischstudien trieb, während in Ägypten und Vorderasien der Nationalismus zur literarischen Wiederbelebung von Koptisch, Hebräisch, Syrisch und anderen Volkssprachen beitrug. Mit griechischer Schule und Sprache unauflöslich verbunden waren auch im Hellenismus griechische Mythologie und Literatur. Alexander las eifrig Homer und hatte zur Aufzeichnung seiner Erlebnisse überall griechische Schriftsteller bei sich. Im ganzen Hellenismus zeichneten sich die führenden Schichten durch derartige Interessen aus. Lebenshaltung, Götterglaube, Philosophie, Moral, alles wurde in der griechischen Diaspora hauptsächlich von den stolzen mythologischen und literarischen Uberlieferungen getragen. Unten wird die hellenistische Philosophie etwas näher betrachtet (c). 4. Uber die hellenistischen Städte und Landgebiete herrschte ein schließlich als göttlich dargestelltes Königtum. Alexander wandte auf sich das königliche Ubermensch-Ideal des Orients an, und seine Nachfolger, die Diadochen und Epigonen, paßten sich auch in diesem Punkt allmählich dem Vorbild an. Die typischen Münzbilder Alexanders und seiner Nachfolger heben göttliche Züge hervor: das Haar erinnert an Sonnenstrahlen, die Augen blicken in die Ferne, aus dem Munde kommt ein göttlicher Hauch, und auf der Rückseite
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findet sich ein Gott wie Zeus oder Apollon. Jedoch haben die Diadochen zunächst nicht selbst die Initiative zum Herrscherkult ergriffen. Vielmehr begann es damit, daß Athen in serviler Weise den westlichen Diadochen Antigonus und seinen Sohn Demetrius Poliorcetes als Erlöser und Götter verehrte. Bald folgten andere Städte eifrig nach 5 . Die königliche Suprematie umfaßte im Alexanderreich zunächst das Militär- und Fiskalwesen, zwei Gebiete, die Alexander administrativ voneinander trennte. Was der Einzelbürger von der Reichsmacht sah, das waren also hauptsächlich Soldaten und Steuerbehörden. Im übrigen konnte er sich ziemlich selbständig den kommunalen und privaten Geschäften widmen. Anders wurde es später in den Teilreichen, wo die Staatsmacht bisweilen hart ins Kommunalleben eingriff, wie unter Antiochus Epiphanes in Syrien-Palästina. Von den Römern wurde aber eine weitgehende Selbstverwaltung der abhängigen Länder und Städte wieder zum Grundsatz erhoben.
c) D i e P h i l o s o p h i e des H e l l e n i s m u s Die griechische Philosophie ging von alten mythologischen Spekulationen über die Entstehung der Götter und des Kosmos aus, wie sie etwa in Hesiods poetischer „Theogonie" ca. 700 v. Chr. zum Ausdruck gekommen waren. In der jonischen Hafenstadt Milet entwickelten Thaies ca. 600 v. Chr. und andere sog. Naturphilosophen neue physikalische Theorien über eine Ursubstanz. Der in griechischen Kolonien Italiens tätige Pythagoras wollte ca. 500 alle kosmischen Ereignisse durch mathematische Verhältnisse erklären. In der attischen Hauptstadt Athen traten gegfen 400 die sog. Sophisten auf, die praktische Lebensweisheit lehrten. Sie fanden einen Gegner in Sokrates, der vermittels logisch-analytischer Gespräche die Bürger Athens zu kritischer Selbsterkenntnis bringen wollte. Er war von begeisterten Schülern umgeben, wurde aber 399 als Verführer der Jugend angeklagt und zum Trinken des Giftbechers verurteilt. Athen wurde durch
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M . P . NILSSON, G e s c h i c h t e d e r g r i e c h i s c h e n R e l i g i o n 2 ( 2 1 9 6 1 ) , S. Reicke: Neutestamentl. Zeitgesch. 3
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Sokrates der Ausgangspunkt für die philosophischen Schulen, die im Kulturraum des Hellenismus von Bedeutung waren. Der bedeutendste Nachfolger des Sokrates war Piaton, ein reicher Bürger von Athen (427-347 v. Chr.). Er gründete ca. 375 beim Tempel und Gymnasium des Heros Akademos 1,5 km nordwestlich der Stadtmauer eine Philosophenschule, die wegen jenes Heiligtums die Akademie genannt wurde und Traditionen des Sokrates pflegte. Bis zu ihrer Schließung durch Kaiser Justinian 529 n. Chr. blieb diese Schule das Zentrum der Akademiker - oder Platoniker, wie sich die Anhänger in nachchristlicher Zeit lieber nannten. Auskunft über die platonische Philosophie mit ihren zum Teil wechselnden Lehrmeinungen vermitteln ca. 30 Bücher, die für echte Werke Piatons gehalten werden können. Meistens enthalten sie Dialoge zwischen Sokrates und anderen Athenern. Chronologisch können sie auf vier Gruppen verteilt werden: Nach einigen Jugendschriften in der ersten Gruppe finden sich in der zweiten Gruppe u. a. zwei berühmte Schilderungen des Prozesses gegen Sokrates, nämlich die „Apologie" und „Kriton". Zur dritten Gruppe gehören drei besonders instruktive Dialoge: „Symposion" über den sublimen Eros; „Phaid o n " über die unsterbliche Seele; „Phaidros" über die ewigen Ideen. Um dieselbe Zeit schrieb Plato seine umfangreiche Abhandlung „ D e r Staat", wo er die Gerechtigkeit verherrlichte. Die vierte Gruppe umfaßt vor allem das später in der Kirche bewunderte Lehrbuch „Timaios", das visionäre Bilder vom Schöpfer und Urbild des Kosmos, von den vier Weltelementen und den drei Seelenteilen entfaltet. Ein spätes Werk ist auch „Die Gesetze", wo Plato die Rechtsbestimmungen und Sozialeinrichtungen in der empirischen Gesellschaft seiner Zeit beschrieben hat.' Mit den „Ideen" meinte Piaton allgemeine Begriffe, die eine höhere Wirklichkeit als die einzelnen Gegenstände vertreten. So erhalten die einzelnen guten Dinge ihre Güte vom absolut Guten her, und dieses ist wirklicher als jene. Die sinnliche Erfahrung ist deshalb schillernd und trügerisch. Kenntnis der Wahrheit verlangt logische Konzentration auf das Wesentliche, das Seiende. In der Seele finden sich Erinnerungen an dieses Höhere, und im sublimierten Eros äußert sich die Sehnsucht nach den Ideen.
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Der bedeutendste Schüler Piatons war Aristoteles, der Sohn eines Arztes in Mazedonien (384-322 v. Chr.). Er erforschte mit unerhörtem Fleiß die Natur und die Kultur als Vorstadien der metaphysischen Wirklichkeit. Aristoteles wirkte einige Jahre als Erzieher Alexanders, aber nachdem Mazedonien die Herrschaft über Athen gewonnen hatte, gründete er 335 in Konkurrenz mit der Akademie eine Philosophenschule beim Tempel und Gymnasium des Apollon Lykaios östlich der Mauer Athens und südlich des Lykabettos. Wegen jenes Heiligtums hieß der Ort Lykaion (daher unser Ausdruck Lyzeum), und wegen eines dort vom Nachfolger des Aristoteles gebauten Kreuzgangs, griech. peripatos, wurden die Aristoteliker später Peripatetiker genannt. Das umfangreiche literarische Werk des Aristoteles besteht wesentlich aus Vorlesungsnotizen. Er erweiterte und systematisierte alle damals berührten und nachher bedeutenden Gebiete der Wissenschaft: Logik, Physik, Metaphysik, Ethik, Politik, Zoologie usw. In seiner „Theologie", später „Metaphysik" genannt, entfaltete Aristoteles eine teleologische Entwicklungslehre, in der er mit vier universellen Faktoren rechnete: Stoff, Form, Bewegung und Ziel. Wie bei der Arbeit eines Töpfers erhält Stoff jeweils durch Form einen höheren Sinn. Diese nach oben gerichtete, gezielte Entwicklung umfaßt alle Wesen sowie auch die Seele und erreicht das Ziel als reine Form bei Gott, dem unbewegten ersten Beweger (daher unser Ausdruck primus motor). Die enorme Nachwirkung des Aristoteles bis in die Neuzeit betrifft vor allem die empirische Forschung, aber seine Begriffe Stoff und Form haben in der Antike und im Mittelalter auch Theologie und Philosophie beeinflußt. In nacharistotelischer Zeit dominierten in Athen wie allmählich im ganzen hellenistischen Raum drei Schulen, welche im Anschluß an Sokrates nicht wie Aristoteles die Theorie, sondern die Praxis ins Zentrum rückten. Es waren die Schulen der Kyniker, der Epikuräer und der Stoiker. Gegenstand ihres Interesses bildete das Seelenheil des Individuums, das allerdings jede Schule auf ihre Weise verstand. Weil die Kyniker und Stoiker die Menschen auf der Straße und in den Häusern aufsuchten, um durch Gespräche und Vorträge (Diatriben genannt) praktizierende Anhänger zu gewinnen, werden sie Popularphilosophen genannt. 4»
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Die gegen Luxus und Kultur kämpfende Schule der Kyniker entstand unter dem Einfluß eines Immigranten aus dem Pontos, Diogenes von Sinope (ca. 395-325 v. Chr.). Er wurde in Athen ca. 365 vom Sokratesschüler Antisthenes zur Bekämpfung bürgerlicher Anstandsregeln und zur Ausübung absoluter Selbstgenügsamkeit (autärkeia) inspiriert und sammelte um sich einen Kreis von asketischen Schülern. Diogenes hat nichts Schriftliches hinterlassen. Nach späteren Anekdoten lebte er in einer Tonne wie ein H u n d (griech. kyön, daher Kyniker) und trieb strenge Askese. Er verwarf jede politische Bindung und wollte Weltbürger (daher unser Ausdruck Kosmopolit) sein. Frauen und Kinder sollten allen Männern in der Kommune gehören. Eine mit Wort und Tat den Bürgern vordemonstrierte Schamlosigkeit (anaideia) sei verdienstvoll. Die wie moderne Verächter der etablierten Gesellschaft mit langen Haaren, wilden Bärten und schmutzigen Hemden vagabundierenden Kyniker wirkten im ersten christlichen Jahrhundert als Agitatoren gegen das kaiserliche Regiment und ließen sich dabei gerne von republikanischen Senatoren unterhalten (S. 269-278). Ein bedeutender kynischer Schriftsteller war D i o Chrysostomus (ca. 40-120 n. Chr.), der gegen Kaiser Domitian griechische Traditionen verteidigte. Keine popularphilosophische Bewegung, sondern eine geistesaristokratische Gemeinschaft bildeten die Epikuräer. Der aus Athen stammende, in Samos aufgewachsene Epikur (341-270 v. Chr.) gründete seine Schule in Athen 306 v. Chr. Während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, als gewaltsame Kriege der Nachfolger Alexanders und der Condottiere des Römerreichs die hellenistischen Staaten erschütterten, suchten die Epikuräer Trost in einer atheistischen Atomlehre und einem quietistischen Sensualismus. In ihren wie Kultvereinen organisierten Freundeskreisen wollten sie nicht primitive Begierden stillen, sondern erstrebten ästhetische Genüsse, geistige Befriedigung und überlegene Seelenruhe (ataraxia). Als skeptische Kritiker jeder Religion traten 52 n. Chr. in Athen einige Epikuräer neben Stoikern gegen Paulus auf (Apg. 17, 18)- . Die für den Hellenismus wichtigste philosophische Gemeinschaft, die Bewegung der Stoiker, begann in Athen ca. 300 v. Chr. Wie die vorher erwähnten nach-aristotelischen Schulen
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wurde sie von einem asiatischen Immigranten gegründet, nämlich von Zenon (ca. 334-263), der aus der phönizischen Stadt Kition auf Zypern nach Athen eingewandert war. Weil er hier in der sog. Bunten Stoa lehrte, einer mit berühmten Gemälden geschmückten Säulenhalle auf der Agora, wurden seine Anhänger Stoiker genannt. Zenon übernahm die asketische Ethik der Kyniker, ergänzte sie aber durch eine spekulative Physik, in der er ältere Doktrinen miteinander verband. Wie vorher Aristoteles, verstand Zenon Gott als die aktive Form gegenüber dem passiven Stoff. Kräftiger als Aristoteles betonte er aber die Souveränität dieses Weltprinzips. Gott wirkt nach ihm als eine allumfassende Vorsehung (pronoia) und Vernunft (lögos). Als vernunftbegabte Wesen besitzen die Menschen verschiedentlich Anteil an der ihnen eingepflanzten Vernunft (logos spermatikos). Zenon lehrte gleichzeitig in Analogie zum jonischen Naturphilosophen Heraklit (ca. 550-480 v. Chr.), daß Gott als ein kosmisches Feuer lebt und wirkt. Wie im Ofen des Töpfers verändert das göttliche Feuer den Kosmos und alle Wesen, indem das Feuer selbst zu Aether, Wasser und Erde wird, wobei Feuer und Aether als Formen, Wasser und Erde als Stoffe dienen. Mit bestimmten Abständen geht dieser zentrifugale Prozeß wieder rückwärts, indem das Feuer in einem Weltbrand alles in sich zurücknimmt. So war das Weltbild der Stoa fatalistisch. Es bildete aber nur den Rahmen für die stoische Ethik, die ein Leben nach dem Gesetz der Natur vorschrieb. Die wahre Tugend ist einfach die Vernunft als das Prinzip der Ordnung. Nur sie bringt die erstrebte Glückseligkeit, welche in Freiheit von jeder primitiven Gemütserregung (apätheia) besteht. Wegen dieser Betonung von Vernunft und Ordnung gewannen die Stoiker viele Anhänger in den unruhigen Jahrhunderten der hellenistischen Königreiche und der römischen Republik. Seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert waren die stoischen Verfasser Kleanthes und Chrysippos weltberühmt. Das betrifft auch den stoischen Poeten Aratus aus Soli in Cilicien, dessen Hexametergedicht über die Himmelsphänomene zur volkstümlichen Literatur gehörte. Paulus zitierte in seiner Rede vor dem Areopag diesen gerade aus seiner eigenen Heimat stammenden Dichter mit der Bemerkung, Arat sei für die
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Hörer einer der Ihrigen (Apg. 17,28). Denn neben einigen Epikuräern hatten gerade Stoiker ihn vor den Areopag gestellt (17,18). Athen ließ 155 v. Chr. drei Philosophen nach Rom reisen, um in einer gespannten Lage die Römer freundlich zu stimmen. Es waren der kritische Akademiker Karneades, der eklektische Peripatetiker Kritolaos und der energische Stoiker Diogenes aus Babylonien. Durch ihre Vorlesungen wurden vornehme römische Jünglinge für die griechische Philosophie gewonnen. Unter dem Einfluß der Stoiker entfalteten später bedeutende Politiker aus den Familien der Gracchen, Scipionen u. a. eine fortschrittliche Gesinnung. Zu ihrem Kreis gehörte der Historiker Polybius (ca. 200-120 v. Chr.). Während der letzten Hälfte des zweiten und der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts florierte die sog. Mittlere Stoa. Zwei berühmte Professoren dieser Schule, Panaitius von Rhodus (ca. 180-120 v. Chr.) und Poseidonius von Apamea in Syrien (ca. 135-51 v. Chr.), waren beide in Rhodus tätig. Sie bereicherten die stoische Lehre durch Rückgriffe auf platonische und aristotelische Traditionen, durch Erweiterung des religiösen Horizonts und durch Forschungen über Kosmologie, Geographie, Geschichte, Psychologie und Pflichtenlehre. Der bekannteste Schüler des Poseidonius war Cicero (106-43 v. Chr.), der in Rhodus 78-77 v. Chr. den Meister hörte. Cicero hat eine Reihe von philosophischen Büchern verfaßt, die hauptsächlich stoisches Gedankengut enthalten und das leider verlorengegangene Schrifttum des Panaitius und Poseidonius widerspiegeln (vor allem De república mit dem faszinierenden Appendix „Scipios Traum", ferner De natura deorum und De officiis). Auch auf das hellenistische Judentum hat die stoische Philosophie eine beachtliche Wirkung ausgeübt. Zu nennen ist zunächst das 4. Makkabäerbuch, dessen Verfasser die Form einer stoischen Diatribe wählte, um die Juden in einer Verfolgung zu heroischer Standhaftigkeit und philosophischer Selbstbeherrschung zu mahnen: „Als echt philosophisches Thema will ich demonstrieren, inwiefern die religiöse Vernunft die autonome Beherrscherin der Emotionen ist" (4. M a k k . 1,1). Die nachfolgenden Hauptthesen sind auch für die Stoa charakteristisch: „Vernunft ist eine Denkart, die mit
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richtigem Urteil das Leben in Weisheit erwählt. Und zwar ist Weisheit eben Einsicht über göttliche und menschliche Fakten sowie deren Ursachen" (4. Makk. 1,15). Mit der zweiten These zitierte der jüdische Verfasser wörtlich den berühmten Stoiker Chrysippus (o. S. 43) oder einen Nachfolger von ihm (Chrys. Fragm. ed. v. Arnim 15,2; ähnlich Cic. De fin. 2,12 u. ö.). Der bedeutendste Philosoph des Judentums war Philo von Alexandrien (ca. 10 v.-50 n. Chr.). Er war hauptsächlich von der mittleren Stoa abhängig, obwohl er als frommer Jude vom Alten Testament ausging und in Analogie zu Poseidonius auch platonische und aristotelische Metaphysik aufnahm. Wie manche Stoiker im Römerreich und vor allem Cicero verband er seine philosophische Produktion mit politischer Tätigkeit. Letztere konnte er sich als Mitglied einer angesehenen und vermögenden Judenfamilie in Alexandrien leisten. Als römische Ritter versahen sein Bruder und sein ebenso philosophierender Neffe, die beide Alexander hießen, hohe Staatsämter in Ägypten und Palästina (S. 207.263). Philo selber vertrat 40 n. Chr. vor dem Kaiser, Gaius Caligula, in Rom das zahlreiche Judentum Alexandriens anläßlich einer vom alexandrinischen Präfekten Avillius Flaccus ermöglichten Judenverfolgung, und Philo hat in zwei Büchern darüber berichtet: In Flaccum und Legatio ad Gaium (u.S. 199). Mit einer auch im hellenistischen Judentum einzigartigen Anpassungsfähigkeit und Selbstverständlichkeit konnte Philo geistige Werte verschiedenen Ursprungs in sein auf einmal organisches und nüanziertes Gottes- und Menschenbild aufnehmen. Dem ganzen Gedankenkomplex zugrunde lag eine allegorisierende Hermeneutik, die man in der Stoa auf Homer und andere Dichter verwendet hatte und die Philo auf Mose übertrug. Vermittels der Allegorese konnte Philo den griechischen Pentateuch, den er ohne Berücksichtigung des hebräischen Textes für die Quelle der uralten Wahrheit und auch der griechischen Weisheit hielt, als Fundament für seine philosophisch formulierte Theologie und Psychologie ausnützten. Das aus philosophischen Elementen bestehende Lehrgebäude dieses Denkers umfaßt im Erdgeschoß stoische Begriffe der Vernunft (logos), der Vorsehung und der Tugenden. Im ersten Obergeschoß öffnen sich platonische Perspektiven, nämlich in
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der Metaphysik die Degradierung der Sinneswelt (als biblische Vorbilder dienen etwa die Emigratio Abrahams und der Exodus Israels), in der Psychologie die Zusammenstellung höherer Bewußtseinsinhalte mit ewigen Gottheitsprinzipien. Aber im Dachgeschoß unter freiem Himmel befindet sich eine Gebetsstätte, für die Philo das ganze Lehrgebäude einrichtete und auf die hin er die ganze Architektur ausrichtete. Ihm ging es um eine durch ontologische Meditation erlebte Überwindung der Zeitlicheit des Kosmos und Versenkung in die Ewigkeit Gottes. Versteht der Leser nicht die empirische Funktion dieses Dachgeschosses, fällt das Lehrgebäude Philos zusammen. Weil die Ostkirche die Schriften Philos schätze, wurde seine Produktion recht gut erhalten, hauptsächlich durch griechische Handschriften, teilweise durch armenische Übersetzungen. 1. Die erste und größte Gruppe der Schriften Philos umfaßt Kommentare und Studien zum Pentateuch: - a) Legum allegoriae, d. h. umfassende allegorische Kommentare zur Genesis, wovon Analysen der Erzählungen in Gen. 2-17 und der Träume Jakobs, Josephs usw. in Gen. 28, 31, 37, 40 erhalten sind. Wenn auch einiges verlorengegangen ist, wurde das große Projekt vermutlich nicht viel weiter ausgeführt. b) Quaestiones et solutiones in Genesin et in Exodum, wesentlich in armenischer Übersetzung zugänglich, ein kürzerer Kommentar in Frageform mit Berücksichtigung des buchstäblichen und des symbolischen Textsinns. - c) Systematisch-theologische Betrachtungen über Pentateuchtexte, nämlich über die Schöpfung nach Gen. 1, über Abraham und andere Patriarchen als „ungeschriebene Gesetze", über den Dekalog und andere Hauptgesetze. 2. Zur zweiten Gruppe gehören apologetische Darstellungen des Judentums in Vergangenheit und Gegenwart: - a) De vita Mosis. - b) Hypothetika, d. h. eine Widerlegung von Anklagen gegen das Judentum, mit einer Schilderung der Essener im ersten Teil. - c) De vita contemplativa, eine Schilderung der Therapeutiker, einer mit den Essenern vergleichbaren Gemeinschaft mit Zentrum in der Nähe von Alexandrien. - d) In Flaccum und Legatio ad Gaium, die oben erwähnten Berichte über die Judenverfolgung in Alexandrien und die Verhandlungen in Rom vor Caligula 40 n. Chr.
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3. Die dritte Gruppe enthält philosophische Studien, die früher auf die Jugend Philos bezogen wurden, aber eher als publizistische Alterswerke verstanden werden können. - a) De aeternitate mundi, eine Auseinandersetzung mit der aristotelischen Lehre vom ewigen Kosmos und dem stoischen Glauben an einen zyklischen Weltbrand. - b) Quod omnis probus liber sit, eine Verteidigung der stoischen These von der Freiheit des Weisen, am Beispiel der Essener illustriert. - c) De Providentia und Alexander oder De animalibus, zwei armenisch erhaltene, miteinander verbundene Dialoge. Im ersten wird für den stoischen Vorsehungsglauben argumentiert, im zweiten für die stoische Vernunftlehre. Gegen die zoologische Entwicklungslehre seines akademisch und peripatetisch orientierten Neffen Alexander (o. S. 45) spielte Philo die stoische Überzeugung aus, daß nur die Menschen an der intelligiblen Vernunft teilhaben, während die Tiere durch unbewußte Instinkte geleitet werden, die ihnen die Vorsehung mitteilt. Auf das Judentum der nachchristlichen Zeit wirkte Philo wenig ein, weil dieses nach dem römisch-jüdischen Krieg 66-70 n. Chr. vor allem den pharisäischen Traditionen verpflichtet blieb. Um so bedeutender wurde sein Einfluß auf das Christentum, indem führende Theologen wie Clemens, Orígenes und Augustin sein philosophisches Verständnis der biblischen Offenbarung aufnahmen und weiterführten. Philo wurde mit den Christen gleichgestellt, und die Kirche hat seine Schriften der Nachwelt vermittelt. Gleichzeitig mit Philo in Alexandrien und Paulus in Griechenland wirkte der berühmte stoische Philosoph Seneca in Rom (4 v.-65 n. Chr.). Er war als Hofphilosoph bei Nero angestellt und schrieb lateinische Moraltraktate, Episteln und Tragödien, die bis in die Neuzeit bewundert wurden. Paulus traf seinen Bruder Gallio in Korinth (Apg. 18,12), aber nicht Seneca selber. Die früher gerne zitierte Korrespondenz zwischen dem Philosophen des Westens und dem Apostel des Ostens ist eine Fälschung. Seneca nahm sich freiwillig das Leben, als Nero ihn einer Verschwörung anklagte. Die in nachapostolischer Zeit regierenden Kaiser Vespasian und Domitian (69-79 bzw. 81-96 n. Chr.) bekämpften stoische und andere Philosophen, welche griechische Interessen vertraten und von republikanischen Senatoren unterstützt wurden.
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Verfolgt wurden dabei u. a. der stoische Senator Helvidius, der Kyniker Dio Chrysostomus, der Platoniker und Stoiker Plutarch, der Stoiker Epiktet und der Neupythagoräer Apollonius von Tyana. Uber die Umstände wird unten in Kapitel VII berichtet (S. 269-278). Für das Neue Testament spielte keine der genannten Schulen der Philosophie eine positive Rolle. Paulus wehrte sich in Athen gegen Epikuräer und Stoiker, in Korinth gegen Propagandisten für Erkenntnis und Weisheit (Apg. 17,18; 1. Kor. 1,18-2,9). Christus stand für ihn höher als die in Kolossä mit jüdischen Observanzen verbundene Philosophie (Kol. 2,8). Nur formell wirkte der popularphilosophische Sprachgebrauch auf die neutestamentliche Briefliteratur ein (S. 309f.). Seit dem zweiten Jahrhundert bemühten sich aber christliche Theologen auch um sachliche Anpassung an die griechische Philosophie, und in diesem Zusammenhang wurden besonders die Tugendlehre der Stoa und die Allegorese des Philo für die Kirche bedeutsam.
d) D i a d o c h e n u n d E p i g o n e n In großen Zügen verlief die politische Geschichte der von Alexander eingeleiteten Periode folgendermaßen: Alexander schuf aus Mazedonien, Griechenland, dem Perserreich und einem Teil Indiens ein so großes Reich, daß nicht einmal er selbst es fest zusammenhalten konnte. Nach seinem Tode 323 v. Chr. kämpften mazedonische und griechische Generäle als vermeintliche „Diadochen" Alexanders um die Macht. Es waren der Präsident des Reichsministeriums Perdikkas in Babylonien und mehrere Verwalter der mazedonisch-griechischen Kernländer und der persischen Satrapien. Schließlich wurde 301 das Alexanderreich so geteilt, daß 1. in Mazedonien die Antigoniden, 2. in Ägypten-Libyen die Lagiden oder Ptolemäer, 3. in Syrien-Persien die Seleukiden herrschten. Die drei Hauptländer der „Epigonen" Alexanders wurden später von der systematisch expansiven Stadtrepublik Rom erobert: Mazedonien 146, Syrien 64 und Ägypten 30 v. Chr. Palästina
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stand von 332 an unter der Herrschaft Alexanders und der Mazedonier, kam 320 zu Ägypten, 200 zu Syrien und 63 zu Rom. 2. Die ägyptische Herrschaft, 320-200 v. Chr. Dann wird der König des Südens stark werden (Dan. 11,5). Für die Bevölkerung des Heiligen Landes bedeutete die Eroberung durch Alexander 332 zunächst keinen Umsturz. Man wechselte einfach den Herrscher wie vorher bei jeder neuen Thronbesteigung im Perserreich. Zudem blieb Juda, nach griechischer Nomenklatur ,Judäa", ein Teil der Satrapie Transeuphrat, die einem Offizier Alexanders namens Laomedon unterstellt wurde. Erst einige Jahre nach dem Tod Alexanders 323 wurde Judäa durch Ptolemäus, den Herrscher der Satrapie Ägypten, in das weltpolitische Geschehen hineingezogen. Eine chronologische Ubersicht des 3. vorchristlichen Jahrhunderts mag die Dynastien Ägyptens und Syriens und deren Kriege kurz beleuchten, ehe die Einzelheiten berührt werden. Dabei seien auch die jüdischen Hohenpriester genannt, soweit Josephus sie in seinen allerdings nicht sicheren Angaben erwähnt, und die Vertreter des mächtigen Finanzhauses der Tobiaden, die seit etwa 260 die jüdische Politik stark beeinflußten (S. 50).
a) P t o l e m ä u s I.—III. und der Machtaufstieg Ägyptens Ptolemäus I. (maz.-gr. Ptolemaîos, „Krieger") war einer der tüchtigsten Generäle Alexanders, nahm aber zunächst keine aggressive Haltung ein. In kluger Berechnung ließ er sich 323 die Satrapie Ägypten zuteilen, mied den gewaltsamen Perdikkas in Babylonien und richtete sich darauf ein, Ägypten zu stärken und von dort aus seine Stellung auszubauen. Schon 321 war er stark genug, um den anmarschierenden Perdikkas vor der Grenze Ägyptens zu schlagen. Weil er vorläufig keinen
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Judäa unter hellenistischen Herrschaften
a) A n t i o c h u s I I I . , S e l e u k u s I V . u n d A n t i o c h u s I V . Antiochus III. stand um 200 v. Chr. auf der H ö h e seiner Macht. Er hatte gegen Armenier und Parther erfolgreich gekämpft, war sogar wie Alexander nach Vorderindien marschiert und wurde in der Literatur „ d e r G r o ß e " genannt. Nun wollte der Ungeduldige auch nach dem Westen vorstoßen, wobei er sich zum Verteidiger des Hellenismus und Beschützer der Griechen berufen fühlte. Der entscheidende Sieg bei Paneion 200 und die nachfolgende Zurückdrängung der Ägypter aus Palästina gaben Antiochus die Möglichkeit, wieder Eroberungen in Kleinasien zu machen, um dann auch nach Thrazien und Mazedonien hinüberzugreifen. Infolgedessen wurden die Juden, welche dem Feldherrn des Antiochus die Hauptstadt ausgeliefert hatten (Polyb.Hist. X V I , 39,4), politisch anerkannt und kultisch in der T a t unterstützt (2. Makk. 3,2; Jos.Ant. X I I , 138-146). Ebenso machte Antiochus den jungen Ptolemäus V. zu seinem Schwiegersohn und ließ die Einkünfte aus Palästina weiterhin in die Ptolemäerkasse fließen, wofür der Tobiade Joseph zu sorgen hatte (S. 54). Antiochus beging aber den verhängnisvollen Fehler, durch seine Herrschaftsansprüche in Kleinasien und Hellas sowie durch seine Zusammenarbeit mit Hannibal die Römer zum kräftigsten Gegenangriff herauszufordern. Er wurde aus Hellas verdrängt, dann bei Magnesia in Lydien 190 von Scipio Asiaticus besiegt und nachher zu einer sehr hohen, in zwölf Jahren abzuzahlenden Kriegsentschädigung verurteilt. Damit fand sich das reiche Seleukidenhaus plötzlich ruiniert. Antiochus versuchte durch Konfiskationen der Tempel — der Großbanken jener Zeit - den Finanzen aufzuhelfen, wurde aber bei einem solchen Unternehmen in Elymais 187 ermordet. Die enorme Kriegsschuld mußte der Sohn und Nachfolger Seleukus IV. (187—175) übernehmen. Es war kein Wunder, daß er auch nach dem reichen Tempelschatz in Jerusalem trachtete. Die lange Hochkonjunktur unter dem Tobiaden Joseph hatte J u d ä a ohnehin zum interessanten Steuerobjekt gemacht (o. S. 55). Jetzt aber verwaltete die Tempelbank das Geld des Tobiaden Hyrkanus (2. M a k k . 3,11), des ehemaligen Aschenbrödels der Familie, der auf dem transjordanischen Stammschloß saß (S. 54), die nabatäische Umgebung beherrschte und die
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ägyptischen Interessen vertrat (Jos.Ant. XII, 186-235). Neben einer Volksdemonstration in Jerusalem veranlaßte dieser Umstand den syrischen Kanzler Heliodorus, auf die geplante Konfiskation zu verzichten, was die Juden dann als ein Wunder feierten (2. Makk, 3,1-40). Später ermordete Heliodorus Seleukus IV. in der Absicht, die Macht allein zu übernehmen. Um die Dynastie zu retten, machte sich der Bruder des Ermordeten, Antiochus IV. Epiphanes (175-164 v.Chr.), rasch zum König über Syrien. Er hatte nach der Schlacht bei Magnesia als Geisel in Rom gelebt und war für die Römer und besonders für den in diplomatischen Kreisen gepflegten, an die stürmische Renaissance erinnernden Hellenismus begeistert. Der minderjährige Kronprinz (der spätere König Demetrius I.) war an Stelle des Onkels als Geisel gerade nach Rom gebracht worden. Antiochus hörte auf der Heimreise vom Anschlag des Heliodorus und benutzte die Gelegenheit, sich in Antiochien auf den Thron zu schwingen. Es entsprach seinem Temperament und seiner hellenistischen Einstellung, daß er die großpolitische Linie des Vaters Antiochus III. fortsetzen wollte. Sein von Ptolemäus V. her übernommener Beiname Epiphanes, „Offenbar", sollte angeben, daß er die Gottheit in offenbarer Gestalt sei. Er ließ sich in kräftiger Verstärkung einer seleukidischen Tradition als den olympischen Zeus verehren (2. Makk. 6,2; auch Münzen), was seinem Imperialismus und Hellenismus einen besonderen westlichen Akzent verlieh. Anders als der Vater achtete er immerhin auf ein gutes Verhältnis zu Rom und dessen Verbündeten in Kleinasien. So wurde sein Ziel zunächst die Beherrschung des geschwächten Ägypten, wo Schwager und Schwester nicht mehr lebten und auf die obenerwähnten Steuereinkommen keine Ansprüche erheben konnten (o. S. 58). Natürlich wurden die Juden dabei in Mitleidenschaft gezogen, einmal weil Antiochus IV. für die ägyptischen Feldzüge Geld brauchte, zum anderen weil Judäa ein wichtiges Etappengebiet wurde. Beides war keineswegs neu in der Geschichte Israels, Judas und des Judentums. Epiphanes griff aber in seiner Begeisterung für den Hellenismus und in seiner Bemühung um die Reichseinheit (1. Makk. 1,41) auch zu kulturellen und religiösen Zwangsmitteln, wie sie lange vorher die Babylonier und Assyrer, aber nicht mehr die Perser und nur teilweise Alexan-
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der und seine Epigonen gebraucht hatten. D e r überlieferte Volkskult sollte durch einen neuen Staatskult, die levitische O r d n u n g durch einen hellenistischen Lebensstil ersetzt werden. Antiochus selbst und seine Ratgeber hatten diese Hellenisierung J u d ä a s gewiß als eine verhältnismäßig einfache Angelegenheit betrachtet. D a s kleine Tempelland war von hellenistischen Gebieten umgeben (Zeno-Briefe, o. S. 54), es gab seit langem bedeutende Kollaborateure wie die Brüder der H o h e n priester (S. 27), die Tobiaden (S. 54-57), und seit der Verpachtung der Steuern durch J o s e p h hatte J u d ä a die sakrale Sonderstellung grundsätzlich verloren (o. S. 56). Uberraschenderweise führten aber die Hellenisierungsversuche des Antiochus zu einer heroischen Reaktion der Gesetzestreuen. Diese begannen einen erbitterten K a m p f für die Erhaltung der in der persischen Zeit entwickelten und in der ptolemäischen Zeit bewahrten Verhältnisse. Sie sahen in Antiochus Epiphanes den schlimmsten Despoten der Weltgeschichte (Dan. 11,36), während sie Ägypten natürlich E r f o l g wünschten (2. M a k k . 5,4). Antiochus IV. faßte eine Hellenisierung des ptolemäischen Tempellandes J u d ä a ins Auge, bevor er gegen Ägypten z o g . Der konservative zadokidische Hohepriester Onias III. hatte einen fortschrittlich-hellenistisch gesinnten Bruder Jason; dieser schlug dem K ö n i g gewisse Hellenisierungsmaßnahmen vor und durfte 174 v. Chr. als geeigneter Kollaborateur die Stellung eines Hohenpriesters übernehmen. J a s o n richtete dann unter der Tempelburg in Jerusalem ein Gymnasium und ein Ephebenlokal ein (2. M a k k . 4,9). D a s waren Anlagen f ü r akademischen Sport, musische und militärische Übungen, die jede ambitiöse Stadt des hellenistischen Kulturraums besaß. M a n kann die Hauptteilnehmer an solchen Übungen, die Epheben, als waffentragende Studenten und Anhänger einer ursprünglich attischen, dann internationalen Burschenschaftsbewegung auffassen. Vor allem sollten die neuen Hochschulinstitute den Jerusalemer Junkern hellenistisches Mitbürgerrecht in Antiochien verschaffen (4,9.19; über Bürgerrecht im Hellenismus, S. 36 f.). Jetzt stolzierten zum Schrecken der Altgläubigen mondäne Studenten in der charakteristischen U n i f o r m der attischen Epheben umher: an der Schulter ein breitkrempiger H u t (gr. petasos, einem Pfadfinderhut ähnlich), um den Oberkörper ein sportlicher Reitermantel (chlamys, auffallend kurz), die Beine
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nackt (der lange orientalische Rock hingegen deckte sie wohlanständig), zum Paradieren Lanze und kleiner Schild 12 . Angeblich waren auch Priester so begeisterte Zaungäste am Sportplatz, daß sie beim ersten Startsignal vom Altardienst weg zum Diskuswerfen liefen (4,14). Jason veranstaltete bereitwillig einen stattlichen Fackelzug zu Ehren des Antiochus Epiphanes, als dieser zu Propagandazwecken vor dem geplanten ägyptischen Feldzug Jerusalem besuchte. Doch war Jasons Interesse für sportliche und festliche Spiele kultureller Art, und das genügte der offensiven Politik Syriens auf die Dauer nicht. So wurde Jason 171 von dem nicht sadokidischen Menelaus verdrängt, einem Bruder des Tempelobersten (u. S. 152), der für das politische Spiel mehr Geschmack und Kapital hatte. Mit tobiadischer Unterstützung erkaufte sich dieser krasse Streber das ehrwürdige Hohepriesteramt vom menschgewordenen Zeus, der an seine Kriegskosten denken mußte. Das kluge Geschäft hatte für beide einen Vorteil: der König bekam ein skrupelloses Werkzeug, und Menelaus durfte über seine Landsleute regieren. Nach dieser Regimeveränderung in Jerusalem führte Antiochus IV. 170—168 den 6. syrisch-ägyptischen Krieg, in dessen Verlauf er zweimal gegen Ägypten marschierte. Beim ersten Ansturm 170-169 fielen ihm die östliche Grenzfestung Pelusium, die alte Hauptstadt Memphis und der Großteil Ägyptens in die Hände; Ptolemäus VI. wurde als sein Vasall behandelt. Doch konnte die neue Hauptstadt Alexandrien, wo die Griechen den jüngeren Bruder Ptolemäus VIII. zum Ersatzkönig erhoben hatten, den Truppen des Seleukiden widerstehen. D a der Angreifer nicht zu viel riskieren wollte und Unruhen in Judäa und Phönizien gemeldet wurden, zog er sich zurück. Jerusalem war ein Herd der Unruhe, weil Jason im Begriff stand, Menelaus zu stürzen. Antiochus verdrängte Jason, konfiszierte den Tempelschatz und setzte zur Unterstützung des Menelaus in Jerusalem und auf dem Garizim Vögte ein (1. Makk. 1,16-28; 2. Makk. 5,11-23). Beim zweiten Vorstoß gegen Ägypten 168 zog Antiochus mit noch größeren Streitkräften gegen Alexandrien, über die jetzt entdeckte Zusammenarbeit der PtolemäerBrüder empört. D a kamen „Schiffe aus Chittim" (Dan. 11,30): 12
B i l d in C . DAREMBERG & E . SAGLIO, D i c t . d e s a n t . 2 ( 1 8 9 2 ) , S . 6 3 0 .
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bei Eleusis, dem östlichen Vorort Alexandriens, trat nämlich der römische Legat C. Popilius Laenas dem König entgegen. Er reichte ihm einen Senatsbeschluß (Polyb. Hist. X X I X , 2,1-4), zog arrogant mit dem Stab einen Kreis um ihn herum und zwang ihn auf der Stelle zum Verzicht auf den Feldzug (ebd. 27,1-8). Antiochus mußte innerhalb einer bestimmten Frist nach Syrien zurückmarschieren, „vor Mißmut stöhnend, den Umständen aber vorläufig nachgebend" (ebd. 9). Für ihn entscheidend war nicht bloß die Erinnerung an den römischen Sieg über seinen Vater bei Magnesia (190 v. Chr.) und an seine eigenen Jahre als Geisel in Rom, sondern auch die gerade eingetroffene Nachricht vom römischen Sieg über Mazedonien bei Pydna (168 v. Chr.) 1 3 .
b) D i e r e l i g i ö s e U n t e r d r ü c k u n g Aus gründen politischen Prestiges beschloß dann Antiochus IV., Palästina fester an sich zu binden. Das bedeutete für ihn als Zeus Epiphanes eine kultische Hellenisierung des Landes und des Volkes. Außenpolitisch war der Gedanke nicht unrichtig, zumal altgläubige Priester ägyptische, fortschrittliche Kapitalisten hingegen syrische Sympathien demonstrierten (Jos.Bell. 1,32). Kulturgeschichtlich ist zu berücksichtigen, daß für eine Hellenisierung der Boden schon vorbereitet war und daß Antiochus orientalische Städte wie Babylon hellenistisch ausbaute. Wenn der König auch kein wirklicher Epiphanes war, so erscheint der Spottname Epimanes, „ N a r r " , den ihm ein bekannter römischer Mitläufer gab (Polyb.Hist. X X V I , 1,1), völlig unberechtigt. In der jüdischen Propaganda gegen die Maßnahmen des Antiochus hat man übersehen, daß später unter Hyrkan I. die Juden selbst gegen Idumäa und Samarien gewaltsam vorgingen. Doch bedeutete die Regierung des Antiochus IV. gewiß einen Bruch mit der noch von Antiochus III. bestätigten Religionsfreiheit. So hat dieser Hellenist einen jüdischerseits verständlichen Kulturkampf ausgelöst, der weltgeschichtlich ungeahnte Folgen haben sollte. 13
Zum 6. syrischen Krieg H. VOLKMANN, Ptolemaios: Paulys Realencycl. 23 (1959), Sp. 1705-1710.
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Zunächst ließ Antiochus IV. 167 vor der Nordmauer Jerusalems am Sabbat eine Militärparade abhalten, die Truppen dann überraschend in die Stadt einmarschieren und die Burg auf dem Hügel in der hohen nordwestlichen Ecke des Tempelplatzes besetzen und dann ausbauen; sie hieß Akra (später Antonia) 14 . Diese syrische Garnison mit ihren Nachfolgern in der Stadt bildete ein nationales Ärgernis (1. Makk. 1,29-40; 2. M a k k . 5,24-26), bis sie im Jahre 141 verdrängt werden konnte (u. S. 73). Dazu kam ein für die Altgläubigen noch viel ärgerer Greuel religiöser Art: zur Befestigung der Reichseinheit (1. M a k k . 1,41) verordnete Antiochus Epiphanes 167 auch die Unterdrückung jüdischer Gesetzesobservanzen und die Einführung hellenistischer Kultzeremonien (1. Makk. 1,44-53; 2. M a k k . 6,1-9). Freilich war der Zweck dieser religionspolitischen Aktion keineswegs antisemitisch, sondern antiägyptisch und prosyrisch, wie es Situation und Methode unverkennbar zeigen. 1. Leiter des Unternehmens wurde ein Ratsherr aus Athen (2. M a k k . 6,1), der wohl als königlich syrischer Erzpriester und Spezialist für eleusinische Mysterien oder dergleichen aufzutreten hatte. Religionspolitisch war das eine formale Analogie zur ehemaligen Mission Esras, nur daß es jetzt um die Ablösung des jüdischen Kultes durch einen hellenistischen Opferdienst ging. Wie in der hellenistischen Religionspolitik üblich, bediente sich die Regierung in der Kultpropaganda auch lokaler Mithelfer (1. Makk. 1,51). Bei den Juden handelten später die hasmonäischen Hohenpriester ähnlich. 2. Hervorgehoben werden in den Quellen folgende Formen des Staatskultes: - a) Auf dem Jerusalemer Brandopferaltar wurde ein Altar des Zeus Olympios errichtet und dort seit dem 25. Chislev (Dez.) 167 v. Chr. jeden Monat am 25. geopfert (1. M a k k . 1,54.59; 2. Makk. 6,1.7). Da der 25. Monatstag als Geburtstag des Epiphanes zu feiern war, so galten die Opfer 14
Nach 1. Makk. 1,33-2,31 war „Davids Stadt" der Sitz der syrischen Zwingburg. Schürer, 1, S. 198 f., verlegte sie daher auf den Ophel, den Südosthügel Jerusalems. Jedoch paßt der unter dem Tempelplatz nach Süden abfallende Ophel strategisch nicht gut; 1. Makk. spricht wohl einfach unbestimmt vom Tempelhügel.
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eigentlich ihm. In der Apokalyptik wurde dieser Zeusaltar „der Greuel der Verwüstung" genannt (Dan. 11,31; 12,11; hebr. schiqqü? schömem, Andeutung des Namens Baal Schamajim statt Zeus Olympios; griech. Ubersetzung in Matth. 24,15 mit Par.); ferner wurde die Zeit des Greuels (nach dem 1. Makk. 3 Jahre, vgl. S. 66) als eine eschatologische Periode von 3 Vi Jahren oder eine halbe Jahrwoche dargestellt (Dan. 7,25 u. a.). Auch in anderen Gegenden Judäas wurden hellenistische Altäre und Opfer eingerichtet (1. Makk. 1,47.54). Der samaritanische Garizim-Tempel wurde dem Zeus Xenius geweiht (2. Makk. 6,2). Gleichzeitig zwang man die Diasporajuden der syrischen Städte zur Teilnahme am Staatskult (2. Makk. 6,8). b) Neben den Zeusopfern werden interessanterweise auch Dionysusfeste erwähnt (2. Makk. 6,7). Zu solchen gehörten als reine Selbstverständlichkeit Ferkelopfer; das ist wohl der religionsgeschichtliche Hintergrund des als Widerwärtigkeit erwähnten Schweinefleisches (1. Makk. 1,47). Vermutlich war der oben erwähnte Ratsherr aus Athen für diese Vegetationsmysterien besonders zuständig. Eine antiägyptische Spitze hatte aber die Angelegenheit auch, denn Ptolemäus IV., der mit einem Epheublatt tätowiert war, hatte eben die Dionysusverehrung zur Nationalreligion Ägyptens erhoben. 3. Der eigentliche Zweck der Kultmaßnahmen bestand darin, die Suprematie des Antiochus und seiner Götter über das vorher ptolemäische Palästina auszuposaunen. Man wollte nicht nur das Land für Syrien sichern, sondern auch das Volk für das System gewinnen. Dazu sollte die kultische Unterdrükkung es der syrischen Regierung ermöglichen, Gebiete des lange geschützten Tempellandes den Offizieren und Soldaten als Lehnsland, Kleruchie, zur Verfügung zu stellen (1. Makk. 3,36); das war die übliche Besoldungsmethode der Zeit.
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c) M a k k a b ä u s , J o n a t h a n u n d S i m o n Judas Makkabäus und seine Brüder stritten für Israel mit Freuden (1. Makk. 3,2). Mit den geschilderten Bemühungen hatte die syrische Regierung bei den Juden teilweise Erfolg. „Aber die vom Volk, so ihren Gott kennen, werden sich ermannen" (Dan. 11,32). Die fremden Religionsformen, die man einführen wollte, lösten auch eine volkstümliche Reaktion aus, die von den tiefgehenden Wirkungen der nehemianischen und levitischen Restauration des Judentums zeugt. Vor allem bekamen die Gesetzestreuen im Kulturkampf tatkräftige Leiter in der Familie des Priesters Mattathias von Modein (nordwestlich von Jerusalem, halbwegs gegen das Meer zu), der fünf Söhne hatte. Wegen seines berühmtesten Sohnes, Judas Makkabäus (gr. Makkabaios, wohl nicht auf hebr. maqqebet, „ H a m m e r " , sondern auf ein nicht feststellbares aram. Wort zurückzuführen), heißt die Familie in der späteren Literatur oft „die Makkabäer". Nach einem angeblichen Vorfahren Hasmon aber wurden die Nachfolger des Judas von den Zeitgenossen „die Hasmonäer" genannt (Jos. Ant. XI, 111 u. a.). Es handelt sich um eine ländliche, reiche, aber nicht hochadelige Priesterfamilie (1. Makk. 2,1), die im Gegensatz zu den Tobiaden die syrisch-hellenistische Herrschaft ablehnte. In diesem Kampf sollten Mattathias und seine Söhne großen Erfolg haben, seine Nachkommen sogar zur hohenpriesterlichen und königlichen Würde aufsteigen. Mattathias tötete 167 v. Chr. einen Juden, der dem syrischen Kultgesandten zuliebe auf dem heidnischen Altar opfern wollte; auch letzteren brachte er um (1. Makk. 2,23-26). Damit hatte er das f ü r Kultstätten beanspruchte Asylrecht verletzt. Er begab sich mit seinen fünf Söhnen in die Wüste Juda, wo man Freischaren bildete und die Hellenisten bekämpfte. Zu ihnen gesellten sich auch die Chasidim oder Asidäer (Luther „die Frommen"), die f ü r das Gesetz eiferten (1. Makk. 2,42). Nachdem Mattathias 166 gestorben war, übernahm sein dritter Sohn, Judas Makkabäus, die Leitung des Aufstandes und behielt sie bis zu seinem Tod 160. „Er war mutig wie ein
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Löwe" (1. M a k k . 3,4). Judas war kaum eine hervorragende religiöse Persönlichkeit, aber eine militärische und politische Kraftgestalt, und deswegen ist er mit Recht ein jüdischer N a tionalheld geworden. Antiochus IV. war gegen die Parther gezogen, so daß Lysias, der Militärgouverneur des Westens, f ü r die Unterdrükkung des jüdischen Aufruhrs sorgen mußte, der allerdings genügend starke Kräfte weder einsetzen wollte noch konnte. Durch überraschende Guerillaüberfälle schlug Judas syrische Einheiten bei Samaria, Beth-Horon, Emmaus und Bethzur (1. Makk. 3,10-4,35). Anschließend reinigte er den Jerusalemer Tempel vom Zeuskult, dem „Greuel der Verwüstung" (o. S. 64). So stellte er 3 Jahre (nicht 3 Vi) nach dem Beginn des Greuels den levitischen Opferkult am 25. Chislev (Dez.) 164 wieder her (1. Makk. 4,36-58), was seither jährlich als Chanukkah oder Tempelweihe gefeiert wurde (4,59; Joh. 10,22) 15 . Nachdem der König in Persien 164 unerwartet gestorben war (1. Makk. 6,1-16), machte sich Lysias in Antiochien zum Vormund des nur 10jährigen AntiochusN. (164-162) und nahm sich vor, die jüdischen Insurgenten nachdrücklich zu bestrafen. Er griff von Idumäa aus an, besiegte Judas Makkabäus bei Bethzacharia (südwestlich von Jerusalem) und leitete eine Belagerung der Hauptstadt ein (6,28-54). Da erschien als Rettung f ü r die Juden Philippus, ein von Persien her gegen Syrien marschierender Mitbewerber um den Seleukidenthron. Lysias mußte eilends nach Antiochien zurückkehren. Er hieß 162, zur Sicherung der Lage im Süden, den Knabenkönig den Juden Religionsfreiheit gewähren. Freilich wurden diese gezwungen, die Mauern Jerusalems abzureißen (6,55-63). Bald danach sollte aber ein sehr zielbewußter Seleukide dem Judas Makkabäus zum Verhängnis werden. Demetrius I.
1S
Zu den Datierungsfragen W. KOLBE, Beiträge zur syrischen und jüdischen Geschichte (1926), S. 2 8 - 4 2 ; W. EICHRODT, T h e o l . d. Geg. 20 (1926), S. 265; J. SCHAUMBERGER, D i e neue Seleukiden-Liste B M 3 5 6 0 3 und die makkabäische Chronologie: Biblica 36 (1955), 4 2 3 - 4 3 5 ; S. 434; R. HANHART, Zur Zeitrechnung des I und II Makkabäerbuches: Zeitschr. f. d. alttest. Wiss. Beih. 88 (1964), 4 9 - 9 6 , S. 7 9 - 8 4 . 93. Letzterer berechnet die Zeit des „Greuels" s o (S. 83 f.): A n f a n g im Sommer 167 v. Chr.; Dauer etwa 3 Vi Jahre ( D a n . 7,25 u. a.); Ende am 14. D e z . 164.
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(162-150), Sohn des Seleukus IV., hatte minderjährig seinen Onkel Antiochus IV. als Geisel in Rom ersetzen müssen (o. S. 59). Er betrachtete mit Recht Antiochus IV. und Antiochus V. als Usurpatoren. Während er in Rom mit hellenistischen Intellektuellen und Reformgeistern verkehrte - vor allem den Gracchen, Polybius und den Scipionen - , wartete er auf seine Chance. Auf den Rat dieser Freunde setzte sich Demetrius über den konservativen Senat hinweg und zog 162 plötzlich nach Antiochien, stürzte die Machthabenden und nahm den väterlichen Thron ein. Die bei ihm vorsprechenden Hellenisten Palästinas nahm er sofort in Schutz und ließ seine Truppen dreimal ins Heilige Land ziehen. 1. Beim ersten Anmarsch 161 wurde den Juden ein genealogisch zwar aaronitischer, ideologisch aber hellenistischer Hoherpriester namens Alcimus aufgezwungen. 2. Beim zweiten Vorstoß konnte Judas den syrischen Obersten Nikanor schlagen und töten, am sogenannten Nikanortag, der nachher ein jährliches Freudenfest wurde. 3. Beim dritten Angriff 160 v. Chr. wurde aber Judas geschlagen und getötet bei Elasa in der Nähe von Beth-Horon, nordwestlich Jerusalems (7,1-9,22). Vorläufig hatten die Hellenisten die Lage in der Hand (9,23-28). Jedoch sollte der syrische Druck nicht lange dauern. Rom sah nicht gerne einen starken Herrscher auf dem syrischen Thron. Nach dem Grundsatz „divide et impera" spielte Rom in der Folgezeit Seleuko-Demetriden und Antiochiden, die Nachkommen des Seleukus IV. und des Antiochus IV. mit ihren Anhängern, gegeneinander aus und begrüßte eine verhältnismäßig unabhängige Stellung der Juden. Diesen Umstand haben die Helden der makkabäisch-hasmonäischen Familie geschickt ausgenutzt. Ägypten unterstützte seinerseits nach Möglichkeit die Juden gegen die Syrer. Unter dem Eindruck der Machtentfaltung des Demetrius I. und des Todes des Judas ließ Ptolemäus VI. 160 v. Chr. einen alten Tempel in Leontopolis den ägyptischen Juden zukommen und für einen jüdischen Opferkult einrichten (Jos.Ant. XIII, 70). Hoherpriester wurde ein Onias 16 und Hofphilosoph ein Aristobul (2. Makk. 1,10; Eus. Praep. XIII, 12). 16
SCHÜRER, 3, S. 97-100.
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Dieser jüdische Ersatztempel bestand noch lange; er wurde erst 72 n. Chr. im Anschluß an den jüdischen Krieg von den Römern geschlossen (u. S. 289). Als unmittelbarer Nachfolger des Judas trat Jonathan auf, der fünfte und jüngste Bruder, und stand 160-143 v. Chr. an der Spitze der Nationalisten (1. Makk. 9,28-12,53). Freilich mußte er sich zunächst mit der Stellung eines Guerillahäuptlings in der Wüste begnügen, bis er in Michmas, nördlich Jerusalems, eine Art Richter des Volkes wurde (9,73). Allmählich aber löste sich der syrische Druck, weil Demetrius I. in Alexander Balas einen angeblich antiochidischen, vom römischen Senat unterstützten Mitbewerber bekam. Jonathan ging eilends auf die Seite des Baal über. Dann haben sich die zwei Konkurrenten in Gnadenspenden an die Juden überboten. Es schien letzteren aussichtsreicher, bei Alexander zu bleiben, und das wurde 152 belohnt, indem Jonathan am Laubhüttenfest als Hoherpriester und Söldnergeneral glänzen konnte (10,21). Damit wurde der Kampf für die Bewahrung der jüdischen Religionsfreiheit und des levitischen Tempelstaates zur dynastischen Angelegenheit der Hasmonäer, wie man die Nachfolger des Judas nannte. Jonathan und die anderen Hasmonäer kämpften für die Machtentfaltung des eigenen Hauses und Volkes über die Grenzen des Judentums hinaus. Das begann mit der erwähnten Übernahme des Hohenpriestertums durch Jonathan, der eine zwar priesterliche (1. Makk. 2,1), aber nicht zadokidische Familie vertrat. Ein weiterer Schritt erfolgte 150 v. Chr. in Ptolemais, wo Alexander Balas und der ihm damals beistehende Ptolemäus VI. von Ägypten den Jonathan in Purpur stolzieren ließen (10,62), eine Andeutung der Königswürde, die später von der hasmonäischen Dynastie beansprucht wurde (S. 75f.). Politisch und strategisch hatte Jonathan in den 140er Jahren großen Erfolg. Er nutzte die Konkurrenz zwischen den Söhnen des Demetrius I. und des Alexander Balas, die Demetrius II. und Antiochus VI. hießen, in geschickter Weise aus. Dabei fand er Unterstützung bei Ptolemäus VI., bei Rom und Sparta. Bald erhielt Jonathan von der einen Partei Landgebiete, bald von der anderen. Geld strömte ein, und sein Bruder Simon wurde Befehlshaber über die wichtige Küstenebene (11,59).
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Schließlich herrschte Jonathan mit seinem Söldnerheer über ein Land, das auch nichtjüdische Gegenden und befestigte Orte umfaßte (12,31-38). Gerade deswegen wurde Jonathan gestürzt, denn er war in den Augen des syrischen Feldmarschalls Tryphon, der hinter Antiochus VI. stand, zu mächtig geworden. Von diesem Tryphon 143 bei Bethsan-Skythopolis besiegt, wurde Jonathan gefangengenommen und später hingerichtet (12,39-53). Leiter des jüdischen Widerstandes wurde danach Simon, dem Alter nach der zweite von den Brüdern (13,1-16,17). Er führte die Juden 143-134 v. Chr. und hatte wie Jonathan politischen und militärischen Erfolg. D a die Partei des Antiochus VI. seinen Bruder beseitigt hatte, suchte Simon nun mit dem Gegenkönig Demetrius II. Verbindung und erwarb durch ihn 142 v. Chr. Steuerfreiheit für die Juden. Die drei bedeutendsten Errungenschaften der Makkabäerfamilie verteilen sich demnach auf je einen der Brüder und auf Perioden von etwa zehn Jahren: Judas erhielt Religionsfreiheit 162 v. Chr. Jonathan wurde Hoherpriester 152 v. Chr. Simon erwirkte Steuerfreiheit 142 v. Chr. Vor allem weist die Makkabäer- und die erste Hasmonäergeschichte eine schrittweise Annäherung an die politische Unabhängigkeit Judäas auf. Zum ersten Mal seit dem Fall Jerusalems 597 v. Chr. bildeten die Juden aufgrund der Steuerfreiheit 142 v. Chr. wieder einen selbständigen Staat, obwohl die umgebenden Großmächte immer noch ihren Druck ausüben konnten. Eine neue Periode, die neunundsiebzigjährige Freiheitszeit des Hasmonäerreichs, setzte ein.
III. DAS HASMONÄISCHE REICH 142-63 v. Chr. Israel ward frei von den Feinden und fing an, zu schreiben in Briefen und Verträgen also: Im ersten Jahr Simons, des großen Hohenpriesters und Feldhauptmannes und Fürsten der Juden (1. Makk. 13,41 f.). Mit dem Jahre 142 v. Chr. begannen die Juden anläßlich der gewonnenen Steuerfreiheit (1. Makk. 13,39; Jos. Ant. XIII, 213) eine neue Zeitrechnung (1. Makk. 13,42). Simon ließ Jerusalemer Münzen mit den neuen Jahreszahlen und einer hebräischen Legende prägen. Auch als Staats- und Kultsprache wurde Hebräisch wieder gepflegt, obwohl Aramäisch und Griechisch das Zivilleben weiterhin beherrschten; die Literatur spiegelt diese hebräische Renaissance wider, vor allem die Schriften der Qumranbibliothek (u. S. 175 f.). Die neue Epoche läßt sich politisch durch folgende Zeittafel veranschaulichen. Ptolemäer
Seleukiden
Hasmonäer
Seleuko-Demetriden links, Antiochiden rechts. Ptolemäus VIII. (vorher 164-163)
Demetrius II. 145-138 (nachher 129-125)
145-116
Antiochus VI. 145-143 Tryphon 143-138 Antiochus VII. 138-129 Demetrius II. (vorher 145-138) 129-125 Alexander Zahinas 128-122
6
Reicke: N e u testamenti. Zeitgesch. 3
Simon (Volksleiter 143) Hoherpriester 142-134 Hyrkan I. Hoherpriester 134-105
72
Das hasmonäische Reich Seleukus V. 125
Ptolemäus IX. 116-107 (nachher 88-80)
Antiochus VIII. 125-113 (nachher 111-96)
Kleopatra III. 107-101
Antiochus IX. 113-95 (111-95 in Cölesyrien)
Ptolemäus X. 101-88
Antiochus VIII. (vorher 125-113) 111-96
Ptolemäus IX. (vorher 116-107)
Antiochus X. gegen 5 Söhne des Ant. VIII. 95-83 1
Aristobul I. König 104 Alexander Jannäus König 103-76
88-80
Ptolemäus XII. 80-58. 55-51
(Tigranes beherrschte Syrien 83-69)
Alexandra Königin 76-67
Antiochus XIII. 69-65
Hyrkan II. König 67
(Pompejus besetzte Syrien 64)
Aristobul II. König 66-63
1. Priesterfiirsten, 142-105 v. Chr. a) S i m o n als H o h e r p r i e s t e r Offenbar hatte der seit 143 als Volksleiter auftretende Simon eigene Geldmittel zur Verfügung, die er für Rüstungen und Werbungen generös einsetzte (1. Makk. 13,16; 14,32). Das von ihm unterhaltene Söldnerheer, das aus gemischten, teilweise hellenistischen Elementen bestand und keineswegs nur vom Ideal der levitischen Reinheit getragen war, brachte Simon verschiedene Erfolge. Vor allem nahmen die Truppen für ihn Gazara ein (1. Makk. 13,43-48), das nunmehr hellenistische Geser an der Grenze zur reichen Küstenebene; die Stadt wurde mit Gewalt judaisiert und bekam Johannes Hyrkan, den 1
Von den fünf Söhnen des Antiochus VIII. griff Demetrius III., 95-87 Herrscher von Damaskus, in die jüdische Geschichte aktiv ein (u. S. 79).
Priesterfürsten
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Sohn des Hohenpriesters, zum Militärgouverneur. Sogar nach der Hafenstadt Joppe ließ Simon einen Vorstoß machen (13,11; 14,5). Die seit Antiochus IV. bestehende Syrergarnison der Akra konnte Simon 141 entfernen (13,49-52); die Burg richtete er als sein Schloß ein. Politisch ist zu berücksichtigen, daß Simon baldmöglichst die mit Sparta und Rom eingegangenen Verbindungen stärkte (14,16-24). So wurde das Heilige Land wieder ein aktiver Faktor im staatlichen Leben des Nahen Osten, was es seit der Königszeit nicht mehr gewesen war. Man kann schon unter Simon von einem Hasmonäerreich sprechen, obwohl Judäa grundsätzlich noch von Syrien abhängig blieb. Denn die Seleuko-Demetriden und Antiochiden haben immer wieder miteinander gekämpft (s. o. die Zeittafel), wobei jede Partei sich gezwungen sah, den Juden die Privilegien zu bestätigen. Unverkennbar schrumpfte die Macht Syriens zusammen, während Rom einen stärkeren Einfluß gewann und die Parther wiederholte Eroberungen machten. Judäa wurde mit Hilfe Roms und Spartas relativ unabhängig von den syrischen Herrschern. Simon ließ sich 140 v. Chr. im Blick auf seine Verdienste von den Juden als Hohenpriester, Strateg (General) und Ethnarch (Volksfürst, etwa Großherzog) „auf ewige Zeit" begrüßen; diese Proklamation wurde durch Kupfertafeln auf dem Zion verewigt (1. Makk. 14,25-49) und vom Senat auf dem Kapitol gebilligt (15,15-24; Jos. Ant. XIV, 145-148) 2 . Der„ewige" Bestand seines priesterlich-militärisch-zivilen Amtes betraf seine Familie. Eine neue Dynastie war inthronisiert, das Haus der hasmonäischen Priesterfürsten. Den königlichen Rang beanspruchten die Hasmonäer erst unter einem Enkelsohn Simons, aber schon der letztgenannte trat auf dem Zion, im Tempel und im Palast als ein Dynast mit prächtigem Hofstaat auf (15,32: goldene, silberne Gefäße, zahlreiche Dienerschaft). Gegenüber den Forderungen des neuen Seleukiden Antiochus VII. konnte er sich behaupten und auf die Philisterstädte noch weitere Angriffe vornehmen (15,25-16,10). In orientalisch-hellenistischer Weise wurde aber 134 der finanztüchtige, patriarchalische Simon mit zwei Söhnen bei ei2
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Daß sich die Josephusstelle auf Simon bezieht, zeigt Schürer, 1, S. 250-253; vgl. R. MARCUS, Josephus with an English Translation, 7 (1943), S. 524.
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nem Gelage nahe Jericho von einem mit Antiochus VII. intrigierenden Schwiegersohn ermordet (16,11-20). Es gelang dem Mörder nicht, den Zweitältesten Sohn Johannes Hyrkan umzubringen, der in jener Zeit als Militärgouverneur in Gazara saß (16,21 f.). Hyrkan floh nach Jerusalem und wurde vom Pöbel gegen den angreifenden Schwager geschützt und als Hoherpriester eingesetzt (Jos. Ant. XIII, 229f.).
b) H y r k a n I. Der militärisch schon erprobte Johannes Hyrkan I. sollte eine lange Zeit, 134-105 v. Chr., das Volk führen und sich als Heerführer und Eroberer ruhmreich hervortun (Jos. Ant. XIII, 229-300). Zunächst stand er allerdings vor großen außenpolitischen Schwierigkeiten und wäre fast gestürzt worden. Antiochus VII. wollte seine von Simon zurückgewiesenen, aber von dessen Schwiegersohn unterstützten Obrigkeitsansprüche in Palästina sofort gegen Hyrkan I. behaupten. Er nahm Joppe und Gazara wieder ein und belagerte Jerusalem längere Zeit. Schon hatte sich die Hauptstadt ergeben, da untersagten die Römer den Syrern, ihren Bundesgenossen Hyrkan anzugreifen (Jos. Ant. XIII, 259-266) 3 . Antiochus VII. mußte dann 130 in einen Partherkrieg ziehen, in dessen Verlauf er 129 starb. Demetrius II., der aus parthischer Gefangenschaft entlassen wurde und den syrischen Thron jetzt wieder bestieg, fand so unruhige Verhältnisse vor, daß er an keine Kraftentfaltung gegen Hyrkan denken konnte. Nach diesem Thronwechsel in Syrien setzte Hyrkan I. die Eroberungskriege seines Vaters ohne Zögern fort. Er nahm in Transjordanien das befestigte Medeba ein, von wo aus er den nabatäischen Handelsverkehr stören konnte. Dann griff er 128 v. Chr. Sichern an und vernichtete den Tempel auf dem Garizim (o. S. 27). Außerdem zwang er die heidnischen Idumäer, die wegen der Nabatäer von Edom her in Südjuda eingedrungen waren, sich zu beschneiden. Schließlich eroberten Hyrkan
3
SCHÜRER, 1, S . 2 6 1 .
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und seine Söhne im Jahre 109 das stark befestigte Samaria. Das geschah nach schwierigem Kampf gegen syrische und ägyptische Hilfstruppen, aber mit Unterstützung von Kleopatra III., der ägyptischen Königsmutter mit dem griechischen Spottnamen „die Rote", die jüdische Sympathien hegte. Hyrkan ließ das früher persische und später hellenistische Kulturzentrum Samaria zerstören (Jos. Ant. XIII, 254-258. 267-287). Die grausame Tat gegen Samaria löste eine Reaktion der Gesetzestreuen aus (Jos. ebd. 288-299). Ursprünglich hatten die sogenannten Chasidim die makkabäischen Brüder im antihellenistischen Kampf unterstützt (s. o. S. 65), mußten aber bald eine Entwicklung der Hasmonäerpolitik in hellenistische Richtung feststellen. Unbeabsichtigt zeigt Josephus, wie das Verhältnis jener Gesetzestreuen, die seit Jonathan Pharisäer genannt wurden, zu den Hasmonäern unter Hyrkanus zunächst noch ungestört blieb. Erst nach seiner Beschreibung des Samarien-Krieges findet der Historiker Anlaß zu berichten, die Erfolge des Hyrkanus und seiner daran beteiligten Söhne hätten eine Reaktion der Pharisäer und eine Annäherung des Hyrkanus an die Herrenpartei der Sadduzäer ausgelöst. Obwohl sich die pharisäische Kritik nachher milderte (Jos. Bell. I, 67; Ant. XIII, 299), fand also damals mancher die Hellenisierung und Materialisierung des Hohenpriestertums falsch. Später kam es auch zum dauernden Bruch zwischen Hasmonäern und Pharisäern (u.S. 79). Hyrkan I. nannte sich nicht König, betonte aber seine Würde dadurch, daß er die Inschrift auf den Münzen mit seinem Namen beginnen ließ. Neben dem richterlichen und priesterlichen Amt wurde ihm das prophetische zuerkannt (Jos. Bell. I, 68 f.; Ant. XIII, 299f.).
2. Könige, 104-63 v. Chr. a) A r i s t o b u l I. Nach dem Tode Hyrkans war sein ältester Sohn Aristobul I. zum Hohenpriester bestimmt, während die Witwe des Verstorbenen regieren sollte. Aristobul sperrte aber seine Mutter und Brüder ein, ließ die Mutter verhungern und regierte danach
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Das hasmonäische Reich
ein Jahr lang, 104 v. Chr. mit Beginn vor oder nach unserem Neujahr. Er ist plötzlich gestorben, angeblich von Gewissensbissen geplagt, weil er inzwischen noch einen Bruder ermordet hatte. Aristobul nannte sich als erster der Hasmonäern offiziell König (Jos. Ant. XIII, 301). Er galt im übrigen als Hellenenfreund und hat deswegen bei griechischen Verfassern und bei Josephus den Ruf einer milden Gesinnung hinterlassen (Jos. Ant. XIII, 319). Mit den vorher berichteten Greueltaten verträgt sich dieses Urteil schwerlich, aber sein Charakter war vielleicht ambivalent. Religionsgeschichtlich von größter Bedeutung war, daß Aristobul I. Galiläa eroberte und durch Zwangsbeschneidung das Volk judaisierte. Josephus drückt sich dabei im Anschluß an seine griechischen Gewährsleute folgendermaßen aus: „Aristobul bekämpfte die Ituräer, fügte einen großen Teil ihres Landes zu Judäa und zwang die Einwohner, sich zu beschneiden und nach den Judengesetzen zu leben" (ebd. 318). Er meint die früher transjordanischen Jeturäer (Gen. 25,15), die sich wegen der Nabatäer in das Tal zwischen Libanon und Hermon-Antilibanon zurückgezogen hatten. Von dort haben die Ituräer zur Zeit des Aristobul Galiläa beherrscht, während sie unter Antiochus IX. standen, den Kleopatra III. haßte (Zeittafel S. 71 f.). So erklärt sich die angeführte Bemerkung des Josephus, daß Aristobul einen Teil des Ituräerreiches bezwang und dessen Einwohner judaisierte. Galiläa war seit der Niederlage Israels 722 v. Chr. in fremden Händen geblieben und hatte eine vornehmlich aramäische Bevölkerung erhalten. Keiner der jüdischen Hohenpriester und Hasmonäerfürsten hatte bisher auf Galiläa großen Einfluß ausüben können. Aristobul ist es mit Hilfe der „roten" Kleopatra gelungen, daß Land für das Judentum zu gewinnen. In der Folgezeit stand Galiläa immer mit Judäa in Verbindung (Jos. ebd. 322 usw.), auch wenn es nach dem Tode des Herodes zum Teil anders verwaltet wurde. Obwohl die größeren Städte hellenistisch blieben, hielt die Landbevölkerung an den jüdischen Gesetzen fest, die ihr Aristobul aufgezwungen hatte. Die von ihm eingeleitete Judaisierung der Galiläer ging allmählich durch Umsiedlungen, pharisäische Tätigkeit und synagogale Veranstaltungen so weit, daß im ersten christlichen Jahrhundert Galiläa den Keimboden der zelotischen Bewegung bildete (u. S. 123 f.). Aristobul I. hat also
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allen Greueltaten zum Trotz das historische Verdienst, das Heimatland Jesu und der ersten Apostel für den alttestamentlichen Glauben gewonnen zu haben.
b) J a n n ä u s Die Witwe des früh verstorbenen Aristobul I., Salma oder Salome Alexandra, wurde aus dynastischen Gründen von dessen ältestem überlebendem Bruder geheiratet, Alexander Jannäus (Jonathan), dem König der Juden 103-76 v.Chr. (Jos. Ant. XIII, 320-404). Es war eine Leviratsehe, durch welche der etwa dreizehn Jahre jüngere Bräutigam zur Königswürde gelangte. Als er nach siebenundzwanzig Jahren starb, regierte Alexandra noch neun Jahre lang allein. Diese dynastische Gebundenheit bestätigt den Einfluß des Hellenismus auf das Judentum und die späten Hasmonäer, die auch direkt als Gönner hellenistischer Einrichtungen auftraten. Alexander Jannäus trug nicht ohne Grund den Namen des großen mazedonischen Eroberers. Mit einem auch in dieser Kondottierezeit seltenen, verzweifelten Heroismus kämpfte er für die Macht des Hasmonäerhauses und breitete sie unter tollen Abenteuern zu einem Umfang aus, der nur mit dem des Davidreiches vergleichbar ist. Hier muß zunächst das große politische und soziale Zeitgeschehen berücksichtigt werden, zumal es für die Zukunft weitgehende Folgen haben sollte. 1. Alexandrien, noch die größte Stadt der Welt, bestimmte im Grunde den ersten Akt der Geschichte des Jannäus. Dort wohnten im Westviertel Ägypter, in der Stadtmitte Griechen und im Ostviertel Juden. In der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, während Rom mehr und mehr seine Macht über Griechenland und Kleinasien ausdehnte, hatte der sich auf die Römer verlassende Ptolemäus VIII. die immer zahlreicheren Ägypter der Hauptstadt gewähren lassen und die führenden Griechen verdrängt. Sein prorömisches Testament wurde von der energischen Witwe, Kleopatra III., „der Roten" verwaltet. Da ihr älterer Sohn Ptolemäus IX. bei den Ägyptern beliebt
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war, Kleopatra aber den ägyptischen Nationalismus fürchtete, versetzte sie ihn 107 als Militärgouverneur nach Cypern und begünstigte statt dessen ihren jüngeren Sohn Ptolemäus X. Um so enger verband sich Kleopatra mit den Juden Alexandriens, setzte im Blick auf kommende Kriegshandlungen zwei Söhne des jüdischen Leontopolispriesters Onias über ihre Seeund Landstreitkräfte und deponierte, wie die Juden, ihr Geld auf der römertreuen Bankinsel Kos (Jos. Ant. XIII, 349f.). In dieser vorteilhaft erscheinenden Lage beschloß Jannäus 103 v . C h r . , die Offensivpolitik des Vaters und des Bruders fortzusetzen. Er griff Ptolemais an, wurde allerdings vom Cyperngouverneur Ptolemäus IX. zurückgeschlagen und am Jordan besiegt, von Kleopatra III. aber wiederum unterstützt. Dann konnte er während einiger Jahre, auch nachdem Ptolemäus X. seine Mutter ermordet hatte, blühende hellenistische Städte wie Gadara im Ostjordanland und Gaza an der Westküste plündern. In seinem Söldnerheer kämpften sehr gemischte Elemente; nicht wenige kamen aus den berüchtigten Räuberlandschaften Cilicien und Pisidien. 2. Rom beeinflußte mittelbar den zweiten Akt der Jannäusgeschichte, weil soziale und politische Umwälzungen im Römerreich für den Osten weitgehende Folgen hatten. In der Hauptstadt und in Italien bestand während der 90er Jahre eine Spannung zwischen drei Sozialgruppen. Rechts stand die senatorische Adelspartei der Vornehmen oder „Optimates" unter Sulla; in der Mitte die kapitalstarke Herrenpartei, die aus neureichen Rittern oder „Equites" bestand; links die fortschrittliche Volkspartei der Sozialisten. Die beiden letztgenannten Parteien, die „Populäres" unter Marius, dem Pionier des Kondottierewesens und der Kohortentaktik, kämpften für größere Rechte im neuen Großreich, die sie 90-89 teilweise erlangen konnten. In den östlichen Provinzen und Protektoraten gab es seit langem eine ähnliche Spannung zwischen den griechischen Bürgern, den römischen Unternehmern und den nichtprivilegierten Bevölkerungselementen, zu denen die Juden und andere Orientalen gehörten. Diese soziale Spannung kam Mithradates VI. sehr zugute, dem iranischen Herrscher über das wachsende Pontus am Schwarzen Meer. Er verbündete sich mit Armenien, Parthien, Syrien und Ägypten (App. Hist. XII, 15f.); sein ägyptischer Partner war Ptolemäus IX. auf Cypern,
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Vertreter der Nationalen in Ägypten, welcher den seleukidischen Prinzen Demetrius III. von Knidus nach Damaskus gesandt hatte und dort gegen die anderen Prinzen als König von Syrien hatte auftreten lassen. So gedeckt im Osten und im Süden, besetzte Mithradates 88 fast ganz Kleinasien und die Inselwelt sowie Teile von Griechenland und ließ überall die Römer und Italiker umbringen, während er den Griechen gegenüber als Befreier auftrat und den Asiaten trotzdem Bürgerrecht in Aussicht stellte. Ptolemäus IX. beeilte sich, seinen Bruder in Alexandrien zu stürzen und ganz Ägypten in Besitz zu nehmen. Dieser plötzliche Vormarsch der Nichtprivilegierten und der Orientalen riß die Juden mit. Auch bei den palästinensischen Juden Hessen sich drei soziale Gruppen unterscheiden, obwohl die religiösen Verhältnisse dem Bild ein anderes Gepräge verliehen. Politisch rechts standen hier die Vertreter des alten Priesteradels; in der Mitte die Sadduzäer und die Neureichen, Leute wie einst die Tobiaden und jetzt der Großvater und Vater des Herodes; links die Pharisäer, Nachfolger der Chasidim und nunmehr Vertreter einer bürgerlichen Volkspartei. Letztere hatten schon unter Hyrkan I. gegen das Hasmonäerhaus opponiert (o. S. 75). Gleichzeitig mit den sozialen Auseinandersetzungen im Römerreich trat am Laubhüttenfest ungefähr 90 die Bürgerpartei der Pharisäer demonstrativ gegen Jannäus auf, indem man die Festzitronen auf ihn warf (Jos. Ant. XIII, 327). Eine solche Volksdemonstration war etwas Neues in der jüdischen Geschichte. Dann kam der Mithradateszug 88, der überhaupt einen Vormarsch der Nichtprivilegierten und der Orientalen bedeutete. Jannäus wurde in der Gaulanitis von den Kamelreitern der Nabatäer geschlagen, floh nach Jerusalem und wurde dort vom „Volk" abgelehnt (Jos. ebd. 375f.). Zu denken ist an die von den Pharisäern angeführte Volksmenge, die einen neuen politischen Faktor darstellte. Solche aufwärtsstrebenden Kreise riefen noch im Mithradatesjahr 88 Demetrius III. von Damaskus zu Hilfe, der Jannäus bei Sichern besiegte und ihn zwang, ins Gebirge zu fliehen (ebd. 377-379). Demetrius konnte den Sieg nicht ausnützen, sondern mußte nach Nordsyrien ziehen, wo ihn sein Bruder mit Hilfe der Parther besiegte. Es sei noch bemerkt, daß zur selben Zeit die Juden in Kyrene einen Unruheherd be-
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Das hasmonäische Reich
deuteten (Jos. Ant. XIV, 114). Offenbar reagierte das Judentum vielerorts auf die Schwäche Roms und den Vormarsch des Orients. 3. Die in Rom erneuerte Adelsherrschafi bildete den Rahmen für den dritten Akt der Jannäusgeschichte. Sulla und die Optimaten konnten 86-79 das System wieder herstellen. Mithradates wurde zurückgeschlagen und die Herrschaft des Senats über Italien und den Osten mit neuer Kraft demonstriert, wobei die Volkspartei durch blutige Proskriptionen für den Augenblick lahmgelegt wurde. Auch dem jüdischen Priesterkönig Jannäus gelang es dank dem Zusammenbruch der Mithradatischen Asienpolitik, seine Macht wieder zu befestigen. Nach dem Abzug des Demetrius 88 gewann Jannäus wieder Anhänger, bekämpfte die Volkspartei und führte eine Proskription der Gegner durch, indem er achthundert der Anführer in Jerusalem kreuzigen ließ, während er auf dem Schloßdach mit seinem Harem schmauste (Jos. Ant. XIII, 380). Achttausend Insurgenten seien vor dem Tyrannen ins Ausland geflohen (ebd. 383). Dazu gehörte eventuell die Gemeinde der pharisäisch erscheinenden Damaskusschrift (u. S. 175), wenn ihre Auswanderung nach Damaskus geographisch und nicht symbolisch zu verstehen ist, denn mit dieser Stadt hatten die Pharisäer eben Verbindungen angeknüpft. Jannäus wurde auch nach außen hin wieder reich und mächtig. Zwar hatte er mit den Nabatäern noch einige Schwierigkeiten und errichtete 85 umsonst Palisaden auf der Philisterebene, um den letzten Damaskusseleukiden Antiochus XII. an einem Durchmarsch gegen die Nabatäer zu hindern (ebd. 391). Nachdem aber dieser Seleukide gefallen war und nachdem die Nabatäer das Damaskusreich besetzt und dem Jannäus dann eine Niederlage beigebracht hatten, ließen sie den Judenkönig in Ruhe, vermutlich weil Tigranes von Armenien seit 83 Syrien und Phönizien kontrollierte. Von den Gebieten in der nächsten Umgebung Palästinas eroberte Jonathan große Stücke und wurde aufgrund seiner Erfolge um 80 vom jüdischen Volk wieder mit Jubel empfangen. Es sah damals aus, als ob das Davidsreich wieder auferstanden sei. Jannäus und die Juden beherrschten auch hellenistische Städte und Gebiete der Phönizier, Philister, Idumäer, Nabatäer und Syrer (Jos. Ant. XIII, 395-397):
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am Meere Stratons Turm, Apollonia, Joppe, Jamnia, Asdod, Gaza, Anthedon, Raphia, Rhinocorura; im Inland Adoraim, Marisa, ganz Idumäa, Samarien, den Karmel und den Thabor, Skythopolis, Gadara; in der Gaulanitis Seleucia und Gamala; im Dekapolisgebiet das Kilikiertal und Pella, wobei letzteres wegen Nichtannahme des Judentums zerstört wurde; in Moab Hesbon, Medeba, Lemba usw.
Ein weiter Weg hatte von jenem levitischen Tempelland im Gebirge Juda, das Esra und Nehemia unter persischer Oberhoheit organisieren durften, über das von Simon 142 verselbständigte Hasmonäerland zum militanten Königtum des priesterlichen Kondottiere Jannäus geführt. 4 Unter jüdischer Kontrolle befand sich nunmehr ganz Palästina westlich des Jordans von Idumäa bis Ituräa, obwohl Ptolemais und Askalon unabhängig blieben. Hinzu kamen beträchtliche Gebiete östlich des Jordans vom Hermon bis zum Toten Meer. In diesem Raum lagen mehrere reiche Städte hellenistischer Kultur, die Jannäus aber entweder zerstörte oder unterdrückte. Wenn er politisch an einen der Renaissancepäpste erinnert, so ist kulturell gesehen ein Vergleich jedoch nicht möglich.
c) A l e x a n d r a , H y r k a n I I . u n d A r i s t o b u l I I . Der jüdische Namensvetter des mazedonischen Eroberers Alexander soll vor seinem Tode 76 seiner Gemahlin Alexandra geraten haben, der Bürgerpartei der Pharisäer nachzugeben (Jos. Ant. XIII, 400). Wenn sie in Jerusalem mit deren Parteileitern (gr. stasiotai) verhandelte, würde sie auf die Unterstützung des „Volkes" rechnen können. Alexandra hat jedenfalls während ihrer Regierungszeit 76-67 ein positives Verhältnis zur Pharisäerpartei gesucht und gefunden. Hoherpriester wurde des Jannäus älterer Sohn, Hyrkan II., der notorisch indolent war und im Blick auf die neue Sozialpolitik harmlos erscheinen mußte. Die pharisäischen Volkstribunen steuerten durch ihre Reden die Masse in 4
Die beigefügte Karte „Palästina zur Zeit der Makkabäer und Hasmonäer" zeigt, wie das Hasmonäerreich von 142 bis 80 v. Chr. etwa viermal größer wurde.
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Das hasmonäische Reich
die ihnen genehme Richtung und erließen neue, gegen die Oberschicht gerichtete Gesetze, begannen auch eine Proskription der Jannäusanhänger (Jos. Ant. XIII, 405, 408, 411). Es gab wie in Rom zur Zeit des Pompejus und Spartacus eine Gärung der Mittel- und Unterklasse, nur daß unter Alexandra eine puritanische Partei diesen Verlauf beeinflußte. Selbstverständlich löste das Walten der pharisäischen Volkstribunen in Jerusalem den Widerstand der sadduzäischen Juristen und adligen Offiziere aus. Gleich beim Beginn der Proskription sprachen die jüdischen Magnaten (gr. dynatoi) im Palast vor. Unter ihnen war der jüngere Königssohn Aristobul, der im Sinne des Vaters von militärischer Ehre träumte und das Frauenregiment verachtete. Er und andere junge Helden wurden mit militärischen Beförderungen abgespeist. Als aber die Königin später krank wurde, bemächtigte sich Aristobul der östlichen Grenzfestungen. Nach dem Tode Alexandras 67 machte sich Hyrkan II. zum König. Aristobul II. zog sofort gegen den älteren Bruder, schlug ihn bei Jericho, ließ ihn zwar die Revenuen behalten, aber übernahm selbst die Würde des Priesterkönigs (Jos. Ant. XIV, 6), die er von 66 bis 63 behaupten konnte. In diesem Zeitraum ereignete sich erneut, was schon der Vater der zwei Brüder mit den Pharisäern erlebt hatte, nämlich daß ein fremder Fürst zu Hilfe gerufen wurde, diesmal vom Süden her. Hyrkan selbst unternahm zwar nichts. Aber hinter ihn stellte sich ein Homo novus, der im Geist der Zeit politische Karriere machen wollte. Es war Antipater, dessen idumäischer Vater als Kollaborateur und Statthalter von Idumäa dem Jannäus gedient hatte; er selbst wurde der Vater des späteren Königs Herodes. Ein politischer Streber ersten Ranges, rechnete sich Antipater aus, daß ein Mirwirken zur Wiedereinsetzung des Hyrkan ihm förderlich sein müßte. Hyrkan wurde das Werkzeug der von Antipater angeführten Kapitalistenclique und war damit einverstanden, daß Antipater den König der Nabatäer gegen Aristobul ziehen und diesen im Tempel belagern ließ. Das erschien respektablen Juden zu kraß (Jos. Ant. XIV, 21-28), aber die Belagerung war nicht mehr aufzuheben. Aristobul suchte Unterstützung bei den Römern und rief den Quästor Scaurus herbei, der anläßlich eines neuen Mithradateskrieges im Auftrag des Pompejus nach Damaskus
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gekommen war. Ein römisches Drohwort genügte dann als Abmarschsignal für die Nabatäer. Damit war der Bruderstreit allerdings nicht entschieden, zumal er mit der für jene Zeit charakteristischen Spannung der Gesellschaftsklassen zusammenhing, während Antipater aus persönlichen Gründen den Wettkampf förderte. Nur eine höhere Macht schien die Fortsetzung des Bürgerkrieges aufheben zu können. Das war Rom, dessen Feldherr Pompejus jetzt ganz Vorderasien unter römische Kontrolle bringen wollte, und zwar im Interesse der Hauptstadt und der Neureichen.
IV. PALÄSTINA U N T E R R O M U N D HERODES, 63-4 v. Chr. 1. Der römische Machtbereich a) R o m s A u f s t i e g z u r W e l t m a c h t Die methodisch arbeitende und fortschreitende Stadtrepublik Rom wurde von gewählten, ehrenamtlichen und hierarchisch gegliederten Magistratspersonen verwaltet. Zur öffentlichen Karriere eines Römers gehörten neben bürgerlichen auch priesterliche und militärische Funktionen. An der Spitze des Beamtenstabs standen zwei jährlich gewählte Konsuln mit Amtsantritt am 15. März, seit 153 v. Chr. am 1. Januar. Zwei privilegierte Stände traten in der Republik besonders hervor. - 1. Aufsichtsbehörde der Magistrate war der Senat, eine städtische Altestenversammlung von 300, seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. 600 Mitgliedern. Ursprünglich saßen darin Vertreter der patrizischen Geschlechter (patres), seit dem 5.Jahrhundert v.Chr. wurden einige plebejische, also nicht ganz traditionsreiche und doch bedeutende Familien zugelassen (conscripti), und seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert sogar Neureiche, wobei neben Abstammung auch Beamtenerfahrung als Voraussetzung galt. Dieses römische House of Lords, dessen Mitglieder purpurgefärbte Stiefel, purpurverbrämte Toga und goldenen Ring trugen, bestand hauptsächlich aus Großgrundbesitzern. Sie beherrschten als Oberschicht des Amtsadels die ganze Republik, bis im ersten vorchristlichen Jahrhundert andere Kräfte die Leitung übernahmen, traten aber noch im ersten christlichen Jahrhundert gegen die Kaiser als Fürsprecher der republikanischen Oligarchie auf. - 2. Mit dem Amtsadel, dem 129 v. Chr. Finanztätigkeit verboten wurde, konkurrierten als Geldadel die Industriellen, die von den neueröffneten Handelswegen profitierten. Waren solche Geschäftsleute von sozialem Ehrgeiz erfüllt, konnten sie ihre Söhne als berittene Reserveoffiziere an der öffentlichen Karriere teilnehmen lassen, weil als Qualifikation dazu ein größeres Vermögen genügte. Die anerkannten Reserveoffiziere bil-
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Palästina unter Rom und Herodes
deten die Klasse der sogenannten Ritter, Equites. Man denke an Bürger der Stadt mit einem so großen Vermögen, daß sie im Kriegsfall oder bei Paraden Kavalleriedienst tun konnten. Seit 129 v. Chr. waren die Adligen auch von diesem Dienst ausgeschlossen. Folglich bildeten die Equites keine Adelsklasse wie die mittelalterlichen Ritter, die einem Fürsten zugeordnet waren. Als gelegentlich bewaffnete und berittene Bürger erinnern die römischen Equites eher an die griechischen Epheben, obwohl bei ihnen Vermögen und nicht Ausbildung grundlegend war. Sie erhielten 123 v. Chr. durch Gajus Gracchus (u. S. 87) politische Vorrechte im Interesse des Kapitalismus und trugen als Zeichen ihrer Würde eine Toga mit etwas schmälerem Purpurstreifen als die der Senatoren, seit Vespasian auch einen goldenen Ring (u. S. 268 f.). Beruflich waren sie meist Geschäftsleute. - In der Zeit der Umstellung zur hellenistischen Weltmacht herrschte in der römischen Gesellschaft ein zäher Wettbewerb zwischen den Senatoren und den Geldrittern, wobei letztere auch mit den Bürgern der hellenistischen Städte zu konkurrieren begannen. Rom sorgte immer zielbewußt und energisch für seine Machterweiterung. Es hatte 275 v. Chr. den vom hellenistischen Angriffsgeist beherrschten König Pyrrhus von Epirus zurückgeschlagen und war seither unbestrittene Herrscherin über Untertanen und Bundesgenossen in Mittel- und Süditalien. Während der punischen Kriege wurde die Kapazität der römischen Flotte entwickelt und die Schlagkraft der Armee durch neue Waffen, darunter Wurfspeer, Stoßdegen, sowie durch eine beweglichere Aufstellung als die der mazedonischen Phalanx verstärkt. Unter der Leitung der Brüder Scipio Africanus d. A. und Scipio Asiaticus besiegte Rom zuerst Hannibal 202 westlich Zamas in Numidien und sodann Antiochus III. 190 bei Magnesia in Lydien (o. S. 58). Die ganze Mittelmeerwelt kam dadurch unter die Kontrolle der Tiberstadt. Mazedonien wurde nach der Schlacht bei Pydna 168 (o. S. 62) ein viergeteiltes Vasallenreich und 148 eine römische Provinz, die nach der Zerstörung Korinths 146 v. Chr. auch Griechenland umfaßte. Im selben Jahr wurde Karthago durch Scipio Africanus d. J. vernichtet. Wachsende römische Interessen in Ägypten sowie überlieferte Gegensätze zu Phönizien und Syrien führten zur Bereitschaft des Senats, sich mit Hasmonäern und Juden
Der römische Machtbereich
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solidarisch zu erklären (o. S. 73). Das hellenistische Königreich Pergamon kam durch Vermächtnis 133 in römische Hände und wurde als die Provinz Asien organisiert. Mit dieser östlichen Ausbreitung des Einflusses stand die römische Republik da als die größte Macht der hellenistischen Welt. Auch ließen sich führende Römer, wie die Scipionen und Gracchen, gerne hellenisieren, und obwohl Latein noch interne Bedeutung hatte, bemühten sich römische Weltbürger und Politiker um griechische Sprache und Bildung, besonders um asiatische Rhetorik und (seit 155 v. Chr.) stoische Philosophie (u. S. 44.276.309). Im letzten Drittel des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts wurde die Machtentfaltung durch Klassenkämpfe aufgehalten. Die alte Gesellschaftsordnung entsprach nicht den Verhältnissen des Weltreichs. Sie wurde von den aristokratisch gesinnten Optimates verteidigt, aber von den volkstümlich denkenden Populares angegriffen. Dabei lassen sich drei Parteien unterscheiden (o. S. 78): - 1. Als konservative Gutsbesitzerklasse und Adelspartei versuchten die senatorische Nobilität und die übrige Aristokratie, jede Einschränkung ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Vorrechte zu hindern. - 2. Die durch Geschäftstätigkeit begütert gewordenen Ritter und ihre Kollegen, die Herrenpartei, kämpften eifrig für eine Vermehrung von Rang und Macht, wollten also zu den Optimates gehören. Sie verbanden sich aber gelegentlich aus opportunistischen oder idealistischen Gründen mit den unteren Klassen und peripheren Gruppen, wobei sie als Populares in Erscheinung traten. - 3. Unterdrückte oder benachteiligte Volksgruppen waren die zahlreichen Städter in Rom, ruinierte oder noch kämpfende Kleinbauern auf dem Lande und entfernt wohnende Unternehmer. Sie strebten nach erweitertem Bürgerrecht und anderen Vorteilen, waren dabei auf die Hilfe volkstümlich gesinnter Adliger und Bürger angewiesen, so daß unter verschiedenen Konstellationen eine Volkspartei hervortrat. Als stoisch beeinflußte Leiter der Populares führten nun die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus soziale Reformen durch, jener zugunsten der Kleinbauern, dieser zugunsten der Geldritter. Zwar wurde der eine Bruder 133, der andere 122 v. Chr. umgebracht, aber die Reformen wirkten teilweise nach. Vor allem konnten sich die Ritter als Publicani oder staatliche Unter7
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nehmer im Rahmen des Steuerwesens der Provinz Asien und des Verkehrswesens Italiens bereichern. Die nach den Gracchen wieder herrschende Adelspartei bewies ihre Untauglichkeit in zwei Kriegen, die Italien berührten, nämlich gegen Jugurtha in Afrika und gegen Kimbern und Teutonen in Gallien. Jetzt rettete ein Mann von der Herrenpartei die römische Waffenehre. Es war Marius, der nach hellenistischem Vorbild wurzellose Existenzen als Söldner warb und damit 106-101 v. Chr. die Feinde im Süden wie im Norden besiegte. Rom ersetzte nachher mehr und mehr seinen Heerbann durch solche Berufssoldaten, die in Kriegsführung und Verteidigung beweglicher und brauchbarer waren. Weil aber mehrere Bewerber um die Macht im Staat auf die Idee kamen, Söldnerheere aufzustellen und mit deren Hilfe auch innenpolitische Gegner anzugreifen, leitete die Armeereform des Marius eine Periode von Bürgerkriegen ein, die bis zum Sieg Oktavians bei Actium 31 v. Chr. dauerte. Marius war trotz seiner Siege politisch nicht stark genug, um mit Unterstützung der Volkspartei weiterzugehen, sondern mußte seine Herrenpartei unter den Schutz der konservativen, von Sulla angeführten Adelspartei stellen. Er erhielt nicht das Oberkommando in Kleinasien, wo er gegen den expansiven König Mithradates von Pontus einen für die Geldritter ertragreichen Krieg führen zu können hoffte. Widerwillig mußte Marius in Italien gegen römische Bundesgenossen kämpfen, die das Bürgerrecht beanspruchten. Der 91-89 dauernde Sonderbundkrieg endete damit, daß römisches Bürgerrecht auf die Munizipien der mit Rom verbündeten Italiker übertragen wurde. Mithradates nützte diese innenpolitische Krise aus und führte 88-85 mit Rom den ersten pontischen Krieg, der mit seiner Eroberung von Asien und Hellas begann. Gleichzeitig war die Hauptstadt des Römerreichs einem Bürgerkrieg ausgesetzt, der sowohl mit dem Wettstreit der Senatorischen und der Ritterlichen um das orientalische Kommando wie mit Bemühungen der Linkspolitiker um individuelle Erweiterung des Bürgerrechts zusammenhing. Sulla trieb Marius aus Rom und zog auftragsgemäß gegen Mithradates, dann machten sich Marius und der linksgesinnte Cinna mit Gewalt zu Konsuln, jedoch starb ersterer im Januar 86 an Altersschwäche. Inzwischen vertrieb Sulla die pontischen Truppen aus Griechenland,
Der römische Machtbereich
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zwang Mithradates 85 zum Friedensschluß und reorganisierte 84 die Provinz Asien. Der zweite Mithradateskrieg 83-81 brachte keine Änderung der Lage. Nach langem Kampf in Italien stellte Sulla dann in Rom die Macht der Senatoren wieder her. Oben wurde geschildert, wie Jannäus in Palästina gleichzeitig eine pharisäische Revolution bekämpfte und nachher die sadduzäische Autorität vergrößerte (o. S. 79f.). Sulla erneuerte als Diktator die aristokratische Verfassung und zog sich dann von der Politik zurück. Jedoch blieb die römische Innen- und Außenpolitik auch nachher voller Spannungen. Nur zum Teil waren die Ansprüche der Industriellen und der Nichtprivilegierten erfüllt. Vor allem störten Seeräuber den für Rom wichtigen Osthandel, und 74 begann Mithradates im Bund mit Tigranes von Armenien einen dritten Krieg, der bis 64 dauerte. In dieser Lage trat der zur Adelspartei gehörende Lucullus, für seine Kunstliebe bekannt, als tüchtiger Vorkämpfer der römischen Ostherrschaft auf, und in der Schlußphase der zur Herrenpartei übergetretene Pompejus. Durch letzteren wurde die römische Levantemacht auf kapitalistischer Basis gefestigt und auch über das ehemalige Seleukidenreich einschließlich Palästinas erweitert.
b) P o m p e j u s b e s e t z t P a l ä s t i n a Pompejus machte Jerusalem den Römern steuerpflichtig, trennte aber die Städte Zölesyriens ah, deren sich die Juden bemächtigt hatten, und unterstellte diese seinem Legaten (Jos.Ant. XIV,74). Als er 23 Jahre alt war, stellte Pompejus (106-48 v. Chr.) ein Söldnerheer auf, mit dem er für den Adel und Sulla ins Feld zog. Er ging aber 70 v. Chr. zur Herrenpartei, zum Millionär Crassus und Rechtsanwalt Cicero über und trug zu gewissen Reformen der Sullaverfassung bei, die in Italien den zurückgestellten Volksgruppen, in den Provinzen den römischen Finanzkreisen zugute kommen sollten. Um römische Investi7*
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tionen vorzubereiten, erhielt Pompejus unbeschränkte Vollmacht, mit seinen Truppen die Seeräuber im Mittelmeer zu bezwingen. Er verschaffte sich auch den Auftrag, den Krieg gegen Mithradates von Pontus und Tigranes von Armenien zu Ende zu führen, obwohl Lucullus den Krieg bisher erfolgreich geleitet hatte. Pompejus löste beide Aufgaben glänzend und kam 64 nach Damaskus, um das seleukidische, zuletzt von Tigranes kontrollierte Syrien als römische Provinz zu organisieren. Dort antichambrierten bei Pompejus die Vertreter der drei Judenparteien. 1. Aristobul II. mit einigen in Paradeuniform stolzierenden Adelsjunkern, was Pompejus an die revolutionären Catilinarier erinnern mußte; 2. Hyrkan II. mit einer von Antipater aufgebotenen Schar der Vermögenden; 3. die Fürsprecher des „Volkes", die beteuerten, von keiner Monarchie, sondern höchstens von einem Priesterregiment wissen zu wollen (Jos.Ant. X I V , 41-45). Am liebsten hätte Pompejus zunächst die Nabatäer inspiziert, wurde aber durch militärische Maßnahmen der Rechtsextremen veranlaßt, Aristobul zu verhaften und sofort gegen Jerusalem zu marschieren. Der defaitistische Hyrkan ließ die Tore öffnen, und natürlich war es den erfahrenen Soldaten des Pompejus nicht schwierig, nach Fertigstellung der Belagerungsmaschinen den vom Priesteradel verteidigten Tempelplatz zu erstürmen. Pompejus und sein Stab betraten im Sinne einer römischen Besitznahme das Allerheiligste im Herbst 63 v. Chr. an einem Festtag, vermutlich am Versöhnungstag ( X I V , 66.72). Hyrkan durfte zur Belohnung das Hohepriesteramt behalten. Judäa war damit wieder ein kleines Tempelland unter fremder Oberhoheit geworden. Wie es früher zur persischen Satrapie Transeuphrat und zum hellenistischen Ägypten und Syrien gehört hatte, so wurde es nun 63 von Pompejus der römischen Provinz Syrien zugeordnet, deren Hauptorte Antiochien und Damaskus waren. Außerdem wurde das Land, das Hyrkan II. vorläufig als Klient verwalten durfte, auf Judäa, Peräa und Galiläa beschränkt. Die zwei letztgenannten Gebiete waren unter den Hasmonäern so wirkungsvoll judaisiert worden, daß sie zum jüdischen Tempel und nicht mehr zur hellenistischen Kultur gerechnet werden mußten. Aber die von Hyrkan I., Aristobul I. und Jannäus eroberten und in der Regel zerstörten Po-
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leis im Westen, in Samarien und im Osten wurden abgetrennt und der Provinz Syrien zugeschlagen. Pompejus und seine Nachfolger ließen sie wieder aufbauen, weil Rom nach den Mithradateskriegen in der hellenistischen Stadtkultur überhaupt das beste politische und merkantile Instrument für den Osten sah. Wegen dieser pompejanischen Restauration des Hellenismus wurden Judäa, Peräa und Galiläa, die Landschaften, in denen Johannes der Täufer, Jesus und die ersten Apostel lebten, durch Reihen von hellenistischen und als fremd empfundenen Handels- und Kulturorten umgeben oder gespalten. Strategisch war nunmehr ganz Palästina für Rom wichtig. Hatte das Land vorher an der Militärstraße gelegen, die von Persien, Mesopotamien und Syrien nach Ägypten führte, und war es immer wieder in diesem von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Spannungsfeld hin und her gezerrt worden, so bildete Palästina jetzt mit Syrien und Phönizien zusammen die Landbrücke zwischen den für Roms Versorgung wichtigen Interessensphären Kleinasien und Ägypten. Dabei saßen in Transjordanien und im Süden die noch unbezwungenen Nabatäer, die weiterhin den Karawanenhandel zwischen Asien und Afrika kontrollierten. Zu berücksichtigen war auch das seit dem Sturz der Könige von Syrien, Pontus und Armenien immer akuter werdende Vorrücken des Partherreiches gegen das Mittelmeer. Für die Römer war es also sehr wichtig, das Heilige Land in Händen zu halten. 2. Triumvirn, Antipater
und Herodes, 63-4 v. Chr.
Die mit der römischen Besetzung Palästinas 63 v. Chr. beginnende Epoche der jüdischen Geschichte wurde von den Beziehungen palästinischer Usurpatoren zu den römischen Triumvirn bestimmt. Es war überhaupt eine Zeit der Usurpatoren und Machthäscher. Antipater legte durch geschicktes Intrigieren den Grund für das Königtum des Herodes, aber Vater wie Sohn waren von den Großen der Welt: Pompejus und Cäsar, Antonius und Oktavian, restlos abhängig. Die wichtigsten Namen und Daten der Periode bis zum Tode des Herodes 4 v. Chr. werden unten tabellarisch angeführt (S. 92).
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