228 28 21MB
German Pages 330 [332] Year 1990
Baacke • Schäfer • Treumann • Volkmcr Neue Medien und Erwachsenenbildung
Dieter Baacke • Erich Schäfer Klaus Peter Treumann • Ingrid Volkmer
Neue Medien und Erwachsenenbildung
w DE
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1990
P r o f . D r . phil. Dieter Baacke D r . phil. Brich Schäfer P r o f . D r . phil. Klaus Peter Treumann D r . phil. Ingrid Volkmer F a k u l t ä t f ü r P ä d a g o g i k der U n i v e r s i t ä t Bielefeld
G e d r u c k t mit U n t e r s t ü t z u n g d e s K u l t u s m i n i s t e r i u m s d e s L a n d e s N R W u n d des B u n d e s m i n i s t e r s f ü r B i l d u n g u n d W i s s e n s c h a f t
D a s B u c h enthält 5 A b b i l d u n g e n u n d 70 T a b e l l e n
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der Deutschen Bibliothek
N e u e M e d i e n und E r w a c h s e n e n b i l d u n g / Dieter Baacke ... — Berlin ; New York : de Gruyter, 1990 ISBN 3-11-012447-5 NF.: Baacke, Dieter [Mitverf.]
© Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Finspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: WB-Druckj Rieden Buchbinderische Verarbeitung: Dieter Mikolai, Berlin Umschlaggestaltung: Johannes Rother, Berlin
Vorwort "Radio — die Volkshochschule der Nation", so klang es in den 20er Jahren; "Fernsehen macht passiv und verdummt", so die Intellektuellen —Meinung der 60er Jahre; "Die Medien sind die Zukunftsinvestitionen schlechthin", so die gegenwärtige Meinung. Wie alle Schlagzeilen verkürzen auch diese die Realität, geben aber Hinweise auf Trends, die es jeweils zu analysieren gilt. Die vorliegenden Untersuchungen zum Kabelpilotprojekt Dortmund über den Einfluß von Medien auf das Weiterbildungsverhalten Erwachsener sind der gelungene Versuch, die gegenwärtigen Globalthesen zu differenzieren und Hinweise auf Probleme und mögliche Initiativen zu geben. Eine Verteufelung der Medien ist sicherlich genauso wenig verantwortungsvoll wie ein gedankenloses Laufenlassen der Entwicklung. Jeder, auch die Verantwortlichen in den Bildungseinrichtungen und in der (Weiter —)Bildungspolitik, müssen sich einmischen, müssen versuchen mitzugestalten, müssen ihre Position zu Gehör bringen. Rundfunk ist keine Pivatsache des Veranstalters, Folgen sind nicht nur individuell und Schule und Erwachsenenbildung keine Mitläufer oder Reparateure medialer Fehlentwicklungen: Eigenständigkeit, kritische Begleitung und Anreger —Funktionen können und müssen für eine möglichst große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern realisierbar bleiben oder (wieder) werden. Die Untersuchung gibt eine Fülle von Anregungen, Empfehlungen und bietet Anlaß für Diskussionen und zeigt Wege auf. Den Autoren und der Forschungsgruppe danke ich für die geleistete Arbeit und wünsche Ihnen, daß die angeregte Diskussion weiterführt. r
I Kultusminister des Landes Nordrhein —Westfalen
Abstract The effects of the expanded audio —visual media offerings on the educational interests of the audience and on the institutions of adult education are the focus of the submitted study. A two year investigation in the framework of scholarly research was conducted on the Cable Pilot Project in Dortmund (North —Rhine Westfalia, West Germany) where cable television was given a trial run for three years. This research study "Neue Medien und Erwachsenenbildung" (New Media and Adult Education) was focused on the impact of the enlarged national and local television and radio programs in the field of local adult education. The research design contained two separate quantitative surveys, each consisting of 700 different households; interviews with experts of adult education, and in—depth interviews with heavy users of the educational channel. The educational program, which was produced in cooperation with local institutions of adult education, was interpreted with a qualitative content analysis. A methodological characteristic of this research study is the multi — level analysis which combines quantitative as well as qualitative methods. This allows an enlarged picture of the effects of broadcasts for educational purposes. Increasing the television and radio offerings in the Cable Pilot Project tended to socially and culturally polarize the residents of Dortmund. There is an immediate connection between the amount of television watched and the amount of attendance in adult education courses: the more television watched by the interviewed Dortmund residents, the less willing they were to participate in advanced training, retraining and other forms of adult education. Television and radio are brought into the consciousness of people, especially those with lower levels of education, as above all having an entertainment function, not as having an educational function. There is no competition between the educational programs on television and radio, and the courses offered by adult education institutions. People with a higher educational background attend more courses and are more frequently interested in programs concerning education and the arts. This segment of the population favors the establishment of an educational television channel.
VIII
Abstract
It is interesting that documentary and news programs in television, and to a smaller extent in radio, are having an impact in terms of incidental and intentional learning within the interviewed household's. The "new" media in West Germany (i.e. cable television and local broadcasting) obviously have their special strength in the areas of education, which allows perspectives for the development of new programs in the future. From the viewpoint of the institutions of adult education, the new local broadcasting stations are especially suited for the spreading of information about local adult education courses. Institutions who have already produced educational programming for local television see a need for supporting independent groups who wish to produce their own programs for the local public access channel. From the results of the study, recommendations are being compiled relating to new forms of cooperation between television and radio stations and networks, and the institutions of adult education.
Inhalt 1
Einleitung
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4
Ausgangspunkt und Problemstellung Rahmenbedingungen Das Weiterbildungsgesetz von Nordrhein —Westfalen Die Dortmunder Weiterbildungslandschaft Der Kabelfunk Dortmund Zur Anlage der Studie Danksagungen
1 1 2 3 4 6 10
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.2.1
Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern Sekundäranalytische Auswertung von GfK —Daten Zum methodischen Vorgehen Ergebnisse der Sekundäranalyse Der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und sozialem, politischem sowie lokalem Engagement Stadtteilverbundenheit und soziales, kulturelles sowie weiterbildungsbezogenes Engagement Kontakt und Auseinandersetzung mit Medienproduzenten in Abhängigkeit von bildungsbezogenen Aktivitäten oder vice versa? Fernsehkonsum und Weiterbildungsaktivitäten Sozioökonomischer Status und Art des als Informationsquelle genutzten Massenmediums Sozioökonomischer Status und Freizeitverhalten Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle Fragestellung Methodisches Vorgehen Zur Charakterisierung der Befragtenstichprobe der ersten Befragungs welle Bildung als persönlich und sozial erwünschtes Gut Zum Verhältnis von Lernen und Neuen Medien Fernsehen und Hörfunk als Medien für beiläufiges Lernen Fernsehen und Hörfunk als Medien für intentionales Lernen Zur Bedeutung von Spartenkanälen und Radio Dortmund als Programmträger für Lernaktivitäten
13 13 13 14
2.1.2.2 2.1.2.3
2.1.2.4 2.1.2.5 2.1.2.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.6
1
14 16
17 19 19 20 21 21 22 22 25 27 27 35 41
X
2.2.7 2.2.8 2.2.9 2.2.10 2.2.11 2.2.12 2.2.13 2.2.14 2.2.15 2.2.16 2.2.17 2.2.18 2.2.19 2.2.20 2.2.21 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.11 2.3.12
10 Inhalt
Zum Verhältnis von Angeboten der Neuen Medien und den Einrichtungen der Weiterbildung Nutzung spezieller Bildungsangebote in Fernsehen und Hörfunk Motive zur Nutzung spezieller Bildungsangebote im Fernsehen Funktionen von Fernsehsendungen zum Lernen Informationsquellen für bildende Fernseh— und Rundfunksendungen Ablehnungsgründe für medienbezogene Lernaktivitäten Der Bildungskanal als Zielgruppenprogramm Audiovisuelle Medien und Weiterbildungsveranstaltungen im Vergleich Einschätzung des Medienverbundes auch im Vergleich zu konkurrierenden Lernwegen Teilnahme von Kabelprojektteilnehmern an Weiterbildungsveranstaltungen Nutzungsfrequenz der Veranstaltungen unterschiedlicher Anbieter von Weiterbildung Motive für den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen Hauptinformationsquellen für Weiterbildungsangebote Nutzen und Ertrag von Weiterbildungsveranstaltungen Gründe für Weiterbildungsabstinenz Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer im Vergleich Fragestellung und methodisches Vorgehen Merkmale von Weiterbildungsaktiven Der Stellenwert von Bildung für Weiterbildungsaktive und — distanzierte Nutzung von Fernsehen und Hörfunk für Lernaktivitäten Inzidentelles Lernen Intentionales Lernen Nutzung spezieller Bildungangebote Zur Konkurrenz von medialen Bildungsangeboten und Weiterbildungsveranstaltungen Hinderungsgründe für die Nutzung audiovisueller Medien zum Lernen Informationsquellen für bildungsbezogene Sendungen Nutzungsfrequenz des Bildungskanals Gründe gegen eine Nutzung des Bildungskanals
44 46 47 48 49 51 52 56 59 60 61 66 68 69 71 72 72 73 74 74 75 76 76 77 78 78 80 80
10 Inhalt
2.3.13 2.3.14 2.3.15 2.3.16 2.3.17 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 2.4.8 2.4.9 2.4.10 2.4.11 2.4.12 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.3.1 2.5.3.2 2.5.3.3 2.5.3.4 2.5.4 2.5.4.1
XI
Meinungen zur Einrichtung eines eigenen Bildungskanals Audiovisuelle Medien und Weiterbildungseinrichtungen im Vergleich Nutzung der Printmedien und der Neuen Medien als Informationsquellen Attraktivität des Lernweges Medienverbund Motive und Vorzüge für den Besuch von Veranstaltungen der Erwachsenenbildung Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle Nutzungsmuster audiovisueller Medien Präferenzen unterschiedlicher Lernwege Einstellungen zur Einrichtung eines eigenen Bildungs — und Kulturprogramms im Hörfunk Programmwünsche an ein Bildungs— und Kulturprogramm im Hörfunk Ablehnungsgründe für die Nutzung von Fernsehen und Hörfunk zum Lernen Rezeption unterschiedlicher Sendearten des Fernsehens Rezeption unterschiedlicher Sendearten des Hörfunks Nutzungsintensität unterschiedlicher Fernseh— und Hörfunkprogramme Motive für die Inanspruchnahme von Fernsehsendungen zum Lernen Die Bedeutung des Fernsehens als Ergänzung von Weiterbildungskursen Informationsquellen über Bildungsprogramme in den Medien Lernen mit Printmedien und audiovisuellen Medien: Ein Vergleich zwischen Buch und Fernsehen Intensivnutzer des Bildungskanals Untersuchungsziele und methodisches Vorgehen Soziodemographische Merkmale Mediennutzung und Weiterbildungsverhalten Allgemeine Mediennutzung zu Bildungszwecken Programmwünsche an einen Bildungskanal Lernwege und Lernstrategien Stellenwert von Bildung und Weiterbildungsaktivitäten Typologie der Intensivnutzer Die an Fremdsprachen Interessierten
81 82 84 85 86 87 88 92 93 95 96 99 104 107 111 112 113 116 121 121 123 124 124 129 131 137 138 138
XII
2.5.4.2 2.5.4.3 2.5.4.4 2.5.4.5 2.5.5
10 Inhalt
Die unterhaltungsorientierten Älteren Die an gesellschaftlicher Teilhabe interessierten Arbeiter Die an Unterrichtsmaterialien interessierten Pädagogen Die an Allgemeinbildung interessierten beruflich Etablierten Gemeinsamkeiten in der Bewertung des Bildungskanals
Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen Institutionsspezifische Aspekte Typologie der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen in ihrer Einstellung zum Kabelpilotprojekt 3.1.1.1 Die Engagierten 3.1.1.2 Die abwartend Interessierten 3.1.1.3 Die Resignierten 3.1.1.4 Die Ambivalenten 3.1.1.5 Die Desinteressierten 3.1.1.6 Fazit 3.1.2 Ergebnisse der Institutionenbefragung von 1986 3.1.2.1 Die Haltung der Erwachsenenbildungsträger zum Kabelpilotprojekt 3.1.2.2 Die Haltung der Leitung der Weiterbildungseinrichtungen zum Kabelpilotprojekt 3.1.2.3 Die Haltung der hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter zum Kabelpilotprojekt 3.1.2.4 Zur Rolle der Weiterbildungslehrer und Kommunikationshelfer 3.1.2.5 Zum Einsatz von Informations — und Kommunikationstechniken in der Verwaltung 3.1.2.6 Zur Rolle der Kursleiter 3.1.2.7 Das Klientel der Weiterbildung 3.1.2.8 Das Veranstaltungs — und Fortbildungsangebot zum Themenkomplex 'Neue Informations— und Kommunikationstechniken' 3.1.2.9 Kabelanschluß, medientechnische Ausstattung und Medieneinsatz 3.1.3 Ergebnisse der Institutionenbefragung von 1988 3.1.3.1 Die Mitarbeiter der Weiterbildungsinstitutionen und das Kabelpilotprojekt: Einstellungen, Nutzung der Programme und aktive Medienarbeit 3.1.3.1.1 Hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter 3.1.3.1.2 Kursleiter 3 3.1 3.1.1
141 143 145 148 150 153 153 153 153 154 155 155 156 156 158 158 161 163 164 166 167 169 171 173 176
176 176 177
XIII
10 Inhalt
3.1.3.1.3 Erfahrungen der Kommunikationshelfer in einem neuen Arbeitsfeld 3.1.3.2 Zur Resonanz der Kursteilnehmer auf das Kabelpilotprojekt 3.1.3.3 Einstellung zu und Nutzungsprofile von 'Neuen Informations — und Kommunikationstechniken' 3.1.3.3.1 Computer 3.1.3.3.2 Bildschirmtext 3.1.3.4 Veranstaltungsangebot im Bereich 'Neue Informations— und Kommunikationstechniken' 3.2 Kooperationsbeziehungen der Weiterbildungseinrichtungen 3.2.1 Kooperation innerhalb des quartären Bildungssektors 3.2.2 Zur Entwicklung des lokalen Medienverbundes 3.2.3 Kritik und Verbesserungsvorschläge zur Arbeit eines lokalen Medienverbundes 3.3 Die Beziehungen der Weiterbildung zur Projektstelle des Westdeutschen Rundfunks 3.3.1 Die Einstellungen zum Kabelfunk 3.3.2 Formen der Zusammenarbeit mit dem Kabelfunk 3.3.3 Mitwirkung an Fernsehproduktionen 3.4 Auswirkungen des Kabelpilotprojekts auf die Weiterbildung 3.4.1 Veränderungen innerhalb der Weiterbildungseinrichtungen 3.4.2 Veränderungen in der Dortmunder Weiterbildungslandschaft 3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunk3.5.1 3.5.1.1 3.5.1.2 3.5.1.3 3.5.1.4 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5
gesetzes Mögliche Formen der Beteiligung von Weiterbildungseinrichtungen am lokalen Rundfunk Präferenzen im Meinungsbild Profile der Szenarien Faktoren des Meinungsbildungsprozesses Sonstige Beteiligungsformen am lokalen Rundfunk Voraussetzungen und Bedingungen für eine Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk Umsetzungsprobleme des Landesrundfunkgesetzes Möglichkeiten der Klientelerweiterung durch die Beteiligung am lokalen Rundfunk Resümee und Ausblick
178 178 179 179 180 181 182 182 183 185 186 186 187 190 191 191 194 195 198 202 202 204 204 207 211 214 216
XIV
10 Inhalt
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Lokaler Medien verbünd Planungskoordination Eigenproduktionen der Weiterbildungseinrichtungen Serviceleistungen des Adolf—Grimme —Instituts Chancen eines Programmverbundes Resümee
219 219 221 221 222 223
5 5.1 5.1.1 5.1.2
Bildungsrelevante Programmangebote Bildungswerbung als Programmangebot Modelle des Lokalen Medien Verbunds zur Bildungswerbung Inhaltsanalytische Auswertung von drei Sendungen zur Bildungswerbung "Volkshochschule stellt sich vor" "Weiterbildung für Frauen" "Bildungsjournal" (Mai, 1987) Bildungs Werbung — Zielgruppenwerbung? Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturprogrammen Bildung und Kultur als Programmauftrag — Anspruch und Wirklichkeit Zur Konzeption des Bildungskanals "Die kluge Sieben" Akzeptanz des Bildungskanals "Die kluge Sieben"
225 225 228
269 270 279 284 288 291 292
6.8 6.9
Perspektiven, Aufgaben und Empfehlungen Bevölkerungsgruppen Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung Bildungssrelevante Programmangebote Lokale Rundfunkveranstaltungen Empfehlungen für die Weiterbildung Empfehlungen für Veranstalter von Rundfunkprogrammen Empfehlungen zur Kooperation von Weiterbildungseinrichtungen und Rundfunkanstalten (insbesondere lokaler Rundfunk) Empfehlungen für den Gesetzgeber Empfehlungen für weitere Forschungen
7
Anmerkungen
299
8
Literatur
305
5.1.2.1 5.1.2.2 5.1.2.3 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7
232 236 240 245 249 252 252 256 258
293 295 296
Tabellenverzeichnis Tab.l:
Frage Nr. 49 — Alter in Jahren (Häufigkeitsverteilung)
23
Tab.2:
Frage Nr. 52 — Schulbildung (Häufigkeitsverteilung)
23
Tab.3:
Frage Nr. 53 - Berufsausbildung (Häufigkeitsverteilung)
24
Tab.4:
Frage Nr. 55 - Stellung im Beruf (Häufigkeitsverteilung)
25
Tab.5:
Fragen Nr. 32 und 34 — Bereichsspezifische Bedeutung der Bildung für die Menschen bzw. für einen selbst
26
Frage Nr. 1 — Lernen bei Fernsehsendungen: Bewertungskategorie "viel gelernt"
29
Tab.6a: Tab.6b:
Frage Nr. 1 — Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen) 31
Tab.7a:
Frage Nr. 11 — Lernen bei Hörfunksendungen: Bewertungskategorie "viel gelernt"
32
Frage Nr. 11 — Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen)
35
Frage Nr. 2 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen: Bewertungskategorie: "häufig"
36
Frage Nr. 2 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen)
38
Frage Nr. 13 — Intentionales Lernen bei Hörfunksendungen: Bewertungskategorie: "häufig"
39
Frage Nr. 13 — Intentionales Lernen bei Hörfunksendungen (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen)
40
Frage Nr. 3 — Einschaltquoten von Fernsehprogrammen/ —kanälen für Lernaktivitäten
42
Frage Nr. 12 — Einschaltquoten von Hörfunksendungen/ —kanälen für Lernaktivitäten
43
Frage Nr. 6 — Motive für die Nutzung spezieller Bildungssendungen zum Lernen
47
Frage Nr. 5 — Funktionen der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen
48
Tab.7b: Tab.8a: Tab.8b:
Tab.9a: Tab.9b: Tab.10: Tab.ll: Tab. 12: Tab.13:
XVI
Tab. 14: Tab.15: Tab. 16: Tab. 17:
Tabellenverzeichnis
Frage Nr. 10 — Informationsquellen für Fernsehsendungen zur Nutzung zum Lernen
49
Frage Nr. 20 — Informationsquellen für Hörfunksendungen zur Nutzung zum Lernen
50
Frage Nr. 9 — Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen
51
Frage Nr. 19 — Ablehnungsgründe der Nutzung von Hörfunksendungen zum Lernen
52
Tab. 18:
Frage Nr. 22 — Ausmaß der Nutzung des Bildungskanals "Die kluge Sieben" 53
Tab.19:
Frage Nr. 23 — Ablehnungsgründe gegenüber der Einrichtung eines Bildungskanals
53
Frage Nr. 24 — Einstellungen gegenüber der Einrichtung eines Bildungskanals
54
Frage Nr. 25 — Erwünschte Programmangebote im Fernsehen für Bildungszwecke
55
Frage Nr. 26 — Vorzüge des Fernsehens als Lernmedium gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen
56
Frage Nr. 27 — Vorzüge des Hörfunks als Lernmedium gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen
57
Frage Nr. 28 — Vorzüge von Weiterbildungsveranstaltungen gegenüber dem Lernen bei Hörfunk— oder Fernsehsendungen
58
Frage Nr. 46— Ausmaß der Präferenzen der Kabelprojektteilnehmer für unterschiedliche Lernarrangements
60
Frage Nr. 40 — Organisationsformen von Weiterbildungsveranstaltungen
61
Tab.20 Tab.21: Tab.22: Tab.23: Tab.24: Tab.25: Tab.26: Tab.27:
Frage Nr. 42 — Weiterbildungseinrichtungen und ihre Nachfragequote 62
Tab.28a:
Frage Nr. 41 — Themen der von den Kabelprojektteilnehmern im Jahr 1986 besuchten WeiterbildungsVeranstaltungen
63
Frage Nr. 41 — Klassifizierung der von den Kabelprojektteilnehmern besuchten Weiterbildungsveranstaltungen
65
Frage Nr. 44 — Motive für den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen
67
Tab.28b: Tab.29:
Tabellenverzeichnis
Tab.30:
XVII
Frage Nr. 43 — Ausgangspunkte von Anregungen zur Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen
68
Tab.31:
Frage Nr. 45 — Informationsquellen für Weiterbildungsangebote
69
Tab.32:
Frage Nr.47 — Nutzen und Ertrag einer Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen
70
Frage Nr. 36 - Gründe für die Nichtteilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen
71
Tab.33: Tab.34a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 36 — Funktionen der Nutzung des Fernsehens aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer (Prozentuale Häufigkeitsverteilung) 89
Tab.34b:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 36 — Funktionen der Nutzung des Fernsehens aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen) 89
Tab.35a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 37 — Funktionen der Nutzung des Hörfunks aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer (Prozentuale Häufigkeitsverteilung) 91
Tab.35b:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 37 — Funktionen der Nutzung des Hörfunks aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen) 91
Tab.36:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 35 — Persönlich bevorzugte Lernstrategien zur Aneignung themenspezifischen Wissens
93
Tab.37:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 28 - Einstellungen gegenüber der Einrichtung eines eigenen Bildungs— und Kulturprogramms im Hörfunk 94
Tab.38:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 29 — Erwünschte Programmangebote für den Bildungs— und Kulturbereich im Hörfunk 95
Tab.39:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 9 — Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmnern, die das Fernsehen nicht als Bildungsmedium nutzen
Tab.40:
97
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 20 — Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Hörfunksendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio nicht als Bildungsmedium nutzen 98
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tab.41a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 3 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen 100
Tab.41b:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 3 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen 101
Tab.42a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 14 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Radio als Bildungsmedium nutzen
104
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 14 — Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Radio als Bildungsmedium nutzen
106
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 4 — Einschaltquoten von Fernsehprogrammen/ —kanälen für Lernaktivitäten bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen
108
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 15 — Einschaltquoten von Hörfunkprogrammen/— kanälen für Lernaktivitäten bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio als Bildungsmedium nutzen
110
Tab.42b:
Tab. 43:
Tab. 44:
Tab. 45:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 7 — Motive für die Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, 111 die das Fernsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen
Tab. 46:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 6 — Funktionen der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen 112
Tab. 47:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 8 — Informationsquellen für Fernsehsendungen zur Nutzung zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen
114
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 19 — Informationsquellen für Hörfunksendungen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio als Bildungsmedium nutzen
115
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 34 — Lernen bei der Lektüre verschiedener Arten von Büchern: Bewertungskategorie "viel gelernt"
117
Tab. 48:
Tab. 49a:
Tabellenverzeichnis
Tab.49b:
Tab.50:
Tab.51: Tab.52: Tab.53:
XIX
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 34 — Lernen bei der Lektüre verschiedener Arten von Büchern (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen)
118
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 1 — Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen (arithmetische Mittelwerte und Standardabweichungen)
120
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 1 — Inzidentielles Lernen bei Fernsehsendungen
125
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 3 — Intentionales Lernen bei Fernsehsendungen
127
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 27 — Progammwünsche an einen Spartenkanal für Bildung im Fernsehen
130
Tab.54:
Zweitererhebungszeitpunkt, Frage Nr. 30 — Vorzüge des Fernsehens als Bildungsmedium 132
Tab.55:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 32 — Vorzüge der Weiterbildungsveranstaltungen als Bildungsmedium
133
Tab.56:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 51 — Lernwege
134
Tab 57:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 35 — Lernstrategien
135
Tab.58:
Beurteilung von Beteiligungsformen der Weiterbildung am lokalen Rundfunk
203
Tab.59:
Häufigkeit von Bildungsbereichen in den analysierten Sendungen
231
Tab.60:
Häufigkeit der Nennung von Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen in den analysierten Sendungen 232
Abbildungsverzeichnis 9
Abb. 1:
Schematische Darstellung der Untersuchungsfelder
Abb. 2:
Zuordnung der Methoden zu den Untersuchungsfeldern
Abb. 3:
Kumulierte Einschaltquote des Bildungskanals im Tagesverlauf vom 1.3. bis 7.3.1988
262
Kumulierte Einschaltquote der in der Zeit vom 21.9. — 27.9.1987 ausgestrahlten Sendungen des Bildungskanals
263
Abb. 4: Abb. 5:
10
Kumulierte Teilnehmerzahlen der in der Zeit vom 21.9. — 27.9.1987 ausgestrahlten Sendungen des Bildungskanals differenziert nach 266 dem Zeitpunkt der Ausstrahlung
1 1.1
Einleitung Ausgangspunkt und Problemstellung
Die Diskussion über die Möglichkeiten und Gefahren neuer Medienangebote für den Bereich der Erwachsenenbildung, darüber hinaus aber auch für den Bereich kultureller Ansprüche und Interessen, hat bereits ihre Geschichte. Anfang der 70er Jahre herrschte unter Erwachsenenbildnern eine starke Medieneuphorie, man glaubte, mit Hilfe des computergestützten Unterrichts, Lernprozesse optimieren und zugleich den Lehrer substituieren zu können. Der forcierte Ausbau von Selbstlernzentren (vgl. Jüchter 1971) geriet jedoch mangels fehlender Akzeptanz seitens der Klientel ins Stocken; die Bemühungen, Funk— und Telekolleg zu etablieren, machten nur kleine Fortschritte; der Versuch "Fernstudium im Medien verbünd" — ein gemeinsames Experiment aller Bundesländer — scheiterte (vgl. Ehmann 1981). Wie die Praxis der Medienverbundprojekte zeigte, konnte das Lernen mit Hilfe von Informations — und Kommunikationstechniken nicht den persönlichen Direktunterricht ersetzen (vgl. Enquete —Komission 'Neue Informations— und Kommunikationstechniken' 1983, S. 116f.). Es besteht Übereinstimmung darüber, daß aus pädagogisch —didaktischen Gründen mediengestütztes Lernen nur dann sinnvoll sein kann, wenn es von sozialen Lernphasen unterstützt und ergänzt wird. An diese Erkenntnis gilt es anzuknüpfen. Die in jüngster Zeit erst zögernd in Gang kommende Erörterung von Chancen und Risiken neuer Medientechniken im Bereich der Erwachsenenbildung bleibt vielfach spekulativ, da ihr die empirische Basis fehlt. Durch die hier vorgelegte systematische Dokumentation, Analyse und Bewertung der Auswirkungen des Kabelpilotprojekts Dortmund eröffnet sich die Möglichkeit, Erkenntoisse darüber zu gewinnen, ob Menschen ihre Ansprüche und kulturellen Interessen angesichts einer neu organisierten Programm Vermehrung aufrechterhalten und ob und wie der Weiterbildungssektor das neue Handlungsfeld erschließt.
1.2
Rahmenbedingungen
Kabelpilotprojekte wurden auf Beschluß der Ministerpräsidenten der Länder aus dem Jahre 1978, in Berlin, Dortmund, Ludwigshafen und München durchgeführt. In Dortmund begann der Modellversuch am 1. Juni 1985 und lief insgesamt drei Jahre bis Ende Mai 1988. Zu beachten sind dabei die spezifischen Rahmenbedingungen,
2
1 Ginleitung
unter denen das Dortmunder Pilotprojekt stattfand und die bezogen auf den Weiterbildungsbereich von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck wird kurz die gesetzliche Grundlage für den quartären Sektor in Nordrhein — Westfalen skizziert (vgl. Kapitel 1.2.1), die Dortmunder Weiterbildungslandschaft beschrieben (vgl. Kapitel 1.2.2) und auf die Besonderheiten des Dortmunder Kabelpilotprojekts eingegangen (vgl. Kapitel 1.2.3).
1.2.1
Das Weiterbildungsgesetz von Nordrhein—Westfalen
Im nordrhein —westfälischen Weiterbildungsgesetz aus dem Jahre 1975 verpflichtet sich das Land, eine flächendeckende Versorgung mit Weiterbildungsangeboten zu garantieren. In § 4, Abs. 1 des Weiterbildungsgesetzes heißt es: "Die Sicherstellung eines bedarfsdeckenden Angebots an Lehrveranstaltungen zur Weiterbildung soll durch Einrichtungen des Landes, der Kreise, kreisfreien Städte, kreisangehörigen Gemeinden sowie anderer Träger gewährleistet werden." Um diese Zielsetzung einlösen zu können, wird den Kommunen in § 11, Abs. 1 des Weiterbildungsgesetzes die Errichtung und Unterhaltung von Weiterbildungseinrichtungen zur Auflage gemacht. Weiterbildung wird hier zur kommunalen Pflichtaufgabe erklärt. Die Personalkosten für die im Rahmen eines Mindestangebots — das sich nach der Einwohnerzahl des Einzugsgebiets richtet (vgl. § 13 Weiterbildungsgesetz) — besetzten Stellen für hauptamtliche Mitarbeiter erstattet das Land den Volkshochschulen zu 100%; jede über das Mindestangebot hinaus besetzte Stelle wird mit 60% der Aufwendungen bezuschußt. Ferner erhalten die Volkshochschulen für jede durchgeführte Unterrichtsstunde eine jeweils im Haushaltsplan festgelegte Zuweisung (vgl. § 20 Weiterbildungsgesetz). Nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannte Einrichtungen in anderer Trägerschaft erhalten vom Land 60% der Personalausgaben sowie entsprechende Zuschüsse pro durchgeführter Unterrichtsstunde bzw. durchgeführtem Teilnehmertag. Diese vergleichsweise günstige finanzielle Ausstattung der Erwachsenenbildungseinrichtungen unterscheidet das nordrhein —westfälische Weiterbildungsgesetz von denen anderer Bundesländer. Während sich das nordrhein — westfälische Weiterbildungsgesetz explizit am Prinzip der Gewährleistung eines bestimmten Grundangebots an Weiterbildung orientiert, beschränken sich die Weiterbildungsgesetze von Bayern und Rheinland — Pfalz (Kabelpilotprojekte München und Ludwigshafen) lediglich auf die Förderung der anerkannten Einrichtungen. In Berlin existiert kein Weiterbildungsgesetz.
1.2 Rahmenbedingungen
3
Die unterschiedliche Weiterbildungspolitik der Länder läßt sich an den Haushaltsansätzen für die Erwachsenenbildung ablesen. In Rheinland —Pfalz wurde 1980 pro Kopf der Bevölkerung ein Betrag von DM 2,70 für die Weiterbildung ausgegeben, in Bayern DM 3,19 und in Nordrhein —Westfalen DM 47, — . Wenngleich für die letzten Jahre keine genauen Angaben vorliegen, so läßt sich doch eine Tendenz erkennen, die auf eine Vergrößerung der schon bestehenden Unterschiede hinweist (vgl. Kuhlenkamp 1983). Neben der schon angesprochenen Dichotomie von subsidiär finanzieller Förderung der Erwachsenenbildung in Bayern und in Rheinland —Pfalz und der investiv finanziellen Gewährleistung in Nordrhein—Westfalen gilt es noch einen zweiten Unterschied anzusprechen. Während in Bayern und Rheinland—Pfalz die Entwicklung des Erwachsenenbildungssektors dem 'freien Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte' überlassen bleibt, ist in Nordrhein —Westfalen der politische Wille erkennbar, stärker strukturierend und gestaltend auf den Erwachsenenbildungsbereich einzuwirken. Eine wichtige Aufgabe kommt in diesem Zusammenhang der Weiterbildungsentwicklungsplanung (WEP) zu. In § 1 der Verordnung über die Rahmenrichtlinien für die Aufstellung kommunaler Weiterbildungsentwicklungspläne heißt es: "Aufgabe der Weiterbildungsentwicklungsplanung ist es, durch Zusammenarbeit der Träger von Weiterbildungseinrichtungen das örtliche Weiterbildungsangebot zu verbessern." Die kurze Analyse der Weiterbildungsgesetzgebung zeigt, daß Nordrhein — Westfalen beim Ausbau des Erwachsenenbildungssektors als vierter Säule des Bildungssystems — wie ihn der Deutsche Bildungsrat in seinem Strukturplan für das Bildungswesen (1970) fordert — eine Vorreiterrolle einnimmt. Einen neuerlichen Beweis für diese Einschätzung liefert die Verabschiedung des seit dem 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes. Aufgrund der geschilderten Besonderheiten ist in Nordrhein —Westfalen eine besonders facettenreiche Weiterbildungslandschaft entstanden.
1.2.2
Die Dortmunder Weiterbildungslandschaft
Innerhalb von Nordrhein —Westfalen zeichnet sich der Raum Dortmund durch eine überdurchschnittlich große Anzahl von Weiterbildungseinrichtungen aus. Von den ca. 500 nach dem Weiterbildungsgesetz von Nordrhein —Westfalen anerkannten Institutionen sind in Dortmund 31 Weiterbildungseinrichtungen tätig. Daneben haben weitere
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1 Einleitung
12 nicht anerkannte, regional bzw. überregional tätige Erwachsenenbildungsinstitutionen in Dortmund ihren Sitz. In den anerkannten Weiterbildungseinrichtungen sind 203 Mitarbeiter hauptberuflich tätig: 95 im pädagogischen und 80 im Verwaltungsbereich. Die Zahl der nebenberuflichen Mitarbeiter, vornehmlich Lehrkräfte, beträgt 2800. Insgesamt wurde von den anerkannten Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen im Jahr 1982 ein Weiterbildungsangebot von 197.036 Unterrichtsstunden und 49.735 Teilnehmertagen durchgeführt. Dies entspricht einer Angebotsdichte von ca. 330, d.h. im Jahr werden rund 330 Unterrichtsstunden pro 1.000 Einwohner realisiert. Mit anderen Worten: Jedem erwachsenen Dortmunder steht durchschnittlich alle 5 Jahre ein Platz in einem Weiterbildungskurs zur Verfügung. Trotz dieses noch relativ günstigen Ausbaustandes kann derzeit die Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten in der Bevölkerung nicht befriedigt werden. Die Weiterbildungsinstitutionen sehen sich jedoch nicht in der Lage, das Weiterbildungsvolumen auszuweiten. Als Grund hierfür wird die "angespannte finanzielle Situation der Einrichtungen, hervorgerufen durch die Kürzungen der Landeszuweisungen seit 1981" (Zweiter Weiterbildungsentwicklungsplan Dortmund 1985 — 1987, S. 323) angeführt. Unter diesen Bedingungen scheinen die Voraussetzungen für Experimente, mittels des Kabelfunks das Weiterbildungsinteresse der Bevölkerung zu befriedigen, nicht ungünstig zu sein.
1.2.3
Der Kabelfunk Dortmund
Grundlage des Dortmunder Modellversuchs war das Kabelversuchsgesetz Nordrhein—Westfalen vom 14. Dezember 1983. Im Unterschied zu den anderen drei Kabelpilotprojekten wurde das Projekt in ausschließlich öffentlich — rechtlicher Trägerschaft durchgeführt. Auf der Basis des Kabelversuchsgesetzes hat der WDR eine selbständige Projektstelle eingerichtet, den "Kabelfunk Dortmund". Nach der ursprünglichen Konzeption sollte es grundsätzlich keine Werbung in den Versuchsprogrammen geben. Durch die Verabschiedung des Gesetzes über die vorläufige Weiterverbreitung von Rundfunkprogrammen in Kabelanlagen vom 12. März 1985 haben sich die Rahmenbedingungen für das Dortmunder Kabelpilotprojekt allerding grundsätzlich verändert. Dieses Vorschaltgesetz machte die Einspeisung privater, kommerzieller Programme möglich.
1.2 Rahmenbedingungen
5
Im Versuchsgebiet des Kabelpilotprojektes, das sich auf die Dortmunder Innenstadt beschränkte, wohnen knapp 95.000 Einwohner in ca. 44.000 Haushalten, davon sind rund 10.000 Haushalte verkabelt. Diese konnten zeitweise bis zu 24 Fernseh— und 18 Hörfunkprogramme empfangen. Das Programm von Radio Dortmund wird seit Sendebeginn nicht nur über Kabel, sondern auch über eine Low —Power —Station ausgestrahlt; damit beträgt die Zahl derer, die der lokale Hörfunksender maximal erreichen kann, rund zwei Millionen Menschen. Seit Ende 1987 ist auch das lokale Fernsehprogramm über Antenne zu empfangen. Der Kabelfunk Dortmund verfügte über 145 Planstellen für feste Mitarbeiter; davon rund 40 Redakteure, die zum Teil bimedial arbeiten, d.h. für Hörfunk und Fernsehen. Ein besonderes Merkmal des Dortmunder Modellversuchs stellen die Spartunkanäle dar. Ursprünglich gab es neben dem Lokalfernsehen fünf solcher Spartenkanäle: den Wiederholungskanal, den Sport— und Informationskanal, den Bildungskanal "Die kluge Sieben", das Familienfernsehen, den Kulturkanal sowie den Unterhaltungskanal. Im Gegensatz zu dem übrigen Programmangebot handelte es sich bei diesen Kanälen um Pay —TV. Die Gebühren pro Kanal lagen zwischen DM 0,25 und DM 0,50 wöchentlich. Gelegentlich wurden, z.B. für die Übertragung einer Sportveranstaltung bis zu DM 4, — an zusätzlichen Gebühren erhoben. Die Verantwortlichen des Kabelfunks hatten es sich zum Ziel gesetzt, mittels der neuen Medienangebote die Teilhabe an sozialer Kommunikation zu erleichtern, zu pflegen und zu verbessern. Der lokale Rundfunk wollte in Dortmund als integrationstiftendes Element Nachbarschaft festigen und zu mehr persönlichem Kontakt und Engagement bewegen. Bezogen auf den Bildungsbereich heißt dies, die Beziehungen zwischen den Bildungsinstitutionen und ihren potentiellen Adressaten sollten mit Hilfe der neuen Lokalmedien gefördert und intensiviert werden. In einer Anhörung im Landtag von Nordrhein—Westfalen hat der Projektleiter des Kabelfunks Dortmund, Erdmann Linde, der zuvor stellvertretender Leiter der Volkshochschule Dortmund war, zwei Jahre vor Beginn des Kabelpilotprojekts seine Ansprüche an den Modellversuch wie folgt charakterisiert: "Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger Dortmunds aus ihren Häusern herauslocken, um ihnen das Erlebnis des Bildens und des Weiterbildens in der Gruppe am Ort zu vermitteln. Wir erhoffen uns davon auch, daß man der Vereinzelung entgegenwirken kann und die Bildung Erwachsener als soziale Kommunikation begreift. Wir sehen hierin einen Animationscharakter, daß die
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1 Einleitung
Teilnehmer an dem Kabelversuch nicht als Nomaden vor elektronischen Medien sitzen, sondern die verschiedenen Angebote der Weiterbildungseinrichtungen in Gruppenarbeit annehmen. Das ist genau der Gegensatz zu den von vielen gesehenen Gefahren der Neuen Medien."
1.3
Zur Anlage der Studie
Das Forschungsprojekt "Erwachsenenbildung und Neue Medien — die Auswirkungen des Kabelpilotprojekts Dortmund auf den Weiterbildungssektor" wurde im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung zum Kabelpilotprojekt Dortmund von 1986 bis 1988 an der Universität Bielefeld durchgeführt. Ziel der Untersuchung war die empirische Erfassung, Analyse und Bewertung der Auswirkungen des erweiterten Medienangebots für Institutionen und Klientel des quartären Bildungssektors im Versuchsgebiet und darauf aufbauend die Entwicklung von Empfehlungen zum Verhältnis von Weiterbildung und Medien. Thematisch ging es um die Frage nach den durch die Breitbandtechnik induzierten Veränderungen in einem spezifischen gesellschaftlichen Feld, dem Erwachsenenbildungssektor und mögliche Rückwirkungen auf den Mediensektor. Wenngleich sich das Forschungsinteresse auch auf Anbieter und Angebote von Bildungsprogrammen erstreckte, so stand doch die Frage nach der Nutzung der Programmangebote, speziell der Bildungssendungen durch die Zuschauer einschließlich der dadurch induzierten Wirkungen, im Mittelpunkt. Insofern handelt es sich um eine Akzeptanzuntersuchung im weiteren Sinne. Akzeptanz wird dabei nicht nur als Reaktionsvariable aufgefaßt, sondern als inhaltlich und sozial zu gestaltendes Verhalten im Kontext kommunikativer Interessen von Individuen, Gruppen und Institutionen. Theoretisch ist das Projekt anzusiedeln in die Debatten, inwieweit "Bildungsbarrieren" durch den Einsatz von Medien fortfallen, und der damit verbundenen Hintergrundfrage, inwieweit kulturelle und Bildungs —Bedürfnisse sozial bedingt sind. In letzter Zeit hat vor allem P. Bourdieu (1982) in einer Analyse der "feinen Unterschiede" darauf aufmerksam gemacht, daß es eine gesellschaftliche Funktion von Geschmackshierarchien im ästhetischen Bereich gibt, denen die künstlerischen Traditionen entsprechen. So steht — beispielsweise — der "reine Blick" des ästhetisch formal Hochgebildeten gegen das Gewöhnliche, wie es vom "populären Geschmack" bevorzugt wird. Kultureller Habitus und Bildungshabitus entsprechen dabei einander tendenziell, weil beide eine durch soziale Herkunft und Ausbildung induzierte Verhaltensgrammatik ausschreiben, die aufgrund einer unterschiedlichen Ausstattung mit
1.3 Zur Anlage der Studie
7
"Bildungskapital" zu entsprechend differenten Wahlen führt. Andererseits wird neuerdings vor allem im Zusammenhang mit der Individualisierungsthese (Beck 1983; 1986) aufgrund verschiedener Indizien formuliert, daß lebensweldiche Bindungen und soziale Herkunftsmilieus zunehmend erodieren und angesichts einer auch kulturell vielfältigen Optionenpluralität Verhaltenspatterns und Habitus nicht mehr strikt determinieren — im Gegenteil: unterschiedliche Lebensstile stehen sozusagen im Angebot und werden, jedenfalls mehr als bisher, auch als frei verfügbar erkannt und ergriffen. Dies hat zu einer "neuen Unübersichtlichkeit" in der soziologischen Ungleichheitsdiskussion geführt (Berger 1987), weil damit der Zusammenhang von Bildungsverhalten und sozialer Herkunft nicht mehr in der alten Stringenz behauptet wird. — Auf dem Hintergrund dieser Diskussionen sind die hier vorgelegten Daten und Interpretationen zu lesen und theoretisch zu sondieren. Ohne daß dies in den auf praktische Anwendung und Verwertbarkeit gerichteten Ergebnisdarstellungen und Empfehlungen eigens thematisiert wird, ist doch darauf hinzuweisen, daß gerade die Medien und hier wiederum insbesondere ihre Bildungsprogramme eher dazu beitragen, die von Berger konstatierte "neue Unübersichtlichkeit" zu bestätigen. Neben sozialer Herkunft bestimmt eine Fülle von Faktoren Bildungsinteresse und Bildungsverhalten; dazu gehören Alter, Geschlecht, Dauer der Wohnzugehörigkeit zu einem Quartier beispielsweise inzwischen ebenso wie die Position in der Berufshierarchie. So findet etwa auch der Bildungskanal "Die kluge Sieben" keineswegs nur bei der bildungsorientierten Mittelschicht Akzeptanz und Aufmerksamkeit. Die Studie zeigt, daß die einst an sozialer Schichtzugehörigkeit gemessene Struktur der Differenzierung von Bildungsverhalten inzwischen durch entschieden komplexere sozio — kulturelle Lagerungen bestimmt wird, zu denen die in Lebenswelt und Alltag sozusagen gleichermaßen eindringende Querstruktur der Medien ihren Beitrag leistet. Was unter sozialökologischer Perspektive am ehesten einsehbar wird, gilt generell: daß Bildungsverhalten heute nur durch sehr komplexe Analysemodelle angemessen erfaßt werden kann. Medien tragen — gerade auch aus theoretischer Sicht — dazu bei, die traditionellen Zuweisungen des Bildungshabitus an soziale Herkunft ein Stück weit in Frage zu stellen — mit der damit auch theoretisch erbrachten Evidenz, daß die BildungsVerantwortung der Medien erheblich ist und über den sozio —kulturellen Habitus einer ganzen Gesellschaft zunehmend mitentscheidet. Ein Kennzeichen des Projekts liegt darin, daß in einem Methodenmix qualitative und quantitative Erhebungsverfahren miteinander verbunden wurden. Durch die Methodenkombination wird eine wechselseitige Abbildung der Daten ermöglicht, die es gestattet, ein differenziertes, sich ergänzendes Bild der Auswirkungen neuer Medienangebote zu zeichnen. Im einzelnen kamen zur Anwendung: qualitative Interviews, repräsentative Befragung in zwei Wellen (Trendstudie) sowie Dokumenten— und Inhaltsana-
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1 Ginleitung
lyse. Das Untersuchungsfeld umfaßte neben den Kabelprojektteilnehmern die Intensivnutzer des Bildungskanals, die Institutionen der Erwachsenenbildung, die Kooperationspraxis zwischen Kabelfunk und Weiterbildungsinstitutionen sowie bildungsrelevante Programmangebote. Zieldimensionen der Untersuchung sind dementsprechend —die Zusammenarbeit der am Ort tätigen Erwachsenenbildungsinstitutionen, - i h r e Beziehung zur Projektstelle des WDR, - d i e Mediennutzung der potentiellen und aktuellen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Erwachsenenbildung sowie —die Qualität der bildungsbezogenen Programmangebote im Versuchsgebiet. Es handelt sich um ein Beziehungsgeflecht wechselseitig miteinander agierender Partner, das — differenziert nach unterschiedlichen Handlungsfeldern — analysiert wurde. Die aus der allgemeinen Zielsetzung abgeleiteten spezifischen Fragestellungen des Forschungsprojekts lassen sich folgenden Untersuchungsfeldern zuordnen: (1) Lokaler Medienverbund/Redaktion Bildungskanal (2) Dortmunder Institutionen der Erwachsenenbildung (3) Verschiedene Bevölkerungsgruppen (Teilnehmer am Kabelpilotprojekt/Intensivnutzer des Bildungskanals) (4) Bildungsrelevante Programmangebote als gemeinsamer Bezugspunkt der drei erstgenannten Handlungsfelder. In Abb. 1 wird das Beziehungsgeflecht der Untersuchungsfelder dargestellt. Die Untersuchung kombiniert qualitative und quantitative Forschungsmethoden: a) In einer survey — Studie (in zwei Wellen mit jeweils rd. 700 Teilnehmern) wurde Anfang 1987 und 1988 ein repräsentativer Querschnitt von Kabelprojektteilnehmern befragt. b) Von Mitte 1987 bis Anfang 1988 fanden insgesamt 18 Intensivinterviews mit Nutzern des Bildungskanals "Die kluge Sieben" statt. c) Im Frühjahr 1986 und Anfang 1988 wurden jeweils 25 Experteninterviews mit Vertretern Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt. d) Über den gesamten Projektverlauf wurden die Sitzungen des Kooperationsgreiniums "lokaler Medien verbünd" durch teilnehmende Beobachtung forschend begleitet. e) Im Herbst 1987 und im Frühjahr 1988 wurden für jeweils einen zweiwöchigen Zeitraum FAT —Messungen der Einschaltquoten und Reichweiten des Bildungskanals vorgenommen.
1.3 Zur Anlage der Studie
9
f) Während der gesamten Laufzeit des Projekts fanden wiederholt Gespräche mit Programmverantwortlichen und Redakteuren des Kabelfunks statt. g) Sämtliche bildungsbezogenen Eigenproduktionen der "klugen Sieben" wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen.
Ordnet man die Untersuchungsmethoden den oben genannten Forschungsfeldern zu, so ergibt sich das in Abb. 2 dargestellte Bild. Eine zusammenfassende Übersicht der Forschungsergebnisse findet sich in einem ausführlichen Gliederungsverzeichnis im
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1 Einleitung
Sinn eines advanced Organizers, das wichtige Ergebnisse stichwortartig zusammenfaßt am Ende dieses Bandes.
Abb. 2: Zuordnung der Methoden zu den Untersuchungsfeldern
1.4
Danksagungen
Die Forschergruppe hat vielen Personen und Institutionen zu danken. An erster Stelle ist Ministerialrat Dr. Poelchau vom Kultusministerium (NRW) zu erwähnen, der das Projekt von Anfang bis Ende mit Interesse begleitete und zu zahlreichen instruktiven Gesprächen zur Verfügung stand. Die Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium
1.4 Danksagungen
11
erwies sich als in der Form problemlos, in der Sache engagiert und förderlich. Ebenfalls Dank gebührt der wissenschaftlichen Begleitkommission für das Kabelpilotprojekt Dortmund und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein—Westfalen, die ebenfalls Interesse und Aufgeschlossenheit an den Tag legte. Die Durchführung der Untersuchung konnte ohne viele Helfer und Helferinnen nicht gelingen. Zu nennen ist an erster Stelle Dr. Renate Möller, die bei den statistischen Auswertungen maßgeblich beteiligt war. Auch hat Hartmut Hageleit in bestimmten Phasen an der statistischen Auswertung engagiert mitgearbeitet. Die Kodierung der Befragungsdaten wurde von Elisabeth Haring, Ulrike Held, Lothar Hochstädt und Annegret Spilker mit großer Präzision vorgenommen. Die Interviews wurden von einer Reihe von Studierenden durchgeführt, die ebenfalls mit großem Engagement und immer mit Umsicht ihre Aufgabe erledigten. Wir danken Evi Buschlinger, Lothar Hochstädt, Sabine Galling, Peter Käthe, Steffi Krack, Hans Schimmelpfeng, Regina Schlüter, Michael Schwarzbach, Martina Stille und Christiane Weißer. Schließlich ist Uschi Castrup, Andre Pentzien, Volkmar E. Polkowski, Birgitt Schindler, Christiane Weißer und Wolfgang Schweins für Schreibarbeiten und Textgestaltung zu danken. Auch im Raum Dortmund wurde die Projektarbeit wesentlich unterstützt und mitgetragen. Wir danken dem Projektleiter, Erdmann Linde, Dr. Klaus Katz, der als Programmchef tätig war, sowie Rolf Scheller der als Redakteur das Bildungsprogramm betreute. Hervorzuheben ist auch die gute Zusammenarbeit mit anderen Projekten; die fachlichen Gespräche waren von guter Kollegialität und offenem Gedanken— wie Ergebnisaustausch getragen. Vor allem aber danken wir den Bürgerinnen und Bürgern Dortmunds, die sich für die Beantwortung der Umfrage wie für eingehende Einzel — Interviews mit großer Geduld und Auskunftsbereitschaft zur Verfügung stellten. Die Forschergruppe kann ihren Dank diesen Personen gegenüber nur dadurch abstatten, daß sie sich verpflichtet fühlt auch nach Abschluß des Projekts die Ergebnisse in die medienpolitische Diskussion so einzubringen, daß die Erwartungen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Bereichen Bildung und Kultur angemessen berücksichtigt werden.
2
Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmera
2.1 2.1.1
Sekundäranalytische Ausweitung von GfK—Daten Zum methodischen Vorgehen
Im Auftrag der wissenschaftlichen Begleitkommission zum Kabelpilotprojekt Dortmund führte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) unmittelbar vor Projektbeginn im Zeitraum vom 29.04. bis 30.05.1985 eine repräsentative Haushaltsbefragung im Projektgebiet durch. Die deutschsprachige, in Privathaushalten lebende Bevölkerung ab einem Lebensalter von 14 Jahren bildete für diese "Nullmessung" die Grundgesamtheit. Die Stichprobe umfaßte rund 1000 Personen, die zu den folgenden Themen befragt wurden: Mediennutzung, medienspezifischer Tagesablauf, Freizeitbeschäftigungen, Konsumverhalten, Nutzung von Werbung in Relation zum Konsum verhalten, Nutzung verschiedener inhaltlicher Sparten der Massenmedien, soziale Aktivitäten und soziales Engagement, Nutzung von bzw. Kontakte mit öffentlichen Einrichtungen und Institutionen, Informationsstand über das Kabelpilotprojekt sowie soziodemographische Merkmale. Die von der GfK erhobenen und aufbereiteten Umfragedaten bilden die Basis für eine sekundäranalytische Auswertung. Die von uns durchgeführten Sekundäranalysen fußen nicht auf einem "blinden", rein induktiv vorgehenden Verfahren, das alle Variablen untereinander korreliert, um anschließend einige sich per Zufall als signifikant ergebende Zusammenhänge überzuinterpretieren oder gar hochzustilisieren. Aus unserer übergreifenden Forschungsfrage nach den Auswirkungen der Erweiterung von Medienangeboten für Institutionen und Adressaten des Erwachsenenbildungssektors haben wir eine Reihe von Hypothesen abgeleitet, deren Aussagen sich auf sozio — strukturelle Bedingungen der Mediennutzung, des Freizeitverhaltens, sowie des sozialen, politischen und lokalen Engagements, auf den Zusammenhang zwischen Stadtteil Verbundenheit und sozialem, kulturellem und weiterbildungsbezogenem Engagement, auf den Kontakt und die Auseinandersetzung mit Medienproduzenten in Abhängigkeit von bildungsbezogenen Aktivitäten, auf die Korrelation von Fernsehkonsum und Weiterbildungsaktivitäten und schließlich auf den Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe bzw. Schulbildung und der Art des als Informationsquelle genutzten Massenmediums beziehen.2)
14
2.1.2 2.1.2.1
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Ergebnisse der Sekundäranalyse Der Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und sozialem, politischem sowie lokalem Engagement
Unsere erste Hypothese, die soziokulturelle Bedingungen politischen Handelns aufnimmt, lautet: Mit steigendem sozioökonomischen Status der befragten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen nimmt ihr soziales, politisches und lokales Engagement zu. Gemäß dem Prinzip einer hypothesengeleiteten Sekundäranalyse haben wir die Variable "Netto — Haushaltseinkommen" mit der Variable "Mitgliedschaft in einer politischen Partei" in Erwartung eines signifikanten Zusammenhangs miteinander korreliert. Und in der Tat führt unsere Sekundäranalyse zu dem Ergebnis, daß zwischen den beiden genannten Variablen eine statistisch bedeutsame Beziehung besteht, die sich unter der Annahme einer einseitigen Steuerung folgendermaßen formulieren läßt: Je höher das Haushaltseinkommen ist, desto stärker ist das politische Engagement der Befragten in Form der Mitgliedschaft in einer Partei.3* Die tatsächliche Enge des Zusammenhangs zwischen den Variablen "Netto —Haushaltseinkommen" und "Mitgliedschaft in einer Partei" beträgt nach unseren sekundäranalytischen Analysen V = 0,17. Auf den ersten Blick mag die Höhe des Korrelationskoeffizienten relativ gering erscheinen. Doch wenn man die einzelnen Ausprägungen (Kategorien) der beiden Variablen miteinander vergleicht, dann zeigt sich anschaulich, daß der prozentuale Anteil der Parteimitgliedschaften parallel zur Einkommenshöhe mit einem deutlichen Trend ansteigt: So gehören etwa in der Einkommensgruppe zwischen DM 1000 und 1500 1,1% der Befragten einer politischen Partei an, während es in der Einkommensklasse von DM 2000 bis 2500 bereits 3,4% und in der obersten erfragten Kategorie von über DM 5000 Haushaltseinkommen sogar 14,3% sind. Die überwiegende Mehrheit der signifikanten Korrelationen4', die im Zusammenhang mit den überprüften Hypothesen in unserer Sekundäranalyse aufgetreten sind, liegen in einem Intervall, das sich von V = 0,10 bis V = 0,30 erstreckt. Der bereits konstatierte Zusammenhang zwischen Einkommen und Parteizugehörigkeit findet seine Entsprechung in einer signifikanten Beziehung zwischen dem Nettohaushaltseinkommen und der Mitgliedschaft in einem eingetragenen Verein. Auch der Prozentsatz der Gewerkschaftsmitglieder steigt mit wachsendem Einkommen an; eine plausible Ausnahme von diesem Trend ist bei den beiden oberen Einkommensklassen (4500 DM bis unter 5000 DM sowie 5000 DM und mehr Haushaltseinkommen) festzustellen. Interessant ist, daß zwischen dem Einkommen und der Mitgliedschaft in einer freiwilligen Initiative keine Korrelation berechnet werden konnte, da sich unter
2.1 Sekundäranalytische Auswertung von GfK —Daten
15
den 984 Befragten kein einziger finden ließ, der einer Eltern— oder Bürgerinitiative angehörte. Der ökonomische Status beeinflußt aber offenbar das generelle politische und lokalpolitische Interesse der Dortmunder Bürger. Je höher das Haushaltseinkommen ist, desto mehr interessieren sich die Befragten persönlich sowohl für die aktuellen Ereignisse aus der Politik und dem öffentlichen Leben als auch für die spezifischen Ereignisse in ihrer Stadt. Die obigen Befunde werden durch parallel verlaufende signifikante Zusammenhänge zwischen einem weiteren Indikator für den sozioökonomischen Status — der Stellung im Beruf — und den genannten sozialen, politischen und lokalen Variablen gestützt. Offenbar werden derartige Einstellungen und Aktivitäten in verschieden hohem Ausmaß beeinflußt, und zwar je nach dem, ob der Befragte als unterschiedlich qualifizierter Arbeiter, als einfacher, mittlerer oder leitender Angestellter, als Beamter im einfachen, mittleren, gehobenen oder höheren Dienst, in einem freien Beruf oder als Selbständiger in einem kleinen oder mittleren Betrieb tätig ist. Ein weniger einheitliches Bild ergibt die sekundäranalytische Auswertung der GfK — Nullmessung bei den Auswirkungen der Schulbildung der befragten Personen auf ihr soziales und politisches Engagement. Zwar steigt das Interesse für lokalpolitische Vorgänge mit wachsender Schulbildung deutlich an, aber die Konsequenzen in Richtung auf eine Mitgliedschaft in einer politischen Partei werden von den Befragten weniger deutlich gezogen, da zwischen beiden Variablen nur ein in der Tendenz signifikanter Zusammenhang besteht; die Irrtumswahrscheinlichkeit Pi liegt mit 6,85% etwas oberhalb der üblichen geltenden Signifikanzschranke von 5%. Keine Korrelation besteht dagegen zwischen der Schulbildung der befragten Dortmunder Einwohner und ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit, während sich wiederum im Sinne unserer hypothesengeleiteten Erwartung eine hochsignifikante Beziehung zwischen der Art der Schulbildung und der Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen ergibt (Cramers V = 0,22). So sind von den interviewten Personen mit Haupt — / Volksschulbildung nur 7,1% Vereinsmitglieder, bei den Befragten mit weiterführender Schulbildung (ohne Abitur) sind es bereits 20,2% und bei Personen mit Abitur/ Hochschulreife sogar 27%, die einer Organisation des öffenüichen sozialen Lebens angehören. Nur bei der Gruppe der Personen, die ein Studium absolviert haben, sinkt dieser Prozentsatz wieder etwas ab (19,2%). Wenn auch die Befunde bei der Schulbildung im Gegensatz zu den anderen unabhängigen Variablen "Haushaltseinkommen" und "Stellung im Beruf eine Spur weniger einheitlich ausfallen, so läßt sich jedoch — insgesamt gesehen — der berechtigte Schluß ziehen, daß mit steigendem sozioökonomischen Status der Befragten ihr
16
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
soziales, politisches und lokales Engagement kontinuierlich zunimmt, mithin unsere erste Hypothese durch das vorliegende Datenmaterial nicht widerlegt werden kann.
2.1.2.2
Stadtteilverbundenheit und soziales, kulturelles sowie weiterbildungsbezogenes Engagement
Eine zweite von uns formulierte Hypothese behauptet, daß kein Zusammenhang zwischen der Verbundenheit mit dem Stadtteil und den Präferenzen für soziales, kulturelles und weiterbildungsbezogenes Engagement besteht. Diese Vermutung wird aufgrund der Ergebnisse unserer sekundärstatistischen Analyse deutlich gestützt. Da die zu verknüpfenden Variablen in der Regel ordinalskaliert sind, d.h. zwischen den einzelnen Antwortkategorien eine Rangordnung vorgegeben ist, haben wir in diesem Fall jeweils den Rangkorrelationskoeffizient Kendalls TAU —C berechnet. Er besitzt gegenüber Cramers V, der ja bei den Variablen nur unterschiedliche, einander ausschließende Kategorien voraussetzt, den Vorteil, daß er die in den ordinalskalierten Daten zusätzlich enthaltenen Informationen über die Rangfolge der Antwortkategorien ausschöpft. So besteht beispielsweise bei dem als unabhängige Variable fungierenden Merkmal "Verbundenheit mit dem Stadtteil" eine ordinale Relation zwischen den vorgegebenen Antwortalternativen "Mit dem Stadtteil — sehr eng — ziemlich eng — weniger eng — (fast) nicht — verbunden". Im Sinne unserer Hypothese bestehen keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Bindung an den Stadtteil, in dem die Befragten wohnen, und ihren bildungsbezogenen Aktivitäten, insoweit sie sich auf die Mitwirkung in Laienspiel oder Musikgruppen, auf das Interesse an und das tatsächliche Ausmaß beziehen, in dem Sendungen über Wissenschaft und Technik (z.B. "Bilder aus der Wissenschaft") oder solche über Kunst, Literatur und Musik (etwa "Titel, Thesen, Temperamente") im Fernsehen angeschaut werden. Eine Ausnahme bildet, was das Medium Fernsehen angeht, die statistisch bedeutsame Beziehung zwischen der unabhängigen Variablen "Stadtteilbindung" und der Häufigkeit, mit der Bildungssendungen (z.B: Telekolleg) gesehen werden. Des weiteren gibt es keine statistisch abgesicherten Belege für Beziehungen zwischen der Stadtteilbindung und der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, einem eingetragenen Verein oder in einem privaten Verein/Club. Eine Abweichung von den genannten sozialen und politischen Aktivitäten läßt sich nur bei der Variablen "Mitgliedschaft in einer politischen Partei" finden, die von der Stadtteilbindung der Befragten signifikant positiv beeinflußt wird.
2.1 Sekundäranalytische Auswertung von GfK — Daten
17
Was das kulturelle und weiterbildungsbezogene Engagement und damit den Kern dieser Hypothese angeht, so lassen sich im Datenmaterial deutliche Belege dafür finden, daß man bei bestimmten bildungsbezogenen Aktivitäten der befragten Personen sogar von einer negativen Beeinflussung durch ihre Bindung an den Stadtteil ausgehen muß: Je größer die Verbundenheit mit dem Stadtteil ist, desto weniger besuchen die Einwohner Dortmunds Theaterveranstaltungen und in desto geringerem Ausmaß nehmen sie an Fortbildungskursen, Umschulungsmaßnahmen und Weiterbildungsaktivitäten teil. Die in unserer Hypothese getroffene Aussage kann also für einen großen Teil der untersuchten Variablen noch weiter zugespitzt werden. Offenbar vermittelt eine lebensweltliche Einbindung in einen Stadtteil, die zugleich auch mit subkulturellen Wertorientierungen einhergeht, den Bewohnern eine individuelle Perspektive, die wiederum mit bestimmten bildungsbezogenen Aktivitäten negativ korreliert ist.
2.1.2.3
Kontakt und Auseinandersetzung mit Medienproduzenten in Abhängigkeit von bildungsbezogenen Aktivitäten oder vice versa?
Eine weitere Hypothese, die unsere sekundäranalytische Auswertung gesteuert hat, prognostiziert, daß Personen, die den Kontakt und die Auseinandersetzung mit Medienproduzenten suchen, sich überdurchschnittlich an bildungsbezogenen Aktivitäten beteiligen. Als Indikatoren für die unabhängige Variable "Kontakt und Auseinandersetzung mit Medienproduzenten" haben wir diejenigen Fragen ausgewählt, die sich auf die Leserbriefaktivitäten der Befragten gegenüber Zeitungen, Zeitschriften und dem Westdeutsche Rundfunk beziehen, sowie Besuche beim Studio des Westdeutschen Rundfunks in Dortmund und beim Kabelfunk thematisieren. Diese Fragen wurden nun gemäß unserer Untersuchungshypothese mit solchen korreliert, welche die bildungsbezogenen Tätigkeiten der Befragten erfassen. In einem nächsten Auswertungsschritt sind von uns die jeweiligen asymmetrischen Unsicherheits — oder Konstriktionskoeffizienten U, berechnet worden. Sie lassen sich in Analogie zur üblichen bivariaten Regressionsanalyse mit quantitativen Variablen als Regressionskoeffizienten für qualitativ erfaßte Merkmale deuten. Der Konstriktionskoeffizient U gibt an, um wieviel Prozent sich die Ungewißheit bei einer als abhängig definierten qualitativen Variablen verringert, wenn man die Werte der unabhängigen Variablen bei den befragten Personen kennt. Wir haben die asymmetrischen Unsicherheitskoeffizienten systematisch für zwei Optionen berechnet: Zum einen ist von uns im Sinne unserer vorformulierten Hypothese geprüft worden, in welchem Ausmaß sich die prognostische Ungewißheit bei den bildungsbezogenen Aktivitäten der Befragten reduziert, wenn man Informationen über ihren Kontakt und ihre Auseinandersetzung mit Me-
18
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
dienproduzenten besitzt. Zum anderen haben wir die hypothetische Beziehung von unabhängiger und abhängiger Variable umgekehrt und gefragt, ob nicht die auf Bildung und Ausbildung hin orientierten Tätigkeiten eine bessere Prognose im Sinne von mehr beseitigter Ungewissheit bezüglich der Auseinandersetzung mit den Medienproduzenten
gestatten.
Der
Vergleich
der Konstriktionskoeffizienten
von 34
signifikanten bivariaten Variablenverknüpfungen zwischen den beiden Alternativen zeigt fast ohne Ausnahme (bei 32 von 34 Koeffizienten), daß die beseitigte Ungewissheit, d.h. die gewonnene prognostische Information deutlich größer ist, wenn man die in unserer Hypothese formulierte einseitige Steuerung umkehrt. Als ein wichtiges Teilresultat unserer regressionsanalytischen Analyse des qualitativen Datenmaterials ergibt sich also eine Reformulierung unserer Hypothese über (weiter — ) bildungsaktive Bewohner in Dortmund: Personen die sich überdurchschnittlich an bildungsbezogenen Aktivitäten beteiligen, suchen den Kontakt und die Auseinandersetzung mit den Medienproduzenten. Wir fassen dieses Untersuchungsergebnis in Zusammenhang mit unseren Befunden zur ersten Hypothese als einen Beleg für die Bourdieu'sche These vom kulturellen Habitus auf (BOURDIEU, 1982). Je mehr eine befragte Person regelmäßig Bücher liest, Theaterveranstaltungen besucht, an Fortbildungsveranstaltungen teilnimmt und Bildungsendungen
(z.B.
Telekolleg)
sowie
Sendungen über Wissenschaft und Technik sieht bzw. hierfür Interesse zeigt, desto eher wird sie Leserbriefe an Zeitungen und Zeitschriften schicken, an Fernseh— und Rundfunkanstalten schreiben oder gar deren Studios — in diesem Fall jene des WDR Dortmund — besuchen. Es müssen jedoch noch einige Schattierungen in dieses gefallige Bild eingebracht werden. Vielleser schreiben — wie berichtet — häufiger Leserbriefe an Produzenten von Printmedien, jedoch besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Lesen von Büchern, Romanen oder Comics einerseits und dem Abfassen von Briefen an den WDR oder einem Besuch seines Studios in Dortmund andererseits. Bei der Interpretation dieses Untersuchungsergebnisses ist zu beachten, daß zwar eine Nullkorrelation, aber keine negative Beziehung zwischen den Variablen besteht, derart, daß die Menge der gelesenen Bücher notwendigerweise zu einem Hinderungsgrund für einen Besuch des Studios in Dortmund werden würde. Die gefundenen Nullkorrelationen bedeuten nur, daß aufgrund des vorliegenden Datenmaterials aus der Höhe des Bücherkonsums eines/einer Befragten aus Dortmund keine begründeten Prognosen darüber abgeleitet werden können, ob er/sie das Studio in seiner/ihrer Stadt besucht oder nicht besucht. Im Gegensatz zu der eher indifferenten Haltung von Anhängern der Lesekultur suchen Befragte, die in Laienspiel— oder Musikgruppen mitwirken, signifikant eher den Kontakt und die Auseinandersetzung mit den Produzenten elektronischer Massenmedien.
2.1 Sekundäranalytische Auswertung von GfK — Daten
19
Welche Informationen lassen sich abschließend aus unseren Sekundäranalysen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Besuchs des Kabelfunks in Dortmund gewinnen? Je häufiger die befragten Personen Theateraufführungen besuchen, in Laienspiel— oder Musikgruppen mitwirken und an Werktagen Fortbildungsveranstaltungen besuchen, desto eher statten sie dem Kabelfunk einen Besuch ab. Zwischen allen anderen schon im Text genannten Indikatoren für die unabhängige Variable "Bildungsbezogene Aktivitäten" und der Kriteriumsvariablen "Besuch des Kabelfunks in Dortmund" bestehen keine signifikanten Zusammenhänge, was mit daran liegt, daß nur 2,5% der Personen aus der Stichprobe, was einer absoluten Häufigkeit von 25 entspricht, bislang einen solchen Besuch gemacht haben.
2.1.2.4
Fernsehkonsum und Weiterbildungsaktivitäten
Die grundlegende Fragestellung unseres Projekts, nämlich das Verhältnis von audiovisuellen Medien und Erwachsenenbildung im Bereich des Kabelpilotprojekts Dortmund auszuloten, legt es nahe, im Rahmen der Reanalyse der Daten der repräsentativen Haushaltsbefragung, den hypothetisch postulierten negativen Zusammenhang zwischen der Höhe des Fernsehkonsums und dem Ausmaß von Weiterbildungsaktivitäten zu untersuchen: Je höher der Fernsehkonsum der befragten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen war, desto weniger waren sie bereit, Fortbildungskurse und Umschulungsmaßnahmen zu besuchen oder an anderen Formen der Weiterbildung zu partiziperen (vgl. Abschnitt 2.2.12). Diese empirisch ermittelte Korrelation ist statistisch signifikant (p< 0,05), d.h. ihr Zustandekommen kann nicht mehr auf Zufallseinflüsse zurückgeführt werden, sondern darf als das Ergebnis systematisch wirkender Effekte angesehen werden.
2.1.2.5
Sozioökonomischer Status und Art des als Informationsquelle genutzten Massenmediums
Ferner konnten wir für die Stichprobe der im Einzugsgebiet des Dortmunder Kabelpilotprojekts wohnenden Personen die Korrelation zwischen Einkommenshöhe und Art des Massenmediums, welches als Informationsquelle benutzt wird, replizieren. So würden von den Beziehern eines niedrigen Einkommens ( < DM 1.000,—) das Fernsehen zu 46,3% und die Tageszeitung zu 11,9% als einzige Informationsquelle nutzen, wenn sie dazu gezwungen wären, während bei den befragten Bürgern mit einem hohen Monatseinkommen ( > DM 4.000,—) die entsprechenden Prozentsätze 41% und 29,9% betragen. Ein noch wesentlich ausgeprägterer signifikanter Zusam-
20
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
menhang zeigt sich zwischen der Schulbildung der befragten Personen und ihrer Wahl für ein bestimmtes Massenmedium, das sie als Informationsquelle benutzen würden, wenn sie sich für ein einziges entscheiden müßten. Bei den befragten Dortmunder Bürgern, die eine Haupt— Volksschule besucht haben, würden sich 49,7% für das Fernsehen, 15% für das Radio, 13,9% für eine Tageszeitung und 3,2% für eine Zeitschrift entscheiden, während Personen mit Abitur/Hochschulreife ihre Wahl sehr viel anders träfen (Radio: 27,7%, Fernsehen: 17,4%; Tageszeitung: 13,8%, Zeitschriften 13,8%). Besonders der zuletzt beschriebene Befund ist in zweifacher Hinsicht von weitergehendem Interesse: Zum einen läßt sich die Nutzung eines Mediums als Informationsquelle unter dem von uns in Abschnitt 2.2 diskutierten "weiten" Lernbegriff subsumieren, den wir in unserer eigenen Erhebung bei den interviewten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts feststellen konnten. Zum anderen kann dieses Ergebnis als ein weiterer Beleg für die Bourdieu'sche These vom kulturellen Habitus (BOURDIEU, 1982) interpretiert werden (siehe auch Gliederungspunkt 2.1.2.3).
2.1.2.6
Sozioökonomischer Status und Freizeitverhalten
Im Zusammenhang mit der "Knowledge —gap —Hypothese"5' (Wissenskluft zwischen Mittel — und Unterschicht) haben wir eine weitere Vermutung am vorliegenden Datenmaterial der GfK — Nullmessung überprüft, die besagt, daß Bevölkerungsgruppen mit hohem sozioökonomischen Status, höherer Bildung und einem ausgeprägten politisch/lokalen Interesse dazu tendieren, ein aktives Freizeitverhalten zu zeigen. Im großen und ganzen läßt sich diese Hypothese bestätigen. Je höher beispielsweise die Schulbildung der befragten Dortmunder Bürger ist, eine desto größere Palette an Aktivitäten nehmen sie in ihrer Freizeit wahr, die vom kulturellen Bereich (z.B. Theater besuchen, Lesen, in Laienspiel —/Musikgruppen mitmachen) über die Weiterbildung, die Pflege von Hobbies (z.B. Fotografieren und Filmen), das Betreiben von Sport, die Wahrnehmung sozialer Aktivitäten (z.B. Besuche machen, Gespräche führen) bis hin zur Pflege eher kontemplativer Bedürfnisse reicht (seinen Gedanken nachgehen, Zeit für sich selber nehmen etc.). In abgeschwächter Form findet sich dieses Muster facettenreichen und aktiven Freizeitverhaltens auch bei denjenigen Bürgern und Bürgerinnen wieder, die über ein ausgeprägtes politisches oder lokal — politisches Interesse verfügen, wobei man bei der Deutung dieses Teilergebnisses mitbedenken muß, daß auch Schulbildung und Interesse für politische Sachverhalte und Prozesse in gewissem Umfang ebenfalls miteinander korrelieren.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
2.2 2.2.1
21
Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle Fragestellung
Der Gegenstand der Befragung waren die Rolle von Radio und Fernsehen als Bildungsmedium sowie die Bedeutung der Medien in Lernprozessen von Erwachsenen vor dem Hintergrund einer stark erweiterten und ausdifferenzierten Medienlandschaft, die durch die Programmangebote der Spartenkanäle und von Radio Dortmund eine besondere Akzentsetzung erfuhr. Während traditionelle Vollprogramme den Anspruch erheben, ein Massenpublikum zu erreichen, richten sich die Spartenkanäle an ausgewählte Teilpublika. Im Dortmunder Kabelpilotprojekt waren es zum Zeitpunkt der ersten Umfrage (Februar 1987) die folgenden Programme, die für eine Spezialisierung der Angebote sorgten: Lokalkanal, Sport— und Informationskanal, Kulturkanal, Unterhaltungskanal, Bildungskanal sowie der Offene Kanal. Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich speziell für die Erwachsenenbildung die Frage, ob Bildungskanäle, wie etwa "Die kluge Sieben", zu einer Konkurrenz oder Ergänzung der örtlichen Einrichtungen werden können. Diese auf die Auswirkungen eines speziellen Bildungsangebotes zugeschnittene Fragestellung läßt sich darüber hinaus erweitern, indem man zu klären versucht, inwieweit es zu einer möglichen Substitution von Weiterbildungskursen durch Bildungssendungen in den verschiedenen Fernseh— und Radioprogrammen kommt. Die Untersuchungsperspektive läßt sich zugleich umkehren, indem man nicht fragt, ob ein Verdrängungswettbewerb zwischen medial vermittelten und personalen Bildungsprozessen stattgefunden hat, sondern erkundet, wie die Innovationschancen des Kabelpilotprojekts von den Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen genutzt werden. Bewirken die neuen Medienangebote eine erhöhte Bildungsbereitschaft bei bestimmten Teilgruppen der Projektteilnehmer? So soll mittels einer Kontrastierung der beiden Subgruppen der weiterbildungsaktiven und der —distanzierten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts geklärt werden, ob sie ein unterschiedliches Einstellungs — und Verhaltensprofil im Umgang mit den Neuen Medien aufweisen. Ebenso wird zu klären sein, ob die Neuen Medien eine Veränderung der Lehr —/Lernprozesse in der Erwachsenenbildung in dem Sinne erwarten lassen, daß neue Formen der Wissensaneignung — wie etwa der Medienverbund als arbeitsteilige und didaktisch aufbereitete Verzahnung mehrerer Medien — von den befragten Projektteilnehmern verstärkt wahrgenommen werden.
22
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
In einer weitergefaßten Untersuchungsperspektive geht es uns darüber hinaus um eine Erhebung der Erwartungen sowie um eine Erkundung der Akzeptanz bildungsrelevanter Programmangebote bei der Bevölkerung und um eine Analyse der Auswirkungen des Pilotprojekts auf das individuelle Bildungsverhalten. Diese Fragestellung umfaßt auch die Einstellungen der Projektteilnehmer zur Bildung allgemein sowie ihre Nutzung der Neuen Medien einerseits zum zielgerichteten und andererseits zum inzidentellen, d.h. eher beiläufigen Lernen. In den gleichen Erkundungszusammenhang gehört die Frage nach den bevorzugten Sendern und Programmsparten für Lernaktivitäten der Dortmunder Fernsehzuschauer und Radiohörer.
2.2.2
Methodisches Vorgehen
Die erste Welle der Teilnehmerbefragung fand im Februar 1987 statt. Der Befragung von 688 Kabelpilotprojektteilnehmern (künftig abgekürzt als Kabelprojektteilnehmer) lag ein standardisierter Fragebogen6* mit insgesamt 56 Fragen zugrunde. Die Entwicklung dieses Erhebungsinstruments gestaltete sich besonders zeit— und arbeitsintensiv, da wir mit unserer Untersuchung Neuland betreten haben; vergleichbare Instrumente, in denen die Rolle von Radio und Fernsehen als Bildungsmedien sowie die Bedeutung der Medien in Lernprozessen Gegenstand der Befragung sind, existieren bislang nicht. Nach der Fertigstellung des Fragebogens wurde eine erste Fassung einem Pretest unterzogen und anschließend modifiziert. Aus den Adressen der rund 10.000 angeschlossenen Dortmunder Haushalte wurde durch eine einfache Zufallsauswahl eine Stichprobe gewonnen. Die persönlichen Befragungen fanden nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung statt. Die Umfragedaten der ersten Welle wurden gemäß den im vorherigen Abschnitt entwickelten Fragestellungen einer Querschnittsanalyse unterzogen;7* wie bei explorativen Untersuchungen üblich, haben wir weitgehend auf einen vorschnellen Einsatz von Signifikanztests verzichtet.
2.2.3
Zur Charakterisierung der Befragtenstichprobe der ersten Befragungswelle
Von den 688 Befragten waren 53.9% Männer und 46.1% Frauen. Vermutlich hängt die leichte Überrepräsentation der Kabelprojektteilnehmer damit zusammen, daß männliche Befragte ein vergleichsweise ausgeprägteres Interesse an der Nutzung technologischer Neuentwicklungen besitzen als Frauen.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 1:
23
Frage Nr. 49 - Alter in Jahren*
lfd. Nr.
Alter in Jahren
1 2 3 4 5 6 7
13 20 30 40 50 60 70
- 19 - 29 - 39 - 49 - 59 - 69 oder älter
Summe
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
48 93 112 140 117 112 66
7.0 13.5 16.3 20.3 17.0 16.3 9.6
688
100.OS
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=688 Personen
Das Durchschnittsalter aller befragten Personen liegt bei 45,7 Jahre. Die Altersspannweite erstreckt sich von 13 bis 90 Jahre. Das Merkmal Alter ist in der Stichprobe der Kabelprojektteilnehmer in etwa normalverteilt. 26,6% der Befragten sind ledig, 62,8% verheiratet und 10,6% sind geschieden oder verwitwet. Die durchschnittliche Anzahl aller Kinder in den interviewten Haushalten betrug rund 1, wobei Haushalte ohne Kinder mit 39,4% überwiegen, gefolgt von Familien mit einem Kind (27%), zwei Kindern (24,1%) und drei Kindern (6,6%); Haushalte mit vier und mehr Kindern stellen — wie es im großstädtischen Siedlungsraum nicht anders zu erwarten ist — mit insgesamt 3% eine eindeutige Minderheit dar. Tabelle 2 :
lfd Nr. 1 2 3 4
Frage Nr. 52 - Schulbildung*
Schulbildung
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
Volks-/Hauptschule Weiterführende Schule ohne Abitur Abitur/Hochschulreife Studium
303 193
44.8 28.6
83 97
12.3 14.3
Summe
676
100.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=676 Personen
24
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
44,7% der befragten Bürger haben die V o l k s - bzw. Hauptschule und 28,8% eine weiterführende Schule ohne Abitur als Abschluß besucht. Von den interviewten Kabelprojektteilnehmern besitzen 12,3% das Abitur oder die Hochschulreife und 14,3% haben ein Studium an einer Hochschule oder Fachhochschule (einschl. Akademie und Polytechnikum) absolviert. Tabelle 3:
Frage Nr. 53 - Berufsausbildung*
lfd. Berufsausbildung Nr. 1 2 3 4 5 6
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
Noch in der Lehre Lehre ohne Abschluß Lehre mit Abschluß Gewerbeschule/Fachschule mit Abschluß/Meisterbrief Andere Art der Berufsausbildung Nichts davon
17 19 300 84
2.7 3.0 47.5 13.3
IIA 98
18.0 15.5
Summe
632
100.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=632 Personen
Was die Berufsausbildung angeht, so stellen diejenigen Dortmunder Bürger, die eine Lehre mit Abschluß (Gehilfen — , Gesellen— oder Facharbeiterbrief) gemacht haben, mit 47,5% den weitaus größten Anteil dar. 13,3% der Kabelprojektteilnehmer haben ihre Berufsausbildung an einer Fachschule absolviert oder einen Meisterbrief erworben. Drei Prozent weisen eine Lehre ohne Abschluß auf, und 2,7% der Befragten stehen noch in der beruflichen Ausbildung. Schließlich haben 18% eine andere Art der Berufsausbildung als zuvor genannt, während 15,5% keine der Kategorien zuzuordnen sind, da es sich in diesem Fall vor allem um Schüler/Studenten und Schülerinnen/Studentinnen handelt. Eine Aufschlüsselung der Stichprobe nach der Stellung im Beruf, die die Befragten einnehmen, zeigt eine deutliche Überrepräsentation der Angestellten, mit insgesamt 51,5%, wobei allein 28,9% zu den qualifizierten oder leitenden Angestellten gehören. Dagegen sind die Arbeiter mit zusammen 22,1% im Vergleich zur Dortmunder Berufsstruktur stark unterrepräsentiert. Es ist zu erwarten, daß mit dieser Uberrepräsentation der qualifizierten und leitenden Angestellten eine frühzeitigere und häufigere Nutzung neu eingeführter Informations — und Kommunikationsmedien einhergeht, wie sie etwa von der "Knowledge —gap —Hypothese" postuliert wird. Es bleibt noch
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 4; lfd. Nr. 1 1.1 1.2 1.3 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5 5.1 5.2 5.3
Frage Nr. 55 - Stellung in Beruf*
Stellung im Beruf
Selbständige - Kleiner Betrieb - Mittlerer Betrieb - Großer Betrieb Freie Berufe Angestellte - Einfache Angestellte - Mittlere Angestellte - Qualifizierte Angestellte - Leitende Angestellte Beamte - Einfacher Dienst - Mittlerer Dienst - Gehobener Dienst - Höherer Dienst Arbeiter - Einfache Arbeiten - Schwierige Arbeiten - Facharbeiter, Vorarbeiter Summe
25
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
46 20 3 17
8.1 3.5 0.5 3.0
66 63 120 45
11.6 11.0 21.0 7.9
1 22 28 14
0.2 3.9 4.9 2.5
25 28 73
4.4 4.9 12.8
571
100.OS
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=571 Personen
hinzuzufügen, daß die Berufsgruppen der Beamten, Selbständigen und Freien Berufe mit insgesamt jeweils 11,5%, 12.1% und 3% in der Stichprobe vertreten sind.
2.2.4
Bildung als persönlich und sozial erwünschtes Gut
Die überwiegende Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer betont die Bedeutsamkeit von Bildung generell, ihre Wichtigkeit für das engere soziale Umfeld der Befragten und für deren eigene Persönlichkeitsentwicklung: 55,8% von 663 Befragten halten den Bildungsbereich in der heutigen Zeit angesichts anderer Angebote und Ablenkungen für sehr wichtig. Weitere 36,6% sehen ihn für wichtig an. Dagegen schätzen bloß 5,3% der interviewten Personen den Bereich der Bildung als weniger wichtig ein. Geradezu verschwindend gering ist mit 0,3% der Anteil derjenigen Kabelprojekt-
26
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
teilnehmer, die das Gebiet der Bildung gegenwärtig für unbedeutend erklären. Es überrascht ferner, daß fast alle der befragten Personen in der einen oder anderen Form zu der Frage wertend Stellung beziehen, da nur 2% von ihnen mit "weiß nicht" antworten. Die überwiegende Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer hält die Bedeutung der Bildung aber nicht nur ganz generell, sondern auch bezogen auf ihr eigenes soziales Umfeld für bedeutsam. So geben beispielsweise 77% der Befragten an, daß die Bildung in ihrem Freundes— und Bekanntenkreis eine wichtige, beziehungsweise sehr wichtige Rolle spielt. Tabelle 5:
Frage Nr.32 und 34 - Bereichsspezifische Bedeutung der Bildung für die Menschen bzw. für einen selbst*
lfd. Bereiche Nr.
1 2 3 4 5 6
Wichtigkeit der Bildung für die Menschen für einer selbst absolute prozentuale absolute prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit
Im beruflichen Bereich Zur Erlangung von Abschlüssen/Zeugnisen Im kulturellen Bereich Im politischen Bereich Im Hobbybereich Sonstige Bereiche
380 72
55.5 10.5
289 51
42.6 7.5
71 69 33 60
10.4 10.1 4.8 8.7
106 91 74 68
15.6 13.4 10.9 10.0
Summe
685
100.0«
679
100.OS
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=685 bzw. 679 Personen
In unserem Projekt sind wir jedoch nicht bei der Abschätzung der Bedeutsamkeit der Bildung auf einer inhaltlich unspezifischen Ebene stehengeblieben, sondern wir haben den Teilnehmern des Kabelfunks verschiedene konkrete Bereiche vorgegeben, aus denen sie einen einzigen auswählen sollten, bei dem Bildung aus ihrer Sicht für die Menschen in der heutigen Zeit vor allem wichtig ist. Den ersten Rangplatz in der Werteskala von 685 Befragten nimmt ganz deutlich der berufliche Bereich mit 55,5% ein. 10,5% der interviewten Personen halten Bildung für wichtig, um Abschlüsse und Zeugnisse zu erlangen. Es folgen der kulturelle und der politische Bereich, in denen Bildung von jeweils 10,4% und 10,1% für bedeutungsvoll gehalten wird. Neben der eindeutigen Dominanz der Bildung für den beruflichen Bereich setzt also eine beträchtliche Minderheit von immerhin 20,5% die Prioritäten anders und betont
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
27
damit zugleich den Zusammenhang von Bildung mit Kultur und Politik als den großen Teilbereichen des gesellschaftlichen Überbaus. Fragt man die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts darüber hinaus, in welchen Bereichen sie Bildung für sich selbst als wichtig einschätzen, dann ergibt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit mit den zuvor skizzierten Befunden, die sich auf die Bedeutsamkeit von Bildung für die Menschen in der heutigen Zeit beziehen. Berufliches Lernen wird dabei sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der persönlichen Ebene für ganz zentral gehalten. Auf dem zweiten und dritten Rangplatz folgen auf der Skala der sozialen und persönlichen Wertschätzung der kulturelle und politische Bereich. Aus der Perspektive persönlicher Bildungsbedürfnisse steigen die kulturellen und politischen Interessensgebiete auf insgesamt 29% und der Hobbybereich von 4,8% auf 10,9% an. Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß nur ein knappes Drittel der interviewten Erwachsenen an Veranstaltungen der Weiterbildung teilgenomen hat, dann stellt sich aus der Sicht des Projekts — für die Institutionen der Erwachsenenbildung aber auch für die Massenmedien — die entscheidende Frage, wie nämlich, die latent vorhandenen Bildungsmotive der Bürger und Bürgerinnen in ein aktives Weiterbildungsverhalten transformiert werden können.
2.2.5 2.2.5.1
Zum Verhältnis von Lernen und Neuen Medien Fernsehen und Hörfunk als Medien für beiläufiges Lernen
Als analytisch fruchtbar erweist sich die Differenzierung des Lernbegriffs in eine intentionale und eine inzidentelle Komponente. Während erstere das aktive und systematisch am Gegenstand orientierte Lernen — meist im Sinne eines Lehrgangs — beinhaltet und damit weitgehend dem schulischen Lernen entspricht, meint die zweite Komponente ein Lernkonzept, in dessen Mittelpunkt nicht so sehr die gezielte Aneignung spezifischer Qualifikationen, sondern vielmehr das Sich —Informieren und Kundigmachen über meist gegenwartsbezogene Ereignisse und Probleme steht, die einen ausgeprägten lebensweltlichen Bezug aufweisen im Sinne eines eher beiläufigen Lernens. Entsprechend dieser in unserem Begleitforschungsprojekt vorgenommenen begrifflichen Unterscheidung haben wir in einem ersten Schritt das eher beiläufige Lernen der Teilnehmer des Kabelpilotprojekts im Umgang mit den audiovisuellen Medien Fernsehen und Hörfunk untersucht. Dazu sind die Teilnehmer gefragt worden, inwieweit sie bei verschiedenen Fernseh— und Hörfunksendungen etwas Neues erfahren, das
28
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
sie behalten möchten, weil es für ihre Allgemeinbildung, für ihre berufliche oder politische Bildung wichtig ist.8) 577 Befragte haben 14 verschiedene Arten von Fernsehsendungen, die ihnen vorgegeben waren, mit Hilfe einer dreistufigen Skala dahingehend beurteilt, ob sie bei diesen Sendungen "nichts", "etwas" oder "viel gelernt" haben. Außerdem stand ihnen die weitere Antwortalternative "sehe ich nie" zur Verfügung. Auf die Beurteilungskategorie viel gelernt entfielen insgesamt 2177 Antworten, die sich folgendermaßen auf die einzelnen Gattungen von Fernsehsendungen verteilen (siehe Tab. 6a). Die Häufigkeitsverteilung der Antworten, die in die Kategorie "viel gelernt" fielen, weist drei Schwerpunkte auf; Dokumentationen (z.B. "Ein Platz für Tiere", "Fremde Länder und Kontinente") halten mit 14,3% der Antworten den Spitzenplatz. Die Ratgebersendungen (z.B. "ARD Ratgeber", "Hobbythek") und die Nachrichtensendungen (z.B."Tagesschau", "heute") vereinigen jeweils 12,2% und 11,1% der Antworten auf sich. Auf den Plätzen 4 und 5 folgen die politische (z.B. "Panorama", ZDF —Magazin") und die wirtschaftliche (z.B. "Wiso") Berichterstattung mit jeweils 9,7% und 9,6%, gefolgt von den Wissenschaftssendungen ("z.B. "Wissenschaftsshow") mit 8,5% und der lokalen Berichterstattung (z.B. "Lokalredaktion") mit 8,2%, die die Rangplätze 6 und 7 einnehmen. Daß die lokale Berichterstattung innerhalb von 18 Sendearten das obere Drittel nur um einen Platz verfehlt, was den Lernertrag für die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts angeht, macht deutlich, daß die Sendungen des Dortmunder Lokalkanals in dieser Hinsicht als positiv eingeschätzt werden und zur Befriedigung eines vorhandenen Informationsbedürfnisses bei den Dortmunder Bürgern erheblich beitragen. Den achten und neunten Rangplatz hinsichtlich des Lerngehaltes nehmen Kultursendungen (z.B. "Kulturweltspiegel", Aspekte") mit 6,8% und Sportsendungen ("z.B: "Das aktuelle Sportstudio", "Teleski") ein, die auf 6,6% kommen. Am Ende der Skala der perzipierten Informationsaufnahme liegen Frauensendungen mit rund 0% (genauer: 0,05%), kirchliche und theologische Sendungen (0,1%) und Sendungen für Kinder (0,2%). Allerdings täuscht das Bild in diesen drei Fällen ein wenig. Die drei genannten Sendearten sind den befragten Teilnehmern des Kabelpilotprojekts im Fragebogen nicht explizit zum Ankreuzen vorgegeben, sondern von ihnen unter "Sonstiges" ( = sonstige Sendearten) selbst eingetragen worden. Da man davon ausgehen kann, daß bei inhaltlich gleichrangigen Antwortalternativen ihre selbständige Nennung durch die Befragten weniger wahrscheinlich ist als bei dem
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 6a: lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
Frage Nr.l - Lernen bei Fernsehsendungen*
Sendearten9)
Nachrichtensendungen Politische Berichterstattung Wirtschaftliche Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen Sendungen für Kinder Frauensendungen Kirchliche und theologische Sendungen Summe
29
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen 242 212 209
11.1 9.7 9.6
41.9 34.7 36.2
95 54
4.4 2.5
16.5 9.4
312 148 59 186 266 38 26 179 143 4 1 3
14.3 6.8 2.7 8.5 12.2 1.7 1.2 8.2 6.6 0.2 0.0 0.1
54.1 25.6 10.2 32.2 46.1 6.6 4.5 31.0 24.8 0.7 0.2 0.5
2177
100.OS
377.3X
* Bewertungskategorie "viel gelernt". (Verteilung der insgesamt von n=577 Personen abgegebenen Antworten auf 17 Sendearten) Ankreuzen schriftlich vorgegebener Alternativen, berücksichtigen wir diese drei Sendearten bei unserer Interpretation nicht weiter. Gleichwohl zeigt die geringe Anzahl von insgesamt nur acht Nennungen für diese drei Sendearten, was einem Prozentsatz von 0,37 entspricht, daß es der Projektgruppe bei der relativ komplexen Frage 1 gelungen ist, alle wichtigen Sendearten vorab in den Fragebogen einzubringen. Daß das Schulfernsehen und die Kursprogramme (z.B Sprachkurse) mit jeweils 1,2% und 1.7% am Ende der Rangskala liegen überrascht nur auf den ersten Blick. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß in Frage 1 nach dem beiläufigen Lernen, d.h. nach
30
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
einer Informationsaufnahme en passant durch die Fernsehteilnehmer gefragt wurde, beide Sendearten aber ein gezieltes Lernen voraussetzen, dann macht das gezeigte Antwortverhalten der Teilnehmer des Kabelpilotprojekts auf den ersten Blick unmittelbar Sinn. Zu den Sendungen, die nach dem Urteil der befragten Personen einen geringen Prozentsatz in der Kategorie "viel gelernt" aufwiesen, gehören ferner Krimis (z.B. Tatort), Spielfilme, Fernsehspiele und Serien ("Dallas") sowie - überraschenderweise — Konzerte, Opern, Theater (z.B. "Das Sonntagskonzert") mit 2,5% und 2,7%. Dieses Ergebnis deckt sich weitgehend mit den Befunden einer Auswertung derjenigen Antworten, die von den Befragten der Kategorie "nichts gelernt" zugeordnet worden sind. 553 der befragten Zuschauer kreuzten diese Antwortkategorie über die 17 Sendearten insgesamt 1335 mal an. 32,5% der Antworten unter "nichts gelernt" entfielen allein auf die Sendeart Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele und Serien. Daneben wurden von den Befragten die Sendearten Unterhaltung (z.B. "Der große Preis", "Einer wird gewinnen") und Sport mit jeweils 12,7% und 12,5% relativ häufig mit dem Attribut "nichts gelernt" versehen. Alle anderen Sendearten liegen mit ihren prozentualen Antwortkategorien deutlich unter der 10%—Grenze. Für die Interpretation der Ergebnisse zum inzidentellen Lernen der befragten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts bei Fernsehsendungen ist es auch wichtig, einen Blick auf die prozentuale Häufigkeitsverteilung jener 4860 Antworten zu werfen, die von den 688 Befragten unter der Kategorie "sehe ich nie" abgegeben worden sind. Wenn man einmal die äußerst geringe Zahl der Antworten beiseite läßt, die unter die Kategorie "Sonstiges" gefallen sind, dann zeigt sich deutlich, daß das Schulfernsehen, welches primär von Kindern und Jugendlichen gesehen wird, und überraschenderweise auch die Kursprogramme (z.B. Sprachkurse) mit jeweils 19,3% und 18,6% der Antworten von allen Sendearten am wenigsten Resonanz bei den interviewten Personen finden. Offenbar gibt es so etwas wie einen "harten Kern" unter den Teilnehmern des Kabelpilotprojekts, der sich durch eine ausgeprägte Distanz gegenüber typischen Bildungsprogrammen auszeichnet. Diese Interpretation wird erhärtet, wenn man beide Sendearten nicht wie bislang über die Auswertungsebene der Gesamtzahl der Antworten in Relation zu allen anderen Typen von Fernsehsendungen setzt, sondern sie beide auf der Ebene der befragten Personen jeweils für sich getrennt analysiert. Danach sehen von den 688 interviewten Teilnehmern des Kabelpiloprojekts 82% niemals Sendungen des Schulfernsehens. Unter dem Aspekt der Weiterbildung ist es aber schon fast bestürzend zu nennen,
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 6b:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
31
Frage Nr.l - Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen*
Sendeart
arithmetische Mittelwerte
Nachrichtensendungen Polit. Berichterstattung Wirtschafte Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen RatgeberSendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen
Standardabweichungen
Anzahl d.Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten10^ n
J
S
2.3 2.3 2.3 1.8 1.4
0.6 0.6 0.6 0.7 0.6
678 554 518 509 626
2.5 2.2 1.8 2.3 2.4 1.9 1.8 2.2 1.9
0.6 0.6 0.7 0.6 0.6 0.8 0.8 0.7 0.8
616 474 371 447 547 149 119 131 170
J
i
* arithmetische Mittelwerte j und Standardabweichungen sj der mit Hilfe dreistufiger Skalen (l="nichts gelernt", 2="etwas gelernt" und 3="viel gelernt") gemessenen Einschätzungen der befragten n=688 Personen daß von den Befragten 77,8% niemals ein Kursprogramm im Femsehen einschalten. Hier tut sich nicht nur ein umfangreiches Klientel, sondern auch eine große Herausforderung sowohl für die Programmverantwortlichen in den Funkhäusern als auch für die in der Erwachsenenbildung engagierten Institutionen und Personen auf. In einem abschließenden Auswertungsschritt haben wir bei den verschiedenen Sendegattungen die arithmetischen Mittelwerte und Standardabweichungen der Einschätzungen der Kabelprojektteilnehmer hinsichtlich des Lernertrags berechnet, die mittels dreistufiger Skalen gewonnen wurden. In Ergänzung zu den bislang getrennt ausgewerteten bipolaren Skalenausprägungen "nichts gelernt" und "viel gelernt" sind die als Maße der zentralen Tendenz zu interpretierenden Mittelwerte unter Einbeziehung der Beurteilungskategorie "etwas gelernt", die mit dem numerischen Wert 2 kodiert wurde, berechnet worden.
32
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Die Rangfolge der arithmetischen Mittelwerte, die gleichsam eine resümierende Lokalisierung der Befragtenurteile im semantischen Raum bieten, der durch die Skalenausprägungen aufgespannt wird, zeigt, daß die Kabelprojektteilnehmer am meisten bei den Dokumentationen und Ratgebersendungen beiläufig lernen. An dritter Stelle folgt eine Vierergruppe, die Nachrichtensendungen, politische und wirtschaftliche Berichterstattungen sowie Wissenschaftssendungen umfaßt. Den vierten Rangplatz nimmt die lokale Berichterstattung ein, wohingegen die gemäß unserer Fragestellung besonders interessierenden Sendearten Schulfernsehen und Kursprogramme am unteren Ende der Rangskala liegen. Ein Vergleich der Tabellen 6a und 6b zeigt ferner eine weitgehende Übereinstimmung in der Rangfolge der Sendegattungen zwischen der Beurteilungskategorie "viel gelernt" und der durchschnittlichen Einschätzung der Fernsehzuschauer über die arithmetischen Mittelwerte. Bislang haben wir gefragt, inwieweit sie untersuchten Adressaten des Kabelfunks das Fernsehen als Quelle inzidentellen, eher ungerichteten Lernens ansehen. Interessant und zugleich erwachsenenpädagogisch wichtig dürfte es sein, die gleiche Frage auch für das mediale Feld der Radiosendungen zu stellen. Die in Tabelle 7a zusammengefaßten Befragungsergebnisse geben dazu eine erste Antwort. Tabelle 7a: lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Frage 11 - Lernen bei Hörfunksendungen*
Sendearten
absolute Häufigkeit
Nachrichtensendungen Musiksendungen (klass. Musik) Musiksendungen (Rock-/Popmusik) Polit. Berichte, Reportagen Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiel Schulfunk Längere Berichte/Dokumentationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen Summe
236 51 53 154 147 136 138 22 26 57 69 88 1177
prozentuale Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigkeit der Personen
20.1 4.3 4.5 13.1 12.5 11.6 11.7 1.9 2.2 4.8 5.9 7.5
56.3 12.2 12.6 36.8 35.1 32.5 32.9 5.3 6.2 13.6 16.5 21.0
100.OS
281.4%
* Bewertungskategorie "viel gelernt" (Verteilung der insgevon n=419 Personen abgegebenen Antworten auf 12 Sendearten)
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
33
Da in die Kategorie "Sonstige Hörfunksendungen" von den insgesamt abgegebenen 1179 Antworten nur 2 entfielen, was einem Prozentsatz von 0,17% entspricht, ist es gerechtfertigt, diese Antwortklasse von der weiteren Auswertung auszuschließen und ihr die reduzierte absolute Häufigkeit von 1177 Antworten zugrunde zu legen. Auch bei Frage 11 zeigt sich wiederum an der äußerst geringen Besetzung der Residualkategorie, daß es mit den explizit vorgegebenen Arten von Hörfunksendungen gelungen ist, das potentielle Antwortreservoir bei den befragten Personen angemessen auszuschöpfen. In Frage 11 hatten 419 Teilnehmer des Kabelpilotprojekts — analog zu Frage 1 — verschiedene Arten von Hörfunksendungen danach einzuschätzen, inwieweit sie bei ihnen "nichts", "etwas" oder "viel gelernt" haben, wobei auch hier wieder das inzidentelle Lernen im Vordergrund stand. Außerdem konnten die Befragten wahlweise angeben, daß sie die betreffende Sendeart "nie hören" würden. Die Häufigkeitsverteilung der insgesamt von den interviewten Personen abgegebenen Antworten, die bezüglich der 12 Sendearten in die Beurteilungskategorie "viel gelernt" fielen, zeigt einen markanten Gipfel: 20,1% aller Antworten entfallen auf die "Nachrichtensendungen". Offenbar haben die Befragten im Vergleich zu allen anderen Sendungsarten hier am meisten beiläufig lernen können. Erst mit einem relativ großen Abstand folgt eine Vierergruppe von Sendearten auf den Rangplätzen 2 bis 5. Im einzelnen handelt es sich um die Sendearten "Politische Berichte, Reportagen" (13,1%), "Lokale Berichterstattung" (12,5%), "Sendungen mit Hörerbeteiligung" (z.B. "Hallo Ü-Wagen") mit 11,7% und um "Magazinsendungen" (z.B. "Morgenmagazin") mit 11,6%. Wir vermuten, daß Radio Dortmund mit seinem ausgeprägten Schwerpunkt im Lokalbereich mit dazu beigetragen hat, daß die Lernwirkungen der Sendeart "lokale Berichterstattung" von den interviewten Personen so positiv eingeschätzt werden. Alle anderen Arten von Hörfunksendungen liegen deutlich unter der 10% —Grenze, wobei es doch überrascht, daß die Sendegattungen "Längere Berichte, Dokumentationen" und "Vorträge, Diskussionen" mit jeweils 4,8% und 5,9% eine so niedrige Einschätzung hinsichtlich der Möglichkeit erhalten haben, bei ihnen viel zu lernen. Die niedrigen Beurteilungen der E— und U - Musiksendungen mit jeweils 4,3% und 4,5% durch die Befragten waren da schon eher zu erwarten, nicht jedoch der letzte Rangplatz, den die Sendegattung "Hörspiele" mit 1,9% einnimmt. Die niedrigen Rangplätze der genannten Sendearten hinsichtlich des Ausmaßes der Lernmöglichkeiten, die sie bieten, finden ihre Entsprechung, wenn man die prozentuale Häufigkeitsverteilung jener 2292 Antworten über die 12 Sendearten ergänzend
34
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
heranzieht, die von 501 Befragten unter der Kategorie "nichts gelernt" abgegeben worden sind. Es schält sich unter diesem Auswertungsgesichtspunkt ganz deutlich eine Gruppe von fünf Sendungsarten heraus, auf die besonders viele Antworten entfallen, die mithin aus der Sicht der Befragten keine Lernmöglichkeiten bieten. Es sind dies R o c k - und Popmusik (14,7%), Hörspiele (12,8%), Klassische Musik (11,6%), Schulfunksendungen (11,4%) und Sportsendungen (10,3%). Es folgen die Sendearten "Längere Berichte, Dokumentationen" und "Vorträge, Diskussionen" mit jeweils 8,9% und 8,2%. Alle anderen Arten von Hörfunksendungen liegen hinsichtlich ihrer prozentualen Häufigkeit weit unter der 10%—Marke. Schließlich ist es für die richtige Einordnung der bislang diskutierten Befunde zum inzidentellen Lernen bei Rundfunksendungen wichtig, jene Antworten zu analysieren, welche unter die Beurteilungskategorie "höre ich nie" fallen. 687 der interviewten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts kreuzten die Antwortkategorie über die 12 Sendearten insgesamt 1125 mal an. Unter den verschiedenen Typen von Sendungen wurden die folgenden prozentual am häufigsten von den Befragten mit der Bewertung "höre ich nie" in abnehmender Rangfolge bedacht: "Schulfunk" (15,2%), "Hörspiele (13,8%), "längere Berichte, Dokumentationen" (11,8%), "Vorträge, Diskussionen" (11%) und "Klassische Musik" (9,4%) Dieser Befund läßt sich noch weiter erhärten, wenn man — wie bei der Untersuchung der durch das Fernsehen induzierten Lernwirkungen — die analytische Ebene der Gesamtzahl der Antworten verläßt und sich auf die Ebene der befragten Personen begibt. Von den 559 befragten Personen hören 23,8% nie längere Berichte und Dokumentationen im Radio; 21,8% der interviewten Kabelprojektteilnehmer hören nie Vorträge oder Diskussionen im Rundfunk (zu dieser Frage äußerten sich 569 Befragte). Von 552 interviewten Personen machen 31% nie von der Möglichkeit Gebrauch, eine Schulfunksendung zu hören. Was schließlich Hörspiele und klassische Musik angeht, so verzichten jeweils 27,9% der 556 und 18,7% der 568 befragten Kabelpilotprojektteilnehmer darauf, entsprechende Sendungen zu hören. Eine eher globale Abschätzung der beiläufigen Lernerträge der einzelnen Gattungen von Radiosendungen wurde auch hier über die Berechnung der arithmetischen Mittelwerte vorgenommen. Aus Tabelle 7b läßt sich unmittelbar der erste Rangplatz der Nachrichtensendungen für das beiläufige Lernen ablesen, gefolgt von den "Politischen Berichten und Reportagen" und der "Lokalen Berichterstattung". An dritter Stelle stehen die "Magazinsendungen" und die "Sendungen mit Hörerbeteiligung", während "Hörspiel" und
35
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
"Schulfunksendungen" das Schlußlicht bilden. Diese Befunde stehen in deutlicher Übereinstimmung mit den in Tabelle 7a berichteten Ergebnissen zur Beurteilungskategorie "viel gelernt". Tabelle 7b:
lfd Nr.
Frage Nr. 11 - Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen*
Sendearten
arithmetische StandardabMittelwerte weichungen
Xj 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Nachrichtensendungen Musiksendungen (Klassik) Musiksendungen (Rock/Pop) Polit. Berichte/Reportagen Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiele Schulfunk Längere Berichte/Dokumentationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen
2.3 1.5 1.4 2.1 2.1 2.0 2.0 1.3 1.4 1.7 1.7 1.7
Anzahl der Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten
j
"i
0.6 0.7 0.7 0.7 0.7 0.7 0.7 0.6 0.6 0.7 0.7 0.8
621 462 496 556 547 521 517 401 381 426 445 484
s
* arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe dreistufiger Skalen (l="nichts gelernt" bis 3="viel gelernt") gemessenen Einschätzungen der befragten n=688 Personen
Insgesamt gesehen gibt es zu denken, daß sich — im Durchschnitt gesehen — die Abstinenz der Kabelprojektteilnehmer vor allem zum einen auf informationsreiche und zum anderen auf kulturell hoch bewertete Sendearten des Hörfunks bezieht.
2.2.5.2
Fernsehen und Hörfunk als Medien für intentionales Lernen
Des weiteren haben wir die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts gefragt, wie häufig sie verschiedene Sendearten im Fernsehen einschalten, um gezielt etwas zu erlernen, weil sie es für ihre Allgemeinbildung, für ihre berufliche oder politische Bildung für wichtig halten. Die interviewten Dortmunder Bürger haben wiederum dieselben 14 verschiedenen Gattungen von Fernsehsendungen (vgl. Abschnitt 2.2.5.1) mittels einer
36
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
diesmal vierstufigen Skala dahingehend beurteilt, ob sie diese Sendungen "nie", "selten", "gelegentlich" oder "häufig" einschalten, um etwas lernen zu wollen. Auf die Beurteilungskategorie "häufig" entfielen insgesamt 2358 Antworten von 639 Personen, die sich wie folgt auf die einzelnen Arten von Fernsehsendungen verteilen.
Tabelle 8a:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Frage Nr. 2 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen*
Sendearten
absolute Häufigkeit
Nachrichtensendungen Polit. Berichterstattung Wirtschaftl. Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen Summe
prozentuale Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigkeit der Personen
528 183 160 145 192
22.4 7.8 6.8 6.1 8.1
82.6 28.6 25.0 22.7 30.0
252 79 64 101 172 24 15 202 241
10.7 3.4 2.7 4.3 7.3 1.0 0.6 8.6 10.2
39.4 12.4 10.0 15.8 26.9 3.8 2.3 31.6 37.7
100.0»
369.0«
2358
* Einschaltquoten einzelner Sendearten zum gezielten Lernen: Bewertungskategorie "häufig" (Verteilung der insgesamt von n=639 Personen abgegebenen Antworten auf 14 Sendearten) Von den 14 vorgegebenen Sendearten nutzen die interviewten Personen an erster Stelle eindeutig die Nachrichten zum intentionalen Lernen aus. 22,4% aller Kabelprojektteilnehmer gaben an, daß sie diese Sendeart häufig einschalten, wenn sie etwas gezielt lernen wollen. Auf den vorderen Rangplätzen liegen bezüglich der erfragten Einschaltquoten ferner Dokumentationen (10,7%), Sportsendungen (10,2%) sowie die
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
37
lokale Berichterstattung (8,6%). Das Schulfernsehen (0,6%), Kursprogramme (1%), Konzerte, Opern, Theater (2,7%) und Kultursendungen mit 3,4% aller Antworten bilden die Schlußgruppe, wobei auch in diesem Fall die geringe prozentuale Häufigkeit der Kursprogramme und der Kultursendungen überrascht. Damit ergeben sich strukturelle Ähnlichkeiten der Antwortmuster zwischen den Fragen nach dem gezielten und dem beiläufigen Lernen. Wir vermuten, daß die Teilnehmer bei der Beantwortung der beiden Fragen zum intentionalen wie zum inzidentellen Lernen einen weiten Lernbegriff benutzt haben, in dessen Mittelpunkt nicht so sehr die Aneignung spezifischer Qualifikationen, sondern vielmehr das Sich —Informieren und Kundigmachen über gegenwartsbezogenen Ereignisse und Probleme steht, die einen eher lebensweltlichen Bezug aufweisen. Die vorliegenden Befunde decken sich — in symmetrischer Betrachtungsweise — weitgehend mit den Resultaten einer Auswertung derjenigen Antworten, welche die Kabelprojektteilnehmer der Kategorie "nie" zugeordnet haben. 657 der befragten Dortmunder Bürger kreuzten diese Skalenausprägung über die 14 Sendearten in toto 2920 mal an. Jeweils 19% der Antworten entfielen auf die Sendearten "Schulfernsehen" und "Kursprogramme", gefolgt von der Rubrik "Konzerte, Opern, Theater" mit 12,8%. Noch offensichüicher wird diese festgestellte Distanz zu den bildungsbezogenen Sendegattungen, wenn man die Ebene der befragten Personen in die Interpretation mit einbezieht: 84,3% der Kabelprojektteilnehmer schalten nie ein Kursprogramm im Fernsehen ein, um etwas gezielt zu lernen! Beim Schulfernsehen sind es sogar 84,5%. Unter dieser Fragestellung sind ebenfalls die arithmetischen Mittelwerte und Standardabweichungen unter Einbeziehung aller vier Skalenausprägungen berechnet worden, um zentralen Tendenzen in den Einschätzungen der Befragten abzubilden. Auch hier nehmen die Nachrichtensendungen den ersten Rangplatz ein, wenn es um die durchschnittliche Einschalthäufigkeit zum intentionalen Lernen geht. An zweiter Stelle der Präferenzliste befinden sich die Dokumentationssendungen, gefolgt von den gleichauf liegenden Fernsehsendungen zur politischen und lokalen Berichterstattung-, Sendungen zur wirtschaftlichen Berichterstattung, Ratgeber— sowie Sportsendungen bilden gemeinsam den vierten Rangplatz, Kursprogramme und das Schulfernsehen nehmen dagegen den letzten Rang ein. Zudem sind die Beurteilungen der Dortmunder Bürger bezüglich dieser beiden Bildungssendungen am homogensten, da sie die geringsten Standardabweichungen aufweisen. Ein Vergleich der Tabellen 8a und 8b zeigt darüber hinaus eine relativ ausgeprägte Übereinstimmung mit den Befragteneinschätzungen, die auf die Bewertungskategorie "häufig" entfallen.
38
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 8b:
Frage Nr.2 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen*
lfd. Sendearten Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Nachrichtensendungen Polit. Berichterstattung Wirtschafte Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen
arithmetische Standardab- Anzahl d. Mittelwerte abweichungen Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten s ni J j 3.6 2.7 2.6
0.8 1.0 1.0
684 681 681
2.4 2.5
1.1 1.1
684 682
2.9 2.3 1.8 2.3 2.6 1.3 1.3 2.7 2.6
1.0 1.0 1.0 1.0 1.0 0.7 0.6 1.1 1.2
682 678 678 667 681 677 667 677 684
* Einschaltquoten einzelner Sendearten zum gezielten Lernen (arithmetische Mittelwerte j und Standardabweichungen sj der mit Hilfe vierstufiger Skalen (l="nie", 2="selten", 3="gelegentlich" 4="häufig") gemessenen Einschätzungen der befragten n = 688 Personen Ein entsprechendes Ergebnismuster wie beim Fernsehen zeigt sich auch, wenn man die Kabelprojektteilnehmer fragt, wie häufig sie verschiedene Arten von Hörfunksendungen einschalten, um gezielt etwas lernen zu wollen (vgl. Tabelle 9a). Wenn man die Gesamtzahl der abgegebenen Antworten in Relation zu den verschiedenen Typen von Radiosendungen setzt, dann zeigt sich, daß auch hier die Nachrichtensendungen mit rund 30 % eindeutig an der Spitze liegen, gefolgt von den Magazinsendungen (13%), den Sportsendungen (11%), der lokalen Berichterstattung und den Sendungen mit Hörerbeteiligung mit jeweils rund 10%. Dagegen werden der Schulfunk (0,8%), Hörspiele (0,9%) und längere Berichte und Dokumentationen
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 9a: lfd. Nr
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Frage 13 - Intentionales Lernen bei Hörfunksendungen*
Sendearten
absolute Häufigkeit
Nachrichtensendungen Musiksendungen (klass. Musik) Musiksendungen (Rock-/Popmusik) Polit. Berichte, Reportagen Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiel Schulfunk Längere Berichte/Dokumentationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen Summe
39
405 60 110 106 142 180 138 13 11 20 33 151 1369
prozentuale Häufigkeit der Antworten
29.6 4.4 6.0 7.7 10.4 13.1 10.1 0.9 0.8 1.5 2.4
prozentuale Häufigkeit der Personen
11.0
78.2 11.6 21.2 20.5 27.4 34.7 26.6 2.5 2.1 3.9 6.4 29.2
100.0«
264.3%
* Einschaltquoten einzelner Sendearten zum gezielten Lernen: Bewertungskategorie "häufig" (Verteilung der insgesamt von n= 518 Personen abgegebenen Antworten auf 12 Sendearten)
(1,5%) nur von einer ausgesprochenen Minderheit präferiert. Die dominierende Position der Nachrichtensendungen im Zusammenhang mit der relativen Häufigkeit gezielten Lernens (78%) springt besonders ins Auge, wenn man die Auswertungsebene der befragten Personen betrachtet. Wie auch schon bei der Analyse des intentionalen Lernens mittels des Fernsehens wird an diesen Befunden deutlich, daß die Kabelprojektteilnehmer offenbar einen weiten Lernbegriff besitzen, den sie durchgehend an Hörfunk— und Fernsehsendungen anlegen, und der nicht ein systematisches, in einem Lehrgang vermitteltes Wissen, sondern das Aufnehmen von Informationen — oftmals mit aktuellem Charakter — beinhaltet. Geht man auf die Ebene der abgegebenen Antworten zurück und betrachtet die prozentuale Häufigkeitsverteilung jener 3581 Antworten über die 12 Sendearten, die von 621 befragten Dortmunder Bürgern in der Beurteilungskategorie "schalte ich nie ein, um etwas gezielt lernen zu wollen" abgegeben worden sind, dann zeigt sich
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
40
wiederum ein Befundmuster, welches zur Skalenausprägung "häufig" weitgehend symmetrisch ist. Bildungsbezogene und kulturell hoch bewertete Radiosendungen wie der Schulfunk, Hörspiele, längere Berichte und Dokumentationen, klassische Musiksendungen sowie Vorträge und Diskussionen werden im Vergleich zu den anderen Sendegattungen prozentual häufiger von den Kabelprojektteilnehmern niemals eingeschaltet. Die in Tabelle 9b aufgelisteten arithmetischen Mittelwerte unter Berücksichtigung aller vier Skalenausprägungen stimmen auch in diesem Fall im großen und ganzen mit derjenigen Rangfolge der Sendegattungen überein, die aufgrund der isolierten Betrachtung der Beurteilungskategorie "häufig" gewonnen worden sind (vgl. Tabelle 9a).
Tabelle 9b:
lfd Nr.
Frage Nr. 13 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen*
Sendearten
arithmetische StandardabMittelwerte weichungen
x
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Nachrichtensendungen Musiksendungen (Klassik) Musiksendungen (Rock/Pop) Polit. Berichte/Reportagen Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiele Schulfunk Längere Berichte/Dokumentationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen
j
3.3 1.7 2.0 2.3 2.5 2.4 2.3 1.3 1.3 1.6 1.6 2.2
S
J
1.0 1.0 1.2 1.0 1.1 1.2 1.2 0.7 0.6 0.8 0.9 1.2
Anzahl der Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten "i 662 634 630 640 638 646 647 625 629 632 635 644
* Einschalthäufigkeit einzelner Sendearten zum gezielten Lernen (arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe vierstufiger Skalen (l="nie", 2="selten", 3="gelegentlich", 4="häufig") gemessenen Einschätzungen der befragten n=688 Personen
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
41
Dem aufmerksamen Leser wird sicherlich der Umstand aufgefallen sein, daß sich die Befragungsergebnisse zur Nutzung der verschiedenen Sendearten in Hörfunk und Fernsehen für das inzidentelle und das intentionale Lernen nicht unterscheiden. So hätte man etwa bei den Kursprogrammen eine deutlich höhere Einschalthäufigkeit unter dem Aspekt des gezielten als unter dem des beiläufigen Lernens erwartet. Wir deuten die Befunde aus den Befragungsdaten dahingehend, daß Radio und Fernsehen im Bewußtsein der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit nicht mit bildenden bzw. kulturellen Funktionen in Verbindung gebracht werden. Das Image beider Medien ist vielmehr primär durch Unterhaltungs — und sekundär durch Informationsfunktionen geprägt (vgl. Abschnitt 2.4.1). Diese Interpretation wird ferner dadurch gestützt, daß nur rund 4% der Dortmunder Bürger im letzten Jahr spezielle Bildungsangebote des Fernsehens im Sinne eines intentionalen Lernens genutzt haben (vgl. Abschnitt 2.2.8). Dagegen sehen die meisten Kabelprojektteilnehmer Hörfunk und Fernsehen als Quelle beiläufigen Lernens an, wobei vor allem Dokumentationen, Ratgebersendungen, Nachrichtensendungen, Sendungen mit politischen und wirtschaftlichen Themen sowie Wissenschaftssendungen und lokale Berichterstattungen aus der Sicht der Bürger einen positiven Lernertrag erbringen.
2.2.6
Zur Bedeutung von Spartenkanälen und Radio Dortmund als Programmträger für Lernaktivitäten
Unter dem Aspekt der vorgängigen Lern— und Bildungsabsicht schlagen die Spartenkanäle des Dortmunder Kabelpilotprojekts alle anderen Fernsehprogramme weit aus dem Feld (siehe Tabelle 10). Auf die Frage, welche Fernsehprogramme/—Kanäle sie bevorzugt einschalten, wenn sie etwas lernen möchten (bis zu drei Nennungen waren möglich), gaben die 641 Teilnehmer insgesamt 1953 Antworten, die sich auf die einzelnen Programme/Kanäle wie folgt verteilen: Alle Kanäle des Dortmunder Kabelfemsehens vereinigen sage und schreibe 33,4% aller Antworten auf sich und lassen damit die klassischen Programme ZDF, ARD und Dritten Programme weit hinter sich, auf die jeweils nur 16,2%, 15,6% und 11,4% entfallen. Von den kommerziellen Fernsehprogrammen weisen nur RTL Plus und SAT 1 mit jeweils 9,9% und 7,2% nennenswerte Prozentsätze auf. Die Antwortverteilung für die verschiedenen Kanäle des Dortmunder Kabelfernsehens spiegelt zum einen die vorrangige Nutzung des Fernsehens zur Unterhaltung und zum anderen die Präferenz unter dem Gesichtspunkt eines weiten Lernbegriffs wider: Lokalkanal (13,4%) — Sport— und Informationskanal (7,8%) — Unterhaltungskanal (5,3%) — Bildungskanal (3,2%) — Kulturkanal (2,8%) - Offener Kanal (0,9%).
42
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 10:
Frage Nr.3 - Einschaltquoten von FernsehprograR«en/-kanälen für Lernaktivitäten*
lfd. Fernsehprogramme/-kanäle Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
ARD ZDF Dritte Programme Lokalkanal Dortmund Sport-u. Informationskanal DO Kulturkanal DO Unterhaltungskanal DO Bildungskanal DO Offener Kanal DO 3SAT ARD lPlus RTL Plus SAT 1 Kanal 21 Kanal 22 ZDF-Musikkanal MUSIKBOX SKY CHANNEL SUPER CHANNEL TV5 Summe
absolute Häufigkeit
304 316 222 262 153 55 104 63 18 72 21 193 141 1 1 5 3 9 7 3 1953
prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen 15.6 16.2 11.4 13.4 7.8 2.8 5.3 3.2 0.9 3.7 1.1 9.9 7.2 0.1 0.1 0.3 0.2 0.5 0.4 0.2
47.4 49.3 34.6 40.9 23.9 8.6 16.2 9.8 2.8 11.2 3.3 30.1 22.0 0.2 0.2 0.8 0.5 1.4 1.1 0.5
100.0«
304.78
* Verteilung der insgesamt von n=641 Personen abgegebenen Antworten auf die 20 Programme/Kanäle; bis zu maximal drei Antworten möglich In Frage 12 unserer Untersuchung haben wir die Stichprobe der Teilnehmer des Kabelpilotprojekts danach gefragt, welche Hörfunkprogramme/—kanäle sie bevorzugt einschalten, wenn Sie etwas lernen möchten. Da die interviewten Personen bis zu drei Programme ankreuzen konnten, haben wir — wie auch schon bei einer Reihe von Fragen zuvor — bei der Auswertung die Anzahl der insgesamt von allen Interviewten abgegebenen Antworten zu Frage 12 als Bezugsgröße gewählt. Das Befragungsergebnis ist in Tabelle 11 zusammengefaßt.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 11:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Frage 12 - Einschaltquoten von Hörfunksendungen/-kanälen für Lernaktivitäten*
Hörfunkprogramme/-kanäle
WDR 1 WDR 2 WDR 3 WDR 4 Deutschlandfunk Radio Dortmund BBC BFBS HR 1 HR 3 NDR 2 NDR 3 RTL SWF 3 Sonstige ausländische Sender Summe
43
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale der Antworten Häufigder Personen 179 353 91 246 57 278 3 8 2 3 3 1 17 11 4 1256
14.3 28.1 7.2 19.6 4.5 22.1 0.2 0.6 0.2 0.2 0.2 0.1 1.4 0.9 0.3
29.3 57.8 14.9 40.3 9.3 45.5 0.5 1.3 0.3 0.5 0.5 0.2 2.8 1.8 0.7
100.OK
205.6%
* Verteilung der insgesamt von n=611 Personen abgegebenen Antworten auf die 15 Programme/Kanäle; bis zu maximal drei Antworten möglich
Wie aus Tabelle 11 hervorgeht, bilden die Hörfunkprogramme / —kanäle WDR 2 mit 28,1%, Radio Dortmund (22,1%), WDR 4 (19,6%) und WDR 1 mit 14,3% eine deutliche Spitzengruppe. Insgesamt entfallen auf diese vier Programme 84,1% aller Antworten. Besonders positiv hervorzuheben ist, daß Radio Dortmund alle etablierten Kanäle des WDR bis auf eine Ausnahme überrunden und sich an die zweite Stelle setzten konnte, obwohl dieser Sender zum Befragungszeitpunkt erst seit 17 Monaten seinen Sendebetrieb aufgenommen hatte. Wenn wir auf die Auswertungsebene der interviewten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts wechseln, dann ergibt sich ergänzend das folgende Bild: Von den 611 befragten Teilnehmern schalten 45,5% bevorzugt Radio Dortmund ein, wenn sie etwas lernen wollen. Beim Spitzenreiter WDR 2 sind es 57,8%, während WDR 4, WDR 1 und WDR 3 jeweils Prozentsätze von 40,3%, 29,3% und 14,9% aufweisen können. Offenbar bietet das Programmangebot von Radio Dortmund neben seiner Unterhaltungsfunktion eine breite Palette von Möglich-
44
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
keiten zum Lernen. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist allerdings darauf zu achten, daß die befragten Personen unter Lernen vor allem die Aufnahme von sie interessierenden Informationen verstanden haben, also einen relativ offenen Lernbegriff vor Augen hatten, als sie interviewt wurden. Ein weiterer Blick auf die Tabelle 11 zeigt, daß von den westdeutschen Hörfunkprogrammen nur noch der WDR 3 (7,2%) und der Deutschlandfunk (4,5%) relativ passable Einschaltquoten auf der Antwortenebene aufweisen. Alle anderen Programme einschließlich der ausländischen Sender spielen praktisch bei den Kabelprojektteilnehmern keine Rolle, wenn es ihnen darum geht, etwas lernen zu wollen. Natürlich wirken sich dabei vor allem Reichweiteneinschränkungen, Empfangsqualitäten und ein anderes Programmangebot aus, so daß wir legimiert sind, uns bei der Auswertung auf einen Vergleich der ersten sechs Hörfunkprogramme/— kanäle zu konzentrieren.
2.2.7
Zum Verhältnis von Angeboten der Neuen Medien und den Einrichtungen der Weiterbildung
Die sekundäranalytische Auswertung der GfK — Nullmessung ergab, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Menge des Fernsehkonsums und dem Ausmaß der Weiterbildungsaktivitäten besteht: Je höher der generelle Fernsehkonsum der befragten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen war, desto weniger waren sie bereit, Fortbildungskurse und Umschulungsmaßnahmen zu besuchen oder an anderen Formen der Weiterbildung zu partizipieren (siehe Abschnitt 2.1.2.4). Dagegen besteht bei den weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmem
keine Konkur-
renz zwischen den Bildungs— und Kulturbeiträgen der audiovisuellen Medien und dem Kursangebot der Weiterbildungseinrichtungen. Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der befragten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts, nämlich ganze 0.6%, hat schon einmal auf Grund eines speziellen Bildungsangebots im Fernsehen (z.B. Telekolleg) auf den Besuch eines Weiterbildungskurses (z.B. an der Volkshochschule) verzichtet. Es ist eher das Gegenteil der Fall, denn immerhin 2,7% der befragten Personen können sich an eine Sendung des Fernsehens erinnern, die sie angeregt hat, einen Weiterbildungskurs zu besuchen. Die thematische Palette derjenigen Fernsehsendungen, die dazu beigetragen haben, daß die Kabelprojektteilnehmer sich entschlossen haben, Kurse an den Institutionen der Erwachsenenbildung zu besuchen, ist sehr breit und umfaßt die Stoffgebiete Geschichte/Zeitgeschichte, Recht, Psychologie, Länder-
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
45
kunde/Geographie, Sprachen und Mathematik/Naturwissenschaft/Technik, wobei mit Sendungen zu Englisch und zur Informationstechnologie zwei Anregungsschwerpunkte bestehen. Diese durch das Fernsehen bei den Dortmunder Bürgern induzierten Impulse werden nun von ihnen zu einer Teilnahme an Weiterbildungskursen in Einrichtungen der Erwachsenenbildung umgesetzt, welche inhaltliche Schwerpunkte aufweisen, die weitgehend mit den Themen jener motivierender Fernsehsendungen identisch sind, wie eine Kreuztabellierung zwischen diesen beiden Variablengruppen zeigte. Sogar die am häufigsten gewählten Kursthemen Englisch und Informationstechnologie (EDV/Computertechnik/Informatik einschl. Programmierkurse etc.) spiegeln die thematischen Schwerpunkte wider, die durch das Fernsehen angeregt worden sind. Ein ganz ähnliches Muster, wie zuvor für das Fernsehen beschrieben, zeichnet auch das Verhältnis zwischen Hörfunksendungen und Weiterbildungsverhalten aus. Bei diesem Medium haben ganze zwei von 688 Befragten schon einmal aufgrund eines speziellen Bildungsangebotes im Hörfunk (z.B. Funkkolleg oder Schulfunk) auf den Besuch eines Weiterbildungskurses verzichtet, was einem Prozentsatz von 0,3 entspricht, eine wahrlich zu vernachlässigende Größe. Von Sendungen des Hörfunks, wenn auch mit 1% in geringerem prozentualen Ausmaß als beim Fernsehen, sind die Dortmunder Bürger ebenfalls angeregt worden, einen Weiterbildungskurs zu besuchen. So haben Sendungen zu Erziehungsfragen, Psychologie, Sprachen und Bildende Kunst/Kunstgeschichte bei den Befragten motivierend auf die Teilnahme an entsprechenden Kursen gewirkt, welche die Institutionen der Erwachsenenbildung anbieten. Allerdings stimuliert das Fernsehen die befragten Personen zum Besuch einer thematisch breiteren Palette von Weiterbildungsveranstaltungen als der Hörfunk. Eine zentrale Schlußfolgerung läßt sich schon jetzt aus dem Datenmaterial ziehen: Eine Substitution von Weiterbildungsveranstaltungen durch bildungsbezogene oder andere Medienangebote findet zumindest bei der Gruppe der bildungsaktiven Kabelpilotprojektteilnehmer nicht statt. Vielmehr lassen die empirischen Befunde die Deutung zu, daß Fernseh— und Hörfunksendungen ein Anregungspotential für den Besuch von Weiterbildungskursen enthalten können. Daher wird es aus unserer Sicht darauf ankommen müssen, wechselseitig entstandene Barrieren zwischen dem Medien— und dem Erwachsenenbildungsbereich einzureißen, um eine verstärkte inhaltliche und organisatorische Kooperation mit dem Ziel zu erreichen, die zweifellos noch vorhandene Weiterbildungsabstinenz breiter Bevölkerungsschichten zu überwinden. Die vorliegenden Ergebnisse signalisieren immerhin einen ermutigenden Trend: Die Institutionen der Erwachsenenbildung können von einem ausgebauten und differenzierten Bildungs— und Kursprogramm in Fernsehen und Hörfunk nur profitieren. Mögli-
46
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
cherweise noch bestehende verzerrte Sichtweisen von der jeweils anderen Einrichtung oder mangelnde Kenntnisse voneinander sollten zum Wohle der an Weiterbildung interesssierten Bürger abgebaut werden.
2.2.8
Nutzung spezieller Bildungsangebote in Fernsehen und Hörfunk
Auf die Frage, ob sie schon einmal spezielle Bildungsangebote, wie etwa das Telekolleg, im Fernsehen genutzt haben, antworten 43 von den 677 Teilnehmern des Kabelpilotprojekts zustimmend. Damit haben nur 6,4% von ihnen das Fernsehen genutzt, um an inhaltlich klar definierten Bildungsangeboten zu partizipieren. Von diesen 43 Personen waren nur 27 in der Lage, sich an das ungefähre Thema der betreffenden Fernsehsendung/— serie zu erinnern, was einem weiter reduzierten Prozentsatz von 4% der Ausgangsstichprobe entspricht. Wenn man die Wirksamkeit von Faktoren der sozialen Erwünschtheit auf das Antwortverhalten der Befragten mit in den Erklärungshorizont für die vorliegenden Befunde einbezieht, dann ist offenbar ein Prozentsatz von rund 4% der Kabelprojektteilnehmer eine realistische Größe, was die Nutzung des Mediums Fernsehen für kursbezogene Weiterbildungsaktivitäten angeht. Die 27 Personen haben insgesamt 31 Themen genannt. Eindeutig an der Spitze liegen mit 14 Nennungen die im Fernsehen angebotenen Englisch —Kurse. Es folgen mit drei Nennungen Länder — und Heimatkunde (Geographie) sowie mit je zwei Nennungen Spanisch — Kurse und Kurse/Sendungen zur Informationstechnologie. Alle anderen Themen werden nur jeweils einmal genannt. Im einzelnen beziehen sie sich auf die Bereiche Geschichte/Zeitgeschichte, Wirtschaft, Religion/Theologie, Psychologie, Kunst, Physik, Sprachen (unspezifische Nennung), Italienisch, Sport sowie Management/Personalpolitik/Betriebsführung. Insgesamt ist zu konstatieren, daß nur ungefähr jeder 25. Teilnehmer am Kabelpilotprojekt die speziellen Bildungsangebote des Fernsehens nutzt. Dieser Sachverhalt kann nur als Monitum an die Projektstelle des WDR und an die Institutionen der Erwachsenenbildung in Dortmund verstanden werden, geeignete Programme, Lernhilfen und soziale Umfelder zu schaffen, die es den Bürgern und Bürgerinnen besser als bislang ermöglichen, den immer auch beschwerlichen Weg von Weiterbildung mit Hilfe des Fernsehens einzuschlagen. Man kann diesem wenig befriedigenden Ist —Zustand aber auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Es gibt offenbar eine ganze Reihe von Zuschauern, deren zweifellos vorhandene latente Weiterbildungsbedürfnisse bisher nicht in aktives und systematisch am Gegenstand orientiertes Lernen umgesetzt worden sind. Sie bedürfen der Ermutigung, der Anregung, der Unterstützung und vielleicht
47
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
auch der Herausforderung durch die Institutionen im Medien— und Erwachsenenbildungsbereich, um ihnen ihre verschütteten Bedürfnisse nach Weiterbildung bewußt zu machen und sie zum eigenverantwortlichen Handeln zu befähigen. Das Bild, das wir im Abschnitt zuvor vom Fernsehen gezeichnet haben, verdüstert sich noch mehr, wenn man die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts fragt, inwieweit sie schon eimal spezielle Bildungsangebote im Radio genutzt haben. Von 674 Befragten haben nur ganze 11 Bildungsangebote im Radio genutzt, was einem Prozentsatz von 1,6% entspricht. Von den 11 Personen haben 8 genauere Angaben zu den Themen der von ihnen genutzten Sendungen/ Kursangebote gemacht, was einem noch weiter reduzierten Anteil von 1,2% entspricht: Die Stoffgebiete "Englisch" und "Kunst" wurden je zweimal gewählt, während "Philosophie", "Religion/Theologie", "Sprachen", "Spanisch", "Gesundheitspflege" und "Deutsch für Deutsche" jeweils eine einziges Mal auftauchen.
2.2.9
Motive zur Nutzung spezieller Bildungsangebote im Fernsehen
Fernsehsendungen werden von den befragten Dortmunder Bürgern, die spezielle Bildungsangebote in diesem Medium wahrnehmen, vor allem deswegen zum Lernen Tabelle 12:
lfd. Nr.
Frage Nr. 6 - Motive für die Nutzung spezieller Bildungssendungen im Fernsehen ZUM Lernen*
Motive
absolute Häufigkeit
1 Um einen Abschluß zu erreichen 2 Um politisch auf dem Laufenden zu bleiben 3 Um Informationen berufl. zu verwerten 4 Um mich kulturell zu informieren 5 Um meine Hobbies zu vertiefen 6 Sonstiges Summe
prozentuale Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigder Personen
2
2.4
4.4
15 19 19 23 4
18.3 23.2 23.2 28.0 4.9
33.3 42.2 42.2 51.1 8.9
82
100.OS
182.2%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=45 Personen 11 ^; bis zu maximal drei Antworten möglich
48
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
benutzt, um ihre Hobbies zu vertiefen, um Informationen beruflich verwerten zu können, um sich kulturell zu informiern und politisch auf dem Laufenden zu bleiben. Dagegen spielt bei der Nutzung des Fernsehens zum Lernen das Ziel, einen schulischen oder beruflichen Abschluß zu erreichen, keine besondere Rolle. Für die Nutzung von Hörfunksendungen zum Lernen nennen die Kabelprojektteilnehmer als Hauptgründe, politisch und kulturell informiert zu sein.
2.2.10
Funktionen von Fernsehsendungen zum Lernen
Von den befragten Kabelprojektteilnehmern werden entsprechende Fernsehsendungen vor allem als Ergänzung zu Weiterbildungskursen (z.B. an Volkshochschulen oder einer anderen Einrichtung der Erwachsenenbildung) genutzt. Da sich nur sehr wenige der befragten Personen darüber äußerten, wie sie Hörfunksendungen zum Lernen verwendet haben, ist es in diesem Fall wegen der unsicheren Datenbasis unangebracht, Trendaussagen zu machen. Tabelle 13: Frage Nr. 5 - Funktionen der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen*
lfd. Nr.
1 2 3 4
Funktionen
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigder Personen
Als Ergänzung zu einem WB-Kurs Als Ersatz für einen WB-Kurs Als Teil eines Medienverbundes Sonstiges
16 11 11 7
35.6 24.4 24.4 15.5
41.0 28.2 28.2 17.9
Summe
45
100.0«
115.4%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=39 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
2.2.11
49
Informationsquellen für bildende Fernseh— und Rundfunksendungen
Wenn die befragten Personen nach Fernsehsendungen suchen, die sie für sich selbst zum Lernen nutzen wollen, dann erhalten sie die dazu notwendigen Informationen am ehesten durch eine Programmzeitschrift; an zweiter Stelle wird die "City Post" genannt (siehe Tabelle 2), eine spezifische Dortmunder Programmzeitschrift, die zusätzlich eine systematische Programmübersicht über die verschiedenen Spartenkanäle des Kabelfernsehens enthält (die "City Post", die ausschließlich durch Anzeigenerlöse finanziert wird, erscheint alle zwei Wochen in Dortmund mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren und wird kostenlos verteilt).
Tabelle 14:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Frage Nr. 10 - Informationsquellen für Fernsehsendungen zur Nutzung zum Lernen*
Informationsquellen
Programmzeitschriften Familienangehörige Freunde, Bekannte, Nachbarn Zufälliges Einschalten Kabel-/Videotext WeiterbildungsVeranstaltungen Tageszeitungen "City Post" Bestimmtes Fernsehprogramm Sonstiges Summe
prozentuabsolute prozentuale ale Häufigkeit Häufigkeit der Antworten Häufigkeit der Personen 531 48 90 145 133 5 116 266 21 6
39.0 3.5 6.6 10.7 9.8 0.4 8.5 19.5 1.5 0.5
81.8 7.4 13.9 22.3 20.5 0.8 17.9 41.0 3.2 0.9
1361
100.0%
209.7%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=649 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, daß alle auflagenstarken Dortmunder Tageszeitungen das Kabelpilotprojekt zum Befragungszeitpunkt boykottierten, indem sie ihren Lesern keine Informationen über das Programmangebot des Kabelfunks lieferten. Daneben spielt zur gezielten Auswahl von Fernsehsendungen, die dem Lernen dienen, noch der Kabel— bzw. Videotext des Kabelfunks Dortmund
50
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
eine relativ bedeutsame Rolle, der in seinem Informationsangebot für alle Teilnehmer des Kabelpilotprojekts auch sämtliche Fernsehangebote enthält. Eine nicht zu vernachlässigende Position als Informationsquelle nimmt ferner die direkte persönliche Kommunikation mit Freunden, Bekannten, Nachbarn und Familienangehörigen ein. Sowohl von Weiterbildungsveranstaltungen als auch von irgendeinem bestimmten Fernsehkanal nehmen die interviewten Personen dagegen keine Impulse auf. Tabelle 15:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Frage Nr. 20 - Informationsquellen für Hörfunksendungen zur Nutzung zum Lernen*
Informationsquellen
Programmzeitschriften Familienangehörige Freunde, Bekannte, Nachbarn Zufälliges Einschalten Kabel-/Videotext WeiterbildungsVeranstaltungen Tageszeitungen "City Post" Bestimmtes Hörfunkprogramm Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozentuHäufigkeit Häufigkeit ale der Antworten Häufigkeit der Personen 312 38 52 248 59 3 79 130 106 8
30.1 3.7 5.0 24.0 5.7 0.3 7.6 12.6 10.2 0.8
53.1 6.5 8.8 42.2 10.0 0.5 13.4 22.1 18.0 1.4
1035
100.OS
176.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=588 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich Die interviewten Bürger stoßen am häufigsten auf Hörfunksendungen, die sie für ihre eigenen Lerninteressen verwerten wollen, indem sie sich einer Programmzeitschrift (einschließlich "City Post") bedienen (insgesamt 42,7% der Antworten). An zweiter Stelle steht das eher zufallige Einschalten, gefolgt von der Nutzung eines bestimmten Hörfunkprogramms. Dagegen spielen — wie beim Fernsehen auch — die Weiterbildungsveranstaltungen als Informationsquelle keine Rolle. Insgesamt gesehen stellen die Programmzeitschriften trotz Kabel —/Videotext eine unangefochtene Informationsquelle für bildende Fernseh— und Rundfunksendungen dar.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
2.2.12
51
Ablehnungsgründe für medienbezogene Lernaktivitäten
Fragt man die Kabelprojektteilnehmer nach den Gründen, die sie bislang davon abgehalten haben, Fernsehsendungen zum Lernen zu verwenden, so wird bei einem Drittel aller Antworten darauf verwiesen, daß das Fernsehen vor allem der Unterhaltung dient. Die Inanspruchnahme aktueller Informationen durch die interviewten Personen folgt an zweiter Stelle. Nur eine deutliche Minderheit der Projektteilnehmer ist der Ansicht, daß sie kein entsprechendes Lernangebot im Fernsehen gefunden haben oder die Sendungen zeiüich ungünstig liegen. Die dem medialen Lernen distanziert gegenüberstehenden Kabelprojektteilnehmer nutzen Fernsehen und Hörfunk offenbar primär zu Unterhaltungszwecken. Tabelle 16:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6
Frage Nr.9 - Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen*
Ablehnungsgründe
absolute Häufigkeit
Zu viele andere Verpflichtungen Sendungen liegen zeitlich ungünstig Kein entsprechendes Angebot gefunden Fernsehen vor allem zur Unterhaltung genutzt Fernsehen vor allem zur aktuellen Information genutzt Sonstiges Summe
prozenprozentuale tuale Häufigkeit der Antworten Häufigkeit der Personen
242 120 72 434
18.6 9.2 5.5 33.3
36.6 18.2 10.9 65.7
415
31.8
62.8
20
1.6
3.0
1303
100.0%
197.1«
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=661 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich
Ein ähnliches Muster von ablehnenden Gründen wie beim Fernsehen wurde von den interviewten Dortmunder Bürgern auch hinsichtlich der Hörfunksendungen genannt, wenn es darum geht, sie zum Zweck des Lernens einzusetzen. Wiederum jede dritte Antwort der Teilnehmer des Kabelpilotprojekts beinhaltet, daß Radiosendungen vornehmlich zur Unterhaltung genutzt werden, gefolgt von der Rezeption aktueller Informationen. Ferner gibt nur jeder zehnte Befragte als Grund an, daß im Hörfunk keine Sendungen zum Lernen angeboten werden. Insgesamt zeigt sich, daß aus der
52
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Perspektive der Kabelprojektteilnehmer nicht so sehr ein mangelndes Programmangebot, sondern eine ausgeprägte Nutzung von Radio und Fernsehen zur Unterhaltung einem medial vermittelten Lernen entgegenstehen (vgl. auch Abschnitt 2.4.5) Tabelle 17:
lfd. Nr
1 2 3 4 5 6
Frage Nr.19 - Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Hörfunksendungen zum Lernen*
Ablehnungsgründe
absolute Häufigkeit
Zu viele andere Verpflichtungen Sendungen liegen zeitlich ungünstig Kein entsprechendes Angebot gefunden Hörfunk vor allem zur Unterhaltung genutzt Hörfunk vor allem zur aktuellen Information genutzt Sonstiges Summe
prozentuale prozenHäufigkeit tuale der Antworten Häufigder Personen
270 96 70 447
20.9 7.4 5.4 34.7
41.5 14.8 10.8 68.8
392
30.4
60.3
14
1.2
2.4
1289
100.0%
198.3%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=650 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich
2.2.13
Der Bildungskanal als Zielgruppenprogramm
Immerhin wissen 469 der 682 befragten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts, daß es einen Bildungskanal "Die kluge Sieben" gibt, was einer relativen Häufigkeit von rund 69% entspricht. Von diesen 469 informierten Dortmunder Zuschauern nutzen ihn allerdings 37,5% nie, 34,5% sehen ihn selten, 19,6% schauen sich seine Sendungen gelegentlich an und nur eine Minderheit von 6,8% schaltet den Bildungskanal häufig, d.h. mindestens einmal pro Woche ein. Bezieht man diesen Prozentsatz auf alle 682 Befragten der Ausgangsstichprobe, dann ergeben sich 4,7%. Oder anders ausgedrückt: Ungefähr jeder 20.Teilnehmer des Kabelpilotprojekts sieht regelmäßig Bildungssendungen des Kanals Sieben. Aus der Grundgesamtheit von 10.000 angeschlossenen Dortmunder Haushalten rekrutiert sich damit eine Bildungsklientel von etwa 500 Fernsehzuschau-
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 18:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5
#
53
Frage Nr. 22 - Ausmaß der Nutzung des Bildungskanals "Die kluge Sieben"*
Ausmaß der Nutzung
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit der Personen
Nie Selten Gelegentlich Häufig (mind. einmal pro Woche) Weiß nicht
176 162 92 32 7
37.5 34.5 19.6 6.6 1.5
Summe
469
100.0%
Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=469 Personen
Tabelle 19:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8
Frage Nr. 23 - Ablehnungsgründe gegenüber einer Nutzung des Bildungskanals*
Ablehnungsgründe
prozentuale absolute Häufigkeit Häufigkeit der Antworten
Gebühren zu hoch 72 Kein attraktives Programmangebot 110 Zeitmangel 103 Zu viele Wiederholungen 48 Genügend sonstige Bildungssendungen 95 Zu viele andere Dinge im Kopf 25 Bildungskanalsendungen zu trocken 42 Sonstiges 14 Summe
509
prozentuale Häufigkeit der Personen
14.1 21.6 20.2 9.4 18.7 4.9 8.3 2.8
21.3 32.4 30.4 14.2 28.1 7.4 12.5 4.1
100.0«
150.6%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=338 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich ern. Man darf also zumindestens zum Zeitpunkt der Befragung im Februar 1987 mit Fug und Recht von einer relativ ausgeprägten Abstinenz der Projektteilnehmer sprechen, den Bildungskanal zu nutzen. Die Projektstelle des WDR hätte in diesem Fall
54
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
in Verbindung mit den Dortmunder Institutionen der Erwachsenenbildung nach Wegen suchen sollen, um die Akzeptanzschwelle bei den Bürgern für das Bildungsfernsehen zu senken. Die 338 Teilnehmer des Kabelpilotprojekts, die den Bildungskanal "nie" oder nur "selten" einschalten, geben als Hauptgründe für ihre Abstinenz gegenüber einer Nutzung des Programms "Die kluge Sieben" an, daß ihnen das Programmangebot nicht attraktiv ist, sie keine Zeit haben, sich das Programm anzuschauen, sie genügend Bildungssendungen in den übrigen Programmen finden und ihnen die Gebühren zu hoch sind. Andererseits findet fast die Hälfte aller Teilnehmer des Kabelpilotprojekts die Idee gut, im Fernsehen einen eigenen Bildungskanal einzurichten, damit sie immer wissen, wo sie zuverlässig Lernmöglichkeiten finden (vgl. Tabelle 20). Dieser relativ hohe Prozentsatz signalisiert zumindest einen potentiellen Bedarf bei den Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen nach einer festen Einrichtung eines Bildungskanals als Zielgruppenprogramm, wenngleich nicht übersehen werden sollte, daß 28,1% der interviewten Personen die Realisierung von Lernangeboten nicht zu den Aufgaben des Fernsehens zählen. Tabelle 20:
lfd. Nr.
Frage Nr. 24 - Einstellungen gegenüber der Einrichtung eines Bildungskanals im Fernsehen*
prozentuale Häufigkeit der Personen
Einstellungen zur Errichtung eines Bildungskanals
absolute Häufigkeit
1 Positive Einstellung gegenüber der Einrichtung eines Bildungskanals wegen des Angebots an Lernmöglichkeiten 2 Fernsehen ist nicht zum Lernen da 3 Genügend Lernmöglichkeiten in den sonstigen Programmen 4 Lernmöglichkeiten sollten im übrigen Programm verteilt sein 5 Sonstiges
277
44.3
176 99
28.1 15.8
70
11.2
4
0.7
Summe
626
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=626 Personen
100.0%
55
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Die befragten Bürger halten die folgenden Programmangebote des Fernsehens in bezug auf Bildung besonders wichtig: An erster Stelle steht der Wunsch nach politischen Informationen über Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Welt. Neben diesen eindeutig überregionalen Programmwünschen steht fast gleich häufig der Wunsch, Informationen über das lokale Bildungsangebot zu erhalten. Auf dem dritten Rangplatz der Bedürfnisse stehen Anregungen für Hobbys. Auf der Wunschliste folgen Bildungsangebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche, kulturelle Themen aller Art, Informationen über die verschiedenen lokalen Weiterbildungseinrichtungen und deren Arbeit. Dagegen werden von den Kabelprojektteilnehmern Programmangebote zur beruflichen Fortbildung und zum Selbststudium für weniger wichtig gehalten. Man geht offenbar nicht fehl in der Annahme, daß sich hier im Kern wesentliche Komponenten eines auch über die Stadt Dortmund hinausreichenden Bildungsprogramms abzeichnen, wie es inzwischen vom WDR — allerdings für den Hörfunk — mit seinem 5. Programm geplant ist. (vgl. Abschnitt 2.4.4). Tabelle 21:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Frage Nr. 25 - Erwünschte PrograMangebote im Fernsehen für Bildungszwecke*
Gewünschte Programmangebote
Informationen über das lokale Bildungsangebot Vorstellung der lokalen WB-Einrichtungen und ihrer Arbeit Programmangebot zum Selbststudium Anregungen für Hobbies Kulturelle Themen aller Art Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche Möglichkeiten zur berufl. Fortbildung Politische Informationen Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale der AntHäufigworten keit d.Personen 176
14.7
31.2
130
10.9
23.0
78 172 145 148
6.5 14.4 12.1 12.4
13.8 30.4 25.7 26.2
119 220 10
9.9 18.4 0.8
21.1 38.9 1.8
100.0%
212.0%
1198
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=565 Personen; bis zu maximal drei Antworten waren möglich
56
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
2.2.14
Audiovisuelle Medien und Weiterbildungsveranstaltungen im Vergleich
Die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts sehen es als die wesentlichen Vorzüge des Fernsehens im Vergleich zum Lernen in Weiterbildungsveranstaltungen an, daß man Fernsehen auf Videocassetten aufzeichnen kann, unabhängig von anderen Teilnehmern ist, immer etwas Interessantes im Fernsehen findet, man Fernsehsendungen nebenbei verfolgen kann, auch wenn man etwas anderes tut, die Anfahrtswege zu Weiterbildungsveranstaltungen spart und daß man im Fernsehen den Unterricht anschaulich dargeboten bekommt. Tabelle 22:
lfd. Nr.
Frage Nr. 26 - Vorzüge des Fernsehens als LernMedium gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen*
Vorzüge des Fernsehens
1 Aufzeichnungsmöglichkeit mittels Videocassetten 2 Keine Anfahrtswege zu WBVeranstaltungen 3 Fachliche Informationen in konzentrierter Form 4 Unabhängigkeit von anderen Teilnehmern 5 Keine Kosten für WB-Veranstaltungen 6 Nur ausgewählte Experten kommen zu Wort 7 Anschauliche Darbietung des Unterichtsstoffs 8 Äußerst vielseitiges Angebot 9 Immer etwas Interessantes zu finden 10 Fernsehen nebenbei zu nutzen 11 Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale d. Antworten Häufigkeit d.Personen 245
20.3
45.1
114
9.4
21.0
75
6.2
13.8
164
13.6
30.2
64 64
5.3 5.3
11.8 11.8
110
9.1
20.3
91 141 128 12
7.5 11.7 10.6 1.0
16.8 26.0 23.6 2.2
1208
100.0%
222.5J
* Häufigkeitsverteilungen der Antworten von n=543 Personen; bis zu maximal drei Antworten waren möglich; WB=Weiterbildung
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
57
Die Vorzüge des Hörfunks gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen unter dem Gesichtspunkt von Lernmöglichkeiten sehen die befragten Dortmunder Bürger mit abnehmender Rangfolge darin, daß man Hörfunksendungen nebenbei hören kann und dort zugleich etwas lernt, man immer etwas Interessantes findet, die Sendungen auf Tonbandcassetten aufgezeichnet werden können, man bei der Nutzung von Hörfunksendungen unabhängig von anderen Teilnehmern ist und daß der Hörfunk ein äußerst vielseitiges Angebot bietet. Tabelle 23;
lfd. Nr.
Frage Nr. 27 - Vorzüge des Hörfunks als Lernmedium gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen*
Vorzüge des Hörfunks
1 Hörfunksendungen nebenbei zu nutzen 2 Aufzeichnungsmöglichkeiten mittels Tonbandcassetten 3 Keine Anfahrtswege zu WB-Veranstaltungen 4 Fachliche Informationen in konzentrierter Form 5 Unabhängigkeit von anderen Teilnehmern 6 Keine Kosten für WB-Veranstaltungen 7 Nur ausgewählte Experten kommen zu Wort 8 Äußerst vielseitiges Angebot 9 Immer etwas Interessantes zu finden 10 Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale Häufigder Antworten keit d.Personen 375 121
37.6 12.1
72.3 23.3
46
4.6
8.9
44
4.4
8.5
101 33 34 94 144 6
10.1 3.3 3.4 9.4 14.4 0.6
19.5 6.4 6.6 18.1 27.7 1.2
100.0%
192.3%
998
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=519 drei Antworten waren möglich; WB=Weiterbildung
Personen;
bis
maximal
Wenn man zudem Radio und Fernsehen miteinander vergleicht, dann zeigen sich ausgeprägte strukturelle Entsprechungen zwischen beiden Mediengattungen. Beim Hörfunk wird allerdings die Möglichkeit, nebenher zu lernen, stärker betont, was mehr als plausibel ist. Umgekehrt erhält beim Fernsehen die Gelegenheit, Programmangebote zum Lernen aufzuzeichnen aus der Sicht der Befragten einen größeren Stellenwert als das beim Radio der Fall ist.
58
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 24:
Frage Nr. 28 - Vorzüge von Weiterbildungsveranstaltungen gegenüber de« Lernen bei Hörfunk- oder Fernsehsendungen*
lfd. Nr.
Vorzüge von Weiterbildungsveranstaltungen
1
Möglichkeit zu unmittelbaren Rückfragen Beratungsmöglichkeiten Möglichkeit der Unterhaltung mit anderen Teilnehmern im Kurs Persönliche Beziehung zum Dozenten Systematisches Angebot an Lernmöglichkeiten Zusammensitzen mit Teilnehmern und Dozent nach Kurs möglich Möglichkeit, neue Kontakte zu schließen Vielseitiges Angebot (z.B.Vorträge, Diskussionen, Filme, Dias, Rollenspiele) Möglichkeit, eigene Interessen einzubringen Sonstiges
2 3 4 5 6 7 B
9 10
Summe
absolute Häufigkeit
prozentuale prozentuHäufigkeit ale der Antworten Häufigkeit der Personen
362
30.2
73.6
109 141
9.1 11.8
22.2 28.7
99
8.3
20.1
57
4.8
11.6
63
5.3
12.8
121
10.1
24.6
99
8.3
20.1
140
11.7
28.5
7
0.6
1.4
100.0«
243.5«
1198
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=492 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich Ihre ausgesprochene Bevorzugung von Weiterbildungsveranstaltungen gegenüber themengleichen Angeboten in den audiovisuellen Medien begründen die befragten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen vor allem damit, daß sie dort die Möglichkeit haben, unmittelbar Rückfragen zu stellen, sich mit anderen Teilnehmern zu unterhalten, stärker die eigenen Interessen einzubringen sowie neue Kontakte zu knüpfen. Rechnet man noch die relativen Antworthäufigkeiten hinzu, welche auf die als Vorzüge angesehenen Beratungsmöglichkeiten, das Bestehen einer persönlichen Beziehung zum Dozenten bei Veranstaltungen der Erwachsenenbildung und auf die Chance
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
59
entfallen, sich nach dem Kurs mit den anderen Teilnehmern und dem Dozenten zusammenzusetzen, dann vereinigt die kommunikative Komponente des Lernens insgesamt 86,5% aller Antworten auf sich, während die Vorzüge, die inhaltliche Aspekte betonen, nur 13,1% ausmachen. Die Kabelprojektteilnehmer sehen also in der Befriedigung von persönlichen und sozialen Bedürfnissen beim Lernen den entscheidenden Vorteil von Kursen der Weiterbildung gegenüber Bildungsangeboten, die medial vermittelt sind.
2.2.15
Einschätzung des Medienverbundes auch im Vergleich zu konkurrierenden Lernwegen
Im Urteil der befragten Dortmunder Bürger zeichnet sich der Medienverbund (Weiterbildungsangebote, die verschiedene Medien miteinander kombinieren, z.B. Fernsehsendungen mit schriftlichen Kursmaterialien sowie spezielle Weiterbildungskurse, wie etwa beim Telekolleg) vor allem durch die folgenden Merkmale aus: Der Medienverbund bietet die Chance, einen Lernstoff besser zu begreifen, da dieser auf unterschiedliche Arten dargestellt werden kann, des weiteren die Möglichkeit, sich den Lernweg aussuchen zu können, der einem am besten liegt, und zeichnet sich durch Abwechslungsreichtum des Lernens aus. Von den interviewten Personen wird aber auch die Gefahr gesehen, daß man den inhaltlichen Anschluß verliert, wenn man einmal eine Lektion im Fernsehen oder im Radio verpaßt hat. Alles in allem wird der Medienverbund — auch im Vergleich zu konkurrierenden Lernwegen - positiv bewertet. Es handelt sich bei den obigen, dem Medienverbund zugeschriebenen Merkmalen jedoch eher um Einschätzungen als um Urteile, die sich auf eigene Erfahrungen gründen, da nur 2,8% aller interviewten Teilnehmer des Kabelpilotprojekts schon einmal an einem Funk— oder Telekolleg teilgenommen haben. Die Kabelpilotprojektteilnehmer bevorzugen für sich persönlich Lernarrangements, bei denen sie eigene Erfahrungen machen können und Lernwege in Form des Medienverbundes, bei denen ihnen ein Lehrstoff dargeboten wird (z.B. Film, Vortrag), den sie anschließend selbst durcharbeiten (z.B. mit Hilfe eines Buches) und über den sie mit anderen diskutieren können. Daneben betonen die Befragten die Bedeutsamkeit, beim Lernen mit anderen über ein Thema sprechen zu können. Beim Aneignen neuer Inhalte wird ferner das Buch dem Film sowie dem Vortrag eindeutig vorgezogeniygl. Abschnitt 2.4.2). Insgesamt gesehen wird der Wunsch nach Einbettung der Lernaktivität in einen sozialen Kontext besonders deutlich.
60
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 25:
Frage Nr. 46 - Ausmaß der Präferenzen der Kabelprojektteilnehraer für unterschiedliche Lernarrangenents*
lfd. Arten von Lernarrangements: arithmetischer Standard- Anzahl d.PerNr. Optimales Lernmittel Mittelwert abweichung sonen, die die jeweilige Skala ankreuzten S ni J 1 2 3 4 5 6
Vortrag Buch Film eigenes Ausprobieren Interaktion mit anderen über das Thema Medienverbund
3.7 4.2 3.7 4.5 4.4
1.2 1.1 1.2 0.9 0.9
630 653 631 650 648
4.4
0.9
625
* arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe fünfstufiger Skalen (l="stimmt nicht" bis 5="stimmt") gemessenen Einschätzungen der befragten n=688 Personen
2.2.16
Teilnahme von Kabelprojektteilnehmern an Weiterbildungsveranstaltungen
219 von insgesamt 685 befragten Dortmunder Bürgern, die über einen Kabelanschluß verfügen, gaben an, im Jahr 1986 an Veranstaltungen der Weiterbildung teilgenommen zu haben, was immerhin einem Prozentsatz von 32 entspricht. Von ihnen besuchen wiederum 77,3% jedes Jahr, 16,9% alle zwei bis drei Jahre und 5,8% seltener als alle drei Jahre eine Veranstaltung der Erwachsenenbildung. Die von den Kabelprojektteilnehmern besuchten Weiterbildungsveranstaltungen waren fast zur Hälfte (46,5%) als Kursreihe, Seminar oder Lehrgang organisiert. Diese Veranstaltungsformen nehmen damit eine dominierende Position ein. Relativ häufig traten auch noch die Organisationsformen der Einzelveranstaltungen (21,3%) und des Wochenendseminars (14,9%) auf, während das Tele —/Funkkolleg und der Fernunterricht die Schlußlichter bilden.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 26:
Frage Nr. 40 - Organisationsformen von Weiterbildungsveranstaltungen*
lfd. Organisationsformen von Nr. WB-Einrichtungen
1 2 3 4 5 6 7 8
61
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale der Antworten Häufigkeit der Personen
Bildungsurlaub/Internatskurs Einzelveranstaltung(en) Kursreihe, Seminar, Lehrgang Wochenendseminar Tele-/Funkkolleg Fernunterricht Studienfahrt Sonstiges
18 70 153 49 1 4 26 8
5.5 21.3 46.5 14.9 0.3 1.2 7.9 2.4
8.3 32.4 70.8 22.7 0.5 1.9 12.0 3.7
Summe
329
100.OS
152.3%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=216 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung
2.2.17
Nutzungsfrequenz der Veranstaltungen unterschiedlicher Anbieter von Weiterbildung
Die meisten der von den interviewten Personen besuchten Weiterbildungskurse wurden von der Volkshochschule in Dortmund (15%) und von den Arbeitgebern bzw. Betrieben (12,8%) durchgeführt. Weitere relativ häufig von den Bürgern besuchte Institutionen der Erwachsenenbildung waren kirchliche Einrichtungen (9,3%), die Rheinisch — Westfälische Auslandsgesellschaft (7,6%), private Institutionen und Schulen (7,0%), die Gewerkschaften (6,1%) sowie die Industrie— und Handelskammer (5,5%). Hinzu kamen die Lehrangebote sonstiger Weiterbildungseinrichtungen in Dortmund mit insgesamt 10,8%. Der Bildungskanal rangiert, was wahrgenommene erwachsenenpädagogische Veranstaltungsangebote betrifft, mit noch nicht einemal einem Prozent fast am Ende dieser Skala. Insgesamt gesehen spiegeln die 396 Kursthemen ein erstaunlich breitgefächertes Interessenspektrum der befragten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen wider. Die Themenschwerpunkte der von den Teilnehmern des Kabelpilotprojekts im Zeitraum
62
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 27:
Frage Nr. 42 - Weiterbildungseinrichtungen und ihre Nachfragequote*
lfd. Weiterbildungseinrichtung Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
absolute prozentuale prozentuHäufigkeit Häufigkeit ale der Antworten Häufigkeit der Personen
VHS Dortmund Rheinisch Westfälische Auslandsgesellschaft Industrie- u. Handelskammer Alternative Einrichtungen Familienbildungsstellen Altenakademie Arbeitgeber / Betrieb Berufsverbände/Sonstige Verbände Hochschulen/Akademien/ Wissenschaftl. Einrichtungen Private Institute u. Schulen Kirchliche Einrichtungen Parteien Gewerkschaften Arbeitsamt Sonstige Einrichtungen in Dortmund Sonstige Einrichtungen außerhalb Dortmunds Bildungskanal Kammern (ausgenommen IHK) Sonstige Einrichtungen Summe
53 26
15.4 7.6
24.0 11.8
19 1 15 3 44 10 13
5.5 0.3 4.4 0.9 12.8 2.9 3.8
8.6 0.5 6.8 1.4 19.9 4.5 5.9
24 32 6 21 3 37
7.0 9.3 1.7 6.1 0.9 10.8
10.9 14.5 2.7 9.5 1.4 16.7
12
3.5
5.4
2 6 17
0.6 1.7 4.9
0.9 2.7 7.7
100.0Ä
155.1%
344
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=221 Personen12^; mehrere Antworten möglich von einem Jahr besuchten Weiterbildungsveranstaltungen lagen in den Bereichen Sprachen (insgesamt 12,6% mit dem Schwerpunkt Englisch), Informationstechnologie (8,8%), gewerblich—technische Kurse (5,6%), Erziehungsfragen/Pädagogik (5,6%) Wirtschaft (4,8%), Recht (4,3%), Länderkunde/Geographie (4,3%), Religion, Theologie(3,8%), Betriebswirtschaftslehre/Werbung und Verkauf (3,0%) sowie fächerübergreifende Stoffgebiete zu Gesellschaft und Politik (3,0%). Zusammengenommen
63
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 28a:
lfd. Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
26 27 28 29
Themen
Frage N r . 4 1 - Thesen der von den Kabelprojektteilnehaern IM Jahr 1986 besuchten Weiterbildungsveranstaltungen* prozentuale absolute Häufigkeit Häufigkeit
Gesellschaft und Politik Geschichte/Zeitgeschichte Zeitgeschehen Soziologie Wirtschaft Recht Fächerübergreifende und sonstige Themen zu Gesellschaft und Politik Erziehung/Philosophie/Psychologie Erziehungsfragen/Pädagogik Philosophie Religion/Theologie Psychologie Fächerübergreifende und sonstige Themen zu Erziehung/Philosophie/ Psychologie Kunst Literatur Bildende Kunst/Kunstgeschichte Musik Länderkunde/Geographie Fächerübergreifende und sonstige Themen zur Länder- u. Heimatkunde Mathematik/Naturwissenschaften/Technik Physik Biologie Elektrotechnik/Elektronik Gewerblich-technische Kurse Fächerübergreifende und sonstige Themen zu Mathematik/Naturwissenschaften/Technik Verwaltung u. kaufm. Praxis Betriebswirtschaftslehre/Werbung und Verkauf Kaufm. Grund- u. Aufbaukurse/ Sekr. Lehrgänge Stenogr./Maschineschreiben/Schriftverkehr/Bürotechnik u. -organisation
5 5 7 2 19 17 12
1.3 1.3 1.8 0.5 4.8 4.3 3.0
1 22 5 15 9 1
0.3 5.6 1.3 3.8 2.3 0.3
2 2 8 7 17 1
0.5 0.5 2.0 1.8 4.3 0.3
2 2 4 1 22
0.5 0.5 1.0 0.3 5.6
3 1
0.8 0.3
12
3.0
3
0.8
6
1.5
64
30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60
61
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteiloehmern
Buchhaltung/kaufm. Rechnen Fächerübergreifende u. sonstige Themen zu Verwaltung u. kaufm. Praxis Sprachen Englisch Französisch Italienisch Spanisch andere Fremdsprachen Manuelles u. musisches Arbeiten Bildnerisches Arbeiten Tanz (auch tänzerische Gymnastik) Musizieren und Singen Medientechnik (Tonband, Foto,Film Video) Fächerübergreifende u. sonstige Themen zu manuellem u. musischem Arbeiten Haushaltsführung Hauswirtschaftslehre/Verbraucherfragen Ernährungslehre/Kochen Textilkunde/Textiles Gestalten (Mode, Nähen) Sonstige Themen zur Haushaltsführung Gesundheitsfragen u. Medizin Gymnastik/Yoga/Autogenes Training Erste Hilfe u. Krankenpflege sonstige Themen zur Gesundheitspflege Sonstige(Schul-)Abschlüsse/Meisterprüfung Exkursionen Rhetorik Ökologie Sport Management/Personalpolitik/ Betriebsführung Esoterik Informationstechnologie : EDV/Computertechnik/Informatik (z.B. Programmierkurse) /Systemanalyse/DV-Organisation Sonstige Themen (nicht unter 1 bis 60) aufgeführt Summe
5
1.3
3 11 15 8 8 5 3 2 10 1 1
0.8 2.8 3.8 2.0 2.0 1.3 0.8 0.5 2.5 0.3 0.3
5
1.3
7
1.8
1 5
0.3 1.3
7 1 2 1 3 3
1.8 0.3 0.5 0.3 0.8 0.8
4 9 1 1 10
1.0 2.3 0.3 0.3 2.5
9 1
2.3 0.3
35 5
8.8 1.3
396
100.05Î
* Häufigkeitsverteilung der m=396 genannten Veranstaltungen; mehrere Nennungen möglich
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
65
machen diese Themenschwerpunkte einen Anteil von 55,9% an dem nachgefragten Kursaufkommen aus. Vor dem Hintergrund des zum Befragungszeitpunkt seit 17 Monaten laufenden Kabelpilotprojekts mit der Möglichkeit der Partizipation am Offenen Kanal ist die Anzahl von fünf Belegungen für Kurse auf dem Gebiet der Medientechnik (Tonband, Foto, Film, Video), was einem Prozentsatz von 1,3 entspricht, als ausgesprochen gering anzusehen. Als geradezu enttäuschend läßt sich die Tatsache charakterisieren, daß keiner der 688 befragten Dortmunder Bürger eine Veranstaltung besucht hat, die sich mit den künstlerischen Aspekten von Medien (Film, Fernsehen etc.) auseinandersetzt. Wir werten diesen Befund als einen Indikator dafür, daß die gestalterische und reflexive Auseinandersetzung mit den audiovisuellen Medien durch das Eingebundensein in den Kabelpilotprojektversuch keine entscheidenden Impulse erhalten hat. Tabelle 28b:
lfd Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Frage Nr. 41 - Klassifizierung der von den Kabelprojektteilnehaern besuchten Weiterbildungsveranstaltungen nach übergeordneten Themenbereichen*
Themenbereiche
Gesellschaft und Politik (1-7 u.55) Erziehung/Philosophie/Psychologie (8-13;59) Kunst/Literatur/Musik (14-17) Länder- und Heimatkunde (18-19) Mathematik/Naturwissenschaften/Technik (20-25; 56u.60) Verwaltung und kaufmännische Praxis (26-31 u. 58) Sprachen (32-37) Manuelles und musisches Arbeiten (38-43) Haushaltsführung (44-48) Gesundheitspflege (49-52 u. 57) Vorbereitung auf (Schul-)Abschlüsse (53) Sonstiges (54;61) Summe
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
68 54 19 18 70
17.2 13.6 4.8 4.5 17.7
39
9.8
50 26 15 19 4 14
12.6 6.6 3.8 4.8 1.0 3.5
396
100.0%
* Häufigkeitsverteilung der m = 396 genannten Veranstaltungen Eine systematische Klassifizierung aller 396 Kursthemen in 12 übergeordnete Themenbereiche (siehe Tab. 28b) ergibt, daß Weiterbildungsveranstaltungen aus den
66
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
curricularen Gebieten "Mathematik/Naturwissenschaften/ Technik" und "Gesellschaft und Politik" mit jeweils 17.7% und 17,2% von den Kabelprojektteilnehmern am häufigsten gewählt werden. Wenn man von der Überlegung ausgeht, daß bei einer Gleichverteilung der inhaltlichen Interessen der Befragten im Durchschnitt in jeden Themenbereich 33 Kursthemen (396/12 = 33) fallen würden, dann gewinnt man ein Kriterium dafür, ob ein inhaltliches Gebiet bei den Kabelprojektteilnehmern auf ein über— oder unterdurchschnittliches Interesse stößt: Neben den beiden schon genannten Stoffgebieten werden die Themenbereiche "Erziehung/Philosophie/Psychologie", "Sprachen" sowie "Verwaltung und kaufmännische Praxis" überproportional nachgefragt. Dagegen finden Weiterbildungsveranstaltungen zu den Gebieten "Vorbereitung auf (Schul —)Abschlüsse, "Haushaltsführung", "Länder— und Heimatkunde", "Kunst/Literatur/Musik", "Gesundheitspflege" und "Manuelles und musisches Arbeiten" bei den interviewten Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen ein eher unterdurchschnittliches Interesse. Insbesondere das Motiv, Kurse zur Vorbereitung von (Schul —)Abschlüssen zu besuchen, spielt für das gesamte "Weiterbildungsaufkommen" der Kabelprojektteilnehmer eine untergeordnete Rolle. Dieser Befund steht in Übereinstimmung mit dem im Abschnitt 2.2.9 berichteten Ergebnissen.
2.2.18
Motive für den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen
Das weitaus wichtigste Motiv zum Besuch einer Weiterbildungsveranstaltung lag im beruflichen Bereich bzw. in der Berufswahl begründet (33,6%). Ferner stellt das allgemeine Bildungsmotiv der befragten Personen mit 24,3% einen wichtigen Faktor dar. Weitere bedeutungsvolle Gründe liegen im Wunsch nach Erfahrungsaustausch (8,2%), im Interesse an der eigenen persönlichen Entwicklung (7,5%) und im Aktualisieren, Erweitern und Vertiefen von Kenntnissen (5,5%). Dieses Motivbündel , welches aus fünf von 15 aufgetretenen Gründen besteht, vereinigt 79,1% aller Antworten der Kabelprojektteilnehmer auf sich und signalisiert damit eine erhebliche inhaltliche Homogenität der Motivstruktur zur Teilnahme an Kursen der Erwachsenenbildung. Die Initiative zur Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen ging nach Auskunft der befragten Dortmunder Bürger vornehmlich von ihnen selbst aus (43,5%). Daneben haben betriebliche Anordnungen, Impulse von Vorgesetzten, Vorschläge von Freunden und Bekannten sowie Informationen in Zeitungs— oder Zeitschriftenartikeln eine Rolle gespielt. Insgesamt vereinigen diese verschiedenen Impulse 85,6% der insge-
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 29:
Frage Nr. 44 - Motive für den Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen*
lfd. Motive für den Besuch von Nr. WB-Veranstaltungen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Allgemeines Bildungsmotiv Berufliche Gründe Verbesserung von Status/ Prestige Freizeit/Hobby Kontaktmöglichkeiten Informationen über gesunde Lebensführung Informationen über soziale und politische Sachverhalte Aktualisieren/Erweitern/Vertiefen von Kenntnissen Eigene persönliche Entwicklung Betriebliche Anregung/Anordnung Abwechslung Erfahrungsaustausch Familiäre Gründe Finanzielle Gründe Aus Neugierde/Spaß/Freude Summe
67
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen 71 98 7
24.3 33.6 2.4
32.1 44.3 3.2
9 7 5
3.1 2.4 1.7
4.1 3.2 2.3
11
3.8
5.0
16
5.5
7.0
22
7.5
10.0
5
1.7
2.3
3 24 6 2 6
1.0 8.2 2.1 0.7 2.1
1.4 10.9 2.7 0.9 2.7
100.0%
132.15i
292
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n= 221 Personen; mehrere Antworten auf diese offene Frage möglich samt abgegebenen Antworten auf sich. Der Anregungscharakter von Radio— und Fernsehsendungen wurde von den Befragten zum Zeitpunkt der Untersuchung dagegen mit insgesamt 3,8% als vergleichsweise niedrig eingeschätzt.
68
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 30:
Frage Nr. 43 - Ausgangspunkte von Anregungen zur Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen*
lfd. Anregungen zur Teilnahme an Nr. WB-Veranstaltungen
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vorschlag von Familienangehörigen Vorschlag von Freunden oder Bekannten Anregung von Vorgesetzten Betriebliche Anordnung Eigene Idee Durch eine Fernsehsendung Durch eine Radiosendung Durch einen Zeitungs/Zeitschriftenartikel Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozentuHäufigkeit Häufigkeit ale der Antworten Häufigkeit der Personen 20
5 5
8.4
37
10 2
15.5
38 49 157 11 3 29
10 5 13 6 43 5 3 0 0 8 8.0
15.9 20.5 65.7 4.6 1.3 12.1
17
4 8
7.1
361
100 OK
151.0«
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=239 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung
2.2.19
Hauptinformationsquellen für Weiterbildungsangebote
Von 674 Teilnehmern des Kabelpilotprojekts informieren sich immerhin 306 über Angebote der Weiterbildung, was einem Prozentwert von 45,4 entspricht. Am häufigsten geschieht dies durch Zeitungen und Zeitschriften (26,6%), Programme der Weiterbildungsinstitutionen (25,2%) und über Bekannte oder Kollegen (23,6%). Im weitaus geringerem Maße informieren sich die befragten Bürger durch das Fernsehen (6%), den Kabeltext/Videotext (4,3%), den Hörfunk (2,7%) und über den Bildschirmtext (1,6%). Die Printmedien nehmen also mit insgesamt 51,8% eine unangefochtene Spitzenstellung als Informationsquelle ein, wenn es um Weiterbildungsangebote geht.
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
Tabelle 31:
lfd. Nr.
1 2 3 li 5 6 7 8 9
69
Frage Nr. 45 - Informationsquellen für Weiterbildungsangebote*
Informationsquellen für WB-Veranstaltungen
absolute prozentuale prozenHäufigkeit Häufigkeit tuale der Antworten Häufigkeit der Personen
Bekannte/Kollegen Flugblätter/Plakate Zeitungen/Zeitschrift(en) Hörfunk Fernsehen Bildschirmtext Kabeltext/Videotext Programme der WB-Institutionen Sonstiges
133 32 150 15 34 9 24 142 24
23.6 5.7 26.6 2.7 6.0 1.6 4.3 25.2 4.3
43.5 10.5 49.0 4.9 11.1 2.9 7.8 46.4 7.8
Summe
563
100.0%
184.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=306 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung)
2.2.20
Nutzen und Ertrag von Weiterbildungsveranstaltungen
Wenn die interviewten Dortmunder Bürger an Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen, dann kommt es ihnen vor allem darauf an, sich Wissen anzueignen. Dieser von den Teilnehmern erwartete Nutzen liegt mit einem arithmetischen Mittelwert von X = 4,6 zwischen den Skalenausprägungen wichtig ( = 4) und sehr wichtig ( = 5). Er nimmt im Vergleich mit den anderen Antwortalternativen ein eindeutige Spitzenstellung ein. Darüber hinaus besteht über dieses Ziel die größte Übereinstimmung zwischen den Teilnehmern, da die Standardabweichung mit s = 0,7 Skaleneinheiten vergleichsweise am geringsten ist. Den zweiten Rangplatz auf der Leiter der perzipierten Erträge nimmt mit einem durchschnittlichen Skalenwert von 4,2 die Diskussion von Problemen und Fragen mit anderen Kursteilnehmern ein. Die Bedeutung kommunikativer und sozialer Komponenten bei Lernprozessen Erwachsener zeigt sich zudem auch darin, daß an dritter und vierter Stelle der Nutzen von Weiterbildungsveranstaltungen im Kontakt zu anderen Teilnehmern (X = 4,0) sowie im Kennenlernen anderer Meinungen und Einstellungen (X —3,9) gesehen wird. Des weiteren
70
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
nimmt die direkte Anwendung des Gelernten mit = 4 , 0 ebenfalls den dritten Rangplatz ein. Offenbar wird der erwartete Ertrag von Weiterbildungsveranstaltungen auf zwei Dimensionen verankert, die vornehmlich zum einen kognitive und zum anderen soziale Bedürfnisse umfassen. Tabelle 32:
Frage Nr. 47 - Nutzen und Ertrag einer Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen*
lfd. Motive für die Teilnahme Nr an WB-Veranstaltungen
arithmetische Standardab- Anzahl der Mittelwerte weichungen Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten
1 2 3 4 5 6 7
Kennenlernen anderer Meinungen und Einstellungen Diskussion von Problemem und Fragen Aneignung von Wissen Änderung eigener Verhaltensweisen Direkte Anwendung von Gelerntem Erwerb eines Abschlusses oder Zeugnisses Kontakte zu anderen Menschen
s
j
ni
3.9
1.1
637
4.2
1.0
635
4.6 3.1 4.0 2.9
0.7 1.3 1.1 1.4
634 611 625 613
4.0
1.1
628
j
* arithmetische Mittelwerte j und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe fünfstufiger Skalen (l="unwichtig" bis 5="sehr wichtig") gemessenen Einschätzungen der befragten n=688 Personen) Dagegen liegt das Ziel, einen Abschluß oder ein Zeugnis zu erreichen mit einem arithmetischen Mittelwert von = 2,9 knapp unterhalb des neutralen Pols ( = 3) der Bedeutsamkeitsskala. Ferner sind die Einschätzungen der befragten Kabelpilotprojektteilnehmer in diesem Fall vergleichsweise am heterogensten bzw. uneinheitlichsten, da sie eine Standardabweichung von s = l , 4 Skaleneinheiten aufweisen. Alles in allem liegt der Nutzen und Ertrag von Weiterbildungsveranstaltungen aus der Sicht der Kabelprojektteilnehmer in der Aneignung von Wissen, in der Diskussion von Problemen und Fragen, in der direkten Anwendung von Gelerntem, in den Kontakten zu anderen Menschen und im Kennenlernen anderer Meinungen und Einstellungen.
71
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
2.2.21
Gründe für Weiterbildungsabstinenz
Von denjenigen 466 am Kabelpilotprojekt beteiligten Personen, die im Jahr 1986 keine WeiterbildungsVeranstaltung besuchten, haben 432 ihr Verhalten vornehmlich mit zwei Argumenten begründet: Zum einen hatten sie zu viele andere Verpflichtungen zu erfüllen (41,3%) und zum anderen brachten sie kein Interesse für eine Teilnahme auf (21,1%). Ferner gaben 10,1% von ihnen an, Bildungsangebote im Fernsehen oder Radio als Alternative zu nutzen; ein Prozentsatz, in dessen Höhe offenbar auch Faktoren der sozialen Erwünschtheit eingehen, da diese Auswahlantwort als einzige eine positive Alternative hinsichtlich der Wahrnehmung von Bildungsabsichten beinhaltet. Zu lange Anfahrtswege — für einen Innenstadtbezirk einer Großstadt eher trivial — und zu hohe Kursgebühren sind als Gründe für eine Nichtteilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen unerheblich. Auch fehlende Informationen und kein auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnittenes Angebot spielen eine eher untergeordnete Rolle. Tabelle 33:
Frage Nr. 36 - Gründe für die Nichtteilnahae an Weiterbildungsveranstaltungen*
lfd. Gründe für die Nichtteilnahme Nr. an WB-Veranstaltungen
absolute prozentuale prozentuHäufigkeit Häufigkeit ale der Antworten Häufigkeit der Perennsn
1 2 3 4 5 6 7 8 9
#
Fehlende Information Kein Interesse Zuviel andere Verpflichtungen Ungünstige Termine Kursgebühren zu hoch Anfahrtswege zu lang Kein auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot Bildungsangebote im Fernsehen bzw. Radio genutzt Sonstiges
30 122 237 42 11 6 35
5.2 21.1 41.1 7.3 1.9 1.0 6.1
7.0 28.6 55.6 9.9 2.6 1.4 8.2
62
10.7
14.6
32
5.5
7.5
Summe
577
100.0%
135.4%
Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=426 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung
72
2.3 2.3.1
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer im Vergleich Fragestellung und methodisches Vorgehen
Eine zentrale Fragestellung in unserem Forschungsprojekt beinhaltet die Gegenüberstellung der beiden Subgruppen der weiterbildungsaktiven und der weiterbildungsdistanzierten Teilnehmer am Kabelpilotprojekt im Hinblick auf ihr mediales Verhalten. Zu den weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen haben wir all jene gezählt, die laut Fragebogen im letzten Jahr — zurückgerechnet ab dem Befragungsmonat Februar 1987 — an Veranstaltungen der Weiterbildung teilgenommen haben. Das waren 219 von insgesamt 685 Kabelprojektteilnehmern, was einem Prozentsatz von 32 entspricht (vgl. Abschnitt 2.2.16). Dagegen gaben 466 Personen an, im Jahr 1986 13) keine Veranstaltungen der Erwachsenenbildung besucht zu haben (68%). Diese Veranstaltungen waren beispielsweise Bildungsangebote der Volkshochschule, der Arbeitgeber/Betriebe, der Industrie— und Handelskammer, der Gewerkschaften, der Kirchen, der Rheinisch — Westfälischen Auslandsgesellschaft, privater Institute und Schulen oder sonstiger Weiterbildungseinrichtungen (vgl. Abschnitt 2.2.17). Sie konnten der allgemeinen, der politischen oder der beruflichen Bildung zugeordnet sein (vgl. die Abschnitte 2.2.17 und 2.2.18). Es kam uns also darauf an, einen Prortlvergleich der beiden Gruppen der weiterbildungsaktiven und —distanzierten Personen hinsichtlich verschiedener Untersuchungsvariablen durchzuführen. Mit Hilfe dieser Kontrastgruppenanalyse lassen sich Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß des Weiterbildungsverhaltens und einer Reihe von Variablen erkennen, die etwa Erwartungen an, Einschätzungen über und den Umgang mit audiovisuellen Medien betreffen. Wir haben es hier mit Gruppen zu tun, die ein sehr unterschiedliches Weiterbildungsverhalten praktizieren, wie die Ergebnisse nach der Frage der Häufigkeit des Besuchs von Veranstaltungen der Erwachsenenbildung bestätigen. Während von den weiterbildungsaktiven Dortmundern 75,8% ungefähr jedes Jahr an einer Veranstaltung teilnehmen, sind es bei den weiterbildungsabstinenten nur 0,6%. Zirka alle zwei bis drei Jahre nehmen 16,6% der Weiterbildungsaktiven und 0,6% der —distanzierten an Lehrveranstaltungen teil. Für einen Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen, der seltener als alle drei Jahre erfolgt, betragen die entsprechenden Prozentzahlen 5,7 und 1,9. Die Weiterbildungsaktiven zeichnen sich durch eine viel ausgeprägtere Regel-
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
73
mäßigkeit in ihrer Beteiligung an Veranstaltungen der Erwachsenenbildung aus als die Kontrastgruppe der Weiterbildungsabstinenten.
2.3.2
Merkmale von Weiterbildungsaktiven
Weiterbildungsaktive Kabelprojektteilnehmer sind im Durchschnitt um 4,2 Jahre jünger (X= 38,5 zu X = 42,7 Jahre) und sie sind häufiger ledig (30,3% zu 24,8%). Bei den Weiterbildungsaktiven und —abstinenten sind Männer (54,8% zu 53,2%) und Frauen (45,2% zu 46,6%) ungefähr in gleichen Anteilen vertreten. Bei der Interpretation dieses Befundes muß man in Betracht ziehen, daß der vergleichsweise größere Prozentsatz von Frauen in Veranstaltungen der Volkshochschule durch die höhere Beteiligung der Männer an Kursen der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung ausgeglichen wird. Weiterbildungsaktive haben eher eine weiterführende Schule ohne Abitur besucht (39,2% zu 26,5%) oder ein Studium absolviert (24,9% zu 9,4%). Sie sind prozentual häufiger voll berufstätig, sei es in fremden (44,7% zu 30,4%) oder eigenen Betrieben (10,6% zu 5,5%). Unter den weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürgern befinden sich prozentual mehr Angehörige freier Berufe (5,2% zu 1,8%), qualifizierte (27% zu 17,7%) und leitende (9,9% zu 6,9%) Angestellte sowie Beamte des mittleren (6,9% zu 2,4%) und des gehobenen Dienstes(7,3% zu 3,7%). Bei den weiterbildungsabstinenten Kabelprojektteilnehmern herrschen dagegen jene vor, die eine Volks— oder Hauptschule absolviert haben (52,0% zu 29,2%). Sie sind vergleichsweise häufiger Rentner oder Pensionäre (30,6% zu 16,7%). Unter den weiterbildungsdistanzierten Befragten überwiegen ungelernte (5,8% zu 1,6%) und angelernte (6,9% zu 1,0%) Arbeiter, aber auch Facharbeiter, Handwerksgesellen, Vorarbeiter und Poliere (14,0% zu 9,9%). Insgesamt gesehen liegt damit der Anteil der Arbeiterschicht deutlich höher (26,7% zu 12,5%). Interessant ist, daß sich bei den Selbständigen, die kleinere oder mittlere Betriebe führen, zwischen beiden Subgruppen praktisch keine Unterschiede hinsichtlich des Besuchs von Weiterbildungsveranstaltungen ergeben (8,2% zu 7,9% und 3.4% zu 3.7%) Insgesamt gesehen sind Weiterbildungsaktive vergleichsweise eher jünger, voll berufstätig und besitzen einen höheren sozialen Status als Weiterbildungsdistanzierte.
74
2.3.3
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Der Stellenwert von Bildung für Weiterbildungsaktive und —distanzierte
Ganz stimmig mit ihrer Partizipation an Angeboten der Erwachsenenbildung hat für die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer der Bildungsbereich für die Menschen in der heutigen Zeit eine besonders herausgehobene Bedeutung. 68,3% von ihnen sehen den Bildungsbereich für sehr wichtig an gegenüber 49,9% der weiterbildungsabstinenten Befragten. Während der berufliche Bereich von beiden Gruppen die höchste Prorität erhält und als ungefähr gleichermaßen bedeutsam eingeschätzt wird (53,8% zu 56,2%), messen die Weiterbildungsaktiven der politischen Bildung ein deutlich größeres Gewicht zu (15,4% zu 7,6%). Dagegen halten die Weiterbildungsdistanzierten den Hobbybereich für wichtiger (6,9% zu 0,5%). Dieses gesamte Antwortmuster findet mit einer Ausnahme seine Entsprechung, wenn man die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts danach fragt, welche Bildungsbereiche für sie selbst vor allem wichtig sind. Unter der Perspektive ihrer individuellen Bedürfnisse betonen die Weiterbildungsaktiven neben dem politischen (16,5% zu 12,0%) jetzt auch den beruflichen(46,3% zu 40,7%) Bereich stärker, während umgekehrt von den Weiterbildungsabstinenten der Hobbybereich noch deutlicher akzentuiert wird (14,1% zu 4,1%). Wie sieht es nun mit dem Medienverhalten in beiden Gruppen aus?
2.3.4
Nutzung von Fernsehen und Hörfunk für Lernaktivitäten
Auf die Fragen, welche Fernsehprogramme/— kanäle die Befragten bevorzugt einschalten, wenn sie etwas lernen möchten — bis zu drei Nennungen waren möglich — ergaben sich auf der Auswertungsebene der Antworten keine gravierenden Unterschiede zwischen Weiterbildungsaktiven ( m W A = 617 Antworten ) und — distanzierten (m WD = 1335 Antworten), was die Nutzungshäufigkeit von ARD (14,9% zu 15,9%) und ZDF (15,4% zu 16,7%) angeht. Dagegen werden die Dritten Programme (16,2% zu 9,1%) und — von den Spartenkanälen des Kabelpilotprojekts — der Bildungskanal (5,3% zu 2,2%) und der Kulturkanal (4,4% zu 2,2%) deutlich häufiger von den weiterbildungsaktiven als von den weiterbildungsdistanzierten Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen zum Lernen genutzt. Die Weiterbildungsdistanzierten geben an, zum Lernen eher die kommerziellen Programme RTL Plus (11,2% zu 7,1%) und SAT 1 (7,9% zu 5,8%) sowie bei den Spartenkanälen — den Unterhaltungskanal (5,9% zu 4,1%) zu nutzen. Beim Lokalka-
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
75
nal (13,6% zu 12,8%), dem Sport— und Informationskanal (7,9% zu 7,5%) sowie dem Offenen Kanal (1,0% zu 0,8%) ergeben sich praktisch keine Unterschiede zwischen den beiden Kontrastgruppen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß die Kabelprojektteilnehmer einen weiten Lernbegriff im Sinne einer primär auf Informationsaufnahme gerichteten Aktivität verwenden und ihr alltagsweltlicher Vollzug von Lernen nicht notwendigerweise mit dem schulischen Lernen gleichgesetzt werden kann, das zielgerichtet und als Lehrgang zur systematischen Vermittlung von Inhalten konzipiert ist. Dennoch scheint uns die relative Bevorzugung von RTL Plus, SAT 1 und des Unterhaltungskanals zum Lernen durch die Weiterbildungsdistanzierten eher darauf hinzudeuten, daß bei ihnen Strategien der Rationalisierung und Motivverschiebung in ihrem Antwortverhalten eine Rolle gespielt haben. Fernsehen scheinen die weiterbildungsabstinenten Kabelprojektteilnehmer vornehmlich zur Unterhaltung zu nutzen (vgl. die Abschnitte 2.2.12 und 2.3.9). Dagegen nehmen Weiterbildungsaktive in stärkerem
Maße die Bildungsangebote in Fernsehen und Hörfunk wahr, insbesondere die Dritten Programme, den Bildungs— und den Kulturkanal.
2.3.5
Inzidentelles Lernen
Sowohl eine Analyse der prozentualen Häufigkeiten der Antworten, die in Frage 1 auf die Skalenausprägung "viel gelernt" hinsichtlich der verschiedenen Fersehgattungen entfallen sind, als auch die Abschätzung des gesamten Antwortverhaltens pro Skala mit Hilfe der Berechnung arithmetischer Mittelwerte auf der Auswertungsebene der Personen zeigt, daß Weiterbildungsaktive im Vergleich zu —distanzierten Kabelprojektteilnehmern eher beiläufig bei Nachrichtensendungen, politischer und wirtschaftlicher Berichterstattung, Kultur— und Wissenschaftssendungen, Kursprogrammen sowie beim Schulfernsehen lernen. Bezogen auf die Sendearten Dokumentationen, Konzerte, Opern und Theater, Ratgebersendungen sowie lokale Berichterstattung ergeben sich keine Unterschiede zwischen den beiden Personengruppen. Die Weiterbildungsabstinenten geben dagegen an, daß sie relativ häufiger bei Unterhaltungssendungen, Krimis, Spielfilmen, Fernsehspielen und Serien sowie bei Sportsendungen beiläufig lernen. Auch diesen Befund deuten wir als Indikator für den Versuch, den eigenen primär auf Unterhaltung ausgerichteten Fernsehkonsum nachträglich über einen behaupteten Lernertrag zu legitimieren.
76
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Insgesamt gesehen ergeben sich beim Hörfunk — anders als beim Fernsehen — praktisch keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Subgruppen der Weiterbildungsaktiven und —distanzierten hinsichtlich des unbeabsichtigten Lernes anhand der verschiedenen Sendearten.
2.3.6
Intentionales Lernen
Was das gezielte Lernen angeht, so bietet der Vergleich von weiterbildungsaktiven und —distanzierten Kabelprojektteilnehmern für die einzelnen Sendegattungen des Fernsehens in der Tendenz ähnliche Befunde wie beim inzidentellen Lernen. Mit Ausnahme der Nachrichtensendungen nutzen die Weiterbildungsaktiven vergleichsweise eher die politische und wirtschaftliche Berichterstattung, die Kultur— und Wissenschaftsendungen und die Kursprogramme zum intentionalen Lernen. Zwischen den beiden Subgruppen ergeben sich neben den Nachrichtensendungen keine Unterschiede hinsichtlich des gezielten Lernens bei den Sendearten Konzerte, Opern und Theater, Ratgebersendungen, lokale Berichterstattung und Schulfernsehen. Wie beim beiläufigen Lernen auch, meinen die Weiterbildungsabstinenten, relativ häufiger bei Unterhaltungssendungen, Krimis, Spielfilmen, Fernsehspielen und Serien sowie Sportsendungen intentional zu lernen; in diesem Fall kommen auch die Ratgebersendungen hinzu, was bei den größeren Präferenzen der Weiterbildungsdistanzierten für den Hobbybereich (vgl. Abschnitt 2.3.3) plausibel erscheint.
2.3.7
Nutzung spezieller Bildungangebote
Von den weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmern hat im Vergleich zu den weiterbildungsdistanzierten Befragten ein größerer Prozentsatz spezielle Bildungsangebote, wie etwa das Telekolleg, im Fernsehen genutzt (10,6% zu 4,4%). Zudem weist die erstgenannte Untergruppe der Dortmunder Bürger und Bürgerinnen ein breiteres Spektrum an gewählten Themen auf (Geschichte/Zeitgeschichte, Religion, Theologie, Psychologie, Kunst, Länderkunde/Geographie, Chemie, Sprachen, Management/Personalpolitik/Betriebsführung, Informationstechnologie und Vorbereitung auf Schulabschlüsse versus Wirtschaft, Mathematik/Statistik, Physik, Fächerübergreifendes musisches Arbeiten, Sprachen und Sport). In beiden Personengruppen liegt der zahlenmäßige Schwerpunkt bei den Englisch —Kursen.
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
77
Analoge Nutzungsmuster spezieller Bildungsangebote im Hörfunk ergeben sich bei den weiterbildungsaktiven und —abstinenten Projektteilnehmern, wenngleich jeweils der Prozentsatz geringer (2,8% zu 1,1%) und die Themenpalette weniger aufgefächert ist (Philosophie, Religion/Theologie, Kunst und Sprachen versus Kunst, Englisch, Gesundheitsfragen und Länder —/Heimatkunde). Insgesamt gesehen nutzen Weiterbildungsaktive relativ häufiger spezielle Bildungsangebote im Femsehen und Hörfunk bei gleichzeitig facettenreicherer Themenauswahl.
2.3.8
Zur Konkurrenz von medialen Bildungsangeboten und Weiterbildungsveranstaltungen
Sowohl die Weiterbildungsaktiven als auch die —distanzierten verneinen durchgängig die Frage, ob sie schon einmal aufgrund eines speziellen Bildungsangebots im Fernsehen (z.B. Telekolleg) auf einen Besuch eines Weiterbildungskurses (z.B. an der Volkshochschule) verzichtet haben (98,6% zu 98,7%). Für die entsprechende auf den Hörfunk bezogene Fragestellung lauten die Prozentwerte 99,5 und 99,8. Bei beiden Personengruppen stehen also spezielle Bildungsangebote in Fernsehen und Hörfunk nicht in Konkurrenz zum Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen. Die audiovisuellen Medien substituieren also bei beiden Kontrastgruppen keinesfalls inhaltlich äquivalente Veranstaltungen der Erwachsenenbildung. Vielmehr haben sich immerhin 5,5% der weiterbildungsaktiven, aber nur 1,3% der —abstinenten Kabelprojektteilnehmer durch eine Sendung des Fernsehens angeregt gefühlt, einen Weiterbildungskurs zu besuchen. Zudem ist sowohl die Themenpalette der anregenden Fernsehsendungen als auch die der daraufhin besuchten Kurse bei den weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen vergleichsweise umfangreicher und vielfältiger (Fernsehsendungen: Zeitgeschehen, Recht, Psychologie, Geographie, Sprachen, manuelles und musisches Arbeiten sowie Informationstechnologie versus Mathematik, Sprachen und Informationstechnologie ;WB—Kurse: Sprachen, Informationstechnologie, Recht und Psychologie versus Sprachen und Informationstechnologie).
78
2.3.9
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Hinderungsgründe für die Nutzung audiovisueller Medien zum Lernen
Wir haben die Kabelprojektteilnehmer auch nach den Gründen gefragt, die sie bislang abgehalten haben, Fernsehsendungen zum Lernen zu nutzen. Die beiden untersuchten Kontrastgruppen unterscheiden sich deutlich in ihrem Begründungsmuster: Die weiterbildungsabstinenten Bürger betonen auf der Auswertungsebene der Antworten ( r c ^ = 870) vergleichsweise häufiger, daß sie das Fernsehen vor allem zu ihrer Unterhaltung nutzen (37,6% zu 24,7%). Dagegen führen die weiterbildungsaktiven Personen bei ihren Antworten (mWA = 430) zu einem relativ größeren Teil an, daß die Sendungen, in denen sie etwas lernen möchten, zeitlich ungünstig liegen (13,5% zu 7%), sie zu vielen anderen Verpflichtungen nachkommen müssen (20,9% zu 17,4%) und kein entsprechendes Angebot im Fernsehen gefunden haben (7,0% zu 4,8%). Bei dem weiteren relativ bedeutungsvollen Hinderungsgrund — der primären Nutzung des Fernsehen zur aktuellen Information — ergeben sich keine relevanten Unterschiede (31,6% zu 32,1%). Die Analyse der Antworten zu einer entsprechenden Frage, die sich auf Hinderungsgründe gegen eine Nutzung von Hörfunksendungen bezog, liefert das gleiche Bild wie zuvor: Das Haupthindernis bei den weiterbildungsdistanzierten Projektteilnehmern (mit insgesamt mWD = 856 Antworten) liegt in einer deutlich ausgeprägteren Nutzung des Radios als Unterhaltungsmedium (38,1% zu 27,8%). Die Kontrastgruppe der Weiterbildungsaktiven (mit m WA = 431 Antworten) sieht vergleichsweise eher im zeitlich ungünstigen Sendeangebot (11,1% zu 5,6%), in zu vielen anderen Verpflichtungen (22,7% zu 20,1%) und im fehlenden thematischen Angebot (6,5% zu 4,9%) die entscheidenden Hürden. Wiederum ergeben sich bei dem Gegenargument der vornehmlichen Nutzung des Radios zur aktuellen Information praktisch keine Unterschiede (29,9% zu 30,6%). Insgesamt gesehen zeigt sich, daß das Unterhaltungsbedürfnis der weiterbildungsabstinenten Kabelprojektteilnehmer ein entscheidendes Hindernis für eine Nutzung der audiovisuellen Medien zum Lernen darstellt.
2.3.10
Informationsquellen für bildungsbezogene Sendungen
Die weitaus wichtigste Informationsquelle, um auf Fernsehsendungen zu stoßen, welche die beiden Subgruppen der Weiterbildungsaktiven (mit insgesamt mWA = 459 Antworten) und —distanzierten ( m ^ = 900 Antworten) gleichermaßen zum Lernen
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
79
nutzen, stellen Programmzeitschriften dar (38,8% zu 39,1%). Informationsquellen, die mit dem Kabelpilotprojekt direkt verbunden sind, wie der Kabel -/Videotext, werden von beiden Gruppen gleich oft in Anspruch genommen (9,8% zu 9,7%). Hinsichtlich der Familienangehörigen als Informanten ergeben sich ebenfalls keine Unterschiede (3,9% zu 3,3%) wie auch bei Tageszeitungen (8,3% zu 8.7%). Dagegen spielen Freunde, Bekannte und Nachbarn als Informationsquellen bei den Weiterbildungsaktiven eine etwas größere Rolle (8,7% zu 5,6%). Weiterbildungsabstinente Personen nutzen im Gegensatz dazu vergleichsweise etwas häufiger die kabelprojektspezifische Dortmunder Programmzeitschrift "City-Post" (20,2% zu 18,3%); ebenso hat bei ihnen das zufällige Einschalten eine ausgeprägtere Bedeutung (11,3% zu 9,4%). Interessant ist ferner, daß Anregungen aus Veranstaltungen der Erwachsenenbildung für Lernaktivitäten, die sich über Fernsehsendungen befriedigen lassen, auch in der Gruppe der Weiterbildungsaktiven so gut wie nie entstehen (0,9% zu 0,1%). Ähnliche Antwortmuster zwischen beiden Kontrastgruppen zeigen sich hinsichtlich der Nutzung von Informationsquellen für bildungsorientierte Hörfunksendungen. Auch hier nehmen die Programmzeitschriften eine dominierendere Stellung ein, wobei sich die weiterbildungsdistanzierten Personen (mWD = 682 Antworten) ihrer ein wenig häufiger bedienen (31,2% zu 27,8%), was auch für die "City-Post" zutrifft (14,4% zu 9,1%). Im Gegensatz dazu spielen bei weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmern (mWA = 352) Freunde, Bekannte, und Nachbarn (8,2% zu 3,4%) sowie Familienangehörige (5,4% zu 2,8%) als Informanten eine größere Rolle, wenn es gilt, auf Radiosendungen zu stoßen, die man zum Lernen nutzen kann. Weiterbildungsaktive nutzen also diesbezüglich im stärkeren Ausmaß die direkte persönliche Kommunikation. Ferner wird von ihnen relativ häufiger nur ein bestimmtes Radioprogramm gehört, das ab und an bildungsorientierte Beiträge enthält (11,4% zu 9,4%). Beide Gruppen unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Bedeutung des zufalligen Einschaltens (24,4% zu 23,8%), der Tageszeitungen (6,8% zu 8,1%), des Kabel -/Videotextes (5,1% zu 6,0%) und der Weiterbildungsveranstaltungen (0,6% zu 0,1%) als Informationsquellen. Im ganzen gesehen nutzen beide Kontrastgruppen gleichermaßen primär
Programm-
zeitschriften als Informationsquelle für bildungsbezogene Sendungen, während Weiterbildungsveranstaltungen in dieser Hinsicht keine Rolle spielen.
80
2.3.11
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Nutzungsfrequenz des Bildungskanals
Die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer wissen in einem größeren Ausmaß darüber Bescheid, daß es einen speziellen Bildungskanal "Die kluge Sieben" gibt (76,6% zu 65,3%). Des weiteren schalten sie zu einem deutlich höheren Prozentsatz dieses Programm häufig, d.h. mindesten einmal pro Woche ein (14,4%), während der Bildungskanal von den Weiterbildungsdistanzierten nur zu einem Bruchteil regelmäßig genutzt wird (2,7%). Allerdings ist auch bei den weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürgern der relative Anteil der Nicht —Nutzer rund doppelt so hoch wie derjenige der Nutzer (31,7% zu 14,4%). Die entsprechende Relation in der Subgruppe der Weiterbildungsabstinenten lautet 15:1 (40,3% zu 2,7%)!
2.3.12
Gründe gegen eine Nutzung des Bildungskanals
In den beiden Kontrastgruppen (mWA = 157 und mWD = 303 Antworten) läßt sich bei denjenigen Befragten, die den Bildungskanal "nie" oder "selten" einschalten, eine breite Palette von Ablehnungsgründen gegen eine Nutzung des Bildungsprogramms "Die kluge Sieben" feststellen. Weiterbildungsdistanzierte Kabelprojektteilnehmer führen in ihren Antworten vergleichsweise häufiger an, daß die Gebühren für den als Pay —TV ausgelegten Bildungskanal zu hoch (15,2% zu 8,3%), genügend Bildungssendungen im übrigen Programm vorhanden (19,8% zu 17,2%), die Sendungen im Bildungskanal zu trocken sowie mit zu wenig auflockernden und entspannenden Beigaben durchmischt sind (9,6% zu 6,4%). Auf die mangelnde Attraktivität des ausgestrahlten Progammangebots entfallen in beiden Untergruppen gleichermaßen fast ein Viertel aller Antworten (23,4% zu 22,3%). Das Argument konkurrierender Attraktivitäten, die für die eigene Bildung keine Zeit übrig lassen, spielt jeweils keine entscheidende Rolle (5,3% zu 3,8%). Dagegen stellt für jene Weiterbildungsaktiven, die den Bildungskanal "nie" (31,7%) oder "selten" (37,7%) sehen, ihr insgesamt knappes Zeitbudget absolut und im Vergleich zur Kontrastgruppe das größte Hindernis dar, das Bildungsprogramm anzuschauen (30,6% zu 15,2%). Zusammenfassend läßt ich sagen, daß Weiterbildungsdistanzierte vor allem die mangelnde Attraktivität des Programms betonen, genügend sonstige Bildungssendungen finden, die Gebühren als zu hoch ansehen und angeben, nicht genügend Zeit zu haben.
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
2.3.13
81
Meinungen zur Einrichtung eines eigenen Bildungskanals
Auf die Frage, was sie grundsätzlich von der Idee halten, im Fernsehen einen eigenen Bildungskanal einzurichten, reagieren die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer wesentlich positiver als die weiterbildungsabstinenten (58,6% zu 32,4%). Der Aussage, daß Fernsehen nicht zum Lernen da ist, stimmen von ihnen deutlich weniger zu (17,8% zu 29,8%). Auch das Statement, daß die übrigen Programme genügend Lernmöglichkeiten bieten und daher ein eigener Bildungskanal überflüssig ist, wird von den Weiterbildungsaktiven in weitaus geringerem Maße unterstützt (8,2% zu 17,6%). Für die Programmalternative einer Verteilung der Lernmöglichkeiten spricht sich in beiden Kontrastgruppen nur eine Minderheit aus (11,0% zu 9,9%). Für die inhaltliche Ausgestaltung eines Bildungsprogramms sind nicht zuletzt die Vorstellungen der weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer von großer Wichtigkeit, zumal sie weitaus klarere Vorstellungen darüber besitzen, welche Schwerpunkte ein solches Programmangebot aufweisen müßte, da sie im Vergleich zu den Weiterbildungsdistanzierten in viel geringerem Ausmaß die Antwortkategorie "weiß ich nicht" wählen (6,4% zu 19,3%). Sie können in dieser Hinsicht gewissermaßen als Experten gelten. Eine Ausweitung auf der Ebene der insgesamt abgegebenen Antworten (mWA = 481 und mWD = 715) unter Auslassung jener Befragten, die keine inhaltlichen Vorstellungen besitzen, zeigt, daß die weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürger und Bürgerinnen dafür plädieren, daß in einem Bildungsprogramm 1. politische Informationen über Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Welt Berücksichtigung finden (17,3% zu 19,0%); 2. Informationen über das örtliche Bildungsangebot gesendet (16,0% zu 13,7%); 3. die verschiedenen lokalen Weiterbildungseinrichtungen und ihre Arbeit vorgestellt (13,7% zu 9%); 4. kulturelle Themen aller Art berücksichtigt (12,1% zu 12,2%); 5. Anregungen für Hobbies gesendet (11,0% zu 16,6%); 6. Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche gesendet (10,0% zu 14,0%); 7. Möglichkeiten zu einer beruflichen Fortbildung angeboten (10,0% zu9,9%) und 8. Programme zum Selbststudium ausgestrahlt (8,7% zu 5,0%) werden. Alles in allem stehen Weiterbildungsaktive der Einrichtung eines eigenen Bildungskanals wesentlich positiver und mit klareren Programmvorstellungen gegenüber als Weiterbildungsdistanzierte, für die Hobbysendungen ein Einstieg sein könnte.
82
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Wenn man die Befragungsergebnisse aus den Abschnitten 2.3.3 und 2.3.6 sowie zu Punkt 5 miteinander kombiniert, dann läßt sich offenbar die Empfehlung ableiten, daß weiterbildungsdistanzierte Bürger und Bürgerinnen am ehesten über Hobby— und Ratgebersendungen als Zuschauer eines Bildungsprogramms zu gewinnen sind!
2.3.14
Audiovisuelle Medien und Weiterbildungseinrichtungen im Vergleich
Wie schon bei der vorherigen Fragestellung äußern Weiterbildungsdistanzierte auch hier deutlich weniger Vorstellungen zu den Vorzügen des Fernsehens im Vergleich zum Lernen in Weiterbildungsveranstaltungen, da die Antwortkategorie "weiß ich nicht" von ihnen relativ häufig gewählt worden ist (23,4% zu 8,6%). Geht man wiederum von der Bezugsgröße der Antworten aus, die insgesamt auf die einzelnen inhaltlichen Alternativen entfallen sind, dann zeigt sich, daß die weiterbildungsaktiven (mWA = 437) im Vergleich zu den —abstinenten (mWD = 768 Antworten) Kabelprojektteilnehmern vor allem die folgenden Vorzüge hervorheben: Fernsehsendungen lassen sich auf Videocassette aufzeichnen (22,0% zu 19,3%), der Unterrichtsstoff wird anschaulich dargeboten (12,8% zu 7,0%), die Anfahrtswege zu Weiterbildungsveranstaltungen fallen weg (12,4% zu 7,8%) und die fachlichen Informationen werden im Fernsehen in konzentrierter Form dargeboten (9,2% zu 4,6%). Dagegen heben Weiterbildungsdistanzierte eher diffuse Komponenten hervor, die an Assoziationen zur Unterhaltungsfunktion denken lassen, nämlich daß man im Fernsehen immer etwas Interessantes findet (15,2% zu 5,5%), sich Fernsehsendungen nebenbei verfolgen lassen, auch wenn man etwas anderes tut (11,7% zu 8,7%), und ein äußerst vielseitiges Angebot gemacht wird (9,9% zu 3,4%). Keine Unterschiede in den Einschätzungen zwischen beiden Kontrastgruppen zeigen sich hinsichtlich der folgenden Vorzüge des Fernsehens: Bei der Nutzung von Fernsehsendungen ist man unabhängig von anderen Teilnehmern (13,5% zu 13,5%), in den Fernsehsendungen kommen nur ausgewählte Experten zu Wort (5,7% zu 5,1%) und man spart das Geld für Weiterbildungsveranstaltungen (5,3% zu 5,2%). Analoge Bewertungsmuster wie beim Fernsehen weisen beide Subgruppen in ihren Antworten (mWA = 360 und m WD = 635) bezüglich der Vorteile von bildungsbezogenen Hörfunksendungen gegenüber Weiterbildungsveranstaltungen auf. Auch bei dieser vergleichenden Beurteilung heben die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer vergleichsweise häufiger hervor, daß man Hörfunksendungen auf Tonbandcasetten aufzeichnen kann (14,2% zu 10,9%), die Anfahrtswege zu den Weiterbildungs-
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
83
Veranstaltungen entfallen (5,8% zu 3,8%) und die fachlichen Informationen im Radio konzentrierter vermittelt werden (5,0% zu 4,1%) Von Bedeutung scheint uns in diesem Zusammenhang die Tatsache zu sein, daß die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer sowohl beim Fernsehen wie auch beim Radio gleichermaßen die Aufzeichnungsmöglichkeit von Sendungen mit Lerninhalten mittels Cassetten betonen. Hier spiegelt sich offenbar ein bedürfnisorientierter und zielstrebiger Umgang mit den audiovisuellen Medien wider — gerade was bildungsbezogene Sendungen angeht. Wie auch schon bezüglich des Fernsehens heben die Weiterbildungsabstinenten eher hervor, daß sich die Hörfunksendungen nebenbei hören lassen, wobei oft etwas haften bleibt (39,1% zu 35,3%), sich im Radio immer etwas Interessantes findet (15,0% zu 13,6%) und ein äußerst vielseitiges Angebot vorzufinden ist (19,9% zu 6,9%). Wechselt man die Blickrichtung und fragt nach den Vorzügen von Weiterbildungsveranstaltungen gegenüber dem Lernen bei Hörfunk— und Fernsehsendungen, so sind die Weiterbildungsabstinenten indifferenter in ihren Stellungnahmen und zeigen ein weniger konturiertes Bild von den Vorteilen erwachsenenpädagogischer Lehrveranstaltungen. Der Anteil derjenigen Befragten, die in dieser Kontrastgruppe die Antwortalternative "weiß ich nicht" ankreuzen, ist mehr als dreimal so hoch (31.1% zu 8.7%). Gleichwohl heben auch die Mitglieder dieser Kontrastgruppe die Möglichkeit der Befriedigung kommunikativer Bedürfnisse hervor. Weiterbildungsaktive weisen in ihren Antworten (mWA = 508) vergleichsweise etwas häufiger als Weiterbildungsdistanzierte (mWD = 687) darauf hin, daß man in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung unmittelbar Rückfragen stellen kann (31.5% zu 29.3%) und es möglich ist, sich im Anschluß an Lehrveranstaltungen privat mit den Teilnehmern und dem Dozenten zusammenzusetzen (6.1% zu 4.7%). Im Gegensatz dazu betont die Kontrastgruppe der Weiterbildungsabstinenten relativ stärker, daß man sich im Vergleich zu Fernseh— und Radiosendungen in den Veranstaltungen beraten lassen kann (11.4% zu 6.1%). Möglicherweise spiegelt sich in diesem vergleichsweise häufiger genannten Bedürfnis nach Beratung auch eine größere Unsicherheit über die Chancen und Bedingungen erfolgreicher Fortbildung wider, die sich wiederum aus der bislang fehlenden Beteiligung an Weiterbildungsveranstaltungen speist. Bei allen anderen Antwortalternativen gibt es keine ins Auge fallenden Unterschiede zwischen den beiden Kontrastgruppen. Weiterbildungsaktive und —distanzierte akzentuieren gleichermaßen als Vorzüge, daß man sich in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung mit anderen Teilnehmern unterhalten (12.2% zu 11.5%) und stärker die eigenen Interessen einbringen (11.8% zu 11.5%) kann, sich die Möglichkeit bietet.
84
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
neue Kontakte zu knüpfen (9.6% zu 10.5%), eine persönliche Beziehung zum Dozenten besteht (8.9% zu 7.9%) und daß ein aufeinander aufbauendes Angebot an Lernmöglichkeiten vorhanden ist (4.9% zu 4.7%). Insgesamt gesehen urteilen Weiterbildungsaktive beim Vergleich von audiovisuellen Medien und Weiterbildungseinrichtungen vergleichsweise sachangemessener; sie heben, wie auch die Weiterbildungsdistanzierten, persönliche und soziale Komponenten des Lernens hervor.
2.3.15
Nutzung der Printmedien und der Neuen Medien als Informationsquellen
Vergleicht man die beiden Kontrastgruppen daraufhin, ob sie sich über Angebote der Weiterbildung informieren, so zeigen sich ganz massive Unterschiede. Von 217 weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmern machen sich 86.2% über das Veranstaltungsangebot kundig, während es von 457 weiterbildungsabstinenten Dortmunder Bürgern nur 26% sind. Es besteht offenbar ein relativ hohes Informationsbedürfnis bei der Gruppe der Weiterbildungsaktiven, um den Besuch von Lehrveranstaltungen eigenverantwortlich vorab zu planen. In einem nächsten Analyseschritt haben wir die Antworten derjenigen Projektteilnehmer aus beiden Kontrastgruppen (mWA = 354 und mWD = 209) miteinander verglichen, die sich über Veranstaltungen der Fortbildung unterrichten. Es ergeben sich zwischen beiden Gruppierungen ganz erhebliche Differenzen im Nutzungsgrad der verschiedenen Informationsquellen: Weiterbildungsaktive informieren sich vergleichsweise häufiger mit Hilfe von Zeitungen oder Zeitschriften (27.7% zu 24.9%), Veranstaltungsprogrammen der Weiterbildungsinstitutionen (27.1% zu 22.0%) und Flugblättern oder Plakaten (8.5% zu 1.0%). Dagegen ziehen Weiterbildungsdistanzierte es vor, sich über Bekannte oder Kollegen (24.9% zu 22.9%), durch das Fernsehen (9.6% zu 4.0%), den K a b e l - / Videotext (7.7% zu 2.3%), Hörfunk(4.8% zu 1.4%) und durch den Bildschirmtext (2.4% zu 1.1%) Informationen über Weiterbildungsangebote einzuholen. Besonders hervorzuheben ist der Befund, daß Weiterbildungsaktive eindeutig die Printmedien (63.3% zu 47.9%) als Informationsquellen vorziehen, während Weiterbildungsabstinente, die an Mitteilungen über Veranstaltungsangebote interessiert sind, im Vergleich zur Kontrastgruppe häufiger die Neuen Medien präferieren (24.5% zu 8.8%). Offenbar spielen hier Unterschiede im kulturellen Habitus zwischen beiden Gruppen eine Rolle, wobei bei den Weiterbildungsaktiven gedruckte Informationen
2.3 Weiterbildungsaktive und —distanzierte Kabelprojektteilnehmer
85
aufgrund einer ausgeprägteren Lesekultur einen größeren Stellenwert einnehmen, wohingegen selbst informationsorientierte Weiterbildungsdistanzierte vergleichsweise häufiger die audiovisuellen Medien frequentieren und damit in einer "Umgebung" verbleiben, die ihnen vertrauter ist, weil sie diese Art Medien weit ausgedehnter nutzen.
2.3.16
Attraktivität des Lernweges Medienverbund
Wenn man die Angehörigen beider Kontrastgruppen bittet, die von ihnen persönlich präferierten Lernmodi mit Hilfe einer fünfstufigen Skala einzuschätzen, die von "stimmt nicht" ( = 1) bis "stimmt" ( = 5) reicht, wobei der neutrale Pol mit 3 kodiert ist, dann zeigt sich der größte Mittelwertunterschied14' zwischen den Weiterbildungsaktiven und —abstinenten (X = 4.66 zu X = 4.27) bei einem als Medienverbund strukturierten Lernweg, bei dem ihnen ein Lehrstoff dargeboten wird (z.B. Vortrag, Film), der anschließend selbst durchzuarbeiten ist (z.B. mit Hilfe eines Buches) und über den die Befragten mit anderen sprechen können (z.B. in einer Diskussion). Offensichtlich ziehen die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer aufgrund der Erfahrungen, die sie in ihren eigenen Bildungsbiographien gemacht haben, ein mehrkanaliges Lernmedium unimedialen Lernweisen vor, da — mit einer Ausnahme — auch im internen Gruppenvergleich die anderen Lernwege (Vortrag, Film, Buch und Gespräch) von ihnen als weniger effektiv eingeschätzt werden. Nur das Lernen durch eigenes Tun (learning by doing) wird von den Weiterbildungsaktiven als gleich wirksam eingeschätzt (X = 4.6). Dieser Lernweg liegt in der Kontrastgruppe der Weiterbildungsdistanzierten mit X = 4.41 an der Spitze, wenngleich die Skalenausprägung im Vergleich zu den Weiterbildungsaktiven etwas weniger zum Extrempol "stimmt" orientiert ist. Ferner schätzen die weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer der Tendenz nach die Lernmedien Gespräch/Diskussion (X = 4.49 zu X = 4.35), Buch ( X - 4 . 2 2 zu X = 4.16) und Vortrag (X = 3.81 zu X = 3.66) im Vergleich zu den Angehörigen der anderen Kontrastgruppe für sich selbst als etwas effektiver ein. Nur die Beurteilung der Wirksamkeit des Mediums Film für das eigene Lernen wird von beiden Kontrastgruppen übereinstimmend vorgenommen (X = 3.71 zu X = 3.70). Des weiteren liegt dieses Medium in beiden Kontrastgruppen zum einen damit an letzter Stelle der Lerneffektivitätsrangordnung und zum anderen relativ nahe am neutralen Pol ( — 3.0) der Wirksamkeitseinschätzungen .
86
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
In einem nächsten Analyseschritt haben wir die Erfahrungen oder Einschätzungen der weiterbildungsaktiven und —distanzierten Kabelprojektteilnehmer zum Medienverbund gegenübergestellt. Es zeigt sich, daß die Weiterbildungsaktiven im Vergleich zu den — abstinenten häufiger betonen, daß der Medienverbund die Chance bietet, einen Lernstoff besser zu begreifen, das Lernen dort abwechslungsreicher ist und auf mehreren Ebenen gelernt wird. Die Weiterbildungsaktiven heben als Experten eines veralltäglichten Lernens im Erwachsenenalter also durchaus wesentliche Begründungen hervor, die mit der Einführung des Medien Verbundes einhergingen.
2.3.17
Motive und Vorzüge für den Besuch von Veranstaltungen der Erwachsenenbildung
Neben einer globalen Auswertung, die sich auf die Befragungsdaten der Gesamtstichprobe stützt (siehe Abschnitt 2.2.20), haben wir in einem zusätzlichen Analyseschritt die Antworten der Weiterbildungsaktiven zur Frage Nr. 47 getrennt ausgewertet, um ihre Präferenzen, die sich auf eigene Lernerfahrungen in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung gründen, getrennt betrachten können15'. Aufgrund der Beurteilungen der Befragten, die mit Hilfe einer fünfstufigen Schätzskala (1 = unwichtig; 3 = neutraler Pol; 5 = sehr wichtig) gewonnen wurden, ließen sich für die insgesamt sieben Skalen arithmetische Mittelwerte berechnen. Ein Vergleich dieser Maße der zentralen Tendenz ergibt, daß es den weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmern in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung vor allem darauf ankommt, sich Wissen anzueignen (X = 4.73), Probleme und Fragen mit anderen zu diskutierten (X —4.29), das Gelernte direkt anwenden zu können (X = 4.0), andere Meinungen und Einstellungen kennenzulernen (X = 3.96) und Kontakte zu anderen Menschen zu haben (X = 3.89). Diese Untergruppe weiterbildungserfahrener Erwachsener sieht also ebenso wie die Gesamtstichprobe der Kabelprojektteilnehmer den wesentlichen Ertrag ihres persönlich gestalteten Lernprozesses bei einer Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in der Wissensaneignung und — anwendung sowie in der Aktivierung und Erfüllung kommunikativer Grundbedürfnisse. Dagegen spielt die Absicht, eigene Verhaltensweisen zu ändern (X = 3.12) oder das Interesse, ein Zeugnis zu erwerben (X = 2.74) - im Durchschnitt gesehen - keine gravierende Rolle, da sie am neutralen Antwortpol liegen. Im Vergleich zur Gesamtstichprobe messen die Weiterbildungsaktiven dem Erwerb von Zertifikaten sogar noch eine geringere Bedeutung zu (XWA = 2.74 zu Xgesamt = 3.03).
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
87
Im ganzen gesehen machen für weiterbildungsaktive Kabelprojektteilnehmer der Erwerb von Wissen und dessen Anwendung sowie die Befriedigung kommunikativer Bedürfnisse zentrale Aktivposten in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung aus.
2.4
Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Im Februar 1988 ist die zweite Welle der Befragung einer Stichprobe von Kabelprojektteilnehmern durchgeführt worden. Insgesamt nahmen an der Erhebung zum zweiten Befragungszeitpunkt 722 Dortmunder Bürger und Bürgerinnen teil. Beiden Befragungswellen der Trendstudie, die im Abstand von einem Jahr erfolgten, lag ein standardisierter Fragebogen zugrunde, der zum ersten Erhebungszeitpunkt 56 und zum zweiten Zeitpunkt 64 Fragen umfaßte. Aufgrund der Befragungsergebnisse der ersten Welle, die Anlaß für weitere Forschungsfragen waren, wurden den Kabelprojektteilnehmern zum zweiten Erhebungszeitpunkt mehrere Fragen neu gestellt. Zum weiteren methodischen Vorgehen vgl. Abschnitt 2.2.2. Bevor über Trendverschiebungen im Antwortverhalten der Dortmunder Bürger während des Untersuchungszeitraumes berichet wird, müssen gleichsam die Zufallsschwankungen beim Einstellungs — und Verhaltenswandel bei der Interpretation der Befragungsergebnisse "substrahiert" werden. Wenn man diese Korrektur vornimmt, dann zeigt sich eine ausgeprägte Konstanz im Medien— und Weiterbildungsverhalten und in deren wechselseitiger Beeinflussung, wenn man die beiden Befragungsgruppen der Trendstudie betrachtet. Dieses Ergebnis entspricht den Befunden des INFAS —Panels (INFAS, 1989, S. 268) sowie einer Paneluntersuchung des Forschungsprojekts "Familie und erweitertes Medienangebot" (HURRELMANN, B., POSSBERG, H. und NOWITZKI, K., 1988, S. 58), die ebenfalls im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung zum Kabelpilotprojekt Dortmund durchgeführt wurden. Die Stabilität der Befragungsergebnisse zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten in unserer Studie soll an einem konkreten Beispiel verdeutlicht werden. Dazu ist es notwendig, Tabelle 6b aus Abschnitt 2.2.5.1 mit Tabelle 50 des Unterkapitels 2.4.12 zu vergleichen. Die Gegenüberstellung der arithmetischen Mittelwerte aus beiden Tabellen ergibt einen maximalen Unterschied von nur 0.2 Skaleneinheiten. Ferner sind — bezogen auf den zweiten Befragungszeitpunkt — von den insgesamt 14 Mittelwerten dem Betrag nach vier größer, vier identisch und sechs kleiner; die geringfügigen Verschiebungen in die beiden entgegengesetzten Richtungen gleichen sich also zudem praktisch aus.
88
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Eher geringfügige Trendverschiebungen ergeben sich im Bekanntheitsgrad der Spartenkanäle. So steigt beispielsweise der Anteil der interviewten Kabelprojektteilnehmer, die wissen, daß es einen Bildungskanal "Die kluge Sieben" gibt, von 68,8% auf rund 70% etwas an. Des weiteren zeigt sich, daß während des einjährigen Untersuchungszeitraums bei den interviewten Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen das Bedürfnis gewachsen ist, durch das Fernsehen über das lokale Bildungsangebot informiert zu werden, und zwar auf der Auswertungsebene der Antworten von 14,7% auf 16,1% sowie auf der Ebene der Personen von 31,2% auf 35,7% (vgl. Tabelle 21 in Abschnitt 2.2.13). Ferner verstärkt sich bei den Teilnehmern des Kabelpilotprojekts das Bewußtsein einerseits von den jeweiligen spezifischen Vorzügen des Fernsehens und Hörfunks zum Lernen sowie von den entsprechenden Vorteilen der Weiterbildungsveranstaltungen andererseits. Die insgesamt festgestellte Stabilität der Einstellungen und des Verhaltens der Befragten zum Verhältnis von Neuen Medien und Erwachsenenbildung während des einjährigen Untersuchungszeitraums erlaubte es, die Ergebnisse der Gesamtstichprobe zum ersten Befragungszeitpunkt als Vergleichsbasis für mögliche Unterschiede und Übereinstimmungen von Befunden zu nutzen, die an Teilgruppen der zweiten Befragungswelle gewonnen wurden (vgl. die Abschnitte 2.4.6 ff).
2.4.1
Nutzungsmuster audiovisueller Medien
Vor dem Hintergrund des Programmauftrags der Rundfunkanstalten, wie er beispielsweise in den einzelnen Landesrundfunkgesetzen mit seinen drei Hauptfunktionen der Unterhaltung, der Information und der Bildung festgelegt ist, war es für unser Projekt wichtig, empirisch fundierte Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie die Kabelprojektteilnehmer diese drei zentralen Funktionen jeder Rundfunkarbeit für sich selbst gewichten. Wir baten daher die Dortmunder Bürger und Bürgerinnen mit Hilfe einer fünfstufigen Skala, welche die beiden Pole "stimmt nicht" und "stimmt" aufwies, einzuschätzen, inwieweit sie für sich persönlich das Fernsehen und den Hörfunk vor allem dazu nutzen, sich zu unterhalten, zu informieren und zu bilden/weiterzubilden. In den Tabellen 34a und 34b sind die empirisch ermittelten Nutzungspräferenzen der Kabelprojektteilnehmer für das Fernsehen zusammengefaßt. Während in Tabelle 34a die relativen Besetzungshäufigkeiten der einzelnen Abstufungen der Beurteilungsskalen aufgeführt sind, geben die in der Tabelle 34b dargestellten arithmetischen Mittelwerte und Standardabweichungen, die in den Daten enthaltenden globalen Tendenzen wieder.
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Tabelle 34a:
lfd Nr.
1 2 3
89
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 36 - Funktionen der Nutzung des Fernsehens aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer*
Funktionen des Ablehnung Zustimmung Summe Fernsehens ("stimmt nicht") ("stimmt") groß(l) mäßig(2) weder-noch(3) mäßig(4) groß(5) Unterhaltung (n 1= 708) Information (n2=697) Bildung/Weiterbildung (n3=672)
0.6
0.8
1.7
20.6
76.3
100JÎ
0.1
0.6
4.6
27.7
67.0
100S
15.0
16.2
28.0
29.2
11.6
1005«
* Prozentuale Häufigkeitsverteilung der mit Hilfe (l="stimmt nicht" bis 5="stimmt") gemessenen ni=708, n2=697 u. r\j=612 Personen Tabelle 34b:
lfd. Nr.
1 2 3
fünfstufiger Skalen Einschätzungen von
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 36 - Funktionen der Nutzung des Fernsehens aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer*
Funktionen des Fernsehens arithmetische Standardab- Anzahl der Mittelwerte weichungen Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten
Unterhaltung Information Bildung/Weiterbildung
Xj
s
4.71 4.61 3.06
0.60 0.62 1.23
j
"i 708 697 672
* arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe fünfstufiger Skalen (l="stimmt nicht" bis 5="stimmt") gemessene Einschätzungen der n=722 befragten Personen Beide Tabellen zeigen ganz deutlich, daß die Mehrheit der Befragten in ihrem Nutzungsmuster eine klare Rangordnung aufweist: Das Fernsehen wird vor allem zur Unterhaltung und des weiteren zur Information genutzt, während nur eine Minderheit der interviewten Kabelprojektteilnehmer das Fernsehen für Bildungszwecke einsetzt.
90
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Dem widerspricht der Befund nicht, daß 45.5% der Kabelprojektteilnehmer ihr Fernsehgerät gelegentlich auch einschalten, um etwas gezielt zu lernen (vgl. Abschnitt 2.4.6). Sowohl für die Unterhaltungs — als auch für die Informationsfunktion steigen die prozentualen Häufigkeiten der Antworten für die einzelnen Skalenausprägugen von "stimmt nicht" bis "stimmt" monoton an, wobei sich insgesamt eine extrem linksschiefe Häufigkeitsverteilung ergibt, da jeweils 76.3% und 67% der befragten Dortmunder Bürger angeben, daß sie das Fernsehen primär als Medium der Unterhaltung und der Information nutzen. Diese ausgeprägte Inanspruchnahme des Fernsehens zum Zwecke der Unterhaltung und Information zeigt sich entsprechend an dem Betrag der beiden arithmetischen Mittelwerte, die mit X = 4.71 und X = 4.61 Skaleneinheiten zum einen nahe an dem einen Antwortpol der Beurteilungsskala liegen und zum anderen sich kaum voneinander unterscheiden. Gerade angesichts eines verstärkten Wettbewerbs mit den privaten Sendern sollten die öffentlich — rechtlichen Rundfunkanstalten es vermeiden, das auch in dieser Untersuchung uneingeschränkt belegte Informationsbedürfnis ihrer Adressaten zu ignorieren oder gar durch ein erweitertes Unterhaltungsangebot zu dämpfen. Bei der Frage nach der Nutzung des Fernsehens für Bildungszwecke zeigt die Antwortverteilung der Kabelprojektteilnehmer ein sehr uneinheitliches Bild, wobei auf die beiden Pole der Skala 15% und 11,6% entfallen. Diese Heterogenität im Nutzungsverhalten der interviewten Personen spiegelt sich ebenfalls in der Standardabweichung wider, die mit s = 1 . 2 3 Skaleneinheiten deutlich größer ist als die Streuung der Antworten zur Nutzung des Fernsehens zu Zwecken der Unterhaltung (0.60) und Information (0.62). Die entsprechenden Varianzen Sj der Antworten zu Bildung und Unterhaltung sowie zu Bildung und Information stehen in einem Verhältnis von rund 4:1. Der arithmetische Mittelwert von X = 3.06 liegt im neutralen Antwortbereich der Skala und zeigt damit für die Stichprobe insgesamt eine Tendenz zur Unentschiedenheit, was die Nutzung des Fernsehens für die Realisierung von Bildungsabsichten angeht. Dieses - aus der Sicht der Erwachsenenpädagogik — defizitäre Nutzungsmuster ist, was den Hörfunk angeht, noch extremer ausgeprägt. 78% der Kabelprojektteilnehmer nutzen das Radio vor allem dazu, sich zu unterhalten; 55% der interviewten Dortmunder Bürger geben an, den Hörfunk zur Information zu nutzen, während nur 5,6% ihn einschalten, um sich vor allem zu bilden oder weiterzubilden. Es überrascht, daß das Radio nicht mehr zur Unterhaltung genutzt wird_als das Fernsehen, wie ein Vergleich der beiden Mittelwerte zeigt (X = 4.67 zu X = 4.71). Dagegen wird der Hörfunk sowohl zur Information als auch zur Bildung in geringerem Ausmaß genutzt als das Fernsehen (vgl. die Tabellen 34b und 35b). Die Nutzung des Radios für
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Tabelle 35a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 37 - Funktionen der Nutzung des Hörfunks aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer
lfd. Funktionen des Nr. Hörfunks
1
Ablehnung Zustimmung Summe ("stimmt nicht") ("stimmt") groß(l) mäßig(2) weder-noch(3) mäßig(4) groß(5)
Unterhaltung 2.6 (n 1= 696) Information 3.7 (n2=684) Bildung/Weiter- 28.7 bildung (n3=655)
2 3
91
0.6
2.6
16.2
78.0
100%
1.8
7.5
32.2
55.0
100%
16.9
30.7
18.0
5.6
100%
* Prozentuale Häufigkeitsverteilung der mit Hilfe fünfstufiger Skalen (l="stimmt nicht" bis 5="stimmt") gemessene Einschätzungen von nj= 696, n2=684 und n3= 655 Personen Tabelle 35b:
lfd. Nr.
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 37 - Funktionen der Nutzung des Hörfunks aus der persönlichen Perspektive der Kabelprojektteilnehmer*
Funktionen des Hörfunks
arithmetische Standardab- Anzahl der Mittelwerte weichungen Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten s
1 2 3 *
Unterhaltung Information Bildung/Weiterbildung
4.67 4.33 2.55
j
"i
0.79 0.96 1.23
696 684 655
arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen sj der mit Hilfe fünfstufiger Skalen (l="stimmt nicht" bis 5="stimmt") gemessene Einschätzungen der n=722 befragten Personen
Bildungszwecke wird sogar auf der Ebene der gesamten Stichprobe der Tendenz nach eher abgelehnt als befürwortet (X = 2.55). Insgesamt gesehen sind die drei gesetzlich verankerten Funktionen der audiovisuellen Medien im Urteil der Adressaten beim
92
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Radio etwas weniger stark ausgeprägt als beim Fernsehen. Auch die Homogenität der Antworten, was die Nutzung zur Unterhaltung und Information angeht, ist beim Hörfunk geringer als beim Fernsehen wie ein Vergleich der entsprechenden Standardabweichungen zeigt (S r = 0.79 ZU S f = 0.60 und SR = 0.96 zu SF = 0.62). Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Kabelprojektteilnehmer in ihrer über-
wiegenden Mehrheit die audiovisuellen Medien vor allem zur Unterhaltung und Information nutzen, in deutlich geringerem Ausmaß dagegen zur Bildung. Nimmt man einen Perspektivenwechsel vor, so scheint es jedoch alles in allem gesehen mit rund 11% beim Fernsehen und 5% beim Hörfunk eine nicht zu übergehende Minderheit von Bürgern und Bürgerinnen zu geben, die auch unter den Bedingungen eines erweiterten Programmangebotes ihre Bildungsbedürfnisse mit Hilfe dieser beiden Medien abzudecken sucht.
2.4.2
Präferenzen unterschiedlicher Lernwege
Im Abschnitt 2.4.12 läßt sich über einen Mittelwertvergleich der Antworten zu unterschiedlichen Fragen eine deutliche Präferenz der interviewten Dortmunder Bürger für Printmedien im Vergleich zu audiovisuellen Medien feststellen, wenn es um die Realisierung von erwünschten Lerneffekten geht. Dieser Befund kommt gleichsam indirekt zustande. In einem weiteren Schritt haben wir die Kabelprojektteilnehmer gebeten, verschiedenen Lernwege direkt miteinander zu vergleichen: Welche Lernwege schlagen die Befragten ein, wenn sie auf ein Thema stoßen, zu dem sie etwas wissen möchten? Eindeutig an erster Stelle steht eine Lernstrategie, bei der die Kabelprojektteilnehmer sich Literatur zu dem Thema beschaffen, um es selbst oder zusammen mit Freunden oder Kollegen durchzuarbeiten. Mit weitem Abstand folgt an zweiter Stelle ein Lernweg, bei dem sich die Befragten zu dem Thema verschiedene Sendungen im Fernsehen oder entsprechende Videocassetten ansehen. Die Absolvierung eines Kurses zu dem interessierenden Thema an einer Weiterbildungseinrichtung folgt auf dem dritten Rang, während das Anhören entsprechender Sendungen im Radio oder von Toncassetten das Schlußlicht bei den verschiedenen Lernstrategien bildet. Dieses Antwortmuster liefert zugleich eine Teilerklärung für die im Abschnitt 2.4.1 beschriebenen Befunde: Offenbar spielen die Printmedien — etwa in Form von Fach—, Lehr— oder Schulbüchern — beim Erlernen neuer Sachverhalte für die
93
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer eine viel dominantere Rolle als die audiovisuellen Medien. Tabelle 36:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 35 - Persönlich bevorzugte Lernstrategien zur Aneignung themenspezifischen Wissens*
lfd. Nr.
Bevorzugte Lernstrategien
1
Kursbelegung zum Thema an einer Weiterbildungseinrichtung Anschauen verschiedener Sendungen zum Thema im Fernsehen bzw. über Videocassetten Anhören verschiedener Sendungen zum Thema im Hörfunk bzw. über Toncassetten Beschaffung und Durcharbeitung von Literatur zum Thema
2
3
4
Summe
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
87
12.9
159
23.6
15
2.2
413
61.3
674
100.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=674 Personen
2.4.3
Einstellungen zur Einrichtung eines eigenen Bildungs— und Kulturprogramms im Hörfunk.
Vor dem Hintergrund der zum Untersuchungszeitpunkt laufenden Planungen des WDR, ein 5. Hörfunkprogramm zu installieren, haben wir die Kabelprojektteilnehmer danach befragt, was sie grundsätzlich davon halten würden, im Hörfunk ein eigenes Bildungs— und Kulturprogramm einzurichten. Während 26.6% der interviewten Dortmunder Bürger und Bürgerinnen diesen Plan gutheißen, da sie dann immer wüßten, wo sie zuverlässig Bildungs— und Kultursendungen finden könnten, lehnen 21,2% der Befragten diese Idee ab, weil sie sich nicht für Bildungs— und Kultursendungen im Hörfunk interessieren. In diesem Ergebnis findet sich die im Abschnitt 2.4.1 beschriebene Polarisierung der Kabelprojektteilnehmer bezüglich der Nutzung der audiovisuellen Medien für Bildungszwecke wieder.
94
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 37:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 28 - Einstellungen gegenüber der Einrichtung eines eigenen Bildungs- und Kulturprogrammes im Hörfunk*
lfd. Nr.
Einstellungen zur Einrichtung eines Bildungs-/Kulturprogramms im Hörfunk
1
Positive Einstellung wegen des zuverlässigen Angebots an Bildungsund Kultursendungen Kein Interesse an Bildungs- und Kultursendungen Bislang hinreichendes Angebot an Bildungs- u. Kultursendungen Bildungs-und Kultursendungen im übrigen Hörfunkprogramm verteilen Sonstiges Weiß nicht Summe
2 3 4 5 6
absolute Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit
182
26.6
145
21.2
122
17.9
110
16.1
4 120
0.6 17.6
683
100.0%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=683 Personen
Weitere 17.9% der interviewten Dortmunder Bürger halten ein solches Programm für überflüssig, weil aus ihrer Sicht die übrigen Hörfunkprogramme entsprechende Sendungen bieten. Schließlich sprechen sich 16.1% dafür aus, die Bildungs— und Kultursendungen auf die gesamten Radioprogramme zu verteilen und sie nicht auf ein einziges Programm zu konzentrieren. Wenn auch mit 17.6% der Anteil derjenigen Befragten relativ hoch ist, die keine bestimmte Meinung zu dieser Frage äußern, so überrascht es doch alles in allem, daß für rund ein Viertel alier Kabelprojektteilnehmer ein Radioprogramm, das kulturelle und bildungsbezogene Angebote als Schwerpunkte aufweist, eine attraktive Ergänzung oder Alternative zum herkömmlichen Programmangebot darstellt. Dieser Befund liefert eine erste Abschätzung für eine mögliche Akzeptanz eines 5. Hörfunkprogramms bei Hörern in städtischen Ballungsgebieten, die über ein extrem reichhaltiges Fernseh— und Radioprogrammangebot verfügen.
95
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
2.4.4
Programmwünsche an ein Bildungs — und Kulturprogramm im Hörfunk
Für die inhaltliche Ausgestaltung eines Bildungs— und Kulturprogamms sind Informationen über die Bedürfnisse und Präferenzen potentieller Hörer eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Wir haben daher die Kabelprojektteilnehmer danach gefragt, welche Programmangebote des Hörfunks für sie in bezug auf Bildung und Kultur besonders wichtig sind und ihnen dazu sieben inhaltlich verschiedene Antwortalternativen vorgelegt. Tabelle 38:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 29 - Erwünschte Programmangebote für den Bildungs- und Kulturbereich im Hörfunk*
lfd. Erwünschte Programmangebote Nr.
1 2
3 4 5 6 7 8 9
Informationen über das lokale Bildungs-/Kulturangebot Vorstellung der lokalen Bildungsund Kultureinrichtungen und ihrer Arbeit Programmangebote zum Selbststudium Anregungen für Hobbies Bildungsbezogene und kulturelle Themen aller Art Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung Politische Informationen Sonstiges Summe
prozentuale prozentuabsolute Häufigkeit Häufigkeit ale Häufigkeit 211
18. 7
40.0
118
10. 5
22.3
67 157 132
5. 9 13. 9 11. 7
12.7 29.7 25.0
152
13. 5
28.8
85
7. 5
16.1
202 4
17. 9 0. 4
38.3 0.8
100.OS
213.6%
1128
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=528 Personen; bis zu maximal drei Antworten möglich
An erster Stelle der Programmwünsche der interviewten Dortmunder Bürger hinsichtlich eines Bildungs— und Kulturprogamms im Hörfunk stehen zum einen Nachrichten über das örtliche Bildungs— und Kulturangebot und zum anderen Informationen über die verschiedenen lokalen Bildungs— und Kultureinrichtungen und deren Arbeit. Auf
96
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
diese beiden potentiellen Aufgaben eines Bildungs— und Kulturprogramms entfallen 29.2% aller Antworten. An zweiter Stelle steht das Bedürfnis nach politischen Informationen über Entwicklungen in der Bundesrepublik und in der Welt mit 17.9%. Den dritten und vierten Rangplatz auf der Wunschliste der Kabelprojektteilnehmer nehmen Sendungen ein, die Anregungen für ihre Hobbies (13.9%) und die Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche (13.5%) beinhalten. Auf den weiteren Plätzen folgen bildungsbezogene und kulturelle Themen aller Art (11.7%), Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung (7.5%) und Programme zum Selbststudium (5.9%). Gerade vor dem Hintergrund des in Nordrhein — Westfalen vorgesehenen Programmfensters von 15% nichtkommerzieller Sendezeit bei den sich etablierenden lokalen/ regionalen Hörfunksendern ist die ausgeprägte Präferenz der Kabelprojektteilnehmer für Informationen über die jeweiligen örtlichen Bildungs— und Kultureinrichtungen, ihre Arbeit und ihr konkretes Veranstaltungsangebot eine wichtige potentielle Bestimmungsgröße für die Programmstruktur der Regional—/Lokalsender.
2.4.5
Ablehnungsgründe für die Nutzung von Fernsehen und Hörfunk zum Lernen
Während in Abschnitt 2.2.12 über die Ablehnungsgründe gegen eine Nutzung von Fernsehen und Hörfunk zum Lernen — bezogen auf die Gesamtstichprobe (n, = 661) der Kabelprojektteilnehmer — berichtet wird, sollen in diesem Kapitel die Befragungsergebnisse jener Teilgruppe der interviewten Dortmunder Bürger dargestellt werden, die das Fernsehen (n2 = 372) oder das Radio (n3 = 566) nicht als Bildungsmedium nutzen. Unter der Annahme, daß die Häufigkeitsverteilung der Ablehnungsgründe zwischen den beiden Befragungszeitpunkten bis auf Zufallsschwankungen stabil geblieben ist, läßt sich nach Unterschieden zwischen der Gesamtstichprobe (siehe Tabelle 16 auf S. 52) und der Teilstichprobe (vgl. Tab. 39) der Kabelprojektteilnehmer fragen. Im Vergleich zur Gesamtstichprobe betont die Gruppe derjenigen Befragten, die das Fernsehen nicht als Bildungsmedium nutzen, deutlich häufiger als Ablehnungsgrund, daß sie das Fernsehen vor allem zu ihrer Unterhaltung einsetzt (38,7% zu 33,3%). Des weiteren geben die Angehörigen dieser Teilstichprobe in geringerem Ausmaß als Ablehnungsgründe an, daß sie das Fernsehen vor allem zur aktuellen Information verwenden (29,1% zu 31,8%) und die Sendungen zeitlich ungünstig liegen (6,9% zu 9,2%). Keine Unterschiede zwischen beiden Befragtengruppen ergeben sich im Hinblick darauf, daß sie zu vielen anderen Verpflichtungen nachkommen müssen (18,7%
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
97
zu 18,6%) und kein entsprechendes Angebot im Fernsehen gefunden haben (5,6% zu 5,5%). Tabelle 39:
lfd. Nr. 1 2 3 4 5 6
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 9 - Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Fernsehsendungen zun Lernen bei KabelprojektteilnehMern, die das Fernsehen nicht als BildungsMediun nutzen*
Ablehnungsgründe
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen
Zu viele andere Verpflichtungen Sendungen liegen zeitlich ungünstig Kein entsprechendes Angebot gefunden Fernsehen vor allem zur Unterhaltung genutzt Fernsehen vor allem zur Information genutzt Sonstiges Summe
140
18.7
37.6
52
6.9
14.0
42
5.6
11.3
290
38.7
78.0
218
29.1
58.6
7
0.9
1.9
100.0%
201. y,i
749
* Häufigkeitsverteilung der Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; n=372 Kabelprojektteilnehmer, die das Radio nicht als Bildungsmedium nutzen, zeigen ein fast deckungsgleiches Muster von Ablehnungsgründen wie beim Fernsehen, wenn es darum geht, Hörfunksendungen für Lernzwecke einzusetzen. Darüber hinaus lassen sich analoge Unterschiede zur Gesamtstichprobe der interviewten Dortmunder Bürger feststellen. Das Unterhaltungsbedürfnis vereinigt als Ablehnungsgrund mit 37,1% aller Antworten der am medialen Lernen Desinteressierten einen größeren Anteil auf sich als in der Gesamtstichprobe, wo auf dieses Argument 34,7% aller abgegebenen Antworten entfallen. Gleichsam wie in einem System verbundener Röhren führen diejenigen Kabelprojektteilnehmer, die den Hörfunk nicht als Bildungsmedium nutzen, im Vergleich zur Gesamtstichprobe dafür weniger häufig als Ablehnungsgrund an, daß sie Radiosendungen vor allem zur aktuellen Information nutzen (27,4% zu 30,4%). Alle
98
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
anderen Argumente werden in den beiden miteinander verglichenen Gruppen prozentual gleich häufig genannt. Tabelle 40:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 20 - Ablehnungsgründe bezüglich der Nutzung von Hörfunksendungen zun Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio nicht als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Ablehnungsgründe Nr.
1 2 3 4 5 6
Zu viele andere Verpflichtungen Sendungen liegen zeitlich ungünstig Kein entsprechendes Angebot gefunden Hörfunk vor allem zur Unterhaltung genutzt Hörfunk vor allem zur aktuellen Information genutzt Sonstiges Summe
prozentuale absolute Häufigkeit Häufigkeit
prozentuale Häufigkeit der Personen
240 92
20.7 7.9
42.4 16.3
66
5.7
11.7
430
37.1
76.0
317
27.4
56.0
14
1.4
2.5
1159
100.0«
204.8«
* Häufigkeitsverteilung der Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; n= 566
Als Fazit läßt sich formulieren, daß vor allem das ausgeprägte Unterhaltungsbedürfnis der Kabelprojektteilnehmer einem Lernen entgegensteht, das durch Fernsehen oder Hörfunk vermittelt wird und daß diese Lernbarriere bei denjenigen Dortmunder Bürgern besonders ausgeprägt ist, die den Einsatz audiovisueller Medien zum Lernen als Disposition nicht in ihren Biographien verfestigt haben (vgl. Abschnitt 2.2.12). Zwischen den drei Programmfunktionen der Unterhaltung, Information und Bildung scheint es auf der Seite der Adressaten eine Art Äquilibrium zu geben: Bedürfnisse, die durch eine Programmgattung vermehrt abgedeckt werden, führen zu einer Verringerung des wahrgenommenen Angebots bei den beiden anderen Gattungen. Darüber hinaus läßt sich aufgrund der Befragungsergebnisse ein Schwellenmodeü konstruieren, welches beim Zuschauer und Zuhörer für den Einstieg in Unterhaltungs —, Informations— und Bildungssendungen ansteigende Stufen der subjektiv zu aktivierenden Energie (Motivationsintensität) postuliert.
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
2.4.6
99
Rezeption unterschiedlicher Sendearten des Fernsehens
Der für unser Projekt wohl überraschendste Befund der ersten Befragungswelle lag darin, daß die Kursprogramme und das Schulfernsehen von den Kabelprojektteilnehmern derart wenig zum gezielten Lernen genutzt werden (siehe Abschnitt 2.2.5.2). Zur Erklärung dieses Ergebnisses bot sich die Hypothese an, daß das ausgeprägte Nutzungsmuster von Bildungssendungen, welches eine Teilgruppe von Befragten zeigte, gleichsam von dem Haupttrend der Antworten aller interviewten Dortmunder Bürger überdeckt wurde. Um dieses vermutete "weiße Rauschen" auszusondern, haben wir den Kabelprojektteilnehmern zum zweiten Befragungszeitpunkt eine Filterfrage vorgelegt, bei der die Teilnehmer der Untersuchung anzugeben hatten, ob sie ihr Fernsehgerät gelegentlich auch einschalten, um gezielt etwas zu lernen oder ob das nicht der Fall ist. Von den 707 Kabelprojektteilnehmern, die diese Frage bearbeitet haben, antworteten 45,5% mit ja ( ^ = 3 2 2 ) , während 54,5% die an sie gerichtete Frage verneinten (n2 = 385). Nur denjenigen 322 interviewten Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen, die das Fernsehen demnach als Bildungsmedium nutzen, haben wir dieselbe Frage wie zum ersten Befragungszeitpukt erneut gestellt. Die Umfrageergebnisse finden sich in den nachstehenden Tabellen 41a und 41b. Auf die Beurteilungskategorie "häufig" entfielen insgesamt 1169 Antworten von 305 Personen, die sich wie in Tabelle 41a ausgewiesen auf die einzelnen Arten von Fersehsendungen verteilen. Auch bei der Untergruppe jener Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen, steht die Programmsparte Nachrichtensendungen mit 21,7% aller abgegebener Antworten an erster Stelle, wenn es um ihre Nutzung zum gezielten Lernen geht. Auf den nächsten Rangplätzen folgen Dokumentationen (9,7%), Sendungen zur politischen (9,5%) und wirtschaftlichen (9,3%) Berichterstattung sowie Ratgebersendungen (9,1%). Auf diese Spitzengruppe von Sendegattungen entfallen 59,3% aller Antworten, die von den Befragten der Bewertungskategorie "häufig" zugeordnet werden. Am unteren Ende der Nutzungshäufigkeit zum intentionalen Lernen liegen die Kursprogramme und das Schulfernsehen mit 1,6% beziehungsweise 0,4% aller Antworten. Bewegt man sich auf die Auswertungsebene der befragten Personen, so entspricht dem eben genannten Sachverhalt, daß von denjenigen Kabelprojetkteilnehmern, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen, nur 6,2% Kursprogramme sowie ganze 1,6% das Schulfernsehen häufig einschalten, um etwas gezielt zu lernen; bezogen auf die Gesamtstichprobe (n= 707) sind es mithin bloß 2,7% beziehungsweise 0,7% aller Befragten.
100
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 41a:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 3 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen*
Sendearten
Nachrichtensendungen Politische Berichterstattung Wirtschaftliche Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen Summe
absolute Häufigkeit
prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen
254 111 109
21.7 9.5 9.3
83.3 36.4 35.7
57 59
4.9 5.0
18.7 19.3
113 56 23 81 106 19 5 98 78
9.7 4.8 2.0 6.9 9.1 1.6 0.4 8.4 6.7
37.0 18.4 7.5 26.6 34.8 6.2 1.6 32.1 25.6
100.0«
383.3«
1169
* Einschaltquoten bezüglich der Bewertungskategorie "häufig" (Verteilung der insgesamt von 305 Personen abgegebenen Antworten auf 14 Sendearten)
Die zentralen Antworttendenzen dieser Untergruppe medial Bildungsaktiver lassen sich durch einen Vergleich der arithmetischen Mittelwerte für die einzelnen Programmsparten herausarbeiten. Im Hinblick auf die durchschnittliche Einschalthäufigkeit zum intentionalen Lernen nehmen auch hier die Nachrichtensendungen auf der vierstufigen Skala mit X = 3,70 den ersten Rangplatz ein. Mit deutlichem Abstand folgt eine Gruppe von fünf Programmsparten, die von denjenigen Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium verwenden, im Durchschnitt "gelegentlich" ( = 3) eingeschaltet werden, wenn sie gezielt etwas lernen wollen. Im einzelnen handelt es sich um Sendungen zur politischen und wirtschaftlichen Berichterstattung, um Ratgebersendun-
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Tabelle 41b;
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 3 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen durch Kabelprojektteilnehaer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Sendearten Nr.
arithmetische Standardab- Anzahl der Persoweichungen nen, die die jeMittelwerte weilige Skala ankreuzten
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Nachrichtensendungen Politische Berichterstattung Wirtschaftliche Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen
S
J
"i
3.70 3.07
0.68 0.89
320 320
2.97
0.97
315
2.22 2.39
1.12 1.08
316 317
2.92 2.51 1.84 2.64 2.93 1.51 1.25 2.80 2.49
1.04 1.01 0.98 1.10 1.00 0.90 0.63 1.05 1.16
318 313 315 312 319 317 316 318 315
Xj 1 2
101
* Durchschnittliche Einschalthäufigkeit einzelner Sendearten zum gezielten Lernen (arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen sj der mit Hilfe vierstufiger Skalen (l="nie"; 2="selten"; 3="gelegentlich"; 4="häufig") gemessenen Einschätzungen der n=322 bildungsorientierten Befragten gen und Dokumentationen. Auch Sendungen zur lokalen Berichterstattung (X = 2,80), Wissenschafts— (X = 2,64) und Kultursendungen (X = 2,51) tendieren in unterschiedlichem Ausmaß zu dieser Skalenausprägung hin. Im Durchschnitt "selten" ( = 2) werden Sportsendungen, Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele und Serien, Unterhaltungssendungen sowie Konzert—, Opern und Theatersendungen von dieser Untergruppe der interviewten Dortmunder Bürger zum intentionalen Lernen eingeschaltet. Zu unserer erneuten Überraschung fungieren selbst in der Gruppe jener Befragten, die ihre Lernaktivitäten auch mit Hilfe der Neuen Medien wahrnehmen, die Kurspro-
102
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
gramme und das Schulfernsehen als Schlußlichter. Während das Schulfernsehen mit X = 1,3 eher zum Skalenpol "nie" ( = 1 ) tendiert, liegt die mittlere Einschalthäufigkeit der Kursprogramme mit X = l , 5 1 genau zwischen den Skalenausprägungen "nie" und "selten". Welches Fazit läßt sich aus den vorliegenden empirischen Befunden ziehen? Selbst für die überwiegende Anzahl der Kabelprojektteilnehmer, die das erweiterte Programmangebot im Fernsehen auch für Bildungszwecke nutzen, spielen Kursprogramme und das Schulfernsehen zur Wahrnehmung gezielter Lernaktivitäten eine ganz untergeordnete Rolle. Es ist davon auszugehen, daß nur eine ausgesprochene Minderheit bereit ist, das (Kabel—) Fernsehen als Medium für systematisches Lernen in Form eines Lehrgangs zu nutzen. Die Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer greift in diesem Fall eher auf Printmedien (z.B. Lehr— und Fachbücher) zurück (vgl. Abschnitt 2.4.2). Des weiteren zeigt ein Vergleich der Standardabweichungen der Häufigkeitsverteilungen der Antworten, daß die Kabelprojektteilnehmer unter allen Programmsparten das Schulfernsehen (s = 0,63) und die Nachrichtensendungen (s = 0,68) am einheitlichsten — wenn auch in verschiedener Richtung — einschätzen, was die Einschalthäufigkeit zum gezielten Lernen angeht. Im ersten Fall vereinigt die Skalenausprägung "häufig" die meisten Antworten (83,3% aller Befragten) während beim Schulfernsehen 83,9% von ihnen die Beurteilungskategorie "nie" angeben. Demgegenüber ist das entsprechende Meinungsbild der interviewten Dortmunder Bürger bei den Sport — (s = 1,16) und Unterhaltungssendungen ( s = l , 1 2 ) besonders heterogen, d.h. auf die vier verschiedenen Skalenausprägungen entfallen prozentual ungefähr gleich viel Antworten. So stehen etwa die Varianzen der Antwortverteilungen von Sport— und Nachrichtensendungen im Verhältnis von rund 3:1 zueinander (s2(SP) = l,35 zu s2(NA) = 0,46).Während die Zuschauer sich also in hohem Maße darüber einig sind, die Nachrichtensendungen zum gezielten Lernen zu nutzen, ist ihr diesbezügliches Einstellungsmuster bei den Sport— und Unterhaltungssendungen durch ein hohes Maß an Disparatheit gekennzeichnet. Vergleicht man nun in einem nächsten Auswertungsschritt die beiden Antwortmuster zum gezielten Lernen bei den verschiedenen Sendungen aller Kabelprojektteilnehmer zum ersten Befragungszeitpunkt (siehe Tabelle 8b in Abschnitt 2.2.5.2) und jener interviewten Dortmunder Bürger, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen (siehe Tabelle 41b), dann zeigen sich charakteristische Unterschiede zwischen beiden Personengruppen, wenn man die arithmetischen Mittelwerte in beiden Tabellen miteinander vergleicht: Bildungsorientierte Fernsehzuschauer schalten vergleichsweise
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
103
häufiger Nachrichtensendungen, Sendungen zur politischen und wirtschaftlichen Berichterstattung, Kultursendungen, Wissenschafts— und Ratgebersendungen, Kursprogramme sowie Sendungen zur lokalen Berichterstattung ein, wenn sie etwas gezielt lernen wollen. Besonders auffallige Verschiebungen zwischen beiden Gruppen zugunsten einer vergleichsweise höheren Einschalthäufigkeit ergeben sich für jene Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen, hinsichtlich der Programmsparten politische und wirtschaftliche Berichterstattung sowie Wissenschafts— und Ratgebersendungn. Dagegen ergeben sich keine Unterschiede zwischen den Sendegattungen Dokumentationen, Konzerte, Opern, Theater und dem Schulfernsehen. Im Vergleich zur Gesamtstichprobe zeigen die eher bildungsorientierten Fernsehzuschauer eine geringere Nutzungshäufigkeit der Sendearten Unterhaltungssendungen, Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele und Serien sowie Sportsendungen zum intentionalen Lernen. Insgesamt gesehen weisen damit diejenigen Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen, ein vergleichsweise deutlich prägnanteres Nutzungsmuster in dem Sinne auf, daß Informations —, Kultur— und Bildungssendungen (mit Ausnahme des Schulfernsehens) häufiger, Sendungen aus der Unterhaltungssparte dagegen weniger von ihnen zum gezielten Lernen eingeschaltet werden. Dennoch bleibt festzustellen, daß Kursprogramme und das Schulfernsehen selbst in der Gruppe der bildungsorientierten Zuschauer nur von einer Minderheit zum intentionalen Lernen genutzt werden. Was die Rezepion unterschiedlicher Sendearten des Fernsehens angeht, so sehen Kabelprojektteilaehmer, die das Femsehen als Bildungsmedium zum intentionalen Lernen nutzen, informationshaltige Sendungen vergleichsweise häufiger, während Kursprogramme selbst bei ihnen eine relativ geringe Resonanz finden. Der Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und die Lektüre von Fach — und Lehrbüchern bleiben auch im Zeitalter der Neuen Medien mit ihrem erweiterten Programmangebot Königswege der Erwachsenenbildung. Das Fernsehen und in geringerem Ausmaß der Hörfunk finden dagegen bei den Rezipienten durch Informationssendungen eine deutliche Resonanz. Hier findet bei den Zuschauem und Zuhörern sowohl gezieltes als auch beiläufiges Lernen statt. Die Neuen Medien besitzen offenbar in Bereichen lebensweltlicher Bildung und Information ihre besonderen Stärken und damit immer auch zukunftsträchtige Perspektiven für innovative Programmentwicklungen.
104
2.4.7
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Rezeption unterschiedlicher Sendearten des Hörfunks
Entsprechend unseren Überlegungen zum gezielten Lernen beim Fernsehen (siehe Abschnitt 2.4.6) haben wir die Stichprobe der Kabelprojektteilnehmer zum zweiten Befragungszeitpunkt mit Hilfe einer Filterfrage (Frage 13) in zwei Untergruppen aufgeteilt: 94 der 705 interviewten Dortmunder gaben an, daß sie ihr Radiogerät gelegentlich auch einschalten , um gezielt etwas zu lernen, was einem Anteil von 13,3% entspricht, während die überwiegende Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer diese Frage verneinte (86,7%). Denjenigen 94 Dortmundern, die den Hörfunk demnach zum intentionalen Lernen nutzen, ist dieselbe Frage wie zum ersten Befragungszeitpunkt erneut gestellt worden (Frage Nr. 14). Auf die Beurteilungskategorie "häufig" entfielen insgesamt 246 Antworten von 83 Befragten. Die Tabelle 42a gibt die Verteilung der Antworten auf die verschiedenen Gattungen von Hörfunksendungen wieder. Tabelle 42a:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 14 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen durch Kabelprojektteilnehmer, die das Radio als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Sendearten Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
absolute Häufigkeit
Nachrichtensendungen Musiksendungen (klass. Musik) Musiksendungen (Rock-/Popmusik) Politische Berichterstattung Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiele Schulfunk Längere Berichte, Dokumentationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen Summe
68 14 12 24 30 39 23 2 3 5 8 18 246
prozentuale prozenHäufigkeit tuale der Antworten Häufigkeit der Personen 27.6 5.7 4.9 9.8 12.2 15.9 9.3 0.8 1.2 2.0 3.3 7.3
81.9 16.9 14.5 28.9 36.1 47.0 27.7 2.4 3.6 6.0 9.6 21.7
100.0«
296.4%
* Einschaltquoten bezüglich der Bewertungskategorie "häufig" (Verteilung der insgesamt von 83 Personen abgegebenen Antworten auf 12 Sendearten)
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
105
Ebenso wie beim Fernsehen stehen auch bei der Untergruppe jener Kabelprojektteilnehmer, die den Hörfunk als Bildungsmedium nutzen, die Nachrichtensendungen mit 27,6% aller abgegebener Antworten an der Spitze, wenn es um die Häufigkeit ihrer Nutzung zum gezielten Lernen geht. Die nachfolgenden Ränge nehmen Magazinsendungen, Sendungen der lokalen und der politischen Berichterstattung sowie Sendungen mit Hörerbeteiligung ein. Diese Gruppe von Programmsparten mit vergleichsweise hoher Einschaltquote vereinigt mit 74.8% rund dreiviertel aller Antworten. Am unteren Ende liegen selbst in dieser herausgehobenen Gruppe von lernwilligen Nutzern kulturell hoch zu bewertende Sendungen wie Hörspiele, Schulfunksendungen, längere Berichte und Dokumentationen sowie Vorträge und Diskussionen. Tabelle 42b liefert Informationen zu den zentralen Tendenzen in den Antworten sowie zum Grad ihrer Homogenität. Bezogen auf die durchschnittliche Einschalthäufigkeit zum intentionalen Lernen liegen die Nachrichtensendungen auf der Schätzskala, deren vier Abstufungen von 1 bis 4 kodiert wurden, mit X = 3,67 an der Spitze. Die Größenordnung des arithmetischen Mittelwertes entspricht damit der der Fernsehnachrichten (X = 3,70). Ebenso ist die Einheitlichkeit der Einschätzungen der Befragten zum gezielten Lernen bei den Nachrichtensendungen am größten (s = 0,64); der Grad der Homogenität der Urteile entspricht auch unter diesem Aspekt dem der Nachrichtensendungen im Fernsehen. Mit deutlichem Abstand folgt auf den nächsten Rangplätzen eine Gruppe von vier Sendegattungen, deren mittlere Einschalthäufigkeiten zwischen den Skalenausprägungen "gelegentlich" und "selten" liegen: Magazinsendungen, Radiosendungen zur lokalen Berichterstattung, politische Berichte und Reportagen sowie Sendungen mit Hörerbeteiligung. Am unteren Ende der Rangreihe liegt wiederum ein Kreis von kulturell hoch bewerteten Sendungen, deren durchschnittliche Nutzung zum Lernen sehr gering ist. Im einzelnen handelt es sich um die Programmsparten Schulfunk, Hörspiele, längere Berichte und Dokumentationen sowie Vorträge und Diskussionen. Wiederum wie beim Fernsehen haben wir in einem weiteren Auswertungsschritt das Antwortmuster der Gesamtstichprobe der Kabelprojektteilnehmer zum ersten Befragungszeitpunkt (siehe Tabelle 9b in Abschnitt 2.2.5.2) mit der Konstellation der durchschnittlichen Antworten zu den einzelnen Sendearten im Hörfunk verglichen, welche diejenigen Dortmunder Bürger abgegeben haben, die den Hörfunk als Bildungsmedium nutzen (siehe Tabelle 42b): Befragte, die das Radio auch zum gezielten Lernen einschalten, hören vergleichsweise häufiger Nachrichtensendungen, Musiksendungen, insbesondere solche mit E —Musik, politische Berichte, Reportagen, Sendungen zur lokalen Berichterstattung, Magazinsendungen, Sendungen mit Hörerbeteiii-
106
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 42b:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 14 - Intentionales Lernen bei verschiedenen Arten von Hörfunksendungen durch Kabelprojektteilnehaer, die das Radio als Bildungsnedium nutzen*
lfd. Sendearten Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Nachrichtensendungen Musiksendungen (klass. Musik) Musiksendungen (Rock-/ Popmusik politische Berichte, Reportagen Lokale Berichterstattung Magazinsendungen Sendungen mit Hörerbeteiligung Hörspiele Schulfunk Längere Berichte, Dokumen tationen Vorträge, Diskussionen Sportsendungen
arithmetische Standardab- Anzahl der Mittelwerte Abweichungen Personen, die die jeweilige Skala ankreuzten S ru Xj J 3.67 1.98
0.64 1.14
89 87
2.11
1.14
86
2.84
0.94
87
2.90 2.92 2.63
1.01 1.17 1.01
88 87 89
1.45 1.29 1.75
0.75 0.71 0.96
86 87 87
1.88 2.16
1.02 1.22
88 88
* Durchschnittliche Einschalthäufigkeit einzelner Sendearten zum gezielten Lernen (arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe vierstufiger Skalen (l="nie"; 2="selten"j 3="gelegentlich"; 4="häufig") gemessene Einschätzungen der n=94 bildungsorientierten Befragten gung, Hörspiele, längere Berichte und Dokumentationen sowie Vorträge und Diskussionen. Nur zwischen der Nutzungshäufigkeit von Schulfunk— und Sportsendungen ergeben sich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede. Auffallig ist, daß im Gegensatz zum Fernsehen keine Programmsparte im Radio — auch nicht der Unterhaltungsbereich — von den bildungsorientierten Hörern weniger häufig eingeschaltet wird als von der Gesamtstichprobe der interviewten Dortmunder Bürger. Insgesamt gesehen weisen offenbar jene Kabelprojektteilnehmer, die den Hörfunk für
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
107
sich selbst auch als Mittel zum gezielten Lernen verwenden, eine generell höhere Einschaltquote auf. Bei der Interpretation der vorliegenden Befunde sollte man jedoch nicht außer acht lassen, daß auch die Gruppe der bildungsorientierten Hörer kulturell hoch bewertete Sendungen, wie etwa Hörspiele, längere Berichte und Dokumentationen sowie Vorträge und Diskussionen sporadisch rezipiert. Hierbei muß allerdings das im Vergleich zum Dortmunder Kabelfernsehen geringere Angebot an entsprechenden Radiosendungen berücksichtigt werden. Immerhin schalten bildungsorientierte Hörer im Durchschnitt qualitativ hochwertige Informationssendungen, zu denen politische Berichte und Reportagen, Sendungen mit lokaler Berichterstattung und Magazinsendungen gehören, gelegentlich ein.
2.4.8
Nutzungsintensität unterschiedlicher Fernseh— und Hörfunkprogramme
Diejenigen Dortmunder Bürger (n = 322), die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen, wurden danach befragt, welche Fernsehprogramme sie vornehmlich einschalten, wenn sie etwas lernen wollen. Die Befragungsergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle 43 zusammengefaßt. Auf die Frage, welche Fernsehprogramme/— kanäle sie bevorzugt einschalten, wenn sie etwas lernen möchten (bis zu drei Nennungen waren möglich), gaben 320 Kabelprojektteilnehmer der Teilstichprobe insgesamt 897 Antworten, die sich folgendermaßen auf die einzelnen Programme verteilen: ZDF und ARD liegen mit jeweils 23,9% und 22,1% knapp vor den Dortmunder Programmen, auf die insgesamt 21,9% aller Antworten unter dem Aspekt des Lernens entfallen. An vierter Stelle liegen die Dritten Programme mit 15,8%, während die öffentlich — rechdichen Kulturprogramme 3 SAT und ARD 1 Plus 3,0% beziehungsweise 0,9% der abgegebenen Antworten auf sich vereinigen. Sie finden damit selbst bei den bildungsorientierten Kabelprojektteilnehmern eine relativ geringe Resonanz (vgl. dazu auch Abschnitt 2.4.7). Unter den privaten Fernsehprogrammen weisen nur SAT1 und RTL Plus mit jeweils 5,9% und 5,1% deutlich von Null verschiedene Werte auf. Bei den Dortmunder Programmen wiederum dominiert eindeutig der kombinierte Lokal — , Sport— und Informationskanal mit 15,1%, während der Bildungskanal 3,2%, der Kultur— und Unterhaltungskanal 2,9% und der Offene Kanal ganze 0,7% aller abgegebenen Antworten auf sich vereinigt.
108
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 43:
lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 B 9 10 11 12 13 14 15
Zweiter Erhebungszeltpunkt, Frage Nr. 4 - Einschaltquoten von Fernsehprograi»en/-kanälen für Lernaktivitäten bei Kabelprojektteilnehnern, die das Fernsehen als Bildurigsmediutn nutzen*
Fernsehprogramme/-kanäle
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen
ARD ZDF Dritte Programme Lokalkanal/Sport- u. Informationskanal Dortmund Kultur-/Unterhaltungskanal DO Bildungskanal DO Offener Kanal DO 3SAT ARD 1 Plus RTL Plus SAT 1 Kanal 21 SKY CHANNEL SUPER CHANNEL TV 5
198 214 142 135
22.1 23.9 15.8 15.1
61.9 66.9 44.4 42.2
26 29 6 27 8 46 53 1 5 3 4
2.9 3.2 0.7 3.0 0.9 5.1 5.9 0.1 0.6 0.3 0.4
8.1 9.1 1.9 8.4 2.5 14.4 16.6 0.3 1.6 0.9 1.3
Summe
897
100.0%
280.3
* Häufigkeitsverteilung der Antworten auf die 15 Programme/Kanäle; bis zu maximal drei Antworten waren möglich; n=320
Auf einer weiteren Stufe der Analyse haben wir wiederum das Antwortmuster der Nutzung der Fernsehprogramme von allen Kabelprojektteilnehmern zum ersten Befragungszeitpunkt (siehe Tabelle 10 in Abschnitt 2.2.6) mit der prozentualen Häufigkeitsverteilung der Antworten jener 320 interviewten Dortmunder Bürger verglichen, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium in Anspruch nehmen (vgl. Tabelle 43). Es zeigt sich, daß die privaten Programme RTL Plus und SAT 1 von den bildungsorientierten Kabelprojektteilnehmern vergleichsweise deutlich weniger zum Lernen genutzt werden (5,1% zu 9,9% und 5,9% zu 7,2%). Der ZDF — Musikkanal und das Programm MUSIKBOX werden überhaupt nicht genannt. Für Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen, verlieren
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Private Fernsehprogramme Bedeutung.
109
offenbar im Verlauf des Untersuchungszeitraumes an
Auf den ersten Blick mag es erstaunen, daß die Dortmunder Programme an Bedeutung für mediales Lernen zugunsten von ARD, ZDF und den Dritten Programmen verloren haben (von insgesamt 33,4% auf 21,9% aller Antworten). Wenn man jedoch bedenkt, daß durch die Zusammenlegung von Kanälen deren jeweils typisches Programmprofil verloren ging, verwundert dieser Rückgang nicht mehr. Überall dort, wo eine Zusammenlegung stattfand, zeigte sich bei den betreffenden Kanälen ein Bedeutungsverlust: Während im Februar 1987 auf den Lokalkanal 13,4% und den Sport— und Informationskanal 7,8% der Antworten entfielen, in der Summe also 21,2%, waren es im Februar 1988 nur noch 15,1%. Die entsprechende Konstellation zeigt sich auch beim Kulturkanal und dem Unterhaltungskanal, die zum ersten Befragungszeitpunkt jeweils Werte von 2,8% und 5,3% aufwiesen (insgesamt 8,1%) und nach ihrer Fusion 2,9% der insgesamt abgegebenen Antworten auf sich vereinen. Die hier vorgetragene Erklärungshypothese findet eine weitere Stützung darin, daß sich bei denjenigen Spartenkanälen, die ihr inhaltliches Profil nicht veränderten, keine oder nur sehr geringe Verschiebungen in den relativen Antworthäufigkeiten zeigten. Beim Bildungskanal blieben die Prozentwerte konstant (jeweils 3,2%), wohingegen beim Offenen Kanal eine leichte Reduzierung von 0,9% auf 0,7% festzustellen war, die jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Zufallseinflüsse, wie etwa den Stichprobenfehler, zurückzuführen ist. Die vorliegenden Befragungsergebnisse signalisieren den Redakteuren in den Funkhäusern, wie abträglich es für die Zuschauerakzeptanz im Hinblick auf die Befriedigung spezifischer Bedürfnisse — wie etwa denen des Lernens — ist, wenn bei einmal etablierten Programmen das inhaltliche Profil aufgeweicht wird und der Zuschauer bislang vertraute Konturen buchstäblich aus den Augen verliert. Aufgrund der Filterfrage Nr. 13 geben 94 der 705 befragten Kabelprojektteilnehmer an, daß sie ihr Radiogrät auch deswegen einschalten, um etwas zu lernen. Von ihnen haben 90 die Frage beantwortet, welche Hörfunkprogramme/—kanäle sie bevorzugt einschalten, wenn sie etwas lernen möchten. Die nachfolgende Tabelle 43 gibt das Befragungsergebnis wider. Von den Kabelprojektteilnehmern, die das Radio auch als Bildungsmedium nutzen, werden zwei Programme besonders häufig eingeschaltet: WDR 2 und Radio Dortmund mit jeweils 31,9% und 25,4% aller Antworten. Damit entfallen mit 57,3% weit über die Hälfte der Antworten auf diese beiden Programme, wenn es den interviewten Dortmunder Bürgern darum geht, etwas zu lernen. Wechselt man auf die Aus-
110
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
wertungsebene der befragten Teilnehmer, dann schalten von ihnen 75,6% W D R 2 und 60,9% Radio Dortmund bevorzugt ein, wobei zu beachten ist, daß die Kabelprojektteilnehmer einen weiten Begriff von Lernen verwenden, bei dem Bildung und Information eng miteinander verwoben sind.
Tabelle 44:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 15 - Einschaltquoten von Hörfunkprogrammen/-kanälen für Lernaktivitäten bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Nr.
Hörfunkprogramme/-kanäle
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
WDR 1 WDR 2 WDR 3 WDR 4 Deutschlandfunk Radio Dortmund BBC BFBS HR 3 NDR 2 NDR 3 SWF 3 Summe
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen 34 68 18 24 6 54 1 1 2 1 1 3 213
16.0 31.9 8.5 11.3 2.8 25.4 0.5 0.5 0.9 0.5 0.5 1.4
37.8 75.6 20.0 26.7 6.7 60.0 1.1 1.1 2.2 1.1 1.1 3.3
100.OS
236.7%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten auf die 12 Programme/Kanäle; bis zu maximal drei Antworten möglich; n=90 Neben den beiden genannten Hörfunkprogrammen sind noch WDR 1 ( 1 6 , 0 % ) , WDR 4 (11,3%) und WDR 3 ( 8 , 5 % ) von einiger Bedeutung für die bildungsorientierten Pilotprojektteilnehmer. Die Ergebnisdarstellung wird durch einen Vergleich der Gesamtstichprobe
(siehe
Tabelle 11 in Abschnitt 2.2.6) mit der Untergruppe derjenigen Kabelprojektteilnehmer abgeschlossen, die den Hörfunk auch als Bildungsmedium in Anspruch nehmen (siehe Tabelle 44). Beide Gruppen weisen ein unterschiedliches Nutzungsmuster auf. Die bildungsorientierten Projektteilnehmer schalten vergleichsweise häufiger die Program-
111
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
me WDR 2 (31,9% zu 28,1%), Radio Dortmund (25,4% zu 22,1%), WDR 1(16,0% zu 14,3%) und WDR 3 (8,5% zu 7,2%) ein, wenn sie etwas lernen wollen. Dagegen werden von ihnen WDR 4 (11,3% zu 19,6%) und der Deutschlandfunk (2,8% zu 4,5%) relativ weniger genutzt. Anzumerken bleibt noch, daß die im Zusammenhang mit den Spartenkanälen formulierte These vom Zuschauerverlust durch Programmprofilaufweichung eine weitere indirekte Bestätigung darin findet, daß Radio Dortmund keinen Abfall sondern sogar einen Anstieg der Einschaltquote zwischen den beiden Befragungszeitpunkten zu verzeichnen hat.
2.4.9
Motive für die Inanspruchnahme von Fernsehsendungen zum Lernen
Von denjenigen Kabelprojektteilnehmern, die nicht nur ihr Fernsehgerät gelegentlich einschalten, um gezielt zu lernen (n = 322), sondern die darüber hinaus schon spezielle Bildungsangebote, wie etwa das Telekolleg, im Fernsehen genutzt haben, Tabelle 45:
lfd. Motive Nr.
1 2 3 4 5 6
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 7 - Motive für die Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen*
absolute prozentuale Häufigkeit Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigkeit der Personen
Um einen Abschluß zu erreichen Um politisch auf dem Laufenden zu bleiben Um Informationen beruflich verwerten zu können Um mich kulturell zu informieren Um meine Hobbies zu vertiefen Sonstiges
2 11
3.1 16.9
6.3 34.4
11
16.9
34.4
16 20 5
24.6 30.8 7.7
50.0 62.5 15.6
Summe
65
100.0%
203.1%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; n=32
werden Fernsehsendungen vor allem deswegen in Anspruch genommen, um Hobbies zu vertiefen, sich kulturell zu informieren, vermittelte Lerninhalte beruflich zu ver-
112
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
werten und um politisch auf dem Laufenden zu bleiben. Im Gegensatz dazu spielt bei dieser Art der Fernsehnutzung das Ziel, einen schulischen oder beruflichen Abschluß zu erreichen, keine bedeutende Rolle. Das für diese besonders bildungsaktive Gruppe von Kabelprojektteilnehmern charakeristische Motivmuster deckt sich weitgehend mit demjenigem Bündel von Motiven, welches zum ersten Befragungszeitpunkt das Verhalten der Fernsehzuschauer beeinflußte (siehe Tabelle 12 in Abschnitt 2.2.9). Hier allerdings war die Ausgangsstichprobe, aus der die Untergruppe der bildungsaktiven Fernsehzuschauer zusamengestellt wurde, identisch mit allen interviewten Dortmunder Bürgern und Bürgerinnen (n = 688). Die Unterschiede in den prozentualen Häufigkeiten der Antworten zwischen den beiden Gruppen bildungsaktiver Fernsehzuschauer sind in Anbetracht der relativ geringen Antwortsummen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf stichprobenbedingte Zufallsschwankungen zurückzuführen. Als Resümee läßt sich damit konstatieren, daß bei Kabelprojektteilnehmern, die das Femsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen, sich die Hauptmotive für die Inanspruchnahme von Fernsehsendungen zum Lernen auf die Bereiche Hobby, Kultur, Beruf und Politik richten.
2.4.10
Die Bedeutung des Fernsehens als Ergänzung von Weiterbildungskursen
Bei jenen interviewten Dortmunder Bürgern, die das Fernsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen (vgl. Abschnitt 2.4.9), haben die entsprechenden Sendungen vorTabelle 46:
lfd Nr.
1 2 3 4
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 6 - Funktionen der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium spezifisch nutzen*
Funktionen
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antder Persoworten nen
Als Ergänzung zu einem WB-Kurs Als Ersatz für einen WB-Kurs Als Teil eines Medienverbundes Sonstiges
15 8 12 5
37.5 20.0 30.0 12.5
48.4 25.8 38.7 16.1
Summe
40
100.0?Ä
129.0
* Häufigkeitsverteilung der Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; WB=Weiterbildung; n=31
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
113
nehmlich die Funktion, als Ergänzung zu Weiterbildungskursen (z.B. an der Volkshochschule oder an einer anderen Einrichtung der Erwachsenenbildung) oder als Teil eines Verbundes aus Fernsehsendungen, Weiterbildungskurs und schriftlichen Begleitmaterialien (Medienverbünd) zu dienen. Dieses Funktionsmuster entspricht im großen und ganzen der Antwortverteilung, welche sich bei der ersten Befragung im Februar 1987 ergeben hatte (siehe Tabelle 13 in Abschnitt 2.2.10). Auch in diesem Fall wäre eine Berücksichtigung der bestehenden prozentualen Abweichungen zwischen beiden Personengruppen bei der Interpretation wegen der geringen Stichprobenumfänge nicht angemessen.
2.4.11
Informationsquellen über Bildungsprogramme in den Medien
Teilnehmer des Kabelprojekts, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen, finden Sendungen, die sie für sich selbst zum Lernen in Anspruch nehmen wollen, am häufigsten durch Informationen aus einer der kommerziellen Programmzeitschriften. Eine bedeutsame Hilfe bei der Suche nach geeigneten Sendungen bietet ferner die unentgeltlich verteilte Dortmunder Programmzeitschrift "City—Post". Insgesamt entfallen auf die Auswertungskategorie der Programmzeitschriften mit 52,6% etwas mehr als die Hälfte aller Antworten. Bezieht man noch diejenigen Programminformationen mit ein, welche die Befragten den Tageszeitungen und dem Kabel —/Videotext entnehmen, dann vereinigen die Print— und die elektronischen Medien insgesamt 69,8% aller Antwortren auf sich, wenn es darum geht, Fernsehsendungen zum Lernen zu finden. Eine wichtige Rolle für entsprechende Programmhinweise spielt ferner die direkte persönliche Kommunikation mit Freunden, Bekannten, Nachbarn und Familienangehörigen, auf die 16,1% aller Antworten entfallen. Des weiteren beziehen sich 12,9% der Antworten auf das zufallige Einschalten von Sendungen. In Weiterbildungsveranstaltungen werden praktisch keine Hinweise auf bildende Sendungen gegeben (0,8%). Damit gehen offenbar von Lehrveranstaltungen der Erwachsenbildung keine bedeutsamen Impulse für die Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen aus (vgl. auch Abschnitt 2.2.11). In einem nächsten Schritt haben wir bei dieser Fragestellung die prozentuale Antwortverteilung in der Gesamtstichprobe zum ersten Befragungszeitpunkt (siehe Tabelle 14 in Abschnitt 2.2.11) mit dem Antwortmuster derjenigen Kabelprojektteilnehmer verglichen, die das Fernsehen auch als Bildungsmedium nutzen (vgl. Tabelle 47). Es zeigt sich, daß die bildungsorientierten Zuschauer vergleichsweise weniger häufig Programmzeitschriften einschließlich der "City —Post" als Informationsquellen für
114
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 47:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 8 - Informationsquellen über Fernsehsendungen zur Nutzung zum Lernen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Fernsehen als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Informationsquellen Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
absolute prozentuale Häufigkeit Häufigkeit der Antworten
prozentuale Häufigkeit der Personen
Programmzeitschriften Familienangehörige Freunde, Bekannte, Nachbarn Zufälliges Einschalten Kabel-/Videotext Weiterbildungsveranstaltungen Tageszeitungen "City Post" Bestimmtes Fernsehprogramm Sonstiges
292 48 81 103 62 6 75 129 4 0
36.5 6.0 10.1 12.9 7.8 0.8 9.4 16.1 0.5 0.0
93.0 15.3 25.8 32.8 19.7 1.9 23.9 41.1 1.3 0.0
Summe
800
100.0%
254.8%
* Häufigkeitsverteilung der Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; n=314
Sendungen zum Lernen nutzen (52,6% zu 58,5%). Ein entsprechender Sachverhalt ergibt sich für die Beschaffung von Informationen durch den Kabel— bzw. Videotext (7,8% zu 9,8%). Dagegen spielt die persönliche Kommunikation mit Freunden, Bekannten, Nachbarn und Familienangehörigen für die Informationsbeschaffung (16,1% zu 10,1%) wie auch das zufällige Einschalten (12,9% zu 10,7%) bei ihnen eine recht große Rolle. Keine gravierenden Unterschiede zwischen beiden Gruppen ergeben sich für die Informationsquellen Tageszeitungen, Weiterbildungsveranstaltungen und der Nutzung nur eines bestimmten Programms, bei dem hin und wieder Fernsehsendungen zum Lernen enthalten sind. Bildungsorientierte Zuhörer stoßen am häufigsten auf Hörfunksendungen, die sie für Lernzwecke verwenden können, indem sie eine Programmzeitschrift zu Rate ziehen (27,4%). Rechnet man auch die "City —Post" zu dieser Kategorie, so erhöht sich dieser Wert auf 36,0% (vgl. Tabelle 48). An zweiter Stelle steht das für die Radio-
115
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Tabelle 48:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 19 - Informationsquellen über Hörfunksendungen bei Kabelprojektteilnehmern, die das Radio als Bildungsmedium nutzen*
lfd. Nr.
Informationsqellen
1 2 3 4 5 6 7 B 9 10
Programmzeitschriften F amilienangehörige Freunde, Bekannte, Freunde Zufälliges Einschalten Kabel-/Videotext WeiterbildungsVeranstaltungen Tageszeitungen "City Post" Bestimmtes Hörfunkprogramm Sonstiges Summe
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigder Antkeit der Worten Personen 54 15 16 44 9 0 22 17 16 4
27.4 7.6 8.1 22.3 4.6 0.0 11.2 8.6 8.1 2.0
60.7 16.9 18.0 49.4 10.1 0.0 24.7 19.1 18.0 4.5
197
100.0%
221.3%
* Häufigkeitsverteilung der n=197 Antworten; bis zu maximal drei Antworten möglich; n=89
nutzung typische zufallige Einschalten mit 22,3% aller Antworten, gefolgt von den Tageszeitungen (11,2%) und der Nutzung nur eines bestimmten Programms, das von Zeit zu Zeit entsprechende Beiträge sendet (8.1%). Die persönliche Kommunikation spielt — ebenso wie beim Fernsehen — mit insgesamt 15,7% als Informationsquelle in dieser Zuhörergruppe eine gewichtige Rolle. Von untergeordneter Bedeutung ist der Kabel — /Videotext, während aus dem Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen überhaupt keine Impulse für die Nutzung von Hörfunksendungen zum Lernen entstehen. Kontrastiert man wiederum die Gesamtstichprobe (siehe Tabelle 15 in Abschnitt 2.2.11) mit der Teilgruppe jener Kabelprojektteilnehmer, die das Radio auch als Bildungsmedium nutzen, dann ergeben sich die folgenden Unterschiede in den beiden Antwortmustern: Ebenfalls wie beim Fernsehen zeigt sich, daß die Gruppe der bildungsorientierten Radiohörer zu Informationen über entsprechende Sendungen vergleichsweise weniger oft mit Hilfe von Programmzeitschriften gelangt (27,4% zu 30,1%); unter Berücksichtigung der "City —Post" beträgt die Relation 36% zu 42,7%. Im Gegensatz dazu werden von ihnen Tageszeitungen prozentual öfter als
116
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Informationsquelle in Anspruch genommen (11,25 zu 7,6%). Mediales Lernen praktizierende Dortmunder Hörer erhalten dagegen in der persönlichen Kommunikation mit Freunden, Bekannten, Nachbarn und Familienangehörigen relativ häufiger Hinweise auf Hörfunksendungen, die sie zum Lernen nutzen (15,7% zu 8,7%). Offenbar keine bedeutsame Differenzen zwischen beiden Gruppen zeigen sich schließlich bei den anderen Informationsquellen. Insgesamt betrachtet wird deutlich, daß die Teilgruppe jener Kabelprojektteilnehmer, die das Fernsehen oder das Radio als Bildungsmedium nutzen, in stärkerem Ausmaß relevante Informationen für lernergiebige Sendungen durch das persönliche Gespräch in ihrem engeren sozialen Umfeld erhalten als das in der Gesamtstichprobe der Fall ist.
2.4.12
Lernen mit Printmedien und audiovisuellen Medien: Ein Vergleich zwischen Buch und Fernsehen
Die sich schon zum ersten Befragungszeitpunkt im Vergleich zum Fernsehen und Hörfunk abzeichnende Bevorzugung der Printmedien zum Lernen veranlaßte uns, eine ganz gezielte Frage zum Lernertrag unterschiedlicher Büchergattungen zu stellen. Die entsprechenden Befragungsergebnisse sind in den Tabellen 49a und 49b dokumentiert. In Frage Nr. 34 haben die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts verschiedene Arten von Büchern danach beurteilt, inwieweit sie beim Lesen "nichts", "etwas" oder "viel gelernt haben". Ferner konnten die interviewten Dortmunder Bürger angeben, daß sie die betreffende Büchergattung "nie lesen" würden. Die Häufigkeitsverteilung der insgesamt von den befragten Personen abgegebenen 1394 Antworten, die auf die Beurteilungskategorie "viel gelernt" entfielen, ergibt eine deutliche Präferenz für eine Gruppe von fünf Büchergattungen, die jeweils mehr als 10 % aller Einschätzungen auf sich vereinigen: Viel lernen die Kabelprojektteilnehmer insbesondere bei der Lektüre von Büchern zu den Themen Politik/Wirtschaft/Geschichte, Naturwissenschaft/Technik und Ratgeber/Hobby/Lebenshilfe sowie beim Lesen von Lehr —/Schulbüchern und Reiselektüre. Insgesamt entfallen auf diese fünf Themenbereiche mit 72,7 % fast drei Viertel aller Antworten. Relativ hoch wird von den Befragten auch der Lernertrag bei der Lektüre von Büchern der Weltliteratur und von literarischen Neuerscheinungen bewertet, zumal er dem Lesen fachspezifischer Themen aus der Erziehung, Philosophie und Psychologie gleichkommt oder sie im Fall der Kunst, Architektur, des Theaters und der Musik sogar übertrifft. Diese
117
2.4 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 2. Welle
Tabelle 49a:
lfd Nr,
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 34 - Lernen bei der Lektüre verschiedener Arten von Büchern: Bewertungskategorie "viel gelernt"*
Bücherarten
Politik/Wirtschaft/Geschichte Naturwissenschaft/Technik Ratgeber/Hobby/Lebenshilfe Lehr-/Schulbücher Reiseliteratur Weltliteratur/literarische Neuerscheinungen Unterhaltungsliteratur Kunst/Architektur/Theater/ Musik Erziehung/Philosophie/ Psychologie Romanhefte vom Kiosk Summe
absolute prozentuale prozentuale Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit der Antworten der Personen 258 214 151 211 180 111
18.5 25.4 10.8 15.1 12.9 8.0
49.9 41.4 29.2 40.8 34.8 21.5
61 91
4.4 6.5
11.8 17.6
107
7.7
20.7
10
0.7
1.9
1394
100.0«
269.6%
* Verteilung der insgesamt von n=517 Personen abgegebenen Antworten auf 10 Bücherarten
Befunde beziehen sich auf den positiven Pol des Beurteilungskontinuums zum Lernertrag beim Lesen von Büchern. Die zentralen Tendenzen in den Einschätzungen der Befragten werden hingegen durch die arithmetischen Mittelwerte abgebildet, die in Tabelle 49b enthalten sind. Die Rangfolge der arithmetischen Mittelwerte zeigt, daß die Kabelprojektteilnehmer vergleichsweise am meisten durch die Lektüre von Lehr— und Schulbüchern, Büchern zur Politik, Wirtschaft und Geschichte sowie von Literatur zur Naturwissenschaft und Technik lernen. Diese drei Büchergattungen liegen, was ihre durchschnittlichen Einschätzungen angeht, genau zwischen den Skalenausprägungen "etwas gelernt" und "viel gelernt". Daran schließt sich eine Gruppe von drei Bücherarten an, die sich auf die Themen "Reiseliteratur", "Erziehung, Psychologie und Philosophie" sowie "Ratgeber, Hobby und Lebenshilfe" beziehen. Bei der Lektüre der Weltliteratur, literarischer Neuerscheinungen sowie Büchern über Kunst, Architektur, Theater und Musik, welche gemäß der Größe der Mittelwerte den siebenten und achten Rang
118
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 49b:
lfd Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 34 - Lernen bei der Lektüre verschiedener Arten von Büchern*
Bücherarten
Politk/Wirtschaft/Geschichte Naturwissenschaft/Technik Ratgeber/Hobby/Lebenshilfe Lehr-/Schulbücher Reiseliteratur Weltliteratur/literarische Neuerscheinungen Unterhaltungsliteratur Kunst/Architektur/ Theater/Musik Erziehung/Philosophie/ Psychologie Romanhefte vom Kiosk
arithmetische Standardab- Anzahl der Mittelwerte weichungen Personen *J S r>i J 2.51 2.48 2.25 2.55 2.31 2.10
0.53 0.57 0.57 0.55 0.58 0.64
490 414 480 365 483 429
1.65 2.15
0.66 0.65
572 304
2.26
0.65
290
1.33
0.59
156
* arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen sj der mit Hilfe dreistufiger Skalen (l="nichts gelernt", 2="etwas gelernt", 3="viel gelernt") gemessenen Einschätzungen der befragten n=722 Personen einnehmen, geben die interviewten Dortmunden Bürger an, daß sie "etwas gelernt" haben. Die Schlußlichter bilden, wie fast nicht anders zu erwarten war, die Unterhaltungsliteratur und die Romanhefte vom Kiosk, wobei letztere von den Befragten in die Nähe des negativ zu bewertenden Skalenpols "nichts gelernt" plaziert werden. Zwar ist nicht auszuschließen, daß das Antwortverhalten der Kabelprojektteilnehmer auch von Faktoren der sozialen Erwünschtheit mit beeinflußt worden ist. Dennoch ist die "Spreizung" der Mittelwerte auf der Beurteilungsskala derart groß, daß mit großer Wahrscheinlichkeit systematische Effekte angenommen werden dürfen, die auf die unterschiedliche inhaltliche Beschaffenheit der beurteilten Büchergattungen zurückzuführen sind. Im Abschnitt 2 . 4 . 6 sind wir der Frage nachgegangen warum die Kursprogramme und das Schulfernsehen im statistischen Durchschnitt derart wenig zum Lernen genutzt werden. Die von uns dort entwickelte Erklärungshypothese geht davon aus, daß Kabelprojektteilnehmer viel häufiger auf die Printmedien als auf die Neuen Medien zurückgreifen oder Weiterbildungsveranstaltungen besuchen, wenn sie etwas gezielt
2.2 Radio und Fernsehen als Bildungsmedien: 1. Welle
119
lernen wollen. An dieser Stelle soll nun über einen weiteren empirischen Befund berichtet werden, der den ersten Teil unserer Hypothese abstützt. Dazu ist es notwendig, die Antworten der Befragten zu den strukturell identischen Fragen Nr. 1 und 34 zum Lernertrag von einzelnen Gattungen von Fernsehprogrammen und Büchern miteinander zu vergleichen. Dies geschieht durch eine Gegenüberstellung der arithmetischen Mittelwerte von Tabelle 49b mit jenen, die in der nachstehenden Tabelle 50 aufgeführt sind, und die sich auf das geschätzte Ausmaß des Lernertrags bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen zum zweiten Befragungszeitpunkt beziehen. Die Gegenüberstellung von Printmedien und neuen Medien zeigt, daß die durchschnittlichen Lernerträge von Lehr— und Schulbüchern (X = 2,55) deutlich höher liegen als die von Kursprogrammen (X = 2.1) oder des Schulfernsehens (X = 2.0). Damit erfahrt die obige Erklärungshypothese eine weitere Bestätigung. Lehrbücher sind auch im Zeitalter der elektronischen Medien das Lernmittel par excellence. In Anbetracht dieses Ergebnisses überrascht es dann auch nicht mehr, daß die Kabelprojektteilnehmer den Lernertrag von Kriminal— (z.B. "Tatort") und Spielfilmen, Fernsehspielen und Serien (z.B. "Dallas") mit X = 1 . 3 genauso niedrig einschätzen, wie den von Romanheften, die man etwa am Kiosk erwerben kann ( X = l , 3 3 ) . Im Urteil der interviewten Dortmunder lernt man praktisch nichts aus diesen beiden Genres. Dieses Befragungsergebnis dämpft zumindest voreilige Spekulationen von Apologeten des Unterhaltungsbereichs, die zu meinen glauben, daß die Zuschauer von solchen Sendegattungen für sich selbst einen bewußten Lerneffekt — etwa im Sinne einer Steigerung ihrer sozialen Intelligenz — konstatieren. Die Stärke der Neuen Medien liegt dagegen offenbar im Bereich der Information. Ein vorsichtiger Vergleich der Lernerträge von Ratgebersendungen (X = 2.3), Sendungen der politischen (X = 2,3) und wirtschaftlichen (X = 2.4) Berichterstattung, Wissenschafts—(X= 2,3) und Kultursendungen (X = 2.2) mit den Lernergebnissen beim Lesen von Büchern zu den Bereichen Ratgeber, Hobby und Lebenshilfe (X = 2.3), Politik, Wirtschaft und Geschichte (X = 2,5), Naturwissenschaft und Technik (X = 2,5) sowie Kunst, Architektur, Theater und Musik (X = 2.2) zeigt, daß keine oder nur geringfügige Unterschiede zwischen dem Ausmaß des Wissens bestehen, welches die Teilnehmer des Kabelpilotprojekts nach ihrer eigenen Einschätzung vermittelt bekommen haben. Anscheinend ermöglichen die genannten Programmsparten den Dortmunder Bürgern ein Lernen, das sich auf vielfältige Inhalte mit Überblickscharakter bezieht, während Lehr— und Schulbücher ihnen zu einem fachlich vertieften Lernen verhelfen. Im
120
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 50:
Zweiter Erhebungszeitpunkt, Frage Nr. 1 - Lernen bei verschiedenen Arten von Fernsehsendungen*
lfd. Sendearten Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Nachrichtensendungen Politische Berichterstattung Wirtschaftliche Berichterstattung Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Dokumentationen Kultursendungen Konzerte, Opern, Theater Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen Kursprogramme Schulfernsehen Lokale Berichterstattung Sportsendungen
arithmetische Standardab- Anzahl der PersoMittelwerte weichungen nen, die die jeweilige Skala ankreuzten
2.4 2.3
S J 0.7 0.5
ni 708 594
2.4
0.6
550
1.8 1.3
0.6 0.6
530 637
2.4 2.2 1.7 2.3 2.3 2.1 2.0 2.1 1.8
0.6 0.6 0.7 0.6 0.6 0.7 0.6 0.6 0.7
618 462 305 448 567 118 72 563 514
* arithmetische Mittelwerte Xj und Standardabweichungen Sj der mit Hilfe dreistufiger Skalen (l="nichts gelernt", 2="etwas gelernt", 3="viel gelernt") gemessenen Einschätzungen der zum 2. Befragungszeitpunkt interviewten n=722 Personen
Verständnis der Kabelprojektteilnehmer zielt Lernen im Fernsehen auf eine Verbesserung ihrer Allgemeinbildung. Die audiovisuellen Medien werden offensichtlich im Urteil der Befragten nicht als spezifische Bildungsträger angesehen, sondern deutlich von den schulischen oder beruflichen Institutionen abgegrenzt. Schlagwortartig ließe sich folgende Regel formulieren: Fernsehen und Hörfunk sollten sich in ihrer Programmstruktur vor allem auf solche Sendungen konzentrieren, welche die allgemeinbildenden Inhalte und damit zugleich die Lernbreite betonen, und den Lehr — und Schulbüchern sowie den Lehrveranstaltungen der Weiterbildung die fachliche Bildung überlassen, welche die Lerntiefe akzentuiert. Die audiovisuellen Medien sollten den anregenden Charakter ihrer informations — und bildungsbezogenen Sendungen stärken und nicht, wie im Fall der Kursprogramme, mit den Printmedien und den Einrichtungen eines institutionalisierten Lernens wetteifern wollen.
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
121
Die Chancen der Neuen Medien liegen offenbar nicht primär in der Vermittlung kursbezogener Inhalte, sondern vor allem in der Ermöglichung der Aufnahme und Verarbeitung thematisch in sich abgeschlossener Informationen von lebensweltlicher Relevanz, die in der Regel den zeitlichen Rahmen einer einzelnen Sendung nicht sprengen. Gerade die hohe Bewertung der Nachrichten des Fernsehens und des Hörfunks durch die Kabelprojektteilnehmer unter dem Aspekt des für sie erbrachten Lernertrages unterstützt die Forderung nach einer Revision des tradierten Lernbegriffs, der sehr stark am schulischen Lernen ausgerichtet und in seiner wissenschaftlichen Reflexion von lernpsychologischen Theorieansätzen bestimmt ist (vgl. dazu auch Abschnitt 5.1).
2.5 2.5.1
Intensivnutzer des Bildungskanals Untersuchungsziele und methodisches Vorgehen
Das Programmangebot des Kabelpilotprojekts Dortmund zeichnete sich u.a. dadurch aus, daß es hier während der dreijährigen Laufzeit des Modellversuchs einen speziellen Spartenkanal für Bildung "Die kluge Sieben" gab. Wie die Befragung der Kabelprojektteilnehmer im Jahre 1988 ergeben hat, wußten nach knapp drei Jahren Laufzeit des Pilotversuchs ca. 70% der befragten Versuchsteilnehmer von der Existenz des Bildungskanals. Von denen, die um die Existenz dieses Pay—TV —Spartenkanals wußten, schalteten über die Hälfte den Bildungskanal "selten" oder "gelegentlich" ein. Weitere 6% gaben bei der Befragung an, dieses Programm "häufig", d.h. mindestens einmal pro Woche zu nutzen. Personen, auf die dieses Merkmal zutrifft, sollen im folgenden als "Intensivnutzer" des Bildungskanals bezeichnet werden. Um nähere Aufschlüsse darüber zu erhalten, welche Erfahrungen Angehörige dieser Teilpopulation mit dem Bildungskanal gesammelt haben, wie ihre allgemeine Mediennutzung zu Bildungszwecken aussieht, und in welchem Zusammenhang diese mit ihrem Weiterbildungsverhalten steht, wurde einerseits eine gesonderte Teilauswertung der Teilnehmerbefragung mit der Zielsetzung vorgenommen, die Unterschiede zwischen den Kabelprojektteilnehmern insgesamt und den Intensivnutzern des Bildungskanals herauszuarbeiten; parallel dazu haben wir andererseits 18 leitfadengestützte Interviews mit Intensivnutzern des Bildungskanals durchgeführt, in denen die im Fragebogen vorgegebenen Themenkomplexe vertiefend behandelt wurden. Ein Vergleich der Ergebnisse der Teilnehmerbefragungen vom ersten und zweiten Erhebungszeitpunkt zeigt, daß es keine gravierenden Veränderungen im Antwortver-
122
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
halten der Kabelprojektteilnehmer gibt. Geringe Trendverschiebungen lassen sich im Bekanntheits — und Nutzungsgrad der Spartenkanäle feststellen; so stieg der Anteil der Kabelprojektteilnehmer die wissen, daß es einen Bildungskanal gibt ebenso leicht an, wie die Zahl der Intensivnutzer. Des weiteren zeigte sich, daß bei den Dortmunder Bürgerinnen und Bürgern das Bedürfnis gewachsen ist, durch das Fernsehen über das lokale Bildungsangebot informiert zu werden. Ferner verstärkte sich bei den Befragten das Bewußtsein von den jeweiligen spezifischen Vorzügen des Fernsehens und des Hörfunks zum Lernen auf der einen Seite und den Vorteilen der Weiterbildungsveranstaltungen auf der anderen Seite. Insgesamt gibt es aber keine gravierenden Unterschiede im Antwortverhalten der Kabelprojektteilnehmer. Dies gilt auch für die Intensivnutzer des Bildungskanals. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, den Vergleich zwischen Kabelprojektteilnehmern und den Intensivnutzern auf der Basis der Befragungsdaten von 1988 durchzuführen. Die Schwierigkeiten bei der qualitativen Ergänzungsstudie lagen darin, genügend Interviewpartner zu finden. Ein Zugriff auf die Adressen jener Personen, die regelmäßig Gebühren für den Bildungskanal bezahlen, verbot sich aus Datenschutzgründen und wäre auch technisch nicht möglich gewesen. Wir entschieden uns deshalb für eine möglichst breite Streuung von diversen, parallel zueinander verlaufenden Versuchen, Gesprächspartner zu gewinnen. Die Bildungsredaktion der "klugen Sieben" produzierte einen Aufruf, in dem potentielle Interessenten zur Teilnahme an der Untersuchung aufgefordert wurden, daneben gab es auch im Kabeltext Hinweise auf diese Befragung. Zusätzlich wurde noch eine Anzeige in der "Citypost" aufgegeben. Hierüber hinaus haben sich die Kolleginnen und Kollegen der Diffusionsstudie bereiterklärt, ihre Interviewer anzuweisen, während einer Befragungswelle vorbereitete Briefe, in denen wir unser Anliegen dargestellt haben, an die Personen ihrer Stichprobe weiterzureichen. Ahnlich verfuhren wir bei der eigenen Befragung. Aufgrund dieser zahlreichen Bemühungen gelang es, während eines Zeitraumes von zwei Jahren insgesamt 18 leitfadengestütze Interviews mit Intensivnutzern des Bildungskanals durchzuführen. Drei der Interviews fanden im Frühjahr 1987, der Rest ein Jahr später, unmittelbar im Anschluß an die Teilnehmerbefragung zum zweiten Erhebungszeitpunkt statt. Die Interviews dauerten je nach Narrativität der Interviewpartner zwischen 60 und 120 Minuten; sie wurden sämtlich auf Tonband aufgezeichnet und sodann transkribiert. Im Anschluß daran erstellten wir eine Reihe von detaillierten Fallanalysen. Um über die Fallstudien hinaus zu Erkenntnissen über unterschiedliche Nutzungsgewohnheiten der Intensivnutzer zu gelangen, wurden die einzelnen Fälle zu in sich relativ homogenen Gruppen gebündelt. Auf diese Weise war es möglich, zu einer — aus der Textanalyse gewonnenen — Typologie der Intensivnutzer zu gelangen, die selbstverständlich lediglich eine idealtypische Gültigkeit beanspruchen kann.
2.5 Intensivoutzer des Bilduogskanals
123
Diese Typologie berücksichtigt sämtliche in den Interviews angesprochenen Themenkomplexe und macht die jeweils dominanten Merkmale zum Kriterium der Typenbildung. Der Vorteil der hier praktizierten Methodenkombination besteht in dem Ergänzungsverhältnis der Erhebungsverfahren. Da sich die qualitativen und quantitativen Erhebungsverfahren auf nahezu identische Themenkomplexe bezogen, die Untersuchungszeiträume sehr eng beieinander lagen und zudem fast all jene Personen, mit denen ein Intensivinterview geführt wurde, auch an der Befragung zum zweiten Zeitpunkt teilgenommen hatten, lassen sich die so gewonnenen Daten durchaus aufeinander abbilden. In der folgenden Darstellung der Untersuchungsergebnisse wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Interpretation der Daten der Trendstudie erfolgt vor dem Hintergrund der in den Intensivinterviews zusätzlich gewonnenen Einsichten (vgl. Kapitel 2.5.3). Anschließend werden sodann die unterschiedlichen Nutzertypen des Bildungskanals vorgestellt (vgl. Kapitel 2.5.4). Jenseits der unterschiedlichen Funktionen, die der Bildungskanal für die Intensivnutzer erfüllt, zeichnet sich die Gruppe der Intensivnutzer durch ein hohes Maß an Übereinstimmung in der generellen Bewertung des Bildungskanals aus; hierauf wird abschließend eingegangen (vgl. Kapitel 2.5.5). Um einen ersten Eindruck von den Intensivnutzern zu bekommen, werden vorab die soziodemographischen Merkmale dieser Teilpopulation kurz skizziert (vgl. Kapitel 2.5.2).
2.5.2
Soziodemographische Merkmale
Gegenüber der Gesamtheit der Kabelprojektteilnehmer zeichnet sich die Gruppe der Intensivnutzer dadurch aus, daß in ihr Männer, Unverheiratete und Personen mit einer universitären Ausbildung leicht überrepräsentiert sind. Die Altersgruppe der bis zu 30jährigen ist unterdurchschnittlich und die der 40— bis 49jährigen überdurchschnittlich vertreten. Intensivnutzer haben häufig nicht nur eine etwas bessere Schulbildung, sondern unter ihnen sind auch mehr Personen mit einer abgeschlossenen Lehre vertreten. Hinsichtlich der Stellung im Beruf fallt auf, daß Selbständige, Beamte und interessanterweise auch Facharbeiter leicht überrepräsentiert, einfache und mittlere Angestellte aber etwas unterrepräsentiert sind. Bei den Intensivnutzern handelt es sich somit nur bedingt um eine durch Status und Stellung im Lebenszyklus herausgehobene Gruppe. Wenngleich die Unterschiede in der soziodemographischen Struktur der Intensivnutzer gegenüber den Kabelprojektteilnehmern insgesamt nicht allzu ausgeprägt sind, so liefern sie doch Hinweise auf eine soziokulturelle Polarisierung der Bevölkerung, die sich auch in der Nutzung bildungsbezogener Medienange-
124
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
böte zumindest dokumentiert, wenn sie hierdurch sogar nicht noch verfestigt wird. Demnach gilt es künftig zwischen jenem Personenkreis zu unterscheiden, der das wachsende Medienangebot sinnvoll und gewinnbringend in den eigenen Lebenszusammenhang einzubringen vermag, um seine gesellschaftlichen Partizipationschancen zu steigern, und jenen Gruppen, für die ein erweiterter Medienkonsum zum Indikator für soziale Isolation, Realitätsflucht und Kommunikationsschwierigkeiten zu werden droht. Nicht zutreffend wäre es aber, in den Medienangeboten die alleinigen Verursacher für solche Entwicklungen zu sehen. Die Programm —Medien spiegeln vielfach nur das wider, was sich an gesellschaftlichen Entwicklungen vollzieht. Ob sie infolgedessen allerdings dazu in der Lage sind, einen Beitrag zur Auflösung kommunikativer Problemlagen zu leisten, darf ernsthaft bezweifelt werden.
2.5.3 2.5.3.1
Mediennutzung und Weiteibildungsverhalten Allgemeine Mediennutzung zu Bildungszwecken
Gemäß der theoretischen Unterscheidung von inzidentellem und intentionalem Lernen (vgl. Kapitel 2.2.5) wurden die Kabelprojektteilnehmer, darunter auch die Intensivnutzer, gefragt, inwieweit sie bei verschiedenen Fernsehsendungen einerseits "Neues erfahren haben" und ob sie andererseits bestimmte Sendungen "gezielt einschalten, um etwas zu lernen". Wenden wir uns zunächst dem inzidentellen Lernen im Fernsehen und den dort zu beobachtenden Unterschieden zwischen Intensivnutzern und den übrigen Kabelprojektteilnehmern zu. Betrachtet man die Häufigkeitsverteilung der Antworten, die in die Kategorie "viel gelernt" fallen, differenziert nach Kabelprojektteilnehmern insgesamt und Intensivnutzem des Bildungskanals, so ergeben sich die in Tabelle 51 ausgewiesenen Unterschiede. Wie Tabelle 51 zeigt, gibt es zwischen Intensivnutzern und den übrigen Kabelprojektteilnehmern interessante Unterschiede in der Wahrnehmung des Fernsehens als Quelle inzidentellen Lernens. Besonders gravierend sind die Unterschiede in der Bewertung des beiläufigen Lernertrages bei Wissenschafts — , Ratgeber— und Kultursendungen. Aber auch bei der lokalen, politischen und wirtschaftlichen Berichterstattung sind deutliche Differenzen zwischen den Intensivnutzern und der Gesamtheit der Kabelprojektteilnehmer feststellbar. Darüber hinaus sind es die speziellen Bildungsprogramme ("Kursprogramme") bei denen die Intensivnutzer deutlich häufiger als Kabelprojektteilnehmer angeben, viel gelernt zu haben. Jenseits der prozentualen Unterschiede
125
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
wird der Bildungswert von Ratgebersendungen und Dokumentationen übereinstimmend von beiden Gruppen sehr hoch eingeschätzt. Diese Sendungsarten finden sich jeweils auf Rang 1 bzw. Rang 2. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Intensivnutzer generell bei allen Sendungsarten, abgesehen von der Ausnahme "Unterhaltungssendungen", stärker inzidentelle Lernprozesse wahrnehmen. Tabelle 51: lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Frage Nr. 1 - Inzidentelles Lernen beim Fernsehen *
Sendearten
"viel gelernt" Intensivnutzer Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent)
Ratgebersendungen Dokumentationen Wissenschaftssendungen Nachrichtensendungen politische Berichterstattung wirtschaftliche Berichterstattung lokale Berichterstattung Kultursendungen Sport Kursprogramme Konzerte, Opern, Theater Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Schulfernsehen
68,8 62,5 59,4 46,9 43,8 43,8 40,6 40,6 25,0 15,6 15,6 15,6 9,4 6,3
46 54 32 41 34 36 31 25 24 6 10 16 9
1 1 3 9 7 2 0 6 8 6 2 5 4
4 5
* Verteilung der insgesamt von n=32 (Intensivnutzer) bzw. n=577 (Kabelprojektteilnehmer) Personen abgegebenen Antworten
Die Tatsache, daß explizite Bildungs— und Kulturprogramme auch bei den Intensivnutzern relativ schlecht plaziert sind, mag auf den ersten Blick überraschen. Vergegenwärtigt man sich jedoch, daß hier nach dem beiläufigen Lernen gefragt wurde, Sendungen wie das Schulfernsehen aber ein zumindest in ihrer Wahrnehmung weitgehend gezieltes Lernen voraussetzen, so wird das hier gezeigte Antwortverhalten verständlich. Ein Blick auf die Auswertung jener Antworten, die von den Befragten den Kategorien "nichts gelernt" bzw. "sehe ich nie" zugeordnet wurden, bestätigt die bereits dargestellten Ergebnisse. Allerdings wird hierbei deutlich, daß Intensivnutzer einerseits bedeutend seltener angeben, im Schulfernsehen, soweit es von ihnen verfolgt wird, "nichts gelernt" zu haben und andererseits in erheblich geringerem Maße
126
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
als Kabelprojektteilnehmer von sich sagen, die politische, lokale und wirtschaftliche Berichterstattung generell nicht zu verfolgen. Insofern ist der ausschließliche Blick auf das Antwortverhalten bezüglich der Dimension "viel gelernt", wie ihn Tabelle 51 wiedergibt, nicht hinreichend, um Besonderheiten der Intensivnutzer auf der Ebene des beiläufigen Lernens durch das Fernsehen zu erfassen. Während auf die Frage "Schalten Sie Ihr Fernsehgerät gelegentlich auch ein, um gezielt (Hervorhebung im Fragebogen) etwas lernen zu wollen?" etwas weniger als die Hälfte aller Kabelprojektteilnehmer mit "ja" antworten, sind es bei den Intensivnutzern immerhin Dreiviertel von ihnen. Wenden wir uns nun dem intentionalen Lernen mittels des Mediums Fernsehen zu. Als Indikator für das gezielte Lernen dienen hier die Angaben zu den "häufig" gezielt zum Lernen eingeschalteten Sendungen. Die Gegenüberstellung des Antwortverhaltens der Intensivnutzer und der Kabelprojektteilnehmer läßt die Unterschiede erkennen (vgl. Tabelle 52). Auffallig ist zunächst, daß Intensivnutzer von sich behaupten, "Nachrichten" am häufigsten zum gezielten Lernen zu nutzen. Offenbar wird hier ein Begriff des Lernens im Sinne von Aufnehmen neuer Informationen verwandt. Interessant ist aber auch, daß "Nachrichtensendungen" von Intensivnutzern seltener als von Kabelprojektteilnehmern — ihren eigenen Angaben nach — zum intentionalen Lernen eingeschaltet werden. Prinzipielle Differenzen zwischen den beiden kontrastierten Gruppen lassen sich hinsichtlich der Nutzung des Fernsehens für intentionale Lernprozesse bei Wissenschaftssendungen, Ratgebersendungen, Dokumentationen, die lokale, politische und wirtschaftliche Berichterstattung sowie Kultursendungen und Kursprogrammen konstatieren. Bezogen auf die genannten Sendearten behaupten Intensivnutzer deutlich häufiger, Beiträge dieser Kategorien gezielt zum Lernen einzuschalten. Im Gegensatz hierzu ist der Anteil jener Intensivnutzer — verglichen mit den Kabelprojektteilnehmern — wesentlich geringer, der von sich sagt Sportsendungen, Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele und Serien sowie Unterhaltungssendungen allgemein zum gezielten Lernen zu nutzen. Die Gegenüberstellung der deutlich häufiger bzw. geringer von Intensivnutzern zum intentionalen Lernen eingeschalteten Sendungen liefert Aufschlüsse über das spezifische Profil der Intensivnutzer. Wie schon bei der Frage nach der inzidentellen Nutzung des Fernsehens zu Bildungszwecken, so zeigt sich auch hier die überaus marginale Stellung des Schulfernsehens, dem selbst von den Intensivnutzern keine Rolle als intentionales Bildungsmedium zugeschrieben wird. Dies hängt, wie wir aus den Intensivinterviews wissen, unter
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
Tabelle 52: lfd. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 B 9 10 11 12 13 14
127
Frage Nr.3 - Intentionales Lernen bein Fernsehsen*
Sendearten
Nachrichtensendungen Dokumentationen Wissenschaftssendungen Ratgebersendungen lokale Berichterstattung polit. Berichterstattung wirtschaftl. Berichterstattung Kultursendungen Sport Konzerte, Opern, Theater Kursprogramme Unterhaltungssendungen Krimis, Spielfilme, Fernsehspiele, Serien Schulfernsehen
"häufig" zum Lernen eingeschaltet Intensivnutzer Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent) 71,9 56,3 50,0 46,9 46,9 43,8 37,5
82,6 39,4 15,8 26,9 31,6 28,6 25,0
25,0 21,9 18,8 15,6 15,6 15,6
12,4 37,7 10,0 3,8 22,7 30,0
3,1
2,3
* Verteilung der insgesamt von n=32 (Intensivnutzer) bzw. n=639 (Kabelprojektteilnehmer) Personen abgegebenen Antworten
anderem mit der schon im Begriff expliziert formulierten Zielgruppenansprache dieses Genres zusammen, durch die sich erwachsene Fernsehzuschauer, ausgenommen sie sind in pädagogischen Berufen tätig, a priori nicht angesprochen fühlen. Die vorgenommene Gegenüberstellung der Prozentzahlen für die häufig zum gezielten Lernen genutzten Fernsehsendungen muß insoweit oberflächlich bleiben, da hiermit nicht der individuelle Grad der Zuwendung zu den entsprechenden Sendungsarten und die Art ihrer spezifischen Rezeption erfaßt werden kann. Als Indikator dafür, daß es hier möglicherweise wichtige Unterschiede zwischen Kabelprojektteilnehmern und Intensivnutzern zu geben scheint, kann folgender Umstand angesehen werden: Hinter den relativen Häufigkeiten der Nutzung von Fernsehsendungen zum Lernen, wie sie Tabelle 52 wiedergibt, verbergen sich durchweg erhebliche Unterschiede hinsichtlich der absoluten Nutzungshäufigkeit der entsprechenden Sendungsgattungen. Daher läßt erst eine differenzierte Betrachtung unter Heranziehung der Ergebnisse von Intensivinterviews die Spezifika der Zuwendung der Intensivnutzer zum Bildungsmedium Fernsehen deutlicher hervortreten.
128
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Ein weiterer Punkt, der das Profil der Intensivnutzer stärker konturiert, läßt sich erkennen, wenn man nach den zum Lernen bevorzugten Fernsehprogrammen bzw. — kanälen fragt. Die Intensivnutzer schalten bevorzugt die Dritten Fernsehprogramme der ARD —Anstalten sowie die Dortmunder Kanäle für Bildung und Kultur ein, wenn sie sich dem Fernsehen mit Lernabsichten zuwenden. Den Satelitenprogrammen 3 SAT und ARD 1 PLUS wird von den Intensivnutzern kein besonderes Anregungspotential bezüglich ihrer Bildungsrelevanz zugeschrieben. Daß Intensivnutzer sich unter anderem dadurch auszeichnen, daß sie weitaus häufiger als der Durchschnitt der Kabelprojektteilnehmer spezielle Bildungsangebote im Fernsehen nutzen, versteht sich von selbst. Auch, daß sie sich von den anderen Kabelprojektteilnehmern durch ihr gezieltes Vorgehen bei der Auswahl von für sie interessanten Medienangeboten abheben, vermag nicht zu überraschen. An der Spitze der präferierten Bildungsangebote stehen ganz eindeutig Sprachkurse, gefolgt von Kursen zur Informationstechnologie. Ebenso wie auch andere Kabelprojektteilnehmer nutzen die Intensivnutzer entsprechende Fernsehsendungen ganz überwiegend zur Ergänzung ihrer allgemeinen Weiterbildungsaktivitäten. Die Fernsehnutzung zu Bildungszwecken wird somit, wie auch unsere Intensivinterviews gezeigt haben, nahezu ausschließlich einbezogen in übergeordnete personale Bildungsprozesse; eine Substitution von Weiterbildungskursen durch Fernsehsendungen findet bei den Intensivnutzern nicht statt. Umgekehrt bietet das Fernsehen für die Intensivnutzer relativ wenig Anregungspotential, nichtmediale Bildungsaktivitäten zu entfalten. Das Medium Fernsehen wird vor allem dazu genutzt, schon bestehende Bildungsinteressen zu vertiefen. Als Motive für ihre Nutzung von Fernsehsendungen geben Intensivnutzer den Wunsch nach Allgemeinbildung, eine Vertiefung ihrer bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie bedingt das Interesse an, das über das Medium gewonnene Wissen beruflich verwerten zu wollen. Versucht man das spezielle Profil der Intensivnutzer des Bildungskanals in bezug auf die Nutzung des Hörfunks für inzidentelles bzw. intentionales Lernen herauszuarbeiten, so zeigt sich, daß die Unterschiede zu den Kabelprojektteilnehmern insgesamt nicht besonders hervortreten. Die Intensivnutzer zeichnen sich zwar durch ihre höhere Zuwendung zu Wortbeiträgen aus und beurteilen den Lernertrag der von ihnen genutzten Hörfunksendungen durchweg etwas höher, insgesamt sind die Differenzen jedoch geringer ausgeprägt als beim Fernsehen. Hier zeigt sich, daß die Gruppe der Intensivnutzer des Fernsehbildungskanals nicht unbedingt identisch ist mit jener Teilpopulation von Kabelprojektteilnehmern, die sich dem Hörfunk unter Bildungsabsichten zuwendet. Das Bildungsinteresse gegenüber den Programm — Medien ist folglich nicht ein unspezifisches; wie es im Einzelfall realisiert wird, hängt mit von der
2.5 Iotensivnutzer des Bildungskanals
129
Präferenz für ein spezifisches Medium, den Hörfunk bzw. das Fernsehen ab. Eine Ursache hierfür ist in der Vorliebe für unterschiedliche Lernwege der Individuen zu suchen. Da es an dieser Stelle um die Charakterisierung der Intensivnutzer eines Bildungskanals im Fernsehen geht, wird auf die Besonderheiten der Hörfunknutzung zu Bildungszwecken dieser Teilpopulation verzichtet. Nicht verschwiegen soll allerdings werden, daß das grundsätzliche Interesse der Intensivnutzer an Bildung dazu führt, daß diese Teilpopulation nicht nur entschieden für die Errichtung separater Bildungskanäle im Fernsehen plädiert, sondern auch zu zwei Dritteln gegenüber 25% der Kabelprojektteilnehmer dafür eintritt, auch im Hörfunk einen eigenen Bildungskanal, unabhängig von den eigenen Nutzungsabsichten, einzurichten. Ebenfalls ausgegrenzt wird hier die Beschäftigung mit jener Gruppe von Mediennutzern, die man als Intensivnutzer von bildungsbezogenen Hörfunksendungen bezeichnen kann, auch wenn es für diese Gruppe bislang keinen eigenen Bildungssender gibt.
2.5.3.2
Programmwünsche an einen Bildungskanal
Ein Intensivnutzer des Bildungskanals zu sein bedeutet keinesfalls, das Fernsehen primär als Bildungsmedium zu begreifen. Die Intensivnutzer unterscheiden sich lediglich dadurch von der Gesamtheit der Kabelprojektteilnehmer, daß sie neben der Unterhaltungs — und Informationsfunktion des Fernsehens, die auch bei ihnen dominiert, dem Fernsehen auch eine Bildungsfunktion zuschreiben. Vor diesem Hintergrund ist es besonders interessant, welche Wünsche die Intensivnutzer an einen Spartenkanal für Bildung herantragen. Die aufgelisteten Programmwünsche (vgl. Tabelle 53) zeigen sehr deutlich die spezifischen Erwartungen der Intensivnutzer an einen Bildungskanal. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht bei den Intensivnutzern eindeutig der Wunsch nach Informationen über das lokale Bildungs— und Kulturangebot. Unterstrichen wird das sich hier dokumentierende Interesse am Lokalen durch das ebenfalls artikulierte Bedürfnis, näheres über die Arbeit der örtlichen Bildungs— und Kultureinrichtungen zu erfahren. Dies Ergebnis bestätigt, daß die Intensivnutzer eine enge Verzahnung ihrer medienbezogenen Bildungsaktivitäten mit ihrem sonstigen personalen Weiterbildungsengagement vor Ort in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung suchen und deshalb gar nicht daran denken, den Besuch von Bildungsveranstaltungen zugunsten der bildungsbezogenen Fernsehnutzung aufzugeben. Auch das relativ stärkere Interesse der Intensivnutzer an Selbststudienprogrammen kann nicht im Sinne einer Substitution personaler Lernprozesse gedeutet werden. Gerade die Intensivinterviews haben gezeigt, daß dem Wunsch nach Programmen zum Selbststudium das Bedürfnis zu-
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
130
Tabelle 53:
lfd. Nr
1 2 3
4
5 6 7 8
Frage Nr.27 - PrograaMwünsche an einen Spartenkanal für Bildung im Fernsehen*
Programmwünsche
Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent)
Intensivnutzer
es sollten Informationen über das lokale (örtliche) Bildungsangebot gesendet werden es sollten kulturelle Themen aller Art berücksichtigt werden es sollten politische Informationen über Entwicklungen in der Bundesrepublik und in der Welt Berücksichtigung finden es sollten die verschiedenen lokalen (örtlichen) Weiterbildungseinrichtungen und ihre Arbeit vorgestellt werden es sollten Programme zum Selbststudium angeboten werden es sollten insbesondere Anregungen für meine Hobbies gesendet werden es sollten Möglichkeiten zu einer beruflichen Fortbildung angeboten werden es sollten Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche gesendet werden
22,2
16,1
16,7
12,6
14,8
18,6
14,8
9,9
11,1
7,1
7,4
14,6
7,4
8,1
5,6
12,1
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=28 (Intensivnutzer) bzw. n=624 (Kabelprojektteilnehmer) Personen; bis zu maximal drei Antworten waren möglich gründe liegt, personale Bildungsprozesse zu ergänzen und zu vertiefen. Der starke Wunsch nach politischen Informationen als Teil eines Bildungskanals muß im Zusammenhang mit jenem, von den Befragten geteilten Lernbegriff gesehen werden, demzufolge
"Nachrichtensendungen"
eingeschaltet
werden,
um etwas
Neues
zu
erfahren. Diese Tendenz ist bei den Kabelprojektteilnehmern besonders stark. Die insgesamt relativ unspezifische Erwartungshaltung dieser Gruppe gegenüber einem Bildungskanal im Fernsehen wird u.a. daran deutlich, daß sie — anders als die Intensivnutzer — von einem solchen Kanal deutlich häufiger Anregungen für ihre Hobbies erwartet. Während die Kabelprojektteilnehmer tendenziell eher an Kinder und Jugendliche als Zielgruppe für einen Bildungskanal denken, sind die Programmwünsche der Intensivnutzer bedeutend stärker auf eigene Interessen bezogen. So ist es
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
131
auch verständlich, daß sie den Wunsch nach Angeboten für schulpflichtige Kinder und Jugendliche auf den letzten Rangplatz setzen. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum Schulfunksendungen von den Intensivnutzern in bedeutendem Umfang weder zum inzidentellen noch zum intentionalen Lernen genutzt werden.
2.5.3.3
Lernwege und Lernstrategien
Unter Lernwegen werden hier sowohl die durch verschiedene Sinnesorgane vorgegebenen Lernkanäle als auch die jeweiligen sozialen Kontexte des Lernens verstanden; das Stichwort 'Lernstrategie' thematisiert die aus der Präferenz für einen bestimmten Lernweg resultierenden Handlungskonsequenzen der Individuen unter Einbeziehung der institutionellen Kontexte von Bildungsprozessen. Mit ein Grund für die Nutzung bildungsbezogener Fernsehsendungen dürfte, neben dem grundsätzlichen Interesse an Bildung und dem Vorhandensein eines entsprechenden Angebots, bei den Intensivnutzern in der Präferenz für einen bestimmten Lernweg bzw. eine spezielle Lernstrategie liegen. Um dieser Hypothese weiter nachzugehen, soll im folgenden dargestellt werden, wo die spezifischen Vorzüge unterschiedlicher Bildungsmedien von den Intensivnutzern bzw. den Kabelprojektteilnehmern gesehen werden und welcher Lernstrategie subjektiv die größten Erfolgschancen eingeräumt werden. Die Tabelle 54 gibt Aufschlüsse über die Vorzüge eines Lernens via Bildschirm im Vergleich zum Lernen in WeiterbildungsVeranstaltungen. Es lassen sich interessante Unterschiede zwischen Intensivnutzern und Kabelprojektteilnehmern in der Bewertung der Vorzüge des Fernsehens als Lernmedium erkennen. Neben der Chance zur Aufzeichnung und den damit prinzipiell sich ergebenden Möglichkeiten, den Lernstoff dem eigenen Lernrhythmus anzupassen, schätzen die Intensivnutzer hauptsächlich die anschauliche und konzentrierte Form der Darbietung im Fernsehen. Die Vorzüge des Fernsehens als Bildungsmedium werden vorrangig über positiv bewertete Eigenschaften des Mediums und nicht so ausgeprägt, wie bei den übrigen Kabelprojektteilnehmern, über eine negative Ausgrenzung vermeintlicher Nachteile von Weiterbildungsveranstaltungen wie z.B. die "Abhängigkeit von anderen Teilnehmern" sowie damit verbundene finanzielle Aufwendungen beschrieben. Auffallig ist desweiteren, daß die Kabelprojektteilnehmer häufiger der Ansicht sind, man fände "immer etwas Interessantes im Fernsehen", das Fernsehen böte ein "äußerst vielseitiges Angebot" und man könne bildungsbezogene Sendungen "nebenbei verfolgen, auch wenn man etwas anderes tut". Werfen wir nun, um die Einschätzung unterschiedlicher Bildungsmedien zu ergänzen, einen Blick auf die Beurteilung der
132
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Tabelle 54: lfd. Nr.
Frage Nr.30 - Vorzüge des Fernsehens als Lernaedlun*
Vorzüge des Fernsehens
Intensivnutzer
man kann Fernsehsendungen auf Videocassetten aufzeichnen 2 im Fernsehen wird der Unterrichtsstoff anschaulich dargeboten 3 die fachlichen Informationen werden im Fernsehen in konzentrierter Form dargeboten 4 bei der Nutzung von Fernsehsendungen ist man unabhängig von anderen Teilnehmern 5 man spart die Anfahrtswege zu Weiterbildungsveranstaltungen 6 in den Fernsehsendungen kommen nur ausgewählte Experten zu Wort 7 Fernsehsendungen kann man nebenbei verfolgen, auch wenn man etwas anderes tut 8 man findet immer etwas Interessantes im Fernsehen 9 das Fernsehen bietet ein äußerst vielseitiges Angebot 10 man spart das Geld für Weiterbildungsveranstaltungen
Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent)
1
62,5
45,1
34,4
20,3
34,4
13,8
25,0
30,2
21,9
21,0
15,6
11,8
15,6
23,6
12,5
26,0
6,3
16,8
6,3
11,8
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=32 (Intensivnutzer) bzw. n=543 (Kabelprojektteilnehmer) Personen; bis zu maximal drei Antworten waren möglich Vorzüge von WeiterbildungsVeranstaltungen gegenüber dem Lernen mittels Hörfunk bzw. Fernsehen (vgl. Tabelle 55). Insgesamt erhalten jene Aussagen die meiste Zustimmung, die inhaltsbezogene sozial — kommunikative Handlungsweisen beschreiben. Kabelprojektteilnehmer wie Intensivnutzer sehen die Vorzüge von Weiterbildungsveranstaltungen übereinstimmend darin, erstens unmittelbar Rückfragen stellen und zweitens mit anderen Teilnehmern kommunizieren zu können. Jenseits der Übereinstimmung hinsichtlich der Aussagen,
133
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
Tabelle 55; lfd Nr.
1 2
3 4 5 6
7
8
9
Frage Nr. 32 - Vorzüge von Weiterbildungsveranstaltungen
Vorzüge von WeiterbildungsVeranstaltungen
Intensivnutzer
In Weiterbildungsveranstaltungen kann man unmittelbar Rückfragen stellen In Weiterbildungsveranstaltungen kann man sich mit anderen Teilnehmern unterhalten In Weiterbildungsveranstaltungen kann man sich beraten lassen Weiterbildungsveranstaltungen bieten die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen In Weiterbildungsveranstaltungen kann man stärker die eigenen Interessen einbringen In Weiterbildungsveranstaltungen besteht eine persönliche Beziehung zum Dozenten/zur Dozentin Weiterbildungsveranstaltungen sind vielseitig (z.B.: Vorträge, Diskussionen, Filme, Dias, Rollenspiele) Weiterbildungsveranstaltungen bieten ein aufeinander aufbauendes Angebot an Lernmöglichkeiten Im Anschluß an Weiterbildungsveranstaltungen kann man sich privat mit den Teilnehmern und dem Dozenten oder der Dozentin zusammensetzen
Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent)
62,5
73,6
40,6
28,7
28,1
22,2
25,0
24,6
25,0
28,5
21,9
20,1
18,8
20,1
12,5
11,6
9,4
12,8
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=32 (Intensivnutzer) bzw. n=492 (Kabelprojektteilnehmer) Personen; bis zu maximal drei Antworten waren möglich die auf den ersten beiden Positionen der Rangskala zu finden sind, bleiben die Unterschiede zwischen beiden Gruppen gradueller Art. Während die Kabelprojektteilnehmer die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen, relativ häufiger nennen, sind es umgekehrt die Intensivnutzer, die die Chance zur Kommunikation mit anderen Kursteilnehmern stärker hervorheben. Dies Ergebnis deutet darauf hin, daß Intensivnutzer — verglichen mit den Kabelprojektteilnehmern — den Vorzug von Weiterbildungsveranstaltungen stärker in deren dialogischer Struktur, als der Ergänzung einer prinzipiell monologischen Struktur durch Rückkoppelungsschleifen sehen. Intensivnutzer wissen,
134
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
wie hier deutlich wird, durchaus die Chance zur Kommunikation und Interaktion in Weiterbildungsveranstaltungen zu schätzen; ihre Entscheidung für das Lernmedium Fernsehen ist, wie schon wiederholt gezeigt werden konnte, keine Entscheidung gegen die personale Begegnung in Weiterbildungsveranstaltungen. Da es neben der Nutzung bildungsbezogener Fernsehsendungen und dem Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen noch zahlreiche weitere Lernwege gibt, haben wir diese aufgelistet, den Befragten vorgelegt, verbunden mit der Aufforderung, die Lernwege nach ihrer subjektiven Erfolgsaussicht einzuschätzen (vgl. Tabelle 56). Tabelle 56: lfd. Nr
Frage Nr. 51 - Lernwege*
Lernwege
Zustimmung IntensivKabelprojektnutzer teilnehmer (Angaben in Prozent)
1 Ich kann am besten lernen, wenn ich etwas selbst ausprobieren kann 2 wenn ich mit anderen über ein Thema sprechen kann 3 wenn ich ein Buch lese 4 wenn mir ein Stoff dargeboten wird (z.B. Vortrag, Film den ich anschließend selbst durcharbeiten (z.B. mit Hilfe eines Buches) und über den ich mit anderen sprechen kann (z.B. in einer Diskussion) 5 wenn ich einen Film sehe 6 wenn mir jemand etwas vorträgt
92 ,3
91,0
88 ,5 88 ,5
88,3 87,4
88 ,4 73 ,1 64 ,0
81,9 69,8 70,8
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=28 (Intensivnutzer) bzw. n=659 (Kabelprojektteilnehmer) Personen
Die Intensivnutzer zeichnen sich dadurch aus, daß sie handlungsbezogene, interaktive und multimediale Lernformen nahezu gleichwertig hinsichtlich des subjektiven Lernerfolges bewerten. Bezüglich der größeren Bedeutung, die sie dem Lernen im Medienverbund zuweisen, unterscheiden sie sich von den Kabelprojektteilnehmern. Wenngleich die lernstoffbezogene personale Interaktion und Kommunikation durchweg den darbietend — rezeptiven Lernformen (Vortrag und Film) vorgezogen wird, so rangiert der Lernweg "Film", anders als bei den Kabelprojektteilnehmern, in der Gruppe der Intensivnutzer vor dem "Vortrag".
135
2.S Intensivnutzer des Bildungskanals
Resümierend läßt sich festhalten: Die Intensivnutzer bevorzugen ebenso wie die übrigen Kabelprojektteilnehmer jene Lernwege, die Möglichkeiten zur Eigen— bzw. Gruppenaktivität bieten, sind aber stärker als der Durchschnitt bereit, audiovisuelle Medien, insbesondere den Film, in diese Lernprozesse zu integrieren; dem Lernen im Medienverbünd wird deshalb ein höherer Stellenwert beigemessen. Welche Konsequenzen folgen daraus nun für die zu wählenden Lernstrategien. Um Aufschlüsse hierüber zu erhalten fragten wir die Dortmunder Kabelprojektteilnehmer nach ihren individuellen Lernstrategien, wenn sie vor der Aufgabe stehen, sich über ein Thema näheres Wissen aneignen zu wollen. Die Ergebnisse finden sich in Tabelle 57. Tabelle 57: lfd. Nr.
1
2
3 4
Frage Nr. 35 - Lernstrategien *
Lernstrategien
Kabelprojektteilnehmer (Angaben in Prozent)
Intensivnutzer
Ich besorge mir Literatur zum Thema, um es selbst bzw. zusammen mit Freunden/Kollegen durchzuarbeiten Ich sehe mir zu dem Thema verschiedene Sendungen im Fernsehen an bzw. besorge mir entsprechende Videocassetten Ich belege einen Kurs zu dem Thema an einer Weiterbildungseinrichtung Ich höre mir zu dem Thema verschiedene Sendungen im Hörfunk an bzw. besorge mir entsprechende Toncassetten
52,0
61,3
36,0
23,6
12,0
12,9
0,0
2,2
* Häufigkeitsverteilung der Antworten von n=28 (Intensivnutzer) bzw. n=674 (Kabelprojektteilnehmer) Personen Die bezüglich der Lernwege festgestellten Unterschiede zwischen Intensivnutzern und dem Durchschnitt der Kabelprojektteilnehmer hat Konsequenzen, wenn es um die Entscheidung für persönlich zu wählende Lernstrategien geht. Bezüglich der Rangplätze, die die unterschiedlichen Lernstrategien bei Intensivnutzern und Kabelprojektteilnehmern einnehmen, sind zunächst keine Differenzen festzustellen. Während Kabelprojektteilnehmer sich stärker noch als Intensivnutzer für das Literaturstudium als primäre Lernstrategie entscheiden, ist die Bereitschaft, sich über die Nutzung von
136
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
bildungsbezogenen audiovisuellen Medien fortzubilden, bei Intensivnutzern stärker ausgeprägt. Das ändert jedoch nichts an der eindeutigen Dominanz der Printmedien in den individuellen Lernstrategien. Die Vorrangstellung des 'Printmediums' Literatur zeigt, daß bei intentional arrangierten Lernprozessen kognitive Aspekte im Vordergrund stehen. Dies bedeutet einerseits, daß die Programm - Medien auch für die Intensivnutzer keine Konkurrenz zu den Printmedien darstellen, insbesondere im Bildungsbereich; das mag unter anderem auf das Angebot der unterschiedlichen Medien und die damit bereits seit Jahrzehnten eingeschliffenen Lernstrategien der Bevölkerung zurückzuführen sein. Andererseits ist jedoch zu sehen, daß eine kognitive Verengung des Bildungsbegriffs — eventuell aufgrund von Schulerfahrungen — vorherrscht. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Nutzung von Fernsehen/Videocassetten vor dem Besuch von Weiterbildungseinrichtungen den zweiten Platz einnimmt. Dies ist nicht als Widerspruch zu den Aussagen zu interpretieren, daß zwischen beiden Institutionen grundsätzlich keine Konkurrenz besteht und handlungsbezogen — aktivierende Lernformen darbietend —rezeptiven vorgezogen werden. Ein Verdrängungswettbewerb träte erst dann ein, wenn beide Einrichtungen ohne Kooperation in gleicher Richtung und Qualität produzierten; damit ist aber nicht zu rechnen. Für bereits Bildungsinteressierte besteht hier ohnehin keine Spannung; sie werden Weiterbildungskurse vorziehen. Aber: die 'breite' Bevölkerung bevorzugt offenbar Fernsehen/Videocassetten — trotz besserer Einsichten — weil diese bequemer erreichbar erscheinen. Die Intensivnutzer hingegen schätzen das Prinzip der Veranschaulichung und verbinden ihre medialen mit personalen Lernprozessen. Berücksichtigt man diese Faktoren, so wird das gewonnene Ergebnis verständlich. Das schlechte Abschneiden von Radio/Toncassette erstaunt zunächst. Ein Blick auf das Programmprofil des Hörfunks liefert uns jedoch erste Erklärungen. Weniger noch als dem Fernsehen wird dem Hörfunk von der überwiegenden Mehrheit der Dortmunder Kabelprojektteilnehmer eine Bildungsfunktion zugeschrieben. Angesichts der geschichtlichen Ursprünge dieses Mediums mag das verwundern; offenbar hat aber das Radio gerade im Bildungsbereich erheblich an Terrain verloren, weil die Vielzahl von Radioprogrammen mit Musik rund um die Uhr und der zunehmende Verzicht auf wiedererkennbare und eindeutige Programm —Profile und Programm —Strukturen hier zu einem Akzeptanzverlust in einem wichtigen Bereich geführt haben.
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
137
Die Forschungsergebnisse zu Lernwegen und Lernstrategien legen es nahe, dafür zu plädieren, daß in Zusammenarbeit von Weiterbildungseinrichtungen und Rundfunkanstalten medien — integrierende Lernformen stärker gefördert werden sollten. Für diesen Vorschlag spricht auch ein weiteres Ergebnis der Befragung. Aus den Interviews mit den Intensivnutzern des Bildungskanals wissen wir, daß immer dann, wenn Programm — Medien zum intentionalen Lernen genutzt werden, dies vielfach parallel zum Besuch entsprechender Weiterbildungsveranstaltungen geschieht. Hiermit wird von den Teilnehmern das Ziel verfolgt, die in den Sozialphasen des Lernens erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Bildungsbeiträge von Hörfunk und Fernsehen werden gerne als Teil eines Medienverbundprogrammes in Anspruch genommen; selbst wenn dies von den Programmverantwortlichen nicht intendiert war, so bemühen sich die an medialer Bildung Interessierten darum, ihr individuelles Medienverbundprogramm zusammenzustellen. Diese Tendenz sollten Rundfunkanstalten und Weiterbildungseinrichtungen aufgreifen, um neue Formen des Medienverbundes zu erproben.
2.5.3.4
Stellenwert von Bildung und Weiterbildungsaktivitäten
Die Intensivnutzer des Bildungskanals sind sich mit der überwiegenden Mehrheit der Kabelprojektteilnehmer in der generellen Wertschätzung von Bildung einig. Neben der beruflichen wird dabei die kulturelle Bildung sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der persönlichen Ebene für ganz zentral gehalten. Während sich nur bei rund einem Viertel der Kabelprojektteilnehmer die zum Ausdruck gebrachte Wichtigkeit der Bildung auch in einem entsprechenden Weiterbildungsverhalten dokumentiert, gaben immerhin drei von vier Intensivnutzern des Bildungskanals an, im letzten Jahr an Veranstaltungen der Weiterbildung teilgenommen zu haben. Umgekehrt wissen wir bereits, daß bildungsbezogene Sendungen der Programm — Medien, insbesondere der Kultur— und Bildungskanal von weiterbildungsaktiven Dortmunder Bürgerinnen und Bürgern deudich häufiger zum Lernen genutzt werden, als von den Weiterbildungspassiven. Somit besteht ein positiver wechselseitiger Zusammenhang zwischen dem Besuch von Weiterbildungskursen und der Nutzung bildungsbezogener Rundfunkprogramme. Dieser Sachverhalt deckt sich auch mit den bisher referierten Ergebnissen; erinnert sei hier an die Aussagen zum Lernen im Medien verbünd. Vergleicht man die Angaben zum Weiterbildungsverhalten der weiterbildungsaktiven Kabelprojektteilnehmer mit denen der Intensivnutzer, so lassen sich keine auffal-
138
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
lenden Unterschiede hinsichtlich Themen, Veranstaltern und Veranstaltungsformen erkennen. Die Initiative zur Teilnahme an der Weiterbildung geht in der überwiegenden Zahl der Fälle von den Intensivnutzern aus, auch hierin unterscheiden sie sich nicht von den anderen Weiterbildungsaktiven. Als Bildungsmotive werden das Interesse an allgemeiner Bildung, Persönlichkeitsentwicklung, Ergänzung, Vertiefung und Auffrischung bestehender Wissensbestände, berufliche Gründe sowie der Wunsch nach Erfahrungsaustausch angeführt. Wie die Daten zu dem langjährigen Weiterbildungsverhalten der Befragten zeigen, gehörte der überwiegende Teil der Intensivnutzer bereits vor Beginn des Kabelpilotprojekts zu den an Bildung generell Interessierten. Das Angebot der Dortmunder Spartenkanäle für Bildung und Kultur wurde von diesem Personenkreis deshalb genutzt, weil bereits vorher entsprechende Dispositionen und Vorlieben bestanden. Die bildungs — und kulturbezogenen Angebote haben insofern eine vorhandene "Marktlücke" gefüllt. Dagegen ist es ihnen — von Ausnahmen abgesehen — nur begrenzt gelungen, neue Zielgruppen an die Bildung heranzuführen. Wie die Befragung auch gezeigt hat, gibt es heute aber relevante Bevölkerungsgruppen, die zwar an individueller Bildung interessiert sind, die aber keine Weiterbildunginstitute aufsuchen. Diesen Menschen ein adäquates Bildungsangebot zu unterbreiten, könnte eine Aufgabe eines Spartenkanals für Bildung sein. Durch ihre Präsenz in einem solchen Programm wäre es den Bildungsträgern sodann möglich, eine Brücke zu diesen Menschen zu schlagen, um auf diese Weise noch bestehende Hemmschwellen zu beseitigen, die dem Besuch von Weiterbildungskursen im Wege stehen.
2.5.4 2.5.4.1
Typologie der Intensivnutzer Die an Fremdsprachen Interessierten
Diese Gruppe der Intensivnutzer interessiert sich primär für die Sprachkurse des Bildungskanals. Im Vordergrund steht dabei das Interesse an der Auffrischung eigener Fremdsprachenkenntnisse. Von allen dieser Gruppe zugehörigen Personen werden die in der "klugen Sieben" ausgestrahlten Sprachkurse als individuelle Ergänzung zum langjährigen Besuch entsprechender Fremdsprachenkurse der Weiterbildungseinrichtungen genutzt. Es sind hauptsächlich berufstätige Frauen, die dieser Teilpopulation angehören. Die Zuwendung zu den Angeboten des Bildungskanals ist durchweg nicht beruflich motiviert, ihr liegt vielmehr ein allgemeines Bildungsinteresse zugrunde.
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
139
Angehörige dieser Gruppe verfolgen die Angebote des Bildungskanals seit Sendebeginn. In der Regel wird der Fernseher von Personen dieser Teilpopulation an Werktagen nicht vor 18 bzw. 19 Uhr eingeschaltet. Nach Möglichkeit sind die an den Sprachkursen Interessierten darum bemüht, alle Folgen eines Kurses mindestens einmal, häufig sogar zwei— oder mehrmals zu sehen. Die Idee der mehrfachen zeitverschobenen Wiederholungen wird sehr begrüßt, da es so möglich wird, sich jenen Ausstrahlungstermin auszusuchen, der am besten in die eigene Terminplanung paßt. Vielfach werden mehrere Sprachkurse parallel verfolgt und auch die entsprechenden Angebote anderer Kanäle, vornehmlich der Dritten Fernsehprogramme. Der Einstieg in die jeweilige Zielsprache geschah in allen Fällen bereits zuvor in Kursen der örtlichen Weiterbildungseinrichtungen. Personen dieser Gruppe besuchen seit langen Jahren kontinuierlich die Weiterbildungskurse bspw. der Volkshochschule oder der Rheinisch —Westfälischen —Auslandsgesellschaft. Die Nutzung der Fernsehsprachkurse geschieht in Ergänzung zum Besuch dieser Kurse. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, wenn auf das je spezielle Begleitmaterial zu den Fernsehsendungen verzichtet wird. Den größeren Stellenwert mißt dieser Personenkreis der Sprachinteressierten eindeutig den Direktkursen bei. Kommt es einmal zu einer terminlichen Uberschneidung zwischen Direktkurs und Fernsehkurs, so ist es keine Frage, daß dann die Fernsehsendung zurückstehen muß. Die Fremdsprachenangebote des Bildungskanals dienen als willkommene Ergänzung, mittels derer es möglich wird, ohne sich dabei allzusehr anstrengen zu müssen, bereits erworbene Kenntnisse zu vertiefen und zu festigen. Insbesondere die im Fernsehen gegebenen Erklärungen werden gern zur Wiederholung und Überprüfung des eigenen Kenntnisstandes genutzt. Als angenehmer Lernrhythmus werden durchweg zwei neue Folgen pro Woche empfunden. Aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten (Nichtvorhandensein eines Videorecorders) werden die einzelnen Kursfolgen zumeist nicht aufgezeichnet bzw. archiviert. Wenngleich dies aber auch nicht so dringend erscheint, da die Fernsehsendungen im Prinzip nur als sekundäres Lernmedium neben den Direktkursen genutzt werden, so besteht doch oft der Wunsch, die Sendungen aufzuzeichnen, um den Lernstoff besser dem eigenen Lernrhythmus anpassen zu können. Neben den Fremdsprachenkursen werden von Personen dieser Gruppe besonders gern Dokumentationen über fremde Kulturen, Berichte von Auslandskorrespondenten, Reisemagazine, kunst— und kulturgeschichtliche Themen sowie zum Teil auch Vorträge der Kabelakademie im Bildungskanal angesehen. Diese Sendungen müssen keinesfalls nur auf das Land bzw. den Kulturkreis ausgerichtet sein, dessen Sprache
140
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
man auch erlerat; sie vermögen das Sprachenlernen im Einzelfall aber durchaus zu bereichern und abzurunden. Im Vordergrund der Nutzung der Fernsehsendung steht dabei nicht so sehr die Unterhaltungsfunktion, sondern das Bestreben, seinen kulturellen Horizont zu erweitern. Abgesehen von vereinzelten Kritikpunkten hinsichtlich des Angebotes an Sprachkursen bzw. der dort präsentierten Inhalte sind die Personen dieser Gruppe mit den Sendeformen und Sendeinhalten des Bildungskanals sehr zufrieden und möchten in Zukunft auf gar keinen Fall mehr auf "Die kluge Sieben" verzichten. Das Programm wird als echte Bereicherung zum bisherigen Angebot des Fernsehens wahrgenommen, das man sich gar nicht mehr wegdenken kann. Nicht zufrieden ist die Gruppe der Sprachinteressierten allerdings mit den äußerst dürftigen und oftmals falschen Programmankündigungen in der City —Post. Diese Kritik betrifft aber nicht nur den Bildungskanal, sondern bezieht sich auf sämtliche Kanäle; ausführlichere Programmankündigungen werden hier dringend gewünscht. Um sich einen zuverlässigen Überblick über die tatsächlich ausgestrahlten Programme zu verschaffen, wird der Kabeltext gern herangezogen. Obschon diese Gruppe der Intensivnutzer mit ihrem Sprachstudium nicht primär eine berufliche Verwendungsabsicht verbindet, so kann es durchaus vorkommen, daß die neu gewonnenen Sprachkenntnisse auch beruflich von Vorteil sind. Häufig kommt es jedoch vor, daß das Erlernen einer Fremdsprache in einen unmittelbaren Zusammenhang mit Reiseabsichten gebracht wird. Vielfach sind die Grenzen zwischen beruflichem und freizeitorientiertem Anwendungsbezug fließend; wichtig ist jedoch, daß die Beschäftigung mit Fremdsprachen von diesem Personenkreis keinesfalls instrumentell, in welcher Richtung auch immer, geschieht; hiergegen spricht auch das langjährige Interesse am Thema "Fremdsprachen" insgesamt. Der Nutzung sprachbezogener Fernsehsendungen wird von Personen dieser Gruppe, wie bereits erwähnt, eine ergänzende Funktion zugewiesen. Eine Substitution von Weiterbildungskursen durch Fernsehangebote ist für sie deshalb nicht vorstellbar. Vor die Alternative gestellt, sich entweder für das Fernsehen oder die Gruppe als Lernmedium zu entscheiden, bevorzugt diese Teilpopulation der Intensivnutzer den direkten Kontakt zwischen Dozenten und Teilnehmern. Der Lernertrag von Direktkursen wird eindeutig höher veranschlagt als der von Fernsehsendungen. Andererseits erlaube die Zeit nur eine begrenzte Anzahl von Direktkursen zu besuchen; das Sprachangebot des Fernsehens bietet deshalb eine willkommene Ergänzung zum Direktkurs.
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
2.5.4.2
141
Die unterhaltungsorientierten Älteren
Personen dieser Gruppe sind am Programm des Bildungskanals vor allem deshalb interessiert, weil sie hier niveauvolle Beiträge finden, die sie zu ihrer Unterhaltung nutzen. Das Angebot an allgemeinbildenden populärwissenschaftlichen Einzelsendungen wird als dankbare Alternative zu den sonst gängigen massenattraktiven Unterhaltungssendungen empfunden. Menschen, die den Bildungskanal auf diese Weise nutzen, stammen vornehmlich aus bildungsbürgerlichen Kreisen und sind bereits im Rentenalter. Explizite Bildungsinteressen werden von diesem Personenkreis nicht mehr artikuliert. Sendungen des Bildungskanals, die ihnen zu wissenschaftlich sind, werden gemieden. Angehörige dieses Typus von Intensivnutzern, die den Bildungskanal zumeist seit Sendebeginn verfolgen, schalten ihr Fernsehgerät durchweg am späten Nachmittag bzw. am frühen Abend ein. Der Mediennutzung liegt dabei primär der Wunsch nach Entspannung und Unterhaltung zugrunde. Da dieser Personenkreis aber amerikanische Serien, Seifenopern jeder Art und sonstige Unterhaltungsshows wenig schätzt, möchte er gern sein Bedürfnis nach Ablenkung durch anspruchsvolle Beiträge des Fernsehens befriedigen. Die allgemeinen Bildungssendungen der "klugen Sieben" vermögen gerade dieser Interessenlage zu entsprechen. Von diesem Typus der Intensivnutzer werden Dokumentationen über fremde Länder, Umwelt— und Tiersendungen, Beiträge zur Gesundheit und Medizin sowie populärwissenschaftliche Sendungen besonders gern genutzt. Die Programmauswahl geschieht in aller Regel relativ unselektiv. Zwar kommt es auch vor, daß bestimmte Sendungen gezielt angesteuert werden, im allgemeinen wird jedoch ad hoc entschieden, welches Programm verfolgt wird. Die Erfahrung der an niveauvoller Unterhaltung Interessierten ist dabei, daß der Bildungskanal häufig ein für sie interessantes Programm bietet. Gelegendich wird diese Erwartungshaltung aber auch enttäuscht, nämlich dann, wenn naturwissenschaftliche und technische Inhalte bzw. Sprachkurse auf dem Programm stehen. In diesen Fällen wird dann von diesem Typ der Intensivnutzer ein anderer Kanal gewählt, was jedoch nicht ausschließt, daß zu einem späteren Zeitpunkt am Abend erneut der Versuch unternommen wird, zum Bildungskanal zurückzukehren. Angesichts dieser Mediennutzung ist es verständlich, wenn Wiederholungen ambivalent beurteilt werden; ihr Vorteil wird darin gesehen, verpaßte Sendungen zu einem späteren Zeitpunkt doch noch empfangen zu können, der Nachteil liegt darin, daß der Bildungskanal an manchen Tagen kein neues Angebot für diese Personengruppe zu unterbreiten vermag, da man die Beiträge bei der Erstausstrahlung schon gesehen hat.
142
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
An Aufzeichnungen sind diese Intensivnutzer deshalb wenig interessiert, außerdem verfügen sie auch gar nicht über einen Videorecorder. Die Angebote des Kabeltextes werden durchweg nur zur Programminformation genutzt. Mit den im Bildungskanal angebotenen Themen sind die unterhaltungsorientierten Intensivnutzer durchweg zufrieden; sie würden sich allerdings wünschen, daß die von ihnen präferierten allgemeinen Bildungssendungen zugunsten der fachspezifischen bzw. wissenschaftlichen ausgeweitet würden. Allerdings wird auch Verständnis für die Nutzer dieser Programme gezeigt. Personen dieses Typus von Intensivnutzer sind sämtlich nicht mehr berufstätig; ihm gehören überwiegend alleinstehende Frauen an. Da dieser Personenkreis auch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, sind seine Kontakte zur Außenwelt relativ eingeschränkt; sie nehmen nicht mehr in dem Maße am öffenüichen Leben teil wie früher und kommen deshalb nach eigenen Aussagen auch nicht mehr so viel unter Menschen. Der Fernseher wird somit teilweise zum Ersatz für personale Kontakte. Die Entscheidung, sich am Modellversuch zu beteiligen, erfolgte zum Teil explizit mit der Maßgabe, für künftige Zeiten, in denen man möglicherweise noch größeren gesundheitlichen Einschränkungen unterliegt, "vorzusorgen". An Weiterbildungsveranstaltungen nimmt dieser Personenkreis nicht meht aktiv teil. Der letzte Besuch eines entsprechenden Kurses liegt zumeist schon mehrere Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte zurück. In jüngeren Jahren haben sich Personen dieser Gruppe durchweg sehr aktiv in der Weiterbildung engagiert. Heute ist diese Aspiration zur Teilnahme an Weiterbildung aber nahezu völlig erlahmt. Als Gründe hierfür wird das Alter, die Krankheit und die Angst ins Feld geführt, sich in der Dunkelheit alleine auf die Straße zu wagen. Die Frage nach einer möglichen Substitution von unterschiedlichen Bildungsmedien stellt sich für diesen Personenkreis damit gar nicht. Obschon die unterhaltungsorientierten Alteren nicht auf den Fernseher als alleiniges Medium zur Gestaltung ihrer Zeit angewiesen sind — sie greifen auch gern einmal zum Buch — wird es von ihnen doch sehr bedauert, daß die Spartenkanäle nach Ablauf der Projektphase wieder eingestellt werden.
2.S Intensivnutzer des Bildungskanals
2.5.4.3
143
Die an gesellschaftlicher Teilhabe interessierten Arbeiter
Angehörige dieser Teilpopulation begründen ihr Interesse am Programm der "klugen Sieben" hauptsächlich damit, über diesen Spartenkanal Wissen, Kenntnisse und Informationen zu erhalten, die es ihnen ermöglichen, in der Diskussion mit Arbeitskollegen, Vorgesetzten und Freunden bestehen zu können. Das thematische Spektrum an Programminteressen ist dementsprechend recht breit, es reicht vom Schulfernsehen über Teile des Telekollegs bis hin zu Vorträgen der Kabelakademie. Vielfach wurde der Bildungskanal erst relativ spät von den Angehörigen dieser Teilpopulation als Quelle für die Erweiterung ihres Horizontes entdeckt. Menschen dieser Gruppe leben überwiegend in bildungsfernen Milieus; der Bildungskanal stellt für sie insofern zum Teil eine Brücke in eine andere Lebenswelt dar. Innerhalb dieser Gruppe sind männliche Arbeiter besonders stark vertreten. Für diese Gruppe der Intensivnutzer ist typisch, daß sie, sofern sie nicht schon durch die Nutzung von Sendungen des Telekollegs in den Umgang mit Bildungsfernsehen eingeübt sind, die Programme der "klugen Sieben" erst im Laufe der Versuchsphase entweder selbst für sich entdeckt haben oder aber von anderen hierauf aufmerksam gemacht wurden. Einer der Befragten gibt zu, bei dem ersten Kontakt mit dem Bildungskanal sich über die dortigen Programmangebote lustig gemacht zu haben. Nach einem ersten neugierigen Hineinschnuppern in das Programm habe sich dann allmählich das Interesse an den ausgestrahlten Sendungen entwickelt. Gesteigert wurde die Akzeptanz schließlich durch einen Überdruß an amerikanischen Unterhaltungsserien in den massenattraktiven Programmen. Da die Angehörigen dieser Teilpopulation von Intensivnutzern durchweg im Schichtdienst arbeiten, haben sie keine festen Zeiten, zu denen sie den Bildungskanal einschalten. Die zeitversetzten Wiederholungen kommen der Lebenslage und dem damit einhergehenden Mediennutzungsverhalten dieser Menschen stark entgegen. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Begründungen für die Nutzung des Bildungskanals das Argument, "mitreden" zu können. Angehörige dieser Gruppe von Intensivnutzer, die sich primär aus männlichen Arbeitern mittleren Alters zusammensetzt, haben ein ausgeprägtes Gefühl für ihre Bildungsdefizite. Sie fühlen sich im Vergleich mit den eigenen Kindern, Arbeitskollegen und Vorgesetzten bildungsmäßig benachteiligt und zugleich durch diese herausgefordert. Den Bildungskanal sehen sie deshalb als willkommene Quelle für jene Informationen an, die es ihnen erlauben, in Diskussionen mithalten zu können, nicht abseits zu stehen und vielleicht auch einmal gefragt zu werden. Diesen Menschen bietet der Bildungskanal Informationen, die es ihnen
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2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
erlauben, auf dem laufenden zu bleiben, sich besser verkaufen zu können bzw. anderen auch einmal mit dem eigenen Wissen imponieren zu können. Der Wunsch, von den Sendungen der "klugen Sieben" zu profitieren, geht soweit, daß das Wissen um den Bildungskanal und seine Inhalte geheimgehalten wird, um die Quelle, aus der man sein Wissen bezieht, nicht bekanntgeben zu müssen. Das hier zum Vorschein kommende Verhalten ist keineswegs nur auf den Bildungskanal beschränkt; die Bildungsaktivitäten dieser Intensivnutzer blühen überwiegend im Verborgenen. Diese Menschen stehen auf dem Standpunkt: Zu einem Bildungsengagement bekenne ich mich erst dann öffentlich, wenn ich es erfolgreich abgeschlossen habe, indem ich zum Beispiel ein Zertifikat erwerbe. Hinter dieser Einstellung steht die deutlich artikulierte Angst zu versagen und damit seinen sozialen Status zu gefährden. Es ist bezeichnend, daß diese Menschen in ihrem Bildungsinteresse von ihrer unmittelbaren sozialen Umgebung nicht gestützt werden. Wenn sie Sendungen der "klugen Sieben" verfolgen, dann häufig entweder alleine, wenn die anderen Familienangehörigen nicht da sind oder diese gerade nicht fernsehen möchten. Videoaufzeichnungen von Bildungssendungen sind — zumindest für einen Teil dieser Intensivnutzer — besonders wichtig. Auf diese Weise läßt sich ein möglicher Konflikt mit Familienangehörigen zwischen Unterhaltungs — und Bildungsinteressen vermeiden, ohne auf bestimmte Sendungen gänzlich verzichten zu müssen. Die Erfahrung mit der Nutzung von Aufzeichnungen ist allerdings ambivalent. Zwar werden diese in der Regel nachträglich aufgearbeitet, doch es besteht auch die Gefahr, daß Beiträge auf diese Weise der Vergessenheit anheimfallen. Archiviert werden besonders gern zusammenhängende Kursreihen und weniger Einzelsendungen. Intensivnutzer der hier beschriebenen Gruppe leben in dem Zwiespalt, sich einerseits der Herausforderung der eigenen Bildung zu stellen, dabei aber wenig Unterstützung durch ihr soziales Milieu zu erhalten. Sie werden deshalb oft auf eine doppelte Isolation vor dem Bildschirm zurückgeworfen: In der Rezeptionssituation vor dem Fernseher wünschen sie sich zwar oft den Kontakt mit anderen, um bestimmte unverstandene Dinge aufarbeiten zu können, andererseits erlaubt die dem Bildungskanal von ihnen selbst zugewiesene Rolle als geheime Quelle von Informationen es ihnen aber nicht, diesen Kontakt außerhalb der Familie offen zu suchen. In der Nutzung des Bildungskanals offenbart sich die ganze Schwierigkeit im Umgang mit dem für diese Gruppe so hoch angesehenen und doch so schwer zu erwerbenden Gut 'Bildung'. Die relativ späte Entdeckung des Bildungskanals durch diese Population könnte als Indiz dafür gedeutet werden, daß durch die allmähliche Nutzung der Bildungspro-
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
145
gramme ein latent vorhandenes Bildungsbedürfnis geweckt wurde; dieser Eindruck wäre jedoch irreleitend. Das grundsätzliche Interesse an Bildung war bereits vorher vorhanden; dies zeigt sich u.a. darin, daß Personen dieser Gruppe z.B. ihre Mittlere Reife in der Abendschule nachgeholt haben oder aber eine zusätzliche berufliche Fortbildung auf freiwilliger Basis in ihrer Freizeit besuchen. Während der eine Teil dieser Gruppe sein Weiterbildungsengagement mit der Hoffnung verbindet, über zusätzliche formale Abschlüsse seine soziale Position zu verbessern, geht es für die anderen nur noch darum, sich jenseits berufsbezogener utilitaristischer Interessen geistig fit zu halten. Daß eine Fort— und Weiterbildung ausschließlich über den Bildungskanal ein gangbarer Weg wäre, um beruflich voranzukommen, wird aber selbst von der ersten Gruppe nicht für möglich gehalten. Den Angeboten der "klugen Sieben" wird auch von dieser Teilpopulation lediglich eine ergänzende Funktion zu anderen nichtmedialen Bildungsaktivitäten zugewiesen; eine Verdrängung von direkten personalen Weiterbildungsaktivitäten durch das Fernsehen findet auch bei dieser Gruppe nicht statt. Zu den Themen, die sich unter den hier charakterisierten Intensivnutzer eines besonderen Interesses erfreuen, gehören der gesamte Bereich der Naturwissenschaften und Technik, ferner die Betriebswirtschaftslehre und nur in geringerem Maße ökologische, geschichtliche sowie sprachliche Inhalte. Die starke Vorliebe für naturwissenschaftliche Themen macht es, angesichts der in diesem Bereich besonders hohen Halbwertszeit, verständlich, daß öfters kritisiert wird, die dargebotenen Sendereihen seien entweder hinsichtlich der Inhalte oder aber der Präsentationsformen veraltet. Eine noch größere Attraktivität könnte der Bildungskanal für diese Intensivnutzer gewinnen, wenn er mehr Hintergrundwissen zu aktuellen Problemen anböte und auf weitere Informationsquellen hinwiese.
2.5.4.4
Die an Unterrichtsmaterialien interessierten Pädagogen
Diese Gruppe zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Programmangebote des Bildungskanals primär aus beruflichen Interessen verfolgt. Im Vordergrund steht dabei nicht so sehr die eigene Fortbildung, sondern die Sichtung der Bildungssendungen unter dem Aspekt, inwiefern diese als Unterrichtsmaterial in eigenen Lehrprozessen an der Schule bzw. Hochschule eingesetzt werden können. Eine diesen Gesichtspunkten folgende Auswertung der Programme des Bildungskanals erstreckt sich prinzipiell auf sämtliche Themen und Sendeformen wobei allerdings ein Schwerpunkt im Bereich der Naturwissenschaften liegt. Zumeist sind es nur kleinere Fragmente einer Sendung
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2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
bzw. Teile eines umfangreicheren Kursprogramms, die in das eigene Lehrkonzept eingebaut werden. Angehörige dieser Gruppe sind ausschließlich (Hochschul — ) Lehrer des öffentlichen Bildungswesens; freiberufliche, in der Wirtschaft tätige Dozenten und Trainer sind darunter nicht vertreten. Angehörige dieser Gruppe nutzen die Programme des Dortmunder Spartenkanals für Bildung seit Sendebeginn. Feste Zeiten, zu denen das Programm der "klugen Sieben" eingeschaltet wird, kennt dieser Personenkreis nicht. Sendungen werden gezielt ausgesucht, wobei jeweils der Ausstrahlungstermin gewählt wird, der am besten in die eigene Zeitplanung paßt. Das Motiv für die Nutzung des Bildungskanals ist ein primär berufliches, nämlich dargebotene Sendungsinhalte daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie als Unterrichtsmaterial in eigenen Lehrprozessen an der Schule oder Hochschule eingesetzt werden können. Im Vordergrund steht dabei überwiegend die inhaltliche Dimension, daneben gibt es aber auch das professionelle Interesse an den Präsentationsformen von Bildungssendungen. Die Palette der genutzten Sendungen reicht thematisch von Physik, Chemie, Mathematik über Datenverarbeitung bis hin zu politischen, historischen und medienkritischen Inhalten. Über das berufliche Interesse am Bildungskanal hinaus artikuliert diese Gruppe von Intensivnutzern zumeist auch ein privates; dieses konzentriert sich durchweg auf Fremdsprachen, landeskundliche Sendungen, Reiseberichte und geographische Beiträge. Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Typen von Intensivnutzern haben sich die Nutzungsgewohnheiten der an Unterrichtsmaterialien interessierten Pädagogen während der Laufzeit des Kabelprojekts verändert. Während zu Beginn des Modellversuchs der Bildungskanal deuüich häufiger eingeschaltet wurde, hat die Intensität der Nutzung mittlerweile nachgelassen. Dieser Tatbestand wird von den Befragten selbst darauf zurückgeführt, daß sie nach rund zwei Jahren Erfahrung mit dem Bildungskanal kaum noch neue Sendungen bzw. Kursreihen finden. Der Fundus an Bildungsprogrammen ist, wie es einer der Interviewten ausdrückt "erschöpft". Daß durchaus noch ein Bedürfnis hinsichdich des Kennenlernens neuer Angebote existiert, macht die Kritik deutlich, die von Angehörigen dieser Teilpopulation am Bildungskanal formuliert wird. Demnach wird vor allem von den an naturwissenschaftlichen Themen Interessierten betont, daß die dargebotenen Inhalte zum Teil dringend einer Aktualisierung bedürfen. Auch wird das geringe Angebot im physikalisch — technischen Bereich beklagt. Die in dieser Gruppe festzustellende Präferenz für naturwissenschaftliche Sendungsinhalte mag unter anderem darauf zurückzuführen sein, daß in diesem Typus von Intensivnutzern nur Männer vertreten sind. Möglicherweise handelt es sich hier um eine zufallige Verzerrung, in der von uns befrag-
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
147
ten Population von Intensivnutzern. Vielleicht spiegelt sich hier aber auch ein geschlechtsspezifischer Umgang mit Medien wider. Diese Frage muß derzeit offen bleiben; ihr sollte in weiteren Untersuchungen nachgegangen werden. Wenngleich diese Gruppe von Intensivnutzern insgesamt relativ zufrieden mit dem Angebot des Bildungskanals ist, so haben sie doch ziemlich konkrete Vorstellungen davon, wie man das Angebot der "klugen Sieben" verbessern könnte. Zunächst wünschen sie sich datailliertere Programminformationen zu den einzelnen Sendungen und Kursfolgen, aus denen genau hervorgeht, welche Inhalte im einzelnen behandelt werden; daneben wünschen sie sich, daß Eigenproduktionen in Programmankündigungen stärker hervorgehoben und eventuell auch öfter als andere Beiträge wiederholt werden. Des weiteren hielten sie es für wünschenswert, wenn der Bildungskanal begleitend zu Bildungsangeboten der Weiterbildungseinrichtungen oder kulturellen Ereignissen in der Stadt — wie dies ansatzweise bereits geschehen sei — hierauf bezogene Sendungen aussstrahlen würde. Die geäußerten Wünsche deuten auf die Art des Umgangs dieses Typus von Intensivnutzern mit dem empfangenen Programm der "klugen Sieben" hin. Die aus beruflichen Motiven genutzten Sendungen werden nahezu ausschließlich auf Video aufgezeichnet, archiviert und katalogisiert. Aufgrund der bei der ersten Nutzung gemachten Notizen werden sie durchgearbeitet, um so jene Teile zu bestimmen, die später in eigene Lehrprozesse integriert werden. Komplette Sendungen oder gar Kursreihen werden von den an Materialien interessierten Pädagogen in ihrem eigenen Unterricht nicht eingesetzt. Die Beiträge werden selektiv genutzt, wobei es auch vorkommen kann, daß Sequenzen aus den aufgezeichneten Beiträgen nur als Hintergrundinformationen für die eigene Unterrichtsvorbereitung Verwendung finden. Auf die speziellen Begleitmaterialien zu den ausgestrahlten Kursen greift dieser Personenkreis nur gelegentlich zurück. Den audiovisuellen Medien wird von Angehörigen dieser Gruppe eine anregende, ergänzende, vertiefende, sowie eine demonstrative Funktion zugemessen. Dies gilt sowohl für die berufliche wie die private Verwendung. Jene Intensivnutzer, die Naturwissenschaften unterrichten, verfügen bereits über begrenzte Erfahrungen mit computerunterstützten Lernprozessen. Der Einsatz dieser Unterrichtstechnik wird allerdings eher marginal betrieben, da kaum wirklich gute Lernprogramme existierten. Der Vorteil dieser Lerntechnik wird vornehmlich in der Entlastungsfunktion des Dozenten gesehen. Obschon davon ausgegangen wird, daß der computerunterstützte Unterricht in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird, so sind die Befragten von einer euphorischen Haltung gegenüber solchen Unterrichtstechniken doch weit entfernt.
148
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Intensivnutzer dieser Gruppe gehören zum weiterbildungsaktiven Teil der Bevölkerung; sie besuchen Seminare, Konferenzen, Kurse der Erwachsenenbildung sowie Lehrerfortbildungsveranstaltungen der Hochschule. Audiovisuelle Medien spielen bei der eigenen F o r t - und Weiterbildung allerdings nur eine geringe Rolle. Im Kontext dieser berufsbezogenen Bildungsaktivitäten werden Printmedien allerdings bevorzugt. Sofern es aber um eine allgemeine, eher freizeitorientierte, an personellen Interessen ausgerichtete Bildung geht, wird dem Fernsehen und hier insbesondere dem Bildungskanal eine größere Bedeutung beigemessen. Eine Verdrängung von personalen durch mediale Weiterbildungsangebote findet aber auch in diesem Bereich nicht statt.
2.5.4.5
Die an Allgemeinbildung interessierten beruflich Etablierten
Eine relativ große Gruppe von Intensivnutzern setzt den Bildungskanal vor allem zur Erweiterung ihrer Allgemeinbildung ein. Das Spektrum der diesbezüglichen Einzelinteressen umfaßt den Wunsch nach Denkanstößen, das Bedürfnis altes Schulwissen aufzufrischen, das Interesse an beruflichen Anregungen, das Bestreben nach Vertiefung von Hobbies, sowie die Suche nach Impulsen für die Kindererziehung. Typisch für Menschen dieser Gruppe ist gerade die Gemengelage solcher heterogener Interessen, die gleichzeitig an den Bildungskanal herangetragen werden und die dieser zu erfüllen vermag. Der Bildungskanal nimmt im Leben dieser Menschen keine zentrale Stellung ein, er wird aber gern als ein zusätzliches Medium zur eigenen Allgemeinbildung genutzt. In dieser Gruppe finden sich hauptsächlich 30— bis 50jährige Selbständige, Beamte und Angestellte, die sich in ihrem Beruf etabliert haben. Charakteristisch für diese Intensivnutzer ist die Aufgeschlossenheit für ein möglichst vielfältiges Programmangebot, das sie auf unterschiedliche Weise als Beitrag zur Vervollkommnung ihrer Allgemeinbildung verstehen. Dieser Personenkreis tritt mit keinen spezifischen Erwartungen an den Bildungskanal heran; jeglicher utilitaristischer Anwendungsbezug ist dieser Gruppe fremd. Der Bildungskanal wird als Bereicherung des Programmangebots empfunden, wodurch sich die Chance erhöht, Sendungen zu empfangen, die ansonsten sehr schlecht plaziert sind bzw. kaum oder gar nicht im Programm vorkommen. Die Nutzung des Spartenkanals für Bildung erfolgt eher sporadisch aber relativ häufig und nicht immer selektiv. Von Ausnahmen abgesehen werden die Angebote der "klugen Sieben" seit Sendebeginn genutzt. Da Angehörige dieses Personenkreises berufstätig sind, nutzen sie den Bildungskanal ausschließlich nach Feierabend, ohne dabei feste Zeiten einzuhalten.
149
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
Anders als bei den übrigen Typen von Intensivnutzern ist das Spektrum der Programminteressen bei dieser Grupppe auf der individuellen, personenbezogenen Ebene besonders weit; damit ist natürlich auch eine unspezifischere Zuwendung zu den Bildungsprogrammen verbunden. Da Angehörige dieser Teilpopulation die Angebote des Bildungskanals nicht dazu nutzen, um formale Bildungsabschlüsse zu erreichen, sind sie besonders an solchen Sendungen interessiert, die möglichst ohne spezifische Voraussetzungen konsumiert werden können. Eines besonderen Interesses erfreuen sich Sendungen zu folgenden Themen: Architektur, Naturwissenschaften und Naturkunde, Gesundheit und Ökologie, Psychologie, Technologie und Elektronik sowie Fremdsprachen. Welche Sendungen jeweils verfolgt werden, hängt sehr stark von der lebensweltlichen Bedeutung ab, die den entsprechenden Themen gerade zukommt. Die Intensivnutzer dieser Gruppe sind deshalb auch nicht — abgesehen von zeitlich relativ invarianten inhaltlichen Präferenzen — auf spezielle Themen fixiert. Situativ wechselnde Bildungsinteressen finden bei diesem Personenkreis ihren Ausdruck in der Zuwendung zu anderen Themen. Der Bildungskanal wird primär als Quelle beiläufigen Lernens verstanden. Es sind gerade diese Intensivnutzer, die ihren Lernprozeß via Bildschirm im Sinne eines Zugewinns an neuen Informationen begreifen, bei dem vielfach stehengeblieben wird, ohne hieran ein weiteres Studium anzuschließen. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, wenn die Beiträge der "klugen Sieben" nur in besonderen Fällen aufgezeichnet oder gar archiviert werden. Die dem Verständnis dieser Gruppe von Intensivnutzern zugrunde liegende Auffassung von medienbezogener Fernsehnutzung zu Zwecken der Allgemeinbildung erklärt auch, warum Personen dieses Typus oftmals den "trockenen", "lehrerhaften", "wissenschaftlichen" Stil der Bildungssendungen kritisieren; sie wünschen sich populärwissenschaftlich gut verständliche Beiträge aus den Genres Wissenschaft und Forschung, die gleichzeitig nicht oberflächlich bleiben. Gerade das Interesse an aktuellen Informationen läßt es als unzumutbar erscheinen, wenn in der "klugen Sieben" bereits ältere Bildungsprogramme
in unveränderter
Form
zum
wiederholten
Male
ausgestrahlt
werden. Möglichkeiten, das Programm des Bildungskanals attraktiver zu gestalten, werden neben dem ständigen Bemühen um Aktualisierung darin gesehen, ausländische Bildungssendungen — eventuell in einer überarbeiteten Fassung — auszustrahlen, die Bildungsprogramme selber ausführlicher anzukündigen sowie Hinweise auf Begleitmaterialien zur Vor— und Nachbereitung von Sendungen auch dann zu geben, wenn keine expliziten
Materialien
im Rahmen eines Medienverbundes
andere Anregung bezieht sich auf den generellen
Zuschnitt des
existieren.
Eine
Bildungskanals.
150
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
Demnach sollte "Die kluge Sieben" unter anderem auch als Informationsbörse und Diskussionsforum für die in der Region ansässigen Vereine und Hobbygruppen (Funkamateure, Hobbyarchäologen, Computerspezialisten etc.) fungieren. Diese Idee zielt darauf ab, aus dem Fernsehen für das Publikum den Schritt hin zum Fernsehen mit dem Zuschauer zu machen. Sämtliche VerbesserungsVorschläge und Anregungen zielen darauf, das Programmangebot des Bildungskanals noch reichhaltiger, bunter, vielseitiger und damit informativer sowie aktueller zu gestalten. Mit dem Interesse an einem noch attraktiveren Angebot des Bildungskanals verbindet sich keinesfalls der Wunsch dieser Intensivnutzer nach einer Ausweitung der ihm grundsätzlich zugewiesenen Funktion als Informationsquelle für die eigene Allgemeinbildung. Daß die Angebote der "klugen Sieben" nicht geeignet sein können für die eigene berufliche Fort— und Weiterbildung, da der Bildungskanal den diversen spezifischen Anforderungen nicht gerecht werden kann, darüber sind sich alle einig. Es wird deshalb auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, den Bildungskanal für solche Zwecke zu nutzen und zwar unabhängig davon, welche Weiterbildungsaktivitäten von den dieser Gruppe zugehörigen Intensivnutzern unternommen werden. Auch für den Bereich der allgemeinen und politischen Bildung wird keine Konkurrenz zwischen der bildungsbezogenen Fernsehnutzung und dem Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen gesehen. Hierfür spricht die rege Weiterbildungsbeteiligung dieses Typus von Intensivnutzern. Dem direkten persönlichen Lernprozess wird in jedem Fall der Vorrang vor dem Medium Fernsehen eingeräumt. Allerdings wird umgekehrt dem Bildungskanal ein gewisses Anregungspotential zugestanden. In den wenigen Fällen, wo es zu einer parallelen aufeinander bezogenen Nutzung der Bildungsmedien Fernsehen und Weiterbildungskurs kommt, geschieht dies in einem wechselseitigen ErgänzungsVerhältnis.
2.5.5
Gemeinsamkeiten in der Bewertung des Bildungskanals
Wie die Auswertung der Intensivinterviews gezeigt hat, weist der Personenkreis der Intensivnutzer ein äußerst heterogenes Erscheinungsbild hinsichtlich formaler Qualifikation und beruflicher Stellung auf. Auch sind die Programminteressen sehr dispers. Dennoch herrscht über die verschiedenen idealtypisch klassifizierten Gruppen von Intensivnutzern hinweg eine erstaunliche Einigkeit bezüglich der Bewertung des Dortmunder Bildungskanals "Die kluge Sieben".
2.5 Intensivnutzer des Bildungskanals
151
Die Konzeption des Bildungskanals "Die kluge Sieben", ein vielfaltiges Programmangebot zu unterbreiten, das vom Schulfernsehen bis hin zu komplexen fachwissenschaftlichen Vorträgen möglichst vielen Zuschauern etwas bietet, wird von den Nutzern dieses Spartenkanals einhellig begrüßt; auch die Idee, ganze Programmblöcke zeitversetzt mehrfach zu wiederholen, findet Zustimmung. Geschätzt wird von den Nutzern des Bildungskanals vor allem die Bereicherung des Programmangebots durch 'reine' Bildungsprogramme. Ein Programmangebot an Bildungssendungen zu unterbreiten, das unabhängig vom Blick auf Einschaltquoten konzipiert wird, empfinden alle Nutzer des Bildungskanals als äußerst positiv. Die Nutzung der Programmangebote der "klugen Sieben" geschieht bei den Intensivnutzern mehrheitlich sehr gezielt. Vielfach besucht dieser Personenkreis parallel zur Nutzung des Bildungsangebots in den Medien auch Erwachsenenbildungsveranstaltungen. Dem Medium Fernsehen kommt in diesen Fällen eine ergänzende Funktion zu. Eine wechselseitige Substitution von Fernsehangeboten durch Weiterbildungskurse und umgekehrt findet nicht statt. Von einer Konkurrenz zwischen den Angeboten des Bildungskanals und den Direktkursen der Weiterbildungseinrichtungen kann, sofern es die Intensivnutzer betrifft, keine Rede sein. Ein eigener Bildungskanal wird von den Intensivnutzern eindeutig als positiv bewertet. Personen, die sich auf den Bildungskanal 'eingelassen' haben, veranschlagen den Bildungsprofit und den persönlichen Gewinn, den sie aus der Nutzung dieses Spartenkanals ziehen, als sehr hoch. Diese Zielgruppe möchte auf keinen Fall mehr auf einen Bildungskanal verzichten und ist deshalb auch bereit, erheblich höhere Gebühren — als die während der Versuchsphase erhobenen 25 Pfennig pro Woche — für ein solches Programmangebot aufzubringen. Allerdings sind die Intensivnutzer auch mehrheitlich der Auffassung, daß niemand über die Preisgestaltung davon abgehalten werden dürfe, an Bildung via Bildschirm zu partizipieren. Lediglich in einem Punkt melden die Intensivnutzer Kritik an. Mit den Programmankündigungen zu Sendungen des Bildungskanals sind sie sehr unzufrieden. Da dieser Personenkreis die Angebote der "klugen Sieben" hauptsächlich gezielt nutzt, fehlen ihm detaillierte Beschreibungen der Programminhalte. Diese Kritik, die sich vornehmlich an die "City Post" richtet, beziehen die Intensivnutzer jedoch nicht allein auf den Bildungkanal, sondern auf sämtliche Versuchsprogramme. Es gibt zwar vereinzelt Intensivnutzer, die sich gleichermaßen für die Spartenkanäle "Bildung" und "Kultur" interessieren, in der Regel fallen die Interessen jedoch
152
2 Ergebnisse der Befragung von Kabelprojektteilnehmern
auseinander. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn sich die Intensivnutzer des Bildungskanals eindeutig für die Einrichtung separater Spartenkanäle für Bildung einerseits und Kultur andererseits aussprechen. Für die von uns befragten Intensivnutzer ist die in Dortmund praktizierte Aufteilung und Abgrenzung von Bildungs — und Kulturkanal
überzeugend. 16)
Eine
Verschmelzung
von
allgemeinen
Kursund
Lemprogrammen und kulturellen Darbietungen würde als Nachteil für das Profil eines integrierten Spartenkanals empfunden. Beide Kanäle sollten deshalb — so die allgemeine Auffassung — separat erhalten bleiben. Die befragten Intensivnutzer des Bildungskanals plädieren für die Beibehaltung bzw. Einrichtung eines Spartenkanals für Bildung. Die Meinung, man könne auf einen eigenen
Bildungskanal
verzichten,
indem
man
im
übrigen
Programm
genügend
bildungsrelevante Sendungen anbietet, wird von den Intensivnutzern nicht geteilt. Hier wird die Gefahr gesehen, daß Bildungssendungen im Programmangebot 'untergehen' oder an den Rand gedrängt werden. Resümierend läßt sich festhalten: Der im Dortmunder Kabelpilotprojekt unternommene Versuch mit dem Spartenkanal für Bildung hat bewiesen, daß trotz des Trends zu immer mehr Unterhaltungsprogrammen und den verschärften Konkurrenzbedingungen um Einschaltquoten und Reichweiten ein an Bildung und Kultur interessiertes Publikum existiert. Wie die Beschäftigung mit den Intensivnutzern gezeigt hat, gibt es spezifische Zielgruppen für Bildungsprogramme. An dieser Stelle soll bewußt nicht von "Minderheitenprogrammen" gesprochen werden, weil dieser Terminus nahelegt, es handle sich zwar um (wenn auch in der Ausdehnung einzuschränkende) notwendige Angebote, die aber insgesamt eine Programm — Randlage einnehmen sollten. 'Zielgruppen'—Programme hingegen legen nahe, das Profil spezifischer Zielgruppen genau zu ermitteln
— unter der Prämisse
—, daß eine pluralistisch differenzierte
Gesellschaft heute eine Fülle von Zielgruppen besitzt, die alle berechtigte Ansprüche an das Programm stellen. Programmausdehnung und Programmvermehrung sind hier schlichte Vehikel des Ausgleichs.
3
Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
3.1
Institutionsspezifische Aspekte
3.1.1
Typologie der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen in ihrer Einstellung zum Kabelpilotprojekt
Um die Erwartungshaltungen der Dortmunder Weiterbildungsinstitutionen zum Kabelpilotprojekt (KPP) zu erkunden, wurden in zwei Wellen, im Frühjahr 1986 und Anfang 1988, leitfadengestützte Experteninterviews mit Vertretern Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt. Die in jeweils 25 Interviews befragten Experten repräsentieren über zwei Drittel der in Dortmund ansässigen Weiterbildungsinstitutionen. Versucht man die Aussagen einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu unterziehen, so lassen sich im wesentlichen fünf Gruppen von Meinungsprofilen unterscheiden.
3.1.1.1
Die Engagierten
Diese Gruppe zeichnet sich dadurch aus, daß sie durchweg größere Einrichtungen umfaßt, die mehrere hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter, z.T. auch Weiterbildungslehrer und Kommunikationshelfer beschäftigen. Vielfach ist eine beachtliche medientechnische Ausstattung vorhanden, die in letzter Zeit systematisch erweitert wurde. Dort, wo das nicht der Fall ist, sind jedoch entsprechende Ausbaupläne für die nähere Zukunft geplant. Getragen wurde die Medienarbeit in dieser Gruppe zumeist von Einzelpersonen, die aufgrund ihres Tätigkeitsfeldes, ihrer Ausbildung bzw. ihrer Funktion ein besonderes Engagement für den Umgang mit "Neuen Medien" entwickelt haben. Vielfach saßen sie zugleich auch als Privatpersonen oder institutionelle Vertreter im Projektrat. Über diese Personen lief auch der hausinterne Informationsfluß über alle das KPP betreffenden Fragen. Von ihnen hing es schließlich ab, ob und in welchem Ausmaß Nachrichten an andere haupt— bzw. nebenamtliche Mitarbeiter weitergeleitet wurden. Auf die aktive Mitarbeit dieser Protagonisten im lokalen Medienverbund (vgl. Kapitel 4) war es zurückzuführen, wenn in einzelnen Institutionen mit einem erheblichen personellen und zeitlichen Aufwand Eigenproduktionen für den Bildungskanal erstellt wurden. Mit solchen Beiträgen wurde in der Anfangsphase durchweg das Ziel der Bildungsinformation, —Werbung und — animation verfolgt. Ein lediglich für die einmalige Ausstrahlung in der "klugen Sieben" erstellter Film kam dabei angesichts der zu geringen Zuschauerzahl nicht in Betracht. Innerhalb der Weiterbildungseinrichtungen ließ sich der enorme personelle und sach-
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
liehe Aufwand nur dann rechtfertigen, wenn die Produkte auch in anderen Kontexten Verwendung finden konnten, bspw. im Rahmen der allgemeinen oder verbandsinternen Öffentlichkeitsarbeit. Eine spezifische Nutzung der vom Bildungskanal angebotenen Programmpakete fand — von Ausnahmen abgesehen — kaum statt. Wenn Sendungen aufgezeichnet wurden, so geschah dies unter den sonst auch üblichen Kriterien der Medienarbeit. Wünsche, das Kabelfernsehen als eigenständiges Bildungsmedium einzusetzen, existierten nicht, da die Auffassung vorherrschte, daß auf die direkte persönliche Kommunikation in Lernprozessen nicht verzichtet werden könne. In den Angeboten eines Bildungskanals wurde deshalb nicht eine reale bzw. potentielle Konkurrenz für das soziale Lernen in den Häusern der Erwachsenenbildung gesehen. Die langfristigen Chancen eines separaten Bildungskanals beurteilen die Erwachsenenbildner eher skeptisch; demgegenüber werden die Möglichkeiten, den Hörfunk in der Zukunft verstärkt für Bildungszwecke zu nutzen, relativ positiv eingeschätzt.
3.1.1.2
Die abwartend Interessierten
Die größte Gruppe der Dortmunder Erwachsenenbildungsinstitutionen ist diesem Typus zuzuordnen. Es handelt sich hier um mittlere bis kleine Einrichtungen, die zwar ihren Willen bekundeten, sich am bildungsbezogenen Programm des KPP auf irgendeine Weise zu beteiligen, denen es aber sowohl an klaren Konzeptionen als auch an materiellen und personellen Kapazitäten fehlte, entsprechende Aktivitäten zu entfalten. Diese Gruppe wurde besonders stark von den Kürzungen der finanziellen Zuschüsse Anfang der 80er Jahre getroffen. Unter diesen Bedingungen hat die Bestandserhaltung der eigenen Bildungsstätte absolute Priorität vor dem Engagement in einem neuen Feld, dessen Konsequenzen noch völlig unkalkulierbar erscheinen. Oft fehlte es in den Einrichtungen auch an Informationen über die Möglichkeiten einer Beteiligung am KPP. Einige hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter haben sich zwar auf eigene Initiative kundig gemacht, so z.B. durch die Partizipation bei einer Medienwerkstatt für den Offenen Kanal, den Besuch von Kursangeboten der Landeszentrale für politische Bildung bzw. sonstige Veranstaltungen; insgesamt war der Grad an Informiertheit aber doch eher gering. Erschwerend kam hinzu, daß die Einrichtungen selbst vielfach noch nicht an das Kabel angeschlossen waren, außerhalb des Versuchsgebiets lagen und eine Vielzahl der pädagogischen Mitarbeiter nicht in Dortmund wohnten und deshalb auch nahezu keine Möglichkeiten hatten, sich über das Angebot der Spartenprogramme einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Das Interesse am lokalen Medienverbund, soweit er überhaupt bekannt war, beschränkte sich unter diesen Rahmenbedingungen darauf, sich mögliche Optionen für ein späteres
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
155
Engagement in der Nutzung der neuen lokalen Medien offenzuhalten. Diese Einrichtungen sind vornehmlich daran interessiert, über den Rundfunk auf ihre Bildungsangebote aufmerksam zu machen, um so möglicherweise neue Teilnehmergruppen zu erschließen.
3.1.1.3
Die Resignierten
Überwiegend enttäuscht von der Innovationsgeschwindigkeit der neuen Informations— und Kommunikationstechniken im allgemeinen und dem Verlauf des KPP Dortmund im besonderen zeigten sich jene Bildungswerke, die von Unternehmen, Verbänden bzw. Kammern getragen werden. Hoffnungen wurden von dieser Gruppe speziell an den Ausbau des Btx — Systems geknüpft. Nachdem diese Erwartungen jedoch nicht in Erfüllung gegangen sind, und sich auch bei den Zielgruppen der Einrichtungen eine unverkennbare Enttäuschung breitmachte, waren sie darum bemüht, diese wenigstens z.T. aufzufangen. Unter diesen Bedingungen bestand wenig Neigung, sich auf ein neuerliches Engagement mit Kabelfunk und —fernsehen einzulassen. Einige Verbände hatten zu Beginn des KPP durchaus diesbezügliche Absichten; doch die sich allmählich herauskristallisierende Programmstruktur des Bildungskanals sowie der Verlauf der Arbeit im lokalen Medienverbund entsprachen nicht den Vorstellungen dieser Einrichtungen. Ihnen mißfiel der allgemeinbildende Zuschnitt der Programme. Da sie sich mit ihrer Forderung, verstärkt wirtschaftsbezogene Themen und Inhalte einzubringen, nicht durchsetzen konnten, zogen sie sich aus dem lokalen Medienverbund weitgehend zurück, ohne die Kontakte allerdings ganz abreißen zu lassen. Daß durchaus die Bereitschaft vorhanden war, sich des neuen Mediums zu bedienen, ließ sich nicht zuletzt an einem partiellen Ausweichen auf den Offenen Kanal als Abspielstätte für Selbstdarstellungen erkennen. Auch der Kontakt zu verschiedenen Redaktionen des Funkhauses an der Lindemannstraße im Rahmen der allgemeinen Pressearbeit wurde intensiv gepflegt.
3.1.1.4
Die Ambivalenten
Eine ambivalente Einstellung gegenüber dem KPP findet sich vornehmlich bei einem Teil von Einrichtungen der politischen Bildung. Auf einer grundsätzlichen Ebene wurde das KPP als der Versuch gekennzeichnet, Akzeptanz für die Einführung privater Programme zu erzeugen. Dem Bildungskanal wurde innerhalb des KPP eine bloß legitimatorische Funktion zugeschrieben, die über die eigentlichen Absichten hinwegtäuschen sollte. Seine Sinnhaftigkeit wurde deshalb grundsätzlich bezweifelt.
156
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit den neuen Informations — und Kommunikationstechniken wurde in den Veranstaltungen dieser Einrichtungen sehr intensiv geführt. Das Angebotsvolumen expandierte hier kontinuierlich. Wenngleich verbal oftmals der Boykott des KPP proklamiert wurde, so setzte sich zunehmend doch eine pragmatischere Sichtweise durch. Die positiven Erfahrungen mit der intensiven Lokalberichterstattung von Radio Dortmund haben zu einer partiellen Revision der ablehnenden Haltungen beigetragen. Zwar wurde eine aktive Beteiligung am lokalen Medien verbünd nicht ernsthaft in Betracht gezogen, doch einige Erwachsenenbildungsvertreter nahmen an Sitzungen des Gremiums teil. Dem nur geringen Interesse am lokalen Medien verbünd lag lediglich der Wunsch zugrunde, über das Geschehen auf diesem Sektor informiert zu sein. Eine Beteiligung von Weiterbildungseinrichtungen dieser Gruppen am lokalen Rundfunk wird allerdings nicht für erstrebenswert gehalten.
3.1.1.5
Die Desinteressierten
Das Desinteresse einiger weniger in Dortmund ansässiger Erwachsenenbildungsinstitutionen am KPP resultierte zumeist aus deren besonderer Stellung innerhalb der Weiterbildungslandschaft. Es handelte sich hier nahezu ausschließlich um solche Einrichtungen, die ein landes— oder gar bundesweites Einzugsgebiet haben und die mit dem eher zufalligen Standort Dortmund nichts verband. Darüber hinaus ist das Angebot dieser Einrichtungen auf ganz bestimmte Berufsgruppen zugeschnitten. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgt nahezu ausschließlich über Betriebe. Damit entfiel für diese Einrichtungen weitgehend auch die Notwendigkeit, für ihre Angebote in breiten Bevölkerungsschichten werben zu müssen. In den einschlägigen Fachkreisen sind sie ohnehin bekannt, und auf ihre Leistungen kann kaum verzichtet werden. Somit entfällt auch die Notwendigkeit, eine lokale Öffentlichkeit über das eigene Wirken zu informieren.
3.1.1.6
Fazit
Bei der hier vorgenommenen Einteilung in fünf Gruppen handelt es sich um eine idealtypische Klassifizierung; fließende Übergänge und Mischformen im Meinungs — und Einstellungsbild sollen keineswegs geleugnet werden. Trotz aller Unterschiede zwischen den Einrichtungen des quartären Sektors in Dortmund ließ sich doch eine grundsätzliche Bereitschaft bei allen erkennen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Der vom Adolf-Grimme —Institut für die Laufzeit des KPP ins Leben gerufene
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
157
Gesprächskreis "lokaler Medienverbund" bot hierfür ein geeignetes Forum; indem das Adolf—Grimme —Institut als externe Hearing — , Dienstleistungs — und Servicestelle seine medienpädagogischen und —technischen Kompetenzen allen Beteiligten anbot, wurden die äußeren Rahmenbedingungen für den Dialog geschaffen. Die dargestellte Typologie gilt gleichermaßen für die erste und zweite Befragung. Dennoch läßt sich — vergleicht man beide Befragungszeitpunkte miteinander — zwischen den verschiedenen Gruppen eine gewisse Dynamik erkennen. Im Rahmen der Laufzeit des Kabelpilotprojektes zeigte es sich, daß leichte Einstellungsänderungen einzelner Institutionen eingetreten sind. Wesentlich für diese Nuancen sind die praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem Kabelfunk. Einerseits haben vielfach jene Institutionen, die ihre ursprüngliche Einstellung weitgehend beibehielten, kaum Erfahrungen im Umgang mit dem Kabelpilotprojekt gesammelt. Andererseits wurden Einstellungen durch diese Erfahrungen sowohl positiv wie negativ verfestigt. Dort, wo sich die Kooperation zwischen Weiterbildung und Kabelfunk erfolgreich gestaltete, ist es durchaus gelungen, eine zu Beginn eher abwartende Einstellung gegenüber dem Kabelpilotprojekt zu überwinden. Einige der Institutionen, die den Neuen Medien generell aufgeschlossen gegenüber stehen, zeigen sich mit dem Verlauf des Kabelpilotprojekts eher unzufrieden. Es handelt sich hier um die Institutionen, die zwar von Beginn an die organisatorische Struktur des Kabelpilotprojekts kritisierten (z.B. die öffentlich — rechtliche Trägerschaft), die sich aber zu Beginn dennoch aktiv beteiligt haben, um Erfahrungen im Umgang mit lokalem Rundfunk, in welcher organisatorischen Form auch immer, zu gewinnen. Diese Institutionen beurteilen die Möglichkeiten lokaler Rundfunkprogramme nach wie vor positiv, stehen der medienpolitischen Struktur des Kabelpilotprojekts jedoch auch nach den eigenen Erfahrungen im aktiven Umgang mit dem Kabelpilotprojekt negativ gegenüber. Ihre anfanglichen Einwände, z.B. der politischen Einseitigkeit, haben sich für diese Institutionen durch die praktische Erfahrung erhärtet. Die durch das Kabelpilotprojekt ermöglichten Chancen wurden ihrer Meinung nach während der Projektlaufzeit nicht ausreichend genutzt. Eine andere Gruppe von Institutionen, die bei der ersten Befragung eine eher ablehnende Haltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt eingenommen haben, lassen bei der zweiten Befragung einen Einstellungswandel erkennen. Grundlegend für diesen Wandel ist neben der gewonnenen praktischen Erfahrung im Umgang mit dem Kabelfunk auch die medienpolitische Diskussion, in der der Lokalfunk (mit der sich zum Befragungszeitpunkt gerade abzeichnenden Mediengesetzgebung) einen legitimen Raum einnimmt. Angesichts dieser Entwicklung erscheint das Kabelpilotprojekt in einem
158
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
neuen Licht. Lokales Fernsehen und lokaler Hörfunk hat für diese Institutionen eine neue Dimension gewonnen. Anstelle der von diesen Einrichtungen z.T. befürchteten Kommerzialisierung und damit Verflachung lokaler Rundfunkprogramminhalte hat das Dortmunder Kabelpilotprojekt nach Meinung der Vertreter dieser Institutionen durchaus eine wichtige Rolle im Kontext lokaler Kommunikation übernommen. Wenngleich die verschiedenen Erwachsenenbildungseinrichtungen unterschiedliche Haltungen gegenüber dem Kabelpilotprojekt einnehmen, so sind sie sich doch über den Stellenwert eines Medienengagements einig. Die Erwachsenenbildungsstätte der Zukunft wird in ihren Augen ein Zentrum personaler Kommunikation sein, an dem Angebote zur freien Entfaltung, zum politischen Engagement, zur Selbstfindung und existentiellen Sinngebung in einer durch die Medien gestalteten Gesellschaft ihren Ort haben. Gerade die Erfahrung der sozialen Verbundenheit und Gmeinsamkeit mit anderen Kursteilnehmern wird ein starker Anreiz in einer ansonsten weitgehend fremdbestimmten Gesellschaft sein, das Kommunikationszentrum Erwachsenenbildung aufzusuchen.
3.1.2 3.1.2.1
Ergebnisse der Institutionenbefragung von 1986 Die Haltung der Erwachsenenbildungsträger zum Kabelpilotprojekt
Wenn im folgenden auf die Haltung der Träger der Weiterbildungseinrichtungen zu den "Neuen Medien" im allgemeinen und zum Kabelpilotprojekt im speziellen eingegangen werden soll, so gilt es zu beachten, daß das Verhältnis der Weiterbildungseinrichtungen zu ihren jeweiligen Trägern sehr unterschiedlich sein kann. Es scheint uns deshalb erforderlich, vorab das Verhältnis von Einrichtungen und Trägern grundsätzlich zu thematisieren. Eine Abgrenzung der unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen zwischen Einrichtungen und Trägern wird in einem Runderlaß des Kultusministers von Nordrhein —Westfalen aus dem Jahre 1976 wie folgt vorgenommen: "
(1)
(2)
(3)
Der Träger legt nach Anhörung seiner Weiterbildungseinrichtung die Grundsätze für die Arbeit der Weiterbildungseinrichtung fest. Im Rahmen dieser Grundsätze hat die Weiterbildungseinrichtung das Recht auf selbständige Lehrplangestaltung. Alle wichtigen Entscheidungen des Trägers, die die Weiterbildungseinrichtung betreffen, erfolgen nach Anhörung des Leiters der Weiterbildungseinrichtung. Der Leiter der Weiterbildungseinrichtung ist dem Träger für die Arbeit der Weiterbildungseinrichtung verantwortlich."
159
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
Die hier getroffene Regelung wurde aufgrund der Verabschiedung des nordrhein — westfälischen
Weiterbildungsgesetzes
von
1974 erforderlich.
Danach bedarf eine
Weiterbildungseinrichtung aus formalrechtlichen und finanztechnischen Gründen eines Rechts— und Unterhaltsträgers. Die konkrete Ausgestaltung der Beziehung zwischen Träger und Einrichtung weist in der Praxis eine erhebliche Spannbreite auf. Sie reicht von der Möglichkeit, daß der Träger faktisch lediglich eine Rechtsfigur ist, die zum Teil von der Einrichtung selbst geschaffen wurde, um den rechtlichen Notwendigkeiten zu entsprechen, bis hin zu dem anderen Extrem, daß vom Träger Einflüsse solcher Art ausgehen, die die Einrichtung bzw. ihre Vertreter zu ausführenden Organen machen. Des weiteren ist zu berücksichtigen, ob es sich um einen "originären Träger" oder um "ausgelagerte Stellvertreter von Verbänden und Institutionen" (Tietgens 1984, S. 296) handelt, d.h. ob Weiterbildung als primäres oder sekundäres Ziel neben anderen Organisationszielen verfolgt wird. Drittens ist zu berücksichtigen, daß ein Träger eine Kommune, ein Dachverband oder ein Verein sein kann. Das hier auf einer grundsätzlichen Ebene skizzierte Spektrum des Wechselverhältnisses von Trägern und Einrichtungen findet sich faktisch in der Dortmunder Weiterbildungslandschaft. Die Mehrzahl der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen wird von regionalen bzw. landesweiten Dachverbänden bzw. Verbandszentralen getragen, an zweiter Stelle rangieren in Dortmund ansässige Träger; die kleinste Gruppe der Einrichtungen hat bundesweit organisierte Träger. Singuläre Grundsatzbeschlüsse zum Kabelpilotprojekt haben die Träger der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen
in den seltensten
Fällen gefaßt.
Unabhängig
hiervon existiert jedoch bei den meisten Trägern eine relativ klar beschreibbare Einstellung zum Modellversuch mit Breitbandkabel. Im wesenüichen lassen sich drei Haltungen unterscheiden. (1)
Die Gruppe der Protagonisten zeichnet sich dadurch aus, bereits im Vorfeld des Modellversuchs Schritte unternommen zu haben, um auf die Ausgestaltung des Kabelpilotprojekts Einfluß zu nehmen. Das geschah vielfach weder aus einer medieneuphorischen Stimmung noch aus bildungsspezifischen Interessen heraus, sondern hatte seine Wurzeln in dem Wunsch, an einer als wichtig erkannten Entwicklung aktiv zu partizipieren. Dieses Engagement dokumentiert sich zumeist in der Wahrnehmung eines Sitzes im Projektrat. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren Träger von Weiterbildungseinrichtungen mit insgesamt sieben Personen in dem siebenundzwanzig — köpfigen Projektrat vertreten.
Allerdings
gilt es in dem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß diese Projektratsmitglieder in ihrer überwiegenden Zahl nicht primär als Repräsentanten des Wei-
160
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
terbildungsträgers auftreten, sondern in ihrer Funktion als Veructer einer Kommune, eines Verbandes oder einer sonstigen Organisation, die unter anderem auch Weiterbildungsträger ist. (2) Träger, die eine ablehnende Haltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt einnehmen, begründen dies vornehmlich mit gesellschaftspolitischen und kulturkritischen Argumenten; sie äußern ihre Befürchtung vor dem "gläsernen Menschen", betonen die faktisch nicht vorhandene Rückholbarkeit der mit dem Kabelpilotprojekt in Gang gesetzten Entwicklungen, bringen ihre Sorge um die Zerstörung zwischenmenschlicher Kommunikationsformen zum Ausdruck und bezweifeln prinzipiell den Bedarf an zusätzlichen Programmangeboten. Teilweise wird zwischen dem terrestrisch ausgestrahlten Lokalradio und dem über das Kabel verbreiteten Fernsehangebot ein Unterschied in der Bewertung gemacht. Während ersteres positiv wahrgenommen wird, bleibt die Ablehnung in bezug auf das Kabelfernsehen uneingeschränkt aufrechterhalten. Einige Träger lehnen aufgrund ihrer negativen Haltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt jeden Kontakt zu Redakteuren des Funkhauses in der Lindemannstraße ab; andere wollen es sich gerade aufgrund ihrer ablehnenden Beurteilung nicht nehmen lassen, an der kritischen Begleitung des Modellversuchs zumindest teilweise zu partizipieren. (3) Für eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Träger Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen ist das Kabelpilotprojekt überhaupt noch nicht zu einem Thema geworden. Das liegt zum Teil daran, daß landes— oder bundesweit organisierte Dachverbände und Verbandszentralen bislang nicht die Notwendigkeit sahen, sich mit dieser Thematik näher zu befassen. Dies bedeutet gleichzeitig, daß den Einrichtungen oftmals ein Handlungsspielraum für die Entwicklung eigener Positionen zum Kabelpilotprojekt bleibt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Einstellung zum Kabelpilotprojekt und den Neuen Medien im allgemeinen konnte nicht festgestellt werden. So haben einige Träger trotz ihrer Ablehnung des Kabelpilotprojekts den Einsatz moderner Bürokommunikation vorangetrieben, während Träger, die sich zum Teil eher abwartend gegenüber dem Kabelpilotprojekt verhielten, bewußt eine Vorreiterrolle für die Einführung neuer Informations — und Kommunikationstechniken anstrebten. Letzteres gilt insbesondere für den Bereich der beruflich technischen Weiterbildung, aber auch — wenngleich in geringerem Maße — für Verbände der freien Wohlfahrtspflege und Sportverbände. In den hier angesprochenen Bereichen existierte ein starkes Engagement für Bildschirmtext.
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
161
Insgesamt läßt sich festhalten, daß zum Zeitpunkt der ersten Befragung der Meinungsbildungsprozeß, sowohl bezüglich des Kabelpilotprojekts als auch hinsichtlich der Neuen Medien, bei den Trägern noch nicht abgeschlossen war. Entsprechendes gilt auch für die Einrichtungen der Weiterbildung selbst.
3.1.2.2
Die Haltung der Leitung der Weiterbildungseinrichtungen zum Kabelpilotprojekt
Offene Widersprüche in der Einstellung zum Kabelpilotprojekt zwischen Träger und Leitung der Erwachsenenbildungseinrichtungen wurden nicht festgestellt. Die Beziehung der Leitung zu ihrem jeweiligen Träger ist unterschiedlich eng; sie reicht von der Ausübung verschiedener Funktionen in Personalunion bis zu einem komplexen Gefüge der institutionellen Staffelung zwischen beiden Ebenen. Ist das Bildungswerk Teil einer Organisation, die sich der Weiterbildung als einem unter mehreren Tätigkeitsbereichen annimmt, so ist festzustellen, daß sich die Leitung der Bildungsabteilung in erheblichem Maße zugleich auch als Interessenvertreter des Verbandes versteht. Dies bleibt — wie noch zu zeigen sein wird — nicht ohne Folgen für die Haltung zum Kabelpilotprojekt. Insgesamt läßt sich eine gewisse Unsicherheit der Leiter von Weiterbildungseinrichtungen gegenüber dem Kabelpilotprojekt konstatieren. Jene für die Weiterbildung zuständigen Instituts— bzw. Abteilungsleiter, die dem Kabelpilotprojekt nicht grundsätzlich ablehnend begegnen, räumen ein — zumeist allerdings mehr implizit —, daß der Weiterbildungsbereich eine besondere Verpflichtung habe, sich mit neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, zu denen auch die Informations — und Kommunikationstechniken gehören, auseinanderzusetzen und ihre Möglichkeiten kritisch zu überprüfen und zu testen. Dies geschieht nicht zuletzt aus der Erkenntnis, ansonsten in nicht allzu ferner Zukunft von einer Entwicklung erfaßt zu werden, die weite Teile der eigenen Bildungsarbeit beeinflußt und auf die man dann nicht mehr gestaltend einzuwirken vermag. Angesichts der Tatsache, daß sich das Einzugsgebiet zahlreicher Institutionen nicht bloß auf den Großraum Dortmund, sondern auch darüber hinaus erstreckt, demgegenüber jedoch nur ein verschwindend geringer Teil von Haushalten in der Dortmunder Innenstadt ans Kabel angeschlossen ist, stellt sich für die Leitungen der Weiterbildungseinrichtungen vor dem Hintergrund finanzieller und personeller Engpässe die Frage, ob ein mögliches Engagement im Kabelpilotprojekt vertretbar ist. Erschwerend kommt hinzu, daß nicht wenige Leiter und hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen selbst gar nicht im Versuchsgebiet wohnen, einige sogar ganz außerhalb Dortmunds. Man mag dies eher für eine
162
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Marginalie halten; wenn man jedoch weiß, wie stark gerade lokale Rundfunkprogramme Ausdruck der Bindungen an die lokale Kultur zu sein vermögen, so ist diesem Umstand durchaus größere Bedeutung zuzumessen. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Ausführungen der für die Weiterbildung in leitender Funktion Verantwortlichen die Überlegung, lokale Radio— und Fernsehangebote für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Radio Dortmund erscheint aufgrund seiner höheren Reichweite dabei als Werbeträger bedeutend interessanter als das lokale Fernsehen oder die Spartenkanäle. Besonders ausgeprägt ist das Interesse an der Nutzung der Versuchsprogramme als Werbeträger, wie oben bereits angedeutet, bei jenen Einrichtungen, die eingebunden sind in umfassendere Organisationsverbände, deren Ziel nicht nur die Bildungsarbeit ist. Entgegen den allgemeinen Absichtserklärungen lassen sich erhebliche Unterschiede in der faktischen Nutzung von Radio und Fernsehen für die Öffentlichkeitsarbeit feststellen. Während die Mehrzahl der Weiterbildungsinstitutionen darauf wartet bzw. sich damit begnügt, daß Redakteure des Kabelfunks mit Interviewwünschen oder Produktionsvorschlägen auf sie zukommen, betreibt nur eine Minderheit eine aktive Presse— und Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu gehört es dann auch, die Redaktionen des Kabelfunks mit Nachrichten aus dem eigenen Haus zu beliefern, einen Ansprechpartner für Rückfragen zu benennen sowie die Berichterstattung der Medien systematisch auszuwerten. Institutsleiter, für die es nicht möglich ist, nach solch einem Agenturmodell zu arbeiten, greifen gelegentlich auf unmittelbarere, zufalligere und spontanere Formen der Öffentlichkeitsarbeit zurück, indem sie vermehrt zum Telefonhörer greifen, um sich in aktuellen Hörfunksendungen — auf einen entsprechenden Stimulus hin — zu Wort zu melden. Diese Strategie stellt, wenngleich subjektiv als sehr erfolgreich wahrgenommen, eher die Ausnahme dar. Die Chancen einer engen Zusammenarbeit mit dem Bildungskanal werden überwiegend zurückhaltend beurteilt. Ausschlaggebend hierfür sind in erster Linie die geringen Anschlußzahlen. Aus der Reihe der "Engagierten", der "abwartend Interessierten" sowie der "Resignierten" (vgl. Kapitel 3.1.1) werden überwiegend Kontaktpersonen für den vom Adolf—Grimme —Institut initiierten lokalen Medienverbund benannt. Aus dieser Zusammenarbeit der Weiterbildungseinrichtungen mit der Bildungsredaktion sind einige Eigenproduktionen entstanden, mit deren Qualität die Weiterbildungsvertreter bei kritischer Betrachtungsweise selbst nicht immer ganz zufrieden sind. Die Funktion dieser Eigenproduktionen wird ausschließlich in der Bildungswerbung, — animation und Öffentlichkeitsarbeit gesehen. Radio und Fernsehen als Medien für Fernunterricht zu nutzen, wird von den Einrichtungen nicht
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
163
ernsthaft in Erwägung gezogen. Die Befürchtung, die Angebote des Bildungskanals könnten zu einer Konkurrenz für das eigene Weiterbildungsprogramm werden, hat keiner der Interviewpartner geäußert. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß von der Leitungsseite der Erwachsenenbildungseinrichtungen dem Medium Radio der Vorzug gegenüber dem Fernsehen gegeben wird; unabhängig vom Medium konzentriert sich das Nutzungsinteresse auf diverse Formen der Öffentlichkeitsarbeit; der intentionale Bildungsfunk spielt demgegenüber keine Rolle.
3.1.2.3
Die Haltung der hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter zum Kabelpilotprojekt
Über mehr als ein oder zwei hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter neben dem Leiter der Einrichtung verfügen lediglich die größeren Weiterbildungseinrichtungen. Dort existiert auch ein nach Fachbereichen differenziertes Aufgabenfeld für die einzelnen hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter. Alles was im engeren oder weiteren Sinne mit dem Kabelpilotprojekt zu tun hat, wird in solchen Institutionen von dem für Medien zuständigen Referenten zusätzlich mitübernommen. Nicht selten empfinden sich diese hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter als "Einzelkämpfer" in Sachen Kabelpilotprojekt. Ihre Kollegen halten sich bewußt in kabelpilotprojektspezifischen Angelegenheiten zurück und überlassen dieses Tätigkeitsfeld gern dem Experten für Medien, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich angesichts ihrer allgemeinen Überlastung nur ungern zusätzliche Arbeiten aufladen wollen. Jenseits aller grundsätzlichen Haltungen herrscht auf dieser Ebene ein rein pragmatisches, vornehmlich unter finanziellen und personellen Ressourcen betrachtetes Verhältnis zum Kabelpilotprojekt vor. In den Einrichtungen, die über eine Person, sei es die Institutsleitung, ein hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter oder ein sonstiger Vertreter, im Projektrat Sitz und Stimme hatten, war der Infonuationsstand über alle kabelpilotprojektrelevanten Belange sehr gut. In Dienstbesprechungen wurden allgemein interessante Informationen über das Kabelpilotprojekt an die anderen hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter weitergereicht. Selbstverständlich handelte es sich hierbei um einen selektiven Prozeß der Informationsvermittlung. Bis auf die Ebene der nebenamtlichen Kursleiter, Dozenten und Referenten gelangten diese Informationen allerdings nur in den seltensten Fällen. Hinweise darauf, daß der Informationsfluß bewußt an bestimmten Stellen unterbrochen wurde, konnten nicht ausfindig gemacht werden. Es scheint sich hier vielmehr um ein strukturelles innerorganisatorisches Problem der Diffusion von Informationen zu handeln. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß dieses Problem
164
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
sämtliche Einrichtungen mehr oder weniger gleichermaßen betrifft. Anstrengungen zur Überwindung dieses offensichtlichen Defizits sind nicht bekannt. Institutionen, die nicht über Vertreter im Projektrat Zugang zu aktuellen Informationen über das Kabelpilotprojekt hatten, stand als Informationsquelle die zweimal im Monat erscheinende Programmzeitschrift "City Post" zur Verfügung. Dies galt allerdings lediglich für die Einrichtungen im Innenstadtbereich, und selbst dort kam es vor, daß die Versorgung nur sporadisch oder überhaupt nicht funktionierte. Sofern die Einrichtungen Interesse am lokalen Medienverbund zeigten, erhielten sie vom Adolf—Grimme —Institut den unregelmäßig erscheinenden Informationsdienst "Bildung und Kabel". Ein kontinuierlicher Informationsfluß vom Funkhaus in der Lindemannstraße zu den Weiterbildungseinrichtungen, z.B. durch die Versendung des "Projektors", einer zweiwöchentlich erscheinenden Sammlung von Pressestimmen zum Dortmunder Kabelpilotprojekt sowie zum landes— und bundesweiten Geschehen auf dem Sektor der Neuen Medien, existierte nicht. Angesichts dieser Situation und dem Umstand, daß die Dortmunder Tageszeitungen sich lange Zeit weigerten, über das Kabelpilotprojekt zu berichten, wäre es eine wichtige Aufgabe gewesen, zunächst einmal dem Großteil der Weiterbildungseinrichtungen ein dauerhaftes Informationsangebot über das Kabelpilotprojekt zu unterbreiten und sodann danach zu fragen, wie hausinterne Kommunikationswege verbessert werden können.
3.1.2.4
Zur Rolle der Weiterbildungslehrer und Kommunikationshelfer
Im Unterschied zu den hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitern, die überwiegend konzeptionelle, disponierende und beratende Aufgaben bei der Angebotserstellung, — abwicklung und — evaluation erfüllen, handelt es sich bei den sogenannten Weiterbildungslehrern um ausschließlich in der Lehre tätiges Personal; sie sind, anders als die nebenberuflichen Honorarkräfte, hauptamtlich angestellt. Dieses neue Berufsbild hat sich erst in jüngster Vergangenheit, vorwiegend an kommunalen Weiterbildungseinrichtungen im großstädtischen Bereich, herausgebildet. Insbesondere dort, wo längerfristige, abschlußbezogene Kurse durchgeführt werden, etabliert sich ein Betätigungsfeld für Weiterbildungslehrer. Von Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen werden solche Weiterbildungslehrer sowohl im kommunalen Bereich als auch von beruflichen Weiterbildungseinrichtungen beschäftigt. Das Tätigkeitsfeld der Weiterbildungslehrer steht jedoch in keinerlei Beziehung zum Kabelpilotprojekt. Ein Kommunikationshelfer soll Einzelpersonen und Gruppen, die Beiträge für den Offenen Kanal produzieren wollen, sei es im Hörfunk oder Fernsehen, Hilfestellun-
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
165
gen leisten; diese können sich einerseits auf den technischen Umgang mit Kamera, Schnitt etc. und andererseits auch, falls dies gewünscht wird, auf die gestalterische und dramaturgische Umsetzung einer bestimmten Produktionsidee beziehen. Kommunikationshelfer sollen nach Möglichkeit über eine medienpädagogische Qualifikation verfügen. Wie die kurze Skizzierung des Aufgabenfeldes von Kommunikationshelfern zeigt, steht es nicht so sehr im Zusammenhang mit der Abwicklung von im voraus curricular geplanten organisierten Lernprozessen, sondern zielt vielmehr auf die Unterstützung freier Gruppen außerhalb der traditionellen Bildungsarbeit ab. Aufgrund der Tatsache, daß Offene Kanäle bis vor kurzem nur in Kabelpilotprojekten existierten und Weiterbildungseinrichtungen gewöhnlich nicht über jene medientechnische Ausstattung verfügen, die für eine Produktion professioneller bzw. semiprofessioneller Beiträge erforderlich ist, gehört der Kommunikationshelfer nicht zur üblichen Personalausstattung einer Weiterbildungsinstitution. Mit der Einrichtung von Medienwerkstätten für den Offenen Kanal haben drei Dortmunder Weiterbildungsstätten die Voraussetzungen dafür geschaffen, Kommunikationshelfer einzustellen. Zum Zeitpunkt der Erhebung waren in diesen Einrichtungen zwischen ein und drei Kommunikationshelfern auf AB —Stellen tätig. Inwieweit hieraus gegebenenfalls Planstellen werden könnten, ist noch nicht abzusehen. Wenngleich die Kommunikationshelfer mit dem expliziten Auftrag angetreten sind, Zulieferfunktionen für den Offenen Kanal zu erfüllen, so werden sie zeitweise doch auch für organisationsinterne Aufgaben im Medienbereich herangezogen. Zwei weitere Einrichtungen haben, abweichend vom Konzept des Kommunikationshelfers, jeweils eine AB —Kraft für ihre Medienarbeit zusätzlich gewinnen können. Deren Tätigkeitsfeld erstreckt sich im wesentlichen auf drei Bereiche. Zum einen bemühen sich diese Kräfte in Zusammenarbeit mit Gruppen innerhalb der eigenen Einrichtung Produktionen zu erstellen, die entweder im Offenen oder im Bildungskanal ausgestrahlt werden; zweitens werden unabhängig vom Kabelpilotprojekt audiovisuelle Materialien für die eigene Öffentlichkeitsarbeit — zum Teil verbandsübergreifend — erarbeitet und drittens wird angestrebt auch ein Stück weit theoretisch — konzeptionelle Arbeit für den Medieneinsatz zu leisten. Darüber hinaus gehört die Lehrtätigkeit, die Betreuung von Arbeitskreisen sowie die Vertretung der Einrichtung in Kooperationsgremien, wie z.B. dem lokalen Medien verbünd, zum Funktionsbereich dieser Mitarbeiter.
166
3.1.2.5
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Zum Einsatz von Informations — und Kommunikationstechniken in der Verwaltung
Grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Einsatz neuer Informations— und Kommunikationstechniken wurden bei keiner der Weiterbildungseinrichtungen festgestellt. Berührungsängste scheint es hier offenbar nicht zu geben. Zwar wird gelegentlich auf prinzipielle Probleme des Datenschutzes beim Umgang mit personenbezogenen Informationen hingewiesen, doch nach den Aussagen der Interviewpartner ist der Schutz der Teilnehmerdaten bei der eigenen Einrichtung in jedem Fall gewährleistet. Ob in den Einrichtungen Informations— und Kommunikationstechniken in der Verwaltung eingesetzt werden, ist vornehmlich eine Frage der Größenordnung. Kleinere Institutionen mit zwei bis drei hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitern verzichten zumeist ganz auf den Einsatz von modernen Bürotechniken. Die gesamte Verwaltung wird hier ausschließlich manuell erledigt. Als Gründe für den Verzicht auf eine EDV — Unterstützung werden einheitlich finanzielle Aspekte ins Feld geführt. Es gibt zwar auch kleinere Einrichtungen, die sich eines Computers bei der Abwicklung ihrer Geschäfte bedienen, doch dies geschieht dann aus einem persönlichen Interesse des hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiters, der sich privat mit der Erstellung von entsprechenden Programmen beschäftigt und zumeist seinen eigenen PC zu diesem Zweck zur Verfügung stellt; die Einrichtung profitiert in diesem Falle vom persönlichen Engagement ihres Mitarbeiters. Die Mehrheit der Weiterbildungsinstitutionen wickelt ihr Bildungsmanagement bereits unter Zuhilfenahme moderner Bürotechniken ab oder plant dies für die nahe Zukunft. Zur Ausstattung gehören in diesen Fällen eine EDV —Anlage, Bildschirmarbeitsplätze, Computer sowie der Anschluß an einen externen Rechner der Zentrale oder des Dachverbandes. Wurden bislang Verwaltungsaufgaben von Hauptstellen erledigt, so läßt sich bei einigen Einrichtungen ein Prozeß der Dezentralisierung feststellen; die zuvor zentral wahrgenommenen Aufgaben werden nun, da es technisch möglich ist, an die einzelnen Einrichtungen zurückgegeben. Zuweilen wird kritisiert, daß die Erwachsenenbildungseinrichtungen mit den Entscheidungen über den sinnvollen Einsatz neuer Informations— und Kommunikationstechniken überfordert sind. Es fehlt vielfach das K n o w - h o w , um zu beurteilen, welche Kommunikationsmittel im Bürobereich für die eigene Institution sinnvoll eingesetzt werden können. Hier macht sich auch ein Mangel an strategischem Denken bezüglich einer betriebswirtschaftlich effektiven Nutzung neuer Techniken bemerkbar. Entscheidungshilfen z.B. vom Landesinstitut für Schule und Weiterbildung würden hier gerne entgegengenommen.
167
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
Einsatzfelder
der
Informations — und Kommunikationstechniken
im
Verwaltungs-
bereich sind der Buchungsverkehr, die Finanz Verwaltung, das Einschreibwesen, die Teilnehmeranschreiben, die Textverarbeitung sowie in Einzelfällen auch die Studienplangestaltung. Letzteres gilt insbesondere für die Gruppe der Innovatoren unter den Weiterbildungseinrichtungen. Als Innovatoren auf dem Sektor der Informations— und Kommunikationstechniken sollen jene Weiterbildungseinrichtungen bezeichnet werden, deren technische Ausstattung über den gegenwärtig üblichen Standard hinausreicht. Dies ist z . B . der Fall, wenn ein Btx —Anschluß vorhanden ist, Videotext bzw. Kabeltext genutzt wird, ein Telexanschluß existiert, Telefax und Teletex zur Ausstattung gehören, eine Standleitung zu einem Großrechner unterhalten wird oder von der Post ein Videokonferenzstudio im eigenen Haus installiert wurde. Noch verfügt kaum eine Institution über sämtliche der hier erwähnten Anlagen. Nach der sukzessiven Komplettierung der Informations— und Kommunikationstechniken nehmen sich einige der Innovatoren als nächsten Schritt der Entwicklung die Vernetzung bislang noch getrennter technischer Systeme vor. Interessanterweise gehören jene Einrichtungen mit der besten technischen Ausstattung zu den ausschließlich im Bereich der beruflichen Weiterbildung tätigen Anbietern, die sich nicht über das Weiterbildungsgesetz
finan-
zieren,
deren
die selbst Einheiten
größerer Organisationsverbände
sind,
und zu
Aufgaben die Weiterbildung nur als sekundäres Ziel gehört. Für ausschließlich auf Bildungsarbeit spezialisierte Institutionen ist selbst im beruflichen Bereich eine auf dem neuesten Stand der technischen Entwicklung befindliche Ausstattung im Verwaltungsbereich nicht finanzierbar. Besondere Erwähnung soll an dieser Stelle der Einsatz von Btx finden. Einige Institutionen, die bislang noch über keinen Btx —Anschluß verfügen, streben dies vornehmlich unter zwei Aspekten an; zum einen versprechen sie sich davon den Zugang zu externen Datenbanken, zum anderen erwarten sie auf diesem Wege die verbandsinterne Kommunikation verbessern zu können. Institutionen, für die der Btx —Anschluß zur Grundausstattung gehört, beklagen hingegen seinen geringen Nutzeffekt aufgrund des kaum vorhandenen Verbreitungsgrades.
3.1.2.6
Zur Rolle der Kursleiter
Die nebenberuflichen Kursleiter werden aufgrund des vielfach unzureichenden organisationsinternen
Kommunikationsflusses
in
den
Weiterbildungseinrichtungen
nicht
oder nur höchst unzulänglich über das Kabelpilotprojekt informiert. Von Seiten der Weiterbildungseinrichtungen sind die Kursleiter jedenfalls nicht über die Möglichkeiten einer Kooperation mit anderen Weiterbildungsinstitutionen sowie dem Kabelfunk
168
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Dortmund im Rahmen des lokalen Medienverbundes aufgeklärt worden. Wenn sie dennoch davon wissen, dann nicht aus dem Munde der für sie zuständigen hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter. Diesen ist das Thema — vorausgesetzt sie wissen selbst darüber Bescheid, was häufig jedoch nicht der Fall ist — einfach nicht wichtig genug. Ein Interviewpartner drückt sich in diesem Zusammenhang wie folgt aus: "Dieses Kind (lokaler Medienverbund) ist noch so klein, daß wir von uns aus noch gar nicht erkennen können, ob es überhaupt einen Namen hat." Bei den Kursleitern selbst ist das Bedürfnis, sich über das Thema "Bildung per Medien im Kabelpilotprojekt" kundig zu machen, nicht sehr groß; von ihnen wurde bislang in keiner Institution der Wunsch an die Einrichtung herangetragen, in dieser Richtung größere Aktivitäten zu entfalten. Um das verstehen zu können, muß man wissen, daß viele der Kursleiter, gerade bei landesweit arbeitenden Einrichtungen, nicht aus dem Dortmunder Innenstadtbereich kommen, die Dozententätigkeit überwiegend nebenberuflich ausgeübt wird und die Honorare nicht gerade üppig sind. Auch die Frage, ob Kursleiter Sendungen des Bildungskanals "Die kluge Sieben" schon einmal in ihren Weiterbildungsveranstaltungen eingesetzt haben, wurde nahezu einhellig verneint. Auf die Ausnahmen wird gleich noch zurückzukommen sein; zunächst wenden wir uns aber den Gründen für diese Abstinenz zu. Entweder ist die Einrichtung selbst nicht ans Kabel angeschlossen oder es hat sich bei den hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitern der Eindruck herauskristallisiert, daß keine für die eigene Bildungsarbeit verwendbaren Sendungen ausgestrahlt werden. Initiativen, beim zuständigen Redakteur des Bildungskanals auf die Ausstrahlung solcher Inhalte hinzuwirken, die den eigenen Bedürfnissen entsprechen, werden entweder nicht unternommen oder bereits als gescheitert betrachtet. Dabei wird durchaus eingeräumt, daß es hier nicht um die subjektive Verhinderung bestimmter Inhalte geht, sondern die Angebote zu speziellen Themen schlicht nicht vorhanden oder unbrauchbar sind oder es Probleme gibt, die Rechte für die Ausstrahlung zu erwerben. Ein dritter Grund für die nicht stattfindende Nutzung der Angebote des Bildungskanals liegt in den oftmals fehlenden personellen und technischen Ressourcen zum Aufzeichnen der Sendungen. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann man sagen, daß der Bildungskanal von den Einrichtungen — unabhängig aller damit zusammenhängenden urheberrechtlichen Probleme — keinesfalls in dem Sinne genutzt wird, um die Lücken der noch nicht aufgezeichneten Kurs— und Bildungsprogramme zu schließen. Nur in wenigen Einzelfallen mag dies anders sein. Abgesehen von den Fällen, in denen sich ein Kursleiter selbst Materialien aus dem Bildungskanal besorgt hat, um sie in seinen Kursen einzusetzen, sind uns nur zwei systematische Versuche bekannt, mit Kursangeboten aui dem Bildungskanal in Wei-
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
169
terbildungsveranstaltungen zu arbeiten bzw. dazu anzuregen. Ein hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter hat in seiner Einrichtung intensiv dafür geworben, zu einer Fernsehserie Begleitkurse einzurichten. Insgesamt ist dieser Versuch jedoch nur auf eine bescheidene Resonanz gestoßen. Das zweite Beispiel unterscheidet sich hiervon in seiner konzeptionellen Anlage. Zu mehreren themenbezogenen Sichtungsveranstaltungen von Versuchsprogrammen aus dem Kabelpilotprojekt wurden die Dozenten der Volkshochschule eines bestimmten Fachbereichs eingeladen und ihnen das Angebot unterbreitet, jederzeit die entsprechenden Cassetten in der eigenen Einrichtung ausleihen zu können. Die Akzeptanz des Angebots war allerdings nicht recht groß, so daß dieser Versuch wieder eingestellt wurde.
3.1.2.7
Das Klientel der Weiterbildung
Hinsichtlich der Reaktionen ihrer Teilnehmer auf das Kabelpilotprojekt befragt, differenzieren die Vertreter der Erwachsenenbildungsinstitutionen zwischen dem Medium Hörfunk einerseits und Fernsehen andererseits. Zum Fernsehen im allgemeinen und zum Bildungskanal im besonderen liegen durchweg keine Äußerungen vor, die den Interviewpartnern zu Ohren gekommen sind oder an die sie sich erinnern können. Dies kann zum einen daran liegen, daß den Gesprächspartnern — wie von einem explizit betont wird — kein einziger Teilnehmer am Kabelpilotprojekt persönlich bekannt ist, zweitens eine systematische Erkundung der Meinung zum Kabelpilotprojekt unter der Teilnehmerschaft von Weiterbildungsveranstaltungen nicht stattgefunden hat und drittens die Zahl der Haushalte mit einem Kabelanschluß eine — gemessen an der Einwohnerzahl Dortmunds — nur unbedeutende Subgruppe darstellt. Daß der zuletzt angesprochene Faktor der entscheidende ist, darauf weisen auch die zahlreicheren Stellungnahmen zu Radio Dortmund hin, von denen unsere Gesprächspartner zu berichten wissen. Der Grundtenor dieser Meinungsäußerungen ist äußerst positiv. Besonders interessant hinsichtlich der unterschiedlichen Resonanz auf die Medien Radio und Fernsehen sind die Berichte aus jenen Einrichtungen, die mit beiden Medien Erfahrungen sammeln durften. Während die wenigen dreißigminütigen Selbstdarstellungen der Einrichtungen im Bildungskanal nahezu keine Rückmeldungen auslösten, betonen all jene Institutsvertreter, auf deren Bildungsangebote im Programm von Radio Dortmund hingewiesen wurde, daß in der Folge zahlreiche hierdurch ausgelöste Nachfragen eingingen. Ohne den Eindruck einer Scheinobjektivität erwekken zu wollen, sondern lediglich um an dieser Stelle einen nur ungefähren Eindruck von der quantitativen Größenordnung dieser Rückmeldungen zu bekommen, sei jener
170
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Interviewpartner erwähnt, auf dessen über Ätherwellen ausgestrahlten Hinweis sich 50 bis 60 Personen in den nächsten drei bis vier Tagen meldeten. Zu einer definitiven Anmeldung in dem entsprechenden Kurs haben sich dann 10 % dieser Interessenten entschieden. Von ähnlichen Erfahrungen wissen auch andere Weiterbildungsexperten zu berichten. Vor dem Hintergrund der hier referierten Erfahrungen hat uns das Antwortverhalten der Interviewpartner auf die eher prognostisch spekulative Frage nach den Chancen, über das Medium Kabelfunk bzw. Kabelfernsehen neue Zielgruppen für ihre Weiterbildungseinrichtung zu erschließen, nicht überrascht. Für den Bereich des Hörfunks werden die Chancen recht positiv eingeschätzt und zwar quer durch alle Trägergruppen; für den Bereich des Fernsehens fallt das Urteil hingegen vernichtend aus. Die Erwartung, allein über das Angebot eines Bildungskanals neue Teilnehmerkreise für die Weiterbildung gewinnen zu können, wird einheitlich als Wunschdenken bezeichnet. Wenn man neue Zielgruppen erreichen will, so die Aussagen der Weiterbildungsexperten, müßte man eine intensivere Bildungsanimation über das Fernsehen betreiben. Insofern könnte einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit über das Medium Fernsehen eine unterstützende Funktion bei dem Versuch zukommen, bislang bildungsabstinente Bevölkerungsschichten an die Weiterbildung heranzuführen. Die Praktikabilität eines solchen Konzepts wird angesichts der geringen Anschlußquoten und der zwangsläufig noch niedrigen Einschaltquoten unter den gegebenen Bedingungen für nicht praktikabel erachtet. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage nach dem Kosten — Nutzen — Verhältnis für die Weiterbildungseinrichtungen aufgeworfen. Selbst wenn die personellen, finanziellen und technischen Probleme eines Engagements der Weiterbildung im Fernsehen gelöst werden könnten, so stellt sich die Frage nach den angemessenen Darstellungsformen der intendierten Bildungswerbung (vgl. hierzu Kapitel 5.1.1). Auf diesem Gebiet herrscht ebenfalls noch eine große Unsicherheit unter den Weiterbildnern. Die Ausführungen zu diesem Punkt dürften deutlich gemacht haben, daß es zu einem wirklichen Test der Möglichkeiten des Bildungskanals in Dortmund aufgrund der zu geringen Anschlußzahlen nicht gekommen ist. Soviel ist sicher: Wäre der Bildungskanal im gesamten Dortmunder Raum zu empfangen gewesen, so wie Radio Dortmund, hätten sich viele Bildungseinrichtungen zu diesem Experiment von Anfang an anders verhalten. Dies gilt es zu berücksichtigen, wenn man alternative Konzeptionen eines Bildungskanals diskutiert.
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
3.1.2.8
171
Das Veranstaltungs— und Fortbildungsangebot zum Themenkomplex 'Neue Informations— und Kommunikationstechniken'
Weiterbildungsveranstaltungen zum Themenkomplex "Neue Informations— und Kommunikationstechniken" bieten nahezu alle Einrichtungen an. Lediglich jene Institutionen, die ihre Aktivitäten auf ein eng umgrenztes Tätigkeitsfeld, sei es im Bereich der beruflichen Bildung, der Wohlfahrtspflege oder des Sports konzentrieren, haben bislang kein eigenes Angebot auf diesem Feld entwickelt. Das Spektrum der Veranstaltungsformen zu neuen Informations— und Kommunikationstechniken reicht vom Einzelvortrag über die Kursreihe, das Wochenendseminar und die Exkursion bis hin zum Bildungsurlaub. Ebenso weit gespannt sind die möglichen Inhalte. Neben den allgemeinen Computerkursen gibt es SpezialVeranstaltungen zu sämtlichen Fragen der Telekommunikation sowie künstlerisch —ästhetische Experimente mit audiovisuellen Medien. Quer hierzu lassen sich im wesentlichen drei Formen der Auseinandersetzung mit den neuen Informations— und Kommunikationstechniken erkennen. Der erste Bereich betrifft die Einführung in ein Gebiet vornehmlich unter technischen Aspekten; hier wird primär das Ziel verfolgt, mit dem Gegenstand vertraut zu machen, ihn in seiner Funktionsweise kennenzulernen und Anwendungsmöglichkeiten zu demonstrieren. Der zweite Ansatzpunkt läßt sich als gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit den Informations— und Kommunikationstechniken umschreiben; im Mittelpunkt stehen hierbei die Auswirkungen der durch die neuen Technologien induzierten Wirkungen. In einem dritten Bereich richtet sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den praktischen Umgang mit Technik und Medien. Die Spannbreite der Aktivitäten reicht dabei von der Fortbildung beim editieren von Btx — Seiten bis hin zu Videoprojekten im kreativ — künstlerischen Bereich. Einrichtungen, die sich ausschließlich der beruflichen Weiterbildung widmen, legen eindeutig den Schwerpunkt auf die technische Komponente, während Institutionen der politischen Bildung vielfach die problemorientierte Auseinandersetzung mit den Folgen der Informations — und Kommunikationstechnologien in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltungen rücken. Bei zahlreichen Einrichtungen stehen beide Veranstaltungstypen, für jeweils unterschiedliche Zielgruppen, ziemlich unvermittelt nebeneinander. Einige Institutionen sind allerdings darum bemüht, Seminarkonzepte zu realisieren, die es sich explizit zur Aufgabe machen, eine Integration technisch — instrumenteller und gesellschaftlich — kritischer Kompetenzen im Umgang mit den neuen Informations— und Kommunikationstechnologien anzustreben. Generell läßt sich ein expandierendes Angebot für den gesamten Sektor der Beschäftigung mit den neuen Informations— und Kommunikationstechniken erkennen. Dies betrifft alle oben erwähnten Bereiche. Einheitlich berichten die Veranstalter von einer
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
stark zunehmenden Nachfrage, einer guten Akzeptanz, ausgebuchten Kursen und überproportionalen Zuwachsraten. Gleichwohl zeichnen sich jedoch bei manchen Einrichtungen bereits stagnierende bzw. rückläufige Tendenzen ab. Die Ursachen hierfür können verschiedene sein. Aus den Interviewpassagen lassen sich zumindest vier Erklärungen ablesen: (1) Im Bereich der gesellschaftskritischen Folgenabschätzung technischer Entwicklungen ist ein gewisser Sättigungsgrad in der öffentlichen Diskussion erreicht. Die Argumente sind weitgehend ausgetauscht; neue Aspekte werden rar. (2) Kleinere Einrichtungen der politischen Weiterbildung mit einem festen Teilnehmerstamm haben ihrer Klientel in den vergangenen Jahren bereits ein umfassendes Seminarangebot unterbreitet, das erfolgreich gelaufen ist, sich aber nicht beliebig ausdehnen oder wiederholen läßt. (3) In einzelnen Bereichen, z.B. Btx, ist die Entwicklung hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückgeblieben; die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz wirkt verunsichernd auf potentielle Anbieter, sich mit anderen technischen Innovationen zu beschäftigen, da ihre Erwartungen schon einmal enttäuscht wurden. (4) In Einzelfallen haben unausgereifte Kurskonzeptionen offensichtlich abschrekkend auf Weiterbildungsteilnehmer gewirkt; so ist es beispielsweise wenig verwunderlich, daß als Weiterbildung "getarnte" Werbeveranstaltungen der Post nicht auf den erhofften Teilnehmerzuspruch stießen. Das gesamte Weiterbildungswesen für haupt — und nebenamtliche pädagogische Mitarbeiter ist im allgemeinen äußerst wenig entwickelt. Die Entscheidung, sich selbst im Bereich Neue Medien fortzubilden, wird in das Ermessen der jeweiligen Mitarbeiter gestellt. Systematisch ausgearbeitete Konzeptionen der Fortbildung existieren nicht. Für hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter gibt es im wesentlichen drei Fortbildungsmöglichkeiten, die auch sporadisch genutzt werden: 1. Die Angebote des jeweiligen Zentralverbandes — soweit es diesen gibt —, 2. die Seminare des Landesinstituts für Schule und Weiterbildung in Soest sowie 3. Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung. Nebenamtliche Kräfte, die sich zum Thema Neue Medien fortbilden wollen, sind auf sich selbst angewiesen. Eine interne Dozentenweiterbildung der Erwachsenenbildungsinstitutionen findet so gut wie nicht statt. Hierfür fehlen einfach die finanziellen Mittel. Von den Weiterbildungseinrichtungen wird durchgehend der Standpunkt vertreten, daß nur "gestandene Experten" als Honorarkräfte tätig werden und die Notwendigkeit einer Fortbildung damit erst gar nicht entstehe. Daß es dennoch Pro-
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
173
bleme geben kann beim Einsatz von Lehrkräften, wird von wenigen Gesprächspartnern durchaus eingeräumt. So hat es in zwei Fällen bei älteren Dozenten Widerstände gegeben, zentral erstellte audiovisuelle Lehrmaterialien im Unterricht einzusetzen. Hier zeigt sich, wie wichtig es sein kann, fernab der fachlichen Fortbildung zu Neuen Medien, in einem medienpädagogischen Training für den Umgang mit neuen unterrichtstechnischen Hilfsmitteln zu sensibilisieren. Zwei Veranstalter haben dies bereits erkannt und entsprechende Seminare für hauptamtliche sowie freie Mitarbeiter entwickelt.
3.1.2.9
Kabelanschluß, medientechnische Ausstattung und Medieneinsatz
Zwanzig der von uns befragten Weiterbildungseinrichtungen haben den Sitz ihrer Geschäftsstelle im Versuchsgebiet des Kabelpilotprojekts; das sind 80 % der in der Erhebung insgesamt erfaßten Institutionen. Genau die Hälfte davon, nämlich zehn, waren zum Zeitpunkt der Interviews als institutionelle Versuchsteilnehmer ans Kabel angeschlossen. Drei Weiterbildungseinrichtungen aus der Gruppe derjenigen ohne Kabelanschluß gaben an, demnächst ein neues Haus zu beziehen, in dem ein Kabelanschluß vorhanden sein wird. Darüber hinaus existieren unseres Wisssens keine, nicht in der Untersuchung berücksichtigten Weiterbildungseinrichtungen, die die Programme des Kabelfunks empfangen konnten. In der Gruppe der Versuchsteilnehmer finden sich sämtliche großen Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen. Kommunale Einrichtungen sind darunter ebenso vertreten wie kirchliche, gewerkschaftliche, den Arbeitgebern nahestehende sowie solche der freien Wohlfahrtspflege. Lediglich jene in der "Landesarbeitsgemeinschaft für eine andere Weiterbildung" zusammengefaßten Einrichtungen fehlen. Die Gründe hierfür liegen in der Boykotthaltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt. Wirft man einen Blick auf die im Weiterbildungsgesetz von Nordrhein —Westfalen genannten Sachbereiche (vgl. § 3), so läßt sich feststellen, daß durch die ans Kabel angeschlossenen Einrichtungen sämtliche Felder von der abschlußbezogenen über die berufliche, politische, personenbezogene, wissenschaftliche bis hin zur Eltern— und Familienbildung sowie dem Bereich der freizeitorientierten und die Kreativität fördernde Bildung abgedeckt werden. Berücksichtigt man die Unterrepräsentanz der kleinen Einrichtungen und das Fehlen "alternativer Weiterbildungsstätten" so kann, bei einer insgesamt eher bescheidenen Anschlußdichte, bezüglich der Struktur der ans Kabel angeschlossenen Institute, von einem annähernd repräsentativen Querschnitt der Dortmunder Weiterbildungslandschaft gesprochen werden.
174
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Die medientechnische Ausstattung der kleineren, nicht ans Kabel angeschlossenen Weiterbildungsinstitutionen ist insgesamt sehr bescheiden. Nicht selten sind keinerlei Geräte in der Einrichtung vorhanden. Videorecorder, Kamera und Fernseher stellen gelegentlich die hauptamtlichen Mitarbeiter aus ihrem Besitz leihweise zur Verfügung oder das benötigte technische Equipment muß von benachbarten Institutionen, mit denen man kooperativ zusammenarbeitet, geborgt werden. Da kleine Weiterbildungswerke vielfach nicht über genügend eigene Unterrichtsräume verfügen, sind sie oftmals Fremdbeieger und führen ihr Angebot ambulant in anderen Häusern durch, deren Technik dann mitgenutzt wird. Selbst wenn der Wunsch besteht, die medientechnische Ausstattung zu verbessern, so scheitert seine Verwirklichung an den fehlenden finanziellen Ressourcen. Neben Diaprojektor und Tageslichtschreiber ist maximal eine tragbare Videoanlage für kleinere Einrichtungen realisierbar. Die mittleren und größeren Einrichtungen verfügen zumeist über eine medientechnische Grundausstattung, die Videorecorder, Monitore, Film— und Diaprojektoren, Cassettengeräte, Kameras, Fotoapparate, Radio— und Fernsehgeräte sowie Overhead Projektoren umfaßt. Nicht selten handelt es sich dabei allerdings um veraltete, nicht mehr voll einsetzbare Geräte auf qualitativ unterem Niveau. Besser ausgestattet sind im allgemeinen lediglich Institute der beruflichen Weiterbildung. Hier ist zum Teil jeder Unterrichtsraum mit fest installierten bzw. transportablen Medieneinheiten bestückt. Besonders zu erwähnen sind jene drei Einrichtungen, die Medienwerkstätten für den Offenen Kanal eingerichtet haben. In diesen Fällen sind teils mit kommunaler Unterstützung semiprofessionelle Studios für mehrere hunderttausend Mark entstanden. Zur Grundausrüstung gehören hier U —matic Schnittplätze, Kameras, Recorder, Monitore, tragbare Videoanlagen, Bandmischmaschinen etc. Sämtliche dieser Studios werden sehr stark frequentiert. Im wesentlichen lassen sich folgende Nutzergruppen unterscheiden. (1) Personen aus den früheren Super —8 Filmclubs, die eigene Produktionen erstellen wollen, denen aber nirgends dazu die Gelegenheit geboten wird, suchen gezielt die Medienwerkstätten auf. (2) Einer zweiten Gruppe von Menschen geht es primär um ein inhaltliches Anliegen, das sie über Medien an eine Öffentlichkeit herantragen möchte. (3) Der dritte Typ von Nutzern erhofft sich vom Besuch der Medienwerkstätten praktische Tips und Hinweise zum Umgang mit der eigenen Videokamera. (4) Eine vierte und letzte Gruppe von Personen rekrutiert sich aus dem Klientel der jeweiligen Einrichtung, die eher beiläufig auf die Arbeit der Medienwerkstatt stoßen und diese dann für eigene Projekte zu nutzen beginnen.
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
175
Die eng an die Idee des Offenen Kanals gekoppelte Arbeit der Medienwerkstätten führt zu einer gewissen Distanz der Studios zu der direkten Weiterbildungsarbeit. In zwei Fällen drückt sich dies auch organisatorisch in der Trennung zwischen Medienwerkstatt und Weiterbildungseinrichtung aus. So gesehen bleibt die Mediennutzung in der Weiterbildungsinstitution selbst relativ unberührt von der Arbeit der Medienwerkstätten. Der Einsatz von Medien reicht in der traditionellen Bildungsarbeit der Institutionen von einer Ergänzung und Unterstützung des personalen Lernprozesses über den Einsatz für Zwecke der Unterrichts— und Seminarbeobachtung bis hin zu Einzelplatzlernsystemen, die sich des interaktiven Videos bedienen. Während die ersten beiden Verwendungsformen zum Alltag der Weiterbildung gehören, liegen Erfahrungen mit interaktiven Videolernplätzen erst vereinzelt vor; diese wurden ausschließlich in der beruflichen Fortbildung gesammelt. Ein Weiterbildungsexperte, der sich in seiner Arbeit intensiv mit interaktivem Video beschäftigt hat, kommt insgesamt zu einer recht skeptischen Einschätzung insbesondere der Einzelplatzsysteme. Seine Kritikpunkte an diesem Medium sind zusammengefaßt folgende: (1) Die konfektionierten Lernprogramme genügen vielfach nicht pädagogischen Mindeststandards. (2) Der Aufwand, den Lernenden in die technischen Varianten des Systems einzuführen, ist verhältnismäßig groß. (3) Aufgrund der pädagogischen Mängel sowie der technisch komplexen Handhabung verlieren die Lernenden relativ schnell die Lust, sich auf diese Art und Weise fortzubilden. (4) Der Aufwand, über die Autorensysteme selber teachware zu erstellen, ist wesentlich größer als ursprünglich angenommen. (5) Die Anbieter von Lernsoftware sind tendenziell mehr daran interessiert die dazu passende Hardware zu verkaufen, als eine solide pädagogische Arbeit zu leisten. Aufgrund der dargelegten Punkte gelangt unser Interviewpartner zu folgender zusammenfassenden Beurteilung des interaktiven Videos: "Im pädagogischen Bereich muß ich ganz ehrlich sagen, kann ich es mir im Moment nicht vorstellen, wie man mit einem Einzelplatzsystem ohne Lehrer mittelfristig auskommen kann." Mit der hier geäußerten Meinung steht der Vertreter einer beruflichen Weiterbildungseinrichtung keineswegs allein, auch seine Kollegen aus vergleichbaren Einrichtungen sind eher zurückhaltend bei der Erprobung des interaktiven Videos an Einzellernplätzen. Im Gegensatz hierzu wird der Einsatz der Videokamera uneingeschränkt positiv
176
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
beurteilt, wenn es in der beruflich technischen Weiterbildung darum geht, auf diese Weise komplexe Handgriffe des Lehrenden jedem Teilnehmer direkt über Monitor anschaulich vorzuführen. Hierbei handelt es sich dann aber nicht mehr um den Einsatz vorgefertigter Lernsequenzen, sondern um die Unterstützung des unmittelbaren Lehr —Lern —Geschehens in einer Gruppe.
3.1.3
Ergebnisse der Institutionenbefragung von 1988
3.1.3.1
3.1.3.1.1
Die Mitarbeiter der Weiterbildungsinstitutionen und das Kabelpilotprojekt: Einstellungen, Nutzung der Programme und aktive Medienarbeit Hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter
Eine kontinuierliche Informationsweitergabe über das Kabelpilotprojekt erfolgt bei den meisten der befragten Institutionen nicht. Der Informationsstand der hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter über das Kabelpilotprojekt resultiert aus diesem Grund entweder aus den 'privaten' Kenntnissen des Programmangebots (z.B. bei privater Projektteilnahme in Form der Verkabelung des Privathaushaltes) oder aus anderer Informationsquelle (z.B. über Kontakte zu Redakteuren, die Programmzeitschrift "City Post" oder die Tageszeitungen). Über den tatsächlichen Informationsstand und die Haltung der anderen hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter der Institutionen zum Kabelpilotprojekt ist den meisten Interviewpartnern wenig bekannt. Eine distanzierte Haltung wird entweder damit begründet, daß die Mitarbeiter beruflich voll ausgelastet seien und für andere Tätigkeiten keine Zeit bleibe oder aber damit, daß die Spezifität der Bildungsarbeit keine intensiven Informationen der hauptamtlichen Mitarbeiter über das Kabelpilotprojekt bedinge. Kennzeichnend scheint zu sein, daß vor allem kleinere Institutionen, die sich zunächst kritisch mit dem Kabelpilotprojekt auseinandergesetzt haben, ansatzweise eine intrainstitutionelle Diskussion führen. Ein Grund dafür ist, daß bei diesen Institutionen die pädagogischen Mitarbeiter gemeinsam die Einrichtung leiten und somit ein Diskussionsprozeß über die Haltung zum Kabelpilotprojekt auf einer breiteren Basis geführt wird. Bei einigen größeren Institutionen sind es auch nach drei Jahren Kabelpilotprojekt insbesondere eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die stellvertretend für die Institution mit dem Kabelfunk kooperieren. Sie beschreiben sich als in der Rolle der "Einzelkämpfer" innerhalb der Institution. Ihr Engagement wird von Kollegen und der Institutionsleitung zwar honoriert, stößt aber in den meisten Fällen nicht auf die erwartete Resonanz, z.B. indem Kooperationen mit dem Kabelpilotprojekt auch
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
177
von anderen Mitarbeitern oder gemeinsam gesucht werden, oder aber die Sendungen des Kabelfunks in die Bildungsarbeit eingebaut werden. Der Grund dafür, daß sich diese Mitarbeiter besonders aktiv mit dem Kabelpilotprojekt auseinandersetzen und daran beteiligen, ist der, daß sie innerhalb der Institution für die Öffentlichkeitsarbeit oder den Medienbereich zuständig sind. Somit erfolgt innerhalb der Institution eine Rollenzuschreibung, die eine umfangreiche und inhaltliche Kooperation der Einrichtung mit dem Kabelfunk tendenziell verhindert, weil ihre Zuschreibungs'logik' sich nicht an den neuen Handlungsdimensionen des Kabelpilotprojekts orientiert, sondern an alten Bereichspezifika der Institution.
3.1.3.1.2
Kursleiter
In keiner der Institutionen erfolgte eine regelmäßige und systematische Weitergabe der Programmangebote des Kabelfunks oder anderer möglicherweise wichtiger Informationen über das Kabelpilotprojekt an die nebenamtlichen Kursleiter. Alle Gesprächspartner gehen davon aus, daß — sofern es ihnen wichtig erscheint — sich die Kursleiter privat über das Kabelpilotprojekt informieren. Als Gründe für dieses Verhalten werden angegeben, daß die angebotenen Themen des Kabelfunks mit den Bildungsinhalten der Institution überhaupt nicht kongruent sind und, daß eine gewisse Unsicherheit bei Kursleitern im Umgang mit Unterrichtsmedien vorliege. Die den Kursleitern zugeschriebenen Ursachen für eine fehlende Partizipation, die von den in der Regel 'hauptamtlichen' Interviewpartnern artikuliert wird, deutet darauf hin, daß institutionell kein reges Interesse am Kabelpilotprojekt besteht und der Medienbereich nicht professionell betreut wird. Im Fall einer institutionsspezifischen Betreuung wäre das Angebot des Kabelfunks sicher besser genutzt worden. Jedoch ist diese Situation auch als ein Indiz dafür zu werten, daß der Versuchsstatus des Kabelpilotprojekts sich notwendigerweise auch auf die Institution in der Form überträgt , daß zunächst die hauptamtlichen Mitarbeiter (bzw. der qua Rollenzuschreibung definierte Teil von ihnen) bemüht sind, neue mediale Handlungsdimensionen durch das Kabelpilotprojekt zu erschließen. Die nebenamtlichen Mitarbeiter werden in diese Versuchsphase nicht eingebunden. Bei fast allen Interviewpartnern herrscht eine große Unkenntnis über den tatsächlichen Informationsstand der Kursleiter über das Kabelpilotprojekt. Dieses liegt sicherlich auch daran, daß aufgrund der dezentralen Einsatzorte der Kursleiter und der damit entstehenden z.T. großen räumlichen Entfernung zur Institution ein zumindest 'informeller' Informationsfluß nicht möglich ist.
178
3.1.3.1.3
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Erfahrungen der Kommunikationshelfer in einem neuen Arbeitsfeld
Einigen der Institutionen, bei denen zu Beginn des Kabelpilotprojekts Stellen für Kommunikationshelfer auf der Basis von 'Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen' eingerichtet wurden, ist es gelungen, diese in feste Stellen umzuwandeln. Auf diese Weise konnte der Medienbereich professionell ausgebaut werden. Einer anderen großen Weiterbildungseinrichtung ist die Übernahme ihrer Kommunikationshelfer nicht in der Form gelungen. Obgleich die Stellen für Kommunikationshelfer auf der Basis von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen relativ kontinuierlich vorhanden waren, mußten wegen auslaufender Verträge (Befristung der Stellen) Mitarbeiter entlassen und immer wieder neue eingestellt werden. Allein aufgrund dieser Fluktuation der Stelleninhaber ist keine kontinuierliche Tätigkeit gewährleistet. Die Mitarbeiter, die die Stellen verlassen haben sind zum großen Teil wieder bei Institutionen oder in der Privatwirtschaft im Medienbereich tätig. Allerdings gilt die nachweisliche Beschäftigung als Kommunikationshelfer im Rahmen des Kabelpilotprojekts nicht als besondere berufliche Qualifikation, die einen Anschlußvertrag bei anderen Arbeitnehmern sichert. Der Begriff "Kommunikationshelfer" gilt insbesondere für diese selbst als unpassend und die eigentliche Tätigkeit nicht korrekt beschreibend. Die Kritik zielt auf die inhaltliche Verkürzung, auf die technizistische Tätigkeit (nämlich technische Hilfen zu geben) einer im Grunde als pädagogisch empfundenen Aufgabe, auch inhaltlich —dramaturgische Assistenz zu leisten. Insbesondere die Silbe 'helfer' degradiert die als bedeutungsvoll empfundene pädagogische Tätigkeit. Außerdem drückt der Begriff, so die Meinung einiger Interviewpartner, die Unmündigkeit der an einer Produktion für den Offenen Kanal Interessierten aus, selbst in (mediale) Kommunikation mit anderen zu treten. Eigene Aktivitäten zu beginnen, pädagogische Konzepte zu entwickeln wird für den Kommunikationshelfer qua definitionem schwer möglich. Ein Austausch des Begriffs 'Kommunikationshelfer' durch 'Medienpädagoge' wäre vor diesem Hintergrund sinnvoll, zumal die 'Kommunikationshelfer' sich selbst mit medienpädagogischen Inhalten identifizieren und auch von den sie beschäftigenden Institutionenen mit solchen betraut werden.
3.1.3.2
Zur Resonanz der Kursteilnehmer auf das Kabelpilotprojekt
Im großen und ganzen liegt fast keine Resonanz der Teilnehmer zum Kabelpilotprojekt im Sinn von Kritik, Anregungen oder Berichten bei den Institutionen vor. So wissen einige Interviewpartner allenfalls zufallig von Teilnehmeraktivitäten im Offe-
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
179
nen Kanal, von der Rezeption von Sprachkursen im Bildungskanal oder der Sendungen im Lokalfernsehen. Es gibt kaum Rückmeldungen oder Gespräche mit Teilnehmern, z.B. um deren Erfahrungen in die Bildungssituation einzubinden. Eine eher beiläufige Resonanz ist die, daß sich nach Ankündigungen von Kursen oder Weiterbildungsveranstaltungen im Kabelfunk die Teilnehmerzahl der entsprechenden Angebote signifikant erhöht. Diese Beobachtung hat die Institutionen darin bestärkt, weiterhin mit dem Kabelfunk in dieser Form zu kooperieren. Insbesondere wird im Rahmen dieser Kooperation die Bedeutung von Radio Dortmund für die Teilnehmerrekrutierung hervorgehoben (vgl. Kapitel 3.1.3.7).
3.1.3.3
Einstellung zu und Nutzungsprofile von 'Neuen Informations — und Kommunikationstechniken'
Die Ausstattung der Institutionen mit neuen Techniken steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem besonderen Engagement im Kabelpilotprojekt bzw. mit dessen technischen Innovationen.
3.1.3.3.1
Computer
Die meisten Institutionen sind bei der zweiten Befragung mit EDV ausgestattet. Wenn auch nicht alle Institutionen Computer zur Verwaltungsvereinfachung (z.B. weil die Institution zu klein ist) nutzen, so werden sie doch für Unterrichtszwecke eingesetzt. Die Ausstattung mit EDV —Anlagen in der Verwaltung hängt mit der Einschätzung zusammen, daß der Computer als ein Medium zur Vereinfachung administrativer Tätigkeiten wie etwa Kursbuchungen, Kostenrechnungen, Statistiken gilt. Aus diesem Grund haben sich fast alle Institutionen dazu entschlossen, EDV einzuführen bzw. werden das in absehbarer Zeit vollziehen. Fragt man nach den Funktionen des Computers innerhalb der Institutionen, so lassen sich folgende Nutzungsprofile erkennen:
Vernetzungsfunktion Die Vernetzungsfunktion steht insbesondere bei großen und auf Landesebene tätigen Institutionen im Vordergrund. Hier wird die besondere Präferenz darin gesehen, daß
180
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
die intrainstitutionelle Kommunikation schneller und leichter wird, weil on —line Kommunikation möglich ist. Damit geht eine Zentralisierung von Arbeitsprozessen einher: bestimmte Arbeitsvorgänge werden an die Zentrale weitervermittelt. Es zeigt sich jedoch auch eine gegenläufige Entwicklung, die mit dem Begriff 'partielle Dezentralisierung' zu beschreiben ist, wodurch Arbeitsvorgänge für alle Mitarbeiter transparent werden.
Administrative Funktion Die administrative Funktion steht bei der Mehrzahl der Institutionen eindeutig an erster Stelle. Damit kann ein Rückverweis administrativer Tätigkeiten an die pädagogischen Mitarbeiter verbunden sein (z.B. Filmbestellungen, Statistik, Teilnehmerlisten). Dieser Rückverweis wird sowohl positiv als auch negativ bewertet. Er wird positiv beurteilt, weil es möglich wird, schnell zu reagieren und negativ, weil das Arbeitsfeld der pädagogischen Mitarbeiter immer mehr erweitert wird.
Technische Interdependenz Der Begriff 'Technische Interdependenz' meint, daß der Computer in Verbindung mit anderen Medien genutzt wird. Der Computer dient dazu, Videoproduktionen zu verbessern, indem Bilder digitalisiert und neue Bildsequenzen eingefügt werden (z.B. Verfremdung von Bildern, Texteinspielungen).
3.1.3.3.2
Bildschirmtext
Einige der Institutionen haben Erfahrungen mit Bildschirmtext gesammelt. Während das Medium 'Computer' zur Vereinfachung von Verwaltungsaufgaben eingeschätzt wird, wobei die anderen Funktionsbereiche als 'Abfallprodukte' angesehen werden, wird das Medium 'Btx' als eines zur Kommunikation und Information eingestuft. Die besondere Qualität von Btx zur schnellen Information und zur Kommunikation (mit externen Partnern oder dem 'Klientel') wird von den Institutionen geschätzt, die allerdings bisher keine eigenen Erfahrungen mit Btx gesammelt haben, es jedoch in Erwägung ziehen, sich an Btx zu beteiligen. Die Institutionen, die bereits eigene Erfahrungen sammeln konnten, haben ihre Beteiligungsformen am Btx eingeschränkt. Btx gilt ihnen als teures Medium, dessen Zukunft nur bei großen Betrieben oder Institutionen gesehen wird.
3.1 Institutionsspezifische Aspekte
3.1.3.4
181
Veranstaltungsangebot im Bereich 'Neue Informations — und Kommunikationstechniken'
In der überwiegenden Zahl der befragten Institutionen werden Veranstaltungen im Bereich neuer Informations— und Kommunikationstechniken angeboten. Diese beziehen sich bei den eher beruflich orientieren Institutionen allerdings auf sehr spezifische Bereiche des beruflichen Alltags ihrer Zielgruppe. Sie bereiten etwa auf die technische Gestaltung zukünftiger Arbeitsplätze vor oder vermitteln eine Einführung in besondere Techniken (z.B. Editieren von Btx —Seiten). Bei den Bildungseinrichtungen mit eher allgemeiner oder sozial—kultureller Ausrichtung wurden gerade in der letzten Zeit in verschiedenen Bereichen der Informations — und Kommunikationstechniken Kurse angeboten. Es wird von keiner besonderen Zunahme von Kursen im Medienbereich berichtet, ganz im Gegenteil: Bei einigen dieser Institutionen hat das Angebot in diesem Bereich eher abgenommen, ist zu einem 'Standardangebot' geschrumpft, weil — so die Vermutung der Institutionen — eine gewisse Sättigung der Zielgruppen eingetreten sei. Andere Institutionen, die bisher aus organisatorischen Gründen weniger Angebote im Medienbereich realisiert haben, planen diese jedoch für die nächsten Semester. Es handelt sich dabei weniger um Angebote, die eine technische Einführung bieten, als um solche, die die sozialen Folgen der Medienentwicklung in bezug auf die spezifische Zielgruppe thematisieren. Obgleich tendenziell eher eine Verminderung des Angebotes im Bereich der Informations— und Kommunikationstechniken vorliegt, ist es interessant, daß bei manchen Institutionen Überlegungen für eine intensive Schulung der haupt— und nebenamtlichen Mitarbeiter in bezug auf den didaktischen Einsatz von Medien begonnen haben. Dieses könnte in einem Zusammenhang mit der allgemeinen Medienentwicklung und der medienpolitischen Debatte insbesondere um den lokalen Rundfunk aber auch mit den positiven Erfahrungen einzelner Institutionen mit dem Kabelpilotprojekt gesehen werden. Nicht nur der Umgang mit der Technik von Videogeräten und Computern, sondern die inhaltliche Integration von medialen Veranstaltungen stehen im Mittelpunkt der Angebote. Der Anlaß zur Einrichtung einer solchen Mitarbeiterfortbildung ging z.T. von den Mitarbeitern selbst aus und weniger von der Institutionsleitung. Ein Institutions Vertreter, dessen Institution schon über umfangreiche Erfahrungen mit der didaktischen Nutzung von Medien verfügt, berichtet, daß z.B. der Videogroßprojektor "dauernd im Einsatz" sei und bestimmte Veranstaltungen "ohne dieses Gerät einfach nicht mehr möglich" seien. Der Einsatz von Unterrrichtsmedien verändert qualitativ das Ambiente der Lehr —Lernsituationen. Diese Entwicklung ist als ein Indiz dafür anzusehen, daß über die Laufzeit des Kabelpilotprojekts hinausgehend der
182
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Medieneinsatz im Kursunterricht partiell verstärkt wurde und einen höheren Stellenwert erhalten hat.
3.2 3.2.1
Kooperationsbeziehungen der Weiterbildungseinrichtungen Kooperation innerhalb des quartären Bildungssektors
Über zwei Drittel der befragten Weiterbildungsvertreter beantworten die Frage, ob sich infolge des Kabelpilotprojekts neue Kooperationsbeziehungen ihrer Einrichtung zu anderen Weiterbildungsinstitutionen in Dortmund ergeben haben, negativ. In zwei Fällen wurde der Versuch unternommen, innerhalb einer Gruppe von Weiterbildungseinrichtungen eine einheitliche Haltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt einzunehmen; dieses betrifft zum einen Weiterbildungsinstitutionen aus dem Bereich der beruflichen Bildung und zum anderen Einrichtungen, die in der 'Landesvereinigung für eine andere Weiterbildung* zusammengeschlossen sind. Während sich die zuletzt genannten Institutionen nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen konnten und es daher jeder Einrichtung selbst überlassen blieb, wie sie sich zum Kabelpilotprojekt verhielt, beobachtete — nach dem Rückzug der beruflich orientierten Institutionen aus dem Gesprächskreis lokaler Medienverbund — ein Mitglied dieser Gruppe, stellvertretend für die anderen, das weitere Geschehen um das Kabelpilotprojekt. Die seltenen Fälle, in denen das Kabelpilotprojekt zu einer Intensivierung bzw. einer Initiierung von Kooperationsbeziehungen innerhalb der Dortmunder Weiterbildung führte, lassen sich in drei Rubriken unterteilen: (1) Überall dort, wo Medienwerkstätten eingerichtet wurden, kristallisierte sich recht bald eine intensive Kooperation mit den bei anderen Trägern beschäftigten "Kommunikationshelfern" heraus. Dies betrifft insbesondere die Volkshochschule, die Kirchen, sowie den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Unter den Medienwerkstätten herrschte ein reger kommunikativer Austausch. (2) Die gemeinsame Arbeit an Eigenproduktionen für den Bildungskanal im Rahmen des lokalen Medienverbundes hat zum einen die Beziehung verschiedener Einrichtungen eines Trägers untereinander gefördert und zum anderen wurde der Kontakt einer Weiterbildungsinstitution zu ihrem Dachverband verbessert. (3) Auf einer dritten Ebene der Kooperationsbeziehungen kam es zu mehr inoffiziellen Kontakten, die aus dem Zusammentreffen von Institutionsvertretern im Projektrat resultierten.
3.2 Kooperationsbeziehungen der Weiterbildungseinrichtungen
183
Resümierend läßt sich zu diesem Punkt festhalten: Negative Auswirkungen des Kabelpilotprojekts auf das Kooperationsgeflecht Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen sind nicht aufgetreten; in einigen wenigen Fällen hat das Kabelpilotprojekt sogar zur Verbesserung der Kooperationsbeziehungen beigetragen.
3.2.2
Zur Entwicklung des lokalen Medienverbundes
Nur gut ein Drittel der befragten Gesprächspartner fühlt sich in der Lage, eine Beurteilung zur Entwicklung des lokalen Medienverbundes abzugeben; den übrigen Institutionsvertretern ist der lokale Medienverbund, auch am Ende des Kabelpilotprojekts, entweder nicht bekannt oder sie schätzen ihn für ihre Arbeit als irrelevant ein. War schon zu Beginn des Kabelpilotprojekts eine gewisse Diskrepanz zwischen jenen Einrichtungen der Weiterbildung, die eigene Medien Werkstätten aufbauten und den übrigen Erwachsenenbildungsinstitutionen zu erkennen, so ist dieser Abstand in den letzten beiden Jahren noch größer geworden. Es läßt sich mit Recht ein KnowledgeGap innerhalb der Institutionen des quartären Sektors nicht nur im Hinblick auf den Umgang und den Einsatz der Medien, sondern auch bezüglich der Kompetenzen und des Reflexionsniveaus in der Beurteilung aktueller medienpolitischer Entwicklungen konstatieren. Wenngleich es falsch wäre, den lokalen Medienverbund als Ursache dieser Entwicklung zu vermuten, so ist er doch ein Indikator für diesen Prozeß. Von Ausnahmen abgesehen, waren zuletzt im lokalen Medienverbünd nur noch größere Weiterbildungseinrichtungen vertreten, die selbst aktive Medienarbeit betreiben. Vor diesem Hintergrund gilt es zwischen den Meinungsäußerungen der "Aktivisten" und der "stillen Beobachter" bzw. der "Resignierten" zu unterscheiden. Letztere sind mit der Erwartung in den lokalen Medienverbund gekommen, gemeinsam mit dem Kabelfunk und dem Adolf—Grimme —Institut Eigenproduktionen zu erstellen. Nachdem jene aus verschiedenen Gründen aber nicht zustande kamen, haben sich diese Institutionen enttäuscht vom lokalen Medienverbund zurückgezogen. Von Seiten der mehr oder weniger "stillen Beobachter" wird die Idee, einen lokalen Medien verbünd einzurichten, durchaus positiv gesehen. Die Kritik richtet sich deshalb mehr auf die konkrete Organisationsform des Dortmunder Gesprächskreises. Bemängelt wird die etwas unverbindliche Art der Treffen und eine gewisse Orientierungslosigkeit, sowie die Unklarheit über formale Beteiligungsregeln für Produktionen. Die kleineren Weiterbildungseinrichtungen fühlen sich einfach überfordert, Eigenproduktionen zu erstellen. Ihnen fehlt es sowohl an medientechnischer als auch journalistischer Unterstützung. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, wenn Mitarbeiter
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
des Kabelfunks auf sie zugekommen wären, um vorgegebene Produktionsideen selbständig zu realisieren. Ein Gesprächspartner bringt die etwas diffus bleibende Kritik auf die Formel: "Wir haben das Gefühl, es geht gar nichts weiter, man hängt immer da zusammen und es passiert nichts ... wir drehen uns auf der Stelle." Speziell aus dem Bereich der beruflichen Weiterbildung hätte man sich eine straffere Sitzungsführung gewünscht. Unter den aktiv am lokalen Medienverbund beteiligten Weiterbildungseinrichtungen ist die Meinung über die Entwicklung dieses Kooperationsgremiums
unterschiedlich.
Während einerseits die sehr gute Kollegialität im Gesprächskreis betont wird, schätzen fast alle Gesprächspartner dieser Gruppe die Effektivität des lokalen Medienverbundes eher negativ ein. Zum Teil wird dieses Faktum mit dem Hinweis auf den experimentellen Charakter begründet; in diesen Fällen hat der Lernprozeß für einige der beteiligten Weiterbildungsinstitutionen einen größeren Stellenwert als die vorzeigbaren Eigenproduktionen. Wenngleich den qualitativen Erfahrungen übereinstimmend größere Bedeutung als der quantitativen Zahl von Produktionen zugemessen wird, so werden doch in weitgehender Übereinstimmung die zu hohen Ansprüche an den lokalen
Medien verbünd
zu
Projektbeginn
hervorgehoben.
Zwar
habe
sich
das
Adolf—Grimme —Institut als Initiator und Koordinator des lokalen Medien Verbundes Verdienste erworben, doch angesichts der zur Verfügung stehenden
technischen,
finanziellen und personellen Ressourcen sowohl bei den Weiterbildungseinrichtungen, dem Adolf—Grimme —Institut als auch dem Kabelfunk sei das Ziel, einen eigenen Sendeplatz mit Eigenproduktionen
zu füllen, illusorisch gewesen. Einer der Ge-
sprächspartner kommt zu dem eher ernüchternden Fazit: "Eigentlich ist im lokalen Medienverbund nicht viel gelaufen was Substanz hatte." Diese Einschätzung verbindet sich mit dem prinzipiellen Vorwurf, daß die Initiative zur Gründung eines lokalen Medienverbundes von außen an die Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen herangetragen wurde. Angesichts solcher Voraussetzungen war die Motivation, Zeit und Energie für eine zusätzliche Aufgabe zu investieren, gering. Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Entwicklung des Gesprächskreises "Lokaler Medienverbund" wird sowohl bei den "Aktivisten" als auch bei den
"stillen
Beobachtern" ambivalent beurteilt. Die Idee eines lokalen Medien Verbundes wird zwar weitgehend begrüßt, doch die konkrete Organisation der Arbeit wird kritisiert. Auf der Haben — Seite verbleiben die gemachten Erfahrungen mit dem Gesprächskreis "Lokaler Medien verbünd" und die entstandenen Eigenproduktionen, zum anderen aber auch das Wissen um die enorme Arbeitsbelastung, die ein entsprechendes Engagement mit sich bringt.
3.2 Kooperationsbeziehungen der Weiterbildungseinrichtungen
185
Die Idee, einen lokalen Medien verbünd einzurichten, hält die überwiegende Mehrheit der befragten Institutionsvertreter, ganz unabhängig von den Dortmunder Erfahrungen, für bedenkenswert. Vorstellungen darüber, was ein solcher Medienverbund leisten sollte, sind wenig ausgeprägt. Einige der Interviewpartner können sich unter einem lokalen Medienverbund gar nichts vorstellen. Andere geben trotz ihrer prinzipiellen Zustimmung zu bedenken, daß sie angesichts der Aufgabenfülle Prioritäten setzen müßten und für ein Engagement im lokalen Medienverbund deshalb höchstwahrscheinlich wenig Zeit bleiben würde. Grundsätzlich ablehnend stehen einem lokalen Medienverbund nur zwei Einrichtungen gegenüber: Eine aus dem Bereich der politischen und eine andere aus dem Bereich der beruflichen Weiterbildung. Begründet wird diese Haltung mit zwei Argumenten: Erstens entfalle die Notwendigkeit lokal —bezogene Bildungsprogramme zu erstellen, da genügend "bildungsfähiges Programm" existiere, das zudem qualitativ besser sei als Eigenproduktionen und zweitens seien die finanziellen Aufwendungen "rausgeschmissenes Geld". Wenngleich diese Meinungen die Ausnahme sind, so merken doch einige Institutionenvertreter an, daß die Weiterbildungseinrichtungen nicht den Auftrag hätten, Programm zu machen. Das an dieser Stelle zu ziehende Resümee lautet: Die Schaffung eines lokalen Medienverbundes wird grundsätzlich zwar begrüßt, aber nicht als essentiell für die Bildungsarbeit angesehen.
3.2.3
Kritik und Verbesserungsvorschläge zur Arbeit eines lokalen Medienverbundes
Im nachhinein wird von den aktiv am lokalen Medienverbund Beteiligten bedauert, daß man sich lange Zeit zu sehr auf das Fernsehen und hier wiederum auf den Bildungskanal bei der Konzipierung von Eigenprogrammen konzentriert habe. Eine stärkere Ausrichtung auf den Lokalkanal und den Hörfunk wäre, so die Meinung am Ende des Kabelpilotprojekts, vielleicht erfolgversprechender gewesen. Weitere Kritikpunkte beziehen sich auf den Tagungsrhythmus, die Tagungsorte sowie die Tagungsthemen. Das Fehlen stärkerer Kontinuität und Regelmäßigkeit in der Ansetzung der Sitzungstermine wird bemängelt; des weiteren stößt bei einigen Weiterbildungseinrichtungen die zu enge Anbindung des lokalen Medienverbundes an die Volkshochschule als ständigen Gastgeber auf ein gewisses Unbehagen; auch hätten sich manche Institutionenvertreter mehr generelle Informationen bezüglich der Tätigkeit anderer am lokalen Medienverbund beteiligter Weiterbildungsträger gewünscht. Verbesserungsvor-
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Schläge der Interviewpartner beziehen sich, neben den aus den obengenannten Kritikpunkten resultierenden Änderungen, vornehmlich auf eine verstärkte Produktionsberatung und — begleitung. Die Arbeit des Adolf—Grimme —Instituts auf diesem Sektor wird sehr begrüßt, doch nicht für ausreichend gehalten. Insbesondere von seiten des Kabelfunks wird mehr Unterstützung gefordert. So wird zum Beispiel der Vorschlag unterbreitet, einen Redakteur zu beschäftigen, der ausschließlich für die Zusammenarbeit mit der Weiterbildung zuständig ist. Hierin wird eine wichtige Voraussetzung gesehen, damit die vielfach geforderte Programmstruktur innerhalb eines lokalen Medienverbundes Profil gewinnen kann. Zusammenfassend läßt sich sagen: Zentrale Verbesserungsvorschläge zu einer effektiveren Arbeit des lokalen Medienverbundes zielen auf die Schaffung von Rahmenbedingungen personeller, finanzieller und technischer Art, die es den Weiterbildungseinrichtungen erlauben, ihre Programmideen zu verwirklichen.
3.3
3.3.1
Die Beziehungen der Weiterbildung zur Projektstelle des Westdeutschen Rundfunks Die Einstellungen zum Kabelfunk
Der Kabelfunk hat sich aus der Sicht der Vertreter der Weiterbildungseinrichtungen im Lokalbereich als ein gleichberechtigtes und durchaus konkurrenzfähiges Medium neben den Zeitungen etabliert. Die anfänglich geäußerten Zweifel, ob ein lokales Fernseh— und Hörfunkangebot überhaupt in einem relativ begrenzten Gebiet wie Dortmund gelingen könne, sind bei den meisten der Befragten inzwischen geschwunden. Der lokale Rundfunk hat bei den befragten Institutionen in der überwiegenden Zahl eine wichtige Rolle bei der Vermittlung lokaler Information erreicht, die auch nach Ablauf des Kabelpilotprojekts kaum jemand vermissen möchte. Die Einstellung der Weiterbildungsinstitutionen gegenüber dem Kabelpilotprojekt und den mit ihm gesammelten Erfahrungen sind tendenziell unterschiedlich (vi. hierzu Kapitel 3.1). Interessanterweise hat sich bei einigen Weiterbildungseinrichtungen die Haltung gegenüber dem Kabelfunk punktuell gewandelt, indem bestimmte inhaltliche Präferenzen dominieren und eine andere Gesamteinschätzung begründen. Dies hängt z.T. mit der eigenen Partizipation an den verschiedenen Angeboten des Kabelfunks zusammen. Der praktische Umgang mit dem Kabelpilotprojekt, etwa in Form einer aktiven Beteiligung an Gremien, der Kontakt zu Redakteuren, die Beteiligung an Fernseh— und Hörfunkproduktionen, hat bei vielen der Institutionen einen Meinungs-
3.3 Die Beziehungen der Weiterbildung zur Projektstelle des Westdeutschen Rundfunks
187
bildungsprozeß in Gang gesetzt, dessen wesentliche Grundlage eigene Erfahrungen und Auseinandersetzungen und weniger ideologische oder politische Einstellungen und Einschätzungen darstellen.
3.3.2
Formen der Zusammenarbeit mit dem Kabelfunk
Die überwiegende Zahl der Institutionen steht in Kontakt zum Kabelfunk. Dieser Kontakt ist bei den meisten der Institutionen jedoch eher allgemein gehalten. Den Institutionsvertretern sind zwar in der Regel aufgrund der Zusammenarbeit einige Redakteure bekannt (insbesondere von Radio Dortmund, vom Sport— und Bildungskanal sowie vom Lokalfernsehen), jedoch haben diese Kontakte in den wenigsten Fällen zu intensiver inhaltlicher Kooperation geführt. Während einige wenige Institutionen intensive Kontakte zu Redakteuren unterhalten und daraus resultiernd aktiv mit dem Kabelfunk zusammenarbeiten — hier handelt es sich insbesondere um solche Institutionen, die einen guten materiell und personell ausgestatteten Medienbereich vorweisen — pflegen andere gute Kontakte zu freien Mitarbeitern. Diese Kontakte resultieren weniger aus besonderen Aktivitäten der Institutionen, sondern aus einem gemeinsamen kulturellen Umfeld — der lokalen Kommunikationsszene der freien Mitarbeiter und der entsprechenden Institutionen. Das gemeinsame kulturelle Umfeld der freien Mitarbeiter und der entsprechenden Mitarbeiter der Weiterbildungsinstitutionen hat zu einer stärkeren Involvierung dieser Einrichtungen in einzelne Aktivitäten des Kabelfunks geführt. Bei diesen Institutionen handelt es sich z.B. um solche, die ehemals dem Kabelpilotprojekt kritisch gegenüberstanden. Die Zusammenarbeit mit den freien Mitarbeitern hat nicht zuletzt die Entwicklung einer eher positiven Haltung gegenüber dem Kabelpilotprojekt eingeleitet. Von fast allen Institutionen werden regelmäßig Pressemitteilungen an den Kabelfunk versandt. Es wird von den Institutionen bekundet, daß es für sie inzwischen selbstverständlich sei, dem Kabelfunk neben den Zeitungen Informationen zukommen zu lassen. Es handelt sich hier insbesondere um Mitteilungen über die Institution, um Veranstaltungsankündigungen etc. Im Anschluß daran werden die Institutionen erfahrungsgemäß von Redakteuren des Kabelfunks kontaktiert, sofern diese ein inhaltliches Interesse an den zugesandten Informationen haben. Die inhaltliche Zusammenarbeit wird somit von Redakteuren des Kabelfunks und weniger von den Weiterbildungseinrichtungen gesucht. Aufgrund dieser Kontaktierung werden die Institutionsvertreter dann zu einem Interview oder einem Gespräch geladen. Bei einigen Institutionen
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
resultiert aus diesen zufallig begonnenen Kontakten eine Zusammenarbeit, z.B. bei der inhaltlichen Unterstützung einer Produktion für das Lokalfernsehen. Eine der Institutionen, die kein primäres Interesse an Fernsehproduktionen hatte, fühlte sich jedoch aufgrund fehlender personeller Kapazitäten gezwungen, die Mitarbeit abzulehnen. Sie favorisierte aus diesem Grund die Zusammenarbeit mit dem Hörfunk. Sofern sich eine Institution an einer Fernsehproduktion beteiligte, war von einem herausragenden institutionellen Interesse auszugehen. Lag dieses nicht vor, so wurde vielfach die Begründung der nicht erfolgten aktiven Mitarbeit beim Kabelfunk in fehlenden personellen und finanziellen Ressourcen gesehen: Der notwendige institutionelle Aufwand ging an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Eine Institution bedauert, daß über ihre Tätigkeit nicht häufiger berichtet wurde. Sie hat es jedoch aufgrund dieser Kritik noch nicht erwogen, selbst initiativ zu werden und Redakteure des Kabelfunks anzusprechen. Weitere Kontaktaufnahmen der Institutionen durch Mitarbeiter des Kabelfunks ergeben sich erfahrungsgemäß immer dann, wenn die Institutionen für eine spezifische Fragestellung eine Kompetenz aufweisen. Auch in diesen Fällen melden sich die Mitarbeiter des Kabelfunks bei den Institutionen und bitten um Kooperation. Neben den beschriebenen eher zufällig entstehenden Kontakten zum Kabelfunk heben einige Institutionsvertreter persönliche Kontakte zu Redakteuren als Grund für ihre guten Beziehungen zum Kabelfunk hervor. Diese persönlichen Bekanntschaften sind neben kollegialen oder privaten Kontakten bei einigen Institutionsvertretern über deren Beteiligung am Projektrat entstanden. Daß die Aktivität der Redakteure des Kabelfunks für die Institution nicht nur positiv, weil öffentlichkeitswirksam zu bewerten ist, sondern auch unter der pädagogischen Perspektive als störend empfunden werden kann, davon berichtet eine Interviewpartnerin. Sie schildert, daß ein Kamerateam — mit relativ kurzfristiger Ankündigung — das Kursgeschehen dokumentieren wollte und damit den Kursverlauf erheblich zu stören drohte. Es sei ihr gelungen, den Drehtermin auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Dieser Schnittpunkt von öffentlichkeitwirksamen und pädagogischen Interessen wird von den anderen Interviewpartnern nicht problematisiert. Eine Resonanz auf die mediale Verbreitung von Programmankündigungen der Institutionen wird insbesondere nach der Ausstrahlung über "Radio Dortmund" festgestellt. Die Teilnehmerzahl für Veranstaltungen steigt nach Aussage einiger Institutionen an, wenn eine Ankündigung in Radio Dortmund erfolgt. Auf Ankündigungen von Veranstaltungen im Hörfunk gehen bei einigen Institutionen telefonische Rückfragen ein, die schließlich oftmals zu einer Teilnahme an der entsprechenden Veranstaltung führen.
3.3 Die Beziehungen der Weiterbildung zur Projektstelle des Westdeutschen Rundfunks
189
Das Lokalfernsehen scheint in diesem Zusammenhang keine große Rolle zu spielen, weil sein Rezipientenkreis ungleich kleiner ist. Aus diesem Grund ist für die Weiterbildungsinstitutionen tendenziell das Radio das Medium der schnellen Information, während das Fernsehen eher zu einer themenbezogenen Präsentation genutzt wird. Grundsätzlich ist festzustellen, daß fast alle Institutionen die Möglichkeit, den Hörfunk oder das Fernsehen für Öffentlichkeitsarbeit im weitesten Sinn zu nutzen, positiv beurteilen und inzwischen im Umgang mit dem Kabelfunk eine gewisse Routine entwickelt haben, die bei der ersten Befragung im Frühjahr 1986 in dieser Form noch nicht festzustellen war. Die häufige Nennung von Institutionen und deren aktueller Aktivitäten im lokalen Hörfunk führt zu einer erheblichen Ausweitung des Bekanntheitsgrades dieser Institutionen in Dortmund und wird von den Interviewpartnern in bezug auf die Anwerbung neuer Teilnehmer als überaus positiv eingeschätzt. Bei vielen Institutionen wird insbesondere die Rolle von Radio Dortmund als ein erfolgreiches lokales Kommunikationsmedium hervorgehoben. Die Institutionen verweisen darauf, daß sie eine gute Zusammenarbeit mit Radio Dortmund pflegen etwa bei Pressekonferenzen, Veranstaltungen etc. Die positive Beurteilung von Radio Dortmund hängt u.a. damit zusammen, daß der Verbreitungsgrad dieses Lokalsenders terrestrisch erfolgt und somit ein relativ großer Hörerkreis erreicht wird. Für die Weiterbildungsinstitutionen hat Radio Dortmund somit einen anderen Stellenwert als das über Kabel verbreitete Fernsehprogramm. Interessanterweise berichten die Institutionen, die früher dem Kabelpilotprojekt ablehnend gegenüber standen davon, daß sie zunächst positive Erfahrungen mit Radio Dortmund gesammelt hätten. Inzwischen haben sie ihre Zusammenarbeit sogar auch auf den Fernsehbereich ausgeweitet. Radio Dortmund scheint für einen erheblichen Teil der befragten Institutionen ein wichtiges Medium der Öffentlichkeitsarbeit darzustellen. Die meisten der Institutionen begrüßen es, daß Radio Dortmund auch nach Beendigung des Kabepilotprojekts weiter bestehen bleibt. Neben Radio Dortmund wird von einigen Institutionen die Zusammenarbeit mit dem Fernsehen hervorgehoben. Insbesondere das Lokalfernsehen und der Bildungskanal werden hier als Kooperationspartner genannt. Bei den Institutionen, die bisher keine Aktivitäten im Hinblick auf eine aktive Beteiligung an dem Programm eines Fernsehkanals entwickelt haben, wird dieses weniger mit einer ablehnenden Haltung begründet als damit, daß keine personale Kapazität zur Verfügung stehe. Während bei den meisten der Institutionen die Meinungen zum Kabelpilotprojekt bei Träger und Leitung identisch sind, werden bei einigen Divergenzen deutlich. Es handelt sich hier z.T. um Weiterbildungseinrichtungen, deren Träger außerhalb Dortmunds angesiedelt sind. Diese Träger stehen dem Kabelpilotprojekt eher gleichgültig gegenüber, wäh-
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
rend die Leitungen der Institutionen in Dortmund 'vor Ort' sich dem Kabelpilotprojekt gegenüber eher aufgeschlossen zeigen. Die Chance der auswärtigen Träger von in Dortmund ansässigen Weiterbildungsinstitutionen, erste Erfahrungen mit lokalem Rundfunk zu sammeln, die etwa auch auf andere geographische Gebiete übertragbar wären, wurde in der Regel nicht genutzt. Keiner der Institutionsvertreter versteht das Angebot des Kabelfunks als Konkurrenz zu dem eigenen institutionellen Bildungsangebot. Das Bildungsangebot der Institution sei in der Regel zu speziell und deshalb medial nicht vermittelbar (etwa im Kontext beruflicher Bildung). Außerdem wird auf die Vorzüge personal vermittelten Lernens und damit des sozialen Lernambientes verwiesen. Nach Auffassung aller Befragten kann das Medium Fernsehen die Lernqualität einer Kurssituation nicht ersetzen — allenfalls ergänzen.
3.3.3
Mitwirkung an Fernsehproduktionen
Von einigen der befragten Institutionen wurden Eigenproduktionen erstellt. Es handelt sich hier um mehrere Videoproduktionen und um nur eine Hörfunkproduktion. Daß die Videoproduktionen bei den Institutionen einen so großen Stellenwert besitzen, hängt mit der Organisation des Kabelpilotprojekts zusammen, die vor allem eine institutionelle Beteiligungsform bei audiovisuellen Produktionen vorsieht — eine Folge der medienpolitischen Diskussion zu Beginn des Kabelpilotprojekts (das Fernsehen wurde gerade im lokalen Bereich als Leitmedium angesehen). Interessanterweise hat sich auch seit der letzten Befragung keine der Institutionen im Hörfunkbereich des Kabelpilotprojekts engagiert, was in Folge der aktuellen medienpolitischen Diskussionen durchaus denkbar gewesen wäre. Die audiovisuellen Produktionen unterscheiden sich nach Intentionen und inhaltlichen Kategorien z.T. erheblich. Sofern es etwa von vornherein angestrebt wurde, die Videoproduktion über einen Fernsehkanal zu verbreiten (insbesondere über den Bildungskanal) waren daran primär die hauptamtlichen in Kooperation mit nebenamtlichen Mitarbeitern oder Kursteilnehmern beteiligt. Inhaltlich geht es bei diesen Beiträgen prinzipiell um die Darstellung eines Schwerpunktes der Bildungsarbeit, im Sinn von Bildungswerbung. Die meisten der Institutionen haben einmal zu Beginn des Kabelpilotprojekts eine aufwendige Produktion erstellt, die z.B. auch im Bildungskanal gesendet wurde, anschließend aber von weiteren Produktionen aus zeitlichen und personellen Gründen Abstand genommen.
3.4 Auswirkungen des Kabelpilotprojekts auf die Weiterbildung
191
Lediglich die wenigen Institutionen, die in der Lage sind, eigenes Personal im Medienbereich einzusetzen, konnten es sich erlauben, im Rahmen des Kabelpilotprojekts mehrere 'fernsehreife' Videoproduktionen zu erstellen. Das sind in der Regel Institutionen, die auch seit der letzten Befragung Produktionen erstellt haben. Daß diese Beiträge auch bestimmte Kriterien des Kabelfunks erfüllen müssen, beweist die Tatsache, daß ein relativ aufwendiger Filmbeitrag einer Institution zunächst vom Kabelfunk abgelehnt wurde, was zu Enttäuschungen und Frustration führte und erst nach seiner Überarbeitung gesendet werden konnte. Neben den 'großen' Produktionen wurden jedoch auch Filme z.B. von nebenamtlichen Mitarbeitern oder Kursteilnehmern erstellt, die dann im Offenen Kanal gesendet wurden. Diese Produktionen sind selbständig von den jeweiligen Gruppen produziert worden und interessanterweise den befragten Institutionsvertretern z.T. nur vage bekannt, was ein gewisses Desinteresse an der Produktion als auch am Sendeplatz vermuten läßt. Die 'Verwertung' des erstellten Filmmaterials erfolgt, wie schon angedeutet, bei den meisten Beiträgen im Bildungskanal oder im Lokalfernsehen und im Offenen Kanal. Diese verschiedenen Verbreitungsformen implizieren unterschwellig bei den Institutionsvertretern eine gewisse qualitative Abstufung des Filmmaterials: Sind die Beiträge qualitativ anspruchsvoll und aufwendig, so ist die Institution um einen 'offiziellen' Sendeplatz etwa in den genannten Kanälen bemüht. Ist dieses nicht der Fall, so kann der Beitrag immerhin noch im Offenen Kanal verbreitet werden. Der Offene Kanal erlangt damit das Image eines zweitklassigen Sendeplatzes. Eine Weiterverwendung des vorhandenen Films und des Schnittmaterials erfolgt nach der Sendung bei einigen Institutionen intern, beispielsweise in der Mitarbeiterfortbildung, in Kurssituationen oder zur institutionellen Öffentlichkeitsarbeit.
3.4 Auswirkungen des Kabelpilotprojekts auf die Weiterbildung 3.4.1
Veränderungen innerhalb der Weiterbildungseinrichtungen
Zwischen dem Engagement im Medienbereich, sei es durch die Mitwirkung im lokalen Medien verbünd, die Einrichtung einer Medienwerkstatt, die Anstellung von Kommunikationshelfern, die Produktion von Beiträgen für den Bildungskanal "Die kluge Sieben" oder die Inanspruchnahme des lokalen Hörfunks für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit und der Wahrnehmung von Veränderungen in der eigenen
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Einrichtung, die mittelbar oder unmittelbar auf das Kabelpilotprojekt zurückgeführt werden, besteht eine direkte Beziehung: Je stärker die medienbezogenen Aktivitäten desto gravierender sind die Veränderungen von denen berichtet wird. Wenn es infolge des Kabelpilotprojekts zu organisatorischen, technischen oder personellen Umstrukturierungen innerhalb des quartären Bildungssektors gekommen ist, so nicht aufgrund sich verselbständigender Wirkungsmechanismen, die unabhängig von den Weiterbildungseinrichtungen in Gang gesetzt worden wären, sondern als Folge von organisationsinternen Entscheidungsprozessen, die eine Reaktion auf die Faktizität des Kabelpilotprojekts darstellen. Die Vertreter jener Einrichtungen, die das Kabelpilotprojekt — aus welchen Gründen auch immer — zum Anlaß für erweiterte medienbezogene Aktivitäten nahmen, berichten von zum Teil erheblichen Auswirkungen. Diese reichen vom Bezug eines neuen Gebäudes, der Einrichtung von Medien Werkstätten, der Beschäftigung von Kommunikationshelfern, der Ausweitung des medienbezogenen Veranstaltungsangebots bis hin zu neuen Schwerpunktsetzungen und Akzentverlagerungen zugunsten des Medienbereichs in der eigenen Einrichtung. Inhaltlich konzentrieren sich die verstärkten Medienaktivitäten zum einen auf die pädagogische Arbeit und zum anderen auf Formen der Öffentlichkeitsarbeit und Bildungswerbung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem zuletzt genannten Punkt. Im Bewußtsein aller Gesprächspartner dieser Teilpopulation wird die Bedeutung des Kabelfunks als zusätzliches PR — Instrument in der Stadt betont. Radio Dortmund wird in dem Zusammenhang ein noch höherer Stellenwert als dem lokalen Fernsehen eingeräumt. Den eigenproduzierten Programmbeiträgen für den Bildungskanal weisen die Institutionsvertreter eine, über die Erstausstrahlung hinausgehende, wichtige Rolle für Zwecke der sendungsunabhängigen Eigen Werbung zu. Dort, wo man sich der Herausforderung des neuen Mediums Kabelfunk gestellt hat, wird von einer Intensivierung der Zusammenarbeit der Weiterbildungseinrichtungen, die einem Trägerbereich zugehören, berichtet. In einigen Fällen wurden auch landesweite Medienarbeitskreise eingerichtet, in denen speziell auf die Erfahrungen aus Dortmund zurückgegriffen wurde. Über die in Dortmund tätigen Medienpädagogen konnten so Beratungsleistungen für andere Regionen erbracht werden. Im nachhinein beurteilen jene Weiterbildungseinrichtungen, die sich aktiv der Medienarbeit verschrieben haben, die während der Laufzeit des Dortmunder Kabelpilotprojekts gemachten Erfahrungen als gute Vorbereitung für die nun beginnende Zeit des Lokalfunks. Von den Vertretern der hier beschriebenen Gruppe von Erwachsenenbildungseinrichtungen werden nicht nur Auswirkungen innerhalb der eigenen Einrichtung
3.4 Auswirkungen des Kabelpilotprojekts auf die Weiterbildung
193
gesehen, sondern teilweise auch Erfolge der eigenen pädagogischen Arbeit konstatiert. Inzwischen gäbe es, so die Feststellung eines Interviewpartners, viele Leute, die sehr souverän und selbstverständlich sich des Mediums "Video" bedienten. In Dortmund seien es, so die Vermutung zu diesem Zeitpunkt, inzwischen mehr Menschen als in jeder anderen Stadt Nordrhein —Westfalens, die kreativ mit dem Medium "Video" umzugehen wüßten. Als Indikator für diese Aussage dient die Herkunft der Teilnehmer bei diversen überregionalen Video—Wettbewerben. Die Auswirkungen des Kabelpilotprojekts beschränken sich nicht nur auf die hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter und ihr Klientel, wenngleich hier die Schwerpunkte der Veränderungen liegen, sondern zeichnen sich auch auf der Ebene der nebenamtlichen pädagogischen Mitarbeiter ab. Zumindest für den Bereich "Gesellschaft/Politik" wird davon berichtet, daß ehemalige Erwachsenenbildungsdozenten zunehmend für den Kabelfunk als freie Mitarbeiter tätig geworden sind, ohne daß dies allerdings zu Konsequenzen für die Programmplanung in diesen Fachbereichen geführt hätte. Resümierend läßt sich festhalten, daß bei den in der Medienarbeit aktiven Erwachsenenbildungseinrichtungen auf allen Ebenen die Sensibilität für die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der jüngsten Medienentwicklung erheblich gewachsen ist. Aus dem Kreis der weniger im Medienbereich engagierten Institutionen wird ebenfalls mehrfach auf den vom Kabelfunk ausgehenden Werbeeffekt für die eigene Einrichtung verwiesen. Hiermit geht die Hoffnung einher, durch Berichte des neuen lokalen Mediums vielleicht ein bißchen bekannter geworden zu sein. Allerdings wird auch die Kehrseite der in den letzten drei Jahren eingetretenen Veränderungen gesehen. Nun müsse man sich, so berichtet ein Weiterbildungsexperte aus eigener Erfahrung, eine Formulierung zweimal überlegen, ehe man sie artikuliere, da, anders als bei der Zeitung, einmal gemachte Äußerungen nicht mehr "rückholbar" seien. Aufgrund dieser Erfahrungen wurde der hausinterne Abstimmungsprozeß vor der Abgabe öffentlicher Stellungnahmen formalisiert und intensiviert. Zwar wird vereinzelt von den im Medienbereich weniger aktiven Institutionen auch von einer Erweiterung der medientechnischen Ausstattung bzw. eine Ausweitung von Fortbildungsangeboten im Medienbereich berichtet, doch diese Veränderungen werden explizit nicht als Auswirkungen des Kabelpilotprojekts begriffen, sondern bewußt davon abgekoppelt betrachtet.
194
3.4.2
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Veränderungen in der Dortmunder Weiterbildungslandschaft
Eine erste wesentliche, vom Kabelpilotprojekt allerdings unabhängige Veränderung innerhalb der Dortmunder Weiterbildungslandschaft betrifft die bei zahlreichen Institutionen feststellbare Ausweitung des Kursprogramms. Von Expansionen ihrer Bildungsarbeit berichten vornehmlich die im beruflichen Bereich tätigen Einrichtungen. Demnach ist die Anzahl von Weiterbildungsträgern in den letzten Jahren angestiegen. Dies wird — wie es scheint paradoxerweise — auf die extrem ungünstige Arbeitsmarktlage in Dortmund zurückgeführt. Mit der Zahl der Arbeitslosen stieg nämlich auch die Zahl der vom Arbeitsamt ausgeschriebenen Auftragsmaßnahmen zur beruflichen Qualifizierung, um die sich dann etliche neue Weiterbildungsanbieter beworben haben. Eine zweite, nun allerdings auf die Existenz des Kabelpilotprojekts bezogene Veränderung, wird unter dem Stichwort "intensivierte Kommunikationsbeziehungen der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen untereinander" thematisiert. Dies bezieht sich ausschließlich auf Einrichtungen, die im lokalen Medienverbund mitgewirkt haben. Der Gesprächskreis "Lokaler Medien verbünd" war, über seine inhaltliche Arbeit hinaus, ein Forum, um neue Kontakte zu knüpfen und sich über Entwicklungen in der Weiterbildungsarbeit auszutauschen, die über die Erstellung von Eigenproduktionen hinausreichten. Drittens hat eine Veränderung in der Einstellung gegenüber dem neuen Medium "Kabelfunk" stattgefunden. Herrschte zu Beginn des Kabelpilotprojekts eine gewisse Unsicherheit, welche Rolle diesem Medium zugedacht werden kann bzw. solle, so ist im Laufe des Modellversuchs auch bei den Einrichtungen, die dem gesamten Modellversuch mit Breitbandkabel skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, die Bereitschaft gewachsen, Sendungen des Kabelfunks für die eigene Werbung zu nutzen. Das Vorpreschen einiger Institutionen ist von der "Konkurrenz" nicht unbeobachtet geblieben und hat zu Nachahmungseffekten geführt. Bezüglich der vierten Veränderung, nämlich eines verstärkten Einzugs der Medien bzw. des Themas "Medien" in die eigentliche Bildungsarbeit, sind die Meinungen der Befragten gespalten. Dies ist sicherlich ursächlich auf den von Einrichtung zu Einrichtung stark divergierenden sachlichen und methodischen Zuschnitt der Veranstaltungen zurückzuführen. Insofern spiegelt das Meinungsbild die Praxis der Bildungsarbeit wider.
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
195
Besondere Aufmerksamkeit verdient die wechselseitige Wahrnehmung von Veränderungen der Dortmunder Weiterbildungslandschaft einerseits durch die größeren, aktiv auf dem Mediensektor tätigen Weiterbildungseinrichtungen und andererseits durch die mittleren und kleineren, nur wenig oder gar nicht in der Medienarbeit engagierten Institutionen. Während letztere ohnmächtig auf die enormen Anstrengungen der "Großen" verweisen, die für mehrere hunderttausende von DM Medienwerkstätten eingerichtet und Kommunikationshelfer über AB —Stellen beschäftigt hätten und sich der Unmöglichkeit bewußt sind, ähnliches auch nur ansatzweise zu realisieren, vermuten die so charakterisierten, bei den kleineren Einrichtungen ein diffus schlechtes Gewissen hinsichtlich deren Leistungen auf dem Mediensektor erzeugt zu haben. Die Kluft zwischen den "großen" Weiterbildungseinrichtungen in der Stadt und den "kleinen" Institutionen ist während der Laufzeit des Kabelpilotprojekts, bezogen auf die Medienarbeit, noch größer geworden. Dies betrifft nicht nur die technische, personelle und finanzielle Ausstattung, sondern auch die medienpraktischen Erfahrungen sowie den medienpolitischen Informationsstand. Aufgrund dieser Situation ist es verständlich, wenn kleinere Einrichtungen das Gefühl artikulieren, von einem fahrenden Zug abgekoppelt zu werden bzw. auf diesen nicht mehr aufspringen zu können. Hieraus erwächst die Gefahr, daß weniger potente Weiterbildungseinrichtungen Aversionen gegen ein Engagement im Medienbereich entwickeln und sich auf diese Weise eigener Handlungsalternativen und damit auch Zukunftschancen berauben. Es wird deshalb wichtig sein, vermehrtes Augenmerk darauf zu legen, daß der Hiatus in der Weiterbildungslandschaft zwischen einigen "marktbeherrschenden" Institutionen und der Mehrheit der kleinen und mittleren Weiterbildungsträger, was die Medienausstattung anbelangt, nicht noch größer wird.
3.5
Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
Das Landesrundfunkgesetz (LRG) von Nordrhein—Westfalen definiert Rundfunk als "öffentliche Aufgabe". Dem gesetzlichen Programmauftrag zufolge sollen die Veranstalter "Rundfunk als Medium und Faktor des Prozesses freier Meinungsbildung und als Sache der Allgemeinheit" ( § 1 1 LRG) verbreiten. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es Aufgabe der Rundfunkprogramme, "zu einer umfassenden Information und freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, der Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen und dem kulturellen Auftrag des Rundfunks zu entsprechen" (ebd.). Der "kulturelle Auftrag" des Rundfunks gilt gleichermaßen für landesweite wie lokale Programmangebote, dies geht aus § 24 LRG hervor; danach müssen lokale Rundfunkprogramme "wesentliche Anteile von Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung enthalten".
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Um den "kulturellen Auftrag" sicherzustellen, sieht § 24,4 LRG vor, daß jede Veranstaltergemeinschaft mit bis zu 15% der Sendezeit, höchstens jedoch zwei Stunden täglich, Programmbeiträge von Gruppen, insbesondere solcher mit kultureller Zielsetzung, einbeziehen muß. Diese Gruppen dürfen nicht über eine Erlaubnis als Veranstalter verfügen, gleichwohl aber die Voraussetzungen für die Zulassung als Veranstalter erfüllen, ihr Zweck darf nicht auf den Betrieb eines Geschäftsbetriebes gerichtet sein und ihre Mitglieder müssen ihren Wohnsitz im Verbreitungsgebiet haben. Wenngleich öffentliche Einrichtungen von der Antragstellung für die Zulassung als Veranstalter ausgeschlossen sind (§ 5 Abs. 2 LRG), wird Theatern, Volkshochschulen und sonstigen kulturellen Einrichtungen das Recht auf Ausstrahlung von Programmbeiträgen innerhalb der 15%—Regelung zugestanden (§ 24,4 LRG). Der kommunalen Weiterbildungseinrichtung "Volkshochschule" wird somit ausdrücklich vom Gesetzgeber das Recht eingeräumt, sich an der Produktion von Programmbeiträgen des lokalen Rundfunks im Rahmen der 15%—Regelung zu beteiligen. Die hier getroffene Regelung läßt sich als Auftrag an die Volkshochschule verstehen, "durch die Möglichkeit der Beteiligung am Programm dafür zu sorgen, daß Kultur und Bildung entsprechend ihrer Bedeutung in der Kommune auch im lokalen Programm zu Gehör gebracht wird" (Schmid 1987, S. 128). Da in § 24,4 LRG von "Volkshochschulen und sonstigen kulturellen Einrichtungen" gesprochen wird, können sämtliche Weiterbildungseinrichtungen, sofern sie nach dem Weiterbildungsgesetz von Nordrhein—Westfalen anerkannt sind, und die sonstigen obengenannten Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, aus dem Landesrundfunkgesetz das Recht und die Verpflichtung ableiten, als Programmproduzenten für den lokalen Rundfunk aufzutreten. Die Veranstaltergemeinschaft muß im Rahmen der 15%—Regelung den lokalen Gruppen bzw. Einrichtungen auf deren Verlangen Produktionshilfen — gegebenenfalls gegen Erstattung der Selbstkosten — zur Verfügung stellen. Die Programmbeiträge dürfen keine Werbung enthalten; für ihren Inhalt ist die Veranstaltergemeinschaft verantwortlich. Beiträge lokaler Gruppen, die auf der Grundlage des § 24,4 LRG zustande kommen, werden im novellierten Landesrundfunkgesetz von Nordrhein — Westfalen als "Offener Kanal im lokalen Rundfunk" (§ 34 LRG) bezeichnet. Neben dem "Offenen Kanal im lokalen Rundfunk" kennt das Landesrundfunkgesetz auch den "Offenen Kanal in Kabelanlagen" (§ 35 LRG). Für Kabelanlagen werden von der Landesanstalt für Rundfunk (LfR) Arbeitsgemeinschaften zugelassen, deren Aufgabe es ist, technische Einrichtungen für einen offenen Kanal in Hörfunk und Fernsehen bereitzuhalten. Jeder Betreiber einer Kabelanlage hat der Arbeitsgemeinschaft je einen Kanal für Hörfunk und Fernsehen zur Verfügung zu stellen. Anspruch auf Verbreitung von Beiträgen des Offenen Kanals in Kabelanlagen hat jeder unbe-
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
197
schränkt geschäftsfähige Nutzer mit Wohnsitz im Verbreitungsgebiet. Ausgeschlossen sind Beiträge staatlicher Stellen und kommunaler Träger. Für die Programmbeiträge gelten die allgemeinen Programmgrundsätze sowie die Jugendschutzbestimmungen; Werbung ist nicht zugelassen. Jeder Beitrag muß Namen und Anschrift des Nutzers und des Verantwortlichen enthalten. Wie die kurze Skizzierung der Gesetzesbestimmungen deutlich macht, verbergen sich hinter dem Stichwort "Offener Kanal" im Landesrundfunkgesetz von Nordrhein — Westfalen zwei grundverschiedene Ansätze. Beim Offenen Kanal im lokalen Rundfunk handelt es sich quasi um ein Fenster innerhalb des Programms einer Veranstaltergemeinschaft, das von bestimmten Gruppen bzw. Institutionen aus Bildung und Kultur gestaltet werden darf, wofür der private Veranstalter aber verantwortlich zeichnet. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Offenen Kanal in Kabelanlagen reservieren hingegen separate Hörfunk— und Fernsehkanäle für die eigenverantwortlich erstellten Beiträge von Privatpersonen. Mit dieser Konzeption wird eher der ursprünglichen Idee Rechnung getragen, Offene Kanäle als Mittel der politischen Partizipation von Bürgern zu konzipieren. Während die zuletzt beschriebene Definition weitgehend die Praxis der bisherigen Modellversuche widerspiegelt und sich in ähnlicher Form auch in anderen Landesrundfunk— und Landesmediengesetzen findet, stellt die Konzeption des Offenen Kanals im lokalen Rundfunk ein Spezifikum des nordrhein — westfälischen Landesrundfunkgesetzes dar. Die in Nordrhein—Westfalen gefundene Lösung von zwei Varianten des Offenen Kanals ermöglicht es, auch die im Rahmen der 15%—Regelung entstehenden Programmbeiträge über Zuschüsse aus der Rundfunkgebühr zu finanzieren. Nach Artikel 6, Absatz 1, Satz 2 des Staatsvertrages zur Neuordnung des Rundfunkwesens vom April 1987 kann nämlich ein zusätzlicher Anteil aus der einheitlichen Rundfunkgebühr in Höhe von 2% für die Förderung Offener Kanäle verwendet werden. Nach welchem Schlüssel die Gelder für Offene Kanäle im lokalen Rundfunk und solche in Kabelanlagen aufgeteilt werden sollen, darüber finden sich im LRG von NRW allerdings keine Regelungen. Die folgende Darstellung, in der Ergebnisse der Institutionenbefragung präsentiert werden, gliedert sich in fünf Punkte. In einem ersten Abschnitt werden die Meinungen der Interviewpartner zu möglichen Beteiligungsformen der Weiterbildung am lokalen Rundfunk vorgestellt (Kapitel 3.5.1). Im Anschluß daran wird auf Voraussetzungen und Bedingungen eines Engagements der Weiterbildung im lokalen Rundfunk eingegangen (Kapitel 3.5.2). Drittens kommen Umsetzungsprobleme des LRG, soweit sie die Weiterbildung betreffen, zur Sprache (Kapitel 3.5.3). Die Frage, inwie-
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
fern sich durch eine Mitarbeit im lokalen Rundfunk Chancen ergeben, neue Teilnehmerkreise für die Weiterbildung zu erschließen, wird in Kapitel 3.5.4 thematisiert. Abschließend gilt es sodann Einschätzungen bezüglich der zukünftigen Medienentwicklung aus der Sicht der Weiterbildung zu referieren (Kapitel 3.5.5).
3.5.1
Mögliche Formen der Beteiligung von Weiterbildungseinrichtungen am lokalen Rundfunk
Auf der Grundlage des LRG von NRW ergeben sich für die Weiterbildungseinrichtungen grundsätzlich drei unterschiedliche Möglichkeiten, sich am lokalen Rundfunk zu beteiligen: (1) Eine erste Beteiligungsform am lokalen Rundfunk ergibt sich für die Weiterbildung aus den Bestimmungen des § 24 LRG (Offener Kanal im lokalen Rundfunk). Demzufolge sind zwei prinzipielle Wege vorstellbar: Entweder die Weiterbildungseinrichtungen treten selber als Programmproduzenten auf und beanspruchen für sich Sendezeiten im Rahmen der 15%—Regelung, oder sie verstehen sich als Förderer lokaler Gruppen, denen sie Produktionshilfen technischer sowie journalistischer Art geben, um ihren Anspruch auf selbstproduzierte Programmbeiträge realisieren zu können. Bei den hier beschriebenen Alternativen handelt es sich nicht um gegenseitig sich ausschließende Konzepte; denkbar wäre es auch, daß beide Wege parallel beschritten werden. (2) Eine zweite Beteiligungsform am lokalen Rundfunk könnte für Weiterbildungseinrichtungen darin bestehen, eigenproduzierte Bildungsbeiträge den Betreibern einer lokalen Rundfunkstation anzubieten und gegebenenfalls zu verkaufen bzw. Auftragsarbeiten für diese auszuführen. Dies setzt voraus, daß die Weiterbildungseinrichtungen über technische und journalistische Ressourcen verfügen, Programmbeiträge zu erstellen. Das finanzielle Risiko liegt dabei auf Seiten der Weiterbildung, da es keinen Rechtsanspruch auf Erwerb ihrer Produktionen durch die privaten Veranstalter gibt. (3) Eine dritte Form der Beteiligung erstreckt sich auf die Mitwirkung des Trägers der Weiterbildungsinstitution in der Veranstaltergemeinschaft. Da dieser Verein Veranstalter des Programms ist und hierfür die alleinige Verantwortung trägt, ist es Aufgabe der Mitglieder, das Programm in seinen Grundsätzen zu bestimmen. Welchen Stellenwert die Bildung dabei einnimmt, unterliegt somit einem Aushandlungsprozeß der Beteiligten. Diese haben meist das Gesamtinteresse der sie entsendenden Institutionen, Verbände oder Vereinigungen im Auge, innerhalb derer Bildungsarbeit
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
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oft nur eine sekundäre Rolle spielt. Anders sieht es allerdings bei jenen Angehörigen der Veranstaltergemeinschaft aus, die speziell die Bereiche "Kultur und Kunst" sowie "Bildung und Wissenschaft" vertreten sollen. Insgesamt handelt es sich bei dieser Variante eher um eine indirekte Beteiligungsform der Weiterbildung. Die vom nordrhein — westfälischen Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeiten für eine Beteiligung örtlicher Weiterbildungseinrichtungen an lokalen Rundfunkprogrammen lehnen sich eng an die in Dortmund gemachten Erfahrungen an. Mit dem Gesprächskreis "Lokaler Medien verbünd" existierte während der Laufzeit des Kabelpilotprojekts ein Gremium, das faktisch als Anbietergemeinschaft von Weiterbildungseinrichtungen tätig war; aus diesem Kreis entstanden Eigenproduktionen, für die ein separater Sendeplatz "Weiterbildung für Dortmunder" im Spartenkanal "Die kluge Sieben" existierte. Darüber hinaus nutzten Gruppen und Privatpersonen die von einigen Weiterbildungsträgern eingerichteten Medienwerkstätten als Produktionsorte für Beiträge, die später über den Offenen Kanal ausgestrahlt wurden. Außerdem war die Erwachsenenbildung über institutionelle Repräsentanten und Privatpersonen im Projektrat vertreten. Um einen Eindruck davon zu erhalten, welche Vorstellungen innerhalb der Dortmunder Erwachsenenbildungseinrichtungen auf der Grundlage der während des Kabelpilotprojekts gesammelten Erfahrungen hinsichtlich eines zukünftigen Engagements im lokalen Rundfunk bestehen, haben wir die einzelnen, sich aus dem Landesrundfunkgesetz ergebenden Möglichkeiten einer Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Hörfunk in vier Szenarien festgehalten: Diese wurden in der zweiten Befragungswelle zu Beginn des Jahres 1988 jenen Vertretern Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen vorgelegt, die bereits an unserer ersten Befragung im Frühjahr 1986 teilgenommen hatten. Die von uns in jeweils 25 Interviews befragten Experten repräsentieren über zwei Drittel der in Dortmund ansässigen Weiterbildungsinstitutionen. Die Bitte um Stellungnahme zu den entwickelten Szenarien wurde mit folgendem Stimulus eingeleitet: "Wie Sie vielleicht wissen, bietet das Landesrundfunkgesetz den Weiterbildungsinstitutionen verschiedene Möglichkeiten, sich an lokalen Rundfunkprogrammen zu beteiligen. Die unterschiedlichen, sich aus dem Gesetz ergebenden Möglichkeiten, haben wir in vier Szenarien dargestellt. In welchem der folgenden Szenarien würden Sie sich aus der Sicht Ihrer Institution am liebsten wiederfinden, d.h. welches Szenario ist Ihrer Meinung nach, unabhängig von personellen, technischen und finanziellen Erfordernissen, anzustreben? (Im folgenden geht es zunächst ausschließlich um den lokalen Hörfunk.)"
200
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Die Texte mit den Szenarien wurden den Gesprächspartnern auf vier getrennten Blättern ausgehändigt; hier ist ihr Wortlaut: Szenario 1:
Neue Formen medialen Lernens durch Anbietergemeinschaften
Dieses Szenario geht davon aus, daß sich Ihre Institution inhaltlich an neuen Formen medialen Lernens im Rahmen des Angebots des Lokalfunks (Radio) engagiert. Sie entwickeln nun in diesem Kontext verschiedene mediale Bildungsangebote. Beispielsweise werden Kursangebote Ihrer Institution live in Dortmund ausgestrahlt. Dabei stehen Bildungsinhalte und —themen im Vordergrund, die speziell für Dortmund eine besondere Relevanz besitzen. Es handelt sich hier um eine Programmform, die den Beiträgen des 'Funkkollegs' vergleichbar ist.
Szenario 2:
Weiterbildungsinstitutionen unterstützen lokale Gruppen
Ihre Weiterbildungsinstitution versteht sich in diesem Szenario als Katalysator und Förderer lokaler Gruppen, insbesondere solcher mit kultureller Zielsetzung. Diese Gruppen sollen durch die Weiterbildungseinrichtungen in die Lage versetzt werden, ihr Recht auf Beteiligung am Programm lokaler Rundfunkstationen im Rahmen der 15%—Regelung (§ 24,4 LRG) zu realisieren. Die Hilfestellungen der Weiterbildung können von der Beratung bei Fragen der mediengerechten Gestaltung von Beiträgen, der Einführung in den Umgang mit der Studiotechnik bis hin zu technischen Produktionshilfen in Medienwerkstätten reichen.
Szenario 3:
Weiterbildungsinstitutionen produzieren Programmbeiträge zur Bildungs Werbung
Nach diesem Szenario findet sich Ihre Einrichtung mit anderen Weiterbildungsinstitutionen zusammen, um auf technischem und/oder inhaltlichem Gebiet bei der Erstellung von Eigenproduktionen zu kooperieren. Die Zusammenarbeit bedeutet hier, personelle und/oder technische Ressourcen in eine Redaktionsgruppe auf lokaler Ebene einzubringen und sich an deren regelmäßigen Sitzungs— und Abstimmungsprozessen zu beteiligen. Ziel der selbstproduzierten Programmbeiträge ist es vornehmlich, Öffentlichkeitsarbeit für die eigenen Institutionen zu betreiben; im Vordergrund stehen deshalb die Bildungsinformation, —Werbung und — animation. Dabei ist vor allem an solche Beiträge gedacht, die Einblicke in die Praxis der Weiterbildung geben und in denen Arbeitsergebnisse der Bildungsarbeit mediengerecht aufgearbeitet werden.
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
Szenario 4:
201
Programmverkauf
In diesem Szenario besteht in Ihrer Institution ein gut ausgestattetes Hörfunkstudio. Ihre Institution nutzt ihr K n o w - h o w und ihre technischen Ressourcen dazu, selbst Produktionen für das allgemeine Hörfunkprogramm zu erstellen, d.h. außerhalb der für kulturelle Einrichtungen vorgesehenen Sendezeit mit dem Ziel, diese Produktionen an die Betriebsgesellschaft zu verkaufen. Damit gelingt es, finanzielle Engpässe zu überwinden. In den Szenarien ist die oben vorgenommene Dreiteilung von möglichen Beteiligungsformen weiter ausdifferenziert worden. Die unter Punkt (1) angesprochenen Varianten des Engagements finden sich in den Szenarien 1, 2 und 3 wieder, während die Szenarien 1 und 3 dabei zwei unterschiedliche Wege aufzeigen, die Erwachsenenbildungsinstitutionen bei der Erstellung von Eigenproduktionen gehen können, beschreibt Szenario 2 die Funktion der Weiterbildungseinrichtungen als Förderer lokaler Gruppen bei der Erstellung von Eigenproduktionen. Szenario 4 deckt die unter Punkt (2) erörterte Beteiligungsform ab. Auf ein fünftes Szenario, das die unter Punkt (3) angegebene Form der Beteiligung abdeckt, wurde bewußt verzichtet. Die Gründe hierfür sind folgende: Das gemeinsame Merkmal der Szenarien 1 bis 4 besteht darin, daß sie die verschiedenen Facetten einer direkten (Szenario 1, 3 und 4) bzw. indirekten (Szenario 2) Beteiligung der Erwachsenenbildung an der Produktion von Programmbeiträgen darstellen. Die Beschränkung auf die Mitwirkung in einer Veranstaltergemeinschaft verbleibt dagegen jenseits der eigentlichen Programmproduktion. Ein entsprechendes Szenario würde somit eine andere Dimension von Beteiligung erfassen. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, ein entsprechendes Szenario nicht zu formulieren und statt dessen in unserem Leitfaden die Frage aufzunehmen, ob und gegebenenfalls welche Absichten die Weiterbildungseinrichtungen respektive ihre Träger haben, sich an einer Veranstaltergemeinschaft zu beteiligen (vgl. hierzu Kapitel 3.5.1.4). Die Auswertung der Antworten Dortmunder Weiterbildungsexperten erfolgt in vier Schritten: Zunächst gilt es auf das Meinungsbild insgesamt zu schauen (3.5.1.1), daran schließt sich zweitens die Beschäftigung mit den Profilen der Szenarien im einzelnen an (3.5.1.2). Drittens wird darauf eingegangen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Antwortverhalten einzelner Institutionen und ihren im lokalen Medienverbund gesammelten Erfahrungen besteht (3.5.1.3). Abschließend sollen weitere, nicht in den Szenarien angesprochene Beteiligungsformen der Weiterbildung am lokalen Rundfunk zur Sprache kommen (3.5.1.4).
202
3.5.1.1
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Präferenzen im Meinungsbild
Betrachtet man die Präferenzen für die verschiedenen Szenarien insgesamt, so ergibt sich folgendes Meinungsbild: Zwölf der 25 befragten Weiterbildungsexperten wählten Szenario 3 auf Rang eins; d.h. nahezu der Hälfte aller Befragten erscheint die in diesem Szenario beschriebene Perspektive für ihre eigene Einrichtung am interessantesten. Auf Rang zwei liegen mit 6 bzw. 8 Stimmen die Szenarien 2 und 3; es folgen auf Rang drei mit 7 bzw. 9 Nennungen die Szenarien 1 und 2; den vierten und letzten Rangplatz nimmt ganz eindeutig Szenario 4 mit 19 Stimmen ein. Dieses Meinungsbild spiegelt recht deutlich wider, welcher Stellenwert der Bildungsinformation, — Werbung und — animation von den Institutionen beigemessen wird. Im Vordergrund steht das Interesse den lokalen Hörfunk primär für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Erst in zweiter Linie wird daran gedacht, lokale Gruppen (Vereine, Initiativen, Selbsthilfegruppen, etc.) mit kultureller oder sozialer Zielsetzung darin zu unterstützen, das ihnen nach § 24 Abs. 4 LRG zugestandene Recht wahrzunehmen, 15% des täglichen Programms (höchstens jedoch zwei Stunden) eines lokalen Rundfunksenders zu gestalten. Insgesamt noch geringer ausgeprägt ist das Interesse der Weiterbildungseinrichtungen, neue Formen medialen Lernens über einen lokalen Hörfunksender zu erproben. Der in Szenario 4 beschriebene Programmverkauf wird von nahezu allen Weiterbildungsvertretern nicht für erstrebenswert gehalten. Es läßt sich somit festhalten: Bei den Weiterbildungseinrichtungen dominiert das Interesse an Bildungswerbung. An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, daß es natürlich auch solche Weiterbildungseinrichtungen gibt, die es derzeit nicht für sinnvoll erachten, sich auf irgendeine Art und Weise am lokalen Rundfunk zu beteiligen (vgl. hierzu Kapitel 3.5.2).
3.5.1.2
Profile der Szenarien
Wirft man einen Blick auf die einzelnen Profile der Szenarien, wie sie sich aufgrund der Befragung ergeben, so bestätigt sich das bereits beschriebene Ergebnis. Szenario 3 (Weiterbildungsinstitutionen produzieren Programmbeiträge zur Bildungswerbung) wird zwölfmal auf Rang eins, achtmal auf Rang zwei, zweimal auf Rang drei und dreimal auf Rang vier plaziert. Von der Tendenz ebenso eindeutig, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen, ist die Bewertung von Szenario 4 (Programmverkauf): Auf Rang eins befindet es sich kein einziges mal, zweimal ist es auf Rang
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
Tabelle Nr. 58:
lfd. Nr. 1 2 3
4
203
Beurteilung von Beteiligungsfornen der Weiterbildungseinrichtungen an lokalen Rundfunk*
Szenarien
Neue Formen medialen Lernens durch Anbietergemeinschaften Weiterbildungsinstitutionen unterstützen lokale Gruppen Weiterbildungsinstitutionen produzieren Progammbeiträge zur Bildungswerbung Programmverkauf
l.Rang
4.Rang
2. Rang
3. Rang
6
3
7
9
7
6
9
3
12
8
2
3
0
2
3
19
* Rangplätze der abgegebenen Antworten
zwei, dreimal auf Rang drei und neunzehnmal auf Rang vier vertreten. Wenngleich Szenario 2 (Weiterbildungsinstitutionen unterstützen lokale Gruppen) insgesamt auf Rang zwei der Wertschätzung liegt, so ist der Abstand zu Szenarion 3 doch schon beträchtlich; Szenario 2 wird siebenmal auf Rang eins, sechsmal auf Rang zwei, neunmal auf Rang drei und dreimal auf Rang vier eingestuft. Im Unterschied zu den bisher angesprochenen 3 Szenarien zeichnet sich Szenario 1 (Neue Formen medialen Lernens durch Anbietergemeinschaften) durch eine insgesamt recht uneinheitliche Bewertung aus. Es wird sechsmal auf Rang eins, dreimal auf Rang zwei, siebenmal auf Rang drei und neunmal auf Rang vier plaziert; hier ist eine gewisse Polarisierung im Meinungsbild zu beobachten. Obwohl die ablehnenden Stimmen überwiegen, gibt es doch eine nennenswerte Gruppe von Institutionsvertretern, die sich für ein Experiment mit lokal bezogenen Formen medialen Lernens aussprechen. Die Hälfte der sechs Institutionsvertreter, die Szenario 1 auf Platz eins wählten, haben dies allerings nur unter der Voraussetzung getan, daß Szenario 1 mit einem weiteren Szenario kombiniert wird; in zwei Fällen ist dies Szenario 3 und in einem Fall sollen die neuen Formen medialen Lernens auf lokaler Ebene mit medienpädagogischen Konzepten verknüpft werden. Uneingeschränkt fürs Szenario 1 haben sich lediglich zwei, nach dem Weiterbildungsgesetz von Nordrhein —Westfalen nicht anerkannte berufliche Weiterbildungsanbieter sowie eine gewerkschaftliche Einrichtung ausgesprochen. Auffallig ist, daß jene Weiterbildungseinrichtungen, die Szenario 1 präferieren, durchweg bislang noch keine Erfahrungen mit medial vermittelten Lernformen sammeln konnten und sich — mit Ausnahme jener Institution, die eine medienpädagogische Begleitung fordert — auch nicht am lokalen Medienverbund beteiligt haben. Die Entscheidung fürs Szenario 1 bleibt angesichts dieser Tatsachen eine rein theoretische.
204
3.5.1.3
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Faktoren des Meinungsbildungsprozesses
Ein Zusammenhang zwischen dem Antwortverhalten der Dortmunder Weiterbildungsvertreter und der Zugehörigkeit ihrer Einrichtungen zu bestimmten Trägergruppen bzw. Weiterbildungsbereichen läßt sich nicht feststellen. Hingegen besteht aber eine Korrelation bezüglich der Präferenz für ein bestimmtes Szenario und dem bisherigen Engagement im Medienbereich. Jene Institutionen, die eigene Medienwerkstätten eingerichtet haben und Kommunikationshelfer beschäftigen bzw. Zugang zu den dort existierenden Produktionskapazitäten ihres Trägerbereichs haben, setzen Szenario 2 an die Spitze der wünschbaren Beteiligungsformen am lokalen Rundfunk. Das eindeutige Bekenntnis zur Förder— und Katalysatorfunktion für lokale Gruppen leitet sich aus einem Selbstverständnis von Weiterbildung her, wonach es das Ziel von Bildungsarbeit ist, politische und soziale Handlungskompetenz zu vermitteln. Das Interesse an der Präsentation der eigenen Institution im Lokalfunk tritt demgegenüber eindeutig zurück.
3.5.1.4
Sonstige Beteiligungsformen am lokalen Rundfunk
Von unseren Interviewpartnern wurden im wesentlichen folgende, über die in den Szenarien vorgegebenen Formen der Beteiligung am lokalen Rundfunk hinausgehenden Alternativen gesehen:
Modifikationen der Szenarien Eine der befragten Personen, die sich für Szenario 1 entschied, verband damit zugleich den Anspruch, die Erprobung neuer Formen medialen Lernens medienpädagogisch zu begleiten, um auf diese Weise das genutzte Medium selbst ein Stück weit zu hinterfragen und das eigene Handeln kontinuierlich zu reflektieren. Innerhalb der Gruppe jener Weiterbildungsvertreter, die sich grundsätzlich für die in Szenario 2 beschriebene Funktion der Erwachsenenbildung als Katalysator und Förderer von Gruppen ausgesprochen haben, löst die nähere Umschreibung dieser Gruppen als "lokal" bzw. "insbesondere solcher mit kultureller Zielsetzung" jedoch ein partielles Unbehagen aus. Während ein Weiterbildungsexperte lieber von informellen statt von lokalen Gruppen sprechen möchte, da für ihn das Adjektiv "lokale" einen gewissen Grad von politischer bzw. weltanschaulicher Gebundenheit ausdrückt, stößt sich ein anderer Interviewpartner an der Beschränkung auf die "kulturelle Zielsetzung" der
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
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Gruppen, die seiner Meinung nach nicht mehr die von ihm betriebene berufliche Weiterbildung abzudecken scheint. Ein Vertreter der politischen Erwachsenenbildung hält Szenario 3 von seiner Zielsetzung, Programmbeiträge zur Bildungswerbung zu erstellen, zwar für erstrebenswert, kann sich aber unter keinen Umständen mit der Vorgabe abfinden, daß dies in Kooperation mit anderen Einrichtungen geschehen soll.
Mitwirkung in der Veranstaltergemeinschaft Lediglich zwei der von uns befragten Weiterbildungsexperten geben an, daß ihre Verbände als Träger der Bildungseinrichtungen an der Mitarbeit in einer lokalen Veranstaltergemeinschaft, wie sie das Landesrundfunkgesetz vorsieht, Interesse haben; es handelt sich dabei um den Deutschen Gewerkschaftsbund und einen Arbeitgeberverband; für beide Organisationen ist nach dem Landesrundfunkgesetz von Nordrhein—Westfalen ein Sitz unter den Gründungsmitgliedern der binnenpluralistisch organisierten Veranstaltergemeinschaft vorgesehen. Im Vorfeld der Konstituierung der Veranstaltergemeinschaft hat die Bildung bislang allerdings, nach den Aussagen unserer Gesprächspartner, noch keine Rolle gespielt. "Über viele Dinge wird gesprochen, aber nicht über Bildung", so lautet die nüchterne Einschätzung eines Interviewpartners, der für seinen Verband im Vorstand einer Veranstaltergemeinschaft außerhalb Dortmunds mitarbeitet. Bei der Erörterung der Programmstruktur, so der Experte weiter, habe der spezifische Punkt "Bildung" so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt. Natürlich sei man an dem Bereich "Bildung" interessiert, aber eher als Vielfaltsreserve innerhalb der Veranstaltergemeinschaft. Wenngleich die Vorgaben für die Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft, wie sie das Landesrundfunkgesetz von Nordrhein—Westfalen vorsieht, ein großes Maß an Übereinstimmung mit den Bestimmungen für die Zusammensetzung des Projektrates im Kabelpilotprojekt Dortmund aufweist, so gibt es doch hinsichtlich der Repräsentanz der Bereiche "Bildung, Kultur und Wissenschaft" eine deutliche Differenz. Während im Dortmunder Projektrat zahlreiche Vertreter Dortmunder Bildungseinrichtungen als institutionelle bzw. Privatpersonen vertreten waren, wird dieser gebündelte Sachverstand der "Bildungslobby" in den lokalen Veranstaltergemeinschaften nicht mehr anzutreffen sein. Welche Konsequenzen dies für die konkrete Programmgestaltung haben wird, ist derzeit noch offen.
206
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Agenturmodell Bei dem, von der evangelischen Kirche in Dortmund während der Laufzeit des Kabelpilotprojekts entwickelten Agenturmodell, handelt es sich um eine indirekte Form der Beteiligung am lokalen Rundfunk, die weit über den Bildungssektor hinausgeht, und bei der auf die Erstellung von Eigenproduktion verzichtet wird. Das Agenturmodell will, nach den Worten ihres 'Erfinders', "mehr und etwas anderes sein als eine Nachrichtenagentur im kleinen". Die Idee entstand aus der Erkenntnis, daß es nicht genüge, die mit dem Kabelpilotprojekt in Dortmund neu hinzugewonnenen Redaktionen des lokalen Hörfunks, lokalen Fernsehens und Kabeltextes in den regelmäßigen Verteiler von Pressemitteilungen aufzunehmen. Da viele der Journalisten des Kabelfunks Berufsanfanger waren und zudem nicht aus Dortmund stammten, gab es nichts dem "institutionalisierten journalistischen Gedächtnis" Vergleichbares, wie etwa bei Lokalredaktionen etablierter Zeitungen. Hieraus erwuchs die Notwendigkeit einer "Beratungsfunktion", die einen "möglichst engen persönlichen Kontakt zu dem neuen Lokalmedium" erforderte. Diesen Kontakt aufzubauen, machten sich die Vereinigten Kirchenkreise von Dortmund zum Ziel. Das bedeutete unter anderem, die "medienspezifischen Bedingungen von Hörfunk und Fernsehen" bei dem Angebot eigener Informationen stets zu berücksichtigen. Auch war man von Seiten der evangelischen Kirche darum bemüht, für die Redakteure des Kabelfunks den Kontakt zu Menschen herzustellen, die über ein bestimmtes Thema kompetent Rede und Antwort stehen konnten. All dies soll mit dem Kürzel "Agenturmodell" umschrieben werden. Mit ihrer Initiative verfolgte die evangelische Kirche, nach eigenen Angaben, nicht nur das Ziel, in dem neuen Lokalmedium "vorzukommen", sondern verband hiermit auch den Anspruch, sich als Kirche in Dortmund "den journalistischen Spiegel vorhalten zu lassen". Bei dem hier skizzierten Agenturmodell handelt es sich um eine besondere Form von Pressearbeit, die vor dem Hintergrund zu verstehen ist, daß die lokalen Zeitungen den Kabelfunk als Konkurrenz empfanden und ihn deshalb in ihrer Berichterstattung weitgehend boykottierten; ein spezifischer Bezug zu dem uns interessierenden bildungsbezogenen Engagement im lokalen Rundfunk, ist hier nicht zu erkennen.
Auftragsvergabe Bei dieser Beteiligungsform handelt es sich vorläufig um ein Denkmodell, das von einem Institutionsvertreter vorgebracht wurde. Gedacht ist dabei an die Vergabe eines Auftrages zur Produktion von Programmbeiträgen an ein professionelles Unternehmen. Inhaltlich, so die Vorstellung, sollten sich derartige Produktionen auf die Bildungswerbung, wie sie in Szenario 3 beschrieben ist, konzentrieren.
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
207
Dienstleistungen durch Rundfunkanstalten Die letzte hier darzustellende Beteiligungsform von Weiterbildungseinrichtungen am lokalen Rundfunk geht davon aus, daß innerhalb öffentlich — rechdicher Rundfunkanstalten spezielle Planstellen geschaffen werden, die es sich sodann zur Aufgabe machen, auf die Erwachsenenbildung zuzugehen, um ihr Hilfestellung zu geben bei der Umsetzung von Programmideen. Die Unterstützung sollte sich, so die Forderung, von der technischen Produktionshilfe über die mediengerechte Gestaltung von Beiträgen bis zur Qualifizierung des eigenen Personals erstrecken. Dieses Modell greift interessanterweise genau jene Serviceleistungen auf, die vom Adolf—Grimme —Institut während des Kabelpilotprojekts für den quartären Bildungssektor erbracht wurden.
3.5.2
Voraussetzungen und Bedingungen für eine Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk
Während unsere bisherige Beschäftigung mit möglichen, aus der Sicht der Weiterbildungseinrichtungen anzustrebenden und zum Teil auch bereits ansatzweise realisierten Formen der Beteiligung am lokalen Rundfunk unter dem Blickwinkel des wünschfaren stand, gilt es nun auf jene Erfordernisse einzugehen, die vom Standpunkt der Befragten erfüllt sein müssen, um die beschriebenen Szenarien Wirklichkeit werden zu lassen. Da sich die Voraussetzungen und Bedingungen für eine Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk vor dem Hintergrund der jeweiligen Ausgangslage der Erwachsenenbildungseinrichtungen formulieren lassen, soll diese im folgenden skizziert werden. Im wesentlichen lassen sich drei Positionen unterscheiden: (1) Eine kleine Gruppe von Weiterbildungsvertretern hält es für grundsätzlich problematisch, sich am lokalen Rundfunk zu beteiligen, ohne ein solches Engagement jedoch prinzipiell zu verwerfen. Bei diesen Gesprächspartnern ist die Meinung anzutreffen, es könne nicht Aufgabe der Weiterbildung sein, Hörfunk und/oder Fernsehen zu machen. Vertreter dieser Position finden sich im Bereich der politischen Erwachsenenbildung. (2) Die zahlenmäßig umfangreichste Gruppe der Befragten gibt an, sich mit dem Thema der Beteiligung am lokalen Rundfunk noch nicht intensiv auseinandergesetzt zu haben. Infolge einer hieraus resultierenden Unsicherheit läßt sich eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich eines möglichen Medienengagements konstatieren. Diese Haltung ist typisch für mittlere und kleinere Einrichtungen, ohne daß dabei besondere
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
inhaltliche Ausrichtungen bzw. Zugehörigkeiten zu einem gewissen Trägerbereich von Bedeutung wären. (3) Bei einer dritten, wenige Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen umfassenden Gruppe ist durch die aktive Beteiligung am Kabelpilotprojekt eine relativ günstige Basis für ein künftiges Engagement im lokalen Rundfunk vorhanden. Es handelt sich dabei um jene größeren Institutionen, die Medienwerkstätten eingerichtet haben. Aus diesem Grunde steht hier nicht so sehr die Frage nach der Schaffung entsprechender Infrastrukturen, sondern die nach der Absicherung, Erhaltung und dem Ausbau der Beteiligungschancen im Mittelpunkt. Da sich eine Beschäftigung mit den Voraussetzungen und Bedingungen einer Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk für die erste der hier umschriebenen Gruppen erübrigt, werden wir uns im folgenden auf die Gruppen zwei und drei konzentrieren. Bevor dies geschieht, gilt es jedoch eine kurze Anmerkung zur Position der Gruppe eins zu machen. Wenngleich von Einrichtungen dieser Gruppe keines der vorgegebenen Szenarien eine Beteiligung am lokalen Rundfunk (vgl. Kapitel 3.5.1) für erstrebenswert gehalten wird, so gibt es dennoch Differenzierungen in der Beurteilung der Szenarien: Während die Szenarien 2 und 3 lediglich für irrelevant gehalten werden, sieht man in den Szenarien 1 und 4 die Gefahr einer Mediatisierung von Lernprozessen. Die zweite der hier angesprochenen Gruppen von Weiterbildungseinrichtungen verfügt weder über personelle noch technische Voraussetzungen, sich am lokalen Rundfunk auf die eine oder andere Art zu beteiligen. Es werden nur wenig Chancen gesehen an die nötigen Finanzmittel zu kommen, um die entsprechenden Infrastrukturen aufzubauen. Bevor an ein Engagement im lokalen Rundfunk gedacht werden kann, müssen zum Teil haus— bzw. trägerinterne Hindernisse überwunden werden. Neben dem offensichtlichen Problem der Beschaffung von Geldmitteln für die Verpflichtung qualifizierter Mitarbeiter im Medienbereich und dem Erwerb der technischen Geräte, muß Überzeugungsarbeit geleistet werden, daß eine Beteiligung am lokalen Rundfunk von Vorteil für die Arbeit der eigenen Einrichtung ist. Was die Seite der technischen Infrastrukturen anbelangt, so erhoffen sich einige Gesprächspartner von der Kooperation mit anderen Weiterbildungseinrichtungen eine gewisse Entlastung. Doch von einer ungeteilten Bereitschaft zur Kooperation kann keine Rede sein. Es sind vor allem drei Gründe, die gegen eine Zusammenarbeit vorgebracht werden: (1) Bei kleineren Einrichtungen herrscht die Sorge vor, gegenüber den "Großen" das eigene Profil nicht deutlich genug behaupten zu können. (2) Insbesondere die Vertreter politischer Weiterbildungseinrichtungen scheuen vor einer Kooperation zurück, da sie
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3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
zeitaufwendige Abstimmungsprozesse mit anderen Institutionen fürchten. (3) In weltanschaulichen Unterschieden sowie bereichspezifischen Interessenlagen sehen einige Institutionsvertreter prinzipielle Hindernisse, die eine Kooperation belasten könnten. Für die Zusammenarbeit werden vornehmlich Kostenargumente angeführt, aber auch der Wunsch nach Diskussion und Erfahrungsaustausch spielt hier eine Rolle. Eine Kooperation
sämtlicher Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen,
so wie dies im
lokalen Medien verbünd angestrebt wurde, halten nur wenige Institutions Vertreter für erstrebenswert. Statt dessen wird mehrfach die Idee vorgebracht, bereichsspezifisch mit gleichgesinnten Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Ein solches Modell bietet nach Meinung der Befragten größere Chancen, die artikulierten Kooperationshemmnisse zu überwinden. Über die bisher genannten Punkte hinaus werden von einer kleineren Einrichtung, die hauptsächlich kulturelle Bildungsangebote unterbreitet, noch folgende Voraussetzungen für ein Engagement im lokalen Rundfunk genannt: (1) Es müßte ein Mitwirkungsmodell existieren, das die Gleichberechtigung aller Programmproduzenten absichert, (2) es dürften keinerlei private Anbieter partizipieren und (3) dürfte das gesamte Programm nicht über Werbung finanziert werden. Szenario 3 ist nicht nur jenes Szenario, das von den Weiterbildungseinrichtungen dieser Gruppe als wünschenswertestes, sondern auch als das im Vergleich zu den anderen noch am ehesten zu realisierende betrachtet wird. Für dieses Szenario spricht zum einen die kostenminimierende gemeinsame Nutzung von Kapazitäten sowie zum anderen die bewußte Beschränkung auf kleine Eigenproduktionen der Bildungsinformation,
— werbung und — animation. Ein gewisses Problem stellen lediglich die
obengenannten Kooperationshemmnisse dar. Verglichen mit Szenario 3 steigt bei Szenario 2 , dem auch noch eine gewisse Realisierungschance gegeben wird, der Investitions — und Arbeitsaufwand für die Institutionen enorm an. Anderen Hilfestellungen bei der Erstellung von Eigenproduktionen zu geben, setzt ein gewisses K n o w - h o w sowohl technischer als auch journalistischer Art voraus, über das die Weiterbildungseinrichtungen derzeit einfach nicht verfügen. Insofern könnte man ein Engagement, wie es Szenario 3 beschreibt, als Vorstufe für spätere Aktivitäten auf der Ebene von Szenario 2 betrachten. Für Szenario 1 und 4 werden so gut wie keine Realisierungschancen gesehen. Didaktisch ausgefeilte
Konzepte für die mediengerechte
Darbietung von
ausgewählten
Sachgebieten zu erarbeiten und diese dann auch noch zu produzieren, übersteigt, so die Aussage der Interviewpartner, Kompetenzen und Kräfte der Weiterbildungseinrichtungen. Gegen Szenario 4 wird ins Feld geführt, daß es der Mentalität, dem
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Aufgabenverständnis und der Zielsetzung der Erwachsenenbildung widerspräche, als kommerzieller Medienproduzent aufzutreten; ganz abgesehen davon erfordere dies ein hohes Maß an Professionalität, die sich die Einrichtungen erst in einem längeren Prozeß aneignen müßten. Wenden wir uns nun der dritten obengennanten Gruppe zu, den in der Medienarbeit aktiven Dortmunder Weiterbidungseinrichtungen. Die technischen und personellen Voraussetzungen für eine Beteiligung am lokalen Rundfunk sind bei diesen Einrichtungen zum Teil vorhanden. Allerdings gibt es, infolge der Konzentration auf den Fernsehsektor bei der Einrichtung der Medien Werkstätten, Lücken bei der technischen Ausstattung mit Geräten für den Hörfunkbetrieb. Das Problem, mit dem sich die Weiterbildungseinrichtungen in dieser Gruppe konfrontiert sehen, lautet: Wie kann die momentane Medienarbeit auf Dauer abgesichert werden? Zwar wurde die Arbeit in den letzten Jahren überwiegend von — über AB —Mittel finanzierten — Kommunikationshelfern getragen, doch der hierdurch bedingte personelle Wechsel gefährdet die Stetigkeit des Medienengagements. Kontinuität und Langfristigkeit können, so die Überzeugung unserer Gesprächspartner, nur dann sichergestellt werden, wenn für die Medienarbeit qualifiziertes hauptamtliches Personal zur Verfügung steht. Wie man diesem Ziel näher kommen soll, ist derzeit ein noch ungelöstes Problem. Hier zeigt sich ganz deutlich, daß es nicht ausreicht, einmal Geldmittel für die Einrichtung von Medienwerkstätten bereitzustellen; ein solcher Schritt macht es auch notwendig, die technischen und personellen Folgekosten einzuplanen. Welche Möglichkeiten es gibt, hierfür Finanzmittel aufzubringen, soll im nächsten Abschnitt (Kapitel 3.5.3) unter Umsetzungsgesichtspunkten des Landesrundfunkgesetzes erörtert werden. Wie bereits bei der Vorstellung der Präferenzen für ein bestimmtes Szenario erwähnt, sehen die Einrichtungen dieser Gruppe ihre Aufgabe primär darin, lokale bzw. informelle Gruppen in dem Bemühen zu unterstützen, Programmbeiträge für den lokalen Rundfunk zu erstellen. Um dies realisieren zu können bedarf es, so haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, einer Organisationsform, die es gestattet, außerhalb der für eine Verwaltung sonst gültigen Vorgaben zu produzieren. Dies bedeutet unter anderem flexible Regelungen für Nutzung und Öffnungszeiten der Medienwerkstätten sowie Bestimmungen des Geräteverleihes zu finden. Eine jenseits der praktischen Ebene liegende politische Bedingung für die Medienarbeit der Erwachsenenbildungsinstitutionen thematisiert einer unserer Gesprächspartner, wenn er darauf hinweist, daß eine Institution, die sich für die Unterstützung von lokalen Gruppen entscheidet, auch bereit sein sollte, politische Konflikte auszuhalten, die hieraus resultieren können.
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
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Im Mittelpunkt einer Medienarbeit, die den in Szenario 2 beschriebenen Prinzipien folgt, stünden nämlich nicht bestimmte Weiterbildungsinhalte, sondern der Bildungsprozeß, der sich im Vollzug der Erstellung von Eigenproduktionen abspielt. Dies auch gegenüber Politik und Verwaltung zu betonen, sei nicht immer einfach. Über das in Szenario 2 aufgezeigte Engagement hinaus sind die Einrichtungen dieser Gruppe natürlich ebenfalls daran interessiert, die personellen und technischen Ressourcen für die eigene Bildungsinformation, —Werbung und — animation, wie in Szenario 3 beschrieben, zu nutzen. Auch hier findet sich eine durchaus ambivalente Einschätzung, was die Frage der Kooperation mit anderen Einrichtungen zu diesem Zweck betrifft; doch die Motive sind verschieden. Einerseits wird der Wunsch nach Zusammenarbeit betont, ja sogar die gesetzliche Verpflichtung aller jener Weiterbildungseinrichtungen, die öffentliche Mittel in Anspruch nehmen, zur Kooperation unterstrichen; andererseits gewinnt aber angesichts einer, von den Weiterbildungsexperten konstatierten Tendenz zur Privatisierung des quartären Bildungssektors, das Interesse, das eigene Profil deutlich hervortreten zu lassen, zunehmend an Bedeutung. Interessanterweise wird der Wunsch nach einer technischen und journalistischen Weiterbildung als Bedingung für das Medienengagement gerade von den Gesprächspartnern dieser Gruppe vorgebracht. Dieser Personenkreis verlangt nach speziellen Kursen, die von Profis aus den großen Sendeanstalten angeboten werden. An dem hier artikulierten Bedürfnis zeigt sich deutlich, daß ein möglichst hohes Niveau an Professionalität angestrebt wird, da man sich bewußt ist, daß eine schlecht gemachte Bildungswerbung für die eigene Einrichtung schädlicher ist als gar keine.
3.5.3
Umsetzungsprobleme des Landesrundfunkgesetzes
Fragt man die Weiterbildungsexperten nach ihren Erfahrungen aus dem Kabelpilotprojekt, die für eine künftige Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk nützlich sind, so erhält man ein recht breites Spektrum von Meinungsäußerungen. Diese reichen von der lapidaren Feststellung, daß man aufgrund der Nichtbeteiligung am Kabelpilotprojekt keine Erkenntnis habe gewinnen können, über das Eingeständnis "blauäugig in die Sache reingeschlittert zu sein", die sich bietenden Perspektiven gar nicht gesehen und Beteiligungschancen ungenutzt gelassen zu haben bis hin zu recht detaillierten Erfahrungsbeschreibungen. Zu letzteren gehören z.B. die neu entstandenen Kontakte sowohl innerhalb der Weiterbildung als auch weit darüber hinaus; der gewonnene Einblick in die Arbeitsweise von Fernsehen und Hörfunk, die persönliche Weiterbildung durch Gespräche mit Menschen, die man — ohne das Kabelpilot-
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3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
projekt — niemals getroffen hätte sowie die mittlerweile größere Routine im Umgang mit den Medien. Personal— oder Sachentscheidungen, die in einem Zusammenhang mit dem Landesrundfunkgesetz stehen, wurden nach Aussagen der Institutionsvertreter in der jüngsten Vergangenheit nicht getroffen und sind derzeit auch nicht für die nähere Zukunft geplant. Dieser zunächt überraschende Sachverhalt wird verständlicher, wenn man sich vor Augen führt, daß es in Dortmund bereits einen Lokalsender gibt, der auch über das Kabelpilotprojekt hinaus sein Programm ausstrahlt, und sich deshalb nicht in dem Maße, wie anderswo im Lande, das Interesse auf die Konstitution der Veranstaltergemeinschaft
konzentriert.
Umgekehrt
kann
natürlich
gerade Dortmund als Testfall für das Nebeneinander eines öffentlich-rechtlichen und privaten Lokalsenders werden, doch dies ist für die
Weiterbildungseinrichtungen
derzeit von nachgeordnetem Belang. Probleme, die aus der praktischen Umsetzung des Landesrundfunkgesetzes entstehen, sehen die Weiterbildungseinrichtungen
vor-
nehmlich in folgenden Punkten: (1)
Noch steht nicht fest, welcher Programmplatz den im Rahmen der 15%—Regelung entstehenden Beiträgen im Programmschema der lokalen Sender zugewiesen wird, ob sie überhaupt en bloc ausgestrahlt werden oder möglicherweise im gesamten Programm verteilt und in welchem Programmumfeld die
Beiträge
plaziert werden. (2)
Völlig offen ist auch, wie mögliche Entgeltordnungen aussehen werden, die festlegen, welche Summen die lokalen Gruppen für die Gewährung von Produktionshilfen aufbringen müssen.
(3)
Ein ganz entscheidender Punkt betrifft aus der Sicht der Weiterbildung den Modus, nach dem Beiträge, die nach § 24,4 LRG entstehen (15%—Regelung), aus den für den Offenen Kanal zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert werden. Nach Meinung unserer Gesprächspartner wäre es verhängnisvoll, über den Weg der nachträglichen Kostenerstattung einzelne Programmbeiträge
zu
finanzieren. Statt dessen wird vorgeschlagen, die Mittel für den Programmbetrieb insgesamt zur Verfügung zu stellen. Nur so ließe sich nämlich sicherstellen, daß die im Rahmen der 15%—Regelung entstehenden Beiträge als ein qualitativ ansprechender einheitlicher Programmblock gebündelt werden könnten. Die Form der Projektfinanzierung würde dies konterkarieren und nur zur Konkurrenz um Produktionsmittel führen, so die allgemeine Auffassung. (4)
Ein weiterer ungeklärter Punkt betrifft die Aufteilung der Mittel einerseits für den Offenen Kanal im lokalen Rundfunk und andererseits für den Offenen Kanal
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
213
in Kabelanlagen. Das zukünftige Engagement der Weiterbildung im lokalen Rundfunk wird entscheidend mit davon abhängen, welche Lösungen für die hier aufgeworfenen Umsetzungsprobleme des Landesrundfunkgesetzes gefunden werden. Wichtig erscheint dabei, daß Weiterbildungseinrichtungen in die Lage versetzt werden, die ihnen eröffneten Möglichkeiten auch wahrzunehmen. Der Wille, die Sache Bildung und Kultur mit professionellen Programmbeiträgen einzubringen, ist jedenfalls vorhanden. Abschließend soll noch auf ein grundsätzliches Problem des Landesrundfunkgesetzes hingewiesen werden, das sich aus der Fassung des § 24 LRG ergibt. Nach Absatz 1 dieses Paragraphen müssen lokale Programme "das öffentliche Geschehen im Verbreitungsgebiet darstellen und wesentliche Anteile an Information, Bildung und Beratung enthalten". Die im selben Paragraphen getroffene 15%—Regelung läßt sich als Ansatz zur Verwirklichung des "kulturellen Auftrages" verstehen. Hiermit geht jedoch die Gefahr einher, daß sich private Veranstalter, mit Blick auf die von Theatern, Volkshochschulen und sonstigen kulturellen Einrichtungen und Gruppen zu erwartenden Programmbeiträge, von der Pflicht entbunden fühlen könnten, selbst die Programmsache "Bildung und Kultur" zu pflegen. Durch die Vorgaben des Gesetzes können sich private Anbieter ja sogar noch die bildungsbezogenen und kulturellen Beiträge über die Produktionshilfenregelung erstatten lassen. Sie hätten damit gleich mehrfache Vorteile; sie brauchten keine Mittel für aufwendige Kultur— und Bildungsprogramme aufzubringen, bekämen im Gegenteil für die Produktion dieser Beiträge noch Geld und könnten die über die kulturellen Beiträge gewonnenen Hörer an die Werbewirtschaft "verkaufen". Die Landesanstalt für Rundfunk wird dafür Sorge tragen müssen, daß diese Entwicklung nicht eintritt. Es kann nicht angehen, daß der kulturelle Programmauftrag isoliert wird, die Privaten aus ihrer Verantwortung entlassen werden und die an Bildung und Kultur Interessierten ihre Programme selbst finanzieren müssen, bzw. darauf angewiesen sind, daß ihnen die Ausgaben von der öffentlichen Hand, in diesem Falle aus den 2% der Rundfunkgebühren für Offene Kanäle, rückerstattet werden. Aus diesem Grunde schlagen wir folgende Veränderungen des Landesrundfunkgesetzes vor: (1) Den in § 24,4 beschriebenen Gruppen und Institutionen sollten die Produktionshilfen der Veranstaltergemeinschaft kostenlos zur Verfügung gestellt werden; dies erfordert eine entsprechende Änderung des § 24, Absatz 6 LRG. (2) Die Veranstaltergemeinschaft sollte verpflichtet werden, eigene Anteile von Bildung und Kultur zu produzieren.
214
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
(3) Es müßte gewährleistet sein, daß die im Rahmen der 15%—Regelung entstehenden Beiträge gute Sendeplätze erhalten.
3.5.4
Möglichkeiten der Klientelerweiterung durch die Beteiligung am lokalen Rundfunk
Die Antworten der Weiterbildungsexperten auf die Frage, wie sie die Chancen beurteilen, über lokale Rundfunkprogramme neue Zielgruppen für ihre Einrichtung zu erschließen, hängt mit entscheidend davon ab, an wen sich die jeweiligen Erwachsenenbildungsinstitutionen mit ihrem Bildungsangebot richten. Je breiter der potentielle Teilnehmerkreis ist, desto größere Chancen werden gesehen, den lokalen Rundfunk als eines unter mehreren Werbemedien im Sinne der obengenannten Fragestellung erfolgreich einzusetzen. Ist das Veranstaltungsangebot jedoch primär auf Angehörige eines bestimmten Verbandes, einer Partei oder Gewerkschaft zugeschnitten oder rekrutieren sich die Teilnehmer vornehmlich über betriebliche Abordnungen, so verliert das Medium lokaler Rundfunk für die entsprechenden Institutionsvertreter als Werbeträger an Bedeutung. Unabhängig von dieser grundsätzlichen Einschätzung differenzieren die Weiterbildungsexperten zwischen der Erschließung gänzlich neuer Zielgruppen für die Weiterbildung und der Ausschöpfung einer Population von bereits weiterbildungsaktiven Bevölkerungsschichten. Letzteres scheint den von uns befragten Weiterbildungsexperten wesentlich eher erreichbar als die Gewinnung bildungsabstinenter Personen über eine Präsens der Weiterbildung im lokalen Rundfunk; eine grundsätzliche Überwindung einer Bildungsabstinenz läßt sich, so die allgemeine Einschätzung, nicht mit Hilfe eines wie auch immer gearteten Engagements der Weiterbildung im lokalen Rundfunk überwinden. Als Basis für die Beurteilung einer Klientelerweiterung über den lokalen Rundfunk dienen unseren Interviewpartnern die während der Laufzeit des Kabelpilotprojekts gemachten Erfahrungen mit den dortmund — spezifischen Versuchsprogrammen in Hörfunk und Fernsehen. Daß es sehr nützlich sein kann, wenn Hinweise über Weiterbildungsveranstaltungen in den lokalen audiovisuellen Medien und hier speziell in Radio Dortmund ausgestrahlt werden, haben zahlreiche Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen erfahren. Wenngleich keine systematischen Erhebungen darüber durchgeführt wurden, wie hoch der quantitative Anteil jener Teilnehmer war, die sich, angeregt durch Beiträge im Hörfunk, zur Teilnahme in Kursen und Seminaren einschreiben ließen, so berichteten unsere Gesprächspartner übereinstimmend von einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage im Anschluß an entsprechende Beiträge im lokalen Rundfunk. Selbst für den Fall, daß nur ein geringer Teil der potentiellen
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infoige des Landesrundfunkgesetzes
215
Interessenten tatsächlich die vorgestellten Bildungsangebote belegt haben, so wird der wiederholten Präsens in den Medien doch ein äußerst wichtiger Stellenwert beigemessen. Einer der Weiterbildungsexperten sprach in diesem Zusammenhang vom "Erinnerungswert" solcher Bildungsinformationen. Selbst wenn das Wissen um die Möglichkeit, einen speziellen Kurs bei einer bestimmten Weiterbildungseinrichtung besuchen zu können, lange Zeit latent zu bleiben vermag, so besteht doch die Chance, angesichts einer veränderten Anforderungslage, sich des früher einmal gehörten zu erinnern. Dazu ist es aber notwendig, daß eine gewisse Kontinuität in der Berichterstattung des lokalen Rundfunks über das Angebot der betreffenden Weiterbildungseinrichtung gegeben ist. Die Frage nach einer möglichen Klientelerweiterung über den lokalen Rundfunk impliziert eine Erwünschtheit der Gewinnung zusätzlicher Teilnehmer. Hiervon kann allerdings nicht bei allen Weiterbildungseinrichtungen die Rede sein. Zwar mag dies auf den esten Blick paradox erscheinen, da man annehmen sollte, daß die Existenz der Weiterbildungseinrichtungen in erster Linie von ausgebuchten Veranstaltungen abhängt, doch dies gilt uneingeschränkt nur dann, wenn das Marktprinzip in der Weiterbildung Anwendung findet. Für die Mehrheit der anerkannten Weiterbildungseinrichtungen ist es aus bildungspolitischen Überlegungen nicht erstrebenswert, ihr Veranstaltungsangebot kostendeckend durchzuführen; dies würde angesichts stagnierender Zuschüsse des Landes und der Kommune nämlich über eine Erhöhung der Teilnehmergebühren zu einer nicht unerheblichen finanziellen Belastung der an Weiterbildung Interessierten führen. Eine Ausdehnung des Veranstaltungsangebots ist für die Weiterbildungseinrichtungen in der gegenwärtigen Lage deshalb mit finanziellen Risiken verbunden. Einige Weiterbildungseinrichtungen sehen ihr Problem folglich nicht darin, neue Teilnehmer für ihre Angebote zu interessieren, sondern darin, wie sie ein erweitertes Programmangebot finanzieren sollen. In einigen Fällen wurde das Angebotsvolumen in der jüngsten Vergangenheit bei gleichbleibenden Zuschüssen bereits um bis zu 25% ausgeweitet; zum Teil war dies nur über Gebührenerhöhungen möglich. Doch nun ist für die von uns befragten Weiterbildungseinrichtungen eine gewisse Schallmauer der Belastung von Teilnehmern erreicht; eine weitere Anziehung der Gebührenschraube würde deshalb, so die allgemeine Einschätzung, zu einer entscheidenden Barriere für die Weiterbildungsbeteiligung werden. Eine vermehrte Bildungswerbung über den lokalen Rundfunk könnte in dieser Situation kontrafaktische Wirkungen zeigen, nämlich dann, wenn auf diese Weise latente Bildungsbedürfnisse geweckt würden, die entweder angesichts ausgebuchter Kurse oder wegen subjektiv zu hoher finanzieller Eigenleistungen nicht zu erfüllen wären.
216
3.5.5
3 Ergebnisse der Befragung von Erwachsenenbildungsinstitutionen
Resümee und Ausblick
Der Mehrheit der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen erscheint ein Engagement im lokalen Rundfunk in Form von Eigenproduktionen zur Bildungswerbung nicht nur am sinnvollsten, sondern auch am ehesten realisierbar. Damit soll das Ziel verfolgt werden, (1) das vielfaltige Spektrum an Weiterbildungsangeboten in der Stadt transparent zu machen, (2) neue Bevölkerungsschichten an die Weiterbildung heranzuführen bzw. schon bestehende Zielgruppen noch besser auszuschöpfen sowie (3) das Wissen um die Leistungen der eigenen Institutionen fest im Bewußtsein der Dortmunder Bevölkerung zu verankern. Während viele derer, die für eine solche Beteiligungsform plädieren, bislang noch über keine Erfahrungen mit Eigenproduktionen verfügen, sehen jene Institutionen, die den in der Medienarbeit "Engagierten" zuzuordnen sind und die selber bereits Medienwerkstätten betreiben, ihre Aufgabe vielmehr darin, lokale bzw. informelle Gruppen in deren Bemühen zu unterstützen, Programmbeiträge für den lokalen Rundfunk zu erstellen. Die Bereitschaft, das Medium lokaler Rundfunk für neue Formen medialen Lernens zu nutzen, ist gering; der Bildung über Medien (Hörfunk und Fernsehen) wird nur ein unterstützender Charakter zugestanden. Auch die Vorstellung, Weiterbildungseinrichtungen könnten als Programmverkäufer von Eigenproduktionen in Erscheinung treten, wird nahezu einhellig abgelehnt. Ein wie auch immer geartetes Engagement der Weiterbildung im lokalen Rundfunk darf nach übereinstimmender Auffassung der Weiterbildungsexperten nicht das Ziel verfolgen, die Erwachsenenbildunginstitutionen zu kleinen Rundfunkanstalten auszubauen; Bildungsprozesse innerhalb der Weiterbildung, so die allgemeine Auffassung, sind ganz zentral auf die personale Kommunikation angewiesen. Die Gefahr, daß sich dies in absehbarer Zukunft durch die Ausweitung der Medienangebote ändern könnte, wird nicht gesehen. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verstehen, wenn einer unserer Gesprächspartner die Haltung der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen am Ende des Modellversuchs mit Breitbandkabel auf die folgende prägnante Formel bringt: "Das Kabelpilotprojekt hat uns nicht geschadet, teilweise sogar genutzt". Hierin kommt eine zurückhaltend positive Einschätzung zum Ausdruck, wie sie für das Meinungsbild insgesamt typisch ist. Zukünftige Beteiligungschancen für die Weiterbildung am lokalen Rundfunk werden eher nüchtern eingeschätzt. Während eine sehr kleine Gruppe von Institutionen zum
3.5 Neue Aufgaben der Weiterbildung infolge des Landesrundfunkgesetzes
217
Zeitpunkt der Befragung nicht die geringsten Ambitionen hat, sich auf dem Feld lokalen Rundfunks zu engagieren, bilden jene Einrichtungen, die angesichts fehlender technischer, personeller und finanzieller Ressourcen für sich keinerlei Beteiligungschancen sehen, die zahlenmäßig größte Gruppe. Nur wenige größere Weiterbildungseinrichtungen sind auch in der Lage, ihr Interesse an einer Beteiligung am lokalen Rundfunk praktisch umzusetzen. Dabei wird dem lokalen Hörfunk der Vorzug gegenüber dem Fernsehen eingeräumt. Die Gründe liegen in (1) der gegenwärtigen größeren Reichweite des Hörfunks, (2) seiner einfacheren, handhabbareren und auch nicht so kostspieligen Technik sowie (3) der Vermutung, dieses Medium lasse eher eine wechselseitige Interaktion von Produzenten und Rezipienten zu. Allerdings gibt es, so die Auffassung einiger unserer Geprächspartner, eine Tendenz zur Nivellierung der noch bestehenden Unterschiede zwischen Hörfunk und Fernsehen. Möglicherweise, so lautet eine vorgebrachte Vermutung, sind private lokale Hörfunksender nur der Wegbereiter für lokale Fernsehprogramme, deren Hauptinteressen dann allein darauf ausgerichtet werden, lokale Werbemärkte noch besser auszuschöpfen, als dies dem Hörfunk möglich ist. Angesichts der erwähnten Dominanz wirtschaftlicher Interessen werden die Aussichten, in lokalen Rundfunkstationen die Programmsache "Bildung und Kultur" zu Wort kommen zu lassen, eher pessimistisch beurteilt. Wesentlich größere Chancen werden demgegenüber separaten Spartenkanälen eingeräumt, die dann allerdings einen überregionalen Zuschnitt, evtl. mit einem lokalen Fenster, haben sollten.
4
Lokaler Medienverbund
Aufbauend auf der Erkenntnis, daß das Fernsehen als Bildungsmedium nur dann sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn seine Angebote in Medienverbundprogramme integriert sind, wurde in Dortmund mit Hilfe des Adolf—Grimme —Instituts ein lokaler Medienverbund initiiert. Hierin lag ein Spezifikum des Dortmunder Modellversuchs, das ihn von anderen Kabelpilotprojekten unterschied. Mit der Einrichtung des Gesprächskreises "Lokaler Medien verbünd" stellte sich die Frage nach seinen besonderen Leistungsmöglichkeiten. Es sollte nicht nur ein verkleinertes Abbild der bislang schon auf regionaler bzw. bundesweiter Ebene praktizierten Kooperationsform zwischen Erwachsenenbildung und Rundfunkanstalten geschaffen werden; darüber hinaus galt es, zu erkunden, ob sich spezifische Möglichkeiten einer Zusammenarbeit von Weiterbildung und Fernsehen eröffnen, die aus der lokalen Anbindung resultieren. Ziel war es, Voraussetzungen und Bedingungen für die Realisierung eines lokalen Medien Verbundes zu erkunden, um so über die bisherige Praxis einer Bildung per Kabel hinauszugehen. Auf lange Sicht muß es nämlich unbefriedigend bleiben, wenn (1) Weiterbildungseinrichtungen sich des Kabels lediglich als sekundärer Nutzungsmöglichkeit der von ihnen produzierten Animations— und Informationsfilme bedienen, (2) die Archivschätze der Sendeanstalten per Schnelldurchgang (Sprachkurse im Tagesrhythmus) in einer für den Rezipienten unverdaulichen Form dargeboten werden oder (3) man sich darauf beschränkt, Vorträge und Kurse schlichtweg, wie in der Frühphase des Bildungsfernsehens, abzufilmen. Da ist es konzeptionell schon interessanter, wenn Erwachsenenbildungsinstitutionen Begleit— und Ergänzungsseminare zu den Programmangeboten des Hörfunks und Fernsehens unterbreiten. Nachdem der Gesprächskreis "Lokaler Medienverbund Dortmund" als Forum für konzeptionelle Gespräche, Ort für konkrete Planungsabsprachen und Informationsbörse ca. drei Jahre gearbeitet hat, sollen im folgenden unter den Stichworten Planungskoordination, Eigenproduktion, Serviceleistungen und Programmverbund die Erfahrungen mit dem neuen Kooperationsgremium zwischen Kabelfunk und Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen bilanziert werden.
4.1
Planungskoordination
Ein erstes und grundlegendes Problem auf der Ebene der Planungskoordination bestand in den unterschiedlichen Planungshorizonten der Kooperationspartner. Während bei den Weiterbildungseinrichtungen für die Erstellung des Veranstaltungsver-
220
4 Lokaler Medienverbund
zeichnisses ein Planungsvorlauf von einem halben bis zu einem Jahr erforderlich war, mußte die Redaktion des Dortmunder Bildungskanals "Die kluge Sieben" ihr Programm aus organisatorischen, technischen und juristischen Gründen bedeutend kurzfristiger gestalten. Hinzu kam zweitens, "daß allein die Quantität des medialen Angebotes in einem Spartenkanal nicht nur zu Lasten der Übersichtlichkeit geht, sondern vor allem Koordinierungswünsche im wesentlichen auf bilaterale Kooperation und damit im eigentlichen Sinne aus dem Gesprächskreis heraus verweist" (Schmid 1986, S. 13). Dort, wo auf Anregung von Institutionsvertretern der Erwachsenenbildung bestimmte Sendereihen in das Programm des Bildungskanals aufgenommen wurden, zeigte sich drittens die Schwierigkeit, Kursleiter dafür zu gewinnen, entsprechende Begleitkurse einzurichten. Die Ursachen hierfür lagen zum einen darin, daß der Informationsfluß innerhalb der Bildungseinrichtungen nicht in der gewünschten Weise bis auf die Ebene der Dozenten funktionierte. Zum anderen mochten sich Kursleiter nur äußerst ungern dem 'Diktat' der Ausstrahlungszeiten und — rhythmen unterwerfen, da sie aus verständlichen Gründen stärker an einer sendungsunabhängigen Nutzung der Fernsehangebote interessiert waren. "All diese Faktoren haben nicht zuletzt dazu geführt, daß die Frequenz der Treffen des Gesprächskreises 'Lokaler Medien verbünd' im Verlauf der ersten eineinhalb Jahre des Projekts zurückging. Dies und die Tatsache, daß nicht alle angesprochenen Bildungseinrichtungen im Pilotgebiet des Kabelfunks liegen und/oder über einen Kabelanschluß verfügen, also gar nicht die Angebote des Bildungskanals nutzen können, haben verhindert, daß sich das im Vorfeld von fast allen Einrichtungen zum Ausdruck gebrachte (zu diesem Zeitpunkt allerdings theoretische) Interesse an der Mitwirkung bei der Programmplanung der "klugen Sieben" zu einer tatsächlichen und kontinuierlichen Aktivität verfestigte" (Schmid 1986, S.13).
4.2
Eigenproduktionen der Weiterbildungseinrichtungen
Mit ein wesentliches Ziel der am lokalen Medienverbund beteiligten Bildungseinrichtungen war es, Eigenproduktionen zu erstellen. Die Aufgabe diesbezüglicher Medienproduktionen wurde darin gesehen, relevante Weiterbildungsthemen aus der Stadt aufzugreifen und diese so zu präsentieren, daß sich dadurch aktuelle und potentielle Weiterbildungsteilnehmer angesprochen fühlten. Im Vordergrund stand somit die Absicht, über Formen der Bildungsinformation, —Werbung und — animation Einblikke in die Praxis der Erwachsenenbildung zu geben, um auf diese Weise mögliche Bildungsbarrieren beim Publikum abzubauen. Für diese Zwecke hatte der Kabelfunk einen 30minütigen Sendeplatz "Weiterbildung für Dortmunder" im Abendprogramm
4.3 Serviceleistungen des Adolf—Grimme —Instituts
221
des Bildungskanals "Die kluge Sieben" eingerichtet. Da der Kabelfunk nicht über genügend technische Kapazitäten und Finanzmittel für Eigenproduktionen verfügte, mußten die Weiterbildungseinrichtungen ihre Beiträge selbst erstellen. In einer ersten Phase der Eigenproduktionen stand sehr stark das Interesse der Einrichtungen im Vordergrund, sich und ihre Arbeit darzustellen. Demgegenüber sind im weiteren Verlauf zunehmend institutionsübergreifende themen — und zielgruppenorientierte Weiterbildungsmagazine enstanden. Diese Entwicklung wurde konsequent fortgesetzt durch die Entscheidung des Kabelfunks, ab Anfang 1987 zusätzlich im Rahmen des Sendeplatzes "Stadtjournal" einmal monatlich ein 20minütiges journalistisch gestaltetes "Bildungsjournal" im Vorabendprogramm (19.40 bis 20.00 Uhr) des Lokalfernsehens auszustrahlen. Im Unterschied zu den Produktionen im Bildungskanal wurde das Bildungsjournal in redaktioneller Verantwortung und mit der Technik des Kabelfunks produziert. Bei der Themenauswahl und Konzipierung des Bildungsjournals arbeiteten Mitarbeiter des Kabelfunks, des Adolf—Grimme —Instituts sowie der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen in einem Redaktionsbeirat zusammen. Aufgrund ihrer technischen, finanziellen und personellen Ausstattung war es nur wenigen Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen möglich, selbst Eigenproduktionen zu erstellen. Oft reichten Zeit und Mittel nur für eine Produktion. Leider konnten in diesen Fällen die gesammelten Erfahrungen und neu gewonnenen Qualifikationen nicht in unmittelbaren Folgeproduktionen umgesetzt werden. Ein Faktum, das von den Beteiligten wiederholt beklagt wurde. Mit Blick auf die niederen Anschlußzahlen, das begrenzte Versuchsgebiet und die geringe Reichweite des Spartenkanals "Die kluge Sieben" machten viele Institutionsvertreter der Erwachsenenbildung die Entscheidung für oder gegen die Erstellung von Eigenproduktionen von Kosten — Nutzen — Überlegungen abhängig. Sofern Eigenproduktionen erstellt wurden, mußten sie deshalb über die Ausstrahlung im Bildungskanal hinaus, einen organisationsinternen Gebrauchswert für Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeiterschulung oder Teilnehmeraquirierung haben.
4.3
Serviceleistungen des Adolf—Grimme—Instituts
Im Rahmen des Projektes "Lokaler Medienverbund Dortmund" erbrachten Mitarbeiter des Adolf—Grimme —Instituts in Marl eine Reihe von Dienstleistungen, ohne die eine erfolgreiche Durchführung des Experiments in Dortmund nicht möglich gewesen wäre. Mit dem Informationsdienst "Bildung und Kabel" wurde eine Plattform für Programminformationen und Planungsschwerpunkte des Bildungskanals für die Veröf-
222
4 Lokaler Medienverbund
fentlichung von Themen und Terminen des Gesprächskreises "Lokaler Medienverbund" und für die Diskussion von Grundsatzfragen des Projekts geschaffen. Auf gemeinsamen, mit der Volkshochschule organisierten, themenbezogenen SichtungsVeranstaltungen konnten sich Kursleiter über Produktionen des Bildungskanals informieren, um diese später gegebenenfalls in ihren Veranstaltungen zu verwenden. Zusätzlich fanden Seminare des Adolf—Grimme —Instituts statt zu den Themen "Einführung in die Produktion mit Video" sowie "Radio machen". Darüber hinaus leisteten die Mitarbeiter des Adolf—Grimme —Instituts Hilfestellungen bei Eigenproduktionen, die von der Rahmenplanung für Produktionen über die Bereitstellung von technischen Geräten bis zur Produktion reichten. Durch diese umfangreichen Informations —, Beratungs— und Fortbildungsleistungen wurden die Voraussetzungen für die Arbeitsfähigkeit des Gesprächskreises "Lokaler Medien verbünd" gesichert. Wie sich herausstellte, bedurfte es eines unabhängigen Initiators, der es sich immer wieder zur Aufgabe machte, die Teilnehmer des Gesprächskreises "Lokaler Medien verbünd" um einen Tisch zu versammeln.
4.4
Chancen eines Programmverbundes
Was ein lokaler Medienverbund zu leisten in der Lage ist, soll kurz am Beispiel eines Programmverbundes zum Thema "Stadtplanung" verdeutlicht werden, an dem die Redaktion des Bildungskanals "Die kluge Sieben", die Volkshochschule Dortmund sowie der Fachbereich "Raumplanung" der Universität Dortmund beteiligt waren. Im Frühjahr 1986 fand an der Universität Dortmund für Studienanfänger ein Einführungsseminar zum Thema "Dortmund sehen!" statt. Zu den Teilnehmern dieses Seminars, das in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Dortmund durchgeführt wurde, gehörten neben den Studierenden auch interessierte Dortmunder Bürgerinnen und Bürger. Die Konzeption des Programmverbundes sah einen mehrstufigen Seminarablauf unter Einbeziehung verschiedener Arbeitsformen vor. In einer ersten Phase wurden Filmbeiträge zum Thema "Stadt" gesichtet. Im kommunalen Kino wurde die Veranstaltungsreihe "Städte, Straßen, Menschen — das Bild der Stadt im deutschen Film" durchgeführt. Ergänzend hierzu strahlte der Bildungskanal die beiden Fernsehreihen "Stadt und Gesellschaft" sowie "Stadt, Transport und Industrie" aus. Die Seminarteilnehmer arbeiteten die Stoffe in Vor— und Nachbereitungsgesprächen auf. Daran schloß sich in einer zweiten Phase die Erstellung von Photo —, Tonband— und/oder Textreportagen zu bestimmten Plätzen, Straßen und Orten innerhalb Dortmunds an. In einem dritten Schritt sollten dann die so entstandenen Stadtreportagen darauf überprüft werden, inwieweit sie das Material für einen "Stadtfilm Dortmund" liefern könnten, der dann auf Video produziert im Kabelfunk hätte ausge-
4.5 Resümee
223
strahlt werden können. Auf diese Weise wäre der Zirkel geschlossen worden. Leider ließ das Interesse der Veranstalter und Teilnehmer im Laufe der Zeit nach, so daß die Arbeit am Stadtfilm nicht mehr realisiert werden konnte. Am Ende des Seminars stand deshalb "lediglich" eine Fernsehdiskussion, in der über die Zukunft Dortmunds als Stadt diskutiert wurde. Das Beispiel macht jedoch deutlich, was es heißen kann, einen lokalbezogenen Medienverbund zu realisieren, dessen Produkt selbst wieder auf das Lokale zurückzuwirken vermag.
4.5
Resümee
Rückblickend läßt sich festhalten, daß der Gesprächskreis "Lokaler Medien verbünd" insgesamt zu einer intensiveren Kommunikation der Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen untereinander beigetragen hat. Auf der Habenseite verbleiben zum einen die in der Kooperation mit dem Kabelfunk gemachten Erfahrungen und die enstandenen Eigenproduktionen, zum anderen aber auch das Wissen um die enorme Arbeitsbelastung, die ein entsprechendes Engagement mit sich bringt. Soll ein lokaler Medienverbund in die Lage versetzt werden, effektiv arbeiten zu können, so ist es erforderlich, personelle, finanzielle und technische Rahmenbedingungen zu schaffen, die es erlauben Projektideen zu verwirklichen. Wie die Befragung der Kabelpilotprojektteilnehmer im allgemeinen sowie der Intensivnutzer im besonderen gezeigt hat, werden Bildungsbeiträge von Hörfunk und Fernsehen gerne als Teil eines Medienverbundprogrammes in Anspruch genommen. Selbst wenn dies von den Programmverantwortlichen nicht intendiert war, bemühen sich die an medialer Bildung Interessierten darum, ihr individuelles Medienverbundprogramm zusammenzustellen. Diese Tendenz sollten Rundfunkanbieter und Weiterbildungseinrichtungen aufgreifen, um neue Formen des Medienverbundes zu erproben. Neben den klassischen Medienverbund —Programmen (Funk— und Telekolleg) sollten gerade im lokalen Bereich flexiblere Formen der Stützung, Ergänzung und Vertiefung allgemeiner Medienproduktionen von besonderer Bildungsrelevanz ausprobiert werden, die unterschiedliche Präsentationsformen sowie verschiedene Produktionsquellen integrieren und deren Produkte eine fakultative Verwendung ihrer Bestandteile ermöglichen. Bspw. könnte das Anregungspotential von bildungsrelevanten Medienangeboten verstärkt werden, indem auf bestimmte weitere Sendungen sowie auf das Thema ergänzende Veranstaltungen von Weiterbildungseinrichtungen hingewiesen wird.
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
5 5.1
225
Bildungsrelevante Programmangebote Bildungswerbung als Programmangebot
Wer hätte in den siebziger Jahren daran gedacht, Bildung und Werbung in Zusammenhang zu bringen? Bildung im Sinn einer kritischen Aufklärung hat Werbung nicht nötig — so die damalige Denkweise — vielmehr fehlen die personellen und institutionellen Ressourcen, die Verknüpfungen und Durchlässigkeiten des tertiären und quartären Bildungssektors gewähren, um möglichst vielen Teilen der Bevölkerung 'Bildung' im Sinn einer Lebens— und Zukunftschance und — garantie zukommen zu lassen. Bildung wurde damals als gesellschaftspolitisches Ziel deklariert und entsprechend konzipiert (vgl. Deutscher Bildungsrat, 1970). Heute, zu Beginn der neunziger Jahre, hat sich auch die bildungspolitische Diskussion gewandelt: Bildungsangebote des quartären Sektors haben neue Facetten hinzugewonnen. Während in den siebziger Jahren das Konzept gesellschaftlicher Chancengleichheit Bildung programmatisch bestimmte, so werden gegenwärtig an Bildung im Kontext der 'Sinnfrage', der Pluralisierung von Lebenswelten sowie der gesellschaftlichen Individualisierung (Beck, 1986) neue Ansprüche gestellt. Bildung heißt nicht ausschließlich 'Qualifizierung', die mit der Vergabe von Zertifikaten und dem nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen verbunden ist, sondern Bildung bezieht sich darüber hinaus auf lebensweltlich notwendige Kompetenzen und Reflexionsniveaus. Diese beziehen sich auf kommunikativ —kulturelle und soziale Inhalte, um den Zerfall und die Auflösung eines zuverlässigen sozialen Ambientes, eines 'Milieus', zu kompensieren. Es geht in diesem Zusammenhang weniger um den Erwerb von Qualifikationen als um den von Sozialkompetenzen. Gerade auch in den öffentlich — rechtlichen audiovisuellen Medien scheint sich diese Veränderung von Bildungsansprüchen niedergeschlagen zu haben. Der Programmauftrag 'Bildung' wird neu überdacht, und es entstehen zunehmend Abgrenzungsschwierigkeiten sowohl zu dem Programmauftrag 'Information' als auch interessanterweise zu dem der 'Unterhaltung'. Darin zeigt sich, daß neue Ebenen audiovisueller Bildungsangebote die traditionelle Aufgabentrias öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten aufbrechen. Es geht dabei um "Bildung im weiteren Sinn"(Poelchau, 1989, S.14), um neue 'gehobene' mediale Unterhaltungsformen, die mit dem Begriff 'Infotainment' zu beschreiben sind. Infotainment verbleibt aufgrund seines Images inhaltlich auf einer sehr informellen Ebene und stößt gerade deshalb auf hohe Akzeptanz (vgl. Poelchau, 1989).
226
5 Bildungsrelevante Programmangebote
Die Erweiterung des Bildungsbegriffs hat auf der institutionellen Seite eine Vervielfachung von Weiterbildungsträgern mit sich gebracht, die bildungsorientierenden Aufgaben der Erwachsenenbildung im lokalen Bereich große Bedeutung zuschreiben. Öffentlichkeitsarbeit und Bildungswerbung werden in den neunziger Jahren zu einer Hauptaufgabe des medialen Engagements von Erwachsenenbildungsträgern (vgl. Buchwald, 1989). In der Folge der lokalen Rundfunkorganisation, die ja in Dortmund erprobt wurde, können sich neben 'reinen' Bildungsproduktionen (z.B. Sprachkursen) auch solche Sendungen etablieren, die dazu anregen, lokale Bildungsangebote wahrzunehmen. Damit rücken medial die Bereiche 'Bildung' und 'Werbung', im Sinn einer Orientierungshilfe zusammen, deren Annäherung jedoch jenseits von verständlichen Ressentiments durchaus konstruktiv sein kann (vgl. Volkmer, 1988). Die Zunahme an Werbung aufgrund privat — kommerzieller Fernseh— und Hörfunkstationen hat ihr auch eine kulturelle Aufwertung ermöglicht. Werbung ist zu einem kulturell legitimierten ästhetischen "Genuß— und Unterhaltungsmittel" (Landbeck, 1989, S.138) geworden. Diese Entwicklung hat sich vor allem aufgrund der dramaturgischen Verbesserung von Werbung vollzogen, bei der sich eigene Stilmittel und ästhetische Formen etabliert haben. Werbung im Fernsehen meint in der Regel den Werbespot, d.h. ein ca. zwanzig Sekunden dauerndes "komplettes spannungsreiches Drama, das die Kombinationsgabe des Zuschauers zu seiner Sinnfüllung" (Landbeck, 1989, S.139) benötigt. Die kulturelle Aufwertung von Werbespots, für die das Werbefilmfestival in Cannes, das jährlich parallel zu dem Filmfestival stattfindet, nur ein Ausdruck ist, entbindet diese aus der rein kommerziellen Intention und der ihr anhängenden Ideologie und hebt sie in künstlerisch —ästhetische Wahrnehmungsmuster. Der (Werbe —)Spot wird damit zu einem kulturellen Genre, das auch für andere als kommerzielle Inhalte genutzt werden könnte. Auch Bildungswerbung kann auf dieses Genre zurückgreifen. Daß international unterschiedliche 'Traditionen' im Hinblick auf die mediengerechte Gestaltung von Werbung entwickelt wurden und werden, ist bereits im europäischen Medienraum ersichtlich. Während in Großbritannien Werbung etwa mit Alltagssituationen spielt, sie verfremdet, ironisiert, ist audiovisuelle Werbung in Frankreich vor allem schnell: "wozu ein deutscher oder englischer Spot 30 Sekunden benötigt, braucht der französische die Hälfte"(Landbeck, 1989, S.141). In der Bundesrepublik zielen Werbespots dagegen eher auf 'Information' und 'Produktaufklärung'. Nicht allein ästhetisch — visuelle Formen sind die Botschaftsvermittler — das gesprochene Wort erklärt und informiert.
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
227
Im Zusammenhang mit diesen nationalen Traditionen stehen auch Formen, die in bezug auf Bildungswerbung entwickelt wurden. So sind im anglo —amerikanischen Bereich kurze Spots, die auf ästhetisch —visuelle Weise auf ökologische oder soziale Probleme verweisen, vertreten. Diese Spots appellieren an das bereits latent vorhandene Wissen von bestimmten Problemen, die nun ästhetisch —visuell präsentiert werden (z.B. Greenpeace Werbung, 'Anti —Drug Abuse'—Spots in den USA) und visuell eindringlicher auf Probleme hinweisen, als dieses die Sprache kann (vgl. Feingold/Knapp, 1977). Audiovisuelle Werbung für gesellschaftliche oder soziale Probleme existiert in der Bundesrepublik nicht in vergleichbarer Form. Die Vermittlung von Bildungsinhalten auf ästhetisch —visueller Basis durch bildliche Codes und Symbole hat hier keine Tradition. Bildung und Information bleibt konventionell an verbale und weniger an visuell —ästhetische Botschaften gekoppelt. Im Zuge medialer Internationalisierung werden zukünftig auch in der Bundesrepublik immer mehr Info —Spots zu sehen sein. Der Musikkanal MTV (Music Television) sendet seit November 1989 bereits Öko — Spots und macht damit auf die globale Ausbeutung der Natur aufmerksam (vgl. Dotzauer, 1990). Ähnliche Info — spots wären auch im lokalen Bereich denkbar, die anschließend auf Angebote von Erwachsenenbildungsinstitutionen 'vor Ort' verweisen könnten.
Was heißt 'Bildungswerbung'? Bedeutet 'Bildungswerbung' im Sinn von 'social marketing', kurze, prägnante Information über Institutionen, über bestimmte Bildungsdefizite oder gesellschaftliche Probleme? Oder heißt 'Bildungswerbung' im Rahmen von längeren Sendebeiträgen, die Aktivitäten und Angebote spezifischer Institutionen zu dokumentieren? Trotz möglicher Vorbehalte gegenüber dem Begriff 'Werbung' sind sicherlich Affinitäten zu kommerzieller Werbung festzustellen, die etwa die Dramaturgie 'guter' Spots durchaus im Hinblick auf Bildung kopierbar erscheinen lassen. Bildungswerbung könnte andere Formen prägen, die jenseits der üblichen Werbespots liegen. Diese weiteren Formen orientieren sich inhaltlich an verschiedenen 'Variablen' des Mediums. Die spezifischen Formen der Bildungswerbung sind abhängig von dem Verbreitungsgrad des Mediums z.B. im Lokal —oder Regionalbereich, mit bundeslandspezifischer, bundesrepublikanischer oder aber internationaler Ausrichtung — dank der Satellitentechnik eine bald auch für spezielle Bildungs— und Kulturpro-
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5 Bildungsrelevante Programmangebote
gramme neue Verbreitungsform (vgl. auch das Olympus — Programm der Europäischen Gemeinschaft). Ein weiterer Unterscheidungsgrad ist das Medium selbst, handelt es sich um Fernsehen, Hörfunk oder um Bildungswerbung in den neuen Informations— und Kommunikationsmedien. Der formale Aufbau der Beiträge, die organisatorische Abwicklung und die Produktionskosten, der Aufwand der Produktion sind medienspezifisch zu unterscheiden und beeinflußen damit auch die inhaltlichen Ansprüche. In Dortmund wurde im lokalen Hörfunk über aktuelle Bildungsveranstaltungen in Form von Kurzankündigungen informiert und im Medium Fernsehen besondere Sendeformen zur Bildungsinformation im lokalen Raum erprobt. Daß dabei weniger der lokale Hörfunk im Vordergrund stand, ist sicherlich eine Folge aus der zu Beginn des Kabelpilotprojektes allgemein herrschenden 'Fernseheuphorie' sozial — kultureller Organisationen und Institutionen. Daß am Ende des medienpolitischen Diskussionsprozesses schließlich nicht das Lokalfernsehen sondern das Lokalradio (und nicht nur in Nordrhein Westfalen!) medienpolitisch favorisiert werden würde, war zu Beginn des Kabelpilotprojektes noch nicht absehbar.
5.1.1
Modelle des Lokalen MedienVerbunds zur Bildungswerbung
Bildungswerbung im Fernsehen oder im Hörfunk stellt möglicherweise zukünftig eine neue und zusätzliche Aufgabe der Erwachsenenbildung dar, ihr ohnehin fortwährendes Bemühen um neue Adressatengruppen nun in mediale Kanäle zu lenken. Die im Rahmen der Erwachsenenbildung stattfindende Diskussion um Lokalfunk und die damit zusammenhängenden Programmanforderungen an Institutionen sind schließlich auch mit dem eigenen Anspruch der Weiterbildungsträger verbunden, spezifische Sendeformen zu entwickeln, mit denen sie sich im lokalen Raum profilieren können. Diese Überlegungen verlaufen jenseits der Debatten um die organisatorische Gestaltung des Lokalfunks und setzen sich vielmehr mit den Inhalten dessen, was gesendet werden könnte, auseinander. Diese neuen Aufgaben der Medienproduktion sollten inhaltlich nicht zum 'Selbstzweck' werden, sondern vor allem dem Bildungsauftrag der Institutionen entsprechen. Aus diesem Bildungsauftrag lassen sich mindestens drei Produktionsformen ableiten: (a) Bildungswerbung, (b) die Erstellung von didaktischen Materialien für die Bildungsarbeit sowie (c) die Produktion im Sinne eines Bildungsprozesses für Teilnehmer medienspezifischer Kurse (vgl. Schmidt, 1986, S.18).
5.1 BildungsWerbung als Programmangebot
229
Im Rahmen des Kabelpilotprojekts Dortmund wurden insbesondere die erste und dritte Produktionsform realisiert. Während fast alle Beiträge als 'Bildungswerbung' im Sinn einer Werbung für Bildungsangebote spezieller (in den Sendungen genannter und z.T. vorgestellter) Organisationen/Institutionen gelten, ist die Produktionsform der Erstellung von audiovisuellem Material im Sinne einer Eigenproduktion, an der ausschließlich Kursteilnehmer beteiligt waren, nur wenig vertreten. Es ging bei der von den Erwachsenenbildungsinstitutionen in Dortmund erprobten Produktionsformen vorrangig weniger um die Partizipation von Kursteilnehmern, als um die Aktivität von hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeitern der verschiedenen Weiterbildungsinstitutionen, die selbst, unter Betreuung der Kommunikationshelfer und der Mitarbeiter des Adolf—Grimme —Instituts, erste Erfahrungen im Umgang mit Fernsehproduktionen gesammelt haben. Diese Interessengruppe verschiedener Dortmunder Weiterbildungsträger ist als "Lokaler Medien verbünd" zu verstehen. Ein wichtiges Schlagwort der Produktionen dieses Gremiums ist 'Bildungswerbung', hinter der sich, wie die einzelnen Sendungen belegen, unterschiedliche Vorstellungen, Inhalte und Darstellungsformen verbergen. Der Kabelfunk bot vor allem im Rahmen des Bildungskanals "Die kluge Sieben" dem Lokalen Medienverbund einen Sendeplatz, um selbst die Chance zu ergreifen, 'sendefähige' Beiträge zur Bildungswerbung zu produzieren, die in der in unregelmäßigen Zeitabständen gesendeten Reihe "Weiterbildung für Dortmunder" plaziert wurden. Die an solchen Erfahrungen im Umgang mit dem audiovisuellen Medium Fernsehen interessierten Institutionen aus Dortmund trafen sich in unregelmäßigen Abständen, um neue Sendevorschläge mit dem Redakteur des Bildungskanals zu diskutieren und technisch und dramaturgisch zu konkretisieren. Die Organisation des Lokalen Medienverbundes wurde vom Adolf—Grimme — Institut (Marl) übernommen, dessen Vertreter auch die Produktionen der Weiterbildungsinstitutionen betreute und dabei beratend tätig war. Der Aufbau, die Vermittlungs — und Kooperationsformen und die Inhalte der Sendungen unter Mitarbeit dieses Gremiums haben sich im Rahmen der Laufzeit des Kabelpilotprojektes jedoch verändert. Damit definiert sich letztlich der kreative Status eines Kabelpilotprojektes, immer wieder neuen Ideen und Konzeptionen Raum und Legitimation zu verschaffen. Es lassen sich verschiedene Sendetypen der 'Bildungswerbung', an denen der Lokale Medienverbund beteiligt war, unterscheiden. Obgleich Bildungswerbung, wie oben aufgezeigt, gerade auch Kurzinformationen sowie darauf bezogene weitere mediale Bildungsinformationen beinhalten könnte, wurden diese
230
5 Bildungsrelevante Programmangebote
'neuen' Formen in Dortmund nicht erprobt. Dagegen wurden ausschließlich Magazinsendungen zur Bildungswerbung in Kooperation mit dem Lokalen Medienverbund produziert. Diese wurden auf folgende Weise variiert: Studiogespräch und Animationsfilm: In den ersten beiden Sendeformen der Reihe "Weiterbildung für Dortmunder" ist die Gestaltung strukturell ähnlich: die Weiterbildungsinstitutionen haben kurze Filmbeiträge produziert, die zur Illustration des Gesprächs im Studio dienen. Das Studiogespräch wird vom Redakteur des Bildungskanals geleitet, der abwechselnd Fragen an die Studiogäste (Vertreter der entsprechenden Weiterbildungsinstitutionen) richtet. In diesen Sendungen dominiert das Studiogespräch, das etwa zwei Drittel der Sendezeit einnimmt. Studiogespräch in 'Eigenregie': In einer Sendung moderiert nicht der Redakteur des Bildungskanals, sondern die drei im Studio anwesenden Vertreterinnen von verschiedenen Weiterbildungseinrichtungen übernehmen wechselseitig die Gesprächsführung. Auch hier — und es zeigt sich die Ähnlichkeit zu den ersten beiden Sendeformen — wurden jeweils Filmbeiträge von den Weiterbildungseinrichtungen produziert, die vor dem Studiogespräch bzw. im Anschluß daran eingespielt werden. Bei dieser Sendung fallt auf, daß nicht das Studiogespräch dominiert, sondern Gespräch und Filmbeiträge zeitlich und inhaltlich den gleichen Raum einnehmen. Journal: Eine weitere Form wurde erprobt, indem das Studiogespräch von verschiedenen aneinander gereihten Filmbeiträgen (die Überleitung erfolgt mit Zwischenbild und einem Schriftzug, der auf das Thema des folgenden Beitrags hinweist) ersetzt wird. Weitere formale und inhaltliche Variationen stellen die Ausgaben des "Bildungsjournal" dar. Diese Sendeform wurde in vier Ausgaben produziert und gesendet (Sendemonate: Februar, April, Mai, Juni, 1987 jeweils im Lokalfernsehen an dem Sendeplatz "Stadtjournal"). Feature: Neben den dargestellten Sendeformen wurde auch das 'Feature' als eine mögliche Sendeform zur Bildungswerbung erprobt. Es handelt sich dabei um eine themenorientierte Sendung, die über die Tätigkeitsfelder, Zielgruppen, Aufgaben einer spezifischen Institution bzw. Organisation informiert. Neben den Veränderungen der formalen Sendestruktur wurden auch verschiedene Aktivitätsgrade der Weiterbildungsinstitutionen in der Kooperation mit dem Kabelfunk erprobt. Während bei einigen Sendungen eine aktive inhaltliche und technische Partizipation erfolgte, wurde die Aktivität des Lokalen Medienverbundes bei späteren Produktionen auf eine inhaltliche Beratung fixiert. Verändert wurde auch der Sende-
231
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
platz. Die Ausgaben des "Bildungsjournals" wurden nicht im Bildungskanal "Die kluge Sieben" verbreitet, sondern im Lokalfernsehen an dem Sendeplatz "Stadtjournal". Neben den Sendungen, bei denen thematisch die Volkshochschule, die Bildungsarbeit der Katholischen Kirche und "Weiterbildung für Frauen" im Mittelpunkt standen, wurden ein thematisch orientierter Beitrag ("Bildungsurlaub"), sowie die Vorstellung einer in Dortmund ansässigen sozialpädagogischen Organisation ("Kinderschutzbund") produziert. Der Beitrag über "Bildungsurlaub" ist strukturell vergleichbar mit den ersten Sendungen. Die Sendung über den "Kinderschutzbund" stellt die einzelnen Tätigkeitsschwerpunkte dieser Organisation in aufeinander direkt folgenden Filmen vor. Insgesamt lassen sich die Themen der Sendungen in Kooperation mit dem Lokalen Medienverbund den in Tabelle 59 ausgewiesenen Bereichen zuordnen. Tabelle 59:
Absolute Häufigkeit des Auftretens von Bildungsbereichen in den analysierten Sendungen
Themen personenbezogene Bildung: ("Frauenselbsthilfe nach Krebs"; "Frauengesprächskreis") Familienbildung: ('Eltern-Kind Kurs'; 'Geburtsvorbereitung' ) kulturelle Bildung: ('Auslandskulturarbeit'; 'Kirchengeschichte'; 'Filmfestival'; 'Derne Projekt', 'ZWAR') 'Nutzung leerstehender Schulen') freizeitorientierte/kreative Bildung: ('Kolpinggruppen'; 'Freizeit f. Auszubildende'; 'Kreativkurse', 'Ferienfreizeit', 'Hermann-Keiner-Haus') berufl. Bildung: ("Mädchen in Metallberufen"; 'CNC-Technik'; 'arbeitslose Lehrer'; 'Bildungsurlaub', 'Lehrstellenmangel') sprachliche Bildung: ('Alphabetisierungskurse', 'Englischkurse') Summe
Häufigkeit 2
2 6
5
5
2
22
Folgende Dortmunder Bildungsinstitutionen bzw. Organisationen stehen im Mittelpunkt einer Sendung: Volkshochschule, Rheinisch—Westfälische Auslandsgesellschaft (RWAG) und Kinderschutzbund. Diese wurden in die obige Tabelle entsprechend der
232
5 Bildungsrelevante Programmangebote
besonders hervorgehobenen Projekt;
RWAG:
Bildungsaktivitäten
Auslandskulturarbeit;
integriert
Kinderschutzbund:
(Volkshochschule: Ferienfreizeit).
Derne Darüber
hinaus werden in einzelnen Beiträgen im Kontext der Vorstellung von bestimmten Kursangeboten diese und andere Weiterbildungsträger explizit genannt (siehe Tabelle
60).
Diese Institutionen werden in den verschiedenen Sendungen in einen direkten Zusammenhang mit spezifischen Angeboten gebracht, so daß bei den Zuschauern eine Zuordnung
von
thematischen
Bildungsangeboten
zu
entsprechenden
Institutionen
erfolgen kann. In einzelnen Sendungen wird auf aktuelle Termine hingewiesen (z.B. 'Filmfestival' des kommunalen Kinos) oder es werden Adressen bekanntgegeben, an die sich Zuschauer bei Interesse oder Nachfragen direkt wenden können. Tabelle 60:
Absolute Häufigkeit der Nennung von Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen in den analysierten Sendungen
Weiterbildungseinrichtungen Katholische Familienbildungsstätte: Katholische Arbeitnehmerbewegung: Katholisches Bildungswerk: Kolpingswerk: Kommende: Volkshochschule: Arbeitsamt: Nachbarschaftshaus Wambel: wirtschafte orientierte Träger: (z.B. Olivetti; private kaufm.Schulen; Sprachschulen) Hermann-Keiner Haus "Frauenselbsthilfe nach Krebs" "ZWAR" (Zwischen Arbeit Ruhestand) Summe
5.1.2
Häufigkeit 2 1 1 1 1 3 2 1 2
1 1 1 17
Inhaltsanalytische Auswertung von drei Sendungen zur Bildungswerbimg
Es wurden sieben Einzelauswertungen, auf der Basis einer vergleichenden Voruntersuchung, die die Funktion eines Previews hatte, durchgeführt. Bei dieser Voruntersuchung sämtlicher Sendungen des Kabelfunks in Kooperation mit dem Lokalen
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
233
Medienverbund standen folgende Aspekte im Vordergrund: (a) Aktualität, (b) Lokalbezug 17 ', (c) Geschlechtsspezifität sowie (e) thematisierte Gegenstandsbereiche18'. Diese vergleichende Untersuchung lieferte die folgenden Ergebnisse: Aktualität (Kennzeichen: Nennung von Terminen und Treffpunkten) Bis auf wenige Ausnahmen werden keine inhaltlichen Aktualitäten berücksichtigt. Hinweise auf aktuelle, kurzfristige Termine, auf Treffpunkte bestimmter Gruppen spielen in den Eigenproduktionen nur eine marginale Rolle. Dieses deutet darauf hin, daß die Weiterbildungsträger die Möglichkeit der Eigenproduktion für das Fernsehen vor allem dazu nutzen, die Kontinuität von Bildungsangeboten zu dokumentieren. Der Verzicht auf aktuelle Eigenproduktionen ist sicherlich nicht zuletzt in dem hohen zeitlichen Aufwand begründet, der mit einer aktuellen Fernsehproduktion verbunden ist. Lokalbezug (Kennzeichen: Nennung von Dortmunder Betrieben, Stadtteilen etc.) Der Bezug zum lokalen Umfeld ist bei allen Sendungen bereits darin vorhanden, daß alle angesprochenen Institutionen in Dortmund angesiedelt sind. Ein inhaltlicher Bezug wird darüber hinaus in etwa einem Drittel der Beiträge geleistet. Hier werden für die Zuschauer eindeutige Identifikationsindices deutlich, etwa bei der Erwähnung Dortmunder Stadtteile, spezifischer soziokultureller Merkmale (z.B Derne Projekt) oder stadtgeschichtlicher Ereignisse (z.B. Kirchengeschichte einer Dortmunder Gemeinde). Der Bereich der beruflichen Fortbildung wird vorrangig mit der Erwähnung von Ausbildungszentren oder anderen Aktivitäten Dortmunder Betriebe in Zusammenhang gebracht. Geschlechtsspezifität (Kennzeichen: Darstellung von Frauen in der Weiterbildung, Frauen in der Rolle von 'Expertinnen' und Teilnehmerinnen) Es werden nur wenige hauptamtliche Mitarbeiterinnen von Weiterbildungsinstitutionen an Studiogesprächen beteiligt (Ausnahme ist die Sendung "Weiterbildung für Frauen") oder Frauen als besondere Zielgruppe für Weiterbildung dargestellt. Kursteilnehmerinnen werden allenfalls bei einem Kameraschwenk eingeblendet, z.B. im Rahmen eines Tanzseminars der Rheinisch—Westfälischen Auslandsgesellschaft, in Aquarell— und Alphabetisierungskursen. Diese Angebote werden en passant als typisch weibliche Bildungsthemen visualisiert. Damit werden weibliche Bildungsstile medial reproduziert. Berufliche Bildung scheint dagegen tendenziell 'Männersache' zu sein. Auffallend ist, daß vor allem über Bildungsangebote für Industriearbeitsplätze informiert wird (Ausnahme: "Bildungsjournal"/ Juni, 1987) und weniger Seminarreihen für Dienstleistungsberufe zur Sprache kommen. Besonders bezeichnend für die einseitige geschlechtsspezifische Ausrichtung der
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5 Bildungsrelevante Programmangebote
ersten Produktionen ist die fast diskriminierende Abgrenzung einer 'lockeren Gesprächsatmosphäre' innerhalb einer Institution von dem Image eines 'Kaffeekränzchen alter Damen', die von einem Studiogast vorgenommen wurde. Im Rahmen der inhaltsanalytischen Untersuchung19* wurden im Anschluß an dieses Preview folgende Sendungen qualitativ ausgewertet: 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7)
"Volkshochschule stellt sich vor"(1986) "Rheinisch —Westfälische Auslandsgesellschaft"(1986) "Weiterbildung für Frauen"(1986) "Katholische Erwachsenenbildung"(1987) "Kinderschutzbund"(1987) "Bildungsjournal" (Februar/1987) "Bildungsjournal" (Mai/1987)
Diese Sendungen wurden ausgewählt, weil sie die formalen Strukturen der Produktionen der Kooperation des Kabelfunks mit dem Lokalen Medienverbund ausreichend repräsentieren. Die Sendungen "Bildungsjouraal" (April und Juni, 1987) sowie "Bildungsurlaub ** wurden aus diesem Grund nicht interpretiert20). Methodologischer Hintergrund der Auswertung sind Ansätze einer qualitativ orientierten Inhaltsanalyse. Den konkreten theoretischen Hintergrund der Inhaltsanalyse stellt das Konzept der 'kulturellen Indikatoren' dar, das in den späten sechziger Jahren entwickelt wurde 2l) . Mit dem Begriff medial vermittelter "kultureller Indikatoren" sind in einem eher anthropologischen, US — amerikanischen Verständnis gesellschaftlich—kulturelle Kennzeichen gemeint, die Gerbner als "Mass mediated Public Message Systems" beschreibt (Gerbner, 1969, S.123). Für Gerbner indizieren "kulturelle Indikatoren" "changes in the mass production and rapid distribution of messages across previous barriers of time, space, and social grouping brings about systematic variations in public message content whose full significance rests in the cultivation of collective consciousness about elements of existence"(Gerbner, 1969, S.124). Es geht Gerbner dabei um Aussagen —Systeme, die gesellschaftlich kollektive Vorstellungen und Einstellungen konturieren22' (vgl. Deetjen, 1986, S.12). Gerbners Konzept weist mit Indikatoren der "Aufmerksamkeit" (what is?), der "Emphase" (what is important?), der "Tendenz" (what is right?) und der "Struktur" (what is related to what?) (vgl. Deetjen, 1986, S.13) verschiedene Untersuchungsklassen auf, die weit über rein analytische Verfahren der Bestandsaufnahme hinausgehen.
5.1 BildungsWerbung als Programmangebot
235
Die inhaltsanalytische Untersuchung wurde auf der Grundlage dieser Gedanken entwickelt. Während Gerbner quantitativ vorgeht, um die formulierten Kennzeichen von 'versteckten' kulturellen Werten und Ausdrucksformen zu indizieren, wurde im Rahmen unserer Untersuchung eine qualitativ orientierte Inhaltsanalyse vorgenommen. Das Konzept der 'kulturellen Indikatoren* wurde insofern modifiziert. Das Ziel der inhaltsanalytischen Untersuchung der sieben Sendungen war es, vorrangig die besondere inhaltliche Auffüllung der Bedeutung von 'Bildung' sowie der besonderen, jeweils spezifischen Formen der Bildungswerbung festzustellen. Dieses Untersuchungsziel leitet sich aus der Intention der Weiterbildungsträger ab, Sendungen zur Öffentlichkeitsarbeit und zur Bildungswerbung zu produzieren. Um die besondere qualitative Sichtweise zu unterstreichen wird jede dieser sieben Sendungen interpretiert, um Botschaften, 'Wirkungen', aber auch Brüche festzustellen. Im Anschluß daran geht es um die in den Beiträgen vermittelten Dimensionen von Bildung. Dabei steht die thematische Bindung von 'Bildung' im Vordergrund, die atmosphärische Darstellung von Lerngruppen, und die Rolle der Dozentinnen und Dozenten. Die Auswertung von 'Bildungswerbung' schließlich richtet sich auf die besonderen stilistischen Formen, mit denen für die Teilnahme an Bildungsveranstaltungen geworben wird. Diese 'Stile' werden beispielsweise in der Erwähnung von Zielgruppen, bei der Visualisierung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern oder der Erwähnung der besonderen Bildungsziele der spezifischen Institution deutlich. Es geht auch um die Interpretation der intentional zur Werbung eingesetzten Stilmittel, wie etwa die Befragung ehemaliger Kursteilnehmer vor der Kamera nach Erfolgen und positiven Einschätzungen des absolvierten Bildungsangebots. Um diese qualitative Auswertung ausreichend zu dokumentieren, wurde von jeder der sieben Sendungen ein Filmprotokoll angefertigt, das folgende Rubriken enthält: 'Themen', 'Kommentar', 'Bild' und 'Darstellungsform'. Mit Hilfe dieses Protokolls soll die vorgenommene Filminterpretation durch eine 'objektive' Dokumentation ergänzt werden, sodaß die Interpretationen mit dem vorliegenden Datenmaterial verglichen werden können.
236
5.1.2.1
5 Bildungsrelevante Programmangebote
"Volkshochschule stellt sich vor"
Interpretation und Kritik Die Sendung "Volkshochschule stellt sich vor" besteht aus einem Studiogespräch und einem Animationsfilm über das zu der Ausstrahlungszeit der Sendung neue Veranstaltungsprogramm. Zunächst erfolgt die Einblendung eines Werbeplakats für das neue Semesterprogramm, das, wie sich dann im Film herausstellt, gewissermaßen als 'corporate identity' auch auf dem Titelblatt des Programms zu sehen ist. Das Bild verweist mit dem Schriftzug "Tag und Nacht Derne Schacht" auf ein soziokulturelles Projekt der Volkshochschule. Die Moderationseinheit beginnt mit einem kurzen Hinweis auf den Produktionsverbund Dortmunder Weiterbildungsinstitutionen mit der Redaktion des Bildungskanals. In diesem Zusammenhang werden die Studiogäste (es handelt sich um den Leiter der Dortmunder Volkshochschule und um einen pädagogischen Mitarbeiter) vorgestellt und die Sendung wird als 'erste Produktion' der Kooperation Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen mit dem Kabelfunk hervorgehoben. Der sich anschließende Filmbeitrag ist als Animationsfilm zu verstehen. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Bildern, in deren Mittelpunkt der Semesterplan steht (die neuen Programme werden von einem LKW geladen, in die Volkshochschulräume transportiert etc.). Der Film wird durch kurze Zwischentexte inhaltlich strukturiert, die die jeweils folgenden Themen ankündigen. Diese werden jeweils von einer Hand an eine Tafel (typisches Lernambiente!) geschrieben: "Der Plan", "ABC der VHS", "VAU HA ES" oder "Gewußt wie" etc. Leider kommen in dem Film an keiner Stelle Kursteilnehmer zu Wort. Die Intention des Films ist es weniger, eine Darstellung der Volkshochschularbeit, der Kurse oder der organisatorischen Struktur der Institution zu vermitteln, als vielmehr den Veranstaltungsplan in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht dabei (stets mit Musik unterlegt) um eine stichwortartige Vorstellung der einzelnen Veranstaltungsangebote in einem "ABC der VHS". Diese bleiben sehr unspezifisch: Die Kurse werden nur sammelsurisch genannt, etwa "Amateurfunk, Bildungsurlaub, Computertechnik, Derne Projekt...", ohne inhaltliche Bezüge herzustellen.
5.1 BildungsWerbung als Programmangebot
237
In einer Sequenz des Films wird eine telefonische Beratungssituation des pädagogischen Mitarbeiters dargestellt. Obgleich die Beratung sehr detailliert erfolgt, wird der Eindruck vermittelt, daß das Anmeldeverfahren, das inhaltlich Gegenstand dieser Sequenz ist, in der Volkshochschule sehr umständlich zu sein scheint. Die Beratungsszene bezieht sich auf die Nachfrage eines Anrufers nach einem Kurs zum Thema "Maschineschreiben". Die Auswahl des Kurses erfolgt auf Anraten des pädagogischen Mitarbeiters, der im weiteren Gesprächsverlauf den Modus der Kursanmeldung erläutert. Das Anmeldeverfahren für Kurse ist in einer großen Institution wie der Volkshochschule, mit einer Reihe dezentraler Veranstaltungsräume, naturgemäß kompliziert. Die Darstellung dieses für Außenstehende verwirrenden Verfahrens mit einer Fülle von Orten und Terminen hätte nicht in die Filmsequenz 'Bildungsberatung' integriert werden sollen, um das Image von 'Bildungsberatung' nicht auf Anmeldeformalitäten zu verkürzen. Die weiteren Sequenzen des Films informieren dann noch einmal über das Anmeldeverfahren und die einzelnen Bezirksverwaltungsstellen, in denen die Teilnehmerkarten für die dezentralen Volkshochschulangebote erhältlich sind. Es werden Fotos der dezentralen Volkshochschulgebäude (es bleibt unklar, ob es sich dabei um Veranstaltungs — oder Anmeldeorte handelt) eingeblendet, vor denen jeweils immer die gleiche weibliche Person, die auch im Film gelegentlich auftaucht, mit einem Volkshochschulprogramm posiert. Den Abschluß des Animationsfilms bildet der Kamerablick auf eine Schreibmaschine, die die Öffnungszeiten für das noch einmal abschließend erwähnte Anmeldeverfahren (leider kaum erkennbar) ausdruckt. Im folgenden Studiogespräch geht es dann endlich um eine Vertiefung der im Film sehr oberflächlich präsentierten Angebotsstruktur der Volkshochschule; um inhaltliche Fragestellungen, um Konzepte, Probleme der Bildungsarbeit, um Defizite und neue Formen soziokulturellen Lernens. Der Moderator fragt dabei abwechselnd die Studiogäste nach Teilnehmerfrequenzen, Kursangebotszahlen und Angebotsschwerpunkten. Leider unterbleibt eine Erläuterung der Dezentralisierung im Sinn einer Verteilung der Angebotsorte über den gesamten Stadtbereich. Im folgenden Gespräch geht es dann um die Angebote der Volkshochschule im Bereich Bildungsurlaub. Es wird für die Zuschauer motivierend auf das prinzipielle Recht hingewiesen, Bildungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Die Angebote, die dabei Erwähnung finden, lassen den Eindruck entstehen, daß Bildungsurlaub eng mit beruflicher Bildung verbunden ist. Es fehlen Hinweise darauf, daß Bildungsurlaub sich prinzipiell auch mit anderen Bildungsinhalten z.B. allgemeiner Art (Ausgleichssport, Umweltschutz) beschäftigt. An dieser Stelle wird darüber hinaus deutlich, daß die
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5 Bildungsrelevante Programmangebote
genannten Beispiele sich vor allem an männliche Beschäftigte richten. Themen, die Fragen im Kontext einer weiblichen Berufsrolle (z.B. im Bereich der Dienstleistungstätigkeit) beinhalten, fehlen. Die Zielgruppenarbeit der Volkshochschule wird insbesondere anhand der soziokulturellen Bildungsarbeit im Kontext des Derne Projekts vorgestellt. Es geht dabei um eine Erläuterung der historischen Entwicklung des Projekts und seiner Eingebundenheit in die besondere Lebens— und Arbeitssituation der Bewohner des Dortmunder Stadtteils Derne. Damit gelingt es, den für eine Volkshochschule im 'traditionellen' Sinn ungewöhnlichen Ansatz von Bildungsarbeit zu skizzieren und gleichzeitig den Zuschauern, die möglicherweise mit der Institution Volkshochschule konventionelle Lernformen verknüpfen, das besondere Konzept soziokulturellen Lernens nahe zu bringen. Berufliche Bildung steht schließlich erneut als Themenkomplex am Schluß der Sendung. Auch hier wird deudich, daß Themen geschlechtsspezifischer Arbeitsplätze und damit die unterschiedlichen Ansprüche an berufliche Bildung völlig fehlen.
Dimensionen von Bildung Bildung wird in diesem Beitrag mit der Institution Volkshochschule gleichgesetzt. Es geht dabei weniger um 'Bildung' im allgemeinen, sondern — eher pragmatisch — um 'Bildung' im Kontext der formalen Programmangebote. Bildung ist, betrachtet man den zu Beginn eingespielten Animationsfilm, gekoppelt an Kursthemen (z.B. Amateurfunk, Gymnastik, Siebdruck, Umweltschutz, Yoga), die in der Institution Volkshochschule angeboten werden. Im Rahmen der Sendung werden dann weitere inhaltliche Differenzierungen deutlich. Die Spezifizierung der beruflichen Bildung und des Bildungsurlaubs verweist auf die verschiedenen Tätigkeitsfelder der Volkshochschule. Bildung ist jedoch auch an Schulungsräume und Gebäude gekoppelt (Einblendung der dezentralen Anmeldestellen). Es entsteht außerdem der Eindruck, daß vor der Anmeldung für einen Kurs ein kurzes Beratungsgespräch stattfinden sollte. Insbesondere das Derne —Projekt hinterläßt sicherlich bei einigen Zuschauern das Profil eines völlig anderen, für eine große Institution wie die Volkshochschule es ist, völlig 'untypischen' Bildungsbegriffs. Nicht die Teilnehmer gehen in die Volkshochschule, sondern umgekehrt: die Volkshochschule nimmt teil am Leben im Kiez und motiviert dort zur Aufrechterhaltung von stadtteilkulturellen Aktivitäten, die im
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
239
Auflösen begriffen zu sein scheinen. Die in der Sendung recht umfangreiche Darstellung des Derne Projekts hätte möglicherweise noch weiter ausgedehnt werden können, um über die Vieldimensionalität soziokultureller Bildungsformen zu informieren. Charakteristika dieses Bildungsbegriffs sind die Aufrechterhaltung traditional geprägter spezifischer Lebensweisen in Dortmund ("was so ein Arbeitsplatz für die dort arbeitenden Bergleute bedeutet, für die Familien, für das Leben, für den Alltag"). Die Förderung der spezifischen Alltags— und Stadtkultur wird so für die Zuschauer als ein Gegenstand von Bildung dargestellt, der an lebensnahen Problemen ansetzt. Auch bei der Erläuterung der Angebote des Bildungsurlaubs werden für die Zuschauer neue Lernformen deutlich. Nicht 'traditionale' Kursangebote, die mit wöchentlichen Abständen ein Semester lang stattfinden, stehen hier im Mittelpunkt, sondern es geht um einwöchige Veranstaltungen. Die Sendung geht jedoch bei dieser Angebotsform weniger auf den damit verbundenen kommunikativen Charakter (z.B. Kennenlernen von Kollegen, Austausch von Arbeitserfahrungen) ein, sondern stellt die Inhalte in den Vorderggrund, die im Rahmen des Volkshochschulprogramms enge Affinitäten zu beruflicher Weiterbildung vermuten lassen. Der im Derne — Projekt als bedeutungsvoll erscheinende Begriff der 'kulturellen Kommunikationsformen' wird hier formal auf die Vermittlung von berufsrelevanten Themen reduziert.
Formen der Bildungswerbung Bildungswerbung erfolgt in dem vorliegenden Beitrag in Form einer verbalen Darstellung der Volkshochschulangebote sowie einer Vertiefung und Erläuterung einzelner Kursreihen. Die auf diese Weise präsentierten Kurs—Angebote (Nennung von Kursthemen) sowie Organisationsformen (Dezentralisierung; Anmeldemodi) werden von den Fragen des Moderators geleitet. Die Institution wird personifiziert dargestellt: Die beiden Mitarbeiter und deren 'Ausstrahlung' vermitteln einen atmosphärischen Eindruck der Lernsituation in der Volkshochschule. Gegenstand der Bildungswerbung sind Informationen über die Institution Volkshochschule sowie die Vorstellung des allgemeinen Angebotes, dessen große "Fülle" an verschiedenen Stellen der Sendung hervorgehoben wird (ein Beispiel konventioneller Werbung?). Der eingespielte Animationsfilm soll einen Überblick über den Umfang des Angebotes vermitteln und zugleich auf die Anmeldemodi verweisen. Bildungswerbung heißt in diesem Zusammenhang: Werbung mittels einer Auflistung von Kursangeboten für eine bereits interessierte Zuschauergruppe, der die Lernformen der
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5 Bildungsrelevante Programmangebote
Volkshochschule bereits vertraut sind. Die alphabetische Aufzählung einzelner Angebote, die kurze Einblendung der Fachbereiche, die auf das Signet 'VHS' gedruckt sind — diese Information soll die breite Angebotspalette der Volkshochschule widerspiegeln und zugleich einen Eindruck über die Binnenstruktur der Volkshochschule als Institution vermitteln. Leider bleiben die Verwendungszusammenhänge, die besonderen Probleme und Fragestellungen, aus denen sich ein Besuch von Kursen ableiten ließe, undurchsichtig. Auf einer weiteren Darstellungsebene werden ansatzweise einige Veranstaltungen vertiefend präzisiert. Die Auswahl der auf diese Weise präsentierten Angebote lassen einen Zuschnitt auf die assoziierte Zuschauergruppe vermuten: Es geht häufig um Formen der beruflichen Bildung, im Sinn einer sozialen oder politischen Orientierung am Arbeitsplatz. Besonders deutlich wird Bildungswerbung in der Schilderung des Derne Projekts. An dieser Stelle wird Bildungwerbung verbalisiert, indem über die historische Entwicklung und die besondere Problemlage, die Motivation der Teilnehmer und der Bevölkerung berichtet wird. Es wird beschrieben, daß die Volkshochschule auch auf eine besondere Nachfrage 'vor Ort' reagiert: Bildungswerbung verdeutlicht sich hier über die Hervorhebung der besonderen Aktivitäten einiger Bergleute der Schachtanlage Gneisenau. Die exemplarische Schilderung dieser Aktivitäten motiviert möglicherweise Zuschauer, ebenfalls eigene Bildungsbedürfnisse zu artikulieren. BildungsWerbung vollzieht sich am Beispiel des Derne —Projekts über Werbung für besondere Zugangsweisen und demonstriert die Flexibilität der Institution Volkshochschule.
5.1.2.2
"Weiterbildung für Frauen"
Interpretation und Kritik Die Sendung zum Thema "Weiterbildung für Frauen" beginnt mit einer Moderationseinheit. Dabei geht es inhaltlich vor allem um den Hinweis, daß es sich bei der folgenden Sendung um ein Novum handele, das darin bestehe, daß die Moderation der drei vorgesehenen Beiträge (es geht um die Themen " Frauenselbsthilfe nach Krebs", "Mutter—Kind —Kurse" sowie um einen Frauengesprächskreis) von den drei Vertreterinnen der entsprechenden Weiterbildungsinstitutionen bzw. Organisationen (alle drei sind eingeblendet) wechselseitig übernommen werden. Für die Zuschauer wird mit diesem Hinweis die strukturelle Veränderung der Sendereihe "Weiterbildung für Dortmunder" transparent. Die vorherigen Sendungen wurden von dem Redakteur
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
241
des Bildungskanals moderiert. Leider werden jedoch keine Gründe für den Wandel der Moderation in der vorliegenden Sendung genannt. Wurde die Moderationsstruktur modifiziert, um ein möglicherweise vorhandenes Hierarchieverhältnis von (professionellem) Moderator und Studiogast abzubauen? Geht es um die direkte Vermittlung von Authentizität und Engagement bei der Bildungsarbeit mit Frauen? Soll die Kollegialität der drei im Studio anwesenden Vertreterinnen im Bereich Frauenarbeit besonders hervorgehoben werden? Die Zuschauer werden zu Zeugen eines Versuchs und sind sensibilisiert für Moderationslücken und Brüche — sie verlassen den Perfektionsanspruch an das audiovisuelle Medium Fernsehen und gewinnen den Eindruck des 'Selbstgemachten'. Keine der drei Moderatorinnen versucht, sich selbst zu profilieren, sondern ist bemüht, der jeweils anderen genügend Zeit zur Präsentation ihrer Weiterbildungsangebote, ihrer Institution bzw. Organisation zu überlassen. Die zum Teil bei der Moderation entstehenden Unsicherheiten, die Pausen (z.B. 'wer ist jetzt dran?') wirken keineswegs störend, weil die Zuschauer von vornherein mit diesem Experiment konfrontiert wurden. Die Vorstellung der drei verschiedenen Weiterbildungsangebote erfolgt nacheinander. Man hätte sich zu Beginn ein allgemeines Gespräch über die besondere Zielgruppe 'Frauen' gewünscht. Hier hätten historische und aktuelle Aspekte der Bildungsarbeit mit Frauen zur Sprache kommen können. Da dieses nicht erfolgte, ist davon auszugehen, daß die Sendung bereits für eine für dieses Thema sensible Zielgruppe produziert wurde. Die Vertreterin der Selbsthilfegruppe "Frauenselbsthilfe nach Krebs" wird als erste befragt und erhält Gelegenheit zur Erläuterung ihrer Organisation. Der eingespielte Filmbeitrag stellt eine Beratungssituation der im Studio anwesenden Vertreterin mit einer Erkrankten sowie ein Informationsgespräch der Gruppe mit einem Arzt dar. Die besondere Dramaturgie dieses Filmbeitrags ist weniger ein Resultat einer raffinierten Kameraführung (die Kameraführung ist eher ruhig, stets auf die sprechenden Personen gerichtet und sehr langsam), sondern die gesprochenen Texte sind es, die beeindrucken und zum Zuhören verleiten. Dem Beitrag gelingt es, ohne die Zuschauer in eine unfreiwillig voyeuristische Perspektive zu versetzen, private Themen anzusprechen, offen und scheinbar selbstverständlich über sonst in der Öffentlichkeit nicht zur Sprache kommende Themen zu berichten. Die sich anschließenden Fragen der beiden im Studio anwesenden Frauen an die Vertreterin der Organisation "Frauenselbsthilfe nach Krebs" sind kurz, präzise und werden auch in dieser Form beantwortet. Die Vertreterin der Gruppe "Frauenselbsthilfe nach Krebs" beendet das Gespräch über ihre Organisation, indem sie vorschlägt, nun über die Katholische Familien-
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5 Bildungsrelevante Programmangebote
bildungsstätte zu sprechen. Sie verändert ihre Rolle als Interviewte in die einer Interviewerin und bittet die Vertreterin der Familienbildungsstätte, den Schwerpunkt ihrer Weiterbildungstätigkeit vorzustellen. Dieser Übergang vollzieht sich unmittelbar, stellt einen abrupten Abbruch des Gesprächs dar — sicherlich eine Konzedierung an das Novum der Moderationssituation. Nach einer kurzen Darstellung des Weiterbildungsangebots der Familienbildungsstätte wird auch im Rahmen dieses Beitrags ein Film eingespielt, der — audiovisuell — weitere Informationen über die Weiterbildungsangebote sowie einen Eindruck über die Kursatmosphäre vermitteln soll. Inhaltlich geht es in diesem Filmbeitrag um die Präsentation eines Eltern —Kind —Kurses. Die Kommentierung des Films ist sehr langsam (der Kommentar wurde von der im Studio anwesenden Vertreterin der Familienbildungsstätte gesprochen). Dabei geht es um die Kurssituation, um die Zielgruppe sowie um die Kursinhalte. Die sich anschließenden Fragen der beiden anderen im Studio anwesenden Vertreterinnen der Weiterbildungsinstitutionen bzw. Organisationen zielen vor allem auf die Organisation der Kurse (z.B. Kosten der Kursteilnahme) und die konfessionelle Gebundenheit der Teilnehmer bei einer konfessionellen Weiterbildungsinstitution ab. Auch hier beendet die Interviewte die Vorstellung ihrer Institution selbst, indem sie, nach einer kurzen Pause, die dritte der im Studio anwesenden Frauen anspricht und sie bittet, nun ihre Weiterbildungsangebote vorzustellen. Dieser letzte der drei Beiträge widmet sich dem Thema "Frauengesprächskreis". Während bei den beiden zuvor vorgestellten Weiterbildungsangeboten sich das Studiogespräch dem eingespielten Filmbeitrag anschloß, ist es in diesem Fall genau umgekehrt. Die Vertreterin des Bildungsangebots "Frauengesprächskreis" erläutert zunächst die Entstehungsgeschichte sowie die besondere Zielgruppe ihres Weiterbildungsangebots. Der sich anschließende Filmbeitrag beinhaltet die Erfahrungsberichte von drei Frauen, die gemeinsam an dem Frauengesprächskreis teilgenommen haben. Auch hier dokumentiert der Film, ähnlich wie in dem ersten Beitrag, eine sehr private Gesprächsatmosphäre: Der Raum des Geschehens ist ein privates Wohnzimmer, die drei Frauen zeigen einen sehr vertrauten Umgang miteinander. Die Kameraführung ist sehr langsam. Die Kamera verweilt häufig in der Perspektive der Raumtotale. Die Bilder dienen vor allem zur Illustration, das gesprochene Wort steht als Botschaftsträger eindeutig im Vordergrund. Der Film wirkt an keiner Stelle langweilig; er wird durch die biographischen Schilderungen insbesondere von zwei der drei Frauen getragen. Den Abschluß des Filmbeitrags sowie der gesamten Sendung bildet schließlich ein längeres Zitat aus einem Buch zur Mädchenerziehung aus der Zeit der Jahrhundertwende, das die veränderten Wertvorstellungen an weibliche Sozialisation generations— und damit zeitspezifisch illustriert.
5.1 BildungsWerbung als Programmangebot
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Dimensionen von Bildung In dem Beitrag "Weiterbildung für Frauen" geht es um eine spezifische Facette von Bildung: Bildung wird hier als eine besondere Lernform jenseits von Qualifizierungsprozessen definiert. Die Sendung indiziert Bildung als soziale Hilfe, Sozialberatung — als Kommunikation. Es geht dabei weniger um formale und funktionale Wissensbestände, als um den Austausch von Alltagswissen, um an den Erfahrungen anderer im Umgang mit bestimmten Problemen zu lernen, sie im Gespräch mit eigenen zu ergänzen. Im Vordergrund steht 'Bildung* im Sinn eines kommunikativen Austauschs einer Gruppe 'Gleichgesinnter', die sich über ähnliche existenzielle (z.B. "Frauenselbsthilfe nach Krebs") oder soziale Probleme (z.B. "Frauengesprächskreis") definiert. Dieser Bildungsbereich wird in der Sendung ausschließlich auf die Bildungsarbeit mit der Zielgruppe Frauen bezogen, auf ihre besondere Situation als Mütter (z.B. "Eltern—Kind—Kreis"), auf ihre Identitätskonflikte mit der eigenen 'typisch' weiblichen Rolle. Die dargestellten Bildungsangebote werden nicht primär mit den entsprechenden Bildungsinstitutionen (z.B. Katholische Familienbildungsstätte, Volkshochschule) in Zusammenhang gebracht, sondern die persönliche Vermittlungsebene der entsprechenden Vertreterin steht im Vordergrund. Dieses wird darin deutlich, daß die Institutionen nur kurz genannt werden und beispielsweise in den Filmbeiträgen überhaupt nicht visuell repräsentiert sind (z.B. durch Einblendung der Institution oder von Dozentinnen): Es geht einzig und allein um die konkrete Lern— und Kommunikationssituation. Der Kommentar des Films der Katholischen Familienbildungsstätte verweist explizit auf die Wichtigkeit der Gespräche der Mütter untereinander für den Austausch von Erziehungserfahrungen und deren Interpretation. Bildung heißt in dieser Sendung jedoch nicht 'nur' an den kommunikativen Prozessen der spezifischen 'Lern'— gruppe zu partizipieren. Darüber hinaus vermittelt die Sendung den Eindruck, daß 'Bildung' in diesem Kontext auch meint, selbst etwas zu initiieren und es engagiert zu vertreten. Dieses wird insbesondere am Beispiel der Vertreterin der "Frauenselbsthilfe nach Krebs" deutlich, die ehrenamtlich die Dortmunder Gruppe leitet und selbst von der Krankheit betroffen ist. Auch in dem Filmbeitrag des Frauengesprächskreises berichtet eine Teilnehmerin, daß sie über die positive Erfahrung im Gesprächskreis, den sie wiederholt als ihr "soziales Netz" bezeichnet, motiviert wurde, selbst eine Gruppe zu übernehmen sowie andere Bildungsaktivitäten (z.B. die erfolgreiche Teilnahme am Frauenstudium der Universität Dortmund) zu entwickeln. Der Beitrag der Familienbildungsstätte dagegen hat weniger soziale Betroffenheit,
244
S Bildungsrelevante Programmangebote
soziales Engagement zum Inhalt, sondern vermittelt einen Bildungsbegriff, in dessen Mittelpunkt institutionell initiierte kommunikative Prozesse stehen. Bildung heißt hier, die Defizite einer kommunikationsarmen Umwelt auszugleichen, die Vereinzelung zum Beispiel von Müttern mit kleinen Kindern aufzuheben.
Formen der Bildungswerbung Bereits das Thema der Sendung "Weiterbildung für Frauen" impliziert den Zuschnitt auf die Zielgruppe Frauen. Es geht um die Themen Krankheit, Mutterrolle und Identität. Da diese Themen sehr breit gestreut sind, ist davon auszugehen, daß eine relativ allgemeine Zuschauerinnengruppe avisiert wurde. Diese wird jeweils weiter spezifiziert, wenn von bestimmten Altersangaben der Teilnehmerinnen, von der Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Gruppen und deren sozialer Eingebundenheit die Rede ist. Die drei Vertreterinnen spezifischer Weiterbildungsangebote im Studio lassen jedoch eigentlich kaum Einschränkungen dieser Art zu. Sie betonen, daß ihre Angebote prinzipiell allen Frauen geöffnet seien. Die in Frageform formulierten Zielgruppeneinschränkungen sollen sicherlich dazu dienen, bestimmten Zuschauerinnen die Schwellenangst zur Teilnahme an Weiterbildungsangeboten dieser Art zu nehmen. Dieses geschieht neben der Betonung der prinzipiellen Öffnung der Kurse für alle Frauen sicherlich auch dadurch, daß in den Filmbeiträgen jeweils nur ein Ausschnitt aus einem Kursangebot dokumentiert wird. Die langsame Kameraführung vermittelt eine Anteilnahme am Kursgeschehen, das durch die ruhige Kommentierung bzw. den O —Ton der Bildungssituation ergänzt wird. Der Verzicht auf eine die Zuschauer zum Teil strapazierende (und verwirrende) Informationsflut über die vielfaltigen Angebote der entsprechenden Weiterbildungsinstitutionen zugunsten der Auswahl eines einzigen Beispiels und dessen Dokumentation, hinterläßt einen umfassenden Eindruck des Kursverlaufs und der Lernatmosphäre. Erst anhand dieses einen Beispiels wird in der Sendung über den institutionellen Kontext dieses Kurses berichtet, über organisatorische Kriterien sowie über weitere, ähnliche Angebote. So ist beispielsweise im Umfeld des Eltern —Kind —Angebotes von Geburtsvorbereitungskursen die Rede. Es werden jedoch auch Hinweise auf ähnliche Angebote in anderen Weiterbildungsinstitutionen gegeben, z.B. wird in dem Film über den Frauengesprächskreis auf das Frauenstudium an der Universität Dortmund verwiesen, in dem Beitrag der Familienbildungsstätte findet die Zusammenarbeit mit Verbänden 'vor Ort' in den Randgebieten Dortmunds Erwähnung. Damit werden für die Zuschauer Verweise zu anderen möglicherweise bereits bekannten Weiterbildungsanbietern deutlich.
5.1 Bildungswerbung als Programmaogebot
5.1.2.3
245
"Bildungsjournal" (Mai, 1987)
Interpretation und Kritik Der erste Beitrag dieser Ausgabe des Bildungsjournals beschäftigt sich mit dem Thema 'Analphabetismus'. Der Beitrag stellt, aufbauend auf die vermutete hohe Zahl von Analphabeten in Dortmund, Analphabetismus als ein relativ unbekanntes und (hohe Dunkelziffer) schwer zugängliches gesellschaftliches Problem dar. Es werden in dem Filmbeitrag mehrere Kurse der Volkshochschule vorgestellt, um einen atmosphärischen, aber auch inhaltlichen Eindruck dieser Weiterbildungsangebote zu vermitteln. Neben der Kompetenzvermittlung von Lesen und Schreiben werden in einigen Kursen zugleich das Nachholen formaler Qualifikationen (z.B. Hauptschulabschluß) angeboten. Der zweite Beitrag des Bildungsjournals widmet sich dem Thema 'Arbeitslose Lehrer'. Inhaltlich geht es um die verschiedenen Weiterbildungsangebote und Umschulungsmaßnahmen, die von öffentlichen Institutionen aber auch Wirtschaftsunternehmen angeboten werden. Dieser Beitrag ist sehr lang und inhaltlich vielschichtig. Zunächst wird die Situation von arbeitslosen Lehrern auf einer allgemeinen Ebene dargestellt und mögliche bildungspolitische Strategien zum Abbau der Arbeitslosigkeit erläutert. In der umfassenden Befragung eines Hochschullehrers werden folgende 'Strategien' deutlich: Lehrer sollten entweder weiterstudieren oder sich dem Computerbereich widmen. Die nachfolgend dargestellten Umschulungsangebote werden fast ausschließlich aus dem Computer— bzw. betriebswirtschaftlichen Bereich gewählt. Andere Angebote, zum Beispiel eine auf die pädagogische Erstqualifikation aufbauende Weiterbildung, kommen leider erst ganz zum Schluß des Filmes — nicht ohne Ironie — zur Sprache, in Form des Vereins der Stadtteilschule. Diese inhaltliche Lenkung des Problems 'Lehrerarbeitslosigkeit' in betriebswirtschaftliche Richtung entspricht dem ohnehin vorhandenen Klischee, daß vor allem eine Umschulung im Bereich Informatik die Berufschancen verbessere. Der dritte Beitrag des Bildungsjournals widmet sich schließlich kulturell —kreativen Bildungsangeboten. Es geht dabei um die Vorstellung des 'Nachbarschaftshaus Wambel', einer Dortmunder Weiterbildungsinstitution, deren Schwerpunktangebote in dem kreativ —kulturellen Bereich angesiedelt sind. Der Filmbeitrag vermittelt neben den Weiterbildungsangeboten auch einen Eindruck über die Organisation des Hauses. Besonders positiv wirkt der ruhig gesprochene und sehr informative Kommentar, der die langsam wechselnden Bilder des Kursgeschehens begleitet. Auf diese Weise werden Eindrücke von insbesondere
246
5 Bildungsrelevante Programmangebote
drei Kursen der kreativen Bildung vermittelt: Es geht um einen Töpferkurs, um einen Mal— und einen Tanzkurs. Der Kommentar nimmt jeweils direkt Bezug zu den gezeigten Bildern, erläutert die Zielgruppen und die besonderen Kursinhalte.
Dimensionen von Bildung Bildung, so könnte die Definition im ersten Beitrag lauten, meint, Kulturtechniken zu erlernen. In diesem Fall geht es um Lesen und Schreiben, um ein Zurechtfinden in alltagsweltlichen Sphären zu lernen. Daß gerade auch Analphabeten gezwungen sind, andere Formen der Orientierung jenseits der formalen Leitung von Schriftsprache zu nutzen, die natürlich eine Reihe von Handicaps in sich bergen, bleibt unerwähnt. Interessant wäre es sicherlich auch gewesen, zu zeigen, wie Menschen, die weder lesen noch schreiben können, es gelernt haben, sich in einer Welt voll standardisierter schriftlicher Symbole und Codes zu bewegen, allein mittels der Entwicklung individueller Wahrnehmungsformen. Der Beitrag geht jedoch einen anderen Weg: Er definiert diese individuellen Wahrnehmungsformen als Defizit, weil sie in einer funktional organisierten Gesellschaft zu formaler Desorientierung führen müssen. In dem Beitrag wird der Eindruck vermittelt, daß Bildung dazu dient, diese formale Desorientierung dadurch aufzuheben, daß standardisierte Kommunikationsmuster vermittelt werden. Diese Vermittlung erfolgt — so der Filmbericht — weniger, indem die individuell erworbenen Wahrnehmungsformen der Umwelt berücksichtigt werden, sondern in schulähnlichen Kursveranstaltungen der Volkshochschule. Die visuelle Dokumentation dieser Lernprozesse nimmt einen großen Teil des Filmberichts ein — die Assoziation von Bildung als ein gruppenorientierter, institutionell organisierter Lernprozess wird damit gefördert. Im zweiten Beitrag des Bildungsjournals geht es um Umschulungsmaßnahmen für arbeitslose Lehrer. Bildung hat auch hier eine pragmatisch funktionale Facette: Die bisher erworbene formale Qualifikation ermöglicht keinen Eintritt in den Arbeitsmarkt, so daß erst ein weiterer Ausbildungsabschluß die existenziell — ökonomische Absicherung verspricht. Es geht weniger um eine Kompetenzerweiterung mit Hilfe einer Reflexion über individuelle Interessen oder bereits erworbene Erfahrungen, um diese kreativ in neue biographische Entwürfe münden zu lassen — jenseits weiterer formaler Qualifikation. Bildung meint in diesem Beitrag weniger, neue 'Nischen' zu entdecken lernen, sondern das Erzielen immer neuer Bildungsabschlüsse. Diese Bildungsabschlüsse werden, weil es ja um eine Präparierung für den wirtschaftlich orientierten Arbeitsmarkt geht, weniger von den öffentlichen Bildungsinstitutitonen übernommen. Die zusätzlichen Qualifikationen von Weiterbildungseinrichtungen
5.1 BildungsWerbung als Programmangebot
247
großer Wirtschaftsunternehmen oder privater Bildungsinstitutionen bieten somit die beste Garantie für einen sicheren und einen 'realistischen' Einstieg in den Arbeitsmarkt. Daß diese Neuqualifizierung auch geschlechtsspezifisch zu verstehen ist, zeigen die im Film genannten und visuell dargestellten Beispiele einzelner Lehrgangsteilnehmer. Während die Teilnehmer (und gelegentlich auch Teilnehmerinnen) in dem Beitrag häufig in der Beschäftigung mit dem PC gezeigt werden, lassen sich weibliche Umschulungsmaßnahmen anders visualiseren: Die Umschulung zu einer 'Personalassistentin' wird bildlich im Sinn eines Rückfalls in das alte Sekräterinnenklischee dargestellt obwohl doch sicherlich andere Tätigkeiten mit dieser Umschulung zusammenhängen. Der letzte Beitrag des Bildungsjournals indiziert einen Bildungsbegriff, der nicht den Erwerb kulturtechnischer Kompetenz (vgl. den ersten Beitrag über 'Analphabeten') bzw. formaler Bildungsabschlüsse (vgl. den zweiten Beitrag 'Umschulung') impliziert. Bildung heißt hier vielmehr, über den Umgang mit sogenannten 'kreativen Techniken', sich selbst zu erfahren. Gegenstand dieses Lernens sind nicht 'standardisierte' Wissensbestände, sondern die kontemplative 'Selbst' — reflexion. Es geht zwar vordergründig in dem Beitrag darum, die Angebote des Nachbarschaftshauses Wambel vorzustellen, nämlich die 'Kreativ'— kurse z.B. Töpfern, Malen, Tanzen, die Kommentierung der Bilder verweist auf eine weitere, neben der technischen Aneigung liegenden Ebene des Lernens, z.B. "Die Beschäftigung mit dem Ton führt zu Konzentration und Selbstbesinnung". Lernziel und Bildungsinhalt kann es deshalb nicht sein, eine symmetrische Vase oder eine originelle Skupltur zu erstellen. Bildung vollzieht sich im procedere des Modellierens, in der Besinnung auf sich selbst und die eigene Phantasie. Neben das Lernziel 'Selbsterfahrung' tritt — so der Film — das der Kommunikation. Der Kommentar weist auf die besondere Bedeutung des kommunikativen Lernprozesses hin. Er betont, daß "Kontakt und Austausch miteinander" schließlich das Verständnis der Institution als 'Kommunikationszentrum' prägen.
Formen der Bildungswerbung Der erste Film zum Thema 'Analphabetismus' wirbt mit Identifikationsangeboten. Der Beitrag beginnt mit einer Umfrage in der Dortmunder Innenstadt. Diese Formen des Einstiegs in ein Thema erregen Interesse: Die Fragen sind allgemein formuliert und machen neugierig auf Antworten. Hier fühlen sich sicherlich auch die Zuschauer angesprochen, die sich für das Thema 'Analphabetismus' bisher wenig interessiert
248
5 Bildungsrelevante Programmangebote
haben. Nach dieser Umfrage erläutert der Kommentar noch einmal die offiziellen Zahlen in der Bundesrepublik und in Dortmund und erweitert bzw. modifiziert damit die zuvor in dem Straßengespräch geäußerten Mutmaßungen über die Zahl der Analphabeten. Diesen bereits erworbenen Wissensbestand konfrontiert der Film dann mit der Vorstellung einer jungen Frau, die selbst Analphabetin war und ihre sozialen und lebenspraktischen Probleme mit diesem Schicksal äußert. Auf diese Weise wird sie zur Identifikationsfigur dieses Beitrags: Sie hat einen Kurs absolviert und kann nun 'befreit' von ihren Problemen als Analphabetin vor der Kamera berichten. Die in diesem Beitrag enthaltende Werbung für die Alphabetisierungskurse der Volkshochschule über das Medium dieser Identifikationsfigur richtet sich sicherlich auch an Analphabeten in der Zuschauergruppe, die möglicherweise ähnliche persönliche und soziale Erfahrungen gesammelt haben. Die besondere schulähnliche Lernsituation spricht diese Zielgruppe dagegen weniger an. Die elaborierten Sprachcodes, die visuell präsentierten Lerngruppen wirken hier möglicherweise abschreckend, sodaß die aufgebaute Identifikationsfigur von diesen Informationen überdeckt und abgebaut wird. Der zweite Beitrag des Bildungsjournals ist weniger als Bildungwerbung, sondern als Information über Bildungsmöglichkeiten für arbeitslose Lehrer in Dortmund zu verstehen. Insofern wirkt der Beitrag im Gegensatz zum ersten Teil der Sendung über Analphabetismus eher 'unpersönlich' (es gibt keine personalen Identifikationsangebote). Falls bei diesem Beitrag überhaupt von Bildungswerbung gesprochen werden kann, so wird dieses allenfalls im Kommentar deutlich, z.B. wenn es um die benannten Erfolge ehemaliger Kursteilnehmer bei der Eingliederung in das Berufsleben geht, was sicherlich für die intendierte Zielgruppe einen hohen Motivationscharakter besitzt. Der Beitrag informiert eher kritisch über die vorgestellten Qualifizierungskurse. Die Äußerungen der Kursteilnehmer sind deshalb weniger 'werbend', sondern reflexiv, thematisieren die umgestoßene berufliche Identität und die besonderen Schwierigkeiten der erneuten Ausbildung. Der dritte Beitrag der Sendung wirbt vor allem mit Bildern des Kursverlaufs, die z.T. kommentiert werden. Diese Bilder lassen Rückschlüsse auf individuelle Lernprozesse, aber auch auf kommunikative Strukturen innerhalb des Kurses zu: Teilnehmerinnen unterhalten sich, betrachten die erstellten Produkte, ein Kursteilnehmer arbeitet an einem Aquarell, Musik erklingt im Hintergrund. Neben der visuell präsentierten Lernatmosphäre werden auch besondere Zielgruppen angesprochen, die sich mit den gezeigten Teilnehmern und Teilnehmerinnen identifizieren. Das Medium Sprache dient in diesem Beitrag vor allem zur Information über die Institution, erläutert den
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
249
Rahmen der Bildungsarbeit und die besondere Angebots— und Arbeitsstruktur der Bildungsinstitution.
5.1.3
Bildungswerbung — Zielgruppenwerbung?
Die Produktionen der Weiterbildungsinstitutionen beinhalten unterschiedliche Themenschwerpunkte und Darstellungsformen. Sie thematisieren zum einen Institutionen im Sinn von Öffentlichkeitsarbeit und dienen insofern zur Werbung für die Teilnahme an Kurs Veranstaltungen. Zum anderen werden Themen, zu denen bestimmte Bildungsinstitutionen in Dortmund Kurse anbieten, medial präsentiert. Die in den analysierten Sendungen vertretenen Formen von Bildungswerbung lassen sich folgendermaßen darstellen: Institutionen Werbung Bei diesen Sendungen oder Filmbeiträgen steht eine Institution im Mittelpunkt23'. Die besonderen Formen der Bildungswerbung sind durch die Präsentation von Mitarbeitern (Studiogespräch oder Interview am Arbeitsplatz) und der Erläuterung allgemeiner Ziele und einzelner herausragender Projekte der Institution geprägt. Themenorientierte Bildungswerbung Bei diesen Beiträgen24' geht es um die zunächst allgemein skizzierte Problematik eines Themas, um im Anschluß daran die Angebote bestimmter Institutionen zu diesem Thema zu nennen. Die allgemeine Vorstellung der Institutionen tritt dabei zugunsten der Darstellung der besonderen themenspezifischen Kursangebote zurück. Werbung für aktuelle Bildungsangebote Hier geht es um aktuelle, terminorientierte Bildungsangebote25'. Es werden Ausschnitte des Kursangebotes oder Erfahrungen ehemaliger Kursteilnehmer dargestellt. Um auf die besondere Aktualität hinzuweisen, werden die genauen Veranstaltungsorte und — termine genannt. Daß Bildungswerbung stets auch die Werbung für bestimmte Zielgruppen impliziert wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß es bei den vorliegenden Sendungen im eigentlichen Sinn nicht um eng oder weit gesteckte Bildungsj'nAaite im Sinn von Lerninhalten geht, sondern um die Information über Bildungsangebote und — aktivitäten in dem lokal begrenzten Raum Dortmund.
250
5 Bildungsrelevante Programmangebote
Audiovisuelle Bildungswerbung wurde in Dortmund nicht in das Programm eingestreut, sondern in der Form längerer Sendungen (ca. dreissig Minuten) im Lokalfernsehen und im Bildungskanal vermittelt. Insofern handelt es sich, berücksichtigt man das entsprechende Programmumfeld, um Beiträge, die von bestimmten, bereits latent an Bildung interessierten Zuschauern rezipiert werden. Es handelt sich um Bildungssendungen, die — aufgrund des Titels und zum Teil auch des Sendeplatzes (Bildungskanal) — den Eindruck erwecken, 'Bildung' in Form von Bildungsangeboten und —prozessen zu thematisieren. Die wahrscheinliche Präsupposition der Zuschauer, die Erwartungshaltung, daß die entsprechenden Sendungen als Bildungssendungen zu verstehen sind, fixiert den möglichen Zuschauerkreis auf diejenigen, die es gewöhnt sind, sich per Medium zu 'bilden' und schließt andere weitgehend aus, die diesen Rezeptionshabitus nicht vorweisen, die sich allenfalls 'informieren' möchten. Diese Zuschauergruppe nimmt vermutlich eine solche Informationschance jedoch nicht im Bildungskanal, sondern allenfalls im Lokalfernsehen wahr (Sendezeit des 'Bildungsjournals' vor den 20.00 Uhr Nachrichten im Ersten Programm). Die Ausgaben des 'Bildungsjournals', die im Lokalfernsehen verbreitet wurden, sprechen aus diesem Grund eher die Zuschauergruppen an, die bereits als 'bildungsabstinent' beschrieben wurden (vgl. Kapitel 2.2.12). Diese Gruppe schätzt jedoch möglicherweise die relativ langen und z.T. themenorientierten Magazinsendungen als inhaldich äußerst komplex und unattraktiv ein. Die Dortmunder Sendungen zur Bildungswerbung rücken damit durchaus in den Kontext der Zuschauertypen, die es gewöhnt sind, 'normale' Bildungssendungen zu rezipieren und als 'weiterbildungsaktiv' einzuschätzen sind. Um genauere Aussagen darüber treffen zu können, bei welchen Zuschauertypen möglicherweise welche der in Dortmund realisierten Formen der Bildungswerbung tendenziell 'erfolgreich' ist, ist es erforderlich, den Kreis der Zuschauer stärker zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund scheint die Auswertung einer Untersuchung von TV Ontario (Kanada) relevant zu sein, die die Rezipienten von Bildungssendungen nach folgendem Aufmerksamkeitsprofil gegenüber Lernangeboten im Fernsehen unterscheidet: 'open learner': "they were interested in the world around them, and were interested in watching television as one source of knowledge. This group constituted about one third of the adult population, were slightly older than the other groups, and tended to be more highly educated." 'uninterested learner': "the largest group (about half the population). They were not interested in formal education of any kind, watched television primarily for entertainment purposes, and tended to have low levels of formal education."
5.1 Bildungswerbung als Programmangebot
251
'instrumental' learner. "These constituted about 15% of the adult population. They were interested in learning specifically as a means to an end: qualifications or skills which would lead to better jobs. This group tended to be young, upwardly mobile blue collar or office workers, in the middle range of education. This group did not view television as much as the other groups, and did not consider it to be a source they would use to further their knowledge base" (Matsui, 1981 zit.n. Bates, 1988, S.218). Die Unterscheidung nach 'offener', 'uninteressierter' und 'instrumenteller' Lernhaltung gegenüber Fernsehen spezifiziert Zielgruppen, die sich insbesondere auch für die Formen der Bildungswerbung im Fernsehen aufgeschlossen zeigen und weist Affinitäten zu unserer Rezeptionstypik der 'intentionalen' und 'inzidentellen* Lernweise auf, wobei 'inzidentelles' Lernen eher für die Zuschauergruppe zuzutreffen scheint, die tendenziell weiterbildungsdistanziert ist. Projiziert man diese verschiedenen Zielgruppentypen auf die genannten Formen von Bildungswerbung, so läßt sich hypothetisch die Zielgruppenansprache mit bestimmten Formen von Bildungswerbung, die unterschiedliche Komplexitätsgrade aufweist, koppeln: Institutionenwerbung richtet sich an ein bisher weitgehend bildungsabstinentes Publikum, das sich über Weiterbildungsinstitutionen in Dortmund informieren möchte. Insofern sollte auch die inhaltliche Gestaltung diesem Anspruch angemessen sein, durchaus auch unterhaltenden und anregenden Charakter haben. Zu lange Gesprächspassagen sollten vermieden werden. Themenorientierte Bildungswerbung dagegen läßt eine für dieses Thema hochmotivierte und in die Terminologie involvierte Zielgruppe erwarten, die sich einem Thema gegenüber ausgesprochen aufgeschlossen zeigt, bereits eine gewisse Kompetenz besitzt und diese weiter ausbauen möchte, z.B. im Bereich beruflicher Bildung. Werbung für aktuelle Bildungsangebote richtet sich an eine Zielgruppe, die latent an Bildungsangeboten interessiert ist und mit der 'Bildungszene' vor Ort vertraut ist. Berücksichtigt man die oben angesprochenen besonderen Zielgruppen, so schlagen wir folgende Kriterien für die Plazierung und Gestaltung von Bildungswerbung vor:
1) "Bildungswerbung sollte themenorientiert sein" Das meint, daß über das 'Thema' bereits Zuschauergruppen angesprochen werden
252
5 Bildungsrelevante Programmangebote
können. Bei diesen Zuschauergruppen besteht bereits ein inhaltliches Interesse, das in der entsprechenden Werbung noch einmal vertieft bzw. differenziert wird. 2) "Bildungswerbung sollte genreorientiert sein " Auch die Nutzung unterschiedlicher Genres sollte einen Einfluß auf Bildungswerbung ausüben. So kann Bildungswerbung als Info —Spot, als Magazinsendung, als Quiz, Dokumentarfilm oder im Kontext einer Spielhandlung produziert werden. Wichtig ist es, daß Bildungswerbung auch ästhetisch ansprechend gestaltet wird. 3) "Bildungswerbung sollte sprachlich spezifiziert sein " Die sprachliche Abstimmung der Sendung sollte mit den Zielgruppen für die entsprechende Bildungswerbung kongruent sein. Das Medium Sprache sollte nicht überbewertet werden und Bildung zu eng an sich koppeln. 4) "Bildungswerbung sollte visuell präsentiert werden " Bildungswerbung sollte nicht allein verbal, sondern auch visuell gestaltet werden. Die Ruhe der Betrachtung von Bildern und Bildfolgen bzw. die Dramaturgie der Bilder kann ebenso werben wie das gesprochene Wort. 5) "Bildungswerbung sollte medienorientiert sein " Bildungswerbung sollte sich an den Spezifika der genutzten Medien orientieren. Fernsehen, Hörfunk, Zeitung verlangen jeweils besondere Werbeformen. Darüber hinaus geht es um Programmplätze, den Programmhintergrund und die Einbettung in bestimmte inhaltliche Schemata, die jeweils an spezifischen Zuschauergruppen orientiert sind. Bildungswerbung sollte mit zunehmendem Differenzierungsgrad gestuft aufeinander bezogen werden.
5.2 5.2.1
Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturprogrammen Bildung und Kultur als Programmaufitrag — Anspruch und Wirklichkeit
Mit der Vermehrung audiovisueller Programm —Medien geht die zunehmende Differenzierung der Angebote einher. Hiermit verbunden ist eine grundlegende Veränderung der Rundfunklandschaft. War die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen bis vor kurzem ausschließlich Aufgabe der öffentlich —rechtlichen Sendeanstalten, so haben wir es heute mit einer dualen Ordnung des Rundfunkwesens zu tun. Aus Untersuchungen in Kabelinseln wissen wir, daß kulturelle, wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche Sendungen beim Publikum unter den verstärkten Druck unter-
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
253
haltender Angebote, speziell der privaten Anbieter geraten. Die sich verschärfende Konkurrenz um Einschaltquoten und Reichweiten drängt eine Auseinandersetzung mit inhaltlichen Programmkriterien zunehmend in den Hintergrund. Es droht die Gefahr, daß Bildungs— und Kulturbeiträge ausgedünnt und auf wenig attraktive Sendeplätze an die Ränder des Programms abgeschoben werden. Entsprechende Tendenzen lassen sich in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vereinzelt schon erkennen. Die Marginalisierung der Sparte "Bildung" zeigt sich etwa in der Entscheidung des Norddeutschen Rundfunks, den Schulfunkvertrag zu kündigen. Nach einer Studie des Adolf-Grimme-Instituts ist der Anteil der Bildungssendungen im Bayerischen Rundfunk von 1980 bis 1986 um mehr als 20% zurückgegangen (vgl. Nowotny 1988). Vor diesem Hintergrund gewinnt die neuerliche Diskussion um Spartenkanäle für Bildung und Kultur an Aktualität. Bereits 1982 hatten Berg/Kiefer in ihrer Studie "Massenkommunikation II" darauf hingewiesen, daß "die Massenmedien als Kommunikationskanäle von hoher Generalität und Unspezifität beginnen an Bedeutung zu verlieren, (hingegen) Spezialmedien für Rezipientengruppen mit homogenen Informationsbedürfnissen an Bedeutung zu gewinnen" (Berg/Kiefer 1982, S. 132). Wenn diese Analyse zutrifft — und alle Indizien deuten darauf hin — so zerfällt das Massenpublikum zunehmend in Zielgruppensegmente. Das Angebot separater Bildungs — und Kulturkanäle ist folglich eine konsequente Antwort auf die neuen Herausforderungen. Anzeichen für die Errichtung solcher Kanäle begegnen uns immer häufiger. Bereits im Herbst 1987 wurde ein Kooperationsabkommen zwischen der ARD und dem französischen Kulturkanal "La sept" unterzeichnet, das im November 1988 um eine gemeinsame Erklärung der beiden Regierungen zum deutsch —französischen Kulturkanal ergänzt wurde. Im Jahr 1988 wurde auf Initiative der ESA, der europäischen Raumfahrtbehörde, ein Bildungs — Konsortium, die "European Satellite Users Educational Association" ins Leben gerufen. Anläßlich eines vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft im September 1988 veranstalteten Symposiums zum Thema "Fernsehen und Bildung" hat der Vorsitzende des deutschen Volkshochschulverbandes, Prof. Dr. G. Dohmen, die Forderung nach einem Weiterbildungsfernsehen erhoben; beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) gibt es Überlegungen, ein fünftes Hörfunkprogramm als Bildungs— und Kulturprogramm zu installieren. Angesichts dieser Situation gewinnen die in Dortmund gesammelten Erfahrungen mit den Spartenkanälen für Bildung und Kultur eine besondere Bedeutung. Bevor auf die in Dortmund gewonnenen Erkenntnisse eingegangen wird, soll noch ein genauer Blick auf Anspruch und Wirklichkeit des derzeitigen Programmangebots in den Sparten "Bildung" und "Kultur" geworfen werden.
254
5 Bildungsrelevante Programmangebote
Im vierten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. November 1986 werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einem "umfassenden Programmangebot" im Sinne der "unerlässlichen Grundversorgung" verpflichtet. Was damit gemeint ist, wird wie folgt ausgeführt: "Die damit ... gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik." Mit dieser Aussage ist eine Bestandsgarantie für den öffentlich — rechdichen Rundfunk verbunden. Hiermit wird auch das Bekenntnis zum kulturellen Auftrag des Rundfunks erneuert, wie es auch in den Gesetzen über die Rundfunkanstalten, in den neuen Landesmediengesetzen sowie den vorausgegangenen Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts steht. Der klassischen Trias zufolge sollen die Programme der Information, Bildung und Unterhaltung dienen. Diese Vorgabe gilt nicht nur für die bundes— und landesweit ausgestrahlten Programme, sondern auch für die Veranstaltungen des lokalen Rundfunks. In § 24 des Landesrundfunkgesetzes (LRG) von Nordrhein — Westfalen heißt es bspw.: "Lokaler Rundfunk ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Lokale Programme müssen das öffentliche Geschehen im Verbreitungsgebiet darstellen und wesentliche Anteile an Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung enthalten." Solange die Grundversorgung der Bevölkerung durch die öffendlich — rechtlichen Rundfunkanstalten wirksam gesichert ist, erscheint es dem Bundesverfassungsgericht gerechtfertigt, "an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichwertiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleichhohe Anforderungen zu stellen, wie im öffentlich —rechtlichen Rundfunk". Nach der Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts, wie sie in diesem Urteil zum Ausdruck kommt, vermögen "die Programme privater Anbieter ... der Aufgabe umfassender Information nicht im vollen Ausmaß gerecht zu werden". Insbesondere "anspruchsvolle kulturelle Sendungen" werden — so die Vermutung — "in der Regel zurücktreten, wenn nicht gänzlich fehlen". Ein Blick auf die Programmwirklichkeit zeigt, daß die Befürchtungen des Bundesverfassungsgerichts nicht unbegründet sind. Der Programmvergleich von SAT 1, RTL plus, ARD und ZDF zeigt: 'Hohe Kultur' — hier verstanden als Darbietung von Schauspiel, Oper, Ballett, Konzert und Bildende Kunst — wird im Abendprogramm der kommerziellen Sender ausgegrenzt (vgl. Krüger 1985). Aufgrund einer Analyse privater Programmanbieter im Münchener Kabelpilotprojekt kommt Steinmetz (1986) zu folgendem Ergebnis: "70% des Gesamtprogramms tragen ... unterhaltenden Charakter, doppelt soviel wie beim ZDF. Zu knapp 20% kommen kulturelle, soziale und politische Themen vor. Bildungsprogramme gibt es überhaupt nicht" (Steinmetz 1986, S. 12). Bestätigt werden diese Erkenntnisse in der Studie von Schatz et al. (1988), in der Strukturen und Inhalte des Rundfunkprogramms der vier Kabelpilot-
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
255
Projekte untersucht werden. Dieser Untersuchung zufolge beträgt der Anteil an "Unterhaltung" (gemessen auf der Basis des Sendevolumens) bei den privat —kommerziellen Anbietern 76,7%; dem steht ein um über 30% niedrigeres Sendevolumen derselben Gattung bei den herkömmlichen öffentlich —rechtlichen Anbietern von 42,2% gegenüber. Auf Informationssendungen entfallen bei den herkömmlichen öffentlich —rechtlichen Anbietern 44,0% und bei den privat —kommerziellen 20,7%. Immerhin noch 10,4% (bei den herkömmlichen öffentlich — rechtlichen) aber lediglich klägliche 0,2% (bei den privat —kommerziellen) des Sendevolumens entfallen auf die Sparte "Bildung" (Schatz 1988, S. 52). Die geringe Bedeutung, die privat — kommerzielle Anbieter der "Bildung" zuweisen dokumentiert sich auch darin, daß für 97,8% der fernsehvermittelten Bildung in der Bundesrepublik Deutschland die öffenüich —rechdichen Anstalten verantwortlich sind (ebd., S. 52). Die meisten Bildungssendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten finden sich heute — einmal abgesehen von den neuen Spartenkanälen — in den Dritten Programmen der ARD —Anstalten, die — ursprünglich als Bildungsprogramme konzipiert — inzwischen aber auch zu Vollprogrammen ausgebaut, noch am stärksten den Sparten "Bildung" und "Kultur" verpflichtet sind (ebd., S. 50). Ebenso wie im Fernsehen besteht auch im Hörfunk die Gefahr, daß die Bildungs — und Kulturbeiträge ausgedünnt und auf wenig attraktive Sendeplätze an die Ränder des Programms abgeschoben werden. Bei den Privatradios sind Tendenzen einer Trivialisierung des Hörfunks unverkennbar. Basierend auf der Analyse der Angebote der drei norddeutschen Privatradios RHH, RSH und ffn beschreibt Teichert die Komponenten einer Trivialisierung des Hörfunks wie folgt: "Weitgehende Austauschbarkeit der Musikfarben, thematische Beliebigkeit der Wortbeiträge, qualitative Reduktion journalistischer Formen auf ein 'flash'—Niveau, Verzicht auf gebaute Wortprogramme wie Features, Reportagen, Hörspiele, Verkürzung des Hörfunks auf die Begleit— und Nebenbei —Funktion, Hörerbeteiligung als inflationäres Gewinnspiel— und Mitmachangebot" (Teichert 1987, S. 292). Das hier beschriebene Profil der neuen Hörfunksender trägt sicherlich mit dazu bei, daß Bildungs— und Kulturbeiträge des Radios von den Rezipienten immer weniger erwartet werden, selbst wenn sie ein Interesse an solchen Inhalten haben. Daß man auch heute noch anspruchsvolle Bildungs— und Kulturgüter vermitteln kann, hat im Herbst 1988 der WDR mit einem Experiment bewiesen. Am 19. und 20. November 1988 war über 13 Stunden, verteilt auf fünf Blöcke, in WDR 3 Friedrich Schillers "Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung"
256
5 Bildungsrelevante Programmangebote
zu hören. Die Schiller — Lesung erreichte 400.000 Menschen, über die Hälfte davon hörten sämtliche Teile der Lesung. Berücksichtigt man, daß nur 9% der potentiellen Hörer von der Schiller — Lesung wußten, so läßt sich vorstellen, welch enorme Zahl von Menschen auch heute noch willens und fähig ist, sich der "Anstrengung", aber auch dem Vergnügen auszusetzen, eine Sendung konzentriert über längere Zeit anzuhören. Gerade der Hörfunk hat hierzulande eine gute Tradition als Bildungsmedium. Mitte der 20er Jahre bestand noch ein Drittel des Programmangebots aller deutscher Sender aus Vorträgen. Erst im Dritten Reich sind die Hörfunksender dann primär zu Abspielstätten für Schallplattenmusik umfunktioniert worden. Damals begann bereits die Entwicklung des Hörfunks zum Nebenbeimedium. Jenseits der Ansprüche auf Unterhaltung und Zerstreuung dürfen die Rundfunkanstalten aber nicht aus ihrer Pflicht endassen werden, Bildungs— und Kulturangebote zu unterbreiten. Daß es hierfür ein Publikum gibt, hat sowohl die hier vorgelegte Studie als auch das Experiment des WDR nachgewiesen.
5.2.2
Zur Konzeption des Bildungskanals "Die kluge Sieben"
Die Programmphilosophie der "klugen Sieben" war es, intentionale Bildungsangebote zu unterbreiten. Der Spartenkanal verstand sich dabei als "Fachzeitschrift" für qualifizierte Zielgruppen. Sein Ziel war es, gleichzeitig zu animieren und zur Partizipation an Bildung zu ermuntern. Neben dem dispersen Publikum für allgemeine Bildungs — , Wissenschafts — und Schwerpunktprogramme wurden über spezifische Angebote Lehrer, Schüler sowie Ausländer angesprochen (vgl. hierzu Scheller 1988, S. 42f.). Das Angebot des Bildungskanals umfaßte sowohl didaktisch strukturierte Sendereihen, Serien— und Kursprogramme zur schulischen, außerschulischen und beruflichen Weiterbildung als auch allgemeinbildende Einzelsendungen. Das Programm des Bildungskanals wurde unter den Gesichtspunkten Bildung als (1) Inhalt (z.B. Wissenschaftssendungen), (2) Ziel (z.B. Kurs— und Lernprogramme), (3) Funktion (z.B. allgemeine Bildungsprogramme) und (4) Programme für qualifizierte Minderheiten (z.B. Ausländerprogramme) zusammengestellt. Ergänzt wurden die Programme des Bildungskanals durch ein spezielles Kabeltextangebot; dies umfaßte folgende Rubriken: Computertips, neues aus der Wissenschaft, Archive und Bibliotheken sowie Aus— und Weiterbildung.
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
257
Das tägliche Sendeangebot des Bildungskanals betrug rd. neun Stunden; davon wechselten acht Stunden im wöchentlichen und eine Stunde im täglichen Rhythmus. Die Programmstruktur sah vier Sendeblöcke vor: (1) das Schulfernsehen in der Zeit von 11 Uhr bis 12 Uhr (später dann von 14 Uhr bis 15 Uhr), (2) allgemeine Bildungs— und Lernprogramme in der Zeit von 15 Uhr bis 18 Uhr, (3) Kurs— und Zielgruppenprogramme (Sendungen des lokalen Medien Verbundes, Ausländerprogramme und Telekolleg) in der Zeit von 18 Uhr bis 20 Uhr sowie (4) Wissenschafts— und Schwerpunktprogramme in der Zeit von 20 Uhr bis 23 Uhr. Bei den ausgestrahlten Sendungen des Bildungskanals handelte es sich in über 90% der Fälle um Wiederholungen von Beiträgen aus dem Repertoire der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Zu den Eigen— und Coproduktionen (u.a. mit dem lokalen Medienverbund) gehörten Sendungen der Reihen "Weiterbildung für Dortmunder" (vgl. Kapitel 4 und 5.1), "Ausländermagazin", "Dortmunder Kabelakademie" sowie "Schule stellt sich vor". Kürzungen der Mittel für Eigenproduktionen sowie personelle Probleme haben in der Endphase des Modellversuchs dazu geführt, daß sich die ursprüngliche Konzeption des Bildunskanals sowohl hinsichtlich Umfang als auch Inhalt nicht aufrechterhalten ließ. Im Unterschied zu anderen Spartenkanälen, die ganz eingestellt wurden (wie z.B. der Sport— und Informationskanal) oder aber mit anderen zusammengelegt wurden (wie der Unterhaltungs — und Kulturkanal) sendete der Bildungskanal bis zum Ende des Kabelpilotprojekts weiter. Die Dortmunder Kabelpilotprojektteilnehmer konnten den Bildungskanal somit knapp drei Jahre, von Herbst 1985 bis Ende Mai 1988 empfangen. Die Gebühr für diesen Spartenkanal betrug, abgesehen von der kostenlosen "Schnupperphase" 25 Pfennig pro Woche. Neben der Ausstrahlung vornehmlich aus den Dritten Programmen bekannter und bewährter Bildungssendungen, bemühte sich der Planungsredakteur des Bildungskanals darum, neue Akzente zu setzen. Zu den innovativen Programmideen zählen (1) der Schwerpunktabend, so stand bspw. Konrad Zuse im Herbst 1986 vier Stunden im Mittelpunkt von sieben Sendungen, (2) der Programm verbünd, zum Beispiel haben die Raumplaner der Universität Dortmund, das Kommunale Kino der Volkshochschule sowie der Kabelfunk inhaltlich aufeinander abgestimmte Angebote zu einem Thema unterbreitet sowie (3) die kontinuierliche Kooperation mit Institutionen und Einzelpersonen bei der Erstellung von Eigenproduktionen mit lokalem Bezug.
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5 Bildungsrelevante Programmaogebote
Die zuletzt angesprochene Form der Zusammenarbeit erstreckte sich auf Weiterbildungseinrichtungen (Sendereihe "Weiterbildung für Dortmunder"), Schulen (Sendereihe "Schule stellt sich vor"), die Universität Dortmund (Sendereihe "Dortmunder Kabelakademie") sowie Angehörige verschiedener Nationalitäten (Sendereihe Ausländer—Magazin "Unter uns").
5.2.3
Akzeptanz des Bildungskanals "Die kluge Sieben"
Aus der repräsentativen Befragung von ca. 700 Kabelpilotprojektteilnehmern wissen wir, daß das Image der Medien Fernsehen und Hörfunk primär durch Unterhaltungs— und sekundär durch Informationsfunktionen geprägt ist; eine Bildungsfunktion schreiben dem Fernsehen nur 11,7% und dem Hörfunk gar nur 5,6% der Befragten für sich persönlich zu (vgl. Kapitel 2.4.1). Dieses Ergebnis wird bestätigt von anderen Studien. Insbesondere im Bewußtsein von Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden die Programm — Medien relativ selten mit bildenden bzw. kulturellen Funktionen in Verbindung gebracht. Während die Bildungsfunktion des Fernsehens zum Teil noch betont wird, werden Hörfunksendungen von dieser Personengruppe kaum noch als Möglichkeit zur Aus— und Weiterbildung wahrgenommen (vgl. Bonfadelli et al. 1986, S. 161ff.). Die soeben skizzierte Bewertung von Hörfunk und Fernsehen findet ihren Ausdruck in einer veränderten Zuwendung zu diesen Medien. Das vermehrte Unterhaltungsangebot privater Sender in Kabelinseln führt zu veränderten Nutzungsgewohnheiten; dabei geraten Beiträge der Sparten Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur unter verstärkten Konkurrenzdruck. Wie die Untersuchung von Frank/Klingler (1987, S. 131ff.) ergab, liegen die Zuschauerzahlen in Kabelhaushalten bei Angeboten der Sparten "Politik/Wirtschaft" sowie "Kunst/Kultur" um 40% bzw. 50% unter der durchschnittlichen Sehbeteiligung in nicht —verkabelten Gebieten. Die Verluste gehen dabei ausschließlich zu Lasten der Programmangebote öffentlich —rechtlicher Anstalten. Während Büß (1985) in seiner Vielseher — Studie noch belegt hat, daß kulturelle und politische Informationsprogramme 30% des Sehvolumens dieser Teilpopulation ausmachen, vollzieht sich mit der Programmvermehrung in Kabelhaushalten eine veränderte Nutzung des Mediums Fernsehen: "Die 'vielseitigen Vielseher' werden zu Tiction — Vielsehern'". Das Fernsehen wird damit immer mehr zu einem Unterhaltungsmedium.
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
259
Selbst dort, wo spezielle Bildungs— und Kulturkanäle angeboten werden, wie im Kabelpilotprojekt Dortmund, wissen nach knapp drei Jahren Laufzeit des Pilotversuchs nur rund 70% der befragten Versuchsteilnehmer, daß es einen Bildungskanal "Die kluge Sieben" gibt. Von denen, die um die Existenz dieses Pay —TV —Spartenkanals wissen, schalten rd. 42% den Bildungskanal nie ein; ca. 52% nutzen das Angebot, nach eigenen Angaben, "gelegentlich" oder "selten" und eine Minderheit von knapp 6% gibt an, das Programm "häufig" zu nutzen. Als Hauptgründe für die Abstinenz hinsichtlich der Nutzung des Bildungskanals geben die interviewten Bürger, die den Kanal kennen, ihn aber nicht nutzen, an, daß (1) für sie das Programmangebot nicht attraktiv sei, (2) sie keine Zeit hätten, das Programm zu verfolgen und (3) sie genügend Bildungssendungen im übrigen Programm fanden. Auf dem vierten Rangplatz der Hinderungsgründe folgt das Argument, die Gebühren (von 25 Pfennig pro Woche) seien zu hoch. Wenngleich die Bereitschaft äußerst gering ist, das Bildungsangebot des Fernsehens zu nutzen, so finden doch rd. 41% der Befragten die Idee gut, im Fernsehen einen eigenen Bildungskanal einzurichten. Rund 22% der Befragten lehnen einen Bildungskanal mit dem Hinweis darauf ab, daß das Fernsehen für sie nicht zum Lernen da sei; weiteren rund 15% erscheint das Angebot an Lernmöglichkeiten im übrigen Programm für ausreichend, ein eigener Kanal wird deshalb für überflüssig erachtet. Eine weitere Gruppe von rund 14% der Befragten lehnt einen Bildungskanal aus programmstrukturellen Gründen ab; nach Auffassung dieses Personenkreises sollten Bildungsangebote vielmehr im übrigen Fernsehprogramm verteilt sein. Die hier zutage tretende Diskrepanz zwischen dem hohen Maß an genereller Befürwortung eines separaten Bildungskanals und den Angaben über die tatsächliche Nutzung der "klugen Sieben" ist auf die positive Berwertung der "Bildung" in der Bevölkerung zurückzuführen. Daß das reale Verhalten dieser Wertschätzung allerdings nicht zu entsprechen vermag, kann kaum verwundern, ähnliches gilt auch für die "Kultur". Beide 'Güter' werden für so wichtig erachtet, daß man dafür eintritt, sie quasi "vorrätig" zu halten, ohne sie aber nutzen zu müssen. Dem entspricht auch der Anteil von gut 50% der Kabelprojektteilnehmer, die zumindest "gelegentlich" oder "selten" von den Angeboten des Bildungskanals Gebrauch machen. Da die Befragung der Dortmunder Kabelprojektteilnehmer bezüglich ihrer Mediennutzung zu Bildungszwecken lediglich Selbsteinschätzungen wiedergibt, waren wir daran interessiert, zu erfahren, ob und inwiefern die Aussagen jener knapp 12% der Befragten, die einer Bildungsfunktion des Fernsehens uneingeschränkt zustimmten, und jener 6% die von sich behaupteten, den Bildungskanal "Die kluge Sieben" "häufig"
260
5 Bildungsrelevante Programmangebote
einzuschalten, mit den telemetrisch gemessenen Einschaltquoten dieses Spartenkanals korrespondieren. Zu diesem Zweck wurden zwei Wochen, eine im Herbst 1987 und eine im Frühjahr 1988 ausgewählt. Aufgrund des entwickelten Meßprogramms wurden die Einschaltquoten des Bildungskanals über die gesamte Sendedauer in 30minütigen Intervallen registriert und zwar jeweils fünf Minuten nach jeder halben und vollen Stunde. Die Messungen wurden mit Hilfe der FAT —Technik vom Kabelfunk Dortmund vorgenommen. 26) Die Ergebnisse dieser Messungen wurden uns als Computerausdrucke zur Verfügung gestellt. Aufgrund der ebenfalls zu Verfügung gestellten Fehlerprotokolle, in denen technisch bedingte regionale Ausfalle verzeichnet sind, war es möglich, die FAT —Meßdaten zu bereinigen. Basis für die Berechnung der Einschaltquoten ist die Zahl der tatsächlich gemessenen Teilnehmer des Bildungskanals zu einem bestimmten Zeitpunkt in Relation zur Zahl der eingeschalteten Geräte. In der Analyse wurde somit die Kategorie der "relativen Akzeptanz" als "Anteil eines Programms zum Meßzeitpunkt an der gesamten Einschaltquote" (Pätzold 1987, S. 23) verwendet. Bevor die Ergebnisse der FAT —Messung für den Bildungskanal vorgestellt und diskutiert werden, gilt es noch eine Vorbemerkung zu machen. Aus der Untersuchung von Dehm/Klingler (1985) ist bekannt, daß zusätzliche Programmangebote von den Rezipienten vornehmlich zur Unterhaltung eingeschaltet werden. Wenn zudem die Kosten für den Empfang der primär unterhaltenden Programme privat — kommerzieller Anbieter mit der Grundgebühr abgegolten sind, für die Nutzung des Bildungskanals aber eine zusätzliche Gebühr erhoben wird, kann dies nicht ohne Auswirkungen auf die Einschaltquote bleiben, zumal wir aus der Befragung wissen, daß ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung diese Zusatzgebühr als ein Hindernis für den Empfang des Spartenkanals "Die kluge Sieben" bezeichnet. Bildungs— und auch Kulturprogramme sind Zielgruppenprogramme für wechselnde Minderheiten. Es wäre deshalb falsch, den Erfolg eines Spartenkanals für Bildung bzw. Kultur lediglich an den Einschaltquoten messen zu wollen. Abgesehen davon, daß mit der Übertragung eines Vortrages der Kabelakademie bzw. eines Theaterstükkes im Fernsehen, selbst bei geringen Einschaltquoten — zum Teil unvergleichlich mehr Menschen erreicht werden können, als eine Volkshochschule bzw. ein Opernhaus auf einmal zu fassen in der Lage wären, läßt sich die relative Akzeptanz solcher Programme nicht zum alleinigen Legitimationskriterium für kulturelles Engagement in den Medien machen. Wir leben heute in einer pluralistisch differenzierten Gesellschaft mit einer Fülle von Zielgruppen, die alle berechtigte Ansprüche an das Programm stellen. Die durch Angebote eines Spartenkanals für Bildung bzw. Kultur erfolgende Programmausdehnung und Programmvermehrung sind schlichte Vehikel des Aus-
S.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
261
gleichs. Zu der vom Bundesverfassungsgericht den Rundfunkanstalten auferlegten Sicherung der Grundversorgung gehört es deshalb auch, relativ kleinen Gruppen 'hochwertige' Bildungs— und Kulturprogramme anzubieten, die nicht mehrheitsfahig sein können. Da es auch die Aufgabe von Bildung und Kultur ist, Anstöße zu vermitteln, zum Nachdenken anzuregen und Impulse zu setzen, bedarf es der oben genannten Zielgruppen, die als Ferment in der Gesellschaft zu wirken vermögen. Zum Maßstab für die Beurteilung des Erfolgs des Dortmunder Bildungskanals kann deshalb nicht die Einschaltquote dieses Programms gemacht werden. Als Kriterien für den Erfolg eines solchen Zielgruppenprogramms sind statt dessen die Ansprüche der Programmacher und die Urteile der Nutzer heranzuziehen. Wenn über Zuschauerzahlen in diesem Zusammenhang gesprochen wird, so kann dies unseres Erachtens nur unter der Fragestellung geschehen: Wieviele Menschen sind durch das Angebot des Bildungskanals zusätzlich an Bildung und Kultur herangeführt worden? Selbst quantitativ minimale Zahlen sind unter dieser Perspektive schon als Erfolg zu werten. Wenden wir uns nun den Ergebnissen der FAT —Analyse zu. Vergleicht man die Einschaltquoten sämtlicher empfangbarer Kanäle in Dortmund — dies waren zeitweise 24 — so stellt sich heraus, daß die Kanäle für Bildung und Kultur mit die geringsten Einschaltquoten aufweisen. Noch weniger Zuschauer hat lediglich der Offene Kanal. Die durchschnittlichen Einschaltquoten des Bildungskanals im Tagesverlauf liegen in der Regel unter einem Prozent, die Einschaltqoten des Kulturkanals sind nur geringfügig höher. Ein Vergleich der Verlaufscharakteristika der Einschaltquoten beider Kanäle über die Woche hinweg zeigt ein relativ hohes Maß an Konstanz. Dies scheint ein Hinweis darauf zu sein, daß massenattraktive Unterhaltungsprogramme, abgesehen von der grundsätzlichen Konkurrenz, die sie darstellen, keine spezifische Verzerrung in der Nutzung des Bildungs— bzw. Kulturkanals auszulösen vermögen. Wer den Bildungs— oder Kulturkanal einschaltet, hat sich bewußt für diese Programme entschieden; insofern ist es unerheblich, was in den massenattraktiven Programmen gleichzeitig angeboten wird. Pointiert könnte man sagen: sowohl der Bildungs— als auch Kulturkanal haben ihre festen, durchaus wechselnden Stammpublika jenseits der Konkurrenz anderer Kanäle um Einschaltquoten. Betrachtet man die Sendeplätze für Bildungsbeiträge der herkömmlichen öffentlichrechtlichen Programmanbieter vor dem Hintergrund unserer Analyse der Nutzungsdaten des Dortmunder Bildungskanals "Die kluge Sieben", so ergibt sich ein interessantes Ergebnis. Bildungssendungen werden von den herkömmlichen öffentlich — rechtlichen Programmen zu über 90% vor 20 Uhr ausgestrahlt; Schwerpunkte bilden dabei die Zeiten vor 12 Uhr und der Zeitraum von 16 Uhr bis 20 Uhr (Schatz et al. 1988, S. 110). Die Akzeptanzmessungen des Bildungskanals vom Frühjahr 1988 zeigen
262
5 Bildungsrelevante Programmangebote
aber, daß dies nicht unbedingt die besten Sendezeiten für Bildungsprogramme sind. Insbesondere der Zeitraum von 18 Uhr bis 20 Uhr weist im Tagesverlauf die geringsten Einschaltquoten und Reichweiten für den Bildungskanal aus. Sowohl vor 18 Uhr als auch nach 20 Uhr ist die Bereitschaft der Bevölkerung deutlich größer, bildungsbezogene Programme zu nutzen (vgl. Abb. 3). % 3
2
0 15.05
Abb. 3:
16.05
17.05
18.05
19.05
20.05
21.05
22.05
23.05 Uhr
Kumulierte Einschaltquote des Bildungskanals im Tagesverlauf vom 1.3. bis 7.3.1988
Die stärkere Nutzung des Bildungskanals am Vormittag, frühen Nachmittag und in der Zeit ab 20 Uhr zeigt sich auch, wenn man sendungsbezogen die Einschaltquoten des Bildungskanals über den Zeitraum einer Woche kumuliert (vgl. hierzu Abb. 4). Zum besseren Verständnis von Abb. 4 gilt es in Erinnerung zu rufen, daß von den neun Stunden Programm des Bildungskanals acht Stunden im wöchentlichen und eine
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
Abb. 4:
Kumulierte Einschaltquote der in der Zeit vom 21.9. — 27.9.1987 ausgestrahlten Sendungen des Bildungskanals
263
264
5 Bildungsrelevante Programmangebote
Stunde im täglichen Rhythmus wechselten; dies bedeutet, bezogen auf den hier zur Diskussion stehenden Zeitpunkt: In der Zeit von 11 Uhr bis 12 Uhr wurde von Montag bis Sonntag dasselbe Programm ausgestrahlt. Die am Montag von 15 Uhr bis 18 Uhr gesendeten Beiträge wurden jeweils am Mittwoch, Freitag und Sonntag von 15 Uhr bis 18 Uhr sowie am Dienstag, Freitag und Samstag in der Zeit von 20 Uhr bis 23 Uhr wiederholt. Über die ganze Woche hinweg wurde von 18 Uhr bis 20 Uhr ein Programmblock mit Sendereihen ausgestrahlt, die zum Teil täglich wechselten (dies gilt für die Sendungen "Science Report" sowie "Telekolleg") bzw. täglich zur selben Zeit wiederholt wurden ("Ihre Heimat —Unsere Heimat"). Die am Montag abend von 20 Uhr bis 23 Uhr gesendeten Beiträge wurden jeweils am Mittwoch, Freitag und Sonntag zur selben Zeit sowie am Dienstag, Donnerstag und Samstag in der Zeit von 15 Uhr bis 18 Uhr wiederholt. Die Tatsache, daß der Zeitraum von 18 Uhr bis 20 Uhr die relativ geringste Einschaltquote aufweist, könnte auf die Sendungsinhalte zurückgeführt werden, da sich aufgrund des Sendeschemas nicht nachweisen läßt, daß die zu dieser Zeit ausgestrahlten Beiträge auf anderen Sendeplätzen eine größere Akzeptanz gefunden hätten. Für die Nutzung des Zielgruppenprogramms "Ihre Heimat — Unsere Heimat" mag dies durchaus zutreffen. Daß allerdings Sendungen des "Science Reports" sowie des "Telekollegs", deren Folgen sogar — im Gegensatz zum übrigen Programm des Bildungskanals — täglich wechselten, ebenfalls die relativ geringsten Einschaltquoten im Tagesverlauf aufweisen, deutet darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen Sendezeit und Einschaltquote besteht, der relativ unabhängig von den jeweiligen Inhalten ist. Hierfür sprechen auch, die aus dem Vergleich der beiden analysierten Programmwochen gewonnenen Erkenntnisse, daß andere Kursreihen, die thematisch ähnlich wie der "Science Report" oder das "Telekolleg" strukturiert sind, zu anderen Zeiten höhere Einschaltquoten aufweisen. Unzulässig wäre es, wollte man aus den hier referierten Ergebnissen vorschnelle Rückschlüsse bezüglich der Plazierung von Bildungssendungen wie z.B. des Telekollegs in den Dritten Fernsehprogrammen ziehen; dies ist zumindest aus drei Gründen nicht möglich: Erstens wurden im Dortmunder Bildungskanal nur einzelne Themenblöcke des Telekollegs, nicht aber die kompletten Lehrgänge ausgestrahlt. Zweitens haben die berufsbildenden Schulen bzw. die Volkshochschule zu den in der "klugen Sieben" gesendeten Beiträgen des Telekollegs keine speziellen Begleitseminare angeboten. Drittens lassen sich die Nutzungsmuster eines Bildungskanals mit denen eines Vollprogramms nicht ohne weiteres vergleichen. Die Antwort auf die Frage, was ein günstiger Sendeplatz für ein Bildungsprogramm wie das Telekolleg ist, kann in Abhängigkeit davon, ob diese Sendereihe in einem Spartenkanal oder einem auf
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
265
Massenattraktivität angelegten Programm ausgestrahlt wird, durchaus unterschiedlich ausfallen. Das Sendeschema des Bildungskanals erlaubt es der Frage nachzugehen, ob die Nutzung bestimmter Programmblöcke abhängig ist vom Zeitpunkt der Ausstrahlung; konkret: ob sich die Charakteristik der Einschaltquote — immer bezogen auf identische Sendungsinhalte — in der Zeit von 15 Uhr bis 18 Uhr eine andere ist als von 20 Uhr bis 23 Uhr. Erste Antworten hierauf gibt Abb. 5. Da aufgrund der vormittags bzw. am frühen Nachmittag relativ geringen Anzahl von eingeschalteten Fernsehgeräten ein Vergleich von Einschaltquoten der zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgestrahlten Sendungen noch keine Rückschlüsse auf die absoluten Teilnehmerzahlen zuläßt, wurden als Bezugsbasis hier die eingeschalteten Geräte und nicht die Einschaltquote gewählt. Der Umstand, daß in Abb. 5 einmal der nachmittags und einmal der abends ausgestrahlte Programmblock die höheren Teilnehmerzahlen aufweist, ist ein Effekt des Sendeschemas. Ob eine Sendung nämlich viermal nachmittags und dreimal abends (siehe den linken Teil der Abb. 5) oder umgekehrt dreimal nachmittags und viermal abends (siehe den rechten Teil der Abb. 5) ausgestrahlt wird, hängt vom Sendeschema ab. Abgesehen hiervon läßt sich aus dem prinzipiell parallelen Kurvenverlauf schlußfolgern, daß die Charakteristik der Nutzung bestimmter Programmblöcke auf den ersten Blick relativ invariant gegenüber bestimmten Sendezeiten ist. Eine differenzierende, sendungsbezogene Analyse gibt jedoch genauere Aufschlüsse über diesen Zusammenhang. Setzt man die für unterschiedliche Sendezeiten wochentags ermittelten relativen Akzeptanzen (auf der Basis eingeschalteter Geräte) ein und derselben Sendung gegenüber und interpoliert man anschließend die gewonnenen Werte, um so die vom Programmschema vorgegebenen Differenzen der Ausstrahlungshäufigkeiten zu bereinigen, kommt man zu Resultaten, die das zuvor schon getroffene Ergebniss über 'günstige' Plazierungszeiten, jetzt allerdings auf der Ebene von Sendungen, tendenziell bestätigen. Die relative Akzeptanz ein und derselben Sendung ist um so größer, je weiter der Sendeplatz von dem Zeitpunkt 19 Uhr entfernt ist. Konkret heißt dies: Eine Sendung, die sowohl in der Zeit von 15 Uhr bis 16 Uhr als auch von 20 Uhr bis 21 Uhr ausgestrahlt wird, erzielt am frühen Nachmittag deutlich höhere Einschaltquoten, umgekehrt schalten von 22 Uhr bis 23 Uhr mehr Menschen dieselbe Sendung ein, als von 17 Uhr bis 18 Uhr. Ob eine Sendung hingegen von 16 Uhr bis 17 Uhr oder von 21 Uhr bis 22 Uhr ausgestrahlt wird, hat — bezüglich der zu erzielenden Einschaltquote — keinen nachweisbaren Einfluß.
266
5 Bildungsrelevante Programmangebote
eingeschaltete Geräte 50
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1
15.05
16.05
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20.05
21.05
22.35
20.05
21.05
22.35
15.05
16.05
17.35 Uhr
Kumulierte Teilnehmerzahlen der in der Zeit vom 21.9. — 27.9.1987 ausgestrahlten Sendungen des Bildungskanals differenziert nach dem Zeitpunkt der Ausstrahlung
5.2 Angebot, Akzeptanz und Nutzung von Bildungs— und Kulturpogrammen
267
Das Programmschema des Dortmunder Bildungskanals "Die kluge Sieben" hat es den Nutzern aufgrund der zahlreichen Wiederholungen erlaubt, den aus ihrer Perspektive günstigsten Zeitpunkt der Ausstrahlung auszuwählen. Wie die Nutzungscharakteristik jeweils aussieht, und welche Sendezeiten bevorzugt werden, haben wir schon gesehen. Wie aber, so die abschließende Frage, die es noch zu beantworten gilt, werden die unterschiedlichen Wiederholungen, jenseits der Präferenz für bestimmte Sendeplätze, angenommen. Obschon tendenziell eine Gleichverteilung der Einschaltquote über die verschiedenen Wiederholungen zu konstatieren ist, so wird gelegentlich die Erstausstrahlung sowie die erste und zweite Wiederholung etwas häufiger genutzt als die dritte und vierte Wiederholung; bei den am Wochenende ausgestrahlten Wiederholungen sechs und sieben steigt die Einschaltquote dann wieder leicht an. Manchmal ist aber auch eine umgekehrte Nutzungshäufigkeit feststellbar, so daß sich insgesamt eine annähernd gleiche Nutzung der verschiedenen Wiederholungen ergibt. Abschließend soll noch kurz auf die Nutzung und Beurteilung des Kabeltextes, bezogen auf das Angebot des Bildungskanals, eingegangen werden. 27 ' Ähnlich wie das Kabeltextangebot des Familien— und des Kulturkanals wird auch das des Bildungskanals durchaus als sinnvoll eingeschätzt, persönlich aber zumeist recht wenig genutzt. Hier zeigt sich die schon oben beschriebene Tendenz einer allgemeinen Wertschätzung von Bildung und Kultur, die jedoch nicht in ein entsprechendes Handeln umgesetzt wird. Positiv zum Kabeltextangebot des Bildungskanals äußern sich vorrangig Computer— und Technikinteressierte sowie Personen mit pädagogischen Berufen. Besonders geschätzt wird die Rubrik "Neues aus der Wissenschaft" (Tonnemacher/ Schmidt 1987, S. 93).
6
Perspektiven, Aufgaben und Empfehlungen
Im folgenden legen wir ein auswertendes Resümee unserer Forschungen vor. 'Perspektiven' meint, daß es sich um verallgemeinernde Schlußfolgerungen aus den Ergebnissen (Daten, Interpretationen) des Forschungsprojekts handelt, die für eine breitere Diskussion tragfähig sind und vor allem Verweise geben auf zukünftige Gestaltungsaufgaben. Auch, wenn die erhobenen Daten zunächst nur für die Bevölkerung im Wohngebiet Dortmund (im engeren Sinne sogar nur für die Kabelprojektteilnehmer) gelten — ebenso ist es bei den Weiterbildungseinrichtungen und dem Bildungsprogramm, die beide auf den Dortmunder Raum bezogen sind —, so gibt es doch insgesamt eine bemerkenswerte Anzahl von Hinweisen in den Ergebnissen, die auf allgemeine Strukturen deuten. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn — Tendenzen der Resultate sich an Ergebnisse anderer Forschungsprojekte für das Kabelpilotprojekt Dortmund oder auch aus dem Bereich der allgemeinen Medienforschung angleichen lassen (z.B. die 'Polarisierungsthese'); — die Eindeutigkeit und Festigkeit (gleiche Ergebnisse in der zweiten Befragungswelle) auf allgemeine Grundhaltungen deuten; — das Kriterium der Plausibilität der Ergebnisse ihre Verallgemeinerung nahelegt. Insbesondere nach diesen Gesichtspunkten hat die Forschungsgruppe ihre Ergebnisse gewichtet und hier in einer Reihe von 'Perspektiven' noch einmal zusammengefaßt. 'Aufgaben' meint, daß die Forschungsgruppe hier weiteren Handlungsbedarf sieht. Dieser kann in der Lösung organisatorischer Fragen bestehen, aber auch in dem Hinweis auf weitere Forschungsaufgaben. Während die 'Perspektiven' eher den Denk— und Argumentationsraum meinen, wird mit 'Aufgaben' der inhaltliche Bezug deutlicher herausgearbeitet. 'Empfehlungen' schließlich fassen Aspekte der Perspektiven und der Aufgabenzuschreibung für bestimmte zuständige Dienststellen oder andere Ansprechpartner zusammen. Unter dem Aspekt der 'Empfehlungen' werden also die notwendigen Handlungsschritte, wie sie sich in den 'Aufgaben' abzeichnen, von der Forschungsgruppe selbst vorformuliert. Es war nicht möglich und zweckmäßig, diese drei Aspekte in der Darstellung selbst zu trennen. Eine Ablösung der 'Empfehlungen' aus dem Horizont von 'Perspektiven' und 'Aufgaben' hätte ihnen die Denk— und Materialbasis entzogen und sie daher nur begrenzt verständlich gemacht. So reduziert, handelte es sich um recht plakativ aufzufassende Ergebnisse, die ohne Argumentationsbasis oberflächlich oder beliebig
270
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
wirken müssen. Die analytische Trennung von 'Perspektiven', 'Aufgaben' und 'Empfehlungen' hat also keine Auswirkung auf die Textgliederung; auf sie wird einleitend an dieser Stelle lediglich hingewiesen, um deutlich zu machen, welche Aussageformen in den folgenden Abschnitten und Gliederungen sich zu Ergebnissen mit Anwendungsbezug formulieren lassen. Die Aufreihung der Gesichtspunkte, nach denen die obengenannten Aspekte zusammengefaßt sind, orientiert sich an den Untersuchungsfeldern — Bevölkerungsgruppen (1) — Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (2) — Bildungsrelevante Programmangebote (3) — Lokale Rundfunkveranstaltungen (4) Die Reihenfolge dieser Gesichtpunkte richtet sich nach einem Bedeutungs— und Zeitkriterium. Bevölkerungsgruppen als Nutzer und Adressaten aller programmlichen und sonstigen Anstrengungen stehen daher an erster Stelle (Bedeutungskriterium); spezifische Aussagen zu lokalen Rundfunkveranstaltungen werden auch deswegen gegeben, weil das Landesmediengesetz von Nordrhein —Westfalen hier besondere Spielräume eröffnet. Auch, wenn dies bei der Anlage des Kabelpilotprojekts nicht vorausgesehen werden konnte, lassen sich doch einige der gewonnenen Ergebnisse auf die neue Gesetzeslage beziehen (Zeitkriterium).
6.1
Bevölkerungsgruppen
(1) Die Bedeutung von Bildung generell ist unbestritten, wie sich eindeutig gezeigt hat. Verbindlicher wird diese Aussage, deren soziale Erwünschtheit so hoch ist, daß sie kaum bestreitbar sein dürfte, dadurch, daß die Befragten Bildungsinteressen und —aufgaben auch für das eigene soziale Umfeld und die eigene Persönlichkeitsentwicklung entdeckten. Die allgemeine Wertschätzung wird also an konkrete Interessenlagen herangefüht. Bildung ist darum heute für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung mehr als eine etwa vom staatlichen Schulsystem und den Weiterbildungseinrichtungen allgemein vertretene Idee, die auf diese Weise abgearbeitet ist; vielmehr hat sich die Einsicht weithin durchgesetzt, daß Bildungsprozesse lebenslang von Bedeutung sein können. Der auf die eigene Lebenslage bezogene Anwendungsbezug von Bildung zeigt sich an der Spitzenstellung des beruflichen Lernens. Hervor-
6.1 Bevölkerungsgruppen
271
zuheben ist freilich auch, daß dieses nicht isoliert und einseitig gesehen wird — dann käme ein verkürzter Bildungsbegriff zustande. Vielmehr werden politische und kulturelle Bildung für ebenfalls wichtig gehalten. Insgesamt zeigt sich, daß die traditionell überlieferte Weite des Bildungsbegriffs bis heute prinzipiell erhalten geblieben ist. Unter Beachtung dieses Ausgangspunktes ist es dann freilich bemerkenswert, daß trotz allgemeiner Wertschätzung von Bildung das aktive Bildungsverhalten (Wahl von Bildungsprogrammen in den Medien, Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen) davon abweicht. Es besteht also das Problem, daß ein allgemein für wichtig erachtetes Gut für viele gleichsam relativ unerschlossen bleibt. Bildungsinteressen werden nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung in aktives Handeln umgesetzt. Solche Diskrepanzen sind nicht neu (ähnliches gilt beispielsweise für die Wertschätzung von 'hoher Kultur', der keineswegs der Besuch entsprechender Veranstaltungen entspricht) und auch leicht zu erklären. Die Diskrepanz zwischen Bildungsbedarf, Bildungsinteresse und realem Bildungsverhalten beschäftigt seit langem die Weiterbildung, etwa in der Diskussion um "Bildungsbarrieren", die bestimmte Bevölkerungsgruppen davon abhalten, Bildungsangebote wahrzunehmen, die sie doch generell für wichtig halten. Offenbar hat an dieser Sachlage auch die Verbreitung von Kultur— und Bildungsträgern (dazu sind Medien in gewisser Hinsicht durchaus zu zählen!) nicht viel verändert. Die Schere zwischen Bildungsinteresse im allgemeinen und eigener Bildungspraxis im besonderen zu schließen, ist eine Aufgabe mit Langzeit —Perspektive. Es muß weiterhin nach Mitteln und Wegen gesucht werden, die das Umsetzen von allgemeiner Wertschätzung in reales Handeln (in Hinsicht auf die geschätzten Werte und Orientierungen) erleichtern. Die Medien erweitern dabei das Spektrum möglicher Maßnahmen und können so zu einer Verkleinerung der grundlegenden Diskrepanz beitragen. (2) Den Medien kommt auch deshalb zukünftig ein erhöhtes Gewicht bei der Gestaltung von Lernprozessen zu, weil Formen des nicht — institutionalisierten Lernens im Alltag inzwischen von der Forschung entdeckt sind, aber auch verstärkt sich beobachten lassen. Neben der Professionalisierung und Institutionalisierung, also der Abspaltung von Zuständigkeiten aus dem lebensweltlichen Alltag — für das Lernen sind Schulen, Hochschulen und Weiterbildung zuständig, für Politik Regierung, Parlament und 'Abgeordnete', für Kultur Museen, Theater, Konzerthallen etc. — gibt es eine Fülle von Aktivitäten, die Beiträge für alle diese Bereiche leisten, ohne doch
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
dafür professionell ausgestattet zu sein. Neben der institutionalisierten und bezahlten Beratungstelle gibt es die Alltagsberatung durch Nachbarn, Freunde, Taxifahrer, Masseusen etc.; neben dem Theater gibt es eine wachsende Anzahl freier Theatergruppen und spontaner Ereignis — Inszenierungen auf Marktplätzen, in Fußgängerzonen etc. — um nur Beispiele zu nennen. Ebenso gibt es viele 'Lernhelfer' im Alltag. So ist die Familie ebenso ein Lernort (z.B. für den Spracherwerb des kleinen Kindes), wie der Heranwachsende später viele Erfahrungen mit seinen gleichaltrigen Peers macht und auf diese Weise in neue Lebensbereiche eingeführt wird, wie Erotik, aushandeln von Positionen, Motive und Inhalte von Freizeit etc. Es besteht kein Zweifel, daß die Programm — Medien für dieses Nebenbei — Lernen ein wichtiger, in dieser Hinsicht viel zu wenig beachteter Angebotsträger sind. Es ist bekannt, daß unter bestimmten Umständen Aggresivität, aber auch Formen des Konsums (Werbung) oder politische Einstellungen über Medien—Botschaften erworben werden. Es gibt eine Fülle solcher in den Alltag eingelagerter Lernprozesse. Die Zentralstellung der Medien, die eher — angesichts der Programmerweiterung — noch wächst, wird auch von der agenda — setting — Hypothese herausgehoben, die davon ausgeht, daß zunehmend nur das zum Thema im Alltag wird, was die Medien auch behandeln. Auf diese Weise erfolgt die Wirklichkeitskonstruktion weitgehend über den Thematisierungsradius, den die Medien vorgeben — darauf hinzuweisen ist deswegen wichtig, weil dies eine Öffnung der Weiterbildungsinstitutionen auf solche ungeregelten Lernprozesse nahelegt, insgesamt zukünftig eine größere Beachtung organisierten und nicht — organisierten Lernens in ihrem komplexen Zusammenspiel fordert. Die 'Adressaten' oder 'Nutzer' von Bildungsangeboten, welcher Art auch immer, haben entsprechend ein komplexes Lebensprogramm zu absolvieren und sind einer Komplexität sehr differenter Informationen und Informationskanäle ausgesetzt. Die Vernetzung von Erfahrungs—Lernen im Alltag, Lernen über Programm — Medien und Lernen in Weiterbildungsinstitutionen sollte deshalb stärker als bisher betrieben werden, weil nur auf diese Weise eine Abspaltung differenter Lernräume verhindert wird. Die im Projekt vorgenommene Unterscheidung zweier grundlegender Lernformen, nämlich des eher beiläufigen, inzidentellen Lernens, und die des intentionalen, geplant vorgenommenen Lernens, wurde in der Befragung bestätigt. Gerade gegenüber den Programm — Medien wird von der Mehrheit der Befragten eher ein beiläufiges Lernen bevorzugt. Dies entspricht nicht nur der Tatsache, daß natürlich durch jedes Medienprogramm etwas 'gelernt' werden kann — hieran schließen sich ja die Diskussionen um die Bedenklichkeit von Werbung
6.1 Bevölkerungsgruppen
273
für Kinder oder die Problematik ästhetisch schlecht gemachter Unterhaltungssendungen oder ethisch zweideutiger Filme an —, sondern es ist auch in gewisser Weise verständlich, daß Jugendliche wie Erwachsene mit 'intentionalem Lernen' Erinnerungen an die Schule, an Anstrengung, Konzentration etc. verbinden. Daß Dokumentationen, Ratgebersendungen, Nachrichten, Sendungen mit politischen, wirtschaftlichen Themen und (etwas erstaunlich) die lokale Berichterstattung einen besonders positiven Lernertrag erbringen, liegt dabei auf der Hand: Es handelt sich um Sendungstypen mit vorwiegend informierendem Charakter. Hier sind auch am ehesten Übergänge zu intentionalem Lernen zu vermuten, das ja nicht immer eingeplant sein muß, wenn eine Sendung eingeschaltet wird: Interesse für einen Gegenstand entsteht oft nach eher absichtslosem Einschalten des Geräts, wenn ein inhaltlicher Stimulus die sozusagen freiwerdende Aufmerksamkeit an sich bindet. Es entsteht so, quasi aus Zufall, ein fruchtbarer Moment im Bildungsprozeß. Aufgrund dieser Sachlage bleibt für die Programmverantwortlichen die alte Aufgabe nachdrücklich bestehen, Fragen der Programmqualität für jede einzelne Sendegattung ernsthaft zu beachten. Über den Lernbegriff lassen sich Beeinflussungs — und Wirkungskonzepte möglicherweise insofern besser erschließen, weil hier die aktive Teilhabe des Lernenden mitgedacht wird. Die Forschungsgruppe empfiehlt deshalb eine stärker an Lernprozessen orientierte Wirkungsforschung. Des weiteren ist vertieft zu untersuchen, inwiefern die Intensivform des intentionalen Lernens gerade in Hinsicht auf Programm — Medien kaum genutzt wird. Vermutlich ist dies unter anderem ein Reflex auf das ohnehin dürfige Angebot. Deshalb wird die verstärkte Berücksichtigung von Sendungen empfohlen, die auch intentionale Lernprozesse zulassen — nicht zuletzt darum, weil über die Programm — Medien mit ihrem allgemeinen und öffentlichen Zugang am ehesten Bildungsdiskrepanzen und Informationsdefizite ausgeglichen werden könnten. Daß dieser Ausgleich in so bemerkenswert geringer Weise erfolgt, gibt zu denken und macht offenkundig, daß das Bürgerrecht auf Bildung (wir fügen hinzu: kulturelle Teilhabe) perspektivisch noch stärker von den Medien berücksichtigt werden sollte — unter Einbezug beider Lernformen, vor allem aber Verringerung des Defizits der Lernform 'Intentionalität' in diesem Zusammenhang. (4)
Das Ergebnis: Tendenziell gilt, je höher der TV —Konsum ist, desto weniger werden Weiterbildungsaktivitäten gewählt, überrascht nicht. Es ordnet sich in die auch von anderen Untersuchungen bestätigte 'Polarisierungsthese' ein, wonach (in plakativer Abkürzung) künftig zunehmend zwischen Kommunikationsarmen und Kommunikationsreichen unterschieden werden muß. Die Ausdehnung der Informations — und Kommunikations — Technik hat zu einer qualitativen Diffe-
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
renzierung des Angebots geführt, nach der sich auch das Verhalten der Bevölkerung unterscheiden lassen kann. Je höher der Bildungsstatus, die damit erworbene Position (und meist: die damit verbundene ökonomische Absicherung), desto intensiver ist die Teilhabe an allen neuen Angeboten in Richtung auf Verbesserung der persönlichen Situation auch über Bildungsprozesse; und umgekehrt: Menschen mit ohnehin schlechten Startvoraussetzungen, was Bildung, Ausbildung und Berufschancen angeht, neigen mehrheitlich dazu, die zahlreichen freiwilligen Bildungs— und Kultur — Angebote nicht zur Verbesserung ihrer Situation und zur Erweiterung ihres Orientierungsradius auszunutzen, sondern im Gegenteil, sie wählen das Vertraute, das Immer —Gleiche und weichen vor Innovationen und Herausforderungen aus. Dies ist eine problematische Perspektive, auf die die Forschergruppe mit allem Nachdruck aufmerksam machen möchte. Es muß also — so die Aufgabe — nach Wegen gesucht werden, die kommunikative und kulturelle Polarisierung der Bevölkerung einzuschränken. Denkbar wäre ja auch die andere Entwicklung, daß die umfassenden Programmangebote, die Internationalisierung der Kommunikation und die zunehmende kulturelle Offenheit aller Formen von Grenzen zu einer Erweiterung des Orientierungsradius und zu einer Verbesserung der kulturellen Lebenslagen beitragen könnten. Daß dies bisher nicht so ist, die Entwicklung eher gegenteilig verläuft, wie sich anzudeuten scheint, muß zur Bestürzung Anlaß geben. Die im letzten Absatz beschriebene Situation, die das Projekt bestätigt, ist auch deshalb auf verbessernde Lösungen angewiesen, weil trotz einer Vielzahl öffentlicher Maßnahmen und Angebote auch im Bildungs— und Kulturbereich Individualisierungsprozesse zunehmen. Dies meint: In unserer modernen, pluralistischen Gesellschaft steht dem einzelnen weitgehend frei, welches Kultur— und Bildungsniveau er anstrebt, welche Verfahren er wählt, um gesteckte Ziele zu erreichen etc. Die Vielzahl von Optionen, also von Angeboten, die in gleicher Weise Konzentration und Zuwendung verlangen, führt dazu, daß es — sieht man von der Schulpflicht und ähnlichen Maßnahmen ab — zunehmend in das Belieben des einzelnen gestellt ist, welches der zahlreichen Angebote er wahrnimmt, und ob er dies überhaupt tut. Die Vermehrung der Programm — Angebote wird diesen Individualisierungsprozeß ebenso verstärken wie auch der Videorecorder, der es jetzt schon ermöglicht, sich seine eigenen Informations — und Lernprogramme zusammenzustellen. So unabdingbar und wünschenswert die zur Verfügung stehende Verhaltensfreiheit ist, so problematisch wird sie doch in den Fällen, da keine Hinweise und Hilfen gegeben werden, die eine unzureichende Nutzung dieser Verhaltensfreiheit abwenden. Am Beispiel: Es ist ein Unterschied, ob der Besitzer eines Videorecorders sich sein Programm — Material in
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einer kommerziellen Videothek mit geringen Ansprüchen besorgt, oder beispielsweise in einer öffentlichen Bibliothek mit gutem Videobestand. Auch Weiterbildungseinrichtungen müssen überlegen, inwieweit sie hier Hinweise und Hilfen geben sollten; es gibt heute einen großen Informations— und Beratungsbedarf gerade angesichts der wachsenden Unübersichtlichkeit der Angebote, die den Nutzer oft hilflos macht oder zu dem greifen läßt, was am bequemsten, zahlreichsten und billigsten zu haben ist. Der Verzicht auf Teilnahme an Weiterbildung in institutionalisierter oder nicht — institutionalisierter Form führt gerade wegen des scheinbaren Reichtums an alternativen Wahlmöglichkeiten oft in Sackgassen. (6) Auch unsere Untersuchung hat gezeigt, daß — abgesehen vom höheren Status, auf den hingewiesen wurde — weiterbildungsaktive Personen vergleichsweise eher ledig und jünger sind. Diese generelle Aussage wäre mißverständlich interpretiert, wollte man ihr entnehmen, daß die nachwachsende Generation demnach geschlossen von der Erweiterung der Programmangebote profitiere. An dieser Stelle zeigt sich besonders eindringlich, wie wichtig Längsschnittstudien zum Bildungs— und Kulturverhalten sind. Denn erst in ihnen kann ausgemacht werden, ob Bildungsinteressen in den allgemeinen Habitus einer Person eingehen oder im Lebenszyklus unter bestimmten Umständen 'abgeworfen' werden. Jüngere, noch ledige Personen haben mehr Zeit auch für Bildung, und sie sind intentionale Lernformen noch eher gewohnt, zumal die Zukunftsaspiration der Jüngeren schon von der zeitlichen Ausdehnung her, die sie prinzipiell als 'Zukunft' vor sich haben, gewichtiger ist. Es kann bis heute nicht präzise angegeben werden, welche Einschnitte, kritischen Lebensereignisse oder strukturellen Lebenslaufelemente die Veränderung von Bildungsinteressen beeinflussen. Die Forschergruppe empfiehlt hier dringend weitergehende Längsschnittuntersuchungen an einer möglichst breiten, nach Status, Geschlecht und Alter, differenzierten Population. — In die Kontrastgruppe der Weiterbildungspassiven fallen (erwartbar) eher un— und angelernte Arbeiter, Handwerkergesellen, Facharbeiter; es handelt sich um Berufe, die ohnehin keine langfristige Veränderungsperspektive erschließen. Aber auch ältere Menschen — wenn sie nicht zur Gruppe der 'eintrainierten' Weiterbildungsaktiven gehören — sind ausgeschlossen. Es handelt sich um soziale Gruppen, die in der Regel intensive Medien — Nutzer sind. Damit zeigt sich auch, daß für diese Gruppen die Medien die besondere Aufgabe haben, einer zunehmenden Horizontverengung oder Horizontschließung entgegenzuwirken. Schon an dieser Stelle ist freilich darauf hinzuweisen, daß dies nicht gelingen kann ohne Vernetzung mit anderen Angeboten, etwa im lokalen und sozialen Umraum der jeweiligen Personengruppen.
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
(7) Bemerkenswert ist: Für weiterbildungsaktive Personen besteht keine Konkurrenz zwischen Bildungs— und Kulturbeiträgen der audiovisuellen Medien einerseits und dem Kursangebot von Weiterbildungseinrichtungen andererseits. Von einer Substitution von Weiterbildungsveranstaltungen durch bildungsbezogene Medienangebote kann also keine Rede sein. Auch dies Ergebnis ist hoch plausibel: Wer ohnehin viel fernsieht, wird seine Zeiteinteilung nicht ohne weiteres ändern (seine Aktivitäten sind ja nicht nur im Bildungsbereich eingeschränkt, wie andere Untersuchungen deutlich bestätigen); umgekehrt wird der ohnehin Weiterbildungsaktive auch bei erweitertem Programmangebot immer wieder Mittel und Wege finden, seine breiteren Interessen in gleicher Weise zu befriedigen (wobei wir von Abstrichen, Umschichtungen etc. einmal absehen — auch dies sind Prozesse, die nur in Längsschnittuntersuchungen erfaßt werden können!). Mit diesem Ergebnis fehlt jeder Argumentation die Basis, die darauf abzielt, von einer Konkurrenz der Bildungsinstitutionen zu sprechen oder nur einer bestimmten Gruppe von ihnen Bildungsaufgaben zuzuschreiben. Die Forschungsgruppe hat auch in den vorangehenden Erwägungen zum Bevölkerungsverhalten nahegelegt, die Angebots — Profile unterschiedlicher Institutionen im Bildungs— und Kultur — Bereich einerseits zu schärfen, andererseits aber auch kontaktoffen zu halten, sprich: Bildung als Grundrecht und Grundbedürfnis ist nicht Sache weniger Spezial— Agenturen. (8) Das soeben dargestellte Ergebnis ist auch deswegen leicht erklärbar, weil — jedenfalls bisher — Programm — Medien (hier vor allem: Fernsehen und Radio) andere Funktionen zugewiesen bekommen als etwa Bildungseinrichtungen. Vermutlich ist die Einschätzung der Bevölkerungsmehrheit in Dortmund verallgemeinerbar: Radio und Fernsehen werden in der Regel nicht mit bildenden oder kulturellen Aufgaben in Verbindung gebracht. Das Image beider Medien ist vielmehr vorrangig geprägt durch Informations —, Unterhaltungs — und (neuerdings) Servicefunktionen. Nur eine Minderheit der von uns befragten Personen (11,6 %) nutzt beispielsweise das Fernsehen (bisher) auch für Bildungszwecke. Hier steht die Frage zur Diskussion und sodann zur Entscheidung an: sollte dieses von der Bevölkerung wahrgenommene Profil der Programm — Medien akzeptiert werden, oder sollten die Programm — Medien (im 'Verbund' mit anderen Institutionen, siehe unten) sich bemühen, ihr Anspruchsniveau zu erhöhen und ihr Dimensionenspektrum zu erweitern?! Die Forschungsgruppe ist aus überzeugenden Gründen der Ansicht, daß letzteres der Fall sein muß. (9) Auch wenn sich die Verantwortlichen mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, daß den Programm — Medien nur eingeschränkte Funktionen zugewiesen
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werden (also längst nicht alle, die ihnen prinzipiell zugänglich sind), so ist doch auch auf etwas anderes hinzuweisen: Es gibt durchaus eine spezifische Zielgruppe für Bildungsprogramme. Wir sprechen hier bewußt nicht von "Minderheitenprogrammen", weil dieser Terminus nahelegt, es handele sich zwar um (wenn auch in der Ausdehnung einzuschränkende) notwendige Angebote, die aber insgesamt eine Programm — Randlage einnehmen sollten. 'Zielgruppen' — Programme hingegen legen nahe, das Profil spezifischer Zielgruppen genau zu ermitteln — unter der Prämisse, daß eine pluralistisch differenzierte Gesellschaft heute eine Fülle von Zielgruppen besitzt, die alle berechtigte Ansprüche an das Programm stellen. Programmausdehnung und Programm Vermehrung sind hier schlicht Vehikel des Ausgleichs. Die spezifische Bildungs — Zielgruppe (derzeit schätzungsweise 5 % der Bevölkerung) favorisiert spezifische Bildungsprogramme, die unabhängig vom Blick auf Einschaltquoten konzipiert werden. Ein eigener Bildungskanal wird von den Nutzern dieses Kanals eindeutig als positiv bewertet. Dem entspricht, daß sich die Intensivnutzer des Bildungskanals ebenso eindeutig für die Einrichtung separater Spartenkanäle für Bildung und Kultur aussprechen. Hier handelt es sich im ganzen nicht nur um eine durch Status und Stellung im Lebenszyklus herausgehobene Gruppe. Dennoch ist bemerkenswert, daß Personen, die sich auf den Bildungskanal 'eingelassen' haben, auch den Bildungsprofit und den persönlichen Gewinn hoch veranschlagen; das Plädodoyer für die Beibehaltung solcher Programme dokumentiert dies eindrücklich. Damit stehen die Programm — Verantwortlichen vor dem Auftrag, auf diese Forderung angemessen zu reagieren. (10) Gleichzeitig stellt sich die Aufgabe, die Zielgruppe von Bildungsprogrammen zu erweitern. Was könnte getan werden: — Zu wünschen sind ausführliche Programmankündigungen in den Programm—Magazinen (hier werden Bildungsbeiträge so gut wie nicht beachtet!) — Hörfunkprogramme werden in Programm — Magazinen nur noch — im wörtlichen Sinne — am Rande, in engem sowie meist kleinerem Druck sowie in Auswahl bekanntgegeben. Die speziellen Bildungs— und Kulturprogramme spielen in dieser generellen Marginalisierung eine noch einmal speziell marginalisierte Rolle. Hier ist dringend Abhilfe geboten. Zu denken ist auch daran, daß die öffentliche Hand der einzelnen Bundesländer gerade Hörfunkprogramm —Anteile aus den Bereichen Bildung, Information und Kultur durch subsidiär finanzierte Programmblätter unterstützt. — Tageszeitungen weisen in ihren Programmübersichten und —kommentierungen nur noch in seltenen Fällen auf Hörfunkprogramme hin. Die in den
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
letzten Jahren deutlich erhöhte Akzeptanz des Hörfunkmediums insgesamt sollte Anlaß geben, diese Ausgrenzung rückgängig zu machen. — Programmhinweise sollten wiederholt in allen Programmen einer Anstalt, auch mit 'Programmkostproben' gegeben werden. — Notwendig ist eine Zusammenarbeit mit Weiterbildungseinrichtungen, Kulturämtern und allen Institutionen, die für den Bildungsbereich Verantwortung tragen sowie eine frühe Einübung in die Nutzung von Bildungsprogrammen schon an den Schulen. (11) Die Frage nach den Lernstrategien hat ergeben, daß Kabelprojektteilnehmer immer dann, wenn sie vor der Aufgabe stehen, sich über ein spezielles Thema Wissen aneignen zu wollen, sich an erster Stelle dafür entscheiden "Literatur zu dem betreffenden Thema zu besorgen und durchzuarbeiten" (in Dortmund: 61.3 % der befragten Personen); mit deutlichem Abstand folgt bemerkenswerter Weise das Fernsehen bzw. Videocassetten (23,6 % in Dortmund), erst an dritter Stelle folgt die Absolvierung eines Kurses in einer Weiterbildungseinrichtung (12,9 % in Dortmund), während Radio/Toncassetten das Schlußlicht bilden (2,2 % in Dortmund). Die Frage nach den Lernstrategien gibt einige bemerkenswerte differenzierende Hinweise, die der weiteren Be— und Verarbeitung bedürfen: — Die Vorrangstellung des 'Printmediums' (Fach-)Literatur zeigt, daß bei intentional arrangierten Lernstrategien kognitive Aspekte offensichtlich im Vordergrund stehen. Dies bedeutet einerseits, daß die Programm — Medien keine Konkurrenz für Printmedien darstellen, insbesondere im Bildungsbereich; andererseits ist jedoch auch zu sehen, daß eine kognitive Verengung des Bildungsbegriffs (eventuell aufgrund von Schulerfahrungen) vorherrscht. 'Sich etwas erarbeiten' unterscheidet sich offenbar für einen Teil der Bevölkerung davon, auch politisch oder kulturell unterrichtet und animiert zu werden. Daß hier Zusammenhänge bestehen, sollte verdeutlicht werden; Bildung als Grundkategorie wird in dieser Hinsicht (Lernstrategien) dann doch zu eingeengt erfahren. — Bemerkenswert ist dann jedoch auch, daß Fernsehen/Videocassette vor Weiterbildungseinrichtungen den zweiten Platz einnehmen. Das ist nicht als Widerspruch der These zu interpretieren, daß zwischen beiden Institutionen keine Konkurrenz bestehe. Diese tritt erst dann auf, wenn beide Einrichtungen ohne Kooperation in gleicher Reichweite und Qualität produzieren (eine Utopie). Für bereits Bildungsinteressierte besteht hier ohnehin keine Spannung; sie werden Weiterbildungskurse vorziehen. Aber: Die 'breite' Bevölkerung bevorzugt offenbar Fernsehen/Videocassetten, weil diese bequem er-
6.2 Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung
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reichbar sind und das Prinzip der Veranschaulichung möglicherweise Lernen erleichtern kann. Über das Stichwort 'Lernstrategien' deutet sich eine Bresche an, die für Bildung geschlagen werden kann in einer Programm — Vielfalt, die derzeit diese Dimension eher marginalisiert. — Das schlechte Abschneiden von Radio/Toncassetten erstaunt ein wenig. Es war das Radio, das lange Zeit Schulfunksendungen brachte, auch Vorträge, Diskussionen; erinnert sei auch an das Funkkolleg. Dies Ergebnis ist erklärungsbedürftig. Entweder, es handelt sich in diesem Fall um eine dortmundspezifische Verzerrung, oder aber, das Radio hat im Bildungsbereich an Terrain verloren, weil die Vielzahl von Privat — Radios mit Popmusik rund um die Uhr und der zunehmende Verzicht auf wiedererkennbare und eindeutige Programm — Profile und Programm — Strukturen hier einen Akzeptanzverlust in einem wichtigen Bereich einschließt. Die Forschungsgruppe hält dafür, daß dieser wichtigen Frage weiter nachgegangen werden muß. Eine Lösung des Problems könnte langfristig darin bestehen, medien — bezogene, medien — integrierte Lernstrategien zu unterstützen, dies in Zusammenarbeit und Absprache mit Einrichtungen, die ohnehin im Bildungsbereich tätig sind (Weiterbildungseinrichtungen, Schulen etc.).
6.2
Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung
(1) Der Weiterbildungsbereich muß sich der Herausforderung durch die neuen Medien stellen. Die hier vorgelegten Ergebnisse legen weder Kulturpessimismus nahe noch Medieneuphorie. Wichtig ist die vorurteilsfreie Einschätzung der neuen Informations — und Kommunikations — Techniken vor dem Hintergrund eines eigenen Selbstverständnisses von Bildung und der spezifischen Aufgabe, die Weiterbildungseinrichtungen hier haben. (2) Da keine institutionelle Konkurrenz besteht, können Medien von Weiterbildungseinrichtungen, umgekehrt aber auch Weiterbildungseinrichtungen von Medien profitieren. Dies kann generell gesehen werden: Eine verbesserte Zusammenarbeit kann hier für größere 'Durchlässigkeit' sorgen (wie dies vorzustellen wäre, dafür bedarf es noch mancher Ausarbeitung). Zum anderen zeigt die relativ gute Position von Fernsehen/Videocassetten in den Lernstrategien der Bevölkerung, daß Fernsehprogramme zumindest stärker als bisher auch Informa tionen aus/über dem/den Bildungssektor in ihre Programme aufnehmen sollten. Praktisch: Es ließe sich denken, Kulturmagazine durch Bildungsmagazine zu ergänzen. (Eine andere Möglichkeit bestünde darin, das Themenspektrum der
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
Kulturmagazine zu erweitern; dies hätte längere und besser plazierte Sendezeiten zur Voraussetzung.) Die neuen Entwicklungen eröffnen darüber hinaus spezifische Möglichkeiten der aktiven Mitgestaltung durch die Erwachsenenbildung. Sie ist dazu aufgerufen, bei Bildungs— und Kulturkanälen, Lokalkanälen, Offenen Kanälen und sonstigen Serviceleistungen der Neuen Medien mitzuwirken, Einfluß zu nehmen, Verantwortung zu tragen. Dabei gilt es mehr als bisher, die neuen Techniken mit all ihren Möglichkeiten auszutesten, zu erproben und einzusetzen, freilich ohne daß alte Bildungsvermittlungs — und Organisationsformen aufgegeben werden. Also: Den Bestand sichern, aber die Expansionschancen wahrnehmen! Nur wenn Weiterbildung dies tut, behält sie die Möglichkeit, auf die gegenwärtige Medienlandschaft einzuwirken. (3) Auch unser Projekt hat gezeigt, wie mannigfach differenziert der Markt der Weiterbildungsangebote ist. Dies liegt u.a. an der unterschiedlichen Aufgabenzuschreibung und der personellen Ausstattung der Weiterbildungseinrichtungen, die keineswegs über einen Kamm zu scheren sind. So hat sich erwiesen, daß nur mit öffentlichen Geldern unterstützte, gut ausgestattete und mit einem breiten Auftrag versehene Einrichtungen in der Lage sind, mit neuen Techniken auch produktiv umzugehen und sich an der Gestaltung der Medienentwicklung im Bereich ihrer spezifischen Zuständigkeit zu beteiligen. Eine Mittelpunktstellung, insbesondere auch unter Beachtung kommunaler Aspekte, haben hier die Volkshochschulen. Nicht nur für sie besteht eine neue Aufgabe darin, ein Verbundsystem der Weiterbildungseinrichtungen verantwortlich zu organisieren, um die eben geforderte aktive Mitgestaltung im Mediensektor effektiver zu machen. Der damit geforderte institutionelle Altruismus wird ausgewogen durch eine Stärkung des Weiterbildungsbereichs insgesamt, der nach Einschätzung der Forschungsgruppe allen Institutionen zugute kommen könnte. (Natürlich läßt sich denken, daß auch eine andere Weiterbildungsinsitution die Aufgabe übernimmt, den Problembereich Weiterbildung — Neue Medien zu bearbeiten.) (4) Die unterschiedlichen Möglichkeiten der Weiterbildungseinrichtungen haben sich auch in der Einschätzung der in diesem Buch vorgelegten Szenarien gezeigt: Neue Formen medialen Lernens durch Anbietergemeinschaften — Szenario 1: — Szenario 2: Weiterbildungsinstitutitonen unterstützen lokale Gruppen — Szenario 3: Weiterbildungsinstitutionen produzieren Programmbeiträge zur Bildungswerbung — Szenario 4: Programm verkauf
6.2 Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung
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An erster Stelle steht Szenario 3: Weiterbildungseinrichtungen können durch Informationen, darüber hinaus durch gestaltende Beiträge Bildungsanimation über Programm — Medien leisten. Dies gilt insbesondere für lokale Medien (zu denen übrigens auch die Zeitungen gehören!). In Dortmund war es so, daß die Mehrheit der dortigen Weiterbildungseinrichtungen ein Engagement im lokalen Rundfunk in Form von Eigenproduktionen zur Bildungswerbung bevorzugte; dies gilt insbesondere für solche Einrichtungen, die sich selbst noch nicht aktiv am Programm beteiligt haben. Anders sieht es aus bei den Einrichtungen, die selbst eine Medienwerkstatt besitzen und Kommunikationshelfer eingestellt haben. Natürlich sind die Szenarien 2 und 3 eher zu realisieren als etwa Szenario 4, die Produktion eigener Sendungen für ein allgemeines Programm mit Bildungsschwerpunkten. Greift man dieses eindeutige Ergebnis auf, ist damit nicht gesagt, daß die in den anderen Szenarien verborgenen Ideen grundsätzlich nicht realisierbar sind, oder daß dies nicht wünschenswert wäre. Prinzipiell hält die Forschungsgruppe die Möglichkeiten, die durch die vier Szenarien erschlossen werden, in gleicher Weise für diskutierenswert und wünscht sich deren Umsetzung. Aber: 'Realisierbar' sind eher zeitlich knappe, in der Gestaltung (schätzungsweise) nicht so anspruchsvolle Beiträge, die auf die Lernchancen in Weiterbildungsinstitutionen hinweisen. Das Stichwort Bildungsanimation müßte also dingend in institutioneller Kooperation ausgearbeitet werden. (5) Andererseits: Jene Dortmunder Weiterbildungseinrichtungen, die selbst schon Medienwerkstätten eingerichtet und sich aktiv am Gesprächskreis "Lokaler Medienverbund" beteiligt haben, sehen ihre Aufgabe vornehmlich darin, lokale Gruppen durch technische Ressourcen und inhaltliches K n o w - h o w in ihrem Bemühen zu unterstützen, Programmbeiträge für den lokalen Rundfunk zu erstellen. Sie beanspruchen also nicht selbst Programmkapazitäten, sondern helfen anderen, diese nach ihren Interessen und Vorstellungen zu nutzen. Dies zeigt, daß Weiterbildungseinrichtungen grundsätzlich die neuen Aufgaben sehen, akzeptieren und auch praktisch an ihrer Bearbeitung mitzuwirken bereit sind. (6) Das Programm Medienverbund, so aufwendig es erscheinen mag, darf nicht aufgegeben werden. Funkkolleg, Telekolleg und andere Versuche haben eindrucksvoll gezeigt, daß mediale Angebote durch gruppenzentrierte Kurse in Weiterbildungseinrichtungen ergänzt werden können, ja müssen. Die zukünftige Lokalisierung vieler Medien — Programme erlaubt hier eine noch effizientere, weil auf den konkreten Nutzungsraum ausgerichtete Zusammenarbeit. Für die Seite der Weiterbildungseinrichtungen bedeutet dies zunächst, daß sie sich — so unterschiedlich ihr Auftrag im einzelnen aussehen mag — nicht zurückhalten
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
dürfen, neue Techniken auch in ihren Programmen einzusetzen, Kenntnisse über sie zu vermitteln und ihr Angebotsspektrum in Zusammenarbeit mit Programmedien (vor allem im lokalen Raum) zu erweitern. (7) Der Einsatz von Medien darf nicht zu einer Preisgabe des ganzheitlichen Bildungsverständnisses führen, indem vornehmlich kognitive Aspekte des Lernprozesses dem Medium überantwortet werden (Beispiel: Sprachlabor). Besonders Unterrichtstechniken — auch die Einspeisung von Fernsehprogrammen, die Nutzung von Video— und Toncassetten gehören in diesen Bereich individualisierter Lehre — können nur dann auf Dauer fruchtbar werden, wenn sie integriert sind in einen umfassenden personalen Lehr —Lern —Zusammenhang. Darum sollten Bildungssendungen in Radio und Fernsehen in Sozialphasen des Lernens eingebettet werden. Noch einmal: Der Medien verbünd stellt auch unter diesem Aspekt den geeigneten Organisationsrahmen für ein solches Lernarrangement dar. Der Medienverbund bietet die Chance zur Potenzierung der sonst vereinzelt ansetzenden Kräfte im quartären Sektor und eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, den Erwachsenenbildungsektor als einheitlichen Bildungsbereich zusammenzuschließen. Es ist sinnvoll, das Instrument des Medienverbundes nicht nur auf Bundesebene (Funkkolleg, Telekolleg), sondern auch auf der Regional — und Lokalebene zu installieren. Dabei ist es möglich, zentral erstellte Materialien für den Einsatz auf der lokalen und regionalen Ebene zu adaptieren. Dies wiederum ist nur dann möglich, wenn es eine zentrale Materialien— und Dokumentationsstelle gibt, in der Lernmaterialien abrufbar sind. Die Forschungsgruppe empfiehlt die Einrichtung einer für diese Zwecke zu organisierenden Mediothek, entweder als selbstständige Organisation, oder als Abteilung einer Programmedien—Anstalt oder einer Weiterbildungseinrichtung. Auf Dauer muß es nämlich unbefriedigend bleiben, wenn Kursleiter lediglich auf ihre privat angelegten audiovisuellen Archive angewiesen sind. Die beim Einsatz solcher Cassetten herrschende Rechtsunsicherheit gilt es zu beseitigen. Deshalb bedürfen Fragen der sendungsunabhängigen Nutzung von Hörfunk — und Fernsehprogrammen durch gemeinnützige Weiterbildungseinrichtungen endlich einer politischen Klärung. (8) In Hinsicht auf lokalen Rundfunk ist das Dortmunder Fazit zunächst geeignet, skeptisch zu stimmen: Die überwiegende Mehrheit der dortigen Weiterbildungseinrichtungen sieht aufgrund fehlender technischer, personeller und finanzieller Ressourcen keine Chance, sich künftig am lokalen Rundfunk zu beteiligen. Hier muß entschieden werden, ob der exemplarisch erhobene Status quo — dieses Ergebnis gilt sicherlich auch für andere Kommunen! — hingenommen wird,
6.2 Institutionen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung
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oder, wie schon oben empfohlen wurde, alle Anstrengungen gemacht werden, hier längerfristig einen Ausgleich zu schaffen. Dies könnte beispielsweise über die Landesanstalt für Rundfunk geschehen, die Weiterbildungseinrichtungen bestimmte Beträge zur Verfügung stellt, um eigene Leistungen und Beiträge für lokale Programme einzubringen. Da im Augenblick nicht abzuschätzen ist, welche Organisationsformen und — ergebnisse auf Dauer gestellt werden können, empfiehlt die Forschergruppe ein Modellprojekt "Die Beteiligung von Weiterbildungseinrichtungen am lokalen Rundfunk". (9) In Nordrhein —Westfalen hat das Adolf—Grimme—Institut bereits im Kabelpilotprojekt Dortmund Aufgaben der Vermittlung zwischen Rundfunk und Weiterbildung übernommen. Für die hier skizzierten Aufgaben könnten die Kapazitäten und Kompetenzen dieses Instituts herangezogen werden. Für bestimmte Aufgaben ständen auch andere gemeinnützige Vereine und Verbände zur Verfügung, beispielsweise die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, deren satzungsgemäßer Auftrag es ist, die Entwicklung neuer Medien nicht nur sozialverträglich, sondern auch effizient für alle, vor allem auch für benachteiligte Bevölkerungskreise zu machen. (10) Die Entwicklung neuer Programm — Medien und die verstärkte technische Vermittelbarkeit von Lernprozessen und Informationsstrategien erfordert, um unerwünschte Nebenwirkungen einzuschränken, verstärkte Bemühungen im Bereich der Kommunikationspädagogik. Einrichtungen der Erwachsenenund Weiterbildung sind hier besonders gefordert. Indem sie Aktivitäten anregen, unterstützen und begleiten, die sich das Ziel setzen, kommunikative Kompetenzen zu fördern, schaffen sie ein Gegengewicht zum passiven Medienkonsum oder zu indirekten Kommunikationsformen. Dies ist die Dialektik der Beteiligung an neuen technischen Entwicklungen, an Modernisierungsprozessen, deren Preis wir inzwischen kennen: Die Nutzung neuer Möglichkeiten muß einhergehen mit der Sicherung der alten Kommunikationsverfahren, die sich bewährt haben und deren Notwendigkeit von niemand in Zweifel gezogen wird. Direkte Begegnungen von Lehrenden und Lernenden, angemessene Räume, Zonen der Begegnung mit vielfältigen Möglichkeiten — dies alles hat sich bewährt und muß bewahrt werden! Insbesondere die Volkshochschule der Zukunft muß ein Zentrum personaler Kommunikation werden. Sie ist der Ort, an dem Angebote zur freien Entfaltung kommen, zum politischen Engagement, zur Selbstfindung und existentiellen Sinngebung in einer durch die Medien gestalteten Gesellschaft. Gerade die Erfahrung der sozialen Verbundenheit und Gemeinsamkeit mit anderen Kursteilnehmern wird ein starker Anreiz in einer ansonsten weit-
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
gehend fremdbestimmten Gesellschaft sein, das Kommunikationszentrum Volkshochschule aufzusuchen. Wie das Programm "Kultur 90" des Landes Nordrhein—Westfalen gezeigt hat, verfließen auf der praktischen Seite des Angebots — nicht in der amtsmäßig bestimmten 'Zuständigkeit' — zunehmend die Grenzen zwischen Kultur— und Bildungseinrichtungen. Die Volkshochschule kann ein kommunales Kino einrichten (ursprünglich Sache des Kulturamtes?), ebenso, wie sie an Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen etc. teilnehmen kann. Dieser kommunal — kommunikative Bereich ist ebenso wichtig wie eine Expansion des Programmangebots mit kulturellen Akzenten.
6.3
Bildungssrelevante Programmangebote
(1) Die Forschergruppe ist davon ausgegangen, daß für die inhaltliche Ausgestaltung eines Bildungs — und Kulturprogramms Informationen über Interessen und Präferenzen potentieller Nutzer eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellen. Die Programm wünsche der Befragten zeigen eine breite Streuung, die zur Ordnung, Interpretation und Deutung auffordert: 1. Stelle: Informationen über das lokale Bildungs— und Kulturangebot sowie Informationen über verschiedene örtliche Bildungs— und Kultureinrichtungen und ihre Arbeit (in Dortmund: 25,6 %) Politische Informationen über Entwicklungen in der Bundesrepublik 2. Stelle: und in der Welt (in Dortmund: 18,4 %) Anregungen für Hobbys (in Dortmund: 14,4 %) 3. Stelle: Angebote für schulpflichtige Kinder und Jugendliche (in Dort4. Stelle: mund: 12,4 %) 5. Stelle: 6. Stelle: 7. Stelle:
Kulturelle Themen unterschiedlicher Art (in Dortmund: 12,1 %) Möglichkeiten beruflicher Fortbildung (in Dortmund: 9,9 %) Programme zum Selbststudium (in Dortmund: 6,5 %)
Gerade unter Berücksichtigung des beispielsweise in Nordrhein —Westfalen nach § 24,4 LRG vorgesehenen Programmfensters von 15 % nichtkommerzieller Sendezeit bei den sich etablierenden lokalen bzw. regionalen Hörfunksendern ist die ausgeprägte Präferenz der Kabelprojektteilnehmer für Informationen über die jeweiligen örtlichen Bildungs— und Kultureinrichtungen ihre Arbeit und ihr Veranstaltungsangebot, eine wichtige potentielle Bestimmungsgröße für künftige Programmstrukturen (vgl. auch Kapitel 6.4: Lokale Rundfunkveranstaltungen). Insbesondere Themen der Ökologie im Lokalbereich oder lokalgeschichtliche Fragen stoßen zudem auf starkes Interesse, dem in der Programmgestaltung Rechnung getragen werden sollte.
6.3 Bildungsrelevante Programmangebote
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Einige Deutungen und Hinweise, die sich aus dieser Wunschliste nach Meinung der Forschergruppe ergeben: 1. Über die Erörterung von Rangplätzen bestimmter Programmwünsche hinaus gilt es noch eine übergreifende Deutung vorzunehmen. Anhand der Analyse der Befragungsergebnisse haben wir aus der Wunschliste bildungsrelevanter Programmangebote fünf unterschiedliche Programmformen herauskristallisiert. Diese beschreiben verschiedene Formen der Zuwendung zu bildungs— und kulturbezogenen Beiträgen in Hörfunk und Fernsehen, die eine enge Beziehung zu bestimmten sozialstrukturellen Merkmalen der Nutzer aufweisen. Programmform 1: Information Diese Programmform wird vor allem von Personen gewünscht, die aktiv am sozial — kulturellen Leben ihrer Gemeinde teilnehmen möchten und deshalb an weitergehenden, auch allgemeine gesellschaftliche Fragen einbeziehenden Informationen interessiert sind. Programmform 2: Hobby Hobby Sendungen, die durchaus bildende Gehalte haben, werden vor allen Dingen von Personen gewünscht, deren Bildungs— und Berufsstatus nicht allzu hoch ist und die in der Regel auch nicht zu den Weiterbildungsaktiven zählen. Programmform 3: Kaleidoskop Eine große, sozialdemographisch nicht besonders konturierte Mehrheit der Bevölkerung zeichnet sich durch ihre prinzipielle Offenheit gegenüber interessanten kaleidoskopartigen Programmangeboten aus, die situative Befindlichkeiten und Stimmungen zu befriedigen vermögen. Programmform 4: Schulfunk und —fernsehen Diese klassische Form des Bildungsprogramms wünschen sich vornehmlich Eltern und Lehrer als 'Bildungsbeihilfe' für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Programmform 5: Weiterbildungsfunk und —fernsehen Eine kleine, durch Status und Stellung im Lebenszyklus herausgehobene Gruppe, die zu den Weiterbildungsaktiven gehört, ist an Beiträgen in Form von Kurs— und Lernprogrammen interessiert.
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6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
2. Es gibt heute relevante Bevölkerungsgruppen, die zwar an individueller Bildung interessiert sind, die aber keine Weiterbildungseinrichtungen aufsuchen. Diesen Menschen ein vielfältiges, die herausgearbeiteten Programm formen umfassendes Bildungs— und Kulturangebot in Hörfunk und Fernsehen zu unterbreiten, könnte zentrale Aufgabe entsprechender Spartenkanäle sein. Diese hätten in ihrer Programmgestaltung und Präsentation die genannten Untergruppen zu beachten. 3. Insgesamt zeigt sich eine sicherlich positiv zu bewertende prinzipielle Offenheit der Bevölkerung: Sie ist durchaus neugierig, und dies in mannigfacher Form. Das Stichwort 'Kaleidoskop' will dies andeuten. In der Programmgestaltung sollte stärker als bisher auf diese Neugier Rücksicht genommen werden. 4. Daß auch Kinder und Jugendliche als spezifische Adressaten von Bildungs — und Kultursendungen gesehen werden, liegt auf der Hand. Würde dies stärker berücksichtigt, wären Eltern (und Lehrer) nicht nur ein wenig von dem Problem entlastet, das Nutzen von Medien eher als Bildungsproblem denn als 'Bildungsbeihilfe' zu sehen, sondern es könnten auch Kooperationsformen neu belebt werden, die derzeit eher darniederliegen. 5. Daß berufliche Fortbildung hier weiter unten steht, darf nicht so interpretiert werden, als stehe dies im Widerspruch zur prinzipiellen Spitzenstellung dieses Bereichs. Es scheint nur so zu sein, daß dieses Lernfeld eher durch direkte Lernerfahrungen in Weiterbildungseinrichtungen abgedeckt wird, jedenfalls bisher und nach dem Urteil einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung. An dieser Stelle ist zu fragen, welche Aufgaben im wichtigen Bereich beruflicher Weiterbildung die Medien übernehmen könnten. Offenbar besitzen sie hier in besonderer Weise eine Marginalstellung. (2) Intensivnutzer von Bildungsprogrammen haben sich für separate Bildungs— und Kulturkanäle ausgesprochen. Für sie war dies völlig unstrittig. Die Mehrzahl der in Dortmund Befragten sprachen sich für einen Bildungskanal im Fernsehen aus, hielten ihn aber im Radio für nicht so wichtig. Dieses Ergebnis führt in die schwierige, noch nicht abgeschlossene Debatte: Soll Bildung überall verstreut angeboten werden oder gebündelt. Die Argumente Pro und Contra sind bekannt: Für die 'Auflösung' von Bildungselementen in das allgemeine Programm spricht, daß sie auf diese Weise am ehesten unprätentiös
6.3 Bildungssrelevante Programmangebote
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(und damit nicht angstmachend) viele Bevölkerungskreise erreichen. Bildungselemente könnten auch in Unterhaltungssendungen untergebracht werden und hätten so eine 'Verpackung', die weite Bevölkerungskreise anspricht — unter anderem gerade diejenigen, die sonst Bildungsbarrieren schwer überwinden. Für spezielle Programme spricht das eindeutigere Profil, der Wunsch vieler Medien—Nutzer und vor allem: auf diese Weise wird für diesen Bereich wenigstens ein Programmangebot gesichert. Es besteht ja die Gefahr, daß die Auflösung von Bildung im allgemeinen Programm diese schließlich verschwinden läßt. Es geht also nicht nur um Präsentationsformen, sondern auch um die grundsätzliche Frage: Wie weit können Aufgaben und Profile der Bildung so 'verallgemeinert' werden, daß sie als Spezifikum nicht mehr zu erkennen sind? Die Forschergruppe hat, auch aufgrund ihrer Ergebnisse, hier ein eindeutiges Votum: Ein weiterer Programm — Qualitätsverlust in öffentlich — rechtlichen Anstalten ist ebensowenig hinzunehmen wie die Gefahr, daß die privaten Sender das Element 'Bildung' allenfalls in Deklarationen, aber nicht im realen Programm haben. Alle empirischen Daten deuten einwandfrei darauf hin, daß hier ein problematischer Verdünnungsprozeß eingesetzt hat, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Daher fordert die Forschergruppe zum einen strenge Programmkontrollen allgemeiner, auch der zukünftigen Lokal—Programme in Hinsicht auf die Berücksichtigung des Bereiches von Bildung und Kultur. Davon abgesehen ist die Forschergruppe der begründeten Meinung, daß spezielle Bildungs— und Kulturspartenkanäle angeboten werden müßten. Dies einmal auf nationaler Ebene; es lassen sich dann auch auf Bundesländerebene Kommunikationsräume begrenzter Organisationsformen denken, und schließlich hat der Lokalfunk hier eine wesentliche Aufgabe, die einzig geeignet ist, ihm ein eigenes Profil zu geben. Die Untersuchung hat deutlich gezeigt: Wer spezifische Bildungsprogramme (wie auch immer gestaltet und angeboten) nutzt, akzeptiert diese auch! Die Forschergruppe geht soweit, hier die Forderung zu erheben, daß das Angebot seinen Lenkungsanspruch (in Hinsicht auf Interessenzentrierung und Aufmerksamkeit der Nutzer) stärker akzentuieren muß! (3) Wichtige Entscheidungen über die Organisation der Medienzukunft fallen heute auf der europäischen Ebene. Ein zunehmend vereintes Europa muß auch kulturell und im Sektor der Bildung seinen Anspruch und seine Traditionen pflegen. Ein europäischer 'Chanel four' ist ebenso als selbstverständlich zu fordern wie weitere Formen kulturellen Programmaustausches. Das Medium Reisen beispielsweise hat sich bisher nicht durchweg derart bewährt, daß hier kulturelle Verschiedenheit wahrgenommen, kulturelle Gemeinsamkeiten erlebt werden. Der
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Massentourismus führt vielmehr zu einer Vergleichgültigung und Egalisierung von Kultur— und Bildungsinteressen. Hier haben die Medien die wichtige Aufgabe, stützend einzugreifen und Gesamt — Europa nicht nur als Mainstream—Pop—Raum erscheinen zu lassen, sondern als eine differenzierte, aber kulturell auch integrierte Lebenswelt, die ihre bewährten humanen und künstlerischen Traditionen pflegt und für sie begeistert. Diese Gestaltungsaufgaben von europäischer Reichweite konnten im Dortmunder Modellversuch natürlich nicht bearbeitet werden; sie drängen sich aber gerade deshalb auf, weil der Lokalisierung und Regionalisierung die Europäisierung in dialektischer Vermittlung entspricht.
6.4
Lokale Rundfunkveranstaltungen
(1) Es besteht kein Zweifel, daß der künftig mögliche und sicher — in welcher Form auch immer — realisierte lokale Rundfunk gerade in Hinsicht auf Weiterbildung und Weiterbildungseinrichtungen ein wichtiger Kooperationspartner ist. Als unbezweifelbar vorauszusetzen ist auch, daß beide Institutionen — die lokalen Medien und die Weiterbildungs — wie Kultureinrichtungen — von einer Kooperation erheblich profitieren in Hinsicht auf Programmqualität, Bürgernähe, gemeinsame Erfüllung eines öffentlichen Auftrags, etc. Wenn der lokale Rundfunk der aktiven Mitgestaltung durch die Erwachsenenbildung bedarf, sollten die Weiterbildungseinrichtungen entsprechend auch darum bemüht sein, an der Ausgestaltung der lokalen audiovisuellen Medien mitzuwirken, um den kulturellen Auftrag des Rundfunks stets aufs Neue einzuklagen. Auf die Bildungsvermittlungs — und Organisationsformen der Erwachsenenbildung kann dabei nicht verzichtet werden. (2) Es reicht für die eben skizzierten Zwecke einer förderlichen Kooperation jedoch nicht aus, den Weiterbildungseinrichtungen lediglich formal die gesetzliche Möglichkeit zu geben, sich am lokalen Rundfunk zu beteiligen (vgl. beispielsweise in Nordrhein — Westfalen LRG § 24,4). Gleichzeitig müssen auch die personellen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für ein Engagement im lokalen Rundfunk geschaffen werden, da sie nur bei den wenigsten Weiterbildungseinrichtungen zu finden sind. Der Weiterbildungsbereich bedarf also eines Unterstützungsprogramms, das beispielsweise Programmedien —Anstalten entwerfen könnten. Zunächst wäre in den einzelnen Kommunikationsräumen/Kommunen festzustellen, welche Weiterbildungseinrichtungen mit welchen technischen Aus-
6 . 4 Lokale Rundfunkveranstaltungen
289
stattungen aufwarten können. Da es nicht finanzierbar ist, alle unterschiedlichen Weiterbildungseinrichtungen 'sendefahig' zu machen, ist hier ein kooperatives Konzept auch unter den Weiterbildungseinrichtungen selbst zu entwickeln. Auf jeden Fall muß für jede Einrichtung, sofern sie Interessen artikuliert und Vorschläge ausgearbeitet hat, die prinzipielle Möglichkeit bestehen, dann auch Konzepte und Ideen in Programmrealität umzusetzen. Noch einmal ist darauf hinzuweisen, daß dies in zweierlei Weise geschehen kann. Am wesentlichsten ist wohl, wenn Weiterbildungseinrichtungen ihre Aufgabe darin sehen, ihren Teilnehmern und unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen das Know-how zu vermitteln, um sendefahige Produkte zu erstellen. Darüber hinaus sollten die Weiterbildungseinrichtungen aber auch die Möglichkeit haben, in Zusammenarbeit mit den Programmträgern auf sich aufmerksam zu machen, um auf diese Weise Bildungswerbung zu betreiben. Die Entwicklung von Modellkonzepten ist hier ebenso notwendig wie die Durchführung von Modellversuchen, in denen die Zusammenarbeit gerade im bildenden und kulturellen Bereich kritisch begleitet, interpretiert, evaluiert und implementiert wird. (3) Ein Engagement der Weiterbildung im lokalen Rundfunk setzt voraus, daß die haupt— und nebenamtlichen pädagogischen Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung die an sie gestellten Anforderungen auch erfüllen können. Darum ist eine intensive Mitarbeiterfortbildung und Mitarbeiterqualifizierung notwendig. Hierzu zählt 1. ein Angebot für alle Mitarbeiter der Erwachsenenbildung zur allgemeinen Information über Funktionen, Leistungen und Folgen der Neuen Medien; 2. das Angebot einer Zusatzqualifikation für Erwachsenenpädagogen, die die Neuen Medien didaktisch nutzen wollen; 3. ein auf Neue Medien bezogenes medienpädagogisches Training; 4. die Vermittlung von Fertigkeiten in der publikumswirksamen, journalistischen Aufbereitung von Themen. Hier ist zu entscheiden, ob der Weiterbildungssektor diesen Bereich selbst organisiert, oder ob über sonst zuständige Einrichtungen entsprechende Fortbildungsangebote ermöglicht werden. (4) Eine Möglichkeit, die Kluft zwischen den großen, in der Medienarbeit bereits aktiven Weiterbildungseinrichtungen, und den kleinen und mittleren Erwachsenenbildungsinstitutionen, die nicht in der Lage sind, eine entsprechende Arbeit zu leisten, nicht größer werden zu lassen, besteht in der Einrichtung von " o f f e n e n Radiowerkstätten", die allen anerkannten Weiterbildungseinrichtungen und Gruppen, die im kulturellen und bildenden Bereich Angebote vorbereiten, zur Verfü-
290
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
gung stehen. Die Resultate (die Produktionsergebnisse) können im übrigen nach dem besonders interessanten Modell des derzeitigen (Stand: 1990) Landesmediengesetzes NRW in zweierlei Hinsicht öffentlich gemacht werden: — über den 'Offenen Kanal' als Public —Access —Channel, der Individuen und Gruppen ohne darüber stehende redaktionelle Verantwortung zur Verfügung steht, — über Beiträge nach der 15%—Klausel im allgemeinen Lokalprogramm, für das eine Veranstaltergemeinschaft verantwortlich ist. Schließlich ist denkbar, daß die 15%—Quote überzogen wird, oder die Veranstaltergemeinschaft selbst in ihrem Programm weitere Zeiten zur Verfügung stellt; dies ist am ehesten für Produktionen zu erwarten, die an eine breitere Hörerschaft adressiert sind und ihrer Form nach auch erwarten lassen, daß sie wirklich erreicht wird. (5)
Entscheidend ist die Vernetzung unterschiedlicher Maßnahmen, um Doppelarbeit und Doppelinvestitionen kulturellen
Ressourcen
der
zu vermeiden
und die bildungsbezogenen
Kommunikationsräume
wirklich
zweckmäßig
erschließen und fruchtbar zu machen. Erforderlich ist eine verstärkte
und zu
Verzah-
nung der Erwachsenenbildung mit kulturellen Einrichtungen in der Stadt bzw. in der Region. Denn einzelne Einrichtungen sind oftmals finanziell, organisatorisch, personell und technisch überfordert, die immer komplexer werdenden, oftmals auch neuen Aufgaben zu erfüllen. Deshalb sind neue
Kooperationsformen zwischen
Weiterbildungseinrichtungen,
kommunalen/regionalen Kultureinrichtungen sowie sonstigen nicht kommerziell orientierten Vereinigungen und Organisationen zu erproben. Im Hinblick auf die Erstellung
eines
gemeinsamen
lokalen
Bildungsprogramms
in
Hörfunk
und
Fernsehen gilt es, Konzepte von Anbietergemeinschaften aller an Bildung und Kultur interessierten Organisationen,
Gruppen und Individuen mit Leben zu
erfüllen. Es sind neue, über den bisher bekannten Medien verbünd hinausgehende Formen der Zusammenarbeit zu suchen, die auf ein Verbundsystem Bildung"
"Kultur und
in den Kommunikationsräumen abzielt. Schließlich ist dabei durchaus
daran zu denken, ob und welche Formen von Sponsoring möglich wären, falls finanzielle Engpässe entstehen, die weder durch Hilfen der Programmedien — Anstalten noch durch Umverteilungen in den lokalen bzw. regionalen Haushalten zu überwinden sind. Die Programm —Autonomie der kulturellen Anbieter oder der Anbieter aus dem Bildungsbereich darf hiervon jedoch nicht betroffen werden. Die Landesrundfunkanstalt sollte die geeigneten Instrumente schaffen, um die
6.5 Empfehlungen für die Weiterbildung
291
inhaltliche Unabhängigkeit der Verbundsysteme im Sektor Bildung und Kultur zu sichern. Im folgenden werden die gegebenen "Empfehlungen" — der Übersicht wegen — aus dem Argumentationsrahmen herausgelöst und nach Adressatengruppen geordnet.
6.5
Empfehlungen für die Weiterbildung
(1) Die Entwicklung neuer Programm — Medien und die verstärkte technische Vermittelbarkeit von Lernprozessen und Informationsstrategien erfordert, um unerwünschte Nebenwirkungen einzuschränken, intensive Bemühungen im Bereich der Kommunikationspädagogik. Einrichtungen der Erwachsenen— und Weiterbildung sind hier besonders gefordert. Indem sie Aktivitäten anregen, unterstützen und begleiten, die sich das Ziel setzen, kommunikative Kompetenzen zu fördern, schaffen sie ein Gegengewicht zum passiven Medienkonsum oder zu indirekten Kommunikationsformen. (2) Um die Kluft zwischen einer weiterbildungsabstinenten Mehrheit der Bevölkerung, die die neuen Medienangebote lediglich zu ihrer Unterhaltung nutzt, und einer Minderheit von weiterbildungsaktiven Personen, die das wachsende Medienangebot sinnvoll in den eigenen Lebenszusammenhang einzubringen vermag, nicht noch größer werden zu lassen, sind die Weiterbildungseinrichtungen herausgefordert, wohnortnahe Bildungsangebote zu unterbreiten, die einen hohen Freizeitwert aufweisen und den Bedürfnissen der Menschen nach Aktivität, Spontanität und sozialen Kontakten entgegenkommen. (3) Ein Engagement der Weiterbildung im lokalen Rundfunk setzt voraus, daß die haupt— und nebenamtlichen pädagogischen Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung die an sie gestellten Anforderungen auch erfüllen können. Darum ist eine intensive Mitarbeiterfortbildung und Mitarbeiterqualifizierung notwendig. Hierzu zählt 1. ein Angebot für alle Mitarbeiter der Erwchsenenbildung zur allgemeinen Information über Funktionen, Leistungen und Folgen der Neuen Medien; 2. das Angebot einer Zusatzqualifikation für Erwachsenenpädagogen, die die Neuen Medien didaktisch nutzen wollen; 3. ein auf Neue Medien bezogenes medienpädagogisches Training; 4. die Vermittlung von Fertigkeiten in der publikumswirksamen, journalistischen Aufbereitung von Themen.
292
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
(4) Damit die Kluft zwischen den großen in der Medienarbeit aktiven Weiterbildungseinrichtungen und den kleinen und mittleren Erwachsenenbildungsinstitutionen, die nicht in der Lage sind, eine entsprechende Arbeit zu leisten, nicht noch größer wird, empfehlen wir die Einrichtung von "offenen Radiowerkstätten", die allen anerkannten Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung stehen. (5) Insbesondere auf Weiterbildungsveranstaltungen, die neue Informations — und Kommunikationstechniken zum Gegenstand der Betrachtung machen, ist der beispielsweise in § 4 des Weiterbildungsgesetzes von Nordrhein — Westfalen verankerte Grundsatz der 'Einheit der Bildung' anzuwenden, d.h. diesen Kursen und Seminaren sollte ein ganzheitlicher Bildungsansatz zugrunde liegen. Will man Menschen zum aktiven, gestalterischen Umgang mit Neuen Medien resp. deren Angeboten befähigen, so reicht es nicht aus, ihnen technisches Wissen zu vermitteln; darüber hinaus gilt es auch zu thematisieren, was die neuen Techniken insgesamt für den Alltag des Menschen, seine Primärerfahrung und seine persönlichen Kontakte bedeuten. Wir empfehlen deshalb verstärkt Ansätze einer integrierten Weiterbildung zu erproben, die humane, politische, handwerklich — fachliche, kreative und kommunikative Fähigkeiten vermittelt. (6) Angesichts der wachsenden Bedeutung neuer Medientechniken für den Alltag der Menschen wird es zukünftig in der Weiterbildung darauf ankommen, das komplexe Zusammenspiel von organisiertem und nichtorganisiertem Lernen stärker zu beachten. Die 'Adressaten' oder 'Nutzer' von Bildungsangeboten der Medien jedweder Art sind einer Komplexität sehr differenter Informationen und Informationskanäle ausgesetzt. Die Vernetzung von Erfahrungs — Lernen im Alltag, Lernen über Programm—Medien und Lernen in Weiterbildungsinstitutionen sollte deshalb stärker als bisher betrieben werden, weil nur so eine Abspaltung differenter Lernräume verhindert werden kann.
6.6
Empfehlungen für Veranstalter von Rundfunkprogrammen
(1) In den audiovisuellen Lokalmedien sollten verstärkt Beiträge zur Bildungsinformation und Bildungsanimation ausgestrahlt werden. Hierzu gehört es bspw. Informationen über das örtliche Bildungsangebot zu geben, Weiterbildungseinrichtungen vorzustellen und Einblicke in deren Bildungsarbeit zu vermitteln, um so einen Beitrag zur Überwindung von Bildungsbarrieren bei der Bevölkerung zu leisten.
6.7 Empfehlungen zur Kooperation
293
(2) Das Image von Radio und Fernsehen ist vorrangig geprägt durch Informations —, Unterhaltungs — und (neuerdings) Servicefunktionen. Nur eine Minderheit nutzt diese beiden Medien auch für Bildungszwecke. Die Rundfunkanstalten sollten deshalb bemüht sein, ihr Anspruchsniveau zu erhöhen und ihr Dimensionsspektrum zu erweitern. In diesem Zusammenhang wird die verstärkte Berücksichtigung von Sendungen empfohlen, die auch intentionale Lernprozesse zulassen — nicht zuletzt darum, weil die Programm — Medien mit ihrem allgemeinen und öffentlichen Zugang einen wichtigen Beitrag leisten können, Bildungsdiskrepanzen und Informationsdefizite auszugleichen. (3) Neben einer verstärkten Präsens der Sparten "Bildung" und "Kultur" in massenattraktiven Programmen sind spezielle Spartenkanäle für Bildung und Kultur als Zielgruppenprogramme unverzichtbar. Überall dort, wo vielkanalige Kabelverteilungssysteme aufgebaut werden, gilt es, Sendeplätze für Bildungs— und Kulturkanäle bereitzuhalten. Solche Spartenkanäle sollten einen nationalen bzw. internationalen Zuschnitt haben; aber auch regionale bzw. lokale Fensterprogramme für Bildung und Kultur sollten in ihnen ihren Platz finden. (4) Es gilt, die Zielgruppen von Bildungsprogrammen zu erweitem. Dies kann geschehen durch 1. gute Programmankündigungen in den Programm — Magazinen (hier werden Bildungsbeiträge so gut wie nicht beachtet, besonders im Hörfunk!), 2. wiederholte Programmhinweise auf Bildungsprogramme in den massenattraktiven Programmen, auch mit 'Programmkostproben', 3. die Zusammenarbeit mit Weiterbildungseinrichtungen, Kulturämtern und allen Institutionen, die für den Bildungsbereich Verantwortung tragen sowie 4. die frühe Einübung in die Nutzung von Bildungsprogrammen schon an den Schulen.
6.7
Empfehlungen zur Kooperation von Weiterbildungseinrichtungen und Rundfunkanstalten (insbesondere lokaler Rundfunk)
(1) Der lokale Rundfunk bedarf der aktiven Mitgestaltung durch die Erwachsenenbildung. Die Weiterbildungseinrichtungen sollten darum bemüht sein, an der Ausgestaltung der lokalen audiovisuellen Medien mitzuwirken, um den "kulturellen Auftrag" des Rundfunks stets aufs Neue einzuklagen. Auf die "traditionellen" Bildungsvermittlungs — und Organisationsformen der unterschiedlichen Träger der Erwachsenenbildung mit ihrem weitgespannten Auftrag, Beiträge zur politi-
294
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
sehen, beruflichen und allgemeinen Bildung zu leisten, darf dabei nicht verzichtet werden. (2) Um die ihm zugedachte Rolle im lokalen Rundfunk ausfüllen zu können, sollte der quartäre Bildungssektor ein effektives Verbundsystem der am lokalen Rundfunk interesssierten Institutionen organisieren. (3) Um ein qualitativ hochwertiges Programmangebot in speziellen Bildungs— und Kulturkanälen sicherzustellen, bedarf es sowohl eines Zusammenwirkens verschiedener Rundfunkanstalten untereinander als auch einer Kooperation von Rundfunkanstalten mit Bildungs— und Kulturinstitutionen; dies macht es u.E. erforderlich, neue Formen des Medienverbundes zu erproben. Neben dem klassischen Medienverbund — Programm sollten flexiblere Formen der Stützung, Ergänzung und Vertiefung allgemeiner Medienproduktionen von besonderer Bildungsrelevanz ausprobiert werden, die unterschiedliche Präsentationsformen sowie verschiedene Produktionsquellen integrieren und deren Produkte eine fakultative Verwendung ihrer Bestandteile ermöglichen. Bspw. könnte das Anregungspotential von bildungsrelevanten Medienangeboten verstärkt werden, indem auf bestimmte weitere Sendungen sowie — dieses ist insbesondere im Lokalbereich möglich — auf das Thema ergänzende Veranstaltungen von Weiterbildungsinstitutionen hingewiesen wird (vgl. hierzu Strittmatter 1988). (4) Das Stichwort "Bildungsanimation" müßte dringend zwischen Weiterbildungseinrichtungen und Rundfunkanstalten in institutioneller Kooperation ausgearbeitet werden. (5) Rundfunkanstalten und Weiterbildungseinrichtungen sollten künftig auch auf regionaler bzw. lokaler Ebene noch stärker miteinander kooperieren, um über eine wechselseitige Stützung ihrer Bildungsangebote zu einer erhöhten Akzeptanz der Weiterbildung in der Bevölkerung beizutragen. (6)
Um die Bildungsfunktion der Medien langfristig wieder zu stärken, gilt es, medienbezogene, medien — integrierte Lernstrategien zu unterstützen; dies sollte in Zusammenarbeit und Absprache mit Einrichtungen geschehen, die ohnehin im Bildungsbereich tätig sind.
(7) Es ist sinnvoll, das Instrument des Medienverbundes nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf der Regional— und Lokalebene zu installieren. Dabei ist es möglich, zentral erstellte Materialien für den Einsatz auf der lokalen und regio-
6.8 Empfehlungen für den Gesetzgeber
295
nalen Ebene zu adaptieren. Dies wiederum ist nur dann möglich, wenn es eine zentrale Materialien— und Dokumentationsstelle gibt, in der Lehr— und Lernmaterialien abrufbar sind. Deshalb wird die Einrichtung einer für diese Zwecke zu organisierenden Mediothek empfohlen, entweder als selbständige Organisation, oder als Abteilung einer Programmedien — Anstalt oder einer Weiterbildungseinrichtung. (8)
Um Doppelarbeit und Doppelinvestitionen zu vermeiden und die bildungsbezogenen und kulturellen Ressourcen der Kommunikationsräume wirklich zweckmäßig zu erschließen und fruchtbar zu machen, ist eine verstärkte Verzahnung der Erwachsenenbildung mit kulturellen Einrichtungen in der Stadt bzw. in der Region erforderlich. Denn einzelne Einrichtungen sind oftmals finanziell, organisatorisch, personell und technisch überfordert, die immer komplexer werdenden, oftmals auch neuen Aufgaben zu erfüllen. Deshalb sind neue Kooperationsformen zwischen Weiterbildungseinrichtungen, kommunalen/regionalen Kultureinrichtungen sowie sonstigen nicht kommerziell orientierten Vereinigungen und Organisationen zu erproben.
(9)
Im Hinblick auf die Erstellung eines gemeinsamen lokalen Bildungsprogramms in Hörfunk und Fernsehen gilt es, Konzepte von Anbietergemeinschaften aller an Bildung und Kultur interessierten Organisationen, Gruppen und Individuen mit Leben zu erfüllen. Es sind neue, über den bisher bekannten Medien verbünd hinausgehende Formen der Zusammenarbeit zu suchen, die auf ein Verbundsystem "Kultur und Bildung" in den Kommunikationsräumen abzielen.
6.8
Empfehlungen für den Gesetzgeber
(1) Es reicht nicht aus, den Weiterbildungseinrichtungen die gesetzliche Möglichkeit zu geben, sich am lokalen Rundfunk zu beteiligen (beispielsweise § 24,4 LRG); gleichzeitig müssen auch die personellen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für ein Engagement im lokalen Rundfunk geschaffen werden. Hierfür sind bisher in keinem Bundesland Konzepte entwickelt worden. (2) Private Anbieter von lokalem Rundfunk dürfen nicht aus ihrer Verantwortung für die Programmsparten Bildung und Kultur entlassen werden. Am Beispiel des für diesen Bereich grundsätzlich offenen LRG Nordrhein — Westfalen schlagen wir folgende Veränderungen vor:
296
6 Perspekiven, Aufgaben und Empfehlungen
a) Den in § 24,4 LRG beschriebenen Gruppen und Institutionen sollten die Produktionshilfen
der
Veranstaltergemeinschaft
kostenlos
zur
Verfügung
gestellt werden. b) Die Veranstaltergemeinschaft sollte verpflichtet werden, eigene Anteile von Bildung und Kultur zu produzieren. c) Es müßte gewährleistet sein, daß die im Rahmen der 15 %— Regelung entstehenden Beiträge gute Sendeplätze erhalten.
6.9 (1)
Empfehlungen für weitere Forschungen Da die Forschung bis heute nicht präzise angeben kann, welche Einschnitte, kritischen Lebensereignisse oder strukturellen Lebenslaufelemente die Veränderung von Bildungsinteressen beeinflussen, wird dringend empfohlen, weitergehende Längschnittuntersuchungen
an einer möglichst breiten, nach Status, Ge-
schlecht und Alter differenzierten Population durchzuführen. Denn erst in ihnen kann ausgemacht werden, ob Bildungsinteressen in den allgemeinen Habitus einer Person eingehen oder im Lebenszyklus unter bestimmten Umständen 'abgeworfen' werden. (2)
Da im Augenblick nicht abzuschätzen ist, welche Formen einer Beteiligung der Weiterbildung am lokalen Rundfunk auf Dauer gestellt werden können, empfiehlt die Forschergruppe ein Modellprojekt
"Die Beteiligung von Weiterbildungsein-
richtungen am lokalen Rundfunk". Die Entwicklung von Modellkonzepten ist hier ebenso notwendig wie die Durchführung von Versuchen, in denen die Zusammenarbeit gerade im bildenden und kulturellen Bereich kritisch begleitet, interpretiert, evaluiert und implementiert wird. (3) Programm — Medien leiden unter einem Akzeptanzverlust
als Bildungsinstitu-
tionen; den Ursachen und Gründen hierfür sollte in weiteren Forschungsprojekten nachgegangen werden. (4)
Hinsichtlich
der inhaltlichen
Bestimmung
des Programmauftrages
"Bildung"
herrscht bei den Verantwortlichen in den Rundfunkanstalten weitgehend Unklarheit. Im Unterschied zum Bildungsbegriff lassen sich über den Lernbegriff Beeinflussungs — und Wirkungskonzepte
möglicherweise
insofern
besser
er-
schliessen, weil hier die aktive Teilhabe des Lernenden mitgedacht wird. Die Forschungsgruppe empfiehlt deshalb eine stärker an Lernprozessen orientierte
Wirkungsforschung.
6.9 Empfehlungen für weitere Forschungen
297
(5) Bildungsberatung und Kommunikationsberatung können heute an Programm — Medien, ihren Angeboten und Möglichkeiten nicht vorbeigehen. Hier besteht ein empfindlicher Informations— und Nachholbedarf. In Zusammenarbeit mit den Programmedienanstalten sind auch hierfür Modell — Programme auszuarbeiten.
7 1)
Anmerkungen Dazu ist das entsprechende Magnetband der GfK kopiert und auf dem Großrechner des hiesigen Hochschulrechenzentrums abgespeichert worden. Um dieses Teilziel zu erreichen, mußten eine Reihe von ganz erheblichen Problemen gelöst werden, da die Daten auf dem Band binär kodiert waren und erst in alphanumerische Dateien umgewandelt werden mußten. So ist erst aufgrund mehrerer Nachfragen bei der GfK deutlich geworden, daß es sich um Binärdaten (column binary data) handelte. Beim Versand des Magnetbandes wäre eine entsprechende Kennzeichnung sehr hilfreich gewesen. Von den Bedürfnissen einer sekundäranalytischen Auswertung her gesehen, ist eine Speicherung der Interviewdaten in einem verschlüsselten Dezimalcode (EBCDIC=Extended Binary Coded Decimal Interchange Code) einer reinen Binärcodierung allemal vorzuziehen. Des weiteren ist die Kodierung der vorgegebenen Auswahlantworten des Fragebogens bei der GfK auf eine sehr komplizierte Art und Weise erfolgt. Nach erfolgter Umwandlung in alphanumerische Daten sind sie in Arbeitsdateien (Files) gegliedert worden, um die vorliegenden Daten der Nullmessung mit Hilfe des Statistik — Programmpakets SPSS auf dem IBM-kompatiblen Großrechner COMPAREX 7/75 im Hochschulrechenzentrum der Universität Bielefeld analysieren zu können. Hierzu mußten die folgenden Arbeitsschritte realisiert werden: Definition der einzulesenden Variablen der verschiedenen Arbeitsdateien einschließlich ihrer Formatierung, die Generierung von Variablen— und Werteetiketten für die verschiedenen Ausprägungen der einzelnen Variablen, die Spezifizierung fehlender Werte im Datenmaterial sowie die Recodierung, Zusammenfassung und Berechnung ausgewählter Variablen. In einem nächsten Schritt wurden Unterdateien (Subfiles) aufgrund bestimmter Merkmale — wie etwa Alter, Geschlecht, Schulbildung oder Einkommen — mit Hilfe der SPSS — Prozedur SELECT IF gebildet. Insgesamt sind 773 Variablen in SPSS —interner Darstellung erzeugt worden. Da die Befragtenstichprobe 1037 Fälle umfaßt, bestand die für unsere Sekundäranalyse erzeugte Basisdatei aus insgesamt 1037*773 = 801601 Werten, die zudem häufig noch mehrstellig kodiert waren. Allein diese Größe der Ausgangsdatei führte bei den nachfolgenden statistischen Analysen dazu, daß sie nicht als ganze unter dem Großrechnerbetriebssystem VM/S ( = Virtual Maschine/System) verarbeitet wurde. Vielmehr mußten die je nach den verschiedenen Fragestellungen relevanten Variablen in Form von Teildateien stückweise von der Magnetplatte in den Arbeitsspeicher eingelesen und anschließend zusammengekoppelt werden; so wurden etwa die mehr am Anfang der Datei stehende Variable V 95 ( = Fortbildungsaktivitäten) mit den fast am Ende liegenden Merkmalen V 712 ( = Geschlecht), V 713 ( = Alter) oder V 726 ( = eigenes Einkommen) zu einem Datensatz montiert, um entsprechende Korrelationen berechnen zu können. Durch dieses Vorgehen war es möglich, allen sekundäranalytischen Fragestellungen unter dem Gesichtspunkt der Großrechner — gestützten Datenauswertung ohne jegliche Einschränkung nachzugehen. Zu Beginn der eigentlichen statistischen Sekundäranalyse wurden von uns mit Hilfe der SPSS — Prozedur FREQUENCIES Häufigkeitsverteilungen über die einzelnen Ausprägungen (Kategorien) der Variablen errechnet. Die Inspektion der absoluten und relativen Häufigkeiten über die Merkmalsausprägungen ergab, daß bei einigen Variablen nicht oder nur schwach besetzte Kategorien entweder weggelassen oder mit anderen inhaltlich nahestehenden Merkmalsklassen zusammengefaßt werden mußten, um zum einen im Hinblick auf die sich daran anschließenden Kreuztabellenanalyse, die Voraussetzungen für die Anwendung des statistischen Prüfmodells zu erfüllen und um zum anderen zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen.
300
2)
7 Anmerkungen
Die in den Hypothesen behaupteten Korrelationen zwischen ausgewählten Variablen haben wir in die Befehlssprache von S P S S umgesetzt und mit Hilfe der Prozedur C R O S S T A B S überprüft. Dieses Auswertungsprogramm liefert zwei— bis zehndimensionale Häufigkeitsverteilungen
in
Form von Kreuztabellen (Kontigenztafeln). Neben den absoluten Häufigkeiten haben wir für jede einzelne Zelle einer Kreuztabelle die relativen Häufigkeiten (Prozentwerte) bezogen auf die jeweilige Zeilensumme, auf die Spaltensumme und bezogen auf den gesamten Stichprobenumfang
(die gesamte Tabelle)
Assoziationsmaßen,
berechnet.
die die Enge
des
Außerdem errechnet Zusammenhangs
CROSSTABS
zwischen
zwei
eine Reihe
Variablen
von
angeben.
Schließlich haben wir mittels jener Prozedur Signifikanztests durchgeführt, die überprüfen, ob der festgestellte Zusammenhang als statistisch bedeutsam angesehen werden darf. In diesem Fall läßt sich eine im empirischen Datenmaterial gefundene Korrelation nicht mehr durch Zufallseinflüsse erklären, sondern es dürfen systematische Effekte im Sinne einer einseitigen (Variable A beeinflußt Variable B), wechselseitigen (A und B beeinflussen sich interaktiv) oder drittseitigen Steuerung (Variable C beeinflußt sowohl A als auch B ) angenommen werden. 3)
Um die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse für den Leser besser nachvollziehbar und damit auch diskutierbarer zu machen, haben wir für diese signifikante Beziehung aus einer empirisch—statistischen Perspektive heraus eine relativ ausführliche Interpretation im Sinne eines Musterbeispiels vorgelegt, die unsere Argumentationsweise verdeutlichen soll. Die errechnete Irrtumswahrscheinlichkeit von p = 0 . 0 0 1 3 entspricht — statistisch gesehen — einem hochsignifikanten Zusammenhang zwischen den beiden Variablen, der sich mit Hilfe des folgenden Gedankenexperiments
veranschaulichen
läßt: Wenn man unabhängig
voneinander
10 0 0 0
weitere
Stichproben von Befragten ziehen würde, also entsprechend viele empirische Untersuchungen realisieren könnte, dann ergäbe sich in 9 987 Stichproben ebenfalls die obige
signifikante
Beziehung zwischen den beiden Variablen, und nur in 13 Untersuchungen fände sich kein statistisch bedeutsamer Zusammenhang, was einer relativen Häufigkeit von 0 . 1 3 %
entspräche.
Der Irrtum, den man begehen würde, indem man eine an und für sich richtige Hypothese als falsch zurückwiese, ist in diesem Fall also außerordentlich gering bzw. sehr unwahrscheinlich. Da die Frage nach der Mitgliedschaft in einer politischen Partei von den Befragten entweder mit " j a " oder "nein" zu beantworten war, liegt hier ein Merkmal mit zwei einander sich ausschließender Antwortkategorien vor, zwischen denen sich keine Rangordnung aufstellen läßt. Eine solche qualitativ "erfaßte" Variable bestimmt dann gegenüber dem Merkmal, das — wie etwa das Einkommen in D M — ein höherwertiges Meßniveau aufweist, die Auswahl eines angemessenen
Korrelationskoeffizienten.
Um
die
Enge
des
Zusammenhangs
zwischen
den
beiden
Variablen, von denen die eine qualitativ (nominalskaliert) beschaffen ist, in einer Meßzahl angemessen abbilden zu können, ist von uns Cramers's V berechnet worden, da sich dieser Koeffizient für Vergleiche zwischen Kreuz— bzw. Kontigenztabellen mit ungleicher Zeilen — und Spaltenzahl eignet. Dieses Zusammenhangs— oder Korrelationsmaß kann Werte annehmen, die zwischen 0 und 1 liegen, wobei 0 kein und 1 ein vollkommener Zusammenhang bedeutet, derart, daß beispielsweise aus der Höhe des Haushaltseinkommens mit absoluter Sicherheit die Mitgliedschaft oder Nicht — Mitgliedschaft in einer Partei für jede einzelne befragte
Person
vorausgesagt werden kann. 4)
Wir definieren gemäß der in der Statistik geltenden Konvention alle die Korrelationen zwischen j e zwei Variablen als signifikant, die eine Irrtumswahrscheinlichkeit von höchstens 5 % (p, < = 0 , 0 5 ) aufweisen.
7 Anmerkungen
301
5)
Wir sind uns in diesem Zusammenhang der Problematik der Verwendung dieses Erklärungsansatzes bewußt, der sehr stark auf die kongnitive Dimension medialen Verhaltens abzielt. Wenn wir die "Knowledge —gap —Hypothese" benutzen, schließen wir eine soziokulturelle Polarisierung von gesellschaftlichen Schichten mit ein (vgl. dazu auch Kapitel 6).
6)
Aus Platzgründen kann der Fragebogen nicht abgedruckt werden. Bei Interesse kann der Fragebogen bei Prof. Dr. Klaus Peter Treumann, Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik angefordert werden.
7)
Nach Abschluß der Umfrage wurden die Antworten kodiert, auf mögliche Eingabefehler überprüft und als Datenfiles unter Zuhilfenahme des Statistikprogrammpakets SPSS von uns im Hochschulrechenzentrum der Universität Bielefeld analysiert.
8)
Indem wir bei den Fragen zum medialen Verhalten anstelle der unmittelbaren Verwendung des wertgeladenen Bildungsbegriffs das Konzept des Lernens in den Vordergrund stellten, wurde zweierlei beabsichtigt: Zum einen sollte eine Reduzierung der Beeinflussung des Antwortverhaltens durch Faktoren der sozialen Erwünschtheit erreicht und zum anderen eine stärkere alltagsweltliche Orientierung des Verständnisses von Bildung erzielt werden. Der Bildungsbegriff wird dem Lernen untergeordnet und erst zur Beschreibung des Zielzustandes von Lernaktivitäten benutzt.
9)
Im Fragebogen sind den einzelnen Gattungen von Fernsehsendungen Beispiele zur Verdeutlichung beigefügt worden. Sie sind hier aus Platzgründen weggelassen worden.
10)
Als weitere Antwortmöglichkeit in Frage Nr.l — von der Schätzskala auch optisch abgesetzt — konnten die befragten Kabelprojektteilnehmer "sehe ich nie" ankreuzen. In den divergierenden Anzahlen von Personen, welche die jeweiligen Skalen ankreuzten, spiegeln sich somit auch die unterschiedlichen Einschaltquoten bei den Fernsehgattungen wider. Entsprechende Sachverhalte liegen bei den Tabellen 7b und 49b (Lesequoten) vor.
11)
Da die Prozentzahlen in Tabelle 12 auf einem relativ geringen Stichprobenumfang von n = 45 Personen basieren, sind die vorliegenden Prozentzahlen mit einem größeren Sichprobenfehler behaftet, d.h. die "wahren" Prozentwerte in der Grundgesamtheit der Dortmunder Haushalte mit Kabelanschluß werden weniger genau getroffen. Diese Einschränkung gilt ebenfalls für die Prozentzahlen in den Tabellen 13, 45 , 46, 51 —57.
12)
Die geringfügigen Abweichungen von der Zahl n = 219 ergeben sich dadurch, daß trotz einer sorgfältig markierten Filterfrage einige wenige Kabelpilotprojektteilnehmer, die zum Zeitpunkt der Befragung (Februar 1987) das letzte Mal an Weiterbildungsveranstaltungen teilgenommen haben, diese Frage trotzdem beantwortet haben. Dieser Sachverhalt betrifft ebenso die Fragen 42, 43 und 44, deren Ergebnisse in den Tabellen 27, 29 und 30 zusammengefaßt sind.
13)
Wie auch schon in einigen der vorherigen Abschnitte bezeichen wir aus Gründen der sprachlichen Kürze den zurückliegenden Zeitraum von einem Jahr, der sich von Anfang Februar 1986 bis Ende Januar 1987 erstreckte, als das Jahr 1986.
14)
Im Gegensatz zur hypothesengeleiteten Sekundäranalyse (siehe Abschnitt 2.1) geht es uns in den nachfolgenden Kapiteln um eine von Fragestellungen geleitete deskriptive Analyse des Befra-
302
7 Anmerkungen
gungsmaterials. Wenn man dagegen in einer substanzwissenschaftlichen Hypothese unterschiedliche Lerneffektivitätserfahrungen zwischen Weiterbildungsaktiven und Weiterbildungsdistanzierten hinsichtlich des Medienverbundes voraussagen würde, dann ließe sich diese Differenz, wie wir an diesem Beispiel zeigen wollen, statistisch absichern. Die der substanzwissenschaftlichen Hypothese entsprechende statistische Alternativhypothese würde einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden arithmetischen Mittelwerten XWA = 4.66 und X W D =4.27 der Kontrastgruppen postulieren. Unter Berücksichtigung der beiden Standardabweichungen (sWA = 0.646; sWD = 0.982) und der Stichprobenumfänge (nWA = 210; nWD = 413) ließe sich mit Hilfe des t —Tests für heterogene Varianzen (F = 2.31; p