Wandel der Beratung durch Neue Medien 9783737001694, 9783847101697, 9783847001690


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German Pages [272] Year 2013

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Wandel der Beratung durch Neue Medien
 9783737001694, 9783847101697, 9783847001690

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Joachim Wenzel

Wandel der Beratung durch Neue Medien

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0169-7 ISBN 978-3-8470-0169-0 (E-Book) Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank Südwest. Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Titelbild: »Kometen« © Joachim Wenzel

Inhalt

1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Forschungsfrage: Wie ändert sich Beratung durch Neue Medien? . 1.2 Fokus der Fragestellung und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . .

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2. Institutionalisierte Beratung . . . . . . . 2.1 Spezialisierte Beratungsinstitutionen 2.2 Verbands- und Trägerstrukturen . . . 2.3 Beratungsfachliche Fragestellungen .

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3. Medienentwicklung und Beratungsmedien 3.1 Mediengeschichte und Medientypologie 3.2 Neue Medien und Internet . . . . . . . 3.3 Medien in der Beratung . . . . . . . . .

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4. Forschungsmethodik der Studie . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Forschungsmethodische Verortung . . . . . . . . . . 4.2 Ziel der Studie und Eingrenzung der Forschungsfrage 4.3 Fallauswahl, Erhebung und Auswertung . . . . . . . .

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5. Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . 5.1 Sexual- und Paarberatung: Frau Arnold / Herr Berger . . . . . . . 5.2 Jugend- und Drogenberatung: Herr Conrad / Herr Dreher . . . . . 5.3 Schuldner- und Insolvenzberatung: Frau Ehlers / Frau Förster . . 5.4 Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller 5.5 Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung: Frau Imholz . . . . . . . 5.6 Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Rahmenbedingungen der Beratungsstellen . . . . . . . . . . . . .

89 90 96 103 109 116 121 135

6

Inhalt

6. Ergebnisse der vergleichenden Interpretation . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Technikeinführung zwischen Angst und Faszination . . . . . . . . 6.2 Kommunikationstechnik befördert Vernetzung im Beratungsalltag 6.3 Vielfalt der Zugänge bewirkt Niedrigschwelligkeit . . . . . . . . . 6.4 Medial erweiterte Lebenswelten bringen neue Anforderungen . . . 6.5 Informierte Klienten durch das Internet . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Schriftliche Beratung breitet sich aus . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Mediale Beratung fördert Clearingbedarf zutage . . . . . . . . . . 6.8 Modernisierung der Beratung durch Medienintegration . . . . . . 6.9 Erweiterung der Beraterrolle zur passageren Alltagsberatung . . .

143 143 151 160 174 185 189 195 199 208

7. Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Probleme und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Strukturelle Widersprüchlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Zwischen Zugangserweiterungen und neuen Ausgrenzungen 7.1.3 Herausforderungen für das professionelle Selbstkonzept . . . 7.2 Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung . . . . . 7.3 Reichweite der Studie und ermittelter Forschungsbedarf . . . . . . 7.4 Ausblick: Clearing und Synchronisation bei Selbstorganisation . .

217 217 218 222 226 229 237 239

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gesetzes- und Urteilsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Internetadressenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interviewleitfäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standardisierte Fragebögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einführung

Die vorliegende Studie befasst sich mit dem Wandel der Beratung durch Neue Medien. Dabei handelt es sich im Kern um Veränderungsimpulse, die durch die rasant verlaufende Medienentwicklung vorangetrieben werden und grundsätzlich jeden betreffen, der in unserer modernen Gesellschaft lebt. Der spezielle Betrachtungsfokus liegt hier nun auf der institutionellen Beratung, die sich seit vielen Jahrzehnten immer weiter ausdifferenziert und ein facettenreiches Spektrum psychosozialer Beratungsinstitutionen hervorgebracht hat. Die allgegenwärtigen Veränderungen durch die Neuen Medien, die im Alltag meist nicht reflektiert werden, sollen dabei in den Blick genommen und ergebnissoffen untersucht werden. Dabei gilt es, die Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch etwaige neue Probleme aufzunehmen, die die Entwicklungen mit sich bringen, um ein fachlich differenziertes Bild vom Wandel in der Beratung entwerfen zu können. In unserer modernen Gesellschaft ist es für Menschen immer selbstverständlicher geworden, Beratung in Anspruch zu nehmen. Rat und Unterstützung in schwierigen Lebenslagen einzuholen, insbesondere in Umbruchssituationen, aber auch bei Problemen oder in Krisen, ist heute für viele Menschen nichts Ungewöhnliches mehr. Dies gilt für die unterschiedlichsten Lebensbereiche und nicht minder im psychosozialen Feld. In der Beratung werden dabei die für die Menschen relevanten Themen bearbeitet, und es spiegeln sich in dieser Handlungsform zentrale Aspekte der jeweiligen Zeit wider. Es werden somit die jeweils aktuellen Fragen der Klienten thematisiert, die auf die Ausgestaltung dieser Hilfeform auch wiederum zurückwirken. Die institutionalisierte Ausdifferenzierung von Beratung stellt damit eine Reaktion auf Probleme der Menschen der jeweiligen Zeit dar. Sie ist aber zugleich auch Ausdruck dessen, was eine Gesellschaft bereit ist, an Hilfen für solche Menschen zur Verfügung zu stellen, die sich diese Form der professionellen Unterstützung selbst nicht leisten könnten. Die Ausformung von institutionalisierter Beratung im psychosozialen Bereich ist dabei in kontinuierlichem Wandel begriffen. Schließlich ändern sich die Fragen und Probleme der Menschen, aber auch die

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Einführung

maßgeblichen Finanzierungsgrundlagen, die vor allem von Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung und sozialen Verbänden abhängen. Diese gesellschaftlichen Veränderungen gehen in immer größerer Geschwindigkeit vonstatten. Sie stehen dabei in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung und Weiterentwicklung von Medien, ohne die auch weltweite Veränderungen, wie etwa das so genannte Phänomen der Globalisierung, nicht möglich wären. Internet und andere Neue Medien haben das private aber auch das berufliche Alltagsleben stark verändert. Will man den Wandel in der Beratung durch Neue Medien beleuchten, so kommt man nicht umhin, auch die technisch-medialen Entwicklungen und die damit einhergehenden organisatorischen Rahmenbedingungen differenziert in den Blick zu nehmen. Schließlich sind die konkreten Institutionen und Organisationen sowie die jeweils beteiligten Medien Vorbedingung und zugleich Vorstrukturierung der medialen Kommunikation. Den fachlichen Kern der Beratungsarbeit macht aber die Beziehung zwischen Beratern und Klienten1 und ihre Interaktionen aus, und entsprechend sollen die Veränderungen hinsichtlich der wechselseitigen Erwartungen und die daraus resultierenden Rollendefinition ebenfalls in den Blick genommen werden. In der vorliegenden Studie geht es nicht darum, eine spezielle neue Form der Beratung, etwa die Onlineberatung zu erforschen, sondern vielmehr sollen die Veränderungen, die die Neuen Medien insgesamt für die institutionalisierte Beratung hervorbringen, herausgearbeitet werden. Dabei gilt es, die verschiedenen Facetten des Wandels durch die Neuen Medien möglichst detailliert aufzunehmen und in einen Gesamtzusammenhang zu bringen.

1.1

Forschungsfrage: Wie ändert sich Beratung durch Neue Medien?

Die ausführliche Forschungsfrage der vorliegenden qualitativen Studie lautet: »Wie wandelt sich die institutionalisierte Beratung durch neue Kommunikationstechniken, die mit dem Sammelbegriff ›Neue Medien‹ bezeichnet werden?« Das Forschungsinteresse richtet sich dabei auf die Perspektiven von Beraterinnen und Beratern, die Beratung institutionalisiert in psychosozialen Beratungsstellen anbieten. Ziel ist es, die Veränderungen in der Beratung möglichst genau herauszuarbeiten und bereits vorliegende Trends, die in die Zukunft weisen, in Bezug auf mediale Beratungskommunikation zu identifizieren. Dabei geht es nicht um Projektionen in eine ferne Zukunft, sondern um bereits be1 Im Folgenden wird die männliche Form, zur besseren Lesbarkeit, verwendet. Es sind damit beide Geschlechter gemeint, wenn in einer Passage nicht ein bestimmtes Geschlecht spezifiziert wird.

Forschungsfrage: Wie ändert sich Beratung durch Neue Medien?

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gonnene Prozesse, die beschreibbar sind. Bereits vorliegende Erfahrungen von Beratern sollen dabei erfasst werden. Lediglich im Blick auf bereits begonnene Technikentwicklungen soll von den Beratern auch eine fachliche Einschätzung in Bezug auf mögliche künftige Entwicklungen vorgenommen werden. Neue Medien einschließlich der Computerisierung des Beratungsalltags werden somit in den Blick genommen, um herausarbeiten zu können, welche Veränderungsprozesse diesbezüglich bereits im Gange sind. Institutionalisierte Beratung ist dabei immer auch in den gesellschaftlichen Kontext eingebunden. Der gesamtgesellschaftliche Hintergrund prägt das Feld in mehrfacher Hinsicht. Zum einen werden in der psychosozialen Beratung Themen bearbeitet, die sich auch aus gesellschaftlichen Problemen und Widersprüchlichkeiten der jeweiligen Zeit ergeben, und zum andern entscheiden gesellschaftliche Kommunikationsprozesse, für welche Beratungsinstitutionen Ressourcen, etwa im Rahmen der Sozialgesetzgebung, zur Verfügung gestellt werden. Insofern ist davon auszugehen, dass auch andere Faktoren, neben der Medialisierung, wie etwa organisatorische Einbindung und staatliche Finanzierung, auf den Wandel der Beratung Einfluss nehmen. Dies gilt besonders in Bezug auf die Förderung medialer Beratungsangebote. Es handelt sich bei der vorliegenden Studie um die Betrachtung eines noch sehr jungen Feldes. Erste Studien und Veröffentlichungen in Bezug auf Neue Medien im Sinne von elektronischen Medien in der Beratung stammen im deutschsprachigen Raum aus der Zeit Ende der 1990er Jahre. Mediale Beratung wird also noch kaum länger als seit 10 Jahren erforscht. Onlineberatung und Internettherapie wurden bereits in mehreren Studien untersucht. Das gilt jedoch nicht für den Wandel der institutionalisierten Beratung durch die neuen Kommunikationsformen insgesamt. Eine übergreifende Betrachtung, was sich durch die Neuen Medien in der Beratung verändert, fehlt bislang. Diese Forschungslücke gilt es zu schließen. Onlineberatung und andere Formen medialer Beratung – als einzelne Beratungsweisen – liegen dementsprechend nicht im primären Forschungsinteresse der vorliegenden Studie. Vielmehr geht es um die Gesamtheit der durch die Neuen Medien ausgelösten Veränderungen in der institutionalisierten Beratung aus Perspektive der Berater. Es ist also das Ziel, das implizite Expertenwissen zu explizieren und somit für die Forschung und Praxis nutzbar zu machen. Dem vorhandenen Wissen zu diesem Themenfeld auf den Grund zu gehen ist offensichtlich im Beratungsalltag nicht alltäglich der Fall, wie die Reaktion eines Beraters zeigt. Auf die offene Eingangsfrage, »können Sie mir sagen, wie sich die Beratung durch die Kommunikationstechnologie verändert?«, reagiert ein Berater, Herr Glaser2, auch entsprechend: 2 Die Namen der Interviewpartner wurden aus Datenschutzgründen geändert, entsprechend

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Einführung

»Also ich find’s gar nicht so einfach äh zu beantworten, weil’s weil vieles schon so sehr alltäglich ist. Das heißt, ich hatte das Glück, auch äh früher in einer Institution zu arbeiten, die sehr sehr schnell schon Internet zur Verfügung gestellt hat. Also darum ist es mir gar nicht mehr so sehr neu, und die die Unterschiede, also die neueren Entwicklungen, das passiert ja schleichend.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 72 ff.)3

Viele Veränderungen sind bereits so alltäglich, dass sie kaum als solche wahrgenommen werden, und auch die aktuellen »schleichenden« Entwicklungen sind schwer zu fassen. Außerdem wird in der Beratungspraxis kaum über die Thematik der hier dargestellten Forschungsfrage explizit reflektiert, wie der Interviewpartner es an späterer Stelle beschreibt: »Ist ja vielfältig, ist ja unglaublich, ähm also ist für mich jetzt auch grad interessant, weil ich mir natürlich selten so dezidiert Gedanken darüber mach« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 298 ff.).

Wie diese Äußerung zeigt, steht das latente Erfahrungswissen der interviewten Berater auch ihnen selbst nicht unmittelbar und bewusst zur Verfügung. Dieses explizit und nutzbar zu machen und in einen fachlichen Rahmen einzuordnen, ist Ziel der vorliegenden Arbeit. Der bereits vollzogene und sich langsam weiter vollziehende Wandel soll mit der vorliegenden Arbeit detailliert erfasst und in größeren Zusammenhängen dargestellt werden. Die vorliegende Studie will dabei vor allem noch weniger bearbeitete und neue Perspektiven und Fragestellungen identifizieren, die bei Bedarf mit nachfolgenden qualitativen und quantitativen Studien ausdifferenziert werden können. Ziel ist es, den Wandel der Beratung durch Neue Medien für unterschiedliche Beratungsinstitutionen und verschiedene Settings zu erfassen und dabei aus einer Engführung alleine auf die medialen Beratungsformate herauszukommen.

1.2

Fokus der Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Studie fokussiert auf den Wandel in der institutionalisierten psychosozialen Beratung. Dabei wird ausschließlich Beratung in den Blick genommen, die von Beratern im Rahmen der sozialstaatlichen Ordnung und/oder von Trägern der freien Wohlfahrtspflege in spezialisierten Organisationen4 erbracht wird. Da sich Beratung grundsätzlich im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext entwickelt, beschränkt sich die Betrachtung hier auf die Beratung in werden auch die Namen der Beratungsstellen und Verbände nicht benannt, um nicht auf die Personen rückschließen zu können. 3 Der Abkürzungsschlüssel zu den Interviews wird zu Beginn von Kapitel 5 (S. 90) und im Abkürzungsverzeichnis im Anschluss an den Textteil (S. 245) erläutert. 4 Die im psychosozialen Feld an Bedeutung gewinnenden freiberuflichen Beratungsangebote werden hier nicht thematisiert. Gleiches gilt für gewerbliche Beratungsleistungen.

Fokus der Fragestellung und Aufbau der Arbeit

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Deutschland. Es werden sowohl dachverbandliche Strukturen, in die die Beratungsstellen eingebunden sind, dargestellt als auch der sozialstaatliche Rahmen, der durch verschiedene Gesetze grundgelegt wird. Allerdings können hier nicht alle für die Beratungspraxis relevanten Regelungen und Rahmenbedingungen beleuchtet werden. Vielmehr werden lediglich die Grundstrukturen skizziert, sowohl was die rechtlichen Grundlagen angeht, als auch die etablierten wohlfahrtsverbandlichen und fachverbandlichen Strukturen. Um dabei nicht nur ein kleines Nischensegment zu untersuchen, wurden Institutionen gewählt, die in Deutschland weit verbreitet sind. Es wurden folgende elf Beratungsinstitutionen in fünf unterschiedlichen Beratungsstellen in ebenfalls fünf verschiedenen Bundesländern untersucht: – Sexualberatung/Paarberatung – Jugendberatung/Drogenberatung – Schuldnerberatung/Insolvenzberatung – Kinderberatung/Jugendberatung/Familienberatung – Erziehungsberatung/Eheberatung/Lebensberatung Mit dieser Auswahl werden im psychosozialen Feld verbreitete Beratungsinstitutionen in den Blick genommen, die es erlauben, der genannten Forschungsfrage sinnvoll nachzugehen. Bevor die Forschungsmethodik und die Ergebnisse der Studie in Form von Falldarstellungen, Strukturbeschreibungen und vergleichender Interpretation dargestellt und diskutiert werden, gilt es zunächst das Forschungsfeld zu beschreiben und die bisherigen Entwicklungen und Forschungsansätze im Zusammenhang darzustellen. So wird zunächst das Feld der psychosozialen Beratungsinstitutionen mit ihren Rahmenbedingungen und fachlichen Fragestellungen beleuchtet. Anschließend wird betrachtet, wie und wozu der Mensch seit Jahrtausenden Medien entwickelt und weiterentwickelt und inwieweit Medien in der Beratung bislang eine Rolle spielen. Der Aufbau der vorliegenden Arbeit wird nachfolgend anhand der jeweiligen Kapitel skizziert.

Aufbau der Arbeit Das 2. Kapitel »Institutionalisierte Beratung« (S. 15 ff.) befasst sich mit den grundlegenden Fragen zur Beratungsarbeit, wie sie sich in unserer Gesellschaft etabliert hat. Die Entwicklung und Ausdifferenzierung der verschiedenen Beratungsinstitutionen werden hier für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland beschrieben. Dabei werden die strukturellen Rahmenbedingungen wie etwa die verbandliche Einbindung und die rechtlichen Grundlagen sowie die

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Einführung

Finanzierungsstrukturen dargelegt. Die fachlichen Beratungsansätze und zentralen Begriffe aus diesem Feld werden sodann erörtert. Ebenso wird die Abgrenzung zu anderen sozialen Dienstleistungen und Hilfeformen dargelegt, um den hier verwendeten Beratungsbegriff zu schärfen. In Kapitel 3 »Medienentwicklung und Beratungsmedien« (S. 49 ff.) wird zunächst der Medienbegriff diskutiert und eine Medientypologie vorgeschlagen, die für eine erste Annäherung zum Verständnis von Beratungsmedien dienen kann. Des Weiteren wird die Medienentwicklung von ihren geschichtlichen Anfängen her beschrieben, um sie in ihrer anthropologischen Bedeutung für die Kommunikation darzustellen. Daran anschließend werden die Neuen Medien definiert, insbesondere das Internet als zentrale Plattform unterschiedlichster Kommunikationsmedien. Danach wird eine Typologie der Beratungsmedien vorgenommen, um das bereits ausdifferenzierte Feld der Beratung in ihrem Zusammenhang mit Medien überschaubar zu machen. Die Frage der Verortung von Medien in der Beratung wird diskutiert und es werden bereits institutionalisierte Formen der medialen Beratung, wie etwa die anonyme Onlineberatung, dargestellt. Außerdem werden die bisherigen Forschungsperspektiven und der aktuelle Forschungsstand zu diesem noch relativ jungen Arbeitsfeld dargelegt. Im Kapitel 4 »Forschungsmethodik der Studie« (S. 81 ff.) werden der Forschungsprozess und die Forschungsmethodik beschrieben. Zunächst wird die Forschungsfrage noch weiter spezifiziert und vor dem Hintergrund des bereits dargestellten Forschungsstandes entfaltet. Fallauswahl, Datenerhebung und der Prozess der Auswertung werden im Zusammenhang mit den verwendeten Forschungsmethoden beschrieben und in den größeren Rahmen der sozialwissenschaftlichen Forschungsmethodik eingeordnet. Kapitel 5 »Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen« (S. 89 ff.) beginnt mit den Darstellungen der Beratungsstellen und den Fallportraits der neun interviewten Beraterinnen und Berater. Dabei werden die Berater mit ihren Einstellungen und fachlichen Einschätzungen in Bezug auf Neue Medien und mediale Beratung innerhalb ihrer jeweiligen Beratungsinstitution dargestellt. Außerdem werden die verschiedenen Angebote der Beratungsstellen detailliert beschrieben und die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Beratungsstellen dargelegt und mit Hilfe von Tabellen veranschaulicht. In Kapitel 6 »Ergebnisse der vergleichenden Interpretation« (S. 143 ff.) werden die zentralen Ergebnisse der Studie mittels analytischer Kategorien dargestellt. Dabei wird der Wandel in der Beratung aus Perspektive der Berater dargelegt und vergleichend interpretiert. Zunächst geht der Blick in die internen Vorgänge der Beratungsstellen und es wird beschrieben, wie die Einführung der Kommunikationstechnik vonstattengeht und wie dieser Prozess von den Bera-

Fokus der Fragestellung und Aufbau der Arbeit

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tern erlebt wird. Des Weiteren geht es um die interne Vernetzung der Berater untereinander, das heißt, wie die Nutzung der Technik heute im vernetzten Alltag geschieht. Danach wird der Blick auf die Klienten gelegt und dargestellt, wie sich deren Zugänge zum Beratungsangebot verändern und wie sich ihre individuellen Lebenswelten, aber auch die möglichen Probleme durch das Internet ausweiten. Anschließend werden beratungsfachliche Fragen erörtert, etwa wie das neue Angebot anonymer Beratung von den Beratern eingeschätzt wird, und was sich durch die Schriftlichkeit der Mailberatung im Unterschied zu Face-to-Face-Beratung verändert. Zum Ende des Kapitels wird die veränderte Erwartungshaltung von Klienten und Beratern sowie die daraus resultierende Veränderung des Rollenverständnisses der Berater betrachtet. Zum Schluss werden in Kapitel 7 »Diskussion und Ausblick« (S. 217 ff.) zentrale Aspekte der vorgetragenen Ergebnisse diskutiert. Dabei werden Probleme und Lösungsmöglichkeiten betrachtet, die sich im Rahmen der Studie gezeigt haben. Nach dieser Erörterung werden Eckpunkte einer theoretischen Neufassung vorgeschlagen und Begriffe angeboten, die es ermöglichen, Beratung als eine Einheit zu verstehen, die nicht in medial versus nicht-medial aufgeteilt werden muss. Danach wird die Reichweite der vorliegenden Studie diskutiert, und es wird der ermittelte Forschungsbedarf dargestellt. Abschließend wird ein Ausblick getätigt und es werden Perspektiven medienvernetzter Beratung dargelegt, die sich im Rahmen der Studie aufgetan haben.

2. Institutionalisierte Beratung

Beratung ist sowohl im Alltagsleben als auch als spezialisiertes Angebot unterschiedlichster Disziplinen weit verbreitet. Mit dem Begriff wird deshalb auch sehr Verschiedenes bezeichnet (vgl. Nestmann/Engel/Sickendiek 2004a, S. 33). Die Spannbreite der Bedeutung reicht von »Informieren«, über »Ratschläge geben« bis hin zu »Hilfe bei seelischen Problemen«. Für den allgemeinen Bedeutungskern ist es hilfreich, die Herkunft des Begriffs zu beleuchten: »Beratung« geht auf das altgermanische Wort »rat« zurück, das »ursprünglich im Sinne von ›Mittel, die zum Lebensunterhalt notwendig sind‹ verwendet« wurde (Duden. Das Herkunftswörterbuch 1989, S. 572)5. Diese Bedeutung drückt sich noch heute im Wort »Hausrat« aus. Beratung wird entsprechend dann gesucht, wenn das, was zum Leben nötig ist, nicht selbstverständlich und routinemäßig erlangt werden kann. Beratung kann dabei als eine Grundform pädagogischen Handelns verstanden werden (vgl. Engel/Sickendiek 2006, S. 35 und Giesecke 2007, S. 87 ff.). Mollenhauer bezeichnet Beratungssituationen im Rahmen der Erziehungsvorgänge sogar als »herausgehobene Momente« (1965, S. 30). Dabei geschehe sowohl eine Verdichtung von Problemen als auch eine Unterbrechung des Gewohnten. Fruchtbar würden diese Momente jedoch nur, wenn es dabei auch tatsächlich um die Fragen der Ratsuchenden ginge. Bereits in diesen verhältnismäßig frühen Beschreibungen von Beratung wird deutlich, was auch noch heute von Beratungsfachleuten als grundlegend erachtet wird. Beratung bedarf demnach der Freiwilligkeit, und sie erhält ihre inhaltliche Bestimmung als Beratung nicht durch die Gesellschaft, sondern durch den Ratsuchenden selbst, der Beratung nachfragt (ebd., S. 35). Im Folgenden wird nicht näher auf Beratung innerhalb von alltäglichen Erziehungsprozessen fokussiert, sondern auf den Wandel der institutionalisierten 5 »Bereits seit ahd. [althochdeutscher J.W.] Zeit wird ›Rat‹ auch im Sinne von ›Beratung, beratende Versammlung‹ gebraucht, beachte dazu z. B. die Zusammensetzungen ›Familienrat, Stadtrat, Rathaus‹.« (ebd., S. 573, kursive Hervorhebung im Original).

16

Institutionalisierte Beratung

Beratung in spezialisierten Beratungseinrichtungen. Somit geht es hier um eine Teilfunktion der Gesellschaft, die sich aufgrund der voranschreitenden Differenzierung als psychosoziales Beratungssystem etabliert hat. Die Beratungsorganisationen haben sich im vergangenen Jahrhundert sehr verbreitet und ausdifferenziert. Dabei haben sich unterschiedlichste Beratungsberufe herausgebildet, deren Berufsqualifikationen verschieden sind, da sie in Deutschland keiner staatlichen Aufsicht6 unterliegen. Entsprechend kommen die Berater aus verschiedensten Grundberufen und Disziplinen. Für einen umfassenden Überblick zu dem sehr heterogenen Feld psychosozialer Beratung sei auf Sickendiek/Engel/Nestmann (2008) verwiesen. Da es für die institutionalisierte psychosoziale Beratung keine einheitliche Definition und gemeinsame rechtliche Grundlage gibt, gilt es zunächst, das Forschungsfeld zu skizzieren und die fachlichen Fragestellungen zu erörtern, bevor die aktuellen Entwicklungen dargestellt werden.

2.1

Spezialisierte Beratungsinstitutionen

Um das Gegenstandsfeld zu umreißen und zugleich angemessen einzugrenzen, macht es bei der vorliegenden Fragestellung Sinn, auf die Neuen Medien zurückzugreifen und darzulegen, wie die institutionalisierte Beratung im Internet dargestellt wird. Einen aktuellen Überblick der verbreiteten Beratungsinstitutionen in Deutschland bietet der Beratungsführer7 der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB) (2012), der im Auftrag des Bundesministeriums für, Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben8 wird. Über die Onlineversion unter www.dajeb.de sind deutschlandweit 13.5239 Beratungsstellen abrufbar, das sind 943 Stellen mehr als noch 21 Monate zuvor10. In der Datenbank kann über Postleitzahlen oder Ortsnamen gesucht 6 Der Begriff »Berater« ist – anders als etwa »Psychotherapeut« beziehungsweise »Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut« – in Deutschland nicht geschützt. Dies gilt ebenfalls für weiter spezialisierte Beratungsberufe wie etwa »Erziehungsberater«, was bedeutet, dass jeder diese Bezeichnungen nutzen kann. 7 Der Beratungsführer ist in der Zeitschriftendatenbank der Deutschen Nationalbibliothek (ZDB) in gedruckter Form seit 1975 nachgewiesen: http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/SET=1/TTL=1/SHW?FRST=1& PRS=HOL. Den Online-Beratungsführer unter http://www.dajeb.de/. Gibt es erst seit 2001: http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/SET=1/TTL=1/SHW?FRST=6& PRS=HOL. Datenbank ZDB abgerufen am 21. 04. 2012. 8 Vormals: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 9 Stand 19. 04. 2012, nach Angabe des Anbieters unter http://www.dajeb.de/ (Menüfeld, links). Abgerufen am 21. 04. 2012. 10 12.580 Beratungsstellen, Stand 21. 07. 2010, nach Angabe des Anbieters unter http:// www.dajeb.de/ (Menüfeld, links). Abgerufen am 22. 07. 2010.

Spezialisierte Beratungsinstitutionen

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werden. Zusätzlich ist eine Eingrenzung der Suche durch die Auswahl von »Beratungsschwerpunkten« möglich. Durch diesen im psychosozialen Feld seit Jahren etablierten Beratungsführer wird ein Großteil der psychosozialen Beratungsangebote erfasst. Es handelt sich offensichtlich um den umfassendsten Adressdatenbestand zu psychosozialen Beratungsangeboten in Deutschland (s. Tabelle 1, S. 17 f.). Eine deutschlandweite Beratungsstatistik existiert nach Auskunft des Statistischen Bundesamts vom 03. 08. 2010 nicht (Türk 2010). Danach liegen zu Beratungsstellen lediglich Angaben in der Jugendhilfestatistik vor. Tabelle 1: Beratungsinstitutionen in Deutschland Version vom 13. 03. 200711 Aidsberatung Beratung alleinerziehender Mütter Beratung alleinerziehender Mütter und Väter Beratung für Kinder und Jugendliche

Aktuelle Version vom 12. 10. 201012 Aidsberatung (AIDS) Beratung alleinerziehender Mütter (AM) Beratung alleinerziehender Mütter und Väter (AMV) Beratung für Kinder und Jugendliche (KiJu) Beratung für Migranten und SpätausBeratung für Migranten und Spätaussiedsiedler ler (Migr) Beratung für psychisch Kranke Beratung für psychisch Kranke (Psych) Ehe-, Familien- und Lebensberatung Ehe-, Familien- und Lebensberatung (einschl. Beratung bei Trennung und (einschl. Beratung bei Trennung und Scheidung) (EFLB) Scheidung) Eheberatung Eheberatung (EB) Entgegennahme von Anträgen für die Entgegennahme von Anträgen für die Bundesstiftung »Mutter und Kind« Bundesstiftung »Mutter und Kind« (MuK) Erziehungsberatung, Beratung für Kinder, Erziehungsberatung, Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern (einschl. Beratung Jugendliche und Eltern (einschl. Beratung bei Trennung und Scheidung) (EZB) bei Trennung und Scheidung) Familienberatung Familienberatung (FB) Familienplanungsberatung Familienplanungsberatung (FPl) Gruppenarbeit Gruppenarbeit (Gr) Hilfe und Beratung für Frauen Hilfe und Beratung für Frauen (Fr) Beratung für Opfer jeglicher Gewalt (GewO) Beratung für Gewalttäter(innen) (GewT) 11 Die Tabelle unter http://www.dajeb.de/suchmask_frameset.php?mode=new zeigt die vorstrukturierte Auswahlmöglichkeit eines Formulars für Neueinträge von Beratungsstellen. Darüber hinaus können per Freitext noch weitere Punkte benannt werden. Nach Angaben des Anbieters wurde diese Seite am 13. 03. 2007 zuletzt geändert. Abgerufen am 22. 07. 2010. 12 Aktualisierte Tabelle unter http://www.dajeb.de/suchmask_frameset.php?mode=new. Nach Angaben des Anbieters wurde diese Seite zuletzt am 12. 10. 2010 geändert. Abgerufen am 15. 04. 2012.

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Institutionalisierte Beratung

(Fortsetzung) Version vom 13. 03. 200711 Jugendberatung Krisenintervention Lebensberatung Notunterkunft für Kinder und Jugendliche

Aktuelle Version vom 12. 10. 201012 Jugendberatung (JB) Krisenintervention (KI) Lebensberatung (LB) Notunterkunft für Kinder und Jugendliche (NotU) Partnerberatung Partnerberatung (PB) Schuldner- und Insolvenzberatung Schuldner- und Insolvenzberatung (Schu) Schwangerenberatung Schwangerenberatung (Schw) Schwangerschaftsberatung mit AusstelSchwangerschaftsberatung mit Ausstellung des Beratungsscheines gem. §§ 5 und lung des Beratungsscheines gem. §§ 5 und 6 SchKG (219) 6 SchKG Sexualberatung Sexualberatung (Sex) Sozialberatung Sozialberatung (SozB) Suchtberatung Suchtberatung (Sucht) Telefonische Beratung Telefonische Beratung (Tel) Vermittlung von Selbsthilfegruppen Vermittlung von Selbsthilfegruppen (SHG) Von der Version im Jahr 2007 zur Version 2010 sind zwei weitere Beratungsangebote hinzugekommen sowie die Abkürzungen in Klammern.

Tabelle 1 aus der Beratungsdatenbank des genannten »Beratungsführers online« vermag die Vielfältigkeit der Beratungsangebote zu illustrieren. Dabei handelt es sich um die standardmäßig auswählbaren Beratungsschwerpunkte, die Beratungsstellen auswählen können, um mit dem eigenen Beratungsangebot in der Datenbank aufgenommen werden zu können: Die auswählbaren Begriffe können in drei Kategorien eingeteilt werden, nach Problemlagen/Themen (z. B. Aidsberatung/Sexualberatung), Zielgruppen/Lebenslagen (z. B. Jugendberatung/Beratung alleinerziehender Mütter) und Form der Beratung (Gruppenarbeit/Telefonische Beratung). Die ausdrückliche Benennung von telefonischer Beratung impliziert, dass die so genannte »Face-toFace-Beratung« (FtF-Beratung), also eine Beratung von Angesicht zu Angesicht, als Normalform von Beratung verstanden wird. Demgegenüber können Onlineberatung beziehungsweise andere mediale Beratungsformen nicht standardisiert abgefragt werden. Allerdings wird auf der Startseite des Beratungsführers auf eine eigene Seite »Bundesweite Internet- und Telefondienste (anonyme Beratung)«13 verwiesen. In Bezug auf die lokalen Beratungsstellen wird somit nicht nahe gelegt, dass die dort genannten Telefonnummern für telefonische Beratung gedacht sind. Es geht hier also in der Regel um einen telefonische Kontaktaufnahme zum Face-to-Face-Beratungsangebot der jeweiligen Stelle. Entsprechend 13 Verfügbar unter : www.dajeb.de/bwtel.htm. Abgerufen am 15. 04. 2012.

Spezialisierte Beratungsinstitutionen

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dürfte es sich mit den Mailadressen verhalten, die auch bei vielen Beratungsstellen angegeben werden. Explizite Onlineberatung wird damit aber nicht dargestellt. Beratung ist eingebunden in die Kommunikationsprozesse und Wertvorstellungen einer Gesellschaft. Dies gilt umso mehr für institutionelle Beratung, da sie in einem organisierten Rahmen stattfindet und in der Regel nicht alleine von den Klienten finanziert wird. Welche Beratung angeboten wird, ist dabei nicht selten Ergebnis gesellschaftlicher und massenmedialer Kommunikation sowie politischer beziehungsweise verbandlicher Entscheidungsprozesse. Dieser Prozess spiegelt sich auch wider, indem 2010 in den DAJEB-Beratungsführer »Beratung für Opfer jeglicher Gewalt (GewO)« und »Beratung für Gewalttäter (innen) (GewT)« aufgenommen wurde. Bereits zuvor gab es sicherlich den Bedarf nach diesen Beratungsinstitutionen und es gab auch schon entsprechende Beratungsstellen. 2010 wurden jedoch in den Medien vermehrt über sexualisierte Gewalt berichtet (vgl. SPIEGEL online, o. A. 2010) und so dürfte es kein Zufall sein, dass in dem Jahr, als die Katholische Kirche eine »Hotline für Opfer sexuellen Missbrauchs«14 eingerichtet hat, auch der Beratungsführer zu diesem Beratungsfeld erweitert wurde. Dieser gesellschaftliche Spezialisierungsprozess betrifft die zu beratenden Zielgruppen, die Themen, aber auch die Form der Beratung. Davon hängt insbesondere der Zugangsaspekt für potentielle Klienten ab. Wird ein bestimmtes Beratungsthema nicht ausdrücklich benannt, ist es unwahrscheinlicher, dass Menschen sich mit ihrem jeweiligen Problem oder in ihrer Lebenslage angesprochen fühlen. Die Form der Beratung wie Face-toFace-, Telefon- oder Onlineberatung und die Verfügbarkeit des Zugangs vor Ort (z. B. die Nähe der Beratungsstelle vor Ort/ Internetzugang) haben entsprechend Einfluss auf die Nutzung der Beratungsangebote. Über den Zugang und das ausdrücklich offerierte Angebot hinaus haben die gesellschaftlichen Veränderungen zudem Bedeutung für die Beratungskommunikation selbst. Problemlagen verändern sich, ebenso der Blick darauf, was als Problem wahrgenommen und thematisiert wird. In der Moderne nimmt die Komplexität der Gesellschaft immer weiter zu, vornehmlich durch die Steigerung der Kommunikationsangebote, aber auch durch fortschreitende Differenzierungsprozesse. In vielerlei Hinsicht werden die Wahlmöglichkeiten gesteigert, was zu immer neuen Entscheidungsnotwendigkeiten führt. Viele Menschen fühlen sich dadurch allerdings nicht nur bereichert, insbesondere wenn es um folgen- und risikoreiche Entscheidungen geht. Sie fühlen sich zum Teil auch von den kontinuierlichen Entscheidungsnotwendigkeiten überfordert. Die gesellschaftlichen Veränderungen führen dabei zu neuen Unübersichtlich14 Das Angebot wird beschrieben unter http://www.hilfe-missbrauch.de. Abgerufen am 15. 04. 2012

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keiten, die neue Kompetenzen der Bewältigung erfordern (vgl. Thiersch 2004, S. 116). Die Ausdifferenzierung der Beratung führt dabei zu neuen Herausforderungen. Einzelne Probleme sind in der Praxis schließlich nur theoretisch von anderen Problemlagen abgrenzbar. Die alltäglichen Fragen und Probleme sind aber häufig verwoben in einen umfassenderen Problemkontext. Und so bedarf es des Öfteren gerade der Bearbeitung eines nicht in der jeweiligen Beratungsinstitution verorteten Problems, um mit dem »ursprünglichen« Problem der jeweiligen Beratungsinstitution weiterzukommen. Entsprechend weitreichende Zusammenhänge der Problemkonstellationen, die schon lange vermutet wurden, sind für das Problem der Überschuldung inzwischen im Rahmen des Exzellenzclusters, »Gesellschaftliche Abhängigkeiten und Soziale Netzwerke der Universitäten Mainz und Trier«, empirisch nachgewiesen worden. So haben Münster/Letzel (2009) in der Studie zu Armut, Schulden und Gesundheit (ASGStudie) quantitativ belegt, dass Überschuldete überdurchschnittlich oft körperliche und psychische Krankheitssymptome aufweisen und bei ihnen gehäuft Beziehungsprobleme auftreten. Hollstein/Huber/Schweppe (2009) legen noch weitergehende Zusammenhänge dar und zeigen auf, dass das Schuldenmachen im Rahmen komplexer innerfamiliärer Praktiken geschieht und die Erklärung von Überschuldung somit nicht allein auf einzelne Faktoren wie etwa mangelnde Finanzkompetenz reduziert werden kann. Die Differenzierung der modernen Gesellschaft hat somit zur Institutionalisierung und zur Spezialisierung der Beratung geführt, die angesichts komplexer und übergreifenden Problemlagen immer wieder an ihre Grenzen stößt. Die Sorgen und Nöte der ratsuchenden Menschen passen sich schließlich nicht den Spezialisierungen der offerierten Angebote an, sondern sind individuell sehr verschieden. Eine vergleichbare Diskussion ist aus dem Gesundheitswesen bekannt, die das Verhältnis von Hausarzt und Facharzt thematisiert. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es eine Facharztausbildung »Allgemeinmedizin« gibt, die nahelegt, dass die Hausarztfunktion (allgemeine Zuständigkeit) anspruchsvoll und die entsprechende Weiterqualifikation nach dem allgemeinen Studium sinnvoll ist. Das viel diskutierte Hausarztkonzept soll darüber hinaus die Stellung des Hausarztes neben seiner Funktion als Arzt, der selbst behandelt, wenn es keines Spezialisten bedarf, als Klärungs- und Verweisspezialisten stärken. Eine vergleichbare flächendeckende Klärungs- und Verweisstelle gibt es im Bereich der psychosozialen Beratung bislang aber nicht. Zwar wird von vielen Professionellen Klärung betrieben und es werden immer wieder Empfehlungen für spezielle Beratungen ausgesprochen, strukturell verankert ist dies jedoch nicht. Beim Angebot »Lebensberatung« (teilweise auch »Allgemeine Lebensberatung« genannt) wäre vom Begriff her am ehesten eine solche Klärungsfunktion zu vermuten, schließlich wird damit kein bestimmtes

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Problem und keine spezielle Zielgruppe benannt. Allerdings wird Lebensberatung in der Regel nicht als Klärungsmöglichkeit dargestellt, selbst wenn das bei einzelnen Beratungsanbietern konzeptionell so vorgesehen ist. Vielfach wird Lebensberatung als Krisenhilfe dargestellt, so etwa beim Diakonischen Werk Limburg-Weilburg15. Sie wird aber auch im Zusammenhang mit dem Begriff »Sozialberatung« offeriert, so beim Caritasverband Hannover und beim Caritasverband für die Diözese Limburg16. Das Bistum Trier hingegen benutzt auf seiner Webseite Lebensberatung als Oberbegriff für andere Beratungsformen: »professionelle Hilfe bei Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensfragen«17. Des Weiteren dürfte der Begriff der Lebensberatung für manche potentiellen Ratsuchenden eher abschreckend wirken, da er nahe legt, dass man in einer solchen Beratung »sein Leben« zum Thema machen soll. Lebensberatung wird im bereits dargestellten DAJEB-Beratungsführer auch nicht explizit in einer übergeordneten Klärungsfunktion dargestellt. Das unterstreicht ebenfalls, dass es keine übergreifende Beratungsinstitution zur Abklärung (Clearingstelle) gibt. Eine auf Klärung und möglichen Verweis spezialisierte psychosoziale Beratungsinstitution in den und für die lokalen Beratungsstellen gibt es in Deutschland – jedenfalls flächendeckend – nicht. Diese Funktion wird bundesweit allerdings de facto vielfach von der Telefonseelsorge übernommen, da sie nach ihren Standards18 für alle Themen und Zielgruppen offen ist und flächendecken Tag und Nacht angerufen werden kann. Menschen können sich dorthin wenden, wenn sie nicht wissen, mit wem sie reden können. So ist es auch möglich, zu klären, was ihr Thema ist, falls es vorher noch relativ diffus war. (vgl. Wolfersdorf 1995, S. 183 ff.) Am Ende eines Gesprächs besteht darüber hinaus die Möglichkeit, zu erfahren, welche Hilfeeinrichtungen es vor Ort gibt, wenn die Ratsuchenden weitergehende Hilfe benötigen. Allerdings gerät die Telefonseelsorge dabei auch an ihre Grenzen. Sie kann zum einen die steigende Nachfrage nicht bedienen19. Und zum andern werden die meisten Mobilfunkanrufe, anders 15 Homepage Diakonisches Werk Limburg-Weilburg: http://www.dw-limburg-weilburg.de/ ?q=node/6. Abgefragt am 21. 04. 2012. 16 Homepage der Caritas Hannover : http://www.caritas-hannover.de/lebensberatung.html und Homepage des Caritasdiözesanverbands Limburg: http://www.dicv-limburg.de/ 8741.html Beide abgefragt am 21. 04. 2012. 17 Bistum Trier : Homepage »Lebensberatung im Bistum Trier«: http://www.lebensberatung.info/ Abgerufen am 21. 04. 2012. 18 Die Standards sind zu finden unter : http://www.telefonseelsorge.de/?q=node/12 Abgerufen am 21. 04. 2012. 19 So schreibt die Telefonseelsorge Berlin-Brandenburg: »Schon jetzt hören immer mehr Anrufer das Besetzt-Zeichen, weil wir nicht genügend Mitarbeiter haben.« Quelle: http:// www.telefonseelsorge-berlin-brandenburg.de/8_FKTS-BB/mitgliedschaft.html. Und in einer »Ratgeber-Community« wird unter der Überschrift »Andere Nummer für Telefonseelsorge?« diskutiert: Hallo ich versuche seit tagen die Telefonseelsorge zu erreichen (0800 – 1110111 oder 0800 – 1110222)…da geht immer nur ein Band ran! Kennt jemand noch eine

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als die Festnetzanrufe, per Zufallsschaltung zu einer örtlichen Telefonseelsorgestelle irgendwo in Deutschland geleitet20. Die so sonst vorhandene »Regionalisierung« (Schohe 2006, S. 29 ff.) wird bei Handys also nicht realisiert, das heißt, es ist in vielen Fällen nicht möglich, dass die ehrenamtlichen Berater Auskunft über das regionale Hilfenetz geben können. Konzeptionell ist die Telefonseelsorge in Deutschland allerdings auch keine ausdrückliche Clearingstelle für das psychosoziale Beratungsnetz, sondern ein seelsorglich-beraterisches Gesprächsangebot, das nur punktuell weiterverweist und auch nicht von Professionellen, sondern von qualifizierten Ehrenamtlichen realisiert wird. Der geäußerte Anspruch psychosozialer Beratungsanbieter, ganzheitliche Beratung leisten zu wollen, ist sicherlich Ausdruck des Versuchs, fachlich auf die zunehmende Spezialisierung zu reagieren und den Menschen als Ganzen in den Blick zu nehmen. Strukturell wird dem in der psychosozialen Beratung mindestens in dreifacher Weise entsprochen. Erstens wird Beratung vermehrt als Prozessberatung umgesetzt, das heißt, konzeptionell geht es nicht darum, dem Menschen Antworten in seinem Beratungsanliegen zu geben, sondern ihn in seiner Suche nach angemessenen Lösungen zu begleiten (vgl. König/Volmer 1997, S. 46 ff.). Das bedeutet, dass Beratung im Kern als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden wird. Bei Informationsfragen wird gemeinsam überlegt, wie die Klienten an die notwendigen Inhalte kommen können. Zweitens wird zusätzlich zur spezialisierten Beratung auch integrierte Beratung etabliert. Dabei machen sich Beratungsfachkräfte auch in anderen Beratungsinstitutionen kundig. So werden etwa Suchtberater in Schuldnerberatung qualifiziert und umgekehrt. Bei der Beratung von Migranten wird beispielsweise deutlich, dass diese immer öfter andere spezialisierte Beratungsinstitutionen – je nach aktuellem Anliegen – aufsuchen, statt Migrantenberatung zu nutzen. So werden etwa Erziehungsberater in Fragen, die bei der Migrantenberatung wichtig sind, weitergebildet. Und drittens gibt es einen Trend hin zu Beratungszentren, in denen unterschiedlichste Beratungsinstitutionen in einem Haus angeboten werden. Bei Bedarf kann die Kompetenz anderer Berater angefragt werden, beziehungsweise ein Verweis an Kollegen ist dann einfach möglich. Die Möglichkeiten einer Beratungsstelle, frühzeitig auf die gesellschaftlichen Veränderungen und die daraus resultierenden Herausforderungen eingehen zu können, hängen neben der materiellen und personellen Ausstattung auch von der verbandlichen Einbindung ab. Die Verbände können übergreifende Themen zentral und somit ressourcenschonend bearbeiteten, zentral Weiterbildungen organisieren und standardisierbare Dienstleistungen für die Stellen vermitteln. andere Nummer (Erwachsende, keine Kinder not nummer)????« Quelle: http://www.gutefrage.net/frage/andere-nummer-fuer-telefonseelsorge. Beide abgefragt am 21. 04. 2012. 20 Vgl. http://www.telefonseelsorge-paderborn.de/Von-wo-Sie-uns-erreichen-koenn.5.0.html Abgerufen am 21. 04. 2012.

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Dabei ist auch ein Trend zur medienunterstützten Vernetzung auszumachen, der es ermöglicht, regional und überregional zu kooperieren.21 Die verschiedenen Beratungsangebote sind vor Ort sehr unterschiedlich ausgestaltet, da es, wie bereits dargelegt, kein einheitliches deutschlandweites Beratungsrecht und keine übergreifende Förderpraxis gibt. Entsprechend kommen sie in der Praxis auch in unterschiedlichsten Konstellationen und Kombinationen vor. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit können die Beratungsinstitutionen nicht im Einzelnen dargestellt werden. Einen Überblick gibt das Handbuch der Beratung (Nestmann/Engel/Sickendiek 2004b, S. 586 ff.) Was Forschung betrifft, so wird Beratung immer wieder evaluiert (vgl. etwa Heekerens 1998). Erziehungs- und Familienberatung dürften die Beratungsinstitutionen mit den umfassendsten Forschungsbefunden sein. Einen aktuellen Überblick bietet Vossler (2012), aus dem hervorgeht, dass diese Beratungsinstitutionen wirksame Hilfe bieten. Auch für andere Beratungsinstitutionen ist dies nachgewiesen. So haben Kuhlemann/Walbrühl (2006/2007) die Wirksamkeit von Schuldnerberatung dargelegt. Die Wirksamkeit systemischer Interventionen wurde in einer Metaanalyse von Sydow u. a. (2007) belegt. Folglich ist zumindest für einige institutionalisierte Beratungsinstitutionen und Beratungsansätze bereits nachgewiesen, dass es sich um nachhaltige Hilfeformen handelt.

2.2

Verbands- und Trägerstrukturen

Bevor auf beratungsfachliche Fragestellungen eingegangen wird, soll zunächst eine Verortung durch die organisatorische Einbindung institutioneller Beratung vorgenommen werden. Schließlich ergeben sich aus dieser Zuordnung heraus wichtige Rahmenbedingungen, aber auch Probleme, die nur im jeweiligen Kontext nachvollziehbar sind. Die institutionalisierte Beratung vollzieht sich dabei innerhalb struktureller Rahmenbedingungen, die auf die einzelnen Beratungen maßgebliche Auswirkungen haben, etwa durch die Finanzierung oder durch konzeptionelle Vorgaben. Institutionalisierte Beratung findet in Beratungsstellen als den spezialisierten Beratungsorganisationen statt, die in der Regel in überregionale Verbandsstrukturen eingebunden sind. Die Begriffe »Verband« und »Träger« werden nicht einheitlich verwendet, so dass es zunächst einer Klärung bedarf, was im Einzelnen darunter zu verstehen ist. Im Wesentlichen sind hier drei verschie21 Als Beispiel kann der Deutsche Caritasverband e.V. genannt werden, mit seiner serverbasierten Anwendung CariNet 2.0. Beschreibung im Internet: http://www2.carinet.de/carinet/ diefunktionen/ Abgerufen am 05. 07. 2013

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dene Strukturen zu unterscheiden: Erstens die Dachverbände beziehungsweise Wohlfahrtsverbände, die teilweise auch als Träger bezeichnet werden, zweitens die institutionsspezifischen Fachverbände und drittens die Leistungsträger. In den Gesetzestexten wird vor allem zwischen Leistungsträgern und freien Trägern unterschieden. Im allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches SGB I22 werden die Leistungsträger folgendermaßen benannt: »§ 12 Leistungsträger Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.«

Leistungsträger und damit die finanzierenden Organisationen der Beratungsstellen können entsprechend der Zuständigkeit der jeweiligen speziellen Gesetzbücher beispielsweise die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit sowie Krankenkassen sein. In vielen Fällen regelt es das Landesrecht, welche Körperschaften jeweils zuständig sind. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe regelt zum Beispiel § 27 SGB I: »Zuständig sind die Kreise und die kreisfreien Städte, nach Maßgabe des Landesrechts auch kreisangehörige Gemeinden; sie arbeiten mit der freien Jugendhilfe zusammen.« Die Zuständigkeiten werden somit durch Landesgesetze konkretisiert und sind bundesweit nicht einheitlich geregelt. Dabei gibt es aber spezielle Stellen wie etwa die Jugendämter, die die bundesgesetzlichen Vorgaben als Leistungsträger vor Ort erbringen. Beispielsweise wird im SGB VIII (Kinderund Jugendhilfe) in diesem Zusammenhang allgemein von öffentlicher Jugendhilfe gesprochen und dabei die Zuständigkeitsverteilung und Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe dargelegt: »§ 3 Freie und öffentliche Jugendhilfe (1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen. (2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. (3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.«

Während die Leistungen der Jugendhilfe gemeinsam von öffentlicher und freier Jugendhilfe erbracht werden sollen, richten sich die Leistungspflichten alleine an die öffentliche Jugendhilfe. Eine Engführung der Leistungserbringung an 22 Das SGB I bildet zusammen mit SGB X den allgemeinen Teil, während die anderen Sozialgesetzbücher (II bis IX und XI bis XII) den besonderen Teil darstellen und jeweils einzelne Bereiche regeln.

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staatliche Einrichtungen oder einzelne freie Träger ist dabei aber ausdrücklich nicht gewollt. Vielmehr soll eine Vielfalt der sozialen Dienstleistungen gewährleistet werden. Dabei gibt es Aufgaben der Jugendhilfe, die von freien Trägern wahrgenommen werden können, wenn dies im Gesetz ausdrücklich benannt ist. Das heißt aber auch, dass es Aufgaben gibt, die nicht delegiert werden können. Hier ist beispielsweise an das so genannte staatliche Wächteramt und den Schutzauftrag gegenüber Kindern- und Jugendlichen zu denken. Freie Träger können bei den Hilfen zwar mitwirken, aber hoheitliche Aufgaben sind nicht delegierbar, das heißt dass hier die Letztverantwortung bei der staatlichen Stelle verbleibt (Kronseder 2010, S. 29 ff. / Meysen/Eschelbach 2012, S. 127 ff.). Die Trägerschaft der Beratungsstellen ist unterschiedlich ausgestaltet. Die meisten Beratungsstellen gehören einem der sechs gemeinnützigen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege23 an, die sich auf Bundesebene zur »Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege«24 zusammengeschlossen haben und auf Landesebene jeweils die »LIGA der Freien Wohlfahrtspflege«25 bilden. Die große Bedeutung des von ihr vertretenen Bereichs hebt die Bundesarbeitsgemeinschaft hervor, wenn sie auf ihrer Homepage schreibt: »In den Einrichtungen und Diensten der Wohlfahrtsverbände sind rund 1,4 Millionen Menschen hauptamtlich beschäftigt; schätzungsweise 2,5 bis 3 Millionen leisten ehrenamtlich engagierte Hilfe in Initiativen, Hilfswerken und Selbsthilfegruppen.«26

23 Namentlich Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Caritasverband (DCV), Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (Der PARITÄTISCHE), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW der EKD), Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Diese sind die Dachorganisationen von selbständigen regionalen und lokalen Verbänden, aber auch von spezialisierten Beratungsfachverbänden. 24 Ihr Ziel benennt die Arbeitsgemeinschaft wie folgt: »In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. arbeiten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zusammen. Ihr gemeinsames Ziel ist die Sicherung und Weiterentwicklung der sozialen Arbeit durch gemeinschaftliche Initiativen und sozialpolitische Aktivitäten. Die Spitzenverbände selbst sind föderalistisch strukturiert, das heißt ihre Gliederungen auf kommunaler und Landesebene sowie ihre Mitgliedsorganisationen sind überwiegend rechtlich selbstständig. Die BAGFW unterhält eine Geschäftsstelle in Berlin, eine Vertretung in Brüssel sowie die Abteilung Wohlfahrtsmarken in Köln.« Quelle: Homepage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege http://www.bagfw.de. Abgerufen am 21. 04. 2012. 25 Als Beispiel sei hier die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege RheinlandPfalz genannt: http://www.liga-rlp.de/. Abgerufen am 21. 04. 2012. 26 Zu finden auf der Homepage, zentral über das Menü: »Wir über uns« / »Freie Wohlfahrtspflege in Deutschland« http://www.bagfw.de/wir-ueber-uns/freie-wohlfahrtspflege-indeutschland/. Abgerufen am 21. 04. 2012.

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Es gibt aber auch, vor allem auf kommunaler Ebene, staatliche Trägerkonstellationen oder Behörden, die Beratung anbieten, und sehr vereinzelt nicht verbandlich eingebundene Trägervereine. Bei zahlreichen Beratungsinstitutionen haben sich spezialisierte Fachverbände entwickelt. Die Mitgliedskonstellationen und die teilweise weitergehende Einbindung in weitere Verbandsstrukturen ist bei den Fachverbänden sehr unterschiedlich. Sie sind teilweise die fachlichen Organe der genannten Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, stellen aber auch bisweilen einen Zusammenschluss von einzelnen Beratern einer bestimmten Beratungsinstitution dar oder sind aus dem Zusammenschluss von Weiterbildungsinstitutionen unterschiedlicher Therapie- und Beratungsschulen hervorgegangen. Darüber hinaus gibt es Mischformen und übergreifende Zusammenschlüsse in Arbeitskreisen und Verbänden, die zum Teil dem fachlichen Austausch aber darüber hinaus auch der Abstimmung von Weiterbildungs- und Beratungsstandards dienen. Die Deutsche Gesellschaft für Beratung / German Association for Counseling e.V. (DGfB), gegründet 2005, kann als ein Dachfachverband der Beratungsverbände27 bezeichnet werden. Auf der Homepage heißt es: »In den Mitgliedsorganisationen der DGfB sind mehr als 30.000 Berater/innen und zahlreiche Weiterbildungsstätten vertreten, die personen- und organisationsbezogene Beratungsleistungen sowie Weiterbildungen anbieten.« [Hervorhebungen im Original]28 Die DGfB vertritt 2012 insgesamt 28 Verbände, die sich auf ein gemeinsames Beratungsverständnis berufen, das 2003 – noch vor der Verbandsgründung – verabschiedet wurde. Über die psychosoziale Beratung hinaus umfasst es auch Supervision und Organisationsberatung. Ziel des Zusammenschlusses ist es, »der Fachöffentlichkeit, der Politik und dem Verbraucher einen Orientierungsrahmen für die Qualität von Beratungsleistungen zu bieten.« [Hervorhebungen im Original]29 Entsprechend wurden in der Mitgliederversammlung 2009 »verbindliche Mindestanforderungen für Beratungsausbildungen«30 verabschiedet. Als einer der ältesten deutschen Beratungsfachverbände gilt die bereits genannte DAJEB, die bereits 1949 gegründet wurde. Sie ist Gründungsmitglied der DGfB und hat in der verbandsübergreifenden Fachdiskussion und Standardsetzung der institutionellen Beratung, auch über den Bereich der Jugend- und Eheberatung hinaus, in unterschiedlicher Weise mitgewirkt. Hervorzuheben ist hier die Mitgliedschaft im Deutschen Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Fa27 Die Internetadressen der Verbände werden am Ende dieser Arbeit aufgelistet unter »Internetadressenverzeichnis« auf Seite 249. 28 Verfügbar unter : http://www.dachverband-beratung.de/dgfb.php. Abgerufen am 22. 07. 2010 und am 21. 04. 2012. 29 Ebd. 30 Ebd.

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milienberatung (DAKJEF), weil auf dieser Arbeitsplattform verbandsübergreifende Grundsätze, Rahmenordnungen, Weiterbildungsordnungen und verschiedene Standards für die institutionelle Beratung entwickelt wurden. Auf der Homepage des Arbeitskreises, der mit seinen Mitgliedsverbänden31 einen weiten Kreis der institutionellen Beratungsstellen erfasst, ist zu lesen: »Der Deutsche Arbeitskreis versteht sich als fachliches Kooperationsforum für den Bereich Erziehungsberatung, Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Partnerschaftsund Sexualberatung. Thematisch behandelt der Deutsche Arbeitskreis Essentials und Standards der institutionellen Beratung, Fort- und Weiterbildungsstandards der Fachkräfte, er unterstützt wissenschaftliche Projekte, die der Weiterentwicklung der institutionellen Beratung dienen und führt sie auch durch. Die Verlautbarungen werden von allen Verbänden des Deutschen Arbeitskreises gemeinsam getragen.« (DAKJEF 2012)32

Nachfolgend eine Auswahl der vom Arbeitskreis verabschiedeten Grundsatzpapiere: – »Grundsätze fachlichen Handelns in der institutionellen Beratung – Ethische Standards in der Institutionellen Erziehungs-, Ehe-, Familien und Lebensberatung – Institutionelle Beratung im Bereich der Erziehungsberatung, Ehe-, Familienund Lebensberatung, Partnerschafts- und Sexualberatung – Fachliche Standards von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen – Fachliche Empfehlungen für eine migrations- und kultursensible Institutionelle Beratung – Psychosoziale Beratung von Erwachsenen und Paaren im Kontext sexueller Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt – Empfehlung zum Datenschutz bei der Nutzung des Internet durch Beratungsstellen – Qualitätsstandards für die psychosoziale und psychologische Beratung im Internet« (vgl. DAKJEF 2012)33 Verbindlichkeit für die Praxis erhalten diese Dokumente aber – über ein fachliches Gesprächsangebot hinaus – erst dann, wenn die beteiligten Verbände diese auch in den angeschlossenen Beratungsorganisationen bekannt machen und die Umsetzung einfordern. Neben der DAJEB ist die Bundeskonferenz für 31 Verfügbar unter : http://www.dakjef.de/index.html?p=verbaende. Abgerufen am 21. 04. 2012. 32 Verfügbar unter : http://www.dakjef.de/index.html?p=about. Abgerufen am 21. 04. 2012. 33 Verfügbar unter : http://www.dakjef.de/index.html?p=publications. Abgerufen am 21. 04. 2012.

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Erziehungsberatung e.V. (bke) Mitglied. Die Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung e.V. Fachverband für Psychologische Beratung und Supervision (EKFuL), vertritt als Fachverband des Diakonischen Werks Deutschland die Beratungsarbeit der evangelischen Kirche. Die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. (Kath. BAG) ist die Vertretung der katholischen Beratungsstellen und zuletzt ist der Bundesverband pro familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. zu nennen. Die Entwicklungen zur Profilierung eines Fachverständnisses von Beratung werden von den meisten Fachorganisationen unterstützt. Selbst in Beratungsfachgruppen, die zu therapeutischen Schulen und Verbänden gehören, entwickelt sich mittlerweile ein eigenes Beratungsverständnis, das sich von Psychotherapie abgrenzt und eine eigene Profilbildung vorantreibt. So hat das Forum Beratung der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) bereits 2001 in einer »Ersten Frankfurter Erklärung zur Beratung« gefordert: »Eine Welt im Wandel braucht Beratung, aber eine Beratung, die diesem Wandel Rechnung trägt!« (Forum Beratung der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie, DGVT 2001)34. Die Zielrichtung der Erklärung wurde weiterentwickelt und im Januar 2012 in einer »Zweiten Frankfurter Erklärung zur Beratung« aktualisiert: – »Beratung braucht die Freiheit der Wahl – Beratung ist keine Ware – Beratung wird zur Navigation durch ein unüberschaubares Angebot an Informationen, Auskünften und Ratschlägen – Beratung verfügt im Internet über neue Settings – Beratung lässt sich nicht mehr in der Selbstverständlichkeit ›alter‹ Beratungsschulen fassen – Beratung lässt sich nicht nach dem Muster des Psychotherapeutengesetzes professionalisieren – Beratung muss sich in jedem Arbeitsfeld kontinuierlich mit Fragen von Diversity auseinandersetzen – Beratung lässt sich nicht eindimensional nach Effizienzkriterien evaluieren – Beratungsqualität wird auch durch Beratungsforschung garantiert« (Forum Beratung der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie, DGVT 2012)35

34 Verfügbar unter : Homepage des Forums Beratung der DGVT: http://www.forum-beratung-dgvt.de/frankfurt/frankfur.htm. Abgerufen am 25. 11. 2012 35 Verfügbar unter : Homepage des Forums Beratung der DGVT: http://www.forum-beratung-dgvt.de/frankfurt/frankfurt2.htm. Abgerufen am 25. 11. 2012

Verbands- und Trägerstrukturen

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Die Rahmenordnungen, Standards und Qualitätsrichtlinien (vgl. Menne 1998) der Verbände und Arbeitskreise werden von diesen selbst zwar als verbindlich für die jeweiligen verbandlich eingebundenen Beratungsstellen dargestellt. Sie sind jedoch bei den rechtlich eigenständigen Einrichtungen nicht »einklagbar« und könnten maximal mit einem Verbandsausschluss sanktioniert werden. Sie können so als Selbstverpflichtung der beteiligten Verbände charakterisiert werden, die vor Ort mehr oder weniger verbindlich umgesetzt werden, falls sie dort überhaupt bekannt sind. Hinsichtlich der Verbindlichkeit sind davon erste standardisierte Gütesiegel- und Qualitätsmanagementverfahren zu unterscheiden, die auch Überprüfungen in der psychosozialen Beratungspraxis vorsehen. Als Beispiel können die Qualitätsmanagementsysteme der Wohlfahrtsverbände36 genannt werden. Speziell im Beratungsbereich angesiedelt ist das »bkeQualitätssiegel«, das von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V., dem Fachverband für Erziehungs-, Familien- und Jugendberatung vergeben wird37. Das Siegel kann von Erziehungsberatungsstellen und von Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern erlangt werden. Als Beispiel sei der Deutsche Caritasverband genannt, der als Aufgaben seines Referats Qualitätsmanagement und Qualitätspolitik die nachfolgenden Schwerpunkte beschreibt. Dabei wird die Zusammenarbeit zwischen Fachdiensten, Fachbereichen und Fachverbänden deutlich: »Die Aufgabenschwerpunkte hierbei sind: – Fachliche Beratung der Fachdienste/-bereiche, Fachverbände und Gliederungen in Fragen des Qualitätsmanagements – Entwicklung von Qualitätsleitlinien und Rahmenhandbüchern in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen und Fachverbänden – Entwicklung und Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen für Qualitätsleitlinien/Bundes-Rahmenhandbüchern des Deutschen Caritasverbandes – Unterstützung und Koordinierung aller Aktivitäten der Fachbereiche der Zentrale im Zusammenhang mit Qualitätsmanagement, insbesondere die Unterstützung und Begleitung bei der Planung und Implementierung von Qualitätsentwicklungsprozessen 36 Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat am 16. 11. 2004 in Berlin ein Strategiepapier »Qualitätsmanagement-Politik der Freien Wohlfahrtspflege« verabschiedet. Quelle: http://www.bagfw.de/uploads/media/QMPolitikBAGFWRev2_01.pdf. Als Beispiel für ein verbandsinternes Qualitätsmanagement der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) genannt werden: www.awo.org/dienstleistungen.html; Seiten abgerufen am 21. 04. 2012. 37 Grundlage des bke-Gütesiegels ist die Veröffentlichung »Qualitätsprodukt Erziehungsberatung. Zusammenstellung von Empfehlungen zu Leistungen, Qualitätsmerkmalen und Kennziffern.« Sie wurde als Heft 22 in der Reihe »QS – Materialien zur Qualitätssicherung der Kinder- und Jugendhilfe« vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2002) im CD-Rom-Format veröffentlicht.

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Institutionalisierte Beratung

– Koordinierung und Zusammenführung arbeitsfeldspezifischer Qualitätsentwicklungsprozesse zu einem gemeinsamen Qualitätsprofil und eines daran orientierten Qualitätsmanagement(-systems). – Entwicklung eines einheitlichen caritasspezifischen Qualitätsprofils für die verschiedenen Angebote und Fachbereiche«38 Die damit verbundenen Fragen zum Qualitätsmanagement im Bereich der Beratung sind aus fachlicher Sicht nicht unproblematisch, da man die flüchtigen Momente der Beratung selbst nicht erfassen kann. Insbesondere den Fragen, was als Qualität zu verstehen ist, ob die Betrachtung von Strukturqualität ausreichend ist und inwiefern Ergebnisqualität überhaupt messbar gemacht werden kann, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen. (Ausführlich dazu: Arnold/Wieckenberg 2000; Galiläer 2005; Gerull 2005) Für den Wandel der Beratung können solche Ansätze jedoch von Bedeutung sein, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind fachlich begründete Erkenntnisse umzusetzen, und jenseits der Frage wie Qualitätsmanagement fachlich zu bewerten ist. Die Beratungseinrichtungen müssen sich in der Praxis vor allem danach richten, welche Anforderungen ihre jeweiligen Leistungsträger stellen. Werden von diesen etwa bestimmte Standards eingefordert, dann müssen sie zumeist auch entsprechend nachgewiesen werden, um die weitergehende Finanzierung zu sichern. Die Vorgaben der Fachverbände sind demgegenüber meist nicht bindend, da es – mit Ausnahme der genannten Qualitätssiegel – kaum entsprechende Kontrollsysteme und Sanktionsmöglichkeiten gibt und die Beratungsstellen zumeist in rechtlich selbständige Strukturen vor Ort eingebunden sind, falls sie nicht sogar selbst rechtsfähig sind. Für den Wandel der Beratungspraxis können Fachdokumente der Verbände dennoch wichtige Eckpunkte darstellen, etwa wenn sie von Leistungsträgern und Leitungsverantwortlichen als verbindliche Vorgaben herangezogen werden. Nicht zuletzt stellen sie aber ein fachliches Kommunikationsangebot für den Fachdiskurs der Berater dar, der zu einer Weiterentwicklung der Beratung führen kann. Die Finanzierung der psychosozialen Beratung ist vergleichbar vielseitig wie das Feld selbst (ausführlich dazu Menne 2004). Da es keine übergreifende Beratungsstatistik gibt, sind diesbezüglich keine quantitativ gesicherten Aussagen möglich. Bei der staatlichen Finanzierung handelt es sich häufig um KannLeistungen von Land, Kreis und Kommune. Es gibt rechtlich verbindliche und einklagbare Beratungsansprüche (Sauer 2011, S. 772 ff.) wie etwa die im § 28 SGB VIII (Sozialgesetzbuch VIII – Kinder- und Jugendhilfe) geregelte Erzie38 Homepage des Deutschen Caritasverbandes: http://www.caritas.de/diecaritas/deutschercaritasverband/verbandszentrale/arbeitsbereiche/qualitaetsmanagement/. Abgerufen am 21. 04. 2012

Beratungsfachliche Fragestellungen

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hungsberatung. Psychosoziale Beratung wird in Deutschland darüber hinaus vielfach über Eigenbeteiligung der Klienten, Spenden Dritter und unterschiedliche Eigenmittel der freien Träger, wie etwa durch Kirchensteuern, mitfinanziert. Bisweilen finanzieren freie Träger auch Beratungen zu 100 %, insbesondere dann, wenn es keine Rechtsansprüche oder lediglich Kann- beziehungsweise Darf-Bestimmungen gibt und die staatlichen Stellen eine Finanzierung nicht vornehmen. In der Regel handelt es sich aber um Mischfinanzierungen, die in der Praxis zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen können, wenn etwa für mehrere Kostenträger unterschiedliche Dokumentationen der jeweiligen Beratungsprozesse erstellt werden müssen. Dies gilt vor allem dann, wenn es um Einzelfallabrechnungen geht beziehungsweise die einzelnen Beratungsfälle dokumentiert werden müssen. Die rechtliche Ausgestaltung psychosozialer Beratung macht deutlich, dass es sich hierbei um kein bundesweit einheitlich gestaltetes Praxisfeld handelt. Selbst bei bundesgesetzlichen Beratungsansprüchen wird nämlich die Umsetzung in der Regel durch Ausführungsbestimmungen der Länder geregelt, mit Ausnahme von bundesweiten Behörden und Körperschaften wie der Bundesagentur für Arbeit oder den Rentenversicherungsträgern. Je nach Bundesland können die Rahmenbedingungen also bei den freiwilligen aber selbst bei Pflichtleistungen stark variieren. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die Vorgaben der Leistungsträger in Bezug auf Rahmenbedingungen und Standards sehr unterscheiden. Das nicht bundeseinheitliche Beratungsrecht eröffnet Gestaltungsspielräume für die verschiedenen Beratungsinstitutionen, bewirkt aber auch eine große Heterogenität und Unübersichtlichkeit in der Praxis. Ein gegenläufiger Trend zeigt sich jedoch auf verbandlicher Ebene. Insbesondere werden in den großen Wohlfahrtsverbänden und Fachverbänden fachliche Fragen der jeweiligen Beratungsinstitutionen bearbeitet, und es kommt in der Entwicklung der spezialisierten Felder auch zur Thematisierung übergreifender Fragestellungen, die über die spezialisierten Beratungsinstitutionen hinaus gehen. Dabei werden sie auch vor dem Hintergrund eines allgemeinen Beratungsverständnisses reflektiert und weiterentwickelt, wie sich das etwa in den Veröffentlichungen der DGfB, der DAKJEF, der DGSF und anderer Beratungsfachverbände zeigt.

2.3

Beratungsfachliche Fragestellungen

Wie sich die einzelnen Probleme und Fragen der Ratsuchenden nicht immer einer speziellen psychosozialen Hilfe- und Beratungsinstitution zuordnen lassen, so ist auch eine Abgrenzung von Erziehung, Beratung und Bildungsprozessen nur schwer möglich. Vor dem Hintergrund eines umfassenden und ganzheitlichen Bildungsbegriffs kann eine psychosoziale Beratung auch als

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Episode in einem individuellen Bildungsprozess verstanden werden. Menschen entwickeln und bilden sich schließlich gerade dann weiter, wenn sie an ihre Grenzen geraten und das Gewohnte fragwürdig geworden ist. Überblickt man die Spannweite institutionalisierter Beratungsangebote, so ist eine große Bandbreite vertreten, von stärker informationsbasierten Themen bis hin zu existentiellen Problembearbeitungen. Gelingende Beratung setzt dabei an den Anliegen der Menschen an und hilft bei der Bearbeitung, sei es durch Information oder durch Unterstützung in den jeweiligen Deutungsprozessen. Gleichwohl ist es in einer differenzierten Gesellschaft selbstverständlich, dass sich Beratung und Bildung in eigenen Funktionssystemen herausbilden. In institutionalisierten Bildungseinrichtungen steht häufig im Gegensatz zur psychosozialen Beratung meist das Anliegen des Einzelnen nicht im Vordergrund, sondern die Vermittlung von vorgegebenen Inhalten an eine Gruppe. Je nach Personalschlüssel stößt die Möglichkeit zu begleitender individueller Beratung der Einzelnen früher oder später an ihre Grenzen. Aber auch die Ausbildung der Lehrenden und eventuell die Aufgabe, Noten zu geben, kann diesbezüglich begrenzend wirken. So stellt sich die Frage, inwieweit in der Beratung auch Bildungsarbeit in ihrem ganzheitlichen Sinne geleistet wird, die von den Bildungsinstitutionen nicht erbracht werden kann. Flexibilisierung der Arbeitsprozesse, immer häufiger geforderte Mobilität, eine Flut unüberschaubarer Informationen, ständig neue Technik und andere Anforderungen der Moderne bewirken bei immer mehr Menschen neue Probleme und neue Formen psychosozialen Stresses. Der gesellschaftliche Wandel hat in vielerlei Hinsicht eine Dynamik und Komplexität angenommen, die Handeln und die damit einhergehenden Wirkungen zum Teil undurchschaubar machen. Gleichzeitig wächst der Druck, immer schneller und immer häufiger Entscheidungen treffen zu müssen. Alleine das Aussortieren und Ordnen von immer mehr – zumeist digitalen – Informationen stellt für nicht wenige Menschen eine Überforderung dar. Diese Zeit des Umbruchs, deren übergreifende Kennzeichen unter anderem Globalisierung und Individualisierung sind, hat verschiedene Namen bekommen, je nach Blickwinkel: So etwa Postmoderne oder Reflexive Modernisierung (Beck/Giddens/Lash 1996). Während Menschen Sicherheit suchen, erleben sie sich heute aber immer häufiger riskanten Unsicherheiten ausgesetzt. Die Geschwindigkeit, mit der die verunsichernden Veränderungen mittlerweile anwachsen, wurde erst möglich durch eine Computerisierung und Vernetzung der Gesellschaft. Das hat zur Folge, dass immer mehr unterschiedliche Kompetenzen benötigt werden, um in der komplexer werdenden Gesellschaft zurecht zu kommen. Dies gilt insbesondere für die Informations- und Kommunikationstechnik, aber auch für andere gesellschaftlich relevante Bereiche. Bei diesem schnellen Wandel ist leicht nachvollziehbar, dass das Bildungssystem gar nicht schnell genug reagieren kann, um gesellschaftlich

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relevante Kompetenz- und Wissensbereiche zu identifizieren und in den Lehrplan zu integrieren. Das führt zu neuen Quasi-»Analphabetismen«, das heißt zu grundlegenden Defiziten in Bezug auf gesellschaftlich geforderte Basiskompetenzen, die sich auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche auswirken können. Insbesondere, wenn Verwandtschafts- und Freundschaftssysteme nicht zur Verfügung stehen, um bei der Beantwortung von Fragen und der Bearbeitung von Problemen zu helfen, bleibt den Menschen oft nur noch, professionelle Hilfe aufzusuchen. So ist zu erwarten, dass es bei diesen Fragestellungen leicht zu Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeiten zwischen Beratungs- und Bildungssystem kommt. Nicht selten erhalten Beratungsstellen von ihren Kostenträgern den Auftrag, zusätzlich Aufgaben der Prävention im jeweiligen Themenbereich zu übernehmen. Dazu gehört die Aufklärung an Schulen und in einer wie auch immer zu konkretisierenden Öffentlichkeit. Der Gedanke dahinter ist nachvollziehbar : Man will durch vorbeugende Maßnahmen verhindern, dass Menschen überhaupt in eine schwierige Situation geraten, die Beratung notwendig macht. Auf Grund des komplexen Wirkungsgefüges ist es allerdings nicht einfach, die speziellen Faktoren auszumachen, die bei der jeweiligen Negativspirale beteiligt sind, und ihnen zielgerichtet entgegenzuwirken. Hier wird insgesamt deutlich, dass das Verhältnis von Bildungssystem und Beratungssystem an verschiedenen Stellen klärungsbedürftig wird. In der psychosozialen Beratung treten schließlich verschiedenste Probleme zutage, die von diesem Funktionssystem strukturell nicht bearbeitet werden können. Eine Entgrenzung der beiden Funktionssysteme und zugleich eine strukturelle Kopplung wird dabei deutlich, indem die Fragen und Probleme des einen Systems auf die des anderen zurückwirken und umgekehrt. Gezielte Rückkopplung der Beobachtungen aus den Beratungsstellen wäre für die Bildungsplaner hilfreich. Die Beratung kann auch im Einzelfall dazu beitragen, individuelle Defizite zu identifizieren und neue persönliche Bildungswege zu eröffnen. Hinsichtlich beruflicher Qualifikation geschieht dies in der Bildungsberatung (vgl. Schiersmann 2008). Darüber hinaus gibt es aber auch einen weitergehenden Bedarf, im Laufe des Lebens grundlegende Kompetenzen zu erlernen, die von Elternhaus und Schule nicht gefördert werden. Forderungen, dass Beratungsstellen mehr Prävention leisten sollen, werden der Problematik nicht gerecht. Vielmehr bedarf es einer sinnvollen Vernetzung der unterschiedlichen Akteure, damit über einen engen systeminternen Horizont hinaus neue Ansätze entwickelt werden und die verschiedenen Beteiligten ihre Kernkompetenzen zielgerichtet einbringen können. Am Beispiel des Portals Drugcom.de (Tossmann 2007), das von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betrieben wird, zeigt sich, dass Onlineberatung auch zur Prävention eingesetzt werden kann und die gezielte Verknüpfung

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von Informationsangeboten mit darauf abgestimmter Beratung im Internet möglich ist. Die Aus- und Weiterbildung von Beratern geschieht vielfach in Weiterbildungsinstitutionen, die von Beratungsverbänden anerkannt wurden und bestimmten Therapieschulen zuzuordnen sind. Darüber hinaus gibt es aber auch Beraterausbildungen, deren Curriculum inhaltlich aus verschiedenen therapeutischen Richtungen eklektisch zusammengefügt wird. Im Rahmen dieser Studie ist es nicht möglich, auf alle im psychosozialen Feld verbreiteten Beratungsansätze einzugehen. Einen umfassenden Überblick bietet das Handbuch der Beratung (Nestmann/Engel/Sickendiek 2004b, S. 609 – 779). Hier werden lediglich die drei Ansätze skizziert, in denen sich die interviewten Beraterinnen und Berater teilweise weitergebildet haben und die im psychosozialen Feld verbreitet sind. Psychoanalytisch orientierte Beratung (Datler/Steinhardt/Gstach 2004, S. 613 ff.) gehört zu den ältesten Verfahren und geht auf den Begründer der Psychoanalyse, Siegmund Freud, zurück. Als Arzt hat er mit seiner Theorie die Betrachtung von psychischen Phänomenen und Krankheiten maßgeblich beeinflusst. Die medizinische Behandlung von Neurosen war Ziel seiner therapeutischen Tätigkeit. Bei der Anwendung der psychoanalytischen Methode geht es in der Beratung darum, in schwierigen Lebenssituationen eine Entscheidungshilfe zu bieten. Dabei spielt die Bearbeitung unbewusster Prozesse eine zentrale Rolle. Die klientenzentrierte Beratung (Staumann 2004, 641 ff.), von der »Gesprächstherapie« kommend, hat sich im Rahmen der Humanistischen Psychologie als Gegenbewegung und Abgrenzung zur Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie entwickelt. Begründer ist Carl Rogers, der das Anliegen verfolgte, im therapeutischen Prozess menschliche Begegnung zu ermöglichen. So hat er Grundhaltungen entwickelt und ausführlich beschrieben, die heute auch in anderen Schulen als grundlegend erachtet werden. Beide genannten Verfahren werden primär in einem Gesprächssetting, bei dem Berater und Klient auf Stühlen sitzen, vollzogen. Beim nächsten Verfahren, der Systemischen Beratung (Brunner 2004, S. 655 ff.), ist das anders. Dort kommt dieses Setting zwar ebenfalls vor, allerdings geht das methodische Repertoire weit darüber hinaus. Da sich dieser Ansatz im Feld der Beratung immer weiter ausbreitet, soll die entsprechende Methodenvielfalt nun etwas ausführlicher dargestellt werden. Systemische Beratung hat sich nicht aus einem einzelnen theoretischen Ansatz heraus entwickelt. Vielmehr wird der systemische Ansatz aus verschieden theoretischen Denktraditionen heraus entwickelt (Schlippe/Schweitzer 2012, S. 29 ff.). Die Ursprünge gehen auf die »Entdeckung des Familiensettings« (ebd. S. 33 ff.) zurück, als erste familienorientierte Ansätze in der Sozialarbeit ihren Anfang

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nahmen. Insofern liegen erste Wurzeln des Systemischen nicht in der Therapie sondern im Feld Sozialer Arbeit, was die hohe Anschlussfähigkeit in diesem Bereich mit erklären dürfte. Zentral ist hier, dass nicht primär der einzelne Mensch mit seinen Problemen in den Blick genommen wird, sondern die Beziehungen und der Kontext der Beteiligten in den Mittelpunkt der Beratung rücken. Es kann auch kein einzelner Begründer genannt werden, sondern mehrere Gründungsväter und -mütter, wobei sich als Familientherapie bald verschiedene Familientherapieschulen herausgebildet haben (bspw. die »Strukturelle Familientherapie nach Minuchin 1990). In Bezug auf den Anfang dieses Verfahrens sind Namen wie Gregory Bateson (1994), Paul Watzlawick (mit Beavin/Jackson 1990) und Virginia Satir (1994) zu nennen. Die Erweiterung der Perspektive in der Beratung und Therapie auf das Familiensystem und die Arbeit mit Familien anstatt den Fokus primär auf einzelne Personen zu legen, war Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine quasi revolutionäre Neuerung. In Deutschland haben Maria Bosch (1977) und Helm Stierlin (1992) sehr früh die familientherapeutische Entwicklung mitgeprägt. Bei den Symptomen, die Personen innerhalb eines Systems aufzeigen, wurde nun nach der Bedeutung, das heißt nach der (positiven) Funktion für das gesamte System gefragt. Die Frage des »Wozu?« – statt der Frage nach dem »Warum?« – erlangte somit grundlegende Bedeutung. Systemische Therapie und Beratung wird in ihrer Theoriebildung von verschiedensten Wurzeln gespeist. Grundlagen sind beispielsweise die psychologische Kommunikationstheorie, die Systemtheorie, der Symbolische Interaktionismus (Schubert 2009), der Konstruktivismus (Pörksen 2011), die Synergetik beziehungsweise Selbstorganisationsforschung (vgl. Haken/ Schiepek 2006) und andere Theorien verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Die frühen Entwicklungen werden heute als »Kybernetik 1. Ordnung« bezeichnet (vgl. Schlippe/Schweitzer 2012, S. 44 ff.). Vorherrschend waren dabei normative Ansätze, die zwischen funktionalen und dysfunktionalen Aspekten von Familien unterschieden haben. Begriffe wie Grenze, Funktion und Homöostase waren zu diesem frühen Zeitpunkt zentral. Problemen begegnete man dadurch, dass man versuchte, in einem dysfunktionalen System ein neues Gleichgewicht herzustellen. Dieser Ansatz wurde in der so genannten »Kybernetik 2. Ordnung« (vgl. Schlippe/Schweitzer 2012, S. 53). kritisiert und weiterentwickelt. Die zentrale Rolle des Beobachters von Realität wurde betont, weil jegliche Realitätsbeschreibung immer aus einer bestimmten Perspektive heraus entsteht. Entsprechend wurde hervorgehoben, dass der Therapeut nicht das Klientensystem an sich erlebt, sondern er vielmehr zusammen mit ihr ein neues System bildet, das Behandlungssystem, von dem der Therapeut selbst ein Teil ist. Im Vordergrund steht seit dieser Zeit nicht mehr die Diagnose von funktionalen und dysfunktionalen Anteilen und deren Behandlung, sondern die Suche nach neuen Möglichkeiten des jeweiligen Systems. Therapie und Beratung bedeuten

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in diesem Zusammenhang vor allem Unterstützung bei Selbstwahrnehmungsund Selbstorganisationsprozessen von Systemen. Entsprechend haben sich in den letzten Jahrzehnten im Systemischen narrative, ressourcenorientierte und lösungsorientierte Ansätze herausgebildet. Die Probleme der Klienten stehen beim systemischen Ansatz also nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern vielmehr das Auffinden von Ressourcen, die neue hilfreiche Erfahrungen ermöglichen und Lösungen entwickeln helfen. Bei systemischer Beratung und Therapie sind dabei Zielklärung und Kontraktierung zentrale Elemente. Die Ratsuchenden werden so mit ihren Kompetenzen aktiv in den Veränderungsprozess einbezogen. Systemische Beratung hat sich in der institutionalisierten Beratung stark verbreitet, und auch in vielen theoretischen Konzepten ist systemische Theorie zu einer grundlegenden Betrachtungsweise geworden. Hierzu mag die bewusste Abgrenzung vieler Systemiker vom klinischen Modell39, das menschliches Verhalten als krank beziehungsweise gesund einteilt, beigetragen haben, außerdem die genannten Wurzeln aus der Sozialarbeit. Therapie und Beratung wird vor diesem Hintergrund nicht als Behandlung von Krankheiten verstanden, sondern als Lern- und Entwicklungsprozess von Menschen. Das kann die hohe Anschlussfähigkeit für pädagogische Berufsgruppen, die im psychosozialen Feld stark verbreitet sind, erklären. Die grundlegenden Begriffe der Beratung: das Beratungssetting, der Beratungsprozess und die Beratungsbeziehung werden nachfolgend in der gebotenen Kürze entfaltet, um das zugrundeliegende Verständnis von Beratung für die weiteren Ausführungen nutzbar zu machen. Diese Begriffe sind sowohl in der Face-to-Face-Beratung als auch in der Beratung mittels Neuer Medien relevant und bilden damit eine Basis für die Nachvollziehbarkeit von Beratung überhaupt. Als Beratungssetting40 wird hier das strukturelle Gesamtgefüge verstanden, das in eine einzelne Beratungssituation hineinspielt und auch die konkrete Ausgestaltung der Situation betrifft. Es beschreibt also die übergreifenden personellen und materiellen Rahmenbedingungen von Beratung, sowie die typische Konstellation der Beratungssituation selbst. Insofern stellen die jeweili39 Medizinisch werden psychische Krankheiten im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) kategorisiert. Das DSM wird von der American Psychiatric Association herausgegeben und das ICD von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Deutschland müssen Ärzte ihre Leistungen gemäß § 295 Sozialgesetzbuch (SGB) V nach der deutschen Version, die vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen wird, verschlüsseln. Homepage des Instituts mit der aktuellen Version ICD10-GM Version 2012: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/. Abgerufen am 21. 04. 2012. 40 Der Begriff Setting wird nicht einheitlich verwendet, sondern unterschiedlich eng beziehungsweise weit gefasst.

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gen medialen Arrangements auch bestimmte Settings dar. Der Begriff des Settings ermöglicht auch bestimmte typische Formen der Beratung zu benennen, wie beispielsweise das Face-to-Face-Setting oder Mailberatung als Setting. Anders als in der alltäglichen Beratung gibt es in der institutionellen Beratung vor Ort meist eigens vorgesehene Beratungsräume, die einen geschützten Rückzug ermöglichen. Aber es gibt auch aufsuchende Formen der Beratung (vgl. ZwickerPelzer 2010, S. 89 ff.). In vielen Beratungsstellen sind ein Empfangsbereich und ein Wartebereich vorhanden. Die Ausstattung der Beratungsräume kann sich je nach Beratungsinstitution sehr unterscheiden. So können sich in einer Sexualberatungsstelle Informationstafeln befinden, die zur Sexualaufklärung genutzt werden, und in Beratungsstellen für Kinder ist häufig Spielzeug und pädagogisches Material vorzufinden. Beratungssettings unterscheiden sich darüber hinaus maßgeblich durch die beteiligten Personen. Es gibt beispielsweise Einzel-, Paar-, Familien- und Gruppenberatung41 und seitens der Berater wird die Beratung meist alleine oder in so genannter Co-Arbeit, das heißt von zwei Professionellen gemeinsam durchgeführt. Die organisatorische Einbindung der Beratungsstelle beeinflusst in Form von Beratungskonzept, Finanzierung, aber auch durch die von dem Träger vertretenen Normen und Werte das jeweilige Beratungssetting. Der Beratungsprozess wird vielfach idealtypisch in verschiedene Phasen eingeteilt, die jedoch in der Praxis nicht immer in einer bestimmten Abfolge durchlaufen werden. Die Phasen werden bei den verschiedenen Beratungsansätzen unterschiedlich benannt, wenn sie überhaupt explizit thematisiert werden. Ganz allgemein sind mindestens drei Phasen zu unterscheiden. Zeitlich und nicht inhaltlich beschrieben sind das: Beginn, Mitte und Ende der Beratung (vgl. Nußbeck 2006, S. 93). Darüber hinaus ist der Erstkontakt mit der Beratungseinrichtung ebenfalls von großer Bedeutung (vgl. Prior/Schmidt 2008), der allerdings nicht mit der ersten Beratungssitzung zusammenfallen muss, sondern zumeist vorher stattfindet. Die Beratungsstellen unterscheiden sich darin, wie dieser Erstkontakt gestaltet wird. Vielfach wird telefonisch eine erste Sitzung vereinbart. In manchen Stellen wird man für diese Terminabsprache direkt mit einem Berater verbunden und in anderen Stellen ist es üblich, dass der Erstkontakt von einer Verwaltungskraft geleistet wird. Der Beginn der Beratung selbst dient dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Abbau von Ängsten. In dieser Phase wird die Frage- beziehungsweise Problemlage besprochen und geklärt, was im Rahmen einer Beratung möglich ist, welche zeitlichen Ressourcen zur Verfügung stehen und was gegebenenfalls nicht im Rahmen der jeweiligen Beratung bearbeitet werden kann. Hierhin gehören also die Zielklä41 Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Beratung einer Gruppe, die auch außerhalb der Beratung als Gruppe besteht und einer Einzelberatung im Setting von Gruppenberatung.

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rung und Kontraktierung, wobei der Kontrakt vor allem inhaltlich gefüllt wird und über eine rein vertragliche Vereinbarung, die gegebenenfalls zusätzlich schriftlich erfolgt, hinausgeht. Insgesamt wird zu Beginn auch die grundsätzliche Frage geklärt, ob sich Berater und Klienten überhaupt vorstellen können, miteinander zu arbeiten. Die Mitte des Beratungsprozesses wird inhaltlich unterschiedlich benannt wie etwa »Veränderungsphase« oder »Interventionsphase« (vgl. Migge 2007, S. 360 ff.). Dabei wird an den vereinbarten Themen gearbeitet, wobei sich das Vorgehen je nach Beratungsinstitution und Beratungsansatz sehr unterscheiden kann. In dieser Phase kann es vorkommen, dass der vereinbarte Kontrakt hinfällig wird oder einer Anpassung bedarf. Grund dafür kann sein, dass sich während der Beratung herausstellt, dass es weitere oder aus Sicht der Klienten vielleicht sogar wichtigere Themen und Probleme gibt, die zunächst bearbeitet werden sollten. Beim Ende der Beratung stehen Verabschiedung und Transfer des Erarbeiteten in den Alltag nach Abschluss des Beratungsprozesses im Vordergrund. Auch hier ist es möglich, dass gerade im Verabschiedungsprozess neue Fragen auftauchen, die ein Weiterarbeiten erforderlich machen. Die einzelnen Phasen können somit innerhalb eines Prozesses auch mehrfach nacheinander durchlaufen werden. Wie lange ein Beratungsprozess dauert, hängt sowohl von der jeweiligen Problemlage, vom Beratungskonzept und von den finanziellen Ressourcen ab. Eine Frage, die sich vor allem auf fachliche Informationen bezieht, kann in der Regel in kürzerer Zeit sinnvoll bearbeitet werden, als emotionale und Beziehungsprobleme. Die Beratungsansätze unterscheiden sich allerdings auch darin, wie lange eine Beratung prinzipiell dauert und wie viele Sitzungen als notwendig erachtet werden. Systemische Ansätze, die die Phasen zwischen den Sitzungen als wichtige Veränderungszeiten ansehen und beispielsweise mit gezielten Aufgaben zwischen den Sitzungen arbeiten, beraumen die Sitzungen in größerem Abstand an als beispielsweise tiefenpsychologische Ansätze, die Veränderungsmöglichkeiten vor allem innerhalb des Beratungssettings sehen. Darüber hinaus gibt es mittlerweile aber auch für emotionale Probleme kurzzeittherapeutische Ansätze, die im Sinne einer konsequenten Lösungsorientierung konzeptionell mit wenigen Sitzungen auskommen. In der Praxis stellen allerdings die personelle Ausstattung und die jeweilige Nachfrage in einer Stelle zentrale Voraussetzungen für die mögliche Dauer der Beratung dar. Die Ausbreitung von kurzzeittherapeutischen Beratungskonzepten in der psychosozialen Beratung dürfte dabei nicht nur fachlichen Überlegungen, sondern auch den knappen Ressourcen geschuldet sein.

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Die Beratungsbeziehung zwischen Berater/Therapeut und Klient wird allgemein als zentral für einen förderlichen Veränderungsprozess angesehen42. Dabei bedarf es vor allem bei sehr persönlichen und intimen Problemen des grundlegenden Vertrauens seitens der Ratsuchenden, denn nur dann werden sie sich auch mit heiklen Themen öffnen und sich dem Berater anvertrauen. Die Zusicherung von Verschwiegenheit ist somit grundlegend. Darüber hinaus muss der Ratsuchende daran glauben, dass der Berater »weiß, was er tut« – also professionell handelt. Das Zutrauen in die fachliche Kompetenz ist Voraussetzung dafür, dass sich der Ratsuchende auch auf neue Erfahrungen einlassen kann. Die Glaubwürdigkeit und der gute Ruf der Beratungseinrichtung und die individuelle Qualifikation des Beraters können dazu beitragen, dass diese positiven Erwartungen bereits zu Beginn der Beratung vorhanden sind. Allerdings trägt das mittel- und langfristig nur, wenn der Ratsuchende auch mit der jeweiligen Person die Erfahrung macht, dass er mit seinem Problem und in seinem Sosein angenommen und ernstgenommen wird. Insbesondere bei emotionalen Problemen und Beziehungsproblemen kann es darüber hinaus aber auch vorkommen, dass der Berater selbst in den Problemkomplex verstrickt wird und vielleicht sogar Teil des Problems werden kann. Somit muss sich der Berater immer wieder über die Beziehungsdynamik klar werden und den Beratungsprozess reflektieren. Nicht selten wiederholen dabei die Ratsuchenden Beziehungsprobleme auch innerhalb der Beratungsbeziehung. In der Tiefenpsychologie gibt es für solche Phänomene die Bezeichnung »Übertragung«. Das heißt, dass frühere und emotional wichtige Beziehungsdynamiken auf die aktuelle Beziehung übertragen, und somit wiederholt werden. Es geht dabei also um alte Konflikte, die jedoch unbewusst auf die aktuelle Situation bezogen werden. Eine Beratungs- oder Therapiebeziehung ist dafür sehr empfänglich, gerade weil es sich um eine asymmetrische Beziehung handelt, die unbewusst an frühkindliche Erfahrungen mit den Eltern erinnern kann. Auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, dass bei dem Berater unbewusst alte Erinnerungen aus dem eigenen Leben aktualisiert werden. Entsprechend kann es in der Reaktion auf die Übertragungen des Klienten zu so genannten Gegenübertragungen kommen. Dies wäre dann problematisch, wenn es vom Berater nicht bemerkt würde, und der Klient dabei wieder alte und nicht hilfreiche Erfahrungen machen würde. Deshalb ist es wichtig für den Berater, unterscheiden zu lernen, was in der Beratung Anteil des Ratsuchenden und was Anteil des Beratenden selbst ist. Um dies reflektieren zu lernen, gibt es in den meisten Therapie- und Beratungsausbildungen Selbsterfahrungsanteile beziehungsweise Eigentherapie. Das heißt es werden eigene persönliche Fragen und Probleme bearbeitet, um die Selbst42 Veränderung wird hier in einem weiten Sinne verstanden, das heißt in Abgrenzung zur reinen Begleitung.

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wahrnehmung weiterzuentwickeln. Insbesondere durch Feedback aus der Ausbildungsgruppe und durch die Lehrberater wird es dabei möglich, die Selbstwahrnehmung mit der Fremdwahrnehmung anderer abzugleichen. Durch Supervision während aber auch nach der Weiterbildung wird die gezielte Reflexion der jeweils aktuellen Fälle ermöglicht, um eigene Grenzen zu erfahren und neue Möglichkeiten in den Beratungsprozessen zu eruieren. (vgl. Haubl 2009) Die Steuerung des Beratungsprozesses und das Gestalten neuer und möglichst hilfreicher Problembearbeitungsmöglichkeiten liegen in der Verantwortung des Beraters. Schließlich geht es Ratsuchenden darum, neue und hilfreiche Erfahrungen zu machen, wenn sich die gewohnten Bewältigungsmöglichkeiten als nicht hilfreich herausgestellt haben. Gleichwohl bleibt die Verantwortung für die Veränderung bei dem Ratsuchenden selbst. Beratung, also Rat und Hilfe zur Selbsthilfe, kann also lediglich als Anregungsfunktion verstanden werden. Instruktion und intentionale Intervention sind demgegenüber mit Beratung nicht vereinbar. Den ratsuchenden Menschen in seiner Mündigkeit ernst zu nehmen, gerade auch dann, wenn er sich rat- und hilflos fühlt, stellt seitens des Beraters eine zentrale Herausforderung dar. Das fordert von ihm eine Bescheidenheit, eben nicht alles bewirken zu können. Bisweilen kann aber gerade das MitAushalten von nicht veränderbaren Gegebenheiten und Ohnmachtsgefühlen, eine wichtige Voraussetzung sein, dass sich neue Möglichkeiten und Veränderungen wieder eröffnen können. Das zeigt, wie anspruchsvoll psychosoziale Beratung mit ihrer Verdichtung von Problemlagen hinsichtlich komplexer sachlicher wie emotionaler Themen ist. Denn es bedarf eines soliden Fach- und Methodenwissens zu Veränderungsprozessen, zum jeweiligen Themenfeld der Beratungsinstitution und auch zum psychosozialen Feld insgesamt. Grundlegend ist allerdings, dass sich der Berater auch in die persönliche Auseinandersetzung mit den Themen und Fragen der Ratsuchenden begibt und bereit ist, im Rahmen von Aus-, Weiterbildung und Supervision an der eigenen Person zu arbeiten und sich selbst weiterzuentwickeln und weiterzubilden. Der Vertrauensvorschuss, der in Beratung und Therapie den Professionellen entgegengebracht wird, ist auch mit Gefahren verbunden, und so bedarf es immer wieder der Reflexion ethischer Fragestellungen, um die damit verbundene Macht nicht zu missbrauchen. (Thiersch 1990, Schrödter 2004a und 2004b, Brunner 2001, Schmidt-Lellek 1995) Die Unterscheidung zwischen Prozessberatung und Fachberatung beziehungsweise Expertenberatung (Backhausen/Thommen 2006, S. 41) ist in diesem Zusammenhang für die Betrachtung der verschiedenen Beratungsinstitutionen von Bedeutung. Während Fachberatung und Expertenberatung bedeuten, dass ausdrücklich informiert und spezielles Wissen weitergegeben wird, dient Prozessberatung der Unterstützung der Klienten bei ihren eigenen Suchprozessen.

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Fachberatung ist somit notwendig, wenn Ratsuchende in einem komplexen Feld spezieller Informationen bedürfen, um aus einer schwierigen Problemsituation heraus zu gelangen, oder als Voraussetzung für eine risikovolle Entscheidung. Bei der Prozessberatung geht es demgegenüber stärker um emotionale und beziehungsrelevante Veränderungsprozesse, die nicht selten krisenhafte Situationen zum Ausgangspunkt haben. In der Praxis gibt es diese idealtypische Unterscheidung zwischen Experten- und Prozessberatung nicht in Reinform, dennoch können bestimmte Beratungsinstitutionen stärker der einen oder anderen Ausprägung zugeordnet werden. So stellt Schuldnerberatung in hohem Maße Expertenberatung dar, da es vielfach um juristisches Wissen geht, das überschuldete Menschen in ihrer Situation benötigen (vgl. Homann 2009). Dieser Bedarf an speziellen Informationen hat noch zugenommen, seit 1999 auch die Unterstützung bei einer Privatinsolvenz als Aufgabe hinzugekommen ist. Die starke juristische Orientierung dieser Beratungsinstitution zeigt sich beispielsweise im Entwurf einer verbandlichen Rahmenordnung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) für die Weiterbildung zum/zur »Schuldner- Insolvenzberater/in«43, in denen das juristische Wissen einen großen Raum einnimmt, während die Beraterqualifikation hinsichtlich des Prozesswissens verhältnismäßig gering angesiedelt ist. In der Jugend- sowie in der Ehe-44 und Paarberatung kann man vorwiegend von Prozessberatung sprechen, da es häufig um Beziehungsklärung, Wertefragen und emotionale Probleme geht. Möglich sind zwar auch inhaltliche Informationssequenzen zum Beispiel aus der Kommunikationstheorie, diese stehen jedoch zumeist im Hintergrund. Bei Erziehungs-, Sucht- und Sexualberatung hängt der jeweilige Schwerpunkt sehr von der jeweiligen Fragestellung ab. So haben Eltern, wenn es um Trennung und Scheidung geht, oft Fachfragen hinsichtlich der für das Kind in dieser schwierigen Situation hilfreichen beziehungsweise schädlichen Faktoren, und in der Sucht- und Sexualberatung kann es um Wissensfragen etwa im Bereich der Gesundheit (beispielsweise Ansteckungsrisiken / Verhütung) gehen. In beiden Beratungsinstitutionen ist es aber auch möglich, dass Beziehungsfragen angesprochen, wodurch dann die Prozessberatung stärker in den Vordergrund tritt, indem die Klienten dabei begleitet werden, selbst eine Lösung zu finden. Beratung im Alltag, sei es im privaten Bereich oder in der Interaktion eines Professionellen mit einem Klienten, bedarf in der Regel keiner Abgrenzung von 43 Entwurf vom 03. 07. 2010 des Arbeitskreises Berufsbild der AG SBV. Verfügbar unter : http:// www.infodienst-schuldnerberatung.de/fileadmin/user_upload/Rubriken/Beratungsmethoden/2005/rahmenoberufsbild.pdf. Abgerufen am 21. 04. 2012. 44 Heute wird eher von Paarberatung gesprochen, da auch unverheiratete Paare beraten werden. Die traditionelle Bezeichnung dieser verhältnismäßig alten Beratungsinstitution ist jedoch nach wie vor Eheberatung.

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anderen Interaktionsformen. Vielfach werden diese Momente gar nicht explizit als Beratung wahrgenommen, und auch im professionellen Bereich ergibt sich kaum ein Bedarf zur fachlichen Einordnung. Alltagsberatung kann schließlich als »zentrales Moment jeder Kommunikation« verstanden werden (Thiersch 2004, S. 116; vgl. auch Thiersch 2002). Somit wird in der Regel nicht fragwürdig, wenn von einer Seite ein Rat erbeten wird und der andere berät oder sich zwei Personen wechselseitig beraten. In der Erziehung und in vielen pädagogischen Tätigkeitsfeldern können die im Konsens erfahrenen beraterischen Momente zwar als herausgehoben und wichtig erlebt werden, sie sind aber insgesamt im Alltag integriert und nicht »fragwürdig«. Anders ist dies in der institutionalisierten Beratung, wenn es um rechtlich reglementierte Beratungsbereiche geht. Hier kann es bei Überschneidungen mit anderen Handlungsfeldern sogar zu rechtlichen Sanktionen kommen, wenn beispielsweise Rechtsberatung, Psychotherapie oder medizinische Beratung von dazu nicht berechtigten Berufsgruppen erbracht wird. Während in Deutschland das Tätigkeitsfeld psychosozialer Beratung und die entsprechenden Beratungsberufe nicht staatlich geschützt sind und diese Beratung prinzipiell von jedem erbracht werden darf, ist das Tätigwerden im Bereich Recht, Medizin und Psychotherapie gesetzlich reglementiert. Es gibt entsprechende Normen45, die sowohl das erlaubte Handeln als auch die Ausbildungen und die entsprechenden Berufsbezeichnungen in den juristischen und heilkundlichen Berufen regeln. Juristische Beratung ist grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehalten; medizinische Behandlung den Ärzten und Heilpraktikern; Psychotherapie den Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Heilpraktikern. Um in der psychosozialen Beratung nicht in rechtswidrige Beratungssituationen zu geraten, bedarf es dementsprechend einer fachlichen und rechtlichen Positionsbestimmung. Die Abgrenzung zu medizinischer Beratung und Rechtsberatung ist vor allem aber nicht nur bei den Fachberatung leistenden Institutionen Schuldner-/Insolvenzberatung, Drogen-/Sucht- und Sexualberatung notwendig. Bei den primär Prozessberatung leistenden Beratungsinstitutionen wie Erziehungs- und Kinder-/Jugendberatung ist speziell im Einzelberatungssetting die Abgrenzung zu Therapie-/Psychotherapie besonders relevant. Fachlich ist die Schuldnerberatung von anwaltlicher Beratung zu unterscheiden, indem der Ratsuchende ganzheitlich beraten wird, das heißt auch psychosoziale Problemlagen thematisiert und bearbeitet werden können. Die 45 In nachfolgenden Gesetzen werden berufsrechtliche Einschränkungen und Erlaubnisse geregelt, die für die genannten Formen von Beratung von Bedeutung sind: Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO), Heilpraktikergesetz (HPG), Psychotherapeutengesetz (PsychThG), Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).

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Weitergabe von rechtlichem Wissen in Form von Weiterbildungen, die beispielsweise verallgemeinerte Fälle enthalten, ist nach deutschem Recht nicht verboten. Beschränkt wird allerdings die Einzelfallberatung, das heißt die juristische Unterstützung bei konkreten rechtlichen Problemen. Erlaubt wird die dabei notwendige Rechtsberatung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz46 für nach der Insolvenzordnung anerkannte Insolvenzberatungsstellen. Aber auch Verbände der freien Wohlfahrtspflege und anerkannte Träger der freien Jugendhilfe sind berechtigt Rechtsdienstleistungen »im Rahmen ihres Aufgabenund Zuständigkeitsbereichs« zu erbringen. Das gilt für Schuldnerberatung, die keine Insolvenzberatung darstellt, aber auch für andere Beratungsinstitutionen, in denen rechtliche Fragestellungen auftreten können wie etwa bei Fragen zum Sorgerecht in der Erziehungsberatung. Rechtliche Beratung ist also in einem bestimmten Rahmen erlaubt, wenn die Berater mit Qualifikationen aus dem psychosozialen Bereich im Hintergrund von Juristen unterstützt werden47. Bei psychosozialen Beratungsinstitutionen, die auch medizinische Beratung erbringen, stehen diese Informationen nicht im Vordergrund, sondern sind eingebettet in einen weitergehenden Themenkomplex. So ist qualifizierte Sexualberatung nur möglich, wenn auch medizinisches Fachwissen zu Verhütung eingebracht wird. Und in der Drogen- und Suchtberatung gehören Informationen zur Wirkung von psychisch wirksamen Substanzen grundlegend zur Beratung dazu. Die Beratung mit Hilfe medizinischen Wissens wird dabei in Deutschland rechtlich nur beschränkt, wenn es um die Diagnose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten48 geht. Beratung, die medizinisches Wissen beinhaltet aber keine Heilkunde darstellt, ist somit grundsätzlich – auch unabhängig der institutionellen Einbindung – erlaubt. Beratungsinstitutionen, die vorwiegend Prozessberatung anbieten, sind von Psychotherapie nicht immer klar zu unterscheiden. Vor allem bei emotionalen 46 § 8 des Rechtsdienstleistungsgesetzes »Öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen«. Abs. 1, Satz 5. Stand 06. 12. 2011. Verfügbar unter : http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/rdg/gesamt.pdf. Abgerufen am 21. 04. 2012. 47 Ebd. Abs. 1, 5. Zu beachten ist hier allerdings, dass in Abs. 2 geregelt ist, dass bei diesen Stellen § 7 Abs. 2 entsprechend gilt: »(2) Wer Rechtsdienstleistungen nach Absatz 1 erbringt, muss über die zur sachgerechten Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügen und sicherstellen, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. § 6 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.« § 6 Abs. 2 Satz 2 konkretisiert Anleitung wie folgt: »Anleitung erfordert eine an Umfang und Inhalt der zu erbringenden Rechtsdienstleistungen ausgerichtete Einweisung und Fortbildung sowie eine Mitwirkung bei der Erbringung der Rechtsdienstleistung, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist.« 48 Offizielle Bezeichnung des Gesetzes: Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)

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Institutionalisierte Beratung

Problemen ist die Abgrenzung vielfach schwierig, ob es sich dabei um eine psychosoziale Beratung oder eine psychotherapeutische Behandlung handelt. Als Beispiel kann das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) dienen. Bei einem Kind, das nach medizinischer Einschätzung ADS hat, ist es verboten, ohne Approbation (Arzt/Psychotherapeut) beziehungsweise ohne Heilpraktikerzulassung49 Heilung oder Linderung von ADS in Aussicht zu stellen. Selbst die Diagnose einer Krankheit bedarf der Erlaubnis nach Approbationsrecht oder Heilpraktikergesetz. Erlaubt ist es allerdings, einem solchen Kind pädagogisch weiterzuhelfen. In der Arbeit mit emotionalen Problemen ist es üblich, dass die psychotherapeutischen und pädagogischen Methoden große Überschneidungen aufweisen, sich gegenseitig ergänzen und nicht eindeutig voneinander abgrenzbar sind. Ob es sich um Pädagogik oder um Psychotherapie im Sinne des Gesetzes handelt, ist somit nicht durch die Methodik abgrenzbar, sondern in der Vereinbarung, ob Krankheiten behandelt werden und diagnostiziert werden oder nicht. Wer also keine medizinische Diagnostik betreibt und nicht in Aussicht stellt, psychische Krankheiten zu heilen oder zu lindern, hat in der psychosozialen Beratung diesbezüglich keine rechtlichen Probleme zu befürchten. Die Abgrenzungen in Bezug auf die Unterscheidung Heilkunde/Nicht-Heilkunde sind auch strukturell in der Praxis relevant. Vor allem bei Problemkontexten, die nicht eindeutig dem sozialen oder dem gesundheitlichen Funktionssystem zuzuordnen sind, ist die Zuständigkeit nicht immer klar. Die Finanzierung durch das Gesundheitssystem ist schließlich nur möglich, wenn es sich um heilkundlich relevante Fragestellungen handelt. Die psychosoziale Beratung wird demgegenüber durch nicht über das Gesundheitssystem finanziert. Besonders an den Schnittstellen des Gesundheits- und Sozialsystems gibt es keine klaren Zuständigkeiten, etwa wenn es um die genannten Fragen einer professionellen Klärung geht. Die Hausärzte sind für den medizinischen Bereich ausgebildet und verfügen nicht unbedingt über Grundwissen zu Hilfen im psychosozialen Feld. Die Berater grenzen sich umgekehrt, nicht zuletzt aus den dargestellten rechtlichen Erfordernissen, vom medizinischen Bereich ab. Aus Perspektive der Hilfe suchenden Menschen kann das problematisch sein, da für sie die vielen Hilfeangebote unübersichtlich erscheinen können und es für sie oft nicht möglich ist, frühzeitig die passende Hilfe zu finden. Noch schwieriger ist die fachliche Unterscheidung zwischen Therapie und 49 Im Bereich Psychotherapie hat eine Diplom-Pädagogin den so gennannten »kleinen Heilpraktiker« eingeklagt. Das heißt, dass es für die Heilpraktikerprüfung im Bereich Psychologie/Psychotherapie eine auf diesen Bereich spezialisierte Zulassung und Prüfung geben muss, obwohl das im Gesetz nicht vorgesehen ist. Urteil: BVerwG 3. Senat, Urteil vom 21. 01. 1993, Aktenzeichen:3 C 34/90, Verfügbar unter : http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dl8/ page/jurisw.psml/screen/JWPDFScreen/filename/WBRE310584703.pdf Abgerufen am: 23. 07. 2012

Beratungsfachliche Fragestellungen

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Beratung. Der Begriff »Therapie« ist – entgegen dem Begriff Psychotherapie – in Deutschland rechtlich nicht geschützt und bedarf entsprechend einer fachlichen Bestimmung. Da sich die Beratungsansätze aus therapeutischen Schulen heraus entwickelt haben, ist die Abgrenzung nur schwer möglich. In der Literatur wird die Unterscheidung vor allem in Bezug auf Dauer und Intensität begründet. Demnach ist Beratung in der Regel kürzer als Therapie und die Fragestellungen in der Beratung sind spezifischer und eingegrenzter. In therapeutischen Prozessen handelt es sich entsprechend stärker um übergreifende und zunächst diffusere Themenkomplexe, die die ganze Person betreffen. Die verschiedensten Beratungsverbände bemühen sich seit einiger Zeit darum, die Beratung nicht als »kleine Therapie« verstanden zu wissen, sondern das Spezifische der Beratung herauszustellen. Im Zusammenhang mit spezialisierter und wissensbasierter Fachberatung ist dies relativ gut darstellbar. Allerdings ist bei Beratungsinstitutionen, die vor allem emotionale Probleme bearbeiten, eine grundsätzliche Unterscheidung nur schwer möglich. Die Unterstützung in Veränderungsprozessen, sei es in Krisen oder anderen Problemsituationen, ist jedenfalls für beide Hilfeformen konstitutiv. Thiersch beschreibt die Eigenheit von Therapie gegenüber dem sonstigen Alltagshandeln: »Therapie bietet bei besonderen Indikationen gezielte Arrangements an und agiert damit jenseits des Alltags, dessen Interaktionsmuster sie, verfremdend und reduzierend, partiell außer Kraft setzt.« (Thiersch 2006, S.85)

Betrachtet man die institutionalisierte Beratung, so wird deutlich, dass sie vielfach in ihren heute üblichen Settings in Beratungszimmern von Beratungsstellen eben diese Eigenheiten der Therapie übernommen hat. Institutionalisierte Beratung vollzieht sich so gerade außerhalb des Alltags der Klienten. Fachlich bleibt festzuhalten, dass es in der psychosozialen Beratung darum geht, Menschen zu helfen, wieder selbst handlungsfähig zu werden und die eigenen Kräfte zu aktivieren, um die Probleme zu lösen. Was dazu nötig ist, ergibt sich aus der jeweiligen Situation und Problemkonstellation. Die Einteilung in spezialisierte Institutionen wird dabei den sehr unterschiedlichen Fragestellungen und Problemen einzelner Menschen nicht unbedingt gerecht. Daraus ergibt sich ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zwischen Angebot und Anspruch. Verschiedenste Hilfeangebote des psychosozialen wie des Gesundheitssektors wollen dem Menschen als ganzer Person helfen, bieten in ihrer jeweiligen Hilfeform aber nur ein Teilsegment möglicher hilfreicher Unterstützung an. Um damit angemessen umgehen zu können, bedarf es zum einen großer Offenheit, den jeweiligen Menschen in seiner Einzigartigkeit ganzheitlich wahrzunehmen und anzunehmen. Zum anderen bedarf es fachlicher, das heißt also verallgemeinerbarer Kompetenzen und bei Bedarf auch spezialisierten

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Institutionalisierte Beratung

Wissens, um den jeweiligen Ratsuchenden auch wirklich weiterhelfen zu können. Der Ansatz der Prozessberatung kann dazu beitragen, in den verschiedenen Institutionen das Individuelle in den Blick zu nehmen und in Absprache mit den Ratsuchenden Vereinbarungen für das weitere Vorgehen zu treffen. Hilfreich kann der Berater dabei jedoch nur sein, wenn er selbst seine eigenen persönlichen und fachlichen Möglichkeiten, aber auch seine Grenzen kennt und bei Bedarf qualifiziert an Institutionen weiterverweist, die für die jeweilige Problemkonstellation passender sind. Die verschiedenen Hilfemöglichkeiten im Alltag und im professionalisierten Feld lassen sich nicht durch ihre Wirkungen abgrenzen, sondern durch die Vereinbarung, was bearbeitet werden soll, und durch das jeweilige Setting. Das Wirkungsgefüge bei menschlichen Problemen ist schließlich zu komplex, um monokausal Aussagen über Wirkungen treffen zu können. So kann ein hilfreiches Gespräch mit einem Freund emotional tiefgehende Wirkungen hervorbringen, wie sie auch bei therapeutischen Prozessen möglich sind. Gleiches gilt etwa für Bildungsmaßnahmen, in denen wichtige persönliche Themen bearbeitet werden. Die Hilfe bei einem speziellen Problem kann auch Veränderungen in ganz anderen Problembereichen nach sich ziehen, die nicht explizit bearbeitet wurden. Sobald Menschen jedoch mit ihren eigenen Bewältigungskompetenzen an ihre Grenzen geraten sind, ist es wichtig für sie, dass sie neue Hilfemöglichkeiten entdecken können, die ihnen geeignet erscheinen und ihnen Hoffnung geben, in ihrer aktuellen Fragestellung weiterzukommen. Insofern ist ein breitgefächertes und unterscheidbares Hilfeangebot, das den verschiedensten Menschen in ihren unterschiedlichsten Problemlagen Unterstützung anbietet für ein funktionierendes Hilfenetz grundlegend. Demnach sind die Problemkonstellationen im Leben der Menschen in ein komplexes Gefüge eingebunden, die es nicht zulassen im Einzelfall monokausale Ursache-Wirkungszusammenhänge zu identifizieren. Außerdem zeigen Salutogenese- (Krause/Lorenz 2009) und Resilienzforschung (Mahler 2012), dass es nicht in erster Linie die objektivierbaren äußerlichen Gegebenheiten von Situationen sind, die entscheiden, ob Menschen dadurch Schaden nehmen oder Nutzen erfahren, sondern vor allem die individuell verfügbaren Bearbeitungs- und Bewältigungsmöglichkeiten. Insofern ist nachvollziehbar, dass es bei Hilfeangeboten immer wieder zum so genannten »Drehtür-Effekt« kommen kann. Das heißt, dass Menschen bisweilen Hilfe erfahren und ein singuläres Problem gelöst wird, aber die Menschen mit dem gleichen Problem – etwa mit neuen Schulden – nach einiger Zeit wieder zurückkehren. Dies ist dann der Fall, wenn die Hilfe nicht bei der eigenen Bewältigungskompetenz der Klienten ansetzt. Auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, dass Menschen ein bestimmtes Problem aktiv bearbeiten und damit zugleich auch andere Probleme nachhaltig lösen. Die Beratungslandschaft entwickelt sich in Deutschland in einer fächer-

Beratungsfachliche Fragestellungen

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übergreifenden Zusammenarbeit unterschiedlichster Professionen, wobei es nach wie vor auch spezielle Ansätze aus bestimmten Bereichen und Disziplinen gibt. Aus der Perspektive erziehungswissenschaftlicher Bildungsberatung schreibt Enoch: »Während die Beratungskonzepte noch bis vor einigen Jahren eher problemorientierte Ansätze verfolgten, um in Not geratenen Personen Hilfe zu bieten, geht man heutzutage bei der Beratung als eine pädagogische Tätigkeit aus, die allen Menschen bei der Beschreitung ihrer unterschiedlichen Lebenswege zur Seite stehen soll.« (Enoch 2011, S. 73)

Wie durch die Veröffentlichungen der Beratungsfachgruppen und Verbände bereits aufgezeigt wurde, gibt es auch einen Trend zur eigenständigen Profilierung der Beratung, jenseits spezieller Disziplinen. In diesem Zusammenhang wird auch bereits die Entwicklung einer interdisziplinären Beratungswissenschaft konstatiert (Hausinger 2009), wobei Nestmann (1997) vor gut 15 Jahren bereits »Bausteine für eine interdisziplinäre Wissenschaft und Praxis« der Beratung bereitgestellt hat. Eine einheitliche und allgemein anerkannte Beratungstheorie gibt es aber bislang nicht. Vielmehr entstammen die vorherrschenden Beratungstheorien vorwiegend psychotherapeutischen Schulen, die im Bereich der psychosozialen Beratung angewendet werden. Schiersmann/ Thiel (2012) legen demgegenüber eine Beratungskonzeption vor, die sich jenseits von Schulen und Formaten versteht und zentral auf Selbstorganisationsprozesse setzt. Chur beschreibt programmatisch die »Bausteine einer zeitgemäßen Konzeption von Beratung«, indem er einen allgemeinen Orientierungsrahmen für ein zeitgemäßes Beratungshandeln darlegt und das Ziel bestimmt: »Das Ziel besteht darin, jenseits der speziellen Akzentsetzungen einer (sozial-)pädagogischen, psychologischen, psychosozialen oder anders ausgerichteten Beratung und über die einzelne[n] Anwendungsbereiche hinweg (etwa einer Ehe- und Familien-, Schwangeren-, Erziehungs-, Bildungs-, Arbeitslosen-, Schuldner-, Ausländer- oder Suchtberatung) den gemeinsamen Nenner in der Vielzahl der Formen und Fragestellungen aufzuspüren. Im Sinn einer ›allgemeinen Grammatik‹ von Beratung wären generelle handlungsanleitende Gesichtspunkte zu benennen, die in der jeweiligen Situation des Einzelfalls dann speziell zu konkretisieren wären.« (Chur 2002, S. 95)

Er beschreibt sodann, dass zeitgemäße Beratung kontextbezogen und ressourcenorientiert sein müsse und benennt – zunächst thesenartig und danach im weitergehenden Zusammenhang – vier Bausteine als handlungsleitende Prinzipien für eine zeitgemäße Konzeption von Beratung: – »Beratung sollte sich als Schnittpunkt verschiedener Disziplinen, Anwendungsbereiche, Settings und Methoden verstehen. – Beratung sollte grundsätzlich auf eine identitätsbezogene Förderung von Schlüsselkompetenzen abzielen. Unter den Vorzeichen von Individualisierung

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Institutionalisierte Beratung

und Pluralisierung stellen gerade sie eine wesentliche Ressource für einen besser gelingenden Alltag dar. – Da Beratung sich auf Personen in ihrer Wechselwirkung mit der Umwelt richtet, sollte sie unterschiedliche personen- und kontextbezogene methodische Vorgehensweisen einsetzen und in einen integrativen systemischen Rahmen stellen. Um handlungsfähig zu sein, erfordert Beratung einen methodisch reflektierten Umgang mit der häufig konflikthaften Auftragssituation. Ein bewusstes Auftragsmanagement als integraler Teil von Beratung ist Voraussetzung für deren Erfolg.« (ebd. S. 97, kursive Hervorhebung im Original) Der im Herausgeberband »Die Zukunft der Beratung« (Nestmann/Engel 2002) veröffentlichte Aufsatz überwindet ebenfalls die Grenzen spezieller Disziplinen und Beratungsinstitutionen und beschreibt Eckpunkte, die in aktuellen Beratungskonzeptionen immer wieder genannt werden. Unter der Überschrift »Visionen« entwirft Hans Thiersch eine Perspektive zur Zukunft der Beratung, die auch für den Wandel der Beratung durch Neue Medien zentrale Punkte aufzeigen dürfte, um zu einer neuen Bewusstheit dieser Hilfeform zu kommen: »Soziale Beratung als elementarer methodischer Zugang der Sozialen Arbeit wird in der nächsten Zeit vor allem in Bezug auf spezifische Lebenslagen und Problemkonstellationen der AdressatInnen und in unterschiedlichen methodischen (vor allem offenen) Settings konkretisiert, analysierend beschrieben und in Arbeitstypen und vor allem Falldiskussionen auch in ihren Potentialen erörtert werden müssen. Nur so nämlich kann es gelingen, dass die Praxis der Sozialen Arbeit endlich zu einem deutlicheren Bewusstsein dessen findet, was sie tut und worin ihre konkreten Anstrengungen um Verbesserungen angesetzt sind und weiter verfolgt werden müssen. Soziale Beratung als Medium der Wahl in unserer Verhandlungsgesellschaft muss bewusst praktiziert und nach außen vertreten werden.« (Thiersch 2002, S. 163)

Was Thiersch hier allgemein im Hinblick auf Beratung schreibt, gilt umso mehr auf Grund der mittlerweile erfolgten Erweiterung von Methoden und Settings durch die Neuen Medien. Insofern gilt es diesen Prozess des bewussten Praktizierens voranzutreiben und vor dem Hintergrund des Wandels in der Beratung durch Neue Medien zu spezifizieren. Die Herausforderung wird sein, die Komplexität des Handlungsfeldes angemessen zu fassen und auf spezifische Settings und Fälle herunter zu brechen und so dem fachlichen Diskurs sinnvoll zugänglich zu machen.

3. Medienentwicklung und Beratungsmedien

Die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der Medien bewirkt in vielen Lebensbereichen nachhaltige Veränderungen. Das Spektrum umfasst die Alltagskommunikation ebenso wie den Wandel von Arbeitsabläufen und sozialen Dienstleistungen, etwa durch die weit verbreitete E-Mailkommunikation und durch neue Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung per Internet. Um den Wandel der Beratung in Folge der Weiterentwicklung der Kommunikationsmedien zu beleuchten, bedarf es zunächst einer begrifflichen Klärung und einer Betrachtung der Veränderungen in den Kommunikationsgewohnheiten der Menschen, welche als Berater beziehungsweise Ratsuchende im Fokus der vorliegenden Studie sind. Die Entwicklungen und Veränderungen der Medienlandschaft, insbesondere des Internets als globaler Kommunikationsplattform, werden nachfolgend in ihren Grundlinien skizziert, um vor diesem Hintergrund den Wandel der Beratung nachvollziehbar zu machen. Dabei wird überblicksartig auf die lange Tradition menschlicher Mediennutzung eingegangen, um zu beschreiben, wie Kommunikationsmedien seit jeher mit komplexer werdenden Gesellschaften verknüpft sind. Nicht erst in der Moderne nutzt der Mensch Medien, wenngleich sie heute eine zentrale Rolle eingenommen haben. Medien ermöglichen dabei, dass die Komplexität auch in einer stark differenzierten Gesellschaft mit ihren spezialisierten Teilfunktionen handhabbar bleibt.

3.1

Mediengeschichte und Medientypologie

Mit dem Begriff »Medien« wird sehr Unterschiedliches bezeichnet. Um den Begriff bezogen auf die Forschungsfrage zu präzisieren und relevante Phänomene in Bezug auf den Wandel der Beratung durch Neue Medien in den Blick zu bringen, bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit dem Medienbegriff und der Entwicklung von Medien. Der Begriff »Medium« ist ein Fremdwort, das seit dem 17. Jahrhundert bezeugt ist und von dem lateinischen Adjektiv »medius

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

›in der Mitte befindlich, mittlerer usw.‹« (Duden. Das Herkunftswörterbuch 1989, S. 449) hergeleitet wird. Zunächst wurde der Begriff gebraucht im Sinne von »Mittel«50, das heißt erst in der Bedeutung als stofflicher Vermittler und später auch im Sinne eines Übermittlers von Informationen. In diesem letzten Sinne soll der Begriff hier in der Regel im Plural als »Medien« verwendet werden. Um die grundlegende Bedeutung von Medien in Bezug auf Beratung zu unterstreichen, soll nun zunächst die Geschichte der Medienentwicklung in ihren Grundzügen skizziert werden. Eng verbunden mit diesen Entwicklungen ist die Erfindung der Schrift, die symbolische Trägerin von Sinngehalten, neben den materiellen Trägermedien ist. Einen umfassenden kulturgeschichtlichen Einblick in die »Universalgeschichte der Schrift« ermöglicht Haarmann (2004) und in die Mediengeschichte Hörisch (2004) und Faulstich (2012). Als »Urform« der sozialen Kommunikation gilt die Versammlung (Schönhagen 2008, S. 47 ff.). Das heißt, die Präsenz vor Ort war lange Zeit die einzige Möglichkeit für Menschen, Kommunikation betreiben zu können. Die Normalform von Verständigung war an eine bestimmte räumliche Situation gebunden, in der die Kommunikationspartner zur selben Zeit und am selben Ort anwesend waren. Doch mit der Erfindung der Schrift und verschiedener technischer Medien entwickelten sich neue Formen der Kommunikation. Schönhagen spricht in diesem Zusammenhang von einer ersten Kommunikationsrevolution, da Kommunikation über Distanz nun das Prinzip der Versammlung ersetzen würde. So sei es nun möglich Kommunikation von der Versammlung in die Verkehrswege auszuweiten. Da es bei der Frage nach dem Wandel der Beratung durch Neue Medien nicht alleine um mediale Kommunikation geht, sondern ebenfalls um Face-to-FaceSettings, bedarf es eines Verständnisses von Medien, das auch die Kommunikation in Anwesenheit mit einbezieht. Dazu bieten sich die Medientypen primäre, sekundäre und tertiäre Medien nach Pross (1972) an. Die Typen wurden später um die quartären Medien erweitert (vgl. Faßler 1997). Diese Medientypologie (s. Tabelle 2, S. 52) soll helfen, die Medien in ihrem Grad der Technikabhängigkeit darzustellen und auch das Face-to-Face-Setting in die Betrachtung einbeziehen zu können. Primärmedien stellen Stimme, Gestik und Mimik dar. Hier geht es also um die unmittelbaren Äußerungen von Menschen. Sie bedürfen keiner technischen Geräte, weder beim Sender der Nachricht noch beim Empfänger. Sie sind in der unmittelbaren Anwesenheit von Menschen wahrzunehmen, was mittels der menschlichen Sinnesorgane geschieht. Jenseits dieser unmittelbaren Anwesenheit von Menschen bedarf es technischer Hilfsmittel, damit menschlicher Aus50 Heute wird diese ursprüngliche Begriffsbedeutung nach wie vor benutzt in Wörtern wie Schlafmittel und Schmerzmittel.

Mediengeschichte und Medientypologie

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druck über die Situation vor Ort hinaus bei denen, die nicht dabei sind, wahrnehmbar werden kann. Hier spielen nun die Sprache und vor allem die Schrift als mediale Gerinnung des Gesprochenen eine besondere Rolle. Schrift ermöglicht es durch ihre symbolische Generalisierung auch komplexer Sachverhalte, über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg zu kommunizieren. Für die mediale Kommunikation ist das von großer Bedeutung. Zwar können auch Bilder übermittelt werden, diese sind jedoch in der Regel noch mehrdeutiger als die Schrift. Um den Wirkungskreis nun über den unmittelbaren Raum und die Gegenwart hinaus zu erweitern, bedarf es zumindest der Sekundärmedien. Von ihnen spricht man, wenn der Produzent von Kommunikation ein technisches Hilfsmittel benötigt, um zu kommunizieren. Als Beispiele können Brief, Zeitung und Buch genannt werden, da sie vom Empfänger ohne technische Hilfsmittel verstanden werden können. Diese Medien stellen zumeist auch Speichermedien dar und ermöglichen asynchrone, das heißt zeitversetzte Kommunikation. Medien, bei denen sowohl der Produzent als auch der Rezipient ein technisches Gerät benötigen, nennt man Tertiärmedien. Bei Tertiärmedien spricht man auch von elektronischen Medien. Als Beispiele sind Telegraf, Telefon, Radio und Fernseher zu nennen. Der vierte und damit letzte Medientyp nennt sich Quartärmedien, die auch als »digitale Medien« bezeichnet werden. Sie sind eingebettet in eine komplexe Struktur und überschreiten dabei durch ihre Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Medien die Möglichkeiten der früheren elektronischen Medien. Bei diesem Medientyp benötigen beide Seiten ein technisches Gerät. Die heutigen Neuen Medien wie Chat, Mail und Foren stellen Quartärmedien dar und stehen somit im Mittelpunkt des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit. Der erste materiell-gegenständliche Informationsaustausch zwischen Menschen, also mittels sekundärer Medien, dürfte in der Erstellung von Gegenständen und Zeichnungen zu sehen sein, die anderen analog beispielsweise in der Art der Anordnung etwas mitteilen. So können etwa Kultgegenstände eine bestimmte Situation religiös qualifizieren. Durch die Gegenständlichkeit beispielsweise einer religiösen Figur kann die Information zeitlich »gespeichert« und grundsätzlich auch überörtlich transferiert werden.

52

Medienentwicklung und Beratungsmedien

Tabelle 2: Medientypologie Medientyp

Medium (Auswahl)

Primärmedien Anwesenheit vor Ort, unmittelbare Wahrnehmung durch menschliche Sinne, synchron Sekundärmedien Technik bei Produzent, vorwiegend asynchron

Stimme/Ohren: Laute Körper : Gestik/Tonproduktion Gesicht: Mimik Haut: Tastsinn Nase: Geruchsinn Demonstration Zeremonie Rituelle Figur Schriftrolle Brief Kalender Flugblatt Zeitung Buch Akustischer Telegraf Blindenschrift Optischer Telegraf Telegraf Telefon Radio Fernsehen Schallplatte Kassette Video CD

Übertragung / Mögliche Einbettung von Symbolen und weiteren Medien

Mimik, Gestik Stimme, Mimik, Gestik Bild, Schrift Bild, Schrift Bild, Schrift Bild, Schrift Bild, Schrift Bild, Schrift Bild, Schrift Tonsignale (per Code) Tastsinn (spezielle Schrift) Lichtsignale (per Code) Elektrosignale (per Code) Stimme Stimme Stimme, Gestik, Mimik, Bild, Schrift Stimme Stimme Stimme, Gestik, Mimik, Bild, Schrift Stimme

Tertiärmedien (Elektronische Medien) Technik notwendig bei Produzent und Rezipient, asynchron und/oder synchron Quartärmedien / Chat Schrift Digitale Medien Mail Schrift Vernetzte Foren Schrift Distribution, Voice over IP Stimme Technik Videokonferenz Stimme, Gestik, Mimik, Bild, Schrift notwendig Digitales Whiteboard Bild, Schrift bei Produzent und Webbasiertes Chat / Mail / Foren; Digitales Rezipient, Präsentations- und Whiteboard; Videokonferenz; asynchron und damit auch: Stimme, Kooperationsund/oder Gestik, Mimik, Bild, Schrift werkzeug synchron Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärmedien und mögliche Kombinationsformen durch Einbettung von Schrift und Medien.

Mediengeschichte und Medientypologie

53

Die Kommunikationstheorie (Watzlawick/Beavin/Jackson 1990, S. 61 ff.) unterscheidet zwischen analoger und digitaler Kommunikation. Während Bilder und nonverbale Kommunikation den analogen Modus bezeichnen, stellen Worte digitale Kommunikation51 dar. Körpersprache ist somit analoge Kommunikation, die in der Lage ist, emotionale und auf Beziehung bezogene Inhalte zu vermitteln. Sie vermag jedoch weniger detaillierte und abstrakte Inhalte zu vermitteln, das heißt ihr Informationsgehalt ist bei analoger Kommunikation, etwa durch Gebärden oder Zeichnungen, sehr begrenzt. Schrift ermöglicht als digitale Kommunikation demgegenüber auch komplexe und abstrakte Themen in Form von Zeichen zu speichern und gleichzeitig die Reichweite der sprachlichen Informationsvermittlung deutlich zu erhöhen. Laute sind in ihrer Grundstruktur vergänglich und verklingen sofort, nachdem sie geäußert wurden. Eine Speicherung war über die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte nicht möglich. Anders ist das bei Schriftzeichen, da sie bereits seit ihrer Erfindung auch gespeichert werden können und je nach Materialbeschaffenheit des Speichermediums sehr lange erhalten bleiben, gegebenenfalls sogar dauerhaft konserviert werden können. Voraussetzung für eine weitergehende komplexe und differenziertere Übermittlung von Informationen ist somit die Entwicklung von Sprache, die einen digitalen Kommunikationsmodus darstellt. Die Einigung mehrerer Individuen auf einen bestimmten Laut, der etwas Bestimmtes bezeichnet, das über den Laut selbst hinausweist, war der Beginn der Sprache. Die Stimme kann somit als frühes Medium für digitale Kommunikation verstanden werden, das für symbolische Generalisierung und digitale Zeichenvermittlung geeignet ist. Laute ermöglichen durch Rufen und Schreien Informationen in näherer Umgebung auch über die unmittelbare Örtlichkeit hinaus zu verbreiten. Für die vorliegende Fragestellung ist bei der Medienentwicklung diese Betrachtung der örtlichen und zeitlichen Dimension zentral, da die Bedeutung der Neuen Medien auch darin liegt, dass sie raum-zeitliche Grenzen erweitern helfen. Offensichtlich gibt es in der menschlichen Kommunikation bereits sehr früh eine Tendenz, die räumliche Reichweite des Informationsaustauschs und die zeitliche Dauer der Speicherung auszudehnen sowie die Übertragungsgeschwindigkeit zu beschleunigen. Schon bei den frühen sekundären Medien kann dabei zwischen Kommunikations- und Speichermedien unterschieden werden. Primärmedien bewahren den Informationsgehalt nicht über die Situation hinaus auf. Speichermedien sind demgegenüber Träger von Informationen, die zeitlich über die aktuelle Situation hinaus aufbewahrt werden können. Für das Regieren von komplexer werdenden Gesellschaftsformen wurden 51 Die kommunikationspsychologische Unterscheidung digital/analog ist nicht identisch mit der entsprechenden Unterscheidung digital/analog der Informationstechnik. So ist es möglich, dass digitale Sprache über einen analogen Telefonkanal übermittelt wird.

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

Medien immer wichtiger. Das Verteidigen und Verwalten eines großen Reiches wäre ohne medienvermittelte Kommunikation nicht möglich gewesen. So wird davon ausgegangen, dass die älteste bekannte Schrift, die Keilschrift, im 4. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien von den Beamten zur Buchführung der Steuereinnahmen entwickelt wurde. Aber nicht nur in dieser Hinsicht spielen Medien für die gesellschaftliche Entwicklung seit jeher eine grundlegende Rolle. Gesellschaftliche Differenzierung, die konstitutiv für komplexe Gesellschaftsformen ist, wäre ohne mediale Kommunikationsformen und ohne Speicherungsmöglichkeiten von Informationen nicht vorstellbar. In größeren sozialen Systemen wird die Verbindlichkeit gemeinsamer Regeln und Absprachen, etwa hinsichtlich Standardisierung und Normierung in arbeitsteiligen Prozessen, durch Schrift sichergestellt (vgl. Haarmann 2002, S. 29 ff.). Die Ausdehnung der Reichweite wird auch bei der Kommunikation mittels Tonsignalen ermöglicht. So können durch Schlag- und Blasinstrumente weite Strecken überbrückt werden, die Speicherung der Information ist dabei jedoch nicht ohne weiteres möglich. Insbesondere in der Nutzung als Warnsignale haben diese Medien eine wichtige Bedeutung – etwa in der militärischen Kommunikation – erhalten. In der Antike wurde im römischen Reich ein solches Signalsystem sehr elaboriert entwickelt und mittels Ton- und Lichtsignalen (optischem Telegraf) der Limes als Grenze des römischen Imperiums verteidigt. So konnte schnell Verstärkung aus dem Hinterland über die Weitergabe der Signale von Wachposten zu Wachposten angefordert werden. Dieses Kommunikationssystem war bezüglich des Informationsgehaltes zwar begrenzt, konnte große Distanzen aber weit schneller als einfallende Reitertruppen mit ihren Pferden überbrücken52. Mittels Briefen und Büchern (Sekundärmedien) wurde es möglich, auch vielschichtige Informationen weiterzugegeben und aufzubewahren, das heißt zu speichern. Um größere Distanzen möglichst schnell überwinden zu können, wurden zunächst zu militärischen, später auch zu zivilen Zwecken, spezialisierte Transportsysteme mit Reiterboten entwickelt. Später wurde dieses Kommunikationssystem zur Institution »Post« weiterentwickelt, wodurch es möglich wurde, auch individuell über große Distanzen hinweg zu kommunizieren. Bereits für die römische Zeit ist nachgewiesen, dass das militärische Kommunikationssystem auch für individuelle Privatkommunikation genutzt wurde, wie etwa die im nordenglischen Kastell Vindolanda erhaltenen Holztäfelchen zeigen (Kramer 2007, S. 47 f.). Das Briefeschreiben ist somit eine sehr alte Form medialer Kommunikation. Die Verbreitung von Texten konnte in Europa im 52 Lichterketten zur Nachrichtenübermittlung sind bereits im ersten Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen. So schreibt Aischylos in seinem Werk Agamemnon, dass die Königin von der Eroberung Trojas erfahren habe und »dass Feuerzeichen, die auf allen Höhen zwischen Troja und Argos angezündet waren, ihr diese Nachricht gegeben hätten«. (Aischylos 1822, S. 198)

Mediengeschichte und Medientypologie

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15. Jahrhundert durch die Erfindung Johannes Gutenbergs53 erheblich ausgeweitet werden. Durch den Druck mittels beweglicher in Blei gegossener Lettern wurde es vergleichsweise kostengünstig möglich Texte zu vervielfältigen. So wurde es auch bezahlbar, aktuelle und damit schnell vergängliche Nachrichten in Form von Zeitungen und Zeitschriften zu veröffentlichen. Der Druck ermöglichte die erste Massenkommunikation. So wurde es auch möglich, dass sich das für die Erziehungswissenschaft interessante Genre der »Elternratgeber« herausgebildet hat. (Ausführlich dazu: Höffer-Mehlmer 2003). Sie stellen eine frühe Form medialer Beratung dar, die allerdings, anders als die Neuen Medien, noch nicht auf Interaktion angelegt waren. Im 19. Jahrhundert begann die Entwicklung elektronischer Medien. Nach Schönhagen (2008, S. 68) ist das der Anfang der dritten und bislang letzten Phase der Medien- und Kommunikationsgeschichte (nach der Phase der Versammlung und der Kommunikation in Verkehrsnetzen). Kennzeichen sei, dass die Kommunikation nun das Verkehrsnetz verlassen und spezifische Informationsnetze herausbilden würde. Er bezeichnet die Erfindung des elektronischen Telegrafen Anfang der 1830er Jahre als Beginn der zweiten Revolution des Nachrichtenverkehrs. Mit der Nutzung der Elektrizität wurde schließlich der Weg frei hin zu deutlich schnelleren Kommunikationsmedien; denn nun konnte man fast in Lichtgeschwindigkeit und über sehr weite Distanzen hinweg Signale übermitteln. Das Telefon erfand man zwar schon Ende des 19. Jahrhunderts, aber erst im 20. Jahrhundert überschlugen sich die technisch-medialen Erfindungen förmlich, und neben dem Brief entwickelte sich auch das Telefon als »Medium der Individualkommunikation« (Faulstich 2012, S. 46 ff.). Telegrafie per Funk sowie Rundfunk und Fernsehen (Hunziker 1996) entwickelten sich, womit »in der Kommunikation über Distanz die Gleichzeitigkeit der Versammlungskommunikation zurückgewonnen wurde« (Schönhagen 2008, S. 69). Neben asynchroner Kommunikation wurde damit auch die synchrone Kommunikation, jenseits der unmittelbaren Anwesenheit, visuell und auditiv möglich. Es folgten in der Entwicklung Matrizendrucker, Fernkopierer (Telefax), Fotokopierer, Kassettenrecorder, Video-/Aufnahmegerät, Anrufbeantworter und Personal Computer (PC), um nur eine Auswahl der verbreitetsten Geräte zu nennen. Ende des 20. Jahrhunderts ermöglichte die Digitalisierung54 der Kommuni53 In Europa geht die Erfindung beweglicher Lettern auf Johannes Gutenberg zurück, während sie in Asien bereits früher belegt ist. 54 Dieser Digitalisierungsbegriff meint die technische Verarbeitung der Daten und unterscheidet sich entsprechend von dem zuvor verwendeten analogen beziehungsweise digitalen Modus menschlicher Kommunikation, wenngleich beide Begriffe auf dasselbe Prinzip zurückzuführen sind.

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

kationsgeräte und der Übertragungswege in neuen Kommunikationsnetzen, dass das transferierbare Datenvolumen um ein Vielfaches erhöht werden konnte. Den vorläufigen Höhepunkte der medialen Entwicklung stellte die weltweite Vernetzung der Computer mittels Internet dar und die massenhafte Verbreitung der Mobiltelefone, die mit der Internettechnologie ausgestattet wurden. Internet und Mobiltelefonie haben sich heute, bereits nach wenigen Jahren, im Alltag etabliert. Der Bedeutung des Internets kann man dabei aber nur gerecht werden, wenn man sich bewusst macht, dass es sich hier nicht um ein einzelnes Medium handelt, sondern um einen Netzwerkstandard, der es unterschiedlichsten Medien ermöglicht, miteinander zu interagieren. So wurde das Internet zu einer Vernetzungsplattform für unterschiedlichste Medien. Die Internettechnologie ermöglicht es, dass die Quartärmedien zu Alltagsmedien für einen großen Empfängerkreis werden konnten. Die skizzierte Entwicklung zeigt, dass der Mensch seinen Aktionsradius mit Hilfe der Medien räumlich und zeitlich immer weiter ausdehnen kann. In immer kürzerer Zeit wurde es möglich, immer weitere Distanzen zu überwinden, bis sogar quasi zeitgleich weltweit kommuniziert werden konnte. Waren neue Kommunikationsmedien zunächst Privileg Einzelner, haben sich mittlerweile viele davon zu massenhaft verbreiteten Medien entwickelt. Dabei fällt auf, dass die Zeit zwischen der Erfindung und der flächendeckenden Einführung eines Mediums immer kürzer wurde. Als anhaltende Techniktrends sind dabei Miniaturisierung und Konvergenz auszumachen. Das heißt die Geräte können sogar dann kleiner werden (Miniaturisierung), wenn sie die Funktionen mehrerer Geräte (Konvergenz), zum Beispiel von Telefon und PC, übernehmen. Darüber hinaus wird mediale Kommunikation immer ortsunabhängiger, was durch die schnelle Entwicklung der Mobilfunktechnologie ermöglicht wird. Hier zeigt sich, dass die Medienentwicklung eine immer größere Formenvielfalt hervorgebracht hat, die immer komplexer wird, zumal die Quartärmedien es ermöglichen, verschiedene Medientypen wie Primär-, Sekundär- und Tertiärmedien ineinander zu integrieren. Symbole und Zeichen, wie etwa die Sprache, stellen als Sinneinheiten eine enge Verbindung mit Medien dar : Sie benötigen physische Träger, um realisiert werden zu können und umgekehrt bedürfen die Medien zur Vermittlung von Inhalten sinnstiftender Zeichen und Symbole. So wird Sprache in der Regel durch die Stimme in Form von Lauten oder mittels Schrift durch ein Speichermedium, zum Beispiel durch einen Brief, realisiert. In den Ausführungen wird deutlich, dass die Menschen der heutigen Zeit ständig mit Neuerungen im Bereich der Medien konfrontiert werden. Mit Medien umzugehen ist für sie dabei aber nichts grundlegend Neues, wenngleich der Mediengebrauch im heutigen Leben, verglichen mit vergangenen Jahrzehnten

Neue Medien und Internet

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oder gar Jahrhunderten, stark zugenommen hat, insbesondere durch die Verbreitung der Quartärmedien und die Kommunikationsplattform Internet. Der Medientheoretiker McLuhan (2001) hat in den 1960er Jahren mit seinem Buch »Das Medium ist die Botschaft« (im Original: »the medium is the message«) den wichtigen Aspekt der Medien hervorgehoben, dass sie nicht alleine Inhalte übermitteln. Vielmehr hat jedes Medium auch Eigenbotschaften, welche die Wahrnehmungen und Verhaltensweisen verändern. Am Beispiel des Fernsehens wird das deutlich: Unabhängig von den Inhalten hat dieses Medium den Alltag vieler Familien verändert. Diese Eigenbotschaft von Medien ist auch mitzudenken, wenn nachfolgend die Entwicklungen durch Neue Medien und Internet aufgezeigt werden.

3.2

Neue Medien und Internet

Der Begriff »Neue Medien« ist unscharf und bedarf daher einer Präzisierung, wenn man ihn sinnvoll gebrauchen will. Zu früheren Zeiten wurden bereits Medien wie beispielsweise Radio oder Fernsehen als Neue Medien bezeichnet. Insofern ist der Begriff selbst nicht neu. Heute wird vor allem in Bezug auf digitale Medien wie E-Mail, world wide web (www, nachfolgend »Web« genannt), von Neuen Medien (Quartärmedien) gesprochen. Im engeren Sinne werden damit nur die verschiedenen Dienste des Internet gemeint. Häufig wird auch das Mobiltelefon mit einbezogen, vor allem wenn bei neueren Geräten damit zusätzlich die Internetdienste genutzt werden können. Im Folgenden wird nicht alleine von Neuen Medien gesprochen, sondern es werden die jeweiligen Medien ausdrücklich benannt. Wird der Begriff Neue Medien verwendet, ist er in einem weiten Sinne gedacht und soll damit allgemein die Medien vernetzter digitaler Kommunikation seit Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, also Quartärmedien bezeichnen. Das Internet ist ein weltweites Computernetzwerk, das unzählige Rechnernetze miteinander verbindet. Es stellt eine informations- und kommunikationstechnische Plattform dar, die aufgrund gemeinsamer Standards eine geordnete Datenübermittlung und weltweit einheitliche technische Interpretation der Daten ermöglicht. Realisiert wird das durch die so genannten Internetprotokolle, die technisch normiert sind. So ist es möglich, die unterschiedlichsten Dienste (smtp/POP3 für E-Mail, www für Internetseiten etc.) über eine gemeinsame Infrastruktur zu verbinden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird zunächst auf grundlegende Fragen des Internets und auf diejenigen Neuen Medien fokussiert, die bereits in der institutionalisierten Beratung als Onlineberatung eingeführt sind. Sie werden in diesem Kapitel beschrieben. Das bedeutet jedoch nicht, dass andere Medien im

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

Rahmen der vorliegenden Studie keine Relevanz hätten, vielmehr wird untersucht, inwieweit Verknüpfungen zu anderen Medien und Settings, das heißt vor allem zum Telefon oder zur Face-to-Face-Beratung, vorliegen. Außerdem wird erhoben, welche Entwicklungstrends es bezüglich weiterer Neuer Medien gibt. Hier kann schon aus Kapazitätsgründen nicht die gesamte Fülle moderner Medien entfaltet werden. Die Darstellung der verbreiteten Medien sowie der Medientrends dürfte jedoch ausreichen, um vor diesem Hintergrund die weitergehende Fragestellung nachvollziehen und einordnen zu können. Die Anfänge des Internets gehen auf ein Projekt des US-Verteidigungsministeriums in den 1960er Jahren zurück (Ausführungen zur Internetgeschichte vgl. Zimmer 2004, S. 168 ff. und Schönhagen 2008, S. 72 f.). Die weiterentwickelten Varianten wurden in den darauffolgenden Jahren aber auch zivil vor allem von Forschungseinrichtungen genutzt. Der Einsatz des Internets verblieb dabei aber über zwei Jahrzehnte hinweg im internen Kreis von Computerexperten. Das 1989 in Bern entwickelte Web ermöglichte aber, dass auch Computerlaien sehr viel einfacher mit Internetanwendungen umzugehen lernten. Für weitere Nutzergruppen wurde es erst interessant, als Anfang der 1990er Jahre der erste grafikfähige Internetbrowser kostenlos zum Download bereitgestellt wurde. Infolgedessen entwickelte sich der Webbrowser zu einer zentralen Anwendung, in die unterschiedlichste andere Anwendungen integriert wurden. So ist es heute durch den technischen Trend der Medienkonvergenz möglich, mit einem einzigen Programm, dem Browser, unterschiedlichste Programme zu starten und zu nutzen, um etwa zu mailen, zu chatten oder Videos abzuspielen. Mit der enormen Verbreitung internetvernetzter PCs entwickelten sich weitergehende Interaktionsmöglichkeiten, und die unterschiedlichsten Handlungen konnten nun über das Internet »virtuell« getätigt werden. Die Grundfunktionalität des Internets ist das so genannte Client-ServerPrinzip. Das heißt es greifen Rechner (Clients) auf andere Rechner (Server) zu, um Daten abzurufen, dorthin Daten zu transferieren oder auf dem Server sogar Verarbeitungsprozesse auszulösen. So greift ein Nutzer etwa auf einen Mailserver zu, um dort die gespeicherten Mails abzurufen. Die Daten werden also nicht lokal vor Ort gespeichert, sondern auf einem Server, der in der Regel dauerhaft im Netz zur Verfügung steht. So ist es möglich, zeitversetzt zu kommunizieren und dennoch bei Bedarf jederzeit wieder an die Kommunikation anzuschließen. Die sich daraus ergebenden Synchronisationsmöglichkeiten sind zentral für die zeitliche Struktur der Internetkommunikation. Schließlich ermöglicht dieses Prinzip, selbst dann, wenn die Kommunikation asynchron erfolgt, unmittelbar weiterkommunizieren zu können, sobald der Internetzugang wieder hergestellt ist. Sowohl synchrone Kommunikation (Chat, Videokonferenz, Face-to-Face-Treffen) als auch asynchrone Kommunikation (Mail/ Foren), bleiben somit temporär unmittelbar an den Output des Kommunikati-

Neue Medien und Internet

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onspartners anschlussfähig und können darüber hinaus durch Abstimmungstools wie elektronische Kalender parallel oder sequentiell miteinander synchronisiert werden. Die unzähligen Rechner im Netz ermöglichen dabei quasi unerschöpfliche Kapazitäten, zumal die Speicherkapazität immer größer und die Verarbeitungsgeschwindigkeit immer schneller wird. War die Speicherung und Übermittlung von Daten vor wenigen Jahren noch kostenintensiv und somit durch den Preis begrenzt, sind nach der Jahrtausendwende den Kapazitäten durch die Weiterentwicklung der Speichermedien und Datenübertragungsnetze praktisch keine Grenzen mehr gesetzt. Tabelle 3 (S. 61) zeigt nun, welche Medien und Symbole bei den jeweiligen Quartärmedien eingebettet sind, welche Zeitmodalitäten vorliegen und welche Beratungssettings damit realisiert werden. In den 1990er Jahren, als sich die Nutzerzahl des Internets deutlich auszuweiten begann, war das Web, ähnlich wie Radio und Fernsehen, stark durch Einwegkommunikation geprägt. Die meisten Anwender waren lediglich in der Lage, Webseiten abzurufen. Inhalte zur Verfügung zu stellen blieb denjenigen vorbehalten, die selbst Seiten im Netz hatten und in der Lage waren, Internetseiten zu programmieren beziehungsweise programmieren zu lassen. Insofern dominierten zunächst die Präsentationen von Firmen und Organisationen sowie die Webseiten von technisch versierteren Nutzern. Die Mehrzahl der Anwender blieben im Web somit vor allem Konsumenten von bereitgestellten Informationen. Das änderte sich nach der Jahrtausendwende grundlegend. Unter den Stichworten »User Generated Content«, »Social Media« beziehungsweise »Web 2.0« (Stanoevska-Slabeva 2008) wird beschrieben, dass eine neue und vor allem interaktive Zeit begonnen hat. Immer mehr Webseiten ermöglichten es nun, dass auch die technisch nicht versierten Nutzer in die Lage versetzt wurden, Inhalte ins Internet zu setzen. Zum Beispiel über Webformulare können seitdem Inhalte eingepflegt werden, ohne dass es dafür spezieller Programmierkenntnisse bedarf. Über die Anwendung selbst (zum Beispiel durch Anklicken) ist es jetzt auch möglich, das Aussehen einer Seite zu verändern. Interaktivität ist so für die Mehrzahl der Nutzer einfacher geworden, und es entstanden bald erste Plattformen, die Personen zur alltäglichen Selbstdarstellung und Kommunikation dienen sollten. Im Internet haben sich daraufhin soziale Netzwerke herausgebildet, deren Mitglieder durch Webtechnologie vernetzt sind. Soziale Netzwerke stellen unverbindliche Gemeinschaftsformen (Miller 2012, S. 70 ff.) dar, und Social Media sind Programme oder Webdienste, die soziale Vernetzung ermöglichen. Die derzeit bekanntesten Anbieter sind www.facebook.com, www.wer-kennt-wen.de und www.schuelervz.net. Dabei hat die Plattform »Facebook« innerhalb weniger Jahre weltweit eine führende Rolle eingenommen und verdrängt immer mehr andere Anbieter dieser Sparte, da die große Nutzerzahl eine Kontaktaufnahme mit vielen weiteren Nutzern ermöglicht. Schließlich ist es ja ein zentraler Zweck dieser Kommunikationstechnik, auf

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

einfache Weise mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können. Bei diesen Darstellungen zeigt sich, dass das Internet in unterschiedlichen Zusammenhängen soziale Funktionen übernimmt, die zuvor anders gelebt wurden. Es ist bereits selbstverständlich, dass sowohl arbeitsteilige Prozesse als auch private Kommunikation auf diesem Weg realisiert werden. Insofern weist das Internet Grundstrukturen auf, die auch für beraterische Kommunikation genutzt werden können. Waren die einzelnen Kommunikationsmedien vor wenigen Jahren noch an bestimmte Endgeräte gebunden, so kann heute mit denselben Medien mit Hilfe von unterschiedlicher Technik kommuniziert werden. So kann beispielsweise eine SMS auf dem PC empfangen und gesendet werden und Mails werden auch mit dem Mobiltelefon transferiert. Welche Übertragungstechnik für die jeweiligen Medien verwendet wird, spielt für den Nutzer eine untergeordnete Rolle, sofern er ein kompatibles Endgerät zur Verfügung hat. Wurden durch Medienkonvergenz zunächst unzählige Medien im Browser eines PCs zusammengeführt, übernehmen diese Funktion derzeit die mobilen Endgeräte wie Mobiltelefon (Smartphones) oder Miniaturcomputer (Tablet-PCs), die per Funk mit dem Internet verbunden sind. Die technischen Trends der Medienkonvergenz, Miniaturisierung und Mobilkommunikation – vor dem Hintergrund des Kostenverfalls von Datenspeicherung und Datentransfer – bewirken, dass sich bei medialer Kommunikation immer mehr die raum-zeitlichen Grenzen auflösen. Der aktuelle Gesamttrend geht entsprechend dahin, dass immer mehr Medien prinzipiell zu jeder Zeit an jedem Ort unbegrenzt zur Verfügung stehen, was an der institutionellen Beratung nicht spurlos vorbeigehen kann. Spätestens als das Internet Ende der 1990er Jahr immer mehr zu einem Alltagsnetz wurde, interessierten sich die verschiedenen Disziplinen der Sozialwissenschaften verstärkt für Computer, Vernetzung und Internet (Düx 2000, Herczeg/Prinz/Oberquelle 2002). Entsprechend kam es in dieser Zeit aber vor allem im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts zu zahlreichen Veröffentlichungen über virtuelle Gesellschaft (Bühl 2000), virtuelle Gemeinschaft (Stegbauer 2001) und virtuelle Welten (Lober 2007). Auch das Soziale im Internet in einem allgemeinen Sinne (Gräf/Krajewski 1997, Thimm 2000), die Psychologie des Internets (Batinic 1997), Medienpsychologie (Batinic/Appel 2008) und die Kommunikation im Netz (Runkehl/Schlobinski/Siever 1998, Frindte/Köhler 1999, Misoch 2006) wurden seitdem verstärkt thematisiert und erforscht. Die Soziale Arbeit entdeckte ebenfalls die computervermittelte Kommunikation, die Neuen Medien und das Internet als neues Arbeitsfeld (Poseck 2001, Steffens 2009, Cleppien/Lerche 2010). Und auch die Medienpädagogik als Bereich der Erziehungswissenschaft (Aufenanger 2004, Süss/Lampert/Wijnen 2010) befasst sich zunehmend mit den Entwicklungen von Neuen Medien und Internet, zumal die digitalen Medien eine immer wichtigere Rolle im Soziali-

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Neue Medien und Internet

Tabelle 3: Quartärmedien und ihre kommunikativen Ausprägungen Quartärmedien

Einbettung

Zeitlichkeit

Chat

Schrift

Synchron

Foren Mail Mailbox SMS Telefax per Internet

Schrift Schrift Stimme Schrift Bild, Schrift, Grafik

Asynchron Asynchron Asynchron Asynchron Asynchron

Telefon (VoIP) Videoaufzeichnung

Realisierte Beratungssettings Einzel- und Gruppenberatung Gruppenberatung Einzelberatung Einzelberatung Bestandteil von Einzelberatung Einzelberatung

Stimme Synchron Stimme, Gestik, Asynchron Mimik, Schrift, Bild Videokonferenz Stimme, Gestik, Synchron Einzel-/PaarberaMimik, Schrift, Bild tung Webbasiertes Asynchron Alle Primär- und Präsentations- und und Sekundärmedien Synchron integrierbar Kooperationswerkzeug Die Medien können mittlerweile durch unterschiedliche Endgeräte genutzt werden. Prinzipiell sind alle diese Medien speicherbar.

sationsprozess einnehmen. So stellt Mayrberger (2012) fest: »Das Internet löst das Fernsehen in den unterschiedlichen Altersgruppen nach und nach als Leitmedium ab«. Die aktuellen Studien des Forschungsverbunds Südwest zeigen, dass dieser Trend weiter geht (KIM-Studie 2010, JIM-Studie 2011). Mit der Geschwindigkeit der Entwicklungen sind neue Anpassungsprobleme verbunden, die es in früheren Gesellschaften in diesem Ausmaß nicht gab. Menschen fällt es dabei häufig schwer, bei den Veränderungen auf dem Laufenden zu bleiben, und damit stellt sich die Frage nach der Medienkompetenz, die benötigt wird, um die Neuen Medien nutzen zu können und ihnen nicht ausgeliefert zu sein. Das gilt für Berater und Klienten im Internetzeitalter gleichermaßen, allerdings besteht auch eine Gefahr darin, den Erwerb von Medienkompetenz, unkritisch zu fordern: »Medienkompetenz wird aber oftmals den pädagogischen Zusammenhängen entrissen und recht einseitig entweder unter einem medientechnologischen Aspekt betrachtet oder als eine Aufgabe der Menschen verstanden, sich in der Mediengesellschaft zurechtfinden zu müssen. Außerdem wird er in den meisten Zusammenhängen auch recht naiv verwendet, was heißt, daß er kaum mit entsprechenden medienpsychologischen, -theoretischen oder lernpsychologischen Theorien in Zusammenhang gebracht wird. Grundsätzlich ergibt sich das Problem, wie Medienkompetenz in einer Gesellschaft bestimmt werden kann, in der die medientechnologischen Entwicklungen

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

schnelle Veränderungen hervorbringen, die sich kaum noch überschauen lassen.« (Aufenanger 1997, S. 17)

Dieser kritischen Anfrage gilt es sich auch im Hinblick auf den Wandel der Beratung durch Neue Medien zu stellen. Schließlich bedarf es bei den Beteiligten nicht nur grundlegender Medienkompetenz, um medial kommunizieren zu können. Vielmehr geht es um übergreifende Bildungsfragen und es ist wichtig, dass Medienbildung nicht auf Kompetenzentwicklung reduziert wird. Darüber hinaus werden die Medien selbst immer häufiger zum Thema in der Beratung, da Kommunikation – welcher Art auch immer – ein wichtiges Thema in psychosozialer Beratung und Medienkommunikation in unserer Gesellschaft geworden ist. Eine Standortbestimmung darf dabei aber nicht auf technische Fragen beschränkt sein, muss diese aber auch immer mit in den Blick nehmen, um die Entwicklungen angemessen erfassen zu können. Dabei würde es den fachlichen Fragestellungen nicht gerecht werden, in einen extremen Kulturpessimismus oder übersteigerten Optimismus (vgl. Süss/Lampert/Wijnen 2010, S. 19) in Bezug auf die Medien zu verfallen. Vielmehr gilt es, die Möglichkeiten und Chancen für die psychosoziale Beratung auszuloten, ohne die Risiken und neuen Probleme auszublenden. In Bezug auf die psychosoziale Beratung sollte dabei auch die Frage einer digitalen Kluft innerhalb der Gesellschaft in den Blick genommen werden. So zeigt Zillien (2009) wachsende Ungleichheiten auf: »Die empirischen Auswertungen zeigen, dass die Verfügbarkeit des Internets auf Seiten der besser positionierten Gesellschaftsmitglieder einen positiven Verstärkungsprozess bewirkt. Gleichzeitig tritt auf Seiten der schlechter positionierten Personen ein vergleichsweise schwacher positiver Effekt der Internetnutzung auf. Die schichtspezifische Nutzung des Internets führt somit zu wachsenden sozialen Ungleichheiten. Diese Ungleichheiten zu Ungunsten der niedrigeren Statusgruppen lassen sich durch die Verbesserung der internettechnischen Ausstattung und die Erhöhung der digitalen Kompetenzen zwar möglicherweise abmildern, aber keinesfalls beseitigen.« (Zillien 2009, S. 242)

Insofern wäre es künftig sinnvoll zu betrachten, ob der Wandel in der Beratung durch Neue Medien dazu beiträgt, Ungleichheiten abzubauen (vgl. auch Kutscher 2010) oder ob etwa durch Onlineberatung gerade jene Menschen erreicht werden, die in der Gesellschaft ohnehin besser positioniert sind.

Medien in der Beratung

3.3

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Medien in der Beratung

Es ist in diesem Zusammenhang sinnvoll, zwischen Medien zu unterscheiden, die im unmittelbaren Nahraum ohne technische Entschlüsselung genutzt werden können (Primär- und Sekundärmedien) und solchen, die einer technischen Entschlüsselung bedürfen (Tertiär- und Quartärmedien). Dabei zeigt sich, dass in der Beratungspraxis mittlerweile alle Medientypen genutzt werden, wobei sich aber der methodische Zweck jeweils unterscheidet. Der etablierte Begriff »Face to Face-Beratung« als Gegenbegriff und Kontrastierung zu medienvermittelter Beratung ist unscharf und kann, wörtlich betrachtet, im Hinblick auf Mediennutzung sogar irreführend sein. Er könnte fälschlicherweise so verstanden werden, als sei Beratung, die nicht durch Kommunikationsmedien (im Sinne von Sekundär, Tertiär oder Quartärmedien) vermittelt werden, die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zwangsläufig die einzig mögliche oder zumindest die normale Kommunikationsform. Eine solche Engführung, die in der Praxis zum Teil unhinterfragt erfolgt, wird dem komplexen Gegenstandsfeld der Beratung jedoch nicht gerecht. In Beratung und Therapie vor Ort haben sich vielmehr zahlreiche andere Formen herausgebildet. So zeigt schon das Therapiesetting Freuds mit einer Couch im Rahmen einer Psychoanalyse, dass man sich nicht zwangsläufig sehen muss, um intensiv zu kommunizieren. Die Stimme wird in diesem Setting zum zentralen Kommunikationsmedium und fördert sogar ein starkes emotionales Erleben. Nicht anders ist das bei einem Ansatz, der vor allem als Face-to-Face-Beratung vollzogen wird: bei der Klientenzentrierten Beratung. Hier ist es zwar ein grundlegendes Setting, dass zwei Stühle zum Gespräch genutzt werden, aber diese stehen sich nicht genau gegenüber, sondern etwa in einem versetzten Winkel. So ist es für den Ratsuchenden wie für den Berater möglich, im Gespräch durch Anschauen beziehungsweise Nicht-Anschauen Nähe und Distanz zu regulieren. Die visuelle Unmittelbarkeit ist also nicht ständig gegeben, und dieser Sinneskanal fällt also zumindest zeitweise auch im Face-to-Face-Kontakt aus. In diesem Moment wird die Kommunikation primär über andere Kanäle, in dem Fall vor allem über den auditiven Wahrnehmungskanal geführt. Betrachtet man Medien in Bezug auf Beratung, macht es also Sinn, die Primärmedien, die häufig nicht als Medien im Bewusstsein sind, auch in den Blick zu nehmen. So wird der grundlegende Kommunikationsaspekt der unterschiedlichen Sinneswahrnehmungskanäle als zentrale Komponente der Beratungskommunikation in die Betrachtung eingeführt und damit einer unangemessenen binären Verkürzung »medial – nicht medial« entgegengewirkt. Medien werden in der Beratung, je nach fachlicher Richtung, auch in einem Face-to-Face-Setting gezielt als Methoden eingesetzt. Klienten werden beispielsweise gebeten, ein Bild über eine bestimmte Situation zu malen oder eine

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

Konstellation zu skizzieren. Die Empfehlung, parallel zum Beratungsprozess ein Tagebuch zu führen (oder in der eigenen Entwicklung zum Berater: vgl. McLeod 2011, S. 28) und die Aufzeichnungen in die Beratung mitzubringen, stellt eine andere Variante methodischer Mediennutzung dar. Im verhaltenstherapeutischen Beratungssetting wird dem Klienten geraten, sich bei Ängsten diesen Situationen zu stellen, damit er lernt, anders damit umzugehen. Diese Situationen können auch medial nachgestellt werden. In der Systemischen Beratung und Therapie gibt es zahlreiche Methoden wie etwa Skulpturarbeit (Hanswille/ Kissenbeck 2008, S. 157 ff.), Timelinearbeit, Genogrammarbeit (Schlippe/ Schweitzer 2012, S. 223 ff.), aber auch diverse Varianten von Aufgabenstellungen zwischen den Sitzungen, bei denen im Gespräch nicht von Angesicht zu Angesicht gearbeitet wird, sondern mit Hilfe von Medien. In der Familientherapie und Familienberatung wurde die Methode entwickelt, dass sich ein Team von Therapeuten hinter einer Einwegscheibe befindet (Schlippe/Schweitzer 2012, S. 50), die Sitzung beobachtet und sich punktuell – beispielsweise per Telefon – im Beisein der Klienten einschaltet. In verschiedenen Verfahren werden mittlerweile Audio- und Videoaufzeichnungen genutzt, um den Klienten Interaktionssequenzen zurück zu spiegeln (Hawellek 2005). In all diesen Fällen werden die Medien nicht genutzt, um eine räumliche Distanz zwischen Personen zu überwinden. Sie dienen vielmehr zur Distanzierung zwischen den Kommunikationspartnern, zur Fokussierung der Aufmerksamkeit und bestimmter Wahrnehmungskanäle oder zur Reflexion der Kommunikation. Der Fokus der Aufmerksamkeit des Klienten kann dabei mittels Medien gelenkt werden und es können unterschiedliche Wahrnehmungs- und Kommunikationskanäle in unterschiedlicher Intensität genutzt und gewählt werden. Zur üblichen Nutzung von Primärmedien kommen somit weitere Medientypen hinzu, die ein vielfältiges Beratungsarrangement eröffnen. Dies zeigt, dass die Nutzung von Medien in der Beratung nichts Neues ist und nicht erst bei Telefon- oder Onlineberatung auftritt. Vielmehr existiert bereits eine Fülle von Methoden, die Primär- und Sekundärmedien in der Beratung nutzen. Was allerdings einen grundlegenden Unterschied zur Face-to-Face-Beratung darstellt, ist zum einen die Möglichkeit, bei der Nutzung von Tertiär- oder Quartärmedien vollkommen anonym bleiben zu können (anonyme Telefon- und Onlineberatung) und zum anderen, von Anfang an eine kanalreduzierte55 Kommunikation führen zu können. Der Begriff Methode ist mit dem Begriff Medium verwandt. Beide drücken etwas Vermittelndes aus. Methode entstammt dem griechischen Wort »methodos«, was wörtlich »der Weg zu etwas hin« (Duden 1989, S. 455) bedeutet. Me55 Die seltene Ausnahme eines blinden oder hörgeschädigten Klienten beziehungsweise Beraters in der Face-to-Face-Beratung sei hier unberücksichtigt gelassen.

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dien werden also auch beratungsmethodisch genutzt, allerdings werden sie dann auf ein fachliches Ziel hin angewendet. Darin unterscheiden sie sich von den reinen Kommunikationsmedien, deren Grundfunktion zunächst in der Überwindung einer räumlichen Distanz liegt, die allerdings auch gezielt methodisch genutzt werden können, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Was als Methode in einer bestimmten Situation sinnvoll ist, ergibt sich dabei aus dem Kontrakt mit dem Klienten und aus dem jeweiligen Beratungsprozess. So bestehen etwa spezialisierte Methoden, die für Anfangssituationen gedacht sind, zur Diagnostik, als Intervention für mögliche Veränderungen oder zum Beenden eines Beratungsprozesses. Es wird also deutlich, dass die unterschiedlichsten Medien auch als Methoden eingesetzt werden, sowohl diejenigen, die im unmittelbaren Nahbereich vor Ort genutzt werden, als auch jene, die zur Überwindung von Distanz dienen. Auch wenn in der vorliegenden Studie der Fokus auf den Neuen Medien (Quartärmedien) liegt, macht es jedoch keinen Sinn, die Untersuchung allein auf diese zu reduzieren. Vielmehr stellt sich die Frage, wie sie von Beratern methodischfachlich genutzt und in der Praxis mit anderen Methoden und Medien in Beziehung gesetzt werden. Diese Medienvernetzung ist komplex und vollzieht sich auf unterschiedlichen Ebenen. Um dieser Komplexität gerecht zu werden und dennoch den Überblick zu behalten, soll nachfolgend ein »analytisches Modell« (Hamburger 2003, S. 56) helfen, die relevanten Ebenen, Bereiche und Systeme56 im Blick zu behalten und eine Übersicht zu geben. Das »Modell mediale Beratung«57 (s. S. 66) kann darüber hinaus zur Analyse von medialer Beratung verwendet werden, wobei die Klienten und Berater in der Mitte angesiedelt sind und die Ebenen darüber und darunter als weiter entfernte Umweltbedingungen verstanden werden. Das Modell wurde zur Sichtung des Feldes entwickelt, um zunächst die verschiedenen Aspekte von medialer Beratung zusammenzutragen und danach die Forschungsfrage präzisieren zu können. Es wird nun genutzt, um die beteiligten und relevanten Ausprägungen systematisch darzustellen und dabei den Gesamtzusammenhang zu erhalten. In der Mitte dieses Modells sind die Beratung und die Beziehung der beteiligten Subjekte (Klient und Berater) angesiedelt, die bei der vorliegenden Fragestellung im Mittelpunkt stehen. Die genannten Ebenen und jeweiligen Bereiche / Systeme beeinflussen und durchdringen sich wechselseitig. In einem

56 Benennung in Anlehnung an Bronfenbrenner 1989 57 Dieses Modell wurde im Rahmen einer Vorstudie zur Sichtung des Themenfeldes der vorliegenden Studie und zur Präzisierung der Forschungsfrage vom Autor entwickelt und in verschiedenen Veröffentlichungen (bspw. Wenzel 2008b) vorgestellt.

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Tabelle 4: Modell mediale Beratung Ebene Makrosozial

Bereich / System / Rolle Gesellschaft Politik / Recht Wirtschaft

Beispiel / Konkretisierung Sprache, Institutionen Beratungsrecht, Onlinerecht, Sozialrecht Märkte / Entwicklung: Endgeräte, Software, Server Wissenschaft Forschung und Lehre zu Beratung und Medien Mikrosozial Leistungsträger Abrechnungsmodalitäten Verbände Standards, Konzepte, Qualitätsmanagement Organisation Personal, Sachausstattung, Verträge Sozialer Kontext Soziale Netzwerke, Hilfekontext Beratungskontext Beratungsplattform Fachliche Metakomm. Interaktives Intranet, Supervision Beziehung Rollenbeziehung Beziehungsgestaltung Kommunikation Beratungsinteraktion Beratung, Kommunikationssequenzen Subjekt Ratsuchender Klient, Ratsuchender, Anliegen Berater Berater, Professionelles Selbstkonzept Inhalt Beratungsinhalt Texte der Kommunikanten Allgemeiner Inhalt Informationen auf HP, AGB, FAQ Dokumentation Fachliche Notizen, Lieferanten Technikdienstleister Webdesigner, EDV-Abteilung, Technik Endgeräte / Hardware PC, Laptop, Mobiltelefon Programmierung Anwendungssteuerung Programme / Dateien Vorgegebenes Anwendungsprogramm Intranet Interne Kommunikationsplattform Sicherheitsinfrastruktur Firewall, Virenwall, VPN Protokolle http, https, ftp, smtp, POP3 Transport TCP Internet Internet-Protocol (IP) Netz Ethernet, WLAN Vgl.: Wenzel 2008b

zirkulären Verständnis von Wirklichkeit sind sie lediglich theoretisch abgrenzbar.

Makrosoziale Ebene Beratung ist immer eingebunden in die jeweilige Gesellschaft mit ihren spezifischen Institutionen, Sprachen und Kulturen. So ist die aktuelle Entwicklung der medialen Beratung nicht ohne einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer

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»Netzwerkgesellschaft« (vgl. Castells 2004) zu verstehen. Die verbreiteten Kommunikationsgewohnheiten einer Gesellschaft zählen zu dieser Ebene. Dies kann sich beispielsweise in Werbung ausdrücken. So hießen Schilder, Plakate beziehungsweise Postkarten der Deutschen Post, die früher monopolistisch die Telefonangebote in Deutschland machte, sehr unterschiedlich: – 1941 »Fasse Dich kurz« (Bräunlein 2000, S. 149) – 1950 »keep in touch with your office« (Baumann 2000, S. 39) – 1977 »Ruf doch mal an!« (Baumann, 2000, S. 49) Die Angebote und Werbemaßnahmen änderten sich – und damit auch die Gewohnheiten der Menschen –, waren aber zugleich Reaktion auf bestimmte Verhaltensweisen und Bedürfnisse. Die Liste könnte weitergeführt werden, indem für die heutigen Flatrates sogar unbegrenztes Telefonieren beworben wurde. Solche Werbemaßnahmen wirken sich als öffentliche Kommunikation unmittelbar auf mediale Beratungsangebote aus. So wird die Telefonseelsorge beispielsweise seit einigen Jahren mit Scherz- und Testanrufen überflutet, was in früheren Jahren noch undenkbar gewesen wäre (Schohe 2006, S. 29). Politik und das Rechtssystem gestalten für mediale Kommunikation grundlegende Rahmenbedingungen. Sie setzen verbindliche Normen etwa im Beratungs-, Online- und Sozialrecht, die mittelbar und unmittelbar Einfluss auf die Ausgestaltung der medialen Beratungsangebote nehmen. Exemplarisch sind hier die Sozialgesetzbücher, das Schwangerschaftskonfliktgesetz, das Datenschutzrecht aber auch technikrechtliche Vorschriften wie das Telemedienrecht zu nennen. Im Telemediengesetz etwa wird Anbietern von Internetdiensten vorgegeben, was sie im Impressum ihrer Homepage zu veröffentlichen und welche Maßnahmen sie bezüglich der Technikausgestaltung zu treffen haben. Aber auch das Strafrecht, etwa in Bezug auf die Schweigepflicht, und das Privatrecht bezüglich Vertragsvereinbarungen zwischen Einrichtung und Klienten sind von Bedeutung. Einen Überblick zum Beratungsrecht liefern Barabas (2003) und zum Sozialberatungsrecht Fasselt/Schellhorn (2011). Das Wirtschaftssystem nimmt maßgeblichen Einfluss auf die Kommunikationsgewohnheiten der potentiellen Klienten, aber auch der beteiligten Beratungsorganisationen. Die Entwicklung der modernen Kommunikationstechnik, hier speziell der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK), wird durch wirtschaftliche Interessen von Computer-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen vorangetrieben. Das gilt etwa hinsichtlich der Entwicklung und Verbreitung von neuen medialen Endgeräten wie Smartphones und Tablet-PCs für den Massenmarkt, aber auch für die Entwicklung von Software und Servern im Internet. Dabei setzen sich neue Endgeräte erst in größerem Umfang durch, wenn sie auch für mittlere Einkommen zu bezahlbaren Preisen angeboten

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werden. Erst dann kann eine Kommunikationsform zu einem Massenphänomen werden, wie es beim Mailen und Mobiltelefonieren mittlerweile der Fall ist. Das Wissenschaftssystem begleitet die gesellschaftlichen und medialen Entwicklungen durch entsprechende Forschung innerhalb verschiedener Disziplinen. Dabei wird über Veröffentlichungen aber auch durch die Lehre der Fachdiskurs vorangetrieben und kritisch begleitet. Neben der Erziehungswissenschaft sind Fächer wie die Medienwissenschaften, Medizin, Psychologie und Soziologie mit Fragestellungen zur medialen Beratung befasst. An der Schnittstelle zwischen Technikfragen und Fachdiskurs entwickelten sich aber auch erste Teildisziplinen wie die Sozialinformatik, die sich als Teilbereich der Sozialen Arbeit versteht (vgl. Wendt 2000, Janatzek 2007, Kreidenweis 2011 und 2012). Zur medialen institutionellen Beratung liegen in diesem noch jungen Forschungsfeld insgesamt nur wenige Forschungsergebnisse vor. Sie werden am Ende dieses Kapitels dargestellt (S. 76 ff.).

Mikrosoziale Ebene Angebote im Bereich institutionalisierter psychosozialer Beratung58 werden in der Regel nicht von den Ratsuchenden alleine finanziert, sondern ganz oder teilweise von Dritten als Leistungsträgern. Diese auch als Kostenträger bezeichneten Organisationen sind zumeist auf Landesebene und Kommunalebene angesiedelt, selten auf Bundesebene. Beispielsweise im Bereich der Schuldnerund Insolvenzberatung können dies neben Land und Kommune auch Arbeitsgemeinschaften (ARGE) oder Optionskommunen nach SGB II sein. In der Erziehungsberatung sind dies die Jugendämter nach SGB VIII. Die Vorschriften zur Finanzierung durch diese öffentlichen Leistungsträger haben unmittelbar Auswirkung auf die Gestaltung des jeweiligen Angebots, etwa wenn eine Dokumentation der Fälle oder eine spezifische Statistik zur Abrechnung gefordert wird. In Deutschland sind die meisten Beratungsstellen in Dachorganisationen verbandlich organisiert. Dies geschieht sowohl in Dachverbänden, vorwiegend den anerkannten fünf Wohlfahrtsverbänden, aber auch in Fachverbänden, wie bereits im 2. Kapitel dargestellt. Diese Verbandsebene spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Fachstandards und Beratungskonzepten. Dabei wird immer häufiger auch ein Qualitätsmanagement auf dieser Ebene installiert. Als 58 Freiberufliche Beratungsangebote, etwa in privaten Praxen, gehören nach der hier verwendeten Darstellung nicht zu institutionalisierter Beratung. Zwar verkörpern diese ebenfalls Beratungsinstitutionen, allerding fehlt ihnen die Einbindung in einen organisatorischen Rahmen psychosozialer Beratung.

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Organisation gilt im hier vorliegenden Modell eine rechtlich eigenständige Einheit (Juristische Person), die eigenverantwortlich ein mediales Beratungsangebot bereitstellt. Das kann eine Beratungsstelle sein, die als eingetragener Verein selbständig ist. Häufiger ist eine Beratungsstelle aber Teil eines größeren Rechtsträgers, der ein Beratungszentrum und weitere Einrichtungen betreibt. Von dieser Organisation werden das jeweilige Beratungskonzept einer Stelle sowie die Umsetzung rechtlicher Vorgaben verantwortet. Das jeweilige Onlineberatungsangebot ist im Internet mit einem Netz unterschiedlichster Angebote in vielfältiger Weise verknüpft. Vielfach gelangen Ratsuchende erst über Links im Internet zu dem jeweiligen Angebot. Der soziale Kontext und das soziale Umfeld über das die jeweiligen Nutzer an das Beratungsangebot gelangen, sind für die Kommunikation in der Onlineberatung dabei relevant. So können die spezielle Sprache, Gepflogenheiten, Abkürzungen, Begriffe und Kürzel, wie etwa Smileys, die Interaktionen von Beratern und Klienten beeinflussen. Sind sie nicht bekannt, werden aber vorausgesetzt, kann es zwischen den Kommunikanten zu Kommunikationsstörungen kommen. So hat beispielsweise eine Jugendberatung eine andere Klientel als eine Seniorenberatung und entsprechend unterscheiden sich die kommunikativen Umgangsformen, das soziale Umfeld und der Internetkontext. Als Beratungskontext im engeren Sinne wird hier das jeweilige Beratungsangebot wie Chat-, E-Mail- oder Forenberatung verstanden. Dazu gehören die jeweiligen Internetseiten der Beratungsplattform und die Selbstbeschreibung der jeweiligen Organisation. Als fachliche Metakommunikationen werden alle Arten von Kommunikation der Professionellen bezeichnet, die sich mit der Beratung selbst befassen. Supervision oder kollegiale Fallberatung gehören genauso zu diesem Bereich wie auch mediale Kommunikationsformen per Internet und Intranet.

Beziehungsebene Die Beziehung zwischen Klient und Berater ist in der Beratungsarbeit zentral. Sie kann sich je nach Beratungsinstitution, Konzept, Medium und Erwartungen der beteiligten Kommunikationspartner sehr unterschiedlich entwickeln. Anders als bei der Face-to-Face-Beratung wirken bei medialer Beratung zusätzlich noch die Technik und die Vorstrukturierung des Beratungsportals mit in die Beziehungsgestaltung hinein, da kommunikative Möglichkeiten und Grenzen vorgegeben werden. Hier geht es also neben den jeweiligen Erwartungen und Rollendefinitionen der Beteiligten auch um Fragen wie die der medialen Begrenzung, das heißt ob ein Kontakt zwischen Berater und Ratsuchendem etwa über

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das jeweilige Medium hinaus möglich ist, und ob – und gegebenenfalls wie – die Beratung zeitlich begrenzt wird.

Kommunikationsebene Die Beratungskommunikation stellt die Interaktion zwischen Klient und Berater dar. Die Kommunikationspraxis eines synchronen Chatangebots unterscheidet sich dabei sehr stark von der einer asynchronen E-Mail-Beratung. Das hat auf die Kommunikation selbst und auf deren mögliche Kommunikationsstörungen erhebliche Auswirkungen. Bei der medialen Kommunikation können auch noch medienspezifische Störungen auftreten. Da Kommunikation außerdem sehr flüchtig ist, indem sie direkt »zerfällt«, sobald sie geäußert wird, bedarf sie ständig einer erneuten Aktualisierung, wenn sie fortbestehen soll.

Subjektebene Bei Beratung ist grundsätzlich von einer komplementären Beziehung auszugehen, indem es die sich unterscheidenden Rollen der Ratsuchenden und der Berater gibt. Sowohl die Klienten als auch die Berater können dabei je nach Beratungsangebot sehr verschieden sein, und es bedarf spezifischer Qualifikationen der Berater, je nach Beratungsinstitution. Hier gilt es jeweils im Einzelfall die handelnden Subjekte zu erfassen und die jeweiligen Eigenheiten in den Blick zu nehmen. Auf Seiten des Klienten ist auf dieser Ebene das jeweilige Anliegen zentral. Bei den Beratern ist hier vor allem die Frage nach dem professionellen Selbstkonzept zu stellen.

Inhaltsebene Die Inhaltsebene betrifft alle Inhalte der Beratung, das heißt sowohl die unmittelbaren Kommunikationen der beteiligten Subjekte in Form von Beratungsinhalten, als auch die sonstigen Inhalte des Beratungsangebots wie den Text der Website, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aber auch die fachliche Dokumentation der Berater. Bei bestimmten Formen der medialen Kommunikation (z. B. Mail, Foren) ergeben sich hier für die Forschung und Metakommunikation der Berater neue Möglichkeiten gegenüber der Face-to-FaceBeratung. Diese schriftliche Kommunikation kann nämlich aufgezeichnet werden und liegt dann als Text vor. Dieser Text entspricht genau dem, was auch die Berater und Ratsuchenden jeweils als Kommunikationsgrundlage haben. An-

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ders als bei der Videoaufzeichnung einer Face-to-Face-Sitzung liegt mit dem Text also nicht nur ein Ausschnitt der Kommunikation vor, sondern der Text stellt die vollständige Kommunikation dar. Die Inhalte werden dabei also zu Texten der unten benannten Inhaltsebene. Sie können zum Beispiel für Forschung, Weiterbildung und Supervision unmittelbar nutzbar gemacht werden, wenn dafür die Erlaubnis der beteiligten Personen vorliegen.

Lieferantenebene Mit der Lieferantenebene werden die Dienstleister bezeichnet, die nötig sind, um das mediale Angebot zu erstellen und zu betreiben. Anders als in der Face-toFace-Beratung sind die professionellen Beratungsfachleute in der Regel bei medialer Beratung nicht alleine in der Lage, das beraterische Kommunikationsangebot zu realisieren, da sie normalerweise nicht gleichzeitig Fachleute in Fragen der Informations- und Kommunikationstechnik sind. Beratungseinrichtungen, die mediale Angebote im Netz anbieten, sind somit auf die Unterstützung von Dritten angewiesen, um die Beratungsangebote erstellen und in einem angemessenen Rahmen anbieten zu können. Die jeweiligen Dienstleister können Mitarbeiter der organisationseigenen EDV-Abteilung sein, aber auch externe Anbieter.

Technikebene Die Technikebene umfasst sehr viele unterschiedliche Ausprägungen, die in ihren Details für die vorliegende Fragestellung weniger relevant, aber in der Praxis bei der Ausgestaltung von Onlineberatungsangeboten von großer Bedeutung sind. Deshalb seien sie hier nur kurz skizziert: Bei den Endgeräten kann es sich beispielsweise um Mobiltelefone und Smartphones, aber auch um PCs und Tablet-PCs handeln. Der nächste Bereich ist der der Programmierung. Durch Festlegungen auf dieser Ebene werden Entscheidungen getroffen, die später für den medialen Beratungsprozess grundlegend sind, weil dabei kommunikative Rahmenbedingungen definiert werden. Somit wird durch die Programmierung der mögliche Beratungsprozess vorgestaltet und es wird festgelegt, wie die beteiligten Nutzer (Berater/Ratsuchender) selbst Anpassungen vornehmen können, oder ob die Vorgaben alleine von den Lieferanten/Dienstleistern angepasst werden. Aufenanger (1997, S. 19) fordert, dass sich nicht immer nur die Menschen durch »Medienkompetenz« die Medien aneignen sollten, sondern, dass sich auch die Medien den Menschen anpassen sollten. Medienbildung könnte so bedeuten,

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dass auch die Berater lernen, die Technik kritisch und aktiv im Sinne der Beratungsfachlichkeit mitzugestalten, selbst wenn sie keine Programmierkenntnisse haben. Dabei gilt es, die Gestaltungsräume auszuweiten, um die Medien weiterentwickeln zu können. Bei den Programmen und Dateien handelt es sich um die speziellen Funktionalitäten der jeweiligen Beratungssoftware, womit Einstellungen und Anpassungen vorgenommen werden können, die durch die Programmierung ermöglicht wurden. Mit dem Intranet ist ganz allgemein eine Kommunikationsplattform gemeint, die etwa eine fachliche Metakommunikation der beteiligten Berater zur Verfügung stellt. Die Sicherheitsinfrastruktur betrifft alle Maßnahmen und Techniken, die realisiert werden, um geschützte Beratung zu ermöglichen. Bei den weiteren Punkten sprechen Internetfachleute von »Technikschichten« und »Protokollen«. Damit werden technische Standards der Informationsund Kommunikationstechnik bezeichnet. Beispielsweise nennt sich der technische Standard der herkömmlichen E-Mail »smtp« und »POP3« und der grundlegende technische Standard für die Internetkommunikation ist das »Internet Protocol«, abgekürzt »IP«. Nach der Darstellung eines Überblicks zu den beteiligten Ebenen bei medialer Beratung mit Hilfe des Modells mediale Beratung gilt es nun die Entwicklung der Beratungsmedien und zentrale Fragen im Zusammenhang mit Onlineberatung zu skizzieren. Dabei wird eine Übersicht zu für die vorliegende Studie relevanten Veröffentlichungen und Studien gegeben.

Verbreitete Medien der Onlineberatung Es gibt sehr unterschiedliche Formen medialer Beratung und auch hinter dem Begriff Onlineberatung verbirgt sich eine Vielfalt sehr unterschiedlicher Beratungsformen und Settings. Es gibt mittlerweile zahlreiche Angebote der Onlineberatung, die sich im deutschsprachigen Bereich seit der Mitte der 1990er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entwickelt haben. In den ersten Jahren war der Begriff Onlineberatung häufig der Chatberatung vorbehalten, weil man bei dieser Beratungsform gleichzeitig »on line« sein musste. Als sich im Internet die Flatrates und damit das dauerhafte »online sein« durchsetzten, verlor diese Begriffsverwendung ihre Bedeutung. Mit der Zeit entwickelte sich der Begriff der Onlineberatung zu einem Sammelbegriff für unterschiedliche mediale Beratungsformen im Internet. Heute wird darunter vor allem Mailberatung, Chatberatung und die Gruppenberatung in beraterisch moderierten Foren verstanden (vgl. Reindl 2009). Andere mediale Beratungssettings wie SMS-Be-

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ratung oder Beratung per Videokonferenz stellen eine Seltenheit dar und werden auch in der Literatur nur am Rande behandelt. Von Onlineberatung abzugrenzen sind reine Informationsangebote, die nicht interaktiv und kommunikativ sind. Allerdings können die Darstellungen auf den Homepages von Beratungsanbietern schon einen ersten Kommunikationseinstieg bedeuten. Ratsuchende gehen dann bereits auf die veröffentlichten Inhalte ein und thematisieren sie in der ersten Anfrage, auch wenn eine Organisation kein ausdrückliches Angebot zur Onlineberatung macht. Im Folgenden wird dann von Onlineberatung gesprochen, wenn ausdrücklich ein mediales Beratungsangebot offeriert wird, das auch ausschließlich medial vermittelt möglich sein kann. Eine reine Anmeldemöglichkeit, etwa per Mail, zu einer Face-to-Face-Beratung wird demnach nicht als Onlineberatung bezeichnet, selbst wenn eine kurze inhaltliche Klärung erfolgt, um Absprachen für das Angebot vor Ort zu treffen. Wird der Begriff Onlineberatung verwendet, so handelt es sich bislang vor allem um drei Formen der Beratung: Mailberatung, Chatberatung und Beratung in Foren. Mailberatung und Forenberatung finden zeitversetzt (asynchron) statt, während Chatberatung zeitgleich (synchron) stattfindet. Bei Mailberatung werden die Anfragen der Ratsuchenden auf einem Server gespeichert, so dass der Berater die Mail zu einem späteren Zeitpunkt lesen, eine Antwort schreiben und zurücksenden kann. Die verwendete Technik spielt für die Bezeichnung keine Rolle. Allerdings wird in der Literatur häufig von webbasierter Mailberatung gesprochen. Damit ist gemeint, dass die Mailkommunikation ausschließlich im Browser (und nicht im Mailprogramm) möglich ist. Mailberatung findet in der Regel als Einzelberatung statt. Als eine Besonderheit der Mailberatung ist zu beachten, dass die Beteiligten durch die Zeitversetzung meist nicht mehr in derselben emotionalen Verfassung sind wie zum Absendezeitpunkt. Chatberatung findet sowohl in Form von Gruppenchats als auch im Einzelsetting statt. Organisiert werden Chatberatungssitzung dadurch, dass zuvor ein bestimmter Zeitpunkt für den Beratungsbeginn vereinbart wird. Eine Anmeldesoftware ermöglicht dann die Buchung eines bestimmten Zeitkontingents von beispielsweise 50 Minuten. Die Zeitfenster von Beratern und Klienten müssen danach noch synchronisiert werden. Die Zeitstruktur ähnelt damit der EinzelFace-to-Face-Beratung. Bei Gruppenchats werden häufig Sitzungen zu bestimmten Themen angeboten, wobei sich die Klienten meist spontan anmelden können. Forenberatung unterscheidet sich von den weit verbreiteten Selbsthilfeforen dadurch, dass die Beratungsforen von professionellen Beratern moderiert werden, die als solche erkenntlich sind. Sie haben zugleich Administratorenrechte und nehmen neben ihrer Beratungsfunktion zugleich eine Moderationsfunktion wahr, das heißt sie vermitteln zwischen den einzelnen Beiträgen der Ratsuchenden und können unpassende Beiträge löschen. Die Forenberatung ähnelt in ihrer Struktur der Gruppenberatung vor Ort. Die Beratung über Mo-

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bilmedien (Eichenberg 2006, Niewerth 2008, Döring/Eichenberg 2009) gehört zu den jüngsten Formen beratender Tätigkeit, da diese Medien noch relativ neu sind. Die erste SMS-Beratung wird 1998 im deutschsprachigen Raum beschrieben (vgl. Aebischer-Crettol 2003, S. 101.) Die Kommunikation ist dabei auf eine geringe Zeichenzahl beschränkt. Es wird jedoch aufgezeigt, dass es möglich ist, während eines begonnenen Beratungsprozesses auch zu anderen Medien wie E-Mail oder Telefon zu wechseln, oder es kommt zu einem Face-toFace-Kontakt vor Ort. Ein Settingswechsel ist dabei konzeptionell gewünscht und wird von Ratsuchenden auch genutzt.

Ausschließlich anonyme Beratung Wie die ursprüngliche Form von Gemeinschaft sich in der Versammlung vollzieht, so gab es in der Entwicklung der Menschheit zunächst auch nur die Möglichkeit einer Beratung bei gleichzeitiger Anwesenheit. Das Gegenüber zu erleben und ihn als eine bestimmte Person mit seinen körperlichen Äußerlichkeiten wahrzunehmen, war also lange Zeit der Normalfall. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich dann eine grundlegend andere Form der Beratung entwickelt. Durch die Etablierung des Telefons als Alltagsmedium wurde es möglich, selbst über räumlich größere Entfernungen hinweg Beratung anzubieten. Faßler verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der »Fernanwesenheit« (1997, S. 117 ff.) Folge dieser neuen Kommunikationsform war die Herausbildung der Institution Telefonseelsorge. Das ermöglichte einen bis dahin nicht vorstellbar niedrigschwelligen Zugang für hilfesuchende Menschen. Nun war es möglich, ein vertrauliches Gespräch zu führen, ohne dass das Gegenüber das Gesicht des anderen sah. Dies bedeutete durch eine erhöhte Anonymität insgesamt auch eine völlig neue Qualität des Beratungsgesprächs und es kam zur Nutzung der Paradoxie »Nähe durch Distanz« (Knatz 2006, S. 176). Die Telefonseelsorgeeinrichtungen haben sich mittlerweile weltweit etabliert. Die Telefonseelsorge ist also ein psychosoziales Hilfsangebot, das von Anfang an Medien genutzt hat, um Menschen niedrigschwellig zu erreichen. Das telefonische Angebot sollte bei der Telefonseelsorge zunächst zur Prävention von Suiziden in Großstädten dienen. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Suizidrate in großen Städten verhältnismäßig hoch war. 1953 gründete Chad Varah in London die weltweit erste Telefonseelsorge (engl.: »Samaritans«). Die erste deutsche Stelle wurde 1956 in Berlin gegründet, ebenfalls mit der Gründungsintention, Menschen in suizidalen Krisen niedrigschwellig zu erreichen. Das wurde möglich, indem in den ersten Jahren Zeitungsanzeigen mit dem Appell veröffentlicht wurden, dass Menschen eine bestimmten Nummer anrufen sollen »bevor Sie sich umbringen« (vgl. Wenzel 2008a). Die Telefonseelsorge ist somit

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seit ihrem Beginn eine mediale Seelsorge- und Beratungseinrichtung im doppelten Sinne: Sie bietet zum einen ein niedrigschwelliges und medial vermitteltes Gesprächsangebot an und spricht zum anderen dabei Menschen mit Sorgen und Nöten medial dort an, wo sie diese zu erreichen hofft: sei es über Zeitungen, Plakate und seit 1995 auch über das Internet. Ein Großteil der Themen der Ratsuchenden betrifft dabei Beziehungsprobleme.59 Die Telefonseelsorge hat auch eine Verweisfunktion: In den Beratungsstellen vor Ort ist bekannt, welche psychosozialen Versorgungsangebote es in der Umgebung gibt. So werden etwa Adressen und Telefonnummern von psychosozialen Beratungsstellen benannt. Manchmal fragen Menschen aber direkt zu Beginn des Gesprächs nach einer bestimmten Hilfeform wie etwa nach einer Gruppe der Anonymen Alkoholiker oder wollen wissen, wie sie vorgehen können, wenn sie eine Psychotherapie machen möchten. Die Telefonseelsorge ist somit an der Schnittstelle zwischen ratsuchenden Menschen und den unterschiedlichsten psychosozialen Hilfeeinrichtungen zu verorten. Sie ergänzt das psychosoziale Hilfenetz durch eine deutschlandweite Tag- und Nachtpräsenz und sie ist für ihre Klientel auf die unterschiedlichsten Angebote von Fachdiensten angewiesen, da sich am Telefon immer wieder Problemkonstellationen zeigen, die weitergehender und oft auch spezialisierter professioneller Hilfe für die Betroffenen bedürfen. Neben der Telefonseelsorge haben sich mit der Zeit weitere telefonische Beratungsdienste etabliert. Als bundesweite Angebote60 sind diesbezüglich zu nennen: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit ihren Infohotlines zu Essstörung, zur Suchtvorbeugung und zur Glücksspielsucht; die Sucht- und Drogenhotline; das Elterntelefon; das Kinder- Jugendtelefon, bekannt auch als die »Nummer gegen Kummer«; das Kindernetzwerk; das Müttertelefon; das Muslimische SeelsorgeTelefon; die Muslimische Sozialberatungshotline DITIB; das Opfertelefon; der Psychotherapie-Informations-Dienst PID; die Schuldenhelpline und die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen und abschließend das Sorgentelefon zum Thema Sterben, Tod und Trauer. Hinzu kommen unzählige regionale und lokale Telefonberatungsdienste zu verschiedensten Themen wie Mobbingberatung und andere, die in der DAJEB-Liste nicht einzeln benannt werden. Diese Ausdifferenzierung des telefonischen Beratungsangebots zeigt, 59 Laut Statistik der Telefonseelsorge Deutschland hatten 2010 insgesamt 21,39 % der Anlässe für ein Gespräch mit der Telefonseelsorge einen Beziehungshintergrund (Partner/in, Familie/Verwandtschaft, Freunde/Nachbarn/Kollegen. Verfügbar unter : http://www.telefonseelsorge.de/sites/default/files/Jahresstatistik_TelefonSeelsorge_2010_0.pdf. Abgerufen am 21. 04. 2012. 60 Vgl. DAJEB-Beratungsführer. Verfügbar unter : www.dajeb.de/bwtel.htm. Abgerufen am 27. 11. 2012.

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dass es eine große Nachfrage nach solchen niedrigschwelligen Beratungsangeboten in Bezug auf unterschiedlichste Themen gibt. Die Internetangebote weisen in die gleiche Richtung. Ein systematischer Gesamtüberblick der Entwicklungen in der institutionalisierten Beratung durch Neuen Medien fehlt bislang. Demgegenüber wurden einzelne Beratungsformen bereits in den Blick genommen und es gibt hier auch erste empirische Studien.

Institutionalisierte Onlineberatung und Beratungsportale Im deutschsprachigen Bereich ist die Telefonseelsorge sehr früh in die neuen Beratungssettings im Internet eingestiegen (Wenzel 2008b, S. 90). Mitarbeiter der Telefonseelsorge haben schon Mitte der 1990er Jahre die Möglichkeiten der Kommunikationsplattform Internet für das eigene Beratungsangebot entdeckt und genutzt. Seit 1995 bietet die Telefonseelsorge neben dem telefonischem Angebot auch Onlineberatung in Form von Mail- und Chatberatung an. Damit ist es das erste deutschsprachige Onlineberatungsangebot im Internet. Mittlerweile hat sich das Beratungsportal www.telefonseelsorge.de zu einer bekannten Hilfeadresse im Netz entwickelt. Die Eingabe der Adresse »www.telefonseelsorge.de« ergibt in der Suchmaschine Google 192.000 Treffer.61 Bereits in den ersten Jahren gab es eine interne Evaluation (Evangelisch-Katholische Kommission Telefonseelsorge / Offene Tür 2001) und eine Studie zu diesem neuen Beratungsangebot der Telefonseelsorge (Christl 1998, van Well 2000). Zentrales Ergebnis ist, dass auch emotional belastende Probleme über diese neue Form der Beratung bearbeitet werden können. So wird in der Studie zu typischen Merkmalen der Internet-Kommunikation festgehalten, dass »die allermeisten Probanden (87 %) der Meinung [sind, Ergänzung J.W.], daß man sich auch bei einem Kontakt über das Netz sehr nah fühlen kann, daß immerhin knapp die Hälfte der Probanden über eine eigene Erfahrung von Nähe zu Kommunikationspartnern im Netz verfügt, und daß immerhin knapp ein Drittel der Aussage zustimmen, im Netz anderen Menschen näher zu stehen als bei anderen Kontakten« (ebd., S. 247).

Zuvor wurde vermutet, dass die computerbasierte Schriftform eine zu nüchterne Atmosphäre bedeuten würde, als dass darin tiefergehende emotionale Prozesse sinnvoll zu bearbeiten wären. Die Ergebnisse haben die Telefonseelsorge aber darin bestärkt, diese Beratungsform auszubauen und zu einem dauerhaften Angebot weiterzuentwickeln. Die Intention blieb dabei die Gleiche wie die bei Gründung der Einrichtung, nämlich Menschen in Krisen niedrig61 Abgerufen am 06. 10. 2010

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schwellig erreichen zu können. Dabei bietet dieser internetbasierte Mediendienst Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu treten, die sonst vermutlich nicht zu erreichen wären. Allerdings befördert die anonyme Beratung auch spezielle Phänomene, die in dieser Weise in der Face-to-Face-Beratung so nicht bekannt sind. Die Begriffe »virtuelle Identitäten« beziehungsweise »digitale Identitäten« (Köhler 2003, Tillmann 2006, Humer 2008) haben sich dabei aus den Erfahrungen im Internet entwickelt, dass Menschen in der medialen Kommunikation soziale Identitäten neu konstruieren. Indem Sinneskanäle wegfallen und das Gegenüber nur über die schriftliche Beschreibung in Erscheinung tritt, eröffnen sich dabei neue Gestaltungsräume und Möglichkeiten, mit der eigenen Identität zu experimentieren und zu spielen. Im Internet kamen schon bald nach der Telefonseelsorge weitere Onlineberatungsanbieter hinzu. Mittlerweile gibt es unzählige Beratungsangebote im Internet und mehrere Beratungsportale von Beratungsfachverbänden, kommerziellen Anbietern und Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Dabei haben sich größere Portale herausgebildet. Am Ende dieser Arbeit sind unter »Internetadressverzeichnis« (S. 249) zentrale Adressen zu finden. Veröffentlichungen zur psychosozialen Beratung im Internet beschreiben zumeist die Praxisfelder und theoretischen Fragestellungen der Onlineberatung (Kühne/Hintenberger 2009, Ploil 2009, Geißler/Metz 2012) oder sind konzipiert als Handreichungen für die Weiterbildung von Onlineberatern (in Bezug auf EMailberatung: Knatz/Dodier 2003, Reiners 2005). Darüber hinaus gibt es Veröffentlichungen zu einzelnen medialen Beratungsformen (Chat: Thaler 2003) und speziellen Beratungsinstitutionen (Schuldnerberatung: Wohlers 1997; Jugendberatung: Götz 2003, Culemann 2002; Zimmermann 2004), aber auch Überblicksarbeiten (Huth-Hildebrandt 2011, Hintenberger/Kühne 2011). Des Weiteren werden einzelne Onlineberatungsplattformen beleuchtet: Die Jugendund Elternberatung der bke (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung 2003), das Präventionsportal Drugcom.de der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (Tossmann 2007), das Portal für junge Menschen bis 21 Jahre: Kidshotline.de (Engelhardt 2010), die Plattformen von pro familia »Sextra«/»Sexundso« (pro familia 2011), die Onlineberatung der Kinderschutz-Zentren youngavenue.de (Reiners 2005, Koparan 2013), die Beratungsplattform von Caritas Deutschland (Schellack 2012) und die Telefonseesorge unter www.telefonseelsorge.de (Well 2000, Wenzel 2008a). Was bislang jedoch fehlt sind Erörterungen, die Beratung als Einheit verstehen, unabhängig davon, ob sie über ein technisches Medium vermittelt wurde oder nicht. Die medienvernetzte Beratung (Wenzel 2010) und die Neuen Medien bringen dabei allerdings nicht nur neue Chancen und Möglichkeiten, vielmehr entstehen auch neue Probleme und Fragen, die es in dieser Weise zuvor nicht gegeben hat (Wenzel 2013). Ethische Grenzfragen, die in der Literatur zur Beratung im In-

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Medienentwicklung und Beratungsmedien

ternet regelmäßig genannt werden, sind der Umgang mit Suizidankündigung im Internet (Etzersdorfer/Fiedler/Witte 2003) mit Datenschutz und Internetsicherheit (Wenzel 2008b) sowie mit Onlinesuchtverhalten (Wölfling 2010), um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Hier gilt es zu erkunden, welche Themen und Probleme in den jeweiligen Beratungsinstitutionen auftauchen. Während es im Rahmen der Psychotherapieforschung weltweit bereits zahlreiche Studien gibt, die sich vorwiegend mit einzelnen medialen Settings befassen, sind sie im Bereich der institutionellen Beratung noch rar. Einen Überblick gibt Sasse 2011. Die psychotherapeutischen Studien sind allerdings, anders als im Bereich der psychosozialen Beratung, störungsbezogen angelegt. Einen umfassenden Review zu empirischen Befunden und einen Überblick liefern Eichenberg/Ott 2012. Die Wirksamkeit medialer Therapieinterventionen wird darin für unterschiedliche Krankheiten belegt. Das Internet bringt auch neue Möglichkeiten für die empirische Nutzerforschung von Beratungsangeboten, wie etwa Dzeyk (2005) aufzeigt. Damit ist es nun möglich, die Angebote mit Hilfe der Instrumente der sozialwissenschaftlichen Onlineforschung (Döring 2003, S. 201) zu untersuchen. So können beispielsweise Angebote hinsichtlich ihrer Nutzerführung und Nutzerakzeptanz auch experimentell getestet und Onlinebefragungen in einem Beratungsangebot fest implementiert werden. Die Datenerhebung ist auf diese Weise mit verhältnismäßig wenig Aufwand zu realisieren. Für die E-Mailberatung hat Weinhardt (2009) eine Studie veröffentlicht, die diese Beratungsform beleuchtet (s. auch Weinhardt 2012). Dabei stellt er fest, dass die Implementierung von E-Mail-Beratung von vielfältigen Faktoren beeinflusst wird: »Institutionelle Rahmenbedingungen, die Eigenschaften des Netzmediums und methodische Aspekte stehen miteinander in enger Wechselwirkung« (ebd. S. 184). Dabei arbeitet er heraus, dass sich die jeweilige Ausprägung der erbrachten Hilfe durch drei deutlich abgegrenzte Formen beschreiben lasse. Es bilde sich demnach eine »Trias zwischen informieren, stabilisieren und begleiten« ab. Diese Varianten kämen in den untersuchten Einrichtungen gleichzeitig vor, wobei das zahlenmäßige Auftreten der drei Varianten in unterschiedlichen Einrichtungen jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein dürfte. Ein zentraler Ertrag der Studie ist die Kliententypologie. Dabei grenzt er vier Typen voneinander ab: die erwerbstätigen Medienpragmatiker, die zurückgezogenen Dauerklienten, die sachorientierten Informationsbeschaffer und die jugendlichen Krisenklienten (ebd. S. 223 ff.). Dabei wird deutlich, dass die Anfragen in der Mailberatung sehr heterogen sind, was vermutlich bei den jeweiligen spezifischen Angeboten nochmals variieren dürfte. Das Spektrum der Mailanfragen im Internet ist also keineswegs auf eine homogene Onlineklientel begrenzt, der mit einem einzelnen Onlinehilfekonzept entsprochen werden könnte. Vielmehr zeigt sich in der Untersuchung der

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Mailberatungen ein komplexes Geflecht unterschiedlichster Problemkonstellationen, Zielgruppen und Hilfeformen. Bislang gibt es keine einheitliche Beratungstheorie, die Mediale- und Face-toFace-Beratung gemeinsam angemessen erfasst. In Bezug auf zentrale Fragestellungen der medialen Beratung hat Döring (2003) mit ihrem Werk »Sozialpsychologie im Internet« Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen zur Bedeutung des Internets für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen zusammengetragen. Seitdem werden in Bezug auf mediale Beratung immer wieder Theorien computervermittelter Kommunikation referiert. So zur Medienwahl, zu Medienmerkmalen und zum medialen Kommunikationsverhalten. Will man Beratung als Ganzes erfassen, greifen diese Theorien aber zu kurz, da sie immer von einer Nutzung technischer Medien ausgehen, was bei der Face-to-Face-Beratung aber gerade nicht der Fall ist. Für eine Theoriebildung von Beratung bedarf es somit eines weitergefassten Rahmens, der auch Primärmedien mit erfasst und somit die Sinneskanäle der Beteiligten zum zentralen Fokus werden lässt. Nur so wird der Mensch mit seinen Kommunikationsmöglichkeiten in Beratungssituationen in den Blick genommen, unabhängig davon, ob er Beratungssettings vor Ort oder technikvermittelte Settings nutzt. Im Zuge der Entwicklung einer Beratungstheorie, wäre dies grundlegend, will man nicht nur einzelne Aspekte der Beratung und spezielle Settings erfassen. Schließlich geht der Trend aktueller Kommunikation dahin, dass nicht entweder face-to-face oder online kommuniziert wird. Immer häufiger findet Beratung sowohl vor Ort also auch medienvermittelt statt (vgl. Wenzel 2010).

4. Forschungsmethodik der Studie

Die bisherigen Ausführungen haben dazu gedient, das zu betrachtende Forschungsfeld »institutionalisierte Beratung und Medien« näher in den Blick zu nehmen. So wurde zunächst der Bereich der psychosozialen Beratung erörtert und sodann grundlegende Fragestellungen zu Medien in ihrem Verhältnis zur Beratung beleuchtet. Dabei wurde deutlich, dass es sich um ein vergleichsweise neues und zugleich sehr heterogenes Handlungsfeld handelt, bei dem sich die Theoriebildung noch in den Anfängen befindet. Ziel der Ausführungen dieses Kapitels ist es nun, den Aufbau der Studie darzulegen und die Forschungsfrage weiter einzugrenzen und zu konkretisieren. Die methodologische Verortung soll dargelegt und der Forschungsprozess in seinen einzelnen Schritten nachvollziehbar gemacht werden. Um diese Nachvollziehbarkeit der Studie zu erreichen, ist es grundlegend, das Vorgehen transparent zu machen und darzulegen, wie das Material vor dem Hintergrund der Fragestellung erhoben, aufbereitet und ausgewertet wurde. Die Analyse der erhobenen Texte, die in den nachfolgenden Kapiteln (5 und 6) dargestellt wird, soll dazu dienen, einen Überblick über den Wandel der Beratung durch Neue Medien zu erhalten. Es geht zunächst darum, in den Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen möglichst genau festzuhalten, was sich in der institutionalisierten Beratung verändert und wie sich das für die einzelnen interviewten Beraterinnen und Berater in ihren jeweiligen Beratungsstellen im Detail zeigt (Kapitel 5). Die Ergebnisse der vergleichenden Interpretation (Kapitel 6) sollen sodann den beratungsinstitutionsübergreifenden Wandel darstellen und darüber hinaus als Grundlage dienen, eine einheitliche Theoriebildung vor dem Hintergrund der empirischen Befunde zu skizzieren (Kapitel 7), mit dem Ziel die Trennung medial/nicht-medial in der Betrachtung der Beratungsinteraktionen zu überwinden.

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4.1

Forschungsmethodik der Studie

Forschungsmethodische Verortung

Zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellung wurde die qualitative Methodik der empirischen Sozialforschung gewählt, die allerdings keine einheitliche Methode darstellt, sondern eher als ein Sammelbegriff verschiedener methodischer Richtungen verstanden werden kann. Dabei haben sich jedoch übergreifende und zentrale Prinzipien entwickelt, die Lamnek zusammenfassend als »Pragmatik qualitativer Sozialforschung« (1995, S. 21 ff.) darstellt. Zentrale Prinzipien sind in seiner Darstellung dabei die Offenheit, die Forschung als Kommunikation, der Prozesscharakter von Forschung und Forschungsgegenstand, die Reflexivität von Gegenstand und Analyse, die Explikation und die Flexibilität. Dabei hebt er hervor, dass diese Darstellung nicht abschließend zu verstehen ist, sondern ergänzt werden kann. »Je nachdem auf welcher methodologischen Abstraktionsebene man sich bewegt, sind die Regelanweisungen fast beliebig vermehrbar« (ebd. S. 29). An dieser Stelle können diese grundlegenden Prinzipien im Einzelnen nur skizziert werden. Sie sind allerdings nicht als getrennt voneinander zu betrachten, sondern lediglich analytisch voneinander zu trennen: Die Offenheit gilt sowohl gegenüber den Untersuchungspersonen, gegenüber der Untersuchungssituation, als auch bezüglich der anzuwendenden Methoden. Ziel der qualitativen Forschung ist es dabei, neue Zusammenhänge erschließen zu helfen und nicht durch engführende standardisierte Erhebungsinstrumente den Blick von vornherein einzuschränken. »Qualitative Sozialforschung legt das Schwergewicht auf die explorierende Felderkundung, die bei Anwendung standardisierter Techniken ohne Erkundungsphase meist sträflich vernachlässigt wird.« (ebd. S. 22). Das Prinzip der »Forschung als Kommunikation« besagt, dass Forschung auch zugleich Kommunikation ist und deshalb die Regeln der Kommunikation im Forschungsprozess zu beachten sind. Die Kommunikationsbeziehung ist in der qualitativen Forschung dabei grundlegend. Hier gibt es keine neutralen Messinstrumente, vielmehr gilt es die Forschungssituation den kommunikativen Regeln des Alltags anzunähern. Der Begriff »Prozesshaftigkeit« hebt hervor, dass der Ablauf der empirischen Forschung veränderbar ist. Die sozialen Phänomene als Forschungsgegenstand sind allerdings ebenfalls als Prozesse zu verstehen und nicht als feststehende Entitäten. Das Erkenntnisinteresse der qualitativen Sozialforschung ist primär auf die Deutungs- und Handlungsmuster gerichtet, die sich ebenfalls prozesshaft verändern. Auch die »Reflexivität« bezieht sich auf beide Bereiche, den Gegenstand der Forschung und die Analyse. Bei der Analyse gilt die Reflexivität als eine Forderung, während sie im Analysegegenstand laut Lamnek bereits enthalten ist.

Ziel der Studie und Eingrenzung der Forschungsfrage

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Schließlich sei es eine Grundannahme des interpretativen Paradigmas, den Bedeutungen von menschlichen Verhaltensprodukten, seien sie verbal oder nonverbal vermittelt, eine prinzipielle Reflexivität zu unterstellen. Indem jede Bedeutung reflexiv auf alle anderen Bedeutungen verweist, würde für das Verständnis von Einzelakten immer auch ein Verständnis des Kontextes vorausgesetzt. Daraus ergebe sich eine Zirkularität, die aber im Sinne eines fruchtbaren hermeneutischen Zirkels (vgl. Gadamer 1960) verstanden würde und nicht im Sinne eines unfruchtbaren logischen Zirkels. (Zur Zirkularität vgl. auch Kromrey 2009, S. 105). Beim Prinzip der »Explikation« geht es darum, dass die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses dokumentiert und dargelegt werden. Das, was in der Forschung geschehen ist, soll also neben der Darstellung der Ergebnisse ebenfalls offengelegt werden. Dies geschieht im vorliegenden Kapitel, indem die methodische Verortung dargelegt, die Forschungsfrage erörtert und Fallauswahl, Erhebung und Auswertung des Materials im Einzelnen beschrieben werden. Die »Flexibilität« im Forschungsprozess bedeutet, dass mit Unvorhergesehenem aktiv umgegangen wird. Gerade wenn das Gegenstandsfeld nicht hinreichend bekannt ist, besteht so die Möglichkeit, mit neuen Erkenntnissen bereits im Rahmen der Forschungsarbeit kreativ umzugehen und sie für den weiteren Fortgang zu nutzen. Nach Bohnsack (2003) kann man bei empirischer Sozialforschung auch von »Rekonstruktiver Sozialforschung« sprechen, die sich von nicht-empirischen Ansätzen abgrenzen lässt: »Empirische Wissenschaften unterscheiden sich von nicht-empirischen Wissenschaften dadurch, dass in ihnen lediglich solche theoretischen Aussagen Anerkennung finden, die einer Nachprüfung durch die Erfahrung prinzipiell fähig sind. Das ist das so genannte Abgrenzungskriterium, welches die empirische Wissenschaft abgrenzt vom Alltag, aber auch von Mathematik und Logik.« (ebd. S. 13)

In der hier angewendeten Forschungsrichtung geht es darum, mittels empirischer Verfahren Strukturen und Konstrukte der jeweils beteiligten Akteure zu rekonstruieren. Dies gilt es nun in Bezug auf die hier vorliegende Forschungsfrage zu beschreiben.

4.2

Ziel der Studie und Eingrenzung der Forschungsfrage

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die zentralen Aspekte der Veränderungen durch Neue Medien in der institutionalisierten Beratung herauszuarbeiten und darzustellen sowie sie in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Damit soll die Forschungsfrage »Wie wandelt sich die institutionalisierte Beratung durch

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Forschungsmethodik der Studie

neue Kommunikationstechniken, die mit dem Sammelbegriff ›Neue Medien‹ bezeichnet werden?« beantwortet werden. Die nachfolgende Tabelle 5 veranschaulicht die Ebenen des primären Erkenntnisinteresses der vorliegenden Studie zum Wandel der Beratung durch Neue Medien. Die Betrachtung geschieht aus Perspektive der Berater. Die hier nun fokussierte Forschungsperspektive umfasst dabei nur einen Ausschnitt der oben dargestellten Ebenen des »Modells mediale Beratung« Tabelle 4 (S. 66). Lediglich als Hintergrundfolie und als Rahmenbedingungen dienen dabei die Makrosoziale Ebene sowie die Lieferanten- und die Technikebene. Diese Ebenen treten nun also in den Hintergrund, wenn sie auch punktuell, zum Verständnis des Gesamtgeschehens, als relevanter Kontext dargestellt werden. Tabelle 5: Zentrale Ebenen der Untersuchung Ebene Mikrosozial

Bereich / System / Rolle Beispiel / Konkretisierung Leistungsträger Abrechnungsmodalitäten Verbände Standards, Konzepte, Qualitätsmanagement Organisation Personal, Sachausstattung, Verträge Sozialer Kontext Soziale Netzwerke, Hilfekontext Beratungskontext Beratungsplattform Fachliche Metakomm. Interaktives Intranet, Supervision Beziehung Rollenbeziehung Beziehungsgestaltung Kommunikation Beratungsinteraktion Beratung, Kommunikationssequenzen Subjekt Ratsuchender Klient, Ratsuchender, Anliegen Berater Berater, professionelles Selbstkonzept Betrachtet aus der Perspektive des Beraters

Die vorangegangenen Erörterungen zu den Forschungsmethoden bedeuten, bezogen auf die Fragestellung der vorliegenden Studie, dass die Einführung, Anpassung und Nutzung der Neuen Medien in den Beratungsstellen mittels Kommunikationen und Handlungen von Menschen geschehen und als manifeste und latente Sinnstrukturen rekonstruierbar sind. Da das Gegenstandsfeld in Bezug auf Neue Medien bislang kaum erforscht wurde, gilt es zunächst, die strukturellen Gegebenheiten in den Beratungsstellen möglichst konkret zu erfassen. Durch die Beschreibungen der Berater werden zentrale Eckpunkte des Geschehens in den Beratungsstellen festgehalten und es wird dabei ein verstehender Zusammenhang hergestellt. Das zentrale Forschungsinteresse liegt also darauf, wie sich die institutionalisierte Beratung in den Beratungsstellen verändert. Insofern sind die beteiligten Subjekte der Beratungsarbeit, das heißt der Klient mit seinem Anliegen und der Berater mit seinem professionellen Selbstkonzept, bedeutsam. Aufgrund des dargelegten erheblichen Forschungsbedarfs wären sehr ver-

Fallauswahl, Erhebung und Auswertung

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schiedene Forschungsvorhaben in Bezug auf den Wandel durch Neue Medien denkbar und sinnvoll gewesen. Im Rahmen der rekonstruktiven Sozialforschung wäre es auch erhellend, die einzelnen Onlineberatungssettings weiter zu erforschen, wie es Weinhardt (2009) für die Mailberatung bereits getan hat. Die relativ weit verbreitete Mailberatung hat dabei bislang noch vergleichsweise viel Aufmerksamkeit erhalten. Noch größerer Forschungsbedarf besteht bei den weiteren Medien, die für Onlineberatung genutzt werden (Chat, Foren), insbesondere in Bezug auf das interaktive Kommunikationsgeschehen zwischen Beratern und Klienten. Kaum Beachtung fanden in der rekonstruktiven Sozialforschung bislang audio-visuelle Beratungsformen, die allerdings noch wenig verbreitet sind. Die Medien expandieren zahlenmäßig so stark, dass es kaum möglich ist, den Überblick zu behalten. Dabei führen viele Medien allerdings auch ein Randdasein und sind nicht annähernd so weit verbreitet wie beispielsweise die E-Mail oder das www. So wäre die Absicht, alle möglichen Medien zu untersuchen, ein aussichtsloses Unterfangen und im Rahmen dieser Studie nicht leistbar. So wurde hier ein anderer Ansatz gewählt, die Beratung insgesamt – unabhängig davon, ob medial vermittelt oder nicht – vor dem Hintergrund des Wandels durch Neue Medien zu betrachten.

4.3

Fallauswahl, Erhebung und Auswertung

Die Fallauswahl geschah im Sinne eines »theoretischen Sampling« (Glaser/ Strauss 2010, S. 61 ff.). Die interviewten Berater sollten alle in einer psychosozialen Beratungsstelle arbeiten, die mindestens eine Form von Onlineberatung anbietet, mit einer Präsenz im Internet (Homepage / Visitenkarte) vertreten und darüber auch per E-Mail erreichbar ist. Die Stellen wurden gezielt über ihre Erreichbarkeit im Internet gesucht. Lediglich Frau Imholz wurde über den Koordinator der virtuellen Beratungsstelle vermittelt, bei der sie mitarbeitet, da bei dieser Beratungsplattform die Berater grundsätzlich nicht nach außen sichtbar werden. Es wurden insgesamt vier Berater und fünf Beraterinnen interviewt, die in fünf unterschiedlichen Beratungsstellen mit verschiedenen Beratungsinstitutionen, fünf verschiedenen Bundesländern, vier unterschiedlichen Wohlfahrtsverbänden und mit fünf verschiedenen Beratungsplattformen arbeiten. Pro Stelle sollte einer der Interviewpartner außerdem zusätzlich in Leitungsfunktion sein. Dabei wurde nach dem Prinzip der maximalen Variation (vgl. Kelle/Kluge 2010, S. 49) in Bezug auf diese verschiedenen Dimensionen verfahren. Mit der Auswahl der Fälle sollte vermieden werden, dass nur die spezifische Situation einer speziellen Beratungsstelle, einer psychosozialen Beratungsinstitution, eines Fach- beziehungsweise Wohlfahrtsverbands oder eines Bundeslandes dargestellt wird. Um Fragestellungen, Zusammenhänge, Themen

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Forschungsmethodik der Studie

und Trends in der psychosozialen Beratung in Deutschland mit übergreifender Relevanz herausarbeiten zu können, war es notwendig, die Interviews zu streuen. Dabei sollten vor allem auch unterschiedliche Beratungsportale berücksichtig werden, da die Kommunikationstechnik bereits zentrale Vorgaben für die jeweiligen Beratungsprozesse mit sich bringt. Eine Beratungsstelle sollte außerdem noch in herkömmlicher Weise mit einem Mailprogramm Beratung im Internet anbieten, damit auch diese ursprüngliche Form der Beratungsarbeit im Internet Berücksichtigung findet. Bei der weit verbreiteten Plattform T (vgl. Tabelle 6, S. 87), die wegen dieser starken Verbreitung auch berücksichtig werden sollte, wurde nur eine Beraterin interviewt. Diese virtuelle Beratungsstelle arbeitet konzeptionell anders als andere Beratungsportale, indem dort keine Beratungsstellen nach außen hin sichtbar werden, sondern nur einzelne Berater anonym im internen Bereich der virtuellen Onlineberatungsstelle tätig werden. So arbeiten also nicht mehrere Berater einer Beratungsstelle in einem gemeinsamen Angebot ihrer Stelle zusammen. Das hat zur Folge, dass in der befragten Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle E) nur eine einzige Mitarbeiterin bei der Plattform des externen Fachverbandes mitarbeitet. Die Tatsache, dass eine Stelle lediglich mit einer Beraterin vertreten war, ist der Konzeptionierung der Beratungsplattform T geschuldet, die sich als virtuelle Beratungsstelle versteht und eine konzeptionelle Einbindung der jeweiligen Beratungsstelle vor Ort nicht vorsieht. So kommt es zu der ungeraden Anzahl von 9 Interviews. Aufgrund der vorliegenden Materialsituation war es angemessen mit den vorliegenden neun Fällen zu arbeiten, da hier eine thematische und inhaltliche Sättigung war. Wie das Schaubild deutlich macht gibt es eine Dopplung lediglich zwischen Beratungsstelle D und E, indem die Stellen auf Bundesebene demselben Verband angehören. Sie befinden sich allerdings in unterschiedlichen Bundesländern und gehören unterschiedlichen Regionalverbänden an. Sie arbeiten außerdem mit verschiedenen Beratungsplattformen (S und T), wodurch sich in der Praxis grundlegende Unterscheidungen zwischen den beiden Stellen ergeben, welche die gemeinsame Verbandszugehörige auf Bundesebene kompensieren. Während die Stelle D die Plattform des eigenen Wohlfahrtverbands nutzt und sich dort als regionale Beratungsstelle präsentiert, arbeitet Frau Imholz aus Stelle E auf einer Beratungsplattform eines anderen Fachverbands mit. Ihre Stelle wird nach außen jedoch nicht sichtbar. Die beiden Beratungsstellen nutzen somit entgegengesetzte Konzepte. Eine Ähnlichkeit der Ergebnisse durch die gemeinsame Zugehörigkeit zum selben Bundesverband ist somit nicht zu erwarten. Somit basiert diese Studie auf 5 unterschiedlichen untersuchten Beratungsstellen, wobei der Wandel der Beratung durch Neue Medien aus 9 verschiedenen Beraterperspektiven dargestellt wird.

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Fallauswahl, Erhebung und Auswertung

Tabelle 6: Übersicht der Interviews Interview Berater/ innen I1 Frau Arnold Herr I2 Berger I3 Herr Conrad Herr I4 Dreher I5 Frau Ehlers Frau I6 Förster I7 Herr Glaser Frau I8 Haller I9 Frau Imholz

Stelle Bundesland Wohlfahrts- Plattform verband A F K O

Institutionen Sexual- und Paarberatung

B

G

L

P

Jugend- und Drogenberatung

C

H

M

Keine (Mail-Programm)

Schuldner- und Insolvenzberatung

D

I

N

S

Kinder-, Jugendund Familienberatung

T Erziehungs-, EheN und Lebensbera(wie Stelle tung D) Großbuchstaben: Darstellung der Unterschiede aufgrund des theoretischen Samplings E

J

Die Materialerhebung erfolgte mittels leitfadengestützter Experteninterviews (vgl. Meuser/Nagel 1991; Gläser/Laudel 2004; Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S. 132 ff. sowie S. 138 ff.). Die Leitfäden sind in Anhang I (S. 265 ff.) zu finden. Das erste Interview (Frau Arnold) fand ohne offenen Stimulus statt. Ab dem 2. Interview (also bei den Interviews Nr. 2 bis 9) wurde dazu übergegangen, generell mit einer offenen Eingangsfrage zu beginnen, um das Spektrum der Antwortmöglichkeiten nicht einzuengen, endsprechend des Prinzips der Offenheit qualitativer Sozialforschung. Ansonsten gab es nur noch eine Veränderung des Leitfadens im Laufe des Forschungsprozesses: In den Interviews 3 (Herr Conrad) und 4 (Herr Dreher) wurde zunächst beim Eingangsstimulus der Begriff »mediale Möglichkeiten« verwendet: »Ich interessiere mich für den Wandel in der Beratungspraxis durch neue mediale Möglichkeiten. Fangen Sie ruhig damit an, was Ihnen dazu als erstes einfällt.« Diese Frage wurde nach diesen zwei Interviews geändert, da sie offensichtlich für die Berater zu erklärungsbedürftig waren, und deshalb wurde der Ausdruck »mediale Möglichkeiten« durch »Kommunikationstechnik« ersetzt. Die auf einem elektronischen Audiogerät aufgenommenen Interviews wurden vollständig transkribiert. Übergangswörter wurden verschriftlicht, ebenso der Dialekt des Interviewpartners. Auf eine detaillierte Niederschrift der Pausen wurde verzichtet, da sie

88

Forschungsmethodik der Studie

in Bezug auf die Fragestellung nicht als relevant erschienen. Lediglich wenn sie länger ausfielen oder inhaltlich von Bedeutung waren, wurden sie notiert. Die Auswertung und Rekonstruktion erfolgte in Anlehnung an die Methode von Meuser/Nagel (1991). Dabei wurde auch die Forschungssoftware MAXQDA verwendet (vgl. Kuckartz 2010). Sie wurde genutzt, um eine standardisierte Darstellung der strukturellen Rahmenbedingungen zu ermöglichen, die vor allem in Kapitel 5 »Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen« eingeflossen ist. Entsprechend der Vorgehensweise von Meuser/Nagel wurden die Transkripte zunächst paraphrasiert, um alle Inhalte der Interviewpartner zu erhalten. Dabei wurde die Paraphrase hier noch nah an den Worten der Interviewpartner gehalten, um keine unangemessenen Veränderungen vorzunehmen. Außerdem wurde der zeitliche Ablauf des Interviews beibehalten. Einzelne exemplarische Zitate der Berater wurden dabei übernommen. Anschließend wurden mittels der Paraphrasen Textteile zusammengefügt, die verwandte Themen enthielten. Der zeitliche Ablauf wurde bei diesem Schritt überwunden. Die Textteile wurden jetzt mit Kategorien (beziehungsweise Überschriften / Codes) versehen. Die Originaltextteile erhielten dabei in dem genannten Computerprogramm die Zuordnung zu den Kategorien. Danach erfolgte der Vergleich der neun Interviews; Textteile, die grundlegende Ähnlichkeiten aufwiesen, wurden zusammengefügt. Nun erfolgte die Überwindung der Begrifflichkeit der Interviewpartner, indem eine »soziologische Konzeptualisierung« (Meuser/Nagel 2009, S. 477) vorgenommen wurde. Darauf aufbauend wurde im letzten Schritt eine vergleichende Interpretation möglich, die eine theoretische Generalisierung zulässt: »Theoretische Generalisierung: Die Kategorien werden in ihrem internen Zusammenhang theoretisch aufgeordnet. Die Darstellung der Ergebnisse geschieht aus einer theoretisch informierten Perspektive auf die empirisch generalisierten ›Tatbestände‹. Bei diesem rekonstruktiven Vorgehen werden Sinnzusammenhänge zu Typologien und zu Theorien verknüpft, und zwar dort, wo bisher Addition und pragmatisches Nebeneinander geherrscht haben.« (ebd., kursive Hervorhebung im Original)

Die Ergebnisse der vergleichenden Interpretation werden in Kapitel 6 dargelegt. Doch zuvor werden nun in Kapitel 5 die einzelnen Fälle detailliert vorgestellt. Schließlich ist davon auszugehen, dass sich die Beratungsstellen mit ihren unterschiedlichen Beratungsinstitutionen zu Fragen des Wandels in der Beratung unterscheiden und nicht in allen Punkten Gemeinsamkeiten zu finden sind. Das nachfolgende Kapitel dient dazu, das Individuelle und Unterscheidende sowie die konkreten Angebote und grundlegenden strukturellen Rahmenbedingungen der Beratungsstellen deutlich zu machen.

5. Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Die fünf untersuchten Beratungsstellen und die neun interviewten dort tätigen Beraterinnen und Berater werden nun im Einzelnen dargestellt. In diesem Kapitel wird zunächst beschrieben, welche Angebote in den jeweiligen Beratungsstellen gemacht werden. Dabei wird detailliert darauf eingegangen, wie in den Stellen mit Medien umgegangen wird, wie die Klienten zur Beratung gelangen und welche Vernetzungen es zwischen den jeweiligen Angeboten und Settings gibt. Außerdem werden die neun Beraterinnen und Berater mittels der Falldarstellungen vorgestellt. Im Vordergrund der Darstellung der Personen steht deren Einstellung zu Neuen Medien und medialer Beratung. Als Grundlage dieser Darstellung dienen sowohl die Interviews als auch die am Ende der Befragung mittels eines standardisierten Fragebogens62 erhobenen Daten. Der deskriptive Teil in diesem Kapitel stellt die Grundlage dar, die im anschließenden Kapitel dargelegten Interpretationsergebnisse nachvollziehbar zu machen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Beratungsstellen bieten dabei eine erste Voraussetzung, um die Zusammenhänge im Wandel der Beratung durch Neue Medien auch im organisatorischen Kontext verstehen zu können. Zur übersichtlichen Darstellung wurden alle Interviews mit einem eindeutigen Kürzel versehen, das trotz der notwendigen Reduktion einen Hinweis auf die interviewte Person, die jeweilige Beratungsinstitution und ihre Rolle in der Stelle gibt. Aus Datenschutzgründen wurden sämtliche Personen- und Ortsnamen geändert sowie die jeweiligen Beratungsstellen und die dazugehörigen Verbände nicht namentlich benannt. Für die Verständlichkeit dieser Studie sind diese Daten entbehrlich, da es um allgemeine Entwicklungsprozesse geht und es nicht im Forschungsinteresse liegt, eine einzelne Beratungsstellen oder Plattformen zu evaluieren. Die nachfolgenden Kürzel der Interviews werden in dieser Arbeit durchgehend verwendet.

62 Die standardisierten Fragebögen sind im Anhang I zu finden.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Tabelle 7: Abkürzungen der Interviews Berater/in in jeweiliger Stelle und Funktion Kürzel Berater/in Fr-Arnold-SexPaa-L Frau Arnold – Sexual- und Paarberatung – Leitung Herr Berger – Sexual- und Paarberatung Hr-Berger-SexPaa Hr-Conrad-JuDro-L 2 Herr Conrad – Jugend- und Drogenberatung – Leitung Herr Dreher – Jugend- und Drogenberatung Hr-Dreher-JuDro 3 Frau Ehlers – Schuldner- und InsolvenzbeFr-Ehlers-SchuIns-L ratung – Leitung Frau Förster – Schuldner- und InsolvenzbeFr-Förster-SchuIns ratung Hr-Glaser-KiJuFa-L 4 Herr Glaser – Kinder-, Jugend- und Familienberatung – Leitung Frau Haller – Kinder-, Jugend- und FamiliFr-Haller-KiJuFa enberatung 5 Frau Imholz – Erziehungs-, Ehe- und LeFr-Imholz-ErzEheLeb-K bensberatung – Koordination Alle Personennamen wurden aus Datenschutzgründen geändert. Stelle 1

Wie bereits beschrieben ist allen nachfolgenden Beratungsstellen gemeinsam, dass sie Face-to-Face-Beratung anbieten, aber auch zumindest eine Form der Onlineberatung. Außerdem haben sie alle eine Homepage oder eine Visitenkarte im Internet über die sie per E-Mail erreichbar sind. Diese Gemeinsamkeiten sind der beschriebenen Vorauswahl geschuldet. Demgegenüber wurde bei der Auswahl der Beratungsstellen auf Unterschiedlichkeit bei den Beratungsinstitutionen, auf verschiedene Zielgruppen der Beratungsstellen sowie auf sich unterscheidende Dachverbands- und Bundeslandzugehörigkeiten geachtet.

5.1

Sexual- und Paarberatung: Frau Arnold / Herr Berger

Die Beratungsstelle ist in ein Familienberatungszentrum integriert, das neben der Sexual- und Paarberatung noch weitere Beratungsangebote macht. In diesem Zentrum gibt es auch ärztliche Beratung, die sich mit den Themen Gesundheit, Sexualität, Schwangerschaft, Geburt und Kinderwunsch befasst. Die Einrichtung ist eine anerkannte Beratungsstelle nach dem Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten. Des Weiteren gibt es familienrechtliche Beratung, Beratung im Rahmen der sexualpädagogischen Angebote sowie Sexual- und Paarberatung. Die beiden Interviewpartner sind im letztgenannten Beratungsbereich tätig. Diese Beratung ist gedacht für Paare und Einzelne, die Fragen oder Probleme haben oder sich in einer Krise befinden. Familienberatung gibt es hier nicht, da diese Form der Beratung nach Aussage

Sexual- und Paarberatung: Frau Arnold / Herr Berger

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von Frau Arnold nicht über das Schwangerschaftskonfliktgesetz abgerechnet werden kann und eine Abrechnung über die Jugendhilfe (SGB VIII) in ihrer Stelle nicht möglich ist. Neben der Beratungsarbeit werden auch Fortbildungen, Informationsveranstaltungen und Tagungen veranstaltet. Auch die Entwicklung von Vernetzungen und Kooperationsstrukturen gehören zum Arbeitsauftrag. Eine Netzwerkinfrastruktur ist in der Beratungsstelle vorhanden. Die Beratungsstelle ist an das Internet angeschlossen, hat eine eigene Homepage und ist über eine E-Mailadresse erreichbar, die im Internet veröffentlicht ist. In jedem Beratungszimmer ist ein PC vorhanden und es gibt ein Intranet, durch das die Berater miteinander vernetzt sind. Der Dachverband hat ein schriftlich fixiertes Beratungskonzept, das auch mediale Beratung umfasst. Außerdem gibt es ein eigenes Konzept für mediale Beratung. Des Weiteren werden vom Verband spezielle Weiterbildungsangebote für die mediale Beratung gemacht. Die Stelle bietet derzeit Face-to-Face-Beratung, Mailberatung und Beratung in Foren an. Auch künftig wird es nach Einschätzung des Beraters Berger keine Chatberatung geben. Diese wurde im Verband bereits ausprobiert, hat sich in diesem Kontext aber nicht bewährt. Weitere Beratungsformen gibt es nicht und sind auch nicht geplant. Aus dem Beratungsteam arbeiten einige Kollegen bei dem überregionalen Onlineberatungsportal des Bundesverbands mit. Die Erstmailanfragen werden nicht verteilt, sondern die Berater suchen sich Mails aus ihrem Fachbereich aus. Die Ratsuchenden geben zwar die ersten beiden Ziffern ihrer Postleitzahl an, dies hat für die Bearbeitung und Verteilung der Anfragen jedoch keine Bedeutung. Der Vorgang dient lediglich dem Kostenausgleich zwischen den Stellen. Sollten aus einem Bundesland mehr Anfragen beantwortet worden sein als aus diesem Land Mails beantwortet wurden, werden die Kosten auf die jeweiligen Stellen umgelegt beziehungsweise gutgeschrieben. Die Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung erfolgt in der Regel telefonisch, allerdings auch zunehmend per E-Mail. Bei der schriftlichen Kontaktaufnahme wird zumeist angefragt, was in der Stelle möglich ist. Seltener kommt es vor, dass hier bereits das ganze Problem geschildert wird. In der Regel geht es im ersten Schritt jedoch um die Kontaktanbahnung, das heißt um die Frage, ob eine Beratung möglich ist und gegebenenfalls wie dies geschieht. Die Ratsuchenden erhalten daraufhin standardisierte Antworten. Sie erfahren auf diese Weise, wann sie in der Beratungsstelle anrufen können, um einen Termin zu vereinbaren, in welchem Zeitrahmen Termine möglich sind und wie viel die Beratung kostet. Zu diesem Zeitpunkt wird nicht auf Inhalte eingegangen, auch dann nicht, wenn die Anfragenden diese von sich aus bereits benannt haben. Stattdessen wird geantwortet, dass dies besser in einem persönlichen Gespräch zu

92

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

klären sei oder es wird als Alternative auf die Internetberatungsangebote des Verbands verwiesen. Die in der Beratungsstelle über die Homepage eingehenden Mails werden von einer Verwaltungskraft verteilt. Die eingehenden Mailanfragen zur Beratung werden derzeit noch von der Leiterin Frau Arnold an Berater weitergeleitet oder von ihr selbst beantwortet. Die Weiterleitung von der Verwaltung an den Empfang ist technisch noch nicht möglich, da an diesem Arbeitsplatz kein PC vorhanden ist. Eigentlich ist diese Funktion dort verortet, da beim Empfang, der auch als »Erstkontakt« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 162 und 178) bezeichnet wird, auch die Anmeldung per Telefon geschieht. Es ist geplant, dass das künftig dort zusammen erledigt wird, also die E-Mails am Empfang ankommen und dann beantwortet beziehungsweise weitergeleitet werden. Das bundesweite Angebot der Onlineberatung ist mit den Beratungsangeboten der Stelle vor Ort nicht konzeptionell verknüpft. Es gibt zwar von Internetberatern punktuell Empfehlungen sich an eine Face-to-Face-Beratung zu wenden. Da die Mailberatungskontakte jedoch nicht regionalisiert sind, ist auf Grund der Entfernung ein Wechsel von der Onlineberatung zur Face-to-FaceBeratung bei gleichem Berater unwahrscheinlich. Auch andere Formen des Settingswechsels, zwischen Medien oder mit der Face-to-Face-Beratung, sind konzeptionell nicht vorgesehen. Lediglich bei der Anmeldung zur Face-to-FaceBeratung wird bei Mails obligatorisch auf die telefonische Terminabsprache verwiesen.

Falldarstellung Frau Arnold Frau Arnold ist seit gut vier Jahren Leiterin der Beratungsstelle und hat zuvor in einem anderen Beratungsfeld, der Aidsberatung, gearbeitet. Sie ist promovierte Psychologin mit einer Weiterbildung in Gesprächspsychotherapie. In ihrer Selbsteinschätzung sieht sie sich eher als »medieninteressiert« und nutzt auch persönlich E-Mails und Handy. Gechattet hat sie allerdings noch nie. Sie sieht viele Vorteile in der Mediennutzung und hat in ihrer Leitungsfunktion Überzeugungsarbeit geleistet, so dass heute jeder Berater auch am PC arbeitet. Es fällt ihr dabei schwer, die Widerstände von Beratern gegen Neuerungen nachzuvollziehen: »Also viele Leute stellen sich auch nicht gerne um, was ich jetzt persönlich nicht so nachvollziehen kann, weil es ist ja auch immer wieder was Neues und was Interessantes. Aber viele haben da doch so ne so ne Abwehrhaltung. Das also es war schon schwierig hier jeden davon zu überzeugen ähm am PC zu arbeiten. Ja das kann man sich zwar heute kaum noch vorstellen, aber es gab tatsächlich Leute die bis vor kurzem behauptet haben: Das brauch ich nicht.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 724 ff.).

Sexual- und Paarberatung: Frau Arnold / Herr Berger

93

Bei älteren Mitarbeitern kann sie verstehen, dass ihnen die Neuerungen bisweilen zu viel sind. Allerdings beschreibt sie auch, dass diese kritische Haltung für Neues nicht unbedingt von älteren Mitarbeitern ausgehen muss. Ihre beraterische Rolle definiert sie ausdrücklich über ihre therapeutische Qualifikation: »Also ich bin ja von der Ausbildung her Gesprächstherapeutin und hab von daher ne bestimmte Rolle.« (ebd. Z. 360 f.) Vor diesem Hintergrund sieht sie in den letzten Jahren keine Veränderungen der Beraterrolle, außer dass es immer weniger vorkomme, dass Klienten in die Beratung kämen mit der Erwartung, man solle ihnen sagen was sie tun sollten. Das käme lediglich noch bei weniger gebildeten Ratsuchenden vor. Die anderen Klienten würden schon wissen, dass sie als Beraterin eine »Vermittlerrolle« hätte beziehungsweise eine »Rolle der Begleitung bei der Klärung bestimmter Dinge, aber dass es nicht so ist, der Berater sagt so so geht’s und man muss es so machen« (ebd. Z. 367 f.). Sie benennt in diesem Zusammenhang die Beratungsarbeit ihrer Stelle als einen »partnerschaftlichen Ansatz«. Dabei stellt Frau Arnold aber auch ein zunehmendes Anspruchsdenken fest: »Aber ich hör’s auch so von meinen Kollegen, dass wohl so dieses Anspruchsdenken ehm das soll jetzt schnell gehn. Ja, drei Termine ehm möglichst effektiv und dann ist die Sache geregelt. Also so dieses Anspruchsdenken scheint wohl zuzunehmen. Es muss möglichst effektiv sein, möglichst schnell gehn und ehm. also dass man sich nicht mehr so drauf einstellt, dass das jetzt ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr oder so dauern könnte. Also auch ein sehr wirtschaftliches Denken eigentlich übertragen auf diese Situation.« (ebd. Z. 85 ff.)

Frau Arnold bearbeitet die allgemeinen Beratungsanfragen, die über die Homepage kommen, bislang noch selbst. Perspektivisch ist allerdings geplant, dass dies die Mitarbeiter des »Erstkontakts« übernehmen, sobald sie ebenfalls einen PC zur Verfügung haben. Einen zentralen Trend sieht Frau Arnold darin, dass es für viele Menschen selbstverständlicher geworden ist, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Demnach ist es häufig keine so große Hürde mehr, sich auch bei sexuellen Themen oder Partnerschaftsproblemen professionelle Hilfe zu holen. Sie stellt dabei aber auch einen Trend fest, dass Ratsuchende immer häufiger in Multiproblemkonstellationen kommen und etwa neben der Ehekrise auch viele lebensgeschichtliche oder persönliche Probleme in diesem Zusammenhang mitbringen, die »für ne Beratungsstelle eigentlich schon zu viel sind«. (ebd. Z. 96 f.) Für die Zukunft hält Frau Arnold es dementsprechend für wichtig, verschiedene Beratungsangebote ineinander zu integrieren, um den Bedürfnissen der Klienten entgegenzukommen. Das bezieht sie ausdrücklich sowohl auf die medialen Beratungsangebote als auch auf die Angebote vor Ort:

94

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

»Also ich denke so diese Integration verschiedener Beratungsangebote, das ist für die Zukunft ne wichtige Aufgabe von Beratungsstellen, und da auch Berührungsängste abzubauen und so natürlich – das wissen sie – mit den verschiedenen Trägern immer so ne Sache. Aber da mehr auf äh die Bedürfnisse der Klientinnen einzugehn das fände ich wichtig, dass sie nicht so viele verschiedene Stellen anrufen müssen. Also stellen sie sich ne Familie vor ; die finanzielle Probleme hat, wo der Vater trinkt und die mit ihren Kindern in ne ähm Erziehungsberatungsstelle gehen, die müssen dann gleichzeitig noch zu ner Schuldnerberatung und Suchtberatung und so vielleicht ne einzelne Therapie machen. dass man da die die Zugänge erleichtert und wenn dann diese ähm verschiedenen Kanäle Medien dabei helfen, finde ich das sehr gut.« (ebd. Z. 689 ff.)

Frau Arnold beschreibt die medial vermittelte Beratung durch die Kanalreduktion als defizitär und sieht dabei auch keine Kompensationsmöglichkeit. Den Vorteil der medialen Möglichkeiten sieht sie vor allem im verbesserten Zugang zum Beratungsangebot. Bedenken mancher Berater, mediale Beratung könne die Face-to-Face-Beratung verdrängen, stuft sie als unbegründet ein. Die Erfahrung in ihrem Verband zeige schließlich, dass trotz oder vielmehr auch durch Onlineberatung die Zahl der Beratungsanfragen vor Ort steige. So wie sich die Lebensbedingungen der Menschen veränderten, gälte es auch die Zugänge zur Beratung weiterzuentwickeln. So habe sich durch die Berufstätigkeit der Ratsuchenden der zeitliche Bedarf verändert und ihre Beratungsstelle biete mittlerweile auch abends, zum Teil bis 22 Uhr, Beratung an. Auch Freitagsabends und am Wochenende sei hier Paarberatung möglich, die von in Fernbeziehungen Lebenden gerne angenommen wird. Es gälte also die gesellschaftlichen Veränderungen ernst zu nehmen. Da Menschen der heutigen Zeit immer selbstverständlicher die verschiedensten Medien nutzten, sei es nach ihrer Auffassung auch von Seiten der institutionellen Beratung aus wichtig, den Zugang zur Beratung über mediale Angebote zu erleichtern.

Falldarstellung Herr Berger Herr Berger ist seit rund vier Jahren Mitarbeiter der Beratungsstelle und wie Frau Arnold im Bereich der Sexual- und Paarberatung tätig. Er ist ausgebildeter Ergotherapeut, Sozialpädagoge und Systemischer Familientherapeut. Persönlich nutzt er E-Mail, Handy und Massenkommunikationsmedien wie Radio und Fernsehen und Internet, hat aber selbst noch nie gechattet. In der Mailberatung seines Verbands arbeitet er seit gut 2 Jahren mit. Er beschreibt, dass sich seine Einstellung durch die Onlineberatung von »medienkritisch« zu »medieninteressiert« gewandelt hat. Dazu führt er des Weiteren aus: »Also für mich, als ich angefangen hab mit der Onlineberatung, dacht ich mir, das kann überhaupt nicht gehn. Ich war sehr skeptisch, hab gedacht da kann man keine Bezie-

Sexual- und Paarberatung: Frau Arnold / Herr Berger

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hung aufbauen, da kann man nit therapeutisch arbeiten und so weiter und sofort weil damit sehr stark verbunden ist Beziehungsarbeit. Ich hab aber gelernt, dass des durchaus geht«. (Hr-Berger-SexPaa, Z. 331 ff.)

Er beschreibt darüber hinaus aber auch, dass der Berater dabei eine hohe Frustrationstoleranz haben muss, da er in dieser medialen Beratung weniger Rückmeldung bekommt als in der Face-to-Face-Beratung. Zwar gibt es nach seinen Aussagen Rückmeldeformulare, die die Nutzer des Onlineberatungsangebots ausfüllen können. Diese werden in der Praxis aber kaum genutzt. Der Ratsuchende kann demnach in dieser Beratungsform jederzeit die Kommunikation beenden ohne dass der Berater noch eine weitere Rückmeldung oder Erklärung erhält. Als einen Vorteil der Onlineberatung erlebt Herr Berger, dass er »unvoreingenommener« (ebd., Z. 343) sein kann. Und beschreibt dies an anderer Stelle wie folgt: »Das heißt, ich gehe nur mit diesem Text um. Das hat Vorteile. Vorteile für den Klienten. Ja, also ich gehe erst mal sehr vorurteilslos oder mit weniger Vorurteilen an diesen Text heran. Ich seh den Klienten nicht, wenn der mir vielleicht begegnen würde. Ich würde den sehn, wie er sich bewegt, wie er angezogen ist, welche Gesten er macht, würd’s bei mir schon irgendwie dann auch arbeiten.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 220 ff.)

Herr Berger sieht also die Kanalreduktion in der medialen Beratung als Vorteil, indem visuell auffällige Merkmale des Ratsuchenden nicht nur nicht im Vordergrund stehen, sondern völlig wegfallen. Das heißt, dass beispielsweise eine Behinderung oder ein bestimmtes Aussehen, das den Kontakt in Face-to-FaceSituationen möglicherweise beeinflusst, in der Onlineberatung nicht wahrgenommen werden kann und somit nicht Teil der Kommunikation wird. Auch jenseits der Beratungsarbeit sieht Herr Berger in den Neuen Medien Chancen für die Beziehungsgestaltung. Er beschreibt als Beispiel, dass ein Paar eine räumliche Trennung innerhalb des eigenen Hauses vorgenommen hat und nun über Internet kommuniziert, um die »sehr hoch geladene Stimmung, die eigentlich bei einem Face-to-Face-Kontakt da wäre, ein bisschen zu entzerren. Die Leute nutzen das absolut klasse.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 550 ff.). Mehrfach betont er, dass er als Berater im Face-to-Face-Kontakt unter einem Druck steht möglichst direkt kompetente Antworten geben und etwas produzieren zu müssen. Er sieht sich Face-to-Face im Gegensatz zur Mailberatung in einem Zugzwang. Bei der zeitversetzten Form der Beratungsarbeit sieht er als Vorteil die zusätzliche Möglichkeit, auch beispielsweise noch recherchieren zu können, »dass ich da eine einigermaßen saubere Antwort hinkrieg« (Hr-BergerSexPaa, Z. 20 f.). In der Niederschwelligkeit und Anonymität des Mediums sieht er es begründet, dass sich die Menschen in der Onlineberatung häufig schneller öffnen

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

und bereits in der ersten Mail sehr klar schreiben, um was es ihnen geht. Das sei für ihn überraschend gewesen. Gerade für junge Leute in der Pubertät sei diese Form der Beratung eine gute Möglichkeit, auch tabuisierte Fragen zu stellen, etwa zu Liebe und Sexualität. Im Face-to-Face-Kontakt würde es viel schwerer fallen, sich mit Fragen zur Penisgröße oder zu sexuellen Praktiken an Erwachsene zu wenden. Insgesamt sieht er Onlineberatung in Verbindung mit anderen Möglichkeiten von Therapie und Beratung. So biete die Beratung im Internet nach seiner Einschätzung eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit, die danach in Beratung, Therapie oder Selbsthilfe weitergehen könne. Außerdem biete diese Beratungsform neue Möglichkeiten der Informationsvermittlung und des Clearings. Ein Negativszenario im Hinblick auf die Nutzung von Medien in der Beratung kann er sich nicht mehr vorstellen, seit er praktisch in diesem Bereich mitarbeitet. So sieht er die mediale Beratung auch nicht als Konkurrenz zur Therapie oder Beratung, sondern vielmehr als eine gute Ergänzung.

5.2

Jugend- und Drogenberatung: Herr Conrad / Herr Dreher

Die Angebote der Beratungsstelle richten sich an Jugendliche und an Drogenabhängige unabhängig von deren Problematik. Es kann sich dabei um allgemeine Themen wie Schule, Liebe, Freundschaft handeln, die junge Menschen betreffen, aber auch um spezielle Fragestellungen wie zu Sucht bis hin zur Schwerstabhängigkeit. Ein Mitarbeiter ist als Gewalttherapeut auf männerspezifische Gewaltfragen spezialisiert. Es gibt Unterstützung in der Vorbereitung von medizinisch-psychologischen Untersuchungen zur Wiedererlangung des Führerscheins. Es werden des Weiteren Gerichtsauflagen durchgeführt etwa in Form von Urinproben oder in Gesprächen, bei denen die Drogenproblematik von Straftätern behandelt wird. Außerdem gibt es Schuldnerberatung für aktuell oder ehemals Drogenabhängige. Dieses Angebot wurde hier integriert, weil sich gezeigt hat, dass der Schritt aus der Sucht nicht gelingt, wenn die erdrückende Problematik der Überschuldung dies verhindert. Außerdem gibt es psychosoziale Beratung und Beratung von Menschen während einer Substitutionstherapie. Die Überwachung der Substitution erfolgt in Zusammenarbeit mit Ärzten vor Ort. Eine Fachstelle für Prävention gehört ebenfalls zum Aufgabenspektrum der Stelle. Fortbildungsangebote für Lehrer, Schulen, Kindergärten, interessierte Gruppen und andere Institutionen gehören zum präventiven Angebot. Es wird auch eine Wohngemeinschaft betrieben für Menschen, die eine Therapie erfolgreich abgeschlossen haben. Dieses Angebot soll ausgeweitet werden und das betreute Einzelwohnen soll künftig stärker forciert werden. Diese Menschen vollziehen in weiten Teilen bereits eine eigenständige Haushaltsführung, werden

Jugend- und Drogenberatung: Herr Conrad / Herr Dreher

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aber noch im psychosozialen Bereich unterstützt, im ökonomischen Wirtschaften oder bei anderen Fragen. Strukturell gehört die Beratungsstelle bereits in ein größeres Beratungszentrum, mit noch unterschiedlichen Standorten, die miteinander vernetzt werden sollen. Der Umzug der ehemals selbständigen Beratungsstelle wird in absehbarer Zeit vollzogen. Bei der Jugend- und Drogenberatungsstelle ist seit einigen Jahren eine Netzwerkinfrastruktur vorhanden. Die Einrichtung hat eine Homepage im Internet und ist per E-Mail erreichbar, die auf dieser Internetseite veröffentlicht ist. Die Berater haben eigene PCs in ihren Beratungsräumen und sind ans Internet angeschlossen. Außerdem gibt es ein Intranet, das vom Dachverband betrieben wird. Der Dachverband hat ein schriftliches Beratungskonzept, in dem mediale Beratung nicht erfasst ist. Es gibt allerdings ein eigenes schriftliches Konzept für mediale Beratung. Auf Verbandsebene werden außerdem spezielle Weiterbildungen zu medialer Beratung angeboten. Die Stelle bietet derzeit Face-to-Face-Beratung, Mailberatung und Chatberatung an. Beratung in Foren wird es nach Einschätzung des Leiters, Herr Conrad, auch in Zukunft nicht geben. In der Onlineberatung arbeiten einige Kollegen auf einer überregionalen und verbandsübergreifenden Beratungsplattform mit. Parallel dazu baut der Bundesverband ein Onlineberatungsportal auf. Perspektivisch soll später das Angebot des eigenen Verbands genutzt werden. Problematisch sei derzeit allerdings, dass sich die Stelle beim Verbandsportal derzeit einer der »klassischen fünf Säulen der Beratungslandschaft« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 124) zuordnen müsse. Die Beratungsstelle sei aber ein Sonderfall, da es nicht nur um Drogen, sondern auch um Jugendberatung gehe. Schließlich sollten die Jugendlichen nicht nur mit der Suchtthematik angesprochen werden. Die Ratsuchenden wählen die Berater selbst aus. In Einzelfällen kann es dann vorkommen, dass der Berater die Erstanfrage an eine Kollegin abgibt, wenn diese ein bestimmtes Spezialwissen bezüglich bestimmter Informationsfragen hat. Das kommt aber selten vor. Das Onlineberatungsangebot der Beratungsstelle ist ein paralleles Angebot zur Face-to-Face-Beratung. Ein Settingswechsel von der Onlineberatung zur Beratung vor Ort beim selben Berater ist zwar möglich, kann aber dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Beratungsstelle zu weit vom Wohnort der Ratsuchenden entfernt ist. Allerdings ist es möglich, dass die Ratsuchenden die Stelle vorab aus lokalen Gründen ausgewählt haben und deshalb in der Nähe wohnen. Ein Wechsel von der medialen Beratung zur Faceto-Face-Beratung ist dann möglich. Dies kommt aber in der Praxis auf Grund der häufig großen Entfernung zwischen Ratsuchenden und Beratungsstelle nur sehr selten vor. Die Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung geschieht zumeist per Telefon.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Terminanfragen per E-Mail kommen deutlich seltener vor. Außerdem gibt es bisweilen inhaltliche Anfragen per Mail, wobei im Verlauf eine Empfehlung ausgesprochen wird, eine Beratungsstelle vor Ort aufzusuchen. Die einzelnen Berater sind per Mail erreichbar. Es gibt aber auch eine Adresse »Drogenberatung«, die im Sekretariat der Stelle ankommt. Dort wird die Mail direkt beantwortet, wenn es um Anfragen geht, die von der Sekretärin beantwortet werden können. Ansonsten gibt sie diese an einen der Berater weiter, der sie bearbeitet.

Falldarstellung Herr Conrad Herr Conrad ist seit rund zwei Jahren Leiter der Jugend- und Drogenberatungsstelle und ist dort auch nach wie vor als Berater tätig. Seit einiger Zeit ist er darüber hinaus auch Leiter des in der Gründung befindlichen Beratungszentrums, das noch mehr Beratungsinstitutionen als die Jugend- und Drogenberatung umfasst. Er ist Diplom-Psychologe, approbierter Psychologischer Psychotherapeut, Gesprächspsychotherapeut und hat auch Weiterbildungen in weiteren Verfahren wie etwa der Verhaltenstherapie absolviert. In seiner Selbsteinschätzung sieht sich Herr Conrad weder als medieninteressiert noch als medienkritisch. Er nutzt selbst neben E-Mail auch Handy, Telefon, Internet, Radio und Fernsehen und hat auch schon gechattet. Auf die Onlineberatung hat er sich bereits fachlich vorbereitet, steht aber am Anfang dieser medialen Beratungstätigkeit. Auf den offenen Eingangsstimulus des Interviewers »ich interessiere mich ganz allgemein für den Wandel in der Beratungspraxis durch neue mediale Möglichkeiten« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 17 f.), beginnt er, seine persönliche Geschichte mit der EDV im Verband zu erzählen. Bei der Einführung von Computern hatte er dabei eine Vorreiterrolle inne: »Ich war einer derjenigen, die gesagt (haben), komm da müssen wir uns drum kümmern« (ebd., Z. 29 f.). Sein Interesse sei geweckt worden durch einen Kurs einer Fachhochschule zum Thema »Soziale Arbeit und elektronische Datenverarbeitung« (ebd. Z. 50 f.). In diesen drei Tagen gab es eine Einführung in die Grundlagen der Computertechnik und in ein Programm, das bereits »Fenster« hatte, und eine Art Vorläufer von Windows war : »Ja das hat man dann so kennengelernt, hat da auch so en bisschen ausprobieren können. Und das hat mich fasziniert. Da bin ich zurückgekommen, hab das hier den Kollegen berichtet, naja, und da war auch wieder ne Diskussion. Und hab dann bei unserm Vorstand ähm mich drum gekümmert, der wollt ne Maschine haben. Keiner hat sich so größer drum gekümmert. Gut, wir ham diese Maschine gekauft. Ein 286er Rechner mit ner Wechselfestplatte, weil wir bedenken hatten, wenn das Ding geklaut

Jugend- und Drogenberatung: Herr Conrad / Herr Dreher

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wird da sind alle möglichen Daten drauf. Also, die schließen wir dann immer abends in den Schrank ein.« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 59 ff.)

Er beschreibt daran anschließend weiter, dass die erste »Maschine« im Sekretariat stand, da die Sekretärin ja auch sonst die Schreibarbeiten macht. Irgendwann haben dann aber auch alle Berater eine Schulung mit gemacht und selbst Briefe und kleinere Texte geschrieben. Der Gedanke, dass ein Rechner zu wenig sei, wurde zunächst verworfen, da man die Sekretärin nicht arbeitslos machen wollte. Später brauchte allerdings die Kollegin, die Schuldnerberatung macht, ein eigenes Gerät, weil darüber auch Berechnungen für die Schuldnerberatung erstellt werden konnten. Eine große Veränderung kam dann um die Jahrtausendwende, als vom Ministerium ein Dokumentationssystem mitfinanziert wurde: »Und haben dann gleich äh richtig zugeschlagen und haben hier im Haus en Netzwerk installiert, weil wir sagten, also das ist blöd wenn wir Einzelarbeitsplätze haben und jeder gibt da seine Daten ein, wie kriegen wir die zusammen. Wir können sie dann zwar einschicken, es gab da so ein Institut die dann die Auswertung vorgenommen haben. Aber wenn die das machen, dann haben wir ja nichts davon, sondern irgendwann Monate später, nachdem wir das weggeschickt haben, kommt das Zeug hier an und das ist Blödsinn. Und so kamen wir dann mit dem Netzwerk, haben das entsprechend beantragt. Hier unsere Geldgeber, wir werden ja auch mit öffentlichen Mitteln unterstützt, bei Stadt und Kreis nachgefragt. Ja klar haben sie Verständnis für. Und da haben wir dann ein Netzwerk eingerichtet, das heute noch funktioniert.« (Hr-Conrad-JuDroL, Z. 89 ff.)

Daraus habe sich eine Reihe von Veränderungen ergeben. So mache die Verwaltungsangestellte kaum noch Schreibarbeiten. Diese würde meist von den Beratern selbst erledigt. Außerdem könne man in der Dokumentation immer aktuelle Daten abfragen, wenn man die Daten regelmäßig pflegt. Bis diese Arbeiten Routine geworden sind, habe es ca. zwei bis drei Jahre gedauert. Ein Negativum ist nach seiner Erfahrung, dass viel mehr ausgedruckt werde als zuvor. Das hängt nach seiner Einschätzung damit zusammen, dass mehr gemacht und die Arbeiten genauer gemacht würden. So würden etwa mehr »Layoutsachen« (ebd. Z. 125). selbst getätigt, da es Farbdrucker in der Stelle gibt. Das sei früher ohne die entsprechende Technik nicht machbar gewesen. Das Internet habe zusätzliche Möglichkeiten gebracht. Es würden in der Stelle weniger Briefe geschrieben, während viel über E-Mail erledigt wird. Telefonate und Postbriefe reduzierten sich entsprechend. Problematisch findet er dabei allerdings, dass er viele Mails durcharbeiten müsse, die direkt weggeworfen werden könnten. Mit der Weitergabe von Informationen gehe man nach seiner Ansicht wegen der elektronischen Vernetzung großzügiger um als früher. Für eine Erleichterung hält er es, dass man schneller an Informationen gelangt. Mit

100

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

dem Internet sind Informationen demnach, etwa von der Landesstelle oder vom Spitzenverband, schnell und aktuell abrufbar. Herr Conrad sieht große Unterschiede zwischen Face-to-Face-Beratung und Onlineberatung. Er ist sich allerdings noch nicht sicher, inwieweit Beratungsprozesse, die über Informations- und Wissensfragen hinausgehen, medial überhaupt möglich sind: »Es ist ne ganz andere Form, diese Verschriftlichung gegenüber em Gespräch. Ich hab mein Gegenüber nicht vor mir. Ich sehe nicht wie er reagiert also ich brauch andere Hinweise auf die ich achten muss und die ich auch selber beachten muss bei meinen Antworten (…) ich hab jetzt so ne Information von jemanden aus der von Schweizer Kollegen, der äh richtig Beratung also auch längere Beratungsprozesse, nicht mehr face-to-face macht sondern per E-Mail. Ich denke, das ist ja ne Möglichkeit, das muss man sich mal angucken. Das ob und wie weit des funktioniert, dass man also nicht nur so Fragen beantwortet, Wissensfragen oder einfache Rückfragen so sondern tatsächlich auch gesamte Beratungsprozesse eventuell per E-Mail machen kann.« (Hr-ConradJuDro-L, Z. 290 ff.)

Als einen Vorteil der zeitversetzen E-Mailberatung sieht er es an, dass man keine festen Beratungszeiten vereinbaren muss und als Berater das Antworten zeitlich kurzfristiger steuern kann. So kann es sein, dass er als Stellenleiter kurzfristige Termine etwa bei Regionalpolitikern wahrnehmen muss und es ihm so immer schwerer fällt für Klienten verbindliche Zeiten zu vereinbaren. Bei der E-Mailberatung muss er zwar innerhalb eines gewissen Zeitraums antworten, wann genau er antwortet bleibt allerdings ihm selbst überlassen. Herr Conrad schätzt die Online-Kommunikation durch den Wegfall von gewohnten Kommunikationskanälen eher als defizitär ein: »Also ich sehe eher so die äh das Spannende daran und auch so die Frage ob sich das bewähren wird in der Art des Kontakts, dass der direkte Kontakt des Visuellen wegfällt. Ich nehme nur das wahr, was der andere schriftlich äußert, also ich hab nur en Teil (?) ich hab ne unvollständige Kommunikation.« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 338 ff.)

An anderer Stelle beschreibt er diese Einschätzung noch deutlicher, indem er der Face-to-Face-Beratung grundsätzlich vor der Onlineberatung den Vorrang einräumt: »Ja also sama ne andersrum: da wo es keinen Grund gibt auf das persönliche Gespräch zu verzichten, finde ich auch, sollte man das beibehalten. Also dass mer praktisch nur virtuelle Beratung macht, halte ich für äh für erst mal nicht wie soll ich sagen, nicht wünschenswert. Das ist ne zusätzliche Möglichkeit, die mer nutzen kann, aber ich möchte ich glaube nicht dass sie äh die die persönliche Beratung, den persönlichen Kontakt ersetzen kann und soll.« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 373 ff.)

Was die technischen Möglichkeiten angeht, ist Herr Conrad grundsätzlich an Innovationen interessiert und möchte Neues ausprobieren. Allerdings kann er es

Jugend- und Drogenberatung: Herr Conrad / Herr Dreher

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sich kaum vorstellen, dass in der Onlineberatung fachliche Vorteile gegenüber der Face-to-Face-Beratung liegen könnten. Er sieht vor allem positive organisatorische Aspekte der zeitversetzten E-Mailberatung. Insofern zeigt er neben seinem positiven Zugang zur Technik fachlich zugleich auch eine skeptische Haltung gegenüber medialer Beratung, indem er sie gegenüber der Face-toFace-Beratung als defizitär ansieht. Bei Herrn Conrad wird deutlich, dass er zur Technik einen ästhetischen Zugang hat, indem er Beschreibungen wie »zierlich« (ebd. Z. 9) für technische Geräte verwendet und mit dem mehrfachen Gebrauch des Begriffs »faszinierend« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 69) seine positive emotionale Grundhaltung gegenüber der Technik darlegt, die er nicht in gleicher Weise für mediale Beratungssettings aufbringt. Damit wird deutlich, dass eine positive Grundhaltung zu Technik und Medien nicht auch zugleich eine positive Bewertung von Medien in der Beratung bedeuten muss.

Falldarstellung Herr Dreher Herr Dreher ist Sozialpädagoge und hat eine Weiterbildung in Klientenzentrierter Gesprächsführung absolviert. Er hat bis vor zweieinhalb Jahren studiert und ist seit diesem Zeitraum als Berater tätig. In seinem Studium war einer seiner inhaltlichen Schwerpunkte das Thema Onlineberatung, zu dem er auch seine Diplomarbeit verfasst hat. Er sieht sich in seiner Selbsteinschätzung als medieninteressiert und nutzt E-Mail, Chat, Handy, Radio und Fernsehen. In der Beratungsstelle ist er für den Aufbau der Onlineberatung zuständig und ist diesbezüglich auch über die Beratungsstelle hinaus beim regionalen Träger tätig. Herr Dreher arbeitet bereits in der Onlineberatung und hat Erfahrungen in der Mailberatung und Chatberatung. Herr Dreher antwortet auf die offene Eingangsfrage zum »Wandel in der Beratungspraxis durch neue mediale Möglichkeiten« dahingehend, dass er zwei Seiten sehe. Zum einen veränderten sich nach seiner Einschätzung die »Beratungsinstrumente« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 10). Das heißt, dass über Onlineberatung insbesondere Jugendliche per Mail oder Chat gut erreicht werden, weil das mediale Angebot dort auf großes Interesse stößt. Zum anderen gäbe es auch weitergehende Beratungsthemen, weil in den Zuständigkeitsbereich der Suchtberatung auch die Themen von »mediale[r] Sucht« [Hr-Dreher-JuDro / Ergänzung J.W., Z. 17] fallen, das heißt, auch neue Probleme wie Internetsucht oder Computersucht werden nun Gegenstand der Beratung. Beispiele fallen Herrn Dreher sofort ein: »Da ham wer jetzt aktuell zwei Fälle hier bei uns in der Beratungsstelle, wo’s ähm, rollenspielartige Computerspiele gibt, ›dungeons and dragons‹ oder was auch immer

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

ähm wo bestimmte Charaktere entwickelt werden und ne große Rolle spielen ähm und sich die Lebenswelt von den Klienten dann ausschließlich auf das Computerspiel äh bezieht und andere Sozialkontakte nach außen dann nicht mehr stattfinden. Also das wo einfach auch so ne ja ja gewisse Entfremdung von allem Sozialen mit einhergeht.« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 23 ff.)

Herr Dreher erlebt einen großen Unterschied zwischen Beratungsprozessen vor Ort und Onlineberatungsprozessen. Für ihn sind die Beratungsprozesse im Internet oft nicht abgeschlossen. Sie folgen in ihrer Struktur somit nicht den typischen Abfolgen der Face-to-Face-Beratung. Er hält dabei den Begriff »Krisenintervention« für passender als den Beratungsbegriff: »Also ich erleb die ähm Beratung jetzt wenn wir ganz explizit von der Internetberatung sprechen von der Onlineberatung per E-Mail oder per Chat ähm als zuerst wenn ich an Onlineberatung denke denk ich an oft nicht abgeschlossene Beratungsprozesse. Des ist das Erlebnis des ich einfach hab, dass es mit ein bis zwei Beratungen was in Richtung Krisenintervention eher geht als in Richtung Beratung, dass es damit getan ist. Also ich glaube, dass der Begriff Krisenintervention oft der Richtige ist, wenn mer von Onlineberatung sprechen. Und so diese traditionellen Beratungsprozesse ähm wie sie jetzt hier bei uns vor Ort stattfinden sich nicht abbilden lassen auf des Onlinegeschehen also wenn mer jetzt denkt Clearingphase und also so’n ganz traditioneller Beratungsbegriff, den hab ich im Internet noch nicht erlebt. Bisher. Also, es hat sich immer alles auf kurzweilige Kontakte beschränkt.« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 41 ff.)

Dabei ist er sich allerdings nicht sicher, ob dies vielleicht an der speziellen Zielgruppe der Jugend- und Drogenberatung liegt. Er will diese Erfahrung also nicht auf andere Beratungsinstitutionen verallgemeinern, sieht die nicht abgeschlossenen Prozesse allerdings in seinem Arbeitsbereich als einen wichtigen Unterschied zwischen den Beratungsformen an. Herr Dreher hält es für zielgerichteter und effizienter, wenn die Onlineanfragenden aus der näheren Umgebung stammen. Die Berater können dann nämlich besser über die Hilfesysteme informieren als wenn es um Regionen irgendwo anders in Deutschland geht. Herr Dreher ist bemüht, die Beratungsstelle auch im Internet bekannter zu machen. In der Kleinstadt, in der die Beratungsstelle angesiedelt ist, sei die Beratungsstelle gut bekannt, da sie bereits Ende der 70er Jahre gegründet wurde. Insbesondere für die Onlineberatung bedarf es nach seiner Einschätzung aber weitergehender Öffentlichkeitsarbeit, damit die potentiellen Ratsuchenden diese Beratungsmöglichkeit auch finden können. Die große Chance in der Onlineberatung liegt für ihn darin, ganz andere Zielgruppen zu erreichen. Dabei spielt für ihn die Anonymität des Internets eine große Rolle. Demnach werden schwierigere Themen schneller angesprochen als das vor Ort der Fall ist, und die Themen werden von den Klienten schon von Beginn an klarer benannt. Die E-Mailberatung erlebt er in dieser Hinsicht als

Schuldner- und Insolvenzberatung: Frau Ehlers / Frau Förster

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eine sehr zielgerichtete Beratungsform. Während er die schnellen Antwortzeiten als positiv beschreibt, sieht er aber eine Grenze dieser Beratungsform dort, »wo es eher in die Tiefe gehen müsste« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 293 f.). Er beschreibt, dass vielfach reine Informationsanfragen kommen, bei denen nach seiner Einschätzung »ne viel größere psychosoziale Problematik dahinter steht.« (ebd. Z. 302 f.). Die Kanalreduktion der Mailberatung schätzt er für den Beratungsprozess als defizitär ein, weil Mimik und Gestik in der Kommunikation wegfallen. Diese sind nach seiner Einschätzung nicht zu ersetzen und nur durch Gespür und Übung zu kompensieren.

5.3

Schuldner- und Insolvenzberatung: Frau Ehlers / Frau Förster

Die Beratungsstelle bietet Schuldner- und Insolvenzberatung an. Dieses Angebot richtet sich zunächst an Privatpersonen, die überschuldet sind. Als niedrigschwelligen Zugang gibt es zweimal wöchentlich eine offene Sprechstunde ohne vorherige Terminvereinbarung, aber auch Beratungsprozesse mit Terminvereinbarung. Um keine lange Warteliste63 führen zu müssen, findet bei »Insolvenzanwärtern« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 79) vor Beginn der Einzelberatung eine Gruppenberatung mit 8 bis 10 Personen statt. Dort erhalten die Ratsuchenden Anleitungen über Musterbriefe, mit deren Hilfe sie die Gläubiger selbst anschreiben können. Des Weiteren gibt es zielgruppenspezifische Beratungsangebote. So wird Krisenberatung für Kleinunternehmer, die Mitglieder der IHK sind, für drei Städte der Region angeboten. Beratung für Bauschuldner stellt das einzige kostenpflichtige Angebot der Einrichtung dar. Außerdem wird auch explizit Beratung für Migranten angeboten. Es gibt jeweils eine türkischund eine russischsprachige Mitarbeiterin. Das Präventionsangebot wird etwas »stiefmütterlich« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 86) behandelt. Aus Gründen der mangelnden Finanzierung wird auf Anfragen, beispielsweise aus Schulen, zwar reagiert, allerdings wird damit nicht offensiv umgegangen. In der Vergangenheit gab es dafür einmal drei vollfinanzierte Stellen. Es wird aber daran gearbeitet, Prävention künftig wieder besser finanziell auszustatten und dann entsprechend personell auszubauen. Jeder Arbeitsplatz hat einen PC und Zugang zum Internet. Zur internen Vernetzung gibt es ein Intranet. Mails werden unter anderem als ergänzender Kommunikationsweg zur Face-to-Face-Beratung genutzt, und auch Terminabsprachen sind über dieses Medium möglich. Allerdings ist die Briefkommunikation noch ein sehr häufig genutztes Medium, so dass die Geschäftsführung 63 Es gab in der Vergangenheit vor Einführung der Gruppenberatung über 200 überschuldete Menschen auf der Warteliste. Beim jetzigen Konzept gibt es keine Warteliste mehr.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

sogar fordert, die E-Mailkommunikation noch mehr zu nutzen, da die Portokosten weiterhin steigen. Auf Dachverbandsebene gibt es ein schriftliches Beratungskonzept, in dem auch mediale Beratung erfasst ist. Ein eigenes Konzept für mediale Beratung existiert jedoch nicht. Der Verband bietet aber spezielle Weiterbildungen zu medialer Beratung an. Neben den genannten unterschiedlichen Angeboten und Settings der Face-toFace-Beratung gibt es mediale Beratung in Form von Mailberatung sowie Telefonberatung. Nach Einschätzung der stellvertretenden Geschäftsführerin Frau Ehlers ist es möglich, dass Chatberatung künftig ebenfalls angeboten wird; Beratung in Foren aber voraussichtlich nie. Hintergrund ist der, dass Foren zu personalaufwändig wären, da diese aus rechtlichen Gründen ständig moderiert werden müssten. Das sei nur mit einer soliden Finanzierung machbar. Außerdem gibt es eine überregionale Telefonhotline und Onlineberatung und eigens eine Krisenhotline für Kleinunternehmerinnen der Region. Die Beratungsstelle macht auf ihrer Homepage auf die verschiedenen Beratungsangebote aufmerksam. Mails, die über das Onlineberatungsangebot kommen, werden vom Sekretariat verteilt. Die Ratsuchenden erhalten auf ihre Erstmail einen Hinweis, dass ihnen innerhalb von fünf Werktagen geantwortet wird. Die Verteilung geschieht mit Hilfe eines Beratungskalenders. Dort sind das Eingangsdatum und die Priorität ersichtlich, die vom Sekretariat eingestuft wird. Die Berater suchen sich nun die Mails heraus. Falls Spezialwissen benötigt wird – beispielsweise für Selbständige – wird die Mail dem jeweiligen Kollegen überlassen. Bei der überregionalen Schuldenhotline sind Telefonberatung und Onlineberatung miteinander verzahnt. So ist ein Wechsel vom einen zum anderen Medium möglich und sie können parallel genutzt werden. Die E-Mailanfragen betragen etwa 15 % der Gesamtanfragen. Die Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung erfolgt normalerweise über das Telefon, manche Ratsuchenden erscheinen aber auch direkt in der Beratungsstelle. Von den Mitarbeitern des Sekretariats wird zunächst abgeklärt, zu welchem inhaltlichen Bereich die Klienten gehören. Die Termine werden dann von den Beratern selbst vereinbart. Bei den E-Mailkontakten kommt es häufiger vor, dass es im Laufe der EMailberatung zu einem Wechsel zum Telefon kommt. Bei telefonischer Beratung werden das Faxgerät beziehungsweise E-Mails genutzt, um über relevante Unterlagen zusätzliche Informationen erhalten zu können. Das wird bisweilen von den Beratern auch forciert, wenn deutlich wird, dass wichtige Informationen fehlen. In der Krisenberatung für Kleinunternehmer ist ein Wechsel vom Telefon zur Face-to-Face-Beratung konzeptionell gewünscht. Hier wird versucht, den niedrigschwelligen Telefonkontakt zu nutzen, um die Unternehmer, die alle aus

Schuldner- und Insolvenzberatung: Frau Ehlers / Frau Förster

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der Region kommen, zu einem Beratungsgespräch vor Ort zu motivieren. Beim überregionalen Telefonangebot ist dies auf Grund der Entfernung allerdings meist nicht möglich, wenngleich es bisweilen auch vorkommt. Bei der Hotline kann jedoch auf eine Beratungsstelle vor Ort verwiesen werden.

Falldarstellung Frau Ehlers Frau Ehlers ist in der Schuldner- und Insolvenzberatung als stellvertretende Geschäftsführerin in Leitungsfunktion und zugleich als Beraterin tätig. Sie hat Pädagogik und Psychologie studiert. Darüber hinaus hat sie keine Weiterbildung in einem Therapie- beziehungsweise Beratungsverfahren absolviert. Sie beschreibt sich selbst als medieninteressiert. Sie nutzt E-Mail und Internet. Gechattet hat sie noch nicht und nutzt auch kein Handy. In der – wie sie es nennt – »nicht persönlichen Beratung« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 15) arbeitet Frau Ehlers seit gut einem Jahr im Rahmen eines Hotline-Projekts. Dabei sind ca. 2/3 telefonische Anfragen und 1/3 Mailanfragen, wobei ein deutlicher Trend zu verzeichnen ist, dass die E-Mails anteilsmäßig mehr werden, während die Gesamtanfragen ebenfalls zunehmen. Frau Ehlers positioniert die Beratung ihrer Hotline per Telefon und Mail gegenüber der »persönlichen Beratung« sehr pointiert: »Insgesamt, also um mit dem Resümee anzufangen, muss ich sagen, es ist für mich eine sehr angenehme Kommunikationsform, die ich fast bevorzuge gegenüber der Face-toFace-Beratung. Ähm das hat damit zu tun, weil das Feedback sehr viel positiver ist und man eigentlich immer ein positives Feedback bekommt von den Kunden im Gegensatz zur persönlichen Beratung.« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 19 ff.)

In der persönlichen Beratung erlebe sie häufig, dass die Klienten sagen, sie als Beraterin könne ja doch nichts für sie tun. Sie empfindet es als positiv, dass solche Äußerungen am Telefon und Internet nicht so oft kommen. Als Begründung für diesen Unterschied sieht sie die unterschiedliche Erwartungshaltung der Klienten. Während Telefon und Internet von vornherein ein durch die Technik begrenztes Angebot darstellen, werden in der Beratung vor Ort Papierstapel auf den Schreibtisch gelegt. Dieses Interaktionsangebot wird seitens der Berater jedoch grundsätzlich abgelehnt, da die personellen Mittel begrenzt sind, aber auch konzeptionell »Hilfe zur Selbsthilfe« (ebd. 28 f.) realisiert werden soll. Auf die Frage nach Grenzen, Gefahren oder Chancen medialer Beratungsmöglichkeiten weist Frau Ehlers vor allem auf die Nachvollziehbarkeit schriftlicher Kommunikation hin, die bei ihr eine gewisse Vorsicht zur Folge hat:

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

»Gefahren jetzt so aus Beratersicht ähm ja wer schreibt der bleibt und das ist auch anfechtbar also man muss da schon halt auch sehr sorgfältig, noch sorgfältiger vielleicht als im Mündlichen, also Telefonischen oder Persönlichen, darauf achten was man schreibt, man muss sehr auf den Ton achten finde ich, dass man da nicht darin verfällt also so ins Chatten verfällt ähm und sich da vielleicht auch im Ton vergreift und ja und ja diesen, ja einfach mit nem du oder mit Smileys oder so was find ich einfach unpassend, wenn man dann als Schuldnerberater ne fachliche Kompetenz ähm demonstrieren möchte und dann aber der Versuchung nicht widerstehen kann, so dieses übliche ähm Internetsprache oder Chatgehabe zu übernehmen«. (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 147 ff.)

Sie meint weiter, dass es sich ja um Testmails von Rechtsanwälten oder konkurrierenden Schuldnerberatungsstellen handeln könne. Deshalb sei besondere Vorsicht geboten. Sie weiß schließlich manchmal nicht, ob es sich um »fakes« handelt, die sie beantwortet. Sie sagt aber man müsse erst einmal grundsätzlich davon ausgehen, dass es sich um ein ernsthaftes Anliegen handele, auch wenn man sich unsicher sei. Sie erlebt die Hotline, sei es telefonisch oder per Mail sowohl als ein sinnvolles ergänzendes Mittel als auch als eine eigenständige Hilfemöglichkeit. So besteht die Möglichkeit, medial auch Menschen zu helfen, die nicht so mobil sind, eine Beratungsstelle vor Ort zu besuchen. Entsprechende Rückmeldungen gibt es immer wieder. So nennt sie als Beispiel einen gehbehinderten Rentner in einem Dorf in Bayern, der nicht in der Lage ist, die nächstgelegene Beratungsstelle in 50 km Entfernung zu erreichen, sich aber Hilfe bei der überregionalen Hotline holen kann. Im Hinblick auf Kundenfreundlichkeit sieht Frau Ehlers die medialen Angebote als wichtig an. Schließlich spart die mediale Kommunikation Zeit und es ist möglich, auch unabhängig von den Sprechstunden Kontakt mit der Beratungsstelle aufzunehmen und Fragen zu stellen. Diesbezüglich stellen Frau Ehlers Ansprüche an die Beratungsstelle, die nicht nur fachliche, sondern auch technische Rahmenbedingungen betreffen: »Und da natürlich auch zu zu reagiern auf irgendwelche technischen Entwicklungen. Da muss man natürlich sehen was wie kann man sich da noch verbessern und ähm ja um eben auch allen Ansprüchen gerecht zu werden. Angefangen von der Datensicherheit und Verschlüsselungen aber auch der Nutzerfreundlichkeit und mit der Internetseite ist man ja eigentlich nie fertig was man da noch alles einstellen und verändern und verbessern kann. Ja das ist eben auch das Interessante an dem Bereich.« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 283 ff.)

Von einer möglichen Chatberatung nimmt Frau Ehlers bewusst Abstand. Einen Einzelchat sieht sie dabei für die Schuldnerberatung noch als eher möglich als einen Gruppenchat. Sie geht davon aus, dass Schuldnerberatung ein Thema ist, bei dem man sich auf einen Einzelnen konzentrieren muss. Sie räumt auch ein,

Schuldner- und Insolvenzberatung: Frau Ehlers / Frau Förster

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dass ihre Einschätzung an fehlender Erfahrung liegen könnte, aber insgesamt empfindet sie den »zwang da auch ganz schnell zu antworten und zu schreiben« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 365 f.) als Stress, womit man den Klienten nicht gerecht werde.

Falldarstellung Frau Förster Frau Förster ist Juristin und arbeitet seit sieben Jahren als Beraterin in der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle. Eine Weiterbildung in Therapie oder Beratung hat sie nicht absolviert. Sie ist neben der Beratung von Privatschuldnern auch in der Beratung von (ehemals) Selbstständigen tätig. Sie sieht sich eher als medieninteressiert und verwendet E-Mail, hat auch schon gechattet und nutzt ein Handy sowie das Internet. Seit einigen Jahren ist sie auch in der genannten Schuldenhotline per Telefon und Mail als Beraterin tätig. Das Interview mit Frau Förster ist eines der kürzesten Interviews dieser Studie. Sie antwortet mit wenigen Worten auf die jeweiligen Fragen, außerdem fragt sie mehrfach nach, wie die Frage gemeint sei, und bittet um Konkretisierung. Dabei bleibt sie vorwiegend auf der Sachebene und positioniert sich kaum persönlich. Insbesondere bei strategischen Fragen verweist sie ausdrücklich an die stellvertretende Geschäftsführerin Frau Ehlers. Die Verzahnung von Telefonberatung und Onlineberatung ist nach Aussage von Frau Förster noch relativ neu. Das ausschließlich telefonische Beratungsangebot gibt es schon länger. Dieses mediale Hotlineangebot wird auch von Ratsuchenden genutzt, die nicht in eine Beratungsstelle vor Ort gehen wollen, sondern ausschließlich auf medialem Wege Kontakt herstellen möchten. Darin zeigt sich ihrer Ansicht nach auch, dass dieses anonyme Angebot »niederschwellig« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 25) ist. Der Wandel durch die Neuen Medien ist in der Beratungsstelle nach ihrer Einschätzung daran zu erkennen, dass nun alle Mitarbeiter einen Internetzugang haben, was sich erst vor einigen Jahren entwickelt hat. Neben der medialen Beratungsarbeit wird auch versucht, die internen Arbeitsabläufe künftig über EDV abzuwickeln. Durch Unterstützung eines Projekts »Papierloses Büro« sollen immer mehr Prozesse statt in der Papierform in digitalisierter Weise bearbeitet werden. Verwaltungsaufwand und Organisation nehmen demnach einen »großen Raum« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 133) ein, und mit diesem Projekt soll bewirkt werden, dass solche Arbeiten besser zentriert und von der Verwaltung übernommen werden können. Zwischen der bundesweiten Beratungshotline und den Telefonaten der Kunden vor Ort sieht Frau Förster Unterschiede in den Fragestellungen:

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

»Ja, Unterschied einfach von der Art der Anfragen. So wir haben häufiger aus dem ländlichen Bereich, wo dann Beratungsstellen schwer erreichbar sind. Zum Teil auch völlig überlastet oder dann auch mal, was wir häufiger hatten, jetzt zwischen Weihnachten Neujahr, völlig geschlossen haben, dass da dann einfach auch mal so der Punkt ist, dass überhaupt mal ein Berater eben da gesprochen werden kann und einfach auch die Bequemlichkeit, dass man von zuhause aus das machen kann. Häufig ist es ja wirklich so im ländlichen Bereich, dass dann schon enorme Wege einfach da auch sind, bis ne Beratungsstelle zu erreichen ist«. (Fr-Förster-SchuIns, Z. 198 ff.)

Während das Einzugsgebiet der Beratungsstelle ansonsten weitgehend auf eine Großstadt in dicht besiedeltem Gebiet beschränkt ist, zeigen sich bei der überregionalen Hotline gerade im ländlichen Raum weitergehende Bedarfe. Aber auch die zeitlichen Rahmenbedingungen bedeuten bei der Mailberatung einen Vorteil, dem in der herkömmlichen Beratung vor Ort so in der Regel nicht entsprochen wird. Eine Funktion der medialen Beratung wird von Frau Förster auch im Einholen einer »Zweitmeinung« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 222) beschrieben. So gibt es Ratsuchende, die in einer Schuldnerberatung oder von einem Anwalt beraten werden und darüber hinaus eine zweite Meinung erfragen. Das heißt zumeist, dass die Nutzer der Hotline sich in wichtigen Fragen nochmal bestätigen lassen möchten, dass die Auskunft von anderer Seite auch wirklich zutrifft. Krisenberatung kommt demgegenüber seltener vor. Vereinzelt ist das zwar auch der Fall, aber das ist offensichtlich nicht der Schwerpunkt der medialen Schuldnerberatung. Wenn Menschen sich verzweifelt an die Hotline wenden, dann geht es in der Regel darum, wie es für sie weiter gehen kann und nicht um psychosoziale Krisenintervention: »Es gibt natürlich auch manche, die dann eben verzweifelt sind, weil sie nicht wissen, wie sie jetzt den nächsten Schritt machen, aber da geht’s schon drum was kann ich jetzt machen, wo find ich Beratung und nicht so, dass man sagt, das ist einfach eine E-Mail, wo einfach ja da diese verzweifelte psychische Belastung nur Thema ist, sondern wirklich konkret, wo bekomm ich dann Hilfe.« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 247 ff.)

Als Chance sieht Frau Förster die Niederschwelligkeit des medialen und auf Wunsch auch anonymen Angebots. Sie denkt, dass Menschen dadurch sehr frühzeitig erreicht werden, die sich noch scheuen würden, eine Beratungsstelle vor Ort aufzusuchen. Die Grenze der anonymen Beratung sieht sie allerdings dann, wenn Unterlagen geprüft werden müssten, was anonym in der Regel nicht machbar ist. Sie betont mehrfach, dass bei der medialen Beratung das Selbsthilfepotential geweckt wird. Die Chance bestehe demnach darin, dass in den Kunden das angeregt wird, was sie selber können. Schließlich seien sich die Menschen oft gar nicht bewusst, dass sie beispielsweise Unterlagen sortieren und mit Gläubigern

Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller

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verhandeln können. Die Gefahr in der Face-to-Face-Beratung, alles an Berater abzugeben, ist in der medialen Beratung nach ihrer Einschätzung geringer. Als mögliche Veränderung sieht sie den künftigen Anteil von Face-to-FaceBeratung und Onlineberatung. Letztere Beratungsform dürfte, nach ihrer Einschätzung, anteilsmäßig stärker werden. Sie geht aber auf jeden Fall davon aus, dass es auch künftig Ratsuchende geben wird, die Face-to-Face-Gespräche haben möchten und denen eine mediale Beratung nicht genügt.

5.4

Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller

Die Beratungsstelle bietet Kinder-, Jugend- und Familienberatung an. Dabei handelt es sich um Pflichtaufgaben der Gebietskörperschaft, die Erziehungsberatung nach § 27ff des Sozialgesetzbuch (SGB) VIII anbieten muss. Außerdem haben Kinder und Jugendliche nach diesem Gesetz ein Recht auf kostenlose Beratung, die hier angeboten wird. Des Weiteren gibt es Beratung bei Trennung und Scheidung, wenn Kinder oder Jugendliche betroffen sind. Für türkische Mitbürger gibt es auf Wunsch einen türkischen Honorarmitarbeiter, der ihr Ansprechpartner sein kann. Auch Prävention gehört zum Auftrag der Beratungsstelle, wobei es um die Frage geht, wie man »zur Verbesserung von Erziehung im Allgemeinen« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 203 f.) beitragen kann. Das geschieht etwa durch Elternkurse und durch Sozialtrainings an Schulen. Die Stelle ist außerdem an der Jugendhilfeplanung der Stadt beteiligt. Die Ausbildung und Begleitung von Pflegeeltern ist eine spezielle Aufgabe, die mit der Stadt vereinbart wurde. Im Rahmen des Kinderschutzes ist es möglich, auf Basis von § 8a SGB VIII das Risiko von Kindeswohlgefährdung hier abzuklären. So können sich etwa kleinere Jugendhilfeeinrichtungen in dieser Frage an die Beratungsstelle wenden. Außerdem werden gemeinsam mit einem Jugendamtsmitarbeiter Multiplikatorenschulungen zum Kinderschutz organisiert. Vernetzung und Kooperation im psychosozialen Bereich gehört auch zu den Aufgaben, wenn dies auch nicht ausdrücklich festgeschrieben ist. Alle Berater haben einen eigenen Computer, sind an das interne Netzwerk der Beratungsstelle angeschlossen und haben einen Internetzugang. Das Internet wird genutzt zum Recherchieren, unter anderem um bei Beratungsfällen Hintergründe, wie etwa die Erkrankung eines Kindes, besser verstehen zu können. Der Dachverband der Beratungsstelle hat ein schriftliches Beratungskonzept, in dem mediale Beratung allerdings nicht erfasst ist. Auch ein eigenes Konzept für mediale Beratung gibt es hier nicht. Der Verband bietet aber spezielle Weiterbildungsveranstaltungen zu medialer Beratung an.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Die Beratungsstelle hat eine eigene Homepage und ist darüber per E-Mail erreichbar. Die Beratungsangebote finden in verschiedenen Settings statt, in Einzelgesprächen, mit der ganzen Familie und in Form von Gruppenangeboten. Dabei gibt es Gruppen für Kinder in Trennungs- und Scheidungssituationen, für stille und ängstliche Kinder sowie für Mädchen. Neben der Face-to-Face-Beratung gibt es Mailberatung und Beratung in einem Spielzimmer, in dem verschiedenste Medien und Materialien genutzt werden können. Dabei handelt es sich allerdings nicht in erster Linie um Kommunikationsmedien. Ob Chatberatung oder Beratung in Foren jemals angeboten werden, bleibt offen. Derzeit sind diese Beratungsformen nicht geplant, grundsätzlich ausgeschlossen werden sie jedoch nicht. Die Onlineberatung erfolgt webbasiert und verschlüsselt über die Plattform des Bundesverbands. Die Kommunikation wird anonym angeboten, selbst eine E-Mailadresse wird für die Berater nicht sichtbar, da die Beratung ausschließlich über einen Webbrowser erfolgt. Der »Hauptzugang« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 113) zur Face-to-Face-Beratung ist die telefonische Anmeldung. Es gibt aber auch Kontaktaufnahmen per E-Mail oder direkt in der Stelle vor Ort. Der Erstkontakt erfolgt in der Regel über das Sekretariat. Dort werden bestimmte Daten abgefragt und die Ratsuchenden werden gebeten, das Problem kurz zu skizzieren. Daraufhin wird ein Termin vereinbart mit einer durchschnittlichen Wartezeit von zwei bis drei Wochen. Das ist auch abhängig davon, wie viele Termine noch zu Verfügung stehen und um welches Problem es sich handelt. In Krisenfällen gibt es allerdings keine Wartezeit, sondern es wird sofort reagiert. Bei Anmeldungen per E-Mail werden die Ratsuchenden zurückgerufen oder sie erhalten eine Mail zur Terminvereinbarung. Anders wird allerdings mit Mails umgegangen, in denen bereits ein Problem geschildert wird. Da wird entschieden, ob die Verwaltung die Mail beantwortet, ob sie zur Beantwortung an einen Berater weitergeleitet wird oder ob die Anfragenden direkt dazu aufgefordert werden, vor Ort in die Beratungsstelle zu kommen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Telefonnummer der Berater zu benennen. In der Regel wird bei Mailanfragen aber darauf hingewiesen, dass es sich um eine ungeschützte Kommunikation handelt und eine verschlüsselte Onlineberatung die Vertraulichkeit wahren würde. Ein Wechsel von der E-Mail zur webbasierten Mailberatung ist also möglich. Dieser Umgang mit inhaltlichen EMails ist unabhängig von der Onlineberatung. So wurde auch bereits verfahren, als die Stelle noch an keinem expliziten Internetberatungsangebot beteiligt war. Der häufigste Settingswechsel ist der vom Telefon zur Face-to-Face-Beratung. Da die ausdrücklich offerierte Onlineberatung erst seit einigen Monaten in der Stelle betrieben wird, kam es bislang noch nicht zu einem Wechsel von der webbasierten Mailberatung zur Face-to-Face-Beratung. Dies ist allerdings

Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller

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denkbar und es ist konzeptionell seitens der Beratungsstelle die Option gewünscht, dass aus Onlineberatung auch eine Beratung vor Ort werden kann.

Falldarstellung Herr Glaser Herr Glaser ist Leiter der Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle und ist dort zugleich beratend tätig. Er ist Psychologe und hat mehrere Weiterbildungen in verschiedenen therapeutischen beziehungsweise beraterischen Verfahren absolviert; in Verhaltenstherapie sowie in systemischen beziehungsweise klientenzentrierten Weiterbildungen. Er sieht sich selbst als eher medieninteressiert, betont dabei aber auch, dass das »nicht unkritisch« bedeutet (Hr-GlaserKiJuFa-L, siehe Kurzfragebogen am Ende des Interviews). Er selbst nutzt E-Mail, hat auch schon gechattet und nutzt Handy. In der Onlineberatung befindet er sich noch am Anfang, hat aber über eine spezielle Weiterbildung bereits Erfahrung in der praktischen Umsetzung. Die offene Eingangsfrage zum Wandel in der Beratung durch die Kommunikationstechnik beantwortet Herr Glaser durch einen Verweis auf die grundlegenden Änderungen in der Arbeit mit anderen Personen durch das Mailen: »Die allergrößte Veränderung zu früher ist der E-Mailverkehr. So äh die Kommunikation ist in der Regel sehr viel schneller« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 9 f.). Es ist möglich, viele Menschen mit den gleichen Informationen auszustatten, und auch »komplexe Gegebenheiten« können per Mail abgestimmt werden. Das wäre demgegenüber früher deutlich aufwändiger gewesen. Mehrere Telefonate oder Treffen wären notwendig gewesen, was deutlich länger gedauert hätte und nun auf diesem Weg schnell möglich ist. Das gilt auch für die Informationsgewinnung. Herr Glaser recherchiert viel im Internet. Sobald er einen Begriff nicht kennt oder eine Einrichtung in die ein Kind gehen soll, nutzt er das Internet, um Informationen zu beschaffen. So ist es etwa möglich, Kenntnisse über die Konzeption einer solchen Einrichtung schnell und ohne Aufwand zu erhalten. Das kann zu Zeitersparnis führen, allerding besteht dabei auch die Gefahr, »dass man sich ein wenig verzettelt« (ebd. Z. 30) und so die Ersparnis wieder aufgebraucht wird. Eine technische Entwicklung sieht er als wichtig an, nämlich dass immer mehr vormals getrennte mediale Kommunikationskanäle zusammengeführt werden. So ist es heute möglich am PC Radio zu hören beziehungsweise Fernsehen zu schauen. Und als er kürzlich eine fachlich interessante Sendung im Fernsehen angeschaut hat, konnte er sie anschließend seinen Mitarbeitern über die Homepage des ZDF zeigen. Dabei ist die Arbeit mit dem Internet für Herrn Glaser inzwischen selbstverständlich und vertraut, da er bereits zuvor das Internet genutzt hat:

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

»Das heißt, ich hatte das Glück auch äh früher in einer Institution zu arbeiten, die sehr sehr schnell schon Internet zur Verfügung gestellt hat. Also darum ist es mir gar nicht mehr so sehr neu, und die die Unterschiede also die neueren Entwicklungen, das passiert ja schleichend.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 73 ff.)

Als negativ empfindet er es, dass persönliche Inhalte, die einmal im Internet gespeichert sind kaum mehr entfernt werden können. Demnach ist im Internet auch »Schädliches, Menschenverachtendes« (ebd. Z. 57) abrufbar. Das ist ein Punkt, der auch die Arbeit der Beratungsstelle betrifft. Da werden zum Beispiel Jugendliche beim Schlafen gefilmt während ihnen jemand ein Messer an den Hals hält oder sie werden unvermittelt geschlagen und gleichzeitig aufgenommen, was als »Slapping« (ebd. Z. 62) bezeichnet wird. Mit solchen Filmen werden die Betroffenen dann anschließend in der Schule konfrontiert. Durch die Neuen Medien erweitern sich demnach auch die Möglichkeiten, anderen zu schaden. Die Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit verändern sich ebenfalls durch die Neuen Medien. So können über die Homepage der Stelle neue Angebote schnell und einfach veröffentlicht werden. Was früher ein Fachmann hätte tun müssen, kann Herr Glaser nach eigenen Angaben heute vielfach selbst bewerkstelligen. Dabei zeigt sich, dass das Internet tatsächlich von Klienten genutzt wird, um eine Hilfeeinrichtung zu finden. In den Erstkontakten benennen die Ratsuchenden zunehmend, dass sie im Internet gesucht haben und dann auf die Homepage der Stelle gelangt sind. Dabei kam es auch teilweise bereits zu ersten Beratungen per Internet. Die Selbstdarstellungsmöglichkeit im Internet wird dabei aber nicht nur von der Beratungsstelle genutzt, sondern zunehmend stellen sich auch die Klienten selbst im Internet dar. Das kann über eine eigene Homepage erfolgen oder über soziale Netzwerke. So ist es möglich, dass sie Videos bei »YouTube« oder Fotos bei »Myspace« (ebd. Z. 302 f.) von sich veröffentlichen. Diese öffentlichen Darstellungen nutzt Herr Glaser, um auch beraterisch mit den jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Das Gleiche gilt für Rollenspiele, in denen die Jugendlichen bestimmte Charaktere annehmen. Aber auch das Gespräch über den Musikgeschmack und aktuelle Musikrichtungen stellt für ihn ein Zugang zu den jeweiligen Kindern und Jugendlichen dar. Soweit das möglich ist, hört beziehungsweise schaut er sich aber auch gemeinsam mit ihnen das an, was sie interessiert: »Also ne weitere Möglichkeit ist, was ich halt vorher gesagt hab, ähm ab und zu äh setz ich mich mit Klienten hier hin und guck mir irgendwas an oder hör was an oder ne wenn die Jugendliche sagt äh ich interessier mich besonders für blub. Ah ja was ist das Online-Rollenspiel. Hab ich noch nie gehört, um was geht’s denn da. Da erzählt er mir’s, da sag ich; auf, gucken wir’s uns mal geschwind an. Und da hab ich ne ganz andere Ahnung davon, als wenn er mir’s nur erzählt hätte.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 439 ff.)

Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller

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Für die Klienten sieht er es als eine gute Möglichkeit an, dass sie sich in der Mailberatung Hilfe holen können, ohne sich in einem persönlichen Kontakt mit einer Person auseinandersetzen zu müssen. Durch die Anonymität ist es schließlich möglich, auch sehr schambesetzte Dinge anzusprechen, die sonst nicht angesprochen würden. Als Begrenzung des Angebots erlebt er es, wenn Klienten in der Mailberatung Gewalt androhen, sei es gegen sich selbst oder gegen andere. Sowohl durch die technischen Standards des Onlineportals als auch durch die Tatsache, dass eine Mail in der Vergangenheit versendet wurde, hat er keine Möglichkeit, angemessen zu reagieren. Das erlebt er als eine große Einschränkung, die ihn »auch emotional bindet« (ebd. Z. 516). Auf die letzte Frage, ob er noch etwas ergänzen möchte sagt er : »Ja vielleicht noch meine Verblüffung, als wir da in dieser kurzen Ausbildung waren für Onlineberatung, wie anspruchsvoll ähm Onlineberatung ist. Auch für alte Hasen die die schon ganz lange ihren Beruf ausüben und ähm auch wie zeitintensiv, also es ist eben anders als E-Mail beantworten also so das übliche ähm wo man geschwind was liest und dann beantwortet und noch ne Frage stellt und drei Anhänge macht und dann ab damit, sondern meine Erfahrung oder unsere Erfahrung war ähm dass ne gute Onlineberatung genau so viel Zeit braucht wie ne Persönliche«. (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 683 ff.)

Er räumt ein, dass das Antworten mit der Zeit etwas schneller gehen kann, insbesondere wenn man die Person schon kennt und nicht wie bei einer Erstmail so stark »erforschen« (ebd. Z. 694) muss. Insgesamt sollte man aber nicht erwarten, dass diese Beratungsform eine Zeitersparnis für die Berater bedeutet, auch wenn dies vielfach vermutet wird.

Falldarstellung Frau Haller Frau Haller ist Beraterin in der Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle. Sie hat seit vier Jahren Beratungserfahrung, wobei sie die erste Zeit in einer Suchtberatungsstelle gearbeitet hat. Sie ist Sozialpädagogin und hat Zusatzqualifikationen in Gesprächspsychotherapie und in Onlineberatung nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Onlineberatung (DGOB). Sie selbst schätzt sich als medieninteressiert ein und nutzt E-Mail, Handy, Telefon, Internet, Brief, Radio und Bücher. Auch gechattet hat sie bereits. In der Onlineberatung ist sie ebenso wie Herr Glaser noch am Anfang, verfügt aber auch bereits über erste Praxiserfahrungen in der Mailberatung. Die Eingangsfrage hinsichtlich des Wandels durch die Kommunikationstechnik beginnt Frau Haller damit, dass sie die Zeitversetzung in der Mailberatung thematisiert:

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

»Ich würd sagen, ändern tut sich dahingehend was, dass die ähm dass die Beratung oft also dadurch ein bisschen versetzter sein kann. Also wenn mir jemand ne Mail schreibt dann muss ich nicht sofort reagiern, sondern kann mir erstmal überlegen, was was sag ich oder was wie reagier ich. Also es ist es ist ein bisschen entzerrter und auf der andern Seite bin ich dadurch auch eher erreichbar als dass ich ähm als wenn immer jemand sofort vor der Tür stehen würde. Dann müsst ich die Leute wegschicken, weil ich grad keine Zeit hab ein andern Termin hab oder so. Ja ich denk das sind so zwei wichtige wichtige Sachen. Ja und die Arbeit ist halt ein bisschen planbarer weil ich’s halt dahin schieben kann, wo ich Zeit hab und nicht eben sofort da sein muss und sofort reagiern«. (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 17 ff.).

Sie beschreibt, dass viele Menschen mit der Erwartung in die Beratung kommen, schnell Hilfe zu erhalten ohne selbst etwas dazu beitragen zu wollen. Sie drückt das metaphorisch als »Autowerkstattprinzip« (ebd. Z. 89) aus. Demnach denken Eltern, dass sie ihre Kinder in der Beratungsstelle abgeben können und diese »repariert werden« und diese dann »wieder schnell funktionieren«. Dementsprechend kommt es auch vor, dass Patentrezepte erwartet werden. Solche Erwartungen anzunehmen findet sie oft nicht einfach. Sie geht davon aus, dass das mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammenhängt: »Weil ich auch glaub, die Gesellschaft entwickelt sich so in die Richtung, dass alles schnell gehen muss und schnell wieder f also schnell funktionsfähig. Probleme sind eher nicht so Thema ähm ja und da da steht die Wirklichkeit so ein bisschen da dagegen.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 99 ff.)

Sie geht davon aus, dass die vielen Medien und Möglichkeiten Ablenkung im Privatbereich bedeuten, so dass das »Reden Miteinander sehr in den Hintergrund rückt«. Demgegenüber wird mehr über SMS oder Chat kommuniziert. Gerade Jugendliche tauschen darüber viele Informationen aus, die nach ihrer Einschätzung so nicht getauscht würden. Dabei handelt es sich häufig auch um intime Themen, bei denen es sonst schwierig wäre darüber zu reden. Zunehmend breitet sich die Chatkommunikation nach der Schule aus. Dies geschieht etwa auch während des Hausaufgabenmachens und neben anderen Tätigkeiten. Diese Medien werden bisweilen auch von Eltern genutzt, um die Kommunikation ihrer Kinder auszuspionieren. Das Thema »Vertrauen und Kontrolle« (ebd. Z. 184) spiegelt sich demnach auch in dieser medialen Kommunikation wieder. Allerding ist das in der Beratungsstelle zumeist ein Thema, von dem Eltern berichten, ohne dass dies zwischen Eltern und Kindern thematisiert würde. Die ständige Erreichbarkeit der Ratsuchenden ist nach ihrer Wahrnehmung auch auffällig. So haben sie meist ein Handy dabei und empfangen auch während einer Face-to-Face-Sitzung SMS oder werden angerufen. Dazu meint sie: »Find das oft sehr viel Kontakt so also wo es hab ich so den Eindruck in der kurzen Sequenz wo die Leute da sind es halt wenig Zeiten gibt wo sie so mit sich alleine sind

Kinder-, Jugend- und Familienberatung: Herr Glaser / Frau Haller

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sondern immer irgendwie im Austausch im Kontakt, solchen weiß nicht eher oberflächlichen Sachen aber immer im Kontakt. Was ich mir auch eher anstrengend vorstelle.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 196 ff.)

Bei Onlineberatung findet sie den Umgang mit Selbst- oder Fremdgefährdenden schwierig. Durch die Anonymität besteht nämlich nicht die Möglichkeit, den Notruf zu alarmieren. Ebenfalls als eine Einschränkung erlebt sie es, wenn es um Fragen geht, in die eigentlich die gesamte Familie mit einbezogen werden müsste. Außerdem erlebt sie es als viel aufwändiger, Informationen per Mail zu vermitteln, als diese verbal zu erklären. Insbesondere wenn viel Information vermittelt werden muss, ist das mit diesem Medium deutlich schwieriger machbar. Als eine Grenze sieht sie ebenfalls, dass die Menschen in der Mailberatung das zeigen, was sie zeigen wollen. Dabei erlebt sie es, dass sie weniger Möglichkeiten hat, solche Darstellungen durch die Erscheinung oder das Auftreten zu prüfen. Demnach fällt es ihr auf diese Weise schwerer, sich einen eigenen Eindruck zu machen »außer eben an dem was geschrieben wird« (ebd. Z. 277 f.). Die Ratsuchenden können demnach eher steuern, was sie von sich preisgeben und was nicht. Bei der Face-to-Face-Beratung ist das zwar auch so, aber nicht in dem Ausmaß. Gleichzeitig ist das aber auch eine Möglichkeit für Menschen, für die das eine »niedrige Schwelle« bedeutet. Sie müssen nicht etwas zeigen, was sie nicht zeigen wollen. Das sieht sie für die Ratsuchenden als positiv an, auch wenn das für sie als Beraterin anders ist: »Bei der Mailberatung hab ich nur das, was mir gegeben wird, was mir der Ratsuchende gibt ohne irgendwie ohne dass ich ein Vorurteil vielleicht aufbauen kann oder das anspringt und auch dass die Ratsuchenden das so steuern können wie viel brauchen sie jetzt und was wollen sie jetzt, das find ich auch ein großes ähm find ich ein großes Plus ne Möglichkeit, auch wenn’s oft für mich also anstrengend ist«. (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 285 ff.)

Sie erlebt dabei die Ratsuchenden als aktivere Kommunikationspartner, die mehr Möglichkeiten haben zu steuern. Frau Haller hat beispielsweise in einer anonymen Beratung nicht die Möglichkeit, bei Bedarf etwa mit dem Kindergarten zu telefonieren. Außerdem gilt das auch in Bezug auf das Ende der Beratung. Wenn der Ratsuchende sich nicht mehr meldet, muss Frau Haller das aushalten, auch wenn sie gerne wüsste »was draus geworden ist« (ebd. Z. 304). In diesem Zusammenhang sieht sie es aber auch positiv für die Ratsuchenden, dass sie sich jederzeit ohne vorige Anmeldung bei der Beratungsstelle melden können. Sobald sie ein Problem haben, »können sie es sich wegschreiben oder loswerden«. Insgesamt nutzt Frau Haller das Internet häufig, um zu recherchieren. So sucht sie etwa Dienste über das Internet heraus, oder informiert sich über On-

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

lineberatungsangebote. Außerdem hält sie sich auf dem Laufenden über die verschiedenen Plattformen, die Jugendliche nutzen wie Facebook oder ICQ. Sie findet es für ihre Arbeit schließlich wichtig, zu wissen, wie sich Jugendliche im Internet darstellen und welche Trends es bei ihnen gibt.

5.5

Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung: Frau Imholz

Die Beratungsstelle bietet Erziehungsberatung, Paarberatung und Lebensberatung an. In der Erziehungsberatung kommen in der Regel Eltern in die Stelle. Dabei kann es sich je nach Thema um ein einzelnes Gespräch handeln, zumeist finden jedoch mehrere Sitzungen statt. Es besteht auch die Möglichkeit, mit der ganzen Familie zu arbeiten oder in Rücksprache mit den Eltern mit dem Kind alleine. Eine große Nachfrage besteht allerdings vor allem in der Paarberatung. Dabei kommt es manchmal aber auch vor, dass ein Partner nicht mitkommt und dann ein Partner alleine zur Beratung kommt. In der Lebensberatung gibt es thematisch ein breites Spektrum. So kann es sein, dass Menschen alleine sind und sich gesellschaftlich am Rande erleben und eine Gesprächspartnerin suchen. Auch die Überbrückung einer Krise in der Wartezeit zu einem Therapieplatz ist möglich, oder Themen rund um den Arbeitsplatz oder Mobbing sind Inhalt der Lebensberatung. Oft sind nach Aussage von Frau Imholz diese Beratungsbereiche in der Praxis allerdings nicht so klar voneinander zu trennen, etwa wenn Eltern mit Erziehungsfragen kommen und sich zeigt, dass diese Eltern als Paar Probleme haben. Dann wird meist der Oberbegriff Familienberatung verwendet. Dabei kann es nämlich auch von Sitzung zu Sitzung wechselnde Themen geben, die mehr die Elternthematik oder stärker die Paarfragen betreffen. Außerdem gibt es auch Öffentlichkeitsarbeit zu inhaltlichen Themen der Stelle in Form verschiedener Veranstaltungen, wie etwa ein Referat zu Beratungsfragen halten. Die Stelle ist Teil eines größeren »Hauses der Beratung« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 281), in dem noch weitere Beratungsangebote, wie etwa Schwangerschaftskonfliktberatung, gemacht werden. Die Beratungsstelle hat keine eigene Homepage, ist aber mit einer »Visitenkarte« auf der Homepage des Trägers im Internet präsent und auf diesem Wege per E-Mail erreichbar. In der Beratungsstelle hat nicht jeder Berater einen eigenen PC. Dies wird von ihr auf Ängste der Kollegen zurückgeführt: »Wir haben Kollegen, die sind sehr [lachen] computerängstlich will nicht sagen – feindlich, aber vielleicht auch Berührungsängste« (ebd. Z. 278 ff.). Die Berater haben nicht alle einen PC im Zimmer. Insofern sind die Arbeitsplätze auch nicht miteinander vernetzt. Der Dachverband hat ein schriftliches Beratungskonzept. Darin findet mediale Beratung allerdings keine Berücksichtigung. Ein spezielles Konzept für

Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung: Frau Imholz

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mediale Beratung gibt es ebenfalls nicht und auch keine spezifischen Weiterbildungsangebote. Der Fachverband, bei dessen Beratungsportal die Stelle mitarbeitet, hat allerdings ein eigenes Konzept für mediale Beratung und bietet auch entsprechende Weiterbildungen an. Die Beratungsstelle arbeitet beim Onlineberatungsportal eines Fachverbandes mit, aber nicht beim Portal des eigenen Bundesverbands, das erst in jüngster Zeit eingerichtet wurde. Die Stelle wird allerdings nicht als solche auf der Beratungsplattform sichtbar und offeriert auch nicht selbst Beratung über ihre Visitenkarte auf der Homepage des Trägers. Bei diesem Onlineberatungsangebot handelt es sich um eine rein virtuelle Beratungsstelle. Es gibt zwei unterschiedliche zielgruppenspezifische Angebote. Eines für Eltern und eins für Jugendliche. Als Beratungsformen gibt es dort webbasiertes Mailen als Einzelberatung, Forenberatung, Einzel- und Gruppenchat. In der Regel geschieht die Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung per Telefon. Die Ratsuchenden sprechen dann mit der Sekretärin. Von ihr wird zunächst der Ablauf erklärt. Bei der Erziehungsberatung bedeutet das vier Wochen Wartezeit. Sofern dies akzeptiert wird, werden die Klienten auf die Warteliste gesetzt. Dabei wird geklärt, ob es eine Telefonnummer gibt, die angerufen werden kann, falls doch vorab schon ein Termin frei wird. Nach zwei Wochen müssen sich die Ratsuchenden nochmals melden und sagen, dass sie auf der Warteliste stehen. Erst dann erhalten sie einen festen Termin. Dieses Verfahren wurde eingeführt, weil dadurch die Ausfälle von Beratungsstunden minimiert werden konnten. Beim zweiten Anruf bekommt die Anruferin den Namen der Beraterin und einen Termin genannt. Verteilt wird nach der Maßgabe, wer gerade Beratungskontingent frei hat. Danach bleiben die Ratsuchenden bei dem jeweiligen Berater. Es gibt also kein Klärungsgespräch, in dem besprochen wird, wer künftig berät, vielmehr ist dieser Berater dann die weitere Bezugsperson. Selten bleibt es bei einem Gespräch. Durchschnittlich sind es etwa fünf bis sechs Sitzungen. Gerade bei der Lebensberatung kann es auch zu Kontakten über Jahre hinweg kommen. Eine Anmeldung per E-Mail geschieht im Vergleich eher selten. Manchmal schreiben Menschen auch bereits ihr Problem in eine Mail. Dann gibt es eine Antwort mit der Bitte, dass sich die Anfragenden per Telefon melden sollen, weil das Verfahren mit der Warteliste verhandelt werden muss, denn »dann ist es praktischer, wenn die sich dann direkt melden« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 272 f.). In Krisenfällen können auch kurzfristig Termine vergeben werden, außerdem kann das Sekretariat an dem jeweiligen Tag Zeiträume benennen, in denen Berater direkt angerufen werden können. Häufig ist so auch in Krisensituationen bereits eine erste Klärung möglich. Innerhalb der Onlineberatungsplattform ist ein Wechsel zwischen Mail, Chat und Foren jederzeit möglich. Das können die Nutzer frei wählen. Demgegenüber ist ein Wechsel zur Beratungsstelle des jeweiligen Beraters vor Ort nicht möglich.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Das würde gegen die Regeln des Angebots verstoßen. Die Beratung soll anonym bleiben und ist rein auf den Internetkontakt ausgelegt. So ist es auch nicht gewünscht, dass Berater innerhalb des Portals Ratsuchende an sich binden. Vielmehr werden etwa die Chatsitzungen vom System verteilt. Ein allgemeiner Verweis an örtliche Beratungsstellen ist demgegenüber möglich. Umgekehrt kommt es vor, dass in der Face-to-Face-Beratung der Beratungsstelle auf das Internetangebot hingewiesen wird, etwa um in den Foren Menschen zu finden, die ein ähnliches Thema beziehungsweise Problem bewegt.

Falldarstellung Frau Imholz Frau Imholz ist Beraterin in der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle und dort auch als Koordinatorin tätig. Sie ist die einzige Mitarbeiterin ihrer Stelle in der Onlineberatung. Diese mediale Beratung macht sie seit rund 5 Jahren im Rahmen ihrer Beratungsarbeit, allerdings in der bereits beschriebenen virtuellen Beratungsstelle eines externen Fachverbandes, also nicht bei ihrem eigenen Dachverband. Sie hat Sozialpädagogik / Sozialarbeit studiert und eine Weiterbildung als Systemische Therapeutin absolviert. Sie selbst sieht sich als medieninteressiert und nutzt E-Mail, Handy, Fernsehen, Radio, Internet und Telefon. Gechattet hat sie auch schon. Sie beschreibt gleich zu Beginn des Interviews eine Veränderung in der Akzeptanz der medialen Beratungsarbeit. 2004 gab es demnach noch viele Diskussionen um diese neuen Beratungsformen im Internet und nach ihrer Einschätzung vielleicht auch Ängste, dass dadurch die Face-to-Face-Beratung überflüssig werden könnte. Außerdem wurden Bedenken geäußert, dass man bei dieser Form der Beratung nicht genügend in die Tiefe gehen kann und die notwendige Beratungsqualität nicht erreichen wird. Sie sagt, dass sie festgestellt hätten, dass das »mitnichten der Fall ist« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 22) und dass auch das Infragestellen durch andere ebenfalls kaum noch vorkommt. Demgegenüber beschreibt sie, dass sich das Interesse an der Beratungsarbeit häufig genau auf diesen neuen Bereich richtet. Sie sieht überwiegend die Vorteile, dass mediale Beratung ein niedrigschwelliges Angebot ist und dass Menschen in Schwierigkeiten schnell und spontan eine Beratungsstelle nutzen können, ohne planen zu müssen. Außerdem wird den Ratsuchenden zugesichert, dass sie eine Antwort bekommen und sich nicht auf vier Wochen Wartezeit einlassen müssen. Nach ihrer Auffassung kann Onlineberatung auch eine Ergänzung zum Face-to-Face-Beratungsangebot sein, da nicht alle Beratungsstellen auch Gruppenangebote machen, dies aber bei der virtuellen Beratungsstelle möglich ist. Insofern nutzt sie diese Plattform auch als Angebot für Menschen, die bei ihr in Face-to-Face-Beratung sind:

Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung: Frau Imholz

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»Es ist wie eine große Beratungsstelle wie ne reale Beratungsstelle, äh alles so unter einem Dach, die ganzen Angebote. Vielen ich empfehl das, auch oft Klienten als Ergänzung. Ja, die kommen in Erziehungsberatung mit irgend einem Problem, sag ich, gucken sie dort rein das und das Forum dann können sie auch lesen was andere Menschen da gemacht haben oder welche Lösungsmöglichkeiten die haben ähm so das ist das eine, und das andere, was ich noch wichtiger finde, sind bestimmte Themen, die einfach so schambesetzt sind, dass ähm Menschen den Weg in die Beratungsstelle nicht wagen, weil sie dann sichtbar sind. Das ähm sind Dinge die mit Sexualität zu tun haben die mit Sucht zu tun haben mit Drogen ähm Missbrauch auf der Jugendseite Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten.« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 47 ff.)

Sie beschreibt, dass sich in die »reale Beratung« in ihrer Beratungsstelle vor Ort selten ein Jugendlicher von sich aus »verirrt« (ebd. Z. 56 f). Falls Jugendliche dennoch kommen, dann aber meist gezwungen von ihren Eltern. Dies sei im Internet anders: Durch den Schutz der Anonymität würden sich auch Jugendliche an die virtuelle Beratungsstelle wenden. Frau Imholz beschreibt auch einen fachlichen Unterschied im Beratungsprozess zwischen Face-to-Face-Beratung und medialer Beratung. Während sie in der Beratungsstelle vor Ort bei den Klienten Gestik, Mimik, äußere Erscheinung und vielleicht sogar Körpergeruch wahrnehmen kann, fallen diese Sinneswahrnehmungen völlig weg. »Wenn ich jetzt am äh PC sitze, dann hab ich das reine Wort« (ebd. Z. 204 f.). Sie beschreibt, dass sie sich auch ein Bild von der Person macht, jedoch durch nichts abgelenkt wird. Beim Schreiben muss sie sich mehr konzentrieren als beim Sprechen, da sie beim Gespräch nochmal etwas zurücknehmen kann. Alles in allem sieht sie sowohl Vor- als auch Nachteile in beiden Formen der Beratungsarbeit. Veränderungen nimmt sie in der Beratung allgemein dahingehend wahr, dass sich die Zahl der Krisenfälle erhöhen. Die Wartezeit in der Erziehungsberatung von 4 Wochen und 8 Wochen in der sonstigen Beratung sei in ihrer Stelle zwar nicht all zu hoch. Allerdings zeigt sich, dass es die Menschen immer häufiger als Zumutung empfinden, so lange warten zu müssen. Sie können nicht warten, weil etwas passiert ist oder weil sie vom Jugendamt oder Gericht geschickt wurden. Dies scheint nach ihrer Einschätzung künftig noch häufiger auf die Beratungsstellen zuzukommen, auch im »Zusammenhang insofern erfahrene Fachkraft Kindeswohlgefährdung«64 (ebd. Z. 180). Sie kontrastiert diese Entwicklung mit der Situation in der Vergangenheit (auch Z. 437 ff.), als die Kontrollfunktionen in der Beratungsarbeit noch nicht so ausgeprägt waren: »Wir hatten ja über Jahre die glückliche Situation dass Menschen völlig freiwillig völlig unabhängig den Weg zu uns gesucht haben und natürlich auch mit einer ganz anderen Motivation kamen. Wenn jetzt jemand kommt, der vom Jugendamt geschickt wird, der 64 Der Ausdruck »insofern erfahrende Fachkraft« ist entstanden im Zuge der Diskussion zum Schutzauftrag der Jugendhilfe und nimmt Bezug auf diese Bezeichnung in §8a SGB VIII.

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

also fremd geschickt wird, dann äh ist erst mal so ein, braucht man sehr viel mehr Zeit um Vertrauen herzustellen und Motivationsarbeit zu leisten.« (Fr-Imholz-ErzEheLebK, Z. 182 ff.)

Der Arbeitsplatz in der Beratungsstelle hat sich durch die Neuen Medien auch jenseits der Onlineberatung verändert. So nutzt Frau Imholz das Internet auch für fachliche Fragen. Sie hat so die Möglichkeit und kann »alles parat haben, das ganze Wissen« (ebd. Z. 310). Das ist für sie besonders nützlich, wenn eine Ratsuchende eine Frage zu einem Thema stellt, bei dem sie sich nicht gut auskennt. Darüber hinaus werden Medien aber auch zur internen Vernetzung verwendet. Der Dachverband stellt ein Intranet für alle Mitgliedseinrichtungen zur Verfügung, das allerdings nicht zum inhaltlichen Austausch dient. Vor Ort findet dieser in den wöchentlichen Teamsitzungen und bei Bedarf im Rahmen von Supervision statt. Der Fachverband, der die Internetplattform betreibt, bietet auch einen fachlichen Austausch an, allerding medial vermittelt. Dort kann man sich einmal pro Monat in kollegialen »Mediationsgruppen« (ebd. Z. 344) über Fälle austauschen. Außerdem kann man als Berater Supervision in Anspruch nehmen, die per Chat oder Telefon stattfindet. Einzelsupervision ist über Telefon möglich, während es beim Chat darüber hinaus auch Angebote von Gruppensupervision gibt. Nach Überzeugung von Frau Imholz hat sich beim Kommunizieren der Menschen »was verbessert« (ebd. Z. 499). Sie meint, dass sie heute kommunikationsgeübter sind als früher. Während es früher ein Makel war, in eine Beratungsstelle zu gehen, wird dies heute eher genutzt als früher. Das liegt ihrer Ansicht nach auch an den Medien, die in Sendungen oder Zeitungsartikeln auf dieses Thema aufmerksam machen. So kommen viele Menschen in die Beratungsstelle und sagen, dass sie ein Problem hätten, weil sie nicht miteinander reden können. Dazu führt sie aus: »Das konnten die früher vielleicht auch nicht [Lachen], wären nicht auf die Idee gekommen, da könnt man ja mal was machen. Also ich glaub, dass Kommunikation, das ist so ne Kompetenz mehr bei Menschen, sich entwickelt hat.« (Fr-Imholz-ErzEheLebK, Z. 508 ff.)

Neue Themen und Probleme in der Beratung erlebt sie im Zusammenhang mit Neuen Medien. So kommt in der Beratungspraxis etwa die Frage auf wie Eltern ihre Kinder vom PC oder Internet fernhalten können. Manche Kinder telefonieren aber auch endlos oder überblicken die Gefahren des Internets nicht, etwa durch übergriffige Erwachsene in Chatrooms. Aber auch in der Paarberatung wird das Thema Computer-/Internetnutzung als Problem benannt, sei es bezüglich der Länge der Nutzung durch einen Partner oder wenn es einem Partner auffällt, dass der andere Pornoseiten nutzt. Als gefährlich sieht Frau Imholz an, wenn etwa in Foren problematische

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

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Themen von nicht ausgebildeten Beratern betreut werden. Da bedarf es nach ihrer Meinung einer Überwachung der Foreneinträge, wie das auf der Beratungsplattform der virtuellen Beratungsstelle gewährleistet wird. Foren, in denen es beispielweise Selbstmordanleitungen gibt, empfindet sie als problematisch. So sieht sie die verschiedenen Techniktrends im Internet dann als hilfreich an, wenn sie fachlich verantwortet und kompetent angeboten werden. Dabei sieht sie keine Alternativen zur virtuellen Beratungsstelle, bei der sie mitarbeitet. Das ist das einzige Beratungsangebot im Internet, das sie empfiehlt.

5.6

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

Im Folgenden werden die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten fünf Beratungsstellen im Überblick und mit Hilfe von Tabellen dargestellt. Dies dient dazu, die Komplexität der verschiedenen durch die Organisation beziehungsweise Technik vorstrukturierten Kommunikations- und Interaktionsprozesse in den Beratungsstellen zu reduzieren und nachvollziehbar zu machen. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den strukturellen Gegebenheiten und Handlungsprozessen, sind somit eine Grundlage für die im nächsten Kapitel vorgenommene Interpretation. Dargestellt wird hier nun zunächst die Angebotsstruktur, sowohl im Hinblick auf Beratung als aber auch bezüglich möglicher weiterer sozialer Dienstleistungen innerhalb derselben Beratungsstelle. In diesem Zusammenhang wird die Unterschiedlichkeit der Finanzierung, der rechtlichen Grundlagen und die Einbindung in die Dach-/ Fachverbandsstruktur beschrieben; ebenso die verbandliche Einbindung der Stellen im Hinblick auf ein übergreifendes Beratungskonzept und entsprechende Weiterbildungen. Danach werden die verschiedenen Beratungssettings dargestellt, sowohl die Face-to-Face-Angebote als auch die medialen Angebote. Die mediale Ausstattung der Stellen hinsichtlich EDV und Kommunikationstechnik wird sodann dargelegt. Danach wird beschrieben, wie die Anmeldung in den Beratungsstellen erfolgt, und ob beziehungsweise wie ein möglicher Settingswechsel in der Kommunikation mit den Ratsuchenden möglich ist. Abschließend werden die Beraterinnen und Berater in Bezug auf ihre Qualifikationen und Beratungserfahrungen dargestellt. Es gibt strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen, die durch die Fallauswahl vorbestimmt sind. Die forschungsmethodischen Fragen dazu wurden im vorangegangenen Kapitel bereits erörtert. Nun soll in der Darstellung aber unterschieden werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf die Vorauswahl zurückzuführen sind und welche nicht. Durch

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

die Vorauswahl ist allen fünf Stellen gemeinsam, dass die Berater bei mindestens einem Onlineberatungsangebot im Bereich medialer Beratung aktiv sind und die Beratungsstelle mit einer Homepage beziehungsweise Webvisitenkarte per E-Mail über das Internet erreichbar ist. Demgegenüber unterscheiden sich die jeweiligen Beratungsplattformen, die für die Onlineberatung genutzt werden, durch die Vorauswahl. Ebenfalls unterscheiden sich die Beratungsinstitutionen. Es wurde nämlich vorab darauf geachtet, dass die Beratungsstellen unterschiedliche Beratung offerieren. Ein weiterer gewünschter Unterschied liegt darin, dass die Stellen in unterschiedlichen Bundesländern angesiedelt sind und zu verschiedenen Dachverbänden gehören. Lediglich die Kinder-, Jugend- und Familienberatung (Stelle 4) und die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5) gehören zwar auf Bundesebene demselben Dachverband an, sind aber unterschiedlichen Regionalverbänden zugeordnet und jeweils in einem anderen Bundesland gelegen. Durch die Nutzung unterschiedlicher Onlineberatungsportale sind die Rahmenbedingungen dieser beiden Stellen insgesamt unterschiedlich genug, um keine Dopplungseffekte in Bezug auf die Fragestellung allein auf die Dachverbandszugehörigkeit zurückführen zu können. In den Bezeichnungen der einzelnen Beratungsstellen wird deutlich, dass sie ihre Angebote teilweise nach Zielgruppen und teilweise nach Problemlagen ausrichten. Da diese institutionalisierten Beratungsangebote in der Praxis jedoch nicht in idealtypischer Reinform vorkommen, sind sie in der Regel mit anderen Beratungsinstitutionen verknüpft. Somit kommt es zwangsläufig auch zu Dopplungen in den Beratungsangeboten der ausgewählten Stellen (s. Tabelle 8, S. 124). Auffällig ist, dass in allen fünf Beratungsstellen keine Beratungsinstitution alleine angeboten wird. Zwar gibt es inhaltliche Nähen bei den gemeinsam angebotenen Beratungsinstitutionen. So sind Sexual- und Paarberatung eng miteinander verbunden. Gleiches gilt für die Schuldner- und Insolvenzberatung. Dennoch gibt es dabei aber auch inhaltliche Unterscheidungen bei diesen organisatorisch gekoppelten Beratungsangeboten. Andere Verknüpfungen der Beratungsangebote liegen inhaltlich nicht so nah beieinander, wie etwa die Jugend- und Drogenberatungsstelle zeigt. Vergleicht man die Beratungsangebote dieser spezialisierten Beratungsstellen, wird deutlich, dass sie sich in ihrem Spezialisierungsgrad unterscheiden. Die Schuldner- und Insolvenzberatung stellt hier die größte Spezialisierung der untersuchten Beratungsstellen dar. Die Beratung richtet sich ausschließlich an erwachsene Personen mit Überschuldungsproblemen. Auch die Jugend- und Drogenberatungsstelle ist vergleichsweise stark spezialisiert. Sie richtet sich aber neben der Ausrichtung an der Suchtthematik auch allgemein an die Gruppe der Jugendlichen, ohne bei dieser Zielgruppe die Problemthemen einzugrenzen. Überschneidungen im Beratungsangebot gibt es etwa bei Sexual- und Paarberatung (Stelle 1) im Vergleich

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

123

mit der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5), die beide Paarberatung anbieten. Die Jugend- und Drogenberatung (Stelle 2) sowie die Kinder-, Jugendund Familienberatung (Stelle 4) machen explizit Angebote für Jugendliche, und auch in der Sexual- und Paarberatung (Stelle 1) und Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5) werden Jugendliche im Rahmen von Sexualberatung beziehungsweise Erziehungsberatung prinzipiell, wenn auch nicht unmittelbar über den Namen der Stelle, angesprochen. Das breiteste Spektrum deckt die letztgenannte Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle sowohl bezüglich der angesprochenen Zielgruppen als auch hinsichtlich der Problemthemen ab. Die dort angebotene »Allgemeine Lebensberatung« stellt dabei eine Besonderheit dar, da ihre Spezialisierung gerade darin besteht, dass sie sich nicht an vordefinierte Zielgruppen richtet und grundsätzlich für alle Themen offen ist. Das heißt aber nicht, dass es hier nicht auch bestimmte typische Beratungskonstellationen gibt und dass nicht bei bestimmten Problemlagen an andere Beratungsangebote wie etwa eine Suchtberatungsstelle weiterverwiesen wird. Insgesamt zeigt die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle die größten Überschneidungen im Angebot mit anderen Beratungsstellen, vor allem mit der Kinder, Jugend- und Familienberatung (Stelle 4) und etwas weniger mit der Paar- und Sexualberatung (Stelle 1). Aber in den jeweiligen Kombinationen der Angebote unterscheiden sich die Beratungsstellen in ihrer Ausrichtung, auch wenn sich einzelne Angebote überschneiden. So richtet sich die Jugend- und Drogenberatungsstelle ausdrücklich an Jugendliche, während in der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle Jugendliche in der Regel mit den Eltern in die Stelle kommen und vom Angebot her nicht eigens angesprochen werden. Die über die Beratung hinausgehenden Angebote werden in Tabelle 9 (S. 125) aufgelistet.

124

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Tabelle 8: Zielgruppen und Beratungsangebote der untersuchten Beratungsstellen 2) Beratungsstelle 1) Sexual- / Jugend- / DrogenBeratung PaarBeratung Zielgruppe65 Kinder X Jugendliche X Paare X Eltern Familien Menschen mit Problemen Allgemein Drogen / Sucht Erziehung Partnerschaft X Sexualität X Überschuldung »X« bedeutet: wird angeboten

3) SchuldnerInsolvenzBeratung

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung X X

X

X X

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung X X X X X X

X X

X X

X

Präventionsarbeit wird von drei Beratungsstellen, der Jugend- und Drogenberatung, der Schuldner- und Insolvenzberatung und der Kinder-, Jugend- und Familienberatung ausdrücklich als eigenes Angebot ihrer Einrichtung benannt (Stellen 2, 3, 4). Die Sexualberatungsstelle (Stelle 1) nennt »Sexualpädagogik« als ihr Aufgabengebiet. In der Jugend- und Drogenberatung (Stelle 2), der Kinder-, Jugend- und Familienberatung sowie der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle (Stelle 5) wird Öffentlichkeitsarbeit als Aufgabe benannt. Insgesamt wird viermal von Pädagogik beziehungsweise Bildung als Aufgabe gesprochen (alle außer Stelle 5). Dabei dürfte es sich in manchen Punkten um Überschneidungen handeln, denn Präventionsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsarbeit / Pädagogik sind in diesem Zusammenhang in ihren Funktionen ähnlich und werden in der Praxis kaum voneinander unterschieden. Vernetzungs- und Kooperationsarbeit wird in zwei Beratungsstellen, der Sexual- und Paarberatung sowie der Kinder-, Jugend- und Familienberatung (Stellen 1 und 4) ausdrücklich als Angebot beschrieben. In weiteren zwei Beratungsstellen, der Jugend- und Drogenberatung und der Schuldner- und Insolvenzberatung (Stellen 2 und 3) wird explizit von Kooperation gesprochen, 65 Hier geht es um die Zielgruppen der Beratungsangebote, nicht der darüber hinaus gehenden Angebote, wie etwa Öffentlichkeitsarbeit. Diese Zielgruppen können noch weitergehender sein. Außerdem ist damit auch nicht gesagt, dass im Ausnahme- beziehungsweise Einzelfall auch andere Konstellationen in der Beratung möglich sind.

125

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

ohne diese als eigenes Angebot zu benennen. Hier liegt also eine Unterscheidung darin, ob Kooperation als eigenes Angebot wahrgenommen wird oder ob es als Mittel zum Zweck, ggf. zum Verfolgen anderer Zwecke, verstanden wird. Tabelle 9: Weitere Angebote der untersuchten Beratungsstellen Beratungsstelle 1) Sexual- / PaarBeratung

2) Jugend- / DrogenBeratung

3) Schuldner/ InsolvenzBeratung

Angebot Präventionsarbeit X X Öffentlichkeitsarbeit X Pädagogik / BildungsX X X arbeit Kooperation als AufgaX be Kooperation findet X X statt Krisenintervention X X X Migrationsspezifische X Angebote X Zunehmende Nachfrage von Menschen mit Migrationshintergrund »X« bedeutet: wird angeboten beziehungsweise trifft zu

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung X X X

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung X

X

X X

X

X

Vom Umgang mit Krisen der Ratsuchenden wird bei allen Beratungsstellen ausdrücklich gesprochen. Damit scheint die Krisenintervention in allen fünf Beratungsstellen ein integraler Bestandteil der Beratungsarbeit zu sein. Für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in zwei Beratungsstellen, in der Schuldner- und Insolvenzberatung sowie in der Kinder-, Jugend- und Familienberatung (Stellen 3 und 4) spezifische Angebote, durch Berater, die die jeweilige Sprache sprechen. Zwei weitere Beratungsstellen, die Sexual- und Paarberatung und die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stellen 1 und 5) beschreiben, dass die Beratungsanfragen von Menschen mit Migrationshintergrund zunehmen. Lediglich in der Jugend- und Drogenberatung (Stelle 2) wird diese Gruppe nicht ausdrücklich benannt. Festzuhalten ist, dass in allen fünf Beratungsstellen über die Beratungsarbeit hinaus weitere soziale Dienstleistungen erbracht werden. Als übergreifend können die bereits genannten Aufgaben »Prävention« (3 Nennungen) und »Pädagogik / Bildungsarbeit« (4 Nennungen) verstanden werden. Darüber hinaus gibt es aber auch spezialisierte Dienstleistungen, die inhaltlich sehr eng

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

mit dem jeweiligen Beratungsangebot verbunden sind. So ist das Angebot einer Wohngemeinschaft für ehemals Suchtabhängige ein Teil des Angebots der Jugend- und Drogenberatungsstelle, und die Mitarbeit bei der Städtischen Jugendhilfeplanung gehört zum Aufgabengebiet der Kinder-, Jugend-, und Familienberatungsstelle. Die Finanzierung der Stellen wurde nicht systematisch abgefragt. In den Interviews zeigt sich aber, dass die Eingrenzung des Angebots teilweise mit den gesetzlichen Finanzierungsgrundlagen begründet wird, wenn etwa die Paar- und Sexualberatung keine Familienberatungsangebote macht, weil diese nicht als Leistung des Schwangerschaftskonfliktgesetz abgerechnet werden können, oder wenn sich der Leiter der Kinder-, Jugend- und Familienberatung bei der Beschreibung des Angebots ausdrücklich auf die Finanzierung von Leistungen nach SGB VIII beruft. In der Regel ist pro Beratungsstelle von Mischfinanzierungen (z. B. Dachverband, Bundesland, Kreis/Stadt, Leistungsträger nach SGB, Eigenanteil der Ratsuchenden, Spenden usw.) auszugehen. Dabei unterscheiden sich die bundesgesetzlichen Finanzierungsgrundlagen weitgehend, so dass hierdurch nicht von gemeinsamen rechtlich geforderten Beratungsstandards ausgegangen werden kann, auch weil die Ausführungsgesetze Ländersache sind und die fünf Beratungsstellen sich in unterschiedlichen Bundesländern befinden. Über die Kopplung der genannten Beratungsinstitutionen wie etwa »Schuldner- und Insolvenzberatung« hinaus, sind drei der fünf Beratungsstellen organisatorisch mit noch weiteren Beratungsinstitutionen in größeren Einheiten verbunden. Bei diesen Beratungsstellen, der Sexual- und Paarberatung, der Jugend- und Drogenberatung sowie der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stellen 1, 2 und 5) ist ausdrücklich davon die Rede, dass es sich jeweils um einen Teil eines größeren »Beratungszentrums« beziehungsweise um ein »Haus der Beratung« handelt. Lediglich die Schuldner- und Insolvenzberatung wie auch die Kinder-, Jugend- und Familienberatung (Stellen 3 und 4) sind organisatorisch nicht mit weiteren Beratungsinstitutionen verknüpft (s. Tabelle 10, S. 127). Alle Dachverbände der Beratungsstellen haben ein schriftliches Beratungskonzept. Drei der Konzepte beinhalten bereits mediale Beratung und zwei haben zusätzlich ein eigenes Konzept für mediale Beratung. Damit scheint das Thema mediale Beratung auf der Dachverbandsebene bearbeitet zu werden, zumal alle Dachverbände ein Weiterbildungsangebot für mediale Beratung bereithalten und außer einem Dachverband alle ein Onlineberatungsportal zur Verfügung stellen.

127

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

Tabelle 10: Rahmenbedingungen der untersuchten Beratungsstellen Beratungsstelle 1) Sexual- / PaarBeratung Rahmenbedingung Beratungsstelle ist Teil eines Beratungszentrums Dachverband hat Beratungskonzept Beratungskonzept umfasst mediale Beratung Dachverband hat eigenes Konzept für mediale Beratung Dachverband hat Onlineberatungsportal Die Beratungsstelle nutzt dieses Onlineberatungsportal Onlineberatung erfolgt webbasiert und verschlüsselt Dachverband bietet Weiterbildungen zu medialer Beratung an Berater haben PC Berater haben Internetzugang Es gibt ein Intranet

2) Jugend- / DrogenBeratung

3) Schuldner/ InsolvenzBeratung

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

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geplant

X

X

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X

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X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Nur OnlineBerater Nur OnlineBerater Nur OnlineBerater

»X« bedeutet: ist vorhanden beziehungsweise trifft zu

Die Onlineberatung erfolgt in vier Beratungsstellen ausschließlich webbasiert und verschlüsselt, aber auch die Beratungsstelle, die noch unverschlüsselt mit herkömmlicher Mailtechnik arbeitet, die Schuldner- und Insolvenzberatung (Stelle 3), plant bereits den Umstieg in eine gesicherte Beratung. In vier der fünf Beratungsstellen (Stellen 1 bis 4) haben alle Berater einen eigenen PC in ihrem Beratungszimmer mit Internetzugang und es gibt eine interne Vernetzung mittels Intranet. Einzige Ausnahme stellt die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5) dar, in der nicht alle Berater einen PC-Arbeitsplatz haben. Die Mitarbeiterin, Frau Imholz, ist auch die Einzige der Interviewten, die in der Online-

128

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

beratung alleine, ohne weitere Kollegen ihrer Stelle, bei einem externen Fachverband mitarbeitet und dabei mit ihrer Stelle nach außen nicht erkennbar ist. Somit arbeitet sie als einzelne Person, von ihrer Stelle beauftragt, in einer virtuellen Beratungsstelle mit. Hier ist also zu berücksichtigen, dass diese Stelle in Bezug auf die mediale Beratungsarbeit eine Besonderheit gegenüber den anderen vier Beratungsstellen darstellt. Die Beraterin arbeitet als Mitarbeiterin ihrer Beratungsstelle in einer virtuellen Beratungsstelle eines Fachverbandes mit, der nicht Teil des eigenen Dachverbandes ist. Indem die Beratungsstelle bei diesem Onlineangebot nicht als Einrichtung sichtbar wird, gibt es auch keine weitergehende strukturelle Verknüpfung zwischen der Stelle und dem Beratungsportal. Beratungsstelle und virtuelle Beratungsstelle arbeiten quasi parallel, lediglich die Arbeitskraft wird von der Beratungsstelle für das mediale Angebot bereitgestellt. Insofern betrifft ihre Tätigkeit als Onlineberaterin auch kaum die Arbeit der anderen Berater und es gibt keine weitere interne Vernetzung. In den angebotenen Beratungssettings unterscheiden sich die Beratungsstellen ebenfalls. Dabei werden manche Beratungssettings bereits durch das Angebot vordefiniert. Wenn beispielsweise Paarberatung offeriert wird, ist das Dreiersetting folglich die Regel. Bei Erziehungsberatung sind demgegenüber sehr unterschiedliche Settings denkbar, wie Einzelberatung (ein Elternteil beziehungsweise ein Kind), Beratung der Eltern beziehungsweise der gesamten Familie. Die beiden Beratungssettings, die von allen fünf Stellen angeboten werden (Tabelle 11, S. 129 f.), sind die Face-to-Face-Einzelberatung und die Mailberatung über ein Onlineportal. Paar-, Familien- und Gruppenberatung werden von jeweils zwei Stellen angeboten. Beim medialen Beratungsangebot muss unterschieden werden, ob es sich um ein ausdrücklich offeriertes Angebot wie Onlineberatung oder Telefonberatung handelt oder, ob es eine Nachfrage einzelner Ratsuchender gibt, auf die eingegangen wird. Drei der Beratungsstellen beantworten auch inhaltliche Mailanfragen, die nicht zum Onlineberatungsangebot gehören und beispielsweise über die Homepage ankommen. In drei Beratungsstellen (Jugend- und Drogenberatung / Schuldnerund Insolvenzberatung / Kinder-, Jugend- und Familienberatung) ist somit Beratung per herkömmliche E-Mail (smtp/POP3) zusätzlich möglich. Eine dieser Stellen, die Schuldner- und Insolvenzberatung, arbeitet allerdings auch im Onlineberatungsangebot noch über ein herkömmliches Mailprogramm, so dass dieser Vorgang nicht vom expliziten Onlineberatungsangebot zu trennen ist. Die beiden anderen Stellen bieten diese Mailberatung zusätzlich zum offerierten Onlineberatungsangebot an, wenn die Initiative von den Ratsuchenden ausgeht. Bei der ersten Mailantwort weist eine Beratungsstelle allerdings ausdrücklich auf die Gefahren einer unverschlüsselten Mailkommunikation hin und bietet die Möglichkeit, ins geschützte Onlineberatungsportal zu wechseln.

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Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

Die Sexual- und Paarberatung, ebenso die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stellen 1 und 5) verweisen grundsätzlich auf die Face-to-Face-Beratung oder auf das Onlineberatungsangebot des Dachverbands, wenn in Mails auch inhaltliche Anfragen gestellt werden. Eine inhaltliche Beratungsantwort erhalten die Ratsuchenden bei diesen beiden Stellen nicht. Ausdrücklich Telefonberatung bietet lediglich die Schuldner- und Insolvenzberatung (Stelle 3) an. In einer weiteren Stelle wird in Krisenfällen aber auch telefonische Hilfe geleistet. Ob dies auch andere Beratungsstellen so handhaben, wurde nicht ausdrücklich abgefragt. Beim Onlineberatungsangebot wird neben der Mailberatung, die von allen Stellen angebotenen wird, zweimal Einzel-Chat, einmal Gruppen-Chat sowie zweimal Beratung in Foren angeboten. Rechnet man die ausschließlich virtuelle Beratung hier heraus, gibt es neben der Mailberatung nur zwei weitere Onlineberatungsangebote: einmal Einzel-Chat und einmal Forenberatung. Dabei werden allerdings auch Einzel-Chat und Gruppen-Chat von einer Stelle auch für die Zukunft abgelehnt, und zwei Stellen schließen grundsätzlich die Beratung in Foren aus. Der Erstkontakt zur Face-to-Face-Beratung erfolgt in allen fünf Beratungsstellen in der Regel per Telefon über das Sekretariat beziehungsweise über den Empfang / die Anmeldung der jeweiligen Stelle. Das heißt die erste Kommunikation der Ratsuchenden geschieht nicht über einen Berater, sondern wird von einer Verwaltungskraft geführt. Auf diese Weise wird die Terminvergabe geregelt und es wird ggf. entschieden, ob eine Krisensituation vorliegt, bei der schneller reagiert werden muss. Tabelle 11: Die Beratungssettings der untersuchten Beratungsstellen Beratungsstelle 1) Sexual- / PaarBeratung Beratungssetting Face to face Einzel Paar Familie Gruppe Medial Telefon

X X

2) Jugend- / DrogenBeratung

X

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung

X

X

X

X X

X X X

X

X

3) Schuldner- / InsolvenzBeratung

130

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

(Fortsetzung) Beratungsstelle 1) Sexual- / PaarBeratung

2) Jugend- / DrogenBeratung

3) Schuldner- / InsolvenzBeratung

Beratungssetting Mail (Homepage)66 X X Ausdrückliche Telefonberatung Telefon X Ausdrückliche Onlineberatung X Übergreifendes X Beratungsportal Dachver- Kommerziell band, Bundesebene Mail68 X X X Einzel-Chat Nein X Gruppen-Chat Nein Foren X Nein Nein »X« bedeutet: wird angeboten beziehungsweise trifft zu »Nein« bedeutet: bewusst dagegen entschieden

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung

X

X Dachverband, Bundesebene X

X67 Fachverband, Bundesebene X X X X

In allen fünf Beratungsstellen (s. Tabelle 12, S. 131) ist es möglich, auch direkt vor Ort einen Termin zu vereinbaren, so dass die Kontaktaufnahme auch ohne mediale Vermittlung möglich ist. In drei der Beratungsstellen ist eine Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung per Mail möglich. Das heißt die Terminvereinbarung erfolgt über Mail und bedarf keines Settingswechsel. Lediglich in der Sexual- und Paarberatung sowie der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stellen 1 und 5) werden die Ratsuchenden bei einer Mailanfrage gebeten, sich per Telefon zu melden und auf diesem Weg einen Termin zu vereinbaren. In der letztgenannten Stelle 5 müssen sich die Ratsuchenden dann sogar zweimal telefonisch melden. Beim ersten Telefonat werden die Anmeldungsmodalitäten 66 Es handelt sich hier um die herkömmliche Mail (smtp/POP3), die beispielsweise über die Homepage gefunden werden kann, nicht um ein ausdrückliches Onlineberatungsangebot. 67 Die Beratungsstelle 5 ist mit diesen Angeboten nach außen nicht erkennbar, da es sich um eine rein virtuelle Beratungsstelle des Fachverbands handelt. Die Angebote sind entsprechend kursiv gesetzt, wenn es sich nicht um unmittelbare Angebote der jeweiligen Beratungsstelle handelt. 68 Hier handelt es sich um ausdrückliche Onlineberatungsangebote per Mail und nicht um allgemeine Mailanfragen über die Homepage. Eine Ausnahme stellt die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle dar. Obwohl sie zum Zeitpunkt der Interviews noch mit herkömmlicher Mail (smtp/POP3; per Mailprogramm, nicht per webbasierter Browserkommunikation) arbeitet, offeriert sie ausdrücklich Onlineberatung per Mail und wird entsprechend dem expliziten Onlineberatungsangebot zugerechnet.

131

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

erklärt, wie etwa die vierwöchige Wartezeit, und die Ratsuchenden können sich auf Wunsch auf eine Warteliste setzen lassen. Nach zwei Wochen müssen sie sich dann aber nochmals melden. Erst dann erhalten sie einen Termin. Tabelle 12: Anmeldung zur FtF-Beratung in den untersuchten Beratungsstellen 3) 2) Beratungsstelle 1) Sexual- / Jugend- / Schuldner- / Drogen- InsolvenzPaarBeratung Beratung Beratung Anmeldung zur FtF-Beratung Über Sekretariat / X X X Empfang Telefonisch X X X Vor Ort X X X Per Mail X X Bei Anfragen per Mail X Verweis auf Telefon »X« bedeutet: wird angeboten beziehungsweise trifft zu

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung X X X X

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung X X X X

Bei vier der Beratungsstellen ist es möglich, bei einer begonnenen Onlineberatung zum jeweiligen Berater vor Ort zu wechseln (Tabelle 13, S. 132). Allerdings wird von dreien dieser Beratungsstellen (Stellen 1 bis 3) berichtet, dass das in der Regel nicht vorkommt, weil das Beratungsangebot nicht regionalisiert ist und die Ratsuchenden somit häufig weit entfernt wohnen. Bisweilen haben die Ratsuchenden aber selbst für ihre Onlineberatung eine Stelle in ihrer Nähe gewählt, und so ist dieser Wechsel vereinzelt durch diese Vorauswahl der Klienten möglich. Eine Beratungsstelle (Kinder-, Jugend- und Familienberatung, Stelle 4) benennt, dass der Wechsel zur Face-to-Face-Beratung der jeweiligen Stelle sogar konzeptionell gewünscht ist und im Onlineberatungsportal bei der Anmeldung deshalb eine Auswahl per Postleitzahl vorgeschaltet ist. Bezüglich des Settingswechsels stellt die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5), wie bereits beschrieben, eine Besonderheit dar, da die Onlineberatungsplattform konzeptionell jegliche Verknüpfung zwischen der virtuellen Beratungsstelle und einer mitarbeitenden Stelle vor Ort verbietet. Demgegenüber ist ein allgemeiner Verweis auf Beratungsstellen vor Ort aber bei allen Onlineberatungsangeboten möglich und teilweise sogar konzeptionell gewünscht. Ein umgekehrter Verweis von der Face-to-Face-Beratung auf das eigene Onlineberatungsportal wird bei dieser Beratungsstelle allerdings praktiziert, um die Ratsuchenden mit anderen Ratsuchenden zum gleichen Problem in Selbsthilfeforen zusammenzubringen.

132

Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Tabelle 13: Settingswechsel in den untersuchten Beratungsstellen 3) 2) Beratungsstelle 1) Sexual- / Jugend- / SchuldnerDrogen- / InsolPaarBeratung Beratung venzBeratung Settingswechsel in der Beratungsstelle Onlineberatung zu X X X Face-to-Face-Beratung der jeweiligen Stelle möglich X X X Onlineberatung mit allgemeinem Verweis zu Beratungsstellen vor Ort Onlineberatung zu Face-to-Face-Beratung konzeptionell gewünscht Mail zum Telefon X möglich Mail zum Telefon konX69 zeptionell gewünscht X70 Telefonberatung zur Face-to-Face-Beratung konzeptionell gewünscht X Mail ergänzend zur Face-to-Face-Beratung möglich Mail zur webbasierten Mailberatung Verweis von Face-toFace-Beratung zu Onlineberatung »X« bedeutet: wird angeboten beziehungsweise trifft zu

4) Kinder- / Jugend- / FamilienBeratung

5) Erziehungs-/ Ehe- / Allgemeine LebensBeratung

X

X

X

X

X

X X

Bei zwei Stellen ist ein Settingswechsel von der Mailberatung zum Telefon möglich. So bietet die Kinder-, Jugend- und Familienberatung (Stelle 4) dies ggf. an, wenn es sich um Krisensituationen handelt, aber auch ein Verweis auf die Stelle vor Ort ist neben einer inhaltlichen Antwort möglich. Die Schuldner- und Insolvenzberatung (Stelle 3) möchte vom Konzept her sogar gezielt bei einem Teilangebot (Krisenberatung für Kleinunternehmer) die Ratsuchenden von der 69 Das gilt allerdings nur für ein Teilangebot dieser Stelle: Bei der regionalen Krisenberatung für Kleinunternehmer. 70 Wie vorherige Fußnote.

Strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen

133

Mailberatung zur Telefonberatung und von dort zur Face-to-Face-Beratung leiten. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich die fünf untersuchten Beratungsstellen auf Grund der Vorauswahl unterscheiden und zwar hinsichtlich Beratungsinstitutionen, Zielgruppen, Dachverbandszugehörigkeit, Onlineberatungsplattform und Bundesland. Ebenfalls auf Grund der Vorauswahl bieten sie alle Face-to-Face-Beratung und mindestens eine Form einer expliziten Onlineberatung an und sind per E-Mail über eine Homepage oder Visitenkarte der Stelle im Internet erreichbar. Darüber hinaus gibt es Gemeinsamkeiten dieser Beratungsstellen sowohl im allgemeinen Angebot als auch hinsichtlich der medialen Angebote, die nicht unmittelbar durch die forschungsmethodische Vorauswahl erklärbar sind. So wird übereinstimmend in allen fünf Beratungsstellen benannt, dass Krisenintervention zum Aufgabengebiet gehört, ohne dass im Interview danach gefragt worden wäre. Über die Beratungsarbeit hinaus werden auch Präventionsarbeit (drei Stellen), Öffentlichkeitsarbeit (drei Stellen) und Pädagogik/Bildungsarbeit (vier Stellen) als Angebote der Stellen beschrieben. Damit scheint bei allen fünf befragten Stellen eine – wie auch immer begrifflich benannte – Form von Aufklärungsarbeit zum Auftrag zu gehören, der über die Beratungsarbeit in Bezug auf die zur Beratungsstelle kommenden Ratsuchenden hinausgeht. Kooperation als Angebot der Stelle wird lediglich von zwei Stellen genannt, was nicht bedeuten muss, dass diese bei den anderen Stellen nicht stattfindet. Vier der Beratungsstellen benennen aber von sich aus, dass die Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund eine Bedeutung für die Stelle hat. Zwei Stellen bieten explizite Angebote für diese Zielgruppe an, während zwei weitere von einer zunehmenden Nachfrage durch diese Gruppe sprechen. Was die medialen Rahmenbedingungen angeht sind die interviewten Berater alle mit Internettechnik ausgestattet. In vier Stellen haben sie in ihren Beratungsräumen eigene PCs mit Internet- und Intranetzugang. Lediglich in der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5) gilt das nur für die Beraterin, die in der Onlineberatung tätig ist. Das ist allerdings der bereits dargelegten Besonderheit der Virtuellen Beratungsstelle geschuldet, die eine organisatorische Einbindung einer gesamten Stelle nicht erlaubt. Gemeinsam ist bei allen Beratungsstellen, dass es bei den jeweiligen Verbänden spezielle Weiterbildungen für mediale Beratung gibt. Bei der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5) trifft das sowohl auf den Fachverband des Onlineberatungsangebotes zu als auch auf den Dachverband auf Bundesebene, der identisch ist mit dem Bundesverband der Kinder-, Jugendund Familienberatung (Stelle 4). Bei vier der fünf Beratungsstellen hat der Dachverband ein zentrales Beratungsportal, das webbasiert und verschlüsselt funktioniert. Die Jugend- und

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Drogenberatungsstelle nutzt allerdings ein kommerzielles Portal, will aber künftig zusätzlich das Portal des eigenen Dachverbandes nutzen. Die Schuldnerund Insolvenzberatungsstelle arbeitet als einzige Stelle noch mit herkömmlicher Mail (smtp/POP3). Allerdings ist bereits geplant in Kürze auf ein eigenes webbasiertes und verschlüsseltes Beratungsportal umzusteigen. Die Ehe-, Familienund Lebensberatung hat auch künftig nicht vor, vom Angebot des Fachverbandes auf das des eigenen Dachverbandes zu wechseln. Da auch die genutzte virtuelle Beratungsstelle webbasiert und verschlüsselt arbeitet, ist diese browserbasierte Form der Onlineberatung in absehbarer Zeit Standard in allen fünf Beratungsstellen. Ein Trend weg von der herkömmlichen unsicheren E-Mail ist somit beim Onlineberatungsangebote auszumachen. Die Vielfalt und Ausgestaltung der Beratungssettings in den Stellen hängt sehr vom jeweiligen Angebot der Beratungsinstitution ab. Allerdings werden zwei Settings in allen fünf Beratungsstellen angeboten. Das sind die Einzel-Face-toFace-Beratung und die Mailberatung, die ebenfalls als Einzelberatung angelegt ist. Einzelchat, Gruppenchat und Beratung per Foren werden nur vereinzelt angeboten. Übereinstimmungen gibt es bei den Beratungsstellen auch in Bezug auf den Vorgang der Anmeldung der Klienten zur Face-to-Face-Beratung der jeweiligen Stelle. In allen Stellen geschieht der Erstkontakt in der Regel über das Sekretariat/den Empfang, von wo der Kontakt zum jeweiligen Berater mit Terminvergabe organisiert wird und gegebenenfalls eingeschätzt wird, ob es sich um eine Krisensituation handelt, die eine schnellere Intervention erfordert. Die Anmeldung ist in allen Stellen per Telefon und vor Ort am Empfang möglich. Bei drei Stellen kann man sich auch per Mail anmelden, während die anderen beiden Einrichtungen bei Anfragen per Mail auf die Telefonnummer des Sekretariats/ Empfangs zur telefonischen Anmeldung verweisen. Der Settingswechsel wird in den Beratungsstellen sehr unterschiedlich gehandhabt. Ausschließlich ein allgemeiner Verweis von der Onlineberatung zu einer Face-to-Face-Beratung ist in allen Stellen möglich. Außer bei der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5), die mit dem speziellen Konzept einer ausschließlich virtuellen Beratungsstelle arbeitet, ist es dabei bei allen anderen Stellen auch möglich, zur jeweils beratenden Einrichtung vor Ort zu wechseln, wenn die Entfernung zum Wohnort des Klienten dies zulässt. Insgesamt zeigt sich somit in den Angeboten der Beratungsstellen und ihrer Ausgestaltung eine große Heterogenität. Aber es gibt auch einige strukturelle Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Ausstattung und Vernetzung der Stellen, hinsichtlich der beiden überall angebotenen Beratungssettings Face-to-FaceEinzelberatung und Mailberatung, aber auch in Bezug auf die bevorzugte Organisation der Anmeldung zur Face-to-Face-Beratung per Telefon über das Sekretariat. Die Zielgruppen und Themenstellungen der Beratungsinstitutionen

Rahmenbedingungen der Beratungsstellen

135

unterscheiden sich zum Teil erheblich. Gemeinsam ist ihnen zwar, dass sie den Anspruch haben die Menschen in ihren jeweiligen Problemlagen zu beraten. Die Frage was eine solche Beratung ausmacht, unterscheidet sich aber zum Teil sehr stark. Sehr kontrastreich sind vor allem die Beratungsinstitutionen, in denen die Beziehungen der Klienten eine oder sogar die zentrale Fragestellung darstellen mit anderen Beratungsinstitutionen. Sowohl bei der Jugend- und Drogenberatung als auch bei der Schuldner- und Insolvenzberatung werden vorwiegend Einzelpersonen beraten. Das bedeutet, dass in der Beratungssituation Beziehungsthemen nicht im Vordergrund stehen und höchstens mittelbar thematisiert werden. Während es in den meisten der untersuchten Beratungsinstitutionen vorwiegend um Prozessberatung geht, in denen die Ratsuchenden selbst lernen mit ihren Beziehungsproblemen anders umzugehen, geht es in der Insolvenz- und Schuldnerberatung außerdem sehr stark um das Informieren der Klienten bezogen auf den Umgang mit der Überschuldungssituation. Die Beratung im Sinne rechtlicher Aufklärung, insbesondere bei der Insolvenzberatung unterscheidet sich somit sehr von anderen Beratungsformen. Allerdings wird in der Studie auch deutlich, dass in den anderen Beratungseinrichtungen ebenfalls das aktive Umgehen mit Informationen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, gerade mit denen aus dem Internet. So kann insgesamt von unterschiedlichen Schwerpunkten in den verschiedenen Beratungsfeldern gesprochen werden. Die Unterschiede liegen dabei jedoch eher in der Quantität der jeweils erforderlichen beraterischen Interventionen als in einer grundsätzlichen Verschiedenheit von Beratung. Bei einem ganzheitlichen Anspruch von Beratung kann schließlich jedes Problem thematisiert werden, wenn es dann in der Bearbeitung der Problematik auch Unterschiede beziehungsweise Weiterverweise gibt.

5.7

Rahmenbedingungen der Beratungsstellen

Nun stellt sich die Frage, inwiefern organisationsübergreifende Rahmenbedingungen Einfluss auf die Beratungsarbeit nehmen. Dabei werden zunächst die Fragen ausgespart, die sich auf die innerorganisatorische Struktur und die verwendete Kommunikationstechnik der Beratungsstellen beziehen. Diese werden im nachfolgenden Kapitel zur Technikeinführung und Techniknutzung separat bearbeitet. So werden nun die verbandliche Einbindung der Beratungsstellen, die externen fachlichen Standards und die Finanzierung in den Blick genommen. Alle fünf Beratungsstellen gehören einem der großen und anerkannten Wohlfahrtsverbände an. Sie sind somit Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Ein Bundesverband ist, wie bereits dargestellt, zweifach vertreten. Zwei

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

der Beratungsstellen arbeiten in der Onlineberatung auf einer externen Beratungsplattform. Eine Stelle hat ein eigenes Portal und zwei Beratungsstellen nutzen das Portal ihres eigenen Bundesverbandes, wobei eine der beiden Stellen gerade erst zum eigenen Verband gewechselt ist. Dies weist darauf hin, dass die Verantwortlichen in den lokalen Einrichtungen Wahlmöglichkeiten haben dürften bezüglich der Wahl einer bestimmten Beratungsplattform. Allerdings unterscheiden sich die Verbände darin, wie etabliert ihr Internetangebot ist: Einige Verbände haben bereits eine jahrelange Tradition und Erfahrung in der Onlineberatung; andere bauen ihr Angebot erst auf. Es gibt auch Wohlfahrtsverbände, die kein eigenes verbandliches Onlineberatungsportal bereitstellen. Dementsprechend ist die eingeforderte Verbindlichkeit der Verbände, das eigene Angebot zu nutzen, sehr unterschiedlich. Lediglich in der Sexual- und Paarberatung steht es außer Frage, dass das Bundesportal des eigenen Verbandes genutzt wird. In den anderen Stellen sind andere Optionen denkbar, wenn diese nicht ohnehin genutzt werden. Ist die Entscheidung aber erst einmal für ein bestimmtes Beratungsportal gefallen, so werden durch die Technik allerdings neue Fakten geschaffen, die die Möglichkeiten wieder eingrenzen. Was die Verbände angeht, wurde in keinem Interview von Restriktionen in Bezug auf Neue Medien gesprochen. Vielmehr zeigt sich, dass die Dachverbände als Dienstleister fungieren und Informationen, Konzepte und gegebenenfalls Infrastruktur (z. B. Intranet, Weiterbildungen) zur Verfügung stellen. Die geforderte Verbindlichkeit in der Umsetzung von verbandlichen Konzepten dürfte sich in den verschiedenen Dachverbänden unterscheiden. Schließlich sind die Geschichte und das jeweilige Selbstverständnis sehr verschieden. Allerdings zeigen sich in keiner Beratungsstelle zwingende Vorgaben in Bezug auf die konzeptionelle Umsetzung medialer Beratung. Zwar existiert in allen fünf Dachverbänden ein Beratungskonzept, in dreien ist darin auch ein Konzept für mediale Beratung enthalten, oder es gibt dafür sogar ein spezielles Konzept. Das bedeutet aber nicht, dass diese Konzepte direkte Auswirkungen auf das Angebot haben. Die fachlichen Standards der übergreifenden Fachverbände wie der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) und des Deutschen Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familienberatung (DAKJEF) spielen vor Ort keine direkte Rolle, höchstens mittelbar, wenn sie in andere Konzepte inhaltlich Eingang gefunden haben. Zumindest was die mediale Beratung angeht, wurde von keinem Kontrollsystem berichtet, das die konzeptionellen Vorgaben in den Beratungsstellen verbindlich einfordern würde. Es handelt sich in der Praxis bei den Verbandskonzepten und fachlichen Standards somit de facto meist um eine unverbindliche Orientierung, auch wenn das von den Verbänden zum Teil anders dargestellt wird. Allerdings werden durch diese Standards und Konzepte Erfahrungen und Ideen strukturiert vermittelt, was dann über fachliche Begründungen auch vor Ort eine gestaltende Wirkung entfalten kann. Immerhin

Rahmenbedingungen der Beratungsstellen

137

sind die Konzepte ja in den Stellen vor Ort zur Kenntnis genommen worden, so dass sie über die fachliche Kommunikation ihre Bedeutung gewinnen. Anders ist die Verbindlichkeit allerdings dann, wenn sich eine Beratungsstelle einem bestimmten Beratungsportal anschließt. Die verwendete Technik und die organisatorischen Abläufe strukturieren das Onlineberatungsangebot dann vor. Die Gestaltungsmöglichkeiten für die Beratungsstelle werden dadurch eingeschränkt. Die Kosten reduzieren sich aber auch, da die gesamte Lösung gemeinsam finanziert wird. Das gilt für verbandliche wie für kommerzielle Portale. Bei einer verbandlichen Plattform kommen zusätzlich noch konzeptionelle Vorgaben hinzu, wie das Beispiel der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung zeigt. Deutlich wird das, wenn Frau Imholz beispielsweise beschreibt, dass sie als Beraterin in der virtuellen Beratungsstelle nicht auf ihr eigenes Beratungsangebot ihrer Beratungsstelle vor Ort verweisen darf: »Ja das hat jetzt nichts mit mir zu tun. Das ist die Vorgabe von dem Träger der Beratungsstelle. [Gemeint ist die virtuelle Beratungsstelle des Fachverbands, J.W.] Ich glaube, das hat damit zu tun, dass äußerstes Prinzip diese Anonymität ist.« (Fr-ImholzErzEheLeb-K, Z. 796 f.)

Frau Imholz kann bei ihrer Beratung, die über das Portal der virtuellen Beratungsstelle geschieht, somit auch in manchen fachlich Punkten nicht selbst entscheiden, sondern ist auf die konzeptionellen Vorgaben des die Plattform betreibenden Fachverbands angewiesen. Eine ähnliche Verbindlichkeit können Konzepte und Standards in Beratungsstellen bewirken, die im Rahmen eines Qualitätsmanagements zertifiziert und überprüft werden, wenn der Verband die entsprechenden fachlichen Vorgaben macht. Davon war bei den untersuchten Beratungsstellen allerdings keine Rede. Somit ist es, außer in der Sexual- und Paarberatung, den Stellen überlassen, welches Portal sie wählen und mit welchem Konzept sie arbeiten, selbst wenn es das eines anderen Verbands ist. Alle Beratungsstellen haben die Möglichkeit, bei ihrem Dachverband oder einem angegliederten Fachverband eine Weiterbildung in medialer Beratung wahrzunehmen. Das zeigt, dass sich die verschiedenen Verbände dieser Fragestellung bereits aktiv annehmen, selbst dann, wenn sie kein eigenes Beratungsportal zur Verfügung stellen. Dennoch wird der Weiterbildungsbedarf aus Perspektive derer, die bereits mit Onlineberatung befasst sind, noch nicht angemessen gedeckt. Auf die Frage »Sehen Sie durch die neuen medialen Möglichkeiten einen weitergehenden Bedarf bezüglich der Aus- und Weiterbildung von Berater/innen, der zur Zeit noch nicht abgedeckt wird?« antworten alle Interviewpartner mit »Ja«. Das ist ein klares Votum. Demnach gibt es zwar Weiterbildungsmöglichkeiten auf Verbandsebene, die allerdings aus Sicht der Berater noch weiterentwickelt und ausgebaut werden sollten. Die Finanzierungsstrukturen der Beratungsstellen haben Einfluss auf die

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

Ausgestaltung des Beratungsangebots. Anders als die Dachverbände sind die jeweiligen öffentlichen Kostenträger angehalten, eine sachgemäße Leistungserbringung der Beratungsstellen sicher zu stellen und zu dokumentieren. Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Vergabe der öffentlichen Mittel zu kontrollieren und werden selbst wiederum von übergeordneten Institutionen, vor allem dem jeweils zuständigen Rechnungshof, kontrolliert. In Verträgen zwischen den Beratungsstellen und den Kostenträgern werden die vereinbarten zu erbringenden Leistungen definiert. Insofern haben die vertraglichen Regelungen eine lenkende Wirkung, was die Ausgestaltung der Angebote einer Beratungsstelle betrifft. Insbesondere dann, wenn eine Beratungsstelle im Auftrag eines Kostenträgers Leistungen nach einem bestimmten Gesetz erbringt, ist für die Abrechnung sicherzustellen, dass lediglich gesetzlich begründete Angebote gemacht werden. Frau Arnold antwortet entsprechend auf die Frage, ob sie in ihrer Beratungsstelle auch Familienberatung anbieten, gemäß der gesetzlichen Einordnung: »Das machen wir nicht. Wir sind ja ne Schwangerenberatungsstelle und das ist noch so im Rahmen der des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Familienberatung ist dann mehr Jugendhilfe, aber wir sind keine Jugendhilfestelle.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 17 ff.)

Das Ausschließen von Familienberatung wird somit durch die gesetzliche Zuordnung zum Schwangerschaftskonfliktgesetz begründet. Die Finanzierungsstruktur entscheidet nach dieser Logik, welche Hilfemaßnahmen möglich sind und welche nicht. Entscheidend ist hier nicht eine fachliche Erörterung. Schließlich könnte man ja auch argumentieren, dass es bei manchen Fragestellungen Sinn machen kann, nicht alleine das Paar in die Thematik einzubeziehen, sondern die gesamte Familie, einschließlich der Kinder. Dabei gibt es ja auch Beratungskonzepte und -ansätze, wie die systemische Beratung und Therapie, die gerade die Einbeziehung des Gesamtsystems zur Bearbeitung einer Problemsituation als hilfreich einschätzen. Danach sind bestimmte Symptome oder Probleme lediglich Ausdruck übergeordneter Fragestellungen. Durch die Entweder-oder-Kategorisierung »Schwangerschaftskonfliktgesetz« versus »Jugendhilfe« ist es allerdings nicht mehr im Möglichkeitshorizont, bei Bedarf ein Setting Familienberatung zu nutzen oder es fachlich abzuwägen. Bisweilen wird in manchen Dienstleitungskontexten sogar von einem »Leistungskatalog« gesprochen. Ein solcher macht es unter Umständen sehr schwierig, den einzelnen Menschen mit seinen jeweiligen Problemen im Blick zu behalten. Allerdings haben die Beratungsstellen auch gewisse Freiräume. Einem freien Träger dürfen die staatlichen Kostenträger nicht die interne Organisation vorschreiben und auch bei der Leitungserbringung selbst muss ein gewisser Spielraum zur freien Gestaltung nach Maßgabe des freien Trägers, auch auf Grund rechtlicher Vor-

Rahmenbedingungen der Beratungsstellen

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gaben, erhalten bleiben. Wird die Onlineberatung von Kostenträgern nicht eigens finanziert, sondern aus Eigenmittel der Einrichtungen getragen, gibt es auch keine Vorgaben zu beachten. Eine Regelfinanzierung für Onlineberatung gibt es dabei bislang nicht. Zum Teil kann sie aber analog zu telefonischer Beratung abgerechnet werden. Zu Schwierigkeiten kann es kommen, weil die Kostenträger in der Regel nur die Beratung von Personen aus ihrem Zuständigkeitsbereich bezahlen, das heißt aus vordefinierten Einzugsgebieten. Zwar werden nicht wenige Beratungsleistungen durch Landesmittel finanziert, aber das Einzugsgebiet bezieht sich dennoch häufig auf die (mit-)finanzierende Stadt beziehungsweise Landkreisebene. Beim Dachverband der Sexual-, und Paarberatungsstelle werden die Kosten auf Landesebene umgelegt, das heißt, wenn die Stellen eines Bundeslandes mehr beziehungsweise weniger E-Mails beantworten als es Anfragen aus diesem Bundesland gab, wird der Überhang zwischen den Landesverbänden verrechnet. Die Realität des Internets ist dabei eine andere als bei Face-to-Face-Angeboten, schließlich spielen in der vernetzten Welt räumliche Distanzen keine Rolle. Wo die Beratungsorganisation ansässig ist, ist für die mediale Kommunikation irrelevant. Herr Dreher beschreibt entsprechend für die Onlineberatung der Jugend- und Drogenberatung: »Also das Internet suggeriert ja, dass alles von überall verfügbar ist. Das ist auch o.k. Wir ähm ham zwar in unsrer Beschreibung so drauf hingewiesen, dass wir uns zu also in erster Linie für den [Landkreis XY] und Süd[Bundesland] verantwortlich fühlen, aber dass auch andere Ratsuchende nicht ausgeschlossen sind«. (Hr-Dreher-JuDro, Z. 92 ff.)

Somit spielt es für die Ratsuchenden, die das Onlineangebot der Stelle im Internet finden, keine Rolle, von woher sie kommen. Der Wohlfahrtsverband auf Bundesebene hat in seinem Portal, auf dem die Stelle noch nicht mitarbeitet, eine Postleitzahlenzuordnung eingerichtet. Über einen »Postleitzahlenfilter« (ebd. Z. 107) können die Ratsuchenden dann den Beratungsstellen vor Ort zugeteilt werden. Eine solche lokale Verteilung kann zwar auch inhaltlich begründet sein, weil die Berater dann das psychosoziale Netz der Region des Ratsuchenden besser kennen und außerdem ein Wechsel in die lokale Beratungsstelle möglich wäre. Der Beweggrund für eine solche Postleitzahlverteilung liegt jedoch eher in der Legitimationsfunktion gegenüber den Kostenträgern, die nicht bereit sind, für Klienten aus anderen Gebieten die Kosten zu übernehmen. In der Praxis gewährleistet der Filter jedoch nicht, dass die Personen auch tatsächlich aus dem genannten Gebiet stammen. Wer anonym beraten werden will, wählt dann nämlich gerade eine Stelle aus, die weiter weg gelegen ist. Und falls bei einem Onlineberatungsangebot nur bestimmte Postleitzahlen bedient werden, selektiert das System letztlich danach aus, ob die Ratsuchenden kognitiv in der Lage

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

sind, herauszufinden, welche Postleitzahl den Zugang ermöglicht. Eine objektive Verifizierung nach Postleitzahlen ist bei anonymen Beratungsangeboten im Internet nicht möglich. Das wäre lediglich mittels einer Identitätsprüfung per digitale Unterschrift möglich, was im Bereich der psychosozialen Beratung jedoch undenkbar ist. Solange es keine überregionalen Finanzierungen für Onlineberatung gibt, ist der Postleitzahlenfilter für Beratungsstellen jedoch eine Möglichkeit, die Finanzierung durch regionale und lokale Kostenträger zu ermöglichen. Angebote der Beratungsstellen, die nicht auf einem staatlich festgelegten Leistungsanspruch, wie etwa der Erziehungsberatung, beruhen, sind immer wieder abhängig von punktueller Finanzierung, etwa über Projektmittel. So beschreibt Frau Ehlers, dass es in ihrer Schuldner- und Insolvenzberatung vor einigen Jahren drei vollfinanzierte Stellen für Präventionsarbeit gab, nun aber die Präventionsarbeit »stiefmütterlich« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 86) geleistet würde, und es somit derzeit lediglich möglich sei, auf Anfragen zu reagieren, nicht aber Präventionsmaßnahmen aktiv zu gestalten. Bei Kann-Leistungen und freiwilligen Leistungen bedarf es immer wieder intensiver Überzeugungsarbeit, um Gelder zu akquirieren. So verhält sich das auch in Bezug auf Onlineberatung, die kaum aus der Projektfinanzierung herausgekommen ist und in den meisten Fällen durch Eigenmittel der Wohlfahrtsverbände getragen wird. Sobald ein Verband die Beratungsplattform für die Beratungsstellen bereitstellt, werden dadurch Fakten geschaffen, die sich unmittelbar auf die Onlineberatungsarbeit auswirken. So beschreibt Herr Dreher, weshalb die Jugend- und Drogenberatungsstelle, in der er arbeitet, nicht die Onlineberatungsplattform des eigenen Verbands gewählt hat, sondern bisher auf dem Server eines kommerziellen Anbieters arbeitet: »Also es ist so ähm der [Wohlfahrtsverband Bundesebene] hat diese Beratungs dieses Beratungssetting gewählt und hat die klassischen fünf Säulen der Beratungslandschaft in dieses Beratungssetting abgebildet. Wir ham ja die Schwierigkeit, in der Jugend- und Drogenberatung in ner bestimmten Sondersituation zu sein, weil wir verschiedene Themen bearbeiten, das heißt also Jugendberatung und Drogenberatung in einem, und ähm sind sozusagen sehr schwierig, nur in diese Säulen zu kategorisieren. Deswegen arbeiten wir noch eigenständig in ner eigenständigen Beratungsform, mit nem anderen Softwareanbieter als es der [Wohlfahrtsverband Bundesebene] da gibt’s noch äh Überlegungen wie mer des so insgesamt unter einen Hut bringen kann.« (Hr-DreherJuDro, Z. 123 ff.)

Demnach findet eine Kategorisierung der Beratungsarbeit beim verbandseigenen Onlineportal statt, die dem Angebot der Stelle vor Ort, nach Einschätzung von Herrn Dreher, nicht gerecht wird. Die Stelle müsste sich entscheiden, welcher der »Säulen« sie sich zuordnet. Die Themen, die bearbeitet werden, sind »Jugend« und »Drogen«. Die eine Ausrichtung des Angebots richtet sich dem-

Rahmenbedingungen der Beratungsstellen

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nach an eine Zielgruppe, die Jugendlichen und die andere an ein Problemverhalten, nämlich Drogenkonsum und Suchtverhalten. Während die Probleme Jugendlicher sehr unterschiedliche Fragen betreffen können, gehören Süchtige sehr verschiedenen Altersgruppen an. Demnach wird von der Beratungsstelle ein sehr heterogenes Angebotsspektrum eingebracht, das in der Darstellung und im Zugang des Onlineberatungsportals des eigenen Dachverbands nicht widergespiegelt wird. Die Konsequenz ist, dass die Beratungsstelle noch »eigenständig« arbeitet. Indem Herr Dreher diesen Begriff zweifach gebraucht, macht er deutlich, dass er eine wichtige Bedeutung hat. Schließlich ist die Stelle somit nicht in das Angebot des eigenen Bundesverbands eingebunden, was offensichtlich auch eine Eigenständigkeit des eigenen Angebots darstellt. Allerdings zeigt sich damit auch, dass der Dachverband den verbandlichen Einheiten vor Ort nicht vorschreibt oder nicht vorschreiben kann, wo sie ihre Beratungsdienstleistungen anbieten. Das »noch eigenständig« deutet jedoch an, dass dies nicht auf Dauer gedacht ist und dass es eine Tendenz gibt, künftig beim eigenen Verband mitzuarbeiten. Es geht dabei vor allem darum, die heterogenen Angebote in Zukunft »unter einen Hut« zu bringen. Demnach stellt sich auf der Anbieterseite von Onlineberatung die Frage, wie die unterschiedlichsten Onlineberatungsangebote in einem Gesamtkonzept dargestellt werden können. Das benannte Fünfsäulenmodell, unter dem sich bislang alle Angebote subsumieren müssen, wird dem jedenfalls nicht gerecht. Bei der Betrachtung der organisatorischen Rahmenbedingungen zeigt sich insgesamt, dass die organisationsübergreifenden Einflüsse durch Dachverbände und Fachverbände nur langsam Veränderungen in den Beratungsstellen in Bezug auf die Neuen Medien bewirken. Da die untersuchten Einrichtungen eigenständig sind, das heißt von einer höheren Verbandsebene keine unmittelbare Weisung erteilt werden kann, gibt es im Umgang mit den Neuen Medien einen großen Gestaltungsspielraum. Größeren Einfluss könnten die Kostenträger ausüben, wenn zum Beispiel für die Abrechnung genaue Vorgaben gemacht würden. Das war bei den untersuchten Beratungsstellen jedoch nicht der Fall. Es wird deutlich, dass die Vorgaben der Dachverbände eher als konzeptionelle Gesprächsgrundlage dienen denn als verbindliche Richtlinien. Organisationsübergreifenden Einflüsse zeichnen sich also nur sehr langsam ab. In einem Stadium, da die mediale Beratung kein fester Bestandteil des Gesamtangebots ist, haben die digital vermittelten Dienstleistungen der Beratungsstellen eher noch Projektstatus. Seitens der Dachverbände gibt es aber auch keine flächendeckenden Kontrollmechanismen, die bestimmte Regelungen einfordern würden. Dennoch wird über die Richtlinien und Standards ein kommunikativer Austausch gewährleistet, der eine abgestimmte Entwicklung medialer Beratungsangebote vorantreibt. Da die Onlineberatung nicht zur Regelfinanzierung gehört, gibt es auch von Seiten der Kostenträger noch keine allgemeinen ver-

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Falldarstellungen und Strukturbeschreibungen

bindlichen Richtlinien. Wird die Onlineberatung von lokalen Kostenträgern finanziert, gibt es teilweise Postleitzahlverteilungssysteme, die vor allem der Zufriedenstellung der finanzierenden Behörden dienen. Da die Finanzierung aber maßgeblich durch Eigenmittel der freien Träger geleistet oder als Zusatzleistungen zu den Face-to-Face-Beratungen erbracht wird, gibt es bei medialer Beratung bislang wenig Vorgaben, die die fachlich begründeten Gestaltungsmöglichkeiten der Beratungsstellen merklich einschränken. Die Rahmenbedingungen der Beratungsstellen sind durch die freien Träger ohnehin frei zu gestalten und dürfen nicht durch staatliche Vorgaben unangemessen reglementiert werden. Die Einführung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik und medialer Beratungsangebote hängt somit viel stärker von den persönlichen Präferenzen der Mitarbeiter der jeweiligen Einrichtungen ab als von organisatorischen Rahmenbedingungen, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. Das jeweils von der Beratungsstelle genutzte Onlineberatungsportal bedeutet demgegenüber einen vergleichsweise großen Einfluss auf die Onlineberatungsarbeit. Schließlich wird durch die jeweilige Kommunikationstechnik und den dadurch vorstrukturierten Beratungsprozess das Onlineberatungsangebot maßgeblich geformt. Indem die befragten Beratungsstellen wählen können, mit welchem System sie arbeiten möchten, tritt die Gestaltungsmöglichkeit des jeweiligen Verbands hinter den Einfluss des Anbieters eines Beratungsportals zurück. Lediglich in zwei der fünf Beratungsstellen, nämlich in der Sexual- und Paarberatungsstelle und in der Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle wird mit dem Onlineberatungsportal des eigenen Dachverbandes gearbeitet. Dadurch wird die unmittelbare Ausgestaltung der Onlineberatung durch die verbandsinternen Vorgaben maßgeblich geprägt.

6. Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Im vorangegangenen Kapitel wurden die einzelnen interviewten Beraterinnen und Berater sowie die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsstellen und die organisatorischen Rahmenbedingungen dargestellt. Im Folgenden werden nun zentrale Aspekte aus den Interviews, die übergreifende Themen erschließen, ausgeführt. Die Interpretation zielt darauf, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, die im Zusammenhang mit dem Wandel der Beratung durch Neue Medien stehen. Die Darstellung der Themen beginnt in diesem Kapitel mit den äußeren Rahmenbedingungen, wie etwa der Einführung der Technik in den Beratungsstellen. Sie führt über Fragen des Gebrauchs der Kommunikationstechnik durch die Berater zu den stärker beratungsfachlichen Fragestellungen bis hin zum Wandel der Beraterrolle durch die Neuen Medien.

6.1

Technikeinführung zwischen Angst und Faszination

Die Einführung der Kommunikationstechnik in den einzelnen Beratungsstellen hat ihre jeweils eigene Geschichte. So wie die Medialisierung in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Gesellschaft zugenommen hat, haben Computer und Neue Medien entsprechend auch Einzug in den Beratungsstellen gehalten. Der Prozess der Einführung der Computer- und Kommunikationstechnik wird im Folgenden dargestellt, indem rekonstruiert wird, wie dies in den Beratungsstellen vonstattenging. Es ist davon auszugehen, dass die Berater unterschiedliche Einstellungen und Umgangsweisen in Bezug auf die technischen Neuerungen haben, was ebenfalls untersucht werden soll – ebenso die Frage, inwiefern die neue Technik von der Leitung oder den Mitarbeitern selbst eingeführt wird. Am häufigsten wird von den Interviewpartnern in Bezug auf andere Berater die Angst vor neuer Technik benannt. Frau Arnold spezifiziert dies dahingehend, dass manche der Kollegen Angst hätten, überflüssig zu werden. Gedanken stehen dabei im Raum, dass demnächst alles »irgendwie per Chat passiert« (FrArnold-SexPaa-L, Z. 704 f.) Es handelt sich bei den Kollegen zum Teil um die

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Angst den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. Unterschwellig scheint es dabei irrationale Vorstellungen zu geben, als würde die Kommunikationstechnik selbst die Beratung ohne menschliches Zutun tätigen können. Deutungsmuster aus der Vergangenheit der computerisierten Automation in der Industrie werden möglicherweise aktiviert und auf die Beratungsarbeit übertragen, ohne die Unterschiede zwischen industrieller Fertigung und Beratung in den Blick zu nehmen. Während Handgriffe in der Warenproduktion von Maschinen ersetzt werden können, ist Beratung als Kommunikation zwischen Menschen nicht durch Kommunikationstechnik ersetzbar, da die Technik in diesem Bereich lediglich zwischen den Akteuren vermittelt. Und die Anfragepraxis der Klienten verweist auch in eine andere Richtung: »Es war am Anfang also so ein bisschen die Angst, dass den Face-to-Face-Beratern Arbeit weggenommen wird. Es ist aber eher der umgekehrte Effekt.« (ebd. Z. 477 ff.) Das heißt die Ängste haben sich in der Praxis nicht bestätigt. Viel mehr kommen noch mehr Anfragen an die Beratungsstelle vor Ort, die möglicherweise sogar über das Onlineberatungsangebot generiert werden. Viele Bedenken der Kollegen scheinen allerdings mit »jeder Art von Veränderung im Arbeitsalltag« (ebd. Z. 741) zusammenzuhängen. Dabei sieht Frau Arnold nicht nur eine Abwehr bezüglich technischer Neuerungen, sondern in Bezug auf alles, was sich verändert. Eine Distanziertheit gegenüber dem Technikwandel im Beratungsalltag wird von den meisten Interviewpartnern bei manchen ihrer Kollegen beschrieben. So vermutet Herr Dreher sogar, dass »Entsetzen drüber herrschen« würde (Hr-Dreher-JuDro, Z. 381 ff.), wenn die Kollegen wüssten, was sie künftig im neuen Beratungszentrum alles mit dem Computer machen müssen. Er beschreibt beispielsweise, dass es in der Erziehungsberatung des eigenen Verbandes Berater gibt, die in ihrer 20 oder 25jährigen Dienstzeit noch niemals einen Computer benutzen mussten. Alle entsprechenden Arbeiten wie etwa die Falldokumentation wurden demnach von der Verwaltungskraft in den PC eingegeben. Auch Frau Imholz benutzt starke emotionale Begrifflichkeiten, um das Verhältnis anderer Berater zur Technik zu beschreiben, wenn sie sagt, es gäbe Kollegen, die seien »computerängstlich, will nicht sagen feindlich« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 279). Jedenfalls seien es Berührungsängste, die vorhanden sind. Die Nutzung der Medien wird entsprechend sehr unterschiedlich gehandhabt. So werden Kollegen angeführt, die die Neuen Medien regelmäßig und gerne nutzen, während andere diese erst gar nicht ausprobieren. Zum Teil wird vermutet, dass die Vorliebe oder Abwehr der modernen Technik mit dem Alter zu tun haben könne, was jedoch auch wieder relativiert wird, da in jeder Altersgruppe distanziertere und aktivere Kollegen vorkämen. Gerade aber für viele ältere Kollegen seien die starken Veränderungen der letzten Jahre aber besonders schwer zu verarbeiten. Insbesondere die flächendeckende Einführung neuer Kommunikationstechnik scheint in den Beratungsstellen schwierig zu sein. Dies geschieht dann auch nur,

Technikeinführung zwischen Angst und Faszination

145

wenn die Nutzung der Technik von der Leitung verbindlich vorgegeben wird. So beschreibt Herr Berger, dass sich die Kollegen, die sich anfangs gegen die Nutzung von Computern am Arbeitsplatz mit »Händen und Füßen gewehrt« (HrBerger-SexPaa, Z. 450) haben, heute auch längere Zeit am PC sitzen und regelmäßig ihre Mails bearbeiten würden. Insgesamt werden von mehreren Interviewpartnern vor allem diffuse Bedenken und wenig konkrete Befürchtungen seitens der Kollegen genannt. Konkretes bezieht sich vor allem auf die mögliche Verdrängung von Arbeitsplätzen durch die Technik. Außerdem wird mehrfach darauf hingewiesen, dass sich Bedenken auch auf den im Internet schwierig herzustellenden Schutz der vertraulichen Beratungsdaten beziehen. Das ist ein Problem, das von den fünf untersuchten Beratungsstellen jedoch aktiv bearbeitet wird. So arbeiten vier der Beratungsstellen bereits mit Verschlüsselungstechnik im Rahmen ihres Onlineangebots, und die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle steht unmittelbar davor, eine solche gesicherte Technik einzuführen. Den Gefahren des Internets wird also aktiv begegnet, wenn auch im Rahmen dieser Untersuchung nicht ermittelt werden kann, wie angemessen dies geschieht. Offensichtlich gibt es jedoch eine Bereitschaft bei den Verantwortlichen in den Stellen, den fachlichen und ethischen Beratungsgrundsatz der Vertraulichkeit der Beratung auch in den Neuen Medien umzusetzen. Die Schrittweise Einführung von Computertechnologie in eine Beratungsstelle wurde am detailliertesten von Herrn Conrad beschrieben. Herr Conrad beschreibt, dass er zunächst auch Bedenken hatte, ob Computer in der Beratungsstelle nicht die Arbeit verändern und ob die Einführung solcher Technik nicht zu unbekannten Problemen führen würde. Ohne diese Bedenken weiter auszuführen beschreibt er, dass zur damaligen Zeit von einer Fachhochschule ein etwa dreitägiger Kurs »Soziale Arbeit und elektronische Datenverarbeitung« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 52) angeboten wurde, den er besucht habe. Die Inhalte waren recht allgemein und umfassten vor allem die Funktionalitäten eines Computers und die Frage, was dieser für Möglichkeiten biete. Herr Conrad führt dann Weiteres zur Technik aus: dass es auf dem Markt zu diesem Zeitpunkt die 286er Prozessoren gegeben hätte, die 386er auch bereits existiertet hätten aber nicht finanzierbar gewesen seien. Außerdem legt er dar, dass dieser damals gängige PC ein sehr einfaches Schreibprogramm beinhaltet habe und es eine kleine Datenbank gegeben hätte, bevor er sagt: »Na ja, das hat man dann so kennengelernt, hat da auch so en bisschen ausprobieren können und das hat mich fasziniert. Da bin ich zurückgekommen, hab das hier den Kollegen berichtet, naja, und da war auch wieder ne Diskussion. Und hab dann bei unserm Vorstand ähm mich drum gekümmert –der wollt ne Maschine haben. Keiner hat sich so größer drum gekümmert. Gut, wir ham diese Maschine gekauft.« (HrConrad-JuDro-L, Z. 62 – 67)

146

Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Auffallend ist, dass in der Beschreibung die Technik sehr stark im Vordergrund steht. Hier zeigt sich der ästhetische Zugang Conrads zur Kommunikationstechnik. Es wird zwar die Befürchtung benannt, dass es zu Veränderungen kommen könne und dass dadurch sogar neue Probleme aufkommen könnten. Dies führt er aber nicht weiter aus, sondern reflektiert selbst »das war so mehr ganz diffus« (ebd. Z. 51). Dem steht dann jedoch die sehr differenzierte Beschreibung der Technik gegenüber, die sehr detailliert erfolgt. In Bezug auf die Möglichkeiten der Arbeit in der Beratungsstelle bleibt Herr Conrad ebenfalls allgemein. Eine starke emotionale Färbung erhält die Darstellung, als er das Kennenlernen und Ausprobieren der Technik beschreibt, indem er das Wort »fasziniert« benutzt. Das bedeutet einen sehr starken positiven Ausdruck in Bezug auf etwas Neues. In diesem Wort schwingt auch ein Staunen vor etwas eher Unbekanntem mit, das beispielsweise in der Beschreibung von Naturschauspielen verwendet wird. Die Kontrastierung zwischen konkreter Technik und diffusen Möglichkeiten einschließlich potentieller Probleme eröffnet dabei ein Spannungsfeld, das bei ihm emotional vorwiegend positiv gefärbt ist. Bei Herrn Conrad überwiegt dabei die freudige Erwartung neuer Möglichkeiten, da er selbst die Bedenken nicht weiter entfaltet, sondern lediglich auf die »Diskussion« verweist, die entstand, als er in die Beratungsstelle zurückkam und von der Weiterbildung berichtet hat. Über das Für und Wider der stelleninternen Diskussion sagt er auch nichts weiter, sondern beschreibt direkt, dass er sich dann beim Vorstand »drum gekümmert« hat und dieser eine »Maschine« haben wollte. Den internen Prozess der Entscheidungsfindung beschreibt Herr Conrad dabei mit knappen Worten. Der oben zitierte Abschnitt zeigt, dass er auf dem Weg bis zum Kauf des Computers darlegt, wie er handelt und was er empfindet – und dabei verwendet er regelmäßig das Subjekt »Ich«. Beim letzten Satz ändert sich das jedoch, indem er schreibt: »Wir ham diese Maschine gekauft«. Aus seinen Bedenken, seinem Interesse, seiner Lernbereitschaft und aus seinem Kümmern wird am Ende eine Handlung, die eine zentrale Erzähleinheit mit »wir« abschließt. Das ist umso erstaunlicher, als ihn von den Kollegen diesbezüglich niemand aktiv zu unterstützen scheint. Diese werden als diejenigen bezeichnet, die wieder eine Diskussion entfachen. Außerdem beschreibt er, dass sich keiner »so größer drum gekümmert« hat. Und auch von Seiten des Vorstands ging diesbezüglich keine Eigeninitiative aus. Jener hat zwar den Willen zur Anschaffung eines solchen Gerätes gehabt, aber der Beschreibung nach erst, nachdem Herr Conrad in dieser Sache aktiv wurde. Mit dem Wort »gut« leitet er dabei die pointierte Beschreibung des Abschluss eines Prozesses ein. So ist davon auszugehen, dass er durch seine wohlwollend-interessierte Einstellung gegenüber der Computertechnik und durch seine Tatkraft Fakten geschaffen hat, die aus seiner Sicht für das Gesamte der Einrichtung von Bedeutung waren. Der Vorstand als rechtlich vertretungsberechtigte Instanz der Organisation war

Technikeinführung zwischen Angst und Faszination

147

einverstanden, und die Anschaffung wurde realisiert. Damit wurde seine Einzelinitiative zum Beginn von etwas Neuem, das mit dem Kauf beginnt und sprachlich mit »wir« markiert wird. So wird aus seinen persönlichen Aktivitäten etwas Gemeinsames in der Einrichtung. Das wird auch deutlich, indem Herr Conrad nun den gekauften Computer im Zusammenhang mit der Nutzung in der Beratungsstelle darstellt. Auch hier zeigt er wiederum seine Begeisterung in der Art der Beschreibung der Technik: »Die Festplatte hatte damals 40 Megabyte Speicherplatz. Das war schon faszinierend und ein Arbeitsspeicher von einem Megabyte hatten wir« (ebd. Z. 69 f.). Hier wird die vergangene Technik in Bezug auf die aktuelle Technik kontrastiert und hervorgehoben, dass die quantitative Ausstattung der Rechner in Bezug auf Rechenleistung und Speicherkapazität, verglichen mit heute, gering waren. Danach beschreibt er die Einbindung des Computers in die Organisation: »[Der Rechner, Ergänzung J.W.] stand im Sekretariat und weil die Sekretärin ist diejenige, die das bedienen kann. Die macht ja auch sonst die Schreibarbeiten. Die wird das am meisten brauchen, und wenn irgendjemand anders da was machen muss, dann kann man ja da hin gehn. Veränderungen die es dadurch gab waren, dass immer mehr Kollegen. Es hat fasziniert. Also alle haben dann ne Schulung mitgemacht. Immer mehr Kollegen ham dann angefangen Briefe und kleinere Texte selber zu schreiben. Wenn sie nicht da war dann sind die da vorne hingegangen lass mich mal und ham das gemacht. Dann war so die Frage irgendwie kam so, eigentlich ist das zu wenig so ein Rechner, jeder bräuchte so ein Ding, dann ist unsere Sekretärin arbeitslos.« (Hr-Conrad-JuDro-L, Z. 73 – 81)

Hier wird deutlich, dass der erste Computer nicht als Arbeitsmittel eines Beraters angeschafft wurde. Er wurde vielmehr genutzt um Schreibarbeiten zu tätigen, die damals zentral im Sekretariat erledigt wurden. Der PC diente sozusagen als moderne Schreibmaschine. Allerdings wird nicht beschrieben, dass die Initiative von der Sekretärin ausging. Vielmehr wird als Ort für das Aufstellen des Computers das Sekretariat benannt, mit der Begründung, dass die Sekretärin ihn bedienen kann und sie ihn am meisten braucht. Das zeigt aber auch, dass die Sekretärin von Anfang an nicht als einzige Nutzerin gesehen wurde. Herr Conrad beschreibt dann auch, dass eine Veränderung in der Beratungsstelle darin bestand, indem auch die Kollegen den Computer benutzten. Und in diesem Zusammenhang benennt er wieder eine Faszination, die von dem Gerät ausging, nun aber auch weitere Kollegen erfasst hatte. Offensichtlich haben sich viele Berater aktiv mit dem neuen Gerät befasst, sich dazu schulen lassen und es auch selbst genutzt. Die Frage, ob es weitere Rechner für die Stelle geben solle, wurde nur aus der Begründung heraus verneint, dass es den Arbeitsplatz der Sekretärin gefährden könne, was man vermeiden wollte. Doch dann gab es einen Kollegen, der ein eigenes Gerät benötigte. Der Grund dafür wurde nicht genannt. Außerdem wurde für die Kollegin, die zusätzlich Schuld-

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

nerberatung macht, um die Jahrtausendwende ein PC angeschafft. Sie brauchte nach Conrad einen eigenen Computer, weil sie damit Berechnungen vornehmen konnte. Auffällig ist hier, dass der genannte Beweggrund zur Anschaffung eines PCs nicht aus dem Kernbereich der Jugend- und Drogenberatung kam, sondern im Bereich der zusätzlichen Schuldnerberatung erfolgte. Die Begründung ist dabei nicht beratungsfachlicher Art, sondern es wird verwaltungstechnisch argumentiert. Die Beratungsinstitution Schuldnerberatung, die neben persönlicher Beratung auch mit Zahlen operieren muss, wird somit zu einem Argument zur Nutzung eines eigenen PCs am Arbeitsplatz der Beraterin. Herr Conrad beschreibt weiter, dass die größte Anschaffung jedoch im selben Zeitraum getätigt wurde, als vom Ministerium ein Dokumentationssystem mitfinanziert wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch bei den Geldgebern von Kommune und Kreis nachgefragt, ob es nicht Zuschüsse für ein Netzwerk geben würde. Das war dann der Beginn der Vernetzung der Arbeitsplätze innerhalb der Beratungsstelle. Hintergrund war, dass es nicht als sinnvoll erachtet wurde, dass jeder Berater seine Daten selbst eingibt und diese dann aber noch zusätzlich zusammengeführt werden müssen. Es wäre zwar möglich gewesen, die einzelnen Datensätze in ein Institut zu schicken, das die weiterbearbeiteten Daten dann nach Monaten zurückschickt. Eine Vernetzung der Arbeitsplätze schien allerdings sinnvoller, da eine externe Dienstleistung dann nicht mehr nötig wäre. Außerdem wurde es so auch möglich, die eingegebenen Daten der Dokumentation jederzeit abfragen zu können. Es dauerte danach aber noch rund drei Jahre, bis die Daten auch regelmäßig eingepflegt wurden. Offensichtlich bedurfte es einer längeren Eingewöhnungszeit, bis diese Tätigkeiten auch in die regelmäßigen Arbeitsprozesse integriert wurden. Mit der Netzwerkeinführung sind allerdings auch weitere Veränderungen einhergegangen. Die »Verwaltungsangestellten« (ebd. Z. 99) tätigten kaum noch Schreibarbeiten, sondern das übernahm von da an der jeweilige Berater meist selbst. Herr Conrad meint dazu, es »geht einfach flotter, wenn man sowieso schon daran ist« (ebd. Z. 100 f.). Briefe und andere Schriftstücke, mit denen man vorher die Sekretärin beauftragt hat, wurden nun von den Beratern selbst verfasst. Somit kam es also zur Verlagerung von Aufgaben und Zuständigkeiten. Auch in der Sprache ist dieser Funktionswandel zu bemerken, denn Conrad spricht jetzt nicht mehr von der Sekretärin, sondern von der Verwaltungsangestellten. Dabei ist diese Mitarbeiterin frei geworden für neue Aufgaben. So wird etwa die Klientenverwaltung, die nicht über das Dokumentationssystem läuft, von ihr getätigt. Außerdem sind neue Möglichkeiten – etwa beim Layout – dazugekommen, die vorher etwa ohne Farbdrucker nicht möglich gewesen wären. Als negativen Effekt der Computerisierung nennt Conrad, dass deutlich mehr Papier verbraucht würde als vorher : »Es wird ganz viel ausgedruckt aber andererseits wird auch mehr gemacht. Es wird genauer gemacht. Man kann mehr gestalten.« (Hr-Conrad-

Technikeinführung zwischen Angst und Faszination

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JuDro-L, Z. 106 f.). Weitere Veränderungen kamen dann durch die Internetvernetzung. Diese weltumspannende Verknüpfung mittels Kommunikationstechnik hat verschiedene neue Möglichkeiten gebracht. Die neue Funktion des Mailens hat dabei bewirkt, dass weniger »richtige Briefe« (ebd. Z. 110) geschrieben und weniger Telefonate geführt werden. Vieles geht dadurch schneller, allerdings tauchen auch neue Schwierigkeiten auf, denn die Anzahl der Mails wird als überhandnehmend eingeschätzt, auch wenn man die sogenannten Spam-Mails abrechnet. Nach Conrad hängt das damit zusammen, dass man nun großzügiger Informationen weitergebe. Inhalte, die interessant klängen, aber bei denen man selbst nicht wisse, was man damit anfangen soll, könnten nun einfacher und schneller weitergegeben werden in der Hoffnung, dass jemand anders die Informationen nutzen könne. Dabei kommt es nach seiner Aussage zu dem Effekt, dass immer mehr Mails eingehen, die direkt gelöscht würden. Positiv sieht er demgegenüber die Informationsmöglichkeiten durch das Internet. Zum einen sind nun Informationen schneller zugänglich – etwa von übergeordneten Stellen – und zum andern kann man auf aktuellere Daten zugreifen. Die früheren gedruckten Kataloge und Informationen wären demgegenüber schneller veraltet, da es einen deutlich größeren Aufwand bedeutet hätte diese zu aktualisieren. In der Darstellung der schrittweisen Einführung von Kommunikations- und Informationstechnologie in der Jugend- und Suchtberatungsstelle wird exemplarisch deutlich, dass sich in den vergangenen Jahren nicht nur die Funktionalitäten des Computers verändert und weiterentwickelt haben sondern damit einhergehend auch die Arbeit in den Stellen. In Kapitel 3 wurde dargelegt, dass die Entwicklung und allgemeine Einführung der Schrift sehr früh mit Verwaltungstätigkeiten in städtischen Hochkulturen verbunden war. Erst danach entwickelte sie sich als ein Medium der zwischenmenschlichen Kommunikation. Dies zeigt sich nun auch in der Einführung und Nutzung der Computertechnik der Beratungsstelle. Dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern es ist offensichtlich typisch für Organisationen. Wie die Schrift, die in Stein gemeißelt wurde, waren auch die ersten Computer vergleichsweise immobil. Zwar entwickelten sich bei den PCs bald schon Disketten zum Datenaustausch, doch der Datentransfer war schon wegen geringer Kompatibilität der Rechner und Programme zunächst vergleichsweise schwerfällig. Erst die Internetvernetzung machte den Personal Computer auch zu einem tatsächlichen Kommunikationsgerät. Die Struktur der Beratungsstellen mit einer zentralen Anlaufstelle, dem Sekretariat beziehungsweise der Verwaltung, waren aber bereits zuvor entstanden. Diese vorausgegangene »Geschichte« der Beratungsstellen, hat die Einführung und Nutzung der weiteren Kommunikationstechnik beeinflusst und ihre Spuren in den späteren Abläufen der Beratungsarbeit hinterlassen. So ist zu erklären, dass der Erstkontakt mit den Klienten für eine Face-to-Face-Beratung bei allen fünf Beratungsstellen über das Sekretariat beziehungsweise den

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Empfang erfolgt. In zwei Stellen werden selbst die Anfragenden, die sich per Mail melden, auf das Telefon des Empfangs verwiesen. Lediglich bei den expliziten Onlineberatungsangeboten ist es der Normalfall, dass der Erstkontakt direkt über die Berater geschieht. Begünstigt wird das zwar durch die Asynchronität des Mediums Mail, weil die Erstanfrage einfach weitergeleitet werden kann und die Berater keine Wartezeit für Anrufe vorhalten müssen. Doch der Verweis von zwei Stellen auf die telefonische Anmeldung zeigt, dass die strukturell verankerten Abläufe zum Teil auch dann aufrechterhalten werden, wenn die früheren technischen Gegebenheiten sich bereits verändert haben und frühere Notwendigkeiten weggefallen sind. Die Technikeinführung und Nutzung durch die Berater zeigt viele unterschiedliche und zum Teil sogar gegensätzliche Facetten. Konkrete und diffuse Ängste vor neuer Technologie, aber auch Interesse, Neugier und sogar Faszination bei Beratern im Umgang mit der Medientechnik werden beschrieben. Es zeigt sich, dass die interviewten Berater, die im Internet bereits tätig sind, der Technik positiver gesonnen sind als Kollegen, die nicht im Internet beraten. Zum Teil hat sich das aber bei den interviewten Beratern selbst auch erst durch ihre Beratungstätigkeit im Internet geändert. Die Technikeinführung geschieht in den untersuchten Beratungsstellen weder alleine Top-down noch ausschließlich Bottom-up. Vielmehr handelt es sich um wechselseitige und komplexe Einführungsprozesse, die mit unterschiedlichen Gefühlen der Beteiligten verbunden sind. Während die einen Berater interessiert oder gar fasziniert sind von Neuen Medien, ist die Einführung von Kommunikationstechnik bei anderen mit zum Teil großen Ängsten verbunden. Die Begeisterung einzelner Personen an der neuen Technik kann bewirken, dass es zu Neuanschaffungen kommt, die sich mit der Zeit im Beratungsalltag etablieren. Nach und nach nutzen auch weitere Berater diese Technik, auch solche, die zuvor skeptisch waren. Eine positivere Haltung zu den Neuen Medien entwickeln vor allem diejenigen, die Kommunikationstechnik in der Praxis fachlich nutzen und sich dabei aktiv handelnd von den positiven Möglichkeiten für die Beratungsarbeit überzeugen können. Zu einer allgemeinen Vernetzung zwischen den Beratern kam es in vier der fünf befragten Beratungsstellen. Das war in diesen vier Stellen möglich, weil die Vernetzung von der Leitung verbindlich vorgegeben wurde. Mit der Zeit arrangierten sich dann aber auch diejenigen, die sich zuvor gegen Computer und Internet gewehrt hatten. So zeigt sich auch bei der Einführung von Medientechnik in Beratungsstellen, was auch in anderen Zusammenhängen vorkommt: Menschen zeigen häufig gegenüber Neuerungen eine Abwehr, die sich aber dann verändern kann, wenn die Gelegenheit besteht, sich mit der neuen Technik auseinanderzusetzen. Dieser Prozess spiegelt sich auch in der Einschätzung von Beratern in Bezug auf mediale Beratung wider. Frau Imholz fasst das zusammen, indem sie beschreibt, dass sich in den letzten Jahren in der Bewertung von

Kommunikationstechnik befördert Vernetzung im Beratungsalltag

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medialer Beratung einiges geändert hat. In der Anfangszeit der Onlineberatung standen demnach Skepsis oder gar Ängste im Vordergrund. Viele meinten, dass das Internet als Medium nicht geeignet sei und andere vermuteten dagegen sogar, es könne die Face-to-Face-Beratung verdrängen. Mit den Jahren sind diese Bedenken vielfach verschwunden, und ein wohlwollendes Interesse ist sowohl bei Beratern als auch in der Öffentlichkeit gegenüber den neuen Beratungsformen an ihre Stelle getreten.

6.2

Kommunikationstechnik befördert Vernetzung im Beratungsalltag

Die befragten Beratungsstellen haben alle zumindest eine Grundausstattung an Internettechnik, was durch die Vorauswahl sichergestellt wurde, da die ausgewählten Stellen alle Onlineberatung anbieten sollten. Nun stellt sich allerdings die Frage, wie die Informations- und Kommunikationstechnik über die Internetberatung hinaus in den Beratungsstellen genutzt wird, und ob es diesbezüglich Veränderungen im Arbeitsalltag der Berater gibt. Auffällig ist bei der Fragestellung der Techniknutzung, dass acht der neun interviewten Berater im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ausdrücklich von »recherchieren« sprechen. Aber auch Herr Conrad, der als einziger Interviewpartner diesen Begriff nicht explizit verwendet, schreibt hinsichtlich der Veränderungen durch das Internet: »Die Informationsmöglichkeiten über Internet haben sich also sehr verändert. Man ist viel schneller irgendwo dran.« (HrConrad-JuDro-L, Z. 129 f.) Die aktive Informationsbeschaffung als berufliche Tätigkeit der Berater hat somit im Beratungsalltag für alle befragten Berater offensichtlich eine große Bedeutung; anders ist es nicht zu erklären, dass das Recherchieren zumindest sinngemäß von allen neun Beratern als Teil ihres beruflichen Alltags beschrieben wird. Fünf Berater verwenden diesen Begriff im Zusammenhang mit ihrer Beratungstätigkeit im Internet. Frau Arnold beschreibt, dass zum Beispiel Informationen für Klienten gesucht werden, und das Recherchieren im Internet ein selbstverständlicher Bestandteil der Arbeit geworden ist, der auch nicht mehr wegzudenken ist. Herr Berger nutzt die Recherche, um eine »saubere Antwort« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 22) zu schreiben. Frau Förster recherchiert besonders vor dem Beantworten einer E-Mailanfrage, weil sie nicht weiß, wer die Antwort liest. Das zeigt, dass die Schriftlichkeit der medialen Beratung offensichtlich eine Veränderung bewirkt. Die Antwort liegt den Klienten schriftlich vor. Somit können sie den Beratungstext aufbewahren, mehrmals lesen, selbst im Internet recherchieren und gegebenenfalls sogar mögliche Widersprüche feststellen. Außerdem ist es prinzipiell möglich, die

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Mail auch anderen Personen zu zeigen. Spekuliert wird von Beratern aber auch, dass es sich auch um einen Kollegen handeln kann, der anonym eine Mail schickt, um die Antwort des Beraters zu testen. Die schriftlich fixierte Beratung scheint somit einen erhöhten Anspruch für eine inhaltliche Antwort eines Beraters darzustellen. Dies dürfte nicht unbedeutend sein für einen möglichen Wandel von Beraterrolle und Klientenrolle, der an späterer Stelle untersucht werden soll. In Bezug auf das Recherchieren werden verschiedene weitere Punkte benannt, die von Interesse sind. So benennt Frau Förster, dass gerade über das Internet häufig Fragen gestellt werden, die auch für sie als Schuldnerund Insolvenzberaterin Spezialfragen darstellen, die sonst, d. h. face-to-face, im Beratungsalltag nicht vorkommen. Solche Fragen der Klienten regen dann nach ihrer Aussage auch innerhalb der Beratungsstelle eine Diskussion an, wodurch es zu einem verstärkten Austausch zwischen den Beratern kommt. Insgesamt geht es beim Recherchieren der Berater darum, dass sie sich schnell informieren, wenn sie auf unbekannte Fragen und Themen stoßen, die sie spontan nicht angemessen beantworten können: »Wenn jetzt jemand von einem Gebiet was schreibt, wo ich mich jetzt nicht auskenne, dann kann ich einfach mal recherchieren im Internet, was es da gibt. Ähm dann ja Angebote von Institutionen und Dachorganisationen. Also das ist nicht wegzudenken«. (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 311 ff.)

Wie Frau Imholz, so beschreibt auch Frau Arnold wörtlich, dass diese Möglichkeit der Informationsbeschaffung für sie nicht mehr »wegzudenken« ist (FrArnold-SexPaa-L, Z. 196). Somit hat diese Tätigkeit für die Berater einen hohen Stellenwert im Beratungsalltag eingenommen und wird häufig genutzt. Demgemäß beschreibt Frau Förster ausdrücklich, dass sie und alle ihre Kollegen es häufig mit Recherchen zu tun haben, Herr Glaser recherchiert ebenfalls »viele Dinge im Internet« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 23) und Frau Haller nutzt das Internet ebenfalls »viel, also wenn ich Dinge recherchiere« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 432). Das Recherchieren wird dabei von den Beratern aus einer Beratungsinstitution wie der Insolvenz- und Schuldnerberatung, die vom Beratungsrahmen her einen starken Informationsbezug hat, nicht als häufiger vorkommend beschrieben als in einer Beratungsstelle der Ehe-, Paar- und Familienberatung, die vom Beratungsansatz primär Prozessberatung leistet. Möglicherweise bewirkt die Schriftlichkeit eine verstärkte Fokussierung auf Inhalte und Faktenwissen als das in der herkömmlichen Face-to-Face-Beratung der Fall ist. So ist es durch die Internetvernetzung heute möglich, auch zwischen den Sitzungen Informationen in Erfahrung zu bringen, die noch vor wenigen Jahren nur mit hohem Aufwand hätten eruiert werden können. So dürfte das Recherchieren sowohl auf Onlineals auch auf Face-to-Face-Settings Auswirkungen haben. Herr Glaser beschreibt, wie und was er recherchiert, benennt aber auch eine Gefahr :

Kommunikationstechnik befördert Vernetzung im Beratungsalltag

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»Dann merke ich bei mir, dass ich sehr sehr viele Dinge im Internet recherchiere. Das heißt, äh das ist manchmal annähernd reflexartig, wenn ich irgendetwas nicht weiß, wenn mir ein neuer Begriff aufkommt, wenn ich eine Einrichtung nicht kenne, in die ein Kind sollte, dann kann ich mir innerhalb von Minuten die Konzeption besorgen. Oder es ist ein Erstgespräch, die Eltern erzählen von einer körperlichen Erkrankung, die das Kind hat, die mir jetzt nicht wirklich was sagt, aber wo ich davon ausgehe, dass das ganze Geschehen in der Familie mit beeinflusst, kann ich das kurz recherchieren. Das ist sicher ne Arbeitserleichterung, wobei da natürlich auch die Gefahr besteht dass man sich ein wenig verzettelt, dass man vom einen aufs andere hüpft ähm und dann die Zeitersparnis hinüber ist.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 23 ff.)

Die Berater recherchieren also sehr unterschiedliche Informationen, wie das Zitat von Herrn Glaser exemplarisch zeigt. Dabei geht es zum Teil um fachliche Fragen, etwa um Begriffsklärungen, aber auch um Hintergrundwissen zum Kontext des Klienten, beispielsweise aus anderen Fachdisziplinen wie der Medizin. Hier zeigt sich, dass die Probleme der Klienten oft in einen Komplex weiterer Themen und Fragen eingebettet sind und zur Bearbeitung der Beratungsproblematik weitergehendes Kontextwissen relevant ist. Je komplexer die Fragestellung in weitergehende Thematiken eingebunden ist, desto wichtiger scheint es zu sein, dass durch Recherchen mögliche Informationslücken geschlossen werden. Es ist für die Beratung dementsprechend relevant, über andere Organisationen informiert zu sein, die zumindest potentiell zum Helfersystem gehören. Entweder haben diese Einrichtungen bereits eine Bedeutung für ihre Klienten, oder sie stellen mögliche Hilfsmöglichkeiten für die Zukunft dar. Unterschiedliche Hilfeeinrichtungen können möglicherweise sehr verschiedene Ansätze vertreten, die sich im schlimmsten Fall sogar konträr entgegenstehen. So helfen Informationen über andere Organisationen, mögliche Unterstützung und potentielle Probleme für die Klienten zu erkennen. Verbände bieten dabei vorstrukturierte Informationen an, die von den Beratern abgerufen und genutzt werden können. Durch die Internetnutzung muss somit nicht jeder einzelne Berater alle relevanten Inhalte selbst aufbereiten, vielmehr gibt es von verschiedenen Dachorganisationen Materialien, die genutzt werden können, um die Komplexität im Beratungsalltag zu reduzieren. Wie Herr Glaser andeutet, kann sich das Recherchieren aber auch verselbständigen und es kann Zeit verloren gehen. Somit stehen die Berater regelmäßig vor der Aufgabe, entscheiden zu müssen, in wie weit es Sinn macht, sich mit weiteren Fragen auseinanderzusetzen und die Thematik zu vertiefen. War man vor dem Internetzeitalter regelmäßig gezwungen, mit Wissenslücken auszukommen, bringt die Vernetzung nun eher die Frage mit sich, auf welches Wissen man verzichten kann, auch wenn es potentiell möglich ist, es sich zu erschließen. Die Neuen Medien mit ihrer Internetvernetzung und der Weiterentwicklung von PCs und Druckern haben die interne und externe Kommunikation in den

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Beratungsstellen grundlegend verändert. Von mehreren Beratern wird beschrieben, dass sie sich auch untereinander häufig Mails schicken, selbst wenn sie in benachbarten Räumen sitzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Face-toFace-Kommunikation zwischen den Beratern dadurch weniger wird, wie mehrere Berater bekunden. Vielmehr gibt es über diese Mails häufig noch zusätzliche verbale Kommunikation vor Ort. So kommt es durch die einfach mögliche Weitergabe der Information mit wenig Aufwand zu einer Steigerung des digitalen Informationsaustauschs, der daraufhin weitere Kommunikation untereinander vor Ort entstehen lässt. Aber auch die Kommunikation mit Außenstehenden findet immer häufiger per E-Mail statt. In zwei Stellen wird beschrieben, dass in den vergangenen Jahren die Portokosten deutlich gesunken sind, weil vieles, was früher Briefverkehr bedeutet hätte, nun durch Mails erledigt wird. In einer Stelle, der Schuldner- und Insolvenzberatung, will die Leitung die Portokosten senken, indem sie den Mitarbeitern vorschreibt, weniger den Postweg und mehr das Internet zu nutzen. In dieser Beratungsinstitution ist allerdings auch die fachliche Besonderheit, dass in der Beratungsarbeit viele Schreiben wie Rechnungen u. a. zwischen Klienten und Beratern ausgetaucht werden. In diesem Fall ist der Postweg in der Regel noch einfacher zu nutzen als ein alternativer Internetdatenaustausch, bei dem die Dokumente zuvor eingescannt werden müssten. Der Trend zu digitaler Kommunikation ist insgesamt aber bereits im Alltag der Beratungsstellen angekommen, ohne dass das unbedingt mit der Onlineberatung zu tun hätte. Schließlich ersetzt die Onlineberatung in den untersuchten Beratungsstellen nicht eine vorherige Briefberatung, sondern kommt ergänzend als zusätzliches Angebot hinzu. Es ist also davon auszugehen, dass sich im Alltag der Beratungsstellen viele Veränderungen vollziehen, wie das auch in anderen Berufsfeldern der Fall ist. Dies gilt vor allem für die allgemein am verbreitetsten Kommunikationsmedien. So wird von Herrn Glaser auch der E-Mailverkehr als die »allergrößte Veränderung zu früher« (HrGlaser-KiJuFa-L, Z. 9 ff.) beschrieben. Der besondere Vorteil der Mail liegt für ihn darin, dass man sehr viel schneller viele Personen gleichzeitig mit Informationen versehen kann, als das früher möglich war. Bevor es E-Mail gab, musste man die beteiligten Personen einzeln anrufen, wenn sie nicht im selben Gebäude waren, oder man musste sich zu einem Treffen zusammenfinden. Heute können aber auch nach seiner Darstellung verhältnismäßig komplexe Sachverhalte zum Teil über E-Mailkommunikation geregelt werden. Hier zeigt sich, dass von diesen Möglichkeiten verschiedene Tätigkeiten betroffen sind, die nicht unmittelbar mit der Beratung selbst zusammenhängen, sondern andere Aufgaben und Angebote einer Beratungsstelle betreffen. Auf die Veränderungen im unmittelbaren Kontakt mit den Klienten wird weiter unten eingegangen. Die Außendarstellung der Beratungsstellen nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Das erschließt sich nicht nur dadurch, dass immer mehr Stellen

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im Internet präsent sind. Bei vier der hier untersuchten Beratungsstellen ist das der Tatsache geschuldet, dass sie selbst ein Internetangebot offerieren. Von einigen Beratern wird die Außendarstellung als Aufgabe beschrieben. Frau Haller bringt die Veränderungen dabei sehr pointiert auf den Punkt, wenn sie sagt: »(…) und ich denk auch so, dass das Darstellen der Beratungslandschaft oder der Beratungsstelle des Angebots wird wichtiger werden, weil ich glaub, dass dass [sie lacht] der äußere Schein und das immer mehr an Bedeutung gewinnt und grad im Internet. Also ich denk, das wird wichtiger.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 380 ff.)

Mit ihrem Lachen markiert Frau Haller an dieser Stelle, dass es für sie spannungsgeladen ist, die nach ihrer Ansicht wichtiger werdende Selbstdarstellung für das Beratungsangebot so ausdrücklich zu benennen. Mit der Bezeichnung »äußerer Schein« legt sie dar, dass es dabei vor allem auf die Außenwirkung ankommt. Dabei schwingt ein kritischer Unterton mit. Zwar wird diese Aufgabe nicht infrage gestellt, aber dennoch wird deutlich, dass diese Aufgabe zugleich auch ambivalent ist. Möglicherweise drückt sie mit dem Lachen einen inneren Widerspruch zwischen dem »äußeren Schein« und dem eigentlichen Beratungsauftrag aus. Das Internet hebt sie in diesem Zusammenhang besonders hervor, wodurch sie deutlich macht, dass gerade bei dieser medialen Plattform die Darstellung eine hohe Bedeutung hat. Die Darstellung der Einrichtung und des Angebots ist jedoch nicht alleine auf das Internet beschränkt. In diesem Zusammenhang beschreibt Herr Conrad, dass es durch die moderne Technik neue Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die es so früher nicht gegeben hat. Das betrifft etwa das Ausdrucken auf Briefpapier. Die verschiedenen und vielfältigen Angebote der Beratungsstelle können jeweils eigens dargestellt werden. Auf dem allgemeinen vorgedruckten Briefpapier ist lediglich das Emblem des Verbands abgedruckt. Die einzelnen Bereiche werden dann jeweils per Computerausdruck individuell dargestellt. Die Gestaltung von Faltblättern und Jahresberichten ist nun auch einfacher möglich. Aber die Darstellung im Internet hat darüber hinaus bei den befragten Stellen eine besondere Bedeutung. Herr Dreher sieht es als eine wichtige Aufgabe, das Onlineberatungsangebot im Netz bekannt zu machen, damit Menschen diesen Zugang überhaupt nutzen können, und Herr Glaser hebt hervor, dass der Vorteil der Öffentlichkeitsarbeit per Internet ist, Angebote bei Kunden und Klienten auch kurzfristig bekannt zu machen. Die Öffentlichkeitsarbeit sei durch das Internet sehr verändert worden. Die neuen technischen Möglichkeiten bewirken, dass die medienvermittelte Darstellung nach außen, verglichen mit früher, vielseitiger wird und qualitativ hochwertiger erfolgen kann. Die Techniknutzung im Dienste der Beratungsstelle zieht dabei aber auch neue Anforderungen an die Mitarbeiter nach sich, die es so zuvor nicht gegeben hat und für die Berater in ihrer Ausbildung in der Regel nicht qualifiziert worden sind. In drei Stellen wurde »Öffentlichkeitsarbeit« explizit als

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Aufgabe benannt. Präventionsarbeit wird von drei Stellen als Angebot angegeben und Pädagogik / Bildungsarbeit sogar von vier Beratungsstellen (vgl. Tabelle 9, S. 125). Neben der unmittelbaren Kommunikation mit Klienten werden die Neuen Medien also auch zu weiteren sehr heterogenen Kommunikationsarrangements genutzt. Mitarbeiter von Beratungsstellen nutzen dabei die Neuen Medien auch jenseits von Onlineberatung. Die eigene Homepage wird bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt, Briefpapier und Flyer werden so gestaltet, dass sie verschiedene Zielgruppen und damit auch potentielle Klienten ansprechen. Herr Conrad beschreibt, dass für Vorträge, beispielsweise von Bildungsveranstaltungen, eigene PowerPoint Präsentationen erstellt werden. Die Kommunikation ist durch die Entwicklungen der Technik somit facettenreicher geworden. Face-to-Face-Kommunikation ist nicht mehr der zentrale Kommunikationsmodus, wenngleich er im Beratungsalltag nicht wegfällt, sondern vielmehr ergänzt wird. Vor allem die Berater mit Leitungsverantwortung beschreiben diese veränderten medialen Kommunikationsweisen sehr detailliert, wie die Herren Conrad und Glaser zeigen. Die veränderten Anforderungen an eine Außendarstellung sind aber auch für Berater ohne Leitungsfunktion relevant, wie etwa das Zitat von Frau Haller zeigen konnte (s. S. 155). Nicht unerheblich dürfte dabei die Legitimationsfunktion der eigenen Arbeit sein. Die vielfach knapper werdenden öffentlichen Mittel müssen immer wieder neu bewilligt werden. Aber auch dann, wenn es nicht um staatliche Pflichtleistungen geht, dürfte bei der Außendarstellung im Vordergrund stehen, die Notwendigkeit und Professionalität der Einrichtung zu unterstreichen. Außerdem werden über die öffentliche Kommunikation auch potentielle Klienten erreicht. Nur Menschen, die die Angebote der Beratungsstellen kennen, können im Bedarfsfall darauf zurückgreifen. Insofern verbinden sich bei dieser medial unterstützten Kommunikation Öffentlichkeits-, Bildungs- und Präventionsarbeit miteinander. Die Medien verändern die interne Kommunikation nicht nur durch die bereits genannte Nutzung von E-Mails. Vielmehr werden dadurch auch weitere Formen der Zusammenarbeit möglich. So beschreibt Herr Glaser, dass er einen fachlich interessanten Bericht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesehen hat und zur Auffassung kam, dieser sei auch für die Mitarbeiter seiner Beratungsstelle interessant. Er konnte den Beitrag daraufhin in der Internetmediathek des Senders finden und den Mitarbeitern per Link zukommen lassen. Das Beispiel zeigt, wie mit relativ wenig Aufwand unterschiedliche Medien miteinander verknüpft werden können. Herr Conrad handhabt das in ähnlicher Weise. So schickt er bisweilen Mails an seine Mitarbeiter weiter und gibt noch einen Kommentar dazu. Ähnlich ist das auch mit Inhalten aus dem Internet wie beispielsweise mit Informationen der Verbände möglich. Vier der fünf Beratungsstellen (außer der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung, Stelle 5) verfügen darüber hinaus über ein Intranet innerhalb der Beratungsstelle, das neben

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dem öffentlich zugänglichen Internet als zusätzliche Informationsplattform dient. Bei einigen Stellen gibt es einen solchen Informationspool auch auf Dachverbandsebene. Allerdings nutzen die Berater in diesen Stellen das Intranet untereinander nicht interaktiv in Form von Chats, Foren oder gar als mediale Supervision. Vielmehr dient das Intranet als zusätzliche Plattform für Informationen, die – aus welchen Gründen auch immer – im öffentlichen Internet nicht zugänglich sein sollen. Frau Ehlers sagt dazu: »Da bevorzugen wir im Moment noch, das mag sich ändern, aber eben wirklich dann die Teambesprechung, Fachbesprechung oder ne externe Supervision vor Ort. Was wir nutzen wir ham so ne Infothek, wo aktuelle Dinge eingestellt werden, die sich jeder angucken kann, und ähm da auch eben manche aktuelle Urteile und solche Geschichten, aber so Fälle die einzelne Berater einstellen und zur Diskussion stellen, das machen wir nicht. Ähm ich hab auch den Eindruck, dass das halt dafür einfach die Kapazität nicht da ist. Es kostet erstmal Zeit, sowas zu verschriftlichen; im Gegensatz dazu ist dann in der Fachbesprechung eben vorzustellen und zu diskutiern.« (FrEhlers-SchuIns-L, Z. 313 ff.)

Der zeitliche Aufwand gilt als Begründung, das Intranet nicht interaktiv zwischen den Beratern zu nutzen. Das Zusammentragen von Informationen wird demgegenüber als zeitlich vertretbare Möglichkeit genutzt. So wird in der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle überlegt, FAQs zu sammeln und für alle zur Verfügung zu stellen, damit sich neue Mitarbeiter oder solche, die etwas nicht mitbekommen haben, auf den aktuellen Stand bringen können. Dadurch soll gewährleistet werden, dass »nicht immer die gleichen Fragen kommen« (ebd. Z. 324). In dieser Beratungsstelle wird ebenfalls ein Muster deutlich, das schon in zwei anderen Stellen, von Herrn Conrad und Herrn Glaser, beschrieben wurde. Bereits bestehende Information wird gerne entgegengenommen, weitergegeben oder gar gespeichert und dokumentiert. Die Diskussion und fachliche Auseinandersetzung darüber wird jedoch nicht medial sondern vor Ort geführt. Die Notwendigkeit der Produktion von zusätzlichen schriftlichen internen Inhalten wird dabei pragmatisch von ihrem Nutzen her erwogen. Die Bewertung, Differenzierung und Diskussion von beziehungsweise über Inhalte bedarf vieler Worte. Diese sind zeitlich schneller gesprochen als schriftlich fixiert. Somit stellt das Sprechen einen zeitlichen Vorteil dar, der genutzt wird. Umgekehrt verhält es sich in Bezug auf die Weitergabe und Bereitstellung bereits bestehender Informationen. Sie zu nutzen, weiterzugeben, zu speichern und bei Bedarf lediglich mit einem kurzen Kommentar zu versehen bewirkt einen Mehrwert. Die Frage, ob eine medial geführte Diskussion mit der face-to-face geführten gleichwertig ist, stellt sich hier erst gar nicht, da die gewohnte Kommunikation vor Ort nur dann durch mediale Kommunikation ersetzt wird, wenn es dafür einen hinreichenden Grund gibt. Demgegenüber ist dies aber bei Frau Imholz der Fall, die Onlineberatung in einer virtuellen Beratungsstelle und nicht

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

über die eigene Stelle anbietet. Sie hat dabei keine Kollegen vor Ort, die ebenfalls in der Onlineberatung tätig sind. Somit kann sie innerhalb ihrer eigenen Beratungsstelle keine gemeinsame Fallarbeit in Bezug auf Onlineberatung machen. Da die anderen Berater der virtuellen Beratungsstelle ja an anderen Orten angesiedelt sind, wäre ein größerer Aufwand nötig, um regelmäßig Fallbesprechungen machen zu können. So wird in der virtuellen Beratungsstelle ein mediales Fallberatungsangebot vom Fachverband, der das Onlineangebot bereitstellt, ermöglicht. Für die Berater gibt es die Möglichkeit, Supervision in Anspruch zu nehmen: Per Telefon wird Einzelsupervision angeboten, und über Chat ist es möglich, an Gruppensupervision teilzunehmen. Der Dachverband der Beratungsstelle von Frau Imholz hat ebenfalls ein Intranet, das den Einrichtungen zur Verfügung steht. Das wird aber nicht für fachliche Kommunikation genutzt: »Das dient aber jetzt nicht dem inhaltlichen Austausch. Das läuft in den Einrichtungen.« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 341 f.) Die Dokumentation der Beratungsarbeit wird in den fünf Stellen sehr unterschiedlich gehandhabt. Obwohl die Berater in vier der fünf Beratungsstellen mit PCs ausgestattet und vernetzt sind, wird lediglich in der Jugend- und Drogenberatung eine Vereinheitlichung angestrebt, mit deren Hilfe dann die »Dokumentation online« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 370) von allen umgesetzt werden kann und muss. In anderen Stellen wird die Dokumentation von den Beratern auch in absehbarer Zeit noch auf Papier getätigt, und die abrechnungsrelevanten Daten werden anschließend von der Verwaltungskraft im Computer zusammengeführt. Frau Imholz äußert die Befürchtung, dass eine Änderung dieser Praxis im Sekretariat Arbeitsplätze überflüssig machen könnte. Herr Conrad hatte in der Vergangenheit bereits ähnliche Bedenken gehabt. Da zeigte sich jedoch, dass mit dem Verschwinden einzelner Aufgaben wieder neue Aufgaben hinzugekommen sind, die ein Überflüssig-Werden dieser Arbeitsplätze vermieden haben. Dabei wird deutlich, dass die Steigerung der Effizienz nicht das Hauptargument bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe ist. Vielmehr ist auch ein Aspekt im Blick, der die soziale Bedeutung von Arbeit stärker gewichtet. Ob diese Haltung bei einem steigenden Kostendruck auf Dauer aufrechterhalten werden kann, sei dahin gestellt. Jedenfalls gibt es auch hier einen Trend hin zu mehr Technik zu verzeichnen. Die Dokumentation wird zumeist per Computer erfasst, wenn auch von der Verwaltungskraft und nicht von den Beratern selbst. Es gibt heute für Beratungsstellen bereits speziell programmierte Fachsoftware zur Erfassung und Aufbereitung der Daten. Mit Hilfe dieser Technik ist es beispielsweise möglich, Statistiken zu erstellen und von mehreren Beratungsstellen, zum Beispiel auf Landes- oder Verbandsebene, zusammenzuführen. Inwieweit solche Spezialsoftware von den befragten Beratungsstellen genutzt wird, wurde nicht erhoben. Statistische Daten und solche, die für die Abrechnung beim

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Kostenträger genutzt werden, sind allerdings von den persönlichen Daten der Berater zu unterscheiden; denn diese dienen alleine dem Berater – zur eigenen Erinnerung und Gestaltung des Beratungsprozesses. In Bezug auf solche Dokumentationen gibt Frau Haller der Papierdokumentation persönlich den Vorzug: »Also ich find’s auch besser, was in der Hand zu haben und dann darin rumzustreichen und zu markiern und damit dann zu arbeiten als irgendwie nur am Bildschirm nur was zu lesen.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 509 ff.) Diese Einschätzung dürfte auch für andere Berater zutreffen, jedenfalls haben Papierdokumentationen, wie zum Beispiel persönliche Mitschriften, eigene Vorzüge, und aus Beratersicht ist somit das digitale Arbeiten nicht per se ein Vorteil. Der Blick auf die Techniknutzung in den Beratungsstellen macht wie erwartet deutlich, dass es auch dort einen Trend zu vernetzter medialer Kommunikation gibt, sehr nahe an den sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen. So wird vor allem diejenige Informations- und Kommunikationstechnik genutzt, die auch in anderen Kontexten sehr stark verbreitet ist, wie beispielsweise E-Mail. In Bezug auf die kollegiale Kommunikation innerhalb einer Beratungsstelle werden die Neuen Medien vor allem additiv gebraucht. Das heißt, es werden zusätzliche Informationen ausgetauscht, gemeinsam werden Ressourcen ausgeschöpft und es wird zugleich darüber kommuniziert. Die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht in den Stellen wird dadurch nicht zurückgedrängt. Vielmehr lösen mediale Kommunikationssequenzen zum Teil sogar weitergehende Face-to-Face-Kommunikation aus. Die fachliche Auseinandersetzung untereinander findet nach wie vor überwiegend offline statt, es sei denn die potentiellen Gesprächspartner sind räumlich zu weit voneinander entfernt. Dann werden auch mediale Kommunikationsformen gewählt. In Bezug auf die Außendarstellung und externe Kommunikation ergeben sich neue Anforderungen für die Berater, was die mediale Gestaltung angeht. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Homepagegestaltung als auch hinsichtlich der Druckdarstellungen für Flyer, Plakate etc. aber auch für eine professionelle Gestaltung von Vorträgen. Zum Teil dient diese mediale Darstellung zur Legitimation der eigenen Arbeit gegenüber Kostenträgern. Sie bietet aber auch die Möglichkeit, mit potentiellen Klienten in Kontakt zu treten. Der berufliche Alltag von Beratern wird also zunehmend durch Internetvernetzte Arbeitsplätze geprägt, auch wenn das noch nicht in allen Beratungsstellen realisiert wurde. Dabei hat die Informationssuche im Internet und die damit verbundene interne Kommunikation über fachliche Themen einen großen Stellenwert. In einer Beratungsstelle, bei der die Berater untereinander und mit dem Internet vernetzt sind, wie das in den ersten vier Beratungsstellen der Fall ist, ergeben sich daraus Veränderungen für die Beratungstätigkeit, aber auch für die Zusammenarbeit der Berater untereinander. In einer intern nichtvernetzen Beratungsstelle wie der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung (Stelle 5), verändert sich die Tätigkeit jedoch auch für einen einzelnen Berater bereits

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

durch ihren Internetanschluss auch über die Onlineberatung hinaus, wie beispielsweise die Recherchetätigkeiten im Internet zeigen. Die Vernetzung findet dann allerdings mit den Kollegen außerhalb der eigenen Beratungsstelle statt, die ebenfalls Onlineberatung im selben Beratungsportal anbieten.

6.3

Vielfalt der Zugänge bewirkt Niedrigschwelligkeit

Das Internet ermöglicht neue Zugangsmöglichkeiten zur institutionellen Beratung. Nun gilt es zu untersuchen, wie sich die Zugangswege zu den verschiedenen Beratungsformen verändern. Insbesondere die Frage nach dem Abbau von Zugangshürden und einem niedrigschwelligen Ausbau des Zugangs zu Beratung wird hier in den Blick genommen. Dabei interessiert nicht nur die Frage, wie die Onlineberatung neue Zugänge ermöglicht, sondern auch ob die Neuen Medien darüber hinaus genutzt werden, um auch beim herkömmlichen Beratungsangebot Hürden abzubauen und neue Zugangswege zu schaffen. Um die Veränderungen der Zugänge der Klienten zu den Beratungsangeboten der Stellen im Detail zu analysieren ist es sinnvoll, zunächst die Anmeldesituation zu den Angeboten zu betrachten. Der Anmeldeprozess zur Face-to-FaceBeratung wurde in Kapitel 5.6 dargestellt (vgl. Tabelle 12, S. 131). Demnach melden sich die Klienten in erster Linie per Telefon, wenn es um die Terminabsprache zu einer Beratung vor Ort geht, wie das schon seit Jahrzehnten, seit der massenhaften Verbreitung des Telefons, der Fall ist. Allerdings gibt es hier bereits Veränderungen, da sich Klienten zum Teil auch per Mail melden und um einen Termin bitten. In allen fünf Beratungsstellen geschieht die Anmeldung grundsätzlich über das Sekretariat beziehungsweise über die Anmeldung und es ist überall möglich, sich per Telefon und direkt vor Ort am Empfang anzumelden. In allen befragten Stellen ist es auch eine Option, sich mit einer E-Mail, deren Adresse zum Beispiel im Internet auf einer Homepage zu finden ist, an die Einrichtungen zu wenden. In zwei der Beratungsstellen ist es allerdings nicht möglich, den Anmeldeprozess per Mail abzuschließen. Vielmehr wird der Ratsuchende dann per E-Mail an die telefonische Anmeldung verwiesen. Eine Onlineanmeldung ist hier also nicht ohne einen Medienwechsel möglich. Frau Imholz beschreibt das für die Erziehungs-, Ehe und Lebensberatungsstelle: »Ja da gibt’s natürlich auch noch ne Mailadresse und das passiert aber selten. Also wenn dann schreiben Menschen dann schon mal ihr Problem. Wir schreiben dann auch direkt zurück, bitten sie aber dann dennoch anzurufen, weil das muss ja auch verhandelt werden, also mit der Warteliste und so und dann ist es einfach praktischer, wenn die sich dann direkt melden.« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 269 ff.)

Vielfalt der Zugänge bewirkt Niedrigschwelligkeit

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Demnach melden sich Klienten nicht häufig per E-Mail, aber dann kommt es auch vor, dass sie gleich auf diesem Wege ihr Problem benennen. Die Antwort der Beratungsstelle erfolgt sofort. Allerdings nicht mit dem Angebot auf weitere Beratung per Mail und nicht mit einem Terminangebot, sondern mit der Bitte, bei der Anmeldung / am Empfang anzurufen. Die Ratsuchenden, die das Medium E-Mail gewählt haben, werden also weiterverwiesen. Zwar nicht an eine andere Einrichtung, aber an einen anderen medialen Zugang der Einrichtung. Es kommt dabei zu einem medialen Bruch im Anmeldeprozess. Schließlich handelt es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit des Ratsuchenden, sondern er muss, wenn er eine Beratung wahrnehmen möchte, das Medium Telefon nutzen, das er de facto für die Anmeldung verworfen hatte, da er es ja gerade nicht ausgewählt hat. Mit dieser Intervention der Beratungsstelle wird der Ratsuchende also in seinem gewählten Zugang behindert. Schließlich kommt er auf diesem Wege nicht weiter und muss einen anderen Zugang wählen. Das, was nach Frau Imholz verhandelt werden muss, ist nicht das Anliegen des Ratsuchenden, sondern vielmehr die Anmeldungsroutine der Einrichtung, das heißt die Warteliste und das, was damit zusammenhängt. Außerdem begründet sie, dass es praktischer sei, wenn sich die Klienten »direkt anmelden«. Eine E-Mailanmeldung wird somit zur Telefonanmeldung kontrastiert. Telefonieren wäre in diesem Zusammenhang direkt, während die Onlinevariante demnach indirekt wäre. Dabei zeigt sich, dass eine Normalitätskonstruktion geschieht, die sich von den gewohnten Routineprozessen herleitet. Obwohl Frau Imholz auf einer externen Beratungsplattform selbst Onlineberatung anbietet, ist das Mailen in Bezug auf den Zugang zum Beratungsangebot der eigenen Stelle nicht gleichwertig zum Telefonieren. Direkt ist demnach die Kommunikation mit dem Sekretariat, wo die Anmeldung entgegen genommen wird, wenn es so geschieht wie es üblich ist, nämlich per Telefon. Die Klientenperspektive ist hier in Bezug auf die Anmeldemöglichkeit nicht im Blick, sondern die Organisationsabläufe haben in der genannten Begründung den Vorrang. Frau Arnold beschreibt auch ihre Praxis in der Sexual- und Paarberatungsstelle ausführlich. Sie sagt, dass die Anmeldungen in der Regel per Telefon kommen, aber die E-Mailanfragen zunehmen. »Wo bei dem E-Mail ist es meistens so, dass ne Anfrage kommt: Kann ich das bei ihnen machen? Was weniger ist ist, dass sie da schon ihr ganzes Problem schildern. Aber das kommt auch vor.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 119 ff. und 132 ff.) Eine inhaltliche Antwort erhält der Ratsuchende auf die Problemschilderung nicht. Das wird mit der Unsicherheit des Internets begründet, weil eine solche Kommunikation ungeschützt geschieht. Diese Begründung wird den Anfragenden in einer Mailantwort mitgeteilt. Allerdings fragen die meisten Klienten lediglich nach, ob es möglich ist einen Beratungstermin zu bekommen und wie das abläuft. Daraufhin erhalten sie standardisierte Antworten und erfahren darin, wann sie in der Stelle anrufen und Termine machen können sowie die Kosten für

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

die Beratung. Eine direkte Terminvereinbarung per Mail ist aus technischen Gründen noch nicht möglich, da die Mitarbeiter der Anmeldung bislang nur mit Telefon, nicht aber mit einem PC ausgestattet sind. Auch in dieser Beratungsstelle kommt es zu einem medialen Bruch beim Zugang der Klienten per Mail. Allerdings werden hier bereits erste Informationen gegeben, die den Anmeldeprozess betreffen. Außerdem wird bei einer inhaltlichen Anfrage begründet, weshalb eine Antwort nicht auf diesem Weg erfolgt. Perspektivisch ist es in dieser Stelle geplant, dass auch die Mailanfragen künftig von der Anmeldung aus bedient werden können. Allerdings ist noch nicht klar, ob die Termine dann auch per Mail vereinbart werden können. In den Stellen zeigt sich mehrheitlich ein Trend, den Anmeldeprozess auch auf Mails zu erweitern, wenngleich in zwei Stellen organisatorische und technische Gründe genannt werden, weshalb die Mailanmeldung bislang nicht ohne den Verweis auf das Telefon möglich ist. Bedenkt man die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung hin zu medialer Kommunikation, die immer häufiger auch standardisierte Transaktionen wie etwa Anmeldeprozeduren oder Terminbuchungen im Internet beinhaltet, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, dass auch eine Onlineanmeldung in Beratungsstellen selbstverständlich wird. Was sich bei den Zugängen kaum verändert, ist in allen untersuchten Beratungsstellen die zentrale Stellung des Sekretariats als Kommunikationsknotenpunkt. Der Begriff Sekretariat wird in vier Stellen ausdrücklich verwendet. In der Paar- und Sexualberatung wird in diesem Zusammenhang von der »Anmeldung« gesprochen, die abgegrenzt wird von der »Verwaltung«. Herr Dreher spricht in der Jugend- und Drogenberatung zusätzlich auch vom »Empfang«, wobei Herr Conrad diesen Begriff nicht verwendet und mehrfach vom »Sekretariat« spricht. In der Sache ändern die begrifflichen Unterscheidungen jedoch nichts, da in allen Stellen beschrieben wird, dass die Anrufe in der Regel nicht von einem Berater entgegengenommen werden, sondern von anderen Mitarbeitern, die dafür zuständig sind. Abgesehen von einer Stelle wird in Bezug auf die Aufgaben des Sekretariats / der Anmeldung sogar ausdrücklich von »Erstkontakt« gesprochen. Die Zugänge zur Face-to-Face-Beratung sind also so gestaltet, dass weder die persönliche Anmeldung vor Ort noch die telefonische Terminanfrage direkt durch einen Berater erfolgen. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. So beschreibt Herr Dreher, dass dann, wenn der Empfang nicht besetzt ist, die Berater ans Telefon gehen und die Anfragen entgegennehmen. Das ist dort allerdings auch als Ausnahme definiert und nicht als Regel. Bis die Ratsuchenden zum ersten Mal in Kontakt mit einem Berater kommen, kann es – vom Erstkontakt an gerechnet – viele Wochen dauern. In der Kinder-, Jugend und Familienberatung sind es ca. zwei bis drei Wochen. Und in der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle erfahren die Klienten im Erstkontakt, dass sie sich in eine Warteliste eintragen lassen können und sie mit rund vier Wochen

Vielfalt der Zugänge bewirkt Niedrigschwelligkeit

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Wartezeit zu rechnen haben. Danach, falls sie mit dem Eintrag in der Warteliste einverstanden sind, ist hier die Anmeldeprozedur allerdings noch nicht abgeschlossen, vielmehr gibt es noch einen weiteren Schritt zu tätigen: »Die Besonderheit bei uns ist äh, dass wir die Leute bitten, dass sie sich von sich aus nach zwei Wochen nochmal melden, dass sie sich erinnern wann sie auf der Warteliste stehen oder auch nicht. Aber dass sie sagen ich stehe auf der Warteliste und dann bekommen sie erst einen festen Termin. Das hat sich als äh gut herausgestellt, weil wir dadurch sehr wenig äh leere stunden haben wo jemand nicht kommt. Also wer das zweimal macht der, die Wartezeit wird nicht länger, nur er muss sich eben nochmal kümmern, und es gibt immer wieder Leute die dann auch nicht anrufen, kann sein weil er wo anders was gefunden hat, kann sein dass das Problem sich gelöst hat ähm aber die wo dann zweimal anrufen die kommen dann eben auch. So dann äh wenn der dann das zweite Mal anruft, dann bekommt der den Namen genannt von dem Berater, der Beraterin.« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 245 ff.)

Dieses Anmeldeprocedere dürfte für potentielle Klienten jedoch eine zusätzliche Hürde im Zugang zu einem Beratungsangebot darstellen. Nachdem die Menschen, die sich ja in der Regel in einer Problemsituation befinden, vielleicht zum ersten Mal den Mut gefasst haben, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, erhalten sie noch immer keinen Termin und auch nicht den Namen des späteren Beraters. Die Einschätzung von Frau Imholz, dass sich das Vorgehen als gut herausgestellt hat, richtet sich nicht auf die Situation des möglichen Klienten, sondern bezieht sich in der Argumentation ausschließlich auf die Optimierung der stelleninternen Abläufe, wenn sie beschreibt, dass es dadurch weniger Ausfallstunden gibt. Bezüglich einer stelleninternen Effizienzsteigerung ist dieses Vorgehen nachvollziehbar. Im Hinblick auf Menschen in schwierigen Lebenslagen stellt sich die Frage, ob durch dieses Vorgehen nicht gerade bei denjenigen Personen die zusätzliche Hürde besonders negative Auswirkungen hätte, die die Hilfe am nötigsten hätten. Wer nach Unterstützung sucht, für den sind vier Wochen Wartezeit subjektiv eine sehr lange Zeit, wenn die Hilfe akut gebraucht wird. Das Wissen darum, dass es einen Berater gibt, der nach einer gewissen Wartezeit für den Ratsuchenden ohne weitere Vorleistung da ist, könnte gerade für diejenigen, die eine Vertrauensperson suchen, eine Hilfe zur Überbrückung darstellen. Von Frau Imholz wird die Perspektive des Anrufers jedoch erst gar nicht thematisiert. Damit ergibt sich im Vergleich des Zugangs zur Face-to-Face-Beratung und zur Onlineberatung eine große Differenz, was deutlich wird, wenn man die Aussage von Frau Imholz in Bezug auf die Face-toFace-Anmeldeprozedur mit dem Zugang zum Onlineberatungsangebot in Beziehung setzt. Den Zugang zur Onlineberatung beschreibt sie wie folgt: »Das heißt, sie kriegen in kurzer Zeit, die vorher sichtbar ist, ähm zugesichert, dass sie ne Antwort bekommen. Sie müssen nicht auf vier Wochen oder noch länger Wartezeit sich einlassen, sie können spontan Probleme schildern.« (ebd. Z.

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

33 ff.) Im Internet ist die Zeit zwischen den Antworten demnach deutlich kürzer, aber vor allem besteht die Möglichkeit, direkt die Probleme zu benennen, die dann nach verhältnismäßig kurzer Zeit von einem Berater ohne zwischengeschaltete Prozedur beantwortet werden. Was den Zugang zum Beratungsangebot angeht, so zeigen sich hier gegenläufige Prozesse zwischen Offline- und Onlineangebot. Während im Internet die Zugangshürden möglichst niedrig gehalten werden, wird der Zugang vor Ort noch durch einen zusätzlich geforderten Anruf erschwert. Lediglich dann, wenn die Einschätzung der Sekretärin dahin geht, dass eine Krisensituation vorliegt, wird die Hürde im Zugang zur Beratung gesenkt und es wird ein kurzfristiger Termin bei einem Berater ermöglicht. Weshalb die Hürde im Internet nicht in gleicher Weise erhöht wird, um Ausfälle in der Beratung zu gewährleisten, beschreibt Frau Imholz nicht. Das Problem, dass der Mailanfragende sich nicht mehr meldet, besteht im Internet jedenfalls auch: schließlich ist es in der Mailberatung möglich, dass sich ein Berater die Arbeit einer ausführlichen Antwort macht und der Ratsuchende diese niemals liest. Gegenüber einem Leerlauf in der Beratungsstelle, währenddessen man prinzipiell noch andere Tätigkeiten erledigen könnte, wäre die nicht gelesene Antwort sogar eine regelrecht verlorene Zeitressource. Hier stellt sich die Frage, ob die Verantwortlichen in den Stellen nicht der Gefahr unterliegen, durch die jahrelange Routine der herkömmlichen Beratungsarbeit die Perspektive potentieller Ratsuchender aus dem Blick zu verlieren und primär einen reibungslosen Ablauf der Beratungsorganisation anzustreben. Bei Onlineberatung ist demgegenüber auch die Frage der Hürde gut im Blick, was die Benennung der Niedrigschwelligkeit für potentielle Klienten zeigt, wie nachfolgend ausgeführt wird. Möglicherweise liegt eine Chance darin, durch die Entwicklungen der Neuen Medien auch die etablierten Prozesse in den Stellen vor dem Hintergrund von Kundenfreundlichkeit neu und bewusst wahrzunehmen. Hürden im Zugang zu Beratungsstellen sind die begrenzten Zeiträume, innerhalb derer Termine angeboten werden. Frau Arnold beschreibt, dass es für viele Menschen auf Grund des Druckes seitens der Arbeitgeber schwieriger geworden ist, sich tagsüber für Beratung frei zu nehmen. Berufstätige, die nicht selbständig tätig sind, können demnach lediglich am Abend zur Beratung kommen. Häufig wird auch Beratung am Wochenende gewünscht. »Das hat sich, glaube ich, schon verändert, also dass es früher einfacher war das tagsüber zu machen und heute halt nur noch abends geht.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 58 f.) In der Sexual- und Paarberatungsstelle wurde das zeitliche Angebot an die veränderten Bedarfe der Klienten angepasst. Alle Berater dieser Stelle bieten auch abends Termine an und manche auch relativ spät bis um 22 Uhr und auch am Freitagabend. Gerade in der Paarberatung ist die Terminierung oft schwierig, weil sich die Berater gleichzeitig mit zwei Personen abstimmen müssen. Die Abendund Wochenendtermine werden auch gerne von Paaren in Anspruch genommen,

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bei denen mindestens ein Partner weiter entfernt arbeitet oder die Partner an unterschiedlichen Orten wohnen. Demnach gibt es zunehmend Paare, die sich über das Internet kennengelernt haben und eine »Wochenendbeziehung haben« (ebd. Z. 78). Ein solches Entgegenkommen einer Einrichtung auf die zeitlichen Bedürfnisse der Klienten, wie bei der beschriebenen Beratungsstelle, ist nicht selbstverständlich. Somit ist es nachvollziehbar, dass Menschen außerhalb der eigenen Arbeitszeit und nach den Geschäftszeiten der meisten Beratungsstellen auf die Suche nach Hilfe gehen. Beratungsstellen haben abends meist geschlossen. Im Internet kann demgegenüber nicht nur Tag und Nacht nach Inhalten gesucht werden, die sich mit den relevanten Problemen befassen, vielmehr ist es bei zeitversetzter Onlineberatung wie zum Beispiel per Mail auch möglich, jederzeit eine Anfrage zu stellen. So stellt es Frau Ehlers auch als eine positive Möglichkeit dar, dass die Kunden nicht an Sprechzeiten oder Öffnungszeiten gebunden sind. Auch dann, wenn sie als Beraterin nicht mehr da ist, besteht eine Kontaktmöglichkeit, die sie zusätzlich zu den anderen Angeboten verortet sieht: »Die können mir eben auch erst mal ’ne E-Mail schicken und ihr Anliegen loswerden. Also so als und im Hinblick auf Kundenfreundlichkeit auch ein ergänzendes Angebot.« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 219 f.) In Bezug auf den Erstkontakt beschreibt Herr Berger, dass Klienten zum Teil nicht den Weg zu einer Beratungsstelle vor Ort gehen würden: »Das die würden mit hoher Wahrscheinlichkeit nie zu ner Beratungsstelle gehn.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 287 f.) Die Onlineberatung stellt nach Einschätzung einiger Berater, nicht nur von Herrn Berger, eine besondere Niedrigschwelligkeit dar. Es werden verschiedene Begründungen angeführt, was die Zugangshürde bei der Onlineberatung senkt. Genannt werden vor allem der einfache Zugang, direkt von zuhause aus, die zeitliche Flexibilität und die Erreichbarkeit. Als sehr wichtig für die Niedrigschwelligkeit wird mehrfach die Anonymität hervorgehoben. Die fachlichen Aspekte der Anonymität werden weiter unten behandelt. Im Hinblick auf den Zugang ist festzuhalten, dass per Internet Menschen erreicht werden, die sonst nicht, oder zumindest noch nicht, durch das Beratungsangebot vor Ort erreicht würden. Herr Dreher beschreibt: »Des hab ich schon erlebt, dass wir durchaus auch ne erst mal medial bezogene Beratung in den Face-to-Face-Kontakt rübergebracht ham.« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 77 ff.) Somit gibt es auch über den medialen Zugang hinaus eine Überführung in die Beratung vor Ort. Das ist allerdings die Ausnahme, was nach seinem Dafürhalten daran liegt, dass die Nutzer des Onlineangebots nicht unbedingt aus der Region stammen. Der Begriff »rübergebracht« scheint dabei deutlich zu machen, dass es zu einer Steuerung seitens der Berater kommt, um den Settingswechsel aktiv zu initiieren. Auch in anderen Beratungsstellen wird beschrieben, dass die Onlineberatung ein erster Einstieg sein kann, der zu Faceto-Face-Beratungsprozessen führt, sofern das konzeptionell vorgesehen ist. Auch bei anderen Stellen sprechen die Berater Empfehlungen aus, damit es zu einem

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Settingswechsel kommen kann. Das zeigt, dass die Berater auch in Bezug auf die (mediale) Settingfrage die Prozesssteuerung übernehmen, etwa wenn in der Schuldner- und Insolvenzberatung den Klienten empfohlen wird von der E-Mail zum Telefon zu wechseln, um so schneller wichtige Informationen austauschen zu können. Dabei zeigt sich, dass der Zugang und die anschließende Steuerung des weiteren Verlaufs maßgeblich von der jeweiligen Beratungsinstitution abhängen, etwa weil in der Insolvenzberatung ein höherer Informationsbedarf herrscht – zum Beispiel um die Sachlage juristisch angemessen zu beurteilen – als in anderen Beratungsinstitutionen. Eine nicht unerhebliche Hürde für den Zugang zu Beratung stellen, wie einige Berater darstellen, schambesetzte Themen dar. Wenn es um Situationen oder Probleme geht, die gesellschaftlich tabuisiert sind, fällt es Menschen demnach schwer dies bei einem Gegenüber von Angesicht zu Angesicht auszusprechen. Frau Arnold beschreibt, dass das Onlineangebot für Menschen, die noch nie eine Beratungsstelle aufgesucht haben, eine Möglichkeit bietet, abzuklären »wie sind die so drauf und wie offen kann man da über Sex reden und solche Geschichten. Was ham die für ne Einstellung zum Fremdgehn also bei diesen heiklen Themen.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 483 ff.) Beim Onlineberatungsangebot ist es für Klienten möglich, bei solchen heiklen Themen, die Reaktionen von Professionellen zu erkunden, ohne aus dem geschützten Raum des Internets gehen zu müssen. Es gibt dabei keine Verbindlichkeit, und durch die Anonymität des Netzes ist es darüber hinaus jederzeit möglich, den Kontakt abzubrechen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Somit ist eine maximale Steuerungsmöglichkeit gegeben. Außerdem muss sich der Nutzer auch nicht mit seiner realen Identität zeigen, sondern der Ratsuchende kann sich eine virtuelle ausdenken. Insbesondere für junge Menschen ist dieser niedrigschwellige Zugang zum Beratungsangebot interessant, wie Herr Berger aufzeigt: »Allerdings würde ich sagen, dass ein deutlicher Anteil jüngerer Leute eher das Internet nutzt wie die Beratung. Wir haben hier auch die Tendenz, dass mittlerweile sehr viel junge Paare kommen oder auch Fragen stellen zum sexuellen Bereich. Gerade im sexuellen Bereich denk ich ist die Hemmschwelle sehr groß und dann ist des Internet favorisiert, zum ersten Mal überhaupt dann das in die Thematik rein zu gehn. Grad bei ganz jungen Leuten, bei Jungen in der Pubertät mit Fragestellungen zu Liebe, Sexualität, das geht los bei Penisgröße und hört auf was weiss ich äh mit bestimmten sexuellen Praktiken oder sonst irgendetwas.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 308 ff.)

So ist es möglich, das Angebot und einen Berater erst einmal auszutesten, bevor ein Ratsuchender sich persönlicher zeigt. Danach ist es ja immer noch möglich sich als Klient intensiver einzubringen, sei es in einem Onlineangebot oder in einer Beratung vor Ort. Damit sinkt aber das subjektive Risiko ungewollt beschämt zu werden, was für den Zugang zum Beratungsfeld eine wichtige Er-

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leichterung darstellt. Frau Imholz erweitert die Liste schambesetzter Themen und nennt neben der Sexualität beispielhaft noch weitere wie Sucht, Drogen, Missbrauch und speziell bei Jugendlichen Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten. In ihre Erziehungs-, Ehe und Lebensberatungsstelle »verirrt sich selten ein Jugendlicher von sich aus« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 56 f.) Und so ist es möglich, dass sie über die virtuelle Beratungsstelle mit Jugendlichen in Kontakt tritt, die sie in ihrer Beratungsstelle vor Ort nicht beraten würde. Einige Berater gehen davon aus, dass das Alter eine wichtige Rolle in Bezug auf die Nutzung von Onlineangeboten spielt. Für die Sexual- und Paarberatung wurde bereits beschrieben, dass gerade junge Paare und auch sehr junge Menschen die Onlineberatung nutzen. Auch Frau Imholz beschreibt, dass sie Jugendlichen eher online als in ihrer Beratungsstelle begegnet. Und Herr Dreher legt dar, dass der Chat vor allem von Jüngeren genutzt wird. Hier ist es allerdings fraglich, ob das primär mit dem Alter zusammenhängt. Für die genannten Tabuthemen ist es nachvollziehbar, dass junge Menschen das Internet als ersten Anlaufpunkt im Umgang mit heiklen Themen nutzen, etwa im Sinne eines Probehandelns, was sich in der Onlineberatung beispielsweise in so genannten Scherz- und Test-E-Mails zeigen kann. Die verstärkte Nutzung der Angebote durch jüngere Altersgruppen dürfte aber vor allem mit der jeweiligen Mediensozialisation der Generationen zusammenhängen. Ältere Menschen können sich schließlich noch daran erinnern, dass ein Telefon in einem Privathaushalt die große Ausnahme war. In ihrer Kindheit und Jugend haben sie nicht gelernt, mit Kommunikationstechnik, Computer und Medien umzugehen, die heute im Alltag Jugendlicher selbstverständlich sind. Junge Menschen um die Mitte Zwanzig sind bereits mit Gameboy und medientechnischen Anwendungen groß geworden, wie sie heute vom Grundprinzip her bei den Neuen Medien genutzt werden. 30- bis 40-Jährige haben in der Regel bereits in Studium oder Berufsausbildung beziehungsweise beim Berufsstart Neue Medien, Internet und Handys als alltägliche Kommunikation kennengelernt. Ältere kamen demgegenüber erst sehr viel später mit dieser Technik in Kontakt, und bei nicht wenigen wurde der Gebrauch der Kommunikationstechnik nie so selbstverständlich als wären sie damit aufgewachsen. Diese Beispiele zeigen, dass die Selbstverständlichkeit, wie die Medien genutzt werden, bei den verschiedenen Altersgruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Das hat jedoch nichts mit dem Alter selbst zu tun. Insofern ist zu erwarten, dass die Neuen Medien künftig immer häufiger auch von älteren Menschen genutzt werden. Gleichwohl bleibt die Onlineberatung vermutlich auch bei kommenden Generationen für Kinder und Jugendliche ein interessanter Zugang zum Beratungsfeld, da man in diesem Medium niedrigschwellig mit der Erwachsenenwelt in Kontakt treten kann ohne sich als Person zeigen zu müssen. Eine Entwicklung, die von einigen Beratern beschrieben wird ist, dass immer

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

mehr Klienten nicht freiwillig in die Beratungsstelle kommen, sondern dass der Zugang der Klienten durch andere Institutionen veranlasst wird: »Also Zugang sind wahrscheinlich andere Menschen, aber mehr von anderen Menschen, die früher jetzt nicht gekommen wären, die einfach geschickt werden und das erfordert, einen anderen Einstieg und einen anderen Zugang zu schaffen.« (FrImholz-ErzEheLeb-K, Z. 231 ff.) Der Einstieg in die Beratung verändert sich also. Mit dem Begriff »Zugang zu schaffen« wird deutlich, dass die Klienten dann zwar körperlich anwesend sind, zu ihnen als Person aber noch kein Zugang besteht und dieser erst noch ermöglicht werden muss. Bei diesen fremdgesteuerten Zugängen sind zumeist auch weitergehende Kontrollfunktionen verbunden und es handelt sich nicht mehr um Beratung im eigentlichen Sinne. Das hieße nämlich, dass sich ein Individuum ratsuchend an eine Beratungsstelle wendet, weil es aus eigener Motivation für seine Fragen und Probleme Rat sucht. Vielmehr geschieht dann die paradoxe Situation, dass jemand zum Beispiel durch eine Gerichtsauflage gezwungen wird, sich Beratung zu holen. Das wird zum Teil auch als problematisch erlebt, da hier das doppelte Mandat in sehr verschärfter Form vorliegt. Zum einen hat Beratung den Anspruch, dem ratsuchenden Menschen mit seinen Fragen und Problemen, mit seinen eigenen Anliegen zu helfen und andererseits werden im Auftrag eines Dritten Kontrollfunktionen wahrgenommen. Frau Imholz hat die Befürchtung, dass die Kontrollaufträge für ihre Beratungsstelle immer mehr zunehmen und der »Aspekt der Freiwilligkeit, der für die Beratung auch grundlegend ist, nach hinten tritt« (ebd. 488 f.). In diesem Zusammenhang merkt sie an, dass es in der Stelle bereits eine Tendenz zu mehr Erziehungsberatung im Kontext der »insofern erfahrenen Fachkraft« gibt, wobei mehr Kontrolle erwartet wird. Sie berichtet, dass von Jugendamt und Gericht zum Teil Erwartungen an die Berater gerichtet werden, das zu leisten, was anderen bei Menschen mit einer »langen Leidenskarriere« (ebd. Z. 470) bislang nicht gelungen ist. Dabei ist es für die Beraterin eine wichtige Aufgabe, darauf zu achten, dass die ursprüngliche Beratungsform, die für sie auf Freiwilligkeit basiert, nicht verloren geht. »Aber unsere Beratungsform basiert eben nicht auf äh Gewalt oder Zwang, sondern das ist eben etwas, was auf Freiwilligkeit setzt und das widerspricht sich dann.« (ebd. Z. 480 f.) Herr Dreher berichtet ebenfalls über Kontrollaufträge. »Also wo sich auch so Hilfe und Kontrolle bei uns eindeutig treffen. Auflage vom Gericht, Auflage vom Jugendamt. hmhm. Also wo mer auch ne intensive Zusammenarbeit ham, die oft auch vom Bewährungshelfer dann überwacht wird. Wo wir auch äh Meldung ans Gericht oder an den Bewährungshelfer geben müssen ob die Auflage eingehalten wird.« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 221 ff.)

Von ihm wird das allerdings nicht negativ konnotiert, sondern vielmehr spricht er in diesem Zusammenhang von intensiver Zusammenarbeit. Im Gegensatz zu

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Frau Imholz sieht er offenbar keinen Widerspruch zwischen Beratung und Kontrolle. Indem er des Weiteren von Gesprächen in Kombination mit Kontrollen spricht, stellt er diese beiden Aufgaben quasi gleichberechtigt nebeneinander. In seiner weiteren Beschreibung wird auch eine Unterscheidung der Kontrollen in der Drogenberatung gegenüber denen einer Erziehungsberatung deutlich, denn diese sind zum Teil auch technischer Art. So werden beispielsweise Drogenfreiheitsnachweise erstellt. In Bezug auf Freiwilligkeit hat Herr Dreher dann auch ein sehr verschiedenes Konzept gegenüber dem von Frau Imholz: »Wir machen überwachte Urinkontrollen hier auch. Wo wer dann ja parallel dazu Gespräche führn. Aber auch versuchen nach dieser Maßnahme die Klienten noch längerfristig an uns zu binden, weil die Auflage die das Gericht gibt oft auch ähm nicht unbedingt äh ausreichend sind unsrer Ansicht nach, um die eigentliche Problematik zu klärn.« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 226 ff.)

Die Auflagen werden vom Drogenberater demnach als hilfreich für die Arbeit angesehen und die Freiwilligkeit gerade nicht als Bedingung für die Beratungsarbeit vorausgesetzt. Herr Dreher beschreibt sogar einen positiven Zusammenhang zwischen den Auflagen des Gerichts und der Klärung der Problematik. Da die Auflagen des Gerichts häufig als nicht ausreichend erlebt werden, werden die Klienten weiter an die Stelle gebunden. Die Frage, was zu klären ist, wird hier nicht vom Klienten aus gesehen, sondern es gibt eine Vorstellung darüber, wie eine Klärung aussehen könnte und dass Zwangsmaßnahmen helfen würden, in die entsprechende Richtung zu wirken. Nur in Bezug auf die Institutionen Jugendamt, Gericht und Bewährungshilfe wird von Zusammenarbeit gesprochen, nicht aber in Bezug auf die Klienten. Dementsprechend werden diese genannten Institutionen als die Helfer im Sinne des Beraters angesehen. Sie sollen nämlich eine von ihm definierte Klärung bewirken. In Bezug auf den Wandel der Beratung durch Neue Medien wird deutlich, dass die möglichen Kontrollfunktionen in Beratungsstellen in einem ziemlichen Kontrast zu anonymer Onlineberatung stehen. Schließlich sind die Ratsuchenden hier nicht im Einflussbereich des Beraters. Dreieckskontrakte und Kontrollauflage von Behörden und Gerichten spielen bei medialen Beratungsprozessen, die nicht fallbezogen abgerechnet werden, keine Rolle. Dies könnte aber eine Motivation für Berater darstellen, Onlineberatung anzubieten, gerade wenn die Kontrollaufträge in der Beratungsstelle zunehmen und diese Beratungsform eine Möglichkeit bedeutet, vermehrt Klienten zu beraten, die sich freiwillig melden. Für bestimmte Personengruppen ist mediale Beratung eine Möglichkeit, neu Zugang zu Beratungsangeboten zu bekommen, der sonst nicht oder nur schwer möglich wäre. Ein Beispiel nennt Frau Ehlers, deren Schuldner- und Insolvenzberatung per Telefonhotline und Onlineberatung bundesweit tätig ist:

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

»Und da seh ich die Chancen weil wir die Rückmeldung bekommen aus dem Bundesgebiet, da sitzt irgendwie ein gehbehinderter Rentner im Dorf in Bayern der könnte noch nicht mal zu ner Schuldnerberatungsstelle gehen / fahren, die fünfzig Kilometer entfernt ist. Und ähm der kann halt mit dem Mittel Telefon und mit dem Mittel Onlineberatung kann der Hilfe bekommen. Das ist die Chance und das Novum da dran«. (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 169 ff.)

Das Beispiel verknüpft zwei verschiedene Zugangshürden miteinander, nämlich eine Gehbehinderung und eine weite Entfernung zur nächsten Beratungsstelle. Das zeigt, dass gerade dann, wenn verschiedene Faktoren zusammenkommen, die Hürde im Zugang zu einer Beratungsstelle sehr hoch werden kann. Die mediale Beratung überbrückt dann diese räumlichen Distanzen und verringert die Schwelle im Zugang zu einem Beratungsangebot. Für Menschen in ländlichen Wohngebieten und für gehbehinderte Menschen, die nicht gut an die Infrastruktur der Öffentlichen Verkehrsmittel angebunden sind, wird der Zugang durch mediale Beratung deutlich erleichtert. Das kann für eine ausschließlich mediale Beratung gelten, aber auch für eine Kombination medial / face-to-face. So werden in der Schuldnerberatung, zur Bewertung und Weiterbearbeitung eines Falles, zum Beispiel für die Verhandlung mit Gläubigern, verschiedenste Informationen benötigt, die von den Klienten auf dem medialen Weg an die Berater nachgereicht werden können. Selbst bei einer Face-to-Face-Beratung sind somit zwischen den Beratungssitzungen mediale Sequenzen möglich, die den Klienten Vereinfachungen bringen und besonders für diejenigen Gruppen eine Erleichterung darstellen, für die es schwierig ist, vor Ort in die Beratungsstelle zu gelangen. Das Mailen parallel zum Face-to-Face-Beratungsprozess wird auch in anderen Beratungsstellen beschrieben. So berichtet Herr Conrad, dass auf den Visitenkarten der Jugend- und Drogenberater die E-Mailadresse abgedruckt ist und Klienten dies nutzen, um zwischen den Beratungssitzungen zu kommunizieren. Demnach wird die E-Mail vor allem für Absprachen genutzt, die früher über Telefon getätigt wurden. Die Erleichterung des Zugangs für bestimmte Gruppen zeigt, dass es individuell vom Einzelfall abhängt, was eine Hürde und was eine Überbrückung zum Beratungsangebot darstellt. Während sich Telefonberatung für Sehbehinderte geradezu anbietet, verhält es sich bei Hörbehinderten umgekehrt, weil für sie die Onlineberatung das Mittel der Wahl ist. Allerdings können innerhalb der Medien auch wieder Überbrückungen stattfinden, wenn etwa Sehbehinderte Programme benutzen, die ihnen die Texte akustisch übersetzen, das heißt per Computerstimme vorlesen. Dann hängt es allerdings von der technischen Ausgestaltung des Onlineangebots ab, ob diese Technik auch genutzt werden kann, das heißt, dass die Plattform in diesem Sinne barrierefrei programmiert wurde. Um Zugang zu einem Beratungsangebot zu bekommen müssen Menschen, die Hilfe suchen, erst einmal wissen, dass es solche Angebote überhaupt gibt und

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wie sie dorthin finden. Außerdem bedarf es in der Regel einer irgendwie gearteten Referenz, die es den potentiellen Klienten ermöglicht einzuschätzen, ob das Angebot seriös und hilfreich ist. Herr Dreher und Frau Imholz sprechen hinsichtlich eines Verweises auf das Angebot von Mund-zu-Mund-Propaganda, die häufig der Fall ist. Für den Bereich der Jugend- und Drogenberatung wird beschrieben, dass die Beratungsstelle »in der Szene sehr bekannt« (Hr-DreherJuDro, Z. 247) ist, und Frau Imholz geht so weit zu sagen, dass der persönliche Verweis auf das Angebot die häufigste Zugangsart darstellt. Durch das Internet ist eine neue Möglichkeit des Verweises hinzugekommen, da Menschen durch eine Internetrecherche auf die Homepage einer Stelle gelangen können. Außerdem ist es möglich, dass anerkannte Organisationen per Link auf eine Beratungsstelle verweisen und somit das Angebot als externe Referenz qualifizieren. Diese Zugangsweise wird häufiger, wie Herr Glaser darstellt: »Bei Erstkontakten fragen wir die Leute, wie sind sie denn auf uns gekommen. Ja weil das ja interessant ist ähm wer hat denn empfohlen oder was an Öffentlichkeitsarbeit funktioniert und das ist es zunehmend so, dass Leute sagen, ich hab im Internet geguckt und dann hab ich ihre Homepage gefunden.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 101 ff.)

Das Internet stellt somit auch für die Angebote vor Ort einen relativ neuen Zugang dar und ist nicht nur für mediale Angebote ein Türöffner. Die Menschen, die im Internet auf die Suche nach Hilfsmöglichkeiten gehen, kommen dabei bereits mit Inhalten zum Themenfeld in Kontakt, die schon eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Problematik bedeuten können. Somit stellen die Inhalte, die von Beratungseinrichtungen ins Internet gestellt werden, aus fachlicher Perspektive bereits einen ersten Beratungseinstieg dar, noch bevor die Beratung mit den Mitarbeitern einer Beratungsstelle vereinbart wurde. Für viele Menschen, wenn auch nicht für alle, stellt die Onlineberatung eine deutliche Herabsenkung der Zugangshürden dar. Das wird in verschiedenen Interviews deutlich und ist vielfach auch die fachliche Motivation, sich als Berater oder Einrichtung an dieser Form der Beratung zu beteiligen. Herr Berger beschreibt die Herabsenkung der Hürden bei Mailberatung eindrücklich: »Der andere Part ist, dass mit dieser Onlineberatung gerade durch diese Anonymität und diesen niederschwelligen Zugang, das heißt, die Leute, die kommen ja nicht müssen nicht zig Hürden nicht. Sie müssen nicht anrufen, sie müssen sich nicht anmelden. Die gehen in die Suchmaschine rein, die geben an, was weiß ich Paarberatung, Beratungsmöglichkeiten und dann kriegen die ne riesen Palette zack zack sind die in [Name des Onlineberatungsangebots des eigenen Verbands], schreiben noch ne Mail kriegen ne Rückmeldung, dass die Mail stimmt und dann geht’s los, so. Also absolut niederschwellig, absolut anonym.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 234 ff.)

Freiwilligkeit und Anonymität machen demnach wichtige Faktoren der Niedrigschwelligkeit aus. Aber darüber hinaus fallen beim Onlineberatungsangebot

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

auch organisatorische Hürden weg, die es bei der Face-to-Face-Beratung, zumindest in seiner Stelle, gibt. Dort muss man nämlich anrufen und sich vorher anmelden. Bei der asynchronen Mailberatung ist jedoch beides nicht notwendig. Das Telefonieren wird von ihm neben der Anmeldung als eigene Hürde aufgezählt. In der Sexual- und Paarberatungsstelle von Herrn Berger werden schließlich auch Ratsuchende, die sich per Mail anmelden möchten, an die telefonische Anmeldung verwiesen. Das heißt während es diese Hürde bei der Onlineberatung nicht gibt, bleibt sie face-to-face nach wie vor bestehen. Die Mail kann also nicht als Anmeldemöglichkeit genutzt werden. Wie die Darstellung der Zugänge zu Beratungsangeboten zeigt, haben sie sehr unterschiedliche Dimensionen. Bildlich gesprochen gibt es bei den Zugängen aus Perspektive der Beratungsstellen einen inneren, einen äußeren und einen vermittelnden Aspekt. Die äußeren Gegebenheiten betreffen Dispositionen potentieller Klienten und Faktoren, die von den Beratungsstellen nicht beeinflusst werden können. Allerdings können neue Angebote für bestimmte Personen auch neue Zugänge ermöglichen. Vermittelnde Faktoren sind Homepage, Flyer und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Über diese Vermittlung ist es möglich, den Zugang bekannt zu machen und zielgruppenspezifisch nahe zu bringen. Die inneren Zugangsaspekte betreffen die Angebote und Zugangswege der Beratungsstellen selbst, wie Anmeldesituation, Begrüßung und Kontaktgestaltung. Dabei gibt es Zugangshürden beziehungsweise Zugangsbrücken, die es bestimmten Gruppen erschweren beziehungsweise erleichtern, zu einem Beratungsangebot zu gelangen. Barrierefreiheit erhält so vor diesem Hintergrund eine ganz neue Bedeutung und bezieht sich in Bezug auf Beratung nicht länger nur auf das, was klassisch als Behinderung bezeichnet wird. So stellt es in der heutigen Zeit für viele Jugendliche einen Ausschluss aus dem psychosozialen Beratungsangebot dar, wenn sie keinen Zugang zu einem medialen Beratungsangebot finden, weil sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage sind, ein Face-to-FaceAngebot zu nutzen. Das gilt aber auch umgekehrt, wenn es Menschen gibt, für die mediale Beratung keine realistische Möglichkeit ist, dann würde der Wegfall der Face-to-Face-Beratung eine Barriere darstellen. Frau Förster macht deutlich, dass die medialen Beratungsangebote nicht für alle Menschen auch eine niedrige Zugangshürde bedeuten. Sie beschreibt, dass es Klienten gebe, die ausschließlich mit Beratern vor Ort sprechen würden und für die andere Beratungsformen nicht passend seien: »Also ich denk einfach so diese persönliche Beratung, dass man auch mit jemand mit nem Menschen reden möchte und nicht nur dieses ganz anonyme, dass eben zwar das gewünscht ist, aber viele Ratsuchende doch noch eben nicht anonym beraten werden möchten.« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 421 ff.)

Vielfalt der Zugänge bewirkt Niedrigschwelligkeit

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Hier wird deutlich, dass mediale Beratung nicht für jeden Klienten passen würde. Auch wenn es mehrheitliche Präferenzen geben dürfte, welche Beratungsform für die meisten Menschen als niedrigschwelliger erlebt wird, so wird die Niedrigschwelligkeit zu einer Beratungsinstitution letztlich aber durch die Vielfalt unterschiedlicher Zugänge bewirkt und nicht durch eine Festlegung auf einen oder wenige Zugangsformen. Hürden werden also dadurch abgebaut, dass es verschiedene Zugänge für unterschiedliche Menschen gibt. Die Metapher der Niedrigschwelligkeit vermittelt dabei leicht den Eindruck, dass es, um in diesem Bild zu bleiben, nur um die Dimension ›höher oder niedriger‹ geht. Vielmehr sind es bei den Menschen unterschiedliche Aspekte, die einen Zugang für sie einfacher oder schwieriger machen, so wie etwa der Begriff der Barrierefreiheit bei unterschiedlichen Behinderungen völlig unterschiedlich und zum Teil entgegengesetzte Ausprägungen hat. Allerdings wäre es unangemessen daraus zu folgern, dass Onlineberatung grundsätzlich niedrigschwelliger wäre als der Zugang zur Face-to-Face-Beratung. Manche Äußerungen der interviewten Berater könnten schließlich dazu verleiten, eine Hierarchie der Niedrigschwelligkeit von Medien zu entwerfen, etwa dahingehend, dass die schriftliche und asynchrone Mailkommunikation die niedrigschwelligste Form wäre, die sprachliche Kommunikation dazwischen läge und die Face-to-Face-Beratung die größte Hürde darstellen würde. Es wäre eine Verkürzung, davon auszugehen, dass ein schriftlicher Kontakt ohne die Verbindlichkeit eines Besuches vor Ort bei allen Menschen eine geringere Hürde darstellen müsse. Bei einer solchen Typologisierung der Medien würde die Unterschiedlichkeit der Menschen ausgeblendet. Was für den einen potentiellen Klienten eine Hürde darstellt, ist für einen anderen ein vereinfachter Zugang und umgekehrt. Insgesamt zeigt sich, dass die Neuen Medien nicht nur Ergänzungen in Bezug auf Beratungsangebote ermöglichen, sondern gerade durch eine neue Vielfalt auch neue Zugangsmöglichkeiten bewirken. Onlineberatung baut dabei für manche Menschen Hürden ab und bedeutet neue Zugänge, insgesamt bedeutet aber erst die Vielfalt unterschiedlicher Zugangsmöglichkeiten eine zunehmende Niedrigschwelligkeit des Gesamtangebots. Was die Anmeldemöglichkeit in der Beratungsstelle angeht, kommen die neuen Zugänge bislang lediglich additiv hinzu, das heißt, dass die Neuen Medien keine grundlegende Strukturveränderung bewirken, zum Beispiel was die Anmeldeprozedur zur Face-to-FaceBeratung angeht. Die Kommunikationsmedien werden in der Regel in die bereits bestehenden stelleninternen Prozesse eingefügt, sofern es um die Anmeldung zur Beratung vor Ort geht. Das heißt, die zentrale Stellung des Empfangs / der Anmeldung bleibt bestehen. Dabei gibt es Stellen, die auf den gewohnten Weg der telefonischen Anmeldung verweisen und andere, die auch per Mail eine Terminabsprache ermöglichen. Nicht in jeder Stelle werden die zusätzlichen Zugänge zum Abbau von Zugangshürden genutzt. Zum Teil findet vielmehr eine

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Verengung auf die alten Zugangswege statt. Eine grundlegende Veränderung, was die Anmeldung über das Sekretariat angeht, ist dann nicht gegeben. Die Anmeldung zur Onlineberatung ist in der Regel von den anderen Anmeldeprozeduren der Stelle getrennt, und es wird eine Parallelstruktur realisiert. Bei der Onlineberatung erhält der Ratsuchende im Gegensatz zur Face-to-FaceBeratung – nach Anmeldung und einer vorab benannten Wartezeit – unmittelbaren Kontakt mit den Beratern, ohne eine dazwischengeschaltete kommunikative Vermittlung durch das Sekretariat. Was die neuen Zugangswege angeht, wird deutlich, dass über das Internet mehr und andere Menschen erreicht werden als das vor Einführung der Neuen Medien der Fall war. Allerdings werden auch nicht alle neuen Zugangsmöglichkeiten konsequent zum Abbau von Zugangshürden genutzt.

6.4

Medial erweiterte Lebenswelten bringen neue Anforderungen

Die Neuen Medien reichen immer tiefer in den Alltag der Menschen hinein, da sie durch das Internet immer häufiger an Arbeitsplätzen, in Schulen und privaten Haushalten, aber durch Mobiltelefone auch jenseits festgelegter Orte, präsent sind. Das hat entsprechend Auswirkungen auf die individuellen Lebenswelten der Menschen, die psychosoziale Beratung nutzen. So stellt sich die Frage, wie sich diese Veränderungen auf die Beratungsarbeit auswirken und ob und wie seitens der Berater darauf eingegangen wird. In diesem Zusammenhang wirft Herr Glaser die Frage auf und beantwortet sie für sich zugleich, inwieweit sich Berater auf die Lebenswelt der Klienten einstellen und sie kennenlernen sollten: »Wir müssen mehr wissen. Also man kann natürlich sagen, ich bin jetzt fast 50 und ach, was die sonst im Alltag tun, interessiert mich so sehr nicht, oder äh man sagt, das ist natürlich wichtig, weils die Lebenswelt ist, und das hatten wir jetzt ja schon an unterschiedlichen Punkten in dem Gespräch: die Lebenswelt hat sich durchs Internet radikal [stark betont] verändert. So, und deswegen ist sie nicht wirklich größer geworden, aber für jedes Individuum [lachen] ist sie größer geworden, also wie gesagt ich hab so viele Zugänge zu allem Möglichen inzwischen und ähm ja wenn, also meine Auffassung ist schon, dass wenn wir Menschen helfen und unterstützen wollen, äh dann müssen wir sie auch kennenlernen und ihre Lebenswelt kennenlernen und da ähm gibt’s einfach dann für uns insgesamt auch sehr viel mehr äh zu erfahren.« (Hr-GlaserKiJuFa-L, Z. 245 ff.)

Für Herrn Glaser stellt die Lebenswelt der Klienten einen zentralen Punkt dar, den es zu erkunden gilt. Wirkliche Hilfe und Unterstützung ist für ihn nur möglich, wenn die Berater die Menschen, die zu ihnen kommen mit ihrer Lebenswelt auch kennenlernen. Dabei sieht er eine radikale Veränderung, die das

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Internet bewirkt hat. Er beschreibt, dass die Lebenswelt nicht größer geworden sei, allerdings für jedes Individuum sei sie größer geworden. Mit diesem Paradoxon stellt er einen Kontrast her, der sich offensichtlich auf unterschiedliche Formen von Lebenswelt bezieht, wodurch sich der scheinbare Widerspruch auflöst. Welche Lebenswelt er als erstes genau meint, die nicht größer geworden ist, spezifiziert er nicht näher, sondern hält diese Aussage allgemein. Die Zweite spezifiziert er jedoch mit dem Hinweis »für jedes Individuum«, wobei er lacht. Mit diesem Lachen drückt sich eine Spannung aus, die auf die genannte Paradoxie hinweisen dürfte. Während im Allgemeinen die Lebenswelt »nicht wirklich größer geworden« ist, ist sie demnach aber für das Individuum größer geworden. Der Ausdruck »nicht wirklich« deutet in Bezug auf die erste Lebenswelt darauf hin, dass es verschiedene Realitäten gibt, mit unterschiedlichem Wirklichkeitsgehalt. Dabei scheint es auch bei dieser ersten Form der Lebenswelt in sich bereits ein Spannungsfeld zu geben zwischen einem nur vermeintlich Größer-Werden und einer tatsächlich nicht größer gewordenen Lebenswelt. Hieraus ist zu entnehmen, dass er die Lebenswelt prinzipiell als begrenzt ansieht. Demgegenüber zeigt sich aber eine individuelle Lebenswelt, die aus Perspektive des Individuums größer geworden ist. Verständlich wird dies durch die Beschreibung: »so viele Zugänge zu allem Möglichen«. Demnach sind die Optionen, das heißt die Wahlmöglichkeiten für die Einzelnen, größer geworden, während das Leben nach wie vor begrenzt bleibt. Damit wird im Hinblick auf die Lebenswelt des Individuums auf einen Problemkomplex verwiesen, der sich auch mit Multioptionalität bezeichnen lässt. Mehr zu wissen und mehr zu erfahren über die jeweils individuelle Lebenswelt, die man vor diesem Hintergrund auch als Optionswelt des Klienten benennen könnte, ist für Herrn Glaser eine zentrale Grundlage, auf die die weitere Beratung demnach aufzubauen hat, um mit den radikalen Veränderungen durch das Internet überhaupt beraterisch umgehen zu können. Glaser beschreibt dann auch, wie das in der Beratung aussehen kann. Zunächst hört er sich an, was der Klient erzählt, fragt nach und interessiert sich dafür, was der Klient ihm mitteilt. So lässt er sich beispielsweise erklären, um welche Rollenspiele es geht, bei denen ein jugendlicher Klient mitspielt. Dabei belässt er es aber nicht bei den Erklärungen, sondern schaut sich auch das Rollenspiel zusammen mit dem Jugendlichen im Internet an. »Und da hab ich ’ne ganz andere Ahnung davon, als wenn er mir’s nur erzählt hätte.« (ebd. Z. 443) Er als Berater kann sich durch das Anschauen eine viel genauere Vorstellung machen von der Lebenswelt, als wenn er es nur verbal erfahren hätte. An diesem Beispiel kann in mehrfacher Hinsicht auch der genannte Aspekt der Multioptionalität deutlich gemacht werden. Zum einen ist es bereits eine Option, ein Spiel im Internet, hier ein Rollenspiel, zu wählen. Zum anderen zeigt aber auch das Rollenspiel selbst die verschiedensten Optionalitäten. Im Spiel gibt es Rollen zu wählen und nachdem eine Rolle gewählt wurde, gilt es auszuwählen,

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wie diese gefüllt werden soll. Aus pädagogischer Sicht liegt es nahe, diese Rollenspiele in ihrer identitätsbildenden Funktion wahrzunehmen und vielleicht sogar als stellvertretende metaphorische Identitätsarbeit zu sehen. Sicherlich spricht einiges für eine solche Sichtweise, aber dabei allein zu verbleiben würde eine Verengung der Perspektive bedeuten. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass es sich bei diesen Interaktionen um alltägliches Leben der Klienten handelt. So wie das kindliche Rollenspiel ein Teil der Welt des Kindes ist und das Ausüben von Berufsrollen bei Erwachsenen nicht im engeren Sinne als Rollenspiele erlebt werden, bilden sich im und um das Internet neue soziale Lebenswelten, die von den beteiligten Individuen als höchst bedeutsam und als alltäglich in ihrem Leben angesehen werden. Dabei ist es für die betroffenen Personen unerheblich, ob diese Interaktionen von außen als berufliches Handeln, als Freizeitaktivität oder als belanglose Alltagskommunikation eingestuft werden. Diese Wichtigkeit der Lebenswelt nutzt Glaser gezielt im Kontakt. Anders als bei anderen Themen verwendet Glaser die Internettechnik zusätzlich, um sich Teile der Lebensweltlichen Bezüge unmittelbar zeigen zu lassen. Wo das nicht möglich ist, versucht er aber auch verbal mit der Lebenswelt der Klienten in Kontakt zu treten: »Dann sind die Eltern verblüfft, wenn das Kind sagt ›ich hör am liebsten Hip-Hop‹, und dann fragt man: Deutschen oder Amerikanischen? Beim Amerikanischen fragt man Ost- oder Westküste? Und wer gefällt dir denn so? Ach ja gell der hat ja jetzt ne neue CD rausgebracht und singt im Duett mit der und der. Ja, da hat man bei den Kids zumindest [lachen] mal ein Vorsprung ja und es geht ja auch immer um Beziehung, also ähm und deswegen sprech ich es ja auch an; die Kommunikation trägt ja dann dazu bei, äh wie gut ’ne Beziehung werden kann, ’ne. Ähm also ähm es hat sich was verändert und und eben nicht, also äh die Jugendsprache hat sich die ist schon immer im Wandel, so wie Sprache im Wandel ist, aber aber bei den Jugendlichen geschieht das schneller und kreativer ähm und Jugendliche kommunizieren auch über äh Kleidung und Accessoires. Das hat sich sicher auch noch mal verändert ähm, also einfach weils andere Klamotten sind, also Hip-Hop-Baggys gab’s halt früher nicht ähm, und früher war’s dann vielleicht wichtig, ’ne Wrangler Hose anzuziehn [lachen] oder einen Armyparker oder so was ähm ist ja auch ein Stück Kommunikation«. (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 245 ff.)

An der Beschreibung der Vorgehensweise seiner Kontaktgestaltung zeigt Glaser, dass es ihm nicht darum geht, nur fragend zuzuhören, wenn ein Jugendlicher ihm von seiner Lebenswelt erzählt. Vielmehr zeigt er im Beratungsgespräch, dass er auch anschlussfähig an die Sprache und Thematik, hier an die Musikkultur, ist. Die beschriebene Verblüffung der Eltern zeigt, dass es nicht erwartet wird, dass sich der Berater mit solchen Jugendthemen auskennt. Beim Beschreiben, dass er »bei den Kids zumindest« einen Vorsprung hat, lacht er. Dies schließt gedanklich an die Verblüffung der Eltern an, denn indem er sich der Lebenswelt

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eines Jugendlichen annähert, bedeutet das nicht, dass gleichzeitig auch der Kontakt zu den Eltern gelingt. Im Aufbau der Beziehung zum Jugendlichen hat er durch die Kenntnisse der Jugendkultur aber einen Vorsprung gegenüber den Eltern. Glaser geht es hier ausdrücklich um die Beziehungsgestaltung, und als Berater einer Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle nimmt er gerade die jüngere Generation sehr ernst. Über die Kommunikation will Glaser die Beziehung in eine gute Richtung gestalten. Insgesamt fasst er den Begriff der Kommunikation dabei sehr weit, indem er auch die kultspezifische Kleidung als Kommunikationsangebote – quasi als Medien – auffasst, die wiederum kommunikative Anschlussmöglichkeiten schaffen. Die Sprache sieht er dabei schon immer in einen Wandel begriffen. Die Jugendlichen verändern die Sprache demnach jedoch schneller und kommunikativer. Vor diesem Hintergrund wird es nun deutlicher, wie Glaser die radikale Veränderung der Lebenswelt des Einzelnen durch das Internet in Bezug auf den Wandel der Beratung versteht. Was die Berater, nach seiner Einschätzung, mehr wissen und erfahren müssen hat also zwei Seiten. Einmal gilt es ein allgemeines Grundwissen im Hinblick auf die Jugendkultur, Sprache, Medien – technische wie auch andere – zu erlangen, um Anschlussfähigkeiten schaffen zu können. Zum anderen bedarf es aber eines genauen individuellen Wahrnehmens im unmittelbaren Kontakt, wie der Jugendliche seine Lebenswelt gestaltet und welche Optionen er wählt. In Bezug auf das Internet nennt Glaser das Beispiel eines Fünfzehnjährigen, von dem er sich dessen private Homepage hat zeigen lassen: »Da hatte ich äh den Eindruck, dass dass er auf der einen Seite eben über diese Homepage sich auch kreativ ausgelebt hat, also er hat dort auch Geschichten erzählt, also die er selber sich ausgedacht hat, und ja sich dort ähm auch selber darstellen wollte.« (ebd. Z. 331 ff.) Die Geschichten und die Identitätsarbeit, die der Jugendliche auf der Homepage veröffentlicht hat, ermöglichen es Herrn Glaser einen schnellen Einblick in die Vorstellungswelt des Klienten zu bekommen. So hebt er hervor, dass er bereits in der ersten Sitzung von seiner sexuellen Orientierung erfahren hat, was ansonsten in einem ersten Gespräch mit einem Erwachsenen eher ungewöhnlich ist. Somit wurde die Homepage des jugendlichen Klienten zu einem Mittel, das sehr früh im Kontakt das Gespräch über vertrauliche Themen ermöglicht hat. Dabei wird deutlich, dass eine Nutzung der Medien in der Beratung nicht nur in Bezug auf die lebensweltlichen Themen rund um das Internet hilfreich ist, sondern auch andere Inhalte in neuer Weise ins Blickfeld kommen können. Somit sind die Neuen Medien und das Internet nicht isoliert zu betrachten, sondern bieten für die Beratung insgesamt neue Möglichkeiten, so wie diese neuen Kommunikations- und Interaktionsplattformen auch neue Möglichkeiten für die Lebenswelt der Klienten darstellen. Eine Engführung ausschließlich auf die Offline-Welt wird den individuellen Lebenswelten dabei genau so wenig gerecht, wie ein primäres Fokussieren auf die Internet-Welt.

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Was sich neu entwickelt bringt in der Regel nicht nur positive Möglichkeiten, sondern auch weitere Probleme mit sich. So verhält sich das auch mit dem Internet und den Neuen Medien. Spezielle Themen und Probleme, die sich in der Beratungsarbeit zeigen, wurden von einigen Beratern benannt und können nun, nach ähnlichen Beratungsinstitutionen gruppiert, skizziert werden. Was in mehreren Beratungsstellen genannt wird, sind Probleme hinsichtlich extensiver Computernutzung. So können sich Spiele, die oben als Teil der individuellen Lebenswelt beschrieben wurden, verselbständigen: »Da ham wer jetzt aktuell zwei Fälle hier bei uns in der Beratungsstelle, wo’s ähm rollenspielartige Computerspiele gibt ›Dungeons and Dragons‹ oder was auch immer ähm wo bestimmte Charaktere entwickelt werden und ne große Rolle spielen ähm, und sich die Lebenswelt von den Klienten dann ausschließlich auf das Computerspiel äh bezieht und andere Sozialkontakte nach außen dann nicht mehr stattfinden.« (HrDreher-JuDro, Z. 23 ff.)

In der Jugend- und Drogenberatung kommt somit eine neue Form der Sucht hinzu, die Computersucht, die zu unterscheiden ist von der Spielsucht mit Spielautomaten. Vielmehr wird von Menschen bei dieser Suchtform eine Lebenswelt im Internet aufgebaut, die kaum noch Bezüge zu Menschen jenseits der medialen Welt zulässt. Demnach gibt es bei ihnen vor allem Sozialkontakte in Bezug auf dieses Spiel. Das von Herrn Dreher verwendete »ausschließlich« dürfte in den meisten Fällen zu absolut sein, da es auch bei Menschen mit süchtigem Verhalten in der Regel auch Alltagsbezüge in der Welt jenseits des Internet geben wird, schon allein um überleben zu können. Die große Dominanz der medial vermittelten Kontakte wird dadurch aber hervorgehoben. Herr Conrad legt in diesem Zusammenhang dar, dass die Menschen, bei denen das PC-Spielen oder das Internetspielen immer mehr Raum im Leben einnimmt, dann in die Beratungsstelle kommen, wenn das mit einem Leidensdruck verbunden ist, weil sie vielleicht nicht mehr zur Arbeit gehen und negative Konsequenzen damit einhergehen. Anders ist das in der Erziehungs-, Ehe und Lebensberatung. Dort ist es häufig so, dass sich Familienangehörige über andere beschweren, weil jene zu viel Zeit im Internet verbringen. Als Beispiel nennt Frau Imholz einen Vater von zwei kleinen Kindern, der abends von der Arbeit nach Hause kommt und zur Entspannung erst einmal am PC spielt, dann aber nicht mehr davon weg kommt, was dann in der Paarberatung von der Frau thematisiert wird. Dabei zeigt sich, dass im Internet durch eine vernetztes Internetspiel ein Gruppendruck auf die Partnerschaft bewirkt werden kann: »Wo ich dann mit Gruppen spiele, wo ich äh gebraucht werde. Wo ich nicht einfach sagen kann, wenn ich jetzt gerade Mammut kurz vorm Erlegen bin, jetzt muss ich erst mal Nachtessen gehen« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 538 ff.) An diesem Beispiel wird anschaulich, dass soziale Kontakte im Internet nicht unverbindlicher sein

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müssen als solche im Leben jenseits des Netzes. Durch das Internet wird der Handlungsspielraum vergrößert, wobei aber auch neue Verbindlichkeiten entstehen können, die in Konkurrenz treten zu bisherigen sozialen Gefügen wie Familie, Freundeskreis und Berufsleben. Beziehungsthemen, die mit der intensiven Internetnutzung zusammenhängen, werden vor allem in Paar- und Eheberatungsstellen aber auch in Suchtberatungsstellen thematisiert. In der Erziehungsberatung können solche Themen aber ebenfalls auftauchen. So nennt Frau Imholz eine Mutter, die sich nicht mehr zu helfen weiß, weil ihr Sohn dauernd vor dem PC sitzt. Dabei erweitert sich nun also die Palette möglicher Problemsituationen, indem zu Kindern, die nach Einschätzung der Eltern zu viel fernsehen oder telefonieren, auch solche hinzukommen, die sehr viel im Internet surfen oder chatten. In den Stellen, in denen Paar- beziehungsweise Eheberatung angeboten wird, zeigen sich neue Probleme, die mit der medialen Kommunikation der Partner untereinander zusammenhängen. Frau Imholz benennt in diesem Zusammenhang, dass es immer mehr Paare gibt, die sich über das Internet kennengelernt haben. Frau Arnold beschreibt die damit zusammenhängenden Fragestellungen. Demnach entstehen Probleme vor allem bei den jeweiligen Wechseln von einer Kontaktstufe zu nächsten. Also beispielsweise, wenn es vom Mailen zum Telefonieren und vom Telefonieren zum Treffen vor Ort kommt. An diesen Punkten werden nach ihrer Wahrnehmung »Diskrepanzen« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 413) deutlich. Vielfach wird der ausschließliche Kontakt per E-Mail als sehr positiv erlebt. »und die sagen ja auch, äh ich konnte noch nie so toll mit jemand reden, als als würden sie richtig reden, obwohl sie ja eigentlich nur schreiben.« (Ebd. Z. 423 ff.) Die nächsten Schritte werden dann aber umso schwieriger, weil mit ihnen das Risiko des Scheiterns verbunden ist. Während das Telefonieren nach ihrer Erfahrung meist noch gut machbar ist, gibt es vor allem eine große Angst vor dem ersten Treffen. In einem solchen könnten zum Beispiel Themen angesprochen werden, die zuvor keine Rolle gespielt haben. Und hier zeigt sich dann die Diskrepanz, vor allem wenn von einer Person bewusst Punkte zurückgehalten wurden. Als extremes Beispiel nennt sie folgenden Fall: »Dann wenn so das erste Treffen kommt dann gibt es da wirklich die dollsten Sachen. Also ich hatte eine Klientin, da hat dann der äh Mann aus [entfernte Großstadt] beim ersten tatsächlichen Treffen gesagt, so ich zieh jetzt hier in [Landschaftsname] ein und ähm meine Mutter muss aber mitkommen und wir können dann schon mal in drei Wochen zusammen in Urlaub fahrn [lachen]. Die Frau ist wirklich schreiend weggelaufen.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, 433 ff.)

Das Beispiel illustriert, dass durch die Neuen Medien heute neue und sehr persönliche Kontaktformen möglich sind, die zuvor so nicht denkbar waren. Es besteht nun die Möglichkeit, auch über längere Zeit hinweg anonym mit je-

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

mandem in schriftlicher und zugleich alltäglicher Kommunikation zu stehen. Schließlich können die Beteiligten mehrmals am Tag mailen und, wenn sie sich verabreden, sogar zeitgleich chatten, ohne sich jemals gesehen oder gehört zu haben. Dabei können aber, begünstigt durch die mediale Kanalreduktion, wichtige Merkmale der Beteiligten – beziehungsweise relevante Themen – bewusst oder unbewusst ausgeklammert werden, wodurch sich der medial vermittelte Kontakt im Vergleich zu einem Face-to-Face-Kontakt stark verändern kann. Die Möglichkeit, die nicht kommunizierten Aspekte durch die eigene positive Phantasie zu füllen, dürfte die Problematik einer möglichen Diskrepanz zwischen zunächst medialem und anschließendem Face-to-Face-Kontakt noch verstärken. Die Angst vor einem Scheitern solcher im Internet begonnenen Beziehungen wird zu einem neuen Themenkomplex in der Paarberatung, der tendenziell sogar noch zunehmen dürfte. Ein vielfach auftauchendes Thema in der Paar- und Eheberatung ist Eifersucht und Fremdgehen im Zusammenhang mit Neuen Medien. Internettechnik aber auch Mobiltelefone ermöglichen es heute, sehr einfach mit anderen Personen in Kontakt zu treten beziehungsweise regelmäßig im Kontakt zu bleiben. Wird das nicht zur Kontaktanbahnung zwischen Alleinstehenden genutzt, sondern von Menschen, die bereits in einer Partnerschaft leben, ergeben sich hieraus neue Probleme. Dass Menschen fremdgehen oder sich pornographische Bilder oder Filme anschauen, ist nichts Neues. Allerdings haben sich durch die Neuen Medien die Grenzen verschoben. Während es früher eine aufwändigere Handlung war, sich pornographisches Material zugänglich zu machen, so stehen entsprechende Seiten heute nur wenige Mausklicks entfernt im Internet zur Verfügung. Frau Imholz nennt das Beispiel eines Paares, das zur Beratung kommt, weil die Frau ihren Mann dabei erwischt hat, als er sich Seiten anderer Frauen angeschaut hat, und sie seit dem nicht mehr mit ihm intim werden kann. Aber auch das damit zusammenhängende Thema Vertrauen / Kontrolle verändert sich durch die Neuen Medien. Da mediale Kommunikation in der Regel Spuren hinterlässt, gibt es hier auch neue Möglichkeiten der Überwachung: »Was mir bei Handys natürlich einfällt ist, dass wenn’s um Außenbeziehungen, Untreue geht, ist das ein wichtiges Beweismittel lachend]. Ja, beim Partner zu gucken, was der da für Smse oder Nummern hat, das ist da so als Inhalt oft en wichtiger wichtiger Punkt. Auch dann die Frage, darf mein Partner überhaupt denn mal auf mein Handy gucken, ja also darf der das überhaupt wissen und es kommt dann auch oft über solche Sachen raus.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 233 ff.)

Auch hier handelt es sich nicht um ein völlig neues Phänomen in Partnerschaften, sondern es verändern sich die Grenzen in Bezug auf die Kontrollmöglichkeiten. Wäre es zu früheren Zeiten sehr aufwändig gewesen, den Partner zu überwachen, vielleicht sogar Beweise durch einen Detektiven zu beschaffen,

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ist es über Mobiltelefone oder Internetanwendungen heute sehr viel einfacher möglich, an Informationen über die kommunikativen Gewohnheiten des Partners zu gelangen. Somit ergeben sich manche Konstellationen häufiger, als das früher der Fall gewesen ist. Dabei tauchen dann auch neue ethische Fragen auf, was denn in Bezug auf mediale Kontrolle vertretbar ist. Dies gilt auch bei einer vergleichbaren Thematik in der Erziehungsberatung. So beschreibt Frau Haller, es sei schon mehrfach vorgekommen, dass Eltern unbemerkt kontrollieren, was ihre Kinder im Internet kommunizieren: »Von der Mutter jetzt, die mir grad im Kopf ist, war das im Einzel, hat sie es mir erzählt, was sie da Schlimmes gelesen hat mit der Tochter, und dass sie das halt regelmäßig kontrolliert was da so geschrieben wird.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 176 ff.) Frau Haller spricht in diesem Zusammenhang dann auch von Ausspionieren, was durch die schriftliche Form einfach möglich ist. Bei Mutter und Tochter ist nach ihrer Einschätzung »Vertrauen und Kontrolle« (ebd. Z. 184) ohnehin ein heikles Thema, das durch diese Maßnahme dann noch verstärkt wird. Das ist zwischen Eltern und Jugendlichen nicht neu. Bei den Neuen Medien ergeben sich allerdings neue und häufigere Problemkonstellationen wegen der verhältnismäßig einfachen technischen Kontrollmöglichkeiten. Eine weitere Dimension erhalten die Neuen Medien, wenn man an die verschiedenen Varianten psychischer Gewalt und an neue Gefahren denkt, die in der Beratung bearbeitet werden, wenn die Betroffenen nicht alleine zurechtkommen. Herr Glaser berichtet von jungen Klienten, die heimlich gefilmt und später mit diesen Videoaufzeichnungen konfrontiert wurden. So ist ein Jugendlicher auf einer Party eingeschlafen; währenddessen wurde ihm ein Messer an den Hals gehalten und die Situation aufgezeichnet. Außerdem werden Kinder oder Jugendliche von anderen beispielsweise geschlagen, während dies mit dem Handy gefilmt und anschließend veröffentlicht wird. Waren in früheren Zeiten teure Filmkameras nötig, um eine solche Situation medial festzuhalten, sind Videokameras heute, beispielsweise integriert in Handys, quasi allgegenwärtig. Und während Veröffentlichungen früher über Redaktionen kontrolliert wurden, ist eine Verbreitung über das Internet heute verhältnismäßig einfach und kostenneutral möglich. Glaser hat dazu auch eine klare Position: »Also die Möglichkeiten, andern weh zu tun und denen zu schaden, sind dadurch sicher auch erweitert worden.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 63 f.) Eine weitere Gefahr für Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit den Neuen Medien wird von Frau Imholz benannt. Sie meint, dass es ein großes Thema sei, dass Erwachsene die virtuelle Welt ausnutzen. Auch das ist kein völlig neues Problem, da es schon immer Erwachsene gab, die die Nähe zu Jugendlichen für unlautere Zwecke ausgenutzt haben. Allerdings stellt sich im Zusammenhang mit den Neuen Medien die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen genügend auf die neuen Gefahren vorbereitet werden. Während Kinder in früheren Zeiten von ihren

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Eltern gewarnt wurden, etwa bei Fremden nicht in ein Auto einzusteigen, wissen viele Erwachsene heute gar nicht, wo die tatsächlichen Gefahren im Internet lauern und wie Kinder sich wirksam dagegen schützen können. Allerdings zeigt dieses Beispiel auch, dass es nicht mit Faktenwissen allein getan sein kann. Schließlich werden viele sexuelle Übergriffe gerade nicht von Fremden begangen, und so war es auch vor dem Internetzeitalter nicht damit getan, nur bei Fremden vorsichtig zu sein. Neben dem Wissen über die Gefahren und möglichen Abwehrmaßnahmen gilt es schließlich auch zu lernen, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen und bei Bedarf aktiv Grenzen zu setzen. Insbesondere bedarf es eines vertrauensvollen Kontakts mit Erwachsenen, an die sich die Kinder wenden können, wenn sich Übergriffe anbahnen oder bereits stattgefunden haben. Insofern geht es bei diesen Fragestellungen sowohl um Medienkompetenz als auch um die Frage des pädagogischen Bezugs. Von mehreren Beratern wird die Problematik des Datenschutzes im Internet, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit Sozialen Netzwerken wie wer-kenntwen (wkw) oder Facebook benannt. Anders als bei den zuvor erörterten Punkten geht es hierbei aber nicht um Übergriffe durch andere, sondern darum, inwieweit Jugendliche ihre persönlichen Daten selbst im Internet preisgeben. Herr Glaser und Frau Imholz gehen davon aus, dass Jugendliche oft gar nicht wissen, was es bedeutet, persönliche Inhalte und intime Bilder ins Internet zu stellen. Allerdings berichten sie bei diesem Thema nicht, dass es Gegenstand von Beratungen ist. So kann davon ausgegangenen werden, dass es sich hier eher um eine allgemeine Sorge der Berater handelt und nicht um ein Problem, das an sie herangetragen wird. Allerdings liegt es in ihrer Entscheidung, ob sie es thematisieren, wenn sie von aus ihrer Sicht problematischen Umgangsweisen der Jugendlichen erfahren. Es gibt auch Veränderungen, die in die Beratungsarbeit hineinspielen, aber weder von Seiten der Klienten, noch von Beraterseite als Probleme wahrgenommen und thematisiert werden. Insgesamt hat sich durch die Neuen Medien das Kommunikationsverhalten vieler Menschen verändert. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Auswirkungen der medialen Alltagskommunikation auch in der Beratung zeigen. Frau Arnold berichtet über die Veränderungen in der Paarkommunikation dahingehend, dass es für viele Paare wichtig geworden ist, medial kontinuierlich in Kontakt zu bleiben, falls das vor Ort nicht möglich ist. So würde etwa bei Dienstreisen erwartet, dass regelmäßig eine »Ichliebe-dich-SMS« oder eine »Gute-Nacht-SMS« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 249 f.) an den Partner gesendet wird. Falls es dazu nicht kommt, kann das bereits zu einem Streit führen. Durch die einfacher gewordenen Kommunikationsmöglichkeiten haben sich also nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch weitergehende Erwartungen entwickelt, was zum Beispiel die Häufigkeit des medialen

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Kontakts angeht. Die Klienten nutzen die Medien aber auch zur Problembewältigung, wie Herr Berger zeigt: »Ich kann von Paaren berichten, die ähm diese computergestützten Kommunikationsmedien und auch dieses Telefonieren, SMS ähm verstärkt nutzen, um auch Beziehungsarbeit miteinander zu machen. Ich hab grad jetzt wieder ein Beispiel von einem Paar, die in einer starken Krise sind, die eine räumliche Trennung im Haus vollzogen ham, der Partner im Keller ist, die Frau im normalen Wohnbereich geblieben ist und die sich grad jetzt darüber beklagt ham, dass die Telefonrechnung jetzt in diesem Monat so hoch werden würd, weil sie sich SMS schicken von morgens bis abends ja so. Also oder die über wkw im Haus miteinander chatten so. Dieses Medium wird äh genutzt, um auch sagen wir diese Hemmschwelle, die emotional sehr hoch geladene Stimmung die eigentlich bei einem Face-to-Face-Kontakt da wäre, ein bisschen zu entzerren. Die Leute nutzen das äh absolut klasse.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 584 ff.)

Der Berater beschreibt hier die Vorteile, die Kommunikationsmedien bei der Bearbeitung von Paarproblemen haben können. Eine zu große räumliche Nähe scheint dem Paar in der Krise nicht gut zu tun, weshalb die beiden in dieser Situation verschiedene Räume des Hauses bewohnen. Die mediale Kommunikation ist jedoch trotz der Spannungen möglich und wird sogar sehr regelmäßig genutzt. Im unmittelbaren Kontakt vor Ort wäre die Stimmung emotional zu stark aufgeladen. Durch das Medium wird dies dahingehend verändert, dass die Kommunikation entspannter wird und somit besser möglich ist. Herr Berger schätzt diese Mediennutzung der Klienten als kompetente Beziehungsarbeit ein. Er sieht generell aber auch verschiedene Probleme im Zusammenhang mit den Neuen Medien, wie bei anderen Beratern bereits beschrieben, und fasst diejenigen zusammen, die in der Paarberatung im Face-to-Face-Setting thematisiert werden. Nach seiner Einschätzung sind diese Themen nicht nur marginal: »Der Aspekt der computergestützten Kommunikation spielt mittlerweile in der Paarberatung face-to-face häufig ne sehr sehr große Rolle.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 422 ff.) Als thematische Beispiele zählt er Internetportale im Sinne von Sozialen Netzwerken, Internetpornographie und Internetsucht auf. Diese »bringen zum Teil große Irritationen in die Paarbeziehung hinein, die oft dazu führn, dass eben hier ’ne neue Auseinandersetzung in der Face-to-Face-Beratung stattfinden muss.« (ebd. 425 ff.) Insgesamt zeigt sich, dass die medial erweiterten Lebenswelten neue Anforderungen für die Beratung bringen, auch jenseits des Internets, in der Face-toFace-Beratung. Die Neuen Medien erweitern insbesondere durch die weltweite Internetvernetzung die Lebenswelt des Einzelnen, bringen aber auch neue Probleme hervor, die es in dieser Weise zuvor nicht gegeben hat. Bei den Darstelllungen neuer medienspezifischer Probleme durch die Berater unterscheiden sich die verschiedenen Beratungsinstitutionen allerdings deutlich. Ähnliche neue medienspezifische Probleme werden in den unterschiedlichen Bera-

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

tungsstellen lediglich dann beschrieben, wenn es auch Ähnlichkeiten im Beratungsangebot hinsichtlich der Zielgruppenausrichtung oder der Problemfelder gibt. Die Neuen Medien, vor allem das Internet, zeigen dabei nicht nur bei Jugendlichen Veränderungen in den Lebenswelten der Klienten. Die meisten Auswirkungen auf die Face-to-Face-Beratung aufgrund der Veränderungen der individuellen Lebenswelten der Klienten wurden in den Beratungsstellen beschrieben, in denen Paar- und/oder Erziehungsberatung angeboten wird. In der Jugend- und Drogenberatungsstelle wurde lediglich auf die Thematik der Internetsucht hingewiesen, während in der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle keine Veränderungen für die Beratung vor Ort benannt wurden. Das dürfte ein Hinweis darauf sein, dass die Neuen Medien gerade in persönlichen Beziehungen erheblichen Wandel für die Kommunikation gebracht haben. Schließlich sind Beziehungsfragen in der Paar- und Erziehungsberatung zentral. Zwar dürften auch manche neuen Themen bei der Schuldner- und Insolvenzberatung durch die Informations- und Kommunikationstechnik in der Face-to-Face-Beratung hinzugekommen sein, wie beispielsweise durch Internetbetrug. Für die Bearbeitung der Problematik in der Beratung scheint dies bei den interviewten Schuldnerberaterinnen jedoch keine größere Bedeutung zu haben. Das kann auch heißen, dass es in der Insolvenz- und Schuldnerberatung für die Bearbeitung der Probleme weniger relevant ist, wie sie entstanden sind. Im Alltag von Paaren und von Eltern und Kindern ist dies offensichtlich anders. Probleme, die mit der Kommunikation oder mit problematischem beziehungsweise gefährlichem Verhalten im Internet zusammenhängen, werden auch in der Paar- und Erziehungsberatung vor Ort thematisiert. Allerdings zeigt sich insgesamt, dass die Veränderungen sehr differenziert betrachtet werden müssen, will man ihnen in der Darstellung und Bewertung gerecht werden. Viele Themen und Probleme sind in ihrem eigentlichen Kern nämlich nicht neu, sondern stellen vielmehr die jeweilige mediale Neuauflage eines alten Problems dar. Allerdings dürften die Möglichkeiten des Internets manche Probleme verschärfen beziehungsweise wahrscheinlicher machen, da sich durch die Neuen Medien verschiedene Grenzen verschoben haben. So war es früher nicht einfach möglich, von einem Kinderzimmer aus Kontakt zu einem fremden Erwachsenen aufzunehmen. Wie die moderne Kommunikationstechnik Hürden abbaut und neue Zugänge zu Beratungsstellen schafft, so werden auch die Zugänge zu problembegünstigenden Portalen und Personengruppen erleichtert. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass auch wieder neue Möglichkeiten der Kommunikation und der Problembearbeitung geschaffen werden. Allerdings stellen die fast unüberschaubar schnellen Veränderungen für die Beteiligten permanent eine potentielle Überforderung dar, da es kaum möglich ist, alle relevanten, durch die Medien sich wandelnden Kulturtechniken entsprechend schnell zu erlernen. Somit dürfte es auch für die Berater eine große Anforderung bleiben, immer

Informierte Klienten durch das Internet

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wieder zu klären, welche medien- und fachspezifischen Grundkompetenzen in dem jeweiligen Bereich notwendig sind, um auf die Probleme und Fragen der Klienten angemessen eingehen zu können und wo es genügt, fragend die individuelle Lebenswelt des Ratsuchenden zu erkunden.

6.5

Informierte Klienten durch das Internet

War das Internet in seinen Anfängen eine Plattform zum Informationsaustausch, ist es mittlerweile auch zu einer Kommunikationsplattform geworden. Die Möglichkeit, Informationen bereitzustellen ist damit jedoch nicht weggefallen und eröffnet weitergehende Möglichkeiten, Information und Kommunikation miteinander zu verbinden. Um die Bedeutung der Informationen im Internet und mögliche Auswirkungen auf die Beratungsarbeit herauszufinden, wurde bei den Beratern abgefragt, ob und inwiefern die Informiertheit der Klienten sich durch das Internet verändert hat. Dieser Aspekt zielt auf wahrgenommene Veränderungen bei den Klienten. Wie bereits gezeigt wurde, recherchieren die Berater selbst häufig im Internet. Nun stellt sich die Frage, ob das bei den Klienten auch der Fall ist und wie die Berater die Auswirkungen auf die Beratung einschätzen. Frau Arnold antwortet auf die Frage, ob sie Veränderung in der Beratung wahrnimmt, die sich auf die Informiertheit von Klienten beziehen: »Ja. ganz klar. Also vor allem in der Schwangerenberatung gucken viele vorher nach, wie ist es da mit der Gesetzeslage. Was brauch ich alles für nen Schwangerschaftsabbruch. Wo wo kann ich das machen? Ähm und in der Partnerschaftsberatung gucken auch viel rum, was gibt’s denn da für Hilfen. Gibt’s dann so Seiten wo man nen Test machen kann wie ist unser Sexualleben oder so was oder auch was gibt’s für Therapieformen, für Beratungsformen? Sind sie hier überhaupt richtig mit ihren Anliegen? Also da gucken sehr viele ins Internet. Viele sagen auch, wir fragen immer ab ähm, wieso kommen sie zu uns? Ähm ja ich hab das im Internet gefunden, dass sie das anbieten.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 268)

Hier wird deutlich, dass Beratungsinstitutionen wie die Schwangerenberatung, bei der es auch um gesetzliche Regelungen geht, häufiger Vorabinformationen der Klienten zum Inhalt der Beratung haben, als in anderen Beratungsinstitutionen. Aber auch in der Paarberatung recherchieren Klienten vorab im Internet. Zu einem tabuisierten Thema wie Sexualität wird zunächst sogar versucht, durch Informationen aus dem Internet eine Klärung wie etwa durch einen standardisierten Onlinetest herbeizuführen. Vor allem wird aber der Frage nachgegangen, welche Therapie- und Beratungsformen es gibt. Das Internet ermöglicht somit durch die Informationen einen Zugang zu der Beratungsstelle, wie in Kap. 6.3 beschrieben wurde, allerdings bleibt es nicht dabei. Darüber

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

hinaus nämlich hat die Informiertheit durch das Internet eine mittlerweile wichtige Bedeutung auch in der Face-to-Face-Beratung. Nach Einschätzung von Frau Arnold kämen nicht nur immer mehr Klienten über das Internet, sondern sie seien auch besser informiert. Dabei erlebt sie die Informiertheit der Klienten als förderlich. Man müsse nicht mehr so viel erklären und es gäbe zumindest schon einmal eine Grundbasis. Sie erlebe, dass die Klienten durch das Internet eher gut informiert seien, das Umgekehrte nicht: »Also dass jetzt da wirklich da falsche Informationen hängen geblieben sind ist, kann ich mich jetzt gar nicht dran erinnern.« (ebd. Z. 302 f.). Genau so schätzt das Frau Förster ein. Sie sagt auch, dass die Kunden recht gut informiert seien und dies deren Informiertheit erhöhe. Allerdings beschreibt sie bei manchen auch einen Klärungsbedarf, auf Grund der vielen Informationen, was unten weiter vertieft wird. Auch sie kann sich nicht erinnern, dass jemand »durch die Nutzung da völlige Fehlinformationen hatte«. (Fr-Förster-SchuIns, Z. 313) Sowohl Frau Ehlers als auch Frau Haller stellen bezüglich der Informiertheit einen Zusammenhang mit dem Bildungsgrad der Klienten her. Frau Haller macht dabei zusätzlich einen Unterschied zwischen der Nutzung des Internets als Informations- beziehungsweise als Kommunikationsmedium: »Wobei das so Leute, die sich informiert haben, eher welche waren mit nem höheren Bildungsstand, also das Internet als Medium der Informationssuche, Vermittlung genutzt ham, und nicht eher nicht so also zumindest in dem Zusammenhang nicht als nur als Kommunikationsmedium.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. 221 ff.)

Die aktive Nutzung des Internets über das Kommunizieren hinaus ist für sie demnach ein Ausdruck eines gewissen Bildungsgrades. Schließlich bedarf es grundlegender Kompetenzen, um Informationen zu finden und in einen Zusammenhang zu stellen. Frau Haller ist dabei aber auch etwas skeptischer als die beiden anderen: »Auf der einen Seite haben sie ein bestimmtes Wissen schon, auf der anderen Seite ähm fehlt manchmal so der Kontext in den sie das Wissen einbinden können und dadurch ähm ist es eher ne Fehl also kann das ne Fehlinformation sein oder falsch verstanden werden und dadurch zu falschem Handeln führn und dann eher ne Fehlinformation sein.« (ebd. Z. 241 ff.)

Sie beschreibt also auch, dass die Klienten aus dem Internet bereits Wissen mitbringen. Was für Schlüsse und Konsequenzen sie daraus ziehen, kann nach ihrer Einschätzung aber problematisch werden. Sie benennt aber dazu kein Beispiel. Bei dieser verallgemeinerten Beschreibung gilt es allerdings zu bedenken, dass die Menschen, die Frau Haller berät, Hilfe für sich gesucht haben. Damit haben sie sich ja auch Unterstützung geholt für die Einordnung ihres Wissens in einen größeren Kontext, vermutlich weil sie ihre Grenzen bemerkt haben. Sich über das Internet Wissen zu erschließen und danach zusätzlich noch

Informierte Klienten durch das Internet

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jemanden zu konsultieren, der diesbezüglich berät, stellt dabei noch eine weitergehende Kompetenz dieser Klienten dar. Frau Ehlers unterscheidet zwischen dem Wissen, das sich Ratsuchende aus dem Internet geholt haben und dort diskutieren und andere, die es aus Fernsehsendungen bezogen haben. Als Beispiel nennt sie das Forum Schuldnerberatung. Was dort von Klienten geschrieben würde, sei zum Teil auf recht hohem Niveau. Anders sei das bei jenen, die sich auf eine Sendung bezögen und dann fragten »und warum machen sie das nicht so?«. (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 139 f.) Und sie kontrastiert dann diejenigen, die sich auf das Fernsehen beziehen mit denen, die das Internet nutzen: »Also das ist per Internet dann schon anders das Niveau das intellektuelle, glaub ich, im Allgemeinen mal gesprochen« (ebd. Z. 141 f.). Nicht alle Berater beschreiben eine Veränderung durch das Internet in Richtung Informiertheit. Und Herr Berger macht diesbezüglich Unterscheidungen in Bezug auf die jeweiligen Klienten. Demnach gäbe es die einen, die sich zum Beginn einer Beratung noch gar nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hätten und die anderen mit sehr viel Interneterfahrung, die sich schon viel informiert hätten und mit zum Teil sehr spezifischen Fragen kämen. Da das Internet ein sehr gutes Medium zur Informationsbeschaffung sei, zeige sich das dann auch in den Anfragen: »Das zeigt sich dann eben dann auch in der Abfrage, die schon sehr spezifisch ist. Ich weiß das und das schon, hab das und das schon probiert, gibt es noch andere Möglichkeiten oder gibt es ne bestimmte Möglichkeit. Also im Bereich von Sexualberatung ist des immer wieder. Es sind Leute die schon auf netdoctor oder sonst irgendwo warn und sagen das und das hab ich alles schon probiert, was gibt’s denn noch. Also das gibt es ähm in der Face-to-Face-Beratung, denk ich, werden die Leute die Möglichkeiten des Internets auch nutzen aber es fällt hier nicht so auf, ja.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 531)

Bei den Ratsuchenden im Internet gibt es demnach eine große Bandbreite, was die Informiertheit und die Konkretheit der Fragen angeht. Auffällig ist allerdings, dass das Vorwissen in der Face-to-Face-Beratung kaum benannt wird, während das bei Internetberatung häufiger der Fall ist. Der Hintergrund dessen wird allerdings nicht klar. Zum einen mag es bei der Internetkommunikation eher nahe liegen, Inhalte aus dem Internet zu benennen. Das würde für eine Nähe zur Informationsthematik sprechen, die den Klienten leichter fällt, innerhalb des Internets anzusprechen. Es würde sich sozusagen um einen leichteren kommunikativen Übergang handeln. Es besteht aber andererseits auch die Möglichkeit, dass es Klienten im Setting vor Ort in einer Beratungsstelle schwerer fällt als im Internet, sich informiert und kompetent zu zeigen. Schließlich begibt sich der Ratsuchende dann in die Beratungsstelle, wo er selbst Besucher ist. Im Internet existiert dieses Gefälle so nicht: Beide bewegen sich im virtuellen Raum, jeder ist körperlich/räumlich an einem anderen Ort und es gibt diesbezüglich eine Distanz. Lediglich die Rollen sind unterschiedlich, möglicher Weise sind sie

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medial, aber leichter auch von Seiten der Klienten aktiv mitzugestalten. Was eine solche mögliche Veränderung der Rollen betrifft, soll weiter unten besprochen werden. Insgesamt zeigt sich, dass die Klienten in der Internetberatung häufiger von Informationen aus dem Internet sprechen als im Face-to-Face-Setting. In der Beratung vor Ort werden Informationen aus dem Internet also kaum thematisiert. Es wird in den Darstellungen der Berater deutlich, dass sich der informative Charakter des Internets auch im Kontext von Beratung auswirkt. Bezogen auf die Informiertheit der Klienten hinsichtlich beratungsrelevanter Themen zeigt sich, dass die fachlichen Informationen des Internets von den Ratsuchenden vielfach tatsächlich genutzt werden. Viele Menschen, die Hilfe benötigen, suchen aktiv, was ihnen an Informationen hilfreich sein könnte. Damit werden die Selbsthilfemöglichkeiten der Menschen aktiviert und sie können möglicherweise sogar ein Gefühl der Selbstwirksamkeit entwickeln. Bei Bedarf besteht dann die Möglichkeit, Hilfe bei Beratungseinrichtungen zu suchen, die Unterstützung bei der Einordnung der Informationen in einen größeren Kontext geben. Aber auch denjenigen, die sich inhaltlich noch wenig mit einer Thematik befasst haben, wird weitergeholfen. Fraglich bleibt allerdings, ob nicht gerade denjenigen die mediale Hilfe ermöglicht wird, die sich ohnehin bereits gut selbst helfen können und ob andere, die keinen Zugang zu Informationen und Selbsthilfemöglichkeiten haben, außen vor bleiben. Es wird aus den Interviews nicht deutlich, ob insofern benachteiligte Personengruppen durch die medialen Beratungsangebote gleichermaßen erreicht werden. Es ist allerdings naheliegend, dass die vorherrschende Schriftlichkeit in der Onlineberatung für manche Menschen eine Hürde darstellen dürfte. Allerdings wird auch deutlich, dass es bezüglich der Informiertheit keine einheitliche Zielgruppe von Internetklienten gibt, sondern sehr unterschiedliche Klientengruppen auftreten. Mehrere Berater nehmen eine bessere Informiertheit der Klienten wahr, eine Desinformiertheit durch das Internet wurde hingegen nicht festgestellt. Und vielfach werden die Fragen der Klienten durch die Vorinformationen spezifischer. Damit zeigt das Internet ein Potential zur Selbsthilfe bereits auf Grund informativer Angebote zu den beratungsrelevanten Themen. Allerdings sind diese Inhalte des Internets für die Onlineberatungsklienten nicht ausreichend, und es bedarf nach wie vor der Beratung, mit der die Problemstellung mit den Beratern weiterbearbeitet wird. Bereitgestellte Informationen können für Hilfesuchende also weiterführend sein, was nicht bedeutet, dass die Beratung dann hinfällig wird. Dabei bewegen sich die Anfragen aus dem Internet nach Einschätzungen einiger Berater auf inhaltlich recht hohem Niveau.

Schriftliche Beratung breitet sich aus

6.6

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Schriftliche Beratung breitet sich aus

Die Onlineberatung findet zurzeit fast ausschließlich in Form von Mail-, Chatund Forenberatung statt und ist somit primär eine schriftliche Beratungsform. Das ist zu bedenken, wenn man nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Face-to-Face-Beratung und Onlineberatung fragt. Es werden also zwei grundlegend unterschiedliche Beratungssettings gegenübergestellt: Die Beratung vor Ort und die schriftliche Beratung per Internet. So liegt der Fokus der Fachlichkeit von medialer Beratung im fachlichen Diskurs bislang vor allem auf der schriftlichen, anonymen Mailberatung, die hier nun beleuchtet werden soll, da diese Beratungsform von allen fünf Beratungsstellen angeboten wird. Darüber hinaus wird bei Beratungsanfragen per E-Mail – etwa über die Homepage – von drei der fünf Beratungsstellen auch auf solche Anfragen beraterisch reagiert. Was die Schriftlichkeit in der Internetberatung fachlich ermöglicht und verändert, soll nachfolgend beleuchtet werden. Die Mailberatung wird von den Beratern, wenn sie diese Beratungsform darstellen, immer wieder kontrastiert zur Face-to-Face-Beratung – auch dann, wenn nicht nach den Unterschieden gefragt wird. Die Berater- und erst recht die Therapieweiterbildungen sind schließlich auf das Face-to-Face-Setting ausgerichtet und auch die Praxiserfahrungen sind fast ausschließlich durch die Beratungen in den Stellen vor Ort geprägt. Selbst eine Beratung per Telefon findet – außer in der Schuldner- und Insolvenzberatung – in der Regel nicht statt, da das Erstgespräch standardmäßig vom Empfang, und lediglich in Krisensituationen oder wenn die Anmeldung nicht besetzt ist, direkt von einem Berater geführt wird. So wird mediale Beratung in der Regel mit dem Normalfall Face-to-FaceBeratung verglichen. Herr Berger beschreibt, dass er in der Face-to-Face-Beratung zeitlich unter Druck stehe. Er wolle schließlich kompetente Antworten geben. Dabei beschreibt er das, was dabei geschieht, als eine »sehr direkte Kommunikation« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 16). Er sehe das Anliegen des Gegenübers und wolle dabei etwas vermitteln. Dabei bleibe aber wenig Zeit, um seine Reaktion entsprechend vorzubereiten. Demgegenüber beschreibt er die Mailberatung: »Wenn ich an Onlineberatung denke, da kann ich mir Zeit nehmen, da kann ich, wenn sie jetzt ne Frage hätten und die würd mich erstmal umhaun, würd ich dahin gehn und würd mir vielleicht Gedanken darüber machen, würd vielleicht recherchiern und dann würd ich gucken, dass ich da eine einigermaßen saubere Antwort hinkrieg.« (ebd. Z. 19 ff.)

Offensichtlich gibt es bei Herrn Berger den Wunsch, inhaltlich angemessen zu antworten, selbst dann, wenn die Frage als überwältigend erlebt wird. Damit sagt er allerdings auch über das Face-to-Face-Setting aus, dass er dabei auch »en

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bisschen unter Druck« (ebd. Z. 13) stehe, eine gute Antwort zu geben. Die Möglichkeit, sich vor einer Antwort längere Zeit und intensiv mit dem Verfassen einer Antwort beschäftigen zu können, stellt dabei eine grundsätzlich Veränderung zur bisherigen Beratung von Angesicht zu Angesicht dar. War es bislang nur möglich, erst anschließend alleine oder mit anderen, etwa in einem Fachgespräch oder in der Supervision, den Fall zu reflektieren, ist es nun möglich, dies bereits vor der Intervention zu tun. Anfrage und Antwort werden dabei allerdings nicht innerhalb derselben Situation verfasst, obwohl sie innerhalb desselben Beratungsprozesses erfolgen. Der Gestaltung einer Intervention sind demnach völlig neue Möglichkeiten gegeben. Zwar konnte in einem Beratungsprozess auch zuvor schon eine Intervention geplant werden, doch ob die in der jeweiligen Situation dann noch passen würde, war immer fraglich, da direkt neue Interaktionen erfolgen. Hier handelt es sich aber um die unmittelbare Reaktion, die dann allerdings zeitversetzt stattfindet und deshalb Zeit für unterschiedlich intensive Vorbereitung lässt. Auch Herr Glaser beschreibt das als einen Gewinn: »Wir müssen sie nicht unmittelbar beantworten, wir ham die Möglichkeit x-Mal drüber zu lesen um auch vielleicht die Nuancen zu verstehen ähm und wir können, wenn wir was nicht verstehen ähm uns mit jemand anderem austauschen und all dieses bevor wir eine Antwort geben. Ähm und über unsere Antwort können wir ähm auch nochmal drüber schlafen, drüber lesen oder was auch immer. Das ist natürlich in der Face-toFace-Beratung anders.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 487)

Noch bevor die Antwort gegeben wird, ist es demnach möglich, hermeneutisch gründlich an den Text heranzugehen. Dabei sind interpretative Verfahren möglich, die auch mit anderen zusammen angewendet werden können. Der Text ist in dieser speziellen Situation eins zu eins identisch mit der aktuellen und noch offenen Kommunikationssequenz des Klienten. Damit entsteht eine unmittelbare Nähe dieser Praxissituation zu qualitativen Auswertungsmethoden, die in der Forschung verwendet werden. Bezeichnend ist, dass Herr Glaser im Zusammenhang mit dem Lesen einer Mail auch ausdrücklich von »erforschen« (ebd. Z. 695) spricht. Somit wird auch in der Sprache des Beraters deutlich, dass sich in diesem textbasierten Handlungsfeld Praxis und Forschung sehr nahe kommen, wenn auch die Ziele jeweils andere sind. Die Schriftlichkeit ermöglicht den Beratern, die Klienten anders wahrzunehmen als in einem Face-to-Face-Setting. Frau Imholz beschreibt bei der Onlineberatung die Fokussierung auf die Schriftlichkeit: »Ich hab das reine Wort. Ich werd durch nichts anderes abgelenkt« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 209 f.) Äußerlichkeiten, der Klienten, die in einer Beratungsstelle auf den ersten Blick deutlich würden, spielen online keine Rolle. Diese müssten schließlich von den Klienten explizit beschrieben werden, um Thema in der Beratung werden zu

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können. So kann beispielsweise ein behinderter Mensch ein Problem benennen ohne dass seine Behinderung wahrgenommen werden und vom Berater zum Thema gemacht werden kann. Das was für Menschen in der alltäglichen Begegnung sichtbar im Vordergrund steht, kann in der schriftlichen Beratung in den Hintergrund treten und braucht gegebenenfalls gar nicht zum Thema zu werden. Der Ratsuchende entscheidet somit, was er von sich preisgibt und was nicht. Das bedeutet in der ausschließlich schriftlichen Beratung eine Steuerungsmöglichkeit für den Klienten, die in Face-to-Face-Beratung nicht gegeben ist. Herr Berger benennt die Kanalreduktion in der Mailberatung und beschreibt, was sich dadurch verändert: »Ich hab nur ein Text. Nur Text und sehr wenige Angaben zur Person. Das heißt ich gehe nur mit diesem Text um. Das hat Vorteile. Vorteile für den Klienten. Ja also ich gehe erstmal sehr vorurteilslos oder mit weniger Vorurteilen an diesen Text heran. Ich seh den Klienten nicht, wenn der mir vielleicht begegnen würde. Ich würde den sehn wie er sich bewegt, wie er angezogen ist, welche Gesten er macht. Würd’s bei mir schon irgendwie dann auch arbeiten. Das ist ganz anders allerdings schon das Arbeiten an diesem Text. Gibt ja natürlich auch Informationen. Wie ist er geschrieben, schreibt da jemand sehr elaboriert oder ist es eher einfach geschrieben, viele Fehler und oder solche Dinge wären dann ein Anhaltpunkt.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 219 ff.)

Durch die fehlenden visuellen Informationen geht Herr Berger mit weniger Vorwissen an die Bearbeitung der Mails heran, was er als Vorteil für die Klienten einschätzt. Er geht sogar so weit, dass er die zusätzlichen Informationen als Gründe für Vorurteile bei sich benennt. Er beschreibt, dass wahrgenommene Kleidung, Mimik und Gestik ein »Arbeiten« bei ihm hervorrufen würden. Mit Vorurteil meint er offensichtlich kein in sich geschlossenes Denken, das nicht verändert werden könnte, sondern vielmehr ein Vorwissen, das in den Prozess mit einfließt. Die beraterische Auseinandersetzung geschieht dabei ausschließlich über den Text. Allerdings gibt es bei der Textbearbeitung ebenfalls Zusatzinformationen, die vom Klienten nicht bewusst vermittelt werden. Diese kommen allerdings nicht durch visuelle Reize des Klienten, sondern über seine Sprache zum Ausdruck. Bei der schriftlichen Beratung läuft damit, genau wie bei der Begegnung von Angesicht zu Angesicht, parallel eine Ebene mit, die nicht durch bewusstes Kommunizieren gekennzeichnet ist. In beiden Fällen wird der Berater die Zusatzinformationen zur Interpretation der Gesamtsituationen verwenden, wenn es auch andere Arten von Informationen sind. Somit wird die Steuerungsmöglichkeit durch den Klienten auch wieder relativiert. Allerdings beschreibt Herr Berger, dass er als Berater auch nicht wissen könne, ob das Geschriebene auch wirklich echt sei. Demnach geht er davon aus, dass die Klienten nicht nur Punkte weglassen, sondern ihre Selbstdarstellung zum Teil auch aktiv gestalten:

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

»Also online zu kommunizieren birgt ein riesen Feld an Kreativität, an Phantasie, an sich Ausprobiern, in Rollen gehen. Wir haben Angaben zur Person, Alter, Bundesland, Anwohnerzahl äh aber auch diese Angaben sind immer wieder zu hinterfragen. Also es kann sein, dass da jemand Frau angibt, Alter 25 und man stellt am Text fest, passt überhaupt nicht. Es klingt eher nach einem Mann. Es klingt eher nach em Älteren oder so. Also das kann alles passieren was in der Face-to-Face-Beratung nicht so einfach geht.« (ebd. Z. 228 ff.)

Das auch als »Virtuelle Identitäten« bezeichnete mögliche Phänomen trägt also dazu bei, dass Berater die Angaben der Klienten auch in Frage stellen. Während es in der Face-to-Face-Beratung zu wahrgenommenen Diskrepanzen zwischen den Worten des Klienten und seinem visuellen Ausdruck kommen kann, geschieht dies online zwischen den wörtlichen Inhalten und dem, was »zwischen den Zeilen« vermittelt wird. Zwar schätzen es die interviewten Berater mehrheitlich so ein, dass es kaum zu einer Inszenierung kommt, dennoch läuft diese Möglichkeit im verschriftlichten Kommunikationsprozess, zumindest im Hintergrund, unweigerlich mit. Man kann sogar grundsätzlich davon ausgehen, dass Klienten zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Problem, eine Situation, aber auch ihre eigene Selbstdarstellung jeweils neu konstruieren müssen. Ein solche Blickerweiterung würde erfordern, nicht zwischen »wahr oder unwahr« zu unterscheiden, sondern zu ergründen, welche Bedeutung ein Konstrukt hat und inwiefern der Klient dieses möglicherweise neu und für ihn passender konstruieren kann. Frau Förster beschreibt in Bezug auf fehlende Informationen, dass diese im Mailkontakt zum Teil aus dem Kontext heraus erschlossen werden könnten, während im Face-to-Face-Setting solche Punkte auch durch nonverbale Kommunikation deutlich werden: »Das ist einfach ne andere Form der Beratung. Man hat nicht noch diese zusätzlichen Sinne, dass man sagt so ähm ja wenn man das sieben Jahre macht hat man ja auch schon mal so en Gefühl, stimmt da was oder ist da noch was dahinter was (?), wo jemand zögert das auch mitzuteilen. Das ist bei der medialen Beratung einfach nur, wenn man aus dem Kontext sieht, da muss, müssen noch irgendwie anderen Sachen gelaufen sein oder da fehlen noch Informationen.« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 384 ff.)

Sie unterscheidet ebenfalls diese zwei Beratungsformen, ohne sie grundsätzlich positiv oder negativ zu qualifizieren. Darin stimmen einige der interviewten Berater überein, indem sie zwar Unterschiede aufzeigen aber jeweils sowohl Vorals auch Nachteile beider Beratungsformen benennen. Die Aussage von Frau Förster »man kann nur das was man auch vor sich hat, was man liest, interpretieren« (ebd. Z. 375) ist dabei auch nicht defizitär zu verstehen, sondern zeigt lediglich einen anders gelagerten Fokus auf. Schließlich ist sie trotz fehlender Mimik und Gestik auch bei der Mailberatung in der Lage, aus dem Kontext auf

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Weiteres zu schließen. Allerdings legt die Einschränkung »nur wenn« nahe, dass eine Diskrepanz online seltener identifiziert werden kann. Es gibt jedoch auch Berater, die das Wegfallen des Nonverbalen in der Onlineberatung als Nachteil sehen. So beschreibt Herr Glaser, dass das Nonverbale für ihn sehr wichtig sei. »Und wenn ich das Gegenüber hab, dann spür ich viel viel eher, was denn jetzt auch das Passende ist.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 535 f.) Ob diese Passung beziehungsweise Nicht-Passung auch seitens der Klienten so erlebt wird, ist hier allerdings nicht zu klären. Aus Perspektive mancher Berater stellt die Kanalreduktion allerdings ein Defizit dar. Insbesondere für die Wahrnehmung und mögliche Interventionen beschreibt Herr Glaser, dass es im Face-to-Face-Kontakt mehr Möglichkeiten gäbe: »Das ist ein Unterschied, ob ich nach einem äh Gespräch ähm mit ner geknickten Person zur Verabschiedung ähm dem nochmal tatsächlich den Rücken stärken kann. Ne also indem ich meine Hand an den Rücken hinhalte, oder ob ich schreib Kopf hoch. (…) Also wenn sie mir jetzt weinend erzählen, wie ihre Frau sie verlassen hat äh dann krieg ich ein Gespür dafür, wie es ihnen im Moment tatsächlich geht, weil da gibt’s ungefähr zwölfhundertachtundneunzig Nuancen dazu, äh und ich krieg ein Gespür dazu wie wir beide uns begegnen können.« (ebd. Z. 532 ff.)

Die räumlich-körperliche Erfahrungs- und Gestaltungsmöglichkeiten fallen bei der Mailberatung weg und müssen bei Bedarf anderweitig gefüllt werden. Die Körperlichkeit ist zwar auch bei Mailberatung vorhanden, auch wenn er nicht im Raum gegenwärtig ist. Aber auch hier bietet die Sprache die Möglichkeit, diese Erfahrungswelt in Worte zu fassen. Was für den Berater subjektiv ein Nachteil sein kann, ist für einen Ratsuchenden möglicherweise gerade der Vorteil. Man stelle sich nur missbrauchte Klienten vor, über deren Körper von anderen verfügt wurde und die die Verfügungsmacht über ihren eigenen Körper zeitweise verloren hatten. Für sie ist gerade die räumliche Distanz und die größere Entscheidungsmöglichkeit, was sie wann zum Thema machen und was nicht, ein Positivum der Onlineberatung. Was die Umsetzung der Mailberatung im Beratungsalltag angeht, wird deutlich, dass diese Beratungsform nicht weniger zeitintensiv ist als eine Faceto-Face-Beratung. Am Anfang würde das Lesen und Beantworten der Mails dabei sogar länger dauern, wenn die Berater darin noch nicht geübt seien. Allerdings stellt die Zeitversetzung einen Vorteil für die Beratungsabläufe dar. So kann die Mail beispielsweise beantwortet werden, wenn eine Face-to-Face-Beratung ausfällt, weil der Klient nicht kommt. So beschreibt Herr Conrad, dass er Beratung öfters kurzfristig verschieben müsse, weil er bei Trägern und Geldgebern Termine bekomme, die er nicht so leicht beeinflussen könne. Bei Mailberatung sei das für ihn kein Problem, da er die Antwort nicht in einer genau festgelegten Zeit schreiben müsse. Das dürfte auch einer der praktischen Gründe

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darstellen, weshalb die Mailberatung verbreiteter ist als Chat- und Forenberatung. In beiden Beratungsformen ist eine größere zeitliche Gebundenheit notwendig, wenn man ein fachgerechtes Angebot machen möchte. Per Mail ist zwar ein anhaltender und sogar länger dauernder Beratungsprozess möglich, die Beratungssituation wird aber immer wieder auf dem Server festgehalten und es kann auch nach längeren Wartezeiten wieder angeknüpft werden. Für die Organisation wie für viele Berater stellt dies eine Entlastung dar, da eine Reaktion nicht sofort erfolgen muss. Es zeigt sich, wenn man Onlineberatung betrachtet, dass das Spezifische dieser Beratungsform heute in der Schriftlichkeit liegt. Beratung vollzieht sich wie bereits dargelegt, im Gespräch. Vor der medialen Entwicklung hätte man dies sogar weiter spezifizieren können, indem man Beratung dabei auf die Primärmedien Stimme, Mimik und Gestik eingeschränkt hätte (vgl. Tabelle 2: »Medientypologie«, S. 52). Seit der Entwicklung des Internets wurde die Schriftlichkeit jedoch auch für Beratung neu entdeckt und de facto zum Drehund Angelpunkt der medialen Beratung. Waren Sekundärmedien wie Brief und Tertiärmedien wie Telefax aus praktischen Gründen nicht in der Lage, die Schriftlichkeit, jenseits vernachlässigbarer Einzelerscheinungen, in die Beratungsarbeit zu integrieren, hat sich das durch das Internet grundlegend geändert. Wie aus den Interviews deutlich wurde, werden vor allem diejenigen Quartärmedien von Beratern genutzt, die Schriftlichkeit zur Grundlage haben. Die Schriftlichkeit der alten Sekundärmedien wird hier also in den Quartärmedien in neuer und digitalisierter Form wiederentdeckt, während die ins Internet eingebetteten Tertiärmedien wie etwa Videoaufzeichnungen in der Onlineberatung noch keine nennenswerte Bedeutung entwickelt haben. Wurde schriftliche Beratung zuvor nur in einem Nischensegment, nämlich der Briefseelsorge, realisiert, hat sie im Internet durch Mail, Chat und Forenberatung eine weit größere Ausbreitung erfahren. Das, was unter dem Sammelbegriff Onlineberatung verstanden wird, ist heute also fast ausschließlich schriftliche Beratung. Auch wenn es praktische Gründe gibt und mediengeschichtliche Plausibilitäten, dass durch das Internet bislang vor allem die Schriftlichkeit in der institutionalisierten Beratung Einzug gehalten hat, so gibt es doch auch fachliche Gründe, weshalb der Fokus bislang vor allem auf der schriftlichen Beratung liegt. So stellt die Kontrastierung der Face-to-Face-Beratung zur Onlineberatung derzeit vor allem eine Kontrastierung zwischen einem Setting vor Ort und dem Setting einer anonymen schriftlichen Beratung dar. Was im Kontakt mit den Ratsuchenden in Bezug auf die Onlineberatung mehrfach von Beratern betont wird, ist das schnelle in Kontakt kommen, selbst mit schwierigen Themen und Problemen. Nicht nur Herr Berger schreibt das vor allem der Anonymität und der damit einhergehenden Niedrigschwelligkeit der Mailberatung zu: »Das heißt, dass da auch oft sehr schnell ne ne Offenheit da ist ähm in ner Face-to-

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Face-Beratung äh nicht so in jedem Fall immer da ist.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 240 ff.) Der Zugang zur Beratung, wie bereits dargestellt wurde, aber auch gerade der Einstieg in schwierige Themen wird für manche Ratsuchende somit erleichtert. Die Schriftlichkeit in Kombination mit der medialen Distanzierungsund zugleich einfachen Kontaktmöglichkeit des Internets, bei der nicht einmal eine reale Postanschrift nötig ist, macht offensichtlich das Besondere dieser neuen Beratungsform aus. Ein zentraler Faktor der Mailberatung und ihre häufige Inanspruchnahme liegen also paradoxer Weise gerade in der Distanzierungsmöglichkeit durch den Klienten. Dadurch wird für viele Menschen eine stärkere Offenheit ermöglicht als in der Face-to-Face-Beratung. Somit wird durch die Schriftlichkeit ein Zugang zur institutionellen Beratung vermittelt, der für Menschen einen ersten Kontakt zu den verschiedensten Beratungsinstitutionen darstellt. Damit werden potentielle Ratsuchende von diesem Hilfesystem erreicht, die sonst nicht oder nur schwierig erreichbar wären. Es ist wohl die virtuelle Konstruktion von Problembeschreibungen durch Sprache, die diese Chance bietet. Sie besteht insbesondere darin, dass die Schriftlichkeit der Klienten ermöglicht, sich reflexiv mit einem Thema zu befassen und dabei zugleich distanzieren zu können – im Vergleich zu einer unmittelbaren Erfahrung oder einer mündlichen Beschreibung. Begriffe sind schließlich nicht die Wirklichkeit, verweisen aber auf eine solche jenseits der verwendeten Worte. Die Paradoxie »Nähe durch Distanz«, wie sie sich schon zuvor bei der telefonischen Beratung gezeigt hat, wird nun auch durch die Schriftlichkeit der Mailberatung in neuer Weise möglich.

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Im Internet finden sich ausdrückliche Onlineberatungsplattformen von Verbänden und Beratungsstellen, mit denen potentielle Klienten in Kontakt treten können. Darüber hinaus gibt es aber auch das Phänomen, dass Menschen sich über die Mailadresse einer Homepage an eine Beratungsstelle mit einem Beratungsanliegen wenden, selbst wenn diese kein Onlineberatungsangebot offerieren. Diese beiden Formen der Kontaktaufnahme sollen nun beleuchtet werden hinsichtlich der Frage, wie dies geschieht, und ob dabei übergreifende Muster identifiziert werden können. Herr Berger stellt die Situation dar, wenn Menschen sich erstmalig an eine Hilfeeinrichtung im Internet wenden: »Die kommen aber dann über diese Onlineberatung erstmals auch mit anderen über ihre Problematik in äh Kontakt und alleine schon, dass sie das machen und ihr Problem vielleicht erstmals formulieren ist schon en erster, ne erste Auseinandersetzung mit

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dem, was sie beschäftigt in schriftlicher Form. Das hilft oft schon. Man muss es so sehen oder ich sehe es so, dass Onlineberatung äh immer in Verbindung auch gesehen werden muss zwischen den anderen Möglichkeiten von Therapie und Beratung. Das heißt ne sehr gute Einstiegsmöglichkeit, auch ne Möglichkeit therapeutisch beraterisch online mit Menschen zu arbeiten ähm aber auch eher so dieser Aspekt, dass das auch ein Einstieg sein kann und dann weiterführend eventuell in ne Therapie, in ne Beratung und irgendwelche Selbsthilfegruppen äh, oder auch nur ne Informationsvermittlung ne Weitergabe so Clearing zu machen was ist für sie die richtige Stelle.« (Hr-BergerSexPaa, Z. 290 ff.)

Dabei wird ein doppelter Klärungsprozess deutlich. Zum einen findet beim Klienten bereits im Schreiben der ersten Mailanfrage eine Auseinandersetzung statt. Indem das Problem formuliert wird, geschieht nach Einschätzung von Herrn Berger bereits Hilfe, noch bevor der Berater ins Spiel kommt. Hier kann man bereits von einer ersten Klärung nach innen sprechen, denn es wird dem Ratsuchenden klarer, um welche Thematik es überhaupt geht. Mit dem Onlineberater zusammen geht die Klärung dann weiter und es kommt des Weiteren die Frage auf, was zur weiteren Bearbeitung des Problems gemacht werden kann. Wie es dann gegebenenfalls weitergeht, kann sehr unterschiedlich sein. Zum einen ist es möglich das Problem direkt beraterisch im Onlinekontakt zu bearbeiteten. Demnach kann ein längerer Hilfeprozess online starten, es ist aber auch möglich, jenseits des Internets weiter zu verweisen. Das heißt, es ist für Herrn Berger auch eine Option, dass die Onlineberatung in eine Beratung oder Therapie vor Ort führt, oder dass danach Selbsthilfegruppen aufgesucht werden. Informationsvermittlung und Clearing nennt er nochmals als eine Möglichkeit in der Onlineberatung. Damit unterstreicht er die Klärungsfunktion, nachdem er zuvor schon die verschiedenen Möglichkeiten im Zusammenhang mit einer Klärung beschrieben hat. Frau Arnold beschreibt, dass in der Partnerschaftsberatung die potentiellen Klienten oft im Internet nachschauen, welche Hilfemöglichkeiten es gibt. Mit Hilfe der Fachinformationen im Netz klären sie, was für sie die richtige Hilfeform sein könnte. Bei der standardisierten Abfrage, wie die Ratsuchenden in die Beratungsstelle gekommen sind, wird zunehmend der »Zugang übers Internet« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 277) beschrieben. Insofern bedeuten Informationen auf der Webseite von Beratungseinrichtungen bereits ein erstes Klärungsangebot, das dann, sowohl online als auch face-to-face, weiter verfolgt werden kann. Das Clearing kann wie bereits dargestellt verschiedene Anschlussmöglichkeiten schaffen. Frau Förster beschreibt, wie ein Clearing in Bezug auf Informationen aussehen kann. Sie sagt, dass es Kunden gäbe, die schon recht gut informiert seien, dass aber andere auch von der Flut der Informationen überfordert seien. Hier wird dann keine Klärung in Bezug auf helfende Einrichtungen getätigt, sondern in Bezug auf Informationen, die die Ratsuchenden benötigen. Hilfreich ist es demnach, wenn man

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»dann auch konkret sagt, unter der und der und der Adresse bekommen sie Informationen, dass dann viele auch dankbar sind. (…) Und dass man dann sagt, also zielgerichtet diese drei vier Adressen, da bekommen sie objektive und seriöse Informationen, dass das dann auch gern angenommen wird.« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 303 ff.)

Das Internet bietet unüberschaubar viele Informationsmöglichkeiten. Hinsichtlich der Güte und Qualität der Inhalte können Menschen, die mit einer Thematik nicht vertraut sind, aber häufig nicht einschätzen, wie sie diese bewerten sollen und was hilfreiche und was vielleicht sogar unseriöse Quellen sind. Als Negativbeispiel nennt Frau Förster gewerbliche Schuldenregulierer, die aus kommerziellen Gründen Informationen bereitstellen. Ein qualifizierter Verweis auf eine Informationsseite ist demnach schon hilfreich. Das zeigt, dass es unterschiedliche Arten von Clearing gibt. Zum einen kann es sich um ein inhaltliches Sortieren der Thematik zu Beginn einer Beratung handeln, oder wie in diesem Fall um die Frage, ob weitere beziehungsweise andere Hilfeeinrichtungen hinzugezogen werden sollten. Gemeinsam ist daran allerdings, dass ein Professioneller dabei hilft, eine Klärung herbeizuführen, welche nächsten Schritte für den Klienten hilfreich sein könnten. Wie so ein Verweis in die Beratungsstelle führen kann, beschriebt Herr Glaser. Er meint, die Klienten hätten oft nur eine vage Vorstellung, was denn mit ihnen »los sei« und wie man das Problem angehen könne: »Also die kommen dann hier her und sagen, ja der Arzt hat gesagt wir sollen hier mal eine Familientherapie machen [lachen] und wenn man dann nachfragt haben die einfach verstanden, dass es wichtig ist, dass sich jemand um die Familie kümmert.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 469)

Ein Verweis in einem Clearing muss also nicht bedeuten, dass der Betreffende genau weiß, um was es bei dem nächsten Schritt geht. Wird an eine Hilfeeinrichtung, wie hier an eine Kinder-, Jugend- und Familienberatungsstelle verwiesen, genügt eine vage Idee, dass es dort Hilfe gibt. Die Verlässlichkeit des Verweisenden spielt hier aber offensichtlich eine wichtige Rolle, da die Hilfe bei der damit einhergehenden Unsicherheit sonst nur schwer angenommen würde. Wie beim genannten Verweis auf seriöse Internetseiten ist hier das Vertrauen an den Verweisenden grundlegend. Insofern kann man die Onlineberatungsstellen in einer zentralen Funktion auch als Klärungs- und Verweisstellen verstehen, die für viele Anfragenden mit einem Vertrauensvorschuss versehen sind und Orientierung bieten. Die bereits beschriebene Angst von Beratern, dass die Onlineberatung die Face-to-Face-Beratung verdrängen könnte, wurde von Frau Arnold im Nachhinein als unbegründet aufgezeigt und dargelegt, dass sogar der »umgekehrte Effekt« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 478) daraus entsteht, dass nämlich mehr Menschen in die Face-to-Face-Beratung kommen als zuvor. Da es bei

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der Onlineberatung der Sexual- und Paarberatungsstelle möglich ist, auch in eine Beratungsstelle vor Ort zu wechseln, dürften die auch von ihrem Kollegen Berger beschriebenen Verweismöglichkeiten zu einer Face-to-Face-Sitzung ihre Wirkung zeigen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die verschiedenen Konzepte auch eine jeweils unterschiedliche Verweismöglichkeit bedeuten. Fühlt ein Ratsuchender sich im Onlinesetting gut beraten, kann es für ihn möglicherweise eine große Hürde darstellen zu einer anderen Beratungsstelle zu wechseln, die vielleicht sogar einem anderen Verband angehört. Eine rein virtuelle Beratungsstelle kann dann intern höchstens an eine andere internetbasierte Beratungsform verweisen, wie etwa vom Chat zu einem bestimmten thematischen Forum mit möglicherweise anderen Beratern. Wird eine Face-to-Face-Beratung empfohlen, bedarf es dann sogar eines Wechsels der Einrichtung. Anders ist das, wenn eine Beratungsplattform sowohl Online- als auch Face-to-Face-Beratung anbietet und die lokalen Stellen vorab auswählbar sind. Dann besteht die Möglichkeit, dass ein potentieller Klient bei einer Onlineberatungsstelle anfragt, zu der er bei Bedarf anschließend auch hingehen kann. Die Verweise sind allerdings nicht nur auf eine psychosoziale Beratung oder Therapie gerichtet. Vielmehr wird auch an andere Institutionen mit weitergehenden Funktionen verwiesen. So berichtet Frau Haller, dass sie beispielsweise schon an das Jugendamt verwiesen hat. Aus den Interviews geht hervor, dass die medialen Beratungsangebote von Klienten zunehmend nachgefragt werden. Bisweilen gibt es sogar Mailberatungsanfragen, obwohl kein ausdrückliches Onlineangebot angeboten wurde und lediglich die Mailadresse der Beratungsstelle im Netz bekannt gemacht ist. Die Neuen Medien fördern somit einen Bedarf zutage, der zuvor offensichtlich nicht in der Weise abgedeckt wurde. Schließlich gehen die Beratungsanfragen in der Face-to-Face-Beratung nicht zurück, sondern steigen tendenziell ebenfalls. Das heißt, durch die Neuen Medien werden zusätzlich Personen erreicht, die sonst voraussichtlich nicht alle erreicht würden. Insgesamt wird deutlich, dass die medialen Erstanfragen von Klienten häufig einen Clearingbedarf aufzeigen. Das gilt offensichtlich beratungsinstitutionsübergreifend. Selbst dann wenn Menschen grundsätzlich bereit sind, sich auch Hilfe in einer Beratungsstelle vor Ort zu holen, wollen sie bereits vorab wissen, ob sie mit ihrem Anliegen überhaupt an der richtigen Stelle sind und, falls das nicht der Fall ist, wohin sie sich sonst wenden sollen. Während es im Gesundheitssystem mit dem Hausarzt eine zentrale Klärungsstelle in Bezug auf Krankheiten gibt, wo bei Bedarf ein qualifizierter Verweis an einen anderen Arzt möglich ist, ist im psychosozialen Feld eine solche Stelle nicht fest verankert. Sicherlich wird in vielen psychosozialen Einrichtungen Clearing betrieben. Für Menschen jedoch, die noch keinen Kontakt zu einer psychosozialen Einrichtung

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haben, stellt der erste Schritt aber eine große Hürde dar. Bei dem festgestellten Clearingbedarf geht es allerdings um sehr unterschiedliche Klärungsprozesse der Klienten. Schließlich sind die Probleme der ratsuchenden Menschen auf sehr verschiedenen Ebenen angesiedelt. Es kann beispielsweise um Informationsfragen gehen genauso wie um tiefgreifende emotionale Beziehungsthemen. Außerdem unterscheidet sich der Grad der Klarheit von Fall zu Fall. Während die eine Person überhaupt nicht weiß, was für die aktuelle Problemlage hilfreich wäre, haben andere bereits Ideen, was sie brauchen, um einen Schritt weiterzukommen. Die Neuen Medien bieten hier aber auf jeden Fall eine Möglichkeit, niedrigschwellig eine Problematik abzuklären, ohne sich in eine Einrichtung begeben und ohne sich als Person zeigen zu müssen. Die hilfesuchenden Menschen nehmen dabei eigenmächtig eine Klärungsmöglichkeit wahr, die vom psychosozialen Beratungssystem so nicht ausdrücklich angeboten wird. Zwar ist auch in Beratungsstellen vor Ort eine Clearingphase nicht unüblich, sei es für den weitergehenden Beratungsprozess oder bezüglich der Frage, ob andere Hilfeeinrichtungen angemessen sind. Doch müssen die Klienten sich dann schon selbst zugeordnet haben und wissen, welche Beratungsinstitution für sie die Passende ist. Eine eigene psychosoziale Institution zur Klärung dieser Frage gibt es schließlich nicht. Im Internet ist es aber viel einfacher möglich, unverbindlich nachzufragen. Jemandem in einer Beratungsstelle gegenüber zu sitzen, stellt nämlich eine nicht unerhebliche Verbindlichkeit dar. Insofern bringen die Neuen Medien hier eine Klärungsmöglichkeit, die im psychosozialen Feld so nicht für diesen Zweck speziell entwickelt wurde. Während die mediale Klärung kaum ausdrücklich angeboten wird, nutzen die Menschen diese Möglichkeit aber, indem sie sich einfach an eine Stelle wenden, ihr Anliegen nennen und dabei klären, ob sie dort richtig sind oder eine weitere Hilfe benötigen. Somit wird durch die Neuen Medien zum psychosozialen Beratungsfeld eine größere Nähe hergestellt, selbst dann wenn dies von den Anbietern nicht bewusst beabsichtigt wurde. Durch die Verpflichtung des Gesetzgebers, dass im Impressum einer jeden Homepage auch eine Internetadresse angegeben werden muss, ist es schließlich möglich, dass Menschen sich online an eine Beratungsstelle wenden können, selbst dann wenn diese Einrichtung kein ausdrückliches Onlineberatungsangebot offeriert. Die Clearingmöglichkeiten sind somit durch das Internet medial vervielfältigt worden, wie es auf andere Weise kaum vorstellbar wäre.

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Modernisierung der Beratung durch Medienintegration

Es stellt sich die Frage, inwieweit sich die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends der Medien auch in der Medienentwicklung des institutionellen Beratungsangebots widerspiegeln. Wie bereits dargelegt, wird in den

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befragten Beratungsstellen für die mediale Beratungsarbeit vor allem das Medium E-Mail, in seiner webbasierten Variante, genutzt. Inwieweit die Beratung auch im weiteren medialen Modernisierungsprozess schritthält und ob das seitens der Berater überhaupt intendiert wird, gilt es nun zu betrachten. Herr Glaser positioniert sich für eine Ko-Entwicklung zwischen Gesellschaft und Beratung: »Also ich denk nicht, dass äh wir in ner Zeit leben, wo man sagen kann, bei uns geht alles anders«. (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 677) Für ihn scheint es nicht machbar zu sein, sich von den jeweils aktuellen Entwicklungen abzukoppeln. Ebenso postuliert Frau Arnold, dass sie es für wichtig halte, in der Beratungsarbeit nicht stehen zu bleiben: »Also ich fänds wichtig, dass man da am Ball bleibt, dass man mitmacht, dass man nicht sagt: ne das ist mir jetzt zu neumodisch. Da warten wir noch zwei Jahre, sondern dass man da wirklich das beobachtet und auf dem laufenden bleibt und ähm sich den Entwicklungen, wie auch immer sie dann aussehen mögen, anpasst und nicht sagt, jetzt das gefällt mir aber nicht.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 544 ff.)

Es gibt hier also eine Motivation, an den Entwicklungen dranzubleiben und nicht abgehängt zu werden. Von den eigenen Präferenzen der Berater soll die Entwicklung dabei nicht abhängig gemacht werden. Dies wird deutlich, indem sie von den Verantwortlichen in der Beratung fordert, sie sollten nicht sagen, dass ihnen die Entwicklungen nicht gefallen. Vielmehr stellt sie auf die Passung ab und leitet die Entwicklungsrichtung von den Bedürfnissen der Klienten ab, wie auch weiter unten noch zu sehen sein wird. Was Frau Arnold und Herr Glaser bezüglich Modernisierung fordern, wird auch von den anderen interviewten Beratern in ähnlicher Weise gesehen. Dies dürfte allerdings mit der Vorauswahl zusammenhängen. Schließlich sind alle Interviewpartner in einer Beratungsstelle tätig, die Onlineberatung anbietet und im Internet präsent ist. Die Medienintegration vollzieht sich in der institutionellen Beratung hingegen verhältnismäßig langsam im Vergleich zu den rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen bezüglich Neuer Medien und Internet. Die untersuchten Beratungsstellen können durch die Vorauswahl zu den Vorreitern in ihrem Tätigkeitsfeld gezählt werden. Dennoch sind lediglich Telefon und Mail die Kommunikationsformen, die – ein Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende – neben der Face-to-Face-Beratung in allen fünf Beratungsstellen genutzt werden. Wie in Kapitel 5.6 dargelegt sind andere, bereits etablierte Beratungsformen wie Chatberatung und Beratung in Foren, hier die Ausnahme. Auch gibt es noch keine Anzeichen, dass neuere Kommunikationsformen in absehbarer Zeit integriert werden sollen. Bei Fragen zur zukünftigen Weiterentwicklung von medialen Beratungsangeboten überwiegen eher Skepsis und Zurückhaltung. So gibt es keine Planungen, weitere Medien, beispielsweise die Mobiltelefone, z. B. per SMS oder durch andere Techniken, in die Beratungsarbeit zu integrieren. Das steht allerdings im Kon-

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trast zur Bewertung der bereits integrierten Beratungsmedien, die vorwiegend positiv beschrieben werden. Kommunikationsformen, die bereits vertraut sind, werden deutlich positiver eingeschätzt. Die interne Vernetzung in den Beratungsstellen und die Vernetzung in Bezug auf die Klienten sind dabei grundlegend zu unterscheiden. Der Aspekt der stelleninternen Vernetzung wurde bereits dargelegt. Während die Berater in vier der fünf Beratungsstellen durch Internettechnik miteinander vernetzt sind und somit auf unterschiedliche Weise miteinander kommunizieren können, stellt sich die Medienvernetzung in Bezug auf die Klientenkommunikation deutlich eingeschränkter dar, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. Was die Zugänge zum Beratungsangebot angeht, wurde bereits gezeigt, dass es durch die Neuen Medien zwar neue Zugangswege gibt, diese aber nicht konsequent genutzt werden, um die Hürden für die unterschiedlichsten Menschen zu reduzieren. Vielmehr hängt es in der Regel von persönlichen Präferenzen der Berater und von der bisherigen Struktur des jeweiligen Anmeldeprozesses in der Beratungsstelle ab, welche Kommunikationskanäle zur Verfügung gestellt und gegebenenfalls miteinander verknüpft werden. Was wir hier bezüglich der Zugangsthematik festgestellt haben, das gilt auch vergleichbar für die Nutzung von Medien, für die Kommunikation mit Klienten, und zwar parallel zur Face-to-Face-Beratung oder danach. Die Medien werden weniger in ihrer Gesamtheit zur aktiven Gestaltung unterschiedlicher Kommunikationswege in den Blick genommen, sondern vielmehr von der Alltagsplausibilität der Berater her verwendet. Insofern werden vorwiegend diejenigen Medien in das eigene Angebot integriert, die von Beratern bereits persönlich genutzt werden und eine wie auch immer geartete Erleichterung für die Beratung oder beratungsfachliche Verbesserung versprechen. Somit kommt es in der Regel zu einer Reduzierung auf die gängigen und bereits etablierten Medien Telefon, Telefax und Mail. Die Neuen Medien bieten die Möglichkeit, mit anderen Medien und dem Face-to-Face-Setting verknüpft zu werden. Eine solche Vernetzung ist ebenfalls ein Trend medialer Modernisierung, der für Beratung aktiv genutzt werden könnte, um den Anliegen und den Kommunikationsgewohnheiten der Klienten entgegen zu kommen. Beim Bereitstellen verschiedener Kommunikationskanäle wäre es möglich, während eines Beratungsprozesses einen Settingswechsel vorzunehmen oder bei Bedarf auch parallel verschiedene Kommunikationsformen zu nutzen. Neben der Frage der in der Beratung genutzten Medien ist es somit auch im Sinne der Forschungsfrage interessant zu zeigen, wie die Medienvernetzung in den Beratungsstellen im einzelnen vonstattengeht. Tabelle 13 (S. 132) zeigt die Ausgestaltung des Settingswechsels in den fünf untersuchten Beratungsstellen. Dabei zeigt sich, dass lediglich ein allgemeiner Verweis von der Onlineberatung zu Beratungsstellen vor Ort in allen Beratungsstellen realisiert

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

wird. Den Verweis zur eigenen Face-to-Face-Beratung der jeweiligen Stelle wird von vier Stellen getätigt. Eine Stelle, die, wie bereits dargelegt, in einem externen Portal mitarbeitet, das nach dem Konzept einer ausschließlich virtuellen Beratungsstelle arbeitet, macht dies nicht. Gemeinsam ist den Beratungsstellen, dass das Angebot eines möglichen Settingswechsels ansonsten die Ausnahme bleibt. Telefon und Mail werden in den Beratungsstellen häufig parallel verwendet. So beschreibt Frau Arnold, es komme vor, dass es mit Klienten, die in der Faceto-Face-Beratung sind, parallel telefonische Kontakte gäbe, weil etwas vorgefallen sei oder jemand in einer Krise sei. Teilweise geschehe das auch über das Internet, zum Beispiel um nach einer abgeschlossenen Beratung in Kontakt zu bleiben. Die Initiative gehe dabei aber vom Klienten aus. Diese teilten beispielsweise mit, dass sie noch ein weiteres Kind bekommen hätten, falls das Thema in der Beratung war, und würden sich etwa nochmals bedanken. Konzeptionell würde die Kommunikation per Internet oder Telefon mit den Klienten allerdings nicht genutzt, wie Frau Arnold unterstreicht: »Aber jetzt nicht so als Systematisches als Methode, dass man sagt also in der Phase der Beratung ist es am besten so und dann ist es am besten so, das das kenn ich jetzt nicht.« (FrArnold-SexPaa-L, Z. 454) Zur Evaluation der Beratungen würde das Internet allerdings standardisiert genutzt. Drei bis vier Monate nach einer Beratung erhielten die Klienten den Fragebogen einer katamnestischen Untersuchung. Mail und Telefon werden in der Beratung somit als informeller Weg genutzt, ergänzend zu Face-to-Face-Beratung zu kommunizieren. Die Evaluation mittels Internet wird dabei nicht als Kommunikationsangebot verstanden, sondern als reines Erhebungsinstrumentarium. Das ergänzende Angebot der zusätzlichen Nutzung von Medien wird in der Schuldner- und Insolvenzberatung explizit als eine Form der »Kundenfreundlichkeit« (Fr-Ehlers-SchuIns-L, Z. 220) dargestellt. Frau Ehlers beschreibt, dass sie E-Mails neben der Face-to-Face-Beratung gerne als Ergänzung nutze, weil das Zeit spare und sie auch zeitlich unabhängig sei und auch abends oder früh morgens Mailen könne und nicht das Gefühl habe, zu stören. Vor allem könnten aber auch umgekehrt die Klienten ihr Anliegen loswerden, auch dann wenn keine Sprechstunde sei. Das stelle für sie ein kundenfreundliches Angebot dar. Frau Ehlers versteht die mediale Erweiterung dabei als eine Weiterentwicklung des Angebots, die den Kunden entgegenkommt, aber auch für die Berater sehr praktische Vorteile hat. Herr Glaser beschreibt ebenso die parallele Mailnutzung während eines Face-to-Face-Beratungsprozesses: »Heut morgen hab ich von von ner Mutter, deren Sohn im Moment wegen ner Depression stationär behandelt wird, grad wieder quasi das neuste Update bekommen. (…) Ja also die hat mir einfach kurz ein E-Mail geschickt, in dem drinnen steht, wie’s ihrem Sohn geht, ja. Früher hätte sie mich wahrscheinlich angerufen oder einen Termin vereinbart.« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 276 ff.)

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Die Klientin schreibt eine Mail und teilt mit, was sich zwischenzeitlich ereignet hat. Mit dem Begriff »Update« wird deutlich, dass mit dieser Mailnachricht keine Kommunikationsinteraktion als wechselseitige Kommunikation geschieht. Vielmehr geht es um eine Information seitens der Klientin hin zum Berater. Der Berater wird damit auf den neuesten Stand gebracht. Ein Telefonat beziehungsweise ein Termin vor Ort wird damit hinfällig. Durch diese Möglichkeit des Mailens wird der Beratungsprozess grundlegend verändert. Face-to-Faceoder Telefonsetting werden schließlich, nach Einschätzung von Herrn Glaser, in der genannten Situation durch die Internetkommunikation ersetzt. Dem Berater bleibt es an diesem Punkt also überlassen, ob er hier überhaupt reagiert, und wenn ja, hat er die Wahl zwischen Mail, Telefonat und Gespräch vor Ort. Damit ist eine Erweiterung der Optionen gegeben. Es können im Beratungsprozess an unterschiedlichen Punkten Entscheidungen getroffen werden, sowohl von Klientenseite als auch seitens des Beraters, ob und über welches Medium jeweils kommuniziert wird. Bei der Frage nach weiteren Medien werden meist praktische Gründe angegeben, weshalb diese nicht ins eigene Angebot integriert werden. So erklärt Frau Ehlers, dass man beim Chatten sehr schnell reagieren müsse und dies nicht einfach sei. In Bezug auf Foren sei das Problem, dass man die stark kontrollieren müsse, damit zum Beispiel keine strafrechtlich problematischen Texte eingefügt würden. Eine Moderation bedürfe jedoch nochmals einer ganz anderen Finanzierung. Die Frage der Kostenerstattung wird dabei mehrfach genannt. Schließlich müsse dieses Angebot ja auch finanziert werden. Und das Mailen kann dabei noch am besten organisiert werden, da es zeitversetzt stattfindet, kein sofortiges Reagieren notwendig ist und keine Personalressourcen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgehalten werden müssen, wie das beim zeitgleichen Chatten der Fall ist beziehungsweise bei Foren, wenn die Inhalte nicht erst zeitversetzt durch den Moderator und Berater freigegeben werden sollen. Die unter den Beratungsmedien am stärksten verbreitete Mailberatung und auch die zunehmende weitergehende Integration des Mailens in den sonstigen Beratungsalltag dürften insgesamt einen pragmatischen Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen darstellen. Verschiedene Gründe sind es, weshalb das Mailen am stärksten als Beratungsmedium verbreitet ist: Das ist fachlich, technisch-strukturell, finanziell und im Hinblick auf die vorhandene spezielle Medienkompetenz der Berater nachvollziehbar. Beratungsfachlich bildet das Mailen schließlich einen der größten Kontraste zur herkömmlichen Face-toFace-Sitzung. Sie stellt wie bereits dargestellt eine interessante Beratungsalternative für potentielle Klienten dar. Außerdem ist die Technik mit verhältnismäßig wenig Aufwand nutzbar und damit auch mit dem knappen Budget von psychosozialen Beratungsstellen bezahlbar. Auch lernen die Berater diese Technik recht einfach, wenn nicht ohnehin der Umgang damit aus anderen

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Bezügen vertraut ist. Mailberatung bietet somit die Chance, mit verhältnismäßig wenig Aufwand ein recht kontrastreiches Zusatzangebot zu ermöglichen und daher dürfte sie in der Onlineberatung auch am stärksten verbreitet sein. Ein weit stärker intern vernetztes Beratungsangebot wird aus der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle beschrieben. Dort wird eine weit über das Mailen hinausgehende Onlineberatung dargestellt. Bei diesem Beratungsportal, in dem Frau Imholz mitarbeitet und das als virtuelle Beratungsstelle konzipiert ist, gibt es nicht nur Eins-zu-eins-Beratung zwischen Klient und Berater, sondern auch weitere Angebote wie etwa Chat- und Forenangebote. Frau Imholz betont dabei, dass die interne Vernetzung der unterschiedlichen Beratungsmedien innerhalb des eigenen Beratungsportals eine fachlich sinnvolle Möglichkeit sei. Allerdings wird hier deutlich, dass das Portal konzeptionell kein ausschließliches Beratungsportal ist, sondern dass sich diese virtuelle Beratungsstelle von anderen Onlineberatungsangeboten unterscheidet und über Beratung hinaus auch moderierte Selbsthilfemöglichkeiten anbietet. »Die [virtuelle Beratungsstelle, J.W.] ist was ganz anderes wie ähm so Internetberatung, da sind ja viel mehr Möglichkeiten, so viel größer« (Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 770 f.). Sie ist auch die einzige interviewte Beraterin, die beschrieben hat, dass sie in der Face-to-Face-Beratung auf das Onlineberatungsportal verweist. »Also die Möglichkeit in einem Forum die Meinung und die Lösungen von anderen sich einfach anzugucken, selber was dazu zu schreiben, das hat ein Selbsthilfecharakter, ist eine eins a fachliche Betreuung dabei, sie können chatten, also Gruppenarbeit mit anderen direkt, äh sie können wenn sie wollen ganz alleine Einzelberatung in schriftlicher Form, sie können auch einzeln chatten, es gibt also alle Möglichkeiten äh, die man sich vorstellen kann ähm es ist, ich sage immer, es ist wie eine große Beratungsstelle, wie ne reale Beratungsstelle äh alles so unter einem Dach die ganzen Angebote. Vielen, ich empfehl das auch oft Klienten als Ergänzung. Ja die kommen in Erziehungsberatung mit irgendeinem Problem, sag ich, gucken Sie dort rein, das und das Forum, dann können sie auch lesen was andere Menschen da gemacht haben oder welche Lösungsmöglichkeiten die haben«. (ebd. Z. 42 ff.).

Die hier vorliegende konzeptionelle Integration des medialen Beratungsangebots unterscheidet sich dabei wesentlich von den Konzepten der anderen vier Beratungsstellen. Während in den anderen Beratungsstellen innerhalb einer Onlineberatung der Verweis auf die eigene Beratungsstelle vor Ort möglich oder gar konzeptionell gewünscht ist, geschieht ein Verweis in der virtuellen Beratungsstelle ausschließlich in umgekehrte Richtung, indem wie beschrieben, den Klienten in der Beratungsstelle vor Ort teilweise empfohlen wird, sich zusätzlich bei dem Onlineportal anzumelden. Vom Angebot im Internet wird höchstens allgemein auf eine bestimmte Beratungsinstitution mit einer Liste von Stellen verwiesen. Die Onlineberater bleiben dabei anonym und sind auch nicht einer bestimmen lokalen Beratungsstelle zuzuordnen. Nun stellt sich die Frage, wes-

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halb von einem Beratungsangebot vor Ort zusätzlich auf ein virtuelles Beratungsangebot der gleichen Beratungsinstitution Erziehungsberatung verwiesen wird. Frau Imholz begründet das mit den weitergehenden Möglichkeiten, die das Portal biete, wie etwa Gruppenangebote. Das Beratungsportal bietet also nicht nur Einzelberatung an, sondern auch Gruppenangebote, die einen starken Selbsthilfecharakter haben, aber dennoch von Professionellen moderiert werden. Drei Onlineberatungsformen sind demnach wählbar : Chat, Mail und Foren, wobei das Chatten als Einzelberatung, aber auch als Gruppenangebot möglich ist. Frau Imholz verweist dabei besonders auf spezielle thematische Foren, die sie ihren Klienten empfiehlt. Insbesondere die Anregungen durch das, was andere Klienten der Onlineberatungsplattform schreiben, erachtet sie als hilfreiche Ergänzung ihrer Face-to-Face-Beratung. In diesem Fall wird deutlich, dass das Angebot der Beratungsstelle vor Ort als begrenzt erlebt wird und sinnvoll durch das mediale Beratungsangebot des Fachverbandes ergänzt werden kann. Allerdings macht sie auch deutlich, dass sie nicht auf andere Portale verweisen würde, sondern nur auf das eigene, bei dem sie mitarbeitet, weil sie überzeugt ist, dass es fachlich sehr gut ist. Das stellt sie heraus, indem sie diesbezüglich von »eine eins a fachliche Betreuung« spricht. Bei anderen Onlineberatungsportalen sei sie vorsichtig und würde darauf nicht verweisen. Insofern kann bei diesem virtuellen Beratungsangebot von einem vielgestaltigen aber zugleich in sich geschlossenen Beratungssystem gesprochen werden. Selbst zwischen der Onlineplattform und den beteiligten Beratungsstellen wird dabei eine klare Grenze gesetzt, so dass es keine für die Klienten sichtbare Vernetzung zwischen diesen Beratungsangeboten gibt. Die Beraterressourcen werden zwar aus den Stellen vor Ort genutzt, da der Beratungsfachverband selbst keine Berater beschäftigt; diese treten jedoch weder als Personen noch allgemein als Vertreter einer bestimmten Stelle in Erscheinung. Man kann bei diesem Konzept von einem reinen Internetangebot sprechen, da es nur durch allgemeine Verweise mit anderen Beratungsstellen sichtbar verknüpft ist. Die Kontaktanbahnung zu bestimmten Stellen vor Ort wird dabei nicht forciert. Die Teilnahmemöglichkeiten der Klienten an unterschiedlichen Einzel- und Gruppenberatungs- sowie Selbsthilfeangeboten ermöglicht dabei eine weitergehende Befassung mit dem Problem und Themenfeld der Beratungsinstitution Erziehungsberatung. Frau Imholz geht davon aus, dass das Lesen der Meinungen und Lösungen anderer Menschen und das schriftliche Beschäftigen mit der Thematik eine Hilfe für die Klienten darstellt, die so nicht von einer Einzelberatung vor Ort geleistet werden kann und deshalb als Ergänzung sinnvoll ist. Dabei wird deutlich, dass das Onlinesetting von ihr nicht als defizitär verstanden wird, sondern eine eigene Qualität bedeutet, die ihre Beratungsstelle vor Ort so nicht bieten kann. Kontrastiert man diesen Ansatz der virtuellen Beratungsstelle, bei der die Erziehungs-, Ehe und Lebensberatungsstelle mitarbeitet, mit den anderen Be-

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

ratungsstellen, so wird deutlich, dass die Neuen Medien von den verschiedenen Einrichtungen fachlich sehr unterschiedlich genutzt werden. Bei den anderen Beratungsstellen ist schließlich die jeweilige Stelle vor Ort erkennbar. Dort besteht grundsätzlich die Möglichkeit von der Onlineberatung zur Beratung vor Ort zu wechseln. In der Kinder-, Jugend- und Familienberatung ist das darüber hinaus sogar konzeptionell vorgesehen und gewünscht. Onlineberatung hat hier die grundlegende Funktion, den Zugang zu einem Beratungsangebot vor Ort zu erleichtern. Sie ist in dieser Stelle zwar auch ausschließlich medial möglich, und es handelt sich nicht um eine reine Anmeldefunktion per Internet, dennoch ist die Zugangsrichtung hier umgekehrt. Tendenziell wird vom virtuellen Beratungsangebot auf die Face-to-Face-Beratung gelenkt, die bisweilen auch als das angemessenere Beratungsangebot eingeschätzt wird. Frau Haller beschreibt, dass sie bei einer Klientin zur Einschätzung gekommen sei, es sei besser, wenn sie vor Ort zur Beratung komme: »(…), dass ich gesagt hab ich fänds face-to-face besser, weils halt so problematisch war, dass ich gesagt also ihr das angeboten hab, und das hat sie dann auch angenommen und wir haben mal telefoniert und dann hat sich aber herausgestellt, dass sie nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt und dann ist sie in eine andere Beratungsstelle gegangen, aber ist da auch angekommen.« (Fr-Haller-KiJuFa, Z. )

Für Frau Haller hat die Gewichtung der Problematik den Ausschlag gegeben, eine Face-to-Face-Beratung zu empfehlen. Demnach können nach ihrer Einschätzung sehr problematische Fragestellungen im Face-to-Face-Setting besser bearbeitet werden als online. Was die Vernetzung und Integration von Beratungsangeboten angeht, so hat Frau Arnold eine klare Zukunftsvision: »Aber so ein Szenario wo ich sach, das ist so die Beratungsstelle 2020 und dann fänd ichs ganz klasse zu arbeiten. Also was ich gut fände wäre so diese Idee: alles unter einem Dach. Ja dass jetzt äh, wir kennen das so ein bisschen, dass wir Leute in verschiedenen Lebenslagen hier haben. Die kommen dann als Jugendliche zu ner Aufklärungsveranstaltung im Bereich Sexualpädagogik, gehen dann später unten zu den Ärztinnen und holen sich Verhütungsmittel, lassen sich da beraten kommen dann eventuell wieder, wenn sie schwanger sind und nicht genau wissen was sie damit machen sollen oder sich halt beraten lassen wollen, was es für Hilfe gibt oder nen Stiftungsantrag stellen wollen. Kommen dann vielleicht nochmal mit ihrem Partner, wenn’s nach dem ersten Kind in der Ehe kriselt oder später bei den Männern sexuelle Probleme auftauchen, und so haben wir manche Klienten mit unterschiedlichen Personen aber so im über die Lebensspanne mit verschiedenen Anliegen. Und ich fänds gut, wenn das auch sonst unter einem Dach wäre. Dass ich nicht, wenn ich Schulden habe dahin muss, eigene Probleme dahin muss, äh im Schwangerschaftskonflikt dahin muss, sondern dass das wirklich räumlich unter einem Dach wäre aber auch virtuell, dass ich dann irgendwie so en Portal habe wo ich vielleicht diese ganzen Angebote im Beratungsbereich ähm gesammelt finde und nicht stundenlang rumsuchen muss nach irgend-

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welchen Internetadressen ähm, weil die einen machen nur Eheberatung und die anderen machen nur Suchtberatung. Das fände ich ne schöne Zukunftsvision, dass das sowohl räumlich als auch ähm virtuell sozusagen schnell und alles an einem Ort zu finden ist.« (Fr-Arnold-SexPaa-L, Z. 551 ff.)

Sie fände es sinnvoll, wenn eine Stelle die verschiedensten Beratungsinstitutionen und Angebote abdecken würde. Dann könnten die Menschen an verschiedenen Punkten ihrer Biographie ein und dieselbe Einrichtung nutzen. Unabhängig von der Problematik wüssten sie, wo sie sich jeweils hinwenden müssten und es bedürfe keiner weitergehenden Suche, wo die passende Hilfeeinrichtung ist. Hier wird auch der Aspekt des Clearings nochmals deutlich. Offensichtlich ist es für vielen Menschen nicht einfach, die jeweils richtige Beratungsinstitution zu finden. Sie würde hier das virtuelle Angebot und das Angebot vor Ort nicht trennen, sondern vielmehr sieht sie die verschiedenen Beratungsformen und Medien perspektivisch als eine Einheit an. Wie in Kapitel 5.6 aufgezeigt, ist in den Beratungsstellen tatsächlich ein Trend hin zu größeren Beratungseinheiten zu erkennen. Keine der untersuchten Stellen hatte schließlich nur eine einzelne Beratungsinstitution im Angebot, und die Jugendund Drogenberatung wird sogar in ein Beratungszentrum eingegliedert. Aber außer der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle und der Kinder-, Jugendund Familienberatungsstelle sind die anderen Stellen bereits mit noch weiteren Beratungsangeboten vor Ort gekoppelt. Und auch in den Beratungsportalen gibt es häufig die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichsten Beratungsinstitutionen zu wählen. Das gilt nicht nur für den eingangs dargestellten Onlineberatungsführer unter www.dajeb.de, sondern für viele Dachverbände, vor allem für die überregionalen Träger der Freien Wohlfahrtspflege, denn sie ermöglichen auf ihren Homepages und Beratungsportalen den Zugang zu verschiedensten Angeboten und für unterschiedliche Zielgruppen. Was Frau Arnold als Zukunftsvision beschreibt, ist als Trend in diese Richtung also bereits wahrzunehmen. Es ist insgesamt festzuhalten, dass der Modernisierungsprozess der Beratung durch Mediennutzung und -vernetzung auch in der institutionalisierten Beratung deutlich wird. Zur anfangs ausgeführten Spezialisierung und Differenzierung der Beratung im fortschreitenden Institutionalisierungsprozess wird hier nun ein gegenläufiger Trend deutlich: Die diversifizierten Angebote werden immer häufiger reintegriert. Das geschieht, indem die Vielfalt der Angebote durch eine Bündelung vor Ort und durch virtuelle Verknüpfungen neu miteinander verbunden wird. Die Neuen Medien spielen dabei eine Doppelrolle. Zum einen erweitern sie das Beratungsangebot zusätzlich und zum anderen ermöglichen sie durch ihre Verknüpfungspotentiale neue »Links«, was wörtlich so viel bedeutet wie Verbindungen, Verknüpfungen und Verweise herzustellen. Menschen erhalten dabei nicht nur neue Zugangswege, sondern auch zusätzli-

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

che Hilfemöglichkeiten. Die Modernisierung der Beratung schreitet mit Hilfe der Neuen Medien also voran, aber im Vergleich zu sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen eher langsam. Die Nutzung unterschiedlicher Medien und die Verknüpfung der Medien untereinander sind dabei noch in ihren Anfängen, verglichen mit den medialen Möglichkeiten, die zur Zeit der Befragung ansonsten bereits nutzbar waren. Wie in Kapitel 6.3 über die Vielfalt der Zugänge dargestellt, gibt es auch bei der Frage der Integration und Verknüpfung von Medien noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten, die sich immer noch erweitern. Die Zukunftsvision von Frau Arnold skizziert beispielhaft solche Entwicklungsmöglichkeiten, die den potentiellen Klienten helfen könnten, ohne größere Suche noch passendere Beratungsangebote zu finden, die in ihrer Vielfalt und medialen Ausgestaltung die verschiedensten Fragen und Probleme abdecken könnten. Anspruch und Realität nähern sich dabei bereits an, sind aber noch deutlich voneinander entfernt.

6.9

Erweiterung der Beraterrolle zur passageren Alltagsberatung

Nun gilt es den Wandel der Beraterrolle vor dem Hintergrund der sich verändernden Medien zu betrachten. Dabei werden die Erwartungen von Beratern und Klienten in den Blick genommen, wie sie seitens der Berater erlebt werden. Die Erwartungen gestalten die Rollen und den Prozess der Beratung, unabhängig davon ob sie von den Beteiligten angenommen, modifiziert oder verworfen werden. Untersucht werden dabei auch die Einschätzungen der Berater, wie sie grundlegende Aspekte der Beratung erleben und bewerten. Mehrere Berater benennen, es komme in Beratungen häufig vor, dass die Klienten zu Beginn der Beratung davon ausgehen, ihr Problem werde von den Beratern behoben. Herr Glaser und Frau Haller sprechen sogar explizit von der Erwartung mancher Eltern, die möchten, dass ihr Kind in der Erziehungsberatung quasi »repariert« (Hr-Glaser-KiJuFa-L, Z. 380) / Fr-Haller- KiJuFa, Z. 90) werden soll. Und Frau Haller und Frau Imholz benannten diesbezüglich die Erwartung von »Rezepten« (Fr-Haller- KiJuFa, Z. 91 / Fr-Imholz-ErzEheLeb-K, Z. 429). Dabei herrscht häufig die Erwartung seitens der Klienten, dass schnell alles wieder gut funktionieren solle. In der Wahrnehmung der Berater ist das allerdings keine neue Erfahrung. Vielmehr war das »schon immer so« (ebd. Z. 431), wie es Frau Imholz ausdrückt. Es gehört also demnach schon lange zur Beratungsarbeit, dass die Berater bereits zu Beginn um ein Mittun aller Beteiligten werben. Es ist also nicht selbstverständlich, dass die Ratsuchenden in der Beratung selbst aktiv werden bei der Suche nach Lösungen der eigenen Probleme. Vielmehr gehört es zur Beratungsarbeit, dass die Klienten von den Beratern als die Verantwortlichen für ihr eigenes Leben ernst genommen und in

Erweiterung der Beraterrolle zur passageren Alltagsberatung

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dieser Verantwortung gestärkt und unterstützt werden. Schließlich gehen Menschen dann in Beratung, wenn sie alleine nicht mehr weiter wissen und Hilfe suchen. Da das Ziel von Beratung ist, die Handlungsfähigkeit der Klienten wieder herzustellen, liegt nun die Kunst der Beratung darin, an dem anzuknüpfen, was die Klienten selbst können. So kann ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit gestärkt werden. Frau Förster erlebt in diesem Zusammenhang, dass in der medialen Beratung gegenüber der Face-to-Face-Beratung, verstärkt die Eigenständigkeit der Klienten gefördert wird: »Also Chance ist natürlich, dass man irgendwo das Selbsthilfepotential auch weckt, weil es nicht so ist, dass sie in die Beratung gekommen wären, kann auf jeden Fall und äh alles wird an den Berater abgegeben sondern, dass da auch einfach ja diese Chance in den Leuten geweckt wird, was kann ich selber. Ich kann die Unterlagen sortiern, ich kann mit Gläubigern verhandeln. Da sind sich ja viele gar nicht bewusst, dass sie diese Fähigkeiten haben.« (Fr-Förster-SchuIns, Z. 280 ff.)

Die eigenen Kräfte der Ratsuchenden werden in der medialen Beratung also dadurch genutzt, dass ihnen vieles nicht abgenommen wird. Gerade indem die Berater den Klienten im medialen Kontakt bestimmte Tätigkeiten nicht abnehmen können, wird durch die mediale Beratung die Verantwortung stärker bei den Klienten belassen, und das von Anfang an. Frau Ehlers spitzt die Beschreibung sogar noch zu: »Ich denke mal es hat mit der Erwartungshaltung zu tun. Wer in ne persönliche Beratung kommt, der hat ja in der Regel ähm so ein Stapel Papiere bei sich, die er gerne wie bei nem Anwalt loswerden möchte und das müssen wir halt ablehnen aus ähm aus Gründen der Kapazität, aber auch aus ähm pädagogischen [lacht] Gründen in Anführungsstrichen, weil wir ja den Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe fahren«. (Fr-EhlersSchuIns-L, Z. 24 ff.)

In der Beratung werden demnach die Klienten der Schuldner- und Insolvenzberatung vor Ort häufiger enttäuscht als in der Onlineberatung. Allerdings gelte das in vergleichbarer Weise auch für die Telefonberatung, die in der Beratungsstelle als Hotline angeboten wird. Das heißt, dass weder vor Ort noch in der medialen Beratung, aus Kapazitäts- und fachlichen Gründen, den Klienten alles abgenommen wird. Dabei kommt es in der medialen Beratung aber häufiger zu Anfragen, bei denen die Ratsuchenden selber in der Problembearbeitung aktiv bleiben. Demnach stellt sich die Frage, ob sich die Klientel von Online- und von Face-to-Face-Beratung maßgeblich unterscheidet oder ob dieser Unterschied in der Form der Beratung liegt. Herr Berger sieht jedenfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beratungsformen selbst: »Ich war sehr skeptisch, hab gedacht da kann man keine Beziehung aufbauen, da kann man nit therapeutisch arbeiten und so weiter und so fort, weil damit sehr stark verbunden ist Beziehungsarbeit. Ich hab aber gelernt, dass des durchaus geht, aber auch,

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

dass es auch anders ist und dass ich damit umgehen muss, dass der Klient der in der Onlineberatung anfragt, jederzeit die Maustaste drücken kann und kann sagen für mich ist jetzt Schluss.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 332 ff.)

Obwohl Herr Berger zu Beginn seiner Onlineberatungstätigkeit sehr skeptisch war, hat er diese Skepsis überwunden. Er hatte sich vorab gefragt, ob Beziehungsarbeit in der Mailberatung überhaupt möglich sei. In der Beratungstätigkeit habe er jedoch erlebt, dass es möglich ist, online eine Beziehung aufzubauen. Dennoch gebe es bei Onlineberatung Unterschiede zur Face-to-FaceBeratung. So stellt er heraus, dass der Klient jederzeit mit nur einem Mausklick die mediale Beratung beenden könne. Vor Ort ist das schließlich nicht so einfach möglich. Da sehen sich Berater und Klient von Angesicht zu Angesicht. Vermutlich macht dieser Umstand auch für manche Menschen die Niedrigschwelligkeit der Onlineberatung gegenüber der Face-to-Face-Beratung aus. Dies stelle einen Vorteil für den Ratsuchenden dar. Aber für den Berater würde das auch eine höhere Frustrationstoleranz erfordern. Er müsse sich damit abfinden, dass er viel weniger Rückmeldung bekomme als bei der Face-to-Face-Beratung. Dies zeigt, dass der Klient in der Mailberatung de facto eine höhere Prozesssteuerungsmöglichkeit hat als in der Beratung in der Stelle vor Ort. Er kann schließlich jederzeit aus der Beratung aussteigen, ohne dass der Berater die Erwartung einer Begründung ausdrücken kann. Der mögliche niedrigschwellige Ausstieg bewirkt somit auch einen niedrigschwelligeren Einstieg in die Beratung. Zwar ist die Beziehung auch hier auf Unterschiedlichkeit gegründet, schließlich handelt es sich um eine asymmetrische Beziehung, indem es einen Ratsuchenden und einen Berater gibt. Das Setting selbst dürfte jedoch aus den genannten Gründen strukturell die Annahme einer höheren Eigenständigkeit des Klienten nahelegen. Häufig werden bei der Mailberatung sehr spezifische Fragen gestellt. Herr Dreher beschreibt die Mailberatung im Vergleich zur Face-to-Face-Beratung deshalb auch als eine sehr zielgerichtete Beratung. Das liege daran, dass die Anfrage verschriftlicht sei, wie bereits dargelegt wurde. Schon das Aufschreiben durch den Klienten bewirke dabei ein Strukturieren und eine Klärung. Entsprechend sei auch nicht ein so langes Clearing notwendig wie in der herkömmlichen Beratung. Dabei wird eine große Eigenständigkeit seitens des Klienten von Anfang an deutlich. Wie später noch gezeigt wird, bietet die Mailberatung eine große Chance, auch über eine spezielle Beratungsinstitution hinaus diese Selbstständigkeit von Klienten aufzugreifen und zu unterstützen. Herr Dreher beschreibt den von ihm erlebten Unterschied zwischen der Beratung vor Ort und der Onlineberatung ausführlich. Dabei macht er eine Unterscheidung zwischen einem traditionellen Beratungsbegriff und dem, was sich nun im Internet zeige:

Erweiterung der Beraterrolle zur passageren Alltagsberatung

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»Also ich erleb die ähm Beratung jetzt, wenn wir ganz explizit von der Internetberatung sprechen: von der Onlineberatung per E-Mail oder per Chat. Ähm also zuerst, wenn ich an Onlineberatung denke, denk ich an oft nicht abgeschlossene Beratungsprozesse. Des ist das Erlebnis des ich einfach hab, dass es mit ein bis zwei Beratungen was in Richtung Krisenintervention eher geht als in Richtung Beratung, dass es damit getan ist. Also ich glaube, dass der Begriff Krisenintervention oft der Richtige ist, wenn mer von Onlineberatung sprechen. Und so diese traditionellen Beratungsprozesse ähm, wie sie jetzt hier bei uns vor Ort stattfinden, sich nicht abbilden lassen auf des Onlinegeschehen, also wenn mer jetzt denkt Clearingphase und also so’n ganz traditioneller Beratungsbegriff. Den hab ich im Internet noch nicht erlebt. bisher. Also es hat sich immer alles auf kurzweilige Kontakte beschränkt, ob das jetzt explizit an unsrer Zielgruppe liegt, da wir die Jugend- und Drogenberatung sind und es vielleicht oft mit ner Krisenintervention getan ist äh kann ich nicht beantworten. Ich stell’s nur so fest.« (HrDreher-JuDro, Z. 45 ff.)

Herr Dreher kontrastiert die mediale Beratung und die Beratung vor Ort sehr stark. Die Beratung im Internet sei kürzer und umfasse lediglich ein bis zwei Sitzungen und stelle eher eine Art der Krisenintervention dar als eine Beratung. Hier zeigt sich, dass er als Berater auf ein bestimmtes Konzept von Beratung festgelegt ist, das typischen Phasen folgt. Dieses Konzept unterscheidet sich vermutlich von den Beratungsanfragen der Klientel. Dementsprechend gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was er als Beratung versteht und dem, was die Ratsuchenden für sich anfragen. Insofern erlebt er häufig, dass die Beratungsprozesse in seinem Verständnis nicht abgeschlossen sind. Ob das auch für die Klienten gilt, muss offen bleiben. Jedenfalls ist hier festzuhalten, dass die Anfragenden nicht den Erwartungen des Beraters an eine Beratung entsprechen. Die »klassische« Beratung läuft in seiner Vorstellung nach bestimmten Phasen ab, was er durch den Verweis auf die »Clearingphase« deutlich macht. Dabei spricht er auch von einem »traditionellen Beratungsbegriff«. Demnach gibt es für die Beratung vor Ort relativ gleichbleibende Ablaufmuster, die online allerdings nicht in gleicher Weise vorliegen. Im Internet hat er noch keine vergleichbaren Prozesse erlebt. Seiner Wahrnehmung nach blieb es im Internet auf »kurzweilige Kontakte beschränkt«. Kurzweiligkeit stellt allerdings keine fachliche Beschreibung dar, sondern ist dem Alltagsvokabular entnommen. Von Kurzweiligkeit spricht man alltagssprachlich dann, wenn man sich »die Zeit vertreibt« und »keine Langeweile« hat. In diesem Kontext beschreibt Herr Dreher inhaltlich, dass in der Beratung nur kurz andauernde Kontakte vorkamen. Der Begriff scheint entsprechend unpassend. Damit stellt sich die Frage, was latent mit dieser Formulierung mitschwingt. Kurzweiligkeit und Kriseninterventionen passen, mit Abstand betrachtet, ja zunächst wenig zusammen. Während der erste Begriff im Zusammenhang mit Freizeitbeschäftigungen verwendet wird, steht der zweite Begriff für eine emotional sehr tiefgreifende und schwierige Situation. Kurzweiligkeit steht eher für Oberflächliches, während

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

Krise eine große Dramatik beschreibt. Hier scheint sich ein Widerspruch zu zeigen. Auflösen lässt sich dieser, wenn man bedenkt, dass Kurzweiligkeit beispielsweise durch Abwechslung geschieht. Das heißt die Situation bleibt nicht anhaltend, schließlich ist die Weile ja von kurzer Dauer, betrachtet man die Begrifflichkeit wörtlich. Insofern bleibt in der dargestellten Onlineberatung, auch in schwierigen Situationen, eine Dynamik erhalten, die eben nicht bedeutet, dass sich der Ratsuchende in der Beratung in seiner Geschwindigkeit bremsen lässt. Aus der Kurzweiligkeit wird also alles andere als Langwierigkeit. Vielmehr gibt der Ratsuchende die Geschwindigkeit vor. Insofern kann man auch von einer passageren Beratung sprechen, wobei die Dramatik der Krise nicht aufgebhoben wird. Der Begriff Krisenintervention negiert ja gerade die Schwierigkeit der Situation nicht, sondern wird ergänzt durch die Beschreibung einer kurzweiligen Ausgestaltung der Beratungskommunikation. Der Klient ist dabei jedoch der vorwiegend Aktive, der in kurzer Weile, konkret in der Onlineberatung, anfragt und sich ohne längeres Verweilen wieder aus der Beratungssituation löst. Insofern zeigt sich hier ein grundsätzlicher Unterschied zwischen medialer Beratung und der Beratung in einer Beratungsstelle. Während in einer Beratung vor Ort der Berater durch die Örtlichkeit auch zugleich der Gastgeber ist, gilt das im Internet nicht entsprechend. Zwar ist das Portal und Angebot der Beratung vorgegeben. Der Ratsuchende sitzt jedoch in der Regel genau so an seinem vertrauten Computer wie der Berater. Insofern ist hier im Internet ein Gefälle in der Beziehung zwischen Berater und Ratsuchendem aufgehoben, das in den meisten Kulturen in Form von Gast und Gastgeber eine Rolle spielt. Die Tradition wird also in dieser Hinsicht gebrochen und es entsteht auch im Beziehungsgeschehen etwas Neues. Allerderdings ist davon auszugehen, dass diese Beschreibung lediglich für die ausschließlich online stattfindenden Kontakte gilt. Findet die Beratung parallel auch face-to-face statt, dürften wiederum andere Beziehungsdynamiken wirken. Für Herrn Dreher hat die Veränderung durch die Mailberatung Auswirkungen auf sein professionelles Selbstkonzept als Berater, was in seinem Vergleich mit der Face-to-Face-Beratung deutlich wird. Es wird nämlich ein Widerspruch ersichtlich zwischen seinem tatsächlichen Handeln einerseits, indem er die Anfragen der Jugendlichen ernst nimmt und auf sie eingeht, und andererseits zu seinem professionellen Anspruch, aufgrund dessen er tiefer gehen will. Dieser Anspruch zeigt sich auch an anderer Stelle, wenn er sagt »da gibt’s natürlich noch viel mehr ähm wenn mer ins Tiefere geht« (Hr-Dreher-JuDro, Z. 313 f.). Hinter einer Informationsanfrage stünde demnach eine weitergehende Problematik, die von den Ratsuchenden nicht unbedingt thematisiert wird: »Also ne ganz einfache im Prinzip ne ganz einfache Informationsberatung, wo allerdings ne viel größere psychosoziale Problematik dahinter steht. Wo jetzt aber die

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Anfrage des Ratsuchenden nicht darauf gerichtet ist, seine Probleme zuhause zu lösen und zu bearbeiten, sondern einfach wie kann ich ausziehen, Fragezeichen.« (ebd. Z. 301 ff.)

Die Herausforderung liegt hier darin, die im Internet veränderten Beratungsanfragen in das berufliche Selbstkonzept zu integrieren. Berücksichtigt man neben der Darstellung von Herrn Dreher und Herrn Berger auch die vorangegangenen Beschreibungen der beiden Schuldner- und Insolvenzberaterinnen, ist davon auszugehen, dass in der ausschließlich medialen Beratung tendenziell ein anderer Habitus des Beratungsgeschehens vorherrscht als in der Beratung vor Ort. Denn die Ratsuchenden sind im Internet aktiver und eigenständiger, sowohl was die Gestaltung des Hilfeprozesses selbst angeht als auch in Bezug auf den Rahmen und die Dauer der Beratungskommunikation. Strukturell dürfte diese Beratungsform somit gut mit dem Konzept »Hilfe zur Selbsthilfe« kompatibel sein und der Gefahr tendenziell entgegenwirken, dass der Berater zu viel Verantwortung übernimmt. Herr Berger verlässt in seiner Beschreibung den unmittelbaren Bereich des Beratungsgeschehens und befasst sich mit den Altersunterschieden der potentiellen Klientel. Er beschreibt, dass die jüngere Generation anders mit den Medien umgehe. Für sie sei mediale Kommunikation Alltag: »Es verändert die Arbeit also sehr, das heißt mein Bild ist seit dieser kurzen Zeit seit ich die Onlineberatung mache, dass sich da sehr viel verändern wird in der Zukunft. Dass dieser Bereich stärker werden wird, dass sich auch en Markt denk ich mal entwickeln wird, der da noch stärker ansteigt. Für bestimmte Personengruppen kommt das überhaupt nicht in Frage, für die wird Face-to-Face-Beratung Face-to-Face-Therapie weiterhin das Hauptmittel sein, aber ich denk da wird viel passier’n in der Zukunft. Also die Tendenz geht grade dahin. Es ist absehbar auch alle äh Beratungsbereiche, Träger steigen auf die Onlineberatung auf Chatmöglichkeiten (?) Also ich denke das wird eher mehr. Und mer muss auch sehn, dass äh ich hab ja gerade von meiner Generation gesprochen, dass äh eins zwei Generationen vor mir jetzt die jungen Leute ganz anders mit computergestützter Kommunikation umgehn. Das ist für die Alltag; das ist für die Leben.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 33 ff.)

Die Medien verändern demnach die Beratungsarbeit grundlegend. Und das sieht er auch ausdrücklich für die Zukunft noch weitergehen. Allerdings differenziert er dabei dahingehend, dass es Gruppen gebe, für die Onlineberatung keine Möglichkeit darstelle, sondern diese nach seiner Einschätzung auch künftig die herkömmliche Face-to-Face-Beratung nutzen würden. Herr Berger macht hier auf einen Unterschied zwischen den Generationen aufmerksam. Schließlich sind die einen mit Neuen Medien aufgewachsen und die anderen haben über Jahrzehnte hinweg keine vergleichbaren Kommunikationsmöglichkeiten erlebt. Für die jungen Menschen ist die Kommunikation per Computer nach seiner Einschätzung nicht nur »Alltag«, sondern sogar »Leben«. Wie bereits beschrieben,

214

Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

ist das Internet für viele Menschen Teil ihres individuellen Lebensraumes. Und die Zeit bringt es mit sich, dass die Gruppe derer, die mit dem Internet aufgewachsen ist, immer größer wird. Somit wird sich auch quantitativ die Zahl der sogenannten »Digital Natives« erhöhen, was sich auf die Vertrautheit mit Neuen Medien bei den potentiellen Klienten von Beratungsstellen auswirkt. Allerdings wird hier auch ein Kontrast zwischen Beratern und Klienten deutlich. Die Professionellen sind in der Regel älter als viele der jüngeren Ratsuchenden. Bei den Mitarbeitern der Beratungsstellen gibt es noch kaum »Digital Natives«. Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Gruppen in der Frage des Umgangs mit den Neuen Medien, wie Herr Berger mehrfach an seiner eigenen Person deutlich macht. Diese mediale Form der Kommunikation wird von dieser Altersgruppe nicht als selbstverständlich erlebt, sondern es überwiegen zunächst Berührungsängste und Skepsis, selbst bei einem Berater wie ihm, der sich in diese Arbeit hineinbegeben hat. Insofern konnte Herr Berger seine Einstellung zur Onlineberatung im Laufe der Tätigkeit revidieren. Überrascht wurde er beispielsweise bei der Mailberatung von einem veränderten Beratungsbeginn und einer anderen Erwartungshaltung: »Also das ist oft en sehr ja überraschender Effekt war das für mich auch ja, dass die Leute sehr schnell ähm sich öffnen. Schon in der ersten Mail und auch sehr klar schreiben um was es geht und was sie wollen. Auch mit einer äh auch verblüffend überraschend mit ner freundlichen Erwartung des Gegenübers.« (Hr-Berger-SexPaa, Z. 243 ff.)

Der Beratungsprozess wird online also inhaltlich von den Klienten beschleunigt, indem sie früher benennen, was ihr Problem ist und was sie von den Beratern erwarten. Das deckt sich auch mit Beschreibungen anderer Berater und zeigt damit die durch die Anonymität verringerte Hemmschwelle, sich mit persönlichen Themen in der Beratung zu öffnen. Das heißt allerdings nicht, dass es kein Clearing in der Onlineberatung gebe. Wie ja bereits dargelegt wurde, ist das vielfach eine wichtige Funktion der Onlineberatung. Vielmehr wird dann im Clearing auch das was zu klären ist schneller und deutlicher benannt. Bei der Onlineberatung hätten die Anfragenden eine freundliche Erwartungshaltung gegenüber dem Berater, was für Herrn Berger zunächst verblüffend und überraschend war. Er hatte vielmehr mit einem stärker aggressiven Verhalten der Klienten gerechnet, was sich nicht bewahrheitet hat. Den Beschreibungen der Berater ist insgesamt zu entnehmen, dass sich die Beraterrolle verstärkt hin zu einer neuen Form der passageren Alltagsberatung wandelt. Dies gilt allerdings nur für diejenigen Nutzer der Onlineberatung, die das Internet auch sonst alltäglich nutzen. Durch diese neuen medialen Kommunikationsformen wird die institutionalisierte Beratung wieder vermehrt zu einer punktuellen Klärungs- und Übergangshilfe, die keinen längerfristigen

Erweiterung der Beraterrolle zur passageren Alltagsberatung

215

Beratungsprozess umfassen muss. Sie nähert sich somit in ihrer Gestalt wieder der ursprünglichen Alltagsberatung an, wie das vor der Institutionalisierung und Spezialisierung der psychosozialen Beratung der Fall war. Allerdings geschieht dies nun medienvermittelt und nicht vor Ort. In anderen Arbeitsfeldern, insbesondere in den meisten Bereichen der Sozialen Arbeit, aber auch etwa im Bildungsbereich, ist eine passagere Beratung nach wie vor der Regelfall. Beim Onlinekontakt mit einer psychosozialen Beratungsstelle ist im Gegensatz dazu allerdings der Unterschied gegeben, dass nicht noch eine weitere professionelle Rolle, wie die Erzieher- oder Lehrerrolle hinzukommt, sondern im jeweiligen Moment eine Rollen- und Erwartungsklärung ohne weitere Rollenkonflikte verhandelt werden kann. Damit ist für die institutionalisierte Beratung durch den Gebrauch der Medien die Möglichkeit gegeben, näher ans Alltagsleben der Menschen anzuschließen, sie in ihren individuellen Lebenswelten gezielter zu erreichen und zugleich eine helfende Situation zu installieren, die frei ist von anderen professionellen Rollenkonstellationen. Die Entwicklung in der psychosozialen Beratung ging lange Zeit den entgegengesetzten Weg. Die Spezialisierung und Institutionalisierung hat zugleich schwerpunktmäßig eine so genannte »Kommstruktur« etabliert. Das hatte zur Folge, dass institutionalisierte Beratung räumlich immer mehr aus dem Alltagsleben der Menschen herausgehoben wurde. Beratungsfachlich muss das nicht nachteilig sein. Schließlich kann die Fremdheit der Situation auch hilfreich sein, neue Erfahrungen zu machen. Der Preis dafür ist allerdings eine relativ hohe Hürde für potentielle Klienten, die sich nämlich in einer ohnehin unsicheren Situation auch noch zusätzlich in fremde Räume begeben müssen. Alternativ zum Setting der Faceto-Face-Beratung gab es über viele Jahre hinweg, bis zur Internetentwicklung, lediglich die Möglichkeit, Beratung per Brief oder Telefon zu realisieren. Diese medialen Beratungsformen stellten jedoch, zahlenmäßig betrachtet, eine Randerscheinung dar, etwa in Form von Telefonseelsorge (Wenzel 2008a), spezialisierten Hotlines und der noch weniger verbreiteten Briefseelsorge (Jentsch 1981). So wurde seit den Anfängen der institutionalisierten Beratung das Faceto-Face-Setting der Normalfall. Die typische Beratung fand vorwiegend in den Räumen einer Beratungsstelle statt und eben nicht im vertrauten Umfeld der Klienten. Durch die Neuen Medien wird es nun möglich, dass potentielle Klienten in ihren Alltagsräumen bleiben und dennoch in beraterischen Kontakt mit den Mitarbeitern einer Beratungsstelle treten können. In dieser Hinsicht ist die mediale Beratung natürlicher und alltäglicher für die Klienten als die Faceto-Face-Beratung. Per Telefon wäre das technisch zwar bereits längere Zeit möglich gewesen. Ein solcher Direktkontakt mit einem Berater, zum Beispiel in Form von telefonischen Sprechstunden, blieb aber die Ausnahme, und in den Beratungsstellen wurde in der Regel das Gespräch beim telefonischen Erstkontakt nur in Krisensituationen an einen Berater übergeben. Außerdem stellte

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Ergebnisse der vergleichenden Interpretation

das Telefonieren auch lange Zeit eine verhältnismäßig hohe Hürde für eine erste Kontaktaufnahme dar. Das Telefonieren wurde erst zu Zeiten geringerer Telefongebühren und Flatrates, aber vor allem durch die Mobiltelefone, ein Teil der Alltagskommunikation. Die Neuen Medien und ihre aktuellen Nutzungsmöglichkeiten, bei denen Kosten kaum noch eine Rolle für die Nutzungszeiten spielen, verändern somit die alltagsweltlichen Kommunikationsgewohnheiten und bewirken damit auch neue Herausforderungen für die institutionalisierte Beratung. Der Wandel der Beraterrolle geht somit verstärkt in Richtung einer alltagsweltlichen Beratung. Damit wird die institutionalisierte Beratung auch wieder zu einer punktuellen Klärungs- und Übergangshilfe, wie dies etwa in den meisten Feldern der Sozialen Arbeit traditionell der Fall ist. Die Chance liegt nun darin, dass die Onlineberater durch die dazwischengeschalteten Medien distanzierter sein können als in anderen psychosozialen und pädagogischen Feldern. Schließlich sind sie nicht noch gleichzeitig in anderen Rollen in Beziehung mit den Klienten und durch die Medialität ist eine Nähe möglich, die mit der Paradoxie »Nähe durch Distanz« am besten erfasst werden kann. So ist sogar eine schnelle und zugleich emotional tiefgehende Beratung möglich. Die Spannbreite der Beratungsprozesse und konkreten Ausgestaltungen der Beratungsbeziehungen erweitert sich somit in der medialen Beratung. Allerdings bleibt zu betonen, dass die mediale Beratung bislang vorwiegend auf die schriftliche Form der Beratung begrenzt geblieben ist. Die Frage, inwieweit eine mögliche Integration der visuellen Kommunikation über Video- und Bildtelefon in die Beratungsarbeit die Rollen noch weitergehender verändern würde, muss bislang offen bleiben.

7. Diskussion und Ausblick

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Studie diskutiert, in einen größeren Rahmen eingeordnet und theoretische Anschlüsse ermöglicht. Dabei werden zunächst die durch die Studie zutage getretenen Probleme dargelegt und mögliche Lösungsansätze besprochen (Kap. 7.1). Daran anschließend werden Eckpunkte einer theoretischen Neufassung vorgeschlagen, indem ein begrifflicher Rahmen eingeführt wird, der es ermöglicht, die Beratung als Einheit zu erfassen – jenseits der Aufteilung medial versus nicht-medial (Kap. 7.2.). Aber auch die Grenzen der Aussagekraft der vorliegenden Studie werden aufgezeigt und der weitergehende Forschungsbedarf skizziert, der durch die Studie zutage gebracht wurde (Kap. 7.3). Abschließend wird in einem Ausblick dargestellt, wie sich die Beratung durch Medien tendenziell weiterentwickelt und welche Fragestellungen dabei relevant sein dürften (Kap. 7.4).

7.1

Probleme und Lösungsansätze

Die Probleme und Lösungsansätze, die sich beim Wandel der Beratung durch Neue Medien zeigen, sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt: auf der Strukturebene, der Organisationsebene und der Interaktionsebene der beteiligten Subjekte. Die erste Ebene umfasst die Strukturen seitens der öffentlichen Träger und Verbände. Übergreifende Fragestellungen zur Angebotsstruktur sind hier angesiedelt, etwa wenn es um die Finanzierung der Angebote geht oder um Stellen übergreifende, verbandlich getragene Angebote (Kap. 7.1.1). Die Organisationsebene befasst sich mit Fragen des Gesamtangebots einzelner Beratungsstellen und die jeweiligen Zugänge potentieller Klienten zu dieser Einrichtung (Kap. 7.1.2). Die dritte Ebene betrifft die Interaktionen zwischen Klienten und Beratern und deren Rollendefinitionen (Kap. 7.1.3). Um diese Ebenen, auf denen die Probleme angesiedelt und damit auch prinzipiell lösbar sind, auseinanderzuhalten, werden nachfolgend die Probleme und Lösungsansätze in entsprechender Abfolge eigens diskutiert.

218

Diskussion und Ausblick

7.1.1 Strukturelle Widersprüchlichkeiten Wie bereits im 2. Kapitel ausgeführt, sind die Träger der Beratungseinrichtungen zumeist in Dachverbänden organisiert, und Berater und Stellen der institutionellen Beratung gehören darüber hinaus öfters zusätzlich Fachverbänden an. Außerdem werden die Beratungskosten von unterschiedlichen Leistungsträgern finanziert. Dabei entstehen regelmäßig Widersprüchlichkeiten, da die Interessen der einzelnen Akteure und Systeme nicht deckungsgleich sind und sich zum Teil sogar konträr entgegenstehen. Aus einer pädagogischen und beratungsfachlichen Perspektive gilt es dabei die Bedarfe der Klienten in den Angebotsstrukturen immer wieder in den Blick zu bringen, soll das Beratungssystem nicht zum bloßen Selbstzweck werden. So gilt es nun zu betrachten, inwiefern die Strukturen im Dienste der hilfesuchenden Menschen stehen und wo sie möglicherweise deren Bedürfnissen entgegenstehen. Für jedes institutionelle und mediale Beratungsangebot bedarf es zumindest einer anbietenden Stelle und einer technischen Realisation. Eine eigene Beratungsplattform durch eine einzelne Stelle zu schaffen wäre in der Regel zu kostenaufwändig, da es einer eigenen Entwicklung bedürfte. Außerdem ist in einer einzelnen Beratungsstelle bezüglich des fachlichen Ausbildungshintergrunds nicht mit der notwendigen Technikkompetenz und nicht mit ausreichenden finanziellen Mitteln zu rechnen, um ein eigenes Beratungssystem zu erstellen. So sind die Inanspruchnahme der verbandlichen Ressourcen beziehungsweise Dienstleistungen eines kommerziellen Anbieters, die eine Plattform für viele Stellen bereitstellen, gangbarere Wege. Die untersuchten Beratungsstellen sind bislang mehrheitlich frei in der Wahl einer bestimmten Beratungsplattform. Lediglich eine Stelle ist klar dem Angebot des eigenen Dachverbands verpflichtet. Eine Beratungsstelle hat dauerhaft einen kommerziellen Anbieter gewählt, um von der herkömmlichen E-Mail wegzukommen; eine Stelle ist auch bei einem solchen privaten Anbieter, will aber perspektivisch zum eigenen Dachverband wechseln; eine Stelle arbeitet bei einem Fachverband mit, der nicht der eigene Dachverband des Trägers ist; zwei Stellen arbeiten mit dem System des eigenen Bundesdachverbands. Damit zeigt sich, dass sich die Dachund Fachverbände insgesamt der Thematik annehmen und für den Bedarf von Beratungsstellen Lösungen entwickeln. Mit der Nutzung einer bestimmten Technik werden dabei allerdings zugleich Fakten geschaffen, die die Möglichkeiten nicht nur spezifizieren, sondern auch zugleich wieder einschränken. Die einzelnen Stellen werden somit durch die Grundsatzentscheidung für eine Beratungsplattform auch abhängig von den künftigen Entwicklungen beziehungsweise mangelnden Weiterentwicklungen der jeweiligen Beratungsplattform. Nur dann, wenn diese sich auch weiterentwickelt, ist es der einzelnen Einrichtung möglich, an neueren Entwicklungen zu partizipieren oder ver-

Probleme und Lösungsansätze

219

schiedene Formen der medialen Kommunikation zu testen, will sie nicht mit mehreren Systemen gleichzeitig arbeiten. Insbesondere die hohen institutionellen Anforderungen an Datenschutz und Verschwiegenheit der Beratung verhindern dabei, dass sich die Berater auf externe Social-Media-Plattformen im Internet – jenseits eines gesicherten Systems – begeben. Das schränkt für die Zukunft möglicherweise die Entwicklung neuer Beratungsformate ein, wenn sie nicht von den Verantwortlichen der Beratungsplattformen aktiv gefördert werden. Ein Entwickeln neuer Beratungsformate, wie zu Zeiten der Pionierphase der Onlineberatung Mitte der 1990er Jahre, dürfte damit künftig wenig wahrscheinlich sein. Zum Teil gibt es schließlich bereits Festlegungen einzelner Verbände, welche Angebote im Internet bereitgestellt werden und welche nicht. Das Weiterentwickeln und Ausdifferenzieren der medialen Angebote bedarf somit zunächst einer verbandsinternen Diskussion oder neuer Angebote seitens der kommerziellen Anbieter. Die aufgezeigte Gründung von Fachorganisationen und Fachforen für mediale Beratung könnte es allerdings bei künftigen Entwicklungen ermöglichen, von Anfang an in einen differenzierten fachlichen Diskurs zu treten, was in der Pionierzeit erst nach Jahren möglich war. Das heißt, es gibt zum einen günstige Voraussetzungen für eine fachliche Fundierung bei der Implementierung neuer Beratungstechnik und -formate. Eine Gefahr für eine Weiterentwicklung der medialen Angebote ist allerdings darin zu sehen, dass sich bereits erste Festlegungen auf bestimmte mediale Formate entwickelt haben. Die bisherigen positiven Erfahrungen mit bestimmten Medien zeigen im Fachdiskurs eine Verengung auf die bereits erlebten Medien, und es werden Vorbehalte gegenüber weiteren Medien deutlich, die noch nicht genutzt wurden. So sprechen sich Berater, die in ein Beratungsformat eingearbeitet sind, in verschiedenen Zusammenhängen für dieses jeweilige Format aus und grenzen sich fachlich eher gegen andere Formate ab. Die Identifikation mit dem eigenen Angebot könnte so dazu führen, dass es schwieriger wird, neue Beratungsformate zu entwickeln, die das Hilfsangebot erweitern helfen. Schließlich wurde in den Interviews deutlich, dass zunächst Vorurteile gegenüber neuen Beratungsangeboten bestanden haben und diese erst durch die Arbeit mit den jeweiligen Medien überwunden und zu einer fachlich differenzierten Bewertung gefunden werden konnte. Ebenso könnte die weit verbreitete Mailberatung dazu führen, dass vor allem dieses Format im Fachdiskurs besprochen und erforscht wird. Die verhältnismäßig häufigen Veröffentlichungen zu Mailberatung erhärten diese Tendenz. Ein Ansatz für eine Überwindung einer möglichen Verengung wäre, dass die Fach- und Dachverbände systematisch Pilotprojekte mittels weiterer Neuer Medien realisieren, um neue Medienformate aus fachlicher Perspektive zu entwickeln und dabei von Anfang an durch externe Forschung begleiten lassen. So könnten die bereits vorhandenen Erkenntnisse genutzt werden, um neue Möglichkeiten zu erschließen und damit potentielle

220

Diskussion und Ausblick

Klienten noch besser zu erreichen. Das Akquirieren von zeitlich begrenzten Projektgeldern ist in diesem Bereich realistisch, da Projekte von Stiftungen, aber auch durch EU-, Bundes- und Landesmittel gefördert werden. Da es an unterschiedlichen Stellen bereits Fachdiskurse zu medialer Beratung gibt71, ist eine Erweiterung solcher fachlicher Plattformen auf weitere Medien ebenfalls nicht unwahrscheinlich. Die Neuen Medien stellen zum einen eine Erweiterung des Beratungsangebotes dar, spiegeln aber zugleich auch die darüber hinausgehende verbandsinterne Angebotsstruktur in Form von Webseiten wider. Die Organisationen werden somit in der medial aufbereiteten Form modellhaft im Internet abgebildet. Dadurch treten Fragwürdigkeiten und Widersprüchlichkeiten der Angebotsstruktur zutage, die zuvor nicht so explizit wahrgenommen werden konnten. Deutlich wurde das im vorangegangenen Kapitel in Bezug auf die Jugend- und Drogenberatungsstelle, bei der es für den Berater problematisch war, sich in der Angebotsstruktur des verbandseigenen Beratungsportals mit dem speziellen Angebot »Jugend- und Drogenberatung« passend zu verorten, weil es bei der Verbandsplattform lediglich die klassischen Säulen gab. Insofern dürfte die Diskussion um die Einbindung regionaler Beratungsangebote auf Bundesebene, aber auch Fragestellungen wie etwa in der Sexual- und Paarberatung dahingehend, ob die Onlineberatung ein eigenes Beratungsangebot darstellt oder in die anderen Angebote integriert werden sollte, mittelfristig zu strukturellen Veränderungen des verbandlichen Beratungsangebots führen. Die untersuchten Angebote der Beratungsstellen machen deutlich, dass es eine Nachfrage an Beratungsangeboten gibt, die ausschließlich online erreichbar sind, wie etwa die dargestellte ausschließlich virtuelle Beratungsstelle. Andererseits gibt es auch einen Bedarf, Onlineberatung als ersten Zugang zu einer Beratungsstelle zu nutzen, der anschließend face-to-face fortgesetzt wird. Ein Lösungsansatz dürfte hier sein, die internetbasierten Angebotsstrukturen durch die Vernetzungsmöglichkeiten dieser Technik von einem ›Entweder-oder‹ hin zu einem ›Sowohl-als-auch‹ zu nutzen. Die Entwicklung geht bereits in diese Richtung. Dabei dürfte es außer Frage stehen, dass in absehbarer Zeit alle Beratungsstellen per Internet erreichbar sein werden, schließlich entwickelt sich das Web zu einem zentralen Zugangsweg für Dienstleistungsangebote aller Art. Dabei könnten unterschiedliche Webseiten, die sich an verschiedene Zielgruppen richten, zum selben Angebot führen. Eine Beschränkung etwa auf die von dem Berater genannten spezifischen Beratungssäulen macht dabei keinen Sinn mehr. Auch müssen Internetseiten, die an potentielle Klienten gerichtet sind, nicht die verbandsinternen Strukturen abbilden. Dazu müssten die Verbände 71 Dies geschieht bereits in Fachforen von Dach- und Fachverbänden wie etwa der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGOB) und an Hochschulen.

Probleme und Lösungsansätze

221

allerdings der Tendenz entgegenwirken, im Internet primär eine Selbstdarstellung zu betreiben. Darauf müsste eine Organisation jedoch nicht verzichten. Schließlich handhaben es verschiedene Verbände bereits so, dass sie unterschiedliche Webseiten erstellt haben. Die eine Seite stellt dann die eigene Organisation dar und andere sprechen zielgruppenspezifisch potentielle Ratsuchende an und stellen die Beratungsangebote vor. Damit ist für die Beratungsanbieter allerdings noch nicht geklärt, ob künftig alle Berater auch Beratung über E-Medien anbieten sollen oder ob dies dauerhaft ein eigenes Angebot einer spezialisierten Gruppe von Onlineberatern bleiben soll. Seit den Anfängen der Onlineberatung Mitte der 1990er Jahre haben sich schließlich in verschiedenen Dachverbänden spezialisierte Beratergruppen herausgebildet, die Beratung im Internet anbieten. Demgegenüber gibt es aber auch Verbände und Beratungsstellen, die auch – ohne explizit Onlineberatung zu offerieren – über ihre Homepages eine Kommunikationsmöglichkeit zur Kontaktaufnahme bereitstellen. Hier wird die Homepage genutzt, um in einen ersten Kontakt zu kommen, ausschließliche Onlineberatung wird aber nicht forciert. Hier wäre ein Lösungsansatz, dass es beide Formen parallel geben könnte: Es wäre möglich sowohl ausdrückliche Onlineberatung anzubieten als auch die Brückenfunktion des Internets als Zugang zur Face-to-Face-Beratung zu nutzen. Sicherlich sind beide Angebotsformen für unterschiedliche Zielgruppen sinnvoll. Problematischer, weil im politischen System nicht einfach lösbar, sind die regionalen und lokalen Finanzierungsstrukturen, und damit einhergehend auch eine meist lokale Ausrichtung der Angebote bei einem zunehmend überörtlichen Bedarf im Internet. Für Menschen, die ausschließlich Onlineberatung suchen, ist es schließlich unerheblich, wo die Beratungsanbieter ansässig sind. Teilweise müssen die Ratsuchenden aber ihre Postleitzahl angeben, um beraten zu werden. Bislang ist damit allerdings eine verlässliche Überprüfung der Herkunft des Beratenen nicht möglich. Diese Überprüfung kann die potentiellen Klienten aber abschrecken, vor allem wenn sie nicht bemerken, dass sie lediglich einen bestimmten Postleitzahlbereich eingeben müssen, um beraten zu werden. Für ratsuchende Menschen im Internet gibt es Sprachgrenzen, aber keine regionalen Grenzen. Während einerseits durch die mediale Vernetzung räumliche Grenzen überwunden werden, bedeutet andererseits die regionale Begrenzung der Beratungsleistungen eine Engführung, die es Menschen erschweren kann, eine angemessene Hilfe im Internet zu finden. Hier können erste Beispiele hilfreich sein zu zeigen, dass die Verknüpfung von überregionalen mit regionalen und lokalen Angeboten Synergie-Effekte schaffen können, die für alle Beteiligten Vorteile bringen. Es gibt erste Ansätze, überregionale Angebote einzurichten, die nicht allein von einzelnen regionalen Anbietern finanziert werden. Dies gilt bislang aber nur

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Diskussion und Ausblick

für wenige spezialisierte Beratungsbereiche wie die Drogen- und Suchtberatung (www.drugcom.de / www.bzga.de), die Erziehungsberatung (www.bke-beratung.de / www.bke.de) und die Sexualberatung (www.sextra.de / www.sexundso.de / www.profamilia.de). Ein übergreifendes Beratungsportal, das ein professionelles Clearing dazu anbietet, welche Form der Unterstützung in einer bestimmten Situation hilfreich sein dürfte, fehlt bislang. Aus den bereits dargestellten Gründen kann die themen- und zielgruppenübergreifend arbeitende Telefonseelsorge ein solches bundesweites Clearing nicht leisten, auch wenn sie punktuell diese Funktion übernimmt. Der Bedarf an Klärungsgesprächen, noch vor einer Problemspezifizierung, ist jedoch vorhanden, wie sich in der vorliegenden Studie zeigt – schließlich wissen Menschen ihr(e) Problem(e) oft noch nicht näher einzugrenzen oder zu benennen, wenn sie nach Hilfe suchen. Eine offene mediale Orientierungshilfe im psychosozialen Bereich könnte dabei auch Entlastung bringen für Stellen, die hoch frequentiert sind und die keine freien Kapazitäten haben, zusätzlich zu ihrem Angebot auch noch Clearing zu betreiben.

7.1.2 Zwischen Zugangserweiterungen und neuen Ausgrenzungen Die Problematik des Clearings zeigt sich auf allen drei Ebenen. Eine fehlende übergreifende Clearing-Institution im psychosozialen Bereich wirkt sich schließlich auch auf der Organisationsebene der einzelnen Einrichtungen aus und hat darüber hinaus auch ihre Bedeutung in den Interaktionen zwischen Klienten und Beratern. Wird diese Problematik nicht von einer darüber liegenden Ebene geklärt, so wirkt sich dies auf die darunter liegende Ebene aus. Da es sich hierbei nicht allein um eine strukturelle Frage handelt, sondern auch um eine beratungsfachliche Fragestellung, wird sie nun auch auf den weiteren Ebenen diskutiert. Insbesondere für Menschen, deren Bewältigungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt, etwa aufgrund einer akuten Krise, gerade sehr wenig ausgeprägt sind, ist es schwierig, sich im sozialen Hilfesystem zu orientieren. Ist es schon für Professionelle schwierig, sich in diesem Feld einen Überblick zu verschaffen, so gilt dies erst recht für Menschen, die in diesem Bereich nicht beruflich tätig sind. Bei einer Suchmaschineneingabe erhält man zu dem Begriff »Probleme« 269.000.000 Treffer72. Die meisten Einträge werden dem Hilfesuchenden nicht weiterhelfen, wenn sie ihn nicht sogar mit einer dubiosen Organisation zusammenbringt. Demgegenüber erwarten psychosoziale Einrichtungen, wie auf zahlreichen Homepages zu ersehen ist, von potentiellen Rat72 Abfrage in der Suchmaschine www.google.de. Abgerufen am 21. 04. 2012.

Probleme und Lösungsansätze

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suchenden häufig, dass diese sich bereits vor einer Beratung einer bestimmten Zielgruppe oder sogar einem bestimmten Problemkreis zuordnen. Ein professionelles Clearingangebot, das die Klienten dabei unterstützt herauszufinden, was das Grundanliegen ist und welche Hilfeform geeignet sein könnte, gibt es kaum. Am ehesten kommen solche Angebote in größeren Beratungszentren vor, die viele psychosoziale Dienstleistungen vorhalten. Indem den Menschen, die ihr Problem noch nicht näher eingegrenzt haben oder die sich in komplexen Problemkonstellationen befinden, oft keine Klärungshilfe angeboten wird, verpasst man die Chance, ihnen frühzeitig zu helfen. Paradoxerweise werden damit gerade Menschen ausgegrenzt, die gerade deswegen sehr stark auf Hilfe angewiesen sind, weil ungeklärte Situationen eine große Belastung bedeuten. Eine Klärungshilfe könnte nämlich dabei bereits eine erste Bewältigungshilfe darstellen. Zwar hat sich herausgestellt, dass mit anonymer Onlineberatung neue Zielgruppen erreicht werden, die ansonsten nicht erreicht würden. Die bisherige quantitative Engführung der Onlineberatungsangebote auf schriftliche Beratungsformate wie Chat-, Mail- und Forenangebote könnten dabei wiederum neue digitale Ungleichheiten (vgl. Zillien 2009) darstellen und verfestigen. Menschen, die sich mit schriftlicher Kommunikation schwer tun, werden vermutlich auf diesem Wege keine Beratung in Anspruch nehmen. Zugleich können aber diejenigen, welche die schriftliche Beratung nutzen und sich auf diesem Wege zu helfen wissen, auch selbst informationelle Probleme lösen und mit Hilfe der Internetressourcen beispielsweise Selbsthilfeforen nutzen. Das ist möglicherweise ein zentraler Grund dafür, dass die Selbsthilfekompetenzen der Onlineklienten in der untersuchten Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle deutlich höher eingestuft wurden als bei den anderen Klienten, die Face-to-FaceBeratung nutzen. Wollte man aus dieser Zugangsverengung herauskommen, hieße das, nicht bei den aktuellen Entwicklungen stehen zu bleiben, sondern die möglichen Zugänge zu erweitern, um damit für mehr Menschen individuell niedrigschwellige Zugänge (vgl. Kap. 6.3) zu ermöglichen. Schließlich gibt es bereits elektronische Medien, die im Internet genutzt werden und nicht mit der abstrakten Symbolik Schrift verknüpft sind, sondern Mimik, Gestik und Stimme einbinden. Während Beratung mittels der Stimme durch telefonische Angebote in Form von Hotlines und Telefonseelsorge bereits angeboten werden, sind Beratungsformate, die auch Mimik und Stimme, in Form von Videotechnik, einbinden, noch die große Ausnahme. Gerade die verbreiteten Anbieter von Onlineberatung haben diese audio-visuelle Beratungsform nicht in ihrem Angebot. Es ist aber davon auszugehen, dass damit neue Zielgruppen erreicht werden könnten, für die weder der Gang zu einer Beratungsstelle noch eine schriftliche Beratung im Internet denkbar wäre. Die Zugangsverengung betrifft aber auch den Erstkontakt zur Face-to-Face-

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Diskussion und Ausblick

Beratung. Wie in Tabelle 12 (S. 131) aufgezeigt wurde, ist es nicht in allen Beratungsstellen selbstverständlich, dass Klienten alle Zugänge auch dazu nutzen können, sich für eine Face-to-Face-Beratung anzumelden. Zum Teil müssen sich Ratsuchende nochmals telefonisch melden, wenn sie per Mail nach einem Beratungstermin fragen. Menschen, die sich mit der Fokussierung und Reduktion auf die Stimme schwer tun, werden durch einen solchen eindimensionalen Anmeldeprozess ausgegrenzt. Die zwangsweise Einführung von Neuen Medien in einer Beratungsstelle dürfte nicht erfolgversprechend sein, da damit Widerstände geweckt werden. Wie bereits gezeigt wurde, gibt es schließlich Berater, denen es schwer fällt, sich auf Neuerungen einzulassen. Die meisten sind zudem mit den Neuen Medien nicht aufgewachsen und es bestehen zum Teil sogar Ängste, die mit der Einführung neuer Technik einhergehen (Kap. 6.1). Andere Berater sind jedoch interessiert daran und auch motiviert, Neues auszuprobieren. Die Förderung und Ermunterung dieser letzten Gruppe durch die Leitung einer Einrichtung, neue Beratungsformen auszuprobieren, dürfte eine erfolgversprechendere Vorgehensweise sein, um neue Zugangsmöglichkeiten für Klienten zu entwickeln. Das hat die Betrachtung der Einführung der Kommunikationstechnik in den Beratungsstellen gezeigt. Auf diese Weise wäre es möglich, die neuen Erfahrungen mit den neuen Beratungsformen zu evaluieren und weiterzuentwickeln, bevor eine größere Zahl von Beratern in das neue Format eingebunden wird. Wie bereits gezeigt wurde (Kap. 5.6) haben die Beratungsstellen auch Aufgaben, die über ihre eigentliche Beratungsarbeit hinausgehen. Entweder sie stellen sich selbst den Anspruch oder werden von ihrem Kostenträger damit beauftragt, Prävention, Bildungsarbeit oder Öffentlichkeitsarbeit zu ihrem jeweiligen fachlichen Themenfeld zu leisten. Dabei geraten die Stellen schnell an ihre Grenzen, wenn damit umfassende Anforderungen verbunden sind und sie für diese Aufgaben nicht ausreichend finanziert werden. Dabei wird nicht selten eine Überschneidung zum Bildungsbereich deutlich, wenn etwa der Anspruch besteht, in Schulen über sexuelle Fragen (Sexualberatung), die Schuldenthematik (Schuldnerberatung) oder über Gefahren durch Drogen (Drogenberatung) Aufklärung zu betreiben. Eine Zusammenarbeit der beiden Bereiche ist sicherlich sinnvoll, da die Berater über die jeweiligen Problemkonstellationen Bescheid wissen und aktuelle Trends frühzeitig wahrnehmen können. Gerade das Internet könnte dabei eine Plattform darstellen, um in gemeinsamen Projekten dem damit verbundenen Bedarf an Informationen zu entsprechen. Schließlich zeigt sich, dass es viele hilfreiche Informationsquellen zu den relevanten Themen gibt und Klienten diese auch vielfach nutzen (Kap. 6.5). Dabei wissen Klienten aber oft nicht, welche Quellen seriös und welche Informationen relevant sind. So bedarf es neben der Fachlichkeit der Berater auch eines medienpädagogischen Ansatzes, der über eine einfache Kompetenzvermittlung

Probleme und Lösungsansätze

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hinaus geht und in der Lage ist, Bildungsprozesse in einem umfassenderen Sinne anzuregen. Eine Zusammenarbeit von Beratern, Medienpädagogen sowie Lehrern und Schulsozialarbeitern könnte dabei Synergie-Effekte schaffen, indem die Möglichkeiten der Neuen Medien nachhaltig genutzt würden. So könnten Plattformen im Internet geschaffen werden, die neue Zugänge ermöglichen, auch zum Beispiel für junge Menschen, die sich nicht in einer problematischen Lage befinden, aber Interesse an einem Thema mitbringen. Die Neuen Medien haben für die Beratungseinrichtungen bereits neue Zugänge, veränderte Angebote, aber auch neue Verweisstrukturen mit sich gebracht. Wie bereits dargestellt, hat bereits eine Modernisierung der Beratung durch Medienintegration (Kap. 6.8) stattgefunden. Nach einem ersten Aufbruch ist allerdings auch vielfach eine Stagnation dieses Modernisierungsprozesses festzustellen. Das hängt nicht selten mit Fragen der Finanzierung von Beratung zusammen, denn wenn das herkömmliche Beratungsangebot in Frage steht, ist eine Ausweitung und/oder Differenzierung des Angebots nur schwer möglich. Problematisch wäre es, den geschützten Rahmen der Beratung mit seinen beratungsfachlichen Standards der Freiwilligkeit und Vertraulichkeit weiter auszuhöhlen und aus ökonomischen Gründen vermehrt Kontrollfunktionen in den Beratungsstellen anzusiedeln, wie es in der Jugend- und Drogenberatung und in der Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstelle beschrieben wurde. Die Chance der Beratungsinstitutionen liegt schließlich gerade darin, dass Menschen selbst Beratung in Anspruch nehmen und somit eine hohe Motivation möglich ist. Der Ausbau anonymer Beratung, neue Zugänge zu den Beratungseinrichtungen, fachliche Informationen der Beratungsinstitutionen im Internet und auch die Integration und Vernetzung verschiedener Medien innerhalb eines Beratungsprozesses haben sich in der institutionellen Beratung bereits entwickelt und dürften sich auch weiterentwickeln. Der Aufbau und weitere Ausbau einer aufeinander abgestimmten und vernetzten Infrastruktur der Beratungsstellen ist dabei eine Herausforderung der nächsten Jahre. Schließlich ist damit zu rechnen, dass die Medien sich auch in den kommenden Jahren noch mit großer Geschwindigkeit weiterentwickeln und ausdifferenzieren werden. Diese Entwicklungen mitzugestalten und sich weder den Veränderungen zu verweigern, noch sich von ihnen unangemessen treiben zu lassen, wird voraussichtlich in den nächsten Jahren ein Anspruch an die Leitung von Beratungseinrichtungen sein.

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Diskussion und Ausblick

7.1.3 Herausforderungen für das professionelle Selbstkonzept Die dritte Ebene, auf der sich Probleme und Lösungsansätze im Wandel durch Neue Medien zeigen, betrifft die Interaktionen zwischen Beratern und Klienten und das damit verbundene professionelle Selbstkonzept der Berater. Das herkömmliche und damit auch für die Berater vertraute Setting war bislang die Face-to-Face-Beratung. Es hat sich im Bewusstsein vieler Berater als Normalfall etabliert. Vertraute Medien sind damit vor allem die Primärmedien Mimik, Gestik und Stimme. Weniger Erfahrungen gibt es mit Sekundär-, Tertiär und Quartärmedien (vgl. Kap. 3.1). Sekundärmedien werden vor allem als Methoden im Face-to-Face-Kontakt genutzt (Bsp. Bilder, Flipchart), und Tertiärmedien (vor allem das Telefon) werden vorwiegend als erster Zugang zur Beratungsstelle genutzt, um einen Termin vor Ort zu vereinbaren. Zwar gibt es auch telefonische Beratung und seit einigen Jahren auch Onlineberatung, sie stellen aber immer noch eine zahlenmäßige Ausnahme dar und werden in den meisten Stellen nicht ausdrücklich angeboten. Beratungsweiterbildungen forcieren auch vor allem das Face-to-Face-Setting, zumal sich die am häufigsten vertretenen Beratungsansätze aus therapeutischen Schulen entwickelt haben und somit einem Therapieprozess nahe stehen, bei dem – zumindest wenn es sich um Psychotherapie handelt – in der Regel die Anwesenheit vor Ort von den Verbänden oder auch durch staatliche Regelungen gefordert wird. Während die Institutionalisierung und Spezialisierung der Beratung dazu geführt hat, dass sich die Beratung vielfach vom Alltag der Klienten entfernt hat, bewirkt die Nutzung von E-Medien nun im Gegensatz dazu, dass sich die Beratung wieder stärker dem Alltag der Klienten nähert. Menschen können von zuhause aus eine Mail an die Beratungsstelle senden und müssen für eine Beratung nicht mehr ihr vertrautes räumliches Umfeld verlassen. Das hat jedoch neue Anforderungen an die Berater zur Folge, da sich das Spektrum dessen, was Menschen anfragen, damit auch erweitert (Kap. 6.9). Das heißt über die E-Medien gibt es sowohl Informationsanfragen, die lediglich auf kurze Antworten angelegt sind, als auch Anfragen nach längerfristiger Beratung bei komplexeren Problemkonstellationen. Wie bereits dargestellt, kann es dabei zu einer Diskrepanz im professionellen Selbstkonzept der Berater kommen, wenn nur eine intensivere Form der Beratungskontakte als Beratung im eigentlichen Sinne angesehen wird. Das Konzept einer Alltagsberatung kann dem entgegenwirken. Das heißt in diesem Fall, es wird dem Klienten überlassen, was er in der Beratung konkret anfragt, um in seinem Alltag Unterstützung zu erhalten. Der Ratsuchende bleibt damit verantwortlich für die Frage, was er aktuell braucht, und sei es nur das Einholen von Informationen. Dazu bedarf es bei den Beratern allerdings einer erweiterten Rollenflexibilität – im Vergleich zu den Zeiten ausschließlicher Face-to-FaceBeratung. Schließlich bedeuten die vielfältiger werdenden Anfragen auch eine

Probleme und Lösungsansätze

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Erweiterung im Spektrum der Interaktionen des professionellen Beratungshandelns. Definiert sich ein Berater jedoch vor allem über eher therapienahe »tiefer gehende« Beratungsprozesse, so kann er leicht enttäuscht werden, wenn beispielsweise primär Informationsanfragen an ihn herangetragen werden. Ein Lösungsansatz wäre hier, in der Beratung verstärkt auf Auftragsklärung zu setzen. Nach Schlippe/Schweitzer (2012, S. 235 ff.) wären damit fünf wichtige Punkte zu klären: »1. Anlass: Was führt Sie hier her? (…) 2. Anliegen: Was möchten Sie hier erreichen? (…) 3. Auftrag: Was wollen Sie von mir? (…) 4. Abmachung, Kontrakt: Was biete ich an? (…) 5. Arbeitsbeginn, das ›fünfte A‹ – (Zwischen-)Bilanz: Wo stehen wir jetzt? Wie fangen wir an?«

Besonders dann, wenn die Zugangshürden geringer werden, ist schließlich davon auszugehen, dass Menschen mediale Grenzen früher überschreiten, als in eine Beratungsstelle vor Ort zu gehen, was viele subjektiv als hochschwelliger erleben. Mit einer frühzeitigen Auftragsklärung können dabei die Erwartungen rechtzeitig besprochen werden, und auch diejenigen Erwartungen der Klienten, die voraussichtlich nicht zu erfüllen sind, können thematisiert werden. So würde gegebenenfalls erst noch ein Clearing (Kap. 6.7) erfolgen können, falls eine andere Art der Hilfe eher angeraten sein dürfte. Durch die Erweiterung der Beraterrolle hin zu einer passageren Alltagsberatung nehmen die Anforderungen an die Berater also zu, da so die Menschen an sehr unterschiedlichen Punkten ihrer Bewältigungs- und Klärungsprozesse erreicht werden. Eine Reflexion der Berater bezüglich der Herausforderungen auf das eigene professionelle Selbstkonzept ist ein erster wichtiger Schritt, um manche Anfragen der Ratsuchenden nicht als Kränkung zu erleben. Dabei wäre es hilfreich für die Handlungsfähigkeit des Beraters, vielmehr den professionellen Anspruch darin zu verstehen, »Beratung als Förderung von Selbstorganisationsprozessen« (Schiersmann/Thiel 2012) zu definieren. Entsprechend geht es in der Beratung grundlegend darum, mittels einer Auftragsklärung Anschlüsse an den Selbstorganisationsprozess des Klienten zu ermöglichen und nicht an einen idealtypisch vordefinierten Beratungsprozess. In der vorliegenden Studie wurde deutlich, dass die Neuen Medien auch neue Möglichkeiten darstellen, um in beraterischen Kontakt zu kommen. Insbesondere die Schriftlichkeit von Beratung (Kap. 6.6) und die Möglichkeit der Anonymität in der Onlineberatung stellen eine Erweiterung der Beratungswege und damit auch der Methodik dar. Das gilt auch bezüglich der Informiertheit der Klienten (Kap. 6.5), die sich nun vorab oder parallel zum Beratungsprozess informieren und manche Fragen auf diese Weise selbst lösen können. Die neuen Möglichkeiten verändern die Beraterrolle ebenfalls, und es bedarf einer Auseinandersetzung mit diesem Wandel, sollen die Chancen denn auch genutzt

228

Diskussion und Ausblick

werden. Die alten Beratungskonzepte greifen dabei vielfach nicht mehr. Die neue Nähe zu den lebensweltlichen Kommunikationen der Klienten, die auch außerhalb der Beratung mittels Neuer Medien kommunizieren, ermöglicht einen neuen Bezug zum Alltag der Menschen, ohne dass die Berater ihren Arbeitsplatz physisch verlassen müssen. Das Kennenlernen der medial geprägten Lebenswelten (Kap. 6.4) und die Auseinandersetzung mit den dort auftauchenden Fragestellungen ermöglicht es, die Fragen und Probleme der Klienten in neuer Weise mit in die Beratung hineinzunehmen. Vielfach sind die Berater jedoch nicht auf die neuen Anforderungen und Fragestellungen vorbereitet, und das zeigt auf der Beraterseite einen Bildungsbedarf auf. In den fünf Beratungsstellen haben alle neun Berater dargelegt, dass es in ihren Dach- beziehungsweise Fachverbänden spezielle Weiterbildungen zu medialer Beratung gibt, die allerdings nicht genügen würden, sondern noch weiter ausgebaut werden sollten. Außerdem wurde in den Interviews deutlich, dass die Neuen Medien neue Anforderungen mit sich bringen, sowohl in Bezug auf die Einführung und Nutzung der Technik durch die Berater (Kap. 6.1 und 6.2) als auch hinsichtlich der Themen der Klienten (Kap. 6.4). Diese speziellen Problemfelder um die Neuen Medien und die Fragen zur veränderten Beziehungsgestaltung in einer Zeit sich wandelnder Kommunikationsformen und -gewohnheiten betreffen nicht alleine die psychosoziale Beratung, sondern sind letztlich Querschnittsthemen unterschiedlichster Felder. Für die Beratung zeigen sich in Bezug auf die Herausforderungen für die Zukunft zahlreiche Überschneidungen mit Themen der Medienpädagogik. Zum einen bedarf es bei der Bearbeitung aktueller Fragen – schon aus beratungsmethodischen Gründen – immer häufiger medialer Kompetenzen der Berater, aber zum anderen spielen auch immer mehr Fragen und Themen, die mit der Nutzung der oder Überforderung durch die Neuen Medien zusammenhängen, eine wichtig Rolle in der alltäglichen Beratungsarbeit. Ein Lösungsansatz könnte hier sein, dass Berater nicht länger das Gespräch als ihr zentrales Medium ansehen, sondern ihr Beratungsverständnis generell auf Kommunikation hin erweitern, wie auch immer diese konkret realisiert wird. Wenn die Kommunikation im Mittelpunkt des professionellen Beratungshandelns stehen würde, wäre es möglich, die Beratung insgesamt theoretisch neu zu fassen, und Fragen der Medienbildung würden damit in die Beratungsfachlichkeit mit hineingenommen werden. Das wäre ein weiterer Schritt in der Modernisierung der Beratung (vgl. Tiefel 2004). Schließlich geschieht in einer modernen Gesellschaft nicht nur Beratungskommunikation vermehrt mittels technischer Medien, sondern insgesamt verändert sich die Kommunikation, die ja auch schon in früheren Zeiten ein wichtiges Themenfeld psychosozialer Beratung war. In fachlichen Diskursen im Kontext von Beratung wird das Thema Medien dabei auch deshalb oft ausgeklammert, weil es als Kontrast zum Face-to-Face-Setting verstanden wird.

Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung

229

Solange es keine theoretische Konzeption und Begrifflichkeit gibt, die es ermöglicht, Beratung auf der Interaktionsebene zu analysieren und dabei auch in der Face-to-Face-Beratung die medialen Dimensionen der Kommunikation zu beschreiben, wird die Betrachtung des Medienaspekts beratungsfachlich vermutlich nicht den Stellenwert bekommen, der angemessen wäre. So gilt es die Interaktionsebene von Beratung theoretisch neu zu fassen.

7.2

Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung

In der vorliegenden Studie wird deutlich, dass es bislang keine beratungsfachliche Begrifflichkeit gibt, um den Wandel der Beratung durch Neue Medien auf der Interaktionsebene übergreifend für die verschiedenen Settings wie Onlineberatung, Face-to-Face-Beratung usw. einheitlich darstellen zu können. Bislang wird immer zwischen Face-to-Face-Beratung und medialer Beratung unterschieden. Diese fachliche Zweiteilung wird dem Gegenstandsfeld und, wie die Studie zeigt, auch den aktuellen Entwicklungstrends von Beratung aber nicht gerecht. Vor allem die Kanalreduktion der medialen Beratung wird als Abgrenzungsmerkmal zur Face-to-Face-Beratung dargestellt (ausführlich dazu: Beck 2006, S. 231 ff.) und mediale Beratung wird dabei in den verschiedenen theoretischen Konzepten tendenziell als defizitär eingestuft. Eine Kanalreduktion findet aber auch in Face-to-Face-Settings statt, da nicht permanent mit allen Sinneskanälen kommuniziert wird. So können sogar Face-to-Face-Beratungen in ihren Interaktionen aufgrund der genutzten Methodik und der damit verbundenen Sinneskanäle kanalreduzierter realisiert werden als manche so genannten medialen Settings, beispielsweise, wenn Klienten die Augen schließen oder über längere Zeit kein Blickkontakt stattfindet. Demgegenüber kann etwa per Videotechnik mit vielen Kanälen fokussiert kommuniziert werden. Es ist also nicht grundsätzlich gesagt, dass bei der Face-to-Face-Beratung alle Sinneskanäle genutzt werden und bei der technikvermittelten Kommunikation weniger Kanäle involviert sind. Ziel der theoretischen Neufassung ist es nun, eine Begrifflichkeit für die Beschreibung von Beratung als Einheit zur Verfügung zu stellen, die aus der künstlichen Trennung »medial« versus »nicht-medial« herausführt. Im Rahmen dieser Studie kann nun keine neue Theorie entworfen werden. Allerdings werden Eckpunkte skizziert, die in einer Theorie zur Beschreibung der Interaktionsebene notwendig wären, um Beratung als eine Einheit erfassen zu können. Eine solche verbindende Begrifflichkeit und Theorie auf Interaktionsebene ist notwendig, da in einer Mediengesellschaft immer selbstverständlicher Kommunikation mittels technischer Medien geschieht, die deshalb aber nicht den Face-to-Face-Kontakt überflüssig macht. Vielmehr ergänzen sich die verschie-

230

Diskussion und Ausblick

denen Formen der Kommunikation gegenseitig. In der theoretischen Betrachtung von Beratung kommt es demgegenüber regelmäßig zu Brüchen, indem mediale und nicht-mediale Beratung einander gegenüber gestellt werden und darüber hinaus keine verbindende Gesamtbeschreibung der Beratung erfolgt. Fachlich kann Beratung als Einheit des gesamten Kommunikationsgeschehens zwischen Berater und Klient verstanden werden, unabhängig davon, wie sich die Beratungskommunikation im Einzelnen vollzieht. Die Studie zeigt dabei, dass Beratung immer häufiger parallel in unterschiedlichsten Settings, und nicht alleine face-to-face oder ausschließlich online geschieht. Wie auch in privaten Beziehungen werden also verschiedenste Kommunikationsformen parallel genutzt – offline und online. So wäre es für die Theoriebildung sinnvoll, künftig das gesamte Beratungsarrangement zu erfassen und nicht nur jeweils Teile davon in getrennter Betrachtung. In der beratungstheoretischen Reflexion geht es schließlich darum, die Kommunikation der beteiligten Menschen in den Blick zu nehmen. Die technischen Medien sollten auch hier nicht zum dominanten Betrachtungsgegenstand gemacht werden, sondern lediglich in ihrer jeweiligen Beteiligung bei der menschlichen Kommunikation behandelt werden. Da es in der psychosozialen Beratung gerade auch um emotionale Kommunikation mit ihren sehr verschiedenen Ausprägungen geht und nicht nur um Informationsaustausch, sollten die Sinneskanäle der Klienten, das heißt ihre »wahrnehmende Tätigkeit der Sinne« (Stenger 2011) im Fokus stehen, und nicht die technisch-medialen Übertragungskanäle. Indem Gestik, Mimik und Stimme auch als Medien (Primärmedien) verstanden werden (vgl. Tabelle 2: Medientypologie, S. 52), kann Face-toFace-Beratung gemeinsam mit der Beratung mittels technischer Medien dargestellt werden. Allerdings ist hier keine Ausdifferenzierung in vier Typen nötig und sinnvoll. Die Unterscheidung zwischen elektronischen Medien (tertiär) und digitalen Medien (quartär) ist für die fachliche Fragestellung irrelevant, während sie aber für eine mediengeschichtliche Betrachtung erhellend ist (vgl. Kap. 3.). Der Trend zur Digitalisierung und der beschriebene Techniktrend der Konvergenz bewirken ohnehin, dass immer mehr Tertiärmedien wie etwa das Telefon zu Quartärmedien (Internettelefonie: VoIP) werden. Rein elektronische Medien verschwinden mehr und mehr aus dem Alltag, während ihre Funktionen durch Kommunikation im digitalen Netz übernommen werden. Beratungsfachlich wird deutlich, dass es sinnvoll ist, drei Typen von Beratungsmedien (s. Tabelle 14, S. 232) zu unterscheiden: erstens Mimik, Gestik und Stimme als Körper-Medien (K-Medien); zweitens Medien, die zu ihrer Realisierung ein materielles Objekts benötigen, wie zum Beispiel Papier (Brief, Flipchartbogen) als Objekt-Medien (O-Medien); und drittens elektronische und digitale Medien gemeinsam als Elektronische Medien (E-Medien). Alle drei

Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung

231

Beratungsmedientypen werden heute regelmäßig in der Beratungsarbeit genutzt und prägen mit ihrer jeweiligen Spezifität den Beratungsprozess. In der Face-to-Face-Beratung sind die K-Medien grundlegend, da sie zwischenmenschliche Kommunikation vor Ort (Versammlung) ermöglichen. Mimik und Gestik vermitteln dabei nonverbale Kommunikation, womit vor allem Gefühle und beziehungsrelevante Bedeutungen vermittelt werden (analoger Kommunikationsmodus). Die Stimme kann durch die Modulation der Töne ebenfalls Nonverbales ausdrücken; sie ist aber in der Lage mittels der Sprache auch komplexe und abstrakte Sachverhalte zu vermitteln (digitaler Kommunikationsmodus). In Form von Gesten und Ritualen werden Situationen durch die K-Medien gestaltet, die in ihrer Bedeutung über diese verweisen können. Beratungsmethodisch kann diese Kommunikation in der Beratung reflexiv thematisiert werden, etwa wenn es um Probleme von Paaren in einer Paarberatung geht. Die K-Medien können aber auch als spezielle Methoden eingesetzt werden, zum Beispiel durch Skulpturarbeit, indem eine Familie in der Familienberatung Nähe und Distanz zwischen den beteiligten Personen im Raum anschaulich macht. K-Medien können auch in andere Medien eingebettet werden und erhalten damit, über die Zusammenkunft vor Ort hinaus, noch weitergehende Bedeutung. O-Medien ermöglichen Kommunikation auch über eine gegenwärtige Situation vor Ort hinaus. Mittels Schrift (digitaler Modus) und Bildern (analoger Modus) wird mit ihrer Hilfe der Kommunikationsraum der Menschen erweitert. Diese Medien haben sich allerdings in der institutionellen Beratung kaum zur Kommunikation über räumliche Distanzen hinweg etabliert. Die Beratung per Brief ist eher ein Randphänomen geblieben (z. B. in Form der Briefseelsorge). Allerdings hat sich das Genre der Ratgeberliteratur entwickelt, wobei Beratung allerdings nicht im hier verwendeten Sinne interaktiv geschieht.73 O-Medien haben in der institutionalisierten Beratung aber vor allem im Face-to-FaceSetting eine Bedeutung, indem sie dort beratungsmethodisch eingebunden und genutzt werden. So verwenden Berater die Flipchart, um etwas anschaulich zu machen oder machen das Tagebuch eines Klienten zum Thema, aus dem dieser zu bestimmten Themen berichten kann. Die Bedeutung von E-Medien wird in der Beratung immer größer. Und sie zeigen dabei Eigenschaften und ermöglichen neue Beratungsarrangements, die es vor ihrer Entwicklung nicht gab. Sie helfen, räumliche Distanzen zu überwinden und zwischen entfernten Gesprächspartnern synchrone Kommunikation zu realisieren. Indem sie auch in der Lage sind, K-Medien und wichtige

73 Ausnahmefälle, in denen Briefe der Leser vom Autor beantwortet werden, werden hier nicht näher betrachtet.

232

Diskussion und Ausblick

Funktionen von O-Medien (Speichern von Schrift und Bildern) zu integrieren, eröffnen sie eine große Vielzahl von Settings und Beratungsarrangements. Für die Betrachtung von Beratungsinteraktionen ist es zentral, neben den KMedien auch die Einbindung von generalisierten Symbolen (Schrift/Bilder), die beteiligten Sinne der Klienten (visuell/auditiv) und die zeitliche Dimension der Kommunikation (synchron/asynchron) zu betrachten. Einen Überblick dazu gibt die nachfolgende Tabelle 14 »Matrix und Typologie der Beratungsmedien« (S. 232). Mit einer solchen Matrix ist es möglich, Aspekte zu erfassen, die bei der Beratungskommunikation grundlegend von Bedeutung sind. Dabei wird, bezogen auf die Medien, nicht auf die technischen Medien verkürzt, sondern es werden mit den K-Medien zentral auch die Medien erfasst, die bereits ursprünglich zur menschlichen Kommunikation gehören. Tabelle 14: Matrix und Typologie der Beratungsmedien Symbolik Sinne Zeit Beratungs- Körper-Medien Stimme Mimik Gestik Schrift Bild Auditiv Visuell Synchron Asynchron form: Face-toX X X X X X Face Objekt-Medien: Brief X X X Buch X X X Flipchart X X X X Foto X X X Elektronische Medien: AudioX X X recorder Chat X X X Foren X X X Mail X X X Telefon X X X TelefonX X X mailbox Video X X X X X X VideoX X X X X X konferenz Webbasierte KommuniX X X X X X X X X kationsplattform

Grundlegende Ausprägungen der K-Medien, O-Medien, E-Medien (3 Medientypen)

In der senkrechten Achse findet man das Face-to-Face-Setting, die O-Medien und E-Medien. Diese unterschiedlichen Beratungssettings in Gestalt von technischen Medien beziehungsweise als Face-to-Face-Zusammenkunft werden der horizontalen Achse mit den K-Medien, und den Dimensionen Symbolik, Sinne und Zeit gegenüber gestellt. So ist es möglich, die Ausprägungen der jeweiligen

Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung

233

Beratungssettings mit den K-Medien und weiteren zentralen Kommunikationsdimensionen in Beziehung zu setzen. Mit Kreuzen (»X«) wird gekennzeichnet, welche K-Medien und Dimensionen bei dem senkrecht aufgeführten Setting beziehungsweise bei den jeweiligen O-Medien/E-Medien auftreten. In dieser Tabelle wurden lediglich die typischen Ausprägungen (Kreuze) eingezeichnet. Eine Integration / Einbettung von Medien in Settings und andere Medien ist allerdings möglich und kann dann auch die damit einhergehenden Dimensionen verändern. So kommen in einem Face-to-Face-Setting nicht zwangsläufig Schrift oder Bilder vor. Sie können aber eingebettet werden. Mailberatung ist demgegenüber auf die Schrift und die visuelle Wahrnehmung reduziert und ist asynchron angelegt. Falls beide Mailpartner sich aber innerhalb des gleichen Zeitraums mailen, ist auch synchrone Kommunikation möglich. Da dies aber nicht die typische Kommunikationsform des Mediums ist, wird sie in der Tabelle nicht gekennzeichnet. Bei einer webbasierten Kommunikationsplattform sind grundlegend die verschiedensten Medien eingebettet und stehen prinzipiell zur Verfügung, auch wenn sie nicht genutzt werden. Wie sich das Beratungsarrangement dann im Einzelnen vollzieht, bedarf dann jeweils einer Klärung. In Tabelle 15 (S. 234) werden die Einbettungs-/Integrationsmöglichkeiten des Face-to-Face-Settings und von Beratung mittels webbasierter Kommunikationsplattform dargestellt. In der ersten Spalte wird das jeweils zu betrachtende Setting benannt und in den weiteren Spalten, die Medien, die dabei verwendet werden – danach die in die Medien eingebetteten Medien beziehungsweise Symbolik (z. B. Schrift, Bild, Gebärden). Das grundlegende methodische Ziel der Nutzung von Medien besteht bei Beratung in der Kommunikation, die nach diesem theoretischen Konzept, zumindest über K-Medien, grundsätzlich medienvermittelt geschieht. Werden zu den Medien, die die Kommunikation ermöglichen, zusätzliche Medien eingesetzt, ist davon auszugehen, dass damit auch ein über die Kommunikation hinausgehendes methodisches Ziel verbunden ist. In der letzten Spalte wird deshalb das Ziel der Methode erfasst. Falls kein weitergehendes methodisches Ziel zu benennen ist, besteht dieses in der grundlegenden Funktion, nämlich der Ermöglichung der Kommunikation.

234

Diskussion und Ausblick

Tabelle 15: Mediale Einbettungsmöglichkeiten in Beratungssettings Setting

Medien

Einbettung Einbettung Methodisches Ziel (Beispiele) Face-to-Face Mimik Kommunikation Gestik Kommunikation Stimme Kommunikation Flipchart Schrift, Information Bild Audiorekorder Stimme Wahrnehmung der Stimme Tagebuch Schrift Vertiefung Beamer Video Mimik Reflexion Gestik Stimme Foto Bild Anregung Chat Schrift Diskussion Systemskulptur Gebärden Diagnostik / Intervention Chat Schrift Kommunikation Webbasierte KommunikationsMail Schrift Kommunikation plattform Foren Schrift Kommunikation Telefon Stimme Kommunikation Video Mimik Reflexion Gestik Reflexion Stimme Reflexion Digitales Bild Ideen entwickeln Whiteboard Schrift Ideen besprechen Virtuelles Figuren Diagnostik / Systembrett Intervention In Settings und Medien können (andere) Medien (ggf. mehrfach) eingebettet werden

Am Beispiel der Verwendung eines Beamers in der Face-to-Face-Beratung wird deutlich, wie vielschichtig sich mit Hilfe von E-Medien die Einbettung von Medien gestalten kann. Mit einem Beamer können Fotos, aber auch eine Videoaufnahme in die jeweilige Beratungssituation integriert werden. So kann etwa die per Video aufgenommene letzte Beratungssitzung während der Beratung gemeinsam angeschaut werden, um zu reflektieren, welche Interaktionen vorkamen und wie sich beispielsweise ein Paarkonflikt der Klienten entwickelt hat. Damit werden wiederum die K-Medien Mimik, Gestik und Stimmen in das Setting eingebunden. Das methodische Ziel bei der Einbindung und Nutzung von Medien ist nicht fest mit dem jeweiligen Medium verknüpft und kann sich verändern. Bei der Reflexion und Erforschung von Beratungsinteraktionen gilt es dabei zu beach-

Eckpunkte einer ausstehenden theoretischen Neufassung

235

ten, dass es sowohl bewusste methodische Nutzungsformen der Medien gibt, als auch nicht beabsichtigte Funktionen, die sich erst interpretativ erschließen lassen. Insbesondere der Aspekt, dass Medien auch eine Eigenbotschaft mitbringen, spielt da mit hinein. Um ein Beratungsarrangement im Gesamten erfassen zu können, bedarf es der Betrachtung über die unmittelbare Beratungssituation hinaus. Dabei sollten weitere Dimensionen berücksichtigt werden, die sich in den Interviews als relevant für die Beratung erwiesen haben. Zunächst ist festzuhalten, um welche Beratungsinstitution es geht und ob sie organisatorisch mit weiteren Institutionen verknüpft ist. In Bezug auf das Klientensystem ist festzuhalten, welcher Art die Beratung ist, das heißt ob es um eine einzelne Person oder um andere Konstellationen geht. Die Frage, wie der Klient zur Beratung gelangt ist, kann für den weiteren Verlauf der Beratung bedeutsam sein, weil damit bestimmte Erwartungen verbunden sind. Gleiches gilt für die Frage, auf welche Weise der Zugang zur Beratungseinrichtung vonstatten ging. So macht es beispielsweise einen großen Unterschied, ob der Zugang in Form einer ersten Beratung an der Telefonhotline geschah oder über die telefonische Terminvereinbarung am Empfang. Beim Beratungssetting selbst ist zu fragen, ob es parallel noch weitere Settings gibt, zum Beispiel E-Mail neben der Face-to-Face-Beratung, oder ob es dauerhaft bei einem einzigen Setting bleibt. Und abschließend befasst sich die Dimension »Nachsorge« mit der Frage, ob im Anschluss an die vereinbarte Beratungszeit nach einem gewissen zeitlichen Abstand nochmals eine Kontaktaufnahme vorgesehen ist. Diese genannten Dimensionen zum Gesamtarrangement der Beratung werden in der folgenden Tabelle 16 (S. 236) veranschaulicht Diese Tabelle zum Gesamtarrangement von Beratung kann in zweierlei Hinsicht analytisch genutzt werden, um das komplexe Beratungsgeschehen nachvollziehbar zu machen: Auf der Organisationsebene kann es dabei helfen, das Beratungsangebot einer Stelle zu erfassen und transparent zu machen, welche verschiedenen Settings und Medien angeboten werden. Dabei werden auch diejenigen Dimensionen systematisch erfasst, die bislang weniger im Blick sind, wie etwa die typische Verweissituation, der konkrete Zugang zur Beratungsstelle und die Nachsorge; aber auch diejenigen Beratungssettings, die parallel verwendet werden.

236

Diskussion und Ausblick

Tabelle 16: Gesamtarrangement von Beratung Dimension Beratungsinstitution

Beispiele Sexual-/Paarberatung Jugend-/Drogenberatung Schuldner-/Insolvenzberatung Kinder-/Jugend-/Familienberatung Erziehungs-/Ehe-/Lebensberatung Klientensystem Einzelberatung Paarberatung Familienberatung Gruppenberatung Verweis durch Beratungsinstitution Broschüre Fernsehsendung Homepage Klienten Selbsthilfeforum Zugang über E-Mail (Empfang der Beratungsstelle) Telefon (Empfang der Beratungsstelle) Direktkontakt (Empfang der Beratungsstelle) Onlineberatung Telefonberatung Beratungssetting Face-to-Face (ggf. parallel) E-Mail Telefon Webbasierte Kommunikationsplattform Nachsorge Face-to-Face E-Mail Telefon Webbasierte Kommunikationsplattform Nutzung von Settings und Medien vor, während und nach der eigentlichen Beratung

Auf der Interaktionsebene kann das Gesamtarrangement dem Berater einen Überblick für den jeweiligen Klienten verschaffen, um zu sehen, welche Medien und damit – unter Zuhilfenahme der Tabelle 14 »Matrix und Typologie der Beratungsmedien« – auch welche Medientypen und die mit ihnen einhergehenden Sinneskanäle und weiteren Modalitäten (Symbolik, Zeitgestaltung) in der jeweiligen Beratung genutzt werden. Dies kann zur Reflexion darüber dienen, inwieweit die für die Fragestellung der Beratung passenden Medien verwendet und ob es möglicherweise angezeigt sein kann, Medien zu wechseln beziehungsweise ergänzend heranzuziehen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass der Wandel in der Beratung durch Neue Medien Synchronisationsprozesse auf unterschiedlichen

Reichweite der Studie und ermittelter Forschungsbedarf

237

Ebenen darstellt. Synchronisation bedeutet in dieser Hinsicht, dass mögliche Kommunikationen anschlussfähig gemacht werden, indem sie mittels Medien entweder zeitlich nacheinander vereinbart (asynchron) erfolgen oder zu einer bestimmten Zeit Berater und Klienten zusammengebracht werden (synchron). Damit werden unabhängig von Raum und Zeit Menschen kommunikativ miteinander verbunden und somit sonst unwahrscheinliche Kommunikationen wahrscheinlicher gemacht. Synchronisationen sind jedoch nicht selbstverständlich, sondern immer auch riskant, im Hinblick auf ihr Gelingen. Beratungseinrichtungen können schließlich Medienangebote bereitstellen, aber eine Nicht-Nutzung beziehungsweise ein Nutzungsabbruch kann jederzeit erfolgen. Das alleinige Fokussieren auf das technikvermittelte Zusammenbringen und Arrangieren von Kommunikationspartnern durch die Neuen Medien wäre dabei eine starke Verkürzung, die dem komplexen Gegenstandsfeld nicht gerecht würde. Vielmehr findet über die technische Vermittlung hinaus ein Wandel in der Beratung statt, der jeweils aktuelle Themen und verschiedene potentielle Nutzergruppen in neuen Konstellationen zusammenbringt. Die Neuen Medien dienen dabei als Mittel und vielfach darüber hinaus auch als Katalysator, der bewirkt, dass sich die Berater mit den anstehenden Fragen und Problemen der Klienten, die durch die Entwicklung der Gesellschaft geschehen, in neuer Weise auseinandersetzen.

7.3

Reichweite der Studie und ermittelter Forschungsbedarf

Die vorliegende Studie fokussiert thematisch auf die institutionalisierte psychosoziale Beratung, die sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ausdifferenziert und als Hilfsangebot im psychosozialen Feld etabliert hat. Einige der hier vorgetragenen Ergebnisse dürften zwar auch in anderen Bereichen des psychosozialen Feldes in vergleichbarer Weise anschlussfähig sein, im Rahmen der Studie geht es aber darum, das Feld institutionalisierter Beratung zu beleuchten und vor dem Hintergrund der sich wandelnden und entwickelnden Medien solche Entwicklungen zu identifizieren, die übergreifend im Forschungsfeld, also nicht nur für einzelne Beratungsstellen, relevant sein dürften. Die Falldarstellungen in Kapitel 5 stellten die speziellen Perspektiven und Einstellungen von Beratern in ihren jeweiligen Beratungsinstitutionen heraus. Hier wurden Unterschiede deutlich, die zum Teil mit dem persönlichen Hintergrund des jeweiligen Beraters zu tun haben aber auch von der jeweiligen speziellen Beratungsinstitution geprägt sind. Außerdem wurden auf der Strukturebene zwischen Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den jeweiligen Beratungsstellen differenziert. Demgegenüber wurden in der vergleichenden Interpretation (Kapitel 6) die übergreifenden Entwicklungen herausgestellt. Von

238

Diskussion und Ausblick

einer prinzipiellen Verallgemeinerbarkeit des herausgearbeiteten Wandels in der institutionalisierten Beratung ist auszugehen. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Facetten in den verschiedenen Beratungsinstitutionen, insbesondere wenn es sich um sehr unterschiedliche Klientengruppen handelt, konnten hier aber nicht im Detail herausgearbeitet werden. Demgegenüber konnten jedoch neue Perspektiven identifiziert werden, die für eine weitergehende Forschung gewinnbringend sein könnten. Bislang gibt es in der Beratungsforschung schließlich noch verhältnismäßig wenig empirische Studien, die darstellen, was tatsächlich in den Beratungsinteraktionen geschieht. Der ermittelte Forschungsbedarf in diesem jungen Feld ist vielseitig und vielschichtig, da es – gerade aus Perspektive der rekonstruktiven Sozialforschung – hierzu bislang wenig empirische Arbeiten gibt. Zum einen bedarf es einer tiefergehenden Untersuchung der einzelnen Beratungsmedien wie Mail, Chat, Foren, und zum anderen der Medien, die bislang in der institutionalisierten Beratung für Onlineberatung noch kaum im Blick sind. Im Bereich der schriftlichen Beratungsmedien könnten die Kommunikationstexte der Interaktionspartner unmittelbar, bei Erlaubnis durch die Beteiligten, ausgewertet werden, ohne dass zuvor eine eigene Materialerhebung notwendig wäre. Eine solche Möglichkeit ist selten in der Forschung. Aber auch in Bezug auf die Beratung per Videotechnik wäre es möglich, Mitschnitte zu speichern und diese zu untersuchen. Bei der Face-to-Face-Beratung wäre das grundsätzlich auch machbar, allerdings würde das eine zusätzliche Künstlichkeit erzeugen, indem ein Aufnahmegerät im Raum installiert werden müsste. In manchen Beratungsstellen ist das allerdings üblich und stellt kein Problem dar. Auf diese Weise könnte dann auch medienübergreifend Forschung betrieben werden, die über die theoretischen Vergleiche zwischen den verschiedenen Settings hinausgehen würde. Die Vorschläge für eine theoretische Neufassung des Beratungsgeschehens könnten einen Beitrag leisten, die wissenschaftliche Diskussion dahingehend anzuregen, dass die verschiedensten Beratungssettings – unabhängig davon, ob sie durch Technik oder durch körperliche Äußerungen vermittelt stattfinden – auf der Interaktionsebene in einem gemeinsamen theoretischen Rahmen miteinander verbunden werden können. Die Spezifika der unterschiedlichen Beratungsinstitutionen wären dabei allerdings zu beachten; insofern wäre es wünschenswert, auch eine größere Zahl gleicher Beratungsinstitutionen gleichzeitig zu erforschen, um genauer rekonstruieren zu können, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Beratungsstellen von den einzelnen Personen und jeweiligen Organisationen herrühren und welche dagegen auf Grund der Spezifika einer Beratungsinstitution auftreten. So wäre es auch interessant, die Ergebnisse der vergleichenden Interpretation auf breiterer quantitativer Basis zu untersuchen. Insbesondere in Bezug auf die Zugänge zur Beratung wäre es hilfreich, wenn eruiert werden könnte, ob es einen übergrei-

Ausblick: Clearing und Synchronisation bei Selbstorganisation

239

fenden Trend zu neuen Ausgrenzungsprozessen gibt oder ob die neuen Zugangsmöglichkeiten überwiegen. Wichtig wäre, in der Forschung dabei einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die Klienten und potentiellen Klienten, unabhängig vom gewählten Beratungssetting, in den Forschungsfokus zu nehmen. Um die offenen Fragen hinsichtlich der Beratungszugänge und den Clearingbedarf angemessen verstehen zu können, bedarf es über die bisherigen Forschungsansätze hinaus einer akteursbezogenen Forschung, die einen Beitrag dazu leistet, mehr über diejenigen zu erfahren, die erst überhaupt nicht in die Beratung kommen. Wenn Menschen keinen Bedarf nach institutioneller Beratung haben, ist das wenig problematisch. Es ist aber auch vorstellbar, dass es Rahmenbedingungen gibt, die es Menschen erschweren oder unmöglich machen, einen Zugang zur institutionellen Beratung zu finden. Insofern wäre es anzuraten, die Forschung in Bezug auf die institutionalisierte Beratung gerade auch außerhalb dieses Feldes zu betreiben. So wäre es möglich, mehr über diejenigen Menschen zu erfahren, die eine Beratungsstelle erst gar nicht nutzen, oder die vielleicht einmal in einer Beratungsstelle waren und die Beratung abgebrochen haben. (Zu aktuellen Ansätzen der Akteursforschung vgl. Grasshoff 2013.) Insgesamt wäre es also hilfreich, in der weiteren Forschung die verschiedenartigen Settings gleichermaßen in den Blick zu nehmen und vom faktischen »Primat« der Face-to-Face-Beratung wegzukommen. Aber auch eine neue Engführung der Erforschung von technikvermittelter Beratung wie der Onlineberatung wäre nicht hilfreich, um ein Feld zu erhellen, in dem mehr und mehr settingvernetzt gearbeitet wird und dessen Potential darin liegt, unterschiedlichste Beratungsarrangements bereitstellen zu können.

7.4

Ausblick: Clearing und Synchronisation bei Selbstorganisation

Die herausgearbeiteten Veränderungen in der institutionalisierten Beratung und die bereits weiterentwickelte Kommunikationstechnik zeigen, dass Beratung durch die Neuen Medien nach wie vor im Wandel begriffen ist. Dabei stehen die Veränderungen in den Beratungseinrichtungen im Zusammenhang mit den Veränderungen der alltäglichen Kommunikationsgewohnheiten der Menschen. Aktuell setzen sich die Trends zu mobiler Kommunikation und Konvergenz der Kommunikationsgeräte weiter fort. (Eine aktuelle Analyse allgemein zur Zukunft der Medien: Zukunftsinstitut Kelkheim 2013.) So hat beispielsweise die Nutzung der mobilen Medien eine neue Qualität erreicht. Unternehmen, deren Geschäft primär über das Internet realisiert wird, machen deutlich, dass Be-

240

Diskussion und Ausblick

stellungen über mobile Endgeräte (Smartphones, Table-PCs etc.) den PC quantitativ bereits überholen (Schulz 2012). Das heißt es werden nun auch immer mehr Transaktionen über Mobilmedien getätigt. Damit ermöglichen die mobilen Endgeräte, auch solche Alltagsvorgänge ortsunabhängig durchzuführen, die zuvor an festgelegten Orten ausgeführt werden mussten. Das dürfte in naher Zukunft weitere Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen Klienten und Mitarbeitern von Beratungsstellen mit sich bringen, da sich die passagere Kommunikation selbst in sensiblen Feldern ausweitet (vgl. Hauschild 2013). Die Verbreitung der Mobilmedien ermöglicht es, dass nun regelmäßig vormals ungewöhnliche oder nicht mögliche Situationen zur Anmeldung in einer Beratungsstelle und auch für die Beratungskommunikation selbst genutzt werden können. So ist es nun denkbar, sich etwa beim Bus- oder Bahnfahren, auf dem Schulhof in der Pause und in verschiedenen kurzen Warte- und Übergangsmomenten an eine Beratungsstelle zu wenden. Da die internetfähigen mobilen Endgeräte und die für Internetkommunikation relevanten Tarife in den letzten Jahren günstiger wurden, gibt es immer mehr Menschen, die regelmäßig mobil per Internet kommunizieren, und das mit steigender Tendenz. Wie die vergangenen Entwicklungen der Einführung von Kommunikationstechnik gezeigt haben (vgl. Kap. 6.1), werden neue mediale Kommunikationswege – mit Zeitverzögerung – auch als zusätzliche Zugänge zur institutionellen Beratung umgesetzt. So ist abzusehen, dass künftig auch über so genannte »Apps« (Software für Mobilgeräte) mit Beratungsstellen kommuniziert wird. Dies zeichnet sich bereits ab, indem beispielsweise ein Unternehmen im Tätigkeitsfeld von Beratungslösungen Onlineberatungsanbietern Software für Mobilgeräte74 offeriert, die es Klienten ermöglicht, direkt über Mobilgeräte zu kommunizieren. Und im Wirtschaftsbereich zeigen sich bereits weitergehende Trends in den Gewohnheiten der Menschen. In einem Spiegel-Interview mit Thomas Schulz skizziert Ebay-Chef John Donahoe die aktuellen Veränderungen (Schulz 2012): Seit Anfang bis Mitte des Jahres 2011 zeigten sich grundlegende Änderungen im Verhalten der Konsumenten, indem jene immer häufiger Mobiltelefone für Einkäufe nutzten. Doch die Entwicklungen gehen weiter, wie Donahoe sagt: »Aber heute unterscheiden wir nicht mehr zwischen Online- und Einzelhandel, die Grenzen lösen sich rasend schnell auf und werden bald ganz verschwunden sein.« (ebd. S. 70) Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Entwicklungen für die institutionalisierte Beratung bezüglich Neuer Medien nicht in absehbarer Zeit zu 74 Das Angebot ist zu finden auf der Homepage: »beranet plus responsive. beranet nun auch verfügbar für portable Endgeräte wie Smartphones oder Tablets mit Responsive Webdesign.« Internetressource. Verfügbar unter : https://beranet.de/beranet2007/artikel/index.php?pos=0& THEMA=000000000100015. Abgerufen am 16. 12. 2012

Ausblick: Clearing und Synchronisation bei Selbstorganisation

241

Ende sind. Wie der kommende Wandel im Einzelnen aussehen mag, ist im Detail nicht vorauszusagen. Allerdings zeigen alle Trends in die Richtung, dass die Medien noch näher mit den Menschen »zusammenwachsen« und dabei alle möglichen Lebensbereiche mittelbar oder unmittelbar erfassen. So wäre es künftig denkbar, dass Menschen, die sich in der Nähe einer Beratungsstelle befinden über eine App auch sehr kurzfristig einen Face-to-Face-Termin in dieser Beratungsstelle einholen. Beim Chat in verschiedenen Onlineberatungsstellen ist es bereits möglich, auch abgesagte oder nicht angenommene Sitzungen kurzfristig weiter zu vergeben. So wäre es denkbar und möglich, das Terminmanagement entsprechend auch bei der Face-to-Face-Beratung, zumindest teilweise, über E-Medien zu realisieren. Mittels der mobilen Endgeräte ist eine solche Flexibilisierung in absehbarer Zeit realisierbar. Die Chancen der aktuellen Entwicklungen dürften aber über diese einzelnen Beispiele hinaus vor allem darin liegen, Synchronisationen verschiedenster Settings zu ermöglichen, darüber hinaus bei Bedarf niedrigschwellig Clearing anbieten zu können und für unterschiedlichste Adressaten fachlich fundierte Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie in ihren Selbsthilfemöglichkeiten unterstützen. Dabei gilt es allerdings die Medien weder zu überschätzen noch ihre Potentiale ungenutzt zu lassen. Die Technik wird den Menschen nicht ersetzen, da es bei Beratung im Kern um Kommunikation zwischen Menschen geht. Mittels der Technik können aber neue Arrangements geschaffen werden, die dem Bedarf von Ratsuchenden entgegenkommen, so dass damit Menschen erreicht werden, die auf andere Weise keinen Zugang zur institutionellen Beratung gefunden hätten. Neben dem Aspekt des Erweiterns der Zugänge zur Beratung lägen interessante neue Möglichkeiten darin, die Beratungsarbeit selbst fachlich bewusster als sinnlich vermittelte Kommunikation differenziert zu entfalten. Indem Elektronische Medien unterschiedliche Wahrnehmungskanäle nutzen und ansprechen würden, könnten sie verschiedenen Menschen mit ihren jeweiligen Präferenzen entgegenkommen. Dabei könnten die E-Medien auch als Methoden genutzt und in unterschiedlichen Situationen für differierende Ziele angewendet werden. So würde die Beratung methodisch weiterentwickelt, ohne dass es bei der bisherigen Zweiteilung medial/nicht-medial bleiben müsste. Schließlich kann für manche Menschen in bestimmten Situationen das Face-to-Face-Setting angezeigt sein und in anderen Konstellationen gerade eine bestimmte technischmediale Beratungsform. Ein fachlicher Ausblick für die Zukunft wäre, Beratung künftig als einheitlichen Kommunikationsprozess zu verstehen, der sich medial sehr unterschiedlich vollziehen kann (vgl. Kap. 7.2). Dabei würde es die Wahlmöglichkeiten erhöhen, wenn der Berater bewusster entscheiden könnte, in welchen Situationen welche Medien (Körper-Medien, Objekt-Medien, Elektronische Medien) jeweils verwendet und bei Bedarf miteinander verknüpft würden. Auch

242

Diskussion und Ausblick

die E-Medien würden dann in der Beratung nicht primär dazu genutzt, um räumliche Distanzen zu überwinden und zeitliche Asynchronität zu synchronisieren, sondern könnten gezielt auch beratungsmethodisch eingesetzt werden. Damit könnten die verwendeten Sinneskanäle in der Beratung fachlich gezielter Verwendung finden, zum Beispiel wenn parallel zur Face-to-Face-Beratung vom Klienten ein elektronisches Beratungstagebuch geführt würde, auf das der Berater – natürlich in Absprache – Zugriff hätte, gegebenenfalls Kommentare einfügen oder auch auf hilfreiche, vertiefenden Informationen verweisen könnte. Damit würden die Ressourcen des Internets weiter ausgeschöpft und der Klient würde mit seinen Ressourcen und seinem Selbstorganisationsvermögen ernst genommen werden. Der Berater könnte dann beispielsweise entscheiden, bei informationsrelevanten Fragestellungen nicht für den Klienten zu recherchieren, sondern ihn bei seinem Recherchieren zu begleiten. Die Weiterentwicklung der Neuen Medien bringt neben den Chancen auch fachliche Herausforderungen an die Berater mit sich, wobei neben beratungsfachlichen Kompetenzen auch Fragen der Medienbildung immer bedeutsamer werden. In dem hier vorgeschlagenen Ausblick wäre das jeweils gewählte Beratungssetting nicht mehr das Hauptkriterium für die Medienwahl oder -reduktion des weiteren Beratungsprozesses. Vielmehr könnten auch bei einer bereits begonnenen Beratung andere mediale Konstellationen – sofern sie zur Verfügung stehen – genutzt werden. So käme es künftig vor allem auf den jeweiligen Klienten und die spezielle Situation an, in der entschieden würde, auf welche Medien gerade fokussiert wird, welche Medien möglicherweise punktuell reduziert und welche Medien zu den bereits verwendeten zusätzlich hinzugezogen werden. Dieses Arrangieren könnte dabei in einem kontinuierlich mitlaufenden Klärungsprozess zwischen Beratern und Klienten ausgehandelt und bei längeren Prozessen auch zwischenzeitlich überprüft werden. Auch eine konzeptionelle Vernetzung mit weiteren Beratungsinstitutionen erscheint dabei als sinnvoll. So könnte bei Bedarf ein Clearing und qualifiziertes Weiterverweisen an Beratungskollegen erfolgen oder es könnten bei Bedarf auch parallele Beratungsprozesse, die aufeinander abgestimmt würden, realisiert werden. Manches, was hier für die Zukunft entworfen wurde, dürfte für viele Berater als weit entfernt von ihrem Beratungsalltag erscheinen, andere Berater sind demgegenüber bereits mit Fragestellungen dieser Art beschäftig, insbesondere dann, wenn sie E-Medien bereits gezielt für Beratung nutzen. Die Medientechnik ist jedenfalls schon in der Lage, diese und weitere Szenarien zu ermöglichen. Insgesamt wird deutlich, dass die aktuellen Entwicklungen durch Neue Medien weiterhin Möglichkeiten und Chancen für die Beratung bringen, Klienten differenzierter und in neuer Weise zu erreichen. Die Herausforderung wird dabei sein, auf Organisationsebene die notwendigen Ressourcen für solch anspruchsvolle Entwicklungen zu akquirieren. In Bezug auf die Mitarbeiter dürfte

Ausblick: Clearing und Synchronisation bei Selbstorganisation

243

es zentral sein, dass sich die Berater auf den weitergehenden Wandel der Beratung durch Neue Medien einlassen und ihn bezüglich ihrer Beratungsarbeit aktiv mitgestalten.

Abkürzungsverzeichnis

AGB App E-Medien ErzEheLeb-K FAQ ftf ftp HP http https IP IuK JuDro JuDro-L Kap. KiJuFa KiJuFa-L K-Medien Link O-Medien PC POP3 S. s. SchuIns SchuIns-L SexPaa SexPaa-L SMS smtp TCP u. a.

Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung / Software für Mobile Endgeräte (z. B. Smartphone) Elektronische Medien Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung – Koordination Frequently Asked Question (Liste wichtiger Fragen und Antworten) face to face (Von Angesicht zu Angesicht) file transfer protocol Homepage / Webseite Hypertext Transfer Protocol (Technischer Standard für Internetseiten) HyperText Transfer Protocol Secure (Technischer Standard für sichere Internetseiten) Internet Protocol (Grundlegender technischer Internet-Standard) Informations- und Kommunikationstechnik Jugend- und Drogenberatung Jugend- und Drogenberatung – Leitung Kapitel Kinder-, Jugend- und Familienberatung Kinder-, Jugend- und Familienberatung – Leitung Körper-Medien (Mimik, Gestik, Stimme) Hyperlink (Verweis per Internettechnologie) Objekt-Medien Personal Computer Post Office Protocol: Standard Mailtechnik (Mailprogramm) Seite siehe Schuldner- und Insolvenzberatung Schuldner- und Insolvenzberatung – Leitung Sexual- und Paarberatung Sexual- und Paarberatung – Leitung Short Message Service (Kurzmitteilung per Mobiltelefon) Simple Mail Transfer Protocol: Standard Mailtechnik (Mailprogramm) Transmission Control Protocol und and[e]re, unter ander[e]m

246 vgl. VoIP Web oder www WLAN Z.

Abkürzungsverzeichnis

vergleiche Voice over IP (Technischer Internettelefonie-Standard) Word Wide Web (Technischer Standard im Internet) Wireless Local Area Network (Lokales Funknetz) Zeile

Gesetzes- und Urteilsverzeichnis

Gesetze Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Heilpraktikergesetz (HPG) – Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung Insolvenzordnung (InsO) Psychotherapeutengesetz (PsychThG) – Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder und Jugendlichenpsychotherapeuten Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) – Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) – Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten Sozialgesetzbuch, Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) Sozialgesetzbuch, Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) Sozialgesetzbuch, Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) Telemediengesetz (TMG)

Urteile Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 1. Senat, Urteil vom 2. 3. 2010, 1 BvR 256/08 / 1 BvR 263/08 / 1 BvR 586/, Absatz-Nr. 238, Urteil zur Vorratsdatenspeicherung, das anonyme Beratung als schützenswert hervorhebt. Verfügbar unter : http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html Abgerufen am: 24. 07. 2012 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), 3. Senat, Urteil vom 21. 01. 1993, Aktenzeichen: 3 C 34/90, Psychotherapie: inhaltlich beschränkte Berufserlaubnis nach dem HeilprG; keine Nachprüfung der Kenntnisse in Allgemeinmedizin; erlaubte nebenberufliche Tätigkeit hier : einer Diplom-Pädagogin. Verfügbar unter : http://www.juris.de/jportal/ portal/t/1dl8/page/jurisw.psml/screen/JWPDFScreen/filename/WBRE310584703.pdf Abgerufen am: 23. 07. 2012

Internetadressenverzeichnis

Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Arbeiterwohlfahrt (AWO) www.awo.de Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) www.bagfw.de Deutscher Caritasverband (DCV) www.caritas.de Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (Der PARITÄTISCHE) www.paritaet.org Deutsches Rotes Kreuz (DRK) www.drk.de Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW der EKD) www.diakonie.de Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) www.zwst.org

Onlineberatungsangebote Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung www.bag-sb.de Bundeskonferenz Erziehungsberatung www.bke.de / www.bke-beratung.de Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.drugcom.de / www.bzga.de Caritas Deutschland www.caritas.de/onlineberatung Das Beratungsnetz www.das-beratungsnetz.de Deutsche Aidshilfe www.aidshilfe-beratung.de / www.aidshilfe.de

250

Internetadressenverzeichnis

Deutsche Gesellschaft für Onlineberatung www.dg-online-beratung.de Diakonisches Werk Deutschland www.evangelische-beratung.info / www.diakonie.de Profamilia www.sextra.de / www.sexundso.de / www.profamilia.de Telefonseelsorge Deutschland www.telefonseelsorge.de

Mitgliedsverbände der Deutschen Gesellschaft für Beratung (DGfB) www.dachverband-beratung.de ACC – Verband für christliche Beratung und Seelsorge, Weissach www.ACC-Dachverband.de agba – Arbeitsgemeinschaft Beziehungsanalyse e. V., Hannover www.agba-ev.de bbs – Bundesfachverband betriebl. Sozialarbeit e. V., Tübingen www.bbs-ev.de bke – Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V., Fürth www.bke.de BVkathEFL – Bundesverband kath. Ehe-, Familien- u. Lebensberater/innen e.V., Marburg/ Lahn www.bv-efl.de BVPPT – Berufsverband für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie e. V., Eschweiler www.bvppt.de DAGG – Deutscher Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik e. V., Kassel www.dagg.de DAJEB – Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e. V., München www.dajeb.de DFG – Deutsche Focusing Gesellschaft e. V., Gengenbach www.focusing.de DFP – Deutscher Fachverband für Psychodrama e. V., Goslar www.psychodrama-deutschland.de DGfC – Deutsche Gesellschaft für Coaching e.V., Berlin www.coaching-dgfc.de DGfP – Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie e. V., Nürnberg www.pastoralpsychologie.de DGIK – Deutsche Gesellschaft für integrative Therapie, Gestalttherapie und Kreativitätsförderung, Herne www.dgik.de DGIP – Deutsche Gesellschaft für Individualpsychologie e.V., Gotha www.dgip.de

Internetadressenverzeichnis

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DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V., Köln www.dgsf.org DGSv – Deutsche Gesellschaft für Supervision e.V., Köln www.dgsv.de DGTA – Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse, Konstanz www.dgta.de DGVT – Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e. V., Tübingen www.dgvt.de und www.forum-beratung-dgvt.de dvb – Deutscher Verband für Bildungs- und Berufsberatung e. V., Schwerte www.dvb-fachverband.de DVG – Deutsche Vereinigung für Gestalttherapie e. V., Berlin www.dvg-gestalt.de EKFuL – Ev. Konferenz für Familien u. Lebensberatung e. V., Berlin-Mitte www.ekful.de GwG – Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie e.V., Köln www.gwg-ev.org KBKEFL – Kath. Bundesarbeitsgemeinschaft für Ehe-, Familie-, und Lebensberatung, Telefonseelsorge und OT, Bonn www.katholische-eheberatung.de Pro Familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e. V. Bundesverband, Frankfurt/Main www.profamilia.de RCI – Ruth Cohn Institute for TCI-international, Basel www.ruth-cohn-institute.org SG – Systemische Gesellschaft e. V. Deutscher Verband systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung, Berlin www.systemische-gesellschaft.de VHBC – Vereinigung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern zur Förderung von Beratung / Counseling in Forschung und Lehre e.V., Hagen www.vhbc.de WAB – Wissenschaftlich Assoziation für Beratung, Supervision und Organisationsentwicklung, Heidelberg www.wa-beratung.de

Assoziierte Mitglieder der DGfB BVkE – Bundesverband kath. Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen, e. V, Freiburg i. Br. www.caritas.de DGKT – Deutsche Gesellschaft für künstlerische Therapieformen e. V., Wuppertal www.dgkt.de EZI – Ev. Zentralinstitut für Familienberatung gGmbH, Berlin www.ezi-berlin.de

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Internetadressenverzeichnis

Mitgliedsverbände des Deutschen Arbeitskreises für Jugend-, Ehe- und Familienberatung (DAKJEF) www.dakjef.de Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke) www.bke.de Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB) www.dajeb.de Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung e.V. Fachverband für Psychologische Beratung und Supervision (EKFuL) www.ekful.de Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Ehe-, Familien- und Lebensberatung, Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. (Kath. BAG) www.katholische-eheberatung.de pro familia – Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. – Bundesverband www.profamilia.de

Weitere benannte Internetadressen beranet.de https://beranet.de/beranet2007/artikel/index.php?pos=0& THEMA=0000000 00100015 Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information: www.dimdi.de Qs-Kompendium des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: www.qs-kompendium.de Zeitschriftendatenbank (ZDB) der Deutschen Nationalbibliothek: http://dispatch.opac.d-nb.de

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beratungsinstitutionen in Deutschland Tabelle 2: Medientypologie Tabelle 3: Quartärmedien und ihre kommunikativen Ausprägungen Tabelle 4: Modell mediale Beratung Tabelle 5: Zentrale Ebenen der Untersuchung Tabelle 6: Übersicht der Interviews Tabelle 7: Abkürzungen der Interviews Tabelle 8: Zielgruppen und Beratungsangebote der untersuchten Beratungsstellen Tabelle 9: Weitere Angebote der untersuchten Beratungsstellen Tabelle 10: Rahmenbedingungen der untersuchten Beratungsstellen Tabelle 11: Die Beratungssettings der untersuchten Beratungsstellen Tabelle 12: Anmeldung zur FtF-Beratung in den untersuchten Beratungsstellen Tabelle 13: Settingswechsel in den untersuchten Beratungsstellen Tabelle 14: Matrix und Typologie der Beratungsmedien Tabelle 15: Mediale Einbettungsmöglichkeiten in Beratungssettings Tabelle 16: Gesamtarrangement von Beratung

17 f. 52 61 66 84 87 90 124 125 127 129 f. 131 132 232 234 236

Anhang

Interviewleitfäden In drei Varianten in Interviews 1 bis 9 verwendet. Die Varianten sind jeweils gekennzeichnet: Interview 1 ohne offene Eingangsfrage. Interviews 3 und 4 mit derselben Eingangsfrage (Stimulus). Interviews 2, 5 bis 9 mit derselben Eingangsfrage (Stimulus).

Thema: Wandel der Beratung durch die Kommunikationstechnologie Forschungsfrage Wie verändert sich die Beratung durch die Kommunikationstechnologie?

Offene Eingangsfrage (Stimulus), verwendet in den Interviews 3 und 4: Ich interessiere mich für den Wandel in der Beratungspraxis durch neue mediale Möglichkeiten. Fangen Sie ruhig damit an, was Ihnen dazu als erstes einfällt… (Die offene Erstantwort durch geeignete Verhaltensweisen wie z. B. Bestätigung in Gang halten. Ggf. nach Konkretisierungen und Beispielen fragen.)

Offene Eingangsfrage (Stimulus), verwendet in den Interviews 2 und 5 bis 9: Können Sie mir sagen, wie sich die Beratung durch die Kommunikationstechnologie verändert? Fangen Sie ruhig damit an, was Ihnen dazu als erstes einfällt…

266

Anhang

(Die offene Erstantwort durch geeignete Verhaltensweisen wie z. B. Bestätigung in Gang halten. Ggf. nach Konkretisierungen und Beispielen fragen.) Die Beratungsangebote der Beratungsstelle konkret – Würden Sie mir zu Beginn Ihre Beratungsangebote im Überblick beschreiben? Wandel / Veränderungen in der Beratungspraxis allgemein – Würden Sie sagen, dass sich in den vergangenen 5 bis 10 Jahren die Beratungspraxis verändert hat? – Wenn »ja« in welcher Hinsicht? – Können Sie sagen welche Bedingungen vor allem zu einer Veränderung in der Beratungspraxis geführt haben? – Hat sich in den konkreten Beratungsprozessen etwas verändert? – Wenn ja, können Sie ein Beispiel nennen für eine typische veränderte Beratungssituation? – Wie geschieht bei Ihnen die Anmeldung zur (Face-to-Face-)Beratung? Nutzung von Computer / Internet / Neue Medien in der Beratungsstelle – Haben Computer / Internet / Neue Medien allgemein etwas im Beratungsalltag in Ihrer Stelle etwas verändert? – Wie sehen Sie mögliche Veränderungen? – Haben Sie eine Homepage von Ihrer Stelle im Netz? – In welcher weise Nutzen Sie diese? – Spielt mediale Beratung in Ihrer Beratungspraxis eine Rolle? Veränderung des Klientenbildes – Hat sich das Verhalten der Klienten verändert? – Haben sich die Anliegen der Klienten in den vergangenen 5 bis 10 Jahren verändert? – Gibt es andere Themen in der Beratung als noch vor einigen Jahren? Wandel der Berater-Rolle – Hat sich Ihre Rolle als Berater/in gewandelt? – Gibt es andere Erwartungen der Klientel an Sie als Berater/in? – Gibt es andere Erwartungen von anderer Seite an Sie als Berater/in?

Interviewleitfäden

267

Veränderung der Kommunikation – Nehmen Sie Veränderungen in der Art der Kommunikation Ihrer Klientel wahr? – Haben diese Veränderungen einen Zusammenhang mit der Medienentwicklung der letzten Jahre? Informiertheit der Klienten durch das Internet – Spielt es eine Rolle in der Beratung, dass sich Klienten heute über das Internet detailliert über viele Themen informieren können? – Falls dies in der Beratung auffällt: Ist das eher hilfreich oder eher hinderlich für die Beratung? Grenzen und Möglichkeiten medialer Beratung – Sehen Sie eher Chancen oder eher Gefahren in medialer Beratung? – Worin liegen die Chancen? – Worin die Gefahren? Virtuelle Identitäten – Virtuelle Identitäten: Wie sehen Sie die Möglichkeit der Modellierbarkeit der Identität bei medialer Kommunikation in Bezug auf Ihre Beratungspraxis? Erfahrungen mit Medienwechsel – Haben Sie selbst Erfahrungen mit Medienwechsel (Telefon f-to-f- / Mail Telefon / Brief…) – Gibt es solche Erfahrungen in Ihrer Einrichtung? – Wie sehen Sie fachlich den Medienwechsel beziehungsweise mediale Wechsel in der Beratung? Fehlen von nonverbalen Hinweisen – Welche Bedeutung messen Sie dem Fehlen von nonverbalen Kommunikationsanteilen bei? – Sehen Sie das eher als einen Vorteil oder eher als einen Nachteil? – Wird das Fehlen nonverbaler Kommunikation durch neue Formen kompensiert oder bleibt da ein diagnostische Lücke? Zukunftsperspektiven für die Beratung – Gibt es Entwicklungstrends in der Beratung, die sich Ihrer Meinung nach fortsetzen? – Wie sehen Sie die Zukunft der Beratung? – Auf welchen Erfahrungen basieren diese Zukunftserwartungen? – Können Sie positive Szenarien benennen?

268

Anhang

– Gibt es Entwicklungen, die Sie skeptisch sehen? – Können Sie negative Szenarien in Bezug auf mediale Beratung und Beratungsarbeit benennen? – Sehen Sie Konflikte / Probleme zwischen der Medienentwicklung und den Zielen Iher Beratung? Trends in der medialen Kommunikation und Kommunikationstechnik Wie beurteilen Sie folgenden Möglichkeiten der medialen Beratung: – Können Sie den Trend der Digitalisierung auch in Ihrer Beratungsstelle erkennen? – Hat mobiles Kommunizieren (Ortsunabhängigkeit) bislang eine Auswirkung auf Ihre Beratungspraxis? – Multitasking / Mehrkanalaktivitäten: Das gleichzeitige verwenden von verschiedenen Medien hat das eine Bedeutung für Ihre Beratungspraxis (Telefon / Mail gleichzeitig)? – Konvergenz: Integration unterschiedlichster Medien in Endgeräte – Kanalwechsel während der Beratung: Session-IDs – Live-Monitoringfunktion Zum Ende des Interviews – Gibt es noch Punkte, die Sie zum Ende des Interviews noch benennen möchten? – Vielleicht ist Ihnen jetzt noch etwas eingefallen, das Ihnen interessant oder wichtig erscheint?

Standardisierte Fragebögen

269

Standardisierte Fragebögen Fragen zum Interview Meine Funktion(en) in der Beratungsstelle & Berater/in & Leiter/in & _________

Dokumentieren Sie standardisiert die Beratungen in Ihrer Stelle? & Ja & Nein Falls »Ja«: & Die Dokumentation beginnt mit dem Punkt an dem der/die Ratsuchende/r auf die Einrichtung aufmerksam wird (z. B. Zeitung, Telefonbuch) & Die Dokumentation beginnt mit dem Punkt an dem der/die Ratsuchende/r ersten Kontakt mit der Beratungsstelle aufnimmt (z. B. Telefon, E-Mail, Chat) & Die Dokumentation beginnt mit dem Punkt an dem der Ratsuchende persönlich in die Beratungsstelle kommt. Medien-Nutzung der Beratungsstelle & Unsere Beratungsstelle hat einen Internetanschluss & Die Beratungsstelle hat eine Homepage im Internet & Die Stelle ist per E-Mail erreichbar (im Internet veröffentlicht) & Folgende weiteren medialen Möglichkeiten gibt derzeit mit der Beratungsstelle als Ratsuchende/r in Kontakt zu treten:

Haben Sie einen aktuellen Jahresbericht / Statistik Ihrer Beratungsstelle? & Ja & Nein Falls »Ja«: Den Bericht kann ich für die Forschungsarbeit aushändigen & Ja & Nein

Gibt es in Ihrem Dach-/Fachverband ein schriftliches Beratungskonzept? & Ja & Nein Falls »Ja«: Ist darin mediale Beratung erfasst? & Ja & Nein Falls »Ja«: Dieses Konzept kann ich für die Forschungsarbeit aushändigen & Ja & Nein

270

Anhang

Gibt es in Ihrem Dach-/Fachverband ein eigenes schriftliches Konzept für mediale Beratung? & Ja & Nein Falls »Ja«: Dieses Konzept kann ich für die Forschungsarbeit aushändigen & Ja & Nein

Gibt es in Ihrem Dach-/Fachverband spezielle Weiterbildungen zu medialer Beratung? & Ja & Nein Falls »Ja«: Die Weiterbildungsangebote kann ich für die Forschungsarbeit in schriftlicher Form aushändigen & Ja & Nein

Diese Formen von Beratung bietet unsere Stelle an (ggf. Abschätzung in Zukunft): face to face

& Ja

& in Planung

Mail

& Ja

& in Planung

Chat

& Ja

& in Planung

Foren

& Ja

& in Planung

________

& Ja

& in Planung

Meine eigenen Qualifikationen Studium: & Pädagogik & Psychologie & Theologie & Sozialpädagogik / Sozialarbeit & ___________

& später wahrscheinlich & später wahrscheinlich & später wahrscheinlich & später wahrscheinlich & später wahrscheinlich

& voraussichtlich nie & voraussichtlich nie & voraussichtlich nie & voraussichtlich nie & voraussichtlich nie

Aus-/Weiterbildung: Beratung/Therapie: & Verhaltenstherapie & Tiefenpsychologie & Systemisch & Gestalt & ___________

Standardisierte Fragebögen

271

Persönliche Medien-Nutzung & Ich selbst nutze E-Mail & Ich selbst habe schon mindestens einmal gechattet & Ich selbst nutze ein Handy & Ich selbst nutze _____________________________

Selbsteinschätzung: Ich selbst sehe mich eher als & medienkritisch & medieninteressiert & weder noch

Sehen Sie durch die neuen medialen Möglichkeiten einen weitergehenden Bedarf bezüglich der Aus- und Weiterbildung von BeraterInnen, der zur Zeit noch nicht abgedeckt wird? & Ja & Nein