Neue Überlegungen zur Varusschlacht 3402035022, 9783402035023


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German Pages [160] Year 2004

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Table of contents :
Title Page
Inhalt
I. Antike Schriftquellen
II. Die Situation im rechtsrheinischen Germanien zur Zeit des P. Quinctilius Varus
III. Kultversammlungen als Voraussetzung für die Planung einer Erhebung der Germanen
IV. Das Sommerlager des Varus an der Weser im Jahre 9 n. Chr.
V. Wachsende germanische Unruhen
VI. Bericht über einen angeblichen Aufstandund die Warnung des Varus durch Segestes
VII. Gründe für die Arglosigkeit des Varus
VIII. Kultfest der Kultverbände
IX. Neue Deutung des „saltus Teutoburgiensis“
X. Die Konzentration germanischer Stammesverbände im Herbst 9 n. Chr. unter den Augen der Römer
XI. Die militärische Angriffsplanung des Arminius
XII. Kriterien für die Örtlichkeit der Varusschlacht
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Anmerkungen
Nachtrag: Entdeckung eines weiteren Römerlagers in Olfen an der Lippe
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Neue Überlegungen zur Varusschlacht
 3402035022, 9783402035023

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„Das Buch von Wilm Brepohl hebt sich durch seine differenzierende Betrachtungsweise wie auch durch die Verwendung interdisziplinärer Forschungsergebnisse wohltuend von vielen anderen Arbeiten zu diesem Thema ab“. Westfälische Forschungen ISBN 978-3-402-03502-3

Neue Überlegungen zur Varusschlacht

Für die dritte Auflage wurde die Darstellung ausführlich überarbeitet und ergänzt.

Brepohl

In seinen „Neuen Überlegungen zur Varusschlacht“ untersucht Wilm Brepohl Voraussetzungen und Bedingungen für den Aufstand der Germanen gegen Varus und die römische Besatzungsmacht. Anhand genauer Studien der antiken Schriftquellen (Paterculus, Florus, Dio und Tacitus) zeichnet Brepohl die Situation im rechtsrheinischen Germanien nach und deckt insbesondere die Ignoranz des Varus gegenüber der Stammes- und Sippengesellschaft und ihrer religiösen Grundlagen in Germanien als verheerend auf. Die religiösen Kultversammlungen der Germanen erwiesen sich als optimale Voraussetzung für die Planung eines Aufstands und sollten schließlich auch in der äußerst geschickten Angriffsplanung des Arminius eine bedeutende Rolle spielen: Zu einer Art „Gipfeltreffen“ anlässlich einer zentralen Kultversammlung gelockt, liefen Varus und seine Armee arglos in die Falle und wurden in dreitägiger Schlacht besiegt.

Wilm Brepohl

Neue Überlegungen zur Varusschlacht

Dritte Auflage

Brepohl Neue Überlegungen zur Varusschlacht

Die Abbildung auf dem Umschlag zeigt einen Ausschnitt des Bildes von Friedrich Tüshaus „Schlacht zwischen Germanen und Römern am Rhein“ aus dem Jahre 1876. (Westf. Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, Münster. Dauerleihgabe des Westf. Kunstvereins)

Wilm Brepohl

Neue Überlegungen zur Varusschlacht

3. Auflage

Der Verfasser dankt ausdrücklich Frau Dr. Gabriele Isenberg, der ehemaligen Leiterin der LWL-Archäologie für Westfalen, Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Behr, dem ehemaligen Leiter des Staatsarchives Münster, dem Vorsitzenden der Geographischen Kommission für Westfalen Herrn Prof. Dr. Klaus Temlitz und insbesondere dem Leiter des LWL-Römermuseums in Haltern am See Herrn Dr. Rudolf Aßkamp für Ermutigung und Unterstützung.

3. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 2011

© 2011, Wilm Brepohl, Verlag: Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen.

Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG ISBN 978-3-402-03502-3

Inhalt I. II.

Antike Schriftquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Die Situation im rechtsrheinischen Germanien zur Zeit des P. Quinctilius Varus . . . . . . . . . . . . 10 III. Kultversammlungen als Voraussetzung für die Planung einer Erhebung der Germanen . . . . . . . 17 IV. Das Sommerlager des Varus an der Weser im Jahre 9 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 V. Wachsende germanische Unruhen . . . . . . . . . . . 32 VI. Bericht über einen angeblichen Aufstand und die Warnung des Varus durch Segestes . . . . . . . 41 VII. Gründe für die Arglosigkeit des Varus . . . . . . . . 54 VIII. Kultfest der Kultverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IX. Neue Deutung des „saltus Teutoburgiensis“ . . . 78 X. Die Konzentration germanischer Stammesverbände im Herbst 9 n. Chr. unter den Augen der Römer . . . . . . . . . . . . . . . . 84 XI. Die militärische Angriffsplanung des Arminius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 XII. Kriterien für die Örtlichkeit der Varusschlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur . . . . . . . . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwandtschaftsbeziehungen des Arminius . . . . . . . . . Zeittafel und wichtige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Arminius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Antike Schriftquellen

B

ei der Rekonstruktion der Ereignisse rund um die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. ist die Forschung weitgehend auf antike Schriftquellen angewiesen, soweit der bisherige Wissensstand nicht durch archäologische Erkenntnisse bestätigt oder widerlegt wird.1 Durch römische Militaria- und Münzfunde am Kalkrieser Berg nördlich von Osnabrück will ein Teil der heutigen Forschung dort den Schlachtort der Varuskatastrophe endgültig gefunden haben.2 Doch im Verlauf der Forschungsdiskussion, ob Kalkriese tatsächlich der Ort der Varusniederlage ist, stellt sich heraus, dass wichtige Aspekte und Hinweise aus den nach wie vor unverzichtbaren, überlieferten antiken Schriftquellen um den Verlauf der Varusschlacht neu zu hinterfragen sind. So drängen sich unter anderem fünf folgende Fragen auf, in der die aktuelle Literatur und Forschung bislang überhaupt nicht oder höchstens ganz beiläufig behandelt worden sind. 1. Warum sollen Varus und sein herausragender Generalstab ausgerechnet im ,germanischen‘ Herbst in entfernt gelegenen Gebieten ohne dortige römische Truppenpräsenz einen Aufstand niederschlagen wollen, gegen wen sollte sich dieser Aufstand richten, und warum nimmt man auf einen solchen Kriegszug den sehr großen zivilen Tross mit Tausenden von Frauen, Kindern, Verwaltungsbeamten und Händlern aus dem Sommerlager mit? 2. Warum sollte ausgerechnet Segestes, der Vater der Thusnelda, den Varus vor dem geplanten Überfall des Arminius gewarnt haben, wo er doch selber am Kampf gegen Varus teilnahm, und an seinem Wohnsitz sogar etliche Beutestücke aus der Varusniederlage gefunden wurden?

Antike Schriftquellen

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3. Wieso bemerkte der durch Informanten und eigene Verbindungen sehr gut unterrichtete Generalstab angeblich nicht, dass abertausende germanische Krieger verschiedener Stämme aus verschiedenen Richtungen ungestört und völlig unbemerkt zu einem bestimmten Ort im römischen Besatzungsgebiet kommen konnten? 4. Warum interessiert es die vorherrschende Forschungsmeinung nicht, oder höchstens beiläufig, dass in der Schlachtortbeschreibung des Tacitus dort von Altären, von dazugehörenden Opfergruben, von einem Tribunal, von an Bäume genagelten Schädeln und von speziellen Vorrichtungen zum Aufhängen von Menschen die Rede ist? Dabei sind dies doch eindeutige Hinweise, die nicht auf ein typisches Schlachtfeld zutreffen, sondern die überzeugend auf den Kultcharakter dieses Ortes hinweisen. 5. Warum wird die einzige mit der Varusniederlage zusammen genannte Örtlichkeit „saltus Teutoburgiensis“ lediglich adjektivisch mit ,Teutoburger Wald‘ übersetzt und nicht mit „(Opfer-)Wald der Teutoburg“, was die Suche nach der konkreten Örtlichkeit der Varuskatastrophe erleichtern dürfte? Eine Deutung, die dann im Zusammenhang mit den genannten sakralen Bezügen der Schlachtfeldbeschreibung des Tacitus auf ein zentrales Kultheiligtum der Rhein-Weser-Ems-Germanen hinweisen würde bzw. könnte.3 Bei der genauen Heranziehung und Hinterfragung der überlieferten antiken Quellen ist zu berücksichtigen, dass sie sich nur nach genauer Kenntnis ihrer jeweiligen Eigenarten und Tendenzen einschließen lassen. Die antiken Autoren haben ihre Darstellung der Ereignisse um die Varusschlacht zumeist mehr als ein halbes Jahrhundert später niedergeschrieben.

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Antike Schriftquellen

Nur vier historiografische Quellen über den Verlauf der Varusschlacht sind überliefert: 1. Die um 30 n. Chr. verfasste Darstellung des Zeitgenossen Velleius Paterculus; 2. der wohl aus der Zeit des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) stammende Bericht des L. A. Florus, der in sich widersprüchlich ist; 3. die recht ausführliche, an wichtigen Stellen jedoch durch Textlücken und Textkorruptelen beeinträchtigte, in griechisch vermutlich um 200 n. Chr. verfasste Darstellung des Cassius Dio, die sich offenbar auf eine qualitätsvolle, lateinische Primärquelle stützt, und 4. die Nachrichten und Rückverweise in den nach 110 n. Chr. geschriebenen Annalen des Tacitus, insbesondere der Bericht über das Aufsuchen des Ortes der Varusschlacht durch Germanicus im Jahre 15 n. Chr. Als Hauptquellen dienten hierbei die Bella Germaniae des Plinius Secundus d. Ä. (23–79 n. Chr.), wobei Tacitus auch auf die ,acta senatus‘ zurückgreifen konnte. Dies ergibt sich aus der großen Übereinstimmung zwischen seinen Berichten und den Dokumenten des für die Regierungszeit des Tiberius (14 – 37 n. Chr.) besonders ergiebigen Senatsarchivs.4 Obwohl diese Darstellungen nicht nur aus römischer, sondern auch aus subjektiver Sicht der jeweiligen Autoren geschrieben wurden, bleiben sie dennoch weiterhin die wichtigste Grundlage für die Rekonstruktion der Ereignisse um die Varusschlacht.5 „Die aussichtsreichste Methode, um zu einer sachkritisch einigermaßen befriedigenden Vorstellung vom Ablauf der Varusschlacht zu gelangen, dürfte daher in einer Kombination von Dios relativ ausführlichem Bericht mit Tacitus’Angaben

über die Schauplätze und Stadien des Kampfgeschehens bestehen.“6

II.

A

Die Situation im rechtsrheinischen Germanien zur Zeit des P. Quinctilius Varus

ufgrund des zweiten Germanien-Kommandos des Tiberius (4/5 n. Chr.) konnte auch das rechtsrheinische Germanien als unterworfen angesehen werden.7 Cassius Dio (56, 18,2,3) formulierte es u.a. wie folgt: „(2)… ihre Truppen überwinterten dort und gründeten Städte und die Barbaren passten sich an ihre Ordnung an, gewöhnten sich an Märkte und trafen sich in friedlichen Versammlungen. Sie vergaßen freilich nicht ihre traditionellen Bräuche, ihre angestammte Art und ihre auf dem Recht des Waffentragens beruhende freie Lebensweise. (3) Daher waren sie nicht empört über die Veränderung ihres Lebens und bemerkten den Wandel kaum, solange sie nur allmählich und nach einem behutsamen Verfahren ihre alten Gewohnheiten verlernten …“ Diese Textstelle, wonach im rechtsrheinischen Germanien bereits Städte gegründet wurden, wurde in der Forschung als historisch unzutreffend angesehen, da es bislang keinerlei archäologische Belege für römische Stadtgründungen in diesem Gebiet gab. Die archäologischen Funde und Befunde im hessischen Lahnau-Waldgirmes lassen es angeraten sein, dem Cassius Dio zu folgen.8 R. Aßkamp hält auch auf Grund archäologischer Befunde für Haltern die Gründung einer zivilen Siedlung, vielleicht sogar eines Hauptortes, ähnlich wie für Waldgirmes für sehr wahrscheinlich. Neue gewichtige Funde und Befunde lassen es nach Asskamp sehr wahrscheinlich sein, dass das Hauptla-

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Situation im rechtsrheinischen Germanien

ger in Haltern mit dem langgesuchten Lager ,Aliso‘ identisch ist.9 Der Hinweis allerdings, „sie vergaßen freilich nicht ihre traditionellen Bräuche, ihre angestammte Art und ihre auf dem Recht des Waffentragens beruhende freie Lebensweise“, ist ein wichtiger Schlüssel für die Motive der Germanen, sich später gegen Varus zu erheben. Die religiöse Durchdringung des öffentlichen und privaten Lebens war die Grundlage ihrer germanischen Identität. Alles war durchwoben vom göttlichen Willen, der sich in Vorzeichen, Riten und Kultfesten manifestierte.10 Nach M. Eliade war die Religion der Germanen eine der komplexesten und ursprünglichsten Religionen in Europa.11 Nach der militärischen Unterwerfung der germanischen Stämme sollte bekanntlich ab 7 n. Chr. durch die Statthalterschaft des P. Quinctilius Varus – wohl auf Weisung des Augustus – der Aufbau einer entsprechenden Provinzorganisation, einschließlich der Vorbereitungen für einen umfassenden Census, vorbereitet werden.12 Die Erfassung und Heranziehung der unterworfenen germanischen Stämme zu drückenden Census-Leistungen stand in engem Zusammenhang mit den enormen Kosten für die Niederschlagung der Aufstände in Illyrien und Pannonien im Balkangebiet. Rom hatte dadurch große Finanz- und Versorgungsprobleme. Die Intensivierung der Census-Erhebung führte zu erheblichen administrativen und juristischen Eingriffen bei den germanischen Stämmen.13 Varus, durch die Heirat mit Claudia Pulchra, einer Großnichte des Augustus mit dem Kaiserhaus verwandtschaftlich verbunden, war 13 v. Chr. zusammen mit Tiberius Konsul gewesen. Später wurde er erfolgreicher Prokonsul in Afrika, Statthalter in Syrien und Sieger über die aufständischen Juden.14 Der erfahrene Beamte Varus hatte somit auch seine Befähigung als militärischer Oberbefehlshaber unter Beweis

Situation im rechtsrheinischen Germanien

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gestellt. Er schien somit geeignet zu sein, das schwierige Amt eines zukünftigen Statthalters im rechtsrheinischen Germanien auszuüben. Als Statthalter, das heißt als „legatus Augusti pro praetore“, in Gallien war er bereits der direkte Vertreter des Augustus und damit kraft Amtes auch Oberbefehlshaber über die „Rheinarmee“ und gleichzeitig Amtsinhaber der höchsten zivilen Gerichtsbarkeit und der gesamten römischen Verwaltung.15 Dass er letztendlich dennoch in Germanien scheiterte, lag wohl hauptsächlich daran, dass er mit seiner Besatzungspolitik die gesellschaftlichen, religiös begründeten Verhältnisse von Gentilgesellschaften (Stammes- und Sippengesellschaften) ignorierte. So versuchte Varus u.a., Konflikte zwischen den germanischen Stämmen gerichtlich vor seinem Tribunal zu regeln. Das setzte aber die Unterwerfung der Germanen unter das ihnen fremde römische Rechtssystem voraus verbunden mit der Hinnahme der ausgesprochenen römischen Strafen, die sich rücksichtslos über die religiös manifestierten alten Stammesrechte hinwegsetzen.16 Rund 200 Jahre später beschreibt dies Cassius Dio folgendermaßen (56, 18,3,4): „Als aber Quinctilius Varus das Kommando in Germanien übernommen hatte und die Verhältnisse bei ihnen auf Grund seiner Amtsgewalt zu ordnen suchte, war er bestrebt, sie [die Germanen] schneller völlig umzuformen; er gab ihnen generell Befehle, als ob sie schon in Knechtschaft lebten, und trieb von ihnen Tribut ein, wie dies gegenüber Untertanen üblich ist, (4) da ertrugen sie diese Behandlung nicht länger; die Stammesführer, die ihre frühere Machtstellung zurückgewinnen wollten, und die breite Masse, die den altgewohnten Zustand höher schätzte als die Fremdherrschaft, lehnten sich zwar nicht offen auf, da sie sahen, dass viele Römer am Rhein stationiert waren und zahlreiche weitere in ihrem eigenen Land standen.“ Florus, ein Zeitgenosse des

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Situation im rechtsrheinischen Germanien

Kaisers Hadrian, hielt diesbezüglich demVarus vor (Florus 2, 31): „Dieser wagte es sogar, eine (Gerichts-)Versammlung einzuberufen, und er hatte sie recht unvorsichtig anberaumt, so als könne er der Wildheit der Barbaren mit den Stäben der Lictoren und der Stimme des Gerichtsdieners Einhalt gebieten.“ Mit der Praktizierung des römischen Rechts und der Erhebung von Tributen als dem Beginn, eine römische Provinzialverwaltung aufzubauen, wurde in höchstem Maße die kulturell-religiöse Identität der germanischen Stämme in Frage gestellt. Dies musste den erbitterten Widerstand vor allem derjenigen gesellschaftlichen Kräfte hervorrufen, die für die Bewahrung und Einhaltung der Sitten und Gebräuche auf Grund göttlichen Rechts Verantwortung trugen, nämlich die Priester und die Stammesadeligen. Militärisch besiegt zu werden, war nach göttlichem Willen hinzunehmen. Dies war durch spätere Kämpfe änderbar. Ein Zerbrechen der heiligen, überlieferten Sitten aber bedeutete über kurz oder lang den Untergang der Stammesgesellschaften. Schon Florus (2, 30) bemerkte in seinem Bericht über Drusus: „Da die Germanen eher besiegt als bezwungen waren, blickten sie unter dem Feldherrn Drusus eher argwöhnisch auf unsere Sitten als auf unsere Waffen …“ Das Beispiel der ,romanisierten‘ Gallier, die sich lange Zeit durch ihre Tapferkeit auszeichneten, mag den Germanen dabei als warnendes Beispiel gedient haben, was die Aufgabe von althergebrachten, vertrauten Sitten und Lebensumständen für ihre jeweiligen Stämme bewirken könnte. So begründet Caesar (De bello Gallico, 6. Buch, 24, 4, 5, 6) das damalige Machtverhältnis zwischen Galliern und Germanen wie folgt: „Die Germanen aber sind bei ihrer alten Armut, Bedürftigkeit und Genügsamkeit geblieben, ebenso bei ihrer Lebensweise und Körperpflege. Die Gallier dage-

Situation im rechtsrheinischen Germanien

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gen sind durch die Nähe der römischen Provinzen und durch ihre Bekanntschaft mit überseeischen Erzeugnissen in vielen Beziehungen üppiger geworden. So haben sie sich allmählich daran gewöhnt, die Schwächeren zu sein, und in vielen Kämpfen geschlagen, stellen sie nicht einmal selbst mehr die Überlegenheit der Germanen in Abrede.“ Indem Varus bereits über zwei Jahre im rechtsrheinischen Germanien als Statthalter einer sich nach römischer Auffassung in Entstehung befindlichen Provinz agierte, musste dies zwangsläufig den Unmut aller derjenigen Kräfte der Stammeseliten mehren, die die alten überlieferten germanischen Werte und Strukturen beibehalten wollten. Das wird sicherlich vor allem auch für die Priester gegolten haben. Bei den germanischen Priestern handelte es sich um ehrwürdige, hoch angesehene Stammesmitglieder und nicht um Angehörige eines eigenen Priesterstandes wie die Druiden in Gallien. Sie hatten aus römischer Sicht des Tacitus (Germania, 7, 2; 10, 2; 11, 1) die Pflichten und Aufgaben, den Willen der Gottheit zu erforschen, zu verkünden und ihn auch durchzusetzen. Besonders die Priester werden sehr genau gewusst haben, dass die innere gesellschaftliche Stabilität und die religiös begründete Identität ihrer Stämme nur dauerhaft Bestand haben könnten, wenn die eng verwobenen Beziehungen zwischen den Glaubensvorstellungen mit ihren Riten und Kulten und dem weltlichen, sozialen Leben erhalten blieben. Sollte es der römischen Besatzungsmacht nämlich gelingen, nur einen Bereich aus diesem geistigen, gesellschaftlichen, religiöskulturellen Verbund herauszulösen, würde die gesamte Kultund Stammesstruktur in absehbarer Zeit auseinander fallen.17 Doch nicht alle Stammeseliten vertraten diese Position. Varus, der lange Jahre in Palästina und Syrien erfolgreiche Befriedungspolitik betrieben hatte18, war von dort her hierarchisch feste Strukturen innerhalb der Führungsschichten

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Situation im rechtsrheinischen Germanien

gewohnt. Doch dies war gerade bei den germanischen Gentilgesellschaften nicht gegeben. Die Festigkeit und Stabilität und somit die Berechenbarkeit der Stammesautoritäten schwankten und waren oft unübersichtlich. Es bestand insofern ein generelles römisches Dilemma, dass die germanischen Stämme im römisch militärischen Einflussgebiet in ihrer Beziehung zu den Römern keine einheitliche Position einnahmen. Verkürzt könnte es so formuliert werden: Es gab einerseits die konservativen „Traditionalisten“ und andererseits die römerfreundlichen „Neuerer“, die sich als Realpolitiker für ihre Stämme bessere Lebensbedingungen von einer „Gallisierung“ Germaniens erhofften. Die daraus resultierenden innenpolitischen Spannungen gingen mitten durch germanische Stämme, Sippenverbände und Familien, wie es in den antiken Schriften besonders für die Cherusker aufgezeigt wird, wobei hier Segestes und Flavus (Schwiegervater und Bruder des Arminius) vorrangig zu nennen sind.19 [Zu den Verwandtschaftsbeziehungen des Arminius siehe S. 145] Es ist davon auszugehen, dass die Priester zu den „Traditionalisten“ gehörten, die sicherlich bereit waren, ihren Anteil zu einem wie auch immer zu leistenden Widerstand gegen die römische Fremdherrschaft beizutragen. Die Position und der Einfluss der Priester dürften auch zu den wichtigsten Voraussetzungen für die strategische Widerstandsplanung des Arminius gehört haben. Der Einfluss der heimischen Religion – verkörpert durch die Priester – mit ihren Riten und Kulten, mit göttlichen Ge- und Verboten dürfte groß genug gewesen sein, dass selbst die „Neuerer“ sich diesem Zwang nicht entziehen konnten. Dies galt erst recht, wenn Beratungen an geheiligten Orten gewissermaßen göttlich sanktioniert wurden. Niemand durfte gleichsam einen Tabubruch begehen und dort Beratenes gegen göttliches Gebot an Unbefugte weitergeben. Da die Führung der germanischen Stämme die

Situation im rechtsrheinischen Germanien

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militärische Stärke und Überlegenheit des römischen Heeres wiederholt erlebt und erlitten hatte, sie obendrein noch aus „Traditionalisten“ und „Neuerern“ bestand, musste Arminius neue Mittel und Wege des Widerstandes gegen die fremden Okkupanten beschreiten, die mit Hilfe der Priester geheim bleiben mussten. Es ist die Tragik des Varus, die innere, widersprüchliche Struktur der Stammeseliten nicht richtig eingeschätzt zu haben, falls ihm diese überhaupt als Problem so deutlich wurde. Es wird von ihm als Selbstverständlichkeit angesehen worden sein, dass es bei jedem gesellschaftlichen Umbruch – und das war die Provinzwerdung des rechtsrheinischen Germaniens für die dortigen Stämme – immer beharrende Kräfte gab, die den Neuerungen gegenüber feindlich gesinnt waren. Wichtig war es ihm, die progressiven Stammeseliten für die gemeinsame Zukunft zu gewinnen.

III.

Ü

Kultversammlungen als Voraussetzung für die Planung einer Erhebung der Germanen

ber Kult und Religion der germanischen Stämme gibt es nur spärliche antike Berichte, und wenn dann aus Sicht fremder Kulturen und Religionen. Vor allem die entsprechenden Darlegungen des Tacitus in den Annalen (I, 59; XIII, 57) und der Germania (39–40) sind hier zu nennen. Doch gibt es auch eine aus der Wikingerzeit zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert stammende nordgermanische Liedersammlung, die sogenannte ältere Edda, die als germanische Schriftquelle anzusehen ist. Über die religiöse Identität innerhalb des Kultverbandes der Istvaeonen mit ihren Opferkulten und Riten an geheiligten Kultplätzen kann sie jedoch nichts oder fast nichts aussagen. Da die Edda aber wichtige Hinweise über die nordische Mythologie mit ihrer Götterwelt liefert, kann sie dennoch als ein Hilfsmittel zum Verständnis und zur Interpretation des westgermanischen Glaubens um Christi Geburt herangezogen werden. Dabei muss gleichzeitig mit berücksichtigt werden, dass es die einheitliche, allgemein für alle Germanen verbindliche Religion nie gegeben hat. Es ist daher bei schriftlosen Stammesgesellschaften, deren Mythen und ihr Glaube mit entsprechenden Kulten und Opferriten nur mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurden, aus heutigem Verständnis sehr schwierig, ihre damalige religiöse Identität in sich schlüssig und exakt zu rekonstruieren. Der Vor- und Frühgeschichtler K. Narr weist daher zu recht darauf hin, dass Religion als geistiges Phänomen, wobei dem ,Wort‘ eine herausragende Rolle zukommt, auch archäologisch nicht zu fassen sei: „Die Inhalte lassen sich daher nur unter günstigen Bedingungen indirekt aus allgemeinen Erwä-

Kultversammlungen

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gungen und den materiellen Niederschlägen kultischer und magischer Betätigungen erschließen. Nicht selten aber kann ein bestimmter Befund auf verschiedene Art erklärt werden und es gilt deshalb zunächst die wahrscheinlichsten Möglichkeiten auszuwählen. Sie werden in der Regel durch diejenigen Analogien zu ermitteln sein, die wirklich vergleichbaren Verhältnissen angehören, das heißt prinzipiell übereinstimmenden kulturellen Grundstrukturen.“20 Da dies für die Westund Nordgermanen trotz der Zeitunterschiede hinsichtlich der Edda angenommen wird, werden auch die aus der Edda überlieferten religiösen Grundaussagen und Glaubensgefühle für die Glaubenswelt der Westgermanen um Christi Geburt im Grundsatz gegolten haben. Hinweise auf mehrere große Heiligtümer in geheiligten Hainen sind für die Westgermanen nur durch Tacitus überliefert worden, die jedoch bislang archäologisch nicht nachgewiesen werden konnten. Sie dienten auch als Versammlungsstätten, wo wichtige Angelegenheiten unter Eid beschlossen wurden. Doch über die kultischen Handlungen selbst, die die Verschmelzung des Menschlichen mit dem Göttlichen bewirken sollten, gibt es nur spärliche Nachrichten..21 Tacitus (Historien 4, 14,2 und 15,1) berichtet u. a. über Civilis, den Führer des Bataveraufstandes im Jahre 69/70 n. Chr.: „Civilis rief die Großen des Stammes und die Bereitwilligsten aus dem Volk scheinbar zu einem kultischen Mahl in einem Hain zusammen. Sobald er merkte, wie sie sich durch die nächtliche Festfreude erhitzt hatten, begann er vom Lob und Ruhm des Stammes zu reden. Nachdem man ihn mit großem Beifall angehört hatte, ließ er alle nach barbarischer Sitte und unter landesüblichen Verwünschungen schwören.“ Allgemein über die Versammlungsgewohnheiten der Germanen schreibt Tacitus in der Germania (11) wie folgt: „Wenn nicht etwas Zufälliges und Plötzliches eintritt, ver-

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Kultversammlungen

sammeln sie sich zu bestimmten Terminen, entweder bei Neumond oder bei Vollmond, sie halten das nämlich für den verheißungsvollsten Beginn, die Dinge zu behandeln. … Wie es der Menge passt, lassen sie sich bewaffnet nieder. (2) Durch die Priester, die dann auch das Strafrecht [Bannrecht] ausüben, wird Schweigen geboten. Darauf hört man den König oder die Fürsten, je nach ihrem Alter, ihrem Adel, ihren Auszeichnungen im Kriege und ihrer Redegewandtheit, wobei ihre Überzeugungskraft mehr [wiegt] als ihre Befehlsgewalt. Hat eine Meinung Missfallen erregt, verwirft man sie durch ein Murren, hat sie aber gefallen, schlägt man die Speere zusammen.“ Folgt man Tacitus, so dürfte auch die Planung und Zustimmung einer germanischen militärischen Erhebung im Jahre 9 n. Chr. gegen die Truppen des Varus bei geheimen Treffen in „heiligen Hainen“ erfolgt sein. Sicherlich wurden diese Aufstandsvorbereitungen anfangs wohl nur im engsten Kreis der Priester und Stammesführer der Cherusker vorbereitet. Nach Tacitus (Germania, 11) wurden bekanntlich auch die Angelegenheiten, deren Entscheidung beim Volk lag, unter den Fürsten vorberaten. Einen entsprechenden Hinweis auf solche Versammlungen findet man bei Velleius Paterculus (2, 118,3): „Also weihte er [Arminius] anfangs nur wenige, dann aber mehrere in seinen Plan ein; er behauptete und überzeugte sie davon, dass die Römer überwältigt werden könnten, ließ diesen Beschlüssen sofort Taten folgen und setzte den Termin für den Anschlag fest.“ Allgemein verbindliche Beschlussfassungen setzen vorherige Beratungen und Abstimmungen an geheiligten Versammlungsstätten voraus. Auf den Zeitpunkt des festgelegten Erhebungstermines ist später noch genauer einzugehen. An gleicher Stelle beschreibt Velleius Paterculus (2, 118,2) eindrucksvoll die herausragende Persönlichkeit des Armi-

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nius: „Damals gab es einen jungen Mann von vornehmer Abstammung, der persönlich tapfer, schnell von Begriff und über das Maß der Barbaren hinaus begabt war, er hieß Arminius, der Sohn des Sigimers, eines Fürsten dieses Stammes; … das Feuer seines Geistes verriet sich schon im Blick seiner Augen. Auf unserem früheren Feldzug war er ein unablässiger Begleiter gewesen, der zu Recht auch die Auszeichnung des römischen Bürgerrechts, den Rang eines Ritters erlangt hatte.“ Es ist davon auszugehen, dass Arminius Kommandeur germanischer Auxiliareinheiten gewesen war, und zwar für die Kavallerie. Hierfür spricht u.a. Folgendes: Die Beschreibung des Arminius durch seinen Zeitgenossen Velleius Paterculus lässt darauf schließen, dass beide wohl über einen längeren Zeitraum als Kriegskameraden u.a. an der Unterdrückung des Aufstandes in Pannonien beteiligt waren.22 Da Velleius Paterculus nach eigenem Bekunden (Velleius Paterculus 2, 104, 3) Reiterpräfekt unter Tiberius war, spricht sehr viel dafür, dass Arminius, den er als sehr vertrauten Kriegskameraden beschreibt, ebenfalls Kommandeur von germanischen Kavallerieeinheiten war. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die Kommandeure von Auxiliareinheiten aus dem Ritterstand stammten. Damit Arminius aufgrund seiner Befähigung jedoch Kommandeur solcher Einheiten werden konnte, musste er gleichsam als Beförderungsvoraussetzung vorher erst in den „gradus equester“, in den römischen Ritterstand, erhoben werden. Dies konnte nur direkt durch Augustus erfolgen.23 Erst dieser cheruskische Fürstensohn, der als römischer Ritter und kriegserfahrener Militärführer die römische Militärstrategie und -taktik genau kannte, vermochte es, die germanischen Stammeseliten zum militärischen Aufstand zu bewegen bzw. zu überreden. Eine mögliche, die beteiligten Germanen überzeugende Strategie des Arminius könnte folgende gewesen sein: Va-

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Kultversammlungen

rus befand sich mit seinen Legionen friedensmäßig24, also auch mit dem gesamten zivilen Tross, in großer räumlicher Distanz zu den rheinischen Standlagern im Sommerlager an der Weser. Varus musste nun vor allem durch Arminius dazu gebracht werden, auf dem Rückmarsch in die Winterquartiere sich an einem bestimmten, strategisch für die Germanen günstigen Ort zu einem bestimmten Anlass mit den germanischen Stämmen in aus römischer Sicht friedlicher Absicht zu treffen. Die Krieger der germanischen Stammesverbände mussten zahlenmäßig an die der römischen Truppenstärke herankommen, diese möglichst sogar noch übertreffen. Die Konzentration solch starker germanischer Stammesverbände konnte den Römern jedoch nicht verborgen bleiben. Sie musste also dem Varus gegenüber als militärisch nicht bedrohlich begründet werden. Die konkrete Erhebung musste auch aus logistischen Gründen zu einem lange vorher bekannten Zeitpunkt stattfinden; zudem musste sichergestellt sein, dass die germanischen Auxiliareinheiten sich der Erhebung anschließen würden. Für das Vorliegen all dieser notwendigen Voraussetzungen zur Planung einer erfolgreichen militärischen Erhebung gegen die Römer dürfte Arminius überzeugende Argumente vorgetragen haben, denen die Stammeseliten zum Zeitpunkt der geheimen Versammlungen zustimmen konnten.

IV.

V

Das Sommerlager des Varus an der Weser im Jahre 9 n. Chr.

arus war, nachweislich der Schriftquellen, mit drei Legionen der römischen „Rheinarmee“, drei Reiterabteilungen und sechs Kohorten (so Velleius Paterculus 2, 117,1) im Sommer 9 n. Chr. ins Kerngebiet der Cherusker an die Weser gezogen (Cassius Dio 56, 18,5). Wo die beiden übrigen Legionen der Rheinarmee zu diesem Zeitpunkt stationiert waren, erschließt sich nicht unmittelbar aus den vorliegenden Schriftquellen. Sie standen unter dem Kommando des Legaten L. Asprenas, einem Neffen des Varus (Velleius Paterculus 2, 120,3). Aller Wahrscheinlichkeit nach befand sich Asprenas mit seinen Legionen südlich in beträchtlichem Abstand zum Sommerlager des Varus. Für Varus handelte es sich beim Beziehen des Sommerlagers um eine spektakuläre Demonstration römischer Macht, die primär nach Osten gegen die mit dem Marbod-Reich in Böhmen eng verbundenen Elbgermanen gerichtet gewesen sein dürfte.25 Die Forschung ist sich jedoch nicht einig, ob das Sommerlager nun an der Weser oder auf dem Wege zur Weser hin lag.26 Folgende Erwägungen sprechen m. E. für ein Sommerlager des Varus an der Weser: Hier befand sich Varus nicht nur mitten im Siedlungsraum der Cherusker, mit denen Tiberius im Jahre 4 n. Chr. einen Bündnisvertrag abgeschlossen hatte. Als ,gens foederata‘ nahmen nunmehr die Cherusker in der römischen Germanienpolitik eine herausgehobene Rolle ein.27 Außerdem konnte Varus auch die logistischen Vorteile nutzen, die die Weser als Transportweg bot. Von den Lippequellen im Raum Paderborn verlaufen uralte Handelsrouten und Heerwege entlang dem Emmerlauf zum Weserübergang im Raum Hameln und entlang dem

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Sommerlager des Varus an der Weser 9 n. Chr.

Nethelauf zum Weserübergang im Raum Höxter.28 Auf diesen Hauptwegen konnten die römischen Truppen mit den zahlreichen Zivilisten problemlos zum Sommerlager an der Weser marschieren. Dem Hamelner Talbecken kommt dabei eine verkehrsgeographisch herausgehobene Bedeutung zu, weil von allen Seiten Täler darauf ausgerichtet sind. „Sie schaffen Pforten und Durchgänge durch das sperrende Gewirr der Bergzüge und geben so dem Gebiet den Charakter einer Pfortenlandschaft, die wiederum das Netz der Verkehrswege bestimmt, das in Hameln seinen natürlichen Knotenpunkt hat.“29 Allerdings war es für die römische Militärführung sehr schwierig, das römische Heer und die Zivilisten auf längere Zeit hin über große Wegdistanzen hinweg mit dem umfangreichen, notwendigen Nachschub, vor allem mit Getreide, auf den beschwerlichen Landwegen reibungslos zu versorgen. Das große logistische Problem für die ausreichende Versorgung des römischen Heeres stellten daher die Transportmittel zu Lande dar. Dabei spielten die Pferde im römischen Transportwesen nur eine untergeordnete Rolle. Für leichte Transporte wurde das Maultier, eine Kreuzung aus Eselhengst und Pferdestute, eingesetzt, weil es besonders gut zum Tragen und Ziehen von Lasten geeignet war. Als Tragtier dürfte seine Nutzlast im Durchschnitt bei 120 kg gelegen haben, und das bei einer durchschnittlichen Marschgeschwindigkeit von rund 5 km/h. Für Schwertransporte wurden dagegen Ochsen eingesetzt, die mit einer Marschgeschwindigkeit von rund 1,6 km/h ausgesprochen langsam waren und am Tag, abhängig vom Wegezustand, rund 10 km zurücklegen konnten.30 Auf dem Landweg musste der Nachschub entweder mit Tragtieren oder mit Gepäck- und Trosswagen transportiert werden. Die römische Legion benutzte als Nachschubfahrzeug den ,carrús‘, der, meist von zwei Maultieren gezogen,

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eine Ladekapazität von wohl maximal 650 kg hatte.31 Da die Tragtiere jeweils von Treibern geführt und die Trosswagen von einem Fahrer gelenkt werden mussten , entstand bei relativ geringer Transportleistung ein hoher Begleitpersonalbedarf für die logistische Versorgung des römischen Heeres, der natürlich abhängig war vom Proviantbedarf des Militärs. So wird allein der jährliche Getreidebedarf (wohl hauptsächlich Weizen) einer Legion von durchschnittlich 5500 Mann und ihren rund 500 Legionstrossknechten auf mindestens 1500 Tonnen, der einer Kohorte auf 125 Tonnen und der einer Ala (Reiterabteilung) auf 250 Tonnen geschätzt, ohne die anderen Lebensmittel wie Fleisch, Soßen, Käse, Gemüse, Salz, Olivenöl, Essig und Wein zu berücksichtigen.32 Hinzu kommt der Nahrungsbedarf für die Nichtkombattanten des Trosses und die jeweiligen Hilfstruppen. Wenn man berücksichtigt, dass Varus außer einer großen Streitmacht von 3 Legionen, 6 Kohorten und 3 Alen sowie dem Tross für das Militär auch mit dem großen zivilen Verwaltungs- und Dienstleistungsapparat eines Statthalters das Sommerlager bezog, dann wird deutlich, welche enormen Nachschubprobleme gemeistert werden mussten, um stets genügend Proviant zu haben. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die in der Literatur angegebenen notwendigen Mengen an Getreide zur Versorgung der Legion oft stark variieren, weil der jeweils benötigte Proviantbedarf von der jeweiligen Mannschaftsstärke einer Legion abhängt. Außerdem konnte im Einzelfall der heranzuführende Proviantbedarf dann verringert werden, wenn es den römischen Einheiten vor Ort gelang, einen Teil des benötigten Proviants dort zu beschlagnahmen. Im Gegensatz zur Kriegsführung in Gallien unter Caesar war es großen römischen Militärverbänden im rechtsrheinischen Germanien nicht möglich, genügend Nahrung innerhalb des Operationsgebietes, also bei den germanischen

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Stämmen, sicherzustellen. Das belegt auch eine Textstelle bei Cassius Dio (54, 33,2), wonach 11 v. Chr. der Feldherr Drusus die Weser überschritten hätte, wenn nicht Proviantmangel bestanden und der Winter eingesetzt hätte. Moore, grund- oder stauwasserfeuchte Niederungen sowie starke Bewaldungen schränkten für die dort siedelnden Germanen den landwirtschaftlich als Ackerfläche nutzbaren Raum erheblich ein. Aber dennoch gab es genügend Ackerland und Weideflächen, um die Ernährung, zumindest die der germanischen Bevölkerung, mehr recht als schlecht zu sichern.33 Die genannten Mengen an Nachschub, vor allem an Getreide, ausschließlich auf dem Landweg von der Lippe aus zur Weser zu transportieren, hätte bekanntlich einen enormen logistischen Aufwand an Transportmitteln und entsprechenden Personaleinsatz zur Folge gehabt. Schiffbare Flüsse als Transportwege für ihre jeweiligen Militäroperationen zu nutzen, war daher für jede römische Militärführung eine Selbstverständlichkeit und daher auch stets Bestandteil ihrer Militärstrategie.34 Deswegen waren auch die römischen Militärlager Holsterhausen, Haltern, Oberaden und Anreppen an der Lippe errichtet worden, wo sie vor allem per Schiff mit Nachschub versorgt werden konnten. Der taktisch kluge und vorausplanende Tiberius unternahm deshalb seinen Feldzug (5 n. Chr.) auf dem Landweg zur Elbe erst dann, als er sich dort mit seiner Flotte treffen konnte, die ihn und sein Heer mit Nachschub für den Rückmarsch versorgen konnte (Velleius Paterculus, 2, 106,3). Auch Germanicus setzte nach Tacitus (Ann. II, 5,4) für die geplante militärische Großoffensive gegen Arminius und seine Kriegskoalition im Jahre 16 n. Chr. verstärkt auf die Transportleistung seiner römischen Rheinflotte, der ,classis Germanica‘, um so den Krieg früher beginnen und den Proviant besser befördern zu können.

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Es kann daher nicht daran gezweifelt werden, dass Varus und sein Generalstab die Weser als wichtigen Nachschubweg, zumindest für die Lieferung von Getreide zur Versorgung des Sommerlagers an der Oberweser, genutzt haben, das über einige Monate mit sehr viel Proviant beliefert werden musste. Die erheblich größere Lademenge und der geringere Personalbedarf bei Schiffstransporten gleichen längere Transportstrecken vom Rhein über den Drususkanal entlang der Nordseeküste bis zur Weser mehr als aus. Da die Weser nach der Elbe der größte Fluss im rechtsrheinischen Germanien ist, der direkt in die Nordsee mündet, bot sie sich für die römischen Frachtschiffe direkt als Wasserstraße an, um umfangreiche Proviantlieferungen tief ins germanische Hinterland zum Sommerlager des Varus zu bringen. Ohne einen entsprechenden Flottenstützpunkt an der Wesermündung mit einem großen Nachschublager wäre die Nutzung der Weser als geeigneter Transportweg ins Landesinnere jedoch nicht effektiv gewesen. Aus den antiken Schriftquellen ist zu entnehmen, dass es schon seit etlichen Jahren einen solchen Flottenstützpunkt an der Wesermündung gegeben haben muss. Bereits Drusus, der Bruder des Tiberius und Vater des Germanicus, der als Begründer der ,classis Germanica‘, der römischen Rheinflotte, gilt, befuhr schon um 12 v. Chr. nach Sueton (Claudius, 1,2) als erster römischer Feldherr die Nordsee mit ihrer ungewohnten amphibischen Wattenmeerküste. Vorher ließ er zur schnelleren Schiffspassage den nach ihm benannten Drusus-Kanal bauen, um schneller zur Nordsee fahren zu können, wo er nach Florus (2, 30, 26) an Ems, Weser und Elbe Militärstützpunkte errichten ließ. Es spricht vieles dafür, dass sich der Standort dieses Flottenstützpunktes an der Wesermündung im heutigen Bremerhaven befand, wo die Geeste in die Weser fließt. Überflutungsfrei an der Schlauchmündung der Weser mit direktem

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Zugang zur offenen Nordsee gelegen, gab es dort durch die Geeste genügend Trinkwasser, die außerdem die Fahrrinne für die Schiffe der römischen Flotte im Gezeitenstrom der Wesermündung ständig frei spülte.35 An diesem römischen Flotten- und Militärstützpunkt wird es auch ein großes Nachschublager gegeben haben, von dem aus vor allem Getreide in flusstauglichen, plattbödigen Lastschiffen, den heute sogenannten Prahmen, weseraufwärts zum Sommerlager an der Oberweser transportiert werden konnte. Die größeren Lastschiffe wurden ,oneraria‘ und die kleineren Kähne wurden ,scaphae‘ genannt. Mit mindestens 15 Tonnen Getreide beladen mussten die Lastschiffe bei einer vermuteten durchschnittlichen Tagesleistung von etwa 15 km durch Menschenkraft stromaufwärts getreidelt werden.36 Varus wird unabhängig von der Lösung des Nachschubproblems auch deshalb das Wesertal im Kerngebiet der Cherusker für sein Sommerlager genutzt haben, weil es klimatische Vorzüge aufweist; denn das Oberwesertal und die Täler der Nebenflüsse stellen sich bezüglich der vorherrschenden Südwestwinde im Windschatten des Berglandes als ausgesprochen klimatische Vorzugsräume dar.37 Ein weiterer wichtiger Grund, das Sommerlager an der Weser zu errichten, bestand im enormen Frischwasserbedarf. Das Heer des Varus mit dem großen zivilen Apparat und dem Tross des Statthalters hatte einen sehr großen täglichen Wasserbedarf, der an der Weser problemlos befriedigt werden konnte. Das gilt nicht nur für Trinkwasser und Gebrauchswasser für die Reinigung und Hygiene von Tausenden von Menschen, „um Seuchen und Krankheiten vermeiden“, sondern auch für die zahlreichen Trag-, Zug- und Reittiere, die überdies beiderseits der Weser Weidefutter finden konnten.38 Wo dieses Sommerlager des Varus an der Weser hätte sein können, ist nicht belegt. Bislang gibt es keine konkreten und

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archäologisch überprüfbaren Hinweise auf einen möglichen Standort. Das Sommerlager wurde von verschiedenen Autoren unter anderem bei Minden, Hameln, Höxter oder Herstelle vermutet.39 Als im Sommer des Jahres 2008 in Barkhausen (Porta Westfalica) nördlich des Wiehengebirges in Richtung der Stadt Minden in einer Entfernung von 250 Metern zur Weser die Reste eines römischen Feldlagers ergraben wurden, vermutete nicht nur die Presse, dass damit endlich der langgesuchte Standort des Sommerlagers von Varus archäologisch nachgewiesen sei. Doch nach intensiver archäologischer Untersuchung und Forschung ist nach Ansicht des zuständigen Archäologen Berenger inzwischen wohl davon auszugehen, dass es sich dort auf Grund der archäologischen Fund- und Befundssituation nicht um das vermutete Sommerlager des Varus handeln könne.40 Es spricht daher nach wie vor sehr vieles dafür, weiterhin das Sommerlager im Bereich der Weserübergänge im Gebiet des heutigen Hameln zu suchen. Durch mehrere Flussinseln (Werder) begünstigt, gab es hier seit alters her den Übergang für Handels- und Heerwege zwischen Rhein und Elbe. Die sich flussaufwärts in Hameln befindenden Stromschnellen einer Felsenbarre bildeten ein Verkehrshindernis für Schiffstransporte. Noch im Mittelalter mussten dort die per Schiff weseraufwärts zu transportierenden Waren mühsam umgeladen werden.41 Es dürfte somit ein flussaufwärts von Hameln gelegenes Sommerlager wegen dieser Felsenbarre als Schifffahrtshindernis für den Nachschubtransport auszuschließen sein. Unabhängig von der Lokalisierung des Sommerlagers meint Cassius Dio (56, 18,5) mit dem Abstand von zweihundert Jahren zur Varuskatastrophe, dass das Sommerlager an der Weser von Varus nicht wohl überlegt geplant und errichtet wurde, sondern das dies spontan als Ergebnis germanischer Intrigen gegenüber Varus geschehen sei. „… sie empfingen

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vielmehr Varus, als ob sie alle Befehle ausführen würden, lockten ihn aber weiter vom Rhein fort ins Cheruskerland und zur Weser und verkehrten mit ihm auch dort überaus friedfertig und freundschaftlich.“ Doch Cassius Dio verkennt dabei, dass besonders die Errichtung eines Sommerlagers für Varus als ,legatus Augusti pro praetore‘, dem Statthalter des Augustus, längerfristige, sorgfältige Planung des Generalstabes und ziviler Stellen voraussetzte. Schließlich musste gleichsam der ,Regierungssitz‘ des Varus für die Sommermonate vom Rhein an die Weser verlegt werden, was einen enormen, nicht nur logistischen Aufwand erforderte. Die sorgfältige, nach militärischen und logistischen Erfordernissen zu erfolgende Auswahl von Lagerplätzen gehörte stets zu den besonders wichtigen Aufgaben jeder römischen Militärführung. Nach den überlieferten römischen MilitärHandbüchern (z.B. das von Pseudo-Hyginus: ,Über die Befestigung des Lager‘, oder das von Vegetius: ,Abriss der römischen Militärgeschichte‘) sollte ein Lager, erst recht ein mehrmonatiges Sommerlager des Varus, in der Nähe von Versorgungsmöglichkeiten mit Proviant, hauptsächlich Getreide, Holz und vor allem mit ausreichendem, gesundem Wasser liegen. Sumpfiges bzw. überflutungsgefährdetes Gelände sollte natürlich vermieden werden, die Lage an Flussübergängen bzw. Furten wurde dagegen empfohlen. Die Größe eines Militärlagers, also ohne Zivilisten, wie z.B. Händlern, hing von der jeweiligen Anzahl von Soldaten, den benötigten Vorräten und der örtlichen Gegebenheit ab. Der o.g. Pseudo-Hyginus, der wohl im späten 1. Jahrhundert n. Chr. lebte, empfahl den für den Lagerbau benötigten Vermessern, generell für je 1175 Mann eine Lagerfläche von rund einem Hektar vorzusehen.42 Auch Velleius Paterculus (2, 117,3.4) will bereits das Sommerlager an der Weser als große Fehlentscheidung des Varus

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sehen: „… als er das Kommando über das Heer in Germanien innehatte, besaß er die Vorstellung, [die Germanen] seien Menschen, die nur Stimme und Körperbau mit Menschen gemein hätten und die man nicht mit Schwertern bezwingen, [sondern] nur durch das Recht zähmen könne. (4) Mit diesem Vorsatz drang er mitten in Germanien ein, als ginge er zu Männern, die den süßen Frieden lieben, und er verpasste den Sommerfeldzug durch Rechtsprechung und durch sein Wirken für die [Rechts]ordnung vor seinem Tribunal.“ Als weitere Fehlentscheidung wirft Cassius Dio (56, 19,1) dem Varus außerdem noch Folgendes vor: „Daher konzentrierte Varus seine Legionen nicht, wie es im Feindesland richtig gewesen wäre, sondern kommandierte von ihnen viele [Soldaten] zu denjenigen ab, die ihn hierum baten, weil sie zu schwach seien, etwa zur Bewachung gewisser Plätze, zur Sicherung von Proviantkolonnen.“ Auch dieser Vorwurf lässt außer Acht, dass sich Varus nach den gleichen antiken Schriftquellen, die die Zeit vor 9 n. Chr. behandeln, sich gerade nicht wie in Feindesland fühlen musste. Der Vorwurf, Varus habe seine Truppen durch leichtfertige Abkommandierungen geschwächt, berücksichtigt nicht, dass die Lippe-Lager bereits vorher oft in Kombination mit Auxiliarverbänden mit Vexillationseinheiten belegt waren. Bei ihnen handelt es sich um aktive Veteraneneinheiten. Nach der regulären Dienstzeit von zwanzig Jahren mussten die Legionäre noch fünf weitere Jahre ,unter den Standarten‘ (sub vexillis) dienen, in denen sie zwar ans Lager gebunden, aber von den normalen Dienstpflichten entbunden waren.43 Außerdem hätte es jeder militärischen Vernunft widersprochen, die wichtigen Hauptwege vom Rhein zur Weser, die gleichzeitig für die notwendige Nachrichtenverbindung von großer Wichtigkeit waren, militärisch ungesichert zu lassen. „Insbesondere wird man die Passdurchgänge vom Lippetal bzw. von der

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münsterschen Bucht über Osning und lippisches Bergland zur Weser hin jeweils durch Wachtposten und Kleinkastelle (praesidia) gesichert haben.“44 In diesem Zusammenhang ist möglicherweise auch der Wachtposten aus augusteischer Zeit auf der Sparrenberger Egge in Bielefeld zu sehen.45 Seine Lage auf dem Bergkamm gibt einen sehr weiten Blick nach Norden frei. Die Wachtposten hatten keinen Verteidigungszweck, sondern dienten der Überwachung von Grenzen und Straßen wie auch der Nachrichtenübermittlung. Auch wenn vorherige Abkommandierungen die volle Sollstärke der römischen Einheiten im Sommerlager des Varus von eigentlich 25.000 Soldaten reduziert haben sollten,46 so ist dennoch davon auszugehen, dass nach dem Verlassen des Sommerlagers die sich auf dem Marsch befindenden römischen Truppen noch die Kampfkraft von drei Legionen besaßen. Das römische Heer war somit nicht wesentlich geschwächt und wurde auch von der Reiterei unter dem Befehl des Vala Numonius begleitet und abgesichert. Auch Sueton (Augustus, 23) spricht davon, dass „drei Legionen mit dem Feldherrn und den Legaten sowie sämtlichen Hilfstruppen erschlagen wurden.“ Ebenso weist Tacitus (Ann. I, 61,2) darauf hin, dass das erste Marschlager des Varus nach Beginn der germanischen Überfälle am ersten Kampftage „sich dem weiten Umfang und den Ausmaßen des Hauptquartiers nach als Werk dreier Legionen“ erwiesen habe. Das ist auch gleichzeitig ein Beleg dafür, dass selbst am Ende des ersten Kampftages die römischen Verluste relativ gering gewesen sein müssen. Auch indem die Literatur mehrheitlich die Auffassung vertritt, dass während der dreitägigen Kämpfe zwischen Varus und Arminius rund 20.000 Römer gefallen sein dürften,47 kann dies als ein weiteres Indiz dafür genommen werden, dass Varus mit voll einsatzfähigen Truppen das Sommerlager an der Oberweser verlassen hat.

V.

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urch die massiven Bestrebungen Roms, das rechtsrheinische Germanien zur römischen Provinz zu machen, sind vor allem durch die Census-Erhebung und durch die römische Rechtsprechung über sich als frei fühlende Germanen erhebliche Unruhen entstanden, die dem Varus nicht verborgen geblieben sein dürften.48 Diese wachsende Unruhe vieler Germanen schildert Florus (2, 30,32) in wohl gewollter Überspitzung: „… jene aber, die es schon längst schmerzte, dass ihre Schwerter verrosteten und ihre Pferde schlapp würden, griffen unter Führung des Arminius zu den Waffen, sobald sie merkten, dass Togen und Recht grausamer waren als Waffen.“ Selbst im Jahre 15 n. Chr., also Jahre nach dem Untergang des Varus, hatte sich dieses Gefühl der drohenden Fremdbestimmung, des Verlustes der germanischen Identität, noch bei so vielen Germanen festgesetzt, dass Arminius auf die Nachricht hin von der Gefangennahme seiner Frau durch römische Truppen die Germanen nur an diese schmachvolle Zeit erinnern musste, um sie zum Krieg gegen die Römer anzuspornen. Tacitus (Ann. I, 59,4,5) lässt den Arminius u. a. sagen: „Die Germanen würden niemals zur Genüge verzeihen, dass sie zwischen Elbe und Rhein Rutenbündel, Beile und die Toga gesehen hätten. (5) Die anderen Völker hätten in ihrer Unkenntnis der römischen Herrschaft (noch) keine Hinrichtungen erfahren und keine Tribute kennen gelernt.“ Sollte es Hinrichtungen von freien Germanen durch die römische Besatzungsmacht gegeben haben – wovon auszugehen ist –, bedeutete dies einen ungeheuerlichen, frevelhaften Verstoß gegen uraltes, heiliges germanisches Recht. Verfahren über Todesstrafen durften nach Tacitus (Germania 12) nur im vorgegebenen Rahmen an den heiligen Versamm-

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lungsorten durchgeführt werden. „Übrigens ist es allein den Priestern erlaubt, zu strafen oder zu fesseln oder auch nur zu züchtigen, (und zwar) nicht wie zur Strafe und auch nicht auf Befehl des Heerführers, sondern wie auf Geheiß des Gottes, der, wie sie glauben, den Kämpfern beisteht“ (Tacitus, Germania 7,1). Es musste nun Teil des germanischen Aufstandplanes sein, Varus durch germanische Vertrauenspersonen von latenten zivilen Unruhen zu berichten und ihn dazu zu bewegen, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit mit seiner starken Militärmacht potentiellen Aufrührern die römische militärische Überlegenheit eindrucksvoll vor Augen zu führen, um damit eventuelle Aufstandspläne von vornherein als aussichtslos erscheinen zu lassen. Diese Vertrauenspersonen waren Arminius und Segimer. Als römischer Ritter und glänzend bewährter Militärführer war es für Arminius ein Leichtes, das Vertrauen des Varus zu erringen. Arminius beherrschte nicht nur die lateinische Sprache, sondern er konnte auch in römischen Kategorien denken. Es verwundert daher nicht, dass ihn Varus bei seinem Sommerlager an der Weser gern und oft zu seinen Gästen zählte, wie es Cassius Dio (56, 19,2) beschreibt: „Die Hauptverschwörer und Anführer bei dem Anschlag und in dem Krieg waren neben anderen vor allem Arminius und Segimer, die stets in seiner Nähe waren und oft zu seinen Gästen zählten.“ Es musste für römisches Denken unfassbar sein, dass ein so römisch zivilisierter und hochbegabter Mann wie Arminius, der das römische Weltreich sowohl zivilisatorisch als auch militärisch in voller Blütezeit wahrscheinlich in Rom selbst erlebt hatte, dem alle römischen Ehrungen für einen Fremden zuteil wurden, dass ein solcher Mann wieder barbarisches Stammesdenken und „heidnische Unsitten und Gebräuche“ annehmen sollte.

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Arminius galt daher zweifelsohne für Varus und für seinen Generalstab als die Vertrauensperson schlechthin. Viele hochrangige Offiziere werden ihn wahrscheinlich noch aus gemeinsamen Kriegszügen gekannt und geschätzt haben. Als „einer von ihnen“ werden sie in Arminius die herausragende Persönlichkeit gegen die unbelehrbaren „Traditionalisten“ bei den Cheruskern gesehen haben, die Vertragserfüllung des 4 n. Chr. zwischen Tiberius und den Cheruskern geschlossenen Vertrages (Velleius Paterculus 2, 105) zu garantieren. Es müssen demnach für Arminius zwischenzeitlich so grundlegende Dinge geschehen sein, er muss solchen prägenden Einflüssen ausgesetzt worden sein, dass er vom Römerfreund zum geheimen Wortführer der germanischen Romgegner wurde. Ein wesentlicher Grund für das Verhalten des Arminius könnte darin liegen, dass er nach dem Tod seines Vaters Sigimer, eines Cheruskerfürsten, dessen Erbe mit allen Rechten und Pflichten anzutreten hatte, einschließlich der engen Bindung an Priesterschaft und Sippe.49 Die Tatsache, dass Sigimer in keiner Textstelle als handelnde Person beschrieben wird, sondern nur als Vater des Arminius (Velleius Paterculus 2, 118,2) Erwähnung findet, lässt die berechtigte Vermutung zu, dass er um 9 n. Chr. schon tot war. Auch das Streitgespräch des Arminius mit seinem jüngeren Bruder Flavus am Weserufer 16 n. Chr. setzt voraus, dass der gemeinsame Vater schon seit längerem verstorben war. Es wird nur die Mutter erwähnt (Tacitus, Ann. II, 10,1).50 Obwohl dieser Dialog beider feindlichen Brüder natürlich von Tacitus nicht im Originalwortlaut wiedergegeben ist, sondern als stilistisches Mittel eingesetzt wurde, so dürfte damit dennoch realistisch die jeweilige Position beider Brüder geschildert worden sein. In diesem Streitgespräch zweier ideologisch völlig gegensätzlicher zerstrittener Brüder will Tacitus das Dilemma und

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die inneren Spannungen innerhalb der germanischen Sippen und Stämme im richtigen Umgang mit dem übermächtigen römischen Imperium aufzeigen, das ihre Stammesgebiete bereits als eine künftige Provinz ansieht und entsprechend handelt.51 Arminius muss sich bei seiner Heimkehr ins heimatliche Stammesgebiet Einflüssen von religiöser und verwandtschaftlicher Seite geöffnet haben, die seine innere Rückkehr zur geistigen und religiös-kulturellen Vorstellungswelt seines Stammes vorbereiteten. Mittelbar ist dies aus dem von Tacitus (Ann. II, 10) wiedergegebenen o. g. Streitgespräch mit seinem Bruder Flavus zu entnehmen: „… der andere [Arminius] sprach von der Pflicht gegenüber dem Vaterland, der angestammten Freiheit, den heimischen Göttern und der Mutter, die an seinen Bitten teilhabe, er wolle doch nicht lieber ein Überläufer und Verräter an seinen Verwandten und Verschwägerten und überhaupt an seinem Volk sein als ein Feldherr.“ Neben dem Hinweis auf die heimischen Götter Germaniens ist zu beachten, dass Arminius danach sofort die gemeinsame Mutter erwähnt. Damit gibt Tacitus den eindeutigen Hinweis, dass die Mutter von Arminius auf Seiten der ,Traditionalisten‘ steht, und den Kampf ihres Sohnes gegen die römische Besatzungsmacht ausdrücklich unterstützt. Für die Germanen ist die Achtung und besondere Ehrung der Frauen nichts Ungewöhnliches wie Tacitus (Germania 8,2) schreibt: „Da sie sogar glauben, dass [den Frauen] etwas Heiliges und Seherisches innewohnt, verwerfen sie weder ihre Ratschläge noch missachten sie ihre Antworten.“ Exkurs: Es ist auffallend, dass hier nur allgemein von Verwandten und Verschwägerten des Arminius die Rede ist. Dabei sind doch mit dem Bruder Flavus, dem verstorbenen Vater Sigimer und dem Vaterbruder Inguiomerus drei Bluts-

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verwandte des Arminius an anderen Textstellen namentlich erwähnt worden, wobei es bemerkenswert ist, dass es sich bei ihnen nur um Blutsverwandte aus der väterlichen Sippe handelt. Das lässt darauf schließen, dass diese Namen in den Unterlagen des geheimen Staatsarchivs genannt wurden, die Tacitus drei Generationen später bei der Abfassung seiner ,Annalen‘ einsehen konnte. Aus den antiken Schriftquellen ist überliefert worden, dass zwischen den Römern unter dem Feldherren Tiberius und den Cheruskern im Jahre 4 n. Chr. ein Bündnisvertrag abgeschlossen wurde, der mit größter Wahrscheinlichkeit im geheimen Staatsarchiv verwahrt wurde mitsamt den Namen der Cheruskeradeligen, die seinerzeit den Vertrag mitabgeschlossen hatten. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Sigimer als auch sein Bruder Inguiomerus zu diesen Vertragspartnern gehörten und sicherlich bereits vorher ein besonders enges Verhältnis zu den Römern aufbauen konnten. Die intensive Förderung von Sigimers Söhnen Arminius und Flavus durch die römische Führung unterstreicht dieses gute Vertrauensverhältnis der Sippe des Sigimers und Inguiomerus zur römischen Besatzungsmacht. Ihre Sippe wird somit stammesintern zur Gruppe der römerfreundlichen ,Erneuerern‘ gehört haben und über großen politischen Einfluss verfügt haben (so auch Kehne, Arminius, S. 104). Diese römerfreundliche Haltung des Inguiomerus ergibt sich nach Tacitus (Ann. I, 60,1) auch daraus, dass er sich erst nach der schmählichen Gefangennahme von Thusnelda, der schwangeren Frau seines Neffen Arminius, durch Germanicus wohl schweren Herzens auf die römerfeindliche Seite ziehen ließ.

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Nach altem überlieferten germanischen Recht wird ihm auch wohl keine andere Wahl geblieben sein, wonach jedes Sippenmitglied die Pflicht hatte, unter allen Umständen die Feindschaft eines Blutsverwandten mit zu übernehmen, wie es in der ,Germania‘ (21,1) heißt. Über diese Pflicht konnte sich Inguiomerus auch nicht hinwegsetzen, weil alles alt Überlieferte und Gebotene göttlich inspiriert war (so auch: Bermann, H.J.,Recht und Revolution, Frankfurt 1991, 2. Aufl., S.105). Dieser folgenreiche Seitenwechsel von Inguiomerus, der „bei den Römern ein althergebrachtes Ansehen genoss“ (Tacitus: Ann. I, 60,1), sollte Germanicus zu recht beunruhigen, weil er damit nach dem Asyl des Segestes mit Inguiomerus einen wichtigen römerfreundlich gesonnenen Stammesadeligen verloren hatte. Trotz dieses religiös-rechtlich begründeten Seitenwechsels muss die Beziehung zwischen Arminius und seinem Vaterbruder Inguiomerus auch in der folgenden Kriegsgenossenschaft nicht konfliktfrei gewesen sein, weil nach dem überkommenen Sippenverständnis der Germanen, der ältere Vaterbruder in der verwandtschaftlichen Hierarchie nicht unter dem jüngeren Brudersohn steht. So berichtet Tacitus (Ann. I, 68,1) nach nur wenigen Monaten seit dem Seitenwechsel bereits von erheblichen Meinungsverschiedenheiten über die richtige militärische Taktik gegenüber Caecina. Inguiomerus konnte sich gegenüber Arminius durchsetzen und verhinderte dadurch ungewollt eine römische Niederlage. Zum endgültigen Bruch zwischen dem ruhmreichen Varusbezwinger Arminius und dem Inguiomerus kam es dann beim Kampf gegen Marbod im Jahre 17 n. Chr. Nach Tacitus (Ann. II, 45,1) lief Inguiomerus mit seinem Gefolge zu Marbod über, „aus dem einzigen Grund, dass er es als bejahrter

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Vaterbruder verschmähte, sich dem jugendlichen Sohn seines Bruders unterzuwerfen.“ Aus alldem ist zu entnehmen, dass das Verhältnis des Arminius nach seiner Rückkehr zur Sippe seines Vaters zumindest sehr gespannt und belastet war. Mit dem Appell an seinen Bruder Flavus, nicht Verräter an seinen Verwandten und Verschwägerten sein zu wollen, gibt Tacitus zu verstehen, dass Arminius damit nicht die römerfreundlich gesinnte väterliche Sippe, sondern die Sippe seiner Mutter gemeint haben dürfte, die wie Arminius ein erbitterter Gegner der römischen Besatzungsmacht war. Aus dem Text erschließt sich ebenfalls eine besonders enge Beziehung nicht nur zu seiner Mutter, sondern auch zu ihrer Sippe. Dies entspricht auch dem überkommenen Sippenverständnis der Germanen. So spricht Tacitus (Germania, 20,3) davon, dass die Söhne der Schwester bei ihrem Bruder dieselben Ehren genießen wie bei ihrem eigenen Vater. Diese traditionell enge familiäre Beziehung ist dadurch möglich, dass die Mutter auch nach ihrer Heirat die tiefe Bindung an die eigene Sippe nicht verliert. Das bedeutet, dass nach einem eventuellen frühen Tod des leiblichen Vaters der Schwesterbruder die Fürsorge über die Neffen übernimmt (Mauersberger: wie Anm. 17, S. 117). Dieses enge Verhältnis zur Sippe der Mutter könnte dafür sprechen, dass durch sie Arminius nach seiner Rückkehr den für einen Aufstand erforderlichen engen Kontakt zur Priesterschaft herstellen konnte. Die religiöse Beziehung zu den Göttern und das Vertrauen auf den Schutz der Sippe waren unverrückbare Eckpfeiler des germanischen Handelns und Denkens.52 Dies wird an einer anderen Textstelle in Tacitus Germania (7,2) besonders deutlich: „… und sie nehmen gewisse Abbilder und Figuren, die

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sie aus den Hainen holen mit in die Schlacht, und – und darin liegt ein besonderer Anreiz der Tapferkeit – nicht die Umstände oder das zufällige Zusammenrotten, sondern Familien und Sippen bilden einen Reitertrupp oder einen Keil.“ Es dürfte aber wohl noch einen weiteren Grund für die geänderte Haltung des Arminiusgegenüber den Römern gegeben haben. Indem er wahrscheinlich schon seit jungen Jahren längere Zeit in Rom verbracht haben dürfte, wurde er dadurch im Sinne der römischen Gesellschaft ,zivilisiert‘. Mit dem römischen Bürgerrecht ausgezeichnet und mit Zustimmung des Augustus – ungewöhnlich für einen Fremden – in den Rang einer Ritters erhoben, galt er zurecht als Beispiel einer gelungenen Integration. Als hochrangiger Militärführer von germanischen Hilfstruppen hatte er aus dem Blickwinkel eines Römers in aufbegehrenden fremden Stämmen und Völkern lediglich bedrohliche Feinde des Imperiums gesehen, die es zum Wohl Roms mit allen Mitteln zu bezwingen galt. Somit muss es für Arminius bei seiner Rückkehr in die ihm zwischenzeitlich wohl entfremdete Heimat, um dort die Nachfolge seines verstorbenen Vaters als ein Stammesfürst der Cherusker anzutreten, wie ein Kulturschock vorgekommen sein, wieder in den religiös-gesellschaftlich engen Strukturen einer Gentilgesellschaft zu leben und sie auch zu vertreten. Auf Grund seiner Intelligenz und seiner langen Abwesenheit vermochte er aber wohl umso klarer und nüchterner die Vor- und Nachteile einer ,Gallisierung‘ für die traditionellen germanischen Stammesgesellschaften zu erkennen und zu bewerten. Der anzunehmende sehr enge Kontakt zur Sippe seiner Mutter und dem Priester seines Stammes werden ebenfalls dazu beigetragen haben, seinen Blick für die künftigen gesellschaftlichen Auswirkungen infolge des alltäglichen Umgangs mit der römischen Besatzungsmacht kritisch zu

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schärfen. Die rigide Anwendung des römischen Rechts, die Census-Einführung, die militärischen Dienstleistungen aber auch sicherlich die religiöse Einflussnahme der Römer durch die Schaffung des Augustuskultes am Altar der Ubier im heutigen Köln werden Arminius in zunehmendem Maße zutiefst beunruhigt und verletzt haben. Dies lässt sich – wie bereits gesagt – auch noch aus seinen späteren Aufrufen zum gemeinsamen Kampf gegen Germanicus im Jahr 15 n. Chr. ablesen, wie es von Tacitus (Ann. I, 59, 4,5) knapp berichtet wird. „Möge Segestes auf dem unterworfenen Ufer siedeln, mag er seinem Sohn das Priestertum (für den Kult) von Menschen [Augustuskult] wiedergeben: Die Germanen würden niemals zur Genüge verzeihen, dass sie zwischen Elbe und Rhein Rutenbündel, Beile [Liktorenbündel als Symbole für die römische Fremdherrschaft] und die Toga [der Advokaten] gesehen hätten. Die anderen Völker hätten in ihrer Unkenntnis der römischen Herrschaft (noch) keine Hinrichtungen erfahren und keine Tribute kennen gelernt.“ Das Vorgehen des Varus, die Provinzwerdung ihres Besatzungsgebietes mit allen Mitteln rigoros konsequent durchzusetzen, wird Arminius als einseitigen Bruch des Vertrages angesehen haben, den die Cherusker mit Tiberius geschlossen hatten. Das dürfte für Arminius Grund genug gewesen zu sein, den Vertrag für ungültig anzusehen.53

VI.

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Bericht über einen angeblichen Aufstand und die Warnung des Varus durch Segestes

ie antiken Schriftquellen sind in diesem Punkt auffallend unpräzis, schwammig und auch in sich nicht schlüssig. Der Zeitzeuge Velleius Paterculus (2, 118,4), der selbst Legat in Germanien unter Tiberius gewesen war, schrieb etwa 20 Jahre nach der Varusschlacht von dem von allen Germanen beschlossenen Anschlagsplan des Arminius, dessen Termin bereits feststand: „Varus wurde das durch einen treuen und vornehmen Mann aus jenem Stamm namens Segestes aufgedeckt.“ Auch Florus (2, 33) spricht von einer Verschwörung, die Segestes gegenüber Varus aufgedeckt habe. Tacitus (Ann. I, 55,2) schreibt gleichsam in einer Rückblende bei der Beschreibung des Germanicusfeldzuges aus dem Jahre 15 n. Chr.: „Segestes hatte dem Varus mehrfach und (noch) bei dem letzten Gastmahl, nach dem man an die Waffen ging, enthüllt, dass man einen Aufstand vorbereite und geraten, ihn selbst, Arminius und die übrigen Großen gefangenzunehmen.“ Dagegen erwähnt Cassius Dio den Segestes überhaupt nicht; dafür gibt er den einzigen Hinweis auf eine entferntere Empörung (56, 19,3): „Wie er [Varus] nun völlig sicher zu sein glaubte, … da empörten sich nach geheimer Absprache zuerst gewisse weiter entfernt lebende [Germanen].“ Die Rolle des Segestes ist auf Grund der Quellenlage als ausgesprochen dubios anzusehen. Nach dem Tod des Varus und seines gesamten Stabes konnte er sich später gegenüber dem Germanicus ohne lästigen Zeugen ungestraft als treuer Römerfreund darstellen, der den verblendeten Varus vergeblich vor dem Hinterhalt des Arminius gewarnt hätte. Erst sechs Jahre nach der Varusschlacht, als er von einer Übermacht der Stammesgenossen unter Führung des Arminius

Angeblicher Aufstand und Warnung des Varus

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belagert wurde, bat er Germanicus um Hilfe (Tacitus, Ann. I, 57,1). Nach der erfolgreichen Befreiung durch Germanicus rechtfertigte sich Segestes ihm gegenüber nach Tacitus (Ann. I, 58,2) wie folgt: „Also habe ich den Räuber meiner Tochter, Arminius, der das Bündnis mit euch brach, bei Varus, der seinerzeit das Heer führte, angeklagt. Als ich dank der Trägheit des Feldherrn vertröstet wurde, drängte ich ihn, weil Gesetze zu wenig Schutz boten, dass er mich, Arminius und die Mitwisser verhafte: Jene Nacht ist Zeuge, wäre sie doch meine letzte gewesen!“ Vorher schildert jedoch Tacitus (Ann. I, 55,3) als wohl eigentliche Triebfeder des Segestes, Zuflucht bei den Römern zu suchen, dessen tiefen Hass auf Arminius: „ … der Hass vermehrte sich (noch) im privaten Bereich, weil Arminius dessen Tochter, die einem anderen versprochen war, geraubt hatte. Der Schwiegersohn war verhasst, die Schwiegereltern verfeindet und was bei Einträchtigen die Bande der Liebe sind, waren bei den sich feindlich Gesinnten Triebkräfte des Zorns.“ Die Aussage des Tacitus, dass Arminius sich mit Thusnelda gegen den Willen ihres Vaters Segestes ehelich verbunden hatte – und das nach einem Frauenraub – dürfte zumindest ein eklatanter Verstoß gegen den gültigen Sittenkodex gewesen sein, wenn er nicht nachträglich mit Willen des Brautvaters sanktioniert wurde. Da davon nicht auszugehen ist, dürften der Segestes und auch der vorgesehene Bräutigam zutiefst in ihrer Ehre verletzt worden sein, was auch für ihre Sippen gegolten haben wird. Es dürfte jedoch feststehen, dass Segestes von dem am heiligen Versammlungsort beschlossenen Aufstandsplan wusste und als beteiligter Stammesadeliger durch heiligen Eid an die dortigen Beschlüsse gebunden war. Tacitus (Ann. I, 55,3) wusste, dass Segestes selbst aktiv mitgekämpft haben

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Angeblicher Aufstand und Warnung des Varus

muss: „Obgleich er durch die Einmütigkeit des Stammes in den Krieg gezogen war.“ Auch Segimund, der Sohn des Segestes, war aktiv am Aufstand beteiligt, denn „zum Priester beim Altar der Ubier gewählt, hatte er in dem Jahr, in dem Germanien abgefallen war, nämlich die Kopfbinden zerrissen und war zu den Aufständischen übergelaufen“ (Tacitus, Ann. I, 57,2). Ebenfalls war Segimer, Bruder des Segestes, führend am Krieg gegen Varus beteiligt und dessen Sohn Sesithacus soll seinen Spott mit dem Leichnam des Varus getrieben haben (Tacitus, Ann. I, 71,1). Dies alles sind Punkte, die die Aussage des Segestes in Frage stellen. Für die wohl nicht nur erzwungene aktive Teilnahme des Segestes an der Varusschlacht spricht auch, dass nach dem Aufbrechen der feindlichen Belagerung des Wohnsitzes des Segestes durch Germanicus dort anschließend noch Kriegsbeute aus der Varusschlacht gefunden wurde. „Man trug auch Beutestücke von der Niederlage des Varus zusammen, die vielen von denen, die sich nun ergaben, [seinerzeit] von der Beute ausgeteilt worden waren“ (Tacitus, Ann. I, 57,5). Aus all dem ist der Schluss zu ziehen, dass Segestes aus persönlichen, hassgeleiteten Motiven sich nachträglich zum treuen Römerfreund erklärte, im Bewusstsein, dass kein römischer Zeuge seine angebliche Warnung gegenüber Varus widerlegen könne. Germanicus dürfte es auch letztendlich darum gegangen sein, die Cherusker durch eine gütige Aufnahme des Segestes samt Gefolge zu schwächen. „In einer gütigen Antwort versprach Caesar [Germanicus] seinen Kindern und Verwandten Straflosigkeit und ihm selbst eine Wohnstätte in der alten Provinz“ (Tacitus, Ann. I, 58,5). Das hinderte Germanicus 17 n. Chr. nicht daran, die Kinder des Segestes, seinen Sohn Segimund und seine Tochter Thusnelda mit ihrem dreijährigen Sohn Thumelicus, als Gefangene auf seinem Triumphzug in Rom vorzuführen (Strabon, Geographica 7, 1,4).

Tafel 1

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Römische Militärstützpunkte zur Zeit des Augustus und des Tiberius (12 v. Chr.–16 n. Chr.)

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Tafel 2 Tafel 2

Bleibarrenmit mitInschriften InschriftenCCIII CCIII (203 röm. Pfund) L. XIX Bleibarren (203 röm. Pfund) undund L. XIX (19. Legion, (19. Legion, die in der Varusschlacht vernichtet wurde). die in der Varusschlacht vernichtet wurde). Länge 62,5 cm, Gewicht 64 kg Länge 62,5 cm, Gewicht 64 kg (LWL-Römermuseum Haltern) (Westf. Römermuseum Haltern)

Eiserne Eiserne Dolche Dolche mit mitsilbernen silbernenVerzierungen Verzierungenaus ausHaltern Haltern(unten) (unten)und und Oberaden Längeca. ca.32 32und und2828cmcm Oberaden (oben). (oben). Länge (Westf. RömermuseumHaltern) Haltern) (LWL-Römermuseum

Tafel 3 Tafel 3

BronzenerLegionärshelm Legionärshelmmitmit Nackenschutz Knauf Bronzener Nackenschutz undund Knauf zur zur Befestigung des Helmbusches. Höhe 20 cm Befestigung des Helmbusches. Höhe 20 cm (Westf. Römermuseum Haltern) (LWL-Römermuseum Haltern)

Umgebogene Pilumspitze. Fernwaffe röm. Umgebogene Pilumspitze. DieseDiese Fernwaffe der röm.der Legionäre Legionäre sollte Schild steckenbleiben, der Gegner steckenbleiben, sich sollte im Schild derimGegner sich verbiegen und verbiegen und den Schild dadurch unbrauchbar machen den Schild dadurch unbrauchbar machen (Westf. Römermuseum Haltern) (LWL-Römermuseum Haltern)

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Tafel 4 Tafel 4

As des des Augustus Augustus aus aus Haltern As Haltern mit mit GegenGegenstempeldes desVarus Varus, ca. 8 v. - 9 n. Chr. stempel (Westf. Römermuseum Haltern) (LWL-Römermuseum Haltern)

Münzedes desVarus Varusaus ausAchulla Achulla(Nordafrika). (NordafriMünze Fundort unbekannt (Rhein. Landesmuseum ka). Fundort unbekannt Bonn) (Rhein. Landesmuseum Bonn)

Tafel Tafel 55

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Römischer GrabsteinausfürBirten den bei Centurio Caelius Marcus aus derCae18. Römischer Grabstein XantenMarcus für den Centurio Legion, derLegion, im Feldzug Varus des gefallen (Rhein. lius der 18. der imdes Feldzug Varus ist gefallen ist Landesmuseum (Rhein. LandesmuseumDie Bonn). Die Inschrift dem unteren Feld lautet: Bonn). Inschrift in dem in unteren Feld lautet: M(arco) tribu)Bon(onia) Bon(onia) M(arco)Caelio CaelioT(iti) T(iti)f(ilio) f(ilio) Lem(onia Lem(onia tribu) [I] o(rdini) leg(ionis) XIIX ann(orum) [I] o(rdini) leg(ionis) XIIX ann(orum) LIII LIII [ce]cidit bello Variano ossa [ce]cidit bello Variano ossa [i]nferre licebit P(ublius) Caelius T(iti) f(ilius) [i]nferre licebit P(ublius) Caelius T(iti) f(ilius) Lem(onia tribu) frater fecit Lem(onia tribu) fraterCaelius, fecit Die Übersetzung lautet: „Dem Marcus dem Sohn des Titus, Die Übersetzung lautet: Lemonia, „Dem Marcus dem Sohn des Titus, aus aus dem Stimmbezirk aus Caelius, Bologna, dem Hauptmann derdem 1. Stimmbezirk aus Bologna, dem Hauptmann der 1. Kohorte derdes 18. Kohorte derLemonia, 18. Legion, 53 Jahre alt. Er ist gefallen im Krieg Varus. sein, (seine) Gebeine zuEsbestatten. Publius Legion,Es 53 wird Jahreerlaubt alt. Er ist gefallen im Krieg des hier Varus. wird erlaubt sein, Caelius, der Sohn Titus, ausPublius dem Stimmbezirk (seine) Gebeine hierdes zu bestatten. Caelius, derLemonia, Sohn des sein Titus,Bruaus der, (diesen Stein) gemacht.“ dem hat Stimmbezirk Lemonia, sein Bruder, hat (diesen Stein) gemacht.“ (Quelle: H. v. Petrikovitz, Arminius, in: Bonner Jahrbücher 166, 1996, S. 175)

(Quelle: H. v. Petrikovitz, Arminius, in: Bonner Jahrbücher 166, 1996, S. 175)

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Tafel 66 Tafel

Porträt des des Augustus Porträt Augustus (Rom, Capitolinische (Rom, Capitolinische Museen) Museen)

Rekonstruktion germaniRekonstruktion gerscher Frauen- und Mänmanischer Frauen- und nertracht während der Männertracht während der römischen Kaiserzeit und römischen Kaiserzeit und der der Völkerwanderungszeit Völkerwanderungszeit (aus: Römerund (aus: H. H. Polenz, Polenz, Römer und Germanen in WestfaGermanen in Westfalen, len, Münster 1985) Münster 1985)

Tafel Tafel 77

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Modell des römischen römischenHauptlagers HauptlagersHaltern, Haltern, Ausschnitt Modell des Ausschnitt (LWL-Römermuseum Haltern) (Westf. Römermuseum Haltern)

Modell des römischen römischen Uferkastells UferkastellsHaltern-Hofestatt Haltern-Hofestatt SchiffshäuModell des mitmit Schiffshäusern (LWL-Römermuseum Haltern)Haltern) sern (Westf. Römermuseum

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Tafel Tafel 88

„Schlacht zwischen Germanen und Römern am Rhein“. BildBild vonvon Friedrich Tüshaus, „Schlacht zwischen Germanen und Römern am Rhein“. Friedrich 1876, 84 x 118 cm (Westf. Landesmuseum für Kunst- und Tüshaus, 1876, 84 x 118 cm (LWL-Landesmuseum für Kulturgeschichte, Kunst- und Kultur- Münster. Dauerleihgabe des Westf. Kunstvereins) geschichte, Münster. Dauerleihgabe des Westf. Kunstvereins)

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Tafel Tafel 99

Römische Legionäre Legionäre Römische (I. Römerkohorte Römerkohorte Opladen). (I. Opladen). Halterner Römertage Römertage 1996 Halterner 1996 (Foto: L. L. Konopka, Konopka, Marl) (Foto: Marl)

Römischer RömischerLegionär Legionär mit Bewaffnung und Alltagsausmit Bewaffnung und rüstung Alltagsausrüstung (I.(I.Römerkohorte RömerkohorteOpladen). Opladen). Halterner HalternerRömertage Römertage 1996 1996 (Foto: (Foto:R.R.Kübber, Kübber, Haltern) Haltern)

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Tafel Tafel 10 10 Römischer Römischer Legionsreiter Legionsreiter (Marcus (MarcusJunkelmann). Junkelmann). Halterner Römertage Römertage 1996 Halterner 1996 (Foto:L. L. Konopka, Konopka, Marl) (Foto: Marl)

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Römisches Schleudergeschütz: schütz: ballista ballista (I. Römerkohorte (I. Römerkohorte Opladen). Opladen). Halterner RömerHalterner Römertage 1996 tage 1996 (Foto: R. Kübber, (Foto: R. Kübber, Haltern) Haltern)

VII.

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Gründe für die Arglosigkeit des Varus

ie von allen antiken Autoren geschilderte Arglosigkeit des Varus muss einen für ihn überzeugenden Grund gehabt haben. Eine militärische römische Strafexpedition im Vorfeld des Winters und dann noch in weit entfernte Gebiete hinein, wo keine römischen Truppen stationiert waren, ist unwahrscheinlich. Cassius Dio (56, 19,3) ist auch der einzige Autor, der dies als Grund anmerkt: „… da empörten sich nach geheimer Absprache zuerst gewisse weiter entfernt lebende [Germanen].“ Es würde aus germanischer Sicht auch keinen Sinn machen, zum Winter hin in einem Gebiet außerhalb des römischen militärischen Einsatzgebietes einen Aufstand zu machen. Gegen wen sollte er sich dort richten? Weiterhin würde es jedem militärischen Denken widersprechen, dass die römische Militärführung zu einem kriegerischen Unternehmen Kinder, Frauen und den zivilen Tross aus dem Sommerlager mitführen würde. In so einem Fall hätte man diese in relativer Nähe der römischen Lippelager vorab zu den Winterlagern am Rhein geschickt. Dies geschah aber nach Cassius Dio (56, 20,2) gerade nicht: „Sie führten auch wie im Frieden viele Wagen und Lasttiere mit, ferner folgten ihnen nicht wenige Kinder und Frauen und zahlreiche Trossknechte.“ Es würde bei einem überschaubaren Aufstand „gewisser weiter entfernt lebender Germanen“ römischer militärischer Erfahrung entsprechen, einen solchen (begrenzten) „Unruheherd“ lediglich durch einzelne Heereskontingente bekämpfen zu lassen. So berichtet Tacitus wiederholt von solch einzelnen Kommandos des A. Caecina (Ann. I, 56,1 u. 60,2). Auch L. Stertinius musste 15 n. Chr. im Auftrag des Germanicus die Brukterer bekämpfen (Ann. I, 60,3). Als während des Feldzuges im Jahre 16 n. Chr. dem Germanicus der Abfall

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Gründe für die Arglosigkeit des Varus

der Angrivarier im Rücken des Heeres gemeldet wurde, berichtet Tacitus (Ann. II, 8,4): „ … Stertinius wurde mit Reiterei und Leichtbewaffneten dort hingeschickt und rächte die Treulosigkeit mit Feuer und Mord.“ Dies alles muss darauf schließen lassen, dass Arminius und auch andere germanische Vertraute, den Varus dazu bewegen konnten, beim direkten Rückmarsch in die rheinischen Winterquartiere einen Umweg oder Abstecher zu machen, ohne dass dies mit einer erkennbaren militärischen Bedrohung für die Römer verbunden war. Dem Varus und der übrigen römischen Führung im rechtsrheinischen Germanien wird es nicht unbemerkt geblieben sein, dass die dort beabsichtigte Schaffung einer römischen Provinz unter Einführung des römischen Rechtes, der Erhebung von Steuern und der künftigen Verehrung fremder Götter zu einer erheblichen zivilen Unruhe unter den betroffenen germanischen Stämmen führte. Schließlich würde hierdurch die gesamte kultisch begründete Identität und Kultur der germanischen Stämme ausgehöhlt und in Frage gestellt werden. Arminius dürfte in Kenntnis beider Kulturen mit dafür gesorgt haben, dies dem Varus und seinem Generalstab eindrucksvoll überzeugend vor Augen zu führen, wobei er wohl gleichzeitig einen Weg zur Problemlösung aufzeigen konnte, dem Varus sofort folgte, da er ihm als schlüssig und erfolgversprechend erscheinen musste. Ein solcher Rat des Arminius dürfte darin bestanden haben, den vorgeschlagenen Abstecher vom geplanten Rückweg dazu zu benutzen, potentiellen Aufrührern eindrucksvoll die militärische Stärke der römischen Streitmacht als Abschreckung vor militärischem Aufbegehren zu demonstrieren.54 Bei solch potentiellen Aufrührern kann es sich nur um die Eliten der germanischen Stämme handeln. Es musste also ein diplomatisches Treffen, ein „Gipfeltreffen“, mit ihnen

Gründe für die Arglosigkeit des Varus

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arrangiert werden. Eine solche Möglichkeit, alle Eliten der betroffenen germanischen Stämme an einer Stelle zu treffen, war nur bei einem großen Kultfest gegeben. Es musste ein Kultfest sein, zu dem alle betroffenen Stämme traditionsgemäß zusammenkamen. Im Folgenden soll versucht werden, diese These anhand der überlieferten antiken Schriftquellen zu untermauern.

VIII. Kultfest der Kultverbände

U

nabhängig von ethnischen und politischen Gliederungen der germanischen Bevölkerung scheint es unbestritten zu sein, dass es mindestens drei germanische religiöse Kultverbände gegeben hat, die möglicherweise auch politische Verbindungen untereinander hielten. Obwohl es zum komplexen Thema ,Kultverbände‘ noch manch ungelöste Fragen gibt, scheint in der Literatur und Forschung die Tendenz dahin zu gehen, die in den damaligen Schriftquellen genannten Kultgemeinschaften als Ausgangspunkt für gemeinschaftliches, militärisches Vorgehen gegen die römische Besatzungsmacht anzusehen.55 So nennt Tacitus (Germania 2, 2) den Mannus, Sohn des Tuisto, als Stammvater der Germanen, der drei Söhne hat, „nach denen sich diejenigen, die dem Ozean am nächsten (wohnen), Ingvaeonen, diejenigen in der Mitte Herminonen und die übrigen Istvaeonen nennen“, die nach Plinius (Naturalis historia 4, 100) „dem Rhein am nächsten“ leben. Doch diese Bezeichnungen beziehen sich wohl nur auf die westlichen Stämme der Germanen und benennen damit keine eigenständigen Stammesverbände, sondern weisen auf uralte Kultverbände mit gemeinsamer Götterverehrung hin.56 Für das Gebiet zwischen Rhein und Weser scheinen sowohl das Gros des entsprechenden archäologischen Fundmaterials an Keramik und des übrigen dinglichen Gutes als auch das Totenbrauchtum die Zugehörigkeit der dort ansässigen Stämme zu einem gemeinsamen Kulturverband zu bestätigen.57 Obwohl die Bezeichnungen der drei Kultverbände in der jüngeren Literatur strittig diskutiert werden, soll es im Folgenden bei den von den antiken Autoren benannten Bezeichnungen bleiben.58 Es ist davon auszugehen, dass diese drei Mannuskultverbände in ihrer religiösen Struktur gewisse rituelle und kulti-

Kultfest der Kultverbände

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sche Gemeinsamkeiten gehabthaben.59 Tacitus (Germania 39 1,2) schreibt über den Kultverband der Herminonen, zu dem auch die Sueben zählten: „Die Semnonen rühmen sich als die ältesten und edelsten Sueben, die Glaubwürdigkeit ihres Alters wird durch religiösen Kult gestärkt. Zu einer festgelegten Zeit versammeln sich alle Völker gleichen Blutes durch Abgesandte in einem Wald, der durch die Weissagungen der Väter und durch althergebrachte Ehrfurcht geheiligt ist, und nachdem sie öffentlich einen Menschen getötet haben, feiern sie die verabscheuungswürdigen Ursprünge einer barbarischen Zeremonie.“ Wenn die spärlichen überkommenen antiken Schriftquellen über die Zentralheiligtümer der anderen Mannuskultverbände nichts aussagen, so ist dennoch davon auszugehen, dass auch diese entsprechende Zentralheiligtümer hatten.60 Folglich muss auch der Mannuskultverband der Istvaeonen im Rhein-Weser-Ems-Gebiet ein zentrales Kultheiligtum gehabt haben, das bis heute nicht entdeckt wurde. An zentralen Heiligtümern dürften die großen Kultfeste nur im Abstand von mehreren Jahren gefeiert worden sein, wie es sich bei anderen archaischen Völkern belegen lässt. Dieser zeitliche Abstand hob die zentrale religiöse Bedeutung des Fests eindrucksvoll hervor, wurde daher inbrünstig herbeigesehnt und mit großer Feierlichkeit vom ganzen Lande begangen. Diesen zentralen Kultfesten mit ihren großen Opferritualien kam somit eine herausragende gemeinschaftsstiftende Kraft zu. Gleichzeitig stärkten sie die religiös-kulturelle Identität der gläubigen Kultgäste, die mit ihren Sippen und jeweiligen Stämmen in oft weit entfernt gelegenen Siedlungskammern lebten und sich in der Zwischenzeit nicht allzu oft zu friedlichen Anlässen getroffen haben dürften. Gerade weil der sie alle verbindende Glaube an die überirdischen, auf sie wirkenden göttlichen Mächte für den Einzelnen nicht

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Kultfest der Kultverbände

konkret fassbar und somit erlebbar war, waren die vom Oberpriester während des Kultfestes vorgenommenen Rituale des Bekenntnisses und der Opferdarbringung besonders wichtig. Durch diese kollektiv wahrgenommene und erregende Bekräftigung und Erneuerung ihrer gemeinsamen religiösen Bindung an die geheiligte Gottheit wurde der Zusammenhalt der einzelnen Stämme, besonders aber der der jungen Kultgäste, die zum ersten Mal an diesen Kultfesten teilnehmen durften, eindrucksvoll und dauerhaft gefestigt.61 So wurden z.B. im vorchristlichen Schweden für alle Volksstämme verbindlich alle neun Jahre in Uppsala große Opferfeste zu Ehren des Wodan/Odin veranstaltet, die neun Tage dauerten. Ebenfalls fand in Leire auf Seeland in Dänemark alle neun Jahre ein großes Opferfest statt. Zwar fand in Leire das Kultfest im Januar und in Uppsala um die Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr statt, doch verliefen beide zentralen Kultfeste in der Hauptsache übereinstimmend, da sie beide alle neun Jahre stattfanden und auch jeweils bei den Opfern die Neunzahl eine Rolle spielte. So gibt es auch nach der nordgermanischen Liedersammlung, der älteren Edda, neun verschiedene Welten, und zwar je drei unterirdische, drei irdische und drei überirdische Welten, die durch den Weltenbaum, die Esche Yggdrasil, miteinander verbunden sind.62 Wegen der jahreszeitlichen Unterschiede der Kultfeste wird von W. Golther darauf verwiesen, dass noch in der jüngeren Kaiserzeit der römische Kalender eindrang und Verschiebungen aller Art stattfanden, die später durch die christlichen Festfolgen nochmal verstärkt wurden. So seien Jahresfeste verlegt und auf verschiedene Tage verteilt worden.63 Bei den Schilderungen der heidnischen Kultfeste in Leire durch Thietmar von Merseburg (10. Jahrh.) und in Uppsala

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durch Adam von Bremen (11. Jahrh.) müssen deren christliche und missionspolitische Sichtweisen berücksichtigt werden.64 Die kultisch-religiöse Zeitordnung der Germanen wurde von den Mondphasen geprägt. Den drei Mondphasen, von je neun Nächten, folgte die Zäsur der drei dunklen Nächte, der sogenannte Mondtod. Der Mondzyklus stand symbolisch für den ewigen Kreislauf von Erwachen, Wachsen, Reifen und Absterben in der Vegetation sowie für Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt bei den Menschen. Nach der älteren Edda haben weise Götter für den Menschen den Wechsel des Mondes als Maß für die Zeit geschaffen.65 Auch die kretischen, frühgriechischen und altrömischen Kalender richteten sich nach dem Mond.66 Die Zeitspanne von neun Jahren ist nicht willkürlich gegriffen, denn jedes neunte Jahr steht am Ende jedes großen Jahres von einhundert Mondzyklen.67 So verlangte Minos, der Herrscher von Kreta, von den Athenern alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen, um sie dem Minotaurus zu opfern.68 Auch die neun Jahren, die Hephaistos in der Grotte der Thetis verbrachte, bezeugen seine Dienstbarkeit dem heiligen Monde gegenüber.69 Der mythische kretische König Rhadamantys besuchte jedes neunte Jahr die Grotte des Zeus, um seine Herrschaft zu erneuern.70 Die Liste der religiösen Bezüge zum mythischen Jahr „Neun“ ließe sich verlängern. Doch sie genügt hier für die Schlussfolgerung, dass auch die großen Kultfeste der Mannuskultgemeinschaft im Abstand von neun Jahre stattgefunden haben werden, wie es später für Uppsala und Leire bezeugt ist. Das germanische Jahr begann mit Opferfesten zwischen September und Oktober, wahrscheinlich um die Tag- und Nachtgleiche.71 So heisst im Altenglischen der September „heiliger Monat“ und der Oktober „Opfermonat“. Die Unklarheit in Bezug auf die konkrete Datierbarkeit germanischer Kultfeste besteht u. a. darin, dass die Kultfeste der

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Germanen bei Vollmond begannen. Auch Tacitus (Germania 11,1) berichtete, dass die Germanen sich „zu bestimmten Terminen entweder bei Neumond oder bei Vollmond versammelten.“72 Der Kultort eines Kultverbandes, zu dem die freien germanischen Männer zu Tausenden hinströmten, musste räumlich entsprechend groß sein. Eine sehr große Waldlichtung im heiligen Hain bzw. Wald wird wohl am besten als Kultversammlungsstätte geeignet gewesen sein73, denn sie musste für mehrere, wahrscheinlich neun Tage, auch Lagermöglichkeiten für die vielen Gläubigen bieten. Dort musste biwakiert werden; Platz für Lagerfeuer musste deshalb ausreichend vorhanden sein und auch genügend Weidefläche für die mitgebrachten Reit- und Tragtiere. Unabdingbar war es jedoch, dass es ausreichend gutes Frischwasser für alle gab. Es müssen zumindest sehr starke Quellen in der Nähe des Lagerplatzes geflossen sein. Bei den Menschenmassen musste auch die hygienische Grundversorgung z. B. durch Latrinen gegeben sein, um Seuchen vorzubeugen. Unter der Voraussetzung, im Jahre 9 n. Chr. hätte ein großes Kultfest der Kultgemeinschaft der Istvaeonen an ihrem Zentralheiligtum bevorgestanden, wäre ein für die germanischen Stämme so zentrales und wichtiges Ereignis auch den Römern im Lande bekannt gewesen, da sie sich ja schon über zwanzig Jahre im Gebiet der Kultgemeinschaft der Istvaeonen aufhielten. [Unter der Voraussetzung, dass dieses zentrale Kultfest alle neun Jahre gefeiert wurde, hätte es demnach auch um Christi Geburt und 10 v. Chr. stattfinden müssen. (Die historische Jahreszählung zählt das Jahr vor und nach Christi Geburt, ohne das Jahr Null zu berücksichtigen.) Dann wäre gegebenenfalls eine Textstelle bei

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Florus über einen Feldzug des Drusus neu zu deuten. Bekanntlich heisst es dort (Florus 2, 30,24): „Dann griff er [Drusus] gleichzeitig die mächtigsten Völker, die Cherusker, Sueben und Sugambrer, an, die 20 Zenturionen gekreuzigt hatten und diesen Krieg, wie durch einen Eid [gebunden], in solch sicherer Erwartung eines Sieges begonnen hatten, dass sie die Beute im Voraus vertraglich aufteilten.“ Es könnte sein, dass nach dem zentralen Kultfest, wo angeblich 20 Zenturionen geopfert worden sind, ein gleichsam „heiliger Krieg“ zur Vernichtung des römischen Heeres vom Oberpriester ausgerufen und per heiligem Eid beschlossen wurde. Die „Kreuzigung“ der Zenturionen erinnert an die Kultfeste in Leire und Uppsala, wo die Menschenopfer aufgehängt wurden. Über besondere Vorkommnisse um Christi Geburt ist nichts überliefert. Die antiken Schriftsteller schilderten vorrangig die Ereignisse, die mit den Angehörigen der Kaiserfamilie zu tun hatten. (MoMMsen: wie Anm. 19, S. 41)] Varus wird daher gewusst haben, dass zu solch heiligen Zeiten am zentralen Heiligtum der Istvaeonen alle Stammeskrieger und Stammeseliten der betroffenen Stämme zusammenkommen mussten. Es wäre somit für ihn eine selten günstige Gelegenheit, dort allen Stammeseliten, vor allem auch den Priestern, bei einer Art diplomatischem Gipfeltreffen, verbunden mit einer großen römischen militärischen Machtdemonstration, die Überlegenheit Roms vor Augen zu führen. Das müsste schon genügen, jeden germanischen Gedanken an Aufstandspläne zu verwerfen, da diese nur zu einer weiteren bitteren, verlustreichen germanischen Niederlage führen müssten.

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Als Arminius nun selbst den Vorschlag machte, Varus solle doch auf seinem Rückweg aus dem Sommerlager in die Winterquartiere am Rhein als Gast am zentralen Kultfest der Istvaeonen zu einem großen ,Gipfeltreffen‘ mit den Stammeseliten kommen, dürfte er damit bei Varus und seinem Generalstab auf offene Ohren gestoßen sein. Die Tatsache, dass Kaiser Augustus, am selben Tag der Tag- und Nachtgleiche, also am 23. September, Geburtstag hatte, erschien den Römern sicherlich als zusätzlich gutes Omen, was auch von Arminius psychologisch geschickt miterwähnt worden sein dürfte. Schließlich wusste ja Arminius aus eigener Erfahrung als römischer Militärführer, dass der Geburtstag des ,vergöttlichten‘ Augustus besonders für das römische Heer einer der wichtigsten heiligen Feiertage war.74 Dies wird auch von Cassius Dio (56, 25,2) für das Jahr 11 n. Chr. wie folgt belegt: „denn sie (Tiberius und Germanicus) rückten aus Furcht, erneut eine Niederlage zu erleiden, nicht allzu weit vom Rhein aus vor, sondern blieben dort in der Nähe bis zum Herbst; nachdem sie den Geburtstag des Augustus gefeiert und hierbei durch Zenturionen Reiterspiele veranstaltet hatten, kehrten sie zurück.“ Das geplante Aufsuchen des Kultplatzes im Zusammenhang mit dem Rückmarsch in die Winterlager wäre dann auch die Begründung dafür, dass Varus wie im Frieden auch mit Kindern, Frauen und großem Tross zu diesem Zentralheiligtum aufbrach. Es ist davon auszugehen, dass dieses Heiligtum, einschließlich eines großen heiligen Waldes, abseits von den Hauptverkehrswegen lag. Varus hätte demnach den ausgebauten und gesicherten Marschweg zu den Winterlagern an einem bestimmten Ort verlassen müssen, um auf „Nebenstrecken“75 zum Zentralheiligtum zu kommen.

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Der These folgend, dass Varus sich auf dem Weg zum großen Kultfest der Istvaeonen befand, müsste dann der Zeitpunkt der Varusschlacht mit dem des Kultfestes zusammenfallen, das wahrscheinlich, wie bereits erwähnt, um die Tag- und Nachtgleiche (23. September) begangen wurde. Da nach allgemeiner Auffassung, die sich vor allem auf Tacitus (Germania 11,1) stützt, die religiösen Kultfeste der Germanen bei Vollmond begannen76, könnte dies den Beginn des Kultfestes am 23.09., dem Tag der Tag-und Nachtgleiche, in Frage stellen, wenn an diesem Tag kein Vollmond gewesen wäre. Doch am 23.09. 9 n. Chr. trat der Vollmond um 2 Uhr 50 Ortszeit ein.77 Das Zusammenfallen von Tag- und Nachtgleiche mit dem Beginn der Vollmondphase wird für die Germanen ein göttliches Vorzeichen gewesen sein. Unabhängig von den hier aufgezeigten Quellenbefunden und Fakten kommt G. A. Lehmann auf den gleichen Zeitpunkt der Schlacht: „Auf der Basis der teilweise sehr präzisen Angaben über das zeitliche Verhältnis zwischen Kapitulation des letzten Widerstandsherdes in Illyrien-Dalmatien und der Katastrophe in Germanien (…) ergibt sich (…) für die Varusschlacht eine zuverlässige Datierung in das letzte Drittel des Monats September 9 n. Chr.“78 Der vorher genau bekannte Zeitpunkt dieses Kultfestes dürfte für Varus auch der Grund gewesen sein, den Aufenthalt im Sommerlager bis dahin zu verlängern.79 Nachdem Varus dem Vorschlag des Arminius gefolgt sein dürfte, zum Kultfest zu marschieren, geschah für Cassius Dio (56, 19, 4.5) aus späterer römischer Sicht Folgendes: „Sie [Arminius, Segimer und die anderen Hauptverschwörer] begleiteten ihn [Varus] auf dem Marsch, und als sie dann entlassen worden waren, um die Hilfstruppen zu mobilisieren und schleunigst zur Unterstützung heranzuführen, (5) übernahmen sie schon irgendwo in Bereitschaft stehende Streitkräfte,

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Kultfest der Kultverbände

ließen jeweils die in ihrem Heimatgebiet stationierten römischen Soldaten, die sie früher von Varus angefordert hatten, niedermachen und griffen dann Varus selbst an, der sich mittlerweile schon in schwer passierbaren Waldgegenden befand. Dort erschienen die vermeintlichen Untertanen plötzlich als Feinde und richteten furchtbares Unheil an …“ Der Text ergibt, dass die germanischen Hilfstruppen sich nicht mit im Sommerlager des Varus befanden. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie über das Land verteilt und den jeweiligen Wachtposten und Kleinkastellen zugeordnet.80 Es gehörte zum Aufstandsplan des Arminius, diese kleinen verstreuten römischen Militäreinheiten an ihren jeweiligen Standorten durch die sich ebenfalls dort befindenden germanischen Hilfstruppen auszuschalten, die danach zur Unterstützung der Stammeskrieger möglichst schnell zum zentralen Kultheiligtum als dem geplanten Ort der Entscheidungsschlacht kommen sollten. Diese auch erfolgreich durchgeführten germanischen Überraschungsangriffe gegen diese kleinen im Land verteilten römischen Militärabordnungen haben jedoch nichts mit den erst nach der Varuskatastrophe geführten Angriffen auf die römischen Lagerbefestigungen an der Lippe zu tun. Dies lässt sich auch aus der textlichen Reihenfolge bei Cassius Dio ablesen. Erst nach der Varusschlacht wurden dann die Militärlager gestürmt (56, 22,2). Da bei Cassius Dio hier eine Textlücke vorliegt, wurde sie vom byzantinischen Mönch Zonaras 1118 n. Chr. für dessen Weltchronik aus ihm damals noch bekannten Quellen ergänzt (Cassius Dio, 56, 22 als 2 a eingefügt): „Und die Barbaren eroberten alle Kastelle mit einer Ausnahme, jenen festen Platz aber konnten sie nicht einnehmen, da sie nichts von Belagerungskunst verstanden und die Römer zahlreiche Bogenschützen hatten, von denen sie unter großen Verlusten zurückgeschlagen wurden.“

Kultfest der Kultverbände

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Neue Forschungsergebnisse scheinen, wie oben schon erwähnt, zu belegen, dass es sich bei diesem nicht eroberten Kastell ,Aliso‘ um das Hauptlager von Haltern handeln dürfte.81 Ob die anderen rechtsrheinischen Militärlager nach der Varuskatastrophe entweder von den Germanen selbst erobert oder ob diese nach vorheriger fluchtartiger Räumung durch ihre Besatzungen lediglich von den siegestrunkenen und beutehungrigen Germanen besetzt und anschließend zerstört wurden, ist im Einzelnen noch ungeklärt. Doch über das Römerlager Anreppen gibt es zwischenzeitlich neue bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse. Konnte man bislang noch davon ausgehen, dass das östlichste bislang bekannte römische Lippe-Lager Anreppen während der Statthalterschaft des Varus noch als römisches Militärlager diente, so kommt nun der langjährige Ausgräber von Anreppen, der Archäologe J. S. Kühlborn, zwischenzeitlich zu dem Forschungsergebnis, dass es aus archäologischer Sicht keinerlei überzeugende Argumente dafür geben würde. Damit fällt die Nutzung des Römerlagers Anreppen in die Zeit der Tiberius-Feldzüge in den Jahren 4 und 5 n. Chr., wo es nach Velleius Paterculus (2, 105) auch als Winterlager diente. Nach Aufgabe dieses Lagers, vermutlich im engen Zusammenhang mit dem beginnenden Balkankrieg im Jahre 6 n. Chr., wurde Anreppen also bereits vor der Statthalterschaft des Varus durch das römische Militär planmäßig zerstört, um einen solch bedeutenden Stützpunkt möglichen Gegnern nicht unversehrt zu überlassen. Außerdem dürften die noch nutzbaren Materialien abtransportiert worden sein.82 Diese wichtige Aussage, dass das östlichste römische Lippe-Lager während der dreitägigen Marschgefechte zwischen Varus und Arminius mit der anschließenden Varuskatastrophe überhaupt nicht mehr bestand, wird bei der künftigen

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Suche nach der Örtlichkeit der Varusschlacht zu berücksichtigen sein. Das bedeutet nämlich für den Rückmarsch der Römer aus dem Sommerlager bei Hameln, dass das nächste erreichbare römische Militärlager an der Lippe erheblich weiter entfernt lag als bisher angenommen werden konnte. Unabhängig vom Zeitpunkt der Räumung des Lagers Anreppen konnte sich nach der Varuskatastrophe ein Teil der römischen Soldaten zum Rhein hin retten, wie es sich aus der Schilderung des Cassius Dio (56, 24,1) ergibt, wo er die Reaktion des Augustus auf die Niederlage des Varus wie folgt beschreibt: „Als er dann aber erfuhr, dass sich ein Teil der Soldaten gerettet habe und die [linksrheinischen] germanischen Gebiete von den Besatzungen bewacht würden, während der aufständische Feind es nicht gewagt habe, bis zum Rhein vorzudringen, legte sich seine Erregung …“ Die militärische Stabilisierung der Rheinlinie durch römische Truppen dürfte vor allem das Verdienst des Legaten L. Asprenas gewesen sein, der der emotionalen Versuchung widerstand, mit seinen beiden Legionen den eingekesselten Truppen des Varus zu Hilfe zu kommen, wovon er durch Boten erfahren haben dürfte. Das wäre militärisch vergeblich gewesen und hätte höchstwahrscheinlich ebenfalls zum Verlust seiner Legionen geführt. Als daraus folgende Konsequenz wären die römischen Standlager am Rhein weitgehend ungeschützt den Angriffen der siegreichen Germanen unter Arminius und möglichen linksrheinischen germanischen Aufständischen ausgeliefert gewesen. In dieser Situation sich für die Sicherung der Rheinlinie entschieden zu haben, ist eine strategisch herausragende Leistung des L. Asprenas gewesen. Der Zeitgenosse Velleius Paterculus (2, 120,3) wür-

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digt daher Asprenas wie folgt: „Aufrichtige Anerkennung soll man L. Asprenas zollen, der als Legat unter Varus seinem Onkel mütterlicherseits diente und dank der energischen und mutigen Leistung der beiden Legionen, die er befehligte, das Heer wohlbehalten vor solchem Untergang rettete und dadurch, dass er schleunigst zu dem unteren Winterlager [Vetera] hinabmarschierte, auch die wankelmütigen Stämme diesseits des Rheines aufmunterte.“ Es ist davon auszugehen, dass die germanischen Hilfstruppen wie geplant nach Vernichtung des sich bei ihnen befindenden römischen Militärpersonals unverzüglich von ihrem jeweiligen Standort aus zum bekannten Zentralheiligtum aufbrachen, um noch Tage später dort selbst an der Entscheidungsschlacht teilnehmen zu können. Dies erschließt sich aus dem Bericht des Cassius Dio (56, 21,4) vom vierten Marschtag der Kampfhandlungen des Varus: „Zudem hatte die Zahl der Feinde noch erheblich zugenommen, denn auch viele andere Barbaren, die vorher noch abgewartet hatten, waren jetzt eingetroffen, um vor allem Beute zu machen, aber auch aus anderen Gründen.“ Es werden zu diesem Zeitpunkt nicht nur nach und nach die germanischen Hilfstruppen, sondern sicherlich auch noch Sippenverbände entlegener Stämme in die Kämpfe mit eingegriffen haben, die wetter- und wegebedingt erst verspätet beim Kultzentrum eintrafen.83 Die Bemerkung des Cassius Dio: „Viele andere Barbaren waren jetzt eingetroffen, um vor allem Beute zu machen, aber auch aus anderen Gründen“, ist genau zu hinterfragen, wobei das Problem des Beutemachens unten weiter ausgeführt wird. Die Teilnahme am zentralen Kultfest der Istvaeonen war heilige, göttliche Pflicht. Wenn Tacitus (Germania 11,1) davon spricht, dass alle an wichtigen Beratungen teilnehmen, hat dies umso mehr für zentrale Kultfeiern zu gelten. Für die römischen Autoren mögen diese für die Germanen heiligen

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Pflichten aus Unkenntnis oder Herablassung eben „andere Gründe“ gewesen sein. Aber die heilige Pflicht, am Kultfest teilzunehmen, begründet für sich allein noch nicht die Pflicht, den Vernichtungskampf gegen die Römer zu führen. Doch über den geweihten Stätten und den geheiligten Festzeiten lag ein besonderer Gottesfrieden, der sogenannte Festfrieden. Wer diesen brach, verübte nach dem religiösen Sprachgebrauch der Nordgermanen ein ,Neidingswerk‘ und verfiel dem unversöhnlichen Zorn der Gottheit und konnte im Namen der Priester von jedermann ungestraft getötet werden. Der Bereich des Festfriedens war während der Feierlichkeiten an dem zentralen Kultheiligtum nicht auf den engeren Bereich um das Heiligtum begrenzt, sondern wird für einen erheblich weiteren Umkreis gegolten haben.84 Durch den Anmarsch des römischen Heeres zum geheiligten Kultfest war der Gottesfrieden gestört und es war somit heilige Pflicht aller Krieger gegenüber der Gottheit, für den Schutz des Heiligtums alle verfügbaren Kräfte für die Vernichtung der Gottesfrevler einzusetzen. Darüber mussten auch die Priester, vor allem der Oberpriester, wachen, da sie an geheiligten Orten das Strafrecht, das sogenannte Bannrecht für die Gottheit ausübten; dessen Bruch hatten sie im Namen der Gottheit auch zwangsläufig zu ahnden. Die Sühne eines solchen Neidingswerks zu vollziehen, also den Opfertod dieser Frevler herbeizuführen, war heilige Pflicht der Priester, da sie in unmittelbarem Dienst der Götter stehend diese vertraten. An diesem Punkt lässt sich besonders gut die kluge Strategie des Arminius belegen. Er wusste, wie oben dargelegt, dass die innenpolitischen Spannungen zwischen den sogenannten Erneuerern und den Traditionalisten mitten durch die germanischen Stämme, Sippenverbände und selbst durch Familien gingen und dass er nicht alle Germanen zum offe-

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nen Kampf gegen die siegreichen Römer bewegen konnte. Dies vermochten nur die Priester, wenn sie aus tiefverwurzeltem religiösen Selbstverständnis heraus berechtigt bzw. verpflichtet waren, zum „heiligen“ Kampf gegen Gottesfrevler aufzurufen. Die List des Arminius gegenüber den germanischen Kultgästen bestand nun darin, Varus und seinen Generalstab zu veranlassen, während der geheiligten Kultfestzeiten in das ebenfalls durch Festfrieden geheiligte Umfeld des Kultzentrums einzudringen. Arminius wusste ja, dass dann auch die sogenannten römerfreundlichen ,Erneuerer‘ unter den Kultgästen dem Aufruf des Oberpriesters zwingend zu folgen hatten, eine solch ungeheuerliche Freveltat wie die Störung des Gottes- und Festfriedens gegenüber der Gottheit mit allen Mitteln zu verhindern. Diese Gottesfrevler mussten gemeinsam von allen Kultgästen bekämpft und bestraft werden, denn wer dem Aufruf des Priesters zum heiligen Kampf gegen diese Frevler nicht folgte, stellte sich selbst außerhalb aller religiösen und somit auch gesellschaftlichen Normen. Damit würde er dann ebenfalls ein Gottesfrevler, den nun auch die übrigen Gläubigen in heiligem Auftrag der Gottheit zu bestrafen hatten. Weil dies alles dem Arminius bekannt war, genügte es ihm, zu Beginn der Aufstandsplanung nach Velleius Paterculus (2, 118,3) „anfangs nur wenige, dann aber mehrere in seinen Plan“ einzuweihen, um das Risiko eines vorzeitigen Bekanntwerdens des Aufstandplanes möglichst gering zu halten. Es war also der zentrale Punkt des Widerstandsplanes, die Römer unter Varus zum Marsch in Richtung zentrales Heiligtum, und zwar während der heiligen Zeiten, zu bewegen. Gelang dies, dann konnte sich Arminius sicherlich in Absprache mit dem Oberpriester „politisch“ zurücknehmen, um dem Oberpriester die Mobilisierung der Gläubigen zum heiligen

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Kampf zu überlassen. Er hatte danach lediglich in göttlichem Auftrag sein militärisches Wissen und Können im Kampf gegen die Gottesfrevler mit einzubringen. Gegenüber den Römern bestand die Taktik des Arminius darin, den Varus zum Kultfest zu locken, um in einer Art Gipfeltreffen den germanischen Stammeseliten die Unumkehrbarkeit der römischen Germanienpolitik mit einem enormen militärischen Drohpotential kundzutun. Vielleicht wurde Varus zu diesem Treffen am Kultplatz auch durch die möglichen römischen Erfahrungen nach den letzten zentralen Kultfesten angeregt, wo es möglicherweise nach diesen Festen jedes Mal zu militärischen Auseinandersetzungen mit diesen germanischen Stämmen gekommen war. Es dürfte Varus somit vorteilhafter erschienen sein, die potentielle Flamme des Aufstandes an Ort und Stelle durch eine politischmilitärische Machtdemonstration auszutreten als später einen Flächenbrand zu bekämpfen. Es stellt sich aber die Frage, gerade weil die Römer sich schon über zwanzig Jahre im Gebiet der Kultgemeinschaft der Istvaeonen aufhielten, ob sie dann nicht auch sehr genau wussten, dass das Stören des Festfriedens während des wichtigen Kultfestes sofort zu unüberschaubaren kriegerischen Gewaltreaktionen der Gläubigen führen würde. Es ist davon auszugehen, dass dies dem Varus und seinem gut unterrichteten Generalstab auch bekannt war. Dann mussten sie ebenfalls darüber informiert gewesen sein, dass für alle Kultgäste die Gesetze des Festfriedens galten und daher zu heiligen Zeiten und an heiligen Orten die Waffen zu ruhen hatten.85 Da Arminius den Varus mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als Gast zum Kultfest eingeladen haben dürfte, um dort die Stammeseliten und Priester zu treffen, konnten bzw. mussten Varus und sein Generalstab im Vertrauen auf Arminius davon

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ausgehen, als eingeladene Gäste auch unter dem Schutz des Festfriedens zu stehen. Inwieweit Varus jedoch bei diesem nicht risikolosen Unternehmen den Fanatismus religiös aufgewühlter Massen von Gläubigen bei solchen zentralen Kultfesten bedacht hat, kann heutzutage nicht mehr beurteilt werden. [Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit Blick auf die spätere Schlacht bei Idistaviso im Jahre 16 n. Chr. an der Weser sich dort möglicherweise eine ähnliche Aufgabenteilung zwischen Priester und Arminius ablesen lässt. So berichtet Tacitus (Ann. II, 12,1): „Caesar [Germanicus] überschritt die Weser und erfuhr durch den Hinweis eines Überläufers den von Arminius ausgewählten Ort der Schlacht; in einem dem Hercules [wohl Donar] geweihten Wald hätten sich noch andere Stämme versammelt, die einen nächtlichen Sturm auf das Lager wagen sollten.“ Die Schlacht fand dann auch in einer (benachbarten) Ebene mit dem Namen Idistaviso statt (Ann. II, 16,1). Auch hier hat Arminius den Schlachtort, nämlich den „Campus idistaviso“, bereits ausgesucht. Auch hier ist von einem der Gottheit, hier dem Donar, geweihten heiligen Bezirk die Rede, in dessen Wald sich auch andere Stämme versammelten. Dabei dürfte es sich wohl um das Stammesheiligtum der Cherusker handeln. Es scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass auch hier die Priester am geheiligten Ort die Gläubigen auffordern, dem Willen der Gottheit entsprechend die römischen Frevler zu vernichten. Auffallend ist hier, wie unten noch beim Problem „teutoburgiensis saltus“ darzustellen sein wird, dass auch hier mit „Idistaviso“ eine germanische Bezeichnung einer Örtlichkeit von Tacitus genannt wird, die selbst zu Lebzeiten des

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Tacitus den Römern noch bekannt gewesen sein muss. Es dürfte sich dabei nicht um eine nur zufällig gewählte, unbedeutende Wiese gehandelt haben. Folgt man J. Grimm (wie Anm. 72, S. 332), so scheint Idistaviso vom germanischen Idisiaviso abzuleiten sein, was verkürzt mit „Elfenwiese“ oder „Nymphenwiese“ gedeutet wird. Idisen galten der germanischen Mythologie zufolge als Wesen, die durch die Luft gezogen kamen und sich auf dem Schlachtfeld niederließen, wo der Kampf zwischen zwei Heeren bereits entbrannt war (Golther, Mythologie, S. 110). Auffallend ist es also, dass hier ein heiliger Wald des Donars genannt wird, wo auf einer benachbarten, großen freien Fläche die erbitterte Schlacht tobte, die mit „Idisen-Wiesen“ ebenfalls germanische religiöse Bezüge hat. Hierzu eine gewisse Parallelität zu den Umständen der Varusschlacht zu vermuten, ist nicht auszuschließen. (Dazu Brepohl, Arminius, S. 95ff.) In diesem Zusammenhang dürfte ebenfalls ein Bericht des Tacitus (Ann. XIV, 73,4) über den Friesenaufstand im Jahr 28 n. Chr. von Interesse sein: „Später erfuhr man von Überläufern, dass 900 Römer bei einem sogenannten Hain der Baduhenna in einer Schlacht, die sich bis zum folgenden Tag hinzog, aufgerieben wurden.“ Wie weit hier ein Grundmuster germanisch religiös geprägter Verhaltensweisen gegeben sein könnte, bedarf noch intensiver Forschung.] In der Geschichte gibt es bekanntlich viele Beispiele dafür, dass Gläubige mit allen Mitteln aufopferungsbereit das Heiligtum ihrer Gottheit schützen und auch davon zutiefst überzeugt sind, für diesen gottgerechten Kampf Kraft von dieser Gottheit zu empfangen. So dürften es auch nicht nur die Einfriedungsmauern der Heiligtümer gewesen sein, die die Athe-

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ner dazu bewogen, bei den zentralen, alles entscheidenden Kämpfen der Perserkriege bei Marathon (490 v. Chr.) und Plataiai (479 v. Chr.) jeweils ein Heiligtum zum Stützpunkt ihrer Stellungen gegen die Perser auszuwählen.86 Für die These, dass die letzte Phase der Varusschlacht im Bereich des Zentralheiligtums der Istvaeonen stattfand, spricht folgende zentrale Stelle bei Tacitus (Ann. I, 61,2–4), in der das Betreten des Varusschlachtfeldes durch Germanicus im Jahre 15 n. Chr. geschildert wird: „Auf der Ebene dazwischen lagen die bleichenden Gebeine, zerstreut oder haufenweise, je nachdem, ob sie geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten. (3) Daneben lagen Bruchstücke von Geschossen und Pferdegerippe, und an den Baumstämmen hatte man Schädel festgemacht. In den benachbarten Hainen [fand man] Altäre der Barbaren, bei denen man die Tribunen und Centurionen ersten Ranges geopfert hatte. (4) Und die Überlebenden jener Katastrophe, die der Schlacht oder der Gefangenschaft entronnen waren, berichteten … von welchem Tribunal aus Arminius seine Rede hielt, wie viele Halsblöcke und was für Gruben den Gefangenen zum Hohn dienten und wie man sich hochmütig über Feldzeichen und Adler lustig machte.“ Tacitus spricht hier von einer Ebene an Waldrändern, von an Baumstämmen genagelten Schädeln, von Opferaltären in benachbarten Hainen, von Opfergruben, von Halsblöcken und von einem Tribunal, von dem aus man zu Vielen sprechen kann. Dies sind keine Begriffe, die zu einer üblichen Schlachtfeldbeschreibung passen. In allen anderen überlieferten Schriften, die die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen beschreiben, fehlen solche Begriffe. Es dürfte eindeutig sein, dass es sich hierbei um

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die Beschreibung des Bereiches eines heiligen Opferplatzes, eines Opferwaldes, handelt.87 Auch vom zentralen Heiligtum in Uppsala berichtet Adam von Bremen, dass neben ihm ein heiliger Hain lag, in dem die dem Odin (Wodan) zum Opfer bestimmten Menschen und Tiere gehängt wurden. Daneben wurden auch in einer heiligen Quelle nahe eines riesigen immergrünen Baumes Menschenopfer dargebracht. Außer drei mächtigen sogenannten Königshügeln gab es dort noch einen sogenannten Thinghügel mit einem Durchmesser von 20 m, auf dem eine möglichst große ebene Fläche geschaffen war, auf dem noch bis ins Mittelalter jedem neu gewählten König gehuldigt wurde.88 Für die Aussage, das Varusschlachtfeld befinde sich in einem heiligen Opferwaldbezirk, sprechen vor allen die dort genannten Opferaltäre und Opfergruben, wo die Tribunen und Centurionen ersten Ranges nicht im Kampfgeschehen niedergemetzelt, sondern von Priestern der Gottheit, dem Wodan, geopfert wurden und wo später deren sterbliche Überreste in die Opfergruben verbracht worden sein dürften. Bekanntlich durfte nur ein Priester dem Wodan Menschen opfern (Tacitus, Germania 9,1). Vom Zentralheiligtum der Semnonen berichtet Tacitus (Germania 39,1), dass nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aus rituellen Gründen ein Mensch geopfert wurde. Hier am Ort der Varusschlacht wurde jedoch eine Reihe von Menschen geopfert, was dafür spricht, dass die Römer den Gottesfrieden, den sogenannten Festfrieden, des heiligen Opferwaldbezirkes gebrochen hatten. Aufgrund dieses Neidingwerkes verfielen die Römer dem Zorn der Gottheit und mussten als besonders wertvolles Gut unweigerlich den Opfertod als Sühneopfer für die beleidigte Gottheit erleiden.89 Die ranghöchsten gefangenen römischen Offiziere starben den Opfertod gleichsam stellver-

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tretend für alle an der Schlacht und damit für alle am Bruch des Gottesfriedens beteiligten Römer. Der Hinweis auf Schädel, die an Baumstämme genagelt waren, weist ebenfalls auf einen heiligen Bezirk hin. Hierbei dürfte es sich jedoch wohl um Tierschädel gehandelt haben, denn beim Tieropfer waren die Köpfe den Göttern vorbehalten, während nach Verzehr des Fleisches durch die Gläubigen Innereien und andere Überreste von Menschen-und Tieropfern in die Opferschächte oder Opfergruben geworfen wurden. Die Beseitigung der Opferreste war ebenfalls ein heiliger Kultakt, weil diese als Bestand des geheiligten Opfers an die Gottheit nicht einfach profan als Kadaverreste entsorgt werden durften.90 Auch das von Tacitus genannte „Tribunal“ lässt nicht auf einen natürlichen Hügel schließen, der sich zufällig am oder auf dem Schlachtfeld befand, denn dann hätte Tacitus von „collis“ gesprochen. Die Römer bezeichnen nämlich mit “Tribunal“ eine von Menschen gestaltete Erhöhung, zu der Stufen hinaufführen. (Im Militärlager ist es die erhöhte Bühne des Feldherrn.) Von einer solchen Erhöhung konnte man besser zu Tausenden von Germanen, von Gläubigen sprechen, wozu auch der sogenannte Thinghügel im Zentralheiligtum in Uppsala gedient haben wird. Die Bezeichnung „Tribunal“ lässt daher auch auf einen heiligen Bezirk, einen Kultplatz, schließen. Dagegen dürfte auf den ersten Blick die Erwähnung von „Halsblöcken“, wovon die Überlebenden der Schlacht dem Germanicus berichteten, mit einem heiligen Kultplatz wenig zu tun haben. Doch Tacitus spricht von „patibula“. Die Römer benutzten das „patibulum“ als Strafwerkzeug, an das Kopf und Hände gefesselt wurden, um anschließend in der Regel Verbrecher am Längsbalken des Kreuzes hochzuwinden. Es spricht somit alles dafür, dass es sich bei diesen sogenannten „Halsblöcken“ um germanische Vorrichtungen für

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Hänge-Opfer im heiligen Opferwald handelt, die die Überlebenden der Schlacht aus ihrer Sicht mit den ihnen bekannten „patibula“ gleichsetzten.91 Aus den nordischen Quellen ist es bekannt, dem Odin Blut- und Hängeopfer zu bringen, wie es auch von den heiligen Kultfesten in Uppsala überliefert wurde. Demnach wurden die dem Odin geweihten Opfer dort im heiligen Kultplatzbereich neun Tage und Nächte an Bäumen aufgehängt. Damit ehrte man den Odin, von dem es in der älteren Edda heißt: „Ich weiß, dass ich hing am windbewegten Baum [die Weltesche Yggdrasil], neun Nächte hindurch verwundet vom Speer, geweiht dem Odin, ich selber mir selbst.“92 Der nordische Odin entspricht dem westgermanischen Wodan als Kriegs- und gleichzeitig Totengott, den die Germanen nach Tacitus (Germania 9) am meisten verehrten. Dies gilt jedenfalls für die Kultgemeinschaft der Istvaeonen.93 Als Gott des Krieges, aber auch des Todes, waltet Wodan über Sieg und Heldentum. Darum empfängt er auch menschliche Opfer, die oft auch Kriegsgefangene sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass nach dem überwältigenden Sieg der Germanen über die Legionen des Varus beim zentralen Kultfest der Istvaeonen dem Wodan einige römische Kriegsgefangene, neben den auf den Altären geopferten Römern, als Hänge-Opfer an als „patibula“ bezeichnete Vorrichtungen lebend an geheiligten Bäumen im Opferhain aufgehängt wurden.94 Von den geopferten römischen Gefangenen waren 15 n. Chr. keinerlei Überreste mehr zu sehen, da sie in die Opfergruben verbracht worden sein dürften. Im Gegensatz dazu lagen die „bleichenden Gebeine“ der gefallenen Römer noch

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überall auf der Walstatt, dem Schlachtfeld, „zerstreut oder haufenweise, je nachdem, ob sie geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten“, wie es Tacitus eindrucksvoll schilderte. Auch dies entspricht göttlichem germanischen Glauben, denn die Leiber der Gefallenen gehörten nicht dem Wodan, sondern den Tieren des Wodans als Totengott, nämlich den Raben und Wölfen95, sodass die toten Römer, so wie sie gefallen waren, unbestattet für die Raben und Wölfe auf der Walstatt liegen bleiben mussten.

IX.

D

Neue Deutung des „saltus Teutoburgiensis“

ie Beschreibung des Varusschlachtfeldes bei Tacitus lässt nur den Schluss zu, dass die Entscheidungsschlacht in unmittelbarer Nähe des Zentralheiligtums der Istvaeonen geschlagen wurde. Dort, wohin Varus nach der hier vertretenen Auffassung – wenn auch in friedlicher Absicht – von Anfang an hin wollte. Das eigentliche zentrale Heiligtum wird jedoch nicht im heiligen Opferwald, sondern in einer gewissen räumlichen Distanz zu ihm zu suchen sein, was auch die Kultzentren in Leire (Dänemark) und Uppsala (Schweden) zu bestätigen scheinen. Möglicherweise hilft bei der Suche nach der Örtlichkeit des Kultheiligtums der Istvaeonen die Ortsbezeichnung des Schlachtfeldes durch Tacitus weiter (Ann. I, 60,3): „Von dort führte man den Heereszug in die abgelegensten [Gebiete] der Brukterer und verwüstete möglichst [das Land] zwischen Ems und Lippe, nicht weit entfernt vom Teutoburger Wald, wo die Überreste des Varus und der Legionen unbestattet liegen sollen.“ Bekanntlich ist nur in dieser Textstelle vom „saltus Teutoburgiensis“ die Rede.96

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Neue Deutung des „saltus Teutoburgiensis“

Im Folgenden soll hier nicht die konkrete Örtlichkeit des Kultzentrums gesucht97, sondern nur die Frage geklärt werden, ob nicht die Stelle „haud procul Teutoburgiensi saltu“ anders gelesen werden muss als „nicht weit vom Teutoburger Wald“. Tacitus benennt hier mit „Teutoburg“ eine konkrete geographische Örtlichkeit mit ihrem germanischen, lediglich latinisierten Namen, der den Römern wohl bekannt gewesen sein dürfte, da er selbst in der späteren Aufzeichnung des Tacitus den römischen Lesern nicht erläutert werden musste. Es soll hier der Versuch gewagt werden, den Namen „Teutoburg“ neu zu deuten. Das urgermanische Wurzelnomen „burg“ in „Teutoburg“ weist auf „befestigte Höhe“ hin, während „burgus“ im Lateinischen erst seit dem 2. Jahrh. n. Chr. nachzuweisen ist.98 Der Name „Teuto“ entspricht dem germanischen „Theudo“ und wird gewöhnlich mit „Volk“ gleichgesetzt, so dass Teutoburg in der Regel als „Volksburg“ gedeutet wird. Doch in „Theudo“ ist auch als Denominativum das Verb „deuten“ enthalten. „Die Bedeutung dieses Verbs kann danach etwa ,vor dem versammelten Volk erklären, für das Volk verständlich machen‘ lauten.“99 Die Ausgangsbedeutung des Verbs „für das Volk verständlich machen“ soll ursprünglich wohl auf den Priester hinweisen, der aus dem Opferbefund dem gläubigen Volk den Willen der Gottheit verdeutlicht.100 Davon ausgehend würde somit „Teutoburg“ die befestigte Höhe sein, von der aus dem Volk durch den Priester Gottes Wille verständlich gemacht wird. Diese Deutung weist auf ein möglicherweise sehr altes vorrangiges Heiligtum hin; es dürfte die Bezeichnung des zentralen Heiligtums der Istvaeonen sein. Die Bezeichnung Teutoburg ist daher nicht als Adjektiv zu Wald also „Teutoburger Wald“ zu verwenden, sondern der Name „saltus Teutoburgiensis“ ist als (Opfer)wald der Teutoburg zu übersetzen.101 Das würde bedeuten, dass

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ähnlich wie in Uppsala und Leire die Teutoburg das zentrale Heiligtum ist mit einem nahe gelegenen heiligen Opferwald. Folgt man dieser Deutung „Opferwald der Teutoburg“, so muss auch die Stelle „haud procul Teutoburgiensi saltu“ neu hinterfragt und interpretiert werden. Das setzt dann voraus, sich von der bisherigen Übersetzung zu lösen, die in ,Teutoburgiensis saltus‘ einen langgestreckten Gebirgszug, nämlich den „Teutoburger Wald“ oder ein bewaldetes Berg- und Hügelland, nämlich das Weserbergland oder auch nur das westliche Weserbergland, sehen will. Es dürfte jedoch auf Grund der Tacitusstelle (Anm. I, 60,3) unbestritten sein, dass sich Germanicus mit seinem Heer „nach Abschluss der Aktionen gegen die Brukterer im Bereich der Quellgebiete von Ems und Lippe und damit in der Nähe des Osnings zwischen Oerlinghausen und Bad Driburg“102 aufhielt. Nach dem oben Dargelegten handelt es sich bei der Bezeichnung „Teutoburgiensis saltus“ um eine konkrete Sachstandsbeschreibung ohne eine präzise Festlegung auf eine bestimmte nachprüfbare Örtlichkeit. So könnte der Begriff „haud procul“ einem Zirkelschlag gleichend einen Radius vorgeben, in dem der Opferwald der Teutoburg liegen könnte. Wer immer zum letzten Schlachtfeld des Varus gelangen will, muss der Textstelle nach, gleichzeitig zum Opferwald der Teutoburg kommen, denn es darf nicht der Fehler gemacht werden, aus dem Text des Tacitus nur die Stelle „haud procul Teutoburgiensi saltu“ isoliert zu untersuchen. Diese Stelle muss nämlich stets mit dem unverzichtbaren Nebensatz gelesen werden: „haud procul Teutoburgiensi saltu, in quo reliquiae Vari legionumque insepultae dicebantur,“ also „nicht weit entfernt vom (Opfer)Wald der Teutoburg, wo die Überreste des Varus und seiner Legionen unbestattet liegen sollen.“

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Tacitus wollte nicht schildern, wie weit ein gewisser heidnischer Opferwald einer Teutoburg vom damaligen Lagerplatz des Germanicus entfernt sei, er wollte vielmehr mit diesem örtlichen Bezug lediglich erklären, wo die Überreste des Varus und seiner Legionen unbestattet liegen sollten, denn nur um deren Bestattung ging es dem Germanicus mit seinem Heer. Die Bezeichnung „haud procul“ wird unterschiedlich ausgelegt. Nach dem buchstäblichen Sinn muss sie mit „unweit, nicht fern, in der Nähe“ übersetzt werden, doch haben bereits zeitgenössische antike Schriftsteller „haud procul“ mitunter sehr großzügig hinsichtlich des Begriffes ,näher‘ ausgelegt und gebraucht. Deshalb müssen die jeweiligen antiken Textstellen kritisch diesbezüglich analysiert werden. H. Neubourg hat im 19. Jahrhundert die Annalen und Historien des Tacitus dahingehend untersucht, wo Tacitus den Begriff „haud procul“ benutzt und in welchem Sinne er ihn einsetzt. Er kommt dabei zu folgendem Ergebnis, dass in zehn von ihm gefundenen Stellen in den Schriften des Tacitus „haud procul“ mit einer Entfernung von bis zu vier Stunden gleichgesetzt würde. Es sei demnach schlüssig, auch in dem o.g. Tacitustext bei „haud procul Teutoburgiensi saltu“ von einer räumlichen Distanz von vier Stunden auszugehen.103 Folgt man dem Bericht des Tacitus als einziger überlieferter antiken Schriftquelle, so genügt schon ein Blick auf die Landkarte, um das Wiehengebirge, zumal seine westlichen Ausläufer, nicht mit ,teutoburgiensis saltus‘ gleichzusetzen, womit dann aber auch konsequenter Weise Kalkriese als Schlachtort der Varuskatastrophe auszuschließen wäre. Nur wegen der kürzeren räumlichen Distanz zwischen dem damaligen Lager des Germanicus und dem Varusschlachtfeld mit den dort unbestatteten Gebeinen römischer Soldaten ist überhaupt die tiefe emotionale Betroffenheit des Germanicus

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und seines Heeres zu verstehen, die Tacitus (Ann. I, 61,1) wie folgt beschreibt: „Daher ergriff Caesar (Germanicus) der Wunsch, den Soldaten und dem Führer (Varus) die letzte Ehre zu erweisen; das gesamte anwesende Heer befiel eine elende Stimmung wegen der Verwandten, Freunde, schließlich der Wechselfälle des Krieges und der Schicksale der Menschen.“ Hierbei ging es jedoch nicht nur um die wieder ausbrechende Trauer um den Verlust der gefallenen Kameraden, sondern vor allem um die Erfüllung ihrer religiös vorgegebenen Pflicht, die Gebeine der Gefallenen endlich nach langen Jahren zu bestatten. Deren Totengeister, die Manen, die unbestattet keine Ruhe finden können, würden sie ansonsten mit ihrem angestauten Zorn verfolgen. Nur durch die umgehende Bestattung der sterblichen Überreste konnten die Manen der Gefallenen versöhnt werden. Schon viel zu lange hatten nämlich Germanicus und sein Heer die Pflicht des Totenkultes gegenüber ihren toten Kameraden vernachlässigt.104 Dieser lange versäumten religiösen Pflicht endlich nachzukommen war somit für Germanicus und sein Heer der Hauptgrund, das Schlachtfeld der Varuskatastrophe aufzusuchen. Mit dem Varusschlachtfeld betrat demnach Germanicus 15 n. Chr. mit seinem Heer auch den geheiligten Boden des zentralen Kultheiligtums. Auch Germanicus tat damit nach germanischem Glauben ein Neidingswerk, indem er den dortigen Gottesfrieden störte und nahe der heiligen Altäre die Gebeine der drei Legionen bestatten ließ, wobei er selbst das erste Rasenstück beim Bau des Grabhügels (tumulus) legte (Tacitus, Ann. I, 62,1). Dieser Grabhügel, unmittelbar am wichtigsten Heiligtum der Istvaeonen errichtet, ist auch umgehend von den Germanen wieder zerstört worden, denn als Germanicus ein Jahr später mit sechs Legionen zum belagerten Lippe-Lager „Aliso“ marschierte, schreibt Tacitus (Ann. II, 7, 2.3): „Doch den

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erst jüngst für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel hatten sie zerstört … den Grabhügel zu erneuern, schien nicht angebracht.“ Hier stellt sich die berechtigte Frage, warum die germanischen Stammesverbände dem Germanicus mit seinen Legionen beim Betreten des Schlachtfeldes, dem heiligen Bezirk, angesichts der Altäre keinen militärischen Widerstand entgegensetzten. Zwar hielt sich Arminius als inzwischen wohl unangefochtener Führer der germanischen Verbände in der Nähe auf, doch aus wohl überlegtem militärischen Kalkül hielt er sich mit Angriffen noch zurück. Schließlich bestand das Heer des Germanicus nach Tacitus (Ann. I, 60, 1,2) aus den vier Legionen der Niederrheinarmee, der Reiterei, aus mindestens zwei Legionen der Oberrheinarmee, den Hilfstruppen der Chauken und natürlich aus den beiden Praetorianergarden, die den Germanicus als ranghohes Mitglied des Kaiserhauses ständig als „Personenschutz“ zu begleiten hatten. Arminius hatte sich angesichts dieses großen römischen Truppenaufgebots in ein vor allem für Römer unwegsames Gelände zurückgezogen, wo er sich zu recht bessere militärische Chancen für den zu erwartenden Kampf mit Germanicus ausrechnen konnte. Die Taktik des Arminius, zu warten und den Schlachtort selbst zu bestimmen, sollte aufgehen, denn „Germanicus folgte Arminius, der sich in unwegsames (Gebiet) zurückzog“ (Tacitus, Ann. I, 63,1). Anders als bei der Varusschlacht, während der heiligen Zeit am heiligsten Ort, fand diesmal kein zentrales Kultfest statt, so dass zwar ein römischer Frevel bezüglich des heiligen Ortes, nicht jedoch bezüglich der heiligen Zeit vorlag. Arminius übte auch kein Bannrecht wie der Oberpriester aus. Aber wohl in Abstimmung mit dem Oberpriester konnte er sich bei seinen militärischen Aktionen ausschließlich von Erfolg versprechenden militärstrategischen Überlegungen leiten lassen.

X.

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Die Konzentration germanischer Stammesverbände im Herbst 9 n. Chr. unter den Augen der Römer

as Zusammenkommen aller wehrfähigen Männer der Kultgemeinschaft der Istvaeonen an ihrem zentralen Heiligtum im Herbst des Jahres 9 n. Chr. würde auch die bislang offene Frage beantworten, warum sich so viele germanische Krieger an einem Ort treffen konnten, ohne jeglichen Argwohn bei den Römern zu erwecken. Bis auf den heutigen Tag können selbst bei sonstigen Ausgangssperren und Versammlungsverboten Wallfahrten bzw. Massenveranstaltungen von Gläubigen zu und an ihren heiligen Zentren durchgeführt werden, ohne dass dies von der Obrigkeit unterbunden würde. Der Versuch, dies militärisch zu verhindern, würde nämlich nicht kalkulierbaren Aufruhr bewirken. So konnten z. B. im damaligen kommunistischen Polen trotz Ausrufung des Kriegsrechtes am 13.12.1981 dennoch über hunderttausend Pilger unbehelligt zur Schwarzen Madonna nach Tschenstochau wallfahrten. Und selbst in Zeiten größter Spannungen zwischen den Palästinensern und Israelis, z. B. wegen der Intifada oder terroristischer Bombenanschläge, ließen es die Israelis bisher stets zu, dass abertausende von Muslimen den Beginn des heiligen Fastenmonats Ramadan auf dem Ölberg in Jerusalem begehen konnten, in unmittelbarer Nähe der Klagemauer, dem höchsten Heiligtum der Juden. Varus wusste, dass in großen zeitlichen Abständen das zentrale Kultfest der Istvaeonen-Stämme an ihrem zentralen Heiligtum gefeiert würde, an dem jeder wehrfähige Germane auf Grund göttlichen Gebotes teilzunehmen hatte. Welche Stämme zur Kultgemeinschaft der Istvaeonen gehörten, wie

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Konzentration germanischer Stammesverbände

groß diese waren und wo sie siedelten, war den Römern sicherlich bekannt. Immerhin befanden sie sich schon seit über 20 Jahren im rechtsrheinischen Germanien. Zu diesem guten Informationsstand der römischen Führung über die germanischen Stämme trugen vorrangig die Militärs bei105, aber auch wohl römische Händler, die die Märkte auf rechtsrheinischem Gebiet beschickten (Cassius Dio 56, 18,2). Arminius musste daher dem Varus nichts über das Kultfest an sich sagen, sondern ihm nur die o. g. guten Gründe darlegen, dort persönlich bei den Stammeseliten zu erscheinen. Da Varus und sein Generalstab über Größe und Zusammensetzung der jeweiligen Stammesverbände informiert waren, wussten sie auch, das abertausende Germanen aus allen Richtungen zum Kultfest am Kultheiligtum kommen würden und zwar bewaffnet. Tacitus (Germania, 13,1) formuliert diese Selbstverständlichkeit für freie Germanen kurz und knapp: „In öffentlichen wie in privaten Angelegenheiten aber machen sie nichts unbewaffnet.“ Auch das Datum war bekannt. Es bestand also keinerlei Befürchtung vor dem Anmarsch dieser Krieger. Im Gegenteil, dieses zentrale Treffen aller Stämme der Istvaeonen wurde von Varus und seinem Stab als die günstige Gelegenheit angesehen, mit allen germanischen Eliten einschließlich der Priesterschaft zusammenzutreffen. Dabei konnte ihnen die Notwendigkeit und der eiserne römische Wille, die geplanten „Reformen“ im Sinne Roms durchzuführen, mit einer gleichzeitigen militärischen Machtdemonstration verdeutlicht werden. Es dürfte davon auszugehen sein, dass Arminius an diesen Überlegungen nicht unbeteiligt war. Bekanntlich war es den Römern nicht verborgen geblieben, wie es „innenpolitisch“ bei den Germanen wegen der römischen Finanz-, Steuer- und Rechtspolitik gärte. Deshalb war der geplante Marsch des Varus zum „Gipfeltreffen“

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am Kultzentrum der Istvaeonen politisch gewollt, auch wenn dieser Marsch einen Umweg bedeutete, da das Kultzentrum abseits von der römischen Etappenstraße vom Sommer- zum Winterlager lag.

XI.

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rminius als taktisch und strategisch denkendem Militärführer, der seine militärische Begabung als römischer ritterlicher Offizier erfolgreich in Thrakien unter Beweis stellen konnte, war es von Anfang an bewusst, dass er den römischen Elitetruppen nur mit einem zahlenmäßig größeren Kontigent von germanischen Stammeskriegern aus verschiedenen Stämmen militärisch erfolgreich entgegentreten konnte. Zumindest musste die Truppenstärke der Römer erreicht werden. Diese für erforderlich angesehene germanische Mannschaftsstärke kam wie selbstverständlich beim Treffen aller wehrfähigen Germanen der Istvaeonen-Stämme anlässlich ihres zentralen Kultfestes zu Stande. Nach antiken Berichten lag die Stärke eines durchschnittlichen Stammesaufgebotes bei rund 5.000 Kriegern.106 Die gesamte Kultgemeinschaft der Istvaeonen-Stämme wird mehr als vier Stämme umfasst haben. Allein vier Stämme werden im Zusammenhang mit der Varusschlacht erwähnt: zuerst die Cherusker, dann jedoch noch drei weitere Stämme, die einen der erbeuteten Legionsadler als Kriegsbeute erhielten wie z. B. die Brukterer und Marser. Zur kampferprobten, bewährten Streitmacht des Varus mit dem jeweiligen Legionstross kam jedoch der zivile große Tross hinzu, mit einer überaus großen Anzahl von Frauen, Kindern, Knechten und Händlern (Cassius Dio, 56, 20,2), die sich neben den „Bürokraten“ des Statthalters, der auch seine Amtsgeschäfte vom Sommerlager aus weiterführen musste, als Zivilisten dort aufhielten. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich im Sommerlager etwa 30.000 Personen, 7.000 Reit-, Zug- und Lasttiere und sehr viele Fahrzeuge be-

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fanden.107 Es gibt jedoch keine Angaben oder konkrete Vermutungen über den Umfang der Nachschubeinheiten, die zu Lande und zu Wasser für den reibungslosen Transport des notwendigen Nachschubes sorgen mussten und die daher zum großen Teil ständig unterwegs waren. [Dabei ist bei der Diskussion über Umfang und Leistungsfähigkeit der Nachschubeinheiten zu Lande mit zu berücksichtigen, dass diese nur einen Teil des Nachschubes zu transportieren hatten. Die Massegüter, wie vor allem Getreide, mussten von der römischen Flotte per Lastschiff weseraufwärts herangeschafft werden. Für die Nachschubeinheiten zu Lande sollten daher nicht zu hohe Zahlen für Personaleinsatz, Transportfahrzeuge und Last- und Zugtiere angenommen werden. Sicherlich dürfte es daneben auch einen regen ständigen Kurierdienst zwischen dem Verwaltungssitz des Varus am Rhein und dem Sommerlager gegeben haben, damit Varus auch von dort seinen Amtsgeschäften und Amtspflichten des Statthalters nachgehen konnte. Auch die amtliche Verbindung nach Rom durfte nicht unterbrochen werden. Da das römische Heer unter Varus die Sommermonate friedensmäßig an der Oberweser im Raum Hameln verbringen sollte, werden die Legionäre dorthin mehr an persönlichem Besitz mitgenommen haben, als es für militärische Einsätze üblich und zulässig war. Um aus ihrer Sicht dort am Rande ihrer Zivilisation trotz ihrer militärischen Pflichten sich das Leben möglichst angenehm zu gestalten, mussten sie möglichst viel ihres geringen persönlichen Besitzes in die Lager mitnehmen, denn bei den zahlreichen Händlern und Marketenderinnen gab es nichts umsonst.

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Nachdem die Last- und Frachtschiffe in Hameln entladen waren, werden sie zum Ende der Sommerlagerzeit nicht leer wieder bis zum Rhein zurückgefahren sein. Sie werden neben viel Sachgut aus dem Lager sicherlich als zusätzliche Beiladung auch persönliches Gepäck von Legionären und Vorgesetzten mitgenommen haben, sei es aus Kameradschaft oder gegen ein kleines Trinkgeld. Wenn dies so der Fall gewesen wäre, dann wird auch eine Textstelle bei Velleius Paterculus (2, 120,3) verständlicher, wonach der ansonsten für sein umsichtiges Verhalten nach der Varuskatastrophe hochgelobte Legat L. Asprenas nach militärischer Sicherung der Militärstandorte am Niederrhein nach Meinung mancher „den Nachlass der unter Varus Niedergemetzelten übernommen habe und das Erbe des gefallenen Heeres angetreten (habe), soweit es ihm beliebte.“ Es kann jedoch nach strengem römischen Recht ausgeschlossen werden, dass ein ranghoher Militärführer, zumal als Neffe des Varus, sich ungestraft am Nachlass gefallener Soldaten rechtswidrig bereichern konnte. Vielmehr dürfte Asprenas den Nachlass der Gefallenen bis zur Klärung der Erbfolge in staatliche Obhut genommen haben. Es könnte nun gefolgert werden, dass es sich bei diesem in staatliche Verwahrung genommenen Nachlass lediglich um die Dinge gehandelt habe, die die Legionäre vor ihrem Marsch an die Weser gleichsam wie im ,Spind‘ bis zu ihrer Rückkehr aufbewahrt hätten. Doch es widerspricht der Alltagswelt einfacher Soldaten, ihre ohnehin geringen persönlichen Dinge im ,Spind‘ zu lassen, und dann auf Vergnügen und Abwechslung im Sommerlager zu verzichten. Da die Lastschiffe ungeachtet der Varuskatastrophe unbehelligt zu den Rheinlagern zurückgekehrt sein wer-

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den, spricht sehr vieles dafür, dass das auf ihnen mitgeführte persönliche Gepäck der zwischenzeitlich gefallenen Soldaten von Asprenas in staatliche Verwahrung genommen wurde.] Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die Legionen des Varus in ihrer Kampfkraft nicht entscheidend geschwächt waren, auch wenn ihre eigentliche Sollstärke durch Abkommandierungen kleinerer Einheiten nicht erreicht worden sein mag. Arminius konnte als militärisch geschulter und erfolgreicher Reiterführer im Balkankrieg und als häufiger Gast bei Varus und dessen Generalstab im Sommerlager sich einen genauen Überblick über die tatsächliche Ist-Stärke der dortigen römischen Truppen verschaffen. Bei seiner Angriffsplanung musste er also von der Einsatzbereitschaft dreier Legionen ausgehen, einschließlich der Reiterei und leichter Auxiliarinfanterie. Als ehemaliger Führer germanischer Hilfstruppen kannte er nicht nur die Taktik und Strategie der römischen Militärführung, sondern er wusste auch um die Stärken und Schwächen des römischen Heeres, z.B. dass die römischen Truppen in offener Feldschlacht nahezu unbesiegbar waren, während sie allerdings bei langen Marschformationen erfolgreich attackiert werden konnten. Diese Schwäche war jedoch zu allen Zeiten den jeweiligen römischen Heerführern bewusst. So schreibt im vierten Jahrhundert n. Chr. der römische Autor Vegetius in seiner römischen Militärgeschichte (3,6) auf der Grundlage älterer Schriftquellen über die Gefährdung römischer Truppen auf dem Marsch Folgendes: „auf dem Marsch aber ist der Soldat nicht voll bewaffnet und weniger aufmerksam, und von einem Angriff überrumpelt oder durch die List eines Hinterhaltes gerät er in plötzliche Verwirrung.“

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Wenn bei einem Marsch römischer Truppen daher irgendwo oder irgendwann Gefahr drohte, waren sie voll konzentriert und besonders wachsam. Aber nachdem Varus und sein Generalstab die anzunehmende Einladung zum Besuch des Kultfestes der Istvaeonen angenommen hatten, wo bekanntlich für die Kultgäste während des gesamten Kultfestes ein genereller Festfrieden galt, konnte Arminius davon ausgehen, dass die römischen Einheiten im Vertrauen auf den Festfrieden auf ihrem Marsch zum Kultplatz in der für Friedenszeiten üblichen lockeren auseinandergezogenen Reisemarschformation marschieren würden.108 Jeder Legion würde also ihr eigener Legionstross unmittelbar folgen, der sie von der nachfolgenden Legion trennen würde. Dem großen Tross mit den Zivilisten und Fahrzeugkolonnen würde zum Schluss die militärische Nachhut folgen. Diese Marschformation, auch als ,agmen impeditum‘ bezeichnet, bedeutet, dass die Legionen während des Marsches nicht gefechtsbereit sind. Unabhängig davon waren die Legionen noch zusätzlich durch die übergroße Zahl von Zivilisten und Trosseinheiten und die dadurch mitbedingte Überlänge der gesamten Marschkolonnen militärisch bereits stark beeinträchtigt. Eindrucksvoll schildert H. Derks wie ein plötzlicher Angriff auf einen nicht gefechtsbereiten Legionär wirkt: „nichts hat dieser griffbereit: sein Schild ist auf dem Rücken, der Helm vor den Bauch geschnallt, und die Hände halten das Marschgepäck. Bis ein Legionär sein Gepäck abgelegt, den Schild abgeschnallt und den Helm aufgesetzt hatte, vergingen zwar nur wenige Sekunden, doch für einen gezielten Angriff reichten die völlig aus. War der Legionär endlich kampfbereit, waren die leichtbewaffneten und viel beweglicheren Germanen schon längst wieder verschwunden.“109 Waren die Probleme für jeden einzelnen Legionär bei plötzlichen feindlichen Angriffen schon groß genug, so stell-

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ten sie die römische Militärführung vor besonders schwierige Aufgaben. Sie musste umgehend mitten im Durcheinander der Überfälle aus nicht gefechtsbereiten überlangen Marschformationen, die noch durch schwerfällige Trossabteilungen behindert waren, gefechtsbereite Einheiten bilden. Allein für militärische Marschkolonnen, die ohne militärische Bedrohung als ,agmen impeditum‘ in gelockerter Formation marschierten, kommt J. Norkus als ehemaliger Generalstäbler auf eine Marschlänge des Varusheeres von rund 14 km, ohne dabei den zivilen Tross mit zu berücksichtigen, da dessen Größe nicht zu ermitteln sei.110 Das würde bedeuten, dass die hinter dem großen Tross marschierenden Nachhuteinheiten erst nach Stunden bei den erstmarschierenden Einheiten eintreffen würden, wenn diese plötzlich anhalten mussten. Ohne jedoch hier näher auf die Streitfrage eingehen zu wollen, wie lang genau die Marschformation des Varusheeres gewesen sein könnte, dürfte die Marschlänge der römischen Truppen mit dem zivilen Tross und den Nachhuteinheiten eindeutig über 10 km betrugen haben. Auf die Problematik für das römische Heer durch den übergroßen zivilen Tross weist auch Cassius Dio (56, 20,2) wie folgt hin: „Sie führten auch wie im Frieden viele Wagen und Lasttiere mit, ferner folgten ihnen nicht wenige Kinder und Frauen und zahlreiche Trossknechte; auch dies trug zur Auflösung der Marschordnung bei.“ Die Überlänge der römischen Marschformation auf dem Weg zum Kultfest der Istvaeonen half dem Arminius dabei, seine Angriffsplanung wirksam umzusetzen, besonders hinsichtlich des Beginns der Kämpfe. Die geplanten überfallartigen Angriffe der germanischen Krieger auf die römischen Marschkolonnen konnten erst dann beginnen, wenn der römische Heereszug den Hauptverkehrsweg zu den Lippe-Lagern längst verlassen hatte und

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sich bereits eine geraume Zeit auf dem schwer passierbaren Nebenweg zum Kultzentrum der Istvaeonen befinden würde. Vorherige unbesonnene germanische Überfälle auf das römische Heer würden nur dazu führen, dass Varus seine Truppen sofort in einen gefechtsbereiten Zustand versetzen ließe, um anschließend noch vom Hauptweg aus, sich den kürzesten Weg zur Lippe-Linie frei zu kämpfen. Arminius war sich dessen bewusst, dass er nicht der Militärführer straff organisierter, disziplinierter Truppen war, sondern dass er es mit germanischen Kriegern verschiedener Stämme zu tun hatte, die als Bauernkrieger auf Zeit – wahrscheinlich nach Sippen formiert – innerhalb ihrer eigenen Stammesverbände nur ihrem eigenen jeweiligen Stammesbzw. Heerführer verpflichtet waren. Bei der Kampfesführung musste Arminius vor allem die unterschiedliche Bewaffnung der Römer und Germanen berücksichtigen. Den waffenmäßig hoch gerüsteten Römern standen lediglich leicht bewaffnete Germanen gegenüber. So bestand bekanntlich die traditionelle germanische Bewaffnung aus Lanzen, oft aus zweischneidigen Langschwertern oder einschneidigen Hiebschwertern. Als Fernwaffen benutzten sie Speere, während Pfeil und Bogen bei kriegerischen Auseinandersetzungen offensichtlich keine Rolle spielten. Als Schutzwaffe diente lediglich der Schild. Auf diese leichte Bewaffnung der germanischen Krieger weist besonders Germanicus zur Aufmunterung der römischen Truppen vor der Schlacht von Idistaviso im Jahre 16 n. Chr. nach Tacitus (Ann. II, 14, 3) wie folgt hin: „Der Germane habe keinen Panzer, keinen Helm, nicht einmal die Schilde seien mit Eisen oder Leder verstärkt, sondern nur Webegeflechte oder dünne, bunt gefärbte Bretter; sei auch die erste Reihe mit Lanzen bewaffnet, so hätten die übrigen nur vorn gebrannte, kurze Speere.“

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Diese Art Bewaffnung mit Lanze, Speer, Schwert und Schild liess nur eine leichte bewegliche Kampfweise der Germanen zu. Schnelle Attacken und sofortiges Lösen vom Gegner war die einzige Möglichkeit der germanischen Bauernkrieger, den militärisch gedrillten, schwer bewaffneten römischen Berufssoldaten zu widerstehen.111 Auch war ein enges, gemeinsames militärisches Operieren der verschiedenen Stammesaufgebote unter ihren jeweiligen Heeresführern vor Kampfbeginn „manövermäßig“ nicht zu üben. Das gemeinsam abzustimmende Kämpfen musste sich vorrangig aus dem jeweiligen Schlachtverlauf entwickeln. Wichtig war es daher für Arminius als ehemaligem Führer der germanischen kampferprobten Auxiliareinheiten dafür zu sorgen, dass diese, die wahrscheinlich über das „Land verteilt“ einzelnen Wachtposten und Kleinkastellen zugeordnet waren, nach ihrer erfolgreichen Erhebung in Eilmärschen zum allseits bekannten Kultzentrum der Istvaeonen kommen würden. Vor allem mit ihrer Unterstützung auf Grund ihrer militärischen Ausbildung, des Vertrautseins mit der römischen Kriegsführung würde er im Bereich des Kultheiligtums gemeinsam mit den religiös fanatisierten Stammeskriegern die Entscheidungsschlacht gegen die Römer führen müssen. Angesichts des heiligen Ortes, der heiligen Festzeiten sowie der religiösen Inbrunst der vom Oberpriester angetriebenen Gläubigen bestand an der religiösen Wut und an dem dadurch bedingten besonders aufopferungsbereiten Kampfeswillen der germanischen Krieger keinerlei Zweifel. Dieser religiöse Fanatismus würde auch die Strapazen langer entbehrungsreicher Anmarschwege rasch vergessen machen. Die wohl sippenweise am Kultplatz eintreffenden Stammesverbände hatten entsprechend der Entfernung ihrer Siedlungsgebiete mehr oder weniger weite beschwerliche Wege zurückzulegen.

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Probleme, den Nachschub für die am Kultplatz eintreffenden Krieger zu organisieren, dürfte es für Arminius nicht gegeben haben, da es selbstverständlich war, dass die immense Zahl von Stammeskriegern den für die Festtage am Kultplatz bzw. für die Kriegsführung benötigten Proviant selbst mitbrachte, mit Ausnahme der Opfertiere, denn für eine solche Menschenmenge konnte während des neuntägigen Kultfestes vor Ort nicht genügend Nahrung bereitgestellt werden.112 Arminius konnte auch davon ausgehen, dass zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche dem römischen Militär weniger Tageslichtstunden für die Märsche zur Verfügung standen als im Sommer. Das ging zu Lasten der zurückzulegenden Marschstrecke, da es im römischen Heer für die Truppen strikte Vorschrift war, auf langen Kriegsmärschen jeden Abend ein Marschlager anzulegen. Normalerweise konnten die römischen Truppen samt ihrem Tross auf unbefestigten Wegen eine durchschnittliche Marschleistung von rd. 20 km pro Tag erbringen.113 Nicht planbar, wenn auch sehr willkommen, war für die germanische Kriegsführung die enorme Unterstützung durch das äußerst miserable Wetter. Die im späteren Schlachtenverlauf anhaltenden schweren Regenunwetter benachteiligten einseitig die Römer in ihrem Waffengebrauch (Cassius Dio 56, 21, 3). Zusätzlich dürfte der Oberpriester das Unwetter als göttliches Zeichen für die Hilfe des Wodan im Kampf gegen die gottesfrevlerischen Römer ausgelegt und den fanatisierten Kriegern auch vermittelt haben, dass die Gottheit auf ihrer Seite stünde. Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, dass nach Cassius Dio (56,21,3) die letzte Entscheidungsschlacht am vierten Marschtage, nach Tacitus (Ann. I, 61,2) jedoch schon am dritten Kampftag stattfand. Doch ist dies

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kein Widerspruch, da Cassius Dio vom vierten Marschtag und nicht vom vierten Kampftag spricht. Das dürfte auch den tatsächlichen Begebenheiten entsprochen haben, denn am ersten Marschtag verließ das Heer unter Varus mit dem zivilen Tross das im Wesertal gelegene Sommerlager. Um mit den überlangen Marschkolonnen aus Soldaten und Zivilisten mit Tausenden von Reit-, Zug-, Tragtieren und einer sehr großen Anzahl von Fahrzeugen aus der Weserniederung hinauf ins Weserbergland zu kommen, werden manche Stunden vergangen sein. Danach mussten die Römer der Hauptstraße in Richtung Lippe solange folgen, bis sie die Abzweigung erreichen würden, die zum Kultheiligtum führt. Am Ende dieses friedlich verlaufenen normalen Reisemarschtages ist davon auszugehen, dass dort noch am Hauptweg das erste Nachtlager bezogen wurde. Dabei dürfte es sich wahrscheinlich um ein bereits bestehendes Marschlager entlang der Route Lippe-Weser gehandelt haben, das wohl bereits auf dem Hinmarsch zum Sommerlager den Römern als Nachtquartier gedient haben wird. Erst im Verlauf des zweiten Marschtages muss dann wohl der Abzweig des Nebenweges zum Kultheiligtum erreicht worden sein. Erst nachdem auch die letzten römischen Nachhuteinheiten, die bekanntlich das Ende der Marschkolonnen von etlichen Kilometern Länge bildeten, sich schon eine Zeit lang auf der Nebenstrecke zum Kultplatz in bereits schwer passierbarem Waldgelände (Cassius Dio 56, 19, 5) befanden, konnte sich Arminius sicher sein, dass die Römer in die gestellte Falle hineinmarschiert waren. Doch der Hinweis auf „schwer passierbare Waldgegenden“ darf nicht dahingehend fehlgedeutet werden, dass die Passage nahezu unpassierbar sei. Cassius Dio (56, 20, 2) weist nämlich darauf hin, dass die Römer „viele Wagen und Lasttiere“ mit sich führten. Das setzt voraus, dass die Nebenstrecke zum Kultheiligtum so be-

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schaffen gewesen sein muss, dass sie grundsätzlich für die Benutzung von Wagen geeignet war. Dass die Römer tatsächlich mit Wagen auf dieser Wegstrecke unterwegs waren, geht auch aus der Textstelle bei Cassius Dio (56, 21, 1) hervor, in der er berichtet, dass die Römer am Ende des ersten Kampftages „zahlreiche Wagen“ an ihrem Marschlager verbrannten oder zurückgelassen hätten. Wenn die Strecke für Wagen nicht passierbar gewesen wäre, hätten die Römer dank ihrer guten Wegekenntnis diesen Weg auch gar nicht erst benutzt. Zu Recht weist nämlich Timpe daraufhin, dass die römischen Offiziere mehr „Kenntnisse über Wegeverhältnisse, strategische Schlüsselpositionen, über Passagen durch Flüsse und Moore und über weiträumige Tagesmarschentfernungen gesammelt“ hatten, als es nach der Literatur zu erwarten sei.114 Nachdem die Römer sich eine Zeit lang auf dem Nebenweg befanden, musste für Arminius die erste Phase seines DreiPhasen-Angriffplanes beginnen, nämlich der Überraschungsangriff auf die ahnungslosen Römer. Sie sah wohl vor, mit seinen Stammeskriegern, den Cheruskern, die am nächsten siedelten und daher über hervorragende Geländekenntnisse verfügten, den eventuellen Rückzug auf den Hauptverkehrsweg für die Römer durch Verbarrikadieren des Weges unmöglich zu machen. Danach waren die hinteren Marscheinheiten und der Tross überfallartig anzugreifen und dabei vor allem auch beim Tross für Verwirrung, Chaos und durch umstürzende Wagen für Selbstblockierungen des Marschweges zu sorgen, um einzelne Militäreinheiten zu isolieren. Arminius wusste, dass der Überraschungseffekt bei einem plötzlichen Überfall gegenüber den arglosen römischen Einheiten nur eine vorübergehende psychologische Schockwirkung zeigen würde. Schließlich wird er selbst anhand seiner militärischen Erfahrung in fremden Aufstandsgebie-

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ten des heutigen Balkan gewusst haben, wie schnell sich die gut ausgebildeten römischen Berufssoldaten unter hervorragender militärischer Führung auf solch feindliche Überraschungsmomente einzustellen vermochten, um aus einem nicht gefechtsbereiten Heereszug (agmen impeditum) einen gefechtsbereiten (agmen expeditum) zu formieren. Aber er wusste auch, dass unter den hier gegebenen Voraussetzungen und Verhältnissen auf der engen, schwer passierbaren regennassen Nebenstrecke aus langgezogenen, überlangen Marschkolonnen kaum eine gefechtsbereite Heeresformation gebildet werden konnte. Das verhinderten vor allem auch die vielen Zivilisten und Gepäckkolonnen, die zwischen den Militäreinheiten unterwegs waren. So berichtet Cassius Dio (56, 20,5), dass bereits am ersten Kampftag der große Tross zur Auflösung der Marschordnung erheblich mit beigetragen habe, „da die Römer nicht in einer einigermaßen geordneten Formation vorrückten, sondern die Kolonne mit Wagen und Unbewaffneten bunt gemischt war, konnten sie nicht ohne Weiteres dicht aufschließen, und ihre einzelnen Abteilungen waren jeweils zahlenmäßig schwächer als die angreifenden Feinde“. Dies nutzte Arminius konsequent aus, um immer wieder und abwechselnd den Kampf bzw. die Überraschungsattacken gegen alle neuralgischen Punkte der langgezogenen römischen Marschkolonnen zu führen.115 Die Ausmalung der Geländeschwierigkeiten könnte bei Cassius Dio übertrieben sein auf Grund der verkürzenden, griechisch abgefassten Bearbeitung einer lateinischen Primärquelle, wie es Lehmann mutmaßt.116 So schildert Cassius Dio (56, 20, 4) wie die Germanen plötzlich aus dem dichtesten Gebüsch hervorbrachen, um den Nahkampf zu suchen. Damit wird der Eindruck erweckt, als ob das römische Heer sich seinen Marsch durch dichtes Unterholz bahnen musste.

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Doch die Wälder im Weserbergland werden hauptsächlich aus Buchen bestanden haben, die im allgemeinen keinen dichteren Unterbewuchs zulassen.117 Das bestätigt auch Tacitus (Ann. II, 16,1) bei seiner Darstellung der Schlacht bei Idistaviso (16 n. Chr.), wonach sich dort im Rücken der Römer ein Wald erheben würde, „der in der Höhe Zweige und zwischen den Baumstämmen freien Raum aufweist.“ Die Verluste des römischen Heeres durch die germanischen Attacken mussten sich auch in Grenzen gehalten haben, denn Varus konnte bekanntlich am Ende des ersten Kampftages auf einer für ein großes Marschlager geeigneten freien Fläche nach Tacitus (Ann. I, 61,2) und Cassius Dio (56, 21,1) immerhin ein ordnungsgemäßes Drei-LegionenMarschlager errichten, ohne dass dies von den germanischen Kriegern verhindert worden wäre, die dazu mutmaßlich auch zu wenig Krieger vor Ort hatten. Dies zu verhindern, wäre wahrscheinlich auch nicht im taktischen Interesse des Arminius gewesen. Dabei wäre den Römern zu schnell bewusst geworden, mit wie wenig germanischen Kriegern Arminius zu diesem Zeitpunkt kämpfen konnte. Zudem war das zentrale Kultheiligtum mit den dort sich versammelnden anderen Stammeskriegern und germanischen Auxiliareinheiten noch zu weit entfernt. Außerdem wird Arminius daran gelegen gewesen sein, den Tross auf geordnete Weise vom römischen Heer zu trennen, damit den römischen Truppen nur noch geringe Mengen an Proviant für ihren Weitermarsch verblieben und außerdem, um seinen Stammeskriegern Beute zu verschaffen. Varus zog auch nach Beziehen des Marschlagers mit seinem Generalstab aus dem militärischen Dilemma mit dem übergroßen Tross die bittere, aber einzig gebotene militärische Konsequenz, sich ab dem nächsten Morgen weitgehend vom Tross zu trennen. Cassius Dio (56, 21,1) schildert das

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wie folgt: „Nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter.“ Es wurde demnach nur das unbedingt militärisch Notwendige mitgenommen. Hieraus kann geschlossen werden, dass dies auch eine Trennung vom Gros der Zivilisten bedeutete. Wahrscheinlich aus Scham über die Preisgabe der großen Zahl römischer Zivilisten aus militärischem Kalkül sagen hierzu die überlieferten römischen Schriftquellen nichts aus.118 Doch der Umfang der von den Römern zurückgelassenen Beute sollte nicht überschätzt werden. Die römische Militärführung wird bei einem planvoll organisierten Abzug des Heeres aus dem Marschlager den feindlichen Cheruskern nichts zurückgelassen haben, was für diese militärisch von Nutzen gewesen sein dürfte. Nach Cassius Dio (56, 21,1) haben die Römer vor ihrem Weitermarsch einen großen Teil des mitgeführten Trosses an Wagen und sonstigen Gegenständen an Ort und Stelle verbrannt und vermutlich nur militärisch wertlose Dinge und Proviant für die dort zurückgelassenen Zivilisten übrig gelassen haben. Für einen großen Teil des mitgeführten Proviants dürfte es bei regnerischem, miserablem Wetter genügt haben, ihn auf dem zertretenen, schlammigen Grund des Lagers zu verschütten. Darüber hinaus dürfte – wie oben gesagt – ein nicht unbedeutender Teil der persönlichen Habe des Heeres sich auf den Frachtschiffen weserabwärts auf der Rückfahrt zu den Winterlagern am Rhein befunden haben. Das wird es wohl auch den meisten römischen Soldaten leichter gemacht haben, sich aus militärischer Notwendigkeit vom übrigen Tross zu trennen. Was nach dem Weiterzug des römischen Heeres als noch verwertbare Beute zurückgelassen wurde, wird den Kriegern der Cherusker in die Hände gefallen sein, da diese wohl weit-

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gehend allein am ersten Kampftag die Hauptlast der kriegerischen Auseinandersetzungen zu tragen hatten. Die Tatsache, dass die Cherusker Beute gemacht haben, wird aus dem Hinweis bei Tacitus (Ann. I, 57, 5) erhärtet, wonach das römische Militär unter Germanicus 15 n. Chr. bei dem von Arminius belagerten Cheruskerfürsten Segestes, nach dessen Entsatz durch römische Truppen, Beutestücke von der Niederlage des Varus zusammentrug, „die vielen von denen, die sich nun ergaben, (seinerzeit) von der Beute ausgeteilt worden waren.“ Auch später, während der Machtkämpfe zwischen Arminius und Marbod im Jahre 17 n. Chr. erwähnt Tacitus (Ann. II, 45,3) ein weiteres Mal „die den Römern entrissenen Beutestücke und Waffen, die mancher noch in den Händen hielt.“ Da die Stammeskrieger der Cherusker unter Arminius den größten Anteil am siegreichen Kampf gegen die Römer hatten, stand ihnen auch der größte Teil der Kriegsbeute zu. Deshalb wird ihnen die Erbeutung der Reste des römischen Trosses nach dessen Aufgabe durch Varus auch von übrigen Stämmen der Kultgemeinschaft der Istvaeonen nicht streitig gemacht worden sein. Die Teilung der Kriegsbeute dürfte darüber hinaus nach festen unbestrittenen Regeln erfolgt sein. Die übrigen am Kampf gegen Varus beteiligten Stämme mussten dafür anderweitig angemessen belohnt werden. Am Beispiel der von den Germanen erbeuteten Legionsadler der drei Legionen kann man sehen, „dass die Verteilung der Beute kaum ausschließlich unter rein materiellen Gesichtpunkten erfolgte, sondern vielmehr Teil eines komplexen Systems von Allianzen war, die so durch Trophäen belohnt und stabilisiert wurden.“119 [Zur Aufteilung der Kriegsbeute unter den verbündeten Stämmen macht Florus (2, 30, 24–25) folgende Aussage, wonach der Feldherr Drusus im Jahre 9

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v. Chr. die Cherusker, Sueben und Sugambrer angriff, „die zwanzig Zenturionen gekreuzigt hatten und diesen Krieg, wie durch einen Eid (gebunden), in solch sicherer Erwartung eines Sieges begonnen hatten, dass sie die Beute im voraus vertraglich aufteilten. Die Cherusker hatten sich die Pferde, die Sueben Gold und Silber, die Sugambrer die Gefangenen ausgesucht.“ Doch ist bei der Kriegsbeuteaufteilung zwischen den siegreichen germanischen Stämmen immer mit zu berücksichtigen, dass die betroffenen Stämme mit ihren Kriegern aus den jeweiligen Sippen für sich selbst nur den Teil der Beute beanspruchen durften, der nicht für ihre Gottheiten angemessen war. Diese hatten für ihren göttlichen Beistand im siegreichen germanischen Kampf gegen die Römer Anspruch auf den besten Teil der Kriegsbeute. Auf die tiefe religiöse Durchdringung des öffentlichen und privaten Lebens der germanischen Stammesgesellschaften ist bereits oben ausführlich hingewiesen worden. Es war daher stets eine selbstverständliche religiöse Pflicht, den heimischen Gottheiten in ihren geweihten Hainen den wertvollsten, auch symbolträchtigsten Teil der Kriegsbeute durch die Priester darzubringen. Die drei nach der Varusniederlage erbeuteten Legionsadler waren die herausragenden Beutestücke mit großer psychologisch-religiöser Bedeutung. Der Legionsadler als Silberfigur mit ausgebreiteten Schwingen auf dem Blitzbündel war bekanntlich das Feldzeichen einer römischen Legion. Im Kampf wurde der Legionsadler in unmittelbarer Nähe des Legaten getragen. Er galt als geheiligtes Symbol und wurde im Feldlager in einem eigenen Fahnenheiligtum aufbewahrt. Der Jahrestag der Weihung des

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Legionsadlers gehört neben dem Geburtstag des Augustus zu den wichtigsten Festtagen der Legion. Der Legionär schwor seinen Diensteid vor seinem Legionsadler, dessen Verlust als ungeheuere Schmach und Schande für den Träger des Legionsadlers und für die gesamte Legion galt (Brepohl, Arminius, S. 94). Der Verlust der drei Legionsadler in Folge der Varusniederlage verletzte das römische Heer zutiefst in seinem Selbstwert- und Überlegenheitsgefühl, zumal, wie Tacitus (Ann. I, 61,4) berichtet, die siegreichen Germanen nach der Varusschlacht sich „hochmütig über die Feldzeichen und Adler lustig machten“ und die Römer dadurch zusätzlich demütigten. Die Germanen, vor allem Arminius, der ehemalige militärische Mitstreiter der Römer, wusste nämlich sehr genau, dass besonders der Legionsadler für das römische Militär ein gleichsam mystisch überhöhtes religiöses Symbol darstellte. Es war daher von Arminius ein besonders weitsichtiger, psychologisch und bündnispolitisch geschickter Schachzug, diese symbolträchtigen Siegestrophäen drei anderen am Kampf gegen Varus beteiligten Stämmen der Kultgemeinschaft der Istvaeonen zu überlassen, um sie in deren jeweiligen Stammesheiligtümern der Gottheit als Weiheopfer darbringen zu lassen. Davon, dass die erbeuteten Legionsadler in heiligen Hainen aufbewahrt wurden, berichtet auch Tacitus (Ann. I, 59,3), da sie nach der Aussage des Arminius im Jahre 15 n. Chr. noch in den heiligen Hainen als Weiheopfer für die heimischen Gottheiten zu sehen seien. Dies bestätigt sich nach Tacitus (Ann. II, 25,1) auch, da im Jahre 16 n. Chr. aus dem heiligen Hain der Marser einer der erbeuteten Legionsadler von einem

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römischen Einsatzkommando zurückgewonnen werden konnte. Bereits vorher im Sommer des Jahres 15 n. Chr. war dies ebenfalls dem Stertinius gelungen, als der nach Tacitus (Ann. I, 60, 3) den Adler der 19. Legion (im heiligen Hain) bei den Brukterern aufspüren konnte. Auch der im Jahre 41 n. Chr. von Publius Gabinius, so Cassius Dio (60, 8, 7), zurückgewonnene letzte der drei in der Varusschlacht verlorenen Legionsadler wird mit größter Wahrscheinlichkeit bis dahin in einem germanischen Stammesheiligtum aufbewahrt gewesen sein. Auf Grund eines Überlieferungsfehlers in der antiken Schriftquelle ist der Name dieses germanischen Stammes nicht mehr mit Sicherheit auszumachen.] Die These, dass die Masse der übrigen Zivilisten sich vor der Vernichtungsschlacht am Heiligtum vom römischen Militär getrennt haben muss, wird durch die Beschreibung des Schlachtfeldes durch Tacitus gestützt, denn dort ergibt sich kein Hinweis auf sterbliche Überreste von „Zivilisten“, sondern lediglich von römischen Soldaten. Auch Cassius Dio (56, 22, 2) berichtet nur davon, dass dort „jeder Mann und jedes Pferd erbarmungslos niedergemetzelt“ wurden. Es gibt auch keinerlei Hinweis aus den Schriftquellen, dass unter den Kriegsgefangenen nach der Schlacht sich auch zivile Gefangene befunden hätten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Tross mit den vielen Zivilisten nicht bis zur Einkesselung des römischen Militärs mitgeführt wurde. Dann dürfte es nur drei Möglichkeiten geben, was mit den Zivilisten geschah: Sie konnten entweder nach dem ersten Kampftag von den Germanen niedergemacht oder gefangengenommen worden sein, oder sie konnten sich nach Verlassen

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des Marschlagers mit Duldung der Germanen zu den römischen Lippe-Lagern durchschlagen. Vieles spricht für die dritte Möglichkeit. Wenn die Germanen so viele Zivilisten, darunter viele Kinder und Frauen, niedergemacht hätten, wäre dies ein solches Massaker gewesen, dass es in den antiken Schriftquellen nicht unerwähnt geblieben wäre. Schließlich werden römische Massaker an Zivilisten der Gegner mehrfach erwähnt. So bezeichnet Tacitus (Ann. I, 51, 1 u. 2) den Überfall auf die Marser durch Germanicus im Jahre 14 n. Chr. als Gemetzel, bei dem weder „Geschlecht noch Alter“ Erbarmen fanden. Ähnlich äußerte er sich über den Überfall auf die Chatten ebenfalls durch Germanicus ein Jahr später 15 n. Chr. (Ann. I, 56, 3): „Doch nahte man den Chatten so unerwartet, dass alle, die auf Grund ihres Alters oder Geschlechtes schwächlich waren, auf der Stelle gefangen oder totgeschlagen wurden.“ Es ist also davon auszugehen, das es kein germanisches Massaker an den römischen Zivilisten gegeben hat. Da der Tross und die Zivilisten nur bis zum ersten Marschlager auf dem Weg zum Kultplatz gekommen sind, dürften sie auch noch nicht den weiten Bannbereich des Heiligtums an solch hohen Festzeiten verletzt haben. Damit dürften sie sich auch keines Gottesfrevels schuldig gemacht haben, da in diesem Fall der Oberpriester für Wodan angemessene Sühne hätte verlangen müssen. Ein entscheidender Punkt für die Germanen, den Abzug der Zivilisten zu ermöglichen, dürfte gewesen sein, dass ein Massaker an wehrlosen Zivilisten, zumal an Kindern und Frauen, dem germanischen „Ehrenkodex“ widersprochen haben würde. Tacitus (Ann. I, 59, 2.3) berichtet nämlich von dem Aufruf des Arminius zum bewaffneten Kampf gegen die Römer, nachdem diese 15 n. Chr. seine schwangere Frau Thusnelda in Gefangenschaft geführt hätten: „Das sei ein

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großer Feldherr, ein starkes Heer, die mit so vielen Händen eine einzige Frau abgeführt hätten. Vor ihm seien drei Legionen und ebenso viele Legaten zu Boden gesunken, denn er führe nicht durch Verrat und auch nicht gegen schwangere Frauen, sondern offen gegen Bewaffnete Krieg.“ Dies spricht auch gegen eine komplette Gefangennahme der römischen Zivilisten durch die Germanen, unabhängig von der Frage, ob dies für die kämpfenden Germanen militärisch Sinn gemacht hätte, sich mit so vielen Zivilisten während mehrtägiger Kampfhandlungen zu belasten. Auch eine solch komplette Gefangennahme hätte dann wohl einen Niederschlag in den römischen Schriftquellen gefunden. Es scheint somit alles dafür zu sprechen, dass es zahlreichen Zivilisten gelungen sein muss, sich zu den Lippe-Lagern durchzuschlagen. [Für die Vermutung, dass zumindest etliche „Zivilisten“ die Lippelager erreicht haben dürften, scheinen einige antike Textstellen zu sprechen. So erwähnt Frontin (Strategemata 3, 15,4), dass „Überlebende aus der Niederlage des Varus“ in einem Lager belagert wurden. Besonders hilfreich dürfte der Bericht des Zonaras (hier: Cassius Dio 56, 22,2a u. b) sein, der davon schreibt, dass die Germanen alle Kastelle mit einer Ausnahme, wohl von Aliso, eroberten: „Solange die [dort] eingeschlossenen Römer hinreichend Proviant besaßen, blieben sie in Erwartung auf Entsatz auf ihren Posten, als ihnen aber niemand zu Hilfe kam und sie vom Hunger gequält wurden, warteten sie eine stürmische Nacht ab – es waren nur noch wenige Kombattanten, die meisten waren unbewaffnet – und gelangten … am zweiten feindlichen Wachtposten vorbei. Als sie in die Nähe der dritten Station kamen, wurden sie entdeckt, da die

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Frauen und Kinder aus Erschöpfung und aus Furcht vor der Finsternis und Kälte fortwährend die waffenfähige Mannschaft herbeiriefen.“] Für Arminius stellte sich militärisch die Lage wie folgt dar: Die Römer waren weit genug vom Hauptweg in eine Situation gebracht worden, sich vom Großteil des Trosses und somit auch vom Großteil des Proviants und von zahlreichen Zivilisten trennen zu müssen. Dies hatte neben den kräfte- und nervenaufreibenden unvorhergesehenen ständigen Attacken der Germanen bei sehr schlechtem Wetter große psychologische Auswirkungen auf die Gemütslage der einzelnen römischen Soldaten. Das Zurücklassen des römischen Trosses durch Varus, soweit er nicht vorher von den Römern vernichtet wurde, bedeutete wie oben ausgeführt, dass die Cherusker noch außerhalb des geheiligten Bannkreises des zentralen Kultfestes (noch gleichsam unter sich) Beute machen konnten. Der Einfluss des Arminius als Cheruskerführer wird ausgereicht haben, den römischen Zivilisten den wahrscheinlichen Weiterzug zu den Lippe-Lagern zu ermöglichen, da er bereits die Beutegier seiner Stammeskrieger durch die Überlassung der Trosshinterlassenschaften befriedigen konnte. [Die Beutegier der germanischen Krieger verhinderte oft ein diszipliniertes, koordiniertes Vorgehen, um sich im Kampf ergebende militärische Vorteile gegenüber den Römern zügig und konsequent auszunutzen. Dafür überliefert Tacitus (Ann. I, 65, 6) ein prägnantes Beispiel, wo 15 n. Chr. beim Kampf um das Lager des Caecina nur die Beutegier der germanischen Krieger die mögliche Vernichtung des Caecina und seiner Legionen verhinderte.]

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Arminius wird dies auch gar nicht versucht haben, denn dieses vorzeitige Beutemachen wird vielmehr hervorragend in sein militärisches Konzept gepasst haben. Er konnte seine Stammeskrieger als relativ junger Anführer gleichsam kriegsbedingt gegenüber den anderen Stämmen bevorzugen und damit seine Führungsautorität festigen und darüber hinaus konnten die Zivilisten ungehindert abziehen. Doch der eigentliche militärische Vorteil lag für Arminius eindeutig darin, dass es nunmehr bei den alles entscheidenden kommenden Marschgefechten und der geplanten Entscheidungsschlacht am Opferwald den germanischen Kriegern der Istvaeonen nicht mehr darum gehen würde, möglichst viel von der zu erhoffenden römischen Beute für sich zu gewinnen, da die römischen Soldaten mehr oder weniger nur noch das bei sich gehabt haben dürften, was sie auf dem Leibe trugen. Auch ein Streit zwischen den einzelnen Stämmen, den einzelnen Sippen um die besten, ehrenvollsten Beuteanteile konnte somit während der vom Oberpriester geheiligten Kämpfe vermieden werden. Wobei ein nicht geringer Anteil der dort gemachten Beute wohl dem Wodan geopfert werden musste. Die Kampfkraft und der Siegeswille aller germanischen Krieger konnten sich daher allein darauf konzentrieren, für Wodan die Störung des Gottesfriedens durch das römische Heer im Bannbereich ihres höchsten Kultfestes zu sühnen. Am zweiten Kampftag des römischen Heeres war es der römischen Militärführung gelungen, die kriegsmäßig erforderliche Aufstellung aller Truppenteile zu erreichen, um nun ohne den übergroßen Teil des Trosses und ohne zahlreiche Zivilisten in besserer Ordnung (Cassius Dio 56, 21, 1) den Marsch fortzusetzen, „sodass sie sogar offenes Gelände erreichen konnten.“ Es stellt sich jedoch die Frage, warum der Generalstab nach der kriegsmäßig erfolgten Aufstellung der römischen

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Militärverbände dem Varus nicht nahegelegt hat, sich auf dem gleichen Nebenweg wieder zurück zum Hauptweg durchzukämpfen, wobei die Pioniereinheiten den Nebenweg von möglichen Sperren und umgestürzten Trosswagen zu befreien hätten. Dagegen scheint aber folgende Überlegung zu sprechen: Das römische Heer war nunmehr auf Kämpfe vorbereitet und der Generalstab, der das Wegesystem im Gebiet der Istvaeonen genau gekannt haben dürfte, wird gewusst haben, dass das Heer in Fortsetzung des nun eingeschlagenen Marschweges zum Kultplatz von dort aus auf einem kürzeren Weg zu den Lippe-Lagern gelangen könnte. Das dürfte auch schlüssig sein, denn das zentrale Heiligtum der Istvaeonen, also dem Heiligtum mehrerer voneinander entfernt siedelnder Stämme, dürfte nicht nur auf einem direkten Zugangsweg vom Gebiet der Cherusker aus zu erreichen gewesen sein. Es werden sicherlich mehrere direkte Wege von den anderen Stammesgebieten der Istvaeonen dorthin geführt haben. Wahrscheinlich befand sich sogar das Zentralheiligtum gleichsam in einem neutralen, unbesiedelten, heiligen Bereich im Grenzgebiet mehrerer Stämme. Dann musste es auch vom Zentralheiligtum einen direkten passierbaren Nebenweg zum Bereich der Lippe zu den dort siedelnden Istvaeonen gegeben haben. Es ist also davon auszugehen, dass die Römer deshalb auch am zweiten Kampftag den eingeschlagenen Marschweg fortsetzten, um vom Bereich des Kultplatzes aus zu den Lippe-Lagern durchzustoßen. Nunmehr, nach dem Weitermarsch der Römer, konnte von Arminius am zweiten Kampftag die zweite Phase seines Kampfplanes in Angriff genommen werden, nämlich die Zermürbungs- bzw. Marschkämpfe. Da die Bewaffnung der germanischen Bauernkrieger auf Zeit und ihr militärischer Ausbildungsstand bekanntlich bei weitem denen der römischen Berufssoldaten unterlegen wa-

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ren, musste Arminius seine Taktik daraufhin anlegen, die Verwundbarkeit eines langgezogenen Heereszuges von etlichen Kilometern Länge auszunutzen, zumal bei sehr miserablem Wetter und schlechten Wegeverhältnissen. Es gelang dies auch dem Arminius nach dem Prinzip der für den Gegner unvorhersehbaren, ständigen Verlust bringenden, körperlich und seelisch zermürbenden „Nadelstiche“. Dabei konnte er stets das Heft des Handelns in den Händen behalten vor allem, da die römischen Truppen inzwischen wieder durch Wälder marschieren mussten. Dieser Kampftaktik des Arminius kam es außerdem entgegen, dass im „zermürbenden Defileegefecht auch der Einsatz dicht massierter Stoßkolonnen ohne nachhaltige Wirkung (blieb), wobei sich gerade die Vermischung von Reiterei und Legionsinfanterie als nachteilig erwies.“120 Das weiterhin schlechte Wetter mit strömendem Dauerregen benachteiligte zusehends den Waffengebrauch durch die Römer, so wurden nach Cassius Dio (56, 21, 3) zum Beispiel die Lederbezüge der Schilde vom Dauerregen aufgeweicht und ermüdeten auf Grund ihres Gewichtes schneller die Arme der Soldaten. Dabei handelt es sich um die rechteckigen Langschilde der römischen Legionäre, die sogenannten „scuta“, die aus Holz mit Leder überzogen und mit Eisen beschlagen waren. Hinzu kommt, dass die Militärstiefel der römischen Soldaten, die so genannten „caligae“, durchbrochene stark genagelte Sandalen, bei dem Dauerregen und dem aufgeweichten, schweren Boden nicht allzu lange gehalten haben, zumal Ersatzstiefel beim großen Tross zurückgeblieben waren. Ebenfalls dürften die Soldatenmäntel, die so genannten „saga“, mit denen sich ansonsten die Legionäre vor schlechtem Wetter schützten, inzwischen vollgesogen eher eine Belastung gewesen sein als ein wirksamer Regen- und Kälteschutz.121

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Aber auch der kombinierte Einsatz von römischer Reiterei und Legionseinheiten blieb wirkungslos bzw. musste unterbleiben, „denn wenn sie auf engem Raum dicht zusammenrückten, um in geschlossener Formation zugleich mit der Reiterei und schwer bewaffneten Legionssoldaten die Feinde anzugreifen, brachten sie sich im Gedränge vielfach gegenseitig zu Fall oder glitten auf den Baumwurzeln aus“ (Cassius Dio 56, 21, 2). Die Reiterei unter dem Legaten Vala Numonius konnte daher den Kampf der Legionstruppen nicht unterstützen, sondern behinderte ihn nur massiv. Varus bzw. sein Generalstab werden daher wohl dem Numonius, dem ruhigen und tüchtigen Führer der Reiterei, den Befehl gegeben haben, mit der Reiterei die feindlichen Reihen zu durchbrechen, um wohl Entsatz aus den Militärlagern zu holen, deren Schicksal dem Generalstab unbekannt geblieben sein dürfte. Hinzu kam noch, dass nach Zerstörung eines Großteils der Proviantkolonnen nach dem ersten Kampftag sich die Versorgungslage auch für die Reiterei dramatisch verschlechtert haben dürfte. Da der gesamte militärische Führungsstab die spätere Entscheidungsschlacht nicht überlebte, konnten einfache Legionäre, die die Schlacht überlebten, in Unkenntnis dieser Umstände den Durchbruch der Reiterei durch die feindlichen germanischen Reihen aus ihrer Sicht als Desertation auffassen. Dies wurde später so von Velleius Parterculus, der selbst unter Tiberius als Reiterpräfekt in Germanien eingesetzt war (Velleius Paterculus 2, 104, 3), wohl aus persönlicher Betroffenheit eines Reiterführers unbesehen in seine Darstellung über die Varusschlacht mit aufgenommen (2, 119, 4). Nach dem geglückten Durchbruch ist die Reiterei des Numonius dennoch von germanischen Verbänden aufgerieben worden, möglicherweise eine große Wegstrecke vom Schlachtfeld entfernt. Da auch die eigene germanische Rei-

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terei nach Erreichen der Waldgebiete die eigenen Verbände ebenfalls witterungsbedingt nicht mehr erfolgreich unterstützen konnte, spricht vieles dafür, dass Arminius sie mit der Verfolgung und Vernichtung der römischen Reiterei beauftragte. Obwohl die römischen Truppen inzwischen durch die verlustreichen ständigen Attacken der germanischen Krieger erheblich dezimiert waren, konnten sie dennoch am Ende des zweiten Kampftages noch ein Marschlager errichten. Das war zwar sicherlich kleiner und unzulänglicher als das erste Marschlager, es war aber immerhin noch von einem Wall und flachen Graben umgeben. Das ergibt sich aus dem Bericht des Tacitus (Ann. I, 61, 2) vom Besuch des Schlachtfeldes durch Germanicus 15 n. Ch., wenn auch der Wall inzwischen nach sechs Jahren halb eingestürzt war. Am Ende des zweiten Kampftages hatten die germanischen Zermürbungsangriffe den Römern nicht nur schwere Verluste beigebracht, sondern es wird sich auch ihr körperlicher und seelischer Zustand dramatisch verschlechtert haben, wozu auch das Abrücken der römischen Reiterei beigetragen haben dürfte. Dieses Verlassen des Kriegsschauplatzes durch die römische Reiterei kam der dritten Phase der Angriffsplanung des Arminius sehr entgegen. Inzwischen wird am dritten Kampftag das zentrale Heiligtum nicht mehr weit entfernt gewesen sein, und Arminius konnte wohl über immer mehr einsatzfähige Krieger von allen Stämmen der Istvaeonen verfügen. Zudem dürften zwischenzeitlich auch die von Arminius sehnlichst erwarteten germanischen Auxiliareinheiten eingetroffen sein. Arminius konnte also nunmehr ohne Widerstand durch römische Reiterei darangehen, den Einkesselungsring um die verbliebenen römischen Resteinheiten vorzubereiten.

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Im Verlauf dieses dritten Kampftages dürfte die Einkesselung der Römer im Bereich des Opferwaldes beim Zentralheiligtum wie geplant abgeschlossen worden sein, da Arminius nunmehr über genügend Krieger verfügte. Die religiös fanatisierten Krieger des Kultverbandes der Istvaeonen konnten dort die Störung des Gottesfrieden durch die Römer an ihrem höchsten Kultfest ahnden, verbunden mit der Vernichtung dreier römischer Elitelegionen.

XII.

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or allem aus der Beschreibung des Schlachtfeldes bei Tacitus wollen seit Generationen zahllose Heimatforscher, aber auch Wissenschaftler, genügend Anhaltspunkte für eine von ihnen vermutete konkrete Lokalisierung der Varusschlacht gefunden haben.122 Doch Lehmann weist zu Recht darauf hin, dass es methodisch erforderlich sei, die Auswertung der antiken Schriftquellen zum Verlauf der Varusschlacht möglichst wenig mit dem Problem ihrer Lokalisierung zu belasten.123 Der Bericht des Tacitus mit topographischen Angaben des Marschweges und über das anschließende Aufsuchen des Varusschlachtfeldes durch Germanicus im Jahre 15 n. Chr. lässt nur wenige allgemeine Anhaltspunkte für eine ungefähre Lokalisierung zu. „Das mehrtägige Marschgefecht“ – so Lehmann – „ist jedenfalls westlich der mittleren Weser anzusetzen, genauer gesagt am Westrand des Cheruskergebietes im wenig oder gar nicht besiedelten Grenzbereich zu den Brukterern hin, und zwar in einer gewissen Nähe zum Oberlauf und Quellgebiet von Ems und Lippe. Jedenfalls sind in der Phase der Germanicus-Feldzüge von 15 u. 16 n. Chr. die Kampfstätten im Teutoburgiensis saltus offensichtlich als primär von der ausgebauten Lippe-Linie aus erreichbar angesehen worden.“124 So schlüssig dies auch ist, so bewegt die Forschung in diesem Zusammenhang das Problem der Reihenfolge der Varusmarschlager während des Schlachtenverlaufes. Ausgehend von einem Sommerlager an der Weser will Varus zurück zum Winterlager an den Niederrhein, lediglich verbunden mit

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einem Abstecher über Nebenwege zum Kultfest der Istvaeonen, dem späteren Schlachtort, der gemäß der Tacitus-Beschreibung von der Lippe aus als erreichbar angesehen wird. Der letzte Schlachtort wird demnach am nächsten zur LippeLinie hin gelegen sein. [Es würde nur folgerichtig sein, wenn Germanicus mit seinen Legionen auf dem direkten Weg von seinem derzeitigen Standort im Gebiet der oberen Ems und Lippe (haud procul Teutoburgiensi saltu) aus zum Zentralheiligtum der Istvaeonen marschieren würde, in dessen Nähe am Opferwald die letzten Reste der Varuslegionen ihren Untergang fanden. Dann hätte Germanicus auch zuerst auf das Schlachtfeld vom letzten Kampftag stoßen müssen, um erst danach beim Weitermarsch vom Kultplatz aus auf den Weg Richtung Weser zu gelangen, wo sich das Lager vom zweiten Kampftag und schließlich das Drei-Legionen-Marschlager vom ersten Kampftag befanden. Doch Germanicus marschierte mit seinem Heer wider Erwarten nicht auf dem kürzesten Weg zum Schlachtort mit den Gebeinen der gefallenen Römer am Kultplatz, sondern er folgte zunächst der weiteren Hauptstrecke nach Hameln bis zu dem Abzweig des Nebenweges, um auf ihm dann weiter in Richtung des Ortes der Varuskatastrophe am Kultplatz der Istvaeonen zu marschieren. Germanicus benutzte also nach dem Erreichen des Nebenweges bewusst den gleichen Weg in gleicher Richtung wie es vor ihm auch Varus mit seinem Heer im Jahre 9 n. Chr. getan hatte. Er tat dies auch aus wohlüberlegten Gründen. Von Überlebenden der Varuskatastrophe wird er gewusst haben, dass die während der ersten beiden

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Kampftage gefallenen Römer aus zwingender militärischer Notwendigkeit heraus und wegen fehlender Zeit nicht ordnungsgemäß bestattet werden konnten. Als verantwortungsvoller Feldherr musste Germanicus jedoch auch die Gebeine dieser gefallenen Kameraden bergen lassen, um sie später mit allen übrigen Gefallenen gemeinsam in einem eindrucksvollen Grabhügel auf dem Schlachtfeld der Varuskatastrophe (Tacitus, Ann. I, 62,1) im Rahmen einer emotionalen religiösen Totenfeier zu bestatten. Nur dadurch konnten die erzürnten Totengeister dieser Toten versöhnlich gestimmt werden. Deshalb musste Germanicus genau in der gleichen Richtung auf dem selben Weg wie Varus zum Kultplatz marschieren, um auch möglichst alle auffindbaren Toten bergen zu können, und nicht nur die, die auf dem letzten Schlachtfeld gefunden wurden. Der bekanntlich sehr komprimiert schreibende Tacitus berichtet daher auch bewusst im Plural von „traurigen Stätten“, die Germanicus und sein Heer betraten und nicht nur von einer traurigen Stätte (Tacitus, Ann. I, 61,1). Auch eine weitere Tacitusstelle (Ann. I, 62,1) spricht dafür, dass im Tumulus auch die Gebeine der „unterwegs“ Gefallenen mitbestattet wurden: „So bestattete das anwesende römische Heer sechs Jahre nach der Katastrophe traurig und erbittert zugleich die Gebeine der drei Legionen.“ Doch am eigentlichen Schlachtort konnten nicht allein die Gebeine von drei Legionen liegen, da bereits zahlreiche Römer während der vorhergehenden Kämpfe auf dem Marsch gefallen waren. Germanicus und sein Generalstab mussten dafür sorgen, dass ihre große Armee, die mehr als doppelt so umfangreich war wie die des Varus, unbeschadet zum

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Schlachtfeld am Kultplatz marschieren konnte. Die Benutzung kaum passierbarer Nebenwege war für jede große langgezogene Streitmacht riskant. Der Weg über die Lippe-Weser-Route galt als unproblematisch, schwieriger war der Marsch auf dem bereits von Varus genutzten Nebenweg zum Kultplatz. Doch durch die entsprechenden Aussagen von Landeskundigen und auch wohl von Überlebenden der Varuskatastrophe, konnte Germanicus und sein Generalstab davon ausgehen, dass ein Marsch auf diesem Nebenweg zwar nicht einfach aber doch möglich sei. Umso erstaunlicher scheint es zu sein, dass es für Germanicus von seinem Feldlager aus zum Schlachtort unpassierbare Passagen gegeben haben muss. Nicht ohne Grund hätte der präzise formulierende Tacitus, der für seinen Bericht auch auf die entsprechenden Akten des Staatsarchivs zurückgreifen konnte, folgendes geschrieben (Ann. I, 61,1): „Man sandte Caecina voraus, um die verborgenen Waldschluchten zu erforschen und Knüppeldämme und aufgeschüttete Wege über feuchten Sümpfen und trügerischen Ebenen anzulegen.“ Bei der Klärung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass Germanicus von der Ems aus mit seinem Heer zu dem derzeitigen Lager im Quellgebiet von Ems und Lippe nicht weit vom Wald der Teutoburg marschiert war. Varus wird dagegen über den Lippeweg auf alten Heerund Handelswegen zum Sommerlager nach Hameln gekommen sein. Wenn es nun für den Weitermarsch des Germanicus aus seinem Lager unpassierbare Strecken durch feuchte Sümpfe und trügerische Ebenen gegeben haben wird, dann kann es sich dabei nur um das weitere Quellgebiet von Ems und Lippe gehandelt haben. Um auf den von Varus benutzten Hauptweg in Richtung We-

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ser zu stoßen, musste Germanicus erst dieses verkehrsfeindliche Gebiet durchqueren. Es ist jedoch zu fragen, ob es dort tatsächlich solche von Tacitus beschriebenen feuchten Sümpfe und trügerische Ebenen gegeben haben wird. Dabei dürfte es hilfreich sein, hierzu ältere deutsche Schriftquellen heranzuziehen, in denen das Gebiet noch weitgehend naturbelassen beschrieben wird. Aus diesen älteren Schriften soll hier der Althistoriker P. Höfer (wie Anm. 53), S. 17, zitiert werden, wonach „sich zwischen der oberen Lippe und der oberen Ems ein sumpfiges für ein Heer unzugängliches Gebiet (befand). Das Gelände nördlich von der Lippe weist einen dunklen Moorboden auf, durchzogen von vielen Wassergräben; noch jetzt befinden sich dort trotz der Kanalisierung ausgedehnte Brüche mit Vennen und eine große Zahl offener Tümpel, dazwischen wieder dünenartige Sandstrecken. … Auch die sogenannte Senne, jene durch ihren Sand berüchtigte Ebene am Südwestfuß des Lippischen Waldes, ist ursprünglich sumpfiges Gebiet gewesen; der Sand ist Flugsand von den benachbarten Bergen, deren Sand noch heute an manchen Stellen nicht festliegt.“ Auch andere ebenfalls im 19. Jahrhundert lebende Autoren stützen diese Beschreibung. Wenn diese fragliche Gegend noch im vorletzten Jahrhundert so geographisch beschrieben werden konnte, wie muss sie erst dann vor zweitausend Jahren zur Zeit des Germanicus ausgesehen haben. Die diesbezügliche Darstellung des Tacitus von feuchten Sümpfen und trügerischen Ebenen ist demnach als glaubwürdig anzusehen. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss der erforderlichen Pionierarbeiten durch Caecina konnte Germanicus sich mit dem gesamten Heer auf dem nun

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durchgängig passierbaren Weg zum Schlachtort der Varusniederlage am Kultplatz des Istvaeonen aufmachen.] Diese Aussage, dass Germanicus mit seinem Heer von seinem damaligen Marschlager „zwischen Ems und Lippe nicht weit entfernt vom ,teutoburgiensis saltus‘ aus die Hauptstrecke der Lippe-Weser-Route für seinen Marsch zum Schlachtort der Varuskatastrophe benutzte, steht im krassen Gegensatz zur derzeit herrschenden Meinung in der Literatur, die in Kalkriese den endgültigen Ort der Varusniederlage gefunden zu haben meint.125 Doch auch auf Grund numismatischer Untersuchungen der in Kalkriese gefundenen Münzen wurde schon frühzeitig von Wolters und Kehne mit gewichtigen Gründen Kalkriese als der Ort der Varusschlacht in Frage gestellt.126 Hinzu kommt noch, dass die von den antiken Schriftquellen beschriebenen Örtlichkeiten der dreitägigen Marschgefechte der Armee des Varus kaum oder gar nicht mit den Örtlichkeiten in und um Kalkriese in Übereinstimmung zu bringen sind. Das Kalkrieser Fundspektrum stützt sich darüber hinaus auf die zeitliche Zuordnung der Funde und Befunde in Haltern, unter anderem auf Münzen mit varianischen Gegenstempeln. Da der sogenannte „Haltern Horizont“ bisher zeitlich mit der Varuskatastrophe im Jahre 9 n. Chr. gleichgesetzt wird, musste dieses Jahr auch das entscheidende Datierungsjahr für die Befunde in Kalkriese sein. „Inzwischen kann sich“ - so der Archäologe Horn - „die Wissenschaft keineswegs mehr sicher sein, dass das Eckdatum des Legionslagers (in Haltern) mit der Varusniederlage zusammenfällt, einiges spricht jetzt eher dafür, dass dieser strategisch bedeutsame Militärplatz doch länger, das heißt bis in die Zeit der Germanicus-Feldzüge 15/16 n. Chr. bestanden hat.“127

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Auch Aßkamp will das Eckdatum von Haltern wieder offen diskutieren; denn „die (germanischen) Leichen in den Töpferöfen, die zerstörten und überbauten Grabanlagen, die Erweiterung des Hauptlagers und diverse Einbauten darin, lassen an eine Weiterbelegung oder Wiedereinsetzung denken.“128 Die Frage nach der Örtlichkeit der Varusniederlage ist daher nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Es mehren sich daher die Stimmen, die den Schlachtort Kalkriese eher mit dem verlustreichen Kampf des Caecina gegen Arminius in Verbindung bringen. 129 Dazu tragen auch die Schilderungen des Tacitus mit bei: Nachdem Germanicus am Ende seines Feldzuges im Jahre 15 n. Chr. sein Heer zur Ems zurückgeführt hatte, musste Caecina mit der 1., 5., 20. und 21. Legion den Rückmarsch zum Niederrhein antreten. Vorher mussten die Legionen durch Moorgebiete marschieren, „wo man entweder im schweren Schlammboden stecken blieb, oder das Bäche unsicher machten (und) ringsherum … allmählich ansteigende Wälder lagen“ (Tacitus, Ann. 63,4). Am nächsten Tage marschierte dann Caecina zu einer Ebene, mitten zwischen Bergen und Sümpfen, die eine schmale Schlachtreihe zuließ (Tacitus, Ann. I, 64, 3,4). Die topographische Beschreibung des Tacitus bildet nach Kehne die „Kalkrieser-Niewedder Senke geradezu exakt ab, wo inmitten der Waffen- und Ausrüstungsfragmente, Tier- und Menschenknochen, zudem ein epigraphischer (auf einer römischen Schwertscheide eingeritzter) Beleg für die Anwesenheit der legio I gefunden wurde.“130 Bei der ,legio I‘ handelt es sich jedoch um eine Legion, die eindeutig nicht zu den drei untergegangenen Legionen des Varus gehörte, sondern zu den Legionen der Niederrheinarmee unter Caecina. Das könnte somit dafür sprechen, in Kalkriese den Schlachtort gefunden zu haben, an dem Caecina 15 n. Chr.

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mit Arminius gekämpft hatte. Obwohl an den Feldzügen des Germanicus in den Jahren 15 und 16 n. Chr. zeitweise mehr als acht Legionen (Tacitus, Ann. II, 16,3) und viele Hilfstruppen teilnahmen, ist es auffallend, dass es für diesen Zeitraum im gesamten großflächigen Kampfgebiet keine archäologisch gesicherten Funde und Befunde gibt.131 Es ist ausgeschlossen, dass es für diese Zeitspanne keinerlei archäologische Hinterlassenschaften geben sollte. Bei möglichen archäologischen Entdeckungen römischer Funde aus dieser Zeit wird daher die Fachwissenschaft gefordert sein, diese Funde ganz konkreten Jahren zuzuordnen, und auch die bisherigen zeitnahen Funde und Befunde noch einmal kritisch auf die exakte Zuordnung hin zu überprüfen. Die wenigen überlieferten, allgemeinen geographischen Anhaltspunkte erscheinen vielen „Varusschlachtforschern“ als zu vage und zu unbefriedigend. Daher wird die Suche nach der Örtlichkeit der Varusschlacht immer wieder mit dem gut gemeinten Rat begleitet, doch verstärkt im Boden nach großen Ansammlungen von römischen Militaria zu suchen. Ein Schlachtort mit über Tausenden von gefallenen Soldaten müsste auch heute noch genügend archäologische Funde aufweisen können, soweit er nicht zwischenzeitlich längst zerstört bzw. überbaut wurde. Doch die archäologische Denkmalpflege ist gut beraten, beim potentiellen Schlachtort nur wenige Funde zu erwarten. Außer Gerippen, Leder-, Holz- und wenigen Metallresten sowie verloren gegangenen Münzen dürfte nach der Schlacht nichts zurückgeblieben sein. Dies ist bereits der Beschreibung des Schlachtfeldes durch Tacitus (Ann. I, 61,2–3) zu entnehmen: „Auf der Ebene dazwischen lagen die bleichenden Gebeine, zerstreut oder haufenweise, … Daneben lagen Bruchstücke von Geschossen und Pferdegerippen …“ Nur sechs Jahre nach der Varusschlacht fand demnach Germa-

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nicus nur noch Gerippe und Bruchstücke von Geschossen. Von Rüstungen oder Waffen ist nicht die Rede. Dies ist auch nahe liegend, da Eisengegenstände für die Germanen einen ausgesprochen hohen Wert besaßen. Für die bäuerlichen germanischen Stammesgesellschaften war es mit hohem mühsamen Arbeitsaufwand verbunden, vorwiegend aus Raseneisenerz genügend Eisen für den notwendigsten Bedarf für Waffen und sonstiges Gerät zu gewinnen.132 Um 1 kg Eisen zu gewinnen, wurden nach Schlette 10 kg Erz und 130 kg getrocknetes Holz benötigt. Die kleinen Öfen lieferten etwa 3 kg Eisen. Der Aufwand, Eisen zu gewinnen, war so groß, dass unbrauchbar gewordene Gerätschaften immer wieder neu verschmiedet wurden, wie das metallurgische Analysen beweisen.133 Es ist davon auszugehen, dass jedes auffindbare, umschmiedbare oder nutzbare Metallstück, das den toten oder lebenden Gegnern abzunehmen war, von den Germanen auf dem Schlachtfeld nicht nutzlos zurückgelassen wurde.134 Gewisse eroberte Waffenkontingente werden sicherlich auch an heiligen Stätten der Gottheit geweiht worden sein. Das schließt jedoch nicht aus, dass Metallobjekte, die an Ort und Stelle in Schlamm, Laub oder Gewässer gerieten, von den Germanen nicht gefunden wurden und sich möglicherweise noch heute im Schlachtfeldbereich befinden. Abgesehen von solch verloren gegangenen Objekten ist es allerdings nicht überraschend, dass z.B. auf dem genau zu lokalisierenden Schlachtfeld im antiken Gelduba (KrefeldGellep), wo die Römer während des Bataveraufstandes (69 n. Chr.) eine Schlacht verloren, trotz fachkundiger Ausgrabung relativ wenig militärische Funde ergraben werden konnten.135 Die Suche nach dem Varusschlachtfeld sollte daher nicht mit der falschen Erwartung auf viele römische Funde vorbelastet werden. Derzeit ist das Wissen um die richtige wissenschaft-

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liche Ansprache und Interpretation antiker Schlachtfelder in der Wissenschaft und Forschung noch nicht voll entwickelt. Aber gerade die Funde und Befunde vom Schlachtfeld in Kalkriese geben bereits heute schon wichtige Erkenntnisse für den richtigen wissenschaftlichen Umgang mit antiken Schlachtfeldern.136 Dieses Wissen kommt daher bereits der Ausgrabung des im Jahre 2008 entdeckten römischen Schlachtfeldes von Harzhorn bei Kahlefeld im Landkreis Northeim zu Gute. Auf Grund des Fundspektrums muss dort im dritten Jahrhundert n. Chr. am dortigen Pass eine Schlacht zwischen Römern und feindlichen Germanen stattgefunden haben.137 Auch wenn von der Schlachtfeldarchäologie möglicherweise wenig Konkretes zur Varusschlacht erwartet werden kann, so sind eventuell archäologische Befunde aus dem Bereich des Kultzentrums zu erwarten. Einen entscheidenden Anhaltspunkt könnten nach Lehmann138 unter Hinweis auf K. Tackenberg „auch die von Germanicus Caesar in der Nähe der Kampfstätte besichtigten scrobes-Opferschächte (…) als identifizierbares Bodendenkmal liefern.“ [Weitere archäologische Befunde könnten heutzutage noch eventuell nachweisbare Spuren bzw. Reste von zeltähnlichen Schlafunterkünften der Kultgäste betreffen. Es dürfte unstrittig sein, dass die Abertausenden von Germanen, die wahrscheinlich nach Stämmen und Sippen getrennt am Kultfest teilnahmen, auch auf der Ebene am Opferwald lagerten. Analog zu den Kultfesten in Uppsala dürfte die Dauer des Kultfestes der Istvaeonen vermutlich insgesamt neun Tage betragen haben.

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Für eine solch lange Festdauer müssen auch notwendige Voraussetzungen erfüllt worden sein, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten. Dazu dürften die mit viel Feuerungsholz zu unterhaltenden Feuerstellen gezählt haben, um Wärme zu spenden und um die Nahrung zubereiten zu können. Zum Übernachten werden sich die Gläubigen nicht einfach bei Wind und Wetter auf zertretene, schlammige Wiesen gelegt haben, sondern dafür wohl zeltähnliche Unterkünfte mit möglicherweise in den Untergrund eingelassenen Vertiefungen errichtet haben. Der Standard und die Größe solcher Schlafunterkünfte dürfte dabei vom jeweiligen sozialen Stand der Nutzer abhängig gewesen sein. Es ist daher durchaus möglich, heutzutage noch archäologisch nachweisbare Reste bzw. Spuren solcher Schlafunterkünfte zu finden. Außerdem wird es bei der Masse von Gläubigen und der Länge des Kultfestes auch eine sehr große Anzahl von Latrinen gegeben haben, um die in großen Mengen anfallenden täglichen Fäkalien aufnehmen zu können. Aus Hygiene-, Geruchs- und Platzgründen dürften diese Latrinen sehr tief ausgehobene Erdgruben gewesen sein. Mit dem Vorhandensein solcher Latrinengruben könnte möglicherweise auch eine im Bericht des Tacitus (Ann. I, 62, 4) nicht zu entschlüsselnde Stelle, wonach im Bereich des Schlachtfeldes Gruben den Gefangenen zum Hohn gedient hätten, eine überzeugende Erklärung finden. Die siegestrunkenen Germanen hätten dann gefangene römische Soldaten in diese Latrinengruben gesteckt bzw. geworfen. Es kann keine größere Verhöhnung für sieggewohnte selbstsichere römische Elitesoldaten geben, als der Aufenthalt in solchen Gruben. Auch in der Neuzeit soll diese besondere Form von Demütigung

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Kriterien für die Örtlichkeit der Varusschlacht

noch angewendet worden sein. So schildert 1969 der algerische Film „L’opium et le baton“ in einer Szene, wie die Dorfältesten eines Ortes von französischen Soldaten in einer Fäkaliengrube eingesperrt werden, um sie zu demütigen und zur Aussage zu erpressen.139 Unabhängig von diesem Deutungsvorschlag für die bislang unverständliche Tacitus-Stelle müssten sich solch tiefen Latrinengruben heute noch archäologisch nachweisen lassen. Folgt man dieser Deutung, so wird es im weiten Bereich des Kultplatzes zwei Arten von Gruben gegeben haben, einmal die zu den Altären gehörenden Opfergruben in den benachbarten Hainen, und andererseits die Latrinengruben im Bereich des „Biwak“-Geländes der Gläubigen. Ebenfalls könnten noch Reste oder Bodenverfärbungen vom „Tribunal“ entdeckt werden, wenn es sich dabei wie in Uppsala um einen großen so genannten Thinghügel gehandelt haben sollte.] Es müssten sich auch möglicherweise noch Spuren von zwischenzeitlich längst versiegten Quellen oder Bachläufen nachweisen lassen, denn die Quellen hatten nicht nur sakrale Bedeutung, sondern dienten auch zur Trinkwasserversorgung Tausender von Gläubigen. Eventuell könnten auch noch Spuren oder Reste bzw. Bodenabdrücke von den Altären nachgewiesen werden. Doch dies alles ist sehr fraglich. Wenn örtliche Annäherungen an die Varusschlacht noch möglich sein sollten, dann nur, wenn interdisziplinär kooperiert wird, um auf neue Fragen gemeinsam Antworten zu finden. So müssen die Bereiche Archäologie, Althistorie, Sprachwissenschaft, Numismatik, Geographie mit Geologie, Klimatologie, Hydrologie und Paläobotanik eng zusammenarbeiten, um vielleicht doch noch den Mythos um die Örtlichkeit der Varusschlacht zu lüften.

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Imperium: Konflikt:

Mythos:

RGA: AßkAMp, Römische Militärlager:

LWL-Römermuseum in Haltern am See (Hg.): 2000 Jahre Varusschlacht, Imperium, Stuttgart 2009. [Ausstellungskatalog Haltern am See] Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH. Museum und Park Kalkriese (Hg.): 2000 Jahre Varusschlacht, Konflikt, Stuttgart 2009. [Ausstellungskatalog in Kalkriese] Landesverband Lippe (Hg.): 2000 Jahre Varusschlacht, Mythos, Stuttgart 2009. [Ausstellungskatalog Detmold] Hoops, J. (Hg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Berlin, New York.

R. AßkAMp: Aufmarsch an der Lippe. Römische Militärlager im rechtsrheinischen Germanien, in: Imperium. BreMer, Wasserweg: E. BreMer: Die Nutzung des Wasserweges zur Versorgung der römischen Militärlager an der Lippe, in: Siedlung und Landschaft in Westfalen, Bd 31, hg. von der Geographischen Kommission für Westfalen, Münster 2001. BrepoHl, Arminius: W. BrepoHl: Arminius gegen Germanicus, Münster 2008. DelBrueck, Germanen: H. DelBrueck: Geschichte der Kriegskunst. Die Germanen, Hamburg 2003 (Nachdruck der Neuausgabe 2000). Derolez, Götter: R. L. M. Derolez: Götter und Mythen der Germanen, Wiesbaden 1963. eck, Eine römische Provinz: W. eck: Eine römische Provinz. Das augusteische Germanien links und rechts des Rhein, in: Imperium. [Ausstellungskatalog Haltern am See] eck, Die römischen Provinzen: W. eck: Die römischen Provinzen. Herrschaft und Verwaltungspraxis in der frühen Kaiserzeit, in: Imperium. [Ausstellungskatalog Haltern am See]

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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

eliADe, Religiöse Ideen:

M. eliADe: Geschichte der Religiösen Ideen, Bd 2, Freiburg 1994 (2. Auflage) GecHter, Römisches Heer: M. GecHter: Das römische Heer in der Provinz Niedergermanien, in: Horn, H.G. (Hg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987. Gilliver, Römische Armee: K. Gilliver: Auf dem Weg zum Imperium. Die Geschichte der römischen Armee, Hamburg 2007. W. GoltHer: Handbuch der germanischen GoltHer, Mythologie: Mythologie, Stuttgart o. J. (Nachdruck der Ausgabe von 1908). GroenBecH, Religion: W. GroenBecH: Kultur und Religion der Germanen, Bd 2, Darmstadt 2004. HAsenfrAtz, Religion: H.P. HAsenfrAtz: Die Germanen. Religion, Magie, Mythos, Erftstadt 2007. JAscHke, Versorgung: K. JAscHke: Tonnenweise Getreide. Die Versorgung der römischen Legionslager an der Lippe, in: Imperium. [Ausstellungskatalog Haltern am See] JoHn, Varus: W. JoHn: P. Quinctilius Varus, in: RE XXIV I, Stuttgart 1969, Sp. 907–984. P. keHne: Der historische Arminius … und die keHne, Arminius: Varusschlacht aus cheruskischer Perspektive, in: Mythos. leHMAnn, Boreas 12: G. A. leHMAnn: Zum Zeitalter der römischen Okkupation, in: Boreas 12 (1989), S. 207– 230. leHMAnn, Boreas 13: G.A. leHMAnn: Zur historisch-literarischen Überlieferung der Varus-Katastrophe 9 n. Chr., in: Boreas 13 (1990), S. 143–167. norkus, Feldzüge: J. norkus: Die Feldzüge der Römer in Nordwestdeutschland in den Jahren 9–16 n. Chr. Von einem Soldaten gesehen, Hildesheim 1963. H. polenz: Römer und Germanen in Westfapolenz, Römer: len, Münster 1985. v. rAnke-GrAves, Griechische Mythologie: R. v. rAnke-GrAves: Griechische Mythologie, Reinbek 1961.

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur scHlette, Germanen: scHrADer, Landschaften Niedersachsens: WieGels, Woesler, Arminius:

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F. scHlette: Germanen, Leipzig Jena, Berlin 1980. E. scHrADer: Die Landschaften Niedersachsens. Ein topographischer Atlas, Hannover 1965 (3. Auflage). R. WieGels, W. Woesler (Hg.): Arminius und die Varusschlacht, Paderborn 1995.

Anmerkungen 1

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Im Zusammenhang mit dem Gedenken an die vor 2000 Jahren stattgefundene sogenannte Varusschlacht ist 2009 eine Fülle von neuen Publikationen erschienen, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dieser historisch so bedeutsamen Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen befassen. Sie alle eingehend zu lesen und wissenschaftlich zu hinterfragen war aus zeitlichen Gründen nicht leistbar. Für die dritte Auflage dieser Publikation sind jedoch unter anderem die drei Ausstellungsbände zum Gedenken an die Varusschlacht mit Schwerpunkten ,Imperium‘ in Haltern am See, ,Konflikt‘ in Kalkriese und ,Mythos‘ in Detmold mit zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen in- und ausländischer Autoren herangezogen worden, und wenn erforderlich und begründet, bei der Aktualisierung des vorliegenden Textes mit berücksichtigt worden. Dabei stellte sich für den Verfasser heraus, dass die bisherigen Kernaussagen und Thesen dieser Publikation weiterhin Bestand haben. Auch die Diskussion um die Örtlichkeit der Varuskatastrophe ist nach wie vor nicht entschieden. Im Lauf der letzten Jahre sind die Zweifel hinsichtlich des Ortes Kalkriese als Ort der Varusschlacht zumindest bei einem ernstzunehmenden Teil der Forschung noch gewachsen, auf die später noch verwiesen wird. u.a. scHlueter, W. (Hg.): Kalkriese-Römer im Osnabrücker Land, Bramsche 1993; WieGels, Woesler, Arminius; WieGels, R. (Hg.):Die Varusschlacht, Stuttgart 2007. Im Übrigen wird vor allem auf die entsprechenden Beiträge in dem Ausstellungskatalog ,Konflikt‘ verwiesen. BrepoHl, W.: Wo war die Varusschlacht? Forschung steht weiter vor Fragen, in: Westfalenspiegel, Münster 2003, Heft 3, S. 20. leHMAnn, Boreas 13, S. 147; leHMAnn, G. A.: Das Ende der römischen Herrschaft, in: WieGels, Woesler, Arminius, S. 139. Im Folgenden werden die antiken Schriftquellen zitiert in der Übersetzung von Goetz, H. W., WelWei, K. W. (Hg.): Altes Germanien, Bd 1 u. 2, Darmstadt 1995. leHMAnn, Boreas 13, S. 151. Siehe die umfassende, wenn auch ältere Darstellung von JoHn, Varus, Sp. 907–984; eck, Eine römische Provinz, S. 188. Becker, A., rAsBAcH, G.: Die spätaugusteische Stadtgründung in Lahnau-Waldgirmes, in: Germania 81, Mainz 2003, S. 147ff.; eck, Eine römische Provinz, S. 122f.

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AßkAMp, Römische Militärlager, S. 177; v. scHnurBein, S.: Von Drusus bis Varus, in: Archäologie in Deutschland, Heft 5, 2004, S. 40–43; AßkAMp, R.: Römerlager in Westfalen, Haltern, Heft 5, Münster 2010, S. 36f. Tacitus: Germania 9ff.; Derolez, Götter, S. 81 u. 234; HAcHMAnn, R.: Die Germanen (Archäologia Mundi), München 1978, S. 122; GroenBecH, Religion, S. 244; zelle, M.: An wen glaubte Arminius? Götter und Kultplätze in Germanien um die Zeitenwende, in: Mythos, S. 99. GoltHer, Mythologie, S.545; nArr, K.J.: Beiträge der Urgeschichte zur Kenntnis der Menschennatur, in: GADAMer, H.G., voGler, P. (Hg.): Kulturanthropologie, München 1973, S. 52; v. GlAsenApp, H.: Die nichtchristlichen Religionen, Frankfurt 1962, 6. Auflage, S. 20. eliADe, Religiöse Ideen, S. 150. siehe u.a.: leHMAnn, Boreas 12, S. 224ff.; leHMAnn, Boreas 13, S.148; polenz, Römer, S. 39; GluesinG, P.: Die Germanen im Spannungsfeld der römischen Okkupation, in: trier, B. (Hg.): 2000 Jahre Römer in Westfalen, Mainz 1989, S.79. leHMAnn, Boreas 13, S. 148. JoHn, Varus, Sp. 960; ECK, Die römischen Provinzen, S. 147; licHtenBerGer, A.: Varus in Syrien. Die Provinz Syrien und das Klientelkönigreich Judäa, in: Imperium, S. 165f.; bereits vorher hatte Varus als Befehlshaber der 19. Legion, die bekanntlich später während der Varusniederlage vernichtet wurde, im Jahre 15 v. Chr. am siegreichen Ausgang des Alpenfeldzuges großen militärischen Anteil. Siehe hierzu: nuBer, H. K.: P. Quinctilius Varus siegte … als legatus Augusti in Süddeutschland, in: Imperium, S. 106ff. eck, W.: P. Quintilius Varus, seine senatorische Laufbahn und sein Handeln in Germanien: Normalität oder aristokratische Unfähigkeit?, in: AßkAMp, r., escH, T. (Hg.): Imperium- Varus und seine Zeit, Münster 2010, S. 13ff., GecHter, Römisches Heer, S. 111; zur römischen Verwaltungspraxis in seinen Provinzen siehe: eck, Die römischen Provinzen, S. 142ff.; zu den Aufgaben eines Statthalters siehe: MillAr, F.: Regierung und Verwaltung, in: MillAr, F. (Hg.): Das römische Reich und seine Nachbarn, Frankfurt 1973, 3. Auflage, S. 69. keHne, Arminius, S. 106; Wiegels, R.: Rom und Germanien in augusteischer und frühtiberischer Zeit, in: scHlueter: (wie Anm. 2), S. 246 f.; Derks, H.: Die Varusschlacht, in: Konflikt, S. 49; kossAck, G.: Die Germanen, in: MillAr: (wie Anm. 15), S. 291, spricht ebenfalls von einer verfehlten Besatzungspolitik des Varus. GoltHer, Mythologie, S. 613; generell zu dem religiösen, gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht: Geertz, C.: Dichte Beschreibung zum Ver-

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stehen kultureller Systeme, Frankfurt 1987, S. 101; zu den Priestern: MAuersBerGer, A.: Tacitus Germania, Frankfurt 1980, S. 109. JoHn, Varus, Sp. 912–918; licHtenBerGer: (wie Anm. 14), S. 165. WieGels: (wie Anm. 16), S. 246 f.; JoHn, Varus, Sp. 920; kunoW, J.: Die Militärgeschichte Niedergermaniens, in: Horn, H.G. (Hg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, S. 46; kossAck: (wie Anm. 16), S. 291; MoMMsen, Th.: Römische Geschichte, München 1976, Bd. 6, 2. Aufl., S. 47. nArr: (wie Anm. 10), S. 53; v. GlAsenApp: (wie Anm. 10), S. 13 u. 122; zur Edda siehe: DoeBler, H.: Die Germanen, o.O. 1975, S.101; zum Problem der Vergleichbarkeit der germanischen Religiosität zwischen den Nord- und Westgermanen in unterschiedlichen Zeiten, siehe auch: HAcHMAnn, (wie Anm. 10), S. 123ff.; siehe die Literaturhinweise über die Religion der Germanen bei: Mueller-Wille, M.: Opferkulte der Germanen und Slaven, Stuttgart 1999, S. 94ff.; MAier, B.: Die Religionen der Germanen, München 2003, S. 185ff.; siMek, R.: Religion und Mythologie der Germanen, Darmstadt 2003, S. 307 ff.; kuckenBurG, M.: Kultstätten und Opferplätze in Deutschland, Stuttgart 2007, S. 96; zelle: (wie Anm. 10), S. 99ff. scHlette, Germanen, S. 19; GroenBecH, Religion, Bd 2, S. 209; HAsenfrAtz, Religion, S. 54 berichtet von den Nordgermanen, dass am heiligen Kultort der Eid-Ring zur feierlichen Ableistung von Eidesverpflichtungen aufbewahrt wurde. JoHn, Varus, Sp. 946 weist darauf hin, dass Arminius, der bereits in verhältnismäßig jungen Jahren nicht bloß das römische Bürgerrecht, sondern auch den ,gradus equester‘ (die Ernennung zum Ritter) erreicht hatte (bei der bekanntlich entsprechenden Zurückhaltung des Augustus solchen Ehrungen gegenüber), sich langjährige und das gewohnte Maß weit überschreitende Verdienste erworben haben muss. kunoW: (wie Anm. 19), S. 46. GecHter, Römisches Heer, S. 113. Einen Hinweis auf das reiterische Können des Arminius gibt uns Tacitus (Ann. II, 18,5) in seinem Bericht über die Schlacht bei Idistaviso 16 n. Chr., wonach es Arminius durch seinen Mut und seine reiterischen Fähigkeiten gelang, die feindlichen Reihen zu durchbrechen. keHne, Arminius, S. 104f. stellt u.a. in Frage, dass Arminius als Geisel in Rom war, dass aus seinem nicht bestrittenen Ritterrang ein dem ,praefektus‘ analoger Offiziersposten abzuleiten sei, oder dass er am Pannonienkrieg teilgenommen habe. Vielmehr sieht keHne den Arminius lediglich als Befehlshaber eines nur im Bedarfsfal-

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le aufgebotenen und regionsgebunden eingesetzten cheruskischen Stammeskontingentes. JoHn, Varus, Sp. 920. leHMAnn, Boreas 12, S. 225. JoHn, Varus, Sp. 952; tAusenD, K.: Wohin wollte Varus? in: Klio 79, 1997, S. 377 f. leHMAnn, Boreas 13, S. 147; keHne, Arminius, S. 104; strABon, Geographica 7, 1,4. u.a. WeczerkA, H.: Verkehrsgeschichtliche Grundlagen des Weserraums, in: Kunst und Kultur im Weserraum 800–1600, Münster 1966, S. 192ff; Ditt, H.: Naturräume und Kulturlandschaften Westfalens, in: Der Raum Westfalen, Bd VI (2. Teil), Münster 1996, S. 65 u. 117. scHrADer, Landschaften Niedersachsens, Karte Nr. 125. lAnDels, J.G.: Die Technik in der antiken Welt, Gütersloh o. J., S. 206ff. u. 214f. Die Maultiere sind viel geduldiger als Pferde. Ihre Haut ist widerstandsfähiger und daher weniger empfindlich gegen Verletzungen durch Reiben und Aufscheuern beim Tragen von Lasten. Sie können auch besser extreme Hitze oder Kälte aushalten und sie vermögen wesentlich länger ohne Wasser auszukommen, außerdem sind ihre Hufe härter. finley, M. J.: Die antike Wirtschaft, München 1977, S. 150; JAscHke, Versorgung, S. 198 f.; DelBrueck, Germanen, S. 521f.; norkus, Feldzüge, S. 35, geht von einer Nutzlast von 500 kg. aus. Das wäre die gleiche Nutzlast wie für einen zweispännigen Lebensmittelwagen nach der preußischen Felddienstordnung von 1908; für scHAefer, Ch.: Alte und neue Wege. Die Erschließung Germaniens für die römische Logistik, in: Imperium, S. 206, hat der Karren eine Nutzlast von unter einer Tonne; BreMer, Wasserwege, S. 15, geht von einer Ladekapazität von 198 kg aus, wobei er sich auf den spätantiken ,Codex Theodosianus‘ stützt. GecHter, Römisches Heer, S. 128f., vgl. kueHlBorn, J.S., Zur Geschichte des Lagers Oberaden, Münster 1992, S. 126 (mit ausführlicher Literatur); norkus, Feldzüge, S. 11; JAscHke, Versorgung, S. 196ff., geht von einem Jahresverbrauch von rund 1900 Tonnen Weizen für eine Legion aus und für die Reiterei und die Last- und Zugtiere einer Legion von 1000 Tonnen Gerste; BrepoHl, Arminius, S. 50; Gilliver, Römische Armee, S. 35, berechnet für die Mannschaftsstärke einer Legion noch zusätzlich rund 500 Legionstrossknechte; MillAr: (wie Anm. 15), S. 120, geht von einer allgemeinen Mannschaftsstärke pro Legion von 5000 Infanteristen und 120 Kavalleristen aus. Wolters, R.: Geographie und Stammeswelt in der Germania magna, in: Mythos, S. 39; steuer, H.: Besiedlungsdichte, Bevölkerungsgrößen und

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Heerstärken, in: leHMAnn, G.A., WieGels, R. (Hg.): Römische Präsens und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit, Göttingen 2007, S. 337f.; polenz, Römer, S. 81; JAscHke, Versorgung, S. 196; eBel-zepezAuer, W.: Eine heile Welt? Alltag und Lebensgrundlage der Germanen in der älteren römischen Kaiserzeit, in: Mythos, S. 77f. weist darauf hin, dass die wesentliche Ernährungsbasis der Germanen der Getreideanbau war, vor allem von Gerste, aber auch von Rispenhirse. Da das Getreide kaum Glutenanteile hatte, ließ sich daraus kein Brot backen, so dass die Hauptmahlzeit aus Gerste- und Hirsebrei bestand. Je nach Witterung dürfte es auch immer wieder zu Versorgungsengpässen vor allem kurz vor der nächsten Ernte gekommen sein. AßkAMp, Römische Militärlager, S. 178 f.; JAscHke, Versorgung, S. 198; BrepoHl, Arminius, S. 24 f., tiMpe, D.: Geographische Faktoren und politische Entscheidungen in der Geschichte der Varuszeit, in: WieGels, Woesler, Arminius, S. 20; DelBrueck, Germanen, S. 83; finley: (wie Anm. 31) S. 152. So schildert Tacitus (Historien, IV., 26,1; 35,1), dass während des Bataveraufstandes 69 n. Chr. jedes Mal bei den römischen Truppen Getreidemangel herrschte, wenn der Rhein als die wichtigste Versorgungsroute für Getreidetransporte durch extreme Trockenheit oder durch die feindliche Kontrolle über den Fluß nicht mehr wie erforderlich als Transportweg benutzt werden konnte. BrepoHl, Arminius, S. 30–40, zur römischen Rheinflotte der ,classis Germanica‘ und zum römischen Flottenstützpunkt in Bremerhaven siehe S. 56f. BreMer, Wasserweg, S. 88 u. 95; BrepoHl, Arminius, S. 54 u. 62. Ditt: (wie Anm. 28), S.25; Mueller-teMMe, E.: Niederschläge in raum-zeitlicher Verteilung, in: Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen, hg. von der geographischen Kommission für Westfalen, Münster 1986, Doppelblatt 2. norkus, Feldzüge, S. 39 geht davon aus, dass sich über 7000 Last-, Zugund Reittiere im Bereich des Sommerlagers aufhielten. In der deutschen Heeresvorschrift „Feld- und Pionierdienst aller Waffen“ (Entwurf vom 12.12.1911) D.V.E. Nr. 275 Berlin, S. 205 wird der tägliche Trinkwasserbedarf pro Mann zum Trinken und Kochen mit etwa 4 l und pro Pferd mit etwa 30 l angegeben. Wie kenntnisreich und sorgfältig die Römer beim Auffinden von qualitätsvollem Wasser vorgingen, ist eindrucksvoll bei stuerzenAcker, E. (Hg.): Marcus Vitruvius Pollio: Über die Baukunst, Essen 1938, 8. Buch, 1. Kapitel, Nr. 2 nachzulesen. Vitruvius war in frühaugusteischer Zeit für die Entwicklung und Unterhaltung von Kriegsmaschinen, für Brücken-

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bau und Transportfahrzeuge mitzuständig. Auf sein technisches Wissen konnte daher auch die römische Militärführung zurückgreifen. JoHn, Varus, Sp. 952; norkus, Feldzüge, S. 50 spricht sich für Hameln aus. so der Archäologe Berenger in einem Interview mit riese: Wo Varus wohl nie war, in: Westfälische Nachrichten vom 08.07.2009. Siehe auch: treMMel, B.: Augusteische Marschlager in Porta Westfalica – Barkhausen, in: LWL-Archäologie für Westfalen, Altertumskommission für Westfalen (Hg.): Archäologie in Westfalen- Lippe 2009, Langenweissbach 2010, S. 45 ff., die lediglich feststellen kann: „Im Rahmen der augusteisch-tiberischen Germanienoffensiven, die mit den Drususfeldzügen 12 v. Chr. begannen und mit der Abberufung des Germanicus 16 n. Chr. endeten, war Barkhausen vermutlich zweimal kurzfristig Standort römischer Truppen.“ Zum Lagerplatz Minden siehe auch: BrepoHl, Arminius, S. 52 f. wonach Germanicus mit sehr großer Wahrscheinlichkeit im westlichen Bereich des heutigen Mindens vor der Schlacht bei Idistaviso im Jahr 16 n. Chr. für seine Truppen dort Feldlager errichten ließ. WeczerkA: (wie Anm. 28), S. 198 u. 787; scHrADer: (wie Anm. 29) Karte Nr. 125. Gilliver, Römische Armee, S. 84 ff, Tacitus (Agricola, 20, 22) erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Agricola als Heerführer in Britannien die Lagerplätze selbst auswählte, und dass kein von ihm angelegtes Lager durch Feindeshand erstürmt wurde. Auch Vespasian wählte nach Tacitus (Historien, II., 5) 69 n. Chr. vor Jerusalem selbst den Platz für das Lager seiner Truppen aus. MillAr: (wie Anm. 15) S. 120. leHMAnn, Boreas 12, S. 222. BerenGer, D.: Ein möglicher Wachtposten in augusteischer Zeit in Bielefeld auf der Sparrenberger Egge, in: kueHlBorn, J.S. (Hg.): Germaniam pacavi - Germanien habe ich befriedet, Münster 1995, S. 170ff. HilGers, W.: Deutsche Frühzeit, Frankfurt, Berlin 1976, S. 44; polenz, Römer, S. 47. Die römischen Verluste der Varuskatastrophe beziffern mit rund 20.000 Mann u.a.: MoMMsen, (wie Anm. 19) S. 50; Horn, H.G. (Hg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, S. 660; GriMAl, P.: Das römische Weltreich, in: GriMAl, P. (Hg.): Der Aufbau des römischen Reiches, Frankfurt 1972, 3. Auflage, S. 323; rAsBAcH, G., Huessen, C.M.: Römische Welt in Stadt und Land, in: v. freeDen, u., v. scHnurBein, S. (Hg.): Germanica, unsere Vorfahren von der Steinzeit bis zum Mittelalter, Augsburg 2006, S. 246; HilGers: (wie Anm. 46) S. 44, geht dage-

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gen von 15–20.000 gefallenen Römern aus, während MoosBAuer, G., WilBers-rost, S.: Kalkriese und die Varusschlacht. Multidisziplinäre Forschung zu einem militärischen Konflikt, in: Konflikt, S. 66, Anm. 31, die Zahl der toten Römer auf 10.000 beschränkt sehen wollen. Als Ausgräber von Kalkriese hätten sie auch wegen der dortigen Topographie Schwierigkeiten gehabt, von einer erheblich höheren Anzahl getöteter Römer auszugehen. leHMAnn, Boreas 13, S. 148; keHne, Arminius, S. 106. DeMAnDt, A.: Arminius und die frühgermanische Staatenbildung, in: WieGels, Woesler, Arminius, S. 191. leHMAnn, Boreas 13, S. 153. BrepoHl, Arminius, S. 92. v. GlAsenApp: (wie Anm. 10), S. 129; scHlette, Germanien, S. 32; Bose, K.: Stadt, Gesellschaft, Wirtschaft im deutschen Mittelalter, in: GeBHArDt, B. (Hg.): Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 7, München 1973, S. 27; Wolters, R.: Fremdbilder. Der germanische Krieger aus Sicht antiker Autoren, in: Konflikt, S. 85. Die Sippe als Geschlechtsgenossenschaft sollte ihre herausragende gesellschaftliche Bedeutung auch in späteren Jahrhunderten behalten. So gründet sich nach GriMM, J.: Deutsche Rechtsalterthümer, Bd. I, Leipzig 1899, 4. Auflage, S. 642ff., das alte deutsche Erbrecht ursprünglich nur auf die Sippe, die auch die Strafgewalt über ihre Glieder beanspruchte. Hoefer, P.: Die Varusschlacht, Leipzig 1888, neu hg. von foerster, H., kroos, G., otte, A., Münster 2009, S. 174. JoHn, Varus, Sp. 947. u.a. Goetz, WelWei (Hg.): (wie Anm. 5), S. 8; v. uslAr, R.: Die Germanen, Stuttgart 1980, S. 39f.; toDD, M.: Die Germanen, Darmstadt 2000, S. 33; Bose: (wie Anm. 52), S. 25 f.; cAstritius, H.: Stichwort: Kultverbände, in: RGA 2001, S. 460. kArsten, E.: Die Germanen. Eine Einführung in die Geschichte ihrer Sprache und Kultur, Wiesbaden 2004 (Nachdruck der Ausgabe Berlin und Leipzig 1928), S. 273ff. polenz, Römer, S. 67f.; HAcHMAnn: (wie Anm. 10), S. 111f. u. 115. Zum Entstehen der sogen. rhein-weser-germanischen Kultur siehe auch: Meyer, M.: Der deutschen Mittelgebirgsraum um die Zeitenwende, in: Mythos, S. 64f.; sicHerl, B.: Namenlose Stämme in Nordwestdeutschland am Vorabend der römischen Okkupation, in: Mythos, S. 57; BerenGer, D.: Zur Chronologie der vorrömischen Eisenzeit und römischen Kaiserzeit in Nordost-Westfalen, Mainz 2000, S. 215, kann archäologisch bestätigen, dass auch dieses Gebiet zum kulturellen Bereich der

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Rhein-Weser-Germanen und damit auch wohl zum Kultverband der Istvaeonen gehört. Zum Namen ,Germanen‘ siehe: flAcH, D.: Der taciteische Zugang zu der Welt der Germanen, in: WieGels, Woesler, Arminius, S. 147 u. 162f.; dazu auch kArsten: (wie Anm. 56), S. 172 f.; steinAcHer, R.: Gebrauchsweisen! Der römische Germanen- und Germanienbegriff, in: Konflikt, S. 78ff.; kossAck, G.: Die Germanen, in: GriMAl, P. (wie Anm. 47), S. 252ff, zu den Mannus-Stämmen siehe auch: HAcHMAnn: (wie Anm. 10) S. 98ff. GoltHer, Mythologie, S. 546; GrAppin, P.: Die Mythologie der Germanen, in: GriMAl, P. (Hg.): Mythen der Völker , Bd. III, Frankfurt 1967, S. 45; HAcHMAnn: (wie Anm. 10), S. 115. BeHn, F.: Römertum und Völkerwanderung, Stuttgart o.J., S. 48. GroenBecH, Religion, S. 259; GoltHer, Mythologie, S. 587; zu der gemeinschaftsstärkenden Kraft und der identitätserhaltenden Bedeutung von Opferritualen siehe: Giesen, B.: Codes kollektiver Identität, in: GepHArt, W., WAlDenfels, H. (Hg.): Religion und Identität, Frankfurt 1999, S. 36 f.; generell zu religiösen Ritualen auch: Geertz: (wie Anm. 17), S. 78ff.; luHMAnn, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft 1, Frankfurt 1998, S. 235ff., AssMAnn, J.: Das kulturelle Gedächtnis, München 1999, S. 57. Derolez, Götter, S. 227; GoltHer, Mythologie, S. 587; siMek: (wie Anm. 20), S. 82; MAier: (wie Anm. 20), S. 139; GriMM: (wie Anm. 52), S. 297; siehe auch HultGArD, A.: Stichwort: Religion, in: RGA, 2003, S. 439ff. (zu Uppsala) u. S. 444 f. (zu Leire). Zu der Zahl ,neun‘ als heilige Zahl siehe u.a.: uDolpH, J.: Stichwort: Kultische Namen, in: RGA, 2001, S. 421; eliADe, M.: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik, Frankfurt 1982, 3. Auflage, S. 263ff.; v. GlAsenApp: (wie Anm. 10), S. 123f. GoltHer, Mythologie, S. 587 u. 589. Mueller-Wille: (wie Anm. 20), S. 74; siMek: (wie Anm. 20), S. 80f. koeniG, M.: Am Anfang der Kultur, Frankfurt 1981, S. 264 u. 302; GiMButAs, M.: Die Sprache der Göttin, Frankfurt 1995, S. 285 u. 317; Nach GroenBecH, Religion, S. 247, kann der Einfluss des Mondes nicht auf die Angelegenheit des öffentlichen Lebens beschränkt gewesen sein, sondern er dürfte das gesamte Alltagsleben durchdrungen haben. eDDA. Die Lieder der sogenannten älteren Edda (übersetzt von GerinG, H.) Leipzig, o.J. 1. Buch, 8 Lied Nr. 25, S. 63. kAletscH, H.: Stichwort: Kalender, in: Lexikon der Alten Welt, Düsseldorf 2001, 2. Bd., Sp. 1465; BAcHofen, J.J.: Das Mutterrecht, Frankfurt

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1980, 3. Auflage, S. 135; Aristoteles: Der Staat der Athener (43, 2), Stuttgart 1975, S. 171. v. rAnke-GrAves, R., Griechische Mythologie, Bd. 1, S. 282. v. rAnke-GrAves: Griechische Mythologie, S. 280. eliADe, Religiöse Ideen, S. 246; v. rAnke-GrAves: Griechische Mythologie, S. 76. Duerr, H.P.: Sedna oder die Liebe zum Leben, Frankfurt 1985, S. 159; siehe auch: eliADe, Religiöse Ideen, S. 140 f., der bei der Darstellung der Religion der Hethiter darauf hinweist, dass die Aufeinanderfolge mythischer Ereignisse im ,Neun-Jahresrhythmus‘ erfolgte. GoltHer, Mythologie, S. 580; GrAicHen, G.: Das Kultplatzbuch, München 1991, S. 113. Derolez, Götter, S. 241; Maier: (wie Anm. 20), S. 83; Goetz, WelWei: (wie Anm. 5), Bd. 1, S. 136, Fußn. 9, vermuten hinter der Erwähnung von ,Neumond‘ und ,Vollmond‘ bei Tacitus einen von den Germanen bewusst gemachten Unterschied zwischen „gebotenem“ und „ungebotenem“ Ding (Thing). Dazu auch: GriMM, J.: Deutsche Mythologie, Bd. 2 (Nachdruck der 4. Auflage, Berlin 1875), Wiesbaden, o.J. S. 594 f.; nach MAuersBerGer: (wie Anm. 17), S. 111, tritt das ungebotene Thing mindestens einmal im Jahr zusammen, das gebotene Thing dagegen nur bei besonderen Anlässen. Caesar (De bello Gallico, 1, 50,4) berichtet, dass Ariovist eine Schlacht gegen ihn nicht begonnen habe, denn: „Das Schicksal habe nicht bestimmt, dass die Germanen siegen, wenn sie sich vor dem Neumond auf eine Schlacht einließen.“ Die Olympischen Spiele der Antike wurden immer so gelegt, dass der Haupttag der Spiele, an dem hundert Ochsen für Zeus geopfert wurden, auf den zweiten oder dritten Vollmond nach der Sommersonnenwende fiel, so: sWADDlinG, J.: Die Olympischen Spiele der Antike, Stuttgart 2004, S. 16 u. 84. Derolez, Götter, S. 245; GriMM: (wie Anm. 72), S. 56 u. 58;GoltHer, Mythologie, S. 592; zu Kultplätzen siehe auch: HultGArD: (wie Anm. 62), S. 442f., HAsenfrAtz, Religion, S. 117. Herz, P.: Untersuchungen zum Festkalender der römischen Kaiserzeit nach datierten Weih- und Ehreninschriften, Mainz 1975, S. 6 ff.; AlfoelDi, A.: Römische Kaiserzeit, in: vAlJAvec, F. (Hg.): Römisches Weltreich und Christentum, Bd. 4, Bern 1956, S. 205; zum Kult des Augustus siehe auch: GriMAl: (wie Anm. 47), S. 249f. leHMAnn, Boreas 13, S. 157; aus dem Bericht des Cassius Dio (56, 19,5) lässt sich ablesen, dass Varus sich nur auf ,Nebenstrecken‘ in schwer passierbarer Waldgegend befand. Die von den Römern benutzten Haupt-

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strecken, zu denen auch die Lippe-Weser-Route gehörte, waren dagegen gut passierbar. Derolez, Götter, S. 241. So die Berechnung von Herrn Dr. Peterseim, dem langjährigen Leiter des Planetariums im LWL-Museum für Naturkunde in Münster auf der Grundlage von zeMAnek, H.: Kalender und Chronologie, München 1987: Astronomisches Computerprogramm Voyager II, c Carina Software San Leandro California 1992. leHMAnn, Boreas 13, S. 150, Anm. 22; ebenso: JoHn, Varus, Sp. 956; sAlAc, V. v. cArnAp-BornHeiM, C.: Ritual, Politik, Kommunikation. Oder … was geschah mit dem Kopf des Publius Quinctilius Varus? in: Mythos, S. 132, Anm. 35, gehen ebenfalls vom September als Zeitpunkt der Varusschlacht aus. So auch MoMMsen: (wie Anm. 19), S. 52, Fußn. 20. leHMAnn, Boreas 13, S. 150; Wann die römischen Truppen jeweils nach Abschluss ihrer Sommerkampagnen in die Winterquartiere zurückkehrten, ist nicht eindeutig zu klären. Vieles spricht für die Zeit um die Tagund Nachtgleiche, also um den 23.9., der gleichzeitig als Geburtstag von Augustus einer der höchsten Feiertage des römischen Militärs war. So kehrten auch Tiberius und Germanicus 11 n. Chr. Wie o.g. erst nach dem Geburtstag des Augustus mit ihren Truppen in die Winterlager zurück. Auch für das Jahr 15 n. Chr. berichtet Tacitus (Ann. I, 70,2), dass zwei Legionen des Germanicus auf dem Rückmarsch in die Winterquartiere zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche an der friesischen Nordseeküste von einer Springflut überrascht wurden. Auch im Jahr 16 n. Chr. scheint Germanicus um diese Zeit auf der Rückfahrt zum Rhein mit seiner Flotte in einen fürchterlichen Herbststurm geraten zu sein. Siehe Hinweis auf einen möglichen Wachtposten in augusteischer Zeit auf der Sparrenberger Egge in Bielefeld: BerenGer: (wie Anm. 44). AsskAMp, Römische Militärlager, S. 176f.; AsskAMp: (wie Anm. 9), S. 34ff. kueHlBorn, J.S.: Zur archäologisch-historischen Einordnung der Marschlager von Holsterhausen, in: LWL-Archäologie für Westfalen (Hg.): Augusteische Marschlager und Siedlungen des 1. und 9. Jahrhunderts in Dorsten-Holsterhausen, Mainz 2009, S. 152f.; AsskAMp, Römische Militärlager, S. 178. Zur Pünktlichkeit der Germanen siehe: Tacitus (Germania 11,1). GoltHer, Mythologie, S. 607; GroenBecH, Religion, S. 105 und 160, beschreibt, dass ein ,Neiding‘ sein Menschentum verloren hat und daher außerhalb der menschlichen Gesellschaft steht. Die Tat und der Zustand des ,Neidings‘ ist mit Unheil identisch; HAsenfrAtz, Religion, S. 54;

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HAsenfrAtz, H.P.: Feind und Freund. Zur Kulturgeschichte der Aggression bei den Germanen, in: Konflikt, S. 188; zur Verpflichtung den heiligen Kultfrieden zu wahren, siehe: Derolez, Götter, S. 255; cAstritius, H.: Stichwort: Kultfrieden, in: RAG 2001, S. 414. HAsenfrAtz, Religion, S. 54; GroenBecH, Religion, S. 324; DelBrueck, Germanen, S. 83, weist auf die gefährliche Problematik der römischen Anwesenheit bei großen germanischen Versammlungen an geheiligten Stätten hin. HeroDot: Historien, Stuttgart 1963, S. 755, Anm. 25. Der mit den Befunden des Kalkrieser Schlachtfeldes vertraute Archäologe A. Rost thematisiert die Frage , ob dort nach der Schlacht von den siegreichen Germanen ein geheiligter Platz geschaffen worden sei, obwohl es bisher für solch späteren sakrosankten Bereiche auf Schlachtfeldern keine archäologischen Nachweise gebe. Das von Tacitus beschriebene Schlachtfeld könne für religiös motivierte Rituale durch die Germanen sprechen. Doch anschließend stellt Rost jedoch fest, „dass sich kultische Handlungen im Gegensatz zu Plünderungsprozessen auf dem Schlachtfeld von Kalkriese archäologisch bisher nicht nachweisen lassen.“ rost, A.: Das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine archäologische Quelle für Konfliktforschung, in: Konflikt, S. 73ff. Derolez, Götter, S. 249; oxenstiernA, E.: Die Nordgermanen, Stuttgart o.J., S. 100. GoltHer, Mythologie, S. 607; Derolez, Götter, S. 228; Giesen: (wie Anm. 61), S. 37. Hierzu allgemein: GiAni, L.M.: Die Welt des Heiligen, München 1997, S. 107ff.; leHMAnn, G.A.: Die Varuskatastrophe aus der Sicht des Historikers, in: trier: (wie Anm. 12), S. 93; Derolez, Götter, S. 229; HAsenfrAtz, Religion, S. 288f., sieht in den an die Bäume genagelten Schädeln die von getöteten Römern. Zu antiken Parallelen bezüglich von Opferriten und Umgang mit den Opferresten siehe: kuckenBurG: (wie Anm. 20), S. 50f. Eine vorrömische eisenzeitliche Opferstätte mit einer Opfergrube dürfte im Bereich einer größeren eisenzeitlichen Siedlung (ca. 500–250 v. Chr.) in Ahlen-Dolberg, Kreis Warendorf, gefunden sein. Siehe hierzu: Brieske, v.; Berke, H.: Opfer für die Götter? Eisenzeitliche Kulturriten in Ahlen-Dolberg, in: Horn, H.G., HellenkeMper, H.,isenBerG, G., kunoW, J. (Hg.): Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen, Mainz 2005, S. 354. Die wissenschaftliche Erforschung von Opferriten lässt den Schluss zu, dass zu den Altären an germanischen Kultstätten auch Opfergruben für die geweihte Entsorgung der Opferreste gehörten. Opfergruben sind z.B.

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für die ,Nemata‘, die keltischen Kultplätze, archäologisch nachgewiesen. In den spätkeltischen ,Nemeta‘ wurden demnach zur Deponierung der Rückstände von Brandopfern über einen längeren Zeitraum hinweg offenbar tiefe Schächte (Bothroi) genutzt; so: Mueller-kArpe, H.: Grundzüge der frühen Menschheitsgeschichte vom 4. Jahrhundert bis zum 2. Jahrhundert v. Chr., Darmstadt 1998, S. 280; so konnten sich bereits für die Spätbronzezeit bei Frankfurt/Oder zahlreiche bis 7,50 m tiefe Schächte archäologisch nachweisen lassen, deren Füllung aus Tierknochen und zerschlagenen Knochen von Menschen bestand. Diese Opferschächte mit Menschenopfern in Zusammenhang zu bringen, dürfte nahe liegen, siehe: HAcHMAnn: (wie Anm. 10), S. 144. leHMAnn, Boreas 13, S. 160; Mit „Halsblöcken“ übersetzen Goetz, WelWei: (wie Anm. 5), Bd. 2, S. 87, den lateinischen Begriff ,patibula‘. Interessant scheint es in diesem Zusammenhang zu sein, dass nach GoltHer, Mythologie, S. 350, die Germanen das zum Opferkult benutzte sogen. Kreuz als „Galgen“ bezeichnen, siehe auch: eliADe: (wie Anm. 62), S. 362f. Derolez, Götter, S. 103f. u. 227; eliADe, Religiöse Ideen, S. 142; eDDA: (wie Anm. 65), 1. Buch, 11. S. 105. GoltHer, Mythologie, S. 296; eliADe, Religiöse Ideen, S. 144. Ebenfalls hängten die Kimbern nach dem Sieg über die Römer bei Arausio (105 v. Chr.) u.a. ihrem Gott als Opfergabe römische Gefangene lebend an bestimmte Bäume in der Nähe des Schlachtfeldes, da sie ihre alten traditionellen Kultplätze in der Heimat zurücklassen mussten: GoltHer, Mythologie, S. 553. Tacitus (Ann. IV, 72,3) berichtet, dass während des Friesenaufstandes (28 n. Chr.) ebenfalls römische Soldaten an ,patibula‘ aufgehängt wurden. GoltHer, Mythologie, S. 554; Derolez, Götter, S. 98; HAsenfrAtz, Religion, S. 96, zählt zu den Begleittieren des Odin neben Wölfen und Raben auch Adler als Tiere der Walstatt. Goetz, WelWei: (wie Anm. 5), S. 85, Fußn. 18. v. petrokovits, H.: Arminius, in: Bonner Jahrbücher 166, 1966, S. 178, nennt (belustigt) die Zahl von über 700 benannten Schlachtorten der Varusschlacht. neuMAnn, G.: Stichwort: Burg, in: RAG 1981, S. 118. pfeifer, W.: Ethymologisches Wörterbuch des Deutschen, München 1999, 4. Auflage, S. 129. so: kluGe, F.: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 1960, 18. Auflage, S. 129. kluGe: (wie Anm. 100), 23. Auflage, 1999, S. 145.

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scHlueter, W.: Die archäologischen Untersuchungen in der KalkrieserNiewedder Senke, in: (wie Anm. 2), S. 14; Hoefer: (wie Anm. 53), S. 37; kittel, E.: Stichwort: Grotenburg, in: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1970, 2. Auflage, S. 271, weist darauf hin, dass als erster Philipp Melanchton im Jahre 1559 in einem Schreiben an die Grafen zur Lippe unter Hinweis auf die Tacitus-Stelle (Ann. I, 60) den dort genannten ,Teutoburgiensis saltus‘ mit dem hiesigen Osning gleichsetzte. Die heutige Bezeichnung ,Teutoburger Wald‘ setzte sich schnell durch, vor allem auf Grund der Landkarten in den Monumenta Paderbornensia (1669) des Fürstbischofs von Fürstenberg. Mit dem alten Namen Osning wird eine schmale Sandsteinrippe innerhalb des heutigen Teutoburger Waldes (Lipper- und Bielefelder Osning) bezeichnet, die dem Typ des Eggegebirges entspricht, so: HoffMAnn, M.: Naturräume und naturräumliche Grenzen im südöstlichen Westfalen, in: MAyr, A., teMlitz, K. (Hg.): Südost-Westfalen, Spieker Bd 35, Geographische Kommission für Westfalen, Münster 1991, S. 18. In der Bezeichnung ,Osning‘ steckt nach GriMM: (wie Anm. 72), S. 97, die sächsische Form von ,os‘ für ,ans‘, das einen Gott aber auch Berg bedeutet, hochdeutsch wäre es ,Ansing, Ensninc‘. Bereits Einhart, der Vertraute und Berater Karls des Großen, schreibt in seinem Werk: einHArt: Leben und Taten Karls des Großen, München 1965, S. 15, dass Karl im Jahre 783 n. Chr. „an dem Berge Osnengi bei dem Ort, der Theotmelli (das heutige Detmold) heißt“ eine ordentliche Schlacht gegen die Sachsen geführt habe. neuBourG, H.: Die Örtlichkeit der Varusschlacht, Detmold 1887, S. 14, zitiert für seine Deutung von „haud procul“ folgende Tacitus Textstellen: Annalen I, 60,3; III, 20; III, 64; IV, 47; IV, 71; XII, 56; XIV, 24; XIV, 5 und Historien II, 23; IV, 22; IV, 36. zum Totenkult und zu den Totengeistern: eliADe, Religiöse Ideen, Bd. 2, S. 107 f.; ter vruGt, J.: Stichwort: Manes, in: Lexikon der Alten Welt, Düsseldorf 2001, Bd. 2, Sp. 1839; Horn, H.G.: Das Leben im Rheinland, in: Horn (wie Anm. 19), S. 306. tiMpe: (wie Anm. 34), S. 16f.; Wolters: (wie Anm. 33), S. 38; scHAefer: (wie Anm. 31), S. 206; ausführlich auch: kleineBerG, A., MArx, ch., knoBlocH, e., lelGeMAnn, D.: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios’ ,Atlas der Oikumene‘, Darmstadt 2010, S. 7 u. 33. krueGer, B. (Hg.): Die Germanen, Bd. 1, Berlin 1988, 5. Auflage, S. 352; DelBrueck, Germanen, S. 36; BAcHrAcH, B., BoWlus, Ch.: Stich-

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wort: Heerwesen, in: RGA 1999, S. 127, schätzen die gesamte Streitmacht des Arminius auf 25.000 –30.000 Krieger. Auch nach MoMMsen: (wie Anm. 19), S. 50 müssen die germanischen Angreifer den Römern an Zahl weit überlegen gewesen sein. norkus, Feldzüge, S. 23. norkus, Feldzüge, S. 41; allgemein zur Organisation, Taktik und Strategie des römischen Heeres: le BoHec, Y.: Die römische Armee. Ihre Organisation von augusteischer Zeit bis zur Regierung Diocletians, in: Konflikt, S. 234ff.; Gilliver, Römische Armee, S. 15–151. Derks: (wie Anm. 16), S. 48. norkus, Feldzüge, S. 43; Gilliver, Römische Armee, S. 56f., rekonstruiert die Marschordnung von Arrian (etwa 132 n. Chr.) und kommt ohne Haupttross bei einer Infanterie, die in vier Reihen nebeneinander marschiert und einen Abstand von 0,75 m zum Vordermann hat, bei rund 12700 Soldaten auf eine Marschlänge von ca. 4,8 km. MenGHin, W.: Kelten, Römer und Germanen, München 1980, S. 170f.; siehe auch Tacitus (Germania, 6,1); Hachmann: (wie Anm. 10), S. 87; toDD: (wie Anm. 55), S. 39ff.; Wolters: (wie Anm. 52), S. 84ff. zur damaligen Bevölkerungsdichte und zum Nahrungsangebot siehe: scHlette, Germanen, S. 48, 53 u. 146; toDD: (wie Anm. 55), S. 52; eBel-zepezAuer: (wie Anm. 33), S. 77ff. v. scHnurBein, S.: Die Römer in Haltern, Münster 1979, S. 7; Gilliver, Römische Armee, S. 60; generell gibt es nach HerziG, H.E.: Alle Wege führen nach Rom – erste Ergebnisse der Römerstraßenforschung in der Schweiz, in: pinGel, V. (Hg.): Wege als Ziel, Münster 2002, S. 59, drei Bautypen römischer Straßen: neben der ,via lapide‘, der bekannten Pflasterstraße, die ,via terrena‘ mit einer Oberfläche aus gestampfter Erde und die ,via glarea strata‘, eine Art Schotterstraße. Allgemein zur Straßenbautechnik der Römer, siehe: neuBurGer, A.: Die Technik des Altertums (Nachdruck der 4. Auflage, Leipzig 1919), Leipzig 1981, S. 459ff. tiMpe: (wie Anm. 34), S. 16ff.; siehe auch generell: (Anm. 105). leHMAnn, Boreas 13, S. 155. leHMAnn, Boreas 13, S. 152. vgl. BurricHter, e., pott, r., furcH, H.: Potentielle natürliche Vegetation, in: Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen: (wie Anm. 37), Münster 1988/89; Begleittext, S. 9 u. 20; pott, R.: Vegetations- und Landschaftsentwicklung im unteren Weserbergland, in: Spieker 37: (wie Anm. 102), Münster 1995, S. 16.

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Auffallend ist es, dass in der Literatur wohl bislang nicht das Schicksal des zivilen Trosses, der sogen. Nichtkombattanten, untersucht bzw. ernsthaft hinterfragt worden ist. so: sAlAc, n., cArnAp-BornHeiM: (wie Anm. 78), S. 124; Wenskus, R.: Stichwort: Beute, in: RGA, 1976, S. 323–330. leHMAnn, Boreas 13, S. 155. GecHter, Römisches Heer, S. 119; zu Mänteln und Stiefeln siehe auch: JunkelMAnn, M.: Die Legionen des Augustus, Mainz 2003, 9. Auflage, S. 157f. über das Bemühen der Entdeckung der Varusschlacht vgl.: JoHn, Varus, Sp. 922f. leHMAnn, Boreas 13, S. 157. leHMAnn, Boreas 13, S. 158. siehe Anm. 2. Wolters, R.: Anmerkungen zur Münzdatierung spätaugusteischer Fundplätze, in: Wiegels, R. (Hg.): Die Fundmünzen von Kalkriese und die frühkaiserzeitliche Münzprägung, Möhnesee 2000, S. 103ff.; keHne, P.: Zur Datierung von Fundmünzen aus Kalkriese und zur Verlegung des Enddatums des Haltener Hauptlagers in die Zeit der Germanenkriege unter Tiberius und Germanicus (10–16 n. Chr.), in: WieGels, R. (Hg.): ebd. S. 70ff., polenz, H.: Römer und Germanen im Raum zwischen Rhein und Weser in den ersten vier nachchristlichen Jahrhunderten, in: Horn, u.a. (Hg.): Millionen Jahre Geschichte, Fundort Nordrhein-Westfalen, Mainz 2000, S. 132; Wolters, R.: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008, S. 161ff.; keHne, Arminius, S. 108f.; Wolters, R.: Die Okkupation Germaniens im Licht der numismatischen Quellen, in: AßkAMp, r., escH, T. (Hg.): Imperium – Varus und seine Zeit, Münster 2010, S. 106ff., kommt auf Grund der ersten Auswertungen des Forschungsprojekts „Überprüfung der numismatischen Datierung okkupationszeitlicher Militärkomplexe“ zum vorsichtig formulierten Ergebnis, Haltern und Kalkriese mit der Germanicuszeit in Verbindung zu bringen. Horn, H.G.: Was ist wahr an Varus? Eine Frage ohne klare Antworten, in: Horn, u.a.: (wie Anm. 90), S. 112ff. AßkAMp, Römische Militärlager, S. 177. Horn: (wie Anm. 127), S. 112. keHne, Arminius, S. 109. kueHlBorn: (wie Anm. 82), S.156f.; Wolters, R.: Kalkriese und die Datierung okkupationszeitlicher Militäranlagen, in: leHMAnn, WieGels: (wie Anm. 33), S. 14f.; Wolters: (wie Anm. 126), S. 106.

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BerenGer, D.: Die römische Kaiserzeit, in: koHl, W. (Hg.): Westfälische Geschichte, Bd. 1, Düsseldorf 1983, S. 178f.; scHlette, Germanen, S. 61. Siehe hierzu die experimentellen Eisenverhüttungen von Holsten, H., nikulkA, f. u. GArBers, H.: Experimentelle Archäologie in Deutschland, in: Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 4, Oldenburg 1990, S. 377–404; zur Entstehung und Verarbeitung von Raseneisenerz siehe: WillrotH, K. H.: Ein neuer Werkstoff – eine neue Zeit? in: v. freeDen, U., v. scHnurBein, S. (Hg.): Germanica, Augsburg 2009, S. 197f. scHlette, Germanen, S. 62. Nach HilGers: (wie Anm. 46), S. 16, erreichten die Rennfeueröfen bei der Verhüttung mit Holzkohle Temperaturen von bis zu 1400 Grad. WAHle, E.: Ur- und Frühgeschichte im mitteleuropäischen Raum, in: GeBHArDt, B. (Hg.): Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 1, München 1973, 9. Auflage, S. 132, Fußn. 4. reicHMAnn, CH.: Römisch-Germanische Schlachtfelder bei Krefeld, in: Archäologie in Deutschland, Heft 4, 1994, S. 6ff. MoosBAuer, WilBers-rost: (wie Anm. 47), S. 66 f.; rost: (wie Anm. 87), S. 68ff. GescHWinDe, M., HAssMAnn, H., loenne, p., Meyer, M., MoosBAuer, G.: Roms vergessener Feldzug. Das neuentdeckte Schlachtfeld am Harzhorn in Niedersachsen, in: Konflikt, S. 228ff. leHMAnn, G. A.: Die Varuskatastrophe aus der Sicht des Historikers, in: trier: (wie Anm. 12), S. 93. Darauf wies freundschaftlicherweise Herr K. Kösters vom Westf. Museumsamt hin.

Verwandtschaftsbeziehungen des Arminius Flavus

Inguiomerus Segestes Segimer Segimund Sesithacus Sigimer Thumelicus Thusnelda

jüngerer Bruder des Arminius, der im römischen Heer wohl im Rang eines Centurio als Kundschafter eingesetzt war und mehrfach ausgezeichnet wurde. Onkel des Arminius, väterlicherseits Schwiegervater des Arminius, Vater der Thusnelda Bruder des Segestes Sohn des Segestes, Bruder der Thusnelda Sohn des Segimer Vater des Arminius und des Flavus Sohn der Thusnelda und des Arminius Frau des Arminius, Tochter des Segestes

Zeittafel und wichtige Personen A. Römer CAESAR, GAJUS Julius geb. 100 v. Chr., gest. 44 v. Chr. 58 – 51 v. Chr. 55 u. 53 v. Chr. 46 v. Chr. 15.3.44 v. Chr.

Eroberung Galliens, Errichtung der Provinz „Gallia transalpina“ Brückenschlag über den Rhein als Machtdemonstration gegenüber den Germanen Ernennung zum Diktator auf 10 Jahre Ermordung Caesars

AUGUSTUS, GAJUS Oktavius geb. 23.09.63 v. Chr., gest. 19.08.14 n. Chr. 44 v. Chr. 31 v. Chr. – 14 n. Chr. 27 v. Chr.

16 v. Chr.

16 – 13 v. Chr.

testamentarisch von Caesar adoptiert Herrscher des römischen Reiches mit dem Titel „princeps“ alleiniger Oberbefehlshaber über das Heer Verleihung des Ehrennamen „Augustus“ (der Erhabene) durch den Senat Durch Hochzeit mit Livia werden deren Söhne Tiberius und Drusus seine Stiefsöhne Sugambrer und Tencterer überschreiten den Rhein und bereiten dem römischen Statthalter M. Lollius eine Niederlage. Dieses ist für Augustus der Anlass, endgültig die Germanenfrage durch Eroberung der „Germania libera“ zu lösen. Zur Vorbereitung dieses Ziels lange Aufenthalte in Gallien und am Rhein. Verlegung römischer Legionen an den Rhein. Als Ausgangslager für die Germanenfeldzüge Errichtung der Lager castra Vetera (Xanten) und Moguntiacum (Mainz) gegenüber den Mündungen von Lippe und Main

147

Zeittafel und wichtige Personen

DRUSUS, (maior) Nero Claudius geb. 38 v.Chr., gest. 9 v. Chr 13 v. Chr.

12 v. Chr. 11 v. Chr. 10 v. Chr. 9 v. Chr.

Statthalter von Gallien und Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“, Aufbau einer Flotte, Bau des sog. Drususkanals/Verbindung des Rheins über den Lacus Flevo (Zuidersee) mit der Nordsee Vorstoß mit der Flotte wahrscheinlich zur Weser Vorstoß entlang der Lippe zur Weser, Errichtung des Lagers Oberaden Kämpfe mit Chatten und Sugambrern Vorstoß zur Elbe, auf dem Rückzug stirbt Drusus an den Folgen eines Sturzes mit dem Pferd Der Senat verleiht ihm posthum den auf Söhne vererbbaren Siegerbeinamen „Germanicus“

TIBERIUS, Nero Claudius 8 – 7 v. Chr.

4 n. Chr.

5 n. Chr.

geb. 42 v. Chr., gest. 37 n. Chr. Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“ Umsiedlung von ca. 40 000 Sugambrern auf die linke Rheinseite, Beruhigung der militärischen Lage Übernahme des 2. Konsulates in Rom [Zwischen 1 v. Chr. – 1 n. Chr. war Domitius L. Ahenorbarbus Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“. Erbauer der „pontes longi“ (Bohlenwege durch Sumpfgebiet). Ihm folgte als Oberbefehlshaber 1–3 n. Chr. M. Vinicius, der nach dem Zeitgenossen Velleius Paterculus schwere Kämpfe im rechtsrheinischen Germanien zu bestehen hatte.] Adoption durch Augustus als Tiberius, Julius Caesar Augustus mit der Auflage, seinerseits den Sohn Germanicus seines verstrobenen Bruders Drusus zu adoptieren. Erneut Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“, Vorstoß an die Weser, Winterlager an der oberen Lippe Verträge mit den Cheruskern Kombinierter Heeres- und Flottenvorstoß zur Elbe, Germanien gilt als befriedet

Zeittafel und wichtige Personen 6 n. Chr.

6 – 9 n. Chr.

14 – 37 n. Chr.

148

Beginn der römischen Großoffensive gegen die unter ihrem Führer Marbod als Bedrohung angesehenen Markomannen im heutigen Böhmen Abbruch des Feldzuges, da Aufstand in Pannonien (Teile des heutigen Ungarns und Kroatiens) alle römischen Kräfte bindet. Arminius soll sich dort als Führer germ. Hilfstruppen ausgezeichnet haben. Nach dem Tod des Augustus dessen Nachfolger im Prinzipat

VARUS, Publius Quinctilius geb. 46 v. Chr., gest. 9 n. Chr. 15 v. Chr. 13 v. Chr.

6 – 3 v. Chr. 7 – 9 n. Chr.

9 n. Chr.

Befehlshaber der 19. Legion während des Alpenfeldzuges Konsul, gemeinsam mit Tiberius Verheiratet mit der Großnichte Claudia Pulchra des Augustus Statthalter in Syrien, als Oberbefehlshaber Niederschlagung jüdischer Aufstände Übernahme des Oberkommandos am Rhein als „Statthalter für Gallien“ und Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“ mit dem Auftrag, die Provinzwerdung Germaniens einzuleiten Sommerlager an der Weser (mutmaßlich im Raum Hameln) Kämpfe mit Germanen unter Arminius („Clades Variana“), Niederlage in der sog. Schlacht am Teutoburger Wald. Er nimmt sich auf dem Schlachtfeld das Leben.

149

Zeittafel und wichtige Personen

GERMANICUS, Julius Caesar Tiberius geb. 15 v. Chr., gest. 19 n. Chr. in Antiocheia Sohn des Drusus maior, seit 4 n. Chr. Adoptivsohn des Tiberius 13 – 16 n. Chr. 14 – 16 n. Chr. 14 n. Chr. 15 n. Chr.

16 n. Chr.

17 n. Chr.

Statthalter in Gallien und Oberbefehlshaber der „Rheinarmee“ Die Germanenfeldzüge des Germanicus: Feldzug gegen die Marser, Zerstörung des TanfanaHeiligtums Feldzug gegen die Chatten, Befreiung des Cheruskeradligen Segestes. Gefangennahme von Thusnelda, Arminius schwangerer Frau Bestattung der römischen Toten auf dem Varusschlachtfeld Unentschiedene Schlacht gegen Arminius Auf dem Rückmarsch entlang der friesischen Nordseeküste geraten zwei Legionen in eine Springflut und erleiden erhebliche Verluste. A. Caecina, Feldherr des Germanicus, gerät mit vier Legionen in einen Hinterhalt von Arminius im Bereich der „pontes longi“ (Kalkriese) und erreicht nur unter starken Verlusten den Rhein. Schlacht bei Idistaviso, danach Schlacht am sog. Angrivarierwall gegen Arminius im Großraum Minden an der Weser. Römer erklären sich zum Sieger Auf der Rückfahrt von der Weser erleidet die Flotte wiederum in schweren Herbststürmen große Verluste. Als Princeps ruft Tiberius daraufhin Germanicus nach Rom zurück. Befehl zur Einstellung der verlustreichen Offensiven gegen das rechtsrheinische Germanien. Germanicus erhält zu Ehren seiner Siege über die Germanen einen Triumphzug zugesprochen. An dem muss Thusnelda mit ihrem in der Gefangenschaft geborenen Sohn Thumelicus als Gefangene teilnehmen.

Zeittafel und wichtige Personen

150

B. Arminius (germanischer Gegenspieler der Römer) ARMINIUS (lat. Name) (eingedeutscht als „Hermann der Cherusker“) geb. 18. oder 16 v. Chr., gest. 19 oder 21 n. Chr.

9 n. Chr.

vor 15 n. Chr. 15 – 16 n. Chr. 17 n. Chr. 21 n. Chr.

stammt aus einem vornehmen Adelsgeschlecht der Cherusker Der Vater Sigimer ist vor 9 n. Chr. gestorben. Flavus, ein Bruder des Arminius, stand zeitlebens im römischen Militärdienst. Es ist nur sein Militärname „der Blonde“ bekannt. Im Besitz des römischen Bürgerrechtes wird Arminius von Augustus in den römischen Ritterstand erhoben. Als ritterlicher Praefekt germanischer Auxiliareinheiten erfolgreiche Teilnahme am pannonischen Aufstand. Nach Tod seines Vaters Rückkehr in die Heimat, wohl Übernahme der Rechte und Pflichten seines Vaters Vorbereitung, Koordinierung und Durchführung der siegreichen germanischen Kämpfe gegen das römische Heer des Varus Heirat mit Thusnelda gegen den Willen ihres Vaters Segestes Befehlshaber und Koordinator der germ. Kämpfe gegen Germanicus Kampf mit Marbod geht zugunsten des Arminius aus Arminius wird von eigenen Verwandten umgebracht, weil er – so Tacitus – nach dem Abzug der Römer und der Vertreibung Marbods nach der Königsherrschaft trachtet.

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Entdeckung eines weiteren Römerlagers in Olfen an der Lippe Am 25.10.2011 gaben die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe auf einer Pressekonferenz die Entdeckung eines weiteren Römerlagers in Olfen bekannt. Dieses Römerlager befand sich an einer Lippe-Furt im heutigen Olfen-Sülsen, ungefähr je 18 km vom Römerlager Haltem und dem logistisch zum Römerlager Bergkamen-Oberaden gehörenden Versorgungslager Lünen-Beckinghausen entfernt.Der Tagesmarsch der römischen Legionäre betrug damals rund 18 km. Zum bisherigen wissenschaftlichen Forschungsstand teilte der Landschaftsverband folgende Fakten mit: Das bei Olfen entdeckte Versorgungslager umfasst ein Areal von fünf Hektar und war für die Legionäre während der Drusus-Feldzüge in Germanien strategisch von Bedeutung. Von dort aus kontrollierten sie in der Zeit von 11 bis 7 v.Chr. den Fluss-Übergang über die Lippe. Die LWL Archäologen wiesen bislang einen Spitzgraben (2,30 Meter tief, oben 4,80 Meter breit) nach, der die Anlage umgab, und die Fundamentspuren einer Holz-Erde-Mauer, die maximal zwei Kohorten, also rund 1000 Legionäre, auf eine Fläche von sieben Fußballfeldern vor Angriffen schützen konnte .Das Militärlager hatte eine Ausdehnung von zirka 230 mal 250 Metern. Es ist damit im Vergleich zu anderen römischen Lippe-Lagern eine kleinere Anlage. Bislang wurden Einzelfunde römischer Keramik, über hundert Münzen und Gewandspangen entdeckt sowie die Bronzeverzierung eines Helms aus dem1.Jh. n. Chr., die die Wissenschaftler neben Knochen in einer Abfallgrube des Römerlagers fanden.

Ob dieses Römerlager in Olfen auch noch zu Zeiten des Stadthalters Varus benutzt wurde, werden erst weitere archäologische Untersuchungen ergeben.

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