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German Pages 474 Year 2001
REINER TIMMERMANN (Hrsg.)
Nationalismus in Europanach 1945
Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen Herausgegeben von Heiner Timmermann
Band 96
Nationalismus in Buropa nach 1945 Herausgegeben von
Reiner Timmermann
Duncker & Humblot · Berlin
Dieses Projekt wurde mit Hilfe der Union-Stiftung, Saarbrücken, und der ASKO-Europa-Stiftung, Saarbrücken, unterstützt.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Nationalismus in Europa nach 1945 I Hrsg.: Heiner Timmerrnann. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Dokumente und Schriften der Europa'ischen Akademie Otzenhausen e.V.; Bd. 96) ISBN 3-428-10419-6
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gerrnany ISSN 0944-7431 ISBN 3-428-10419-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Inhaltsverzeichnis
Reiner Timmermann Nationalbewegung und Nationalismus in Europa seit 1750 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
I. Kommunismus und Nation Erkki Kauri
Jahre der Gefahr. Finnland und der Kommunismus 1944- 1948 . ... . .. . . . . . . .. . . 17
Wolfgang Berg
Internationalismus. Ein Ziel sozialistischer Erziehung in der DDR ....... . .. . . . . .. 25
Michael Lemke
Nationalismus im Deutschlandkonzept der SED 1949- 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 41
Walter Schmidt Nationsdiskussionen in der DDR in den siebzigerund achtziger Jahren. Das ZweiNationen-Konzept und sein Scheitern ... . ...... . .. . . . . . .. ... . .. .. . . ... . . 59
Dan Berindei
Kommunismus und Nation in Rumänien 1944- 1989 ....... .. ...... . . . . . . . . . 81
Miroslav Hroch Der Aufbruch der Nationalismen im postkommunistischen Europa .. . . . . . . . . . . . . . . 93
II. Nationalismus in Europa Kazimierz Slicz.ka
Rationalität und Irrationalität des Nationalismus. Neonationalismus und Europäische Integration
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Milan Krajrovit
Die ungelöste slowakische Frage 1918 und 1945 und der Nationalismus in Südosteuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Lortint Tilkovszky
Ungarische Nationalitätenpolitik in den Koalitionsjahren 1945- 1949 . . . . . . . . . .. . . 135
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Inhaltsverzeichnis
Detlef Jena
Vom Sowjetimperium zum neuen Staatensystem. Nationen und Nationalstaaten im akruellen Transformationsprozeß in Minelost-, Südost- und Osteuropa ........ .. . . 143
Fran~oise
Sirjacques-Manfrass
Die ,Grande Nation' -Wandel nach dem Zweiten Weltkriege? . ..... . ...... .. . . 161
Xose M. Nuiiez
Nationalismen und Regionalismen in Spanien. Von der Diktatur zur Demokratie (1970- 1995). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Ludger Mees
Zwischen Mobilisierung und Institutionalisierung. Der baskische Nationalismus 1953 - 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . ... ......... . . .. . .. . ......... .. . . . 221
Barbara Rowe
Nation und Integration - Rechtsradikalismus in Großbritannien
263
Bernd Rill
Die Österreichische Neutralität als Kristallisationspunkt eines eigenwüchsigen Nationalbewußtseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Aleksandar Jakir
Gab es in Jugoslawien Jugoslawen? Das Scheitern der jugoslawischen Nationsbildung im 20. Jahrhunden . . ...... ... ..... . . . ...... . ......... .. ... . 305
Detlef Rogosch
Nation und Europa in den Vorstellungen der SPD 1945 bis 1957
323
111. Die neue Rolle von Nationalstaaten in Europa
Heiner Timmermann
Nation, Nationalstaat und Integration ... .... . . . ....... . .. . . ...... . . . ... 361
Marek Waldenberg
Die Rolle des nationalen Faktors in Mittelosteuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
lrena Stawowy-Kawka
Die Rolle der Inneren Mazedonischen Revolutionären Organisation bei der Herstellung des mazedonischen Staats ( 1990 - 1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
Sirnon Green
Integration durch Staatsangehörigkeit? Die Ausländerpolitik der Bundesregierung 1955- 1999 .. . .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. 399
Hanmut Zwahr
Das deutsche Wiedervereinigungsgeschehen 1989/90 als nationaldemokratische Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
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Inhaltsverzeichnis
Wolfgang Wippermann
Nation und Raum in der gegenwärtigen deutschen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
Mare-Wilhelm Kohfink Der deutsche Nationalstaat im Zeitalter der Globalisierung
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Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
Nationalbewegung und Nationalismus in Europa seit 1750 Von Reiner Timmermann
In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts führte das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut der Europäischen Akademie Otzenhausen vier internationale Kolloquien durch, die sich mit der Nationalbewegung und dem Nationalismus in Europa seit 1750 auseinandersetzten: -
Die Entstehung der Nationalbewegung in Europa seit 1750 - 1849 Die Entwicklung der Nationalbewegung in Europa 1850- 1914 Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa 1914- 1945 Nationalismus in Europa nach 1945
Die Sammelbände zu den ersten drei Kolloquien sind bereits publiziert. In dem vorliegenden Sammelband werden die für die Publikation überarbeiteten Beiträge der vierten Veranstaltung veröffentlicht. Der politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks hat zum Aufbruch von Nationalbewegungen und Nationalismen geführt, der die Frage nach den historischen Wurzeln aktuell macht. Sie sind in jener Zeit zu suchen, in der sich moderne Nationalbewegungen in Europa formiert haben- also im 18. und 19. Jahrhundert, manche auch noch an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Man kann wohl grundsätzlich sagen, daß die Nationalbewegungen durch die Bestrebungen definiert werden können, die grundlegenden Defizite nationaler Existenz zu beseitigen: 1. die mangelnde politischen Eigenständigkeit, 2. die unvollständige soziale Struktur und 3. die mangelnde Kultur in eigener Schriftsprache. Allerdings haben sich die Nationalbewegungen auch gleichzeitig an verschiedenen, miteinander konkurrierenden Merkmalen orientiert: Religion, Rasse, Tradition, Geschichte, Brauchtum, Bildung und Wissenschaft, Wirtschaft und wieder Sprache. Dann gab es noch die an einem Staat orientierte, imperiali-
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stisch ausgreifende Nationalbewegung- ebenso wie jene, die sich mit Kraft und Energie gegen eine einschmelzende Staatsgewalt wandte. Die Nationalbewegung war ein Konglomerat von Ideen und Handlungen, Ausdrucksformen und Ausdrucksmitteln (z.B. Agrarreformen, Schulen, Universitäten, Bildung, Vereinswesen, allgemeinkulturell, wirtschaftlich, ideell, wissenschaftlich-literarisch, später politische Parteien und Gewerkschaften, Journalistik, Sammeln und Aufzeichnen folkloristischen Materials; besonders Märchen, Volkslieder, Literatur), von tragenden Schichten und Gruppen (Volksbewegungen, Intelligenz, Bedeutung der Volksschullehrer, Kulturvereine, akademisch Gebildete, Adel, Priesterseminare, Exilgruppen), von Zielen und Programmen (Bewegungen fehlte oft eine feste und einheitliche Organisation, die aufgestellten Forderungen umfaßten ein breites Spektrum, Abhängigkeit von Zeit, Ort und Entwicklung des Territoriums, der Wirtschaft, Kultur, Endziel: eigener Staat oder Autonomie) und von Reaktionen auf nationale Bewegungen (Aufnahme oder Ablehnung). Obwohl den Nationalbewegungen Grundmuster in der Typologie und Soziologie zugrunde lagen, gab es in den verschiedenen Territorien und in verschiedenen Phasen Abweichungen und unterschiedliche Entwicklungen: Sie existierten ohne eigenen Staat und mit unvollständiger Sozialstruktur, mit eigenem Staat und mit unvollständiger Sozialstruktur mit eigenem Staat und vollständiger Sozialstruktur. Sie waren häufig gerichtet gegen die wirtschaftlich und sozial vorgefundene politische Ordnung, wollten einen politisch-kulturellen Befreiungsprozeß. Dabei waren sie verwurzelt in der agrarischen Gesellschaft und übten gleichzeitig eine mobilisierende und bewußtseinsschaffende Funktion aus. Religiös umfaßten sie das Spektrum: Säkular, kirchenfeindlich, klerikal. Insgesamt kann gesagt werden, daß der kulturelle Faktor wichtiger war als der soziale. Kultur wurde oft benutzt als Vehikel für die Ausbreitung von Aktivitäten. Die Alphabetisierung, Entwicklung der Schulen und Universitäten, des Verlagswesens, der Zeitungen und Zeitschriften spielten eine tragende Rolle. Daß die Nationalbewegungen ab Mitte des 19. Jahrhunderts Massenbewegungen wurden, hat seine Gründe in der Bauernbefreiung, die eine Erhöhung der Mobilität und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage mit sich brachte, aber auch in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ereignissen und philosophisch-geistigen Strömungen. Für manche Territorien war die kirchlich-territoriale Organisation neben der Konstituierung des historischen Bewußtseins auf den Raum schon ein nationales Element. Der Prozeß der nationalen Institutionenbildung vollzog sich uneinheitlich in der Zeit und im Ablauf, wenn es auch grundsätzlich Gemeinsames gab.
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Völker waren oft nicht nur verteilt, sondern lebten auch unter verteilten Herrschaften. Die Umwandlung des Volksbewußtseins in Nationalbewußtsein ist als Konsequenz der Entwicklung der Gesellschaft auf sozialem, kulturellem, rechtlichem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet zu betrachten. Abhängige Völker waren bestrebt, dem Druck der regierenden Völker bzw. Großmachtvölker und großen Nationen zu entkommen und einen eigenen Nationalstaat zu bilden. So wurden gerade die Großmächte Helfer der nationalen Befreiungsbewegungen. In diesem Prozeß spielten konkrete Bedingungen historischer Etappen, allerdings auch Zufalle, eine bestimmende Rolle. Wirtschaftlich bedingtes Wachstum der Städte und Produktion, des Innenund Außenhandels bewirkten eine rasche Entwicklung der Bedeutung von Wissenschaft und Bildung. Die Produktionsmethoden verlangten eine entsprechende Bildung und Ausbildung der Leiter und breiter Volksschichten. Während die Gebildeten früherer Zeiten fast immer eng an die Kirche und/oder Herrscher gebunden waren, konnte sich jetzt das Bildungsbürgertum freier und unabhängiger entfalten und die Führung der Nationalbewegung übernehmen. Bei einigen "historischen" Völkern- wie die der Deutschen und Italiener-, die in eine Vielzahl von Staaten und Kleinstaaten unterschiedlichster Größe zersplittert waren, wuchs unter dem Einfluß der Nationalbewegungen das Bewußtsein der Notwendigkeit einer politisch-organisatorischen Vereinigung. Nach Unabhängigkeit strebten Polen, Ungarn, Tschechen, Italiener in der Lombardei und in Venetien, Rumänen, Slowaken, Iren, die Slawen auf dem Balkan, die Katalanen auf der Iberischen Halbinsel u.v.m. Gegen Ende der 20erJahre und zu Beginn der 30erJahre des 19. Jahrhunderts erkämpften sich die Griechen sowie die Flamen und Wallonen ihre Unabhängigkeit. Da den Finnenanders als z.B. bei den Polen- die Möglichkeit fehlte, sich auf einen verlorengegangenen Staat zurückzubesinnen, traten bei ihnen das Volk und dessen Sprache und Geschichte in den Vordergrund. Nationale Bewegungen im Europa des 18., 19. und 20. Jahrhundert, so legt es ein Blick auf die "erfolgreichen" Fälle nahe, sind nicht denkbar ohne den Staat. Nationen sind nach einer gängigen Definition Gemeinschaften, die auf einen Staatsapparat bezogen sind. Demgemäß war der Nationalstaat das Ziel der nationalen Bewegungen. Sie hatten einen aktiven Anteil bei seiner Schöpfung, und wenn er geschaffen war, trugen sie ihn. Die Pariser Friedenskonferenz von 1919 wollte Europa neu ordnen, indem sie ihm u.a. eine nationaldemokratische Struktur gab, und sicher hat sie dies, neben manchen Verstößen gegen dieses Ziel, in vielen Fällen auch erreicht und den kleinen Völkern den Weg zur nationalen Selbständigkeit gebahnt. Aber: In einem System von souveränen Staaten, die sich als National-
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staatenjeweils eines bestimmten Sprachvolkes legitimierten und darum an ihrer sprachlich-kulturellen Homogenität interessiert waren, mußte sich die Nationalitätenfrage nur noch verallgemeinern und verschärfen. Jetzt wurde sie zum eigentlichen Strukturproblem Europas, vor allem Ostmitteleuropas. Die nationale Souveränität, wie sie jetzt als höchster Wert erschien, hatte nicht nur einen konstruktiven, sondern auch einen destruktiven Wert. Sie trug auch dazu bei, die "Gemeinschaftlichkeit von Europa" (Ranke) zu zerstören. Der amerikanische Präsident Wilson ging von dem Glauben aus, daß das kollektive Sicherheitssystem des Völkerbundes und die Gleichartigkeit demokratischer Verfassungen ein Korrektiv nationaler Vereinzelung werden könnte. Aber dies erwies sich als Trugschluß. Das Völkerbundsystem krankte an dem Mißverhältnis von geforderter Universalität und seinem tatsächlichen fragmentarischen Charakter. Die Gleichartigkeit demokratischer Verfassungen blieb ein vorübergehender Traum. In den 20er und 30er Jahren ging die Mehrzahl der europäischen Staaten zu totalitären und autoritären Staatsformen über, die den nationalen Souveränitätsanspruch nach innen und nach außen entweder verschärften oder aus ihm einen Herrschaftsanspruch führender Völker und Rassen über andere entwickelten. Damit ist eine entscheidende Wende eingetreten: Der Gedanke der nationalen Souveränität war aus der Verbindung des Nationalitätenprinzips mit dem Prinzip der staatlichen Souveränität erwachsen. In dem Augenblick, in dem die Souveränität des Volkes an die Stelle der Souveränität des Fürsten trat, war die ganze Nation aufgerufen zur Verteidigung ihrer Souveränität als der Summe ihrer demokratischen Rechte und Pflichten. Überschritt nun aber der Souveränitätsanspruch die Grenzen einer Nation, verlangte er die Beherrschung anderer Nationen aus einer angeblich höheren Mission, aus den selbst gegebenen Ansprüchen höherer Rasse und höheren nationalen Rechts, dann entstand ein nationalistischer Imperialismus. Die gewaltigen Veränderungen im politischen, sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Leben der europäischen Völker, wie sie durch den Ersten Weltkrieg ausgelöst wurden, haben den Staaten und den sie tragenden politischen Bewegungen den Stempel aufgedrückt. Manche Kräfte, die die Vorkriegszeit bestimmt hatten, schienen zunächst zu überleben. Es kam zu Restaurationen. Das meiste unterlag allerdings großen Formwandlungen. Neue Kräfte drangen nach vorne und gaben der Zeit einen ganz neuen Charakter. Die Umwälzungen waren in den im Krieg unterlegenen Ländern am radikalsten. Sie ließen aber auch die Siegerländer nicht unberührt. Von den Grundkräften der vorausgehenden Epoche wurden die am meisten betroffen, die sich auf Institutionen und Schich-
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ten stützten, die am stärksten in die Katastrophe hineingezogen waren: auf die Monarchien, den Adel und Großgrundbesitz, das Bildungsbürgertum. Diese hatten auch das Rückgrat der konservativen Parteien gebildet und der von ihnen vertretenen Ideologien, wenn auch Konservativismus nicht überall nur Interessenvertretung der Aristokratie und Festhalten am "monarchischen Prinzip" bedeutete. Blickt man zurück auf die politischen Richtungen und Bewegungen, die das europäische politische Leben seit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges bestimmt haben, so läßt sich daran zuletzt die Frage knüpfen, welche Staatstypen sich unter ihrem Einfluß herausgebildet haben, worin diese Typen überschneiden oder zusammenfallen können: Der liberal-demokratische Verfassungsstaat setzt sich für kurze Zeit als herrschender Staatstyp durch. Der Nationalstaat wird seit 1919 als das entscheidende Strukturprinzip des neuen Europa angesehen. Die multinationalen Großreiche zerbrachen, und an ihre Stelle traten nationale Staatenbildungen, in denen allerdings nicht immer eine Nationalität quantitativ dominiert, wenn sie auch einen unbedingten Führungsanspruch anmeldet. Die Nationalstaatenentwicklung ist damit nach einer ersten - integrierenden - Phase seit der Französischen Revolution und einer zweiten auf Vereinheitlichung von Teilstaaten gerichteten (Italien, Deutschland) in seine dritte Phase getreten, in der Nationalstaatsbildung auf einer sezessionistischen Tendenz beruht. Ihr Schwerpunkt liegt jetzt in Mittel- und Osteuropa, wie vorher der Schwerpunkt der ersten und zweiten Phase in West- und Mitteleuropa gelegen hatte. Im Bereich der großen dynastischen Reichsbildungen, der österreichisch-ungarischen, der russischen und in gewissem Umfang auch der preußisch-deutschen, im Südosten der osmanischen, entsteht also der moderne Nationalstaat durch Abtrennung, durch Sezession aus Großbereichen. Alle ostmitteleuropäischen Staaten, die Nationalstaaten wurden, sind teilweise in einem langen Prozeß auf diesem Wege entstanden. Nationale Selbstbestimmung wird seit den Erklärungen des amerikanischen Präsidenten Wilson und gleichzeitig der Führer der Oktoberrevolution als umfassendes Prinzip für die Neuordnung Europas, ja, der Welt verstanden. Die Nationalstaaten von 1918/1919 sind nationaldemokratische Staaten. Ihre Staatsidee erfüllt sich in der Verwirklichung der Nation. Aber sie stoßen überall auf Begrenzungen, sind von inneren Widersprüchen erfüllt, unter denen die Rolle der nationalen Minderheiten an erster Stelle steht. Was vorher innerstaatliche Probleme waren, wird auf den Rang von Staatenbeziehungen erhoben. Die Minderheitenfrage belastet die zwischenstaatlichen Beziehungen, indem sie irredentistischen oder revisionistischen Tendenzen Auftrieb geben. Die Auferlegung von Schutzverträgen für die Minderheiten durch den Völkerbund wird
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als Servitut der nationalen Souveränität empfunden und kann die nationalistische Assimilierungspolitik nur unzureichend eindämmen. Nationalismus wird die Grundstimmung in den Nationalstaaten nach 1919, sowohl bei den besiegten Mächten, die ihre Revisionsforderungen anmelden, wie bei den jungen Staaten, für die Nationalismus als Integrationsfaktor einer noch ungefestigten politischen und gesellschaftlichen Struktur eingesetzt wird und Ausdruck ihrer schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise ist. Dies gilt auch für Länder, in denen Nationalismus als Vehikel einer gewaltigen und gewaltsamen Herrschaftsexpansion dient, durch die der Nationalstaat traditioneller Art sich schließlich selbst aufhob und als deren Ergebnis seine eigene Zerstörung herbeigeführt wird. Haben 50 oder 70 Jahre kommunistischer Diktatur Nationalismen unter die "Käseglocke" gehalten, wie oft behauptet wird? Gab es eine vergebliche internationale oder gar ideologische Assimilierungspolitik? Brechen unausgelebte Ismen mit aller Wucht aus? Im 19. Jahrhundert war die nationale Bewegung und der Nationsbildungsprozeß eine allgemeine Erscheinung in ganz Europa. Die neuen nationalen Bewegungen in Mittel- und Osteuropa entstanden gegen Ende des 20. Jahrhunderts nun zu der gleichen Zeit, als die Europäische Integration im Westen zur Realität geworden ist. Orientiert sich ein Teil Europas auf die ethnische Identität nach Erlangung der politischen Freiheit? Dennoch: Werden diese imstande sein, die neue Stabilität in Europa zu gefährden? Kaum - Großmächte überzogen Europa mit Krieg und Destabilität. Brauchen jene kleinen und mittleren mittel- und osteuropäischen Staaten nicht einen gewissen Reife- und Demokratisierungsprozeß, eine Orientierungsphase, um sich in die neue europäische Staatenstruktur einzufügen? Jugoslawien und weiter östlich liegende Unruheherde sprechen dagegen. Die stabilen Ordnungen in der Mehrzahl der Länder sprechen dafür.
I. Kommunismus und Nation
Jahre der Gefahr Finnland und der Kommunismus 1944 - 1948 Von Erkki Kouri
In der Öffentlichkeit hat man sich oft gefragt, wie es möglich war, daß Finnland als einziges Land, das an der Seite Deutschlands gekämpft hatte, einer Besetzung entging sowie seine Selbständigkeit und westliche Demokratie bewahren konnte. Fielen doch viele "unschuldigere" Länder in die Hände der Kommunisten. Dadurch, daß in letzter Zeit die Moskauer Archive Forschern zugänglich geworden sind, sind viele Sachzusammenhänge erhellt worden. Es hat sich dabei erwiesen, daß Finnlands Schicksal tatsächlich zeitweise auf dem Spiel stand. Als Waffenbruder Deutschlands hatte Finnland gegen die Sowjetunion gekämpft. Als es offensichtlich wurde, daß Deutschland den Krieg verlieren würde, begannen die Finnen vorzufühlen, ob eine Möglichkeit bestünde, mit der Sowjetunion einen Separatfrieden abzuschließen. Dabei stand im Hintergrund, daß sich die Lage in der internationalen Politik geändert hatte. Da auf der Casablanca-Konferenz 1943 beschlossen worden war, von Deutschland und seinen Verbündeten die bedingungslose Kapitulation zu fordern, hatte Außenminister Molotow auf der im Oktober desselben Jahres in Moskau abgehaltenen Außenministerkonferenz der Alliierten vorgetragen, daß die Sowjetunion von Finnland dieselben Bedingungen fordern werde. Der britische Außenminister Anthony Eden hatte dies akzeptiert, aber der Vertreter der Vereinigten Staaten, Averen Harriman, hatte protestiert. Präsident Franklin D. Roosevelt, der sich offenbar Sorgen wegen der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr machte, kam im November 1943 in Teheran zusammen mit Winston Churchill auf die Angelegenheit zurück. Sie traten dermaßen stark zugunsten Finnlands auf, daß die anschließend relativ glimpfliche Behandlung Finnlands durch die Sowjetunion in vielem auf ihre Intervention zurückgeführt werden kann.
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Die Sowjetunion verzichtete also darauf, die bedingungslose Kapitulation Finnlands zu verlangen, was ohne Zweifel zur Besetzung des Landes geführt hätte, und sie nahm im Februar 1944 das finnische Verhandlungsangebot an. In Finnland hegte man jedoch weiterhin Zweifel an den Absichten der Sowjetunion. Bezeichnend für die Stimmung im Lande war, was J. K. Paasikivi, langjähriger finnischer Gesandter in Moskau, damals zu seinem Gast aus den Vereinigten Staaten, dem Agenten des amerikanischen Geheimdienstes John Scott, sagte: "Falls das Land besetzt würde, wären die Finnen zu einem fünfzig Jahre dauernden Partisanenkrieg bereit. Wir sind keine Tschechen oder Holländer. Wir werden hinter jedem Stein und auf dem Eis jedes Sees bis zum letzten kämpfen. Ich bin alt und werde nicht lange durchhalten, aber andere werden weitermachen." Noch hatten die Finnen nicht die endgültige Antwort der Sowjetunion erhalten, als im Juni 1944 der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop in Helsinki erschien. Der Außenminister hatte die Instruktionen Hitlers bei sich, Finnland solle sich öffentlich dazu bekennen, bis zum Schluß an der Seite Deutschlands zu kämpfen. Andernfalls bekäme das Land von Deutschland keine militärische Hilfe, um die es gebeten hatte. Staatspräsident Risto Ryti schrieb in seinem Namen an den Führer und teilte ihm mit, daß Finnland nur im Einvernehmen mit der deutschen Regierung einen Separatfrieden mit der Sowjetunion abschließen werde. Ryti wählte diese Verfahrensweise, da bei seinem eventuellen Rücktritt, die Unterschrift des Präsidenten als ungültig erklärt werden konnte. Die von Deutschland erhaltene umfangreiche militärische Hilfe trug entscheidend dazu bei, daß der russische Großangriff auf der karelischen Landenge aufgehalten werden konnte. Eine Hauptursache für dieses für Finnland glückliche Endergebnis dürfte darin gelegen haben, daß der Gesamtzweck der Offensive- wie es amerikanische Beobachter meinten-, wohllediglich darin bestanden habe, "to knock Finland out of the war". Als die russische Armee ihre begrenzten Ziele erreicht hatte. wurde der Hauptteil der Armee an den Hauptschauplatz. die Schlacht gegen Berlin, verlegt. Die erteilte Lektion hatte jedoch die gewünschten Auswirkungen: Ryti demissionierte Anfang August , und zum neuen Präsidenten wurde der Oberbefehlshaber der Armee, Freiherr Gustaf Mannerheim, gewählt. Gleichzeitig war der Weg zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Moskau frei . Am 19. September wurde in Moskau ein Waffenstillstand zwischen den AUiierten und Finnland abgeschlossen. Auf Verlangen Englands wurden die zu-
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nächst von Finnland geforderten 600 Millionen Dollar Reparationen auf die Hälfte verringert. Um den Weg zum Frieden sicherzustellen, mußte Finnland die Bedingungen des Waffenstillstands erfüllen. In Helsinki wurde eine Alliierte Kontrollkommission unter Führung der Sowjetunion eingerichtet, welche die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen beaufsichtigen sollte. Daß in der Kontrollkommission auch England vertreten war, war eine Garantie dafür, daß die Aufsicht unter Einschluß dieses westlichen Landes geschehen würde. Stalin schickte als Leiter der Kontrollkommission einen seiner engsten Vertrauten, den allseits gefürchteten Andrej Schdanow. Die Wahl war hauptsächlich deshalb auf ihn gefallen, weil er der leitende Politoffizier der für Finnland zuständigen Leningrader Front gewesen war. Da er aus der Zeit des Winterkrieges als "Finnlandfresser" und seit 1940 als Sowjetisierer Estlands bekannt geworden war, fürchtete man ihn wie einen Scharfrichter, der der Selbständigkeit Finnlands ein Ende bereiten würde. Die Überraschung war groß, als er dann einen liberaleren Kurs als in den anderen von der Sowjetunion geleiteten Kontrollkommissionen befolgte. Als Schdanow im Oktober 1944 in Helsinki anlangte, betonte er, daß er nicht gekommen sei, um den Kommunisten an die Macht zu verhelfen, sondern einzig, um die Erfüllung des Waffenstillstandes durch eben dieselbe offizielle finnische Regierung zu beaufsichtigen, welche die Sowjetunion beim Abschluß des Vertrages anerkannt hatte. Wie dann die Ereignisse während des Herbstes zeigten, vermied es die Kontrollkommission, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Andererseits beaufsichtigte Schdanow die Erfüllung des Waffenstillstandes ohne jede Nachsicht, wenn auch in korrekter Weise. Die wichtigsten Punkte waren, nachdem die deutschen Truppen- wie vom Waffenstillstand vorausgesetzt - Finnland verlassen hatten, die Demobilisierung der finnischen Armee, die Reparationslieferungen und die Aburteilung der Kriegsschuldigen. Auch wenn der Waffenstillstandsvertrag nicht die Verpflichtung enthielt, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten, wie es bei Ungarn und Rumänien der Fall war, wurde mit der Forderung, daß die deutschen Truppen in Finnland interniert oder aus dem Land vertrieben werden mußten, im Grunde genommen das gleiche bezweckt. Die Deutschen hatten das südliche Finnland geräumt, aber hatten im nördlichen Finnland ihre 220 000 Mann starken Elitetruppen belassen. Mannerheim, den die ständigen Angriffe in der sowjetischen Presse nervös machten, befürchtete, daß der Waffenstillstand nicht lange währen wür-
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de, falls im Norden des Landes nicht effektive Maßnahmen gegen die Deutschen unternommen würden. Zu den ersten Kämpfen zwischen den ehemaligen Waffenbrüdern kam es am 28. September 1944. Allmählich zogen sich die Deutschen nach Norwegen zurück und hinterließen ein zerstörtes Lappland. Als sich das Ende des Weltkrieges abzeichnete, begann Schdanow jedoch Abstriche an seiner Nichteinmischungspolitik vorzunehmen, indem er Bestrebungen der extremen Linken, an die Macht zu gelangen, unterstützte. Als frühestes Beispiel für einen "volksdemokratischen Weg" galt der mit Ermutigung von Schdanow gegründete Demokratische Bund des fmnischen Volkes. Auf den Rat Schdanows hin übernahmen die Volksdemokraten die Schlüsselstellungen in der nach den Märzwahlen 1945 gebildeten Regierung Paasikivi, vor allem das Portefeuille des Innenministers. Desgleichen bedeutete der Vertrag über Zusammenarbeit, der nach den Wahlen zwischen den drei großen Parteien abgeschlossen wurde, und offenbar unter Schdanows Fernregie ausgehandelt worden war, für ihn ein Kooperationsmodell zwischen den Arbeiterparteien und den Agrariern, mit Hilfe dessen auch Finnland sich auf den volksdemokratischen Weg hätte begeben können. Sein Gedanke war, die an der Zusammenarbeit Beteiligten dazu zu bringen, ein von den Kommunisten vorgelegtes gesellschaftliches Programm zu akzeptieren, wonach man sie in der für die Volksdemokratien üblichen Weise dann nicht weiter benötigt hätte. Schdanow wurde in seinen Vorhaben dadurch behindert, daß zu diesem Zeitpunkt in seinem Heimatland ein Machtkampf ausgefochten wurde. Dies hatte deutliche Auswirkungen auf seine Finnlandpolitik. Am sichtbarsten wurde die schärfer gewordene Einstellung Schdanows im Frühjahr 1946, als Malenkow in Moskau gerade eine starke Stellung besaß. Damals trat Schdanow, indem er sich der Radikalisierung in der finnischen kommunistischen Partei anschloß, dafür ein, daß die Beamtenschaft gesäubert und ein Sozialisierungsprogramm in der Landwirtschaft durchgeführt werden sollte. Dem Ganzen sollte eine Massenbewegung Auftrieb geben. Dies erwies sich jedoch als mißlungener Start. Für eine so rasche Machtübernahme war die Kommunistische Partei Finnlands nicht reif, und sie verfügte auch nicht über genügend Ressourcen dafür. Auch verspürten die Blockpartner keinen Bedarf an einer Zusammenarbeit, waren doch die gleichzeitigen Ereignisse im östlichen Europa Warnung genug, wohin dieser Weg führen konnte. Die angestrebten volksdemokratischen Reformen blieben zu einem großen Teil deswegen unausgeführt, weil die Kommunistische Partei Finnlands zu keinen selbständigen Entscheidungen ermutigt wurde. Wegen der langen Heimataufenthalte Schdanows. und nachdem er ab Anfang 1946 seinen ständigen
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Wohnsitz in Moskau genommen hatte, blieb die Partei ohne praktische Instruktionen und sogar ohne moralischen Beistand. Obwohl die fumischen Kommunisten bei den Wahlen fast genausoviele Abgeordnete wie die Sozialdemokraten erhalten (die bürgerlichen Parteien und die Rechte behieltenjedoch eine knappe Mehrheit) und Ministerposten besetzt hatten, betrieben sie eine schwankende Politik. Ein Grund war, daß Stalin die in Moskau ansässigen emigrierten finnischen Kommunisten - unter ihnen Otto Ville Kuusinen- nicht nach Finnland zurückkehren ließ, und die Führung blieb daher in der Hand von Kommunisten, die aus den Gefängnissen und aus dem Untergrund zurückgekehrt waren. Da außerdem, vor allen Dingen in der Anfangsphase , die finnischen Reparationslieferungen für die Sowjetunion wichtig waren, scheute sich Moskau vor Eingriffen in die gesellschaftliche Situation, die den Arbeitsfrieden und die Lieferungen hätten beeinträchtigen können. Die Kommunistische Partei Finnlands betrieb seit Juni 1947 die Idee eines Verteidigungspaktes mit der Sowjetunion, und sie setzte ihre Hoffnungen auf dessen innenpolitische Auswirkungen. Stalin empfing die Vertreter der Partei jedoch nicht und ging vorsichtig vor, ohne die staatlichen Beziehungen aufs Spiel zu setzen. Ihm war zwar an einer starken kommunistischen Partei gelegen, die er zur Beeinflussung und als Druckmittel benutzen konnte, aber einen entscheidenden Durchbruch in ihrem Sinne brauchte er nicht, solange alles mit der finnischen Staatsführung gut lief. Als der Kalte Krieg zwischen Ost und West im vollen Ausmaß begann, blieb Finnland immer noch zwischen den Blöcken. Finnen wurden nicht eingeladen, sich an der Gründung des Kominform , mit dem die sowjetische Führung ihr Lager festigte, zu beteiligen. Im Februar 1948 übernahmen die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei. Bald darauf sagte die kommunistische Führerin Hertta Kuusinen Tochter Otto Ville Kuusinens - auf einer in Helsinki organisierten Massenversammlung, daß der Weg der Tschechoslowakei auch derjenige Finnlands sei. Das Frühjahr wurde dann auch zur kritischsten Phase der sog. Jahre der Gefahr in Finnland. Schon Anfang 1948 hatte Schdanow es als Fehler bezeichnet, daß Finnland seinerzeit nicht besetzt worden war. Laut Molotow, der an der Unterhaltung teilnahm, wäre dies "eine Kleinigkeit" gewesen. Die Schuld daran, daß Finnland auch später keine Volksdemokratie geworden war, wurde den finnischen Kommunisten angelastet. Ihre Führer, die in Moskau zu einem Besuch waren, mußten sich anhören, daß sie nicht fähig gewesen wären, die finnische sozialdemokratische Partei zu spalten. In Ungarn dahingegen hätte sich die Lage günstig für die Kommunisten entwickelt.
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Als die finnischen Kommunisten im Mai 1948 nochmals nach Moskau gerufen worden waren, wurden sie instruiert, fortan eine aggressivere Politik zu betreiben. Dabei wurde ihnen angeraten, den (volksdemokratischen) Innenminister Yrjö Leino abzusetzen. Dahinter stand nicht nur, daß die Popularität der finnischen Kommunisten in einer Krise war, sondern auch die internationale Lage. Die Sowjetführung hatte begonnen, eine von ihr beargwohnte nationale Gesinnung in den kommunistischen Parteien Osteuropas zu beseitigen. Außer Leino gerieten Gomulka in Polen und Tito in Jugoslawien auf die Abschußliste: Nur der letztere konnte sich halten. In der Zeit zwischen den beiden Besuchen war jedoch viel geschehen. Wie von Moskau vorgeschlagen, hatte man sich das ungarische Beispiel vorgenommen. Im April1948 wurde beschlossen, eine führende Persönlichkeit der Kommunistischen Partei Ungarns nach Helsinki einzuladen. Bereits im März hatte die Staatliche Polizei, die auch in Finnland in die Hände der Kommunisten geraten war, Innenminister Leino eine Aufstellung über die "Organisation der finnischen Widerstandsbewegung" zugeleitet. Es handelte sich um einen fingierten Plan einer rechten Verschwörung, in dem eine neue westlich orientierte Regierung umrissen war. Es wurden keine Verhaftungen vorgenommen. Statt dessen gab Leino dem Befehlshaber der Armee, Aarne Sihvo, einen Wink, der seine Leute in Bereitschaft setzte, nicht gegen die Rechtskreise, sondern gegen die Kommunisten, die in alarmierender Weise in Bewegung geraten waren. Die finnischen Kommunisten erwarteten von Moskau konkrete Unterstützung. Inzwischen war jedoch auf staatlicher Ebene ein entscheidender Durchbruch erzielt worden: die Verhandlungen zwischen der Sowjetunion und Finnland über einen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand hatten zum Ziel geführt, und er wurde am 6. April in Moskau unterzeichnet. Auch wenn die Bedingungen des Vertrages für Finnland relativ günstig waren, garantierte er nach Ansicht Stalins die militärische Sicherheit der Sowjetunion und die staatlichen Beziehungen zwischen den Ländern. Damit hatte die Offensive der finnischen Kommunisten ihre Aufgabe erfüllt und das Weitere konnte fallengelassen werden. In Helsinki wiederum waren die Kommunisten der Ansicht, daß der in Moskau abgeschlossene Vertrag in Finnland kaum akzeptiert würde, und sie bereiteten umstürzlerische Aktivitäten vor. Staatspräsident Paasikivi und die Armee konnten nicht ausmachen, was an den Putschgerüchten wahr und nicht wahr war, und sie organisierten vorsichtshalber einen sichtbaren Gegenschlag, der seinen Höhepunkt in der Nacht zum 27. April erreichte. Dieses Datum war der Tag, an dem der Moskauer Vertrag im Parlament behandelt werden sollte, und
Finnland und der Kornmunismus 1944- 1948
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auf den die Aktivitäten der Kommunisten sich zu konzentrieren schienen. In Helsinki wurden Panzer aufgefahren, und Kanonenboote bewachten das Präsidentenpalais am Hafen. Dies reichte, um die Lage zu beruhigen. Auf Grund neuester Quellen scheint es so zu sein, daß an der Behauptung, daß die Kommunisten die Absicht hatten, die Macht zu ergreifen, mehr wahr ist, als bisher hatte bewiesen werden können. Es handelte sich nicht um einen Putsch, den die Gegenseite abgewehrt hätte, sondern um einen komplizierteren Vorgang, an die Macht zu gelangen. Innerhalb der Kornmunistischen Partei Finnlands gab es keinen putschistischen Barrikadenkurs, der gegenüber den Gemäßigten verloren hätte, und in der Nacht zum 27. April hatten die Kommunisten nichts Besonderes vor. Übrig blieb der eigentliche Kern dieser Frage, und da ging es hart auf hart. Was die Macht anbelangte, wurde das Ganze von Fachleuten betrieben, sowohl in Finnland als auch in der Sowjetunion. Wenn Paasikivi nicht den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand gegen den Willen des Volkes und die Mehrheit im Parlament durchgeboxt hätte, hätte die geplante Verhaftungswelle unter der Führung der Kommunisten anlaufen können, was weitreichende Folgen gehabt hätte. Die Putschgerüchte ließen im Mai 1948 nach. Paasikivi entließ damals Leino von seinem Posten. Die Kommunisten hörten mit ihren wilden Streiks auf, und die .,geheimen Anweisungen" an die Stoßtrupps bekamen einen gemäßigteren Ton. Die Wahlen im Juli 1948 verliefen normal. Die Kommunisten erlitten erhebliche Verluste, und sie hatten für lange Zeit keinen Anteil mehr an der Regierungsgewalt. Noch im August 1948 wollten sich ihre führenden Männer, Ville Pessi und Aimo Aaltonen, aus Moskau Hilfe für ihre Absicht, die Regierung zu stürzen sowie die Sozialdemokraten und die Armee zu zerschlagen, holen. Auch diesmal empfing sie Stalin nicht, sondern delegierte die Angelegenheit an untergeordnete Stellen. Zum Schluß können wir uns fragen, wieso es Finnland in den "Jahren der Gefahr" gelang, den Kornmunismus abzuwehren und die westliche Demokratie zu bewahren. Das Endergebnis war die Summe vieler Einzelfaktoren. In den schweren Abwehrkämpfen des Sommers 1944 war es gelungen, die Russen aufzuhalten, und Stalin hielt es für klüger, nachdem er seine Lektion den Finnen erteilt hatte, seine Divisionen an den hauptsächlichen Kriegsschauplatz zu überführen. So konnte Finnland den Krieg 8-9 Monate vorher beenden als viele andere Staaten. Außerdem war seine Armee - dank der umfangreichen deutschen Materialhilfe - zu Beginn des Friedens gut ausgerüstet und auch geistig kamptbereit.
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In den nächsten Jahren bis zum Pariser Friedensschluß von 1947 scheute sich die von den Russen geleitete Kontrollkommission in Helsinki, die finnischen Kommunisten allzu sehr zu Umsturzaktionen zu ermutigen. Vielleicht wirkte sich auch das Dabeisein der Briten aus, allerdings andernorts, in Bulgarien, Rumänien und Ungarn betätigten sich die Russen ohne Rücksicht auf die Meinung ihrer Alliierten. Es kann auch mit den geheimen Verträgen spekuliert werden, wie sie während des Kriegs z.B. in Teheran abgeschlossen wurden. Wahrscheinlicher ist, daß die Sowjetunion, indem sie Finnland sanft anfaßte, die militärisch überlegenen Vereinigten Staaten nicht reizen wollte. Die Vereinigten Staaten hatten Finnland seit 1946 Kredite gewährt und hatten auch insgeheim vor allem die sozialdemokratische Partei gegen die Kommunisten unterstützt. Gleichermaßen mußten die Reaktionen der anderen nordischen Länder, vor allem Schwedens, in Betracht gezogen werden. Auch wenn der älter werdende Stalin den Takt bestimmte, war die sowjetische Finnlandpolitik in seinen letzten Jahren nicht mehr monolithisch, was sich dann auch störend auf die Stellung der Kommunisten in Finnland auswirkte. Finnland wiederum fand nach dem Krieg relativ rasch seine Einheit und sein inneres Gleichgewicht wieder. Trotz gesellschaftlicher Radikalisierung gab es keine gewaltsamen Auseinandersetzungen wie in vielen anderen Ländern. Entscheidend war, daß die Armee und die Polizei - abgesehen von der Staatlichen Polizei - der legalen Obrigkeit die Treue hielten und daß die Sozialdemokraten sich nicht in eine Einheitspartei mit den Kommunisten verleiten ließen. Auch der Präsident und die bürgerlichen Parteien hielten sich zurück. Den Kommunisten wiederum gelang es weder die Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten und der Rechten zu durchbrechen noch ihre eigenen Richtungskämpfe zu meistern. So entglitt den Kommunisten ihre Chance in Finnland.
Internationalismus Ein Ziel sozialistischer Erziehung in der DDR Von Wolfgang Berg
1. Einleitung Wenn man das Thema Nationalismus betrachtet, genügt es nicht, nur dessen theoretische Grundlagen, Ideologien, Wirkungen zu analysieren, es gehört unabdingbar dazu, ebenso die Opfer nationalistischer Politik zu würdigen. Außerdem und insbesondere sollten aber auch Gegenentwürfe ins Blickfeld kommen, wie sie - speziell für die Zeit nach 1945 - supranationale Bewegungen darstellen. Allerdings ist dabei strikt zu unterscheiden zwischen der idealistischen Linie, z.B einer westeuropäischen Europa-Bewegung, und der tatsächlichen Integration bzw. der Auseinandersetzung dazu. Die Geschichte der EU ist bis auf den heutigen Tag ein Beispiel für den Widerspruch in sich, daß nationale Interessen die Herausbildung einer supranationalen Struktur bestimmen: Integration, wenn und weil und soweit sie der nationalen Wirtschaftsentwicklung dient. Der westeuropäischen Integration entsprach - trotz vieler Unterschiede, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann - eine östlich der BRD entstandene: der COMECON. Dieses Projekt des Supranationalismus in Osteuropa ist bekanntlich gescheitert, vielmehr steht die "Rückkehr nach Europa" (Vaclav Havel), also die Mitgliedschaft zumindest der westlicheren vormaligen COMECON-Staaten in der EU an. Der (westeuropäischen) Buropaidee stand die des proletarischen und sozialistischen Internationalismus gegenüber. Wie wirkungsvoll war sie? Ist sie mit der Auflösung des COMECON wirkungslos verschwunden? Mit der "doppelten Integration", also dem Beitritt der ehemaligen DDR auch zur EG ist bereits 1990 eine politische Kultur in Westeuropa eingetroffen, zu deren Vorgeschichte auch der "Internationalismus" gehört. Welche Wirkungen hatte der "Sozialistische Internationalismus" auf die Bürgerinnen und Bürger z.B. in der DDR angestrebt, welche tatsächlich ausgeübt, welche bleibend hinterlassen? Zu bedenken ist dabei, daß in den diktatorischen und autoritären Systemen Mittelost-
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europasauch "Internationalismus" verordnet war. Sollte die Idee des "Internationalismus" also nur im Kontext der kommunistischen Ideologie als "Sozialistischer Internationalismus" (S.I.) bestanden haben? Wurde sie vom Durchschnittsbürger unter dem DDR-Regime damit im Alltag auch schon als ideologisch abgetan? Ist sie mit dem Ende der DDR vollends obsolet geworden, ja, vielleicht ins Gegenteil verkehrt? Internationalistische Erziehung und ihre Wirkungen? Eine solche Fragestellung wirft erhebliche allgemeine wie spezielle methodische Fragen auf. Immerhin: Wenn es heute in Ost- und Westdeutschland unterschiedliche Einstellungen in bezug auf supranationale Entwicklungen oder Betonung nationaler Interessen gäbe, könnten diese - neben vielen anderen Faktoren - auch auf die Wirkung nicht-nationalistischer Erziehung, Propaganda, Erfahrung zurückgeführt werden.
2. Internationalismus Die folgende inhaltliche Betrachtung beschränkt sich auf das Beispiel der DDR in den siebziger Jahren, exemplarisch für andere Länder und Zeiträume. Die Position der DDR war allerdings in mehreren Hinsichten auch singulär: 1. durch die Frontstellung: Die DDR bildete die Außengrenze des Ostblocks gegenüber dem in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht attraktiven Westen, so nur noch vergleichbar mit der CSSR und in gewissem Umfang auch noch mit Ungarn. Dadurch ergab sich ein erhöhter Bedarf an Abgrenzung gegenüber dem Westen (siehe hierzu die TexteD und F). 2. wegen des Anerkennungsdeflzits: Kaum ein anderer Staat im RGW/Warschauer Pakt litt so unter der Nichtanerkennung wie die DDR. Weit über die Zeit des deutsch-deutschen Vertrags von 1972 und die Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die UNO hinaus war das angestrengte Bemühen der DDR erkennbar, sich als leistungsfähiger "richtiger" Staat darzustellen. Diese nationale Komponente war auch im Binnenverhältnis unverkennbar (siehe Text C). 3. als Teil-Nation: Als Teil einer geteilten Nation hatte die DDR-Führung ohnehin besondere Schwierigkeiten, die nationale Identität zu definieren und staatsbürgerliches Bewußtsein zu erzeugen. Die Abgrenzung zur BRD konnte ja nur durch eine besondere ideologisch-politische Vorgabe gelingen, indem sich die DDR als das andere bessere sozialistische Deutschland präsentierte. Dies schloß logischerweise gerade auch die internationalistische Einbindung in die sozialistische Staatengemeinschaft mit ein (siehe Text F).
Internationalismus. Ein Ziel sozialistischer Erziehung in der DDR
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Wie das Ulbricht-Zitat (Text E) zeigt, waren aber auch in der DDR die Spannungen zwischen den national-kommunistischen und intemationalistischen Prinzipien gegenwärtig. Das Konzept des Internationalismus der DDR wird an nachstehenden Texten exemplarisch deutlich:
A Die Deutsche Demokratische Republik pflegt und entwickelt entsprechend den Prinzipien des sozialistischen Internationalismus die allseitige Zusammenarbeit und Freundschaft mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und den anderen sozialistischen Staaten. 1
B
Der proletarische und der sozialistische Internationalismus bilden eine untrennbare Einheit mit dem sozialistischen Patriotismus, sie verbinden die internationale Zusammenarbeit der Werktätigen aller Länder mit der Liebe zum Vaterland und zur eigenen Nation. Für die FDJ stand die Erziehung der jungen Generation der DDR zum p.I. und zum sozialistischen Patriotismus immer im Mittelpunkt ihres gesamten Wirkens. Seit ihrem Bestehen hat die sozialistische Jugendorganisation ihre Anstregungen zur unablässigen Stärkung des Sozialismus in der DDR stets mit dem Streben nach Vertiefung des brüderlichen Bündnisses mit der Jugend der UdSSR und der anderen sozialistischen Staaten verknüpft. 2
c Die neuen Bedingungen und Möglichkeiten, die sich mit der zunehmenden Integration der sozialistischen Staatengemeinschaft herausbilden, werden von den Leitern der Kombinate, Betriebe und Einrichtungen in Zusammenarbeit mit den Leitungen der FDJ für die Erziehung der Jugend zum sozialistischen Internationalismus genutzt. Sie fördern die Herausbildung enger freundschaftlicher Beziehungen der Jugendlichen ihres Betriebes zu Jugendkollektiven der Partnerbetriebe in der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten. 1
Aus "Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik", 1968: Art. 6 (2).
2
Aus "Wörterbuch zur Sozialistischen Jugendpolitik" (Berlin 1975, S. 213).
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Ausdruck dafür sind z.B. die über 2.500 Jugendobjekte der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft und die mehr als 300 Neuererleistungen, die im Rahmen der Bewegung .. Messe der Meister von Morgen" in sozialistischer Gesellschaftsarbeit von FDJ-Kollektiven mit Komsomol-Kollektiven der sowjetischen Pannerbetriebe auf der Grundlage staatlicher Verträge und Freundschaftsvereinbarungen der betreffenden FDJ- und Komsomolorganisationen gelöst wurden.3
D In vielen Klassenschlachten hat es sich gezeigt: Der proletarische Internationalismus ist eine Kraft, die Millionen zum Kampffür die edelste Sache der Menschheit vereint - die Errichtung einer Welt des Sozialismus, in der alles Denken und Tun dem Wohl des Volkes, dem Glück des Menschen und dem Frieden der Welt dient. Aus dieser Kraft gemeinsamen revolutionären Handeins erwuchs auf den von der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution gelegten Fundamenten die sozialistische Staatengemeinschaft, fest geschan um die Sowjetunion, untrennbar vereint durch die Weltanschauung des Marxismus-Leninismus. Aus dieser Kraft erwuchs auch die Waffenbrüderschaft der verbündeten sozialistischen Armeen, die im Warschauer Vertrag völkerrechtlich besiegelt wurde. Denken Sie stets daran: Jenseits der Staatsgrenze der DDR zur BRD, auf der anderen Seite der Scheidelinie zwischen Sozialismus und Imperialismus, steht der gleiche Feind, stehen Soldaten im Solde des Ausbeuterstaates, der Rüstungskonzeme, der Bankherren und ihrer Generale. Auf dem Boden der BRD sind die militärischen Hauptkräfte des aggressiven NATOBlocks konzentrien. Hier stehen neben den US-Söldnem mit Vietnamerfahrung antikommunistisch verhetzte undfür den Krieg gegen den Sozialismus gedrillte Söldner der Bundeswehr. 4
E Unsere Panei ist eine Partei der Einheit, auch im intemationalistischen Sinne. Ihre gesamte Arbeit ist auf die brüderliche Freundschaft mit der 3
18. 4
Aus "DDR - Staat der Jugend" (Amt für Jugendfragen beim Ministerrat der DDR 1973, Seite Aus "Vom Sinn des Soldatseins" (Leipzig o.J .• Seiten 37 und 43).
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Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten und auf die Festigung der Einheit der Staaten der sozialistischen Gemeinschaft orientiert. Zugleich verpflichtet sich ihr Internationalismus, für die Einheit der kommunistischen und Arbeiterbewegung in der Welt einzutreten, die Einigung aller anti-imperialistichen Kräfte in der Welt zu fördern, diese Kräfte zu unterstützen, mit ihnen brüderlich zusammenzuarbeiten. Seit ihrem Bestehen hat die SED die Bürger der DDR im Geiste des sozialistischen Internationalismus und vor allem zur unverbrüchlichen Freundschaft mit der Sowjetunion erzogen. Als gemeinsame strategische Hauptaufgabe der sozialistischen Gemeinschaft betrachtet unsere Partei die Sicherung des Friedens gegen die imperialistische Globalstrategie, damit durch die gemeinsamen politischen, ökonomischen, ideologischen, kulturellen und militärischen Anstrengungen die Überlegenheit des sozialistischen Gesellschaftssystems über den Imperialismus allseitig erreicht wird. Erster Sekretär des ZK der SED, Ulbricht, am 17.12.1970 zur nationalen Frage. 5
F So viele nationale Unterschiede es gibt, so spezifisch manche Formen und Methoden, z.B. in der Landwirtschaftspolitik, sind- die Gemeinsamkeiten überwiegen bei Völkern, die von marxistisch-leninistischen Parteien geleitet werden. Die Arbeiterbewegung verbindet Deutsche und Polen seit über hundert Jahren. An jedem meiner zehn Reisetage habe ich erfahren: Obwohl ich eine Dolmetscherin brauchte, fand ich mit den polnischen Genossen schnell eine gemeinsame Sprache. Mit den Deutschen hingegen, die von der imperialistischen Ideologie besessen sind, kann ich mich nicht verständigen.6
G Die Prinzipien des sozialistischen Internationalismus haben einfestes wissenschaftliches Fundament: die Erkenntnis der objektiven Gesetzmäßigkeilen, die der Epoche des Sozialismus eigen sind. 'Aus "Texte zur Deutschlandpolitik", Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen, 1971, Band 6, Seite 295. 6
Aus "Sozialistischer Alltag in der DDR" (Berlin 1970, Seite 118).
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Eine dieser Gesetzmäßigkeilen besteht in der Selbstbestimmung, in der Eigenstaatlichkeit der Nationen. Gleichzeitig wirkt aber auch die Gesetzmäßigkeit, daß sich die Nationen und Völker annähern, daß sich ihre Winschaftssysteme angleichen. Die nationale Frage ist von der Entwicklung der Klassenbeziehungen nicht zu trennen. Der soziale Inhalt der nationalen Frage unter den Bedingungen des Sozialismus besteht in erster Linie im intemationalistischen Zusammenschluß der Werktätigen. 7
H Die Deutsche Demokratische Republik hat viele Freunde. Gestern besuchten sowjetische Gäste unsere Stadt. Sie sahen sich die neuen Gebäude in der Leninallee an. Auf dem Friedhof ehnen sie die gefallenen Soldaten der Sowjetarmee. Einige Gäste kamen in die 8. Klasse zum Russischunterricht. Maja begrüßte sie in russischer Sprache. a) Gliedere jeden Satz in Subjekt und PrädikatsverbandI b) Schreibe aus jedem Prädikatsverband die Verbfonnen auf! Schreibe daneben die Nennform der Verben! c) Stelle im letzten Satz fest, was du im Prädikatsverband alles erfiihrst!8
Die vorliegenden Beispieltexte sind wie folgt zusammenzufassen:
* Internationalismus hatte formal einen hohen Stellenwert im Selbstverständnis
* * * * *
der DDR: Verfassungsrang. Internationalismus war nicht nur Teil der herrschenden Staatsideologie, sondern wurde auch im Erziehungssystem und in der Jugendpolitik umgesetzt. Das Spannungsfeld zwischen nationaler Identität und wachsendem DDR-Selbstbewußtsein einerseits und der Einbindung in die sozialistische Staatengemeinschaft andrerseits sollte rhetorisch aufgehoben werden. Internationalismus war als Grundhaltung im politischen wie im pädagogischen Zusammenhang beschränkt auf die sozialistische Staatengemeinschaft, also immer sozialistischer Internationalismus. Internationalismus war gleichbedeutend mit der Freundschaft zur Sowjetunion. Der S.I. war ein Kamptbegriff, mit dem sich die DDR gegenüber dem Imperialismus und dem Monopolkapitalismus abgrenzte.
7
Aus ..Staatshürgerkundt: Klasst: lo" (Bt:rlin 1973, Sdtt: 24).
'Aus .. Unst:rt: Muttt:rspracht: Klasst: 3" (Berlin 1976, Sdtt: 9).
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3. Internationalistische Einstellungen
Worauf zielte die Erziehung zum S.l. ab, welche Einstellungen waren Gradmesser und Indikator hierfür? Welche Einstellungen hatten Jugendliche in der DDR? Waren die Jugendlichen internationalistisch eingestellt? Um diese Fragen beantworten zu können, bedarf es verläßlicher Quellen. Eine solche sind möglicherweise die Untersuchungen des Zentralinstituts für Jugendforschung (ZIJ). Das Leipziger ZIJ war 1968 eingerichtet worden, um "den Erfordernissen der FDJ entsprechend" die wissenschaftlichen Grundlagen bereitzustellen für "sozialistische Jugendpolitik", die zur Entwicklung "sozialistischer Persönlichkeiten" führen sollte. 9 Aufgrund dieser generellen Vorgabe wie auch des Erfordernisses, einzelne Forschungsvorhaben genehmigen lassen zu müssen, 10 geben die Untersuchungen des ZIJ in jedem Fall Hinweise darauf, welche Fragestellungen von politischem Interesse waren und welches Verständnis einem Begriff wie "sozialistischer Internationalismus" ggfs. zugrundelag. Eine andere Frage ist jedoch, inwieweit diese Untersuchungen, insbesondere empirische Arbeiten, die das DDR-Institut anfertigte, tatsächlich die damalige Wirklichkeit zu beschreiben geeignet waren. Dies ist - wie bei jeder Umfrage, unter welchem Regime auch immer - zunächst die Frage der Repräsentativität. ZU-Untersuchungen fallen zwar durch recht hohe Befragtenzahlen auf, unterschieden nach sozioprofessionellem Status, die Befragten allerdings waren nicht repräsentativ ausgewählt. Dies hatte den praktischen Grund, Arbeiterjugendliche oder Studenten in größeren Gruppen am Arbeitsplatz bzw. Studienplatz befragen zu können. Diese gruppenweise schriftliche Befragung wird von den damaligen ZIJ-Verantwortlichen heute als Garant für die Anonymität der Befragung gewertet. 11 Die entscheidende Frage ist heute nicht mehr, ob bei der Auswertung der Fragebogen die den Befragten zugesicherte Anonymität gewahrt wurde, son-
'Waller Friedrir.h I Hanmut Griese . Band II .. S. 12 b ... Es 1st unbestnnen. daß die slowakische Intelligenz heutzutage die großen Aufgaben nicht bewältigen kann. hier muß die slowakische lnteligenz aus Amerika und unsere Intelligenz aushelfen. Die Slowakei wird unser Kolonialland werden. Es ist eine falschliehe Ansicht. das Kolonialland dürfe an das Munerland nicht grenzen. Ein Beispiel ist Rußland mit Sibinen ...
Die ungelöste slowakische Frage 1918 und 1945
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choslowakischen Staatsideologie nach 19456 und die sogenannte durch den Klassenkampf gelöste slowakische Frage. Nach der Martiner Deklaration der Slowaken vom 30. Oktober 1918 für die Tschechoslowakei wurde die slowakische nationale Autonomie international sehr aktualisiert auf der Basis der Autonomie in der CSR im innenpolitischen Kampf an der Spitze mit Hlinkas Slowakischer Volkspartei. Danach entstand in der Emigration eine separatistische Bewegung auch gegen die Tschechen, insbesondere bis Trianon, aber besonders in der ersten Hälfte der 20er Jahre. Die revisionistische Politik in Budapest versuchte das auszunutzen. Die Unterstützung kam von Polen, wo sich eine Emigrantengruppe aus Hlinkas Partei mit F. Unger an der Spitze gebildet hatte (Krakau/Teschen). Das war (inklusive der Aktivitäten in Amerika), können wir sagen, ein eindeutiger Kampf um die Selbstbestimmung der Slowakei auf "rein slowakischer Basis" bzw. auf der Konzeption der selbständigen Slowakei in einer Konföderation mit Polen7 • Sehr hart war dieser oppositionelle Kampf in der slowakischen Politik (Hlinkas und seit dem 16. Oktober 1932 mit der Slowakischen Nationalpartei, dem sog. Alltonornistischen Blok) gegen Prag und die prozentralistischen slowakischen Parteien8. Bei den protschechischen Politikern war nur ein Teil an der Spitze mit I. Derer, I. Markovic für die tschechoslowakistische Konzeption aus Überzeugung, aber die Mehrheit war korrumpiert, was auch deutsche Diplomaten betonten. 9 Budapest hat diesen slowakischen Kampf gegen Prag indirekt, aber auch direkt mit Geld unterstützt (V. Tukas 1') in der revisionistischen Bewe• Slovenska otazka v dejinach ceskoslovenska (1945-1992) (Die slowakische Frage in der Geschichte der Tschechoslowakei 1945-1992). Hrsg. M.Barnovsk, Bratislava 1994. Barta, J.: Riesenie vztahu Cechov a Slovakov 1944-1948. (Die Lösung des Verhälmisses der Tschechen und der Slowaken 1944-1948). Bratislava 1968. Kirschbaum, St. : Slovaques et Tcheques, Lausanne 1988. 7 Grebert, A.: Der Selbständigkeitswille der Slowaken in den Jahren 1919-1920. In: Slowakei, München 1989, S. 61-73. Hoensch, J.: Der ungarische Revisionismus und die Zerschlagung der Tschechoslowakei. Tübingen 1967. Aus tschechoslowakischer Sicht: Kramer, J.: lredenta a separatizmus v slovenskej politike (Die Irredenta und der Separatismus in der slowakischen Politik). Bratislava 1957, ebenfalls Petko, J.: Slovenska politicka emigracia v 20. storoel (Die slowakische politische Emigration im 20. Jahrhundert). Praha 1994, S. 59f u.a. 8 Obolt, W. : Die Slowakei und ihre Parteien. In: Slowakei, XXVIII München 1991 , S. 135-205. Vergleiche: Paliticke strany na Slovensku (Politische Parteien in der Slowakei 1860-1992). Hrsg. L. Lipuik, Bratislava 1992 .
• Krajeovit, M.: Slovensko V Zahranicnopolitick' ch suvislostiach 1918-1922 (Die Slowakei in auslandpolitischen Zusammenhängen 1918- 1922). In: Slovensko v politickom systeme Ceskoslovenska. Bratislava 1992, S. 151. 10 Hoensch, J. : Der ungarische Revisionismus (S. 16f.) Über Tuka führt er an, dieser hätte anfangs die ungarische finanzielle Hilfe akzeptiert und daher ist es nicht klar, ob er bereits zu diesem Zeitpunkt fiir einen unabhängigen nationalen Staat der Slowaken eintrat. Aus tschechoslowakischer
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Milan Krajcovic
gung. Die ungarische Friedensdelegation hat mehrere Dokumente für die Autonomiebewegung der Slowaken in der CSR als offlzielle Dokumente vor der Friedenskonferenz11 , auch Hlinkas berühmtes Memorandum12 , welches er mit Jehlicka in seiner Mission mit Hilfe Polens nach Paris im August 1919 brachte, als Annex 15 vor. Diese Auslandshilfe hatte indirekt aus der globalen Sicht der Kontinuität des Kampfes der Slowaken für ihre territoriale Staatlichkeil auch positive Seiten, aber in der konkreten politischen Realität der 20er und 30er Jahre war das aus der Sicht der nationalen Interessen der Slowaken gefahrlich. Für die Stärkung des slowakischen Nationalismus war es am günstigsten, in der CSR zu bleiben. Die sog. geheime Klausel der Martiner Deklaration, also der Verhandlungen des slowakischen Nationalrats am 31. Oktober 1918, hat von l 0 Jahren Absenz in der Autonomie für die Slowakei gesprochen, auch wegen der magyarischen Gefahr in der Slowakei, auch wegen der Absenz der slowakischen Mittelklasse und Intelligenz im Jahre 1919 13 • Jedenfalls international war der slowakische Kampf für die nationale Identität gegen Prags Theorie über die sog. "tschechoslowakische Nation" nicht ohne Bedenken. K. Schwarz bezeichnete diese Fiktion als eine spezifische Form des tschechischen Nationalismus. Es geht um die erwähnte Mission Hlinkas und F. Jehlicka nach Paris zur Friedenskonferenz im August 1919, welche immerhin eine andere Lösung der Frage aufwarf. Benes sagte dem Österreichischen Gesandten sogar, daß die Slowaken überhaupt keine Autonomie wollten 14 • Problematisch für den Kampf der Sicht: Derer, I.: Slovensk' vyvoj a udacka zrada (Die slowakische Entwicklung und der Verrat der "udaci"). Praha 1946, S. 36f. Krajlovic, M.: Slovensko 1918-1922. 11 Krajeovic, M. : Dolnozemskf Slovaci a mierova konferencia v Parili 1919-1920 (Die niederungarischen Slowaken und die Friedenskonferenz in Paris 1919-1920). In: Slovaci v Mazarsku. Bratislava 1994, S. 36f. 12 Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Auswärtige Angelegenheiten, Neues Politisches Archiv (NPA AA ADR), Wien, K 747, Budapest 15. ll.l919 I auch Prag 18.9 ./10. 10. 1919. Im Memorandum vom 20.9.1919 welches Hlinkas Mission dem Sekretär der Konferenz Dutastas und anderen Großmächten gegeben hat, wird unter anderem behauptet: ., ... so wurden wir Opfer einer neuen Sklaverei ... an der Stelle des magyarischen Jochs haben wir uns das tschechische Joch angelegt ...die Quelle aller unserer Übel ist, daß als die Tschechoslowakische Republik in Versailles anerkannt war, wurde den Slowaken die politische Autonomie nicht zugesichert ... Slowakei ist eine Kolonie von Tschechien geworden und wir als solche behandelt."
n Krajeovieova, N. : Paliticke strany na Slovensku a usilie o samospravu v dvadsiatych rokoch (Die politischen Parteien in der Slowakei und das Bestreben nach einer Selbstverwaltung in den zwanziger Jahren). In: Slovensko v politickom systeme Ceskoslovenska, S. 47f. NPA AA ADR. Wien, K 61, Prag 5.1.1922 " ... Slowaken gar nicht die Autonomie wollen". hat mir sogar gesagt, daß der Vizepräsident von Hlinkas Partei ihm gesagt hat, .,daß die Partei brauche das Schlagwort Autonomie als Agitationsmittel gegen die Magyaren und gegen Ungarn, die Slowaken seien aber im Grunde ihres Herzens froh, daß alles von Prag regiert werde, da sie ja 14
Bene~
Die ungelöste slowakische Frage 1918 und 1945
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Slowaken war auch Tukas Prozeß (1929) 15 • Aber schon den Appell von Hlinkas Partei an die zivilisierte Welt 16 , die Amerikanische Aktion usw., können wir positiv beurteilen. Man muß aber grundsätzlich bemerken, daß die Stellung der Slowaken vor 1918 in Altungarn mit jener nach 1919 in der CSR kaum vergleichbar war, obwohl Jehlicka dies in den 30-er Jahren in der proungarischen Propaganda idealisierte. Hatten die Slowaken unter der Herrschaft der Magyaren keine kollektiven Rechte, keine Schulen. sodaß sie keine Mittelschicht entwickeln konnten. war diese Mittelschicht in den zwanzig Jahren der Existenz der ersten CSR mit einem kompletten System des slowakischen Schulwesens aufgebaue 7 • Eine neue Generation der slowakischen Intelligenz als Träger des slowakischen Nationalismus ist erwachsen. Auch die kurze Dauer von Tisos slowakischem Staat hat diese Tendenz gestärkt. Wahrscheinlich war ohne die Tschechen im Jahre 1918 eine territoriale Trennung der Slowakei von Ungarn kaum denkbar. Das war eigentlich auch der Fehler von Jehlickas Programm, den wir in den 20er Jahren noch für einen slowakischen Patrioten hielten, daß er von Anfang an die Südslowakei mit der ungarischen Minderheit an Ungarn zurückgeben wollte. Darüber wolte aber die Öffentlichkeit in der Slowakei immer weniger hören und Rothermeres Aktion im Jahre 1927 hat dazu definitiv beigetragen. daß die slowakische autonomistische Bewegung sich nicht nur definitiv gegen Ungarn gestellt hat, aber auch mit Jehlickas Emigrantenbewegung
zur Selbstregierung ohnehin noch nicht reif waren ... ~. Daher fürchtet Bene~ keine Unruhen in der Slowakei. weil auch 15 000 Legionäre welche in der Slowakei sind, sind fahig das zu verhindern. " PAA AA Bonn, R 73799, Prassburg 1.8.1929, .... .die Anklageschrift zum größten Teil aus Phantasie zusammengesetzt ist ... die Ausführungen Tukas zeugte von einer überlegenen Intelligenz und habe sichtlich Eindruck gemacht" ... In der heutigen Historiographie, durch Kramer, J.: Irredenta. Veröffentlichte Dokumente, gelten seine Beziehungen zu Budapest als bewiesen. 16 Über fünf offizielle Autonomieentwürfe mehr Ban/ova, A.: Situacia na Slovensku a ~tätopravne usilie politick-ch strän v tridsiatych rokoch (Die Situation in der Slowakei und die staatsrechtlichen Bemühungen der politischen Parteien in den dreißiger Jahren). In: Slovensko v politickom systeme, S. 56f. Dazu auch PA AA Bonn. R 73819, Prag 29.3.1921, Promemoria slowakischer Autonomisten. über das max.imalistische Tuka-Projekt. R 73820, Prag 30.8.1921, über das Projekt des Vorsitzenden der Slowakischen Nationalpartei E. Stodola, NPA AA ADR Wien, K 747, Prag 2.4. 1921, 24.6.1921. Insbesondere zum 10-jährigen Jubiläum der CSR war eine Gelegenheit für Tukas (als .. geistige Größe" von Diplomaten bezeichnet) Auftreten mit der Theorie des "vacuum iuris". K 76, 3.1 . 1929. Auch Masaryk hat damals einen sehr großen Fehler gemacht. wenn er in einem Brief an Hlinka 12.10.1929, "den Pittsburger Vertrag als Fälschung bezeichnet und diese Behauptung mit emer gerissenen advokatischen Spitzfindigkeit dann zu stützen versucht". PA AA Bonn, R 73811, Prag. 8.6.1934. 17
Johnson. 0. : Slovakia 1918-!938. Education and the Making ofa Nation. New York 1985.
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einen Bruch machte und ihn desavouierte 18 , obwohl er sich immerhin als Vertrauter Hlinkas in der Weltöffentlichkeit vorstellte. Obwohl Hlinka seine Bemühungen öffentlich immer im Rahmen der CSR vorgestellt hat, in seinem Brief an die Orol-Jugend hat er schon symbolisch erklärt: Die Nation ist mehr als der Staat (d.h. die CSR) 19 Analysieren wir die obengenannten globalen mitteleuropäischen Verhältnisse für die Slowakei, kommen wir zum Schluß, daß für die Slowaken die bessere Lösung in der CSR war. Diese Münze hat jedoch auch ihre Kehrseite, eine negative, das Verhalten der Tschechen als Herrenvolk. Z.B. Benes hat bei einer Unterredung mit dem Österreichischen Gesandten Marek am 5. Januar 192220 einen Standpunkt wie ein Kolonialherr vorgelegt: "Die Slowaken sind wie Kinder, die von den Magyaren absichtlich in tiefer Unwissenheit gehalten worden sind, bei denen es noch größerer Aufklärungsarbeit bedarf... " Das Problem liegt eigentlich in der Tatsache, daß die Tschechen in den 75 Jahren der Existenz der Tschechoslowakei kein Abkommen mit den Slowaken gehalten haben, wie das Clevelander Abkommen aus dem Jahr 1915, der Pittsburger Vertrag vom Mai 191821 über die Autonomie und die Föderalisierung. Das Gleiche gilt für die bekannten Drei Prager Abkommen aus dem Jahr 194522 • Ebenso war es mit Husaks Föderalisierung 196823 nach dem Scheitern von Dubceks Prager Frühling. Die tschechische Politik wollte also keine gleichberechtigte Stellung der beiden Nationen. Und auch wenn die deutsche Frage für Böhmen nach der Vertreibung- 1945- nicht mehr so relevant war wie vorher, konnte es zur Trennung kommen. Aus den nationalistischen Kämpfen beim Trennungsprozeß ist bekannt, daß die tschechischen Nationalideologen das Projekt des Dualismus abgelehnt hatten, als eine tschechische Sparkasse oder eine Versicherung für die Slowakei. Damals, im Jahr 1918, brauchten sie unbedingt die Slowaken mit der künstlichen tschechoslowakischen Nation, um einen Nationalstaat auch gegen den Willen von 3,5 Millionen Sudetendeutschen bilden 11
Kramer, J.: Irredentismus, S. 151f.
19
PA AA Bonn, R 3805, Pressburg 17.1.1936.
20
NPA AA. Wien, K 750.
21
Krajeovic, M.: Slovensko 1918-1922.
22 Praiske dohody 1945-1947 (Das Prager Abkommen 1945-1947). Sbornik dokumenry. Hrsg. Kaplan, K. Prag 1992. Kramer. J.: Die Auswirkungen der slowakischen Frage auf die Partei- und Innenpolitik der USSR von 1944 bis 1968. Köln 1969. 23 iatkuliak, J .: Tvorba obsahu ustavneho zakona o ~s . federacii roku 1968 (Die Schaffung des Inhalts des Verfassungsgesetzes über die tschechoslowakische Föderation im Jahre 1968). In: Histaricke ~rudie 37, Bratislava 1996.
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zu können14 • Nach 1945 ist diese Tatsache jedoch verschwunden. Als im Jahre 1989, nach der Abschaffung der kommunistischen zentralistischen Diktatur in der CSSR, die Nationalismen auf beiden Seiten wieder auflebten, war der slowakische Nationalismus mit dem Status quo unzufrieden. Die tschechische Seite war desinteressiert am gleichberechtigten Zusammenleben hauptsächlich aus ökonomischen Gründen. Damit ist die Tschechoslowakei im Jahre 1993 von der Karte Europas verschwunden25 • Noch eine kurze Bemerkung. Das negative Endresultat aus der unterstellten Existenz der slowakischen Nation im Regime des ungarischen Nationalstaats, also zur Zeit des Dualismus (1867-1918, obwohl die Magyaren im multinationalen Altungarn eine Minderheit waren) und zur Zeit der Tschechoslowakei nach 1918 ist bemerkenswert. Obwohl das überraschend klingen mag, hat die slowakische Nation je eine Million ihrer Mitglieder verloren, also von 1867 bis 1993 zwei Millionen. In Altungarn war dies über eine halbe Million durch die gewaltsame Magyarisierung durch die Legislative, Administrative, das Schulwesen, die Kirche usw .. und über eine halbe Million durch die soziale Emigration nach Amerika. In der Tschechoslowakei gab es keine gewaltsame Assimilierung. Aber wegen der zentralistischen Politik Prags und der immer größeren Rückständigkeit der Slowakei (erst Ende der 30er Jahre erreichte die Slowakei das Niveau von 1913i6 , über eine halbe Million Slowaken emigrierten nach Amerika und Westeuropa. aber auch nach Böhmen. Nach der Vertreibung der Deutschen wurde eine Besiedlung dieser Gebiete von Deutschböhmen durch Slowaken, reemigrierte Slowaken, als auch Magyaren organisiert. Es siedelten sich dort etwa 600.000 Slowaken27 an, die in der Mehrheit tschechisiert wurden. z• Siehe diese Argumentation bei Masaryks Memorandum an Grey im J. 1915. im Brief von Bene5 aus Paris nach Prag 12.7.1917. Die Tschechoslowakei. Das Ende einer Fehlkonstruktion. Hrsg. R. Eibich, München 1993. S. 26f.
zs Aus der Fachliteratur zum Zerfall, neben dem zitierten sudetelldeutschen Landsmannschaftsbuch von R. Eibich herausgegeben. ist sehr gut. Schwarz. K.P.: Tschechen und Slowaken. Der lange Weg zur friedlichen Trennung. Wien-Zürich 1993. Über die benachteiligte Stellung der Slowaken erbringt er manche interessante statistische Angaben z.B.: S. 114. im J. 1938 waren in Prags Zentralbehörden nur 130 Slowaken gegen 8 111 Tschechen, im Auswärtigen Amt nur 33 Slowaken. aber I 246 Tschechen, im Verteidigungsministerium 6 Slowaken gegen 1 300 Tschechen, gegen 139 aktiven Generalen Tschechen nur 1 Slowake und 830 Offiziere Slowaken zu 20 800 Tschechen tätig. : 6 Ban/ova. A.: Op. cit .. S. 56f. Schwarz. K.P.: 113. In den Jahren 1918-1932 wurden 260 Betriebe geschlossen und in der Krise 1933-39 noch 455.
"Krajrovic, M.: Reemigräcia Sloväkov z Rumunska a Dolnej zeme po roku 1918 a po roku 1945 (Die Reemigrierung der Slowaken aus Rumänien und Niederungarn nach 1918 und 1945). In: Sloväci v Rumunsku, Bratislava 1995. S. 122f.
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Über diese nicht sehr positive Seite der Existenz und der Entwicklung der slowakischen Nation wurde nicht geschrieben. Die Propaganda hat über die fast zwei Jahrhunderte dauernde slowakische nationale Emanzipationsbewegung in der Weltöffentlichkeit bis heute ein negatives Bild über den wirklichen oder sogenannten slowakischen Nationalismus verbreitee8 , trotz der Tatsache, daß der Nationalismus der Slowaken in der Position des Verteidigers gegen den Chauvinismus und Nationalismus, gegen die Unterdrückung durch diese Mehrheitsvölkergerichtet war. Im sog. demokratischsten Staat in Mitteleuropa- der Tschechoslowakei - wurde aber der slowakische Nationalismus in unserer Geschichtsschreibung als zerstörende Kraft dargestellt. Zusammen mit den neuen Dokumenten, die ich hier verwende, kann man fragen: Für wen war eigentlich diese Demokratie? 29 Der deutsche Diplomat aus Prag, der über die Bürger 1., II. und III. Klasse berichtete, schrieb, daß tschechische Beamten in der Slowakei einen dreimal höheren Lohn haben als die Slowaken. Es war dann ein logisches Resultat als Folge des Münchener Abkommens, wenn diesem Bilde der slowakische Nationalismus der CSR den sog. letzten Schlag gab. Obwohl auch das bekannt ist, daß bei der Audienz Tisos 30 bei Hitler dieser gesagt hat, entweder sie erklären den selbständigen Staat oder er lasse die Slowakei ihrem Schicksal, daß heißt - der Okupation und Teilung. Natürlich billigen wir nicht das undemokratische Regime, die Verfolgung der Juden31 usw. in diesem Staat von Hitlers Gnade. Auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, unter dem zentralistischen kommunistischen Regime ging von Prag aus nach 1948 die Verfolgung der slowakischen Intelligenz in Kampagnen gegen die Vertreter des sog. bourgeoisen slowakischen Nationalismus mit Prozessen weiter, an der Spitze mit dem später berüchtigt bekannten G. Husäk, dem Präsidenten der Tschechoslowakei im über zwanzigjährigen Normalisationsregirne nach 1970. Kompetenten Fachleuten ist es natürlich klar, daß die Angelegenheit mit dem slowakischen Nationalismus nicht so extrem beurteilt werden kann, wie das die Propaganda der genannten Mehrheitsvölker tat. Vor 1918 führten sie in Altungarn die Verfolgung der Slowaken unter der Ägide des Kampfes gegen den va28
Jelinek, Y. : The Lust for Power. Nationalism, Slovakia and Conununists 1918-1948. 1983.
29
PA AA Bonn, R 73818, Prag 27.9.1920.
30 Sidor, K.: Moje pozruimky k historiek-m dyom. (Meine Bemerkungen zu den historischen Tagen). Middletown 1971. Pokus o politick a osobn profil Jozefa Tisu (Ein Versuch um das politische und persönliche Profil von Jozef Tiso). Hrsg. V. Bystrick·, Bratislava 1992. Slovensko v rokoch Druhej svetovej vojny (Die Slowakei in den Jahren des Zweiten Weltkriegs). Hrsg. V. Bystrick, Bratislava 1991.
31 Tragedia slovensk·ch Yidov (Die Tragödie der slowakischen Juden). Hrsg. D. T6th, Banskä Bystrica 1992.
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terlandsverräterischen Panslawismus, nach 1918 aus Prag als Kampagne gegen die Mehrheit der Slowaken, als magyarischer Autonomismus, slowakischer Separatismus bzw. gegen die Slowaken im Solde des magyarischen Irredentimus und Revisionismus. Die tschechische These war, wie ein deutscher Diplomat im Jahre 1921 berichtete32 : "Die Autonomie ist nach ihrer Ansicht nur die Vorstufe der Rückkehr der Slowakei zu Ungarn, liege also nur im Interesse des Ungarntums!" Tatsächlich war das Verlangen nach Autonomie groß, teilweise auch in den protschechischen lutherischen Kreisen (Slowakische Nationalpartei). Diplomaten rechnen dazu über 60 %der Bevölkerung33 • Insbesondere in den 20er Jahren hatte die Propaganda für die Autonomie auch im Ausland eine steigende Tendenz durch Aktivitäten und Aufrufe der Hlinka-Partei an die Weltöffentlichkeit und an den Völkerbund, ebenfalls bei den amerikanischen Slowaken und Emigranten34 • Es gibt vertrauliche diplomatische Mitteilungen schon im November 191935 über die Äußerung eines führenden tschechischen Finanziers, daß nur ein Drittel der Bevölkerung für den Anschluß war, und auch das ist eine optimistische Schätzung. Auf der anderen Seite warnen Österreichische diplomatische Berichte schon im Juni 192036 , daß in Wirklichkeit der autonomistischen Bewegung "zuviel Bedeutung beigemessen wird", die Hauptmasse der Bauern sei mehr an den Preisen ihrer Produkte interessiert. Auch in anderen allgemein vertraulichen Charakteristiken der Lage in der Slowakei schrieb der deutsche Gesandte37 am 14. November 1920, daß ihm führende Österreichische christlich-soziale Politiker erklärt hätten, daß in der Slowakei keine Bedingungen für einen Aufstand bestehen, über welche mehrmals beraten wurde in Wien mit Exilslowaken, Teil der Autonomisten (Tukas Richtung in Hlinkas Slowakischer Volkspartei), mit Deutschböhmen, Polen, Ungarn: "Zur Zeit sind zwei Strömungen führend, die sich gegenseitig durchkreisen, nämlich eine soziale und eine nationale. Von tschechischer Seite bedient man sich der sozialen Strö32 PA AA Bonn, R 73820. Mährisch Ostrau 12.7.1921. Auch das Regierungsorgan Cas, Polemik mit dem Abgeordneten E. Stodola, behauptet, daß die Hauptforderung des Pittsburger Vertrags eigener Landtag ist nicht möglich, weil damit die Gelegenheit gegeben wird, "was die Beherrschung der Slowakei durch magyarische Einflüsse bedeuten würde" . R 73820, Prag 30.8.1921. 33
NPA AA ADR Wien, K 76, 4.10.1923.
34
Kramer J.: Irredenta, demgegen Kirschbaum, J.: Slovakias Struggle for Independence, Hamit-
ton 1974. 35
PA AA Bonn, R 99104, Prag, 23.11.1919.
36
NPA AA ADR Wien, K 747, Pressburg 24.6.1920.
31
PA AA Bonn, R 73818.
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mung, um sie gegen die nationale auszuspielen." Bei der Gelegenheit, "ungeheuerer Triumph Hlinkas" bei Pribinas Feier in Neutra38 im August 1933, hat der deutsche Pressburger Konsul noch eine Kategorisierung gemacht: "Neben der insbesonders starken autonomistischen Bewegung existiert auch eine separatistische" im In- und Ausland, was er am Beispiel der Verhaftung (29. August 1933) des bekannten Patrioten L. Bazovsky wegen dessen Kontakte mit Budapese9 und mit F. Jehlicka dokumentierte. Die staatliche zentralistische Propaganda aus Prag hat sich bemüht eine kompromittierende Bindung zwischen den Autonomisten und den Exilseparatisten hochzuspielen. Aber ein offener programmatischen Bruch und der Kampf gegen Jehlicka40 , insbesondere durch die autonomistische Bewegung hat Rotbermeres revisionistische Aktion verursacht, welche Jehlicka unterstützt hat, erleichterten dieses. Hlinka hat insbesondere in seiner bekannten Rede vor der Jugend in Kaschau41 entschieden gegen Rothermeres auch "Renegaten" auf: " ... wenn es um die Republik geht, besteht und bestand nie ein Unterschied zwischen Tschechen und Slowaken" erklärte eindeutig Hlinka. Auch im Blatt von Hlinkas Slowakischer Volkspartei Sloväk42 standen scharfe Angriffe gegen Rothermere und ein Diplomat bemerkte: "Es ist bemerkenswert, wie deutlich hier das Blatt Hlinkas die Trennungslinie gegenüber den slowakischen Irredentisten ungarischer Observanz zieht (Jehlicka-Unger)". Ein bedeutender Schritt Hlinkas in der antirevisionistischen Kampagne war auch sein Artikel im englischen The Catholic Times vom 13. April The Problem of Slovakia43 . Hlinka weist hier wiederholt jedweden Irredentismus für die Slowakei zurück: " .. .wir brauchen kein magyarisches Protektorat, wir wollen mit den Ungarn in Ruhe leben, aber nur als gute Nachbarn und nicht als ihre Untertanen. Deshalb schicken wir der europäischen Öffentlichkeit die nachdrückliche Aufforderung, den magyarischen Meldungen über unsere Zuneigung zu Ungarn nicht zu glauben". Damit wurde 38
NPA AA ADR Wie, K 76, Pressburg 17.8.1993.
39 Ebenda, K 76 Hoensch, J.: Ungarischer Revisionismus, S.16f. Zum Fall resümiert Bazovsk)t, das war Budapest letzter Versuch, eine Irredenta zugunsten Ungarns ins Leben zu rufen, aber bei den Slowaken war er von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sehe auch Hoensch, J .: Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas, München 1984. 40
PA AA Bonn, R 73820, Prag 31.1.1935.
41
PA AA Bonn, R 73795, Prag, 23.7.1927, Kaschau 30.7.1927.
42
Ebenda, R 73799, Prag 12.7.1927.
43
Ebenda, R 73799, Pressburg 245.4.1928.
Die ungelöste slowakische Frage 1918 und 1945
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auch Jehlickas Mythus gestört, daß sein Auslandskomittee in der Slowakei eine Basis hätte. Um die Wende der 20er und der 30er Jahre hat sich schon in der Slowakei eine entsprechende nationalistische Mittelschicht gebildet. Die internationale Aktualisierung der slowakischen Frage, der Autonomie und der Staatlichkeil wurde natürlich von der ungarischen Regierung intensiv genutzt und sie mißbrauchte auch das Programm der slowakischen nationalen Identität für ihre revisionistischen Ideen. Da es in der Slowakei eine strenge Zensur und seit März 1919 auch eine Militärdiktatur gab, die sich teilweise bis ins Jahr 1922 ausdehnte, war die heimische Öffentlichkeit über den ausländischen Aspekt nicht so gut informiert, wie wir dies heute aus den Zeitschriften der Emigration jener Zeit erkennen können (sie wurden doch meistens illegal aus Polen in die Slowakei geschmuggelt). Wegen der Einstellung Prags zur Autonomie begann dann paradoxerweise die ungarische Regierung diese Karte hochzuspielen (Die Billigung der Autonomie für die Slowakei, 9. Januar 1920). Zur Zeit des Waffenstillstands (also bis 8. Juni 1920) und der anfangliehen Destabilisierung der außenpolitischen Stellung der neuen Nationalstaaten in der ersten Hälfte der 20er Jahre geriet die Frage der Slowakei in den Vordergrund durch die Propaganda von Budapest und die Aktivitäten der Emigrantenbewegung, von denen am glaubwürdigsten die Jehlicka-Unger-Richtung war. Dies geschah auch bei der Ratifizierung des Friedensvertrags von Trianon, vor allem durch die italienische und französischen Presse. Ferner war dies auch der außenpolitische Widerhall der Aktivitäten autonomistischer Kräfte in der Slowakei als auch im Ausland (die Reise der Delegation Hlinkas im August 1919 nach Paris, die Reise der Delegation von Prof. Jehlicka und Prof. Kmosko im Jahre 1920 nach Berlin, Warschau, Rom usw. als Vertreter von Hlinkas Partei, V. Tukas geheime Aktivitäten bei seinen Reisen nach Wien, Paris, Warschau usw.). In Amerika gewann die Bewegung der Protestversammlungen amerikanischer Slowaken für den Pittsburger Vertrag an Bedeutung. Hinzu kamen Reisen der Delegationen aus beiden Lagern in der Slowakei zu den Landsleuten nach Amerika (Jehlicka, Dvortschak, Hlinka, 1:robär, Moys usw.)44 und das Vorlegen vom Memoranden der proungarischen bzw. pro-polnischen slowakischen Emigration, der amerikanischen Slowaken und auch Hlinkas Volkspartei in der Slowakei, den Regierungen, internationalen Organisationen als auch den Vereinten Nationen. Jedoch beurteilen wir schon die Aktivitäten von Jehlickas Genf-Exil-Slowakischen Rat (seit 1933) als eine klar im Dienste der ungarischen revisionistischen Propaganda, obwohl sie noch inuner unter der Ägide 44 Krajeovic, M.: Slovensko v zahranicnopoliticicYch suvislostiach (Die Slowakei in den außenpolitischen Zusammenhängen).
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des slowakischen selbständigen Staates standen. Das beweist auch die Tatsache, daß Jehlicka sich im genannten Slowakischen Rat mit Viktor Dvortschak45 verbunden hat, obwohl dieser schon vor 1918 eine rein magyarische antislowakische Politik führte(am 11. Dezember 1918 rief er in Kosice die sog. Ostslowakische Republik aus). Jehlicka, der seit Jahren aus Budapest einen ordentlichen Monatslohn erhielt, hat ihn natürlich als reinen slowakischen Patrioten vorgestellt, obwohl er in den 20er Jahren ein öffentliches Zusammengehen mit Dvortschak abgelehnt hat, da ihn das in der Slowakei kompromittiert hätte. In der Beurteilung der Geschichte muß man daher das Problem des slowakischen Nationalismus sehr differenziert analysieren. So hat Francois Fejtö in seiner bedeutenden Arbeit über die Geschichte und den Zerfall der habsburger Monarchie "Requiem für eine Monarchie" (Wien 1994) T.G. Masaryk und E. Benes zu den bedeutendsten Nationalisten in Mittelosteuropa erklärt wegen ihres Kampfes um die Zerschlagung der Monarchie. Später hatten gerade diese Persönlichkeiten - als große Demokraten- massiv zum negativen Bild vom slowakischen Nationalismus in der Weltöffentlichkeit beigetragen. Das unabhängige Londoner Wochenblatt- Nation, hat am 1. Oktober 1918 die bevorstehende Entstehung der Tschechoslowakei - als reinen Nationalismus verurteilt: "Der einzige Plan, der unseren demokratischen Zielen entspricht, ist der Bund der Nationen. Dies ist ein Plan, welcher schließlich zur Einheit durch den Internationalismus strebt. Die Tschecho-Slowakei ist der pure Nationalismus. Es ist der letzte professionelle Plan der Aufteilung Europas, bestimmt die eine Rassengruppe auf Kosten einer anderen zu vergrößern." Der bekannte polnische Nationalismus-Forscher Marek Waldenberg betont. daß für ihn Leute in Nationalbewegungen für Gleichberechtigung kämpfende keine Nationalisten sondern Patrioten seien. 46 Im selben Sinn hat sich der frühere Außenminister Genscher mehrmals bei der Entstehung der Slowakischen Republik geäußert. Die Slowaken waren nämlich fast zwei Jahrhunderte im Emanzipationskampf in der Position von Verteidigern, nie haben sie militärische Agression benutzt, was man über die Mehrheit ihrer Nachbarvölker nicht sagen kann. Man kann es auch so formulieren, daß das 20. Jahrhundert den größten Fortschritt für die slowakische Nation brachte. 45 Tajtak, L.: Dvortschakovo separatisticke hnutie a mai.arska iredenta (Dvortschak separatistische Bewegung und die ungarische Irredenta). In: Prispevky k dejinam vychodneho Slovenska 1969, S. 248-269. Hadtörtenelmi levelrar Budapest, VII, 28, 1919-1921. Felvideki Iiga, Dobosz 1, Jehlicska Ferenz, S. 24. Bulisza, K. , Bazovszky, L. , Dvorzsak Gyözö, usw . Lebenslaufund Glaubwürdigkeit aus revisionistischer Sicht. 46 In: Heiner Timmermann (Hg.). Nationalismus und Nationalbewegung in Europa 1914-1945, Berlin 1999, S. 385.
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Zur Charakteristik des slowakischen Nationalismus bzw. der nationalen Bewegung als kontinuierlichem Kampf für die Gleichberechtigung im 19. und 20. Jahrhundert gehört auch die folgende Grundthese: Das Verlangen nach einer Autonomie in den slowakischen Programmen war hauptsächlich mitteleuropäisch-föderalistisch47, weil sie für einen selbständigen Staat keine entsprechende nationale Struktur und Bedingungen hatten. Auch in der Habsburger Monarchie hat das Zentralkornittee der Slowakischen Nationalen Partei bis Mai 1918 auf der Plattform der Großösterreichischen Föderation A. C. Popovicis Buches gestanden, welche auch von slowakischer Seite an der Spitze mit Hodza in der sog. Belvedere Politik initiiert wurde. Den slowakischen mitteleuropäischen Föderalismus können wir auch aus unserer neuesten Forschung mit bisher unbekannten Erklärungen slowakischer Politiker dokumentieren, auch nach Jahren der Existenz der CSR. Der führende Föderalist von 1918 und dann der bedeutendste zentralistische slowakische Politiker, aber mit nationalem Pragmatismus, Milan Hodza hat als Ministerpräsident der CSR in einem vertraulichen Gespräch beim Besuch des Österreichischen Bundeskanzlers in Prag diesem gegenüber erklärt, daß er "den Erzherzog Pranz Ferdinand für den größten Staatsmann, den die Habsburger je hatten, hält. Er sei bereit gewesen mit Erzherzog Franz Ferdinand durch dick und dünn zu gehen, und er hätte diesen Habsburger nie verlassen" 48 . Der Führer der entgegengesetzen Richtung in der slowakischen Politik, F. Jehlicka49 hat in seinem Vortrag in Berlin, wo auch führende Persönlichkeiten der NSDAP (Hess, A. Rosenberg) anwesend waren erklärt: "Die Zerstörung von Österreich-Ungarn war ein Verbrechen, das in irgendeiner Form wieder gutgemacht werden muß. Er kämpfe für einen solchen Plan, daß sich die autonome Slowakei mit Ungarn und Österreich wieder zusammenschließen müssen" . Wir kommentieren und beurteilen nicht die wirkliche Bedeutung beider Erklärungen aus der Sicht der mitteleuropäischen Realitäten, wir illustrieren bloß unsere Analyse des Föderalismus in der slowakischen Politik. Während der ganzen Existenz der Tschechoslowakei war in der Slowakei die Hauptforderung die Autonomie und der Föderalismus, nicht die Trennung. Sicherlich existierten in der Autonomiebewegung auch andere Kombinationen, z.B. mit Polen. Diese Tendenzen waren stark, aber eher in der Emigration,
47
Regional Contact 1991-1992/1-2 Kopenhagen 1993, Meine Diskusionsbeiträge 130, 214.
48 NPA AA ADR Wien, K 415, Wien 19.1.1936. Siehe auch Hodzas Memoiren aus dem Exil: Federation in Central Europe. Retlections and Reminiscenses. London-New York 1941. 49
NPA AA ADR Wien, K 750, Berlin 18.1.1934.
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meist in den 20er Jahren, gehen jedoch auch in die 30er Jahre über (Tukas und Sidors Besuche in Polen). Ein Problem besteht vom Standpunkt der slowakischen nationalen Identifikationsplattform jdie Bewertung von Jehlickas separatistischer Emigrantenbewegung. In der bisherigen Literatur aus den protschechoslowakischen Positionen ist das als verräterisch beurteilt (wie Kramer), nur in den antikommunistischen Emigrantenschriften hat er ein positiveres Bild, das ist aber nicht sehr wissenschaftlich dokumentiertso. Wenn wir bei den Erwägungen über den slowakischen Nationalismus etwas als seine Positiva bezeichnen können, ist es der zweihundert Jahre andauernde kontinuierliche Kampf um die nationale Identifikationskonzeption für eine Demokratisierung und Selbständigkeit; wir möchten aber auch gewisse Negativa des Nationalismus nicht bestreiten, die in seinen Programmen im Feindbild zum Ausdruck kommen. In unserer Realgeschichte sind damit bis heute hauptsächlich die Magyaren und die Tschechen gemeint. Schon im 19. Jahrhundert können wir auch antisemitische Tendenzen bemerken, diese aber auch bekämpfende Aktivitäten, z.B. die sog. Briefe an Juden von Abgeordneten und vom Vizepräsident der Matica slovenskä, V. Pauliny-T6th u.a. Teilweise gibt es auch eine Intoleranz zu den Roma. Diese nationalistischen Streitigkeiten in der slowakischen Presse waren jedoch meistens ein Widerhall des Kampfes der unterdrückten Nation gegen den ungarischen und tschechischen Chauvinismus dieser herrschenden Völker. Der slowakische Nationalismus hatte eigentlich mit anderen Nachbarn der Slowakei kaum größere Auseinandersetzungen. Jahrhundertelang war das Zusammenleben mit den Karpatendeutschen in der Slowakei verhälnismäßig gut, zu größeren Zusammenstößen ist es nicht gekommen, und bei der Entwicklung der Slowakei hat der deutsche Einfluß eher positiv gewirkt51 • Genauso war dies auch mit Österreichern. Es gibt einen bekannten Spruch in der slowakischen Nationalbewegung im 19. Jahrhundert: Alles was wir bekommen haben- im nationalen und kulturellen Bereich- haben wir von Wien (d.h. in den SOer und 60er Jahren). Ebenfalls legten die Slowaken zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Hoffnungen in den Thronfolger Pranz Ferdinand, und R.A. Kann hat be-
so Cüten, K. : Dr. Rudolf Franti~ek Iehlicka (1879-1939). In: Literarny almanach, Cleveland 1957. S. 78-89. Auch Schriften von A. Grebert. SI
Kraji'ovi~.
M.: Das Bild der Deutschen.
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tont, daß die slowakische Sache mit der Belvedere-Politik viel gewonnen habe, und der Thronfolger wurde als Protektor der Slowaken vorgestellt52 • Die Verhältnisse mit Polen waren - bei diesen zwei sehr katholischen Völkern - (bei den Slowaken jedoch ein Drittel Lutheraner) auch meist gut, insbesondere im 20. Jahrhundert53 • Das Abtreten von kleineren Teilen der Komitate Orava und Zips an Polen war günstig vor allem für die Tschechen, weil sie das reicheTeschener Gebiet behalten konnten. Die slowakischen Nationalisten richteten auch hier ihre Verbitterung mehr gegen Bene~. auch wegen seiner Bereitschaft, Zugeständnisse an die Magyaren zu machen54 , weil er das ohne Zustimmung des slowakischen Volkes gab55 • Jahrzehntelang theoretisierten und seit 1919 auch mit Audienzen bei Pilsudski, Beck u. a. versuchten die Slowaken, eine aktive Politik zugunsten des propolnischen staatsrechtlichen Programms zu machen. Aber wie manche polnische Historiker bis heute sagen, war es ein Fehler in den polnischen politischen Konzeptionen, daß sie nie ein volles Verständnis für diese Vorstellungen bzw. für die eigenen slowakischen Wünsche hatten. Im Schatten ihrer großen Probleme mit der Nachbarschaft Rußlands, bzw. der Sowjetunion oder Deutschlands, hatten sie den slowakischen Politikern und Deputationen (z.B. im August 1919 anläßlich der Audienz von Hlinkas Mission bei Pilsudski56) immer geraten sich mit Ungarn zu verbünden. Damit wollten die Polen eine alte antipanslawistische Utopie verwirklichen, nämlich eine gemeinsame Grenze von Ungarn mit Polen ohne Rücksicht auf die Slowaken. Obwohl aus den Berichten Jehlickas nach Budapest über seine Aufenthalte und Beratungen in Polen in der Zwischenkriegszeit hervorgeht, daß dieses Ideal der polonophilen Slowaken immerhin eine kontinuierliche Unterstützung fand (z.B. bei der sozialdemokratischen und der nationalde52 Krajeovit, M.: Solidarita Nemazarov v starom Uhorsku 1890-1918 (Die Solidarität der NichtMagyaren in Altungarn 1890-1918). In: Historicke ~rudie 38, Bratislava 199.
n Gropmada, T.: Polnisch-slowakische Beziehungen in den Jahren 1918-1939. In: Weltkongreß der Slowaken 1973, S. 59f. s• Hoensch, J .: Polen und die Tschecheslowakei - oder das Scheitern der slawischen Solidarität. In: Gleichgewicht-Revision-Restauration. Hrsg. K. Bosl, München 1976, S. 47f. Krajeovit, M.: K politickym dejinam sankcionovania hranlc Slovenska (Zur politischen Geschichte der Sanktionierung der Grenze der Slowakei). Bratislava 1993, S. 47f. ss Kirschbaum, St.: Die Stellung der slowakischen Volkspartei zur Außenpolitik Prags. In: Gleichgewicht-Revision-Restauration. S. 32lf. PA AA Bann, R 74075. Grenzfragen-Tschechoslowakei 1922-1924. s• Rudinsky, J .: Ceskoslovensk Stcit a Slovenska republika. München 1969. Valenta, J .: Poska politika a Slovensko v roku 1919. (Die polnische Politik und die Slowakei im Jahre 1919). In: HC 1965, S. 403f. Gromada, T.: Pilsudski and the Slovak Autonomists. Rec. In: Jahrbuch flir die Geschichte Osteuropas, München 18/1970, S. 476.
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rnokratischen Partei und im Kreise der jüngeren Offiziere um Pilsudski), warnte Jehlicka Budapest, daß manche politischen Kreise in Polen sicherlich für eine gerneinsame Grenze, aber nicht an den Karpaten, sondern an der Donau57 , seien. Der Höhepunkt dieser propolnischen staatsrechtlichen Bewegung war die Gründung des Slowakischen Nationalrats im Exil im Mai 192058 mit Jehlicka und Unger an der Spitze. Noch vorher, als sich Jehlicka überzeugt hat, daß Budapest seine Zustimmung für die Autonomie der Slowakei (vom 9. Januar 1920 - eigentlich ging es um einen abgeänderten Entwurf von Jehlicka) nicht ernst meinte, publizierte er in der Gazeta Warszawska arn 7. September 1920 ein Programm für die Selbständigkeit der Slowakei in einer Föderation mit Polen. Auch mehrmals in Ungers Emigrantenzeitung Sloväk in Jehlickas und Ungers Artikel Nasa orientacia59 vorn September 1920, erklärten sie u.a. : .,Die Slowakei darf nie mehr unter die Herrschaft Ungarns gelangen". Während Jehlickas Reise durch Amerika, wo er für die neue Orientierung bei den amerikanischen Slowaken warb (obwohl diesmal noch erfolglos, seit 1928 jedoch gelang es ihm mehrere nationalistische Darsteller, wie z. B. G. Kozik60 , einen der Schöpfer des Pittsburger Vertrags, u.a. für die Idee der Selbständigkeit zu gewinnen), hat Unger schließlich am 25. Februar 1921 einen selbständigen slowakischen Staat ausgerufen und die Bildung einer provisorischen Regierung mit Jehlicka an der Spitze proklamiert. Aber wie auch deutsche Diplomaten berichten61 , hatte dies lediglich einen symbolischen Wert, auch wegen des geringeren Widerhalls in Polen und der ablehnenden Haltung von Pest. Damit hatte die propolnische Konzeption ein immer geringeres Raison d'etre unter den slowakischen Nationalisten, obwohl sich diese Aktivitäten in den 30er Jahren bei den Autonomisten wieder erneuert hatten62 •
"Kramer. 1.: Revisionismus. S. 207f. s• Kramer, J .: Op.cit .. 49, Krajc'ovic. M.: Slovensko 1918-1922. s9 Kramer, J.: Op.cit.. 70. 60
Ebenda. 213. Übereinkommen Koliks mit J. Tiso im J. 1931.
61
Krajc'ovic, M. : Slovensko 1918-1922, S. 150f.
61 Orloj. E.: Karol Sidors Polenfreundschaft. In: Slovak Studies XXVI-XXVII, Padova 1990, S. 37f. Decik, L.: Hra o Slovensko. Slovensko v politike Maiarska a Polska v rokoch 1933-1939 (Das Spiel um die Slowakei. Die Slowakei in der Politik Ungarns und Polens in den Jahren 1933-1939). Bratislava 1991. dzrnogurskf, P.: Deklaration über eine polnisch-slowakische Union. In: Slowakei, IX. München 1971. S. 57f.
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Auch mit den östlichen Nachbarn der Slowakei, den Ruthenen-Ukrainern, bestanden seit Beginn der Nationalbewegungen arn Ende des 18. Jahrhunderts keine größeren Probleme. Im Gegenteil, seit den ersten Phasen der slowakischen Nationalbewegung waren ruthenische Vertreter im 19. Jahrhundert dabei, und Dobrjanski z.B. war unter den Gründungsmitgliedern der Matica slovenskä im Jahre 1863. Die Slowaken haben in ihren Memoranden63 und Programmen immer auch Rechte für die Ruthenen in Altungarn verlangt. Allerdings nach 1918 ist es zu gewissen publizistischen Zusammenstößen zwischen aggressiven Nationalismen gekommen. Das Problem tauchte bei der Konkretisierung der Staatsgrenze zwischen der Slowakei und Karpatenrußland und der ethnischen Grenze zwischen den Slowaken und Ruthenen auf (worüber es zwischen Moskau und den Slowaken in der Presse Auseinandersetzungen schon seit 1890 gab64 ). Durch eine intensive Propaganda aus Budapest unterstützt, verlangten die Moskalophilen oder ukrainischen Nationalisten fast die ganze Nordost-Slowakei bis zur Stadt Poprad (Deutschendorf). Sie versuchten dazu, die national nur gering bewußten Ostslowaken zu gewinnen, meist unter dem Beweis ihrer religiösen Zugehörigkeit zur griechisch-katholischen Kirche65 • Das neugeschaffene griechisch-katholische Bistum in Preschow war das Zentrum für diese Assimilationstendenzen, insbesondere Bischof Gojdic66 • Die slowakische Geschichtsschreibung in der Emigration hat immer wieder behauptet, daß dies auch mit der Unterstützung Prags geschah, man hat z.B. in der Zwischenkriegszeit 100 slowakische Schulen ruthenisiert67 , obwohl Prag in Karpatenrußland - umgekehrt - Schulen tschechoslowakisierte. Jetzige Statistiken geben etwas über 16.000 Ruthenen und 13.000 Ukrainer in der Ostslowakei an. Man ' 3 Krajrovic. M.: Program Memoranda Slovaka iz 1861 godine. In: Zbornik Matice srpske za istoriju 39. Novi Sad 1989, S. 129f.
•• Krajrovic. M.: Hranice Slovenska (Die Grenze der Slowakei). S. 54f. Weiter z.B. Slovensky t)'zdenik. 18.3.1904, 0 rusko-slovenskej hranici (Über die russisch-slowakische Grenze). Slovenske poh 0 ady 1906, Nr. 9 .. 1907, Nr. 3. 7. usw. 63 Siehe diese Tendenz. z.B. Macu. P .: National Assimilacion. The Case oflhe Rusyn-Ukrainians of Czechoslovakia. In: Easl Cemral Europe II., 1975, S. IOlf. Demgegen LAcko, M.: Näcn dejin slovenskych greckokatolikov (Der Abriß der Geschichte der slowakischen Griechisch-Kalholiker). In: Most XIII. Clevelend 1966. S. 123 f., Uzhorodskä unia. In. Most V/1958, S. 109. Maeauga. M. : Eastern Slovakia Inhabited for Centuries by a Great Slovak Majority. In: Slovakia IV, 1954, Nr. 3-4. S. 52f. Potemra, L.: Rulhenians in Slovakia and Greek-Calholic Diocese of Preschow (Mit ethnischer Karte). In: Slovak Studies I. Cleveland I961, S. 199-220. Ha/aga. 0.: Slovanske osidlenie Potisia a vychodoslovenski greckokatolici (Die Slawische Ansiedlung der Theißregion und die ostslowakischen Griechisch-Kalholiker). Ko~ice 1947. 66 Dudai, A. : Rusinska otäzka a jej uzadie (Die rulhenische Frage und ihr Himergrund). Buenos Aires 1971, S . 138. 67
Ebenda, S. 130.
9 Timmcnn:snn
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kann aber immerhin in einigen Schriften noch die erwähnten utopischen Konzeptionen als Raritäten finden. Sonst ist das Verhältnis gut. Mit den Ungarn ist das Verhältnis von allen Nachbarn der Slowakei am problematischsten, aber auch nicht so schlecht, wie man in manchen Kreisen im Westen glaubt. Streitigkeiten gibt es in der Frage der Minoritäten in beiden Staaten, in Ungarn wegen der Ressentiments um den Trianon Friedensvertrag und eine publizistische Empfmdlichkeit in der Slowakei wegen ihrer Südgrenze mit Ungarn. Zu nationalistischen Hetzereien hat auch der Streit wegen das Donaukraftwerk Gabcfkovo beigetragen. Wie bekannt, war Horthys Ungarn in der Zwischenkriegszeit kein demokratischer Staat, sondern ein Staat mit einer revisionistischen und Antiminoritätenpolitik. Der Österreichische Gesandte hat am 13. Dezember 1934 aus Ungarn68 über die Minoritätenfrage berichtet: "Die ungarische Regierung kann sich gar nicht beklagen, da die ungarische Minorität in der Slowakei besser behandelt wird als die Minoritäten in Ungarn." Für Horthys Ungarn war die Slowakei ein nur für kurze Zeit durch die Tschechen besetzter Teil Oberungarns (Felvidek). In den Plänen ungarischer Regierungen sollte die Slowakei - wie dies Premier Bethlen69 bei seiner Vortragsreise im Jahr 1934 in England erklärte- eine nur beschränkte oder überhaupt keine Autonomie erhalten. Im Januar 1920 hat der Deutsche J. Bleyer, als Nationalitätenminister für die Slowakei ein Gesetz über eine breitere Autonomie vorbereitet. Das ahnte auch der Führer der slowakischen separatistischen Bewegung in der Emigration, F. Jehlicka, als er Anfang der 20er Jahre noch an seinem ursprünglichen slowakischen nationalistischen Programm festhielt und hat sich daher für das propolnische Befreiungsprogramm entschied. Auch der größte Kämpfer für die propolnische Föderation, Unger, hat mit ihm in Krakau am 25. Mai 1921 eine provisorische Regierung gebildet (Curier Codzienny, 24. 8. 1921 70). Wie dies ein deutscher Diplomat berichtete, hatte Jehlicka schon in seiner Erklärung in der Gazeta Warszawska am 7. September 1920 betont: "Das aufgeklärte slowakische Volk will auch keine Rückkehr nach Ungarn, selbst werm Ungarn den Slowaken eine Autonomie gäbe. Der Slowakische Volksrat hat sich nach den Verhandlungen eines Jahres überzeugt, daß die Magyaren den Slowaken keine Autonomie geben wollen" e 1
61
NPA AA ADR Wien. K 429.
•• PA AA Bonn. R 73811. Budapest 16.2.1934. 10
PA AA Bonn. R 73820. Warschau 24.1.. 12.8.1921. Prag 30.8.1921.
" PA AA Bonn. R 73818. Warschau 10.9.1920.
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Doch später in den 20er Jahren hatte sich Jehlicka auch wegen seiner fmanziellen Not immer mehr an Budapest gewandt (er verteidigte sich damit, daß die amerikanischen Slowaken ihn fmanziell nicht so unterstützt hatten wie geplant). Seit 1927 schickte er sogar regelmäßig Berichte nach Budapest72 wegen monatlicher Subventionen seiner Aufenthalte in Wien. Wenn wir sein magyarisches, als .,rein slowakisch" bezeichnetes Programm und seine Tätigkeit in den 30-er Jahren schon nicht billigen, ist das nicht wegen seiner Subventionen aus Budapest. Jede Emigration nimmt Geld für ihre Tätigkeit von einer Drittmacht. Es geht mehr um die innere Überzeugung, den Standpunkt eines Emigrantenpolitikers, da wir glauben, daß Jehlicka, Unger & Co. noch in den 20er Jahren an der Seite des slowakischen nationalistischen Programms standen. Jehlickas proungarische revisionistische Haltung ist auch aus der geheimen Notiz über seine Unterredung mit Vizekanzler von Papen in Berlin am 23. Januar 193473 ersichtlich: "Der Slowakische Rat sei der Ansicht, daß bei einer Revision des Vertrags von Trianon die von Ungarn bewohnten Teile der Slowakei an Ungarn zurückfallen müssen. Unter diesen Umständen hätte die Slowakei keine Lebensmöglichkeit innerhalb des tschechischen Staates. Der Slowakische Rat propagiere daher eine Rückgliederung der gesamten Slowakei an Ungarn. Vertraulich bemerkte Prof. Jehlicka, daß der Slowakische Rat fmanziell aus Budapest unterstützt werde ... " Eine solche Widersprüchlichkeit oder Taktik Jehlickas sieht man aber mehrere Male. Auch einige Monate später, in einem öffentlichen Flugblatt74 .,Aufruf an das slowakische Volk" behauptet er: .,Wir fordern die Bildung eines besonderen slowakischen Staates". Aber in einer Denkschrift des Slowakischen Rats an die Sudetendeutschen im Novemer 193375 (Jehlicka, Unger, Dvortschak, Bulissza) behauptet dieser - "Wir ,verlangen' als selbstberechtigte Nation mit internationalen Garantien das Selbstbestimmungsrecht im Rahmen des ungarischen Staates" . In einer anderen Broschüre bestritt Jehlicka sogar, er nehme Geld von Budapest, und wandte diese Vorwürfe gegen sich aus Prag und Bratislava so, daß diese Slowaken aus Prag Geld beziehen! Wir beurteilen diese Tätigkeit der slowakischen Separatisten in den 30er Jahren als der slowakischen Sache nicht dienlich, und insbesondere Jehlickas wiederholte Kontakte mit italienischen Faschisten (Audienzen bei Mussolini) und
72
Kramer, 1.: Op.cit., S. 131.
71
PA AA Bonn, R 30493.
74
PA AA Bonn, R 3805, Pressburg 12.11.1933.
75
PA AA Bonn, R 73811 , Wien 4.11.1933.
9•
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der NSDAP76 hatten bewirkt, daß er in der Slowakei vollkommen den Boden verloren hat. Auch die autonomistische Bewegung in der Slowakei hatte sich von ihm defmitiv distanziert (Sloväk, 20. Januar 1934). Aber durch meine Forschung im Österreichischen Diplomatischen Archiv kann ich dokumentieren, daß auch heimische slowakische Nationalisten schon Kontakte zu diesen hatten. Der Vertreter der Slowakischen Naionalpartei, J. Bezo77 führte Verhandlungen in Berlin am 1. Februar 1934, und es gibt sogar Berichte über Tukas Verhandlungen in der Sowjetischen Botschaft in Wien78 ). Die Gegensätze des ungarischen und slowakischen Nationalismus in der Zeit des Zweiten Weltkrieges - obwohl sie Verbündete waren - hatten sich zugespitzt (für die Slowakei war das Diktat aus Wien unakzeptabel79 - das Abtreten der Südslowakei an Ungarn und der sog. Kleine Krieg80 - der Angriffvon Horthys Armee in der Ostslowakei). Die nationalistischen Gegnerschaften hatten sich im globalen internationalen Rahmen nach dem Ende des Weltkrieges 1945 noch verbreitet wegen der internationalen Pläne über die Aussiedlung bzw. den Austausch der Bevölkerung zwischen Ungarn und der Tschechoslowakei. Budapest hatte kein Interesse an einem Austausch81 • Die Magyaren wollten die Trianoner Grenzen zu ihren Gunsten ändern. Prag hatte in dieser Sache keine solche dringenden Interessen, wie bei der Aussiedlung von über drei Millionen Sudelendeutschen aus Tschechien. Durch die Friedenskonferenz in Paris ist es nur zur Entscheidung über einen Austausch gekommen. Daher sind etwa 80.000 Magyaren nach Ungarn ausgesiedelt worden und etwas mehr als 70.000 Slowaken aus Ungarn sind in die Südslowakei und ins Sudelenland gekommen. die sich dort meist assimiliert hatten82 • Zur Zeit des totalitären kommunistischen Regimes wurden in der Slowakei nationale Gedanken durch den proletarischen Internationalismus bekämpft. In Ungarn sind aber schon in den 60er Jahren, unter Kadars Regime, auch in der Geschichtsschreibung nationale und nationa76
Kramer. J.: Op. cit .• S. 223f.
"NPA AA ADR Wien. K 750. Berlin 1.2.1934. "Ebenda. K. 745. Wien 8.7.1926. "' Viedenska arbitraz (Wiener Arbitrage). Hrsg. L . Deilk. Bratislava 1993. Krvacajuca hranica (Blutende Grenze). Hrsg. J. Kirschbaum. Prievidza 1994, Die okkupiene Südslowakei hat 10 000 qkm. mit 624 337 Ungarn und 622 916 Slowaken- S. 33. 80
Malli vojna