Nachhaltige Entwicklung: Grundlagen und Umsetzung [2. aktual. Aufl.] 9783486856002

  This book provides an introduction to the model of sustainable development, and discusses the theoretical principles

303 104 3MB

German Pages 296 Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage
1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung
1.1 Historische Vorläufer der Nachhaltigkeit
1.2 Grenzen des Wachstums
1.3 Der Brundtland-Bericht
1.4 Der Rio-Prozess
1.5 Exkurs: Die Kontroverse Ökologisch dominiertes Konzept versus Drei-Säulen-Konzept
1.6 Die bisherige Dominanz der Umweltpolitik
1.7 Umsetzung des Leitbildes durch Nachhaltigkeitsstrategien
2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung
2.1 Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung
2.2 Das Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie
2.3 Grundlagen nachhaltiger Entwicklung
2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit
2.5 Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit
2.6 Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit
2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit
3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung
3.1 Die ökonomische Bedeutung von Innovationen
3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit
3.3 Umwelttechnischer Fortschritt
3.3.1 Additive und integrierte Umwelttechnik
3.3.2 Der umwelttechnische Fortschritt als spezielle Form des technischen Fortschritts
3.3.3 Einzelwirtschaftliche Entscheidungen
4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie
4.1 Ausgangspunkt der Ökoeffizienz
4.2 Messung der Ökoeffizienz
4.3 Grenzen der Ökoeffizienz
4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz
4.4.1 Varianten schwacher Ökoeffizienz
4.4.2 Varianten starker Ökoeffizienz
4.5 Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum
4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie
5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit
5.1 Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit
5.1.1 Utilitarismus
5.1.2 Vertragstheoretischer Ansatz nach John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness
5.1.3 Liberaler Gerechtigkeitsansatz und Garantie von Rechten
5.2 Neuere theoretische Ansätze
5.2.1 Bürgerrechte und Partnerschaftsprinzip
5.2.2 Planetary Trust
5.2.3 Integriertes Nachhaltigkeitsverständnis der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
5.2.4 Konzepte der Weltbank für Chancengerechtigkeit und Entwicklung
6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen
6.1 Verwendung der drei Säulen in Wissenschaft und Politik
6.2 Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen
6.3 Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck
6.3.1 Methode des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks
6.3.2 Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks
6.3.3 Positionsberechnung für eine Darstellung
6.4 Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck
7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen
7.1 Messkonzepte für eine nachhaltige Entwicklung
7.1.1 Volkswirtschaftliche Ebene (Makro)
7.1.2 Unternehmensebene (Mikro)
7.1.3 Referenzwerte einer nachhaltigen Entwicklung
7.2 Fallbeispiel: nachhaltigkeitsorientierte Förderentscheidungen
7.2.1 Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie
7.2.2 Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands
7.2.3 Die Nachhaltigkeitsstrategie von Rheinland-Pfalz
7.3 Hemmnisse für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung
Abbildungen
Tabellen
Literatur
Biographien
Index
Recommend Papers

Nachhaltige Entwicklung: Grundlagen und Umsetzung [2. aktual. Aufl.]
 9783486856002

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Michael von Hauff Nachhaltige Entwicklung

Michael von Hauff

Nachhaltige Entwicklung Grundlagen und Umsetzung 2. aktualisierte Auflage

ISBN 978-3-486-72105-8 eISBN 978-3-486-85600-2 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. © 2014 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com Ein Unternehmen von De Gruyter Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Dr. Rolf Jäger Titelbild: thinkstockphotos.com Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.

Für Isabelle, Philipp und Nicolas

Inhalt Vorwort zur zweiten Auflage ..................................................................................... XI Vorwort zur ersten Auflage ..................................................................................... XIII 1

Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung ........ 1

1.1

Historische Vorläufer der Nachhaltigkeit .......................................................... 2

1.2

Grenzen des Wachstums ................................................................................... 6

1.3

Der Brundtland-Bericht ..................................................................................... 8

1.4

Der Rio-Prozess............................................................................................... 10

1.5

Exkurs: Die Kontroverse Ökologisch dominiertes Konzept versus Drei-SäulenKonzept ........................................................................................................... 12

1.6

Die bisherige Dominanz der Umweltpolitik .................................................... 14

1.7

Umsetzung des Leitbildes durch Nachhaltigkeitsstrategien ............................ 15

2

Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung .................................................................................................... 19

2.1

Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung .................................................................................................... 20

2.2

Das Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie ................................................... 28

2.3

Grundlagen nachhaltiger Entwicklung ............................................................ 31

2.4

Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit .................................. 32

2.5

Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit .................................... 44

2.6

Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit .................. 51

2.7

Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit ................................................................................................. 56

3

Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung .............. 67

3.1

Die ökonomische Bedeutung von Innovationen .............................................. 68

3.2

Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit ...................................................... 76

VIII

Inhalt

3.3

Umwelttechnischer Fortschritt .........................................................................93

3.3.1

Additive und integrierte Umwelttechnik ..........................................................94

3.3.2

Der umwelttechnische Fortschritt als spezielle Form des technischen Fortschritts .......................................................................................................97

3.3.3

Einzelwirtschaftliche Entscheidungen ...........................................................101

4

Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie ...........107

4.1

Ausgangspunkt der Ökoeffizienz ...................................................................108

4.2

Messung der Ökoeffizienz .............................................................................109

4.3

Grenzen der Ökoeffizienz ..............................................................................114

4.4

Starke und schwache Ökoeffizienz ................................................................117

4.4.1

Varianten schwacher Ökoeffizienz ................................................................119

4.4.2

Varianten starker Ökoeffizienz ......................................................................122

4.5

Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum ..............................................127

4.6

Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie......................................131

5

Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit.............................................145

5.1

Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit.........................................................146

5.1.1

Utilitarismus ...................................................................................................147

5.1.2

Vertragstheoretischer Ansatz nach John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness ..148

5.1.3

Liberaler Gerechtigkeitsansatz und Garantie von Rechten ............................153

5.2

Neuere theoretische Ansätze ..........................................................................154

5.2.1

Bürgerrechte und Partnerschaftsprinzip .........................................................154

5.2.2

Planetary Trust ...............................................................................................155

5.2.3

Integriertes Nachhaltigkeitsverständnis der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren ........................................................................156

5.2.4

Konzepte der Weltbank für Chancengerechtigkeit und Entwicklung ............157

6

Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen ...................................159

6.1

Verwendung der drei Säulen in Wissenschaft und Politik .............................159

6.2

Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen ................163

6.3

Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ................................169

Inhalt

IX

6.3.1

Methode des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks ................................... 169

6.3.2

Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks ....................................... 171

6.3.3

Positionsberechnung für eine Darstellung ..................................................... 173

6.4

Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck ........ 175

7

Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen ............. 181

7.1

Messkonzepte für eine nachhaltige Entwicklung .......................................... 181

7.1.1

Volkswirtschaftliche Ebene (Makro)............................................................. 182

7.1.2

Unternehmensebene (Mikro) ......................................................................... 203

7.1.3

Referenzwerte einer nachhaltigen Entwicklung ............................................ 211

7.2

Fallbeispiel: nachhaltigkeitsorientierte Förderentscheidungen...................... 216

7.2.1

Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie ...................................................... 222

7.2.2

Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands .................................... 225

7.2.3

Die Nachhaltigkeitsstrategie von Rheinland-Pfalz ........................................ 228

7.3

Hemmnisse für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung............................ 238

Abbildungen ............................................................................................................... 245 Tabellen ...................................................................................................................... 248 Literatur ..................................................................................................................... 249 Biographien ................................................................................................................ 278 Index

....................................................................................................................... 279

Vorwort zur zweiten Auflage Die Diskussion zu dem Paradigma nachhaltiger Entwicklung führte seit der ersten Auflage dieses einführenden Lehrbuches zu einer weiteren Vertiefung bzw. Ausdifferenzierung. Gleichzeitig lässt sich aber auch eine gegenläufige Entwicklung beobachten: Einerseits hat die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung in Lehre und Forschung zugenommen, und es gibt in Deutschland auch erste erfolgreiche Bemühungen zur Entwicklung von Studiengängen mit einem Nachhaltigkeitsbezug. Es werden auch Nachhaltigkeitskonzepte für Hochschulen entwickelt, was jedoch in anderen Ländern wie den USA schon verbreiteter ist. Auch in der Unternehmenspraxis sowie in Kommunen und teilweise auf Länderebene ist ein wachsendes Interesse an dem Paradigma festzustellen. Andererseits sind bei der Umsetzung bisher nur relativ „kleine Schritte“ zu beobachten. Daher hat die Struktur des Lehrbuches, das sowohl die theoretischen Grundlagen nachhaltiger Entwicklung als auch die Umsetzung behandelt, noch an Bedeutung gewonnen. In dem Buch geht es weiterhin darum, wie es zu dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung kam und welche Anforderungen die Nachhaltigkeit hinsichtlich der Weiterentwicklung der heute dominierenden Ökonomie stellt. Dabei geht es ganz zentral um die kritische Hinterfragung des Primats der Ökonomie gegenüber der Ökologie und der sozialen Dimension, d.h. der Gesellschaft. Im Prinzip besteht heute kein Zweifel, dass wirtschaftliches Denken und Handeln in den Grenzen ökologischer Systeme stattfinden sollte, um die menschlichen Existenzgrundlagen nicht in Frage zu stellen bzw. zu gefährden. Aber diese Erkenntnis hat sich bisher noch nicht in ausreichendem Maße durchgesetzt. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung gibt es auch zunehmend die Forderung, dass die Wirtschaft der Gesellschaft nützlich sein soll und nicht die Gesellschaft sich der Wirtschaft unterordnen soll. Neben einer Aktualisierung des Lehrbuches wurden einige Kapitel weiterentwickelt und neuere Erkenntnisse mit einbezogen. So wurde das Kapitel zwei „Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung“ erweitert. In diesem Kapitel geht es primär um die unterschiedliche Herangehensweise an zentrale Themen. Es beginnt mit der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Menschenbilder in der Ökonomie und dem Paradigma nachhaltiger Entwicklung, die auch für die Form des Wirtschaftens von zentraler Bedeutung sind. Der folgende Abschnitt zu dem Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie kam ebenfalls neu hinzu. Das Kapitel drei nimmt weiterhin einen relativ breiten Raum ein, da Innovationen sowohl für die wirtschaftliche Entwicklung im Sinne der Mainstream Ökonomie als auch im Sinne nachhaltiger Entwicklung von großer Relevanz sind. Eine wichtige Erweiterung hat das Kapitel vier mit dem Thema „Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie“ erfahren, indem das Thema der nachhaltigen Ressourcenstrategie neu hinzukam. Damit wird deutlich, dass die Beziehung von Ökologie und Ökonomie in dem Buch einen relativ breiten Raum

XII

Vorwort zur zweiten Auflage

einnimmt. Dabei wird jedoch auch der Bezug zur sozialen Dimension hergestellt. In dem Kapitel fünf zur intra- und intergenerativen Gerechtigkeit wurde der capability approach von Armartya Sen ausführlicher dargestellt. Am Ende des Buches kam noch der Abschnitt „Hemmnisse für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung“ dazu. Ein wichtiges Anliegen des Buches ist also aufzuzeigen, wie sich die Anforderungen nachhaltiger Entwicklung begründen. Dabei ist die Mainstream Ökonomie immer der Ausgangspunkt, wodurch sich die Abgrenzung und die Begründung nachhaltiger Entwicklung besser nachvollziehen lassen. In dem Lehrbuch konnten nicht alle Themenbereiche in der notwendigen Tiefe ausformuliert bzw. präsentiert werden. Aus diesem Grund enthält das Lehrbuch eine Vielzahl von Literaturhinweisen, die eine Vertiefung erleichtern. So werden beispielsweise die verschiedenen Teildisziplinen der Wirtschaftspolitik in dem Buch „Nachhaltige Wirtschaftspolitik“ präsentiert (v. Hauff, Nguyen 2013). Bei der Überarbeitung des Buches wurde ich in vielfältiger Weise unterstützt. Zunächst möchte ich meinem Mitautor der ersten Auflage, Alexandro Kleine, danken. Wegen seiner vielfältigen beruflichen Herausforderungen war es ihm zeitlich nicht mehr möglich, an der zweiten Auflage mitzuwirken. Wir haben bei der ersten Auflage jedoch viele Ideen und Textpassagen gemeinsam entwickelt, die auch in der zweiten Auflage teilweise wiederzufinden sind, und nun nur unter meinem Namen erscheinen. Dann möchte ich meinen Mitarbeiterinnen, Frau Thuan Nguyen, M.A. International Economics, und Frau Dipl.-Oec. Claudia Kuhnke sowie meiner ehemaligen Mitarbeiterin Frau Dr. Andrea Jörg und meiner ehemaligen Doktorandin Frau Dr. Anke Sterzing für hilfreiche Anregungen danken. Danken möchte ich auch meinen studentischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Christine Behling, Esther Huff, Timo Nauerz und Daniel Sauter. Sie haben mich immer sehr hilfsbereit und in fröhlicher Stimmung bei der Aktualisierung von Tabellen und Schaubildern, bei der Beschaffung neuerer Literatur, aber auch bei Formatierungsarbeiten unterstützt. Schließlich darf ich auch Frau Petra Homm für das Korrekturlesen des Manuskriptes sehr danken. Für mögliche Ungereimtheiten bin ich jedoch alleine verantwortlich.

Kaiserslautern, Juni 2014

Michael von Hauff

Vorwort zur ersten Auflage In den letzten Jahrzehnten ist der Wohlstand, gemessen am Indikator Pro-Kopf-Einkommen, in vielen Ländern weltweit gestiegen. Damit wurde nach der weitverbreiteten ökonomischen Lehrmeinung ein wesentliches Ziel wirtschaftlichen Handelns erfüllt. Gleichzeitig kam eine Reihe von Krisensymptomen bzw. Ungleichgewichten auf und hat sich in den letzten Jahren teilweise noch verschärft. Exemplarisch sollen hier die Folgen von Umweltproblemen wie die Klimaveränderung, die sich zumindest in einigen Ländern verschärfende Wasserknappheit, aber auch die wachsende Arbeitslosigkeit und die steigende Verschuldung vieler Länder genannt werden. Es wurde zunehmend deutlich, dass es sich nicht nur um temporäre Probleme handelt, sondern dass sich ebenso politische und wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Durch den zu vollziehenden Strukturwandel entstehen also auch Chancen für die weltweite Umsetzung einer vielmehr qualitativen Entwicklung und eines anderen Fortschritts. Eine der drängendsten sozialen Herausforderungen war und ist die weitverbreitete Armut, die durch die ungleiche Chancenverteilung in vielen nationalen Bildungs- und Gesundheitssystemen und teilweise durch eine wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen noch verschärft wird. Die weltweiten ökonomischen Krisensymptome werden gegenwärtig durch die Krise der internationalen Finanzmärkte besonders offensichtlich, da alle Länder davon betroffen sind. Dabei kam es bereits seit den 1980er-Jahren in einer Reihe von Entwicklungsländern zu Finanzkrisen mit verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Bevölkerung, die in den westlichen Industrienationen häufig nur unzureichend wahrgenommen wurden. Einige Ökonomen wie auch Vertreter internationaler Organisationen – besonders der Organisationen der Vereinten Nationen – erkannten schon in den 1970er-Jahren diese krisenhaften Entwicklungstendenzen. Auf internationaler Ebene wurde u. a. mit der Einberufung der Brundtland-Kommission und mit der Durchführung einer Vielzahl von internationalen Konferenzen auf die Krisensymptome reagiert. Hierbei wurde deutlich, dass viele der bis dahin dominierenden ökonomischen Ansätze für eine dauerhafte Lösung dieser Krisen nicht mehr tauglich sind. Aus diesem Grunde wurde das Leitbild nachhaltige Entwicklung für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entwickelt. Die nachhaltige Entwicklung ist eine normative – keine völkerrechtlich einklagbare – Vereinbarung der Weltgemeinschaft. Sie gilt spätestens seit der Weltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro als globales Leitbild, das von Regierungsvertretern aus 178 Nationen unterzeichnet wurde. Auf der Konferenz wurde u. a. die „Agenda 21“ beschlossen, die den Handlungsrahmen für eine gerechte Entwicklung heutiger und zukünftiger Generationen vorgibt. Der Konferenz lag die Einsicht zugrunde, dass die Forderungen der Industrieländer nach mehr Umweltschutz mit dem wirtschaftlichen Nachholbedarf der Entwicklungsländer zu vereinbaren seien.

XIV

Vorwort zur ersten Auflage

Zehn Jahre später wurde das Leitbild nachhaltige Entwicklung auf der ersten Folgekonferenz in Johannesburg weiter konkretisiert und ausdifferenziert. In der Literatur wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass die neuere Diskussion zur Nachhaltigen Entwicklung mit dem ersten Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 begann. Dieser Bericht, in dem das Wachstumsparadigma hinterfragt wurde, löste eine theoretische Diskussion zu diesem Thema aus, in der sich bis heute unterschiedliche Positionen unversöhnlich gegenüberstehen. Für ein besseres Verständnis des neuen Paradigmas werden die historischen Vorläufer der Diskussion dargelegt. Darauf folgen die inhaltliche Abgrenzung der drei Dimensionen und die theoretische Begründung einer „Sustainability Science“. Dabei wird deutlich, dass die beiden Dimensionen Ökologie und Ökonomie und deren Beziehung in der Literatur bisher noch dominieren. Das Lehrbuch legt seinen Schwerpunkt ebenfalls auf Ökologie und Ökonomie, berücksichtigt aber auch die soziale Dimension, die in der neueren Literatur zunehmend Beachtung findet. Die intragenerationelle und intergenerationelle Gerechtigkeit als wichtige Forderungen Nachhaltiger Entwicklung werden ausführlich aufgenommen. Im hinteren Teil des Buches geht es dann um die Umsetzung des Leitbildes im Rahmen von Nachhaltigkeitskonzepten bzw. -strategien. Die Differenzierung nach Ökologie, Ökonomie und Sozialem ist ein weitverbreiteter Ausgangspunkt zur Analyse und Strukturierung Nachhaltiger Entwicklung. Sie soll auch in diesem Buch zu einer Einordnung bzw. Systematik beitragen. Da berechtigte Kritik geübt wurde, die Dreiteilung alleine sei zu ungenau und würde die Problematik nicht genügend abbilden, bedient sich das Buch später einer konzeptionellen und didaktisch ertragreichen Weiterentwicklung, dem Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck, das ein Kontinuum aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Dimension erlaubt. Mit dieser neuen Systematisierungsmethodik lassen sich die Aspekte einer Nachhaltigen Entwicklung prägnanter einordnen, Beziehungen aufzeigen und im Zusammenhang darstellen. Das Anwendungsspektrum der Methodik ist vielfältig, wie die Anwendungsbeispiele am Ende des Buches zeigen.

Kaiserslautern, Mai 2009

Michael von Hauff Alexandro Kleine

1

Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

Das Leitbild nachhaltige Entwicklung wurde durch die Konferenz in Rio de Janeiro 1992 international sehr populär. Es hatte jedoch schon viele Vorläufer. Seinen Ursprung kann man der Wald- bzw. Forstwirtschaft zuschreiben. Es wurde erkannt, dass ein Gleichgewicht zwischen der Abholzung und Aufforstung von Waldbeständen notwendig ist, wenn es nicht zu einer Holzknappheit kommen sollte, die weitreichende wirtschaftliche und soziale Folgen hat. „The Principles of Population“ von Thomas Malthus ist ein Beispiel für eine erste wachstumskritische Arbeit aus ökonomischer Perspektive. Er ging 1798 davon aus, dass die Bevölkerung weiter stark wachsen würde, womit die langsamer steigende Nahrungsmittelproduktion nicht mithalten könne. Infolgedessen würden die Löhne sinken und die Preise steigen. Um dieser Gefahr zu entgehen, schlug Malthus Bildungsmaßnahmen und Heiratskontrollen vor. Später zeigte sich, dass die Prognosen von Malthus nicht eintraten, da er den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft unter- und den Bevölkerungszuwachs überschätzt hatte.

Bedeutende Veranstaltungen der Vereinten Nationen zur Nachhaltigen Entwicklung

Knappheiten sind auch in neuerer Zeit Ausgangspunkt von ökonomischen Analysen. Ökonomen wie Kenneth Boulding, Karl William Kapp und Nicholas Georgescu-Roegen haben in Publikationen bereits schon in den 1960er- und 1970er-Jahren auf die wachsenden Gefahren beispielsweise der Umweltbelastung hingewiesen. Es folgten 1968 erste Konferenzen wie die „Biosphere Conference“ in Paris und die „Conference on Ecological Aspects of International Development“ in Washington, D. C.



United Nations Conference on the Human Environment (UNCHE): Erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen, 1972 in Stockholm, ein Vorläufer der Nachhaltigen Entwicklung



World Commission on Environment and Development (WCED): Kommission der Vereinten Nationen unter Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, deutscher Vertreter: Volker Hauff, Ergebnis: Abschlussbericht 1987 „Our Common Future“



United Nations Conference on Environment and Development (UNCED): Konferenz der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro, Ergebnisse: “Agenda 21” und mehrere Deklarationen.



Commission on Sustainable Development (CSD): Die Kommission führte den durch die UNCED eingeleiteten Prozess seitens der Vereinten Nationen weiter.



World Summit on Sustainable Development (WSSD): Konferenz der Vereinten Nationen 2002 in Johannesburg, Nachfolge zur UNCED, Ergebnis: Implementierungsplan



World Summit on Sustainable Development (WSSD): Konferenz der Vereinten Nationen 2012 in Rio de Janeiro

Seit Anfang der 1970er-Jahre besteht die neue Debatte über die „Nachhaltigkeit“ wirtschaftlichen Handelns. Wichtige Ereignisse waren die 1972 veröffentlichte wachstumskritische Schrift „Grenzen des Wachstums“, die im gleichen Jahr stattfindende erste Weltumweltkonferenz in Stockholm und das sich zwei Jahre später anschließende wirtschaftswissenschaftli-

2

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

che „Symposium on the Economics of exhaustible resources“. Auf der Basis dieser drei Meilensteine erfuhr die „Nachhaltigkeit“ eine erste Ausformulierung für die Frage des optimalen Verbrauchs natürlicher Ressourcen. Nachhaltige Entwicklung ist spätestens seit der Veröffentlichung des Berichtes der sogenannten „Brundtland-Kommission“ (WCED 1987, deutsch: Hauff 1987) die Grundlage für ein neues und umfassendes politisches Leitbild der Weltgemeinschaft. Die Ziele Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung sind mit der Forderung verbunden, die Bedürfnisse sowohl heutiger als auch zukünftiger Generationen gerecht zu befriedigen. Daher sind die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit konstitutive Merkmale des Brundtland-Berichtes. Nach der Rio-Konferenz im Jahr 1992 kam es dann zu einer Vielzahl von Folgekonferenzen, auf denen das Leitbild nachhaltiger Entwicklung durch klare Zielvorgaben bzw. Forderungen weiter konkretisiert wurde. Die nachfolgenden Abschnitte zeichnen die Genese der nachhaltigen Entwicklung nach. Sie ist auch für die heutige Diskussion noch in hohem Maße relevant. Abschnitt 1.1 stellt die Waldwirtschaft als einen historischen Vorläufer dar. In Abschnitt 1.2 wird die Diskussion über mögliche Wachstumsgrenzen einer Industriegesellschaft vorgestellt. Der Brundtland-Bericht (Abschnitt 1.3) führte dies Mitte der 1980er-Jahre zu einem Konzept für die Politik weltweit aus und leitete den Agenda 21-Prozess ein (Abschnitt 1.4). Der Exkurs in Abschnitt 1.5 zeigt die Diskussion um die Gewichtung von Nachhaltigkeitsdimensionen auf. Die zunehmende Ablösung einer ökologisch dominierten Diskussion (Abschnitt 1.6) zeichnet sich in Nachhaltigkeitsstrategien als zentrales politisches Konzept zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung ab (Abschnitt 1.7).

1.1

Historische Vorläufer der Nachhaltigkeit

Einer der bedeutendsten Vorläufer des Nachhaltigkeitskonzepts ist die Forstwirtschaft. Aus den damaligen Erkenntnissen kann man gerade heute viel lernen. Daher wird im Folgenden ein kurzer Rückblick in die entscheidende Phase der Forstwirtschaft gegeben, wobei sich die Ausführungen auf einige exemplarische Ereignisse konzentrieren (siehe auch Grober 2009). Der Mutter von Herzog Carl August, Anna Amalia, ist die weltweit erste Forstreform mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit zu verdanken. Der Begriff nachhaltig wurde jedoch schon vom Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz geprägt, der ihn in seiner Abhandlung „Sylvicultura Oeconomica“ aus dem Jahr 1713 einführte. Im Jahr 2013, also 300 Jahre nach dem Erscheinen seiner bedeutenden Schrift, fand er in einer Vielzahl von Publikationen eine besondere Aufmerksamkeit. In seiner Abhandlung fordert er eine „continuierliche und beständig nachhaltende Nutzung“. Sein Verständnis um Nachhaltigkeit wird in dem folgenden Zitat deutlich: „Denn je mehr Jahr vergehen, in welchem nichts gepflanzet und gesaet wird, je langsamer hat man den Nutzen zugewarten, und um so viel tausend leidet man von Zeit zu Zeit Schaden, ja um so viel mehr geschickt weitere Verwüstung, daß endlich die annoch vorhandenen Gehöltze angegriffen, vollends consumiret und sich je mehr und mehr

1.1 Historische Vorläufer der Nachhaltigkeit

3

vermindern müssen. … Wo Schaden aus unterbliebener Arbeit kommt, da wächst der Menschen Armuth und Dürfftigkeit. Es lässet sich auch der Anbau des Holtzes nicht so schleunig wie der Acker=Bau tractiren (von Carlowitz 1713, S. 105).“ Hintergrund seiner Überlegungen war, dass Bergbau und Verhüttung einen hohen Holzbedarf verursachten. Daher war die Umgebung der Bergbaustädte häufig entwaldet (Ott, Döring 2008, S. 22). Die Folge war, dass Holz über größere Entfernungen – meistens über Flößerei – transportiert werden musste. Die Holzpreise stiegen und es kam zu der verbreiteten Befürchtung einer Holzknappheit. Dies war im Prinzip ein Vorläufer der Diskussion über die „Grenzen des Wachstums“. Vogt gibt jedoch zu bedenken, dass es von Carlowitz keineswegs nur um eine Managementregel, sondern eher um eine Geisteshaltung ging, was im Prinzip auch für die heutige Zeit von Bedeutung ist. So nimmt er in dem schon erwähnten Werk immer wieder auf Gott Bezug, was häufig übersehen wird. Seine Naturvorstellung war stark durch den jüdischen Religionsphilosophen Spinoza geprägt, der Gott und die „natura naturans“ als Einheit versteht. Seine Geisteshaltung begründet sich also aus der Ehrfurcht vor der Schöpfung, der Teilhabe an deren kreativ-schöpferischer Macht und als vorausschauende Zukunftsverantwortung (Vogt 2014). Dabei gab es in der früheren Geschichte schon mehrfach das Problem der Holzknappheit, die besonders durch den Schiffbau verursacht wurde. Die weitgehende Entwaldung Griechenlands und anderer Länder im Mittelmeerraum ist darauf zurückzuführen. Ein eindrucksvolles Beispiel war auch der enorme Holzbedarf Venedigs vor und zu Beginn des 15. Jahrhunderts sowohl für den Schiffbau als auch für die Pfäle und Wellenbrecher beim Auf- und Ausbau der Stadt, für die Herstellung von Holzkohle für die Öfen der Glasmanufakturen von Murano bis hin zum Heizen in den eisigen venezianischen Wintern. Der enorme Holzbedarf führte zur „staatlichen Intervention“: 1458 gründete der Senat die Behörde „provveditori ai boschi“, die sich um die Vorsorge von Holz kümmern sollte (Grober 2010, S. 81). Aber auch die Lüneburger Heide ist ein Beispiel für die Abrodung der Wälder – in diesem Fall - zur Gewinnung von Salzen aus Salinen. von Carlowitz entwickelte neue Grundsätze, mit denen die Holzknappheit für immer überwunden werden sollte. Im Prinzip stellt von Carlowitz fest, dass in der Forstwirtschaft ökonomisches Handeln mit den Erfordernissen der Natur in Einklang zu bringen sei. Seine einfache Maxime war: Es sollte pro Jahr nicht mehr Holz geschlagen werden, als nachwächst. Es handelt sich um das in der Literatur heute weithin akzeptierte ressourcenökonomische Prinzip. Daraus begründet sich die Notwendigkeit, das ökonomische Ziel der maximalen dauerhaften Nutzung des Waldes mit den ökologischen Beziehungen des Nachwachsens des Waldes zusammenzuführen. Insofern wurden hier bereits Grundlagen der ökologischen Nachhaltigkeit gelegt. Dieses Gedankengut ging 1775 in die Weimarische Forst-Ordnung ein. Eine der zentralen Positionen war, dass der „Abtrieb“ des Holzes nicht mehr nur nach Gutdünken oder „Holzbedürfnis“ der gegenwärtig lebenden Generation zu erfolgen habe, sondern auch die Bedürfnisse der „Posterität“, d. h. die Sorge für die Nachkommenschaft, zu berücksichtigen seien. Die Bemühungen um eine nachhaltige Waldwirtschaft wurden in den folgenden Jahren fortgeführt.

4

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

Besonders zu erwähnen sind Heinrich Cotta mit seinem 1806 erschienen Buch über „Die Bewegung und Funktion des Saftes in den Gewächsen“, in dem es besonders um das Wachstum des Holzes ging, von dem der Wohlstand eines erheblichen Teils der Bevölkerung abhing. In der Folge entstand dann die Forstakademie in Tharandt, in der die neue Lehre vom Waldbau den Nachwuchskräften aus dem In- und Ausland beigebracht wurde. Der sächsische König erhob das Institut 1816 zur staatlichen Hochschule, nachdem Carl Maria von Weber seine Waldoper „Der Freischütz“ schrieb und Caspar David Friedrich Mitglied der Kunstakademie wurde. Daraus wird die neue Grundstimmung deutlich, die darauf abzielte, den Raubbau an der Natur bzw. die chaotische und zerstörerische Ausbeutung der Wälder zu beenden. Die Vision war „der ewige Wald“, der für alle Zeiten die Gesellschaft mit dem lebenswichtigen Rohstoff versorgen sollte. Das Konzept des „maximum sustainable yield“, das den Nachhaltigkeitsbegriff prägte, fand Anfang des 20. Jahrhunderts auch Eingang in die Fischereiwirtschaft. Danach sollte sich der Fischfang an der Reproduktionsfähigkeit der Fischbestände orientieren, um maximale Erträge dauerhaft erzielen zu können (Grunwald, Kopfmüller 2012, S. 19). Somit haben Erkenntnisse zur Stabilisierung und zu Belastungs-grenzen von Wirtschaft und Gesellschaft schon früh in wissenschaftlichen Abhandlungen eine Tradition. Forstexperten wie Cotta waren bestrebt auf der Grundlage mathematischer Verfahren Holzvorräte zu berechnen und den erwarteten Nachwuchs an Holz zu kalkulieren. So wurde der Tharandter forstwirtschaftliche Nachhaltigkeitsbegriff weltweit zum Leitbild. Die mathematischen Berechnungen konnten jedoch nicht verhindern, dass es in der Folge zu neuen unvorhergesehenen Problemen kam. Es entstanden das Konzept des „Normalwaldes“, in dem die Bäume in Reih’ und Glied stehen, und die „Reinertragslehre“, die mit kurzen Umtriebszyklen und raschwüchsigen Nadelbaumarten einen maximalen ökonomischen Ertrag vorsah. Dabei wurde deutlich, dass einseitige Bewirtschaftungsmethoden, wie Monokulturen, nicht stabil sind. So fraß die Larve der Nonne, einer Schmetterlingsart, in den 1850er-Jahren große Nadelholzbestände kahl. Als Reaktion darauf wurde die Schädlingsbekämpfung als Mittel der Problemlösung gefördert. In der Folge wurde die Massenvernichtung von Ungeziefer zur Maxime der Forstwirtschaft, was mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit kaum in Einklang zu bringen ist. Es kam zu einer Kontroverse über Monokulturen, die im Prinzip bis heute anhält. Einen etwas anderen Zugang zu Wäldern bzw. der Idee der Nachhaltigkeit hatte Alexander von Humboldt. Er brach 1799 zu einer großen Expedition nach Südamerika auf. Seine Reise führte auch in den Regenwald, d. h. in das Zentrum der Artenvielfalt. Dabei hat sich von Humboldt der Erforschung der Beziehungen von Flora und Fauna, ihren Standort-, Klima- und Umweltbedingungen zugewandt. So entstand ein neuer Wissenschaftszweig, die „Oecologie“. Sie wurde jedoch erst nach dem Tod von Humboldt im Jahr 1866 durch Ernst Haeckel geprägt: „Unter Oecologie verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle Existenz-Bedingungen rechnen können. (Haeckel 1866, S. 286)“ Bemerkenswert ist, dass danach die Wissenschaftsdisziplinen Ökologie und Nachhaltigkeit bis in die 1970er-Jahre weitgehend vernachlässigt wurden. Die Forstwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. In Deutschland ist man beispielsweise bestrebt, eine nachhaltige Forstwirtschaft durch ungleichaltrige und

1.1 Historische Vorläufer der Nachhaltigkeit

5

standortgerechte Baumarten in Mischwäldern zu realisieren. Hinzu kommt noch die Begrenzung des Einschlags, die sich entsprechend dem Grundsatz von Hans Carl von Carlowitz, an der Wiederaufforstung zu orientieren hat. Weiterhin wurden standardisierte Zertifizierungsverfahren eingeführt (Forest Stewardship Council/FSC Zertifizierung). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die verschiedenen neuen Entwicklungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung zusammenzuführen. Der explizite Nachhaltigkeitsbezug ist in den gesamteuropäischen Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Forstwirtschaft „Sustainable Forest Management“ eingegangen. Dabei geht es darum, eine einseitige Funktionsverschiebung der Waldnutzung auf die Kohlenstoffspeicherung zulasten anderer Waldfunktionen wie den Erhalt der Biodiversität oder der Wiederherstellung naturschutzfachlich wertvoller Waldökosysteme zu vermeiden (Schaich, Konold 2012, S. 5). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die sechs Kriterien:      

Kriterium 1: Forstliche Ressourcen und ihr Beitrag zum globalen Kohlenstoff-kreislauf, Kriterium 2: Gesundheit und Vitalität der forstlichen Ökosysteme, Kriterium 3: Produktionsfunktion der Wälder wie Zuwachs und Nutzung, Kriterium 4: biologische Diversität in forstlichen Ökosystemen, Kriterium 5: Schutzfunktion der Wälder, d. h. besonders Boden- und Wasserschutz, Kriterium 6: sozio-ökonomische Funktionen wie Eigentümerstruktur, Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt und Erholungswald.

Die Forstwirtschaft findet seit längerer Zeit auch auf internationaler Ebene unter dem Aspekt des Waldschutzes zunehmend Beachtung. Hier kommt es zu neuen internationalen Allianzen, die sich dem Klimaschutz zuwenden. Es besteht international ein großer Konsens, dass Wälder entscheidend zum Klimaschutz beitragen. Die Relevanz wird deutlich, wenn man bedenkt, dass in jedem Jahr weltweit eine Fläche von der Größe Griechenlands entwaldet wird. Während internationale Waldschutzforen bisher weitgehend erfolglos blieben, findet in den Klimaverhandlungen der Waldschutzmechanismus „Reducing Emissions from Deforestation and Degradation (REDD+)“ politische Unterstützung (Acosta 2011, S. 109). Für die Forstwirtschaft gewinnen seit den 1990er-Jahren aber auch Modellierungen künftiger regionaler Klimazustände an Bedeutung Dabei werden Szenarien der Standortveränderungen aufgrund von Klimaveränderungen und deren ökologische und ökonomische Auswirkungen erarbeitet (Kölling 2007). Es geht darum, schon heute Maßnahmen festzulegen, um die Wälder vorausschauend „klimastabil“ zu entwickeln. In diesem Kontext entstanden bereits eine Reihe von waldbaulichen Anpassungsstrategien wie die Schaffung und der Erhalt von Mischbeständen. Ein wichtiges Forschungsfeld hierbei ist, die Konfliktpunkte und Synergiepotenziale zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz herauszuarbeiten. (Reif u. a. 2010, S. 261). Aus diesen exemplarischen Ausführungen wird deutlich, dass die Komplexität nachhaltiger Waldbewirtschaftung deutlich zugenommen hat. Dies gilt auch für viele andere Bereiche der Wirtschaft und der Gesellschaft, wie noch näher ausgeführt wird.

6

1.2

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

Grenzen des Wachstums

In der Literatur gibt es unterschiedliche Hinweise darauf, wann die Nachhaltigkeitsdiskussion in neuerer Zeit wieder aufgenommen wurde (vgl. u. a. Dresner 2008, S. 25). Es ist jedoch unstrittig, dass einige Ökonomen wie Kenneth Boulding, John Galbraith und auch Edward Mishan bereits in den 1960er-Jahren auf die wachsenden Umweltprobleme aufmerksam machten. Besondere Beachtung fand das Buch von Mishan mit dem Titel „The Costs of Economic Growth“. Er kritisiert in seinem Buch das Sozialprodukt als Indikator für „human welfare“. Eine besondere Aufmerksamkeit erfuhr dann 1972 der erste Bericht an den Club of Rome „the Limits to Growth“ (deutsch „die Grenzen des Wachstums“), maßgeblich erstellt von Dennis Meadows und seiner Ehefrau Donella Meadows. Die wichtigste Botschaft des Berichtes, der in 28 Sprachen übersetzt wurde, war, dass eine Fortschreibung der aktuellen Trends hinsichtlich des Bevölkerungswachstums und der Nachfrage nach nichtregenerativen Ressourcen bis Mitte des 21. Jahrhunderts zu einer großen wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen würde. Auch wenn der Bericht konzeptionelle und methodische Unzulänglichkeiten aufwies, löste er eine heftige Diskussion über den Zusammenhang von Produktionsformen und Lebensstilen, aber auch über das exponentielle Wirtschaftswachstum und die nicht-erneuerbaren Ressourcen aus, die zum Teil auch heute noch stattfindet. 1972 fand die erste große Umweltkonferenz der UN in Stockholm statt, auf der das United Nations Environment Programme (UNEP) gegründet wurde. Als Folge davon wurden in vielen Staaten Umweltministerien gegründet. 1980 wurde von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) in Kooperation mit verschiedenen UN-Organisationen, wie UNEP, die „World Conservation Strategy“ erarbeitet (Grunwald , Kopfmüller 2012, S. 21). Dabei wurde erstmals der Begriff „Sustainable Development“ in einem größeren wissenschaftlichen und politischen Kreis verwendet. Hierbei zielte der Begriff in Anlehnung an die Forstwirtschaft darauf ab, dass eine dauerhafte ökonomische Entwicklung ohne die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Ökosysteme nicht möglich ist. Die sozialen Aspekte der Ressourcenund Umweltprobleme, aber auch die Eigenständigkeit der sozialen Dimension wurden zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend vernachlässigt. Obwohl in den 1970er- und in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre noch viele relevante Ereignisse auf dem Weg zum Leitbild nachhaltiger Entwicklung zu nennen wären, erfolgt nun der Übergang zur Entstehung und den zentralen Aussagen des Brundtland-Berichts. Der Brundtland-Bericht gilt als einer der bedeutendsten Beiträge zur Entwicklung und Abgrenzung des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung. Auch hierzu gab es jedoch eine Reihe von Publikationen bzw. Stellungnahmen, die diesen Bericht beeinflusst haben. Besonders hervorzuheben ist – wie schon erwähnt – der erste Bericht an den Club of Rome. Der Bericht basiert auf einer Prognose, wonach sich die Menschheit auf einem sogenannten „Boom-and-Burst“Pfad befindet. Die zentrale Aussage ist: Ein exponentielles Wachstum führt zur Überschreitung der natürlichen Grenzen der Natur, wodurch besonders eine Knappheit der nicht regenerativen Ressourcen, wie Erdöl, auftritt. Dadurch wird das optimistische Wachstumsmodell, wie es zu diesem Zeitpunkt dominierte, infrage gestellt. Die Prognose zielt darauf ab, dass bis zum Jahre 2100 Krisenphänomene auftreten, wie ein Absinken der Bevölkerung, eine De-Industrialisierung und eine massive Einschränkung der bisher üblichen Lebensverhältnisse.

1.2 Grenzen des Wachstums

7

Der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ fand eine sehr gegensätzliche Resonanz. Die Befürworter des Berichtes, wie Paul Ehrlich, betonten besonders die Verknappung natürlicher Ressourcen mit den im Bericht aufgezeigten Folgen. Dadurch würde bei einem „Catchingup“-Prozess (wirtschaftlicher Aufholprozess) der Entwicklungsländer das bis dahin dominierende Wachstumsmodell des exponentiellen Wachstums nicht aufrechterhalten werden können. In dem Bericht wurde weiter hervorgehoben, dass die Schadstoffemissionen weitgehend parallel zum Wirtschaftswachstum zunehmen würden. Neben der Rohstoffverknappung kommt es in diesem Szenario also auch zu einer exponentiell steigenden Umweltverschmutzung, die besonders von den Industrieländern verursacht wird. Die Kritiker der eher pessimistischen Prognose von Meadows hielten dem Bericht entgegen, dass er zu stark von Thomas Malthus geprägt sei (Dresner 2008, S. 27 ff.). Es ist jedoch unbestritten, dass im bereits genannten Szenario der technische Fortschritt beziehungsweise der umwelttechnische Fortschritt keine ausreichende Beachtung findet. Aber auch die Umweltpolitik – so die Kritiker – hätten die Befürworter des Berichtes weit unterschätzt. Gleichzeitig ist jedoch anzumerken, dass die nachholende Entwicklung vieler Entwicklungsländer hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ausreichendem Maße absehbar war, wie an den Beispielen der großen aufstrebenden Entwicklungsländer China, Indien oder auch Brasilien besonders deutlich wird. Im Jahr 1992 erschien von Donella Meadows, Jorgen Randers und Dennis Meadows eine aktualisierte Neuauflage von „The Limits to Growth“ mit dem Titel „Beyond the Limits“, in der die globalen Entwicklungen zwischen 1970 und 1990 aufgenommen wurden. In der Neuauflage wurden die Erkenntnisse aus der ersten Auflage ganz wesentlich bestätigt. Der Titel der zweiten Auflage erklärt sich jedoch aus der gegenüber der ersten Auflage neuen Erkenntnis, dass die Menschheit die Grenzen der „Earth’s support capacity“ überschritten hat. Insofern kommen sie zu der Schlussfolgerung, dass die Menschheit in „nicht nachhaltiges Territorium“ vorgedrungen ist. Beispielhaft hierfür nennen sie die Abholzung von Regenwäldern in Dimensionen von „nicht nachhaltigen Raten“. Die Folge für sie ist der voranschreitende Klimawandel (Meadows 1992). 2004 erschien dann von dem gleichen Autorenteam die dritte Auflage mit dem Titel: „Limits to Growth – The 30-Year Update“. „This 30 – year update presents the essential parts of our original analyses and summerizes some of the relevant data and the insights we have acquired over the past three decades” (S. ix). Dabei erkennen die Verfasser sehr wohl, dass es zu einer Reihe von positiven Entwicklungen gekommen ist. Sie nennen neue, umweltfreundlichere Technologien, ein verändertes Konsumentenverhalten, die Gründung neuer Institutionen und die neuen internationalen Vereinbarungen zur Stärkung nachhaltiger Entwicklung. Aber auch das Umweltbewusstsein hat in diesen drei Jahrzehnten deutlich zugenommen, und in den meisten Ländern gibt es Umweltministerien, die höhere Umweltstandards einfordern. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass der steigende Wohlstand mit einem sich vergrößernden ökologischen Fußabdruck mit allen negativen Auswirkungen einherging. Die positiven Effekte wurden somit von negativen Effekten kompensiert oder gar überkompensiert. Daher führen sie eine Vielzahl von Ansätzen auf, die für den Transformationsprozess zu einem nachhaltigen System beitragen können (Meadows 2004, S. 235ff.). John kommt hinsichtlich einer Bewertung zu dem Fazit, dass mit dem systemdynamischen Ansatz eine Methode vorgestellt wurde,

8

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

die es ermöglicht, die langfristige Entwicklung von komplexen und dynamischen Systemen zu identifizieren und zu analysieren. Das vorgestellte World3-Modell weist darauf hin, dass eine nachhaltige Entwicklung nur unter sehr restriktiven und politisch schwer zu realisierenden Bedingungen möglich ist. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Weltbevölkerung nicht weiter wächst und sich das wirtschaftliche Wachstum strikt an Nachhaltigkeitsplanken orientiert (John 2014). Auf dem Weg zum Brundtland-Bericht sollte weiterhin der „Ecodevelopment“-Ansatz des Hammarskjöld-Projekts genannt werden. In dem Bericht werden folgende Leitlinien aufgestellt (UNGASS 1975):            

Befriedigung der Grundbedürfnisse weitgehend mit Hilfe der je eigenen Ressourcenbasis Keine Kopie des westlichen Lebens- und Konsumstils Erhalt einer befriedigenden Umweltsituation Respekt vor kultureller Andersartigkeit und vor lokalen Traditionen Solidarität mit zukünftigen Generationen Lokal angepasste Techniken Lokale Partizipation besonders durch die Stärkung der Rolle der Frauen Erziehungsprogramme Familienplanung Teilweise Abkopplung vom Weltmarkt und Entwicklung lokaler Märkte Orientierung auf religiöse und kulturelle Traditionen Kein Beitritt zu den militärischen Machtblöcken der Nato und des Warschauer Paktes

Die Leitlinien zeigen wichtige Elemente, wie sie später in dem Leitbild nachhaltige Entwicklung wieder erscheinen. Insofern kann man hier von einem bedeutenden Vorläufer des Brundtland-Berichtes sprechen.

1.3

Der Brundtland-Bericht

Eine wichtige Entscheidung auf dem Weg zum Brundtland-Bericht war weiterhin, dass die internationale Gemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen (United Nations, UN) 1980 die World Commission on Environment and Development (WCED) bildete. Durch sie wurde dann die Brundtland-Kommission im Jahr 1983 eingesetzt. Vor dem Hintergrund der wachsenden ökologischen, ökonomischen, aber auch sozialen Probleme nahm die Kommission unter dem Vorsitz der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ihre Arbeit auf. Die Kommission sollte Handlungsempfehlungen zur Erreichung einer dauerhaften Entwicklung erarbeiten. Sie hat den Begriff „Nachhaltige Entwicklung“ erstmals als globales Leitbild der Entwicklung einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht. Der Brundtland-Report erschien in einer Zeit, als Probleme wie die Ölkrisen in den 1970erJahren, Trockenheiten in Afrika, die Vernichtung tropischer Wälder, die Verringerung der Ozonschicht, erste nationale Finanzkrisen, Verschuldungsprobleme vieler Länder und einige andere ernsthafte Probleme wichtige Herausforderungen für die Politik auf allen Ebenen dar-

1.3 Der Brundtland-Bericht

9

stellten. Die Herausforderung war, die verschiedenen und vielfältigen Probleme in einem holistischen Verständnis wahr- und anzunehmen. Die langfristige Wirkung des Reports ist, dass Wirtschafts- und Umweltpolitik nicht länger als getrennte Politikbereiche betrachtet werden. Das Verständnis von Nachhaltigkeit, wie es im Brundtland-Bericht aufgezeigt wird, ist sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion zur Nachhaltigkeit als auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten die Ausgangsbasis, die breiten Zuspruch fand. Das Ziel ist eine dauerhafte Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse unter Berücksichtigung der Tragekapazität der natürlichen Umwelt. Dementsprechend war es das Bestreben, die Konfliktlinien zwischen Umwelt- und Naturschutz, Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum zu überwinden. Neben der globalen Perspektive und der Verknüpfung zwischen Umwelt- und Entwicklungsaspekten ist die intra- und intergenerationelle Verteilungsgerechtigkeit ein konstitutives Merkmal des Berichtes und damit auch der nachhaltigen Entwicklung. In diesem Zusammen-hang fand die Definition nachhaltiger Entwicklung viel Beachtung und wurde zur Grundlage vieler Publikationen: „Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs (WCED 1987, S. 43).” In der deutschen Version des Brundtland-Berichts wurde die Definition wie folgt übersetzt: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (Hauff 1987, S. 46).“ Damit stellt der Bericht die menschlichen Bedürfnisse sowohl der gegenwärtig lebenden Menschen als auch die Beziehung der gegenwärtig lebenden und der künftigen Generationen in den Mittelpunkt. Dadurch wird in dem Bericht eine eindeutig anthropozentrische Position eingenommen. Die beiden konstitutiven Merkmale der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit lassen sich wie folgt abgrenzen:  Die intragenerationelle Gerechtigkeit fordert einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern.  Die intergenerationelle Gerechtigkeit fordert, dass zukünftige Generationen in ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht durch die Lebensweise der gegenwärtigen Generation beeinträchtigt werden. Neben den konstitutiven Merkmalen der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit ist noch die globale Orientierung zu nennen. Dabei geht es, entsprechend dem Titel des Brundt-landBerichts „Our Common Future“, um eine Entwicklungsperspektive für die Weltge-sellschaft als Ganzes. Neben den Erfordernissen einer globalen nachhaltigen Entwicklung sollen die einzelnen Staaten spezifische Ziele und Strategien zur Umsetzung auf nationaler Ebene erarbeiten. Sie sollen ihren jeweiligen Ausgangsbedingungen entsprechen. Ein wei-teres konstitutives Merkmal des Berichts ist der anthropozentrische Ansatz des Leitbildes. Es geht um die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse heute und in Zukunft. Das bedeutet, dass die Natur als

10

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

Dienstleistungssystem für die Produktion von Gütern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse betrachtet wird. Auch dort, wo ihr Eigenwert als Lebens- und Erfahrungsraum zugeschrieben wird, erfolgt dies aus der Sicht und nach den Wertmaßstäben des Menschen (AckerWidmaier 1999, S. 63ff.). Die Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung werden wie folgt festgelegt:  einen größeren Output mit einem geringeren Input herstellen (z. B. durch Recycling und Ressourceneffizienz),  Verringerung des Bevölkerungswachstums,  Umverteilung von Nord nach Süd,  Überleitung von einem Input- und Größenwachstum der Wirtschaft zu einem nach-haltigen Wachstum. Der Brundtland-Bericht fand international eine breite Zustimmung. Sie erklärt sich jedoch ganz wesentlich aus dem relativ geringen Konkretisierungsgrad des Berichtes, der breite Spielräume für Interpretationen zulässt. Der geringe Konkretisierungsgrad begründet sich hauptsächlich aus den international unterschiedlichen beziehungsweise gegensätzlichen Positionen. Es ging hauptsächlich darum, ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungsaspekte zu berücksichtigen, verschiedene entwicklungstheoretische Ansätze einzubeziehen und zwischen verschiedenen Einschätzungen der Bedeutung des Wirtschaftswachstums und des technischen Fortschritts zu vermitteln. Dem Brundtland-Bericht lag eine insgesamt optimistische Sicht auf die Möglichkeiten eines „sustainable growth“ zugrunde, indem technischer Fortschritt zur wirtschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wachstum und zur Erhaltung der Umweltbedingungen im positiven Sinne gesehen wird. Die Forderung in der Präambel lautet: „What is needed now is a new era of economic growth – growth that is forceful and at the same time socially and environmentally sustainable.” Nur so wurde es möglich, einvernehmliche Handlungsstrategien nachhaltiger Entwicklung vorzuschlagen. Die Kunst, unterschiedliche Positionen zusammenzuführen, wird teilweise als Schwäche und teilweise als Stärke des Berichtes ausgelegt. Dem Bericht kommt jedoch unzweifelhaft das große Verdienst zu, durch die Problemanalyse und die aufgeführten Grundforderungen eine weltweite Diskussion über angemessene Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung initiiert zu haben. Die Brundtland-Kommission brachte auch den Vorschlag einer Weltkonferenz ein, die 1992 stattfand und den sogenannten „Rio-Prozess“ einleitete. Daher wird der Brundtland-Report vielfach auch als wichtiger Grundstein für die Rio-Konferenz eingeschätzt.

1.4

Der Rio-Prozess

Auf der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahre 1992 verpflichteten sich 178 Nationen zu dem Leitbild nachhaltige Entwicklung. Die Weltkonferenz führte dazu, dass das Leitbild nachhaltiger Entwicklung international

1.4 Der Rio-Prozess

11

eine große Popularität und eine wachsende politische Gestaltungsorientierung erfahren hat. Besondere Beachtung erfuhr die handlungsleitende Agenda 21. Dieses Aktionsprogramm stand unter der Maßgabe, Umwelt- und Entwicklungsaspekte, also die Ziele von Industrie- und Entwicklungsländern zusammenzuführen. Das Programm besteht aus einer Vielzahl politischer Bekenntnisse, Ziele und Vorhaben. Es erstreckt sich über 350 Seiten und bindet unterschiedlichste Themen und Anspruchsgruppen ein (UNCED 1992). Auf der Rio-Konferenz wurden eine Reihe von weiteren Beschlüssen wie die Rio-Deklaration zu Umwelt und Entwicklung (das Recht auf Entwicklung der heutigen und der zukünftigen Generationen entsprechend ihrer Bedürfnisse), die Klimarahmenkonvention (Stabilisierung der Treibhausgasemissionen zur Vermeidung einer Störung des Klimasystems), die Konvention über biologische Vielfalt (Biodiversitätskonvention) und die Waldkonvention (Bewirtschaftung und Erhaltung der Wälder nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz) gefasst. Keines der verabschiedeten Dokumente enthält jedoch konkrete und überprüfbare Verpflichtungen. Auch die Konventionen haben nur den Charakter von Rahmenbedingungen. Daher kam es nach der Rio-Konferenz zu einer Reihe von Folgeaktivitäten, wie die Weltbevölkerungskonferenz 1994, den Weltsozialgipfel 1995 und die Klimakonferenz (Kyoto-Protokoll) 1997. Im Jahr 2002 fand die in Rio de Janeiro beschlossene Folgekonferenz, d. h. der zweite Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt. Auf der Johannesburg-Konferenz wurde ein Implementierungsplan verabschiedet, in dem neue Ziele und Programme für Umweltschutz und Armutsbekämpfung enthalten sind. Bereits 1997, d. h. im Vorfeld der Johannesburg-Konferenz gab es die Zielsetzung, dass alle Länder bis 2002 eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln sollen. Sie wurde auf der Johannesburg-Konferenz noch einmal eingefordert, da bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige Länder eine Nachhaltigkeitsstrategie vorweisen konnten. Insgesamt zeichnete sich die Johannesburg-Konferenz durch eine Vielzahl von Kompromissen aus, die für die Erreichung eines Konsenses zwischen den beteiligten Ländern wichtig war. Daraus erklärt sich, dass die Aufbruchsstimmung („the Spirit of Rio“), die noch auf der UNCED 1992 vorherrschte, einer gewissen Ernüchterung gewichen war. Die nächsten Etappen auf internationaler Ebene sind die Jahre 2015 (Realisierung der „Millennium Development Goals“) und 2017, in dem eine weltweite Bestandsaufnahme „25 Jahre nach Rio“ stattfinden soll. 2012 fand schließlich die Konferenz Rio + 20 erneut in Rio de Janeiro statt. Dabei wurden der politische Wille und die Bemühungen für eine nachhaltige Entwicklung konkretisiert und erneuert. Ein zentrales Thema war die „green economy“. Die Europäische Kommission versteht darunter eine Wirtschaftsweise, „die Wachstum generiert, Arbeitsplätze schafft und Armut bekämpft, indem sie in das Naturkapital, von dem langfristig das Überleben unseres Planeten abhängt, investiert und dieses erhält.“ (KOM 2011, S. 2). Entsprechend der UNEP soll eine nachhaltige Entwicklung, wie sie 1992 definiert wurde, auf der Grundlage einer Green Economy erreicht werden (v. Hauff, Seitz 2012, S.184). Es wurde beschlossen, dass bis 2015 aktionsorientierte, messbare, jedoch rechtlich nicht verbindliche Ziele für nachhaltige Entwicklung verhandelt werden. Der UN-Generalsekretär soll nach Konsultationen Verhandlungsvorlagen erarbeiten. Die Ziele sollen – gegen den Widerstand der USA – für alle Staaten, also auch für Industrieländer gelten. Hervorzuheben ist, dass ein weltweiter Konsens

12

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

bestand, wonach das Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandsindikator nicht ausreicht (Bals 2012, S. 13). Infolgedessen ist das Leitbild nachhaltige Entwicklung überaus komplex und nicht in eine griffige Definition zu fassen. Es hat sich aber die Auffassung von der nachhaltigen Ent–wicklung als „regulative Idee“ durchgesetzt. Die Übereinkunft zur nachhaltigen Entwicklung ist heute auch so zu interpretieren, dass die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichberechtigt in einer offenen Aushandlung unter Beteiligung aller Anspruchsgruppen zu berücksichtigen sind (Blank 2001, S. 374–376). Hierzu gab es jedoch in den vergangenen Jahren die Kontroverse „Ein-Säulen-Konzept versus Drei-Säulen-Konzept“.

1.5

Exkurs: Die Kontroverse Ökologisch dominiertes Konzept vs Drei-Säulen-Konzept

In vielen älteren wie auch neueren Konzepten kommt der Natur bzw. den ökologischen Systemen als Lebens- und Wirtschaftsgrundlage der Menschheit völlig zu Recht eine zentrale Bedeutung zu. Die ökonomische und soziale Dimension werden dabei der ökologischen Dimension so zugeordnet, dass der Umweltschutz ökonomie- und sozialverträglich zu gestalten ist. Die menschlichen Eingriffe, wie der Abbau von Rohstoffen, die Umlenkung von Stoff- und Energieflüssen, aber auch die Veränderung großräumiger natürlicher Strukturen und die kritische Belastung von Schutzgütern (z. B. die Atmosphäre) verändern das System Erde in seinem Charakter zunehmend (Grunwald, Kopfmüller 2012, S. 54). Das Primat der Ökologie erklärt sich also daraus, dass die Umwelt die Lebens- und Produktionsgrundlage der heutigen Generation aber auch der zukünftigen Genrationen ist und ökologische Überlastungen wie z. B. der Klimawandel – die primär durch menschliches Handeln verursacht werden – im Gegensatz zu vielen ökonomischen und sozialen Fehlentwicklungen oft nicht mehr reparabel sind. Daher wird das Primat der ökologischen Nachhaltigkeit auch heute, beispielsweise in Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, vertreten. In diesem Kontext geht es also um die Belastungsgrenzen der Umwelt bzw. um die Stabilität der ökologischen Systeme bzw. der Tragekapazität. Insofern ist es sinnvoll von folgender Grundstruktur auszugehen: Die Grenzen ökologischer Systeme ist eine Grundbedingung bzw. -regel, die weltweit beachtet und eingehalten werden sollte. Im sogenannten „Drei-Säulen-Konzept“ geht es um die ausgewogene Berücksichtigung der drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Die Bezeichnung einer „Gleichrangigkeit“ zwischen den drei Säulen wird oftmals synonym verwendet, was in Abschnitt 6.2 problematisiert und weiterentwickelt wird. Im Weiteren soll auch der Begriff „Säule“ zugunsten des Begriffs „Dimension“ ersetzt werden und lediglich für das bereits eingeführte und bekannt „DreiSäulen-Modell“ oder „Drei-Säulen-Konzept“ Verwendung finden. Die Übereinkunft zu nachhaltiger Entwicklung wird heute international so interpretiert, dass die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales in einer offenen Aushandlung unter Beteiligung aller Anspruchsgruppen zu berücksichtigen sind und idealtypischerweise zu einem Gleichgewicht

1.5 Exkurs: Die Kontroverse Ökologisch dominiertes Konzept vs Drei-Säulen-Konzept

13

zusammengeführt werden sollen. Auf EU-Ebene hat sich die Dreidimensionalität nachhaltiger Entwicklung schon früh durchgesetzt. So „ist der Dreiklang Umweltschutz, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt bereits in der Präambel zum EUV (EU Vertrag) enthalten, verbunden durch den Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung, der damit diesen Dreiklang ausfüllt und von dem Ziel eines starken Umweltschutzes nicht unbeeinflusst bleiben kann. Dadurch ist der Umweltschutz zum notwendigen integralen Bestandteil der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung geworden.“ (Frenz, Unnerstall 1999, S. 173) Auch die Enquete-Kommission1 „Schutz des Menschen und der Umwelt“ hat das Drei-Dimensionen-Modell als konzeptionelle Grundlage gewählt (1998). In diesem Sinne vertrat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die Auffassung, dass der Kern des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung auf der Kenntnis beruhe, dass Ökologie, Ökonomie und soziale Sicherheit eine untrennbare Einheit bilden (BMU 1997, S. 9). Insofern ist Nachhaltigkeit als integriertes Konzept zu betrachten (Corsten, Roth 2012, S. 1ff.). Für die Präferenz des Drei-Dimensionen-Konzeptes lassen sich zwei Gründe aufführen (Grunwald, Kopfmüller 2012, S. 57):  Die Realisierung der postulierten Gerechtigkeit und der auferlegten Verantwortung erfordern die Einbeziehung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen.  Die Sicherung des menschlichen Daseins, besonders hinsichtlich zukünftiger Generationen und der zu vermeidenden Risiken, erfordert auch ökonomische und soziale Ressourcen als Basis einer Bedürfnisbefriedigung. Teilweise wird noch die politisch-institutionelle Dimension als vierte Dimension hinzugefügt. Abschließend sei noch erwähnt, dass aus der Kritik an dem Drei-Säulen-Modell heraus „integrative Nachhaltigkeitskonzepte“ entwickelt wurden, wonach die normativen Prämissen Zukunftsverantwortung und Verteilungsgerechtigkeit die drei Dimensionen überlagern. Aber auch diese Konzepte konnten sich nicht durchsetzen. Die Dreidimensionalität findet – wie schon erwähnt – heute einen breiten Konsens und hat sich weltweit und somit auch in Deutschland durchgesetzt (Kopfmüller et al. 2001, S. 47); die Kritik am Konzept der drei Dimensionen wird an späterer Stelle noch einmal diskutiert (siehe Abschnitt 6.2). Für die inhaltliche Abgrenzung und konzeptionelle Darstellung werden die drei Nachhaltigkeitsdimensionen verwendet, da sie auch die Grundlage für zahlreiche Definitionen zur nachhaltigen Entwicklung darstellen (Tremmel 2003, S. 100–116). Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ist im Kontext bereits realisierter Politiken zu betrachten, was der nachfolgende Abschnitt für Deutschland aufzeigt.

1

Enquete-Kommission ist eine überfraktionelle Arbeitsgruppe, die vom Deutschen Bundestag oder einem Landesparlament eingesetzt wird.

14

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung

1.6

Die bisherige Dominanz der Umweltpolitik

Nachhaltigkeit ist in Industrieländern über viele Jahre durch die ökologische Nachhaltigkeit dominiert worden, d. h., Umweltschutzpolitik stand zunächst im Vordergrund der Politik nachhaltiger Entwicklung. Der früher in Deutsch- Der Siegerländer Hauberg als historisches Beiland häufig verwendete Begriff einer „dauerhaft spiel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise umweltgerechten Entwicklung“ als Überset- Wirtschaftliche Notwendigkeiten und vorsorgliche des kargen Bodens führten zu einer genoszung für „Sustainable Development“ deutet Nutzung senschaftlichen Nutzung von Niederwäldern, was schon auf diese Ausrichtung hin. Beispielsweise 1562 erstmals eine „Haubergsordnung“ vorschrieb. wurde in Deutschland schon zu Beginn der Hiernach wurden die Wälder nach dem natürlichen 1970er-Jahre durch die Einführung einer akti- Umtriebszyklus von ca. 15 Jahren in sogenannte „Haue“ aufgeteilt. Jeder Genossenschaftsangehöriger ven Umweltschutzpolitik die ökologische Kom- erhielt für bestimmte Zeit ein gleichwertiges Stück, ponente in der Wirtschaftsordnung verankert das es systematisch für Brennstoff- und Holzgewinund somit das Konzept der Sozialen Marktwirt- nung, Gerberstoffe, Landbau und Viehzucht zu nutzen galt. Die Haubergswirtschaft konnte sich mehrere schaft – in gewissen Grenzen – hin zu einer Jahrhunderte behaupten, bis sie durch den industrielÖko-Sozialen Marktwirtschaft erweitert. Hier- len Strukturwandel verdrängt wurde (Rottländer bei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sowohl 1997, S. 475–489). hinsichtlich der Ausgestaltung der sozialen Dimension als auch der Umweltpolitik eine intensive Kontroverse entstand, in der sich gegensätzliche Positionen bis heute unversöhnlich gegenüberstehen. Während sich die Situation in den anderen Industrieländern mit einer gewissen Differenzierung ähnlich verhält, fällt die Mehrzahl der Entwicklungsländer noch deutlich davon ab. Heute zeichnen sich real existierende marktwirtschaftliche Systeme in Entwicklungsländern dadurch aus, dass sie die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung, d. h. Ökologie, Ökonomie und Soziales, zumindest in rudimentärer Form aufweisen. Es besteht jedoch noch keine ausgewogene Berücksichtigung der drei Dimensionen. Die ökonomische Dimension marktwirtschaftlicher Entwicklungsländer basiert zumindest in idealtypischer Weise u. a. auf den marktwirtschaftlichen Prinzipen des Wettbewerbs, des freien Marktzugangs und dem Leistungsprinzip. Die soziale Dimension findet zumindest ansatzweise in sozialstaatlichen bzw. sozialpolitischen Maßnahmen, wie der Einkommens- und Vermögensumverteilung durch die Steuerprogression, dem Sozialversicherungssystem und den sozialstaatlichen Sozialleistungstransfers, ihre Berücksichtigung und Umsetzung. Hiervon profitieren die Menschen in Entwicklungsländern jedoch in sehr unterschiedlichem Maße (vgl. u. a. Adam et al. 2002). Neben den sozialstaatlichen Bereichen sind bei der sozialen Dimension z. T. noch die Formen bürgerschaftlichen Engagements und weitere Bereiche gesellschaftlicher Aktivitäten zu berücksichtigen. Die ökologische Dimension, d. h. die Umweltpolitik wird in der Regel bisher völlig unzureichend umgesetzt. Gebhard Kirchgässner stellt in diesem Kontext die Frage, ob der Markt ökologisch und sozial verantwortliches Handeln fördert oder ob er es zumindest zulässt. Obwohl er das vielfältige soziale und ökologische Verantwortungsbewusstsein einzelner Unternehmer erkennt, kommt er zu der zutreffenden Erkenntnis: „So nützlich Märkte auch für die wirtschaftliche Entwicklung sind und so wichtig die Rolle ist, die dabei der Wettbewerb spielt, Wettbewerbsmärkte vermitteln von sich aus

1.7 Umsetzung des Leitbildes durch Nachhaltigkeitsstrategien

15

zu wenig Anreize im Hinblick auf ökologisch und sozial nachhaltiges Handeln (Kirchgässner 2002, S. 393).“ Daraus begründet sich für die Politik die Aufgabe, Bedingungen bzw. Anreize zu schaffen, wonach es für die Wirtschaftssubjekte attraktiv wird, ihr Handeln so auszurichten, dass es nachhaltige Entwicklung fördert. Besondere Bedeutung hat in den 1990er-Jahren in Deutschland die Diskussion um die Ökologische Modernisierung als technisch-ökonomischer Fortschritt erlangt. Diese zielt auf ein alternatives Verständnis von Politik und insbesondere Umweltpolitik ab, das von komplexen, dynamischen und vernetzten Innovationsprozessen ausgeht. Daraus kann gefolgert werden, dass eine klare Zielsetzung sowie strategiereiche, anreizbasierte und transparente Maßnahmen der Politik nötig sind. Ein konsensorientierter Politikstil soll diese Maßnahmen stärken sowie die Ziele transparent und flexibel erfassen helfen. Hierbei setzt die Wirksamkeit der innovationsorientierten Politik ein enges und integrierendes Netzwerk der Akteure voraus (Jänicke 1999, S. 162–164 und Jänicke 2000, S. 284–288). Ein Beispiel für ein solches Netzwerk ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtete Programm „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA) mit jährlichen Konferenzen.

1.7

Umsetzung des Leitbildes durch Nachhaltigkeitsstrategien

Die neuere Diskussion über die nachhaltige Entwicklung konnte das vorherrschende ökologische Verständnis durch ein umfassenderes Verständnis ablösen. Das Drei-Säulen-Modell, wonach ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichrangig zu berücksichtigen sind, gewann zunehmend an Bedeutung. Dies spiegelte sich in den Konferenzen und Aktivitäten, die auf die UNCED aus dem Jahr 1992 bzw. im Rahmen des Agenda-21-Prozesses folgten, wider. Es wurden Ansätze entwickelt und teilweise implementiert, die zunehmend versuchen die Forderung der Agenda 21 in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu integrieren. Beispielsweise wurden zahlreiche Aktivitäten zur Lokalen Agenda 21 initiiert und durchgeführt. Aber auch auf nationaler und internationaler Ebene entstanden zunehmend handlungsorientierte Ansätze der Politik, Wirtschaft und des bürgerschaftlichen Engagements. Schließlich beschleunigte das World Summit on Sustainable Development (WSSD), das im Jahr 2002 in Johannesburg stattfand, in jenen Ländern, die bis zu dem vorgesehenen Zeitpunkt keine nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorliegen hatten, die Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien auf nationaler Ebene. Eine Nachhaltigkeitsstrategie soll gemäß Agenda 21 die nachhaltige Entwicklung kooperativ, partizipativ und umfassend umsetzen: „Die Regierungen sollten soweit angebracht in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen eine nationale Strategie für nachhaltige Entwicklung verabschieden, die unter anderem auf der Umsetzung der Konferenzbeschlüsse aufbaut, insbesondere soweit diese die Agenda 21 betreffen. Diese Strategie sollte von den verschiedenen sektoralen Politiken und Plänen eines Landes im Wirtschafts-, Sozial- und Umweltbereich

16

1 Entstehung und Zielsetzung des Leitbildes nachhaltige Entwicklung ausgehen und diese miteinander abstimmen. Die im Rahmen bereits existierender Planungsvorhaben, wie etwa einzelstaatlicher Berichte für die Konferenz, Naturschutzstrategien und Umweltaktionspläne, gewonnenen Erfahrungen sollten umfassend genutzt und in eine von den Ländern gesteuerte Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden werden. Zu den Zielen dieser Strategie sollte es gehören, eine sozialverträgliche wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitiger Schonung der Ressourcenbasis und der Umwelt zum Nutzen künftiger Generationen sicherzustellen. Sie sollte mit möglichst großer Beteiligung entwickelt werden. Außerdem sollte sie von einer genauen Bewertung der aktuellen Situation und aktueller Initiativen ausgehen (UNCED 1992, Kapitel 8.7).“

Obwohl das Leitbild nachhaltiger Entwicklung bisher nur langsam umgesetzt wurde, schreitet die Implementierung voran: In Abb.1-1 wird ersichtlich, dass hauptsächlich europäische Staaten und andere Industrieländer – abgesehen von den USA - eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und nun den Umsetzungsprozess eingeleitet haben. Die EU hat beispielsweise 2006 ihre erste Nachhaltigkeitsstrategie von 2001 fortgeschrieben und Deutschland hat 2012 einen weiteren Fortschrittsbericht vorgelegt. Für Deutschland ist jedoch kritisch anzumerken, dass die nationale Nachhaltigkeitsstrategie und die Konzeption der sozialen Marktwirtschaft bisher weitgehend unverbunden nebeneinanderstehen und die Beziehung zueinander ungeklärt ist (von Hauff 2007). Einige Länder, die bisher noch keine nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt haben, konnten zumindest erste Koordinations- und Beratungsprozesse einleiten. Die übrigen Länder haben zumeist nur Instrumente wie Umwelt- oder Entwicklungspläne aufgestellt (UNDESA 2004). Weltweit ist somit der Prozess der Entwicklung und Umsetzung nationaler Nachhaltigkeitsstrategien noch nicht sehr weit fortgeschritten. Hinzu kommt noch, dass die folgende Abbildung beispielsweise für den asiatischen Kontinent ein zu positives Bild vermittelt: Bisher kann auf dem asiatischen Kontinent der Umsetzungsprozess nur in Japan und Südkorea als fortgeschritten bezeichnet werden. In den anderen asiatischen Ländern ist er noch im Anfangsstadium oder hat noch nicht nennenswert begonnen. Hierfür gibt es mehrere Gründe:  Es gibt in diesen Ländern starke Interessen einzelner Gruppen, die sich gegen die Berücksichtigung der drei Dimensionen stellen und sich eindeutig für eine Beibehaltung der Dominanz der ökonomischen Dimension einsetzen. Daher lassen sich Umweltschutzmaßnahmen, aber auch soziale Maßnahmen oft nur unzureichend in eine Nachhaltigkeitsstrategie einbringen und umsetzen. Dabei wird von den Entscheidungsakteuren in diesen Ländern jedoch häufig übersehen, dass nur die gleichrangige Berücksichtigung der drei Dimensionen mittel- bis langfristig eine stabile wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht.  Oft sind die politischen Akteure nicht bereit, einen partizipativen Prozess zur Entwicklung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie einzuleiten. Weiterhin mangelt es ihnen an methodischen und konzeptionellen Kenntnissen, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und umzusetzen.  Daher sind die komplexen Beziehungsstrukturen zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem im Rahmen einer konsistenten Strategie stärker zu diskutieren und zu verdichten sowie die Nachhaltigkeitsstrategie effektiv zu institutionalisieren (Bregha et al. 2004, S. ixxiv; Europäische Kommission 2004, S. 19–21).

1.7 Umsetzung des Leitbildes durch Nachhaltigkeitsstrategien Juli 2003:

Juni 2010:

: : : :

keine Information verfügbar / keine Maßnahmen ergriffen keine Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt, aber Koordinations- und Beratungsprozesse zur nachhaltigen Entwicklung Nachhaltigkeitsstrategie in der Entwicklung Nachhaltigkeitsstrategie umgesetzt

Quelle: in Anlehnung an UNDESA 2004; UNDESA 2010 Abb. 1-1: Weltweite Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien 2003 und 2010

17

2

Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Zwischen ökonomischem Mainstream2 und nachhaltiger Entwicklung gibt es sehr grundsätzliche Unterschiede. Einige wesentliche Unterschiede bzw. Gegensätze werden in diesem Kapitel aufgezeigt. Die Darstellung der Unterschiede beginnt oft mit den unterschiedlichen Menschenbildern. Das Menschenbild des Homo oeconomicus, das sich durch Rationalität und Nutzenmaximierung auszeichnet, dominiert in der neoklassischen Ökonomie. Es gibt jedoch in zunehmendem Maße Kritik an diesem Menschenbild, und es wird teilweise abgelehnt bzw. verworfen. Die Kritik an dem Menschenbild konzentriert sich hauptsächlich auf die Einengung auf das einzelne Individuum und dessen Streben nach Maximierung des Nutzens. Es besteht Konsens, dass dieses Menschenbild den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung nicht entspricht. Anders formuliert: Es bedarf eines normativen Menschenbildes, dessen Handeln mit den Forderungen der Nachhaltigkeit konform geht, wie in dem folgenden Abschnitt erläutert wird. Im Rahmen nachhaltiger Entwicklung besteht weiterhin ein grundsätzlicher Konsens, dass die wissenschaftliche Zuwendung zu Problemstellungen interdisziplinär erfolgen muss, wie dies im Kontext nachhaltiger Entwicklung erfolgt. Hier steht die neoklassische Ökonomie noch ganz am Anfang, wie im Rahmen des Fortschrittsparadoxon, das in Abschnitt 2.2 aufgezeigt wird, verdeutlicht werden kann. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass im Rahmen nachhaltiger Entwicklung die drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales zu einem Gleichgewicht zusammengeführt werden sollen. Ausgangspunkt hierbei ist, dass die ökologischen Systeme Grenzen vorgeben, die für die Menschheit von existenzieller Bedeutung sind. Daher wird gefordert, dass die Ökonomie als Subsystem der Ökologie in die Grenzen der ökologischen Systeme wieder zurückgeführt wird. Zunächst geht es in Abschnitt 2.3 darum, die drei Dimensionen inhaltlich zu konkretisieren. Eine wichtige Kontroverse besteht hinsichtlich des Gerechtigkeitsverständnisses. Der Ausgangspunkt der Vertreter beider Disziplinen ist die intergenerationelle Gerechtigkeit, bei der es darum geht, dass zukünftige Generationen in ihrer Bedürfnisbefriedigung nicht durch die Lebensweise der gegenwärtigen Generation beeinträchtigt werden sollen, wie im Brundtland-

2

Teilweise werden in diesem Zusammenhang auch Begriffe wie traditionelle Ökonomie oder neoklassische Ökonomie verwendet.

20

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Bericht gefordert wird. Die Vertreter der neoklassischen Ökonomie streben die intergenerationelle Gerechtigkeit über eine Erhaltung des Kapitalstocks (Naturkapital + Sachkapital) an. Dabei kann Naturkapital durch Sachkapital substituiert werden (vgl. hierzu 2.4). Das wird von den Vertretern der Ökologischen Ökonomie, die als Wissenschaft nachhaltiger Entwicklung gilt, grundsätzlich abgelehnt. Die Vertreter der Ökologischen Ökonomie fordern ein umweltorientiertes Leitbild nachhaltiger Entwicklung, das die Beziehung der beiden Dimensionen Ökologie und Ökonomie in den Mittelpunkt stellt (vgl. hierzu 2.5). Bei dieser Kontroverse geht es ganz wesentlich um die Bewertung bzw. Relevanz wirtschaftlichen Wachstums. Die soziale Dimension wird sowohl bei der neoklassischen Ökonomie als auch bei der Ökologischen Ökonomie weitgehend vernachlässigt. Eine Weiterentwicklung findet die Ökologische Ökonomie in den Überlegungen zu einer Postwachstumsgesellschaft bzw. Postwachstumsökonomie. Die gegensätzlichen Positionen der neoklassischen Ökonomie und der Ökologischen Ökonomie lassen sich in der ausgewogenen Nachhaltigkeit überwinden (vgl. hierzu 2.6). Dabei ist die ausgewogene Nachhaltigkeit nicht ein in sich geschlossener Ansatz. Es gibt hierzu einige Beiträge, die unterschiedliche Akzente setzen, die ebenfalls kurz aufgezeigt werden. Die Beiträge zur ausgewogenen Nachhaltigkeit verbindet jedoch die Frage, ob ein nachhaltiges Wachstum möglich ist. Die kurzen Ausführungen haben schon angedeutet, dass es zwischen der neoklassischen Ökonomie und der nachhaltigen Entwicklung ganz grundsätzliche Unterschiede gibt, die in beiden folgenden Absätzen exemplarisch verdeutlicht werden sollen.

2.1

Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung

Der Homo oeconomicus (rational economic man) als ökonomisches Verhaltensmodell ist in der neoklassischen Ökonomie fest verankert. Der Homo oeconomicus hat jedoch schon eine lange Tradition, wie Sen in seinem bemerkenswerten Artikel “Rational Fools: A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory” feststellt: „In his Mathematical Physiks, published in 1881, Edgeworth asserted that “the first principle of Economics is that every agent is actuated only by self-interest.” This view of man has been a persistent one in economic models, and the nature of economic theory seems to have been much influenced by this basic premise.” (Senn 1977, S. 317) Teilweise wird der Homo oeconomicus auch als Menschenbild und nicht als ökonomisches Verhaltensmodell klassifiziert. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass beide Klassisfikationen teilweise auch in Frage gestellt werden, indem es sich hierbei weder um ein ökonomisches Verhaltensmodell noch um ein Menschenbild, sondern nur um eine analytische Ab-straktion handelt, die vom realen Menschen losgelöst ist. Lingnau spricht im betriebswirtschaftlichen Kontext von einer apersonellen Wirtschaftlichkeitsoptimierungslehre, in der ethische Kategorien wie Menschenfreundlichkeit keinen Platz haben (Lingnau 2011, S. 35). Dies würde bedeuten, dass man den Bezug zur Realität aufgibt, womit der wissenschaftliche Anspruch der

2.1 Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung

21

gesamten neoklassischen Ökonomie infrage gestellt wird. Sie könnte dann keinen sinnvollen Beitrag zur Gestaltung realer Prozesse leisten (Siebenhüner 2001, S. 110). Ursprünglich stammt das ökonomische Verhaltensmodell des Homo oeconomicus aus der klassischen Nationalökonomie. Das ursprüngliche Verhaltensmodell hat sich jedoch im Zeitablauf insofern geändert, als es zu abgestuften Formen besonders hinsichtlich des Grades der Rationalität kam (vgl. hierzu Kirchgässner 2013). Das wird in den folgenden Ausführungen jedoch nur kurz behandelt. So geht man z. B. in der Neuen Institutionenökonomie von beschränkter Rationalität aus. Heute ist der Homo oeconomicus besonders in der Mikroökonomik, aber auch in der Makroökonomik aufgrund der mikroökonomischen Fundierung der Makroökonomie verankert. Bei dem Verhaltensmodell steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die ökonomische Methode setzt daher beim Verhalten der einzelnen Individuen an. Aus diesem Grund spricht man auch von dem methodischen Individualismus. Im Kontext des methodischen Individualismus sind nur Individuen, nicht aber Kollektive, zum Handeln fähig. Daher kommen auch keine sozialen Normen in den Präferenzen der Individuen vor. Kollektive können somit keine eigenständigen Präferenzen haben, die von jenen der handelnden Individuen unabhängig wären. Kollektive Entscheidungen ergeben sich aus der Aggregation individueller Entscheidungen. Es ist jedoch mit dem methodischen Individualismus vereinbar, dass sich Individuen in Kollektiven anders verhalten, als wenn sie alleine wären. Das erklärt sich daraus, dass sich ihre Einschätzungen in einem Kollektiv bzw. einer Gruppe ändern. Die Änderung von Einschätzungen einzelner Personen begründet sich somit auf soziale Interaktionen in Gruppen. Das Verhaltensmodell basiert auf drei Annahmen (Kirchgässner 2013, S. 16ff.): Bei dem Verhaltensmodell des Homo oeconomicus wird angenommen, dass die Präferenzen eines Individuums weder einen Bezug zu den Präferenzen anderer noch zu den Handlungsfolgen auf andere aufweisen, also entsprechend des methodischen Individualismus ihre Entscheidungen unabhängig voneinander treffen. Das nächste Kriterium ist, dass sich die Individuen rational verhalten. Sie sind bestrebt, ihre Zielfunktion unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen zu maximieren. Individuen entscheiden sich in Entscheidungssituationen für jene Handlungsalternative, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Präferenzen den größten Vorteil bei dem geringsten Aufwand erbringen. Die Zahl der Handlungsalternativen ist durch Restriktionen, wie die finanzielle Ausstattung eines Individuums, beschränkt. Die dritte Annahme entspricht dem Eigennutzaxiom. Konkret bedeutet das, dass die Haushalte ihre Nutzenfunktionen unter Berücksichtigung der relativen Preise der Güter und die Unternehmen Gewinnmaximierung anstreben. Das Eigennutzaxiom wird vielfach auch mit egoistischem Verhalten gleichgesetzt. Die Kritik an dem ökonomischen Verhaltensmodell richtet sich vielfach gegen die absolute Rationalität, wie sie beispielsweise von Gary S. Becker präferiert wird. Hiervon abzugrenzen ist der „moderne Homo oeconomicus“, der sich nicht immer und überall als Optimierer verhält (Kirchgässner 2013, S. 32). Hier wird häufig das Konzept der beschränkten Rationalität aufgeführt. Das Konzept der beschränkten Rationalität (bounded rationality) geht auf die Arbeiten von Herbert Simon zurück (Simon 1955, 1957). Dabei baut er auf psychologischen Erkenntnissen zum Entscheidungsverhalten von Menschen auf. Seinen Ansatz nennt er in einer späteren Publikation „behavioral economics“ (1987). Er unterscheidet zwischen Rationalität

22

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

der Entscheidung (substantive rationality) und der prozeduralen Rationalität (procedural rationality). Danach streben Individuen die Befriedigung eines Anspruchsniveaus und nicht die Maximierung ihrer Bedürfnisbefriedigung ganz allgemein an. Der Grad der Einschränkung des rationalen Verhaltens hängt ganz wesentlich davon ab, wie groß die Unkenntnis der Handlungsmöglichkeiten, d. h. die Unvollständigkeit der Informationen ist. Dabei geht es dann natürlich auch um die Frage, wie hoch die Transaktionskosten für zusätzliche Informationen sind. Die Stärke des Ansatzes der beschränkten Rationalität sieht Siebenhüner in der Auseinandersetzung mit den kognitiven Fähigkeiten und Schwächen des Menschen, die auch im Rahmen der Nachhaltigkeit eine große Bedeutung haben. „Auch die Fähigkeit zum vernetzten Denken und zur Antizipation der Zukunft sind von Wahrnehmungsverzerrungen, von kognitiven Dissonanzen oder asymmetrischen Erfolgszuschreibungen beeinträchtigt (Siebenhüner 2001, S. 177).“ In jedem Fall zeichnet sich der Homo oeconomicus dadurch aus, dass er seine eigenen Interessen verfolgt. Eine typische Überlegung eines Homo oeconomicus ist, warum er sein eigenes Glück für das Glück anderer opfern sollte. Oder: Warum sollte er sein gegenwärtiges Wohlbefinden für eine andere Person in Zukunft zurückstellen bzw. einschränken? Da er ausdrücklich auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, wird er vielfach auch als egoistisch bezeichnet. Kirchgässner gibt bei dieser Einschätzung aber zu bedenken, ob sich ein Individuum nicht auch altruistisch bzw. moralisch oder gar missgünstig und neidisch verhalten kann und in welchen Situationen ein solches Verhalten auftritt. Hiervon trennt er jedoch die Frage ab, ob es aus methodischen und inhaltlichen Gründen auch sinnvoll sein könne, grundsätzlich Egoismus zu unterstellen, selbst wenn man zur Kenntnis nimmt, dass dies nicht immer richtig sein muss (Kirchgässner 2013, S. 47). In diesem Kontext stellt sich natürlich auch die Frage, ob in einer globalisierten Marktwirtschaft, in der Wettbewerb und das Leistungsprinzip konstitutive Merkmale sind, Eigeninteresse das primäre Verhalten sein muss. Ein Unternehmer, der sich in einem wettbewerbsintensiven Markt behaupten muss, kann sich oft keine zusätzlichen sozialen oder monetären Leistungen für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten, wenn er in diesem Markt bestehen will. Er handelt also auch im Sinne seiner Mitarbeiter eigennützig, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Viele Arbeitskräfte müssen sich auf einem Arbeitsmarkt, der sich ebenfalls durch Wettbewerb auszeichnet, auf der Grundlage ihrer Eigeninteressen durchsetzen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es nicht nur ein "systemrelevantes Eigeninteresse" gibt. Teilweise verfolgen Individuen ihr Eigeninteresse auch mit List oder mit opportunistischem Verhalten, wenn sie dadurch ihren Nutzen mehren können. Wie schon zu Beginn dieses Abschnitts aufgezeigt wurde, kam es bereits früh zu Kritik an dem Verhaltensmodell des Homo oeconomicus. Diese Kritik kam sowohl von Ökonomen als auch von Vertretern anderer Disziplinen wie der Politikwissenschaft und der Soziologie. Bei der Kritik von Vertretern anderer Disziplinen besteht jedoch ebenfalls das Problem einer Reduktion der Erklärung menschlichen Verhaltens auf den Kontext der jeweiligen Disziplin. Daraus leitet sich das Problem der Beschränkung menschlicher Handlungsmöglichkeiten und Freiheitsgrade ab. Der Mensch sollte jedoch besonders im Kontext nachhaltiger Entwicklung als handlungsoffenes Wesen angesehen werden. Es sollte auf der Grundlage seiner Willensentscheidung sein Handeln aus sich heraus bestimmen. Werden Menschenbilder als Grundlage

2.1 Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung

23

dieser Entscheidung herangezogen, erhalten sie auch neben der erklärenden eine normative, d. h. eine verhaltenslenkende Funktion (Siebenhüner 2013, S. 108). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die Unvereinbarkeit des Verhaltensmodells des Homo oeconomicus mit dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung. Hierzu stellen Ferraro und Reid grundsätzlich fest: „Dissatisfaction with homo oeconomicus‘ worldview has led to many critiques notably in debates related to sustainable development where there is a growing awareness of the negative implications of its philosophy, especially its ethos of self-interest, for the management and utilisation of natural resources.“ (Ferraro, Reid 2013, S. 127) Es stellt sich nun die Frage, worauf das Menschenbild nachhaltiger Entwicklung basiert. Manstetten und Faber stellen im Rahmen einer Nachhaltigkeitsökonomie als Kernpunkt eine menschliche Motivationsstruktur heraus, die sich durch die Achtung vor den Interessen aller Menschen auszeichnet, besonders auch jener der zukünftigen (Manstetten, Faber 1999, S. 76ff.). In der Folge entstanden eine Vielzahl von alternativen Menschenbildern: vom homo sustinens über den homo politicus, den homo reciprocans und den homo ecologicus. Ein gewisser Konsens besteht bei der Mehrzahl dieser alternativen Menschenbilder in der Notwendigkeit eines pluralen Menschenbildes, das sich aus verschiedenen Teildisziplinen ableiten lässt, deren wissenschaftlicher Erkenntnisstand in Bezug auf menschliches Handeln und Entscheiden entsprechend fortgeschritten ist. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf das Konzept des Homo sustinens. Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort „sutinere“ ab, das dem Wortstamm to sustain zuzuordnen ist. Entsprechend soll sich der Homo sustinens an den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung orientieren. Für das Konzept des Homo sustinens nennt Siebenhüner vier Teildisziplinen der Ökonomie, die zu diesem Verhaltensmodell einen wichtigen Beitrag leisten. Es handelt sich hierbei um die Verhaltensökonomik, die neue Institutionenökonomik, die Glücksforschung und die Neuroökonomie. Dabei werden die neue Institutionenökonomie und die Glücksforschung nur kurz vorgestellt, da sie in Abschnitt 2.3 noch ausführlicher erläutert werden. Verhaltensökonomik: Die verhaltenswissenschaftliche Ökonomik (behavioral economics) erfuhr besonders durch die Verleihung des Nobelpreises an Kahneman und Smith im Jahr 2002 als empirisch fundierte Theorie menschlichen Verhaltens in der Ökonomie eine wachsende Bedeutung. Dabei geht es in der Regel um die Analyse menschlichen Verhaltens in experimentellen Situationen. Die Ergebnisse vieler Experimente wichen deutlich von dem Verhaltensmodell des Homo oeconomicus ab, d. h. es konnten viele Anomalien gegenüber dem Lehrbuchmodell des Homo oeconomicus festgestellt werden (Siebenhüner 2013, S. 109). Dies soll an einem kleinen Modell von Fehr und Schmidt aufgezeigt werden. Die Grundidee des Ansatzes besteht darin, dass Individuen eine Ungleichheitsaversion haben, d. h. sie bevorzugen gleichmäßige Auszahlungen. Nach Fehr und Schmidt (1999) sind also den Menschen neben ihrer eigenen Auszahlung auch die Auszahlungen der anderen von Bedeutung. Die vereinfachte Nutzenfunktion eines Zwei-Spieler-Falls lautet wie folgt für Spieler i: =

,

=





ü







ü




≥0

Bei und handelt es sich um die Auszahlungen der Spieler und . Die Präferenzparameter, die das Verhalten antreiben, sind zum einen , das Maß für die nachteilige Ungleichheitsaversion („Neidparameter“), und , das Maß für die vorteilhafte Ungleichheitsaversion („Mitleidsparameter“). Die Nutzenfunktion des Spielers beschreibt zwei Fälle: In dem einen Fall steht das Individuum, Spieler , besser als sein Gegenüber da ( ≥ ). Dies entspricht der oberen Zeile der Funktion. In diesem Fall spielt die vorteilhafte Ungleichheitsaversion eine Rolle. In der anderen Situation ist es schlechter gestellt und die nachteilhafte Ungleichheitsaversion liegt vor ( < ): die untere Zeile. Allerdings ist es in diesem Modell auch von Bedeutung, wie das Individuum relativ zu den anderen steht. Es wäre eher bereit, Ungleichheit in Kauf zu nehmen, wenn es derjenige wäre, der besser gestellt ist (Annahme: ≥ ). Im Kontext der Kritik von verhaltenswissenschaftlichen Ökonomen am Homo oeconomicus gibt es viele interessante Erkenntnisse. So besteht nach Marwell und Ames ein signifikanter Unterschied im Öffentlich-Gut-Spiel zwischen den Studierenden unterschiedlicher Disziplinen, wobei Studierende der Ökonomie sich besonders auffällig verhalten: Die Ökonomie-Studenten investieren durchschnittlich nur 20% in das öffentliche Gut, während die HighschoolSchüler 42% in das öffentliche Gut investieren. Daraus lässt sich ableiten: Ökonomiestudenten neigen eher zum Trittbrettfahrerverhalten. „Economists may be selected for their work by virtue of their preoccupation with the ‘rational’ allocation of money and goods. Or they may start behaving according to the general tenets of the theories they study. Confronted with a situation where others may not behave rationally, they nevertheless behave the way good economic theory predicts.” (Marwell, Ames, 1981, S. 309) Aus dieser Erkenntnis ergibt sich folgende Situation: Entweder wurde den Ökonomie-Studenten das rationale Verhalten mit in die Wiege gelegt und sie haben daher diesen Studiengang gewählt (Selektionseffekt) oder die Studierenden werden durch den vermittelten Stoff zu Ökonomen „erzogen“ (z. B. Nutzenmaximierung). Hier kann man von einem Ausbildungseffekt sprechen. Andererseits kommen Yezer u. a. (1996) zu der Erkenntnis, dass Wirtschaftsstudenten in einem Lost-Letter-Experiment ehrlicher sind als Studierende anderer Disziplinen, indem sie einen Brief mit Geld und Absender, der in einem Hörsaal lag, häufiger abgegeben haben. Ein anderes Beispiel: Fehr, Naef und Schmidt (2006) spielten die Spiele Ey und P aus der Veröffentlichung von Engelmann und Strobel (2004) nach. In einer vergleichenden Studie zwischen Ökonomen (Studenten der VWL und der BWL) und Nicht-Ökonomen (Studenten der Sozialwissenschaften) fanden sie heraus, dass die Ökonomen die effiziente Allokation (= Präferenz für die Maximierung der Gesamtauszahlung) gegenüber der ungleichheitsaversen (= Präferenz für die Minimierung der Auszahlungsdifferenz zwischen den Probanden) bevorzugten. Die Nicht-Ökonomen wählten seltener die effiziente Allokation und legten eine höhere Anzahl ihrer Ungleichheitsaversion offen. In einem weiteren Experiment wurde die politische Einstellung der Probanden mit ihrer Verteilungspräferenz verglichen. Fehr et al. konnten dar-

2.1 Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung

25

legen, dass politische Neigungen weder die Präferenz für Effizienz noch die für Ungleichheitsaversion signifikant beeinflussen. Allerdings entschieden sich Versuchspersonen tendenziell häufiger für die ungleichheitsaverse Allokation, die sich zum politisch linken Flügel hingezogen fühlen, als solche, die den rechten Flügel präferieren. Für die Nachhaltigkeitsforschung wäre noch eine wichtige Frage, ob Individuen mit steigender Machtfülle sich stärker den Verhaltensmaximen des Homo oeconomicus anpassen, um ihre Machtfülle zu erhalten bzw. weiter auszubauen. Geht man von dieser Annahme aus, kommt man zu folgender Erkenntnis: Da nur eine relativ kleine Gruppe von Individuen – im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung eines Landes – mit einer relativ großen bzw. wachsenden Machtfülle ausgestattet ist, käme es dementsprechend zu wichtigen Entscheidungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik durch diese Individuen, die ganz wesentlich durch das Verhaltensmodell des Homo oeconomicus geprägt sind. Die Neue Politische Ökonomie gibt wichtige Hinweise, die diese These bestärken (vgl. u.a. Kirsch 2004). Aus der Perspektive der nachhaltigen Entwicklung geht es ganz zentral um die Relevanz der Kooperation zwischen Menschen auch in anonymen Situationen. Die Erkenntnisse aus Experimenten zeigen, dass sich Menschen auch kooperativ verhalten. Das gilt besonders, wenn zum Beispiel Fairness-Normen das verlangen. Nicht kooperatives Verhalten wird besonders dann unterlassen, wenn unfaires Handeln, also die Nichtbeachtung der Fairness-Normen, bestraft werden kann. Daher sind in diesem Zusammenhang bestimmte gesellschaftliche konsensfähige auf Fairness angelegte Verhaltensweisen und/oder politisch vorgegebene Normen von großer Bedeutung. Dennoch sollte beachtet werden, dass menschliches Verhalten oft auch durch das Eigennutzprinzip bestimmt ist. Das gilt besonders, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Institutionenökonomie: Institutionen sind Spielregeln, mit denen ökonomisches oder gesellschaftliches Handeln strukturiert wird. Ihr Hauptzweck besteht darin, die Unsicherheit in wirtschaftlichen Abläufen und im gesellschaftlichen Zusammenleben zu vermindern, indem sie für eine stabile (nicht notwendigerweise effiziente) Ordnung im täglichen Leben sorgen. Der Begriff „Institutionen“ implizierte in seiner funktionalen Bedeutung Anfang des 20. Jahrhunderts Basisinstitutionen wie Ehe, Familie und Recht. In den 1940er- und 1950er- Jahren wurde der Begriff Institution in einer umfassenderen Definition auf alle strukturerhaltenden Aspekte der Gesellschaft ausgeweitet, sofern sie auf Werten basieren. In ihrem weitesten Sinne sind Institutionen „jegliche Art von Beschränkung […] zur Gestaltung menschlicher Interaktionen“ (North 1992, S. 4). Dabei sind Beschränkungen im Sinne von Grenzen gemeint, die Handlungsspielräume definieren. Diese dienen nicht nur der Einschränkung von Optionen, sondern auch ihrer Erweiterung. Einige weniger privilegierte Individuen können dadurch neue Möglichkeiten erhalten, während andere mehr Verantwortung übernehmen müssen, was die Stabilität innerhalb einer Gesellschaft begünstigt. Glücksforschung: Die Glücksforschung ist ein neuer, interdisziplinärer Forschungszweig, in dem Wirtschaftswissenschaftler, Psychologen, Hirnforscher, Soziologen und Vertreter anderer Disziplinen zusammenarbeiten. Besondere Beachtung erfuhr auch die Glücksforschung analog der Verhaltensökonomie dadurch, dass der Psychologe Daniel Kahneman im Jahr 2002 für seine Arbeiten zur verhaltensorientierten Ökonomik den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen bekam. Bei der modernen Glücksforschung geht es darum, herauszufinden,

26

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

wodurch Glück gehemmt oder gefördert wird. Darauf aufbauend lassen sich Gestaltungsvorschläge für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik entwickeln und umsetzen. Bei der Ausgestaltung gesellschaftlicher Institutionen und politischer Prozesse lassen sich durch die Erkenntnisse der modernen Glücksforschung neue Perspektiven auftun. Das gilt beispielsweise für die Arbeitsmarkt-, die Steuer-, die Familien- und die Bildungspolitik. Neuroökonomie: Die Neuroökonomie (Neuroeconomics) zielt auf die interdisziplinäre Verknüpfung der Neurowissenschaften mit den Wirtschaftswissenschaften ab. „Neuroeconomics has its origins in two places, in events following the neoclassical revolution of the 1930s and in the birth of cognitive neuroscience during the 1990s.” (Glimcher, Fehr 2009, S. xviiff.). Vielfach wird sie als eine Erweiterung der Verhaltensökonomie eingeordnet. Im Kern geht es darum „how neuroscience constructs an understanding of individuals as whole persons” (Davis 2010, S. 574). Im Gegensatz zu dem Verhaltensmodell des Homo oeconomicus geht es also bei der Neuroökonomie darum, die Gründe und Motive von Entscheidungsverhalten im ökonomischen Kontext mit dem Ziel zu ergründen, ein besseres Verständnis von scheinbar suboptimalen und unlogischen Entscheidungsprozessen zu erreichen. Neuroökonomische Forschungsfelder sind beispielsweise das Entscheidungsverhalten bei Risiko und Unsicherheit. Dabei werden Gehirnscanner in Laboruntersuchungen eingesetzt, um neuronale Prozesse von Menschen bei Entscheidungsprozessen zu beobachten. So konnte die Wirkungsweise von Normen, wie der des fairen Umgangs mit anderen Menschen durch die Aktivierung der für moralische Prozesse zuständigen Gehirnpartien, gezeigt werden. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Konsumforschung (Huchler 2006, S. 1991). Sie ist im Kontext des nachhaltigen Konsums von zentraler Bedeutung. Es lassen sich auch Hinweise für die Stärkung fairen Verhaltens gegenüber Menschen anderer Gesellschaften und nachfolgender Generationen ableiten. Allgemein kann man feststellen, dass sie unter Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten besonders für die Erforschung der sozialen Nachhaltigkeit relevant ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass für ein menschliches Verhaltensmodell bzw. Menschenbild nachhaltiger Entwicklung jenes des Homo oeconomicus unzureichend ist. Es müssen vielmehr Institutionen im Sinne eines Regelsystems entwickelt bzw. umgesetzt werden, die die notwendigen Verhaltensweisen für die Stabilisierung ökologischer Systeme, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Gesellschaft fördern. Für ein adäquates Menschenbild nachhaltiger Entwicklung und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen bieten die vier aufgezeigten ökonomischen Teildisziplinen wichtige Grundlagen und Erkenntnisse. Dabei wurden die wesentlichen Unterschiede zwischen Homo oeconomicus und Homo sustinens deutlich, die in der folgenden Tabelle zusammengefasst werden.

2.1 Das Menschenbild in der neoklassischen Theorie und der nachhaltigen Entwicklung Dimensionen des Homo oeconomicus als Wirtschaftsakteur

27

Homo sustinens/ politicus/ecolgicus

Wirtschaftsschule

Neoklassische ökonomische Theorie

Nischentheorien, einschließlich der ökologischen Ökonomie

Menschliches Sein

Individuell

Sozial

Eigenes Menschenbild

Engstirnig, Reduktionist, narzisstisch, individualistisch

Ganzheitlich und ausgewogen

Menschliches Verhalten

Egoistisches Verhalten, reines Eigeninteresse

Egoistisches und altruistisches Verhalten

Rationaler Nutzenmaximierer

Fähigkeit zur Sympathie, Kooperation

konkurrenzbetont

Reziprokator (wie Du mir, so Ich dir)

Selbstbezogen

Eigen- und Gemeinnutz betonen die ethischen Dimensionen der Gemeinschaftsbeziehungen (aktive Partizipation in der Polis)

Leugnen der Verbindung zur Gesellschaft und deren ethischen Dimensionen

Moralische Verantwortung gegenüber anderen

Natur ist lediglich ein Input für das ökonomische System

Natur ist mehr als eine Ressource: Verständnis und Respekt, Quelle der Inspiration und Kreativität

Soziokulturelles Umfeld

Der Mensch und die Natur/ Umwelt

Die Beziehung zur Natur ist durch Eigeninteresse geprägt

Menschliches Wohlbefinden

Verantwortung ist auf eine effiziente Ausbeutung beschränkt

Moralische Verantwortung gegenüber der Natur beinhaltet auch den Schutz nicht menschlicher Interessen

Ist abhängig vom zunehmenden Materialkonsum

Hängt von einem breiteren Spektrum von materiellen

28

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Sozio-ökonomischer Kontext

Gerechtigkeitskonzept

Nutzen kommt aus dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen

und nicht materiellen Quellen ab, einschließlich Schönheit, Spiritualität

Gewinn und individueller Wohlstand sind das Ziel

Wohlbefinden und soziale Wohlfahrt sind das Ziel. Profit ist nur ein Mittel zum Zweck.

Erfordert permanentes Wachstum, also eine Erneuerung der Produktion und des Konsums (mehr ist immer besser)

Erfordert ein gleichgewichtiges Wirtschaften, in dem Qualität wichtiger ist als Quantität (weniger ist mehr)

Fokussiert auf Eigentumsrechte und autonomes Handeln

Verteilungsgerechtigkeit. Verantwortung für zukünftige Generationen und Natur

Quelle: Bina, Guedes Vaz 2011, S. 172 Tab. 2-1: Gegenüberstellung der Verhaltensmodelle Homo oeconomicus und Homo sustinens

In diesem Zusammenhang wird häufig kritisiert, dass unser Lebensstil und besonders die „westlichen Konsummuster“ nicht nachhaltig sind und daher korrigiert werden müssen. Im Kontext der notwendigen Umsteuerung menschlichen Verhaltens wird der Politik dabei eine zentrale Bedeutung beigemessen. Das folgende Zitat fasst hierzu wichtige Aspekte noch einmal zusammen: „A new combination of incentives and opportunities, information and education is required to empower citizens to act responsibly through virtue. The consistent acknowledgement of limits is a precondition here, since it is necessary to ensure high consideration for public good; currently the opposite is true, leading to high environmental and social costs.” (Bina, Guedes Vaz 2011, S. 176)

2.2

Das Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie

Die vielfältigen Krisen der jüngeren Vergangenheit führten teilweise zu heftigen Kontroversen über die Frage, ob die Ökonomie bzw. die Wirtschaftswissenschaften sich in einer Krise befinden oder ob die Wirtschaftswissenschaft sogar versagt hat. Diese Diskussion wurde besonders durch die weltweite Finanzkrise intensiviert. Daraus könnte man die Schlussfolgerung ziehen, dass das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung aus den konkreten Krisen, aber auch

2.2 Das Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie

29

aus der vermeintlichen Krise der Ökonomie herausführen könne. Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen ist jedoch zunächst der Fortschritt in der Ökonomie bzw. in seinen einzelnen Disziplinen. Daraus ergeben sich Herausforderungen, die bisher nicht ausreichend gelöst wurden. Diese Situation bezeichnet Sturn als Fortschrittsparadoxon in der Ökonomie (Sturn 2011, S.7ff.). Dieses Paradoxon lässt sich in einer etwas erweiterten Form auch auf die Gegenüberstellung der Mainstream-Ökonomie und der nachhaltigen Entwicklung übertragen. Es ist völlig unbestritten, dass in der Ökonomie als Wissenschaft immer schon Fortschritte erzielt wurden. Die Frage, ob diese Fortschritte positiv oder negativ bewertet wurden und auch heute bewertet werden, wird hier nicht diskutiert. Es ist aber auch hinreichend bekannt, dass es in der Ökonomie schon immer Kontroversen bzw. unterschiedliche Lehrmeinungen gab, die jeweils für sich Fortschritte aufweisen. Weiterhin unterscheidet man in der Ökonomie viele Teildisziplinen, die sich unterschiedlich dynamisch weiterentwickelt haben. So hat beispielsweise die Wachstumstheorie – geht man einmal von dem ursprünglichen Wachstumsmodell von Solow aus – in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Weiterentwicklung erfahren. Dabei ging es einerseits um eine Präzisierung und andererseits um eine Differenzierung. Fortschritt in der Ökonomie wird hier als Erweiterung der bisher verfügbaren Erkenntnisse verstanden. Betrachtet man sich diese Erweiterung bzw. Dynamik aus der Perspektive der Intergenerationalität, so müssen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestrebt sein, den Wissensstand der älteren Generation von Wirtschaftswissenschaftlern weiterzuentwickeln. Nur so können sich die jüngeren Ökonomen profilieren und zu Anerkennung kommen. Diese inhärente Dynamik führt zu kumulativem Fortschritt in den einzelnen Disziplinen. Natürlich haben oft auch ältere Wirtschaftswissenschaftler noch die Motivation, zu neuen Erkenntnissen beizutragen. Neue Ideen oder Erkenntnisse werden dann oft modelltheoretisch dargestellt. Aber auch auf der Ebene der Methoden empirischer Wirtschaftsforschung kam es zu einem enormen Erkenntniszuwachs, wenn man sich beispielsweise die Weiterentwicklung der Ökonometrie betrachtet. Dies lässt sich unter dem Begriff des kumulativen disziplinären Fortschritts subsumieren. Diesem Erkenntniszuwachs stehen aber vielfältige Herausforderungen gegenüber, die das Paradoxon begründen. Diese werden zunächst allgemein aufgezeigt und dann auf die nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. Zunächst bemängeln einige Ökonomen, dass dem Erkenntniszuwachs eine Reihe von Blockaden gegenüberstehen, die sich teilweise auf den Gegensatz zwischen der Ökonomie als geschlossene bzw. offene Disziplin zurückführen lassen. Gegensätzliche Positionen wurden bereits bei den unterschiedlichen Vorstellungen über das Menschenbild in der Ökonomie deutlich. Die Frage dabei ist, ob man sich z. B. den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie bzw. Neuroökonomie öffnet, was gerade auch im Kontext nachhaltiger Entwicklung von großer Relevanz ist, oder ob man bei dem Verhaltensmodell des Homo oeconomicus auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Ausprägungen bleibt. Eine ganz andere Ausrichtung der Kritik, d.h. eine Kritik an ökonomischen Erkenntnissen wählt Stiglitz. Er beklagt die unzureichende Verarbeitung der Erkenntnisse von Markt- und Politikversagen in den Wirtschaftswissenschaften. Er zeigt anhand vieler Beispiele und neuer Forschungsergebnisse auf, dass die noch verbreitete Annahme, Märkte seien effizient, keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage hat.

30

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung "Märkte liefern Anreize, aber Marktversagen ist weit verbreitet, und es gibt fortwährend Diskrepanzen zwischen sozialen und privaten Renditen. In einigen Sektoren – etwa im Gesundheitswesen, in der Versicherungs- und Finanzwirtschaft – waren die Probleme größer als in anderen, und der Staat konzentrierte seine Anstrengungen verständlicherweise auf diese Bereiche." (Stiglitz 2010, S.309).

Daraus ergibt sich die Forderung nach einer stärkeren Öffnung für neue Forschungsergebnisse, auch dann, wenn sie nicht in die bisher dominierenden Wirtschaftsmodelle einzuordnen sind und zu einer Öffnung für neue Forschungsdisziplinen führen. Eine weitere Herausforderung begründet sich daraus, dass es viele Interdependenzen zwischen den verschiedenen Subsystemen von Gesellschaften gibt. Diese – so die Kritik – werden in der Ökonomie noch nicht hinreichend erkannt bzw. berücksichtigt. Das lässt sich damit begründen, dass es im Rahmen von Analysen vorteilhaft sein kann, diese Interdependenzen auszublenden. Dieser Sachverhalt findet in der Einschätzung von Lerner (1972, S. 259) seine Zuspitzung, wenn er feststellt, dass die Ökonomie die Königin der Sozialwissenschaften sei. Hierzu stellt Sturn fest: „Das impliziert auf der einen Seite, dass ‚ungelöste‘ (oder sich immer neu stellende) politische Koordinations- und Konfliktprobleme den Datenkranz ökonomischer Modelle in einer Weise beeinflussen müssten, die deren königliche Eleganz kontaminieren könnte. Der Umgang mit Abgrenzungen wie der von Lerner angedeuteten hat auf der anderen Seite auch wichtige Implikationen für die Ökonomie in der Krise. Denn es fragt sich, ob eine Königin der Sozialwissenschaften, welche die potentiellen Probleme ‚systemrelevanter‘ Annahmen nicht adäquat reflektiert und bearbeitet, nicht Krisen tendenziell zu einem Anathema macht und nicht mehr wirklich im theoretischen Horizont hat. Indizien dafür sind die Schwierigkeiten, welche im Umgang mit dem Problemkomplex ‚Krisen und systematisches Risiko‘ in Theorie und Praxis nicht nur vereinzelt sichtbar werden. …. Spezialisierung/Partialisierung als Voraussetzung von Fortschritt ist unauflöslich mit einem ‚Maschinenmodell des Fortschritts‘ verbunden, birgt aber Herausforderungen, die klar über dieses Maschinenmodell hinausweisen - und zwar in Richtung kombinatorischem Fortschritt, der eben nicht als Perfektionierung einer Maschine zu verstehen ist. " (Sturn 2011, S. 20/21) Hinzu kommen noch die systemischen Risiken, d. h. die Ansteckungsgefahr über Teilsysteme hinaus. Dieses Problem wird auch in zunehmendem Maße außerhalb der Ökonomie erkannt. So wendet sich der Philosoph Edgar Morin den multiplen interdependenten Krisen, d. h. ökologischen, ökonomischen und sozialen, zu und spricht in diesem Zusammenhang von PolyKrisen (Morin 2011). Nach ihm findet die Finanz- und Wirtschaftskrise in dem Zeitraum statt, als ein großer Umbau der Produktions- und Wirtschaftsweise ansteht. Das durch Nichtnachhaltigkeit gekennzeichnete Wirtschaftsmodell, das durch fossile Rohstoffe angetrieben wird, tritt nun in ein akutes Stadium. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung geht es jedoch nicht um die Gefahr der Ansteckung von Teilsystemen im negativen Sinne, sondern um die wechselseitige Stabilisierung von Teilsystemen. Daher muss ein Fortschrittsprozess, der als Prozess zu besseren Problemlösungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung führen soll, nicht nur zu einer Öffnung der Ökonomie gegenüber anderen Teildisziplinen beitragen, sondern zu einer echten interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftsdisziplinen führen. Dies

2.3 Grundlagen nachhaltiger Entwicklung

31

wird in den Kapiteln drei und vier aufgezeigt. In dem folgenden Abschnitt geht es zunächst um die Grundlagen nachhaltiger Entwicklung.

2.3

Grundlagen nachhaltiger Entwicklung

Nachhaltige Entwicklung stellt aus ökonomischer Sicht in einem ersten Schritt auf die Sicherung der Lebens- und Produktionsgrundlagen ab. Damit wird indirekt auch der Anspruch nachhaltiger Entwicklung, die Umwelt global und dauerhaft zu erhalten und auf dieser Grundlage das Wirtschafts- und Sozialsystem zu entwickeln und zu stabilisieren, begründet. Der Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung geht jedoch über diesen Anspruch hinaus und fordert – wie im ersten Kapitel schon erwähnt – ausdrücklich die intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit. In der ökonomischen Diskussion gibt es sowohl zur Bezie-hung von Ökologie und Ökonomie als auch zur sozialen Gerechtigkeit verschiedene Kontroversen. Bis heute stehen sich beispielsweise hinsichtlich der Beziehung von Ökonomie und Ökologie die neoklassische Ökonomik und die Ökologische Ökonomik weitgehend unvereinbar gegenüber (vgl. u. a. Bartmann 2001, S. 50 ff., Costanza u. a.2001, Illge, Schwarze 2004, Rogall 2012). Die Differenzierung und Zielbestimmung einer nachhaltigen Entwicklung anhand der drei Säulen bzw. Dimensionen dient als Ausgangspunkt der weiteren inhaltlichen Konkretisierung. Die beiden darauffolgenden Abschnitte stellen die Genese der Wirtschaftstheorie, v. a. die Diskussion zwischen Ökologie und Ökonomie, dar. Aber auch in der Diskussion über intraund intergenerationelle Gerechtigkeit gibt es konträre Positionen, die dem Anspruch nachhaltiger Entwicklung unterschiedlich gerecht werden. Dabei bildet die Gerechtigkeit für heutige und zukünftige Generationen die normative Grundlage jeder Nachhaltigkeitsdiskussion. Für die quantitative Konkretisierung der drei Dimensionen hat sich die Abgrenzung der unterschiedlichen Kapitalarten durchgesetzt: Das Ziel in den drei Handlungsbereichen ist demnach, ökologisches, ökonomisches und soziales Kapital zumindest zu erhalten oder zu vermehren. Hierbei wird von Kapital jedoch in einem weiteren Sinne gesprochen, als der Begriff sonst in den Wirtschaftswissenschaften verwendet wird: Kapital in diesem Kontext kann neben Geldeinheiten auch physikalische Einheiten (im Kontext der Ökologie) sowie zeitliche und qualitative Größen (im Rahmen der sozialen Dimension) umfassen, da die Monetarisierung bisher kein hinreichendes Verfahren für eine Vereinheitlichung bei allen drei Kapitalarten bietet. Analog zu den drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung werden somit drei größere Kapitalarten definiert (stellvertretend: Hediger 1999, S. 1123–1125; Hediger 2000, S. 482– 485):  Das ökologische Kapital umfasst den in Ökosystemen vorhandenen Bestand an erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen, Land und ökologische Faktoren wie Nahrungskreisläufe, Klimasysteme, solare Einstrahlung und Tragfähigkeit. Die Formen des ökologischen Kapitals stehen entweder direkt (z. B. solare Einstrahlung) oder aber indirekt als Dienstleistung der Ökosysteme (z. B. natürliche Ressourcen) zur Verfügung.

32

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

 Das ökonomische Kapital bildet das wirtschaftliche Produktionskapital in Form von Sach, Wissens- und Humankapital (z. B. technische Anlagen, Patente und qualifizierte Mitarbeiter) sowie die in die Wirtschaft eingebrachten Ressourcen ab. Immaterielles Vermögen ist hierbei ein Bestandteil ökonomischen Kapitals, was die weite Definition des Kapitalbegriffs beinhaltet.  Das Sozialkapital ist weniger eindeutig abgegrenzt: In der Volkswirtschaftslehre versteht man unter Sozialkapital bislang die vorwiegend materielle Infrastruktur wie Sachanlagen und öffentliche Einrichtungen. Neuere Publikationen aus der Politikwissenschaft fordern hingegen einen umfassenderen und „weicheren“ Ansatz. Demnach gehören soziale Güter dazu, die Grundbedürfnisse befriedigen, die gesellschaftliche Integration zu fördern und die Weiterentwicklung der Gesellschaft ermöglichen (Empacher, Wehling 2002, S. 38–46). Zwischen den drei Kapitalarten bestehen Überschneidungen. Beispielsweise kann das ökologische Kapital Holz zum Produktivkapital der Möbelindustrie werden. Daher ist einerseits eine integrierende Betrachtung erforderlich, in der andererseits die einzelnen Kapitalformen ausreichend voneinander abgegrenzt sind. Es wird deutlich, dass jeder Versuch einer Systematisierung nur als eine Annäherung zu betrachten ist, die für Analysen und Modellierungen notwendig ist – die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit bilden hierfür drei sinnvolle Kategorien (Barbier 1987, S. 89 f.). Im Weiteren soll der Einfachheit wegen nur noch von den drei Kapitalarten gesprochen werden, ökologisches und natürliches Kapital werden synonym verwendet. Mit den drei Kapitalarten sind spezifische Ziele verbunden, wie in Abschnitt 2.4 dargestellt wird. An den unterschiedlichen Zielvorstellungen und im Widerstreit von Ökologie und Ökonomie lässt sich sodann die Genese wirtschaftstheoretischer Begründungen nachzeichnen – Abschnitt 2.5 gibt die eher wachstumsoptimistische „schwache Nachhaltigkeit“ und Abschnitt 2.6 die ökologisch ausgerichtete „starke Nachhaltigkeit“ wider. Anschließend werden in Abschnitt 2.7 Ansätze vorgestellt, mit denen sich die beiden gegensätzlichen Positionen zusammenführen lassen.

2.4

Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

Die Differenzierung nach den drei Dimensionen hat sich seit Mitte der 1990er-Jahre international durchgesetzt. Diese Aufteilung in ein dreifaches Modell ist seitdem Kristallisationspunkt der Vielzahl von Nachhaltigkeitsdefinitionen (Tremmel 2003, S. 100–116) und der pragmatische Ausgangspunkt vieler Nachhaltigkeitsstrategien bzw. -konzepte auf staatlicher wie auch betrieblicher Ebene. Während im Rahmen des „Magischen Dreiecks“ – analog zum „Magischen Viereck“ des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes von 1967 – im eine gleichzeitige Realisierung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen angestrebt wird (vgl. beispielsweise EnqueteKommission 1994), die jedoch nur im Idealfall erreicht werden kann, sprechen Unternehmen zumeist von der „Triple Bottom Line“ (Elkington 1994).

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

33

Ökologische Nachhaltigkeit Der Mensch ist ohne einen bestimmten Zustand der Natur bzw. der ökologischen Systeme nicht überlebensfähig. Danach können ökonomische, aber auch soziale Systeme für sich alleine nicht nachhaltig sein. Ihre dauerhafte Existenz hängt von dem ausgewogenen Zusammenspiel der Wirtschaft und der Gesellschaft mit dem ökologischen System ab. Hierzu gibt es sowohl national als auch international einen breiten Konsens. Dennoch hat die Natur teilweise schon ein Niveau der Übernutzung erreicht, das für die Menschheit – besonders für die nächsten Generationen – zunehmend bedrohlich wird. Das gilt u. a. für den Abbau und die Nutzung von Rohstoffen, für die Umlenkung von Stoff- und Energieströmen, die Veränderung von großräumigen natürlichen Strukturen oder die Belastung von Schutzgütern, wie die Atmosphäre durch den Ausstoß von Emissionen. Sie verändern und belasten die ökologischen Systeme zunehmend. Das Wissen um die teilweise Übernutzung der Ökologie und das wirtschaftliches Verhalten, das die Übernutzung weiter verschärft, kann man als Schizophreniedilemma bezeichnen. Die ökologische Nachhaltigkeit zielt somit auf die Erhaltung des ökologischen Systems bzw. ökologischen Kapitalstocks ab. Orientiert man sich am Prinzip der Rationalität, so begründet sich die ökologische Nachhaltigkeit daraus, dass das ökologische System die Lebensgrundlage (Life Support System) aller menschlichen Aktivitäten bildet. Anders formuliert: Das ökonomische System kann für sich alleine nicht nachhaltig sein, da seine dauerhafte Existenz von dem Zusammenspiel der Wirtschaft mit dem ökologischen System abhängt (Majer 2003, S. 973). Die wachsenden Bedrohungspotenziale machen es daher notwendig, sowohl die Produktionsformen als auch die Konsumstile an die ökologischen Systeme anzupassen bzw. in die Grenzen der ökologischen Systeme zurückzuführen. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Diskussion um nachhaltige Konsumstile in Konkurrenz zu dem Paradigma der Konsumentensouveränität steht. Das erklärt, weshalb nachhaltige Konsummuster schwer zu realisieren sind. Im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit ist die Politik daher gefordert, von den Akteuren der privaten Wirtschaft (Unternehmen und Wirtschaftsverbänden), den Haushalten und sonstigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren eine stärkere Anpassung an diese Belastbarkeit ökologischer Systeme einzufordern. Die in ihrer Geschwindigkeit schnell voranschreitenden ökologischen Belastungen und die sich daraus ergebenden Bedrohungspotenziale machen es dringend erforderlich, das Verhältnis der Menschheit zu ihren natürlichen Lebensgrundlagen neu zu bestimmen. Neben den ökonomisch relevanten Funktionen bietet die Natur auch andere Funktionen, die für die Lebensqualität der Menschen eine große Bedeutung haben: die Natur als Lebensraum (Regenerationsfunktion) oder als Ort ästhetischen Genusses (Grunwald, Kopfmüller 2012, S. 43). Diese werden in den folgenden Ausführungen jedoch vernachlässigt. Ökologische Systeme werden vielfach auch als Dienstleistungsunternehmen für den Mensch bezeichnet. Sie dienen als Aufnahmemedium (Senke) anthropogener Emissionen und als Quelle natürlicher Ressourcen, die den Menschen direkten oder indirekten Nutzen stiften. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann das Optimum des Nutzens erreicht ist. In der Umweltökonomie herrscht hier jedoch Uneinigkeit zwischen den Vertretern schwacher und starker Nachhaltigkeit (Common, Stagl 2005, S. 378), was in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels noch vertieft wird. Schwache Nachhaltigkeit bedeutet, dass Naturkapital durch

34

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Sachkapital substituiert werden kann, solange der gesamte Kapitalbestand (Sach- und Naturkapital) für zukünftige Generationen erhalten bleibt. Wird beispielsweise durch den Bau einer Straße ein Teil eines Waldes abgeholzt, reduziert sich zwar das Naturkapital, aber es entsteht zusätzliches Sachkapital. Führt die Substitution zu einem gleichbleibenden Kapitalbestand, liegt schwache Nachhaltigkeit vor. Auch Vertreter der starken Nachhaltigkeit erkennen die Notwendigkeit des Verbrauchs von Naturkapital im Rahmen des Wirtschaftsprozesses. Sie fordern jedoch die Einhaltung von Handlungsregeln, wie sie in Abschnitt 2.5 noch aufgezeigt werden. Weiterhin fordern sie jene Ökosysteme konsequent zu schonen, die für das Überleben der Menschheit lebensnotwendig sind. Ökonomische Nachhaltigkeit Das Ziel der ökonomischen Nachhaltigkeit ist es die Wirtschaftskraft zu stärken um die Aufrechterhaltung einer ausreichenden bzw. gewünschten Lebensqualität im Zeitablauf zu erreichen. Die Stärkung der Wirtschaftskraft lässt sich durch eine positive Entwicklung von Innovationen, Anlageinvestitionen, der Arbeitsproduktivität und Ausgaben für Forschung und Entwicklung fördern. Das erfordert jedoch im Kontext ökonomischer Nachhaltigkeit ein Überdenken der bestehenden Produktionsweise und Konsumstile, die als nicht nachhaltig zu klassifizieren sind. Eine gewünschte Lebensqualität erfordert neben der Erhaltung der materiellen auch die Erhaltung der immateriellen Lebensgrundlagen (Vornholz 1997, S. 47). Philip Lawn stellt in diesem Zusammenhang die Frage, welche Auswirkungen der Konsum auf die Umwelt bzw. auf den Verbrauch von Naturkapitel hat. Werden durch ein bestimmtes Konsumniveau lebenswichtige Ökosysteme abgebaut, dann werden dadurch die menschlichen Lebensgrundlagen gefährdet (Lawn 2001, S. 18 ff.). Weiterhin stellen Giovanni Ruta und Kirk Hamilton in Frage, ob Wohlstand und damit das Konsumniveau das Wohlbefinden eines Individuums allein determinieren. Daraus folgt für sie der Paradigmenwechsel „from Wealth to Sustainability“ (Ruta, Hamilton 2007, S 47). Dieser Zusammenhang wird in Kapitel sieben noch ausführlich erläutert. Von dem materiellen Wohlstand eines Individuums ist somit der gesellschaftliche Wohlfahrtsbegriff abzugrenzen, der weit darüber hinausgeht, indem er neben der quantitativen Dimension der materiellen Ausstattung des Individuums auch die subjektiv bewertete Lebenslage (Lebensqualität) einbezieht. Damit werden die materiellen Dimensionen wie Arbeit, Einkommen und Konsum durch immaterielle Dimensionen wie Freiheit, soziale Gerechtigkeit und sozialer Konsens, aber auch durch eine entsprechende Umweltqualität ergänzt (Feser 2008, S. 4). Dieser Wohlfahrtsbegriff geht entsprechend auch über den Indikator „Sozialprodukt“ hinaus. Ein wichtiger theoretischer Kontext für die ökonomische Nachhaltigkeit bietet die Wachstumstheorie. Deren Kernaussage ist, dass im langfristigen Gleichgewicht eine Steigerung des Pro-Kopf-Wachstums ausschließlich durch technischen Fortschritt möglich ist. Hierzu gibt es in den Wirtschaftswissenschaften zumindest seit dem ersten Bericht an den Club of Rome „Grenzen des Wachstums“ eine intensive Kontroverse über die Möglichkeit aber auch Notwendigkeit von steigenden Wachstumsraten. In diesem Zusammenhang ist noch einmal daran zu erinnern, dass in dem Bericht der Brundtland-Kommission die Relevanz des technischen Fortschritts und des wirtschaftlichen Wachstums besonders zur Armutsbekämpfung hervorgehoben wird.

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

35

Die Relevanz von Wachstum wird jedoch nicht nur im Kontext der Bekämpfung von Armut in Entwicklungsländern, sondern auch mit der Notwendigkeit für die Verwirklichung intragenerationeller Gerechtigkeit in Industrieländern begründet. Danach sind positive Wachstumsraten eine wichtige Voraussetzung für eine gerechtere Einkommensverteilung. Anders formuliert: Bei stagnierendem Wachstum sind Maßnahmen zur (Um-)Verteilung von Einkommen deutlich schwieriger zu realisieren als bei steigenden Wachstumsraten. Wachstum ist nach der üblichen volkswirtschaftlichen Lehrmeinung aber auch für die Entwicklung der Beschäftigungslage relevant, da in der Regel bei steigenden Wachstumsraten zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Betrachtet man noch einmal die große Bedeutung des technischen Fortschritts für Wachstum, so führt das zu der Frage, wie technischer Fortschritt auf die Inanspruchnahme der Produktionsfaktoren Arbeit, Sachkapital und natürliches Kapital wirkt. Geht man davon aus, dass der technische Fortschritt arbeits- oder kapitalvermehrend ist, während die Produktivität des natürlichen Kapitals nicht bzw. nicht in gleichem Maße steigt, induziert Wachstum einen höheren Einsatz natürlicher Ressourcen bzw. eine höhere Beanspruchung der Aufnahmekapazität der Umweltmedien (Hillebrand et al. 2000, S. 32). Langfristig führt das zu einer Überlastung der Umwelt. Durch einen umweltorientierten technischen Fortschritt kann es aber auch zu einer Entkopplung von Wachstum und der Nutzung des natürlichen Kapitals bzw. der Natur als Senke kommen (siehe auch Abschnitt 3.3). Die Entkopplung kann neben technischen Innovationen durch soziale und institutionelle Innovationen noch verstärkt werden. Die Forderung nach Gerechtigkeit kann sowohl über die Einkommens- und Vermögensverteilung bzw. Umverteilung als auch durch - wie Sen es bezeichnet - die Verwirklichungschancen (Capability Ansatz) erfolgen (Sen1980). Betrachtet man die ökonomische Nachhaltigkeit aus der Perspektive der Nachfrageseite, so zielt sie – wie eingangs schon erwähnt – auf die Aufrechterhaltung bzw. die Steigerung einer gewünschten Lebensqualität ab (v. Hauff, Schiffer 2013, S. 17ff.). In diesem Zusammenhang wird Lebensqualität oft noch mit ökonomischem Wohlstand assoziiert, der sich mit dem Indikator des Bruttoinlandsproduktes (BIP) bzw. Pro-Kopf-Einkommen messen lässt. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass das Wohlbefinden der Bürger zunehmend von einem stetigen Wirtschaftswachstum abgekoppelt ist. Einerseits kann man nicht davon ausgehen, dass alle Bevölkerungsschichten von einem steigenden Pro-Kopf-Einkommen profitieren, und zum anderen können sich auch negative, ökologisch relevante Ereignisse positiv auf das Pro-KopfEinkommen auswirken (z. B. Beseitigung der Schäden einer Flutkatastrophe). Daher wird in zunehmendem Maße ein qualitatives bzw. nachhaltiges Wachstum gefordert (v. Hauff, Jörg 2013). In diesem Zusammenhang kam es in den vergangenen Jahren zu einer intensiven Diskussion um den Wachstumsindikator BIP und potenzielle Alternativen zu diesem Indikator. (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 7.1). Wirtschaftliches Wachstum im Sinne eines exponentiellen Wachstums wird besonders von Vertretern der Ökologischen Ökonomie, wie Herman Daly, als nicht kompatibel mit dem Leitbild nachhaltige Entwicklung abgelehnt: „Meiner Meinung nach bedeutet nachhaltige Entwicklung in jedem Fall einen radikalen Umschwung von einer Wachstumswirtschaft, und allem was sie beinhaltet, hin zu einer Wirtschaft im stationären Zustand (Daly 1999, S. 52).“

36

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Bei einer genaueren Analyse der Ausführungen von Daly wird man jedoch feststellen, dass auch eine Wirtschaft in stationärem Zustand keine statische Wirtschaft ist, die grundsätzlich kein Wachstum ermöglicht. Vielmehr kann auch nach Daly der Bestand an Erzeugnissen zeitweilig steigen: “Dieses Wachstum ist das Resultat eines technischen Fortschritts, welcher die Haltbarkeit und Instandsetzbarkeit (also die Langlebigkeit) der Erzeugnisse erhöht (Daly 1999, S. 53).“ Dennoch wird hier bereits der Unterschied zwischen exponentiellem und dem bei Daly partiell möglichen Wachstum deutlich, was in den Abschnitten 2.5 noch ausführlich erläutert wird. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass wirtschaftliches Wachstum im Kontext nachhaltiger Entwicklung eine große Bedeutung hat und bis heute kontrovers diskutiert wird. Soziale Nachhaltigkeit Zusätzlich zu der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit findet sich zunehmend die Forderung nach der sozialen Nachhaltigkeit und somit nach dem Erhalt des Sozialkapitals. Obwohl die soziale Nachhaltigkeit zunehmend mehr Aufmerksamkeit erfährt, wurde sie bisher noch nicht in dem Maße diskutiert bzw. inhaltlich ausgestaltet wie die beiden anderen Nachhaltigkeitsdimensionen. Dabei ist die soziale Nachhaltigkeit, die den sozialen Zusammenhalt in Organisationen wie Unternehmen, Interessenorganisationen, Nicht-Regie-rungsorganisationen als auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Humanität, Freiheit und Gerechtigkeit zum Ziel hat, nicht weniger bedeutend als die beiden anderen Dimensionen, um die zukünftige ökologische, ökonomische und soziale Stabilität einer Gesellschaft zu gewährleisten. Auch die soziale Nachhaltigkeit weist verschiedene Zugänge auf (Mutlak, Schwarze 2007, S. 13 ff.). Grundgüter und Grundbedürfnisse Im Sinne des Grundbedürfniskonzeptes geht es um einen gerechten Zugang zu den sozialen Grundgütern. Das Grundbedürfniskonzept wurde später durch die theoretischen Arbeiten von Amartya Sen weiterentwickelt. Hervorzuheben ist besonders die Ansatz der Verwirklichungschancen (Capabilities), der in Kapitel 5 noch ausführlicher vorgestellt wird. Dabei geht es um die Möglichkeiten oder Fähigkeiten der Menschen, ein Leben so führen zu können, dass die Selbstachtung nicht in Frage gestellt wird. Das ermöglicht besonders sozial schwachen Individuen oder Gruppen eine Erweiterung von Handlungsspielräumen und ein Herauslösen aus dem passiven Empfängerstatus. Dadurch wird es dem Individuum oder einer Gruppe möglich, ein sicheres, würdiges und selbstbestimmtes Leben zu gestalten (so genanntes „Empowerment“). In einem weiteren Sinne gehören zu den Grundgütern auch soziale Ressourcen, wie Toleranz, Solidarität, Integrationsfähigkeit, Gemeinwohlorientierung, Rechts- und Gerechtigkeitssinn. Sie sind wichtige Bedingungen für den dauerhaften Zusammenhalt gesellschaftlicher Teilsysteme oder der Gesellschaft als Ganzes. Das wesentliche Ziel der sozialen Nachhaltigkeit besteht nach Marina Fischer-Kowalski u. a. in der Erhaltung des sozialen Friedens. Sie subsumiert darunter eine „akzeptable Lösung der Verteilungsprobleme zwischen Regionen, zwischen sozialen Schichten, Geschlechtern und Altersgruppen und Lösungen des Problems kultureller Integration, von Zugehörigkeiten und Identitäten (Fischer-Kowalski 1995, S. 5).“

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

37

Das setzt für den Transformationsprozess zur nachhaltigen Entwicklung konkrete Schutz- und Gestaltungsziele voraus, was an jede Gesellschaft hohe Anforderungen stellt (vgl. hierzu Heins 1998, S. 25 ff.). Bei diesem Ansatz besteht das Problem – es wird auch schon bei der Definition von nachhaltiger Entwicklung des Brundtland-Berichtes deutlich – in der Unklarheit einer Politikgestaltung, da auch die Entwicklung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen unsicher ist. Sozialkapital Einen weiteren Zugang zur sozialen Nachhaltigkeit bietet das Konzept des Sozialkapitals. Unter Sozialkapital ist – wie schon erwähnt - ganz allgemein der Bestand an sozialen Netzwerken, Vertrauen und kooperationsfördernden Werten und Normen einer Gesellschaft zu verstehen (Haug, Gerlitz 2007, S. 198 ff.). Das Konzept wurde zunächst ganz wesentlich durch Pierre Bourdieu, James Coleman und Robert Putnam geprägt (Roßteutscher et al. 2008, S. 21 ff.). Dabei lassen sich zwei Richtungen unterscheiden: die Kulturtheorie von Bourdieu 1983 und die Theorie der „Rational Choice“ von Coleman 1988 und Putnam 1993. Bourdieu begründet seinen Ansatz aus der Mikroperspektive, d. h. aus der Sicht des Individuums. In Verbindung mit der sozialen Dimension nachhaltiger Entwicklung geht Gerechtigkeit mit der gerechten Verteilung von Sozialkapital, den Ressourcen, die nach Bourdieu auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen, einher (Bourdieu 1983, S. 190f). Bourdieu beschäftigt sich in seiner Theorie weiterhin mit der Reproduktion von Kapital. Er unterscheidet hierbei drei Arten von Kapital: ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Eine weitere wichtige Kategorie für ihn ist das soziale Netzwerk des Individuums. Das soziale Kapital bietet den Individuen einen Zugang zu den Ressourcen des gesellschaftlichen Lebens wie Unterstützung, Hilfeleistung, Anerkennung, Wissen und Verbindungen bis zum Ausfindigmachen von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Es produziert und reproduziert sich u. a. über Tauschbeziehungen wie gegenseitige Geschenke, Gefälligkeiten und Besuche (Pufé 2012, S. 90). Die Höhe des Sozialkapitals eines Individuums hängt dann von dem Kapital der anderen Beteiligten des sozialen Netzwerks ab. Dagegen wählt Coleman für die Analyse und Begründung von Sozialkapital die Makroperspektive, d. h., er betrachtet Sozialkapital aus der Sicht der Gesellschaft (Haug, Gerlitz 2007, S. 191 ff.). Putnam untersucht die ökonomische Rationalität horizontaler Verbindungen und die dort vorherrschenden Normen und deren Produktivität für die Gesellschaft. In seinem Rationalkalkül geht er von der Beobachtung aus, dass Menschen ihre sozialen Kontakte instrumentalisieren, um ihre Ziele zu erreichen. Dadurch entsteht aus sozialen Beziehungen privates Vermögen. Coleman erweitert diesen Ansatz, indem er auch vertikale Verbindungen und das Verhalten anderer Akteure, wie Unternehmen, einbezieht. Dabei stellt sich die Frage, ob das Rationalitätskalkül von Putnam, d. h. die Instrumentalisierung sozialer Kontakte zur Generierung von privatem Vermögen, mit dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung kompatibel ist (vgl. hierzu die Diskussion zu dem Menschenbild des Homo oeconomicus). Im Gegensatz zu anderen Kapitalformen ist Sozialkapital dadurch gekennzeichnet, dass es sich auf eine mit Externalitäten verbundene soziale Interaktion bezieht. In Analogie zu ökonomischem und ökologischem Kapital gibt es die Gemeinsamkeit, dass ein für den Produktionsprozess langfristig nutzbarer Bestand akkumuliert werden kann (vgl. Haug 1997, S. 47). Hier stellt

38

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

sich nun die Frage nach den Dimensionen des sozialen Kapitals, die mit dem Leitbild nachhaltige Entwicklung kompatibel sind. Nach Woolcock lassen sich vier Dimensionen unterscheiden (vgl. Durth et al. 2002, S. 151–208):    

die soziale Integration, horizontale soziale Verbindungen innerhalb von Gemeinschaften, die Beziehung zwischen Staat und Zivilgesellschaft, die Qualität der Regierungsinstitutionen.

Es geht also beispielsweise um die Existenz eines transparenten und für alle gleichermaßen zugänglichen Rechtssystems, in dem alle gleich behandelt werden, einer funktionsfähigen Wirtschaftsordnung, die sich durch Chancengleichheit und die Möglichkeit, diese auch zu verwirklichen, auszeichnet oder die Gewährleistung demokratischer Grundfreiheiten. Hier gibt es somit einen konkreten Bezug zur Neuen Institutionenökonomik (vgl. beispielsweise Richter, Furubotn 2003, Erlei et al. 2007). Neue Institutionenökonomie Die neue Institutionenökonomie hat eine wachsende Bedeutung für die soziale Nachhaltigkeit. Sie beschäftigt sich – wie schon erwähnt – mit Institutionen als einem System miteinander verbundener formeller und informeller Normen und Regeln, die den dauerhaften Zusammenhalt einer Gesellschaft (Kohäsion) begünstigen oder beeinträchtigen können (v. Hauff, Schiffer 2010, S.1ff.). Weiterhin geht es um die Analyse und Darstellung der Wirkungszusammenhänge von institutionellen Strukturen (u. a. Normen, Werte, Organisationsaufbau) und dem darauf aufbauenden Handeln. In der neuen Institutionenökonomie ist der Transaktionskostenansatz von großer Bedeutung. Alle Güter weisen physische sowie eigentumsrechtliche Merkmale auf. Bei der Änderung von Letzteren entstehen Transaktionskosten (North, Wallis 1994, S. 611ff.). Die Nobelpreisträgerin von 2009, Elinor Ostrom, hat die Rolle von Institutionen für das Verhalten von Menschen populär gemacht. In ihrem Buch „Governing the Commons“ (1990) analysiert sie die Bewirtschaftung von Gemeinschaftsgütern wie Wasser, Weiden, Wald, Ozeane und Atmosphäre und widerspricht der bis dahin dominierenden Auffassung, dass Allmendegüter im Gemeinschaftseigentum per se übernutzt werden. Eigentlich sollte eine grundlegende Institutionenanalyse ökosozialer Systeme der zentrale Punkt für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Nachhaltigkeit sein. Daher beschäftigte sich Ostrom besonders mit der Frage, wie Systeme beschaffen sind oder entwickelt werden müssen, dass in unterschiedlichen Gesellschaften und bei unterschiedlichen Ausstattungen mit Ressourcen eine nachhaltige Bewirtschaftung möglich ist und sichergesellt wird. Daraus begründet sich, dass sich Menschen als soziale Wesen an Regeln und Normen ihrer Gemeinschaft zumindest orientieren, auch wenn sie diese nicht immer befolgen. Aus theoretischer Perspektive stellt Leschke die Frage nach der Rolle institutioneller Rahmenbedingungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt (Leschke 2008, S. 308). Die Frage hierbei ist, wie die institutionellen Bedingungen gestaltet werden können, damit in der Gesellschaft zum wechselseitigen Vorteil interagiert wird. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass es in vielen Fällen zu sogenannten Dilemmasituationen kommen kann. Dabei bringt das unkooperative Verhalten A (siehe die folgende Abbildung) dem einzelnen Individuum, d. h. Individuum 1

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

39

bzw. 2 einen größeren Vorteil als das kooperative, auf soziale Nachhaltigkeit ausgerichtete Verhalten B. Ein Individuum, das sich kooperativ verhält (Verhalten B), kann daraus einen Nutzengewinn von höchstens 2 Einheiten erzielen. Bei einem Verhalten A hat es die Möglichkeit, den Gewinn von 5 Nutzeneinheiten zu erzielen. Daher führt das Streben des Einzelnen nach seinem eigenen Vorteil dazu, dass beide Individuen das kooperative Verhalten A bevorzugen. Dabei riskieren sie, dass keiner von ihnen einen Nutzen realisiert. Es ist für ein Individuum besser, einen Nutzengewinn von 0 zu erzielen (beide gehen dem Verhalten A nach), als einen Nutzenverlust von -1 akzeptieren zu müssen (ein Individuum bevorzugt das Verhalten B, während ein anderes Individuum sich zum eigenen Vorteil nach Schema A verhält) (v. Hauff, Schiffer 2010, S. 11). Auch wenn es im kollektiven Interesse ist, dass alle sich nach dem Muster B orientieren, kann es im individuellen Interesse liegen, sich nicht daran zu halten. Legt die Gemeinschaft Institutionen fest, die das vorteilhaftere Verhalten B fördern bzw. das schädliche Verhalten A bestrafen, kann das Dilemma gelöst werden. Einigt sich eine Gesellschaft auf Institutionen, die die soziale Nachhaltigkeit fördern oder zumindest berücksichtigen, so bedeutet das noch nicht, dass dies zu einer institutionellen Verankerung führt. Diese kann nur erfolgen, wenn die Mehrheit diese Institutionen auf Dauer für gerechtfertigt hält. Individuum 1

Individuum 2 Verhalten A

Verhalten A

0/ 0

Verhalten B 5 / -1

Verhalten B

Verhalten A

-1 / 5

Verhalten B 2/ 2

Quelle: in Anlehnung an Leschke 2008, S. 309 Abb. 2-1: Dilemmasituation

Entsprechend der sozialen Nachhaltigkeit bedeutet das, dass eine Norm, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert, von der Gesellschaft dann anerkannt wird, wenn ihr Grenz- nutzen (z. B. die Sicherheit) ihre Grenzkosten (z. B. die Einschränkung der individuellen Handlungsmöglichkeiten) übersteigt. Danach sind Individuen auch dann bereit, ein nicht normen-

40

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

konformes, die Gemeinschaft schädigendes Verhalten anderer Gesellschaftsmitglieder zu sanktionieren, wenn es sie scheinbar nicht direkt betrifft. Das lässt sich in einem formalen Modell darstellen (vgl. hierzu v. Hauff, Schiffer 2010, S. 13): Ist der Nutzen von Q ein positives Argument der Nutzenfunktion einer dritten Person R und verursacht das normeninkonforme Verhalten der Person P Nutzeneinbußen der Person Q, so kann R einen Anreiz haben das nicht konforme Verhalten von P zu sanktionieren (Voigt 2009, S. 196).

P

1. Nutzeneinbuße bei Q durch Handeln von P

3. Sanktion von P durch R, um Nutzeneinbuße des Q rückgängig zu machen

Q

2. Reduktion des Nutzenniveaus bei R durch Nutzeneinbuße bei Q

R Quelle: in Anlehnung an Voigt 2009, S. 197 Abb. 2-2: Interdependente Nutzenfunktion

Der Nutzen UR des Individuums R hängt demnach nicht nur von dem ihm zur Verfügung stehenden Güterbündel pR ab, das die Lebensqualität von R widerspiegeln soll und deshalb nicht nur monetär zu messen ist. Er hängt auch von dem einer anderen Person Q zur Verfügung stehenden Güterbündel pQ ab, was sich in Form von interdependenten Nutzenfunktionen widerspiegelt: UR = f(pR, pQ). Bei der Frage, wie eine interdependente Nutzenfunktion mathematisch aussehen kann, lässt sich feststellen, dass der Nutzen von R nicht durch Addition wiedergegeben werden kann, da der Grenznutzen des Individuums R von den Güterbündeln des R und des Q abhängen. Die Darstellung in Form der folgenden Funktion wäre demnach nicht möglich UR = f(pR) + f(pQ), da in dem Fall ∂UR/∂pR von pQ und ∂UR/∂pQ von pR unabhängig sind. Vielmehr ist von einer interdependenten Nutzenfunktion, zum Beispiel in Form einer Cobb-Douglas-Nutzen-funktion auszugehen:

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

41

UR = pRαpQβ mit α, β > 0 als Einflussparameter, die das jeweilige Gewicht der einzelnen Güterbündel für das Individuum R verdeutlichen. Dabei hängt der Grenznutzen von R ∂UR/∂pR = αpR α-1pQβ nicht nur vom Güterbündel des Individuums R, sondern auch vom Güterbündel des Individuums Q ab. Im neoklassischen Modell des Homo oeconomicus wird der Parameter β vernachlässigt, mit anderen Worten gleich null gesetzt. Der Nutzen des R wird demnach nicht vom Nutzen des Q oder einer anderen Person beeinflusst (Voigt 2009, S. 196ff.). Es geht nun darum, den Beitrag der neuen Institutionenökonomie zur Begründung sozialer Nachhaltigkeit kritisch zu hinterfragen. Einerseits bietet die neue Institutionenökonomie aufgrund ihrer breiten Anwendbarkeit und starken, fächerübergreifenden und integrierenden Ausrichtung eine gute Grundlage zur Begründung gesellschaftlicher Entwicklungen (Göbel 2002, S. 360). Andererseits wird kritisch angemerkt, dass sie noch überwiegend auf rigiden Modellprämissen basiert und somit die Schwierigkeit aufweist, relevante Institutionen auszuwählen sowie entsprechend zu gewichten (Senge 2006, S. 46). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich bestehende, d.h. auch ungleiche Verhältnisse in der neuen Institutionenökonomie rechtfertigen lassen, da die Institutionen von den betroffenen Individuen freiwillig geschaffen werden (Göbel 2002, S. 343). So kann sozialer Konsens von den beteiligten Individuen auch auf einer als unbefriedigend empfundenen Basis vereinbart werden, solange kein Akteur einen Anreiz empfindet, seinen Aktionsplan zu ändern, wenn es nicht auch andere tun (Richter, Furuboton 2003, S.32). Dennoch bietet die neue Institutionenökonomie mit ihrer funktionalistischen Sichtweise, der interdependenten Nutzenfunktion und dem Transaktionskostenansatz wichtige Ansatzpunkte hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeit. Es gibt jedoch noch Bedarf der weiteren Ausgestaltung, was hier nur exemplarisch aufgezeigt werden kann. So geht beispielsweise Gerechtigkeit im Kontext sozialer Nachhaltigkeit mit gerechter Verteilung von Sozialkapital und den Ressourcen, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe begründen, einher. Das ist dann möglich, wenn man zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen eine Verbindung herstellt (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 10). Dabei kommt dem lebenslangen Lernen eine besondere Bedeutung zu. Weiterhin geht es um das von der UN ausgerufene Bildungskonzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, das zur Bildung und Weiterentwicklung individueller Kompetenzen beitragen soll. Die Stärkung individueller Kompetenzen ist notwendig, um dem Ziel sozialer Nachhaltigkeit näherzukommen. Glücksforschung In neuerer Zeit wird auch – wie schon erwähnt - die Glücksforschung in ihrer Relevanz für die nachhaltige Entwicklung genannt (Frey, Luechinger 2007, S. 219 ff.). Dabei werden Wege zur Messung von Glück und Zufriedenheit aufgezeigt, die dazu beitragen können, nachhaltige Entwicklung inhaltlich zu füllen. Das traditionelle Konzept der Bestimmung ökonomischer Präferenzen kann hier nur einen sehr begrenzten Beitrag leisten und nicht-marktliche Güter bleiben unberücksichtigt. Dagegen hat die Glücksforschung einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, aufzuzeigen, was das Individuum wirklich zufrieden und glücklich macht. In der Glücksforschung geht es jedoch nicht um kurzfristige Glücksmomente bzw. Glücksgefühle,

42

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

die auf schönen Erlebnissen beruhen. Es geht vielmehr um Wohlbefinden bzw. Lebenszufriedenheit. Die Relevanz der Glücksforschung für die Nachhaltigkeit erklärt sich daraus, dass die Lebenszufriedenheit – zumindest ab einem bestimmten Niveau – nicht primär von Einkommenszuwächsen abhängt. Es sind vielmehr die soziale Einbindung, Geborgenheit, Freundschaften und funktionierende Ökosysteme, die zu mehr Wohlbefinden im Sinne von Glück beitragen können. Dabei spielt das soziale Wohlbefinden als nicht marktliches Gut eine bedeutende Rolle: Das Individuum fühlt sich in der Regel nicht in der Einsamkeit wohl. Das soziale Wohlbefinden erklärt sich vielmehr aus dem Kontakt zur eigenen Familie, zu Freunden oder zu Nachbarn. Somit ist es notwendig, sich in die Gesellschaft einzuordnen und sich auch für die Gemeinschaft einzubringen. Einer der bedeutendsten Glücksforscher Richard Layard erklärt dies treffend und zeigt auf, warum wir die Gemeinschaft brauchen. Nur ein Teil des Lebens funktioniert nach dem Prinzip von Charles Darwin. „Aber der größte und vor allem der beste Teil ist zwischenmenschlicher Austausch, bei dem unter dem Strich mehr steht als Null und der zu unserem Wohlbefinden beiträgt (Layard 2005, S. 109 ff.).“ Die Glücksforschung wurde in den letzten Jahren in verschiedene Forschungsfelder eingeführt. So wurde in diesem Zusammenhang beispielsweise die Wiederbeschäftigung von arbeitslosen Personen untersucht. Dabei kam es zu folgenden Erkenntnissen (Krause 2013, S. 18): 

“happiness is mainly a predictor for exit into self-employment,



only mail unemployed experience an effect of happiness on reemployment, and



the concept of locus of control and the personality traits of neuroticism and extraversion are main drivers of the baseline effect on regular reemployment and are able to explain the effect on reemployment for mails. The non-linear effects on wages and self-employment are robust to the inclusion of personality traits.”

Interessant ist besonders die Bedeutung von Selbstständigkeit für die Selbstzufriedenheit bzw. das Glücksgefühl im Verhältnis zu Menschen die in einem Angestelltenverhältnis tätig sind. Diese Erkenntnis wird auch von Benz und Frey in einer empirischen Studie bestätigt. Sie begründen das damit, dass Selbständige interessantere Tätigkeiten ausüben können und eine größere Unabhängigkeit haben (Benz, Frey 2008, S. 445ff.). In diesem Zusammenhang kommen sie zu dem Slogan „doing what one likes at the workplace“. Fazit Unter dem Aspekt der intergenerationellen Gerechtigkeit stellt sich nun die Frage, wie das Sozialkapital erhalten werden kann und wie zukünftige Generationen von seinem heutigen Bestand profitieren können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Sozialkapital nicht im Besitz eines Individuums, sondern nur im Besitz eines sozialen Netzes oder der gesamten Gesellschaft befinden kann. Da die Übertragung von Sozialkapital einer Gesellschaft auf die nächste Generation nur sehr begrenzt möglich ist, muss sich jede Generation ihr Sozialkapital weitgehend selbst aufbauen.

2.4 Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

43

Beziehungen der drei Dimensionen zueinander Die inhaltliche Abgrenzung der drei Dimensionen bzw. der drei Kapitalarten gibt noch keine Auskunft über deren Beziehung zueinander. Weiterhin stellt sich die Frage nach der optimalen Bewirtschaftung der drei Kapitalarten, die zu einem Optimum menschlichen Wohlbefindens führen soll. Daher ist es wichtig, die Komplementarität der Kapitalarten zu analysieren und aufzuzeigen. Im Prinzip geht es darum die drei Dimensionen in ein Gleichgewicht zu bringen. Das lässt sich in der Realität jedoch nur anstreben, nicht jedoch realisieren. Auffällig ist, dass die Beziehung zwischen ökologischem und ökonomischem Kapital in der Literatur umfassend behandelt wurde, wie im nächsten Abschnitt noch aufgezeigt wird. Dagegen wurde die Bedeutung des sozialen Kapitals für die anderen Kapitalarten in der ökonomischen Literatur lange vernachlässigt. In der neueren Diskussion wird jedoch die Rolle des sozialen Kapitals zunehmend für die Erhaltung, die Akkumulation und Produktivität anderer Kapitalarten wie „menschengemachtes Kapital“ (Sachkapital), Naturkapital und Humankapital aufgezeigt. Das lässt sich im Rahmen der Rechtssicherheit, der Verwirklichung von Chancengleichheit und der Partizipation (Bürgerbeteiligung), die der sozialen Nachhaltigkeit zuzuordnen sind, verdeutlichen. Aber auch die ökologische Nachhaltigkeit kann für die ökonomische Nachhaltigkeit einen wichtigen Beitrag leisten: Saubere Luft und sauberes Wasser verbessern die menschliche Gesundheit und die Produktivität von Humankapital. Daraus lässt sich ableiten, dass die Synergien aus der Komplementarität von zwei oder mehr Kapitalarten die Lebensqualität erhöhen. Gleichzeitig ist jedoch festzustellen, dass für die meisten Kapitalarten abnehmende Grenzerträge gelten (Gesetz von den abnehmenden Grenzerträgen). Die Zuwächse an Wohlergehen oder Produktivität durch eine zusätzliche Kapitaleinheit nehmen bei zunehmendem Umfang des jeweiligen Kapitals ab. Das gilt unter der Annahme, dass alle anderen Kapitalarten konstant gehalten werden (IBRD 2003, S. 23). Allgemein kann man feststellen: Die Existenz von Sozialkapital kann positive, aber auch negative Effekte auslösen. Ein negativer Effekt ist beispielsweise die wachsende Macht von Lobbyisten, die auf Kosten sozialer Nachhaltigkeit im Sinne einer gleichgewichtigen politischen Handlungsfähigkeit und ausgewogenen Handlungsergebnissen geht. Positive ökonomische Effekte des Sozialkapitals bieten die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) einhergehend mit dem Internet, das zu einer bisher nicht gekannten Vernetzung bzw. Bereitstellung von Informationen führte. Das hat die Transaktionskosten bei der Beschaffung von Informationen ganz wesentlich verringert. Vom Sozialkapital können aber auch positive Effekte auf das ökologische Kapital ausgehen. Die Intensivierung sozialer Beziehungen kann dazu führen, dass umweltschädliches Verhalten als unsozial empfunden wird, was zu einer Reduzierung der Umweltbelastung beitragen kann (vgl. Pearce, Atkinson 1998, S. 260). Die Beispiele für eine Komplementarität der verschiedenen Kapitalarten sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nachhaltige Entwicklung im Kontext der ökonomischen Diskussion unterschiedlich begründet wird. Daher werden im folgenden Abschnitt die verschiedenen theoretischen Ansätze zur Begründung nachhaltiger Entwicklung gegeneinander abgegrenzt und analysiert. Dabei geht es um die Frage, ob und in welchem Maße die unterschiedlichen theoretischen Ansätze dem normativen Anspruch des Leitbildes nachhaltige Entwicklung entsprechen.

44

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

2.5

Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit

Das Verständnis der neoklassischen Ökonomik vom Paradigma nachhaltiger Entwicklung wurde ganz wesentlich durch den 1972 erschienenen Bericht des Club of Rome geprägt (Meadows et al. 1972). Im gleichen Jahr diskutierte die Weltgemeinschaft in Stockholm erstmalig auf einer internationalen Konferenz der Vereinten Nationen über den Schutz der natürlichen Umwelt. Dabei wurde auf internationaler Ebene über die Interdependenz zwischen Entwicklungs- und Umweltaspekten besonders unter der Begrifflichkeit „Ecodevelopment“ diskutiert. Dies war eine wichtige Grundlage für die spätere Nachhaltigkeitsdiskussion. Damit wurde die Notwendigkeit für einen verstärkten Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen weltweit auf eine politische Ebene gestellt. Als Reaktion auf den Bericht des Club of Rome fand 1974 das wegweisende “Symposium on the Economics of exhaustible Resources“ statt, bei dem die Möglichkeiten des wirtschaftlichen Wachstums mit endlichen Ressourcen diskutiert wurde. So kam es zu der Positionierung der neoklassischen Theorie hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung. Grundverständnis des neoklassischen Nachhaltigkeitsbegriffs In der Ökonomie ging es also bereits zu Beginn der 1970er-Jahre um die Frage, wie die gegenwärtige Generation im Hinblick auf spätere Generationen wirtschaften solle. Der Bericht des Club of Rome zeigte erstmals die Grenzen Private und externe Kosten: der menschlichen Handlungsmöglichkeiten  Private Kosten können über den Marktmechanismus dem einzelnen Individuum zugeordnet durch die begrenzten, nicht-erneuerbaren Reswerden, die privaten Preise spiegeln die Knappsourcen auf. Im Prinzip war der Bericht „Grenheit des betreffenden Gutes am Mark wider. zen des Wachstums“ eine Fundamentalkritik an  Externe Kosten entstehen durch Effekte außerder herrschenden neoklassischen Ökonomik. halb des Marktes und lassen sich nicht immer Das Streben nach permanentem Wachstum dem Verursacher zuordnen. Dazu zählt beispielsweise die Verschmutzung der Luft als öffentlidurch ökonomische Aktivitäten wurde kritisch ches Gut. hinterfragt und als unvereinbar mit den natürlichen Grenzen des menschlichen Handelns angesehen. In der Folge entstanden ressourcenökonomische Modelle, die die Grundlage für den nutzenorientierten Nachhaltigkeitsbegriff des neoklassischen Ansatzes bildeten. Die gegenwärtig vorherrschende Ressourcen- und Umweltökonomie basiert immer noch stark auf diesem Ansatz. Ausgangspunkt ist hier der Mensch und die Befriedigung seiner Bedürfnisse über einen optimalen Konsum. Das entspricht einer anthropozentrischen Sichtweise. Die Modelle sind der Wohlfahrtsökonomik entlehnt, die sich mit der Sicherung und Steigerung einer Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse und von Lebensqualität befasst.

2.5 Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit

45

Soziale Wohlfahrtsfunktionen Soziale Wohlfahrtsfunktionen sind in der Wohlfahrtsökonomik von zentraler Bedeutung, um eine gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Aufteilung der vorhandenen Ressource zu ermitteln. In der Grundform (Bergson 1938 und Größen der sozialen Wohlfahrtsfunktion: Samuelson 1947) bildet die soziale Wohlfahrts-  Bestands- und Bewertungsgrößen: C: Konsum (engl. „Consumtion“) funktion die zu maximierende Summe aller mit K: Sachkapital (auch „künstliches Kapital“) γj gewichteten individuellen Einzelnutzen Uj ab. R: Naturressourcen (engl. „Resources“) Jeder Einzelnutzen trägt stets positiv zur WohlU: Nutzen (engl. „Utility“) W: Wohlfahrt (engl. „Welfare“) fahrt W bei, es gilt also: ∂W/∂Uj > 0. Formal  Indizes: lässt sich die zu maximierende Wohlfahrt folj: Index des Individuums gendermaßen beschreiben: t: Index der Generation (Zeit) m Max! W =  γj × Uj j=1



Parameter: α, β: Koeffizienten einer Substitutionsbeziehung γ: Gewichtungsfaktor ρ: Diskontsatz (Abzinsungsfaktor)

Dieser Zusammenhang liegt vielen nachhaltigkeitstheoretischen Konzeptionen zugrunde. Dort ist er „… eine gewisse Hilfe bei der Ordnung und Disziplinierung der ‚eigenen Gedanken’“ (Sohmen 1976, S. 333). Die soziale Wohlfahrtsfunktion kann also nicht – zumindest im Kontext nachhaltiger Entwicklung - den Anspruch einer umfassenden und hinreichenden Abbildung von Wohlfahrt genügen, dient aber sehr wohl dem theoretischen Verständnis und ermöglicht die Darstellung zentraler Zusammenhänge. In diesem Sinne ist die soziale Wohlfahrtsfunktion stets als Hilfsmittel zu betrachten, das eine weitergehende Beschäftigung voraussetzt. Die Grenzen von Wohlfahrtsfunktionen sind wie folgt zu bestimmen:  Die unbefriedigende Messbarkeit von Präferenzen und Nutzen bedeutet eine große Einschränkung. Das Ergebnis aus einer sozialen Wohlfahrtsfunktion kann nur so gut wie die Qualität der eingehenden Werte sein. Im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung bilden die oftmals schwer bezifferbaren externen Kosten ein erhebliches Problem.  Die Gewichtung der Nutzen untereinander ist allgemein kaum zu bestimmen. Hier sind Fragen möglicher Trade-offs zu klären, ob beispielsweise ein Individuum durch das Wohlergehen eines anderen schlechter gestellt wird. Insgesamt sind Werturteile für die Bestimmung einzelner Parameter und Größen der sozialen Wohlfahrtsfunktion unumgänglich. Daher kann das Vorgehen mittels sozialer Wohlfahrtsfunktion niemals völlig objektiv sein, sondern basiert auf normativen Prämissen, die es herauszustellen gilt. Kapitel 5 führt die Verfahren bzw. Gerechtigkeitsverständnisse für den Kontext einer nachhaltigen Entwicklung weiter aus. Die fehlende Möglichkeit einer vollständig wirklichkeitsabbildenden Operationalisierung führt zu gewissen Vereinfachungen der Variablen und Parameter der sozialen Wohlfahrtsfunktion. Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Ausführungen stets kritisch zu betrachten, da durch die getroffenen Vereinfachungen oftmals ein schwarz-weißes Bild gezeichnet wird (Kleine 2009, S. 29). Das Ökonomiesymposium 1974 übertrug die soziale Wohlfahrtsfunktion auf nicht-erneuerbare Ressourcen, die heutigen und zukünftigen Generationen zur Erreichung eines möglichst

46

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

nachhaltigen Ertrages (englisch „sustainable yield“) zur Verfügung stehen sollen. Für die Ansätze gilt eine spezifizierte soziale Wohlfahrtsfunktion, welche durch  die Anwendung auf einen intergenerationellen statt interpersonellen Kontext (jt),  den Konsum als Nutzen einer Generation (UjCt=f(K,R)) und  einen Abzinsungsterm für die Gewichtung zeitlich versetzter Nutzen (γe-ρ×t) charakterisiert ist: T W =  e-ρ×t × Ct t=0 Diese Formel bildet in der gegenwärtigen ressourcenökonomischen Literatur immer noch die Grundlage intertemporaler Bewertungen. Technischer Fortschritt Joseph Stiglitz war auf dem Symposium einer der entscheidenden Ökonomen für die weitere Entwicklung der Nachhaltigkeitsdiskussion. Er weist auf drei Faktoren hin, die in dem Bericht an den Club of Rome von Meadows nicht berücksichtigt wurden. Er nennt folgende Faktoren, die zu einer Relativierung der von der Endlichkeit der natürlichen Ressourcen ausgehenden Begrenzung des wirtschaftlichen Wachstums führen, wobei dem technischen Fortschritt eine besondere Bedeutung zukommt: „There are at least three economic forces offsetting the limitations imposed by natural resources: technical change, the substitution of man-made factors of production (capital) for natural resources, and returns to scale.” (Stiglitz 1974, S.123) Diese drei Faktoren ermöglichen es nach Auffassung der am Symposium teilnehmenden Ökonomen, auch allen zukünftig lebenden Menschen bei gleichbleibendem oder steigendem ProKopf-Konsum ein mindestens gleiches Nutzniveau wie den gegenwärtig lebenden Menschen zu ermöglichen. In Anlehnung an den Brundtland-Bericht definiert Robert Solow Nachhaltigkeit wie folgt: “I could think of this to say that it is an obligation to conduct ourselves so that we leave to the future the option or capacity to be as well off as we are (Solow 1993, S. 181).” Diese Formulierung zeigt, dass es kein Gebot gibt, bestimmte Naturbestandteile zu erhalten. Substituierbarkeit von Naturkapital durch Sachkapital Diese bis heute dominierende neoklassische Position zur Nachhaltigkeit knüpft an die bereits 1974 entwickelte Position eines im Zeitraum nicht sinkenden Nutzniveaus an. Damit muss der durchschnittliche Nutzen zukünftiger Generationen mindestens dem Durchschnittsnutzen der heute lebenden Generation entsprechen. Dieses Nutzenverständnis wird vielfach kritisch hinterfragt. So stellen beispielsweise Ott und Döring fest, dass Nutzen eine sehr große Variationsbreite aufweist und insofern einer Konkretisierung bedarf (Ott, Döring 2008, S. 102). Sie reicht von der utilitaristischen Position der „Lust“ über die Mikroökonomik als Funktion des Konsums U(Ct) bis zur Ausübung von Fähigkeiten. Im Kontext der schwachen Nachhaltigkeit

2.5 Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit

47

wird Nutzen jedoch als Funktion des Konsums interpretiert. Dabei wird ein enges Konsumverständnis, d. h. der Konsum von materiellen Gütern, vorausgesetzt und der Konsum von immateriellen Gütern bleibt, wie ein schöner Sonnenuntergang, unberücksichtigt. Das neoklassische Paradigma hat die optimistische Sichtweise bezüglich des technischen Fortschritts und der höheren Effizienz der eingesetzten Produktionsfaktoren bis in die Gegenwart beibehalten. Ebenso wird an der Position einer Substituierbarkeit der verschiedenen Kapitalformen festgehalten, wodurch dem gesamtwirtschaftlichen Kapitalstock weiterhin die zentrale Bedeutung zukommt. Die Position der Substituierbarkeit wurde von Robert Solow bereits 1974 in einem viel zitierten Satz begründet: „If it is very easy to substitute other factors for natural resources, than there is in principal ‘no problem’. The world can, in effect, get along without natural resources, so exhaustion is just an event, not a catastrophe (Solow 1974a, S. 11).“ Die Aggregation so verschiedener Kapitalarten weist jedoch eine Reihe von Problemen auf, von denen zumindest zwei genannt werden sollen (Endres 2013, S. 318):  Sie müssen in ihrer wohlfahrtssichernden Funktion mehr oder weniger gut miteinander substituiert werden können.  Der „Wechselkurs“, mit dem die Einheiten eines Kapitaltyps nachhaltigkeitsäquivalent in Einheiten eines anderen Kapitaltyps umgerechnet werden können, muss bestimmbar sein. Der Kapitalstock, der nachfolgenden Generationen überlassen wird, setzt sich somit ebenfalls aus akkumuliertem Sachkapital und dem Zustand der Umwelt in Form von Naturkapital zusammen. Beide Kapitalarten sind also auch über die Zeit grundsätzlich substituierbar. Entscheidend hierbei ist, dass für das Individuum bzw. für die aufeinanderfolgenden Generationen zu jedem Zeitpunkt Konsumgüter in gleichem Umfang zur Verfügung gestellt werden können und damit das Nutzenniveau gesichert wird. Hier geht es um die Frage, wie die Sicherung der Bedürfnisbefriedigung künftiger Generationen in der neoklassischen Theorie abgebildet werden kann. Hierzu wurden Begriffe wie intergenerationelle oder intertemporale Gerechtigkeit eingeführt. Solow bezieht sich hierbei auf die Gerechtigkeitstheorie von Rawls (wird in Kapitel 5 näher ausgeführt) und wendet sie auf die die intergenerationelle Allokation an: Danach darf keine Generation hinsichtlich ihrer Konsummöglichkeiten schlechter als eine andere Generation gestellt werden. Von der neoklassischen Theorie wird in diesem Kontext die Sicherung eines nicht sinkenden Kapitalstocks pro Kopf als notwendig erachtet. Ist dieser Zustand erreicht, so gilt er nach Solow als intertemporal gerecht (Solow 1974b, S. 29). Während Solow damit eine egalitäre Gerechtigkeitsvorstellung bezüglich der allen Generationen zur Verfügung stehenden Konsummöglichkeiten bezieht, greifen andere Autoren auf eine utilitaristische Sichtweise zurück. Partha Dasgupta und Geoffrey Heal ermitteln das optimale Konsumniveau aus dem zeitlich diskontierten Gesamtnutzen aller Generationen. Das Optimum ist erreicht, wenn die Konsummöglichkeiten insgesamt maximal sind (Dasgupta, Heal 1974):

48

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung T

Max! W =

 e-ρ×t × (Ktα × Rtβ - K· t)

; α, β  [0%, 100%]; α + β = 100%

t=0 Der erste Term erlaubt die Diskontierung, wofür zumeist ein zeitlich abnehmender Diskontsatz ρ zugrunde gelegt wird. Der zweite Term umfasst die Konsummöglichkeiten Ct, die sich aus eingesetztem Sachkapital K und Naturkapital R sowie der Bestandsveränderung (Wertverminderung, wie etwa Abschreibungen) zusammensetzen. Die beiden Parameter α und β sind die Koeffizienten der zugrunde gelegten sogenannten „Cobb-Douglas-Produktionsfunktion“. Diese verwendete Produktionsfunktion ist in den Wirtschaftswissenschaften sehr verbreitet, um das Verhältnis von zwei Eingangsfaktoren in einem subsitutionalen Produktionsprozess festzulegen. Der Vorteil hierbei ist eine einfache Beschreibung (vollständige Substituierbarkeit mit fester Substitutionsbeziehung) über alle Outputniveaus hinweg. Diese Klasse von Produktionsfunktionen wird demnach mit „Constant Elasticity of Substitution“ (CES) bezeichnet. Partha Dasgupta und Geoffrey Heal weisen diesbezüglich darauf hin, dass die Verwendung einer CES-Funktion vielmehr der methodischen Einfachheit geschuldet sei und auch andere Zusammenhänge zwischen Sach- und Naturkapital möglich seien (Dasgupta, Heal 1974, S. 26). Robert Solow merkt im Vergleich hierzu an: „… I shall carry on the rest of the analysis using the Cobb-Douglas explicitly, especially because that will simplify the treatment of technical progress too (Solow 1974b, S. 34).” Diese Auffassung über die formalen Beziehungen wurde die Grundlage vieler weiterer neoklassisch orientierter Arbeiten zur nachhaltigen Entwicklung. Die dabei zugrunde liegende Prämisse, dass Naturkapital durch Sachkapital substituiert werden kann, führt zu einer spezifischen Variante der Nachhaltigkeit, die mit dem Begriff „weak sustainability“ oder „schwache Nachhaltigkeit“ bezeichnet wird. Bei der schwachen Nachhaltigkeit lässt sich der Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen stets durch Investitionen in Kapitalgüter kompensieren. Das heißt, die Naturressourcen dürfen ausgebeutet werden, wenn im Gegenzug Sachkapital aufgebaut wird. Nach Neumayer ist daher Sachkapital wichtiger als Naturkapital (Neumayer 2003). Der Grad der Austauschbeziehungen wird mit der Substitutionselastizität σ angegeben. Dieser Parameter ist bei den Ansätzen einer schwachen Nachhaltigkeit zumeist gleich eins (σ=1). Eine Elastizität höher als eins würde die Degradation von R noch mehr rechtfertigen, da für jede Einheit nicht-erneuerbarer natürlicher Ressourcen überproportional mehr künstliches Kapital geschaffen wird. Nach Pearce und Atkinson setzt das Indifferenz zwischen Sachkapital und Naturkapital für zukünftige Generationen voraus (Pearce, Atkinson 1993, S. 64).

2.5 Die neoklassische Position: schwache Nachhaltigkeit

49

Dieser Zusammenhang wurde erstmals von John Hartwick aufgezeigt und wurde daher als Hartwick-Regel bekannt (Hartwick 1977, S. 972–974). Sie besagt, dass bei einer Substitutionselastizität von eins, also bei der Verwendung Fallbeispiel: Phosphatabbau auf der Insel Nauru einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion, die 1900 wurden auf der Insel Nauru umfangreiche Phosabnehmenden natürlichen Ressourcen substitu- phatvorkommen gefunden. Sie wurden bis in die Gesehr intensiv abgebaut und sind heute fast iert werden können, wenn eine hinreichend genwart vollständig erschöpft. Zunächst erfolgte der Abbau schnelle Kapitalakkumulation stattfindet und durch die Kolonialmächte, die die Einnahmen für sich die partielle Produktionselastizität des Sachka- beanspruchten. pitals im Verhältnis zum Naturkapital größer ist. Nach der Unabhängigkeit 1968 verblieben die EinDie International Bank for Reconstruction and Development (IBRD, dt. „Weltbank“) belegt mit einem umfassenderen Ansatz analog zur Kennzahl der Genuine Savings eine Substititutionselastizität nahe eins. Gleiches gilt für eine Substitution von Landfläche. Betrachtet man jedoch andere natürliche Ressourcen, so liegen die Subsitutionselastizitäten – wie in der Literatur für die Unternehmensebene mehrfach belegt – zwischen 0,37 und 0,5 (IBRD 2006, S. 101112). Ist die Substitutionselastizität kleiner eins, wird das eintreten, was in dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ bereits prognostiziert wurde: Die Erschöpfung natürlicher Ressourcen führt im Extremfall zu einem Erliegen der Produktion.

nahmen bei dem Inselstaat. Die Regierung von Nauru gründete einen Kapitalfond, der gegenwärtig über 1 Mrd. $ enthält. Das Finanzkapital wurde auf den internationalen Finanzmärkten angelegt. Alle Bewohner der Insel profitieren hiervon. Das zeigt sich an einem relativ hohen Pro-Kopf-Einkommen gemessen an anderen Ländern der Region.

Der Abbau des Naturkapitals führte jedoch dazu, dass 80 % der Landfläche der Insel zerstört wurde. Die Bewohner sind daher nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen. Die Lebenslage der Bevölkerung hat sich trotz des gestiegenen Einkommensniveaus verschlechtert. Auf Nauru hat Alkoholismus und Diabetes stark zugenommen, wodurch die Lebenserwartung, zumindest der Männer, gesunken ist. Das Fallbeispiel zeigt auch, dass bei dem neoklassischen Nachhaltigkeitsansatz die soziale Dimension der Nachhaltigkeit vernachlässigt wurde. (Gowdy, McDaniel 1999)

Solow interpretierte Mitte der 1980er-Jahre die Hartwick-Regel, was zu der "constant capital rule" führte. Sie wurde einige Jahre später zum Ausgangspunkt der ökonomischen Interpretation des Nachhaltigkeitsbegriffes (Walz 1999, S.1). In diesem Kontext positioniert sich Solow klar als Vertreter der schwachen Nachhaltigkeit. Danach gibt es nach Solow kein Gebot, bestimmte Naturbestandteile zu erhalten. Bei dieser inhaltlichen Konkretisierung von Nachhaltigkeit ist die Dimension der Gesamtinvestitionen von zentraler Bedeutung. Durch einen konstanten Kapitalstock soll der Durchschnittsnutzen konstant gehalten und der Gegenwartsnutzen maximiert werden (v. Hauff, Jörg 2013, S. 126). In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch die Frage, wie zukünftige Kosten von Naturzerstörung, d. h. die Verringerung von Naturkapital heute zu bewerten sind. Dabei stellt sich auch die Frage nach der intertemporalen Gerechtigkeit, bei der es unter anderem darum geht, wie die Umweltverschmutzung und die Nutzung endlicher Ressourcen auf zukünftige Perioden abgebildet werden kann. Weiterhin ist die Höhe der Diskontrate zu bestimmen. Es muss also eine intertemporale Allokation der Ressourcenverwendung durch einen Allokationsansatz über Generationen hinweg stattfinden. Ist die Diskontrate von dem zu erwartenden Wohlstand der zukünftigen Generationen abhängig und wird dabei

50    

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung zunehmender Wohlstand über die Zeit, positiver und abnehmender Grenznutzen des Konsums, mögliche Entwicklung von Substituten für Ressourcen, sowie steigendes Einkommen im Zeitablauf angenommen,

ergibt sich bei intertemporaler Optimierung tendenziell eine Verlagerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen hin zur Gegenwart. Können zukünftige Generationen durch ein steigendes Einkommen ein höheres Konsumniveau realisieren als die heute lebende Generation, so ermöglicht dies – im Rahmen dieser Argumentationslinie – der gegenwärtigen Generation als Kompensation etwas mehr von den endlichen natürlichen Ressourcen zu konsumieren oder in größerem Umfang Schadstoffe zu hinterlassen (Holstein 2003, S. 52f). Im Extremfall ist die Substitution von Naturkapital durch anthropogenes Sachkapital unbegrenzt möglich. Entsprechend kann wirtschaftliche Entwicklung nach Solow auch ohne natürliche Ressourcen stattfinden (Solow 1997, S. 267). Die Effizienz der Erhaltung von Naturgütern wird dann in Kosten-Nutzen-Analysen rational bewertet. Danach sind Projekte durchzuführen, wenn der Nutzen die Kosten übersteigt. Die Pareto-Optimalität kann gesichert werden, indem nachteilig betroffene Personen entschädigt werden. Danach müssen Projekte für Umwelt-, Klima- und Naturschutz entsprechend der schwachen Nachhaltigkeit ihre langfristige Effizienz und Überlegenheit gegenüber anderen Investitionen nachweisen. Das Paradigma der schwachen Nachhaltigkeit wurde in vielfältiger Form kritisiert. Da die Kritik aus der Perspektive der Ökologischen Ökonomie in dem folgenden Abschnitt noch ausführlich dargestellt wird, beschränken sich die Ausführungen nun auf exemplarische Kritikpunkte. Einer der zentralen Kritikpunkte ist, dass der Nutzen als Funktion von Konsum definiert wird, wobei der Konsum sich in diesem Zusammenhang auf materielle Güter beschränkt. Erweitert man dagegen den Konsumbegriff um immaterielle Güter wie zum Beispiel die Naturerfahrung, ergeben sich daraus für die ökonomische Modellierung große Schwierigkeiten. Das erklärt sich daraus, dass der immaterielle Konsum nur unzureichend monetarisiert werden kann (Ott, Döring 2008, S. 109). Dieser Aspekt gilt auch für die intertemporale Betrachtung: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass zukünftige Generationen, auch unter Berücksichtigung einer immer künstlicher werdenden Welt, keine Präferenzen für immaterielle Güter wie den Naturgenuss haben werden. In diesem Zusammenhang gilt aber zu berücksichtigen, dass es Vertreter der schwachen Nachhaltigkeit wie Dasgupta (1995) und Heal (1998) gibt, die auf die vielfältigen Funktionen und Leistungen natürlicher Systeme für Gesellschaften hinweisen bzw. diese berücksichtigen. Dasgupta geht differenziert und sachkundig auf die vielfältigen Funktionen natürlicher Systeme wie Wälder, Böden, Grundwasser, Atmosphäre und Klima und Artenvielfalt ein. Danach geht er jedoch wieder argumentativ zu der Begründung schwacher Nachhaltigkeit zurück. Ähnlich verhält es sich bei Heal, der den vielfältigen Nutzen natürlicher Güter betont, um anschließend ebenfalls wieder in die Argumentationslinie schwacher Nachhaltigkeit zurückzukehren. Abschließend kann zu dem Paradigma schwacher Nachhaltigkeit festgehalten werden, dass die Vertreter zur Lösung von Problemen – analog zu vielen Wachstumstheoretikern – ganz zentral auf den technischen Fortschritt bzw. technische Lösungen abzielen. Eine wichtige Annahme

2.6 Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit

51

entsprechend der Hartwick-Regel ist, dass es durch technischen Fortschritt zu einer Substitution natürlicher Ressourcen kommt. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von dem Technikoptimismus. Ob diese Lösungen immer bzw. zum notwendigen Zeitpunkt eintreffen, wird dabei vernachlässigt.

2.6

Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit

Die Ökologische Ökonomie wurde durch Arbeiten von Nicholas Georgescu-Roegen, Kenneth Boulding und Karl William Kapp Mitte der 1970er-Jahre inspiriert und in die ökonomische Diskussion eingeführt (Georgescu-Roegen 1971, Boulding 1976, Kapp 1979). Sie kam dann Mitte der 1980er-Jahre zunächst in den USA unter der Bezeichnung „Ecological Economics“ auf. Im Herbst 1987 wurde die International Society of Ecological Economics (ISEE) gegründet (Rogall 2008, S. 96). Bisher gibt es jedoch noch keine einheitliche Schule bzw. kein geschlossenes Theoriegebäude der Ökologischen Ökonomie. In jüngster Vergangenheit wird dagegen verstärkt die mangelnde wissenschaftliche Fundierung kritisiert. Das betrifft sowohl die empirische als auch die theoretische Fundierung (vgl. u. a. Anderson, M’Gonigle 2012, S. 37 ff., Spash, 2013, S. 351 ff.). Zu einer Weiterentwicklung der empirischen Fundierung stellt beispielsweise Spash fest: „Ecological Economics is, and should be in part, an empirically based subject but the form of that emiricism needs development and should not be restricted to a narrow, docmaticanti-pluralist, priscriptive caricature, nor based upon appeals to the most popular methodology.“(Spash 2013, S. 45) Die Notwendigkeit einer tieferen wissenschaftlichen Fundierung fordert u. a. Perrings sehr klar: „My own view is that ecological economics has an obligation to develop the science needed to understand, model and predict the dynamics of coupled ecological-economic systems. Indeed, it is the raison-d’être of the field.”(Perrings 2006, S. 19) Die Diskussion zum gegenwärtigen Stand der theoretischen und empirischen Fundierung der Ökologischen Ökonomie kann hier nicht in ausreichendem Maße aufgezeigt werden. Es geht vielmehr um zentrale Positionen. Dazu lässt sich feststellen, dass es bei den Vertretern der Ökologischen Ökonomie zu wichtigen Positionen einen weitgehenden Konsens gibt, worauf sich die folgenden Ausführungen konzentrieren. Zentrale Kernpunkte werden von Costanza et al. in ihrem grundlegenden Buch zur Ökologischen Ökonomie aufgeführt (2002, S. 95). Dabei gehen sie davon aus, dass die transdisziplinäre Sicht der Welt von grundlegender Bedeutung ist, um die drei interdependenten Ziele der Ökologischen Ökonomie zu erreichen: ökologisch nachhaltige Größenordnung, gerechte Verteilung und effiziente Allokation. Als grundlegende Elemente des Leitbildes der Ökologischen Ökonomie nennen sie:

52

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

1. Die Erde ist ein thermodynamisches, d.h. geschlossenes und nicht materiell wachsendes System. 2. Es geht um ein zukünftiges Leitbild eines nachhaltigen Gesellschaftssystems mit einer hohen Lebensqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner (sowohl für Menschen als auch für andere Arten von Lebewesen) innerhalb der oben aufgezeigten Grenzen. 3. Es ist eine Tatsache, dass die Analyse von komplexen Systemen wie der Erde in jeglicher räumlicher und zeitlicher Größenordnung mit großen Unsicherheiten behaftet ist, die nicht beseitigt werden können. Einige Prozesse sind irreversibel und bedürfen daher eines präventiven Ansatzes bzw. einer präventiven Vorgehensweise. 4. Daraus begründet sich die Notwendigkeit agierender und nicht reagierender Institutionen und Akteure wie Politiker. Dafür müssen einfache, flexible und durchführbare Politikstrategien entwickelt und umgesetzt werden. Im Mittelpunkt der Ökologischen Ökonomie steht ein umweltpolitisch orientiertes Leitbild nachhaltiger Entwicklung, in dem die Beziehung der beiden Kategorien Ökologie und Ökonomie in den Mittelpunkt gestellt wird. Wie schon in der neoklassischen Ökonomie, wird die soziale Dimension auch in der Ökologischen Ökonomie bisher weitgehend vernachlässigt. Die Ökologische Ökonomie geht jedoch weit über die herrschenden Ansätze, insbesondere der neoklassischen Orientierung, hinaus. Die Kritik entzündet sich an der neoklassischen Theorie besonders wegen der Einengung auf das einzelne Individuum und dessen Streben nach Gewinn- und Nutzenmaximierung. Hier wird die Kontroverse zu dem Menschenbild des Homo oeconomicus, die bereits in Abschnitt 2.1 aufgezeigt wurde, deutlich. In der Ökologischen Ökonomie wird eine sogenannte „ökozentristische“ Sichtweise eingenommen, wonach die ökologischen Systeme und ihr Fortbestehen Ausgangspunkt jeglicher Argumentation sind. In diesem Kontext nennen Daly und Farley drei Strategien: ökonomischer Imperialismus, ökologischer Reduktionismus und Steady-State-Subsystem. „Each strategy may be thought of as beginning with the picture of the economy as a subsystem of the ecosystem.“ (Daly, Farley 2011, S. 51). Zur Erinnerung: Die neoklassische Umweltökonomie geht davon aus, dass der Selbststeuerungsmechanismus des Marktes im Prinzip funktioniert, wobei ein Korrekturbedarf bei Vorliegen externer Effekte notwendig wird. Diese Korrektur wird durch eine Umweltschutzpolitik in Form von Internalisierungsstrategien geleistet. Dadurch wird die Natur in das Konstrukt von relativen Preisen und Präferenzen, von Kosten und Nutzen integriert(Holstein 2003, S. 2 ff.). Umweltprobleme werden somit als Externalität mit Wachstumsverlust deklariert und entspringen dem Markt- und/oder Politikversagen. Die Ökologische Ökonomie grenzt sich von der formal eleganten neoklassischen Umweltökonomie ab. Vertretern der Ökologischen Ökonomie geht es dabei nicht nur um die Beseitigung von externen Effekten, was einer reaktiven und nicht vorsorgenden Umweltpolitik entspricht. Ein Grund hierfür ist, dass die Natur keine Preise kennt, und die Auswirkungen menschlichen Handelns oftmals unwägbar sind. Daher ist für die Lösung der ökologischen Krise mehr als nur die Internalisierung der Natur in die Ökonomie nötig. Es muss vielmehr darum gehen, die Ökonomie in die komplexen Zusammenhänge der Natur zurückzuholen, d. h., sie einzubinden. Hier gibt es einen eindeutigen Bezug zur Industrial Ecology bzw. zum deutschen Pendant „Stoffstromwirtschaft“ (siehe für eine Übersicht zum Stand der Forschung und Anwendung: Isenmann, v. Hauff 2007).

2.6 Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit

53

Dabei geht es vor allem auch um die Berücksichtigung von Irreversibilitäten in Ökosystemen, was in der neoklassischen Umweltökonomie kaum thematisiert wird. Weiterhin erkennt die Ökologische Ökonomie das Problem, dass es zu intergenerationellen Ungleichheiten und damit zu einer nicht dauerhaft aufrechtzuerhaltenden Entwicklung kommen kann. Eine wichtige Kritik der Ökologischen Ökonomie an der neoklassischen Umweltökonomie besteht also darin, dass die neoklassische Theorie mit ihrer einseitigen Betonung der marginalen Gleichgewichtsanalyse nicht in der Lage ist, komplexe Phänomene ganzheitlich zu erfassen, wie es im Prinzip die ökologische Realwelt erfordert. Ausgangspunkt für einen Gegenentwurf zum neoklassischen Paradigma bilden meist Vorstellungen einer evolutorischen Entwicklung von Wirtschaft und Umwelt. Die Ökologische Ökonomie ist ganz wesentlich durch den Beitrag von Georgescu-Roegen 1971 „The Entropy Law and the Economic Process“ geprägt (siehe für eine Übersicht: Daly 1995). Der als „Entropiegesetz“ bezeichnete zweite Hauptsatz der Thermodynamik bedeutet bei real ablaufenden Prozessen, dass die in einem Prozess entstandene Wärmeenergie Q nicht mehr vollständig in die vorher aufgebrachte Energie (Brennstoff, mechanische Bewegung) zurückgeführt werden kann. Das heißt, es kann nicht mehr der gleiche Grad an Ordnung hergestellt werden, sondern es gibt tendenziell mehr Unordnung. Die Entropie S ist hierbei die maßgebliche physikalische Größe für die Ordnung beim Temperaturzustand T (im Falle einer Stoffumwandlung): ∆Q < T × ∆S Mithilfe von Energie kann die zunehmende Unordnung wieder auf ein niedrigeres Entropieniveau zurückgeführt werden, was für das System Erde primär durch die solare Einstrahlung möglich ist. Die Sonne gilt hier als erneuerbare Energiequelle, die praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht. Die Nutzung fossiler Energieträger vermindert hingegen den Bestand natürlicher Ressourcen und erhöht insgesamt die Entropie der Erde. In Anlehnung an die Thermodynamik kann somit auch der Wirtschaftsprozess als unwiederbringlicher Verzehr eines endlichen Vorrates an natürlichen Ressourcen begriffen werden. Neben Energie wird auch Materie unwiderruflich in teilweise nicht mehr nutzbare Zustände umgesetzt. Durch eine externe Energiezufuhr wie die Sonneneinstrahlung kann die stetige Wertminderung des globalen Systems „Erde“ letztlich kompensiert werden. An der diesbezüglichen Diskussion (siehe hierzu beispielsweise Ayres 1998) wird die starke naturwissenschaftliche Argumentationsbasis der Ökologischen Ökonomie deutlich. In diesem Kontext sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Begriff der Entropie, wie ihn Georgescu-Roegen verwendet, teilweise kritisiert wurde. Ein wichtiger Kritikpunkt ist, dass die Übertragung des Entropie-Begriffs von der Physik auf die Ökonomie problematisch ist, da die Geschlossenheit eines Systems in beiden Disziplinen unterschiedlich definiert wird (Reich 2010, S. 54). Auf der Grundlage der evolutionären und von Unwissenheit und Unsicherheit geprägten Weltsicht der Ökologischen Ökonomie reicht der Preis als Lenkungsfunktion für wirtschaftliche Aktivitäten nicht aus. Vielmehr muss ein Kapitalstock erhalten werden, der sowohl aus natürlichem als auch aus „menschengeschaffenem Kapital“ (Sachkapital) besteht. Hier bietet sich die Resilienzforschung an, bei der es um die Grenzen aber auch um die Anpassung ökologischer Systeme geht (Wilderer, v. Hauff 2014).

54

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Daraus begründet sich die „starke Nachhaltigkeit“ (engl. „strong sustainability“). Die Vertreter der Ökologischen Ökonomie stellen daher die Substituierbarkeit von Natur- durch Sachkapital grundsätzlich infrage. Die Substitutionselastizität ist gleich null (σ=0). Robert Costanza und andere Autoren definieren in diesem Kontext sehr prägnant ein System dann als „nachhaltig“, wenn es überlebt bzw. fortdauert (Costanza, Patten 1995, S. 1994). Ein gewisses „kritisches Kapital“ zur Sicherung der Ökosysteme und deren Funktionsfähigkeit darf also nicht unterschritten werden (Pearce et al. 1994, S. 468ff.). Die bisherigen Ausführungen deuten bereits darauf hin, dass eine unversöhnliche Kontroverse zwischen der neoklassischen Position und der Ökologischen Ökonomie in der Beurteilung von Wirtschaftswachstum besteht. Wirtschaftswachstum ist nach Daly auf lange Sicht nicht möglich (Daly 1999). Im Rahmen der starken Nachhaltigkeit wird daher eine „Steady state economy“ im Hinblick auf den Materialdurchsatz und das Sozialprodukt gefordert. Das ökonomische Subsystem sollte nicht weiter wachsen bzw. in Industrieländern sogar schrumpfen. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass ein steigendes Bruttoinlandsprodukt in diesem Kontext dann möglich ist, wenn es gleichzeitig zu einer Dematerialisierung kommt und dadurch eine wirtschaftliche Stagnation vermieden werden kann (Ott, Döring 2008, 145). Dennoch ist das Wirtschaftssystem als Subsystem der umfassenden Biosphäre zuzuordnen. In jedem Fall ist die Ökonomie abhängig von der Ressourcenverfügbarkeit und der Aufnahmefähigkeit natürlicher Senken. Unter Berücksichtigung der globalen Probleme, wie dem exponentiell steigenden Bevölkerungswachstum, zunehmender Umweltverschmutzung und -zerstörung, anthropogen verursachten Klimawandels und dem stark zunehmenden Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen, ist eine Verringerung der Inanspruchnahme der Natur im Wirtschaftsprozess erforderlich. Nur so kann die Natur als Gesamtsystem in dem erforderlichen, d. h. für den Menschen existenzsichernden Zustand erhalten bleiben und das nicht exakt zu ermittelnde Risiko vor zu stark belastenden Rückwirkungen auf das Ökosystem reduziert werden (Holstein 2003, S. 77). Die Vertreter der starken Nachhaltigkeit gehen von der Komplementarität von Natur- und Sachkapital aus, soweit die Natur in die Güterproduktion eingeht. Geht man von limitierenden Produktionsfaktoren aus, so besteht bei einem bestimmten Faktorverhältnis eine Substitutionsmöglichkeit. Sie verlangt jedoch nach einer immer größeren Inputmenge des anderen Faktors, je kleiner der Input des ersten Faktors wird. Danach ist Naturkapital nicht beliebig durch Sachkapital substituierbar. Naturkapital kann bei fortschreitender Naturnutzung zum limitierenden Faktor der Produktion werden. Ergänzend ist hierzu jedoch noch anzufügen, dass die Natur nicht nur einen instrumentellen sondern – wie schon erwähnt wurde - auch einen eudämonistischen Wert (u. a. Ästhetik, Heimat und Erholung) hat. Weitere wichtige Funktionen der Natur sollen hier nicht vertieft werden, da sie in der Literatur ausreichend dokumentiert sind (vgl. u. a. Isenmann 2003). Eine wesentliche Begründung starker Nachhaltigkeit basiert somit auch auf dem Grundsatz, dass intergenerationelle Gerechtigkeit den Bestand der verschiedenen Kapitalarten voraussetzt. Das gilt besonders für das natürliche Kapital, da es zum Sachkapital häufig in einem komplementären Verhältnis steht. Die Ökologische Ökonomie, insbesondere Daly als deren maßgeblichem Mitbegründer und Protagonist, bemüht dafür zahlreiche intuitive Beispiele,

2.6 Die Position der Ökologischen Ökonomie: starke Nachhaltigkeit

55

etwa: ein Fischerboot ohne Fische in Seen oder Flüssen ist nutzlos. Eine weitere wichtige Begründung für die starke Nachhaltigkeit ist, dass das menschliche Überleben von der Erhaltung besonders sensibler Ökosysteme abhängt. Eine zunehmende Vergrößerung des Ozonlochs kann nur sehr begrenzt durch Sachkapital (Sonnencreme, Bekleidung, medizinische Vor- und Nachsorge) kompensiert werden. Die starke Nachhaltigkeit wurde von Vertretern der Ökologischen Ökonomie durch Operationalisierungskriterien konkretisiert. Daly erarbeitete als Pionier recht intuitiv drei Managementregeln (Daly 1990), deren Zusammenhang in Abb.2-3 dargestellt ist. Diese Auffassung ist seitdem die populäre Grundposition der Ökologischen Ökonomie und fordert, dass durch menschliches Handeln  erneuerbare Ressourcen nur in dem Maße abgebaut werden dürfen, wie sie sich erneuern können (dies entspricht der klassischen Nachhaltigkeitsregel nach von Carlowitz 1713),  nicht-erneuerbare Ressourcen nur dann verbraucht werden dürfen, wenn die Substitutionsmöglichkeiten zur Verminderung zukünftigen Ressourcenabbaus geschaffen werden sowie  die Grenzen der Aufnahmefähigkeit der Natur als Senke für Emissionen beachtet werden.

Emissionen Emissionen unterhalb der Assimilation

Erneuerbare Ressourcen

Erschöpfbare Ressourcen

Abbaurate geringer als Regenerationsrate

Verbrauch nur, wenn die Substitution gesichert ist

Quelle: in Anlehnung an Daly 1990, S. 2 Abb. 2-3: Handlungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung

In Erweiterung zu den Handlungsregeln kann der Leitplankenansatz genannt werden, bei dem es darum geht, Grenzen für ein Handeln, das der ökologischen Nachhaltigkeit nicht ge-recht wird, zu bestimmen. Es geht darum die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit nicht zu verletzen. Dieser Ansatz, auch Ansatz planerischer Leitplanken genannt, wurde erstmals vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) 1995 vorgeschlagen. Beispielhaft für eine Leitplanke ist das 2-Grad-Ziel für die Klimaerwärmung, auf das sich viele Nationen auf dem Klimagipfel in Cancún im Dezember 2010 geeinigt haben, zu nennen (Michaelis 2013, S. 206).

56

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Die unversöhnliche Kontroverse zwischen neoklassischer Umweltökonomie und Ökologischer Ökonomie wird heute teilweise in Frage gestellt. Wichtige Argumente hierzu werden im folgenden Abschnitt vorgestellt.

2.7

Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

Es wird zunehmend klar, dass die wirtschaftstheoretischen Grundlagen weiterentwickelt werden müssen. Insbesondere die herkömmliche Ökonomik scheint für eine nachhaltige Entwicklung nicht adäquat, weil sie  Erkenntnisse anderer Disziplinen weitgehend negiert,  am Effizienzparadigma (Suche nach Gleichgewichten, z. B. in Form einer „Markträumung“) festhält sowie  räumliche und zeitliche Entwicklungen wie auch den kulturellen und historischen Kontext nicht berücksichtigt (Ruth 2006, S. 335 f.). Im Zusammenhang der drei einzelnen Nachhaltigkeitsdimensionen stellt sich die Frage, wann das Optimum des Nutzens erreicht ist. Es herrscht Uneinigkeit zwischen den Vertretern schwacher und starker Nachhaltigkeit (vgl. Common, Merkmale schwacher versus starker NachhaltigStagl 2005, S. 378). Schwache Nachhaltigkeit keit bedeutet, dass Naturkapital durch Sachkapital  Die schwache Nachhaltigkeit geht von der Substituierbarkeit der Kapitalarten aus. Eine nachsubstituiert werden kann, solange der gesamte haltige Entwicklung ist also dann gegeben, wenn Kapitalbestand für zukünftige Generationen erder gesamte Kapitalbestand (Summe aller einzelhalten bleibt. Wird – wie schon erwähnt – beinen Kapitalien) steigt. spielsweise durch den Bau einer Straße ein  Die starke Nachhaltigkeit lehnt die Substituierbarkeit hingegen ab und nimmt eine KompleWaldstück abgeholzt, reduziert sich zwar der mentarität zwischen den Kapitalarten an. HierBestand der natürlichen Ressource Holz, aber es nach ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn entsteht durch die daraus hergestellten Produkte jede Kapitalart für sich steigt bzw. keine sinkt. Dies gilt v. a. für das ökologische Kapital, das als Sachkapital. Führt die Substitution zu einem besonders gefährdet gilt. gleichbleibenden Kapitalbestand, liegt schwache Nachhaltigkeit vor. Auch Vertreter der starken Nachhaltigkeit erkennen die Notwendigkeit des Verbrauchs von Naturkapital im Rahmen des Wirtschaftsprozesses. Sie fordern jedoch die Einhaltung von Managementregeln, wie Herman Daly sie entwickelt hat. Weiterhin fordern sie, jene Ökosysteme konsequent zu schützen, die für das Überleben der Menschheit besonders notwendig sind. Die Kontroverse zwischen neoklassischer Umweltökonomie und Ökologischer Ökonomik weist eine weitere Polarisierung auf, wenn es um die Frage von ökologischer Tragfähigkeit und wirtschaftlichem Wachstum geht. Die Antipoden sind klar abgegrenzt: Auf der einen Seite gibt es die Position, wonach Wachstum und nachhaltige Entwicklung „Hand in Hand“ gehen können. Die andere Position geht davon aus, dass Wirtschaftswachstum zu einer übermäßigen Belastung der Umwelt führt, d. h., einerseits die Natur irreversibel schädigt und andererseits

2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

57

auch dem Wachstum Grenzen gesetzt sind. Das Paradigma starker Nachhaltigkeit geht somit von einem unauflösbaren Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltqualität aus. Daher werden die neoklassischen Umweltökonomen vielfach als „Wachstumsoptimisten“ und die Vertreter der Ökologischen Ökonomie als „Wachstumspessimisten“ eingeordnet (eine interessante Diskussion findet sich in MUV 2004, S. 80–126). Mit der schwachen und starken Nachhaltigkeit bestehen zwei eigenständige Paradigmen, die in der Literatur jedoch teilweise als unzureichend bezeichnet werden. Bei der Diskussion um die Klimaerwärmung wurde beispielsweise klar: „Whether one believes in one paradigm or the other is ultimately just that: A matter of belief (Neumayer 1999, S. 41).” Diese Feststellung bezieht sich auf die zugrunde gelegte Prämisse beider Positionen, wonach weder die schwache noch die starke Nachhaltigkeit genügend empirisch belegt sind. Stattdessen stellen sie zwei extreme Ausgangsbedingungen dar, die scheinbar eher der schlüssigen Begründung und Abgrenzung der jeweiligen Position geschuldet sind: Die Annahme einer vollständigen Substituierbarkeit (schwache Nachhaltigkeit) beruht auf der besseren Modellierbarkeit mit gängigen Produktionsfunktionen. Die Ablehnung jedweder Substituierbarkeit wird von Vertretern einer starken Nachhaltigkeit hingegen als notwendig erachtet, um den Kapitalstock natürlicher Ressourcen und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme hinreichend zu schützen. Wird eine Substituierbarkeit angenommen, so ist die Festlegung von Parametern nötig. Diese können den Konflikt noch verschärfen, wenn sie eine starke Abzinsung späterer Generationen impliziert. Beispielsweise wird dem „Copenhagen Consensus“ um Björn Lomborg (Lomborg 2004) vorgeworfen, der Diskontsatz von 5 % sei zu hoch. Hiernach beträgt der Nutzen einer Generation in 20 Jahren nur noch 1,0520=35 % einer heutigen Generation. Es besteht bis in die Gegenwart eine fachliche – zuweilen aber auch emotionale und normative – Kluft zwischen den Anhängern der beiden Positionen (Illge, Schwarze 2004). In der neueren Nachhaltigkeitsdiskussion gibt es mehrere Ansätze, die einen Kompromiss zwischen schwacher und starker Nachhaltigkeit aufzeigen. Toman schlug beispielsweise einen Handlungsspielraum für beide Positionen vor: Wo die zu erwartenden Schadenskosten hoch und die Reversibilität gering ist, sollen absolute Schutzansprüche als „safe minimum standard“ gelten. Wo aber ein Schaden gering und reparabel ist, dort sollen trade-offs annehmbar sein (Toman 1994, S. 405–409). Im Folgenden werden die „zweistufige Nachhaltigkeitsregel“ sowie die „ausgewogene Nachhaltigkeit“ als zwei integrierende Konzepte vorgestellt Zweistufige Nachhaltigkeitsregel Radke bindet absolute Restriktionen, die eher der Argumentation einer Ökologischen Ökonomik entsprechen, in ein umweltökonomisches Modell ein. Damit führt er die Argumente schwacher und starker Nachhaltigkeit in eine neoklassische Darstellung zusammen (vgl. auch Neumayer 2010). Hiernach ist die Kompensation degradierten Naturkapitals, v. a. durch Sachkapital und Bildungskapital, zu rechtfertigen, solange ein festzulegender Wert kritischen Kapitals zur Wahrung der starken Nachhaltigkeit nicht unterschritten wird (Radke 1996). Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von kritischer Nachhaltigkeit.

58

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Die „zweistufige Nachhaltigkeitsregel“ besagt, dass nach der Sicherstellung der kritischen Bestände ökologischen Kapitals eine weitere Wohlfahrtssteigerung nach Maßgabe einer schwachen Nachhaltigkeit folgen darf. Neben dem aggregierten Kapitalstock als Maß für schwache Nachhaltigkeit berücksichtigen sie auch nicht monetäre Indikatoren. Damit möchten sie bestimmte, für den Menschen existenziell notwendige Bestandteile oder Eigenschaften der Natur schützen. Es geht also darum, die für das Überleben notwendigen physischen Minimalbedingungen (sogenannte „safe minimum Standards“) nicht zu verletzen (Endres, Radke 1998). Die formale Darstellung der Zusammenhänge ist jedoch derart umfangreich, dass hier auf eine weitere Ausführung verzichtet wird. Ohnehin ist fraglich, ob das Modell berechenbar ist, da die allgemeine Anwendungsproblematik sozialer Wohlfahrtsfunktionen auch hier zutrifft. Auch ist es umstritten und riskant, die Minimalanforderungen für das überlebenswichtige Naturkapital bestimmen zu wollen (Endres 2013; S. 383). Weiterhin werden andere Funktionen der Umwelt nicht berücksichtigt. Die Naturauffassung basiert somit auch beim Konzept der zweistufigen Nachhaltigkeit weiterhin auf einem nutzenorientierten Nachhaltigkeitsverständnis, was der schwachen Nachhaltigkeit nahesteht. Ausgewogene Nachhaltigkeit Nach der zweistufigen Nachhaltigkeitsregel kam es zu weiteren Differenzierungen. R. Kerry Turner untergliedert die Nachhaltigkeit beispielsweise in vier Paradigmen. Neben den beiden bekannten Formen unterscheidet er noch die Form der „very weak“ und „very strong sustainability“ (Turner 1993, S. 11, Bartmann 2001, S. 51). Diese Differenzierung wird aus wachstumstheoretischer Sicht in der Literatur jedoch vielfach als unnötig angesehen, da die Forderung nach einer sehr schwachen Nachhaltigkeit (Einkommenswachstum nach Hicks 1946) und einer sehr starken Nachhaltigkeit (Zurückfahren des Wirtschaftsniveaus) paradigmatisch aufgeladen ist und nur zu einer weiteren Spaltung und nicht zu einer Annäherung oder Überwindung der Positionen führen würde. Die beiden Paradigmen der schwachen und starken Nachhaltigkeit stehen sich somit weiterhin konträr gegenüber. Es gab jedoch schon relativ früh Versuche, diese konträren Positionen zu überwinden. Aus diesem Grund werden neben den beiden bekannten Paradigmen noch das Paradigma der „ausgewogenen Nachhaltigkeit“ vorgestellt. Zu nennen sind u. a. die Beiträge von Lerch und Nutzinger (1998), Steurer (2001) und Hedinger (2007). Bei den vermittelnden Beiträgen handelt es sich jedoch nicht um eine einheitliche Position. Grundsätzlich geht es ihnen aber darum, nicht zu einer pauschalen Beurteilung zu kommen, sondern im Einzelfall empirisch zu prüfen, was gegebenenfalls für bzw. auch gegen eine Substitution einzuwenden ist. Die Substitution ist möglich – wie schon erwähnt wurde – solange die Substanz des Naturkapitals nicht existenziell gefährdet ist (Verbrauch des kritischen Naturkapitals). Im Rahmen der ausgewogenen Nachhaltigkeit kam es in jüngster Vergangenheit zu weiteren Differenzierungen. Exemplarisch soll die Anwendung auf die Fischerei genannt werden. Garmendia u. a. kommen hierbei zu der Erkenntnis: „According to the UN Millennium Ecosystem Assessment (2005), deplition of fish stocks is one of the significant examples of potentially irreversible changes to ecosystems that result from present unsustainable practices in marine ecosystems. The World Summit on Sustainable Development also establishes that fish stocks should be recovered to sustainable levels, 2015 being the deadline for reaching the objective

2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

59

of Maximum Sustainable Yield (MSY).” (2010, S. 96) Eine ganz andere Richtung weist der Beitrag von Davis auf. Bei seiner Suche kommt er zu folgender Anforderung für einen Mittelweg im Sinne der ausgewogenen Nachhaltigkeit: „The illustrated middle pathway is here to protect the environment by commodifying it, or bringing the externality of the environment and nature into the market. However, there needs to be a movement towards an eco-sociofeminist perspective if we are to gain both social and environment equality, thereby reaching the ultimate goal of sustainability.” (Davis 2013, S. 119) Auffällig ist hierbei, dass Davis die ökologische und soziale Dimension zusammenführt, was bisher auch in der ausgewogenen Nachhaltigkeit weitgehend vernachlässigt wurde. Die bisherigen Ausführungen führen zu folgendem Fazit: Die oberste Priorität im Kontext der ausgewogenen Nachhaltigkeit ist eine weltweite Befriedigung von Grundbedürfnissen und die Verbesserung der Lebensqualität gegenwärtig Anthropozentrismus versus Ökozentrismus: und zukünftig lebender Generationen. Danach  Die anthropozentrische Sichtweise stellt den Menschen in den Mittelpunkt aller Betrachtunsteht zunächst der Mensch und nicht die Natur gen. Dies bedeutet zunächst, dass die Repräsenim Mittelpunkt. Die Vertreter einer Nachhaltigtation von der Realität durch den Menschen keit ohne explizite Wachstumsgrenzen sind sich selbst vorgenommen wird. Weiterhin setzt der darin einig, dass für die geforderte UmwandAnthropozentrismus den Menschen als Ausgangspunkt ethischer Argumentationen, wonach lung des bisherigen Zielkonfliktes in eine ZielUmwelt und Tiere nach ihrem Nutzen für die harmonie nicht das Ausmaß, sondern einzig die Menschen beurteilt werden. Die meisten gängiArt des Wirtschaftswachstums ausschlaggegen Entwicklungskonzepte sind anthropozentrisch geprägt. bend ist. Wachstum muss dementsprechend eine umweltschonende Qualität annehmen. In  Die ökozentrische Sichtweise misst den Menschen wie auch allen anderen Lebewesen einen diesem Zusam-menhang spricht man auch von Eigenwert zu, sodass die Wirklichkeit nur aus qualitativem oder nachhaltigem Wachstum (v. dem gesamten ökologischen System heraus erHauff, Jörg 2013, S. 132ff.). Das kann durch klärt und beurteilt werden kann. Somit stellt sich der Ökozentrismus dem Anthropozentrismus enteine Verringerung und Veränderung des Mategegen. rial- und Energieeinsatzes, durch Sparsamkeit, Reparaturfähigkeit von Gütern, Recycling, Effizienzverbesserung, Materialsubstitution und Grundstrukturveränderung erreicht werden. Die Berücksichtigung der Umwelt als zu integrierender Bestandteil der Zielfunktion wirtschaftlichen Handelns entspricht einem „ökologisch erweiterten Anthropozentrismus“, der vielen politisch betriebenen Umsetzungskonzepten zugrunde liegt (Kopfmüller et al. 2001, S. 152 sowie Coenen, Grunwald 2003, S. 62 f.). Wird eine Harmonisierung von Wachstum und Umweltqualität angestrebt, ist eine Verlangsamung des Wachstums möglich. Dies erfolgt nicht wegen absoluter Wachstumsgrenzen, sondern weil der sowohl ökonomisch als auch ökologisch optimierte Wachstums- bzw. Entwicklungspfad anders verlaufen kann als bisher. Das Nachhaltigkeitskonzept stellt in diesem Kontext an die neue Qualität des Wachstums nicht nur ökologische, sondern auch ethische, soziale und entwicklungspolitische Ansprüche. Diese können als Forderung nach intra- und intergenerationeller Gleichheit bei der Verteilung von Einkommen, Wohlstand sowie Umweltnutzen und -kosten spezifiziert werden. Ziel sollte daher eine „nachhaltige Marktwirtschaft“ sein, die an die Soziale Marktwirtschaft anschließt und diese erweitert (vgl. beispielsweise von Hauff 2007).

60

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung Nachhaltige Entwicklung Regel der Kapitalerhaltung („constant Capital Rule“) KT konstant

KT und kritisches KN konstant

KT und KN konstant

schwache Nachhaltigkeit

ausgewogene Nachhaltigkeit

starke Nachhaltigkeit

• rein anthropozentrisch

• „öko-anthropozentrisch“

• ökozentrisch

• Harmonie zwischen

• positive Wohlstandswende

• Konflikt zwischen

Wachstum und Umwelt

durch Umweltpolitik möglich

Wachstum und Umwelt

• KN voll substituierbar

N K • KNN teilweise substituierbar

• KN nicht substituierbar

• pro Wachstum (mit

• pro umweltfreundliches/

• nachhaltiges Wachstum

moderater Umweltpolitik) • Strategie: Effizienz durch

nachhaltiges Wachstum • Strategie: ökologische

Technik, Wachstum und Markt

Konsummuster & Effizienz durch Technik, Politik und Markt

• konventionelle Kosten-

Nutzen-Analyse

• ökologisch erweiterte

Kosten-Nutzen-Analyse

• Vertreter: neoklassische

Ökonomen (Wachstumsoptimisten)

• Vertreter: u.a.

Sozialwissenschaftler (Wachstumsoptimierer)

nicht möglich • Strategie:

Wachstumsstop, Verzicht & Effizienz durch Individuum und Politik • kontra Kosten-Nutzen-

Analyse • Vertreter: ökologische

Ökonomen, Ökologen (Wachstumspessimisten)

KT = Gesamter Kapitalstock KN = Naturkapital Quelle: in Anlehnung an Steurer 2001, S. 557 Abb. 2-4: Strukturelle Darstellung der drei Paradigmen zur nachhaltigen Entwicklung

Die Relevanz des Paradigmas der „ausgewogenen Nachhaltigkeit“ ist jedoch umstritten. Der wesentliche Kritikpunkt ist, dass starke Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum von einigen Vertretern der Ökologischen Ökonomie nicht mehr in einem grundsätzlichen Gegensatz gesehen werden, worauf das Paradigma der „ausgewogenen Nachhaltigkeit“ begründet ist. Bei der Diskussion über die ökologische Nachhaltigkeit geht es also nicht mehr um eine normative Kritik am Wachstumsziel, sondern um folgende Frage: Besteht die Möglichkeit, Wirtschaftswachstum in einer begrenzten Welt durch umweltschonende Innovationen bzw. Technologien zu realisieren? Das Ziel ist daher nicht mehr die Entkopplung von Sozialprodukt und Lebensqualität, sondern von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch (Priewe 2002, S. 153 ff., Luks 2005, S. 44 ff., Witt 2005, S. 93 ff.).

2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

61

Endogene Wachstumstheorie Aus dem vorigen Absatz wird deutlich, dass die Diskussion über die Beziehung von Wachstum und ökologischer Nachhaltigkeit in der Ökologischen Ökonomie eine neue Ausrichtung erfahren hat. In diesem Kontext bedarf es jedoch weiterer Forschungsanstrengungen, um zu eindeutigen Erkenntnissen hinsichtlich der Beziehung von ökologischer Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum zu kommen. Ein wichtiger Ansatzpunkt für ein nachhaltiges Wachstum sind u. a. die produktionstechnischen Bedingungen. Sie müssen bei einem steigenden Wachstum zu einem konstanten oder sinkenden Ressourceneinsatz und damit zu einer Verbesserung der Effizienz des Ressourceneinsatzes führen (Pittel 2004, S. 539). Die Effizienzerhöhung wird durch umwelttechnischen Fortschritt und die Akkumulation von Wissen, die die Knappheit natürlicher Ressourcen überkompensieren müssen, möglich. Betrachtet man die neuere wachstumstheoretische Diskussion zur Beziehung zwischen technologischem Wandel, Wirtschaftswachstum und Umwelt, so wird diese Beziehung seit einigen Jahren besonders in der „endogenen Wachstumstheorie“ bzw. „neuen Wachstumstheorie“ diskutiert (Michaelis 2003, S. 159ff, von Hauff, Jörg 2013, S. 79ff.). Für ein besseres Verständnis des Zusammenhangs von technologischem Fortschritt, Wirtschaftswachstum und Umwelt ist es notwendig, zunächst einige wesentliche Determinanten bzw. Zusammenhänge der endogenen Wachstumstheorie aufzuzeigen. Vertreter der endogenen Wachstumstheorie gehen der Frage nach, wie sich ein langfristiges Wachstum endogen begründen lässt. Bei der endogenen Wachstumstheorie geht es also um die Frage: „Can economic growth be sustained in the long run?“ (Grossmann, Helpmann 1994, S. 23) Hierbei erfährt besonders der technische Fortschritt eine andere Einordnung bzw. Bewertung als in der traditionellen neoklassischen Wachstumstheorie. Dort ist der technische Fortschritt exogen vorgegeben. Das hat auch für den umwelttechnischen Fortschritt bzw. dessen Entwicklung weitreichende Implikationen. In der neuen Wachstumstheorie besteht ein breiter Konsens, wonach der technische Fortschritt bzw. Innovationen besonders im Industriesektor „the engine of growth” sind. Daher stellt sich in einem marktwirtschaftlichen System die Frage, ob Anreize für Innovationen und neue Technologien bestehen (Grossmann, Helpmann 1994, S. 24). Das gilt in besonderem Maße für umwelttechnische Innovationen bzw. neue Umwelttechnologien. Dabei werden unter Umwelttechnik alle Techniken und Dienstleistungen verstanden, die dem Umweltschutz dienen bzw. sich positiv auf die Umwelt auswirken. Bevor in Kapitel 3 der Zusammenhang von Technologie und Fortschritt im ökologischen Kontext weiter ausgeführt wird, sollen erst die Leitstrategien für nachhaltige Entwicklung aufgezeigt werden, die eine Orientierung hierzu vermitteln. Drei Leitstrategien nachhaltiger Entwicklung Nachhaltige Entwicklung kann durch mehrere Strategien gefördert werden. Dazu bieten sich nach Huber drei komplementäre Leitstrategien an, von denen jede einzelne Strategie ein notwendiges, aber kein hinreichendes Element nachhaltigen Wirtschaftens ist (in Anlehnung an Huber 2001, S. 250). Es handelt sich also nicht um drei nebeneinander stehende Leitstrategien, sondern um interdependente Strategien, die aufeinander abzustimmen und in einer übergreifenden Nachhaltigkeitsstrategie zusammen zu führen sind.

62

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

Effizienz-Strategie Die Effizienz-Strategie ist auf eine Steigerung der Ressourceneffizienz bzw. Ressourcenproduktivität ausgerichtet. Dabei geht es also sowohl um Energieeffizienz als auch um die Effizienz natürlicher Ressourcen. Die Effizienz-Strategie kann somit zu einer Entlastung der Aufnahmekapazität ökologischer Systeme führen. Es handelt sich um jene Leitstrategie, die am weitesten operationalisiert ist. Die Effizienzstrategie weist im Prinzip aufgrund der ökonomisch-ökologischen Vorteilhaftigkeit hinsichtlich der Steigerung der Ressourcensicherheit und der Entlastung der Aufnahmekapazität in der Wirtschaft eine hohe Bedeutung auf. Die ökonomische Vorteilhaftigkeit der Effizienz-Strategie wirkt sich für Unternehmen in einer Kostenreduktion aus. Sie kann zu einer Sicherung oder zum Ausbau von Arbeitsplätzen beitragen. Die Kostenreduktion kann aber auch für andere Bereiche im Unternehmen verwendet werden: Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen im Unternehmen und Auszeichnungen für innovative Mitarbeiter. Die nationale Vorteilhaftigkeit der Effizienz-Strategie lässt sich noch als geopolitische Krisenprävention einordnen: Es sollen militärische Konflikte wegen der wachsenden Ressourcenknappheit (Wasser, seltene Metalle und seltene Erden) vermieden werden. Daher hat die bundesdeutsche Nachhaltigkeitsstrategie von Beginn an die Effizienz-Strategie als eine besonders wichtige Strategie betont (Deutsche Bundesregierung 2002, S. 57–64). Die Effizienz-Strategie entspricht am ehesten dem Business Case eines nachhaltigen Wirtschaftens. An der Effizienz-Strategie wird jedoch zu Recht der damit häufig einhergehende „Technikoptimismus“ kritisiert. Um dieses Problem zu überwinden, sind für eine ökologische Nachhaltigkeit absolute Mengen-Reduktionsziele unabdingbar und technischer Fortschritt durch „Lebensstil-Innovationen“ zu ergänzen (Luks, Nill 2003, S. 3; VÖÖ, VÖW 2003, S. 15 f; Zahrnt 2003, S. 9). Das bedeutet, dass man nicht nur die Produktionsbedingungen, sondern auch die Konsummuster bzw. -gewohnheiten mit einbeziehen muss. Ein Leitziel in diesem Kontext ist, die Ressourceneffizienz um 2,5 bis 3 % jährlich zu steigern. Es gibt in Deutschland positive Entwicklungen, die exemplarisch genannt werden. So konnte der Primärenergieverbrauch zwischen 1990 und 2009 absolut um 11 % und der Rohstoffverbrauch zwischen 1994 und 2009 um 11 % gesenkt werden (Rogall 2012, S.186). Hier muss für eine Bewertung jedoch abgeglichen werden, ob dies den vorgegebenen Zielen bzw. Leitplanken der Regierung entspricht. Es besteht heute ein breiter Konsens, dass die Effizienz-Strategie noch große Potenziale aufweist (vgl. z. B. v. Weizsäcker u. a. 2009). Der Strategiepfad steht somit noch am Anfang. Dies wird in Kapitel 4 noch vertieft. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Reboundeffekt, wonach das Einsparpotenzial von Effizienzsteigerungen nicht oder nur teilweise realisiert wird. Geht der Verbrauch von Ressourcen über die Effizienzsteigerungen hinaus (Reboundeffekt > 100 %), bezeichnet man diesen Effekt als Backfire. Ein typisches Beispiel für den Reboundeffekt ist die Einsparung von Benzin in neueren Automobilgenerationen trotz stärkerer Motoren. Dieser Einspareffekt wurde jedoch durch mehr gefahrene Kilometer kompensiert bzw. überkompensiert. Obwohl heute der Reboundeffekt grundsätzlich anerkannt wird, fand er in der wissenschaftlichen Literatur bisher keine ausreichende Berücksichtigung. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Reboundeffekt ökologisch schädlich sein muss. So ist davon auszugehen, dass die steigende Nachfrage

2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

63

nach Fahrrädern auch zu einer steigenden Zahl von gefahrenen Kilometern mit Fahrrädern führt, was ökologisch unproblematisch ist (v. Weizäcker 2014, S. 68). Konsistenz-Strategie Es besteht kein Zweifel: Die Konsistenz-Strategie ist nicht annähernd so populär wie die Effizienz-Strategie, was für die nationale Nachhaltigkeitsstrategie eine große Beeinträchtigung darstellt. Das erklärt sich daraus, dass sie sowohl hinsichtlich der Konzipierung als auch Durchsetzung deutlich anspruchsvoller ist. Andere Begrifflichkeiten für die Konsistenz-Strategie in der Literatur sind Ökokonsistenz bzw. Eco-Effectiveness. Sie werden teilweise mit dem Begriff der ökologischen Transformation zusammen geführt. Es geht bei dieser Strategie also um den ökologischen Strukturwandel, d. h. um die Förderung neuer Technologien, Produkte und Praktiken, die den industriellen Metabolismus weitgehend störungsfrei in die Stoffkreisläufe und Ökosysteme der Natur einfügen (Huber 2014, S. 58, Weisz 2007, S. 209ff.). Das betrifft sowohl die einzelwirtschaftliche als auch gesamtwirtschaftliche Ebene. Die Konsistenz-Strategie beinhaltet die Forderung, dass die Stoff- und Energieströme aus menschlicher Aktivität mit den Strömen natürlicher Herkunft verträglich sein müssen. Die Einwirkungen der Menschen auf die Umwelt sollen also nicht mit den natürlichen Abläufen in Konflikt geraten. Die technischen Abläufe müssen daher so organisiert werden, dass es idealtypischerweise in der Technosphäre sowie in der Natur nur weiterverwertbare Produkte gibt. Damit würden keine Abfälle entstehen. Ist dies nicht möglich, sollen naturfremde Stoffe in geschlossenen Kreisläufen wiedergewonnen werden. Ist auch dies nicht möglich, sollen sie nicht weiter verwendet werden. Es ist also nicht das Ziel, nicht erneuerbare Ressourcen wie Kohle oder Öl zu rationieren (Suffizienz) oder zu rationalisieren (Effizienz), da auf diesem Wege der Substanzverzehr verringert, nicht aber aufgehoben werden kann. Die KonsistenzStrategie soll den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen verringern oder ganz vermeiden (Substitution durch andere Ressourcen), um zu gewährleisten, dass eine wachsende Weltbevölkerung und auch die zukünftigen Generationen überleben können. Grundsätzlich ist eine empirische Operationalisierung der Umwelteinwirkungen erforderlich, da die Leitregeln in Bezug auf die Wirklichkeit zunächst nur „leere kategorische Imperative“ darstellen (Huber 2001, S. 174). In manchen Fällen tritt die paradoxe Situation ein, dass die Verletzung ökologischer Leitregeln zielführender als deren strikte Befolgung sein kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein lokales Ökosystem, z. B. eine Kulturlandschaft, auf bestimmte Immissionen oder Bewirtschaftungsformen angewiesen ist (Hukkinen 2001). Bei der Konsistenz-Strategie muss es also darum gehen, die Produktions- und Konsummuster langfristig umzustellen, was eine besonders engagierte und vorausschauende Innovationspolitik sowie die Abstimmung und Gestaltung komplexer Innovationssysteme voraussetzt (vergleiche hierzu Kapitel 3). Dementsprechend verlangt die Konsistenz-Strategie nach einem breiten politischen Ansatz, der über die Förderung einzelner Technologien hinausgeht und auch soziale Aspekte wie Akzeptanz berücksichtigt. Hierzu sind soziale Innovationen notwendig. Unternehmen stehen unter Berücksichtigung einer sich verschärfenden Ressourcenknappheit vor großen Herausforderungen. Einerseits müssen sie oft unter wachsender Wettbewerbsintensität auf ihren Märkten erfolgreich sein. Andererseits müssen sie, um erfolgreich zu bleiben,

64

2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung

immer mehr in ihre ökologischen und sozialen Ressourcenquellen investieren. Schließlich dürfen sie dabei ihre finanziellen Möglichkeiten nicht überfordern. Das kann zu einem Wandel des Produkt- und Dienstleistungsportfolios führen, was langfristig nur durch Anpassungsstrategien möglich ist. Es geht also im Rahmen eines Nachhaltigkeitsmanagements darum, die aufgezeigten Herausforderungen so zusammenzuführen, dass es zu keiner Überforderung kommt. Unternehmen müssen auf diese Entwicklung vorbereitet sein, was bei KMU in der Regel noch nicht zu beobachten ist. Suffizienz-Strategie Es gibt heute eine intensive Kontroverse über die Notwendigkeit der Suffizienz-Strategie. Von den Kritikern wird oft argumentiert, dass die Effizienz-Strategie die Umweltprobleme über den umwelttechnischen Fortschritt lösen wird. Die Befürworter der Suffizienz-Strategie nehmen die entgegengesetzte Position ein, die im Folgenden näher ausgeführt wird. Dabei wird die Position vertreten, die einführend in die drei Strategien schon kurz vorgestellt wurde: Es müssen die drei Strategien zur Bewältigung der Umweltprobleme und der damit verbundenen ökonomischen und sozialen Probleme gemeinsam zur Wirkung gebracht werden. Wird die Suffizienz-Strategie vernachlässigt, besteht die Gefahr, dass die Effizienzgewinne – wie schon erwähnt – kompensiert oder sogar überkompensiert werden. Hierzu ein Beispiel: Ein Umstieg von Konsumenten auf Biofleisch mag für die entsprechenden Konsumenten gesünder sein. Dadurch wird die Menge an Methangas jedoch nicht reduziert. Sie lässt sich nur dadurch reduzieren, dass besonders Menschen in Industrieländern weniger Fleisch essen. In die Suffizienz-Strategie gehen unterschiedliche Komponenten ein, die von den Vertretern dieser Strategie unterschiedlich gewichtet werden.  Selbstbeschränkung: Zu nennen ist zunächst die Selbstbeschränkung, die auf einer freiwilligen Entscheidung basiert. Diese findet in einem marktwirtschaftlichen System kaum Anerkennung, da sie im Prinzip der Konsumentensouveränität entgegen- steht.  Veränderung der Lebensstile: Die zweite Komponente zielt auf eine Veränderung der Lebensstile ab, die nicht primär auf einer Einschränkung, d. h. Quantität des Konsums, sondern auf einer qualitativen Veränderung des Konsums basiert. Diese Komponente wird häufig auch im Kontext des nachhaltigen Konsums diskutiert.  Strukturwandel des Güterkorbs: Die dritte Komponente zielt auf einen Strukturwandel des Güterkorbs von materiellen Gütern zu Dienstleistungen und immateriellen Gütern hin (Rogall 2009, S. 187). Die Vielfältigkeit der Suffizienz-Strategie führt oft zu Kontroversen, da sowohl Anforderungen direkt an das Individuum als auch an die staatliche Politik gestellt werden, die für viele als nicht marktkonform empfunden werden. Dies ist der Suffizienz-Strategie abträglich, d. h., sie ist in ihrer Relevanz schwer zu vermitteln. Die Suffizienz-Strategie fordert also sozialverträgliche Obergrenzen für die Ökonomie bzw. das Wirtschaftswachstum ein, um die ökologischen Belastungsgrenzen einhalten zu können. Hierbei geht es um die Auffassung, ein verminderter Ressourcen- und Umweltverbrauch genüge für ein zufriedenstellendes („suffizientes“) Leben. Ansatzpunkte hierfür sind entsprechende Überzeugungen der Menschen und eine veränderte Lebensführung, wozu auch ein neues Wirtschaftsparadigma gehört. Obwohl es bereits einige Initiativen gibt, die in die Suffizienz-Strategie eingeordnet werden können, sind es bisher nur

2.7 Auflösung der Nachhaltigkeitsparadigmen starker und schwacher Nachhaltigkeit

65

eine Minderheit von 5-10 % der Bürger, die zu entsprechenden Verhaltensänderungen bereit sind (Linz 2014, S. 46). Anwendung der drei Leitstrategien Besonders die Befürworter der starken Nachhaltigkeit – etwa Umwelt- und Naturschutz-verbände – zweifeln an der hinreichenden Wirksamkeit der Effizienz- und der Konsistenz-Strategie und fordern zusätzlich die Anwendung der Suffizienz-Strategie. Diese Position ist jedoch nicht zielführend, da für eine ökologisch nachhaltige Entwicklung alle drei Strategien zusammengeführt und wirksam werden müssen. Allen Strategien gemeinsam ist die zentrale Rolle von Innovationen, welche sich auf unterschiedliche Bereiche bzw. Nachhaltigkeitsdimensionen beziehen. Folgende Beispiele (nochmals in Tab. 2-2 zusammengefasst) zeigen die Relevanz bezüglich der drei Leitstrategien auf: Leitstrategie Innovation Toyota Prius Alten Kühlschrank gegen neuen austauschen Auf Gefrierschrank verzichten Grüne Gentechnik: ertragsstärkere Pflanzen Drehzahlgetriebener Industriemotor Photovoltaik auf Hausdach Brennwertkessel Telematik Holzpellets Abwasserfreie Toilette ++, +: 0: --, -

Effizienz

Konsistenz

Suffizienz

0 + 0 ? 0 + 0 0 +/++

0/0/++ 0 0/+ 0 0 (+) +

+ ++ 0 + ++ 0/+ + 0 +

trägt (sehr) positiv zur Leitstrategie bei kaum Zusammenhang mit Leitstrategie trägt (sehr) negativ zur Leitstrategie bei

Quelle: eigene Einschätzung und Darstellung Tab. 2-2: Beispiele für die drei Leitstrategien einer nachhaltigen Entwicklung

Der von Toyota und anderen Autoherstellern angebotene Hybrid-Antrieb nutzt Energie besonders im Stadtverkehr etwas effizienter, ohne dass Abstriche an Fahrdynamik oder -komfort hinzunehmen sind. Daher ist die Suffizienz nicht sonderlich betroffen. Es entstehen immer noch Kohlendioxide und andere Schadstoffe, sodass auch keine Konsistenz vorliegt.  Ähnliches gilt für einen drehzahlgeregelten Motor, der schon seit vielen Jahren für die Industrie als effizientes Aggregat angeboten wird.  Im privaten Bereich nutzt ein Brennwertkessel zusätzlich die Verdampfungswärme des Wassers im Abgasstrom.  Die Verkehrsbeeinflussung über Telematik gilt ebenfalls als Maßnahme für eine Effizienzsteigerung, wenngleich hier die Frage eines Rebound-Effekts (insgesamt mehr Verkehr durch besseren Verkehrsfluss) zu befürchten ist.  Ein neuer Kühlschrank ist in der Regel wesentlich effizienter als ein 15 Jahre älteres Modell. Die Konsistenz-Strategie ist dann positiv relevant, wenn der alte FCKW-haltige Kühlschrank fachgerecht entsorgt wird und das Arbeitsmedium des neuen Gerätes unbedenklich

66

  





2 Ökonomischer Mainstream und nachhaltige Entwicklung – Eine Abgrenzung ist. Auf Komfort wird allerdings in den meisten Fällen nicht verzichtet, sondern auf mehr Nutzraum und mehr Funktionen geachtet, weshalb die Suffizienz hier eher negativ ausfällt. Auf einen Gefrierschrank völlig zu verzichten, würde hingegen als Handlung im Sinne der Suffizienz-Strategie verstanden. Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen gegenüber konventioneller Ware mehr Ertrag bei weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bringen. Ob sie jedoch als konsistent mit natürlichen Strömen gelten, ist stark umstritten. Um Suffizienz geht es hier ohnehin nicht. Eine Photovoltaik-Anlage gilt allgemein als umweltfreundlich, weil durch ihren Betrieb fossile Energieträger eingespart werden. Sie betrifft die Suffizienz-Strategie allenfalls in den Fällen, wo die Installation einer solchen Anlage mit anderen ökologisch sinnvollen Entscheidungen bezüglich der Lebensführung zusammentrifft. Eine umweltfreundliche Entsorgung vorausgesetzt, könnte sie als konsistent gelten. Allerdings ist die niedrige Effizienz – über den gesamten Lebenszyklus betrachtet – problematisch: Solch eine Anlage muss erst einige Jahre laufen, bis sich die zur Produktion notwendigen Aufwendungen ökobilanziell amortisieren. Eine Holzpellet-Anlage emittiert netto kaum Kohlendioxide, da das verbrannte Holz im gleichen Umfang nachwachsen kann. Als effizient kann eine solche Anlage nur insofern gelten, als dass das Verbrauchsmaterial preisgünstiger als fossile Energieträger ist. Die technische Energieumwandlung an sich ist jedoch nicht effizienter. Es fallen sogar vermehrt bestimmte Luftemissionen (u. a. Feinstaub) an, was im Sinne einer Konsistenz-Strategie als negativ gelten kann. Suffizient ist die Anlage nur in den Fällen, in denen sie mit einer insgesamt sparsamen und umweltbewussten Lebensführung zusammenfällt. Eine wasserlose Toilette bietet große Potenziale, da mit den menschlichen Ausscheidungen auch wertvolle Stoffe (u. a. Phosphat) verloren gehen und da der Aufwand heutiger Entsorgungs-, Klär- und Aufbereitungstechniken (additive Umwelttechnik) insgesamt hoch ist. Die Notwendigkeit und Herausforderung besteht darin, feste und flüssige Bestandteile vor Ort zu separieren. Dadurch würde die gesamte Entsorgungsstruktur mit-samt Toilettenspülung entfallen und es könnten die einzelnen Fraktionen hochwertig weiterverwertet werden.

3

Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Innovationen sind sowohl aus der Perspektive des ökonomischen Mainstreams als auch aus jener der nachhaltigen Entwicklung von hoher Relevanz. Dennoch begründet sich die Relevanz von Innovationen aus den beiden genannten Perspektiven ganz unterschiedlich. Innovationen sind aus ökonomischer Perspektive per se erwünscht, wenn sie nachfolgende Bedingung erfüllen: Ist eine Neuerung am Markt erfolgreich, wird sie als Innovation positiv bewertet. Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung werden Innovationen hingegen nur dann positiv bewertet, wenn alle drei Dimensionen, d. h. Ökologie, Ökonomie und Soziales bei der Entstehung und dem Einsatz von Innovationen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass sich Innovationen auch im Kontext nachhaltiger Entwicklung am Markt erfolgreich durchsetzen müssen, aber auch die beiden anderen Dimensionen bei der Entwicklung von Innovationen zu berücksichtigen sind. Daher stellt sich zunächst die Frage, wie die Entstehung von Innovationen in der Ökonomie bisher begründet wird. Im Folgenden werden aber nur einige wichtige Begründungszusammenhänge der Innovationsforschung aufgezeigt. Einen umfassenden Überblick zur Innovationsforschung bieten u. a. Welsch 2005 und Corsten et al. 2006. Innovationen nehmen in der Volkswirtschaftslehre eine herausragende Bedeutung ein. Sie werden häufig als das Ergebnis des technischen Fortschritts bezeichnet, d. h. aus Innovationen geht der technische Fortschritt hervor. Der technische Fortschritt gilt wiederum als Antriebskraft der wirtschaftlichen Entwicklung. Darauf gründet sich in marktwirtschaftlichen Systemen ein Innovationswettbewerb der ganz wesentlich die Dynamik des Wachstums determiniert. Innovationen werden in einem engen Sinne als technische Neuerungen klassifizieren. Ganz allgemein führen sie zu einer Verbesserung des Produktionsergebnisses. Der Anreiz aus der Sicht des Innovators, sich auf den Innovationswettbewerb einzulassen, liegt in der Erschließung eines neuen Marktsegments. Damit kann er zusätzliche Nachfrage generieren, um die er mit niemandem konkurrieren muss: Er erzielt zumindest temporär einen Monopolgewinn bzw. eine Pionierrente. Positive Innovationsanreize für Investoren ergeben sich aus Kosteneinsparungen und/oder aus neuen Absatzmöglichkeiten. Die Nachfrage z. B. von Prozessinnovationen wird aus der Perspektive wirtschaftlicher Entwicklung daher in der Regel per se positiv bewertet. Der Erfolgsindikator, an dem dann auch die Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften gemessen wird, ist die Anzahl der Patente für einen bestimmten Zeitraum. Dabei bleibt jedoch häufig unberücksichtigt, dass Innovationen auch negative Auswirkungen, etwa auf die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen haben können.

68

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Die Betrachtung bzw. Analyse einzelner Innovationen wird in der wissenschaftlichen Diskussion jedoch zunehmend als unzureichend erachtet, da das Umfeld der Entstehung und Realisierung von Innovationen bislang nicht genügend berücksichtigt worden ist. Daher wird in der neueren Innovationsforschung, die in den 1980er- und 1990er-Jahren aufkam, darauf hingewiesen, dass einzelne Innovationen und ihre Entwicklung erst dann wirklich zu verstehen sind, wenn sie als Teil von Innovationssystemen eingeordnet werden. Ein Innovationssystem kann definiert werden als die Elemente und Beziehungen, welche in der Produktion, der Verbreitung und dem Gebrauch von neuem und ökonomisch nützlichem Wissen miteinander interagieren (Lundvall 1992). Aber auch hier stellt sich die Frage, ob Innovationssysteme hinsichtlich ihrer Auswirkungen im Kontext nachhaltiger Entwicklung eher negativ oder positiv zu beurteilen sind. Im vorangegangenen Kapitel wurde aufgezeigt, dass das Paradigma nachhaltige Entwicklung spezifische Anforderungen stellt, die auch analog für Innovationen gelten: Innovationen müssen in die drei analytischen Kategorien einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit eingebunden sein, was auch die Wirkung von Innovationen einschließen soll (gesamte Lebenszyklus). Betrachtet man jedoch die nachhaltigkeitsbezogene Innovationsforschung, so ist bisher noch ein starker Fokus auf die ökologische Nachhaltigkeit festzustellen. Es geht dabei um den umwelttechnischen Fortschritt bzw. umwelttechnische Innovationen. Dagegen steht eine konzeptionelle Verbindung der drei Dimensionen in der Forschung nachhaltiger Innovationen am Anfang. Daher werden im folgenden Abschnitt 3.1 zunächst wichtige Begründungszusammenhänge für die inhaltliche Abgrenzung, aber auch für die Entstehung und Bedeutung von Innovationen im bisher üblichen ökonomischen Verständnis aufgezeigt. Darauf aufbauend lassen sich die Anforderungen an nachhaltige Innovationen besser abgrenzen und erklären. In Abschnitt 3.2 geht es dann um Innovationen im Kontext ökologischer Nachhaltigkeit. Abschnitt 3.3 stellt anschließend die Umwelttechnologien zur Umsetzung eines umwelttechnischen Fortschritts detaillierter vor.

3.1

Die ökonomische Bedeutung von Innovationen

Die Charakterisierung von Innovationen beginnt meistens mit der Unterscheidung in Prozessund Produktinnovationen. Dabei handelt es sich nach dem allgemeinen Verständnis um die objektiv erstmalige Einführung eines neuen Produktionsprozesses bzw. eines neuen Produktes am Markt. Neue, effizientere Produktionsprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass eine gegebene Menge an Output mit einem geringeren Input erzeugt werden kann (OECD, Eurostat 1997). Bei Produktinnovationen kann man feststellen, dass lange Zeit eine dominierende Fokussierung neuer Güter auf neue materielle Güter stattfand, was jedoch in letzter Zeit verstärkt durch die Einbeziehung von neuen Dienstleistungen ergänzt wurde. Innovationsarten in Abhängigkeit des Neuigkeitsgrades Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Konkretisierung des Neuigkeitsgrades. In diesem Zusammenhang werden häufig Basisinnovationen, d. h. Produktionsprozesse bzw. Produkte mit bis-

3.1 Die ökonomische Bedeutung von Innovationen

69

lang unbekannten Anwendungsbereichen und Zielmärkten von Prozess- und Produktmodifikationen unterschieden. Basisinnovationen werden im Zusammenhang mit dem sogenannten „Kondratieff-Zyklus“ diskutiert. Bei ihnen handelt es sich um typische Basisinnovationen. Dieser Typ von Zyklus basiert auf den Untersuchungen des Russen Nikolai Kondratieff in den 1920er-Jahren. Er fand heraus, dass die Zyklen grundlegender Neuerungen einen Zeitraum von 40 bis 60 Jahre umfassen. Der erste Kondratieff-Zyklus begann im 18. Jahrhundert mit der Erfindung der Dampfmaschine (Kondratieff 1926). Die zugrunde liegende Theorie „der langen Wellen“ wurde dann besonders von Joseph Schumpeter und Leo Nefiodow aufgegriffen (Schumpeter 1964, Nefiodow 1990, Nefiodow 1996). Während Kondratieff fünf Zyklen unterschied, war es besonders Nefiodow, der den sechsten „Kondratieff Zyklus“ inhaltlich bestimmte. Hierzu gibt es jedoch eine Kontroverse, ob „Gesundheit“, „Umwelt“ oder aber andere grundlegende Innovationen die neuen Kondratieff-Zyklen bilden. Basisinnovationen knüpfen oftmals hieran an. Beispielsweise folgen völlig neue Geschäftsmodelle (Internet-Auktionshäuser) oder techno-soziale Konzepte (Web 2.0) auf die neue technologische Welle der „IT-Technologie“. Die Ausschöpfung der wirtschaftlichen Wachstumspotenziale durch Basisinnovationen, umfasst in der Regel mehrere Jahrzehnte und führt zu einer dauerhaften Wachstumsdynamik, da bestehende Entwicklungskorridore verlassen und neue geöffnet werden. Bei den nachfolgenden Prozess- und Produktmodifikationen (Verbesserungs- und Folgeinnovationen) geht es um mehr oder weniger umfassende Veränderungen dann bereits existierender Verfahren und Güter. Hier stellt sich besonders die Frage nach dem Neuigkeitsgrad. Die erfolgreiche Markteinführung einer Innovation führt auch hier zu Monopolgewinnen, die Unternehmen erwirtschaften. Insofern sind innovative Unternehmen auch häufiger erfolgreiche Unternehmen. Die früher übliche Begrenzung des Innovationsverständnisses auf technische Neuerungen wird im neueren Verständnis kritisch hinterfragt. Dabei wurde schon relativ früh darauf hingewiesen, dass Innovationen über Prozess- und Produktinnovationen hinausgehen und auch neue Management- und Organisationsverfahren einschließen. Daher umfasst der Begriff der Innovation in zunehmendem Maße auch nicht-technische Neuerungen, wie Änderungen der Firmenorganisation (Corsten et al. 2006, S. 48). Aber auch Änderungen des Designs von Produkten sind hier zu nennen. Neben Prozess- und Produktinnovationen werden in der empirischen Innovationsforschung noch organisatorische Innovationen aufgeführt (Rennings 2005, S. 18):  Prozessinnovationen führen zu einer Verringerung des erforderlichen Inputs bei gleichbleibendem Output bzw. zu einem gleichbleibenden Input bei steigendem Output.  Produktinnovationen führen zu einer Verbesserung von Gütern (Dienstleistungen) oder der neuen Entwicklung von Gütern.  Organisatorische Innovationen führen zu einer Optimierung der Ablauf- und Aufbauorganisation eines Unternehmens oder zu neuen Managementformen, wie Total Quality Management oder Umweltmanagementkonzepte. „Sozialinnovationen“ und „Strukturinnovationen“ sind vielfach Synonyme für organisatorische Innovationen.

70

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Bedeutung von Innovationen für die ökonomische Entwicklung Geht man nun nicht mehr vom Bewertungskriterium „Neuerungen sind per se gut, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sind“ aus, sondern führt als Bewertungskriterium das Leitbild nachhaltige Entwicklung ein, so kann es zumindest bei jenen Innovationen zu Bewertungskonflikten kommen, die den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung nicht gerecht werden. Innovationen können also unter marktwirtschaftlichen Kriterien ohne Berücksichtigung externer Effekte als Erfolg gewertet werden, der sich nach dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung in das Gegenteil verkehrt, wenn mit Innovationen beispielsweise Gesundheitsschäden verbunden sind. Das führt zu der Frage, wie es zu Innovationen kommt und wie der Innovationsprozess zu erklären ist. Joseph Schumpeter gilt i.d.R. als der Ökonom, der die Bedeutung von Innovationen für den wirtschaftlichen Entwicklungsprozess erstmals umfassend analysierte (Schumpeter 1964). Die Entwicklung von Marktwirtschaften ist nach Schumpeter geprägt von Unsicherheit, Dynamik und Wandel. Wirtschaftliche Entwicklung ist für ihn daher ein „Prozess der schöpferischen Zerstörung“. Im Anschluss daran hat sich in der Volkswirtschaftslehre für Innovationsprozesse die Differenzierung in drei Phasen herausgebildet:  Invention: Sie ist als Erfindung eines neuen Produktionsprozesses bzw. Produktes zu verstehen.  Innovation: Bei der Innovation im engeren Sinne geht es um die erfolgreiche Markteinführung.  Diffusion: Hierbei geht es um die allgemeine Verbreitung der Innovation im Zeitablauf unter den Anwendern. In der ökonomischen Innovationsforschung hat sich die Phasendifferenzierung von Joseph Schumpeter als lineares Phasenmodell des Innovationsprozesses durchgesetzt. Danach wird besonders in Großunternehmen durch Forschung in der Inventionsphase und der darauffolgenden Entwicklungsphase eine Erfindung generiert, die dann in den Markt eingeführt wird. In der volkswirtschaftlichen Theorie wurden Innovationen lange Zeit jedoch eher peripher behandelt (Welsch 2005). Dabei wurde besonders in der Wachstumstheorie der technischen Fortschritt und damit auch Innovationen angebotsbedingt diskutiert, woraus sich die „TechnologyPush-Hypothese“ ableitet. Das bedeutet, dass der Anstoß für die Entwicklung neuer Güter und Dienstleistungen der Angebotsseite zugeordnet wird. Der Technology-Push-Hypothese wurde dann von Jacob Schmookler 1966 eine sogenannte „Demand-Pull-Hypothese“ entgegengestellt, wonach die Marktnachfrage für die Innovationsrichtung entscheidend ist. Dies führte zu einer Kontroverse, die für lange Zeit die Diskussion prägte. Heute besteht jedoch weitgehend Konsens, dass sowohl Marktangebotsfaktoren als auch Marktnachfragefaktoren für Innovationen eine wichtige Rolle spielen (Hemmelskamp 1999). Die evolutorische Ökonomik, die Ende der 1970er-Jahre in der Innovationsforschung an Bedeutung gewann, ist ebenfalls darum bemüht, die angebotsseitigen Technology-PushFaktoren endogen ökonomisch zu erklären.

3.1 Die ökonomische Bedeutung von Innovationen

71

In der evolutorischen Ökonomik wird der Marktprozess als dynamischer Innovationswettbewerb aufgefasst (Nelson, Winter 1982). Nach Ansicht dieser Vertreter ist der Innovationsprozess von Unsicherheit geprägt und kann daher als Suchprozess aufgefasst werden. Der ökonomische Selektions- und Diffusionsprozess von Innovationen ist durch Pfadabhängigkeiten als wichtigem Einflussfaktor auf den Selektionsprozess verschiedener Technologien mitbestimmt. Wichtige Einflussfaktoren für das Entstehen von Pfadabhängigkeiten sind steigende Adaptions- bzw. dynamische Skalenerträge. Unter steigenden Adaptionserträgen versteht man sich selbst verstärkende Systemeffekte im Diffusionsprozess (Konrad, Nill 2001), d. h. eine beschleunigte Verbreitung der Neuerung im Markt. Pfadabhängigkeiten zeichnen sich durch einen gewissen Mangel an Flexibilität aus, was in der Innovationspraxis oftmals zu einer wenig systematischen Existenz einzelner Förderprogramme, Institutionen und Instrumente geführt hat. Diese Defizite in der institutionellen Innovationsstruktur führen in zunehmendem Maße zu Kritik an der Innovationsgestaltung, weshalb u. a. Innovationssysteme verfolgt werden sollen. Die neuere Innovationsforschung der letzten Jahre führte zu einer weiteren Differenzierung, die hier nur kurz skizziert werden kann. Wichtig hierbei ist, dass diese Erkenntnisse zum Teil auch für die Anforderungen an nachhaltige Innovationen von Relevanz sind. So stellt beispielsweise Rosenberg fest, dass bei dem Zusammenhang von Innovationen und wirtschaftlichem Wachstum oft der Faktor Unsicherheit vernachlässigt wurde. Es handelt sich also nicht um eine lineare Beziehung. Als einen wichtigen Faktor nennt er die finanziellen Risiken der Innovationsforschung, wonach es durchaus dazu kommen kann, dass die Ausgaben nicht zu den gewünschten Forschungserkenntnissen führen. Kommt es jedoch zu einem neuen erfolgreichen Konzept für ein Produkt, stellt sich für ihn u. a. die Frage: „How well will the new product perform, not only technologically, but in economic terms?“ (Rosenberg 2004, S. 2). Sener und Saridogan gehen der Frage nach, welche Effekte eine „Science-Technology- Innovation“ Strategie auf die Wettbewerbsfähigkeit and das wirtschaftliche Wachstum eines Landes hat. Im Rahmen ihrer empirischen Untersuchung kommen sie zu der Erkenntnis, dass Länder, die eine auf „science-technology-innovation“ basierte Wirtschaftspolitik bzw. Strategien haben, große Wettbewerbsvorteile und eine positive langfristig orientierte Wachstumsentwicklung haben, die zu mehr Wohlstand und Wohlfahrt in den Ländern führen (Sener, Saridogan 2011, S. 828). Dabei kommt es jedoch nicht nur allgemein auf die Förderung von Innovationen an. Analysiert man die Daten bzw. Statistiken zu den Patenten, so gibt es hinsichtlich der Wirkung von Innovationen auf wirtschaftliches Wachstum große Unterschiede zwischen der Quantität und Qualität von Innovationen (Hasan, Tucci 2010, S. 1264ff.). Innovationssysteme Die kurze Darstellung der theoretischen Ansätze verdeutlicht, wie die Komplexität von Innovationsprozessen begründet werden kann. Eine wichtige Neuorientierung in der Innovationsforschung erklärt sich daraus, dass der technische Fortschritt in der endogenen Wachstumstheorie als ein Prozess diskutiert wird, der durch Impulse bzw. gezielte Steuerung (z. B. Forschungs- und Entwicklungspolitik) des Staates oder der Unternehmen gefördert werden kann. Der technische Fortschritt ist also nicht mehr eine exogene Größe bzw. eine Residualgröße, sondern er lässt sich vielmehr steuern. Dennoch kam es in der Folge zu einer Abkehr

72

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

von linearen Phasenmodellen des Innovationsprozesses. In neueren Ansätzen geht es daher eher um das Zusammenspiel der Akteure und der Rahmenbedingungen. Darin gründet die Neuorientierung an nationalen und regionalen Innovationssystemen, die besonders evolutorische und institutionenökonomische Aspekte berücksichtigen. Zur Erinnerung: Ein Innovationssystem wird inhaltlich von Bengt-Åke Lundvall abgegrenzt als die Elemente und Beziehungen, die in der Produktion, Diffusion und dem Gebrauch von neuem und ökonomisch nützlichem Wissen zusammenwirken (Lundvall 1985, Kap. 5.2; Lundvall 1992). Christopher Freeman bezieht sich in seiner Abgrenzung eines Innovationssystems auf das Netzwerk-Modell, indem er ein Innovationssystem als ein Netzwerk von Institutionen im privaten und öffentlichen Sektor definiert, deren Aktivitäten und Interaktionen zu neuen Technologien führen, diese importieren, modifizieren oder verbreiten (Freeman 1987, S. 1 und 31). Das Netzwerk ist möglichst örtlich zu fokussieren und aktiv zu koordinieren, damit es seine Vorteile – u. a. Austausch nicht kodifzierten Wissens – entfalten kann. In diesem Zusammenhang wird von einigen Autoren darauf hingewiesen, was für die Innovationen im Kontext nachhaltiger Entwicklung von Bedeutung ist, dass weder der Markt noch die Hierarchie bzw. Großorganisationen in der Lage sind den optimalen Rahmen bzw. die beste Grundlage für dynamische Innovationsprozesse abzugeben (Welsch 2005, S. 53-74). Im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung scheinen Netzwerke eine spezifische Eignung zu haben: sie fördern die Bildung und Entwicklung des sozialen Kapitals als innovationsgenerierenden Faktor. Im Rahmen der Unterscheidung zwischen nationalen und regionalen Innovationssystemen zeichnen sich zunächst nationale Innovationssysteme durch Merkmale aus, die stark durch das jeweilige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem geprägt sind. Seit der Auflösung sozialistisch planwirtschaftlicher Systeme unterscheidet man heute bei der Gruppe der Industrieländer im Wesentlichen zwischen dem marktwirtschaftlichen Typ angelsächsischer Prägung und dem kontinentaleuropäischen Typ der sozialen Marktwirtschaft. Entsprechend gibt es auch unterschiedliche nationale Innovationssysteme, die in drei Subsysteme untergliedert werden (Welsch 2005, S. 77):  das Produktionssystem, das unterschiedliche Kategorien von Unternehmen aufweist, die ein unterschiedliches Innovationsverhalten haben;  das Bildungs- und Forschungssystem, das verschiedene Bildungskategorien (berufliche Bildung, Weiterbildung und Hochschulbildung) und Forschungssektoren (Hochschulforschung und außeruniversitäre, d. h. private und öffentliche Forschung) aufweist;  das politische System, das Forschungs- und Entwicklungspolitik bzw. Innovationspolitik fördert. Nationale Innovationssysteme werden im Anschluss weiter ausdifferenziert: Nationale Innovationssysteme im engeren Sinne zeichnen sich vor allem durch Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen des privaten Sektors und Universitäten und Forschungsinstitute aus. Bei Innovationssystemen im weiteren Sinne werden der Produktionssektor, das Marktsystem und das Finanzsystem als Subsysteme des Innovationssystems betrachtet. Dagegen unterscheiden Kurt Hübner und Jan Nill zwischen dem Wissenssektor, also den Akteuren, Organisationen und Regeln, die für die Produktion von Wissen zuständig sind, und dem Produktivitätsbereich,

3.1 Die ökonomische Bedeutung von Innovationen

73

also den Akteuren, die die Auswahl zwischen alternativen Technologien und die Nutzungsweise von Technologien bestimmen (Hübner, Nill 2001). In einer Studie hat Nelson die nationalen Innovationssysteme von 15 Ländern analysiert und dabei herausgefunden, dass die Unterschiede zwischen ihnen ganz wesentlich auf die Unterschiede der Hochschulsektoren sowie der Hochschulforschung und -bildung, der Forschung und Entwicklung im Industriesektor, den Finanzinstitutionen, den Managementfähigkeiten und der öffentlichen Infrastruktur wie auch der Fiskal- und Handelspolitiken zurückzuführen sind (Nelson 1993). Besondere Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang fand das institutionelle Umfeld, wie es beispielsweise im Rahmen der Institutionenökonomik von Douglass North 1992 diskutiert wird. Die modernen Innovationssysteme sind somit in hohem Maße in das Institutionengefüge der Regierung und der Unternehmen eingebunden. Um nationale Innovationssysteme zu charakterisieren, werden darum die Faktoren, die den Innovationsprozess beeinflussen, analysiert. In diesem Kontext wurden Ansätze entwickelt, die es ermöglichen, Inputs und Outputs nationaler Innovationssysteme mit Indikatoren zu quantifizieren (Patel, Pavitt 1994). Die Einzelindikatoren, die Teilbereiche wie Bildung, Wissenschaft und Forschung, Innovationsfinanzierung und der Produktion von Hochtechnologiegütern umfassen, werden zu Gesamtindikatoren (Composite Indicators) zusammen gefasst und zur Messung der Leistungsfähigkeit nationaler Innovationssysteme genutzt. Daraus lassen sich für Deutschland vier wichtige Handlungsfelder identifizieren, die schon einen starken Bezug zu dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung aufweisen (Belitz, Schrooten 2008, S. ff.):  Investitionen in Bildung fördern: Dabei geht es sowohl um die Bereitstellung zusätzlicher Mittel als auch um neue bildungspolitische Konzepte, die die Studienbereitschaft und die Studierfähigkeit erhöhen.  Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten an Innovationsprozessen fördern: In innovationsgetriebenen Volkswirtschaften reicht es nicht aus, wenn nur eine kleine Elite Innovationsprozesse gestaltet. Nur eine positive Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zu Wissenschaft und Technik führen in einem Land zu einem positiven Innovationsklima.  Innovationsanreize stärken und Vielfalt des nationalen Innovationssystems sichern: In der Innovationspolitik sollen durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen Anreize für Innovationen erhöht werden. So ist es möglich, Investitionen in diesen Bereich zu lenken. Die Auswahl von Zukunftstechnologien sollte im Wettbewerb erfolgen.  Chancen internationaler Integration nutzen: Die Globalisierung macht es erforderlich, die internationale Kooperation im Wissensbereich zu fördern. Das stärkt die Leistungsfähigkeit nationaler Innovationssysteme. Die Kooperation sollte sowohl zwischen Industrieländern, zwischen Emerging Economies und Industrieländern und zwischen den Emerging Economies erfolgen. Wichtig hierbei ist, dass der Schutz des geistigen Eigentums gesichert ist. Von den nationalen Innovationssystemen sind die regionalen Innovationssysteme abzugrenzen. Ihnen wird eine zunehmende Bedeutung beigemessen, wobei hier auch Begriffe wie „Cluster“ oder „innovative Milieus“ eingeführt wurden (Braczyk et al. 1998). Sie sind ganz wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass Wissens-Spillover, d. h. wissensbezogene Effekte eines Überspringens häufig räumlich begrenzt sind. Unter Berücksichtigung von Subsystemen

74

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

der Innovationssysteme ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Innovationen durch die sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen eines Landes oder einer Region sowohl Einfluss nehmen als auch beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang lässt sich jedoch feststellen, dass es hier einen interdependenten Prozess gibt, wonach sowohl die Innovationssysteme durch die institutionellen Arrangements als auch diese durch die Innovationssysteme determiniert werden. Unruh spricht hier von einem „techno-institutional Complex“ (Unruh 2000, S. 825). Etabliert und stabilisiert sich ein techno-institutional System, so lässt sich feststellen, dass es gegenüber Veränderungen in hohem Maße resistent ist. Als typische Bespiele nennt Unruh die Produktion von Elektrizität und den Energiemarkt. Die Veränderung dieser Strukturen ist äußerst schwierig, da der Widerstand der elektrizitätserzeugenden Unternehmen besonders hoch ist. Ohne massive staatliche Interventionen haben neue oder regenerative Energieträger daher nur eine geringe Chance der Durchsetzung (Foxon et al. 2005). Das wird im Rahmen der neuen Energiepolitik in Deutschland sehr deutlich (Hennicke, Schleicher 20013, S. 217ff.). Zusammenfassend kann man feststellen, dass nationale und regionale Innovationssysteme grundsätzlich eine gute Basis für die Anforderungen nachhaltiger Entwicklung bieten, da es zu einer Ausweitung des Innovationsverständnisses kommt. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung ist es jedoch notwendig, die stake Technologiebezogenheit von Innovationen, die auch in nationalen und regionalen Innovationssystemen festzustellen ist, zu überwinden, wie im folgenden Abschnitt noch begründet wird. Anforderungen nachhaltiger Entwicklung an Innovationen Die Ausweitung über den technischen Fokus hinaus wird teilweise als ambivalent bewertet. Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung besteht der Vorteil darin, dass es hierbei zu einer Überwindung der Fixierung der technologiebasierten Innovationsorientierung kommt, wie das im Rahmen der Dreidimensionalität erforderlich ist. Anderseits ist zu bedenken, dass bei einer zu großen Breite des Innovationsverständnisses alle möglichen Veränderungsvorgänge bzw. Neuheiten mit einbezogen werden und damit der Innovationsbegriff an Schärfe verliert. Das gilt auch für nachhaltige Innovationen, bei denen es nicht darum geht, alle möglichen Potenziale nachhaltiger Entwicklung aufzulisten, sondern die konkreten Anforderungen an nachhaltige Innovationen zu bestimmen. Während technische Innovationen eine eindeutige Dominanz haben und damit die ökonomische Dimension einen hohen Konkretisierungsgrad aufweist, steht die Forschung bei sozialen Innovationen aus ökonomischer Perspektive noch weitgehend am Anfang. Dabei wird vielfach auch der Zusammenhang zwischen Reformen, sozialen Innovationen und sozialem Wandel hergestellt. Gillwald versteht dabei unter Reformen staatliches Handeln und Eingriffe in das gesamtgesellschaftliche Regel- und Institutionengefüge. In diesem Zusammenhang können Reformen als Teilmenge sozialer Innovationen betrachtet werden (Gillwald 2000, S. 7). Die Gemeinsamkeit technischer und sozialer Innovationen ist, dass beide Ergebnisse menschlichen Gestaltungswillens sind. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Stärkung sozialer Innovationen ganz wesentlich durch Regularien gefördert werden. Hier spricht man auch von „non-technological regulatory effects“ (Parasskevopoulou 2012, S. 1058). Daher sind Innovationen – wenn man sie als Entstehung neuer Prozesse, Produkte und Märkte versteht – nicht

3.1 Die ökonomische Bedeutung von Innovationen

75

nur im wissenschaftlich-technischen, sondern auch im sozialen Kontext möglich. Aus der Perspektive der Nachhaltigkeit müssen somit die beiden anderen Dimensionen, d. h. die soziale und ökologische Dimension einbezogen werden. Dabei geht es aber nicht nur um die Richtung von Innovationen, sondern auch um die Frage der sozialen und ökologischen Reichweite von Innovationen. Das Verständnis von Nachhaltigkeit als dreidimensionales Modell erfordert eine geeignete Erfassung sowie eine integrative Bewertung der drei Dimensionen. Hierbei gibt es jedoch eine Reihe von Schwierigkeiten. Während Kriterien wie Arbeitsqualität und Gesundheitsschutz einzelnen Innovationen zugeordnet werden können, ist dies bei dem Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit nur sehr bedingt möglich. Daher ist es notwendig, Handlungsfelder eindeutig zu definieren. Aus den Handlungsfeldern müssen dann Indikatoren abgeleitet werden, die zu einem Indikatorensystem zusammengefügt werden. Bisher werden jedoch oft nur für die einzelnen Dimensionen Handlungsfelder definiert und entsprechende Indikatoren abgeleitet. Dadurch mangelt es dann daran, die Beziehungen der Handlungsfelder der einzelnen Dimensionen zueinander zu analysieren und integrierte bzw. konsistente Indikatorensysteme zu entwickeln. Wie dies mit einer neuen Methode der Systematisierung möglich ist, wird in Kapitel 7 näher erläutert. Ein weiteres Problem bei der Bewertung nachhaltiger Innovationen besteht darin, dass sie ex ante unter mehr oder weniger hoher Unsicherheit zu bewerten sind. Das ist sowohl bei den Kriterien als auch bei den Bewertungsverfahren zu berücksichtigen. Hier bieten sich Szenariotechniken sowie die Delphi-Methode an. Dabei geht es z. B. um die Frage, welche Technologie als Risikotechnologie einzustufen ist. Ein Konfliktpotenzial kann – wie schon erwähnt – daraus entstehen, dass nachhaltigkeitsorientierte Technologien nicht die gleiche Wirkungskraft wie Risikotechnologien haben. Eine Lösung besteht darin, die nachhaltigkeitsorientierte Technologie durch Forschungsaktivitäten soweit zu fördern, dass sich ihre Wirkungskraft erhöht und an jene der Risikotechnologie anpasst. Das erfordert dann einen Pfadwechsel. Zusammenfassend lässt sich zu der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion zu Innovationen feststellen, dass das zentrale Erfolgskriterium der ökonomische Erfolg ist: Neuerungen werden zu erfolgreichen Innovationen, wenn sie sich auf dem Markt durchsetzen (v. Hauff, Jörg 2013, S. 147). Aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung müssen jedoch alle drei Dimensionen und somit auch die soziale und ökologische Dimension mit einbezogen werden. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Richtung von Innovationen, sondern auch um deren soziale und ökologische Reichweite. Das Problem der Bewertung nachhaltiger Innovationen besteht darin, dass sie ex ante unter mehr oder weniger hoher Unsicherheit zu bewerten sind. Das gilt es sowohl bei den Kriterien als auch bei den Bewertungsverfahren zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang bieten sich sowohl Szenariotechniken als auch die Delphi-Methode an. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, welche Technologie als Risikotechnologie einzustufen ist. Es können somit Konfliktpotenziale aufkommen, indem die nachhaltigkeitsorientierte Technologie nicht die gleiche Wirkungskraft wie die heute gängigen Technologien haben. Aus unternehmenspolitischer Perspektive, d. h. aus wirtschaftlichlicher Bewertung, würde also weiter die bisher gängige und nicht die nachhaltigkeitsorientierte Technologie bevorzugt. Eine Lösung wäre, die nachhaltigkeitsorientierte Technologie durch Forschungsaktivitäten so zu fördern, dass sie über die vorherrschende Technologie hinausreicht. Das erfordert jedoch einen Pfadwechsel. Im Rahmen der nachhaltigen Innovationsforschung müssen daher

76

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

neben Prozess- und Produktinnovationen auch institutionelle und organisatorische Innovationen, aber auch Verhaltensänderungen verstärkt gefördert werden. Bisher fand die ökologische Dimension in der nachhaltigen Innovationsforschung schon eine stärkere wissenschaftliche Zuwendung als die soziale Dimension. Aus diesem Grund liegt in dem folgenden Abschnitt auch der Schwerpunkt auf Innovationen im Kontext der ökologischen Nachhaltigkeit. Es setzt sich jedoch zunehmend die Erkenntnis durch, dass technische Lösungen ohne soziale Innovationen an Grenzen stoßen (Schwarz, Birke, Beerheide 2010, S. 165ff.). Die Hightech-Strategien, aber auch die Konzepte des „Green New Deal“ sowie die ökologische Industriepolitik sind auf technologische Lösungsansätze ausgerichtet, die ohne soziale Innovationen nur schwer umzusetzen sind. Es geht besonders darum, dass umweltfreundliche Technologien und Güter, aber auch umweltfreundliche Politikkonzepte von potenziellen Nachfragern bzw. Wählern – gegebenenfalls auch durch Verhaltensänderungen – angenommen werden (Krüger, Bizer 2010, S. 12). Da dieser Zusammenhang noch ein relativ neues Forschungsfeld ist, steht auch die konzeptionelle Verbindung von ökologischer, ökonomischer und sozialer Dimension noch am Anfang nachhaltiger Innovationsforschung.

3.2

Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

Umweltinnovationen haben seit Mitte der 1990er-Jahre eine wachsende Aufmerksamkeit erfahren. Unter Umweltinnovationen werden alle Maßnahmen der Akteure (Unternehmen, Politiker, Verbände, Kirchen, private Haushalte) subsumiert, mit denen neue Ideen und Verhaltensweisen, Produkte und Produktionsverfahren entwickelt, angewendet oder eingeführt werden und die die Umwelt entlasten bzw. zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen (FIU 1997). Eine weitere Definition ist in dem Forschungsbericht des von der EU geförderten Projekts „Measuring Eco-Innovation“ (MEI) zu finden. „Eco-Innovation is the production, assimilation or exploitation of a product, production process, service or management or business method that is novel to the organization (…) and which results, throughout its life cycle, in a reduction of environmental risk, pollution and other negative impacts of resources use (including energy use) compared to relevant alternatives.” (Kemp, Pearson 2008, S. 7) Wie schon erwähnt, stehen oft technologische Umweltinnovationen im Mittelpunkt der Betrachtung bzw. des Interesses. Sie zielen allgemein auf Umweltentlastungen ab. Dabei lassen sich unterschiedliche Ebenen voneinander abgrenzen (Huber 2007, S. 153):  die individuelle Ebene beim Gebrauch von Gütern und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen,  auf Unternehmensebene besonders durch Produktionsprozesse und Produkte,  auf unternehmensübergreifender Ebene z. B. durch Logistik- und Recyclingsysteme, durch Formen der Netzwerkbildung, aber auch auf der Ebene nationalstaatlicher Institutionen, z. B. durch staatliche Anreize in der Technologiepolitik mit der gezielten Förderung technologischer Umweltinnovationen.

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

77

Die Gestaltung durch die öffentliche Hand ist für eine absolute Entlastung ökologischer System, also für eine starke Nachhaltigkeit notwendig. Dies ist damit zu erklären, dass es sich um komplexe technologische Entwicklungen handelt, deren Markterfolg noch nicht gesichert ist bzw. vom Kunden frühestens nach dem Markteintritt nachgefragt wird (Huber 2005, S. 12– 14). In der Vergangenheit hat die umweltpolitische Regulierung ganz wesentlich zum Wachstum der Umweltinnovationen beigetragen (SRU 2008, Tz. 63), wofür dem Staat weiterhin unterschiedliche innovationspolitische Instrumente zur Verfügung stehen (siehe beispielsweise Welsch 2005, S. 228ff.). Umweltinnovationen ermöglichen aus der Perspektive des Innovators – zumindest in idealtypischer Weise – das Erzielen von ökonomischen Gewinnen und Umweltentlastungen (Porter, van der Linde 1995). Daraus hat sich bereits ein Markt für Umweltschutztechnik entwickelt, der überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweist. In diesem Zusammenhang gibt es jedoch zwei Probleme, die erwähnt werden sollen (Hübner, Nill 2001, S. 67 ff.):  Umweltinnovationen sind in besonderem Maße mit positiven externen Effekten verbunden, was tendenziell zu einer Unterversorgung mit Innovationen führt. Das hängt mit den fehlenden Anreizen für den Innovator selbst zusammen, da Dritte von den ökologischen Effekten profitieren.  Umweltinnovationen sind mit Widerständen konfrontiert, die sich aus der Pfadabhängigkeit des bestehenden Entwicklungsmodells ergeben. Aus der Perspektive ökologischer Nachhaltigkeit besteht daher die Gefahr, dass suboptimale Innovationspfade dominieren. Da die ökologische Nachhaltigkeit auch von ökonomischen und sozialen Determinanten abhängt, sind diese bei der Umsetzung der Innovationen mit einzubeziehen. Zunächst müssen jedoch Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit durch konkrete Inhalte und eine spezifische Richtung des Fortschritts geprägt sein. Dabei geht es also – wie schon erwähnt – um neue oder modifizierte Prozesse, Techniken, Systeme oder Produkte, um Umweltschäden zu vermeiden oder diese zu reduzieren. Daher müssen Umweltinnovationen zu einer Verbesserung der Umweltqualität beitragen, unabhängig davon, ob es sich um technische, organisatorische, ökonomische, rechtliche oder verhaltensorientierte Innovationen handelt und unabhängig davon, welche Motive zu einer Umweltinnovationen führen (Hemmelskamp et al. 2000). Während sich die folgenden Ausführungen auf wichtige Handlungsfelder der ökologischen Nachhaltigkeit bzw. ökologisch relevanter Innovationen konzentrieren, werden die Bereiche des Recyclings und der Substitution, die an Bedeutung stark gewinnen, im nächsten Kapitel behandelt. Da sich die Wirkungsgrade von Umweltinnovationen sehr grundsätzlich unterscheiden, wird in der Literatur entsprechend der Differenzierung in schwache und starke Nachhaltigkeit, wie sie bereits in Kapitel zwei ausführlich erläutert wurde, zwischen schwachen und starken Umweltinnovationen unterschieden (Jänicke 2008, S. 39): Schwache Umweltinnovationen: Es handelt sich um inkrementale oder auch auf Menschenrechte beschränkte Innovationen. Sie begründen sich aus der Marktdynamik und sind oft Nebenprodukte der Umweltpolitik. Ihre Wirkung ist häufig punktuell, weshalb sie zur absoluten

78

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Umweltentlastung nur wenig beitragen. Häufig werden ihre Effekte durch ein steigendes Wachstum bzw. Rebound-Effekte kompensiert oder sogar überkompensiert. Starke Umweltinnovationen: Umweltinnovationen weisen hinsichtlich ihrer Umweltentlastung dann eine hohe Bedeutung auf, wenn sie hierzu eine signifikante Leistung erbringen. Ein Beispiel ist die absolute Entkopplung einer ökologischen Belastung von dem wirtschaftlichen Wachstum. Ein aktuelles Beispiel ist der Übergang zur erneuerbaren Energie im Gegensatz zur Verbesserung des Wirkungsgrades von Kraftwerken. Ein anderes Beispiel hierfür ist der Übergang zu umweltfreundlichen Antriebsaggregaten bei PKWs im Verhältnis zur weiteren Nutzung von Katalysatoren. Problembereiche und Handlungsfelder ökologischer Nachhaltigkeit Die folgenden Ausführungen spezifizieren die relevanten Themenfelder ökologischer Nachhaltigkeit bzw. ökologischer Innovationen und empirischer Erkenntnisse zur Verbreitung von Umweltinnovationen. Innovationen zur Erzielung ökologischer Nachhaltigkeit erfordern zunächst, die relevanten Themenfelder abzugrenzen. Daraus lässt sich dann begründen, welche Richtung anzustreben ist, um die Probleme der einzelnen Themen- bzw. Handlungsfelder zu lösen. Einen Ausgangspunkt hierfür legte der Sachverständigenrat für Umweltfragen bereits 1998 mit einer Synopse der zentralen Problembereiche fest. In Tab. 3-1 sind die relevanten Aspekte aufgelistet, die sich nach ihrer betrachteten Umwelteinwirkung (Problem) und der sie verursachenden Bereiche unterscheiden lassen. Problemorientiert

Verursacherorientiert

        

 Energie  Mobilität  Abfall

Treibhauseffekt Ozonabbau in der Stratosphäre Versauerung (Medien u./o. Ökosysteme) Eutrophierung (Medien u./o. Ökosysteme) Toxische Belastung (Medien u./o. Ökosysteme) Verlust der biologischen Vielfalt Humantoxische Belastung Flächenverbrauch Verbrauch von Ressourcen

Quelle: in Anlehnung an SRU 1998, Tz. 125 Tab. 3-1: Problembereiche ökologischer Nachhaltigkeit

Die genannten Problembereiche als Handlungsfelder erfordern langfristige Nachhaltigkeitsziele, die zu einer Entlastung bzw. Verbesserung von ökologischen Bedingungen führen. Während die Abgrenzung und Quantifizierung der Ziele wissenschaftlich begleitet werden kann, müssen die Entscheidungen im politischen Prozess getroffen werden. Für die ökologische Nachhaltigkeit ist hierbei relevant, dass sie auch eine ökonomische und soziale Dimension enthält. Dabei gilt noch einmal darauf hinzuweisen, dass Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit durch konkrete Inhalte und eine spezifische Richtung des Fortschritts geprägt sein müssen

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

79

Konkrete Beispiele von Umweltinnovationen

Ressourcen, Rohstoffe, Grundprodukte

Landwirtschaft

Chemie, Chemikalien

Materialverarbeitung, Be- und Aufarbeitung

Endprodukte, Gebäude, Fahrzeuge, Gebrauchsgüter

Emissionen und Abfälle

Bereich

Energie, Fahrzeugantriebe, Heizung

Innovationen in diesem Sinne sind nur dann zu befürworten, wenn sie zumindest in einem der genannten Handlungsfelder zu einer Verbesserung beitragen. Dabei kann natürlich das Problem auftreten, dass eine Innovation beispielsweise in einem Handlungsfeld zur Senkung von Luftemissionen führt, in einem anderen Handlungsfeld jedoch ein höherer Flächenverbrauch entsteht. Somit werden Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit kontextspezifisch beurteilt, da eine Gesamtbilanzierung an methodische Grenzen stößt (Rennings 2005, S. 19).

























































Ansatz Kreislaufwirtschaft, NullEmissionsprozesse, industrielle Symbiose Nachhaltiges Ressourcenmanagement Saubere Technologien Substitution von Problemstoffen Umweltgerechte Konstruktion und Produktgestaltung Bionik Nachgeschaltete Reinhalteu. Sanierungsmaßnahmen



Quelle: in Anlehnung an Huber 2007, S. 154 Tab. 3-2: Ansätze technologischer Umweltinnovationen nach Anwendungsbereich

Im Folgenden werden zunächst technologische Umweltinnovationen näher spezifiziert und erläutert, wozu in einem ersten Schritt eine Zuordnung von Ansätzen vorgestellt wird. In der empirischen Analyse geht es dann um die Frage, ob diese Innovationen einen signifikanten Beitrag zu einer erhöhten Ressourcenproduktivität leisten. Die technologischen Umweltinnovationen lassen sich entsprechend empirischer Befunde einzelnen Bereichen bzw. Industriesektoren zuordnen (siehe Abb. 3-1). Hier dominiert eindeutig der Energiesektor (einschließlich neuer Fahrzeugantriebe und des Energiedesigns von Gebäuden), dem 27 % der technologischen Umweltinnovationen zuzurechnen sind. Ein weiteres, relativ großes Segment mit 24 % sind jene technischen Umweltinvestitionen, die mit Rohstoffgewinnung und Materialverarbeitung zu tun haben.

80

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung Umweltmessung und Monitoring 5% Emissionskontrolle 8% Produkte im Gebrauch 4%

Energie 27 %

Fahrzeuge, Verkehr 5% Gebäude, Siedlungsstrukturen 7%

Rohstoffgewinnung 5%

Chemische Industrie, Chemikalien 10 %

Materialverarbeitung/ -bearbeitung 10 % Landwirtschaft, Fischereien, Aquakultur 10 %

Abfallverarbeitung, Recycling 9%

Quelle: in Anlehnung an Huber 2007, S. 159 Abb. 3-1: Technologische Umweltinnovationen nach Industriesektoren

Deutsche Unternehmen decken mit Gütern zu den Bereichen umweltfreundlicher Energieerzeugung, der Kreislaufwirtschaft und einer „nachhaltigen Mobilität“ rund ein Viertel des Weltmarktes ab. Der Umsatz steigt in diesen wie auch in anderen Bereichen der Umweltindustrie jährlich im zweistelligen Prozentbereich, womit der Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands weiter zunimmt (BMU 2007, S. 2 und 14). Technologische Innovationen werden weiterhin, wie in Abschnitt 3.3 detaillierter aufgezeigt, in Prozess- und Produktinnovationen unterteilt. Technologische Umweltinnovationen werden wiederum in „End-of-Pipe“ bzw. „additive“ Technologien und „integrierte“ Umwelttechnologien unterschieden. Auswirkungen der Umweltinnovationen auf die Wettbewerbsfähigkeit Die mittel- bis langfristige Vorteilhaftigkeit der integrierten Umwelttechnik hinsichtlich der ökologischen und ökonomischen Effizienz gegenüber additiver Umwelttechnik führt zu der Prognose einer zunehmenden einzel- wie gesamtwirtschaftlichen Bedeutung integrierter Umwelttechnik. Weiterhin erscheint es aus der Perspektive des internationalen Wettbewerbs durchaus sinnvoll, den Umweltschutz auf einer integrierten Ebene zu fördern und zu verwirklichen.

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

81

Additive Umwelttechnik kann als einfache Technik oder Spezialtechnik klassifiziert werden. Daher ist davon auszugehen, dass additive Umwelttechnik heute vielfach unter dem technologischen Gesamtniveau Deutschlands liegt und dass deshalb die Wettbewerbsstärke der Anbieter typischen Pioniereffekten („early Mover“) statt einer überdurchschnittlichen technischen Position entspringt. In der Wettbewerbstheorie hat sich bestätigt, dass die Konkurrenzfähigkeit von Branchen langfristig von der relativen technologischen Position der Anbieter im Vergleich zum allgemeinen technologischen Stand des jeweiligen Landes abhängt. Daher ist von Bedeutung, wie sich der umwelttechnische Fortschritt in Deutschland entwickelt hat. Die Unterscheidung zwischen additiven und integrierten Umweltschutz-Maßnahmen ist sehr entscheidend bei der Diskussion von internationalen Wettbewerbsvorteilen. Negative Effekte des Umweltschutzes sind hauptsächlich auf additive Maßnahmen zurückzuführen, durch die dem Produzenten im Vergleich zum internationalen Wettbewerb höhere Kosten entstehen. Der höhere Preis benachteiligt folglich die Wettbewerbssituation eines umweltschützenden Anbieters. Dagegen ermöglichen integrierte Maßnahmen dem Anbieter Kosten- und Wettbewerbsvorteile bei gleichzeitig erhöhter Standortattraktivität durch verbesserte Umweltqualität. Diese Vorteile entstehen einerseits mittel- bis langfristig aus technischem Fortschritt an Produktionsprozessen, wodurch die Gesamtproduktivität gesteigert werden kann. Andererseits sind produktbezogene Maßnahmen zu erwarten, die auf dem Markt von Konsumenten und Produzenten zunehmend nachgefragt werden (Solbach 1998). Betrachtet man die Entwicklung des umwelttechnischen Fortschritts besonders unter Berücksichtigung der Differenzierung in additive und integrierte Umwelttechnik, so lassen sich im Zeitablauf unterschiedliche Entwicklungstendenzen aufzeigen. Eine der ersten empirischen Untersuchungen für das verarbeitende Gewerbe stützt sich auf die Daten der Umweltschutzinvestitionen des Statistischen Bundesamtes (von Hauff, Solbach 1999), welche für den Zeitraum 1975 bis 1994 zur Verfügung standen. Dabei wurden die gesamten Umweltschutzinvestitionen je nach Verwendung im Produktionsprozess in Ausgaben für additive, integrierte und produktbezogene Investitionen unterteilt. Entgegen den Erwartungen zeigt die Untersuchung, dass integrierter Umweltschutz für diesen Zeitraum von untergeordneter Bedeutung war. Im Durchschnitt entfielen nur 18 % der gesamten Umweltschutzinvestitionen auf integrierte Maßnahmen. Der mit fast 77 % größte Teil der Investitionen bestand hingegen aus additiven Umweltschutzinvestitionen. Nur etwa 5 % wurde in produktbezogene Umweltschutzmaßnahmen investiert. Auffällig war, dass die vier Wirtschaftszweige des verarbeitenden Gewerbes (Grundstoff- und Produktionsgütergewerbe, Investitionsgütergewerbe, Verbrauchsgütergewerbe und Nahrungs- und Genussmittelgewerbe) eine weitgehend analoge Investitionsstruktur hatten: Im gesamten Zeitraum stiegen die additiven Umweltschutzinvestitionen, demgegenüber sanken die produktbezogenen. Der Anteil integrierten Umweltschutzes blieb nahezu konstant. Neuere empirische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass integrierte Umwelttechnik in den letzten Jahren eindeutig an Bedeutung gewonnen hat (Frondel et al. 2007). In einer vergleichenden Länderstudie über sieben OECD-Länder für das Jahr 2003 kommen sie zu dem Ergebnis, dass im Durchschnitt 77 % in integrierte Umwelttechnologien und nur 23 % in additive Umwelttechnologien investiert wurden. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den

82

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Ländern: Deutschland liegt mit einem Anteil von 58 % integrierter Umwelttechnologien an letzter Stelle, während Japan mit einem Anteil von 87 % die Ländergruppe anführt. Hiervon zu unterscheiden sind Studien, die sich allgemein mit ökonomischen Effekten von Umweltinnovation beschäftigen, woraus sich dann auch Schlussfolgerungen auf die Wettbewerbssituation der Unternehmen ableiten lassen. Dabei kommen beispielsweise Horbach u. a. zu dem Ergebnis: „Descriptive results of our empirical analysis show that the innovation activities with high or medium environmental impacts concentrate on the reduction of energy use, CO2 emissions and recycling whereas ‘older’ areas such as the reduction of other air emissions or water pollution that are not in the focus of present political discussions are underrepresented. The majority of eco-innovations (80,4 %) lead to lower or constant costs, 32 % of these innovations are connected with a higher turnover so that they are also economically successful.” (Horbach u. a. 2011, S. 27) Insgesamt kann an neoklassischen Modellen die makroökonomische Vorteilhaftigkeit der Preiseffekte durch den technischen Fortschritt nachgewiesen werden. Die Wohlfahrt steigt aufgrund erhöhter Gütermenge bei gleicher Umweltnutzung. Zusätzlich verringert sich die Importabhängigkeit eines Landes und es steigt der Standortfaktor Umweltqualität. Insbesondere umweltintensive Industrien können unter der Annahme hoher Einsparpotenziale ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit ausbauen (Solbach 1998, S. 196 f. und 309–314). Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass gegenwärtig wie auch in Zukunft additive Umwelttechnik nicht unbegrenzt durch integrierte Umwelttechnik substituiert werden kann. Auch in Zukunft gilt, dass nur eine entsprechende Kombination aus additiver und integrierter Umwelttechnik zu einer optimalen Umweltentlastung führt. Die Notwendigkeit eines gewissen Niveaus an additiven Techniken erklärt sich aus der Tatsache, dass trotz eines wachsenden Einsatzes integrierter Umwelttechniken nicht jede Emission vermeidbar ist. Zwei Fallstudien für organisatorische Innovationen im Bereich des Unternehmenssektors Die im „Oslo-Manual“ festgelegten Richtlinien sehen im Rahmen der Innovationsforschung die Unterscheidung nach technologischen und nach organisatorischen Neuerungen vor (OECD, Eurostat 1997). Organisatorische Innovationen führen jedoch in der empirischen Innovationsforschung zu erheblichen Erfassungs- und Abgrenzungsproblemen, weswegen heute die Organisationseinheit „Unternehmen“ als Referenzgröße gewählt wird. Entsprechend wird die subjektiv erfasste Einführung einer Neuerung beziehungsweise die signifikante Verbesserung in einem Unternehmen als Innovation bezeichnet (Hemmelskamp 1999, S. 13 ff.). Hierzu gibt es verschiedene Beispiele bzw. Konzepte. Ein Ansatz ist, nachhaltige Innovationen und Geschäftsmodelle miteinander zu verbinden. Dabei geht es darum, ein nachhaltiges Geschäftsmodell mit Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu verbinden. Das Konzept lässt sich auch für die Makroebene erweitern: „A systematic approach to innovation emphasizes the role of actors, networks and institutions; innovation systems are seen as knowledge of technology producing systems.“ (Boons, Montalvo, Quist, Wagner 2013, S. 4) Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf unternehmensbezogene Umweltmanagementsysteme und das Konzept nachhaltiger Gewerbegebiete.

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

83

Betrachtet man organisatorische Innovationen im Kontext der Umweltpolitik, so lässt sich feststellen, dass Umweltmanagementsysteme hierbei seit den 1990er-Jahren eine wichtige Bedeutung erlangt haben (erste Fallstudie). Besonders hervorzuheben sind die Umweltmanagementsysteme „Eco-Management and Audit Scheme“ (EMAS) und „ISO 14001“. Im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit müssen auch jene Umweltinnovationen, die durch Umweltmanagementsysteme ausgelöst wurden, zur Umweltverbesserung beitragen. Bisher wurden organisatorische Umweltinnovationen in der Literatur weitgehend vernachlässigt. Trotz dieses Befundes kann man feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung umwelttechnischer Innovationen leisten (Murphy, Gouldson 2000, S. 36). Geht man nicht mehr von Umweltmanagementsystemen aus, die auf einzelne Unternehmen ausgerichtet sind, sondern betrachtet Unternehmensagglomerationen wie Gewerbegebiete, so ergibt sich daraus das Konzept nachhaltiger Gewerbegebiete (zweite Fallstudie). Nachhaltige Gewerbegebiete haben in dem Konzept des Eco-Industrial Park einen Vorläufer. Eco-Industrial Parks basieren jedoch nur auf der ökologischen Nachhaltigkeit (Wilderer 2002). Ein nachhaltiges Gewerbegebiet basiert auf dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung, das über die ökologische Nachhaltigkeit hinausgeht. Fallbeispiel 1: Die Bedeutung von Umweltmanagementsystemen für organisatorische Innovationen Organisatorische Umweltinnovationen schaffen eine vorteilhafte Umgebung für die Einführung von neuen beziehungsweise integrierten Umwelttechnologien und helfen somit den Nutzen aus technischen Innovationen zu sichern und zu kanalisieren. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, weiter zwischen Innovationen in der Aufbauorganisation und in den sogenannten „managerial Systems“ (Ablauforganisationen, eingesetzte Instrumente) zu unterscheiden (Rennings et al. 2005, S. 6). Betrachtet man beispielsweise das EMAS, so ist aus einer Makroperspektive das EMAS als organisatorische Ablaufinnovation zu identifizieren. Dabei ist noch hervorzuheben, dass EMAS ein freiwilliges Instrument des betrieblichen Umweltschutzes ist, dessen Ausgestaltung erhebliche Freiräume zulässt. Es ermöglicht weiterhin organisatorische Innovationen und fördert auch technische Produkt- und Prozessinnovationen direkt oder indirekt. Die umweltökonomische Forschung hat lange übersehen, dass auch freiwillige Instrumente des Umweltschutzes zu solchen Innovationen führen können. Damit wurden Innovationsmöglichkeiten und die damit verbundenen Kostensenkungspotenziale wie auch proaktiver Umweltschutz als strategische Marktdifferenzierungsmöglichkeit vernachlässigt. In ähnlicher Form stellt sich dies für das Umweltmanagementsystem ISO 14001 dar. Eine Analyse der bisher vorliegenden empirischen Untersuchungen zum Innovationspotenzial von Umweltmanagementsystemen ergibt ein heterogenes Bild: Es gibt Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen Umweltmanagementsystemen und ökologischen Innovationen bezweifeln. So stellen manche Autoren fest, dass es ohne eine gezielte Personal- und Organisationsentwicklung zu keinem selbst gesteuerten Innovationsprozess kommt (Jäger et al. 1998). Dagegen kommen andere Autoren zu der Erkenntnis, dass es zwischen EMAS und dem Innovationspotenzial von Betrieben eine positive Beziehung gibt, da besonders die „Capacity to innovate“ gestärkt werde (Bradford et al. 2000). Dabei werden besonders die durch das

84

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Umweltmanagement ausgelösten organisatorischen Innovationen hervorgehoben. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich abschließend auf eine der umfangreichsten empirischen Untersuchungen, die vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) durchgeführt wurde (Rennings et al. 2005, S. 215 ff.):  EMAS wirkt vor allem indirekt und erhöht das Innovationspotenzial der Unternehmen: Die Untersuchung hat gezeigt, dass EMAS sowohl direkt als auch indirekt Umweltinnovationen auslöst.  Die Reichweite von EMAS nimmt im Zeitablauf zu: Die Erkenntnis wurde empirisch bestätigt und resultiert daraus, dass von drei aufeinander aufbauenden Phasen auszugehen ist. Phase 1 ist durch die Einführung der formalen Elemente des Umweltmanagementsystems geprägt, Phase 2 bestimmt sich durch die Analyse und Reorganisation der technischen und organisatorischen Prozesse und in Phase 3 geht es um eine Ausweitung des standortbezogenen Umweltmanagementsystems auf Kooperationen.  Unternehmensinterne und -externe Faktoren beeinflussen die Reichweite der durch EMAS ausgelösten Innovation: Es zeigte sich, dass besonders die Vorerfahrungen im Umweltschutz und die organisationale Lernfähigkeit in Unternehmen von Bedeutung sind. Dagegen sind die unternehmensexternen Faktoren von geringerer Relevanz.  Die Potenziale für Produktinnovationen sind noch nicht ausgeschöpft, weitere Maßnahmen sind erforderlich: Zunächst lässt sich feststellen, dass das Niveau der Prozessinnovationen über jenem der produktbezogenen Maßnahmen liegt. Es konnten jedoch auch Produktinnovationen ermittelt werden. So gaben 35 % der befragten Unternehmen an, ökologisch verbesserte Produkte eingeführt zu haben, und von diesen erkennen 49 % einen relevanten Einfluss des Umweltmanagementsystems.  Umweltberichterstattung fördert die Diffusion von Umweltinnovationen: Entsprechend der Befragung nutzen 71 % der Befragten Erklärungen anderer Firmen als Anregungen für die eigene Umwelterklärung. Darüber hinaus wird sie von relativ vielen Unternehmen auch als Anregung für Innovationen verwendet. 39 % der befragten Unternehmen gaben an, Anregungen für organisatorische Gestaltung aus Umwelterklärungen zu beziehen und für 35 % der Befragten gilt dies für Prozessinnovationen.  Die strategische Bedeutung von EMAS verbessert Innovationswirkungen: EMAS hat für die Unternehmen die Funktion, ihr Image in der Öffentlichkeit zu verbessern, Rechtssicherheit herzustellen und die interne Organisation zu verbessern. Damit werden sowohl strategische als auch operative Zwecke angestrebt, wobei Letztere überwiegen.  Eine strategische Ausrichtung von EMAS fördert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen: Aus der Befragung lässt sich ableiten, dass Betriebe, die EMAS eingeführt haben, sich im Wettbewerb eher über die Qualität ihrer Produkte als über niedrige Preise profilieren. Positive Wirkungen auf den Unternehmenserfolg sind besonders bei jenen Betrieben feststellbar, in denen starke Lernprozesse im Betrieb erzielt wurden. Dagegen ist der Einfluss technologischer Umweltinnovationen auf den Unternehmenserfolg stärker ausgeprägt. Betriebe mit prozess- und produktbezogenen Umweltinnovationen weisen eine deutlich bessere Entwicklung von Beschäftigung und Umsatz auf. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Unternehmen bei einer guten Verzahnung von Umwelt- und Innovationsmanagement ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken können. Es geht

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

85

dann sowohl um die organisatorische Implementierung des Umwelt- und Innovationsmanagement als auch um die praktische Einführung neuer und veränderter Prozesse und Produkte. Dabei ist die organisatorische Durchdringung von EMAS im Betrieb ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um Umweltinnovationen anzustoßen. Ähnliches gilt für konkurrierende Standards wie die ISO 14000-Reihe und für „niederschwellige“ Ansätze (z. B „Ökoprofit“) mit kleinen und mittleren Unternehmen als Zielgruppe. Die Unterschiede zwischen den Ansätzen liegen im Umfang, in Berichtspflichten und schließlich ihrer Verbreitung. Bezüglich der Wirkungen besteht Skepsis, ob Umweltmanagementsysteme die anfänglich an sie gestellten Erwartungen erfüllen und ob sie die Ressourceneffizienz tatsächlich steigern. Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland – ähnliches gilt für die meisten anderen Länder – beurteilen in diesem Zusammenhang gerade EMAS sehr viel kritischer als ISO 14001. Hier ist der bislang höhere bürokratische Aufwand, v. a. aufgrund Berichtspflichten, die bisher eingeschränkte Anwendbarkeit in Kommunikation und die fehlende weltweite Verankerung, als spezifische Kritikpunkte an EMAS anzuführen (Baum et al. 2007, S. 141–144). Es wird also deutlich, dass Nachhaltigkeitsinnovationen nicht nur die ökologische Dimension sondern auch die ökonomische und die soziale Dimension mit einbeziehen müssen. Nur so lässt sich das Ziel nachhaltiger Entwicklung in einem umfassenden Sinne realisieren. Daher geht es nicht nur darum, die Auswirkung einer Umweltinnovation auf die Wertschöpfung zu analysieren, sondern es sollten hierbei auch andere ökonomische und soziale Variablen wie die Produktivität, die Beschäftigung oder die Einkommensverteilung näher untersucht werden. Ansätze einer umfassenden Berücksichtigung über ökologisch-ökonomische Zusammenhänge hinaus werden neuerdings als Konzepte eines nachhaltigen Wirtschaftens auf Unternehmensebene („Corporate Sustainability“) erfasst. Die obigen Erkenntnisse gelten hier analog: Ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften darf nicht additiv sein, sondern muss umfassend und effektiv in die Kerngeschäfte integriert werden (Nauta, Merten 2008). Kleine und mittlere Unternehmen haben hier – mit Ausnahme der besonders Engagierten, die beispielsweise eine nachhaltigkeitsorientierte Nische besetzen – besonderen Bedarf, weshalb angepasste Förderungen v. a. durch Staat und Standesvertretungen notwendig werden (siehe beispielsweise von Hauff et al. 2005). Das nachhaltige Wirtschaften ist grundlegend von der mikro- und makroökonomischen Umsetzung abhängig. Im Rahmen dessen soll die Ökologie mit technischem Fortschritt und einer abgestimmten Politik strukturell in Produkt- und Produktionsprozesse integriert werden. Damit wird die Gesellschaft zum Erstreben des Zieles selbst befähigt, ökologische und ökonomische Stoff-/ Energieströme miteinander zu vereinbaren. Der strukturelle Wandel in Form einer Ökologischen Modernisierung soll Umwelttechnik, -ökonomik und -politik vereinigen (Birke 2001, S. 250–252; siehe auch S. 127). In diesem Sinne erlegt die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands den Produzenten und Konsumenten eine hohe Verantwortung auf (Deutsche Bundesregierung 2002, S. 50). Die Strategie soll besondere dadurch wirksam werden, dass sie nicht nur die langfristigen Grenzen der Tragfähigkeit aufzeigt, sondern eine Orientierungsfunktion für langfristige Innovationsprozesse innehat (Luks, Nill 2003, S. 2).

86

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Ein wichtiges Problem der Bewertung der verschiedenen Wirkungen von nachhaltigen Innovationen begründet sich aus dem schwierigen Vergleich von verschiedenen Indikatoren. Horbach verdeutlicht das Problem mit einem Beispiel, über das ein großer Konsens besteht: „Ist die Vermeidung einer Tonne CO2-Emissionen im Kontext nachhaltiger Entwicklung wichtiger als 200 Arbeitslose (Horbach 2005, S. 7)?“ Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, wofür Gerechtigkeitsvorstellungen heranzuziehen sind. Steht die Entscheidungsgrundlage bzw. das damit verbundene Abwägungsverfahren fest, so lassen sich dementsprechend Entscheidungen treffen. Das nachfolgende Kapitel vier geht der Frage nach, wie ökonomische und ökologische Forderungen abgewogen werden können, wofür sich das Konzept der „Ökoeffizienz“ etabliert hat. Dieses geht davon aus, dass durch Synergien kein „Entweder-oder“ von Ökonomie und Ökologie vonnöten ist, sondern eine für beide Dimensionen vorteilhafte Lösung existiere. In der Literatur bestehen aber unterschiedliche Vorstellungen darüber, mit welcher Priorität die beiden Dimensionen eingehen müssen, was wiederum politische Implikationen nach sich zieht. Weiterentwicklung des Umweltmanagements Es stellt sich grundsätzlich die Frage, welchen Stellenwert ökologie- bzw. nachhaltigkeitsorientiertes Management in Unternehmen hat. Hier besteht bei Unternehmen immer noch große Skepsis, ob Umweltmanagement und Ökoeffizienz zum Unternehmenserfolg, insbesondere zu Kosteneinsparungen beitragen. Die Unternehmen verorten die positiven Effekte des Umweltund Ressourcenschutzes hauptsächlich im Bereich der Imagepflege, gefolgt von Mitarbeitermotivation, Innovationskraft und Rechtssicherheit (Baum et al. 2007, S. 68-76). Eine Möglichkeit, dieses Hindernis zu überwinden, ist eine Integration der Umwelt- und zukünftig auch verstärkt der Sozialaspekte in die betrieblichen Kernprozesse. Beispielsweise gehen Umweltmanagementsysteme zunehmend in integrierte Managementsysteme ein, wo sie mit Qualitätsmanagement und Arbeitsschutz/Sozialmanagement zu einem einheitlichen System zusammengeführt werden (Funck, Pape 2008; Zink et al. 2008).

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

87

Die internationale Norm ISO 26000, hat eine zentrale Bedeutung für die weitere Entwicklung zu einem Nachhaltigkeitsmanagement. Die Norm bietet einen standardisierten Rahmen für die „Social Responsibility“, wodurch sich der Ver- Managementsysteme antwortungsbereich von Unternehmen und an- Es existieren Managementsysteme für unterschiedlideren Organisationen wesentlich erweitert. Cor- che Anwendungsbereiche. Für die Umsetzung von auf der betrieblichen Ebene sind u. a. porate Social Responsibility (CSR) fordert die Nachhaltigkeit folgende bedeutend: Verantwortung der Unternehmen für die Anlie Qualitätsmanagement nach der internationalen gen der betrieblichen und außerbetrieblichen Normenreihe ISO 9000 oder Ansätze eines Total Anspruchsgruppen, d. h. gegenüber den StakeQuality Managements (siehe Zink 1998). holdern ein (v. Hauff 2010, S. 91). Die wirt-  Umweltmanagement wie die ISO 14001 oder das europäische Eco-Management and Audit schaftliche Verantwortung des Unternehmens Scheme (EMAS). Ersteres hat sich in der Industwird dabei neben ökologischen noch um soziale rie weltweit durchgesetzt. Letzteres hat sich hinAnforderungen erweitert. Neben der Sicherung gegen noch nicht durchgesetzt, weshalb die mittlerweile dritte Fassung diverse Hindernisse der Wettbewerbsfähigkeit und damit des eigeausräumen soll. nen Fortbestehens, zielt CSR auf eine gerechte  Beim Sozialmanagement sind SA 8000 mit FoAufteilung und Nutzung der wirtschaftlichen, kus auf Menschenrechte und Arbeitsbedingunnatürlichen und sozialen Ressourcen sowohl in gen sowie AA 1000 zur Abbildung der Leistunder Gegenwart als auch gegenüber zukünftigen gen sozialen und ethischen Verhaltens zu nennen. Generationen ab. Ausgangspunkt der Überlegungen ist hier, dass Unternehmen, insbesondere Großunternehmen, als „quasi-public Corporation“ (Berle, Means 1932) bzw. im Deutschen als „quasi-öffentliche Institution“ (Ulrich 1977) vielfältige Ansprüche interner und externer Gruppen berücksichtigen sollen. Dazu zählen u. a. Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmenseigner sowie Lieferanten, Kunden, Gewerkschaften, Behörden und Verbände. Diese sogenannten „Stakeholder“ sind für die Organisationen mitunter von existenzieller Bedeutung, weil zwischen ihnen Austauschbeziehungen und Abhängigkeiten bestehen (Cyert, March 1963). Über die gegenseitigen Ansprüche werden nicht nur ökonomische, sondern zunehmend ökologische und soziale Forderungen an Unternehmen gestellt. Demnach sollen Unternehmen     

sich für ihre kurz- und langfristige Entwicklung engagieren, Mitarbeiter verantwortungsvoll behandeln, Arbeitsplätze erhalten, möglichst schaffen, Umweltbelange und Verbraucherwünsche so gut wie möglich berücksichtigen, sich für die sie umgebende soziale Umwelt engagieren und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sowie  auch den „Shareholder-Value“ zur Erhaltung und Steigerung des Unternehmenswertes berücksichtigen (Leisinger 1997, S. 21).

Die ISO-Norm ist in diesem Kontext als ein Standard konzipiert, welcher den freiwilligen und individuellen Charakter jeder Umsetzung betont. Daher soll die Norm nicht zertifizierbar sein. Es ist aber von einem großen Impuls für Auditierer auszugehen, die auf Grundlage der ISO 26000 die Umsetzung der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen begleiten und abprüfen werden.

88

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Eine weitere Besonderheit der Norm ist ihr Entstehungsprozess, weil die Beratungen darüber – für eine ISO-Norm erstmalig – öffentlich und unter Beteiligung der interessierten Stakeholder geführt wurden. Fallstudie 2: Organisatorische Innovationen am Beispiel nachhaltiges Gewerbegebiet Es ist zunächst zu klären, welche Anforderungen die nachhaltige Entwicklung an das Konzept eines nachhaltigen Gewerbegebietes stellt. Ein erster Schritt hierzu ist, die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung inhaltlich abzugrenzen (ausführlich hierzu v. Hauff 2012, S. 111ff.):  Beispiel für ökologische Nachhaltigkeit: Ein wichtiges Handlungsfeld in einem Gewerbegebiet ist die Energieversorgung. Bisher kommt es in einem Gewerbegebiet in der Regel zu einer Energienachfrage durch die einzelnen Unternehmen. Ein übergreifendes Energiekonzept für das gesamte Gewerbegebiet ermöglicht jedoch vielfältige Alternativen. Entscheiden sich beispielsweise die Unternehmen in einem Gewerbegebiet für ein gemeinsames Energiekonzept, so können regenerative Energieträger zum „Zuge kommen“, da hier eine ganz andere Kostenstruktur entsteht als bei einer einzelwirtschaftlichen Energieversorgung. Kommt es also sowohl zu ökologisch als auch ökonomisch positiven Effekten, spricht man von Ökoeffizienz.  Beispiel für ökonomische Nachhaltigkeit: Ein wichtiges Handlungsfeld im Rahmen von nachhaltigen Gewerbegebieten ist eine effiziente bzw. nachhaltige Verkehrsinfrastruktur bzw. Verkehrsanbindung des Gewerbegebiets. Das gilt sowohl für eine nachhaltige Verkehrsanbindung des Güterverkehrs (Anlieferung und Abtransport von Gütern) als auch für die Verkehrsanbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gewerbegebietes. Dabei geht es primär um die Reduzierung von Fahrten und Fahrzeiten, was sowohl für den Güterverkehr als auch für Arbeitnehmer zu Kosteneinsparungen führt. Dies wirkt sich somit sowohl auf den Ertrag des Unternehmens als auch auf das reale Einkommen der Beschäftigten aus.  Beispiel für soziale Nachhaltigkeit: Entsprechend zur Sozialstruktur einer Gesellschaft stellt sich in diesem Kontext die Frage nach der Sozialstruktur eines Gewerbegebietes. Zunächst scheint ein abgestimmtes Management aller Unternehmen des Gewerbegebietes notwendig zu sein. Daraus begründet sich dann nicht nur ein unternehmensspezifisches, sondern auch ein gewerbegebietorientiertes Identitätsgefühl aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist für den Abstimmungsprozess zwischen den Unternehmen im Gewerbegebiet, aber auch zwischen Gewerbegebiet, Kommune und Bürgerinnen und Bürgern von großer Bedeutung. Als weitere Handlungsfelder sind Humanisierungsmaßnahmen, Fortbildungsmaßnahmen und Freizeitangebote im Gewerbegebiet zu nennen. In diesem Kontext spricht man auch von Auf- und Ausbau immaterieller Ressourcen. Darüber hinaus gibt es Handlungsfelder, die zu einer Verbesserung der sozialen Lebenslage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen können. Ein Handlungsfeld ist beispielsweise die mitarbeiterorientierte Kinderbetreuung. Findet die Kinderbetreuung im Gewerbegebiet statt, erleichtert das in hohem Maße die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und trägt gleichzeitig zu einer Entspannung der Eltern bei. Dies erhöht gleichzeitig die Produktivität der betroffenen Eltern. Es ermöglicht auch bisher nicht erwerbstätigen Frauen in das Berufsleben zurückzukehren, was sowohl den betroffenen Frauen als auch –

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

89

unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung – den Unternehmen in dem Gewerbegebiet nützlich ist. Darüber hinaus reduziert es anfallende Fahrten der Eltern zu außerhalb liegenden Betreuungseinrichtungen bzw. zu privaten Betreuern und führt dadurch zu erheblichen Einspareffekten bei den Emissionen, die durch den Berufsverkehr verursacht werden. Exemplarisches Gewerbegebiet: Das Industriegebiet „Am Kruppwald/An der Knippenburg“ in Bottrop/NRW wird hier beispielhaft für das Konzept „nachhaltiges Gewerbegebiet“ vorgestellt. Das Industriegebiet besteht seit den 1960er-Jahren, hat eine Fläche von 120 ha und ist voll mit 25 großen Unternehmen sowie vielen kleinen und mittleren Unternehmen besiedelt. Alle großen Unternehmen haben bereits ein Umweltmanagementsystem eingeführt und/oder nahmen am „Ökoprofit“-System des Landes NRW teil. Trotz der hohen integrierten Umweltstandards haben sich die Unternehmen der weiterführenden Aufgabe der Entwicklung ihres Industriegebietes zu einem „nachhaltigen Gewerbegebiets“ gestellt. Unter der Beteiligung der Kommune gründete sich eine Interessengemeinschaft aus den 25 größten Unternehmen vor Ort, die bei regelmäßigen Treffen ihre Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln. Hier eine Zielübersicht, durch die die Unternehmen die nachhaltige Entwicklung anstrebten: 1.

Entwicklung eines nachhaltigen Gebietsmanagements

Ziel:

Prüfung aller Entscheidungen auf Nachhaltigkeit.

Maßnahmen:

Gründung einer Interessengemeinschaft, Entwicklung von Kooperationen in gewerbegebietstypischen Entscheidungsfeldern (Bewachung, Einkaufsgemeinschaft, Abfallentsorgung, gemeinsame Nutzung des Bahnanschlusses usw.), Entwicklung von betrieblichen Synergien sowie horizontalen oder vertikalen Netzwerken z. B. Unternehmen gleicher oder verschiedener Produktionsstufen eines Produktes, Nutzung von Non-Product-Output, Nutzung von Prozesswässern und Abwärme des Nachbarbetriebes, gemeinsame Nutzung von Fuhrpark, Lagerstätten, Logistik usw.

2.

Entwicklung eines nachhaltigen Wassermanagements

Ziele:

Reduktion des Wasserverbrauchs, Sicherung der Grundwasserqualität, Vermeidung von Abwasseremissionen.

Maßnahmen:

Senkung des Gesamtwasserverbrauchs, Brauchwassernutzung, Vermeidung und Klärung von Schmutzwasser, ökologische Maßnahmen der Abwasserbeseitigung, produktionsintegrierte Umweltschutzmaßnahmen, Regenwasserbewirtschaftung in Form von Versickerung, Entsiegelung, Einleitung, Dachbegrünung oder Nutzung zur Kostenreduzierung (Gebühren) und Regulierung des Wasserhaushaltes.

90

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung 3.

Entwicklung eines nachhaltigen Abfallmanagements

Ziele:

Verringerung der Abfallmengen durch Vermeidung von Abfall vor Verwertung und vor umweltgerechter Entsorgung.

Maßnahmen:

Senkung der Entsorgungskosten durch Nutzung von Synergien, Erstellung einer Abfallbilanz und eines Abfallwirtschaftskonzepts, quantitative Abfallvermeidung durch Verringerung der eingesetzten Masse, Erhöhung der Gebrauchsdauer, Reduktion der verwendeten Stoffe, qualitative Abfallvermeidung durch Vermeidung von giftigen Stoffen, Vermeidung von Stoffverbünden, Abfallverwertung bzw. -trennung oder Recycling statt Entsorgung.

4.

Entwicklung eines Energiekonzeptes

Ziel:

Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emis-sionen.

Maßnahmen:

Einführung von Energiemanagementsystemen, energieeffizientes Wirtschaften und Produzieren (Rationelle Energieumwandlung, Vermeidung von Leitungsverlusten, Einsatz von effizienter und sparsamer Gebäudetechnik), Senkung des Elektrizitätsbedarfs, Senkung des Heizwärmebedarfs, (Energiesparmaßnahmen an bestehenden Gebäuden, Nutzung von Abwärme), Bau eines BHKWs zur Versorgung des Gebietes mit Strom und Wärme, Reduktion des Kraftstoffeinsatzes, Umstellung auf alternative Kraftstoffe, Nutzung regenerativer Energien (Biogas, Erdwärme und Solarenergie).

5.

Entwicklung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen

Ziel:

Städtebauliche Qualität und Wahrnehmung verbessern.

Maßnahmen:

Corporate Design für das Gesamtgebiet, Schaffung eines qualitativen Umfeldes, attraktive Straßenraumgestaltung, nachhaltige Baukonzepte für Um-, An- und Neubauten, bauliche Verdichtung , Einsatz ökologischer Baustoffe.

6.

Entwicklung einer nachhaltigen Verkehrsnutzung

Ziel:

Reduktion des Verkehrsaufkommens und der Belastungen durch den Verkehr.

Maßnahmen:

Direkte Anbindung an die Autobahn (Verkehrsverringerung), Kombination von Anlieferung und Abtransport im Gebiet (Verkehrsverringerung), Reduzierung der Verkehrsflächen, Nutzung des Bahnanschlusses, ÖPNV-An-

3.2 Innovationen ökologischer Nachhaltigkeit

91

bindung auf Betriebszeiten auslegen, Ordnung des ruhenden Verkehrs, Anschluss an Radwegeverbindungen, Reduktion des Kraftstoffeinsatzes, Umstellung auf alternative Kraftstoffe. 7.

Entwicklung eines sozialen Konzeptes

Ziel:

Flexibilisierung der Arbeitszeiten, Qualifizierung, Erhöhung der Arbeitszufriedenheit.

Maßnahmen:

Individuelle Kinderbetreuung (24-Std-Betreuung, 0-14 Jahre, Krankenstation, Hausaufgabenbetreuung), Ausbildungskooperationen, Durchführung von Praktika, Werksunterricht, Austausch von Auszubildenden, Zusammenarbeit mit Schulen, Gesundheitsangebote, Betriebssport, Einrichten eines Mittagstisches in Werkskantine.

An den dargestellten Handlungsfeldern fällt besonders auf, dass es sich um eine umfassende, gleichrangige Sicht auf ökologische, ökonomische und soziale Inhalte handelt, die hier erstmalig für ein Industriegebiet formuliert wurden. Anders als bei den „Eco-Industrial Parks“, die vor allem die klassischen ökologischen Inhalte in ihrem Konzept berücksichtigen (z. B. Energie- und Material-Effizienz, Abfall- und Wassermanagement, Stoffstrommanagement, Kreislaufwirtschaft), werden hier auch bisher in der Industriegebietsentwicklung eher marginale ökologische Maßnahmen wie z. B. Regenwasserbewirtschaftung, Dachbegrünung, Nutzung regenerativer Energien, Umstellung auf alternative Kraftstoffe, ökologische Baukonzepte, Reduzierung der Versiegelungsflächen oder soziale Maßnahmen wie z. B. Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Erhöhung der Arbeitszufriedenheit, Kinderbetreuung, Ausbildungskooperationen, Gesundheitsangebote, Restauration als wichtige Parameter eines nachhaltigen Industrie/Gewerbegebietes betrachtet und entwickelt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass eine Reihe von Maßnahmen eine ökonomische Relevanz und/oder gleichzeitig soziale und ökologische Relevanz beinhalten: z. B. Erhöhung der Material- und Ressourceneffizienz, Betrachtung des Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen, energetische Sanierung von Gebäuden, Entwicklung von Kooperationen und Synergien, Verbesserung der städtebaulichen Qualität des Gebietes, Schaffung eines qualitätsvollen Umfeldes, bauliche Verdichtung des Gebietes, ökologische (und damit wirtschaftliche) Gebietserschließung, Einsatz effizienter Gebäudetechnik, Vermeidung von Abwasseremissionen, Ausbildungskooperationen, Einrichten eines betriebsübergreifenden Mittagstisches usw.

92

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung Handlungsfelder

Indikatoren



Ökologiefreundliche Gestaltung des Gewerbegebietes



Anzahl der Anlagen (Bäume, Beete, Wasserspiele)



Wettbewerbs- / Vorschlagswesen zum ökologiefreundlichen Gewerbegebiet



Anzahl und Qualität der Verbesserungsvorschläge



Ressourceneffizienz

• • •

Verringerung der Abfallmenge Verringerung der Wassermenge Verringerung des Energieverbrauchs

-

Abfallmanagement Wassermanagement Energieeffizienz



Wirtschaftlichkeit /Wettbewerbsfähigkeit



Wirtschaftlicher Nutzen (Steigerung des Gewinns)

• •

Gemeinsames Logistikkonzept Gemeinsamer Einkauf



Anzahl / Gewicht des gemeinsamen Transportes Umsatz des gemeinsamen Einkaufs

• • • • •

Gemeinsame Ausbildungskonzepte Flexibilisierung der Arbeitszeiten Gemeinsame Praktikumsbörse Schüler- / Schülerinnentag

• • •

Anzahl gemeinsamer Ausbildungsprogramme Zahl der Praktikanten Zahl der Teilnehmer

• •

Gemeinsame Kantine Kinderbetreuung

• •

Anzahl der Besucher Anzahl der betreuten Kinder

• •

Fitnesscenter Kulturelle Veranstaltungen

• •

Teilnehmer an Fitnessprogrammen Zahl der Teilnehmer

• • •

Fahrgemeinschaft Energiekonzept Kommunale Verkehrsanbindung

• • •

Reduktion der Nutzung einzelner PKW (Reduktion von CO2) Energie aus eigener Anlage Taktzeiten



Nachhaltigkeitsmanagement für das Gewerbegebiet Corporate Design

• • •

Anzahl der Meetings Anzahl der Projekte Grad der Partizipation



Quelle: Eigene Darstellung Tab. 3-3: Handlungsfelder und Indikatoren für nachhaltige Gewerbegebiete

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

93

Es wird deutlich, dass  die bisher verfolgten Ziele vorwiegend produktions- und prozessorientierte Aspekte eines Umweltmanagements (Wasser, Abfall, Energie) umfassen,  die Gestaltung städtebaulicher Strukturen und der Verkehrsnutzung ebenfalls eine starke Umweltorientierung aufweist,  originär ökonomische Aspekte bislang nicht eigens formuliert wurden sowie  eine gewisse, mitarbeiterbezogene Ergänzung durch das soziale Konzept besteht. Aus diesen Erkenntnissen heraus sind v. a. die ökonomischen Vorteile eines an Nachhaltigkeit orientierten Gewerbepark-Konzeptes weiter zu verdeutlichen. Dabei weist Lowe explizit darauf hin, dass ein Industriepark bzw. Gewerbegebiet als Gemeinschaft von Produktions- und Dienstleistungsunternehmen durch die Zusammenarbeit eine bessere Umwelt- und Wirtschaftsleistung bei der Bewirtschaftung von stofflichen Ressourcen, Energie, Wasser und Materialien anstreben (Lowe 1998), was in dem bisherigen Konzept schon relativ weit entwickelt ist.

3.3

Umwelttechnischer Fortschritt

In einer ersten Annäherung ist es relativ einfach, allgemeine Charakteristika von Umwelttechnologien (so genannte „clean technologies“ oder auch „cleaner technologies“) zu identifizieren (OECD 1995, 14): Diese Technologien verwenden Ressourcen effizienter als konventionelle Technologien, durch sie lassen sich Produkte mit weniger umweltbelastenden Stoffen herstellen, durch sie werden im Produktionsprozess die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden weniger belastet und es können Produkte mit einem höheren Recyclinggrad hergestellt werden. Eine exaktere Abgrenzung führt jedoch zu konkreten Fragen bzw. Kontroversen. Zunächst geht es um die Begründung von Umwelttechnik. In Analogie zu Elbasha, Roe 1995 zeigt sich Umwelttechnik im Kontext nachhaltiger Entwicklung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht als sinnvoll, wenn der Nutzen, der sich an der Erhöhung des Wohlbefindens und des Gesundheitsniveaus der Gesellschaft bemisst, die Kosten übersteigt. Auf die Probleme der Nutzenmessung in diesem Zusammenhang soll hier nur hingewiesen werden. Positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte sind im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang daher wünschenswerte „By-products”, nicht jedoch die Begründung für den Einsatz von Umwelttechnik bzw. deren Förderung. Aus mikroökonomischer Sicht (d. h., aus der Position von Unternehmen) ist Umwelttechnik unter der Maxime der Gewinnoptimierung einzuordnen. Das Verhalten der Unternehmen unterliegt dabei dem ordnungsrechtlichen Rahmen bzw. der Wirtschaftsverfassung, die durch die Umweltschutzgesetzgebung mit geprägt werden. Somit erklärt sich die Entwicklung und Herstellung von Umwelttechnik zunächst aus der staatlichen Umweltpolitik. Umweltpolitische Maßnahmen des Staates veranlassen in der Regel die Unternehmen, umweltfreundliche Technologien einzusetzen, um beispielsweise Umweltauflagen nachzukommen. Es besteht also eine unmittelbare Kausalität zwischen dem Grad der umweltpolitischen Anforderungen (einschließlich der Kontrolle ihrer Umsetzung) an die Unternehmen und der Entwicklung bzw.

94

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

dem Angebot von und der Nachfrage nach Umwelttechnik. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Formen von Umwelttechnik gibt.

3.3.1

Additive und integrierte Umwelttechnik

Eine differenzierte Analyse von Umwelttechnik wird in der Literatur durch die Unterscheidung in additive oder „End-of-Pipe“-Umwelttechnik und integrierte Umwelttechnik geprägt. Sie lassen sich wie folgt abgrenzen:  Additive Umwelttechniken können als umwelttechnische Lösungsansätze qualifiziert werden, die am Ende eines Produktionsprozesses ansetzen (Entschwefelung, Entstickung, Filtertechniken, Katalysator). Sie setzen also nachsorgend an einem Produktionsprozess an und reinigen ein Medium durch substanzielle Veränderung des umweltbelastenden Stoffes. Das Schadelement wird dadurch nicht immer verringert, sondern häufig verdünnt, konzentriert oder gebunden (von Hauff 1998, S. 92 f.). Entsprechend dem technisch-organisatorischen Einsatzort sind diese „End-of-Pipe“-Maßnahmen als output-orientierte Ansätze zu klassifizieren.  Integrierte Umwelttechnik setzt an der Quelle potenzieller Umweltbelastungen an. Hierzu gehören Prozess- und Produktinnovationen, die zu einer Verringerung des Material- und Stoffeinsatzes, des Energieverbrauches und der Vermeidung des Einsatzes besonders umweltbelastender Stoffe führen. Daher sind sie als input-orientierte Ansätze zu bewerten. Die integrierte Umweltschutztechnik setzt an einem stark erweiterten Betrachtungsraum an, der neben Produktionsprozessen auch Produkte, Vor- und Folgestufen beinhaltet. Umweltbelastungen werden innerhalb dieses Raumes vorsorglich und technologisch aktuell durch Minimierung des Ressourcenverbrauchs und Vermeidung von Emissionen reduziert (Solbach 1998, S. 17). Diese Differenzierung weist jedoch verschiedene Probleme auf. Zwischen additiven und integrierten Umwelttechniken ist keine klare Trennung möglich. Dadurch wird eine Quantifizierung der beiden Gruppen von Umwelttechnik erschwert. Die Abgrenzung zwischen additiven und integrierten Umwelttechnologien wird daher zunächst in Abb. 3-2 konkretisiert.

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

95

Umwelttechnik

integriert

Input des Produktionsprozesses

Produktionsprozess

Optimierung einzelner Prozesskomponenten (technisch und organisatorisch)

Substitution umweltschädlicher Einsatzstoffe

Integration neuer Prozesskomponenten (z.B. Wärmerückgewinnung)

Substitution von Primär- durch Sekundärstoffe

Substitution einzelner Prozesskomponenten

Substitution des kompletten Produktionsprozesses

Rückwirkung auf prozessexternes (sekundäres) Recycling

additiv

Output des Produktionsprozesses

Produkt

Rückstände und Emissionen aus Produktion und Konsum

Rückhaltung Recycling

Optimierung einzelner Produktkomponenten

Entsorgung

Integration neuer Produktkomponenten Substitution einzelner Produktkomponenten Substitution des kompletten Produkts

Rückstände und Emissionen Prozessinternes primäres Recycling

prozessintegriert

produktintegriert

Quelle: in Anlehnung an Hohmeyer, Koschel 1995, S. 6 Abb. 3-2: Additive und integrierte Umwelttechnik

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag hat die folgenden Kriterien für integrierte Technologien schon früh festgelegt, die eine Orientierung, jedoch keine klare Abgrenzung ermöglichen (Deutscher Bundestag 1996, S. 15):

96

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

 sparsamerer Umgang mit bzw. verringerter Einsatz von Energie und stofflichen Ressourcen in Produktionsprozessen (Quellenorientierung),  sparsamerer Umgang mit Energie durch Abwärmenutzung,  produktionsprozessinternes Recycling bzw. Kreislaufführung (primäres Recycling),  Verringerung des unvermeidlichen Reststoffanfalls,  Substitution umweltschädlicher Einsatzstoffe,  gänzliche Substitution von Produkten und Produktionsprozessen durch weniger umweltschädliche Produkte bzw. Prozesse,  weitgehender Verzicht auf End-of-Pipe- bzw. additive Techniken,  Berücksichtigung von Vor- und Folgestufen eines Produktionsprozesses,  umweltverträglichere Eigenschaften von Produkten, z. B. Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, geringerer Energieverbrauch bei der Nutzung, umweltverträgliche Entsorgung von Produkten,  Recyclingfähigkeit bzw. umweltverträglichere Entsorgung unvermeidbarer Reststoffe. Das Kriterium „weitgehender Verzicht auf End-of-Pipe- bzw. additive Techniken” sollte jedoch nicht zu der Einschätzung führen, wonach eine völlige Substitution von additiven durch integrierte Technologien möglich ist. Einmal werden auch additive Umwelttechniken technologisch weiterentwickelt. Dadurch wird ihre ökologische und ökonomische Effizienz erhöht. Ferner stehen bisher nicht für alle umweltbelastenden Produktionsprozesse integrierte Technologien zur Verfügung und schließlich kann die Umweltbelastung z. T. nur durch eine Kombination von additiver und integrierter Umwelttechnik optimal verringert werden. Folgt man trotz der möglichen Abgrenzungsprobleme der idealtypischen Einteilung in die beiden Arten von Umwelttechnik, so stellt sich die Frage nach einer Entscheidungsbasis für den Einsatz der additiven und/oder integrierten Umwelttechnik. Die nächsten Abschnitte zeigen Zusammenhänge der Kosten additiver und integrierter Maßnahmen in Abhängigkeit vom Umweltverbesserungsziel auf. Für die Kosten sind hierbei stets zwei Perspektiven zu unterscheiden: Für die Unternehmen sind zunächst nur die Kosten der Umweltschutzmaßnahme relevant, da diese betrieblichen Aufwendungen entsprechen; hier gilt es, möglichst geringe Kosten für das angestrebte Umweltziel zu haben. Für die Gesellschaft sind hingegen die Gesamtkosten relevant. Diese entsprechen den vorigen Kosten (private Kosten) zuzüglich der Kosten der dann noch belasteten Umwelt (externe Kosten). Es gilt, ebenfalls möglichst geringe Gesamtkosten zu erreichen. Da die externen Kosten kaum konkret zu bestimmen sind, handelt es sich auch hier primär um eine schematische Darstellung. Zwischenfazit Die oben geführte Betrachtungsweise geht davon aus, dass es sich nicht um rein private Kosten handelt, sondern externe Effekte mitberücksichtigt werden. Deshalb ist stets ein Rahmen nötig, der für die Unternehmen Vorgaben oder Anreize schafft, sich beispielsweise an den vermiedenen Umweltbelastungskosten zu beteiligen. In diesem Kontext ist – sowohl unter ökonomischen als auch unter ökologischen Effizienzkriterien – die Entwicklung und der Einsatz integrierter Umwelttechniken gegenüber additiven

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

97

Techniken zu bevorzugen. Das gilt zumindest immer dann, wenn eine Substitution von additiven durch integrierte Umwelttechnologien möglich ist. Zahlreiche Beispiele, insbesondere im Bereich der Elektromotorensteuerung, Druckluftnutzung und Abwärmenutzung, zeigen die klassischen Vorteile im engen betrieblichen Kontext (siehe z. B. Gege 1997). Dennoch herrschten in vielen Industrieländern durch eine auflagenorientierte Umweltpolitik lange additive Umweltschutztechniken zulasten flexiblerer, effizienterer Möglichkeiten zur Zielerreichung vor (Solbach 1998, S. 75 f.; von Hauff 1992, S. 92). Diese Beobachtung ist in Deutschland zum Teil noch gültig, da der Anteil additiver Technologien im internationalen Vergleich weiterhin relativ hoch ist. Auch für die Zukunft ist mit einem gewissen Maß additiver Umwelttechnik zu rechnen, da sie nicht vollständig durch integrierte Techniken ersetzt werden kann. Bisher sind die Investitionskosten integrierter Umwelttechnologien in der Regel höher als die additiver Maßnahmen, da der gesamte Produktionsprozess bei integrierten Lösungen grundlegend umgestaltet werden muss. Beispielsweise muss die Umstellung auf eine neue, effizientere Produktionsanlage umfassender geplant und gegebenenfalls mit den betrieblichen Investitionszyklen abgestimmt werden. Dagegen müssen additive Lösungen nur am Ende des Produktionsprozesses eingebaut werden, etwa in Form eines Filters. Es gibt jedoch zumindest drei Argumente, wonach integrierte Umwelttechnologien mittel- bis langfristig kostensenkend wirken:  Integrierte Umwelttechnologien können in der Regel im Rahmen einer langfristigen Investitionsstrategie über Reinvestitionen oder Erweiterungsinvestitionen eingeführt werden. Eine genügend lange Anpassungsphase ist auch nötig, um negative Effekte auf das Wirtschaftsabläufe und wirtschaftliche Leistungsgrößen (Bruttoinlandsprodukt) zu vermeiden (von Hauff 1997).  Die Betriebskosten sind geringer als bei additiven Lösungen, da die Inputmengen an Ressourcen und die anfallenden Kuppelprodukte bei integriertem Umweltschutz minimiert werden, d. h. die Ressourceneffizienz bzw. Ressourcenproduktivität der Produktion steigt (Bleischwitz 1998).  Durch integrierte Maßnahmen können die Kosten einer nachträglichen Emissionsminderung vermieden werden. Daher wirkt sich der Einsatz integrierter Umwelttechnik auf die Ertragslage eines Unternehmens idealerweise positiv aus (Verbesserung der ökonomischen Effizienz). Das lässt sich im Rahmen von einzelnen Fallstudien nachweisen (vgl. u. a. Porter, van der Linde 1995).

3.3.2

Der umwelttechnische Fortschritt als spezielle Form des technischen Fortschritts

Die beiden Arten von Umwelttechnologie – additive und integrierte Lösungen – tragen in besonderer Weise zum technischen Fortschritt bei, indem sie auch die ökologische Dimension einbeziehen. In der Literatur hat sich das Konzept „umwelttechnischer Fortschritt“ etabliert, womit die Gestaltung von Produktionsprozessen wie folgt definiert wird:

98

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung „[Unter umwelttechnischem Fortschritt] werden technisch-organisatorische Neuerungen verstanden, die den Umweltverbrauch bei der Herstellung, Nutzung oder Entsorgung von Produkten (bzw. Dienstleistungen) so vermindern, dass die volkswirtschaftliche Nutzen-Kosten-Bilanz verbessert wird (Priewe 2001, S. 170).“

Der Umweltverbrauch wird hierbei umfassend als Nutzung und Belastung der Umwelt in Kategorien wie Energie, Rohstoffe, Bodenfläche und Emissionen aufgefasst. Die obige Definition schließt die beiden Bedingungen ein, wonach  die Umweltqualität stofflich gemäß den Leitregeln der ökologischen Nachhaltigkeit verbessert werden muss und  dies mit ökonomischer Kosteneinsparung oder gesteigertem Netto-Nutzen für die Ökonomie verbunden ist. Umwelttechnischer Fortschritt lässt sich somit als eine spezielle Form des technischen Fortschritts begreifen, wobei zusätzlich  der Imperativ zur Umweltentlastung gilt,  die Umwelt dezidiert in Form der Ressourcen als Produktionsfaktor berücksichtigt wird3 sowie  die Einwirkungen eines Produktes auf die Umwelt wie bei Produktinnovationen qualitätssteigernd anstatt kostensteigernd interpretiert werden. Ähnlich sind in einer weiten Definition Umweltinnovationen definiert als „alle technischen, ökonomischen, sozialen und institutionellen Neuerungen, die zu einer Verminderung anthropogen bestimmter Übernutzungen der Umwelt führen (Lehr, Löbbe 1999, S. 154).“ Hiernach zielen Umweltinnovationen auch ausdrücklich auf individuelle Verhaltensmuster und institutionelle Strukturen ab. Zwar tragen eine mikroökonomisch ausgerichtete Innovationsforschung sowie die Lehren der Umweltökonomik und der Ökologischen Ökonomik zur Umweltinnovationsforschung bei. Aber die Erkenntnisse sind aufgrund des fehlenden umweltökonomischen Beitrages zum Verständnis von Innovationen und wegen der fehlenden Erklärung der Wirkung von Staat und Innovationen lückenhaft (Lehr, Löbbe 1999, S. 155). Kostenbezogene Varianten des umwelttechnischen Fortschritts Die Effekte aus den komplexen Zusammenhängen zwischen Ressourcen-, Kapital- und Arbeitsproduktivität können schon wegen der vielfach diskutierten Frage nach der Substituierbarkeit nicht eindeutig abgeschätzt werden. Gemessen am Energieverbrauch ist aber zumindest für OECD-Staaten tendenziell eine gesteigerte Ressourcenproduktivität bei geringerem Ressourceneinsatz pro Kapitaleinheit und bei gleichbleibender Kapitalproduktivität festzustellen (Priewe 2001, S. 176–179).

3

Diese neue Auffassung über die Umwelt als Bestandteil der Produktion setzt die Korrektur herrschender Produktionsdogmen voraus (siehe Bleischwitz 1998, S. 117 f. und 127-130, Thorenz 2013, S. 123-131). Dies macht deutlich, dass es auch stets um eine modifizierte Definition von betrieblichem Wirtschaften geht.

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

99

Im Weiteren wird eine einfache, schematische Systematisierung unterschiedlicher Ausprägungen eines umwelttechnischen Fortschritts vorgestellt. Diese stellt die in der Gesamtwirtschaft eingesparten privaten, d. h. über den Markt bewerteten Ressourcenkosten den zusätzlichen Kapital- und Arbeitskosten aus der Anwendung von Umwelttechnik gegenüber. Als Nebenbedingung müssen verminderte externe Kosten beachtet werden, die als gesellschaftliche Schadenskosten in der herkömmlichen Marktbetrachtung bzw. Sozialproduktberechnung unberücksichtigt bleiben. In den nachfolgenden Varianten eines umwelttechnischen Fortschritts sinken die privaten Ressourcenkosten, ausgehend vom Anfangs- und zugleich Maximalwert M. Die drei nachfolgenden Varianten sind hinsichtlich ihrer ökologisch-ökonomischen Vorteilhaftigkeit differenziert, beginnend mit dem „stückkostensenkenden umwelttechnischen Fortschritt“ als synergistische Erhöhung der Ressourcenproduktivität. Stückkostensenkender umwelttechnischer Fortschritt Ein umwelttechnischer Fortschritt weist unter folgenden Prämissen sinkende Stückkosten auf (siehe Abb. 3-3): Die Einsparung an privaten Ressourcenkosten übersteigt die Mehraufwendungen für nötiges Sachkapital und Arbeitsleistung und die externen Kosten werden vermindert. Das heißt, dass der technische Fortschritt im Sinne einer Win-win-Situation ökonomische und ökologische Anforderungen erfüllt. Diese Variante impliziert marktwirtschaftliche Anreize und entspricht den Zielen des integrierten Umweltschutzes. Stückkostengleicher umwelttechnischer Fortschritt Im Grenzfall fallen für die einzusparenden Ressourcenkosten in gleicher Höhe Mehraufwendungen für Kapital und Arbeit an. Die externen Kosten könnten jedoch gesenkt werden (siehe Abb. 3-4). Mit dieser gesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerung sind keine hinreichenden privaten Anreize verbunden, da die Stückkosten zunächst gleich bleiben. Auch entstehen aus den geringeren Umwelteinwirkungen keine unmittelbaren Anreizeffekte, d. h., die geringen Schadenskosten werden nach konventioneller Rechnung im Sozialprodukt nicht wertsteigernd verbucht. Stückkostensteigernder umwelttechnischer Fortschritt Stehen den verminderten Ressourcenkosten höhere Kosten für Kapital und Arbeit gegenüber, so steigen die Stückkosten (siehe Abb. 3-5). Dies wäre aber mit einer Einsparung von externen Kosten, die höher als der Stückkostenzuwachs sind, wohlfahrtsökonomisch zu rechtfertigen. Der nach konventionellen Kriterien wahrgenommene Rückschritt kann womöglich mit den Einspareffekten eines forcierten technischen Fortschritts gelöst werden. Bis dahin wären höhere Preise infolge von Umweltentlastungen als „qualitätsbezogene Wertschöpfung“ hinzunehmen (Priewe 2001, S. 171).

private Ressourcenkosten

100

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

A

M Ressourcenersparnis (AB)

B Mehraufwand (AB)

Mehraufwendungen für Kapital und Arbeit Mehraufwand (AB) < Ressourcenersparnis (AB) Quelle: in Anlehnung an Priewe 2001, S. 173 f.

private Ressourcenkosten

Abb. 3-3: Bereich des stückkostensenkenden umwelttechnischen Fortschritts

A

M Ressourcenersparnis (AB)

B Mehraufwand (AB)

Mehraufwendungen für Kapital und Arbeit Mehraufwand (AB) = Ressourcenersparnis (AB) Quelle: in Anlehnung an Priewe 2001, S. 173 f. Abb. 3-4: Bereich des stückkostengleichen umwelttechnischen Fortschritts

private Ressourcenkosten

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

101

A

M Ressourcenersparnis (AB)

B Mehraufwand (AB)

Mehraufwendungen für Kapital und Arbeit Mehraufwand (AB) > Ressourcenersparnis (AB) Quelle: in Anlehnung an Priewe 2001, S. 173 f. Abb. 3-5: Bereich des stückkostensteigernden umwelttechnischen Fortschritts

Der umwelttechnische Fortschritt bzw. die Entscheidung für oder gegen eine Investition in Umwelttechniken wurde bisher rein monetär begründet. Im Folgenden soll eine erweiterte Begründung gegeben werden. Diese gründet in einem neoklassischen Ansatz.

3.3.3

Einzelwirtschaftliche Entscheidungen

Abwägungskalküle von Wirtschaftssubjekten können mit einfachen Modellen der neoklassischen Ökonomik dargestellt werden. Dazu werden optimale Lösungen aus den Schnittpunkten einer Produktionsfunktion mit Indifferenzkurven des Nutzenniveaus untersucht. Eine in der Literatur verbreitete Kombination dieser Kurven betrachtet die Produktion bzw. den Konsum in Abhängigkeit der eingesetzten Arbeit (Barro et al. 1996, S. 60–70). Die Umwelt wird als neuer Produktionsfaktor eingeführt. Dieser soll analog zum Arbeitseinsatz in einer solchen Kombinationsfunktion betrachtet werden. Damit lassen sich die Zusammenhänge von Ressourceneinsatz und Produktionsergebnis qualitativ erklären und schematisch darstellen. Optimaler Nutzen bei gegebener Produktionsfunktion In Abb. 3-6 ist die vereinfachte Produktionsfunktion PF schematisch als Kurve mit abnehmendem Grenzertrag ersichtlich. Das heißt, dass mit jeder zusätzlichen Ressourceneinheit proportional weniger zusätzliche Produkte möglich sind. Die eingezeichnete Indifferenzkurve U0 stellt das Nutzenniveau dar und repräsentiert eine oder mehrere nutzenbestimmende Größen (monetäre Werte wie Kosten oder physikalische Größen wie Stückzahl).

102

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Das Nutzenniveau steigt progressiv in Abhängigkeit vom Ressourcenverbrauch, weil ein zusätzlicher Ressourceneinsatz ein überproportional höheres Produktionsergebnis verlangt. Ein rationaler Akteur sollte aus Sicht der Ressourceneffizienz nun denjenigen Tangentialpunkt TP0 wählen, an dem das höchstmögliche Nutzenniveau erreichbar ist.

Produktionsergebnis

U0

PF0 TP0

Ressourceneinsatz PF: U: TP:

Produktionsfunktion Nutzenniveau Tangentialpunkt

Quelle: eigene Darstellung Abb. 3-6: Nutzenabwägung zwischen Produktionsmenge und Ressourceneinsatz

Die Ressourceneffizienz drückt sich als technologischer Fortschritt in Form einer Substitution aus, wodurch die Produktionsfunktion PF0 in Abb. 3-7 proportional aufwärts verschoben wird. Die neue Funktion ist dann PF1. Dies ist mit einer Substitution der Ressourcen durch andere Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital zu erklären, insofern die Substituierbarkeit mikroökonomisch zu rechtfertigen ist. Die von der Umweltpolitik bisher begünstigten additiven Umweltschutzmaßnahmen setzen vorrangig Kapital als Substitut ein. Bei Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz indessen gehen einige umweltökonomische Modelle auch von einem vermehrten Arbeits- statt Kapitaleinsatz aus (Bleischwitz 1998, S. 142–143). Ausgehend vom ursprünglichen Optimum wird der Akteur ein neues Optimum wählen. Dazu können zwei Extremfälle betrachtet werden:  höhere Produktion bei gleichbleibendem Ressourceneinsatz (LP) oder  gleichbleibende Produktion bei niedrigerem Ressourceneinsatz (LR)

Produktionsergebnis

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

103

U0 PF1 LP PF0 LR TP0

Ressourceneinsatz PF: U: TP: L:

Produktionsfunktion Nutzenniveau Tangentialpunkt Lösungsmöglichkeit

Quelle: eigene Darstellung Abb. 3-7: Substitutionseffekt durch veränderte Produktionstechnik

Das neue Optimum ist von der Konstellation der Produktionsfunktionen und einer höheren Indifferenzkurve U1 abhängig. Die Steigung der letzteren Kurve spiegelt eine Bewertung der Ressourcen wider. Dadurch ändern sich wegen veränderter Tangentialpunkte jeweils sowohl die Ursprungslösung TP0 wie auch die neue optimale Lösung TP1. Im Folgenden ist die Nutzenabwägung bei geringer und hoher Ressourcenwertigkeit dargestellt. Nutzenabwägung bei geringer Ressourcenwertigkeit Sind Ressourcen auf dem Markt reichlich vorhanden und die mit dem Ressourceneinsatz verbundenen Kosten niedrig, so werden die Indifferenzkurven des Nutzens flach verlaufen. In Abb. 3-8 sind diese Kurven aufgezeichnet. Die ursprüngliche Lösung TP0 ist bereits zugunsten eines höheren Produktionsergebnisses TP0flach verschoben. Es ist deutlich erkennbar, dass das durch eine Produktionssteigerung erreicht wird. neue Optimum TPflach 1 Einerseits hat dies einen positiven Effekt auf die Durchsetzung ökoeffizienter Produktion im Wettbewerb. Andererseits besteht die Gefahr, dass die zusätzlichen Einheiten ohne eine gesamtwirtschaftliche Umweltentlastung konsumiert werden. Wegen fehlender Schonung natürlichen Kapitals läge dann im letzten Fall eine schwache Nachhaltigkeit vor; es besteht die Möglichkeit negativer makroökonomischer Effekte.

3 Bedeutung von Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung

Produktionsergebnis

104

U1flach PF1

TP1flach

flach

U0

PF0 TP0

TP0flach

Ressourceneinsatz PF: U: TP:

Produktionsfunktion Nutzenniveau Tangentialpunkt

Quelle: eigene Darstellung Abb. 3-8: Nutzenabwägung bei geringer Ressourcenwertigkeit

Nutzenabwägung bei hoher Ressourcenwertigkeit Knappe Ressourcen und aus deren Einsatz resultierende hohe Kosten bedeuten steilere Indifferenzkurven. Die ursprüngliche Lösung TP0 ist daher nach links zu TP0steil verschoben. Das neue Optimum TP1steil der zugehörigen Abb. 3-9 liegt bei einem verminderten Ressourcenverbrauch. Bei gleichbleibender Nachfrage nach Gütern kann ceteris paribus die gleiche Produktionsmenge mit weniger Ressourcen erstellt werden. Die Schonung des natürlichen Kapitalstocks intendiert eine starke Nachhaltigkeit. Allerdings ist abzuwägen, wie sich die Gesamtproduktionskosten und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt entwickelt. Daher besteht die Anforderung an die Politik, starke Asymmetrien in den Rahmenbedingungen zu vermeiden. Es wurde bereits deutlich, dass Entscheidungen in der wirtschaftstheoretischen Begründung eine zentrale Rolle einnehmen. Dies betrifft u. a. die Frage der Substituierbarkeit natürlichen Kapitals (schwache Nachhaltigkeit) oder welche Kosten als angemessen bzw. als vertretbar gelten. Es wurde aber auch deutlich, dass die Abwägungen darüber hinausgehende Mindestbedingungen (starke Nachhaltigkeit) oder externe Kosten (beim stückkostensteigernden umwelttechnischen Fortschritt) berücksichtigen können. Das nachfolgende Kapitel 4 führt die Diskussion anhand der „Ökoeffizienz“ als ein maßgebliches Konzept weiter.

3.3 Umwelttechnischer Fortschritt

105

Produktionsergebnis

steil

U1

steil

U0

PF1 PF0

steil

TP1

TPo TP0steil

Ressourceneinsatz PF: U: TP:

Produktionsfunktion Nutzenniveau Tangentialpunkt

Quelle: eigene Darstellung Abb. 3-9: Nutzenabwägung bei hoher Ressourcenwertigkeit

4

Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Ökoeffizienz ist ein wichtiger Ansatz für eine Umsetzung nachhaltiger Entwicklung. Die Ökoeffizienz soll ökologische Anforderungen mit ökonomischen Zielen verbinden. Innovationen und der Einsatz integrierter Umwelttechnik – wie sie in Kapitel 3 aufgezeigt wurden – haben bei der Ökoeffizienz eine besonders hohe Bedeutung. Entsprechende Technologien gelten, nicht zuletzt wegen der starken Wachstumsraten, als ein „Megatrend“ (Jänicke 2008; SRU 2008, Kapitel 2). Im Rahmen der UNCED 1992 stellten Unternehmensvertreter die Ökoeffizienz als ihren Beitrag vor. Die Politik hat die Ökoeffizienz gleichermaßen aufgenommen und zu einem zentralen Nachhaltigkeitsansatz erklärt. Die Auffassungen über die Zielbestimmung und die konkrete Umsetzung der Ökoeffizienz gehen auseinander. Dennoch verfolgen alle Ansätze einen ähnlichen Grundsatz: Die wirtschaftliche Leistungserbringung ist von der Umweltbelastung abzukoppeln. Daher wird auch von der ökologischen Effizienz oder ökologisch-ökonomischen Effizienz gesprochen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist. Beispielsweise sollen die Verbrauchskosten gesenkt und gleichzeitig der Bedarf an natürlichen Ressourcen vermindert werden. Darauf aufbauend bestehen unterschiedliche Vorstellungen über den letztendlichen Zweck der Ökoeffizienz: Manche Vertreter sehen die Ökoeffizienz als den wesentlichen, wettbewerbskonformen Beitrag der Wirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung, andere Vertreter betonen die langfristige Autonomie der volkswirtschaftlichen Versorgung, einige sehen die Ökoeffizienz als Verpflichtung gegenüber der Umwelt. Einige Vertreter sehen in der Ökoeffizienz gar die Chance zu einem grundlegenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Beim handlungsleitenden Konzept der Ökoeffizienz ist zu beachten, dass es in seinen Grundzügen weitgehend ausgereift ist und neuere Literatur sich hauptsächlich mit der konkreten Umsetzung befasst. Im Weiteren wird zunächst die Genese der Ökoeffizienz (Abschnitt 4.1) und dann der Ausgangspunkt einer Operationalisierung dargestellt (Abschnitt 4.2). Daraufhin werden die Grenzen der Ökoeffizienz diskutiert (Abschnitt 4.3) und erörtert, in welchen unterschiedlichen Stärkegraden eine Ökoeffizienz zur nachhaltigen Entwicklung betragen kann (Abschnitt 4.4). Schließlich werden einige Aspekte für eine politische Umsetzung und deren Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum vorgestellt (Abschnitt 4.5). Abschließend geht es (Abschnitt 4.6) darum, wie man von der in der Ökoeffizienz aufgestellten Forderung nach mehr Ressourceneffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie kommen kann.

108

4.1

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Ausgangspunkt der Ökoeffizienz

Die Ökoeffizienz geht auf Schaltegger und Sturm 1990 zurück. Dabei wurde von ihnen eine neue „ökologische Rationalität“ eingefordert. Das Business Council for Sustainable Development (BCSD) erkannte daraufhin das hohe Potenzial der „Eco-Efficiency“ und sammelte Erfahrungen zu kostensparenden Maßnahmen durch Abfall- und Emissionssenkungen. Kurz darauf vollzog das BCSD einen Kurswechsel und veröffentlichte seinen Beitrag mit der gleichnamigen Schrift: Kurswechsel – Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt (siehe Schmidheiny 1992). Danach werden Unternehmen als ökoeffizient bezeichnet, „… die auf dem Weg zu langfristig tragbarem Wachstum Fortschritte machen, indem sie ihre Arbeitsmethoden verbessern, problematische Materialien substituieren, saubere Technologien und Produkte einführen und sich um die effiziente Verwendung und Wiederverwendung von Ressourcen bemühen.“ (S. 28) Mit diesem Beitrag zur UNCED 1992 formulierte das BCSD die Ökoeffizienz zu einem bedeutenden Ziel. Seit 1995 wird das zentrale Anliegen des BCSD zur weltweiten Verbreitung der Ökoeffizienz im neu gegründeten World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) fortgesetzt. Dort wurde die Zielvorstellung entwickelt, mithilfe der Ökoeffizienz die „zunehmende Produktion von nützlichen Gütern und Dienstleistungen bei laufend abnehmendem Verbrauch von natürlichen Ressourcen, also Rohmaterialien und Energie (Bosshardt 1999, S. 21)“ zu erreichen. Das Ziel der Ökoeffizienz lässt sich auf „Creating more Value with less Impact“ (WBCSD 2000) verkürzen. Die Potenziale und positiven Beispiele sind seit einigen Jahren hinlänglich bekannt (von Weizsäcker et al. 1995, 2010; Gege 1997). Die ökologisch-ökonomisch vorteilhafte Zielbeziehung der Ökoeffizienz soll helfen, psychologische und ethische Motive in langfristige und weitreichende Ziele des Wirtschaftens zu integrieren (OECD 1995, S. 13–17). Europa war ein besonderer Kristallisationspunkt der Konzipierung und Umsetzung von Ökoeffizienz. Auch in Deutschland hat die Ökoeffizienz in vielen Unternehmen, bei beratenden Experten und in der Politik einen wichtigen Stellenwert. Effizienz wird im betrieblichen Umweltmanagement hauptsächlich auf den Material- und den Energieeinsatz bezogen, so wie auch auf politischer Ebene die Material- und Energieeffizienz hohe Aufmerksamkeit erhalten (siehe u. a. Abb. 41). Das Argument, Wettbewerbsfähigkeit hänge von Innovationseffekten der Ökoeffizienz ab, ist für das Konzept der Ökoeffizienz eine zentrale Erkenntnis. Dieser Zusammenhang wurde bereits in Kapitel 3 über den Beitrag von Innovationen zur nachhaltigen Entwicklung diskutiert und er wird ebenso für die Ökoeffizienz konstatiert. Beispielsweise ist die Ökoeffizienz im weiteren Verständnis des WBCSD als innovationsstärkender Ansatz zu verstehen, der wesentlich über die herkömmlichen Unternehmensaktivitäten hinausgeht, um gewohnte Grenzen der Unternehmenspraxis zu überschreiten. Hierzu sind weitreichende Innovationen erforderlich, die sowohl technologische als auch institutionelle Neuerungen in Politik, Lebens- und Konsummustern beinhalten (WBCSD 2000, S. 9–12; Linz 2002, S. 26 sowie Birke 2001, S. 252). Die European Environmental Agengy (EEA) führt diesbezüglich aus:

4.2 Messung der Ökoeffizienz

109

"Innovation is the crucial variable within this strategy, i. e. the technological terms of production and consumption processes have to be steered towards enhanced resource productivity through appropriate policy and institutional changes (Moll, Gee 1999, S. 9).” Zum Teil sind die Erwartungen an die Innovationswirkung der Ökoeffizienz so hoch, dass Unternehmen als Katalysatoren eines „epochalen gesellschaftlichen Wandels“ gesehen werden (Senge et al. 2001). Dem sprach zumindest zur Jahrhundertwende die Erkenntnis entgegen, dass die Innovationsorientierung erst bei vier von sieben Vorreitern ein wichtiger Beweggrund zur Ökoeffizienz war (Five Winds International 2000, S. 15, 36–39).

4.2

Messung der Ökoeffizienz

Es existiert keine normierte Definition für den Begriff „Ökoeffizienz“, vielmehr besteht eine Vielzahl von Abgrenzungsversuchen (vgl. Czymmek 2003 und Günther 2005, S. 13). Alle Varianten basieren jedoch auf dem gleichen operationellen Ansatz, wonach das Verhältnis von Wertschöpfung zu Ressourceninanspruchnahme zu steigern ist (vgl. Schaltegger, Sturm 1990, S. 281). Demzufolge bezieht die Ökoeffizienz ökonomisches und ökologisches Kapital gemäß unten stehender Gleichung aufeinander: Im Zähler steht eine ökonomisch relevante Größe als „Wertschöpfung“, beispielsweise Umsatz minus Vorleistungen. Diese Größe wird auf eine zumeist physikalische Größe als „Schadschöpfung“ im Nenner bezogen, zum Beispiel der Stromverbrauch. Wertschöpfung Ökoeffizienz = Schadschöpfung In Anlehnung daran wird gelegentlich auch eine Intensitätskennzahl, beispielsweise 5 kWh Stromverbrauch pro produziertes Gut, im weitesten Sinne als Ökoeffizienz aufgefasst (etwa in Günther 2005, S. 21). Dies bildet den Kehrwert der oben dargestellten allgemeinen Formel und soll im Weiteren nicht als Ökoeffizienz-Kennzahl im engeren Sinne verwendet werden. Ausgehend von der Operationalisierung als Wert- zur Schadschöpfung existieren verschiedene Zielsetzungen, wie nachfolgend dargestellt ist. Konkrete Ziele der Ökoeffizienz Es besteht ein weites Spektrum darüber, was unter dem Begriff „Ökoeffizienz“ verstanden werden kann: Ist es nur der Operator? Ist es ein betriebliches Instrument zur Messung und Bewertung? Ist es der Kern eines ganzen Konzeptes zur Unternehmensführung? Oder ist es gar als Leitprinzip des Wirtschaftens zu verstehen? (Five Winds International 2000, S. 25 f.; BMU et al. 2007, S. 12 f.). Eine differenzierte Definition wurde von Schaltegger u. a. formuliert, die sich an der Verknüpfung von ökonomischer Wertschöpfung und ökologischer Schadschöpfung orientiert. „Öko-Effizienz ist definiert als das Verhältnis zwischen einer ökonomischen, monetären und einer physikalisch ökologischen Größe.(…) Die ökonomische Größe fließt als Wertschöpfung (sie entspricht auf betriebswirtschaftlicher Ebene dem Umsatz abzüglich Vorleistungen), die ökologische Größe als Schadschöpfung in das Verhältnis ein. Die

110

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Schadschöpfung entspricht der Summe aller direkt und indirekt verursachten Umweltbelastungen, die von einem Produkt oder einer Aktivität ausgehen. Ursachen dafür können z. B. in der Produktion, dem Konsum oder der Entsorgung eines Produkts oder in Aktivitäten wie Transportieren, Imprägnieren, Streichen liegen. Die Öko-Effizienz ist somit definiert als das Verhältnis von Wertschöpfung zu ökologischer Schadschöpfung.“ (Schaltegger u. a. 2002, S. 17). Ein Konsens besteht bezüglich der Richtung der Erhöhung der Ökoeffizienz: Ökologische Ziele sollen mit ökonomischen Zielen zum beiderseitigen Vorteil zusammengeführt werden, indem mit geringerem Einsatz von Naturkapitel mehr Sachwert geschaffen wird. Die Positionen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der  Vervielfachung der Ökoeffizienz als Quotient,  der jeweiligen Veränderungen von Zähler und Nenner sowie  des beabsichtigen Effektes zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung. Volkswirtschaftliche Perspektive Die nachfolgenden Ausführungen gehen daher Natürliche Ressourcen als Quelle oder Senke weiter auf die regionale und nationalstaatliche  Eine Quellenressource meint hierbei die EntEbene ein, auf der viele volkwirtschaftliche nahme einer Ressource aus der natürlichen Umwelt. Dazu gehört beispielsweise der Abbau von Rahmenbedingungen gesetzt und Ergebnisse Mineralien oder Erdöl, das Schlagen von Holz oder Politik deutlich werden. Auch auf dieser der die Nutzung von Wasservorräten. Ebene wird der ökologische Aspekt zumeist in  Eine Senkenressource meint das Einbringen von einem Operator zusammengefasst, wonach die Stoffen in die ökologischen Systeme. Dies können zum Beispiel die Umweltmedien Wasser, Ressourcenproduktivität als eine monetäre Boden oder Luft sein, in die Luftschadstoffe einGröße im Verhältnis zur eingesetzten physikaligebracht werden. schen Menge an Rohstoff oder Energie definiert ist. Ressourcen haben eine Inputorientierung (Ressourcen als Quelle) oder eine Outputorientierung (Senken). Hierbei ist zu beachten, dass die einfließenden Größen gewissermaßen als ökologische Leitindikatoren der Ressourceneffizienz dienen, welche die gesellschaftliche Bedeutung und effiziente Gestaltung externer Effekte nur unvollständig wiedergeben (Priewe 1999, S. 10). Mit der vereinfachten Berücksichtigung der Umwelt über die Ressourcen ist zweierlei beabsichtigt: Erstens, das komplexe ökologische Produktionssystem wird auf die repräsentativen Produktionsfaktoren Rohstoffe und Energie verdichtet. Zweitens, aus dem Ressourcenverbrauch resultieren am Ende des Lebensweges auch Emissionen. In der Volkswirtschaft existieren bereits gängige Produktivitätsmaße. Beispielsweise gibt die Arbeitsproduktivität (BIP pro Erwerbstätigenstunde oder Beschäftigten) die Effizienz der eingesetzten Arbeitskraft wieder und die Kapitalproduktivität (BIP pro durchschnittliches Bruttoanlagevermögen) ist ein Maß für die Rentabilität des eingesetzten Sachkapitals. In Analogie dazu bildet die Ressourcenproduktivität das Verhältnis von Güterproduktion zum Bedarf natürlicher Ressourcen als Quelle oder Senke ab. Für die Güterproduktion wird in der Regel das reale Bruttoinlandsprodukt verwendet.

4.2 Messung der Ökoeffizienz

111

Güterproduktion Y Ressourcenproduktivität = Quell- und Senkenressourcen = R Seit 2002 verwendet die deutsche Bundesregierung die Ressourcenproduktivität – unterteilt nach Rohstoffen und Energie – als einen von 21 Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Als Ziel hat die Regierung die Verdopplung der Ressourcenproduktivität von Primärenergie (bezogen auf 1990) und von Rohstoffen (bezogen auf 1994) bis 2020 festgelegt.

Änderung (Prozent)

Abb. 4-1 stellt die aktuellen Fortschritte zur Erreichung dieses Ziels in Deutschland dar. Die stetige Zunahme beider Produktivitäten ist positiv hervorzuheben, doch bestehen Zweifel über die Geschwindigkeit des Trends und über die ausreichende Abnahme des Rohstoffeinsatzes und des Energieverbrauchs (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2008, S. 4 und 34; Statistisches Bundesamt 2008, S. 4–7). Deren Niveau nimmt nur langsam ab. Die positive Entwicklung der Energie- und der Rohstoffproduktivität ist hauptsächlich auf das Wirtschaftswachstum (Y) zurückzuführen. 200 180 160 140 120

ff Rohsto

produk

tivität

Energieproduktivität

Primärenergieverbrauch

100

Rohstoffverbrauch

80 60 40 20 0 1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Quelle: in Anlehnung an Statistisches Bundesamt 2008, S. 4 und 6 Abb. 4-1: Verlauf der Ressourcenproduktivität in Deutschland

Das erweiterte Verständnis von Ökoeffizienz im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes wird mit der Methode „Advanced Sustainability Analyses“ deutlich. Die Messung erfordert neben der Erfassung von Effizienzmerkmalen auch die Berücksichtigung der Dimensionen Legitimität und Effektivität (Baumgartner, Biedermann 2009, S. 18). Dabei stellt sich das Problem der Quantifizierung von Legitimität. Daher empfehlen Baumgartner und Biedermann eine getrennte Erfassung der Legitimität. Legitimität wird in die Kategorien Akzeptanz sowie Einstellung und Werte aufgegliedert. Somit stellen die Kategorien Teilkriterien dar, die über

112

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Kennzahlen erfasst und zueinander in Relation gestellt werden. Grundsätzlich geht es bei dieser Methode also um die Aufteilung einer Gesamtgröße in Einzelgrößen. Dadurch kann die Veränderung einer Größe besser erklärt werden (Malaska 2002, S. 93). Einzelwirtschaftliche Perspektive Auf nationaler Ebene werden – wie oben dargestellt – alle in Deutschland aufgetretenen Ressourcenverbräuche zusammengezählt. Ähnliches ist für ein Unternehmen, einen Standort, ein Produkt oder einen Prozess möglich. Alle diese Systemgrenzen haben gemeinsam, dass sie die Inanspruchnahme von Ressourcen zumeist nur beschränkt erfassen, indem sie die für importierte bzw. zugekaufte Waren nötigen Ressourcenverbräuche nicht mitberücksichtigen. Für die Ressourcenproduktivität einer Nation, wie sie im vorangegangenen Abschnitt „Konkrete Ziele der Ökoeffizienz“ für Deutschland aufgezeigt wurde, bedeutet dies eine gewisse Unschärfe. Auch Unternehmen fokussieren sich bislang hauptsächlich auf die betrieblichen Ressourcenströme (sogenanntes „Werkstorprinzip“). Dementsprechend sind in betrieblichen Umweltberichten in der Regel lediglich produktionsnotwendige Stoff- und Energieströme zu finden, während die vor- oder nachgelagerten Phasen aus Gründen der Komplexität und Datenverfügbarkeit ausgeblendet werden. Die Ökoeffizienz folgt also mehrheitlich einer engen Auslegung und bindet nur das Verhältnis von Schad- zu Wertschöpfung eines einzelnen Produktionsprozesses oder einer einzelnen Produktlebensphase ab. In diesem Kontext betont beispielsweise das WBCSD die Bedeutung des gesamten Lebenswegs eines Produktes oder einer Dienstleistung, geht aber nur auf die zugrunde liegenden Produktionsprozesse ein. Die Eigenschaften von Ressourcen, Materialien und Produkten als Produktionsfaktoren finden so keine angemessene Berücksichtigung. Zudem werden (geologische) Ressourcen- und Materialvorräte hinsichtlich ökonomischer und ökologischer Aspekte vernachlässigt (Five Winds International 2001, S. 37 und S. 55–57). Unternehmen mit einem fortgeschrittenen Umweltmanagement wenden das Lebenszykluskonzept an, das den gesamten Lebensweg einer physischen Einheit vom Ressourcenabbau bis zur Entsorgung („von der Wiege bis zur Bahre“) umfasst. Die Betrachtung beginnt beim Abbau aller benötigten Ressourcen, die später direkt oder indirekt in den Herstellungsprozess des Produktes eingehen. Für diese beiden ersten Phasen müssen die elementaren Produktionsfaktoren eines noch nicht fertiggestellten Produktes rechnerisch kumuliert werden, was bereits eine Vielzahl an Vorprodukten, Transportvorgängen und anderes umfasst. In der Herstellungsphase gewinnt das Produkt an materiellen und funktionellen Eigenschaften, die in der Nutzungsphase zur Befriedigung eines Nutzens eingesetzt werden. Beispielsweise wird ein Motor, der in einer Fabrik mithilfe der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Ressourcen hergestellt wurde, später als Antriebsaggregat selbst zum Produktionsfaktor. In der Entsorgungsphase bestehen die umweltrelevanten Möglichkeiten, den Lebensweg des Produkts durch Verwendung oder Verwertung zu verlängern oder aber durch Beseitigung (Deponierung) endgültig zu beenden. Abb. 4-2 gibt den Lebensweg schematisch wieder. An jedem Punkt des Lebensweges wirken Prozesse auf das Produkt ein, insbesondere während der Ressourcenabbau- und Herstellungsphase. Wird nur der direkte prozessbedingte Aufwand an einem Punkt betrachtet, so handelt es sich um die vereinfachte Ökoeffizienz, wie es beim Werkstorprinzip häufig anzutreffen ist.

4.2 Messung der Ökoeffizienz

113

Werden jedoch alle relevanten Prozesse und Stoffströme aller vor- und nachgelagerten Phasen betrachtet, so handelt es sich um eine lebenszyklusweite Ökoeffizienz.

Prozessorientierung

Lebensweg

Ressourcen -abbau

Herstellung

Nutzung

Entsorgung

Produktorientierung Quelle: eigene Darstellung Abb. 4-2: Prozess- und Produktorientierung während des Lebenszyklus

Die Anwendung des Lebenszykluskonzepts auf die Ökoeffizienz-Messung erfasst also die Summe aller auf dem Lebensweg relevanten Prozesse. In der Wirtschaft und in der Politikberatung ist dieser Fokus seit etwa Mitte der 1990er-Jahre zu erkennen, wo „Ökobilanzen“ oder ein „Life-Cycle-Assessment“ (LCA) erstellt werden. Die ISO-Normen 14040 ff. geben hierzu seit 1997 einen methodischen Rahmen vor. Ein Beispiel für ein betriebliches Instrument zur Entscheidungsfindung über den gesamten Lebensweg liefert die Ökoeffizienz-Analyse. Ein vereinfachter Anwendungsfall im Konsumgüterbereich ist die zunehmende Ermittlung und Kommunikation des „Carbon Footprint“. Dahinter stehen Konzepte, welche alle direkt oder indirekt während eines Produktlebens verursachten Treibhausgase angeben (siehe für eine Literatur- und Definitionsübersicht: Wiedmann, Minx 2007). Beispielsweise haben solche Lebensmittel einen hohen Carbon Footprint, die in der Herstellungsphase (u. a. Erzeugnisse tierischen Ursprungs wie Fleisch und Käse) oder im Transport (selbstredend: „Flug-Ananas“) viele Ressourcen benötigen. Mit der britischen „Publicly Available Specification 2050“ besteht ein Vorläufer für einen Standard zum Carbon Footprint. Es ist zu erwarten, dass die formale Weiterentwicklung zu einem anerkannten und damit verbindlichen Standard führen wird. „Öko-Design“ (engl. „Design for Environment“) ist ein weiterer lebenszyklusorientierter Ansatz, der bereits in der frühen Phase der Produktgestaltung ansetzt. Die Intention hierbei ist, Produkte von vornherein umweltfreundlich zu gestalten. Dafür wird beispielsweise ein Industriemotor auf möglichst hohe Energieeffizienz während der Nutzungsphase ausgelegt und auch spätere Entsorgungsprobleme (u. a. Schadstoffe, Demontage) werden konstruktiv vermieden. Die Relevanz dieses Ansatzes wird in einer Erhebung zum Umwelt- und Ressourcenschutz im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland deutlich: Unternehmen setzen mit großer Mehrheit Maßnahmen im Bereich der Produktgestaltung um (Baum et al. 2007, S. 161–164). Die EU

114

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

unterstützt das Öko-Design mit der Richtlinie 2005/32/EG als Rahmen für die Gestaltung von Produkten – zunächst im Bereich energiegetriebener Produkte.

4.3

Grenzen der Ökoeffizienz

Ökoeffizienz ist ein wichtiger Ansatz, um zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Ökoeffizienz muss jedoch nicht zwangsläufig zu einer Entlastung des ökologischen Ressourcenverbrauchs führen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass trotz oder gerade wegen Ökoeffizienz-Maßnahmen eine unerwünschte Entwicklung eingeschlagen wird. Es gilt festzustellen, dass das einzelwirtschaftlich sinnvolle Konzept der Ökoeffizienz den ökologischen Zielen der Makroebene nur unzureichend gerecht wird (Hoffrén, Korhonen 2007). Im Folgenden werden mögliche negative Effekte der Ökoeffizienz-Maßnahmen aufgeführt, welche die Feststellung untermauern. Darauf folgt eine Diskussion hinsichtlich der drei Leitstrategien einer nachhaltigen Entwicklung und zugehöriger Ziele und Zeithorizonte. Negative makroökonomische Effekte William Jevons (1835–1882) konnte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel der damals aufkommenden Dampfmaschine nachweisen, dass technischer Fortschritt, der die Effizienz der Ressourcennutzung steigert, insgesamt zu einem höheren Ressourcenverbrauch führt. Das sogenannte „Jevon’s Paradoxon“ ist ebenso auf Ökoeffizienz-Maßnahmen, die einzeln gesehen einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten sollen, anzuwenden. Übertragen auf die Makroebene kann es zu negativen Effekten kommen. Neben dem von Jevon beschriebenen Effekt, der sich hauptsächlich im „Rebound-Effekt“ wiederfindet, sind zwei weitere Effekte zu nennen. Jeder dieser Effekte ist auf die gegenwärtige Dynamik und das Wachstumspostulat der Wirtschaft zurückführen (Sachs 2002, S. 52 f.):  Ein Rebound-Effekt ist ein spezieller Mengen-Effekt, der häufig infolge eines effizienzsteigernden technischen Fortschritts zu beobachten ist. Wenn die erreichte Ersparnis direkt zum zusätzlichen Konsum anreizt, erhöhen die Produzenten gleichsam ihre Produktion und den damit verbundenen Ausstoß. Infolgedessen nehmen die absoluten Ersparnisse ab oder es treten Mehrbelastungen auf. Beispielsweise stagniert der Heizenergieverbrauch trotz effizienterer Heizmethoden aufgrund ständig zunehmender Pro-Kopf-Wohnflächen.  Ein Mengen-Effekt beschreibt die quantitative Zunahme der Nachfrage nach Produkten. Diese Zunahme ist weitgehend unabhängig von der Ökoeffizienz. Beispielsweise hat die Anzahl der Personal-Computer, Laptops aber auch Handys in den letzten Jahren enorm zugenommen, was hauptsächlich auf den technischen Fortschritt verbunden mit sinkenden Preisen zurückzuführen ist. Folge dieser Entwicklung war eine – in absolutem Maßstab – vermehrte Belastung durch Stromverbrauch, Chipherstellung, benötigte Elektrobauteile usw.  Weiterhin sind Wachstumseffekte durch eine allgemeine Expansionstendenz von Wirtschaft und Konsum sowie eine wirtschaftliche Intensivierung zu beobachten. Zum Beispiel findet das Angebot neuer nicht-substituierender Produkte zusätzliche Absatzmärkte, die

4.3 Grenzen der Ökoeffizienz

115

vorher nicht bestanden. Das gilt beispielsweise für den Automobil-Boom in Asien oder die massenhafte Markteinführung von Mobiltelefonen als zusätzliches Konsumgut. Infolge der drei möglichen Effekte ist davon auszugehen, dass der ökonomische und der ökologische Term des Ökoeffizienz-Operators (Wert- bzw. Schadschöpfung) und die makroökonomischen Effekte einer gesteigerten Ökoeffizienz differenzierter betrachtet werden müssen. Außerdem ist neben den ersten Erfolgen einer Ökologischen Modernisierung ebenfalls ein ökologischer Strukturwandel notwendig (Jänicke 2000, S. 293–295). Allerdings hat die Literatur diese Effekte nur unvollständig problematisiert und die Effekte einer gesteigerten Ökoeffizienz auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen bleiben zumeist unklar. Zentral ist etwa die Frage, ob und wie stark die ökologischen Ressourcen geschont werden. Die sogenannte IPAT-Formel von Paul Ehrlich und John Holdren ist eine gängige Basis für die Analyse der Entwicklung der gesamten Umweltbelastung I (engl. „Impact“). Dieser entspricht dem Produkt aus Bevölkerungszahl P („Population“), Wohlstand A („Affluence“) in Form des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner und Technologie T („Technology“) in Höhe des Ressourcenverbrauchs pro Bruttoinlandsprodukt: I=P×A×T (Ehrlich, Holdren 1971). Die Ökoeffizienz wird in dieser Formel durch die Technologie wiedergegeben. Folgerungen für die drei Leitstrategien Die negativen Effekte sind ein erhebliches Problem, insbesondere für die zentrale Zielsetzung einer starken Nachhaltigkeit, das Belastungsniveau natürlicher Ressourcen zu vermindern. In Bezug auf die drei Leitstrategien nach Huber (Effizienz, Konsistenz, Suffizienz) ergeben sich mehrere Herausforderungen für die Gestaltung von Ökoeffizienz-Innovationen. Herausforderungen für die Effizienz-Strategie Für die Effizienz-Strategie kann gelten, dass sie in Gestalt der Ökoeffizienz am weitesten für die Wirtschaft konkretisiert ist. In den vorhergehenden Ausführungen wurde bereits ausführlich dargelegt, dass die Integrierbarkeit in betriebliche Abläufe und die wirtschaftlichen Gewinne starke Motivatoren zur Umsetzung eines Ökoeffizienz-Ansatzes sind. Für eine weitere mikro- und makroökonomisch wirksame Umsetzung einer Ökoeffizienz-Strategie bestehen jedoch einige Herausforderungen: Invention und Innovation von technischen und ökonomischen Lösungen sind zu forcieren, Wirtschaftsakteure müssen über ihr bisheriges Verständnis hinaus verstärkt koalieren und die Ökoeffizienz stringent verfolgen. Des Weiteren sind die Limitierungen des technischen Fortschritts durch soziale Innovationen und Reformen der Rahmenbedingungen zu überwinden (Birke 2001, S. 250). In diesem Sinne ist ein umfassender Innovationsansatz notwendig, der neben den gängigen ökonomischen Kriterien und der Erweiterung um ökologische Aspekte auch die soziale Dimension mitberücksichtigt. Herausforderungen für die Konsistenz-Strategie Die Konsistenz-Strategie ist aus zwei Gründen derzeit noch nicht ausreichend lösbar oder wird durch Ökoeffizienz-Ansätze verletzt: Erstens sind Basis-Innovationen zum Umgang mit natürlichen und anthropogenen Stoffströmen gegenwärtig noch nicht erkennbar. Das heißt, dass technische Lösungen für dringende Probleme langfristig noch nicht verfügbar sind. Zweitens muss die Ökoeffizienz hinsichtlich lokaler Anforderungen differenzierter weiterentwickelt

116

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

werden, da sie derzeit einer Strategie zur Konsistenz von anthropogenen und natürlichen Strömen entgegensteht. Auf Letzteres kann aus historischen Erfahrungen über die Notwendigkeit spezifischen Wissens von lokalen Akteuren zum Umgang mit der Natur geschlossen werden. Die Rahmenordnung hat diese Verflechtung des Menschen mit der Natur wahrzunehmen und ein lokales Management der Natur sicherzustellen. Eine undifferenzierte Kennzahl im Sinne der rein operationellen Ökoeffizienz wird dem kaum gerecht (Hukkinen 2001). Dies ist auch dahingehend zu problematisieren, dass der Wertschöpfungsterm häufig nur über Kosten erfasst wird und dass die Schadschöpfung bloß den gewohnten Verfügungsbereich der Akteure umfasst. Die Logik von Ökosystemen und Stoffströmen erfordert aber die Differenzierung nach unterschiedlichen Kapitalstöcken sowie die Berücksichtigung von Biodiversität, Flächenverbrauch und anderen wichtigen Themenfeldern (Five Winds International 2001, S. 55 f.). Herausforderungen für die Suffizienz-Strategie Suffizienz ist wie die Effizienz quantitativ an Ressourcen orientiert. Sie zeichnet sich durch die Forderung nach einer absoluten Verminderung des Ressourcenverbrauchs aus. In einem engen Verständnis wird diese Forderung im Rahmen der Suffizienz mit Verzicht assoziiert. Es wurde aber ein alternatives Verständnis entwickelt, das ein Streben nach mehr Lebensqualität durch kulturellen Wandel beinhaltet (Linz 2002, S. 13). So positioniert sich die Suffizienz zunehmend als komplementäre und wohlfahrtsfördernde Strategie und die Kritik, wie sie z. B. vom WBCSD als Beschneidung der Wirtschaft formuliert wird, zurückgewiesen werden kann (WBCSD 2000, S. 12). Die Suffizienz-Strategie wird – wie schon erläutert - als notwendige Begleitung einer Effizienz-Strategie gewertet, um mögliche ökologisch nachteilige Effekte zu verringern (Sachs 2002, S. 54). Konzeptionell ist sie jedoch nur schwer mit gängigen ökonomischen Argumenten zu begründen, da sie gerade eine Abkehr von derzeitigen Denk-, Konsum- und Wirtschaftsmustern fordert und aus einer sozialen bzw. sozialwissenschaftlichen Perspektive formuliert ist (Dyllick, Hockerts 2002, S. 135–139). Es ist auch zu beachten, dass die Suffizienz-Strategie ein vergleichsweise langes Zeitfenster von mehreren Jahrzehnten benötigt, bis sie genügend stark in der Kultur verankert ist. Formulierung von Zielen In der bisherigen Diskussion wird offensichtlich, dass jede Strategie umfassend gestaltet werden muss, wenn sie über eine schwache Nachhaltigkeit hinausgehen soll. Bislang wird dies dadurch angestrebt, dass ambitionierte Ökoeffizienz-Ziele wie „Faktor 5“ oder „Faktor 10“ (im nachfolgenden Abschnitt 4.4 thematisiert) gesetzt werden. Daraus ergeben sich zwangsläufig Suffizienz- und Konsistenzmaßnahmen. Die Abstimmung der drei Leitstrategien und die Einordnung der Ökoeffizienz innerhalb dieser Strategien hat jedoch noch zu keinem Konsens geführt. Huber fordert z.B. für einen langfristigen Strukturwandel, der Konsistenz-Strategie Vorrang einzuräumen, wonach sich die Rangfolge Konsistenz vor Effizienz vor Suffizienz ergibt. Damit soll ein Verharren in einem lediglich optimierten Status quo durch schnell wirksame Effizienzgewinne vermieden werden (Huber 2001, S. 326).

4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz

117

Langfristige Potenziale bestehen beispielsweise bei produktbezogenen Veränderungen, insbesondere einer Dematerialisierungsstrategie (Ayres, van Leynseele 1997, S. 15) – dies zielt auf eine kontinuierliche Ablösung von herkömmlichen, ressourcengebundenen Produktions- und Konsumweisen hin zu einer sparsamen, bedürfnisorientierten Dienstleistungswirtschaft ab. Die „Dematerialisierung“ ist ein wichtiges Element des Faktor 5- und des Faktor 10-Konzepts. Veränderungen der Rahmenbedingungen, die ein entsprechendes Anreizsystem ermöglichen, sind in einem langen, politischen Prozess zu erarbeiten. In der Ökoeffizienz fortschrittliche Unternehmen bzw. deren Verbände fordern daher geeignete Rahmenbedingungen: Der Schwerpunkt staatlicher Aktivität solle sich von herkömmlichen Regularien trennen und stattdessen ein marktorientiertes Anreizsystem einführen. Dies sei mit niedrigeren Kosten zur Erreichung von Umweltzielen verbunden (WBCSD 1996, S. 23–25). Der Staat soll somit die Aufgabe der konsistenten Ausgestaltung von Rahmenbedingungen, welche die Ökoeffizienz fördern, übernehmen (WBCSD 2000, S. 5–7). Systemische Veränderungen, welche auf die Regierungen hinwirken sollen, bieten ein sehr großes Potenzial an erhöhter Ressourcenproduktivität (Ayres, van Leynseele 1997, S. 15). Die technologischen Lösungen zur Erfüllung einer Konsistenz-Strategie benötigen einen langen Zeithorizont. Diesem steht jedoch das Bestreben nach zeitnaher Effizienzsteigerung, insbesondere von Produktionsprozessen, entgegen. Es wird also zunächst nach den „niedrig hängenden Früchten“ gegriffen, während längerfristige Veränderungsprozesse einer Konsistenz-Strategie nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit verfolgt werden. Die Suffizienz – gewissermaßen das Gegenstück zu einem eher kurzfristigen und technologischen Ansatz – kann sich trotz aller Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion ebenfalls noch nicht entsprechend durchsetzen. Dies ist auf die hohen Potenziale für Ökoeffizienz-Maßnahmen, die v. a. Energie und Abfall betreffen, zurückzuführen (Ayres, van Leynseele 1997, S. 15; Baum et al. 2007, S. 149-152). Experten gingen bereits Ende der 1990er Jahre davon aus, dass in der gesamten Wirtschaft spezifische Energie- und Materialeinsparungen von 10 bis 40 % gewinnbringend erzielt werden können (OECD 1998, S. 9 und 23). Diese Einschätzungen haben gegenwärtig immer noch Bestand, da die Potenziale bislang kaum ausgeschöpft und oftmals unterschätzt wurden (KfW 2005, S. 1719). Die geführte Diskussion über das nötige Maß einer Veränderung soll in Abschnitt 4.4 mit unterschiedlichen Varianten der Ökoeffizienz weiter systematisiert werden.

4.4

Starke und schwache Ökoeffizienz

Die Vorstellung, Ökoeffizienz führe als Beitrag zum umwelttechnischen Fortschritt zu einer Win-win-Situation, nimmt eine beherrschende Stellung ein. Eine gewisse Übereinstimmung besteht darin, die Ökoeffizienz zu erhöhen, wobei über die einzelnen Bestandsveränderungen von Ökologie und Ökonomie unterschiedliche Vorstellungen herrschen. Die Vorschläge zur Steigerung der Ökoeffizienz variieren zwischen einem Faktor 5 und einem Faktor 50 (Reijnders 1998, v. Weizsäcker u.a. 2010). In der anwendungsorientierten Literatur werden kaum weitergehende Systematisierungen für die Ökoeffizienz geliefert. Frank Czymmek stellt für den betrieblichen Kontext verschiedene Kategorien vor. Diese sind je nach Schwerpunkt in vier Kategorien eingeteilt: ökonomisch,

118

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

ökologisch, ökologisch-ökonomisch oder ökologisch-ökonomisch-sozial (Czymmek 2003). Diese Hierarchie spiegelt sich in den nachfolgenden Abschnitten wider, in denen Varianten mit verschiedenen ökologischen und ökonomischen Ausprägungen vorgestellt werden. Nur die vierte Kategorie soll in den Ausführungen zur Ökoeffizienz als zweidimensionaler Ansatz nicht weiter verfolgt werden. Im Folgenden soll nach zwei Entwicklungsrichtungen unterschieden werden, die analog zur Nachhaltigkeit unterschiedliche Stärkegrade einer Ökoeffizienz repräsentieren. Hier ist nach zugrunde gelegten Paradigmen, Wachstumsparametern und betrachteten Zeiträumen zu unterscheiden. Selbstverständlich kann diese Zuschreibung von Merkmalen nur als idealtypische Differenzierung verstanden werden, da vielfache Abstufungen bestehen. Tab. 4-1 fasst die Charakteristika der beiden Entwicklungsrichtungen, unterschieden nach schwacher und starker Ökoeffizienz, zusammen:  Die schwache Ökoeffizienz schöpft bevorzugt offensichtliche und schnell nutzbare Potenziale aus. Dabei gehen die Akteure vorwiegend technisch vor und betrachten stärker einzelne betriebliche Aspekte (ihre Produktionsprozesse). Die Entwicklung verbessert den Status quo, was auf lange Sicht nur zu einer mäßigen und relativen Erhöhung der Ökoeffizienz führt. Dies wird mit dem Begriff „relative Entkopplung“ gefasst (Spangenberg 1995, S. 36 f.). Schwache Ökoeffizienz-Varianten enthalten Zielvorgaben für eine stetige Produktivitätssteigerung. Zunächst soll gezeigt werden, dass dies für Industriestaaten zwar im Ansatz gelingt, aber dennoch Bedarf für stärkere Varianten einer Ökoeffizienz besteht.  Auf der anderen Seite steht die starke Ökoeffizienz für ein weiterreichendes Vorhaben. Dies ist durch eine langfristige und umfassende Umsetzung sowie durch eine recht strenge Zielsetzung gekennzeichnet. Das Ziel wird aus den ökologischen Grenzen bzw. Anforderungen abgeleitet. Ziel ist hier, so Spangenberg, zumindest eine „absolute Entkopplung“ des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch, besser noch eine weiter-gehende „Dematerialisierung“. Starke Varianten der Ökoeffizienz sollen daher insbesondere den Imperativ zur Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Schadschöpfung erfüllen, wobei die Managementregeln der ökologischen Ökonomie Ziel- und Entscheidungshilfen geben können.

4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz

Mittel

Zielerreichung Paradigma

119

Schwache Ökoeffizienz Kurzfristig Prozessorientierung Partikular Enge Ökoeffizienz Effizienz-Strategie

Kriterium Zeithorizont Ansatzraum Lebenswegbetrachtung Operator Leitstrategie(n)

Technisch Schwach/minimal Faktor 2 Substituierbarkeit Ökonomie

Disziplin Grad der Ökoeffizienz Faktor Trade-offs Primat

Starke Ökoeffizienz Langfristig Produkt- und Funktionsorient. Gesamt Weite Ökoeffizienz Konsistenz- + Effizienz- + Suffizienz-Strategie Technisch, politisch, sozial Stark/maximal Faktor 4 bis 27 Komplementarität Ökologie

Quelle: eigene Darstellung Tab. 4-1: Ausprägungen zur Systematisierung der Ökoeffizienz

Die Ökoeffizienz-Ansätze, die in den nachfolgenden Abschnitten vorgestellt werden, bewegen sich innerhalb dieser beiden Entwicklungsrichtungen.

4.4.1

Varianten schwacher Ökoeffizienz

Die schwache Ökoeffizienz zielt darauf ab, die operationelle Ökoeffizienz auf mikroökonomischer Ebene zu erhöhen. Damit wird nach konventioneller Bewertung auch insgesamt eine Erhöhung der Ökoeffizienz angestrebt, wie es in Nordamerika beispielsweise unter dem Thema „smart growth“ diskutiert wird (Moll, Gee 1999, S. 17). Die Befürworter dieser Variante haben eine grundsätzlich optimistische Grundhaltung gegenüber den nachhaltigkeitsbezogenen Effekten der Ökoeffizienz. Auch gehen sie davon aus, dass die Ökoeffizienz für nachhaltige Produktions- und Konsummuster ausreiche. Sie nehmen zahlreiche Potenziale wahr, die über Management-Instrumente zur Schadstoffvermeidung und Abfallverringerung wie bei einem qualitätsorientierten Ansatz ergriffen werden können. Durch Effizienzverbesserungen, Kosteneinsparungen und Wettbewerbsvorteile sollen Unternehmen eine Win-win-Situation, also gesteigerte Wertschöpfung bei gleicher oder verringerter Schadschöpfung erreichen. Ebenfalls wird angenommen, dass der technologische Fortschritt über den Markt zu einer stetigen Effizienzsteigerung führe. Weiterhin wird für Entwicklungsländer angenommen, sie würden sich u. a. durch Technologiediffusion auf einem niedrigeren Umweltbelastungsniveau als die bereits industrialisierten Länder einpendeln (OECD 1995, S. A27–29). Das Ziel der schwachen Ökoeffizienz lässt sich somit als Erhöhung des ökonomisch-ökolo-gischen Verhältnisses verstehen.

120

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie Ökonomie Ökoeffizienzschwach = Ökologie 

Die ökonomischen und die ökologischen Fortschrittskontrollen bilden ein Problem auf der einzelwirtschaftlichen Ebene. Ebenfalls ist die Wahrnehmung von knappen Ressourcen wie auch vom Zusammenhang zwischen reduzier- Grenzen des Umweltmanagements tem Verbrauch und Nachhaltigkeit unzurei- Die meisten Automobilunternehmen pflegen ein inchend (OECD 1998, S. 14). Das heißt, Unter- nerbetriebliches Umweltmanagement, welches u. a. produktionsrelevanten Prozesse und Stoff-ströme nehmen haben sowohl instrumentelle als auch die berücksichtigt. Allerdings ist die Effizienzsteigerung kognitive Defizite, ihr Handeln den Erfordernis- eines verbrauchsstarken Fahrzeuges, das hohe Leissen einer nachhaltigen Entwicklung hinreichend tungswerte aufweist, durch die gesamtökonomisch anzupassen. Es ist ohnehin zu hinterfra-gen, in- negativen Effekte fraglich. Hierzu ist ein überbetriebliches Umweltmanagement vonnöten, das die gesamwiefern einzelnen Unternehmen außerhalb ihres ten Folgen eines Produktionsprozesses – jenseits der direkten Gestaltungsbereiches eine globale Ver- argumentativ bemühten “Sachzwänge” – über den gesamten Lebensweg berücksichtigt. antwortung aufgebürdet werden soll. Im Weiteren gilt die Erkenntnis, dass immer noch eine gewisse Beziehung zwischen Wirtschaftsleistung (BIP) und dem Ressourcenverbrauch besteht. Dafür spricht, dass die Tertiarisierung gemäß der Drei-Sektoren-Hypothese noch keine Abkehr vom Verbrauchsniveau bedeutet: auch der Dienstleistungssektor bringt ein bisweilen hohes Maß an Umwelteinwirkungen mit sich. Die Kritik an der Effektivität des sektoralen Strukturwandels wird schon länger im Rahmen der Ökologischen Modernisierung diskutiert (siehe etwa Huber 1995, S. 62 f, Jänicke 2008). Wird die schwache Ökoeffizienz – je nach Entwicklung von BIP und Ressourcenverbrauch –differenziert betrachtet, so kann sie eine geringe oder eine moderate Ressourcenproduktivität aufweisen. Vorrang der Ökonomie bei geringer Ressourcenproduktivität In den letzten Jahrzehnten kann in Industrieländern eine lediglich relative Erhöhung der Ökoeffizienz beobachtet werden. Insgesamt liegt der Ressourcenverbrauch auf einem hohen Niveau und die aufstrebenden Schwellenländer sorgen durch ihren „Nachholbedarf“ für einen global zunehmenden Verbrauch. Eine Zielvereinbarung auf die relative Steigerung der Ökoeffizienz würde den steigenden Ressourcenverbrauch daher allenfalls abmildern. In Abb. 4-3 sind die Wirtschafts- und die Ressourcenentwicklung im Szenario mit hauptsächlich ökonomischen Entwicklungszielen dargestellt. Die Erhöhung der Ressourcenproduktivität ist pessimistisch mit 1 % angesetzt. Das Wirtschaftswachstum soll mit 2 % p. a. angenommen werden, was gegenwärtig der langfristigen Steigerung in einem Industrieland wie Deutschland entsprechen dürfte. Im gewählten Beispiel einer sehr schwachen Ökoeffizienz mit geringer Zunahme der Ressourcenproduktivität steigt die wirtschaftliche Leistung schneller als die Produktivität. Der absolute Ressourcenverbrauch nimmt infolgedessen weiter zu. Die Ressourcenproduktivität steigt nur sehr langsam und entspricht erst nach 70 Jahren dem Faktor 2.

Änderung (Prozent)

4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz

121

Y

500

400 Faktor 2

R

Y/R

300

70 Jahre

200

100

0 0

20

40

60

80

100

120

Zeit (Jahre) Y: Y/R: R:

Bruttoinlandsprodukt; Steigerung um 2 % p. a. Ressourcenproduktivität; Steigerung um 1 % p. a. Ressourcenverbrauch (resultierend aus Y und Y/R)

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 32 Abb. 4-3: Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch beim Vorrang der Ökonomie

Vorrang der Ökonomie bei moderater Ressourcenproduktivität Dem Verlauf in Abb. 4-4 liegt eine jährliche Steigerung der Ressourcenproduktivität von 2 % zugrunde, was allgemein in weiten Bereichen gelten kann. Der Ressourcenverbrauch würde infolge der vollen Kompensation des Wirtschaftswachstums durch die gesteigerte Ressourcenproduktivität konstant bleiben. Im Vergleich zur vorigen Variante halbiert sich die Zeitdauer zur Erreichung des Faktors 2 auf 35 Jahre. Weiterhin ist ein stagnierender Umweltverbrauch anzunehmen. Daraus folgt, dass eine solche Entkopplungsstrategie bei steigender Ressourceninanspruchnahme noch nicht zu einer ökologisch ausreichenden Entlastung führt. Diese Stagnation ist beispielsweise dann problematisch, wenn knappe Lagerstätten von Mineralölen und -gasen ausgebeutet oder wenn die Assimilationsfähigkeit der Umwelt durch stetige Einwirkungen (z. B. andauernden Stickstoffüberschuss in der Landwirtschaft) oder durch kumulierte Belastungen (z. B. Anreicherung von Schwermetallen) überschritten wird.

Änderung (Prozent)

122

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie Y

400

300

200

Faktor 2 Y/R = 2 35 Jahre

100

R

0 0

20

40

60

80

100

120

Zeit (Jahre) Y: Y/R: R:

BSP; Steigerung um 2 % p. a. Ressourcenproduktivität; Steigerung um 2 % p. a. Ressourcenverbrauch (resultierend aus Y und Y/R)

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 32 Abb. 4-4: Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch beim Vorrang der Ökonomie und moderater Ressourcenproduktivität

4.4.2

Varianten starker Ökoeffizienz

Die Varianten einer starken Ökoeffizienz entsprechen weitgehend den Anforderungen der zweiten Entwicklungsrichtung, wonach die ökologischen Aspekte stärker zu berücksichtigen sind. Bei diesen sind die Zielsetzungen einer Steigerung der Ressourcenproduktivität um den Faktor 4 bzw. Faktor 10 etabliert, worauf die beiden nachfolgenden Abschnitte detaillierter eingehen. Starke Ökoeffizienz um den Faktor 4 Faktor 4 hat durch den gleichnamigen Bericht an den Club of Rome mit dem Leitspruch „doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“ sowie seine veranschaulichenden Beispiele dessen, was möglich ist, große Popularität erlangt (siehe von Weizsäcker et al. 1995 und die Weiterentwicklung 2010). Seitdem haben viele politische und gesellschaftliche Akteure das Konzept aufgenommen, sodass sich zahlreiche Ansätze – auch die dargestellte Entwicklung in diesem Abschnitt – auf den Faktor 4 beziehen. Dieser Ansatz verfolgt primär eine Effizienz-Strategie zur Erhöhung der Ökoeffizienz, verbindliche Zielvorgaben sind zunächst nicht enthalten (Moll, Gee 1999, S. 31). Insofern ist hier zu fragen, wie stark die „starke Ökoeffizienz“ um den Faktor 4 tatsächlich ist. Als Zeit bis zur Zielerreichung zur Einhaltung der natürlichen Belastungsgrenzen ging man Ende des letzten Jahrhunderts von 50 Jahren aus, andere Autoren nennen als Zeitraum 20 bis 30 Jahre (so in Hoffrén, Korhonen 2007). Die Dauer bestimmt sich aus der Zielvorgabe in Höhe von 3 %

4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz

123

(konservativer Wert) bzw. 5 % (herausfordernder Wert) weltweiter Effizienzsteigerung pro Jahr (von Weizsäcker et al. 1995, S. 284 und 294–297). Für die beiden Terme im ÖkoeffizienzOperator gilt folgende Beziehung: Ökonomie  Ökoeffizienzstark, Faktor 4 = Ökologie  2 Faktor 4 = 1/

2

Änderung (Prozent)

Wählt man eine jährliche Ressourcenproduktivitätssteigerung von 4 % als Mittel zwischen den moderaten 3 % und den ambitionierten 5 %, so ist nach 35 Jahren der Faktor 4 zu erreichen (siehe Abb. 4-5). Da die Effizienzsteigerung wesentlich über der Rate des Wirtschaftswachstums liegt, wird der absolute Ressourcenverbrauch halbiert.

400

Y

300

200

Faktor 4 Y/R = 4 35 Jahre

100

R 0 0

20

40

60

80

100

120

Zeit (Jahre) Y: Y/R: R:

BSP; Steigerung um 2 % p. a. Ressourcenproduktivität; Steigerung um 4 % p. a. Ressourcenverbrauch (resultierend aus Y und Y/R)

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 32 Abb. 4-5: Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch bei einer Ökoeffizienz von Faktor 4

Starke Ökoeffizienz um den Faktor 10 Die Notwendigkeit eines absoluten Verringerungszieles leitet sich aus der Skepsis am hinreichenden Beitrag eines technischen Fortschritts und des Marktmechanismus ab. Diese sehr vorsorgliche – häufig vielmehr pessimistische – Sichtweise wird von der Unzulänglichkeit der bisherigen Technikorientierung um eine gesteigerte Ökoeffizienz getragen:

Änderung (Prozent)

124

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

400

Y

300

200

Faktor 10 R-Faktor 5

Y/R = 10 60 Jahre

100

R-Faktor 10

R = 1/5 60 Jahre

R = 1/10 120 Jahre

R 0 0

20

40

60

80

100

120

Zeit (Jahre) Y: Y/R: R: R-Faktor:

BSP; Steigerung um 2 % p. a. Ressourcenproduktivität; Steigerung um 4 % p. a. Ressourcenverbrauch (resultierend aus Y und Y/R) Faktor der absoluten Reduzierung, gemessen an den Ressourcen

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 32 Abb. 4-6: Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch in Industrieländern bei einer Ökoeffizienz von Faktor 10

"The case studies show that with the use of technology already available, it is possible to head in the direction towards Factor 4 and 10 targets. But it is not possible to reach the targets of Factor 4 in 2030 and Factor 10 in 2050 without considerable changes in individual and social values as well as regulatory regimes. Here, changes in consumer behaviour appear to be very important (Moll, Gee 1999, S. 13).” Zumeist stellen Nichtregierungsorganisationen und Vertreter der Ökologischen Ökonomie Forderungen nach einer absoluten, d.h. wesentlichen Verringerung der Schadschöpfung auf. Dies beinhaltet meist die Forderung nach einer grundlegenden Neuorientierung der Zielvorgaben und Aktivitäten der Wirtschaft, die etwa in einer Begrenzung des derzeitigen Wirtschaftswachstums als rein quantitatives und materielles Konzept einer Wohlfahrt münden. Ein entsprechendes Konzept schlägt Schmidt-Bleek mit dem Faktor 10 für die Industrieländer, die den größten Teil der Umweltbelastung verursachen, vor (Schmidt-Bleek 1998). In dieser starken Zielsetzung ist das Eingeständnis eines weiteren wirtschaftlichen Ausbaus in den Entwicklungsländern bzw. einer weltweit gleichmäßigen Nutzung der natürlichen Res-sourcen enthalten. Insgesamt wird global eine Halbierung des Ressourceneinsatzes angestrebt, wofür mindestens eine Generation (etwa 25 Jahre) notwendig ist (Moll, Gee 1999, S. 31). Die Verfechter des Konzepts forderten zwischen 30 und 50 Jahren für die Erreichung von Faktor 10 (Factor 10 Club 1994).

Änderung (Prozent)

4.4 Starke und schwache Ökoeffizienz

125

400

Y

300

200 R-Faktor 27 100

R = 1/27 50 Jahre

R

0 0

20

40

60

80

100

120

Zeit (Jahre) Y: Y/R: R: *:

BSP; Steigerung um 2 % p. a. (in Industrieländern) Ressourcenproduktivität; Steigerung um 6,8 % p. a. Ressourcenverbrauch (resultierend aus Y und Y/R) Faktor der absoluten Reduzierung, gemessen an den Ressourcen|

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 32 Abb. 4-7: Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch in Industrieländern bei maximaler Ökoeffizienz

2 Faktor 10 = 1/

5

Hier spricht man trotz der hohen Umweltentlastungsziele nicht von einer „sehr starken Ökoeffizienz“, da hierfür in Analogie zur sehr starken Nachhaltigkeit ein weiteres Wirtschaftswachstum unzulässig wäre. Abb. 4-6 stellt die Entwicklung bei fundamentalen Änderungen dar, welche unter den durch Faktor 4 vorgegebenen Parametern nach 60 Jahren zu einer Verzehnfachung der Ökoeffizienz führen würde. In diesem Fall wird der Ressourcenverbrauch auf ein Fünftel des Anfangswertes vermindert. Nach weiteren 60 Jahren läge der Verbrauch natürlicher Ressourcen bei einem Zehntel. Maximale Ökoeffizienz Ambitionierte Forderungen umfassen die Zielsetzung, die Stoffströme in Industrieländern auf ein Zehntel der jetzigen Werte innerhalb eines halben Jahrhunderts zu reduzieren, während den Entwicklungsländern aus Gerechtigkeitsüberlegungen eine Verdopplung gestattet wird. Dann wären bei einem Wirtschafswachstum der Industrieländer von 2 % pro Jahr schon 6,8 % jährliche Ressourcenproduktivitätssteigerung notwendig. Dies entspräche einer um den Faktor 27 gesteigerten Ressourceneffizienz, wie in Abb. 4-7 aufgezeigt. Infolge der sehr hohen Anstrengungen findet die Forderung nach einer Suffizienz-Strategie unter diesen Zielvorgaben einen starken Zuspruch (Priewe 1999, S. 1).

126

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Mögliche Kritikpunkte Die bisher modellhaft aufgezeigte Systematisierung von Varianten der Ökoeffizienz hängt von einigen Prämissen ab. Die Variation einzelner Parameter kann großen Einfluss auf die dargestellten Zusammenhänge haben. Grundsätzlich erfordert die Aggregation oder Selektion von Indikatoren – oftmals nicht genügend abgesicherte – Annahmen, wozu auch das vielfach ungelöste Problem der Substitutionsbeziehung zwischen Ressourcen zählt. Zu den möglichen Kritikpunkten gehören im Einzelnen:  Die Ressourcenproduktivität sowie ihre beiden zugrunde liegenden Größen dürfen grundsätzlich kein Selbstzweck sein. Es kann nur darum gehen, mit ihnen die Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Technologien hinsichtlich ökologischer Anforderungen abzubilden.  Für den ökonomischen Term einer Ressourcenproduktivität soll das reale BIP verwendet werden, weil nur durch die Bereinigung um Kaufkraftverluste (Inflation) ein vergleichbares Maß für die ökonomische Dimension besteht. In der Literatur wird dies aber häufig nicht problematisiert. Bei der unternehmensbezogenen Ökoeffizienz ist es weitaus auffälliger, dass ökonomische Kennzahlen wie Umsatz oder Gewinn nur in ihrer nominalen Höhe berücksichtigt werden. Dadurch steigt die Ökoeffizienz schneller als bei Verwendung bereinigter Größen.  Es ist unbekannt, wie sich das Wirtschaftswachstum tatsächlich entwickeln wird und ob die fortgeschrittenen Industrieländer das reale BIP weiter steigern können. Es ist stattdessen anzunehmen, dass ökonomische Sättigungseffekte bzw. abnehmende Zuwachsraten eintreten.  Die Steigerung des BIPs wird bislang als positiv für die Wohlfahrt angenommen. In der Lebenszufriedenheits- und der Glücksforschung gilt es aber als weitgehend gesichert, dass es Sättigungseffekte gibt. Die Frage ist also, ob es eine obere Grenze für die wohlfahrtsinduzierten Effekte des BIPs geben sollte. Diese Problemlage führt auch zur grundsätzlichen Frage, welches Ziel mit einem gesteigerten BIP erreicht werden soll, wenn es auf die Wohlfahrt schon kaum mehr Einfluss hat.  Die Ressourcen müssen näher spezifiziert und für den Indikator ggf. ein schlüssiges Aggregationsverfahren gefunden werden. Die „Tonnenideologie“, das Gewicht jeglichen Materials zusammenzuzählen, berücksichtigt die jeweiligen Eigenschaften, Probleme, Ressourcenreichweiten (zukünftige Verfügbarkeit) und Ressourcenvorräte nicht. Die Problematik betrifft auch die Frage nach der Substituierbarkeit von Ressourcen, welche für die beiden entgegengesetzten Positionen einer schwachen und starken Nachhaltigkeit zentral ist.4  Letztlich hängt auch das konkret gewählte Ökoeffizienz-Konzept von normativen Festlegungen bzw. der Perspektive ab. Vertreter einer starken Ökoeffizienz sehen die Umweltentlastungseffekte als Hauptziel und die ökonomischen Effekte eher als akzeptanzfördernde „Gratiseffekte“ an (SRU 2008, Tz. 68). Die meisten deutschen Unternehmen – deren ökologische Betroffenheit ist ohnehin nicht stark ausgeprägt (Baum et al. 2007, S. 195) – 4

Als Empfehlung: Es ist zumindest nach den beiden Leitindikatoren für Rohstoffe und Energieträger zu unterscheiden. Soll nur ein Leitindikator verwendet werden, so können alternativ die Kohlendioxid-Emissionen die gesamten Bemühungen um Vermeidung, Verminderung und Substitution fossiler Ressourcen und deren Folgen abbilden.

4.5 Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum

127

stellen hingegen die Kosteneinsparungen in den Vordergrund und betrachten Umwelt/Ressourcenschutz als nachrangiges Ziel (siehe auch S. 86). Tatsächlich kann für die Vereinigten Staaten von Amerika und für die größten europäischen Staaten nachgewiesen werden, dass die energiebezogene Ökoeffizienz seit 1960 gestiegen, der Energieverbrauch insgesamt aber auch zugenommen hat. Die Effizienzsteigerungen konnten die zusätzliche Umweltbelastung aus der Bevölkerungszunahme, insbesondere in Amerika, nur zum Teil kompensieren. Ähnliche Befunde einer relativen Entkopplung sind im globalen Maßstab für diverse Rohstoffe, Emissionen und Fischbestände festzustellen (Holm, Englund 2009). Für die weiteren Ausführungen ist die Erkenntnis zu berücksichtigen, dass die Mikro- und die Makroebene nicht ausschließlich getrennt voneinander betrachtet werden dürfen, sondern dass die Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten der einen auf die andere Ebene mit zu berücksichtigen sind. Dies gilt besonders für den Fall, dass mehr als eine schwache Ökoeffizienz bzw. eine relative Entkopplung erreicht werden soll. Der nachfolgende Abschnitt 4.5 stellt hierfür mögliche Ansätze vor.

4.5

Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum

Das Konzept der Ökoeffizienz wurde in den 1990er-Jahren entwickelt und in seinen Grundzügen weitgehend abgeschlossen. Schon damals wurde deutlich, dass Ökoeffizienz eine Vielzahl von Ansätzen und Vorstellungen umfasst und dass die Entwicklungsrichtung nur grob durch handlungsleitende Ziele in Form von „Fakor-X“ vorgegeben werden (Reijnders 1998). In den darauffolgenden Jahren stand dann die Frage im Vordergrund, wie die Umsetzung der Ökoeffizienz unterstützt und wie der institutionelle Rahmen gesetzt werden soll. Die Förderung und Gestaltung von Innovationsprozessen spielt hier eine wesentliche Rolle. Die Berücksichtigung des umwelttechnischen Fortschritts hat hinsichtlich der Beziehung „Wirtschaftswachstum und Umwelt“ gezeigt, dass besonders die integrierte Umwelttechnik als umfassende ÖkoeffizienzMaßnahme einen wesentlichen Beitrag zu einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung leisten kann. Es wurde aber auch zunehmend klar, dass Umweltinnovationen mehr als nur technologische Fragestellungen betreffen. Dies wird in den beiden nachfolgenden Abschnitten aufgegriffen. Ökoeffizienz als technologischer Ansatz Aus der Ökoeffizienz und anderen Formen des umwelttechnischen Fortschritts lassen sich Erkenntnisse ableiten, wie z.B. zu der Beziehung von Wirtschaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit, die zu einer Neuorientierung von Schlussfolgerungen führen können: Wachstum und Umweltschutz sind nicht per se konfliktär (v. Hauff, Jörg 2013). Das ist einmal für Entwicklungs- und Schwellenländer von hoher Relevanz, da dort ein gewisses Wirtschaftswachstum für die Überwindung existenzieller Entwicklungsziele unvermeidlich ist. Daher wird in Kapitel 34 der Agenda 21 (UNCED 1992) gefordert, dass Industrieländer umwelttechnischen Fortschritt in stärkerem Maße den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen sollen.

128

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Hierzu sind jedoch noch ein umfassender Lernprozess und gemeinsame Anstrengungen der Länder notwendig. Für die Industrieländer gilt hingegen, Wirtschaftswachstum verstärkt in qualitativer statt quantitativer Hinsicht zu fördern. Es kann in diesem Kontext nicht um eine bloße Ausweitung ressourcenintensiven Wirtschaftens gehen. Es bedarf vielmehr weiterer Anstrengungen im Kontext nachhaltiger Innovationen. Ein wichtiger Ansatzpunkt für ein zukunftsfähiges Wachstum sind u. a. die produktionstechnischen Bedingungen. Bei steigendem Wachstum müssen sie – so die Bedingung – zu einem konstanten oder sinkenden Ressourceneinsatz und damit zu einer Verbesserung der Effizienz des Ressourceneinsatzes führen (Pittel 2004, S. 539). Weiterhin entspricht ein steigendes Wachstum nur dann den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung, wenn auch die Emissionen sinken. Der globale Zustand des ökologischen Systems verlangt also in beiden Fällen ein Sinken des Ressourceneinsatzes und der Emissionen. Die Effizienzerhöhung ist durch umwelttechnischen Fortschritt und die Akkumulation von Wissen grundsätzlich möglich. Die Ökoeffizienz wurde in diesem Kontext als ein Erfolg versprechender Ansatz aufgenommen, zugleich wurde aber schon früh die Notwendigkeit für eine weitaus umfassendere politische Gestaltung sichtbar (OECD 1998, S. 3).

Innovationsgrad

Marktdurchdringung Nischenmärkte oder gering

national, global

inkrementell (gering)

mittel

stark  starke Umweltinnovationen

radikal (hoch)

schwach  schwache Umweltinnovationen

mittel

Quelle: in Anlehnung an Jänicke 2008, S. 32 Tab. 4-2: Ökologische Wirksamkeit von Umweltinnovationen

Wegen knapper Ressourcen (Geld, Zeit, Personal) soll der Staat Prioritäten bei der gezielten Förderung von Umweltinnovationen setzen, wofür eine Aufteilung nach der Stärke der ökologischen Wirksamkeit vorgeschlagen wird (siehe Tab. 4-2). Demnach ist ein staatlicher Eingriff vor allem für „starke Umweltinnovationen“ gerechtfertigt. Dabei handelt es sich um radikale Umweltinnovationen, die eher komplex sind, lange Zeithorizonte erfordern und unwägbare Investitionsrisiken bergen. Gleichzeitig lassen sie eine hohe Marktdurchdringung mit dementsprechend umfassenden Umweltentlastungen erwarten. „Schwache Umweltinnovationen“, die nur zu inkrementellen ökologischen Verbesserungen führen und den gesamten Markt kaum durchdringen, sollen hingegen eher dem Markt überlassen werden. Die Wirtschaft kann solche Innovationen in der Regel mit eigenen Ressourcen anstreben (SRU 2008, Tz. 66–68). Es bleibt festzuhalten: Beim gegenwärtig in Industrieländern verfügbaren und hohen Stand der Umwelttechnik besteht sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer noch ein im-

4.5 Konsequenzen für ein nachhaltiges Wachstum

129

menses Einsparpotenzial. Deren langsame Ausschöpfung ist zu einem großen Teil auf institutionelle Hindernisse zurückzuführen, die außerhalb technischer Probleme im engeren Sinne liegen. Der nachfolgende Abschnitt geht auf solche institutionelle Aspekte von Innovationsprozessen ein. Institutionelle Perspektiven des umwelttechnischen Fortschritts Zur breiten und ökologisch wirksamen Gestaltung sind langfristige Strategien nötig. Dabei sind die menschlichen Eigenschaften wie Ungeduld, Streben nach Eigennutz, Unsicherheit, mangelnde analytische Fähigkeit und existenzielle Anfälligkeit bei Schäden zu berücksichtigen (Ascher 2006, S. 16–18). Es sind umfassende politische Maßnahmen nötig, welche über eine rein technische Betrachtung hinausgehen und die Probleme vielmehr als Ganzes eines sozio-technologischen Systems erfassen. Wichtig ist hier der Hinweis, dass jeder tief greifende Wandel nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer nach sich zieht. Daher soll jeder Wandel durch eine entsprechende Strukturpolitik, die übermäßige Härten abfedert und somit die Chancen für eine Akzeptanz erhöht, begleitet werden. In der Vergangenheit liefen hierzu in Deutschland Anstrengungen unter dem Konzept „Ökologische Modernisierung“ (Vgl. hierzu auch die Leitthema der Rio-Konferenz 2012 „Green Economy“). In diesem Ansatz sollen die Ertragspotenziale, die in ökologisch-ökonomisch beiderseitig vorteilhaften Ergebnissen münden, erschlossen werden. Gleichermaßen soll die inkrementelle oder radikale Einführung neuer Technologien die Umweltbelastung in einzelnen oder besser in allen Lebenszyklusphasen reduzieren. Dazu werden neben der inputorientierten Ressourceneffizienz (Material-, Energie- und Flächeneffizienz) auch die Risikoeffizienz, die Transporteffizienz sowie die outputorientierte Emissionseffizienz (Abfall und andere Emissionen) betrachtet. Politische und marktliche Innovationen innerhalb des bestehenden Systems fördern die Umsetzung der Ökologischen Modernisierung (Jänicke 2000, S. 282–284). Für das Drei-Dimensionen-Modell einer nachhaltigen Entwicklung ist daraus zu folgern, dass die hier betrachteten ökologischen und ökonomischen Aspekte stets durch institutionelle Reformen zu begleiten sind. Diese Erkenntnis ist auch für Innovationen und Innovationssysteme bedeutsam (siehe Kapitel 3). Es geht also um einen umfassenden „Ökologischen Strukturwandel“, der den Effizienzansatz ergänzt. Dies ist nötig, da – wie schon hinreichend begründet - die alleinige Erhöhung der Effizienz zwar am weitesten operationalisiert ist und einen leichten Einstieg in das nachhaltige Wirtschaften bietet, aber nicht hinreichend für eine nachhaltige Entwicklung ist. So zeigen Forschungen stets die Notwendigkeit von sozialen Innovationen und institutionellen Reformen auf, die u. a. die Komplexität und den Entwicklungspfad in der Einzelwirtschaft berücksichtigen. Auch benötigt die Umsetzung des integrierten Umweltschutzes eine konsistente und dauerhafte Politik, die umwelttechnischen Fortschritt von Invention bis hin zur Diffusion begleitet, da dem häufig vorgegebenen „Selbstläufertum“ in der Realität Hindernisse entgegenstehen (Birke 2001, S. 250–252). Daher umschließt der Ökologische Strukturwandel die weitaus ambitiöseren Optionen, die sich nicht innerhalb des bestehenden Systems verwirklichen lassen.

130

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Technische Innovationen (nach unten zunehmend)

Produktionsprozesse

Soziale und institutionelle Innovationen (nach rechts zunehmend) Beziehung HerstelProdukte ler – Konsument Gewicht, Energieverbrauch, Kosten Carsharing verringern

Inkrementelle Verbesserungen

Gutes Haushalten

Technologische Veränderungen

Solarstrom Biotreibstoffe

Elektroauto

TechnologieCluster

Prozessautomatisierung

Hochentwickelte Werkstoffe

Technologisches/ ökonomisches System

I. E.

Recycling und Wiederherstellung

I. E.

Konsummuster Kompostierung Weiter-/ Wiedernutzung Virtueller Tourismus, Elektronisches Papier

Industrial Ecology/ Wissensbasierte Stoffstromwirtschaft Gesellschaft

Quelle: in Anlehnung an OECD 1998, S. 19 Tab. 4-3: Technische und soziale Innovationen für eine höhere Öko- und Ressourceneffizienz

Infolgedessen sind die Strukturen in Industrie, Energieversorgung, Verkehr und Siedlung sowie die Lebens- und Konsummuster durch technische wie auch politische und soziale Maßnahmen zu erweitern. Kapitel 3 zeigte innovationstheoretische Begründungszusammenhänge für einen umwelttechnischen Fortschritt auf. Tab. 4-3 verdeutlicht beispielhaft Innovationen, die in technologischer Hinsicht von einfachen Veränderungen (oben) bis hin zu Veränderungen des gesamten Systems reichen (unten) und die bloß die Produktionsprozesse umfassen (links) oder darüber hinaus die sozialen Institutionen ändern (rechts). Von den aufgeführten Ansätzen ist die „Industrial Ecology“ besonders hervorzuheben, da sie das bestehende technologische System umfassend und interdisziplinär durch einen umwelttechnischen Fortschritt umgestalten will (von Hauff, Wilderer 2008; Isenmann, von Hauff 2007). Dementsprechend betrifft die Industrial Ecology auch die Ebene der Produktionsprozesse und Produkte. Die Notwendigkeit ordnungspolitischer Rahmensetzung wird von den Erkenntnissen gestärkt, dass die ökologischen Aspekte nicht als Selbstzweck, sondern häufig nur als positive Nebenwirkungen durchsetzbar sind. Das heißt, bei der Umsetzung von Ökoeffizienz stehen vielmehr die Kosteneinsparung oder andere Faktoren marktlichen Wettbewerbs anstatt die Einsicht in ökologische Ziele im Vordergrund. Großunternehmen als Vorreiter begründen ihr Engagement zur Ökoeffizienz mit kunden- und marktorientierten Positionierungsstrategien, durch die sie Image, Kosten- und Wettbewerbseffekte haben sowie Standards einhalten. Umweltaspekte stellen hier neben der Auslöserfunktion vorwiegend einen Zusatznutzen dar (Five Winds International 2000, S. 36–39; Baum et al. 2007, S. 68-76). Die deutsche Bundesregierung hat im Jahr 2006 mit der „ökologischen Industriepolitik“ die innovationsorientierte Umweltpolitik bekräftigt. Effizienzsteigernde Umwelttechnik und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe sollen die Stellung deutscher Anbieter im Weltmarkt weiter ausbauen. Ziel ist die „dritte industrielle Revolution“ mit „revolutionären Technologiesprüngen“. Dafür plante die deutsche Bundesregierung, das Innovationsgeschehen – in Abstimmung mit der europäischen Politik – in den Technologiemärkten

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie     

131

der Energieerzeugung, Kraftwerken und Speicherung von CO2, der Energieeffizienz, des Recyclings und der Abfallwirtschaft, von Wasser und Abwasser, des umwelttechnischen Engineering und der Anlagentechnik

sowie die Basisinnovationen Life Science (Biotechnologie) und Nanotechnologie zu forcieren (BMU 2006).

4.6

Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Die Forderung nach mehr Ressourceneffizienz, wie sie auch im Kontext der Ökoeffizienz gestellt wurde, soll in den folgenden Ausführungen in eine nachhaltige Ressourcenstrategie eingebunden werden. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die Diskussion um begrenzte Ressourcen sich immer stärker von der Knappheit von fossilen Brennstoffen zu seltenen Erden und Metallen verlagert. Das erklärt sich daraus, dass moderne und zukunftsorientierte Produktionsprozesse aber auch Produkte wie Computer, Mobiltelefone, Displays, Medizintechnik, regenerative Energieträger wie Windkraftanlagen und Solarzellen, Energiesparlampen, Hochleistungsbatterien sowie die für die Zukunft geplante Elektromobilität bzw. die Wasserstoffantriebstechnologie seltene Erden und Metalle benötigen. Dabei handelt es sich überwiegend um Technologien, die in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen oder um Zukunftstechnologien. Daher ist davon auszugehen, dass die Nachfrage bei der Mehrzahl der seltenen Erden und Metalle auch in Zukunft weiter ansteigen wird. Die Bedeutung dieser Entwicklung wird auch dadurch offensichtlich, dass die EU-Kommission im Rahmen ihrer Rohstoffinitiative 14 Metalle als besonders „kritisch“ eingestuft hat. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Vorkommnisse, d. h. die Mengen, die noch abgebaut werden können, sondern auch um die Abhängigkeit gegenüber einzelnen Ländern bzw. Regionen, in denen sie in besonderem Maße vorkommen. Die Versorgungssicherheit wird jedoch durch vielfältige Determinanten beeinflusst. Daraus erklärt sich, dass das Angebot nicht immer direkt über die Nachfrage determiniert wird, wie der Marktmechanismus das im Prinzip vorgibt. Ein weiteres Problemfeld ist, dass seltene Metalle oft nur als Nebenprodukt oder Kuppelprodukt bei der Gewinnung von Hauptmetallen anfallen (Wägner, Lang 2010, S. 4). Knappe Ressourcen, wie seltene Erden und Metalle, werden sowohl auf unternehmerischer als auch auf politischer Ebene in zunehmendem Maße im Rahmen nachhaltiger Entwicklung diskutiert (Ziemann. Schebeck 2010, S. 1965). Dies erklärt sich nicht nur aus der Knappheit dieser Ressourcen. Es geht auch darum, dass der Abbau von seltenen Erden und auch teilweise von seltenen Metallen in den meisten Ländern mit hohen Umweltbelastungen und für die dort tätigen Arbeitskräfte mit hohen Gesundheitsbelastungen verbunden ist. Es kommt beispielsweise zu toxischen Abfällen oder radioaktivem Material, dem viele Arbeitskräfte ungeschützt ausgesetzt werden. Diese Arbeitsbedingungen sind vielen Menschen in der westlichen Welt,

132

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

die als Konsumenten Endprodukte wie Handys direkt nachfragen und nutzen, kaum bekannt. Daher wird es in zunehmendem Maße sowohl auf einzelwirtschaftlicher als auch gesamtwirtschaftlicher Ebene für notwendig erachtet, der Entwicklung von Produkten neben den ökonomischen auch die ökologischen und sozialen Aspekte zu analysieren und in die Planung der Produkte, aber auch der Produktionsprozesse mit einzubeziehen. So ist zu erwarten, dass in Zukunft Medien und Umweltverbände stärker als bisher die Missstände aufgreifen bzw. anprangern werden. Knappe natürliche Ressourcen: Das Beispiel seltene Erden und seltene Metalle Es ist heute unbestritten, dass die Produktion einer Vielzahl von Produkten, d. h. sowohl von Konsumgütern als auch von Investitionsgütern ohne seltene Erden und Metalle nicht möglich wäre. Obwohl häufig nur verhältnismäßig geringe Mengen im Vergleich zu den Massenmetallen zur Herstellung dieser Produkte notwendig sind, haben sie schon heute eine große Bedeutung. Ihre geringen Konzentrationen sowohl in der Erdkruste und auch in Gesteinen als auch ihre häufig schwierige Gewinnung und Verarbeitung ist den vielfach chemisch und physikalisch sehr verschiedenen Metallen gemeinsam (Luidold, Antrekowitsch 2012, S. 32). Daher kam es zu dem Begriff der „strategischen Metalle“, da diese Metalle sowohl für die Exportals auch für die Importländer eine strategische Bedeutung haben. Das gilt besonders für Metalle, die aus Ländern mit politisch instabilen Bedingungen kommen. Hierzu gehört beispielsweise die Republik Kongo, aus der die Rohstoffe Kobalt und Coltan geliefert werden. In der folgenden Abbildung wird die Beziehung zwischen Versorgungsrisiko und wirtschaftlicher Bedeutung aufgezeigt. Dabei wird u. a. deutlich, dass die Metalle Indium, Platingruppenmetalle und Tantal eine hohe wirtschaftliche Bedeutung haben (> 6,5) und gleichzeitig ein relativ hohes Versorgungsrisiko (> 1) aufweisen.

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

133

Quelle: Luidold, Antrekowitsch 2012, S. 34. Abb. 4-8: Wirtschaftliche Bedeutung und Versorgungsrisiko unterschiedlicher Rohstoffe für die EU

Die Primärproduktion seltener Metalle ist neben den bereits erwähnten geopolitischen Aspekten und ökonomischen Risiken, wie der Preisvolatilität, noch durch eine technologische Besonderheit geprägt. Es handelt sich um die Kopplung des großen Teils seltener Metalle an die Gewinnung von Hauptmetallen wie Zink, Kupfer und Blei. Die geförderte Menge an Platinengruppenmetallen hängt beispielsweise von der Produktion von Nickel ab. Als Nebenproduktion von der Zinngewinnung fällt Tantal ab. Eine höhere Nachfrage kann daher nur erfüllt werden, wenn es zu einer höheren Nachfrage des gekoppelten Hauptmetalls kommt (Ziemann, Schebek 2010, S. 1967). Diese wenigen Beispiele zeigen, wie komplex die Primärproduktion ist und welche Bedeutung die Komplexität für die Versorgungssicherheit von Unternehmen hat, deren Produktion ganz wesentlich auf diese Metalle angewiesen ist. Da es sich aus volkswirtschaftlicher Perspektive bei diesen Unternehmen in der Regel um Wachstumsbranchen handelt, muss die Politik ein manifestes Interesse an der Versorgungssicherheit haben, wie die europäische aber auch die deutsche Ressourcenstrategien auch bestätigen. Dabei werden jedoch bisher nicht alle Aspekte bzw. Anforderungen nachhaltiger Entwicklung berücksichtigt. Zu nennen sind beispielsweise die Einforderung von Menschenrechten oder Umweltstandards in den Exportländern, die bisher der Versorgungssicherheit in Industrieländern gegenüberstehen.

134

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

Ausgewählte ressourcenökonomische Erklärungsansätze Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige grundlegende theoretische Begründungszusammenhänge (zu einer Vertiefung vgl. u. a. Endres, Querner 2000). In den ressourcenökonomischen Erklärungsansätzen geht man davon aus, dass sich die erschöpfbaren natürlichen Ressourcen grundsätzlich dadurch auszeichnen, dass sich ihr Primärzustand auf der Erde auf einen langen Zeitraum hin nicht verändert. Die Entnahme von erschöpfbaren Ressourcen bedeutet, dass der Primärzustand genau um die entnommene Einheit reduziert wird. Zur Vereinfachung wird vollständige Information hinsichtlich des Ressourcenbestandes angenommen. Diese Vereinfachung wird in der neueren ressourcenökonomischen Diskussion differenziert. Betrachtet man z. B. die in der Erdkruste insgesamt vorhandenen Ressourcen, so kann man sie unterteilen in identifizierte und unentdeckte sowie in aktuelle und potenzielle Reserven. Bei identifizierten Reserven sind aktuelle von potenziellen Reserven dadurch zu unterscheiden, dass die aktuellen unter den gegebenen technologischen und ökonomischen Bedingungen abgebaut werden können. Dagegen zählen unentdeckte Ressourcen – unabhängig von ihrer möglichen Abbaubarkeit – zu den potenziellen Reserven (Ziesemer 2013, S. 90f). Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die potenziellen Reserven in den Bereich der öko-nomischen Abbaubarkeit kommen. Im Rahmen der intergenerationellen Gerechtigkeit geht es um die Frage der sozial optimalen Abbaurate. Ökonomisch handelt es sich also um die Allokation von Ressourcen über die Zeit. Würde die heute lebende Generation eine Ressource völlig aufbrauchen, würde sie für zukünftige Generationen unwiderruflich verloren gehen. Die heutige Nutzung einer Ressourceneinheit und der dadurch entgangene Nutzen für zukünftige Generationen verursacht Kosten. Es handelt sich hierbei um Opportunitätskosten. Daher soll sich die heutige Generation so verhalten, dass auch zukünftigen Generationen diese Ressourcen zur Verfügung stehen. Es geht daher um die ressourcenökonomisch zentrale Frage, wie ein Ressourcenbestand optimal über die Zeit aufgeteilt wird. Dabei wird zunächst die Recyclierbarkeit der metallischen Rohstoffe vernachlässigt. Es geht also um die Bestimmung eines über die Zeit effizienten Ressourceneinsatzes. Als eines der bekanntesten Konzepte ist das klassische Cake-Eating-Problem zu nennen. Durch die Nutzung einer seltenen Erde bzw. eines seltenen Metalls ergibt sich die Situation, dass durch den Abbau und den Konsum der Ressourcenbestand immer kleiner wird. Dabei geht es um die „sozialoptimale“ Ressourcennutzung (Endres, Querner 2000, S. 23). Sie zielt darauf ab, eine zeitliche Extraktion zu finden, die den bis zu einem Planungshorizont betrachteten Nutzen aus der Ressource für die Gesellschaft maximiert. Daraus leiten sich eine Reihe von Problemen ab. Zunächst stellt sich die Frage, wie der Nutzen gemessen werden kann. Das lässt sich so realisieren, dass der kardinal messbare Nutzen aller Perioden addiert wird. Weiterhin setzt man die Vergleichbarkeit für den Nutzen aus verschiedenen Perioden oder Generationen voraus. Dies erfordert jedoch, dass der Nutzen in den verschiedenen Perioden tatsächlich vergleichbar ist. Das setzt wiederum voraus, dass man den Nutzen zukünftiger Generationen kennt. Unter Berücksichtigung dieser Probleme lässt sich dennoch das Konzept der sozial optimalen Abbaurate, das unter dem Begriff „Cake-EatingProblem“ bekannt wurde, für einen unendlichen Zeitraum formulieren. Danach muss eine

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

135

Volkswirtschaft ein „ewiges Fortbestehen“ anstreben und versuchen, ihren Konsum auf alle Generationen gleich aufzuteilen. Das setzt jedoch voraus, dass alle Generationen den Konsum dieser Ressourcen so einschränken, dass sie zukünftigen Generationen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Es geht also um die Frage, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt ein vorgegebener, endlicher und bekannter Vorrat einer homogenen Ressource mit konstanten Grenzkosten extrahiert werden soll. Der Abbau der Ressource soll über die Zeit hinsichtlich des Nutzens für die Gesellschaft maximiert werden. Zum einen ergibt sich der gesamte Nutzen eines untersuchten Zeitraums aus dem Aufaddieren des kardinal messbaren Nutzens aller Perioden. Des Weiteren ist der Grenznutzen der Ressource, der in jeder Periode mit steigendem Konsum abnimmt, immer positiv. Zusätzlich setzt man eine Vergleichbarkeit für den Nutzen aus verschiedenen Perioden oder Generationen voraus. Dies erfolgt mit der sogenannten „sozialen Diskontrate“ die den jeweils anfallenden Nutzen auf den Entscheidungszeitpunkt abzinst (Endres, Querner 2000, S. 23). Obwohl das Cake-Eating Problem nicht die gesamte Realität abbildet, zeigt es doch das zentrale Problem der Ressourcennutzung über die Zeit auf. Das Modell stellt sich formal wie folgt dar: es gibt einen Ressourcenbestand zum Zeitpunkt t, d.h. Rt, der durch den Konsum C kleiner wird (Ströbele, 1987, S. 15f.). Sollte die Ressource kostenfrei zur Verfügung stehen, so ist die Nutzung abhängig vom Zeitablauf T und der Nutzenfunktion der heutigen und zukünftigen Generationen. Die Nutzenfunktion ist damit in jeder Periode U(C) mit U´(C) > 0 und U´´(C) < 0, so dass ein höherer Konsum zu einem höheren Nutzen führt, wenn auch mit einem abnehmenden Grenznutzen des Konsums (Ströbele, 1987, S. 16). Unterstellt würde dabei folgende Funktion: U(C) =

1 ∙C 1−∝

Bei einer gegebenen und in jeder Periode gleichen Nutzenfunktion sind zwei Fälle denkbar: Fall 1: Die Volkswirtschaft rechnet mit 20 Jahren, in denen sie diese Ressource nutzen möchte. Daraus ergibt sich der Gesamtnutzen: W=

U(C ) dt

Der Konsum wird somit gleichmäßig auf 20 Jahre aufgeteilt (Ströbele, 1987, S. 17). Fall 2: Die Volkswirtschaft rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von μ > 0 pro Periode, dass ihre Volkswirtschaft in den nächsten 20 Jahren zerstört wird. Somit soll der Erwartungswert des Nutzens maximiert werden und ergibt sich aus μe unter den Nebenbedingungen

∙ U(C ) dt

136

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie R = −C und

C dt = R

Daher wird die Volkswirtschaft versuchen, den Erwartungswert des Nutzens zu maximieren. Dabei ist jedoch die Nutzenmaximierungsfunktion in der Realität nicht auf eine Periode begrenzt, sondern umfasst einen Zeitraum, in dem sich die Folgen des heutigen Konsums auf die zukünftigen Konsummöglichkeiten auswirken. Hierfür werden dann bei der Berechnung dynamische Optimierungsmodelle eingesetzt. Das oben dargestellte einfache Modell hat folgende Lösung (Ströbele, 1987, S. 18) C = C ∙ e



μ∙R

=

(1 − e

∙e



)

Durch die Abdiskontierung wird der Konsum im Fall 2 anders aufgeteilt, als im Fall 1. Dies ist ein Resultat der geringeren Einschätzung zukünftigen Nutzens. Die beiden Konsumpfade aus Fall 1 und 2 sind in der folgenden Abbildung dargestellt.

Konsummenge

Fall 2: Geringere Schätzung des zukünftigen Nutzens Fall 1: Gleichverteilung des Nutzens über alle Perioden

20

Zeitablauf t

Quelle: Ströbele 1987, S. 19 Abb. 4-9: Konsumpfade unterschiedlicher Nutzungsprofile

Ein weiterer, sehr bekannter ressourcenökonomischer Ansatz wurde unter der Begrifflichkeit Hotelling-Regel bekannt. Harald Hotelling hat sich in seinem Artikel „The Economics of Exhaustible Resources” mit der Frage beschäftigt, wie sich ein Anbieter von Ressourcen optimal

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

137

verhält (Hotelling 1931, S. 137ff.). Der Grundgedanke ist, dass der Abbau einer Ressourceneinheit und die Anlage des entsprechenden Verkaufserlöses am Kapitalmarkt den gleichen Gewinn erbringen müssen wie der Wiederverkauf einer Ressourceneinheit zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis. Es geht dabei also um den Gewinn eines jeden Ressourcenanbieters, der über alle Perioden maximiert werden soll. Die Gewinne, die in der Zukunft entstehen, werden mit dem Zinssatz r auf den Gegenwartswert diskutiert. Damit lässt sich theoretisch ein Ressourcenpreispfad ableiten, der den Ressourcenabbau bestimmt. Weicht ein Anbieter der Ressourcen jedoch von diesem Preispfad ab, indem er gegenwärtig mehr von der Ressource anbietet, kann er in Zukunft weniger anbieten. Dies würde kurz- bzw. mittelfristig zu einer Produktionssteigerung durch den erhöhten Ressourceneinsatz führen. Die Folge wäre, dass der Konsum der Ressourcen in Zukunft geringer ausfällt und sich damit auch die Produktion reduziert (v. Hauff, Jörg 2013, S. 75). Das Modell stellt sich formal wie folgt dar: ein Ressourceneigner einer nicht-erneuerbaren Ressource möchte mit seinem bestehenden Bestand einen maximalen Profit erzielen. Zum heutigen Zeitpunkt kann der Anbieter für eine Einheit seines Produkts einen Preis p0 erzielen. Diesen Betrag zum Marktzins r angelegt würde in Periode t zu p e Geldeinheiten führen. Daher wäre der Anbieter der Ressource indifferent, ob er die Ressource heute oder zum Zeitpunkt t verkaufen sollte. Steigt der Zinssatz r jedoch in einer geringeren Rate als der Preis so gilt: p > p e . Daher würde dann der Anbieter den Verkauf der Ressource in eine spätere Periode verlagern. Verhalten sich jedoch alle Ressourcenanbieter in der gleichen Weise, so würde der Preis p aufgrund des rückläufigen Angebots steigen und einige Anbieter würden dann in der heutigen Periode verkaufen. Dieser Prozess dauert so lange, bis sich ein Gleichgewicht einstellt (Wacker & Blank, 1999, S. 16). Die Ressourcenrente p , die den Wert der noch nicht abgebauten Ressource zum Zeitpunkt t darstellt, muss mit dem (exogen gegebenen und zeitlich invarianten) Gleichgewichtszinssatz r in Geldeinheiten wachsen (Dujmovits, 2009, S. 3). p =p e



Diese Gleichung stellt sicher, dass die relative Wertsteigerung der Ressource pro Periode der Wertsteigerung eines festverzinsten Geldvermögens entspricht und wird als Hotelling-Regel bezeichnet (Dujmovits, 2009, S. 3). Die Schwäche der Hotelling-Regel besteht darin, dass man davon ausgeht, dass die Nachfrage in Zukunft und damit auch die Diskontrate klar zu bestimmen sind. Dabei besteht gerade hier eine große Unsicherheit. Der Erkenntnisgewinn der Hotelling-Regel ist, dass das typische Verhalten von Ressourcenanbietern aufgezeigt wird: Sie maximieren ihren Gewinn aus dem Ressourcenabbau, woraus sich der Preispfad und der Ressourcenabbau ableiten lassen. Beide Modelle lassen sich weiter ausdifferenzieren, was jedoch den Erkenntnisstand nicht wesentlich erweitert hat. Daher soll dies hier vernachlässigt werden. Es sollen vielmehr zwei Fragen aufgezeigt werden, die bisher unberücksichtigt blieben:  Welche Auswirkungen hat eine Neuerschließung von Ressourcen?  Welche Auswirkungen hat die Recyclierbarkeit der mineralischen Rohstoffe?

138

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

In der Realität lässt sich feststellen, dass durch Explorationstätigkeiten neue Rohstoffvorkommen erschlossen werden. Sie erhöhen den bisher bekannten Reservebestand. Dabei ist jedoch häufig nicht bekannt, welche Kosten hierbei entstehen, d. h. es besteht Unsicherheit hinsichtlich der Größe der tatsächlich wirtschaftlich abbaubaren Reserven. Die notwendigen Investitionskosten sind also nicht immer mit einem Explorationserfolg verbunden. Das hängt ganz wesentlich von dem Fortschritt der Abbautechnologie ab. Wird die Abbautechnologie als konstant angenommen, reduziert sich das Problem ganz wesentlich. Das ist jedoch eine unrealistische Annahme. Es ist vielmehr zu erwarten, dass die Abbautechnologie weiterentwickelt wird. Da der technische Fortschritt jedoch nicht absolut voraussehbar ist, kommt es zu Unsicherheiten. In diesem Kontext ist die Backstop-Technologie von großer Bedeutung. Bei der Backstop-Technologie geht es einmal um die Verbesserung einer Abbautechnologie als Folge eines technologischen Fortschritts, der zu einer Preisreduzierung führen kann. Der technologische Fortschritt kann aber auch in Form einer Alternativtechnologie auftreten. Dabei bieten Technologien die Möglichkeit, ein Ressourcensubstitut zu produzieren oder nicht unerschöpflichen Ressourcen zu verwenden. Geht man nun davon aus, dass eines der seltenen Metalle Konkurrenz durch ein Ressourcensubstitut erhält und das Ressourcensubstitut relativ billiger ist, wird dieses verstärkt nachgefragt. Dieser dritte Pfad der Backstop-Technologie kann neben dem Pfad der Primärressourcen und der Sekundärressourcen zu einer Verringerung der Knappheit und damit auch zu einer Reduktion der Kosten beitragen. Im Idealfall kann es sogar dazu kommen, dass die Backstop-Technologie bzw. die Backstop-Ressource zur Lösung des Problems der Verknappung nicht erneuerbarer Ressourcen führt. Die zentrale Frage hierbei ist, ob Backstop-Technologien bzw. Backstop-Ressourcen immer zum entsprechenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Ähnliche Probleme stellen sich hinsichtlich einer effizienten Recyclierung. Bei den bisherigen Modellen werden Ressourcen durch die Produktion oder den Konsum verbraucht. Dabei gibt es heute schon vielfältige Möglichkeiten der Recyclierung von metallischen Rohstoffen. Theoretisch kann man sogar davon ausgehen, dass seltene Metalle und seltene Erden bis zu 100 % recycliert werden können. Das würde den thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen, wonach keine Metalle verloren gehen. In der Realität ist jedoch eine vollständige Recyclierung von Metallen bisher nicht möglich, da es eine weitgehende Schließung von Stoffkreisläufen u.a. aus technologischen Gründen bisher nicht gibt. Betrachtet man die ressourcenökonomischen Ansätze, so geht es im Kontext nachhaltiger Entwicklung primär um die Lösung der intergenerationellen Gerechtigkeit. Die ökologische und soziale Dimension nachhaltiger Entwicklung, aber auch die intragenerationelle Gerechtigkeit wird bei diesen Ansätzen vernachlässigt bzw. ausgeklammert. Das gilt beispielsweise für die ökologischen und sozialen Belastungen und die damit einhergehenden Kosten (Rogall 2008, S. 59ff.). Daher werden nun nach der Erläuterung ausgewählter ressourcenökonomischer Erklärungsansätze die schon aufgezeigten Anforderungen nachhaltiger Entwicklung an eine optimale Ressourcennutzung entwickelt. Sie sollen im Folgenden in einer nachhaltigen Ressourcenstrategie aufgezeigt werden.

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

139

Anforderungen an eine nachhaltige Ressourcenstrategie In den ressourcenökonomischen Erklärungsansätzen wird die Knappheit von Ressourcen wie seltene Erden und seltene Metalle durch den Preis bestimmt. Kommt es durch eine zunehmende Knappheit zu den erwarteten Preissteigerungen, führt das dazu, dass es zu einer „optimalen Ressourcennutzung“ kommt. Dadurch steht auch zukünftigen Generationen diese Ressource noch zur Verfügung. Damit wird ein Kriterium der nachhaltigen Entwicklung, nämlich die intergenerationelle Gerechtigkeit, erfüllt: Die heutige Generation soll ihre Bedürfnisse so wahrnehmen, dass auch zukünftige Generationen ihre Bedürfnisse entsprechend befriedigen können. Dieses Kriterium reicht jedoch im Sinne einer nachhaltigen Ent-wicklung nicht aus. In diesem Kontext gilt die Grundregel, dass der Ressourcenabbau und die Ressourcenverwendung nur innerhalb der Tragfähigkeit ökologischer Systeme stattfinden sollen. Kommt es beispielsweise bei dem Abbau von Ressourcen zu gravierenden und auch irreversiblen Umweltschädigungen, widerspricht dies den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung. Konkret geht es dabei beispielsweise um die Anforderung der Renaturierung einer Region nach dem Ressourcenabbau. Weiterhin soll es zu keinen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner dieser Region sowie der Arbeitskräfte kommen. In der umweltökonomischen Diskussion ordnet man diese Beeinträchtigungen unter der Kategorie negative externe Effekte ein, die es dann im Rahmen von Internalisierungsstrategien zu beseitigen gilt, was häufig nur reaktiv und damit unzureichend erfolgt. Käme es beispielsweise zu einem umweltgerechten Abbau von Ressourcen wie seltenen Erden und Metallen, wobei gleichzeitig der Energieaufwand stark steigt und es durch die steigende Energieproduktion auch zu steigenden Emissionen kommt, wäre das im Sinne nachhaltiger Entwicklung nur eine Second-best-Lösung. Aus den Ausführungen wird deutlich, dass eine nachhaltige Entwicklung ein ganzheitliches Verständnis erfordert, in das ökologische, ökonomische und soziale Aspekte eingehen, die dann zu einer Ressourcenstrategie zusammengeführt werden können (Achzet et al. 2010, S. 1913). Im Kontext einer nachhaltigen Ressourcenstrategie geht es auch – wie schon in den Ausführungen zur Ökoeffizienz aufgezeigt wurde – um die Steigerung der Ressourceneffizienz Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann beispielsweise der Lebenszyklus eines Produktes ressourceneffizienter gestaltet werden. Das kann bei dem Design des Produkts beginnen und sich über den Konsum bis zum Lebensende durch Recycling fortsetzen. Die folgende Abbildung vermittelt einen Überblick über die Kernstrategien der Ressourceneffizienzsteigerungen. Während die Konzepte des Produktlebenszyklus und der Wertschöpfungskette in der Literatur zunehmend Beachtung finden, wird der Ansatzpunkt “Veränderung in den Köpfen“ noch stark vernachlässigt, obwohl er von herausragender Bedeutung ist.

140

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie Ansatzpunkt Produktionslebenszyklus

Ansatzpunkt Wertschöpfungskette

Ansatzpunkt Veränderung in den Köpfen

• Ressourceneffizienzoptimierte Produktgestaltung: Produktdesign und Produkt-Dienstleistungs-Systeme

• Ressourceneffizienzorientierte Gestaltung der Wertschöpfungskette

• Veränderung der Produktionsmuster

• Ressourceneffizienzoptimierte Infrastruktur

• Ressourceneffizienzorientierte ganzheitliche Managementsysteme (inkl. Informationssysteme)

• Rohstoff- und Werkstoffauswahl / neue Werkstoffe und nachwachsende Rohstoffe • Ressourceneffizienzoptimierte Produktionssysteme / Querschnittstechnologien

• Forschung und Entwicklung / Wissenstransfer / Lernprozesse • Veränderung der Konsummuster

• Weiter-/Wieder-/nutzung in Kaskadennutzungssystemen/Recycling Quelle: Hennicke, P. et al. (2010). Tab. 4-4: Möglichkeiten zur Ressourceneffizienzsteigerung

Die Entwicklung einer nachhaltigen Ressourcenstrategie bedarf einer ausführlichen Planung, die sowohl die Bedingungen in dem importierenden Land als auch in den Exportländern berücksichtigt. Dabei geht es sowohl um eine Verringerung der Störungen auf den Märkten als auch um die negativen Folgen auf die Umwelt und die sozialen Bedingungen. Betrachtet man die bereits existierenden Ressourcenstrategien, so sind sie in der Regel durch spezifische Interessenlagen geprägt. Für die EU-Länder geht es bei ihren Strategien primär um die Sicherung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit ihrer Industriesektoren. Für die Länder Deutschland und Japan, die auf den Import von Ressourcen angewiesen sind, steht eine gesicherte Versorgung an erster Stelle. Dagegen verfolgen Länder wie China, Russland und die USA eher geo- und sicherheitspolitische Ziele. So hat beispielsweise China durch seinen Exportstopp nach Japan im Jahr 2010 die seltenen Erden als politisches Druckmittel eingesetzt (Adebahr et al. 2011, S. 4). In einer Ressourcenstrategie müssen daher die Wechselwirkungen zwischen den Akteuren, aber auch nicht vorhersehbare Ereignisse, d.h. Unsicherheiten mit berücksichtigt werden. Entsprechend muss es zu einer ständigen Anpassung der Ressourcenstrategie an veränderte Rahmenbedingungen kommen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass jede Strategie auf Zielen basiert. Ein wesentliches Ziel einer nachhaltigen Ressourcenstrategie ist die Verbesserung der Lebensqualität der heute lebenden und der zukünftigen Generationen. Dabei geht es sowohl um die Lebensqualität in den Ressourcen importierenden, aber auch den Ressourcen exportierenden Ländern. Die Verbesserung der Lebensqualität zielt dabei nicht nur auf eine Verbesserung der materiellen Lebenssituation durch eine Steigerung der Einkommen ab. Es geht auch um immaterielle Güter, wie eine Verbesserung der Umweltsituation, der Gesundheit, eine Verwirklichung von Menschenrechten, aber auch eine Stärkung der Verwirklichung von Chancengleichheit.

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

141

Neben ökonomischen Zielen wie der Versorgungssicherheit der nationalen Wirtschaft sollte auch das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit in eine nachhaltige Ressourcenstrategie eingehen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist ein fairer Welthandel, der auf Transparenz beruht (Christmann 2008, v. Hauff, Claus 2013). Fairer Handel bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die rohstoffreichen Länder, bei denen es sich oft um Entwicklungsländer handelt und im speziellen die Bevölkerung dieser Länder an den Gewinnen aus dem Rohstoffabbau und dem Ressourcenexport beteiligt werden. Ein weiteres wichtiges Ziel einer nachhaltigen Ressourcenstrategie ist die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourceneinsatz. Das lässt sich durch eine Erhöhung der Ressourceneffizienz erreichen, wie bereits im Kontext der Ökoeffizienz ausführlich dargestellt wurde. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Ressourceneffizienz – wie schon erwähnt – nicht durch den Rebound-Effekt kompensiert oder überkompensiert wird. Weiterhin gilt zu berücksichtigen, dass der Abbau und die Aufbereitung von Ressourcen häufig mit einem hohen Naturverbrauch im Sinne einer Flächennutzung und/oder Material- und Energieeinsatz ein-hergehen. Diese führen zu Schadstoffimmissionen in Wasser, Luft und Boden. So entstehen beispielsweise bei der Primärproduktion von 1 t Platin etwa 13.945 t CO2 und für die Herstellung von 1 t Indium etwa 142 t CO2. Daher sollte das bisher dominierende ökonomische Ziel bei der Ressourcengewinnung durch das Ziel einer nachhaltigen Ressourcenstrategie erweitert werden. Ein integrierter Ansatz für eine nachhaltige Ressourcenstrategie, der alle wichtigen Anforderungen nachhaltiger Entwicklung zusammenführt, bietet das Konzept der Stoffgeschichte. Es wurde am Wissenschaftszentrum Umwelt an der Universität Augsburg entwickelt und betrachtet einen Stoff in Form eines Alltagsproduktes oder eine Technologie von der Entstehung bis zum Lebensende. Damit geht das Konzept über den bisher üblichen Lebenszyklusansatz hinaus. Das Konzept der Stoffgeschichte gibt Handlungsoptionen entlang des Lebenszyklus einzelner Ressourcen. Dabei werden folgende Handlungsebenen berücksichtigt (Achzet et al. 2010, S. 1914):      

die Förderung von Rohstoffen, die Aufbereitung, Vergütung und Affirmation, die Komponenten- und Konsumgüterproduktion, der Konsum und die Wiederverwertung in verschiedenen Stufen oder das tatsächliche End-of-Life mit den Optionen Deponierung und Dissipation. Das Ziel der Stoffgeschichte ist die Aufklärung über die Stoffe und deren Wirkungsformen, um dazu beizutragen, einen wirtschaftlich effizienten und verantwortungsvollen Umgang mit allen Ressourcen realisieren zu können. Die verschiedenen Handlungsebenen sollen im Folgenden kurz erläutert werden. Rohstoffgewinnung: Bei der Gewinnung von Rohstoffen geht es – wie schon erwähnt – darum, umweltschonende Eingriffe vorzunehmen, um negative Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme zu vermeiden. Häufig führt auch der energetische Aufwand des Abbaus zu einem hohen Verbrauch anderer Rohstoffe, die ebenfalls zu minimieren sind. Schließlich sind die physischen und psychischen Belastungen der Arbeitskräfte zu berücksichtigen. Daher sind die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Belastungen so gut

142

4 Von der Ökoeffizienz zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

wie möglich reduziert werden. Daraus leitet sich die Begründung für soziale und ökologische Mindeststandards beim Abbau von Ressourcen ab. Komponenten- und Konsumgüterproduktion: Es bieten sich die Optionen vermeiden, reduzieren, Wiederverwendung, Aufbereitung und Recyclierung als mögliche ressourceneffiziente und verantwortliche Nutzung an. Während es also bei der Komponentenproduktion primär um eine weitgehende Vermeidung geht, sollte die Konsumgüterproduktion bei der Produktgestaltung, d. h. bei dem Produktdesign, ansetzen. Dabei hat die Materialauswahl einen großen Einfluss auf den Ressourcenverbrauch. Konsum: Der Konsum wird hinsichtlich der Ressourceneinsparung bisher weitgehend vernachlässigt. Daher ist zu betonen, dass die Konsumenten in diesem Kontext eine hohe Verantwortung haben, die stärker in den Fokus gerückt werden sollte. Dabei sollten auch die zukünftigen Erwartungen bzw. Veränderungen mit einbezogen werden. Bei der Änderung der Nachfrage lassen sich vier Ebenen unterscheiden:  die wachsende Weltbevölkerung,  die zunehmende Alterung der Weltbevölkerung vor allem in den Industrienationen (demographischer Wandel),  eine starke Zunahme der Bevölkerung im südostasiatischen Raum und in Afrika und  die starke Kluft zwischen Arm und Reich. Generell kann man feststellen, dass die Veränderung der Nachfrage auch gleichzeitig zu einer Nachfragesteigerung von vielen seltenen Erden und Metallen führen wird. Ob und in welchem Maße sich die Nachfragesteigerung durch verbesserte Recyclingverfahren oder Substitute kompensieren lässt, ist gegenwärtig noch nicht in vollem Maße abzusehen. End-of-Life-Phase: Die Wiederaufbereitung, die Wiederverwendung sowie das Recycling erhält für eine nicht unerhebliche Anzahl von Produktionsprozessen und Produkten eine immer größere Bedeutung. Dieser Prozess lässt sich durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen fördern. Im Kontext der staatlichen Forschungspolitik sind hier jedoch auch in Zukunft noch weitere Bemühungen bzw. neue Schwerpunktsetzungen notwendig. So gibt es beispielsweise im Bereich des stark wachsenden Elektronikmarktes und des damit einhergehenden Elektroschrotts große Potenziale der Wiederverwertung. Auf der Grundlage einer End-of Life-Strategie sollte ein möglichst hoher Anteil der Bauteile und Materialien eines Produktes wieder aufbereitet werden. Hennicke stellt hierzu jedoch fest, dass langlebige Produkte nur dann von Vorteil sind, wenn sie in der Nutzungsphase keine hohen Energie-, Wasser-oder Materialverbräuche haben und eine Kompatibilität mit Werkstoffkreisläufen gewährleistet ist (Hennicke et al. 2010, S. 29). In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Produktverantwortung eingeführt. Sie muss zu einem wesentlichen Bestandteil nachhaltiger Rohstoffwirtschaft beitragen. Als konkrete Beispiele für Produktverantwortung lassen sich das Leasing von Autos und Bürokommunikationsgeräten nennen. Dissipation: Es ist zu erwarten, dass die Dissipation, d. h. der Verlust wertvoller Rohstoffe durch einen stärkeren Einsatz von seltenen und strategischen Metallen in Technologien zunehmen wird. Die Metalle werden dabei in der Biosphäre verteilt und gelten als verloren. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Abgaskatalysator, in dem Platin in feinen

4.6 Der Pfad zu einer nachhaltigen Ressourcenstrategie

143

Partikeln freigesetzt wird. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Konsumprodukten, wie Zahnpasta oder Sonnencreme, in denen Nanopartikel aus Titandioxid oder Zinkoxid durch die Nutzung verloren gehen.

Quelle: Reller, Dießenbacher 2014 Abb. 4-10: Schematische Darstellung einer Wertstoffkette und deren Auswirkungen in Raum und Zeit

Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass vielfach eine Rückgewinnung seltener Metalle, wie Indium, PGM und Tantal aus der geringen Konzentration in Elektronikgeräten bisher nur schwer zu recyceln ist. Daher müssen Recyclingverfahren in Zukunft weiter entwickelt und deren ökonomische Rentabilität erreicht werden. Die Dimension dieses Problems lässt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Im Jahr 2008 wurden insgesamt 1,3 Milliarden Mobiltelefone verkauft. Durch eine unzureichende Sammlung und Recyclingverfahren gingen 31 t Gold, 235 t Silber, 12 t Palladium, 2,4 t Indium sowie 4.900 t Kobalt verloren (Wägner, Lang 2010, S. 8).

5

Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

Die Verwirklichung intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit ist ein wesentlicher Anspruch des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung. Die Relevanz von Gerechtigkeit ist heute kaum zu bestreiten, wenn man die konkrete Situation der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit analysiert. Hierzu lässt sich jedoch feststellen, dass die Verteilungsfrage und damit das Thema der Gerechtigkeit die Menschen seit vielen Jahrhunderten beschäftigt. So legte bereits der griechische Philosoph Platon den Rahmen für Gerechtigkeit wie folgt fest: „Nachdem der Gesetzgeber [die Grenzen der Armut] als Maß hingestellt hat, mag er erlauben, seinen Besitz auf das Zwei-, Drei-, ja Vierfache hiervon auszudehnen. Wenn aber jemand noch mehr Besitz hat, so soll er den Überschuss […] an den Schatz des Staates und seiner Schutzgötter abgeben (Platon 1862).“ Hinsichtlich der intragenerationellen Gerechtigkeit lässt sich feststellen, dass in den letzten beiden Dekaden in den meisten Ländern weltweit die Einkommens- und Vermögensdisparitäten zugenommen haben. Die wachsende nationale, aber auch globale Einkommensdisparität wird jedoch seit einigen Jahren in zunehmendem Maße nicht nur im Kontext nachhaltiger Entwicklung kritisch reflektiert. Dabei geht es auch um die Relation von Wachstum und Einkommensdisparität, wie beispielsweise aus den Titeln neuerer OECD-Studien deutlich wird: „Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?“ (OECD 2008) bzw. „Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising“ (OECD 2011). In diesem Kontext stellt beispielweise auch Stiglitz fest, dass Wachstum oftmals mit einer Zunahme der Armut und teilweise sogar mit Einkommenseinbußen der Mittelschicht verbunden war und belegt dies an den USA und auch für Lateinamerika (Stiglitz 2008, S. 225). Im Zusammenhang mit der weltweiten Einkommens- und Vermögensungleichheit findet auch das Buch des französischen Ökonom Piketty „Capital in the Twenty-First Century“ (2014) besondere Aufmerksamkeit. Er kommt zu dem Fazit: Die Reichen werden reicher und die Armen bleiben arm und belegt dies durch umfangreiche empirische Analysen. Nach Piketty ist der gesellschaftliche Reichtum zu Beginn des 21. Jahrhunderts sogar ähnlich verteilt wie einhundert oder sogar zweihundert Jahre zuvor. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung geht es jedoch nicht nur um die materielle Verteilung von Einkommen und Vermögen, sondern z.B. auch um Gerechtigkeit im Bildungs- und Gesundheitssektor, was hier nicht vertieft werden kann. Die intergenerationelle Gerechtigkeit bezieht sich neben dem allgemeinen Wohlstand besonders auf die Umweltbelastung. In Anlehnung an den Brundtland-Bericht soll die heutige Generation auch im Hinblick auf den Zustand der Natur ihre Bedürfnisse so befriedigen, dass

146

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

zukünftige Generationen keine Einschränkungen hinsichtlich ihrer ökologisch orientierten Bedürfnisse hinnehmen müssen. Auch hier lässt sich jedoch feststellen, dass die ökologischen Systeme heute schon teilweise eine Übernutzung aufweisen, die diesen Grundsatz in Frage stellt: z. B. wachsende Luftbelastung, die teilweise zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt oder der Klimawandel, mit allen Gefahren und Kosten, die er verursacht. Insofern ist die intergenerationelle Gerechtigkeit gegenwärtig ebenfalls nicht gewährleistet. Wendet man sich nun den Gerechtigkeitstheorien zu, so ist festzustellen, dass es differierende bzw. konkurrierende Gerechtigkeitstheorien gibt (beispielsweise Robert Solow versus Partha Dasgupta / Geoffrey Heal, wie bereits in Abschnitt 2.5 aufgezeigt wurde). Zu den unterschiedlichen Gerechtigkeitstheorien wurde bisher nur teilweise die Frage gestellt, wie Gerechtigkeit zwischen den Generationen (intergenerationelle Gerechtigkeit) spezifiziert werden soll. Hier stellt sich die Frage, wie ein Gemeinwesen so organisiert werden kann, dass der materielle und immaterielle Wohlstand heutiger Generationen nicht auf Kosten zukünftiger Generationen erzeugt wird (Diefenbacher 2001, S. 19). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die vorherrschende politische Position, nachhaltige Entwicklung aus der Perspektive eines aufgeklärten Anthropozentrismus zu betrachten, bestimmte Gerechtigkeitsansätze einschließt und andere ausklammert. Die Begründung und der Anspruch auf Gerechtigkeit ziehen sich also von den normativen Ebenen durch alle Konkretisierungsebenen bis hin zur tatsächlich operativen Entscheidung. Daher ist nicht nur ein nachhaltigkeitsorientiertes Verständnis von Gerechtigkeit, sondern auch deren konsistente Umsetzung in Strategien, Strukturen, Instrumenten und Verhaltensweisen anzustreben und zu erreichen. Im Folgenden Abschnitt 5.1 Gerechtigkeitsansätze stellt, die in den letzten beiden Jahrhunderten von Bedeutung waren und heute gewissermaßen den Fundus vieler Nachhaltigkeitsdiskussion bilden, dar. Neuere gerechtigkeitstheoretische Ansätze beschäftigen sich besonders mit einer nachhaltigen Entwicklung (Abschnitt 5.2).

5.1

Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit

In den nachfolgenden Abschnitten werden verschiedene Gerechtigkeitsansätze dargestellt und dabei diskutiert, ob und in welchem Maße sie einen Bezug zum Leitbild nachhaltiger Entwicklung, d. h. zur intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit haben. Für die Konkretisierung zwischen Personen (intragenerationelle Gerechtigkeit) ist die Diskussion fortgeschritten. Die Gerechtigkeit zwischen den Generationen (intergenerationelle Gerechtigkeit) ist – wie oben schon erwähnt – bisher nur unzureichend für den Fall konkurrierender Nutzungsansprüche spezifiziert. Die Problematik erwächst aus den Unwägbarkeiten von Prognosen und aus den kaum bestimmbaren zukünftigen Präferenzen, was ethische Konflikte über die Zulässigkeit heutiger Entscheidungen in Vorwegnahme kommender Generationen betrifft. Eine heutige Ressourcenentnahme könnte beispielsweise sowohl als Raub der Möglichkeiten künftiger Generationen als auch als nötiger Aufbau von Kapazitäten zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse aufgefasst werden. Der Diskussion um schwache und starke Nachhaltigkeit liegen unterschiedliche Positionen über die Bewertung in Bezug auf natürliches Kapital und deren Substituierbarkeit zugrunde.

5.1 Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit

5.1.1

147

Utilitarismus

Nutzen (U2)

til

Der Utilitarismus neoklassischer Prägung kann als individuelle Nutzenmaximierung definiert werden. Die Mehrung des individuellen Nutzens Uj soll zur gesamten Wohlfahrt W als Summe aller Einzelnutzen beitragen:

Wu

Die neuere Diskussion über Gerechtigkeit geht häufig von der Theorie des Utilitarismus aus (Haslinger 1997, S. 7, Spangenberg 2005, S. 33). Das erklärt sich daraus, dass sich viele neuere gerechtigkeitstheoretische Ansätze auf den Utilitarismus beziehen. Der klassische Utilitarismus geht auf Jeremy Bentham (1748–1832) zurück. Im Mittelpunkt des klassischen Utilitarismus steht das SN MK „größte Glück der größten Zahl“. Es geht also ursprünglich um die Maximierung des Glücks. Dies wird erreicht durch die Maximierung der materiellen und immateriellen Bedürfnisse des Einzelnen auf der Grundlage rationalen Handelns (Bentham 1992). * Wutil Nutzen (U1) Quelle: eigene Darstellung Abb. 5-1: Utilitaristisches Optimum zweier Einzelnutzen

n

Max! W =  Uj j=1

In der Gegenüberstellung zweier gleichgewichteter individueller Nutzen bedeutet dies, dass kein Individuum eine besondere Bedeutung hat und dass es nur auf den quantitativ bemessenen Vorteil für die gesamte Gesellschaft ankommt. Das Optimum liegt am Schnittpunkt von W und der Situationsnutzenmöglichkeitskurve (SNMK) als äußere Grenze der gesellschaftlichen Produktionsmöglichkeiten in der gegebenen budgetären und technologischen Situation (siehe für eine Herleitung: Kleine 2009, S. 28–34). Die optimale Lösung W*util kann zu einer stark ungleichen Verteilung führen, solange der Gesamtnutzen maximal ist. Ein wesentliches Merkmal des Utilitarismus neoklassischer Prägung ist daher, dass Güter anhand ihres Nutzens bewertet werden, den sie für die individuelle Bedürfnisbefriedigung leisten. Güter, die von gewinnmaximierenden Unternehmen produziert werden, sind alle nach dem Kriterium der Nützlichkeit zu bewerten. In der neoklassischen Ökonomie wird also die subjektive Nutzenwahrnehmung zur Bewertung herangezogen, wobei man von der Annahme identischer Präferenzen, Verhaltensformen und Situationen ausgeht. Im Kontext nachhaltiger Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Vertreter der Neoklassik den Utilitarismus primär als Leitlinie zur Eigennutzmaximierung verstehen und nicht als Ansatz zur Maximierung des Gemeinwohls (Holstein 2003, S. 179). Hier weist schon Gunnar Myrdal darauf hin, dass die neoklassische Ökonomie nicht der eigentlichen Vorstellung des

148

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

Utilitarismus einer Maximierung der Glückssumme aller nachkommt, sondern dazu tendiert, die Interessen der noch nicht geborenen Generation „unter den Tisch fallen zu lassen“ (Myrdal 1976, S. 31). Dieser Ansatz ist daher aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung als unzureichend zu betrachten, da sowohl die intergenerationelle Gerechtigkeit als auch die Verteilungsfrage vernachlässigt werden und schließlich die Aggregation von individuellem Nutzen nur unter realitätsfernen Annahmen möglich ist. Hervorzuheben ist zwar die positive Wertbesetzung der Maximierung von Bedürfnisbefriedigung. Sie kann jedoch im Sinne nachhaltiger Entwicklung nicht als wünschenswert betrachtet werden, wenn jedes Individuum ausschließlich kurzfristige und eigennützige Ziele verfolgt. Die Nachteile offenbaren sich dadurch, dass das Ergebnis eigennützigen Handelns nicht für alle heute lebenden Mitmenschen und schon gar nicht für die zukünftigen gut sein muss. Das gilt besonders – wie schon im Zusammenhang starker Nachhaltigkeit gezeigt wurde – für die ökologische Dimension nachhaltiger Entwicklung. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Lebensqualität bzw. Wohlfahrt einer Gesellschaft auch Aspekte beinhaltet, die nicht unter dem Nutzenbegriff zu erfassen sind. Das wurde bereits im Zusammenhang mit der sozialen Dimension nachhaltiger Entwicklung deutlich. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einen eigenen Wert haben.

5.1.2

Vertragstheoretischer Ansatz nach John Rawls: Gerechtigkeit als Fairness

Eine besondere Aufmerksamkeit in der neueren Diskussion zur Gerechtigkeit findet die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls, die auf die Theorie des Gesellschaftsvertrages von John Locke, Jean-Jacques Rousseau und Immanuel Kant zurückgeht. Der Hauptgedanke der „Theory of Justice“ (im Original: Rawls 1971) ist: „Gerechtigkeit als Fairneß, eine Gerechtigkeitstheorie, die die herkömmliche Vorstellung vom Gesellschaftsvertrag verallgemeinert und auf eine höhere Abstraktionsebene hebt (Rawls 1979, S. 19).“ Existenz und Wahrung von Grundfreiheiten Danach besitzt jeder Mensch eine aus der Gerechtigkeit entspringende Unverletzlichkeit, die auch im Namen des Wohles der ganzen Gesellschaft nicht aufgehoben werden kann. Daher ist es notwendig, dass in einer gerechten Gesellschaft alle gleiche Bürgerrechte haben. Weiterhin sind Grundsätze nötig, um zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Regelungen der Güterverteilung zu entscheiden und eine Einigung darüber zu erzielen. Hierbei handelt es sich um die Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit: „Sie ermöglichen die Zuweisung von Rechten und Pflichten in den grundlegenden Institutionen der Gesellschaft, und sie legen die richtige Verteilung der Früchte und der Lasten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit fest“. Dabei geht John Rawls zunächst davon aus, dass sich die Menschen über die Grundregeln ihres gesellschaftlichen Zusammenschlusses nicht einig sind. Aber sie sehen

5.1 Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit

149

die Notwendigkeit, bestimmte Grundsätze für die Festsetzung der Grundfreiheiten – bestehend aus Grundrechten und -pflichten – anzuerkennen. Nach Rawls sind es diejenigen Grundsätze, die freie und vernünftige Menschen in ihrem eigenen Interesse in einer anfänglichen Situation der Gleichheit zur Bestimmung der Grundverhältnisse ihrer Verbindung annehmen würden. „Ihnen haben sich alle weiteren Vereinbarungen anzupassen; sie bestimmen die möglichen Arten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit und der Regierung. Diese Betrachtungsweise der Gerechtigkeitsgrundsätze nenne ich Theorie der Gerechtigkeit der Fairneß (Rawls 1979, S. 28).“ Es handelt sich bei Rawls somit um eine egalitaristische Gerechtigkeitskonzeption (Blasche 2003, S. 20). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass er die Gegenstände der Gerechtigkeit in Binnen-, lokale und globale Konzeptionen kategorisiert (Rawls 2003). Im Kontext der globalen Gerechtigkeit bekräftigt er die Prinzipien des Völkerrechts wie Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit, Recht auf Selbstverteidigung, den Grundsatz der Nichteinmischung, Einhaltungspflicht der eingegangenen Verträge und Abmachungen. Im ökonomischen Kontext fordert Rawls beispielsweise faire Normen im Handel und erkennt das Prinzip der Hilfsleistungen auf internationaler Ebene im Rahmen humanitärer Hilfe zur Lebenserhaltung an (Rawls 2002). Vernunftgeleiteter Prozess Die Gerechtigkeitstheorie von John Rawls geht also von der Vorstellung aus, dass Gerechtigkeit das Ergebnis einer durch Vernunft geleiteten impliziten vertragsrechtlichen Vereinbarung unter gleichen Individuen ist. Dieses Gleichheitspostulat geht von einem vertragsrechtlichen Gerechtigkeitsverständnis aus, wonach eine gerechte Regel für alle gleichermaßen gerecht sein muss. Daher lässt sich unter rational handelnden Individuen eine Zustimmung im Konsens erzielen. In dieser Situation können sich alle Individuen auf Regeln einigen, die als „gerechte Regeln“ feststehen. Das ist zweifellos ein hoher Anspruch. Der vertragsrechtliche Ansatz von Rawls geht von einem hypothetischen Urzustand aus. Freiheit und Gleichheit sind hierbei der angemessene Ausgangszustand für die Konzeption der Gerechtigkeit als Fairness. Diese Gleichheit entsteht durch einen „Schleier des Nichtwissens“: „Zu den wesentlichen Eigenschaften dieser Situation gehört, daß niemand seine Stellung in der Gesellschaft kennt, seine Klasse oder seinen Status, ebenso wenig sein Los bei der Verteilung natürlicher Gaben wie Intelligenz oder Körperkraft. Ich nehme sogar an, daß die Beteiligten ihre Vorstellung vom Guten und ihre besonderen psychologischen Neigungen nicht kennen (Rawls 1979, S. 29).“ Man kann sich also hypothetisch die vollständige Symmetrie aller Beziehungen vorstellen, wonach allgemein akzeptierte gerechte Vereinbarungen getroffen werden können. Rawls übt von dieser Position aus Kritik am Utilitarismus. Aber auch er wählt eine nutzenbezogene Betrachtungsweise. Er definiert Nutzen aber als die Aussicht auf den Zugang zu einer Reihe von Grundgütern. Er versteht darunter nicht die Mehrung der Nutzensumme, sondern legt die Verteilung des Nutzens nach Gerechtigkeitskriterien als Ziel fest. Gesellschaftliche Grundgüter sind Rechte, Freiheiten und Chancen sowie Einkommen und Vermögen (Rawls 1979, S. 112). Dagegen sind Gesundheit, Handlungsfähigkeit etc. „natürliche Grundgüter“.

150

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

Deren Verteilung ist nach Rawls nicht Gegenstand von Gerechtigkeitsüberlegungen. Dagegen ist die Selbstachtung vielleicht das wichtigste Grundgut, auf das sich eine Theorie der Gerechtigkeit als Fairness konzentrieren muss. Darin wird die Forderung nach einer egalitären Verteilung der Grundgüter deutlich. Bestimmung der erwünschten Nutzenverteilung

Nutzen (U2)

Die Gerechtigkeitsvorstellung nach John Rawls findet sich in der Wohlfahrtsökonomik mit der „Maximin-Regel“ operationalisiert und betrachtet den individuellen Nutzen innerhalb einer Generation. Die Wohlfahrt aller wird hiernach aus dem Nutzen des am schlechtesten gestellten Individuums j bestimmt: SN W = Min (Uj) Interpersonelle Abwägungen gemäß dieser Regel sind für die Gemeinschaft solange „nutzlos“, wie sie nicht den niedrigsten Einzelnutzen erhöhen. Das bedingt gewissermaßen eine Komplementarität, lässt Substitutionen also nur sehr begrenzt zu.

MK

WRawls,0

* WRawls,0

WRawls,1

Nutzen (U1)

Quelle: eigene Darstellung In der Gegenüberstellung der beiden Einzelnutzen bedeutet dies, dass dem Abb. 5-2: Utilitaristisches Optimum zweier Einzelnutzen optimalen Punkt WR*awls,0 eine egalitäre Verteilung (Diagonale durch den Ursprung) zugrunde liegen muss. Alle Abweichungen davon führen zu einem niedrigeren Gesamtnutzen, beispielsweise ist der disoptimale WRawls,1 viel geringer als das Niveau WRawls,0

Es stellt sich nun die Frage, wie Rawls die intergenerationelle Gerechtigkeit betrachtet. Hierbei bezieht er sich auf Kant, der es für anstößig hielt, dass die früheren Generationen die Last für spätere Generationen tragen sollen, indem diese das Glück haben, dann in das fertige Haus einziehen zu können. Hierzu stellt Rawls fest: „Solche Gefühle sind zwar völlig natürlich, aber fehl am Platze. Denn die Beziehungen zwischen den Generationen ist zwar eine besondere, schafft aber keine unüberwindliche Schwierigkeit (Rawls 1979, S. 322).“ Die Interessen zukünftiger Generationen als ein konstitutives Element nachhaltiger Entwicklung sind vertragstheoretisch dadurch abgedeckt, dass für Individuen verschiedener Generationen ebenso wie für Individuen der heutigen Generation Verpflichtungen gegeneinander definiert werden. Sie ergeben sich aus der Situation des „Urzustandes“ und einem erweiterten Schleier des Nichtwissens. Daraus leiten sich zwei Grundsätze ab: „Einmal die Gleichheit der Grundrechte und –pflichten; zum anderen den Grundsatz, daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum oder verschiedene Macht, nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann

5.1 Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit

151

ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft (Rawls 1979, S. 31).“ Danach können Ungleichheiten also gerecht sein, was in dem Prinzip der „verhältnismäßigen Ungleichbehandlung“ konkretisiert wird. Das Rawlssche Gerechtigkeitsverständnis fand mit dem Ansatz von Robert Solow (siehe Abschnitt 2.5) eine wichtige Anwendung auf intergenerationelle Betrachtungen, wenngleich dies das ursprüngliche Verständnis nur verkürzt wiedergibt (Rawls 1971, S. 284–293; Rawls 1979, S. 319–326; Holstein 2003, S. 197–202.) Umweltbezogene Erweiterung des Rawlsschen Konzepts Das Gerechtigkeitskonzept von John Rawls gerät im Zusammenhang mit dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung an seine Grenzen. Das gilt besonders für den mangelnden Bezug zur Umwelt. Dabei gibt es in der Literatur verschiedene Richtungen, die Theorie der Gerechtigkeit von Rawls in Bezug auf den Umgang mit der Umwelt zu erweitern (vgl. hierzu u. a. Pearce 1987, Buchholz 1997). Acker-Widmaier stellt hierzu fest: „Mit einer Theorie des Guten, die über die schwache Theorie des Guten von J. Rawls hinausgeht, lässt sich zeigen, dass Natur nicht nur als Bedingung der Möglichkeit eines guten Lebens von Bedeutung für den Menschen ist, sondern darüber hinaus in ihrer ästhetischen und in ihrer produktiven Dimension eine ausgezeichnete Möglichkeit eines guten Lebens ist (1999, S. 193).“ Holstein vertritt die Position, dass das Gerechtigkeitskonzept von Rawls durchaus in der Lage ist, Gerechtigkeitskriterien für die Verteilung der menschlichen Nutzungsrechte der Natur als ein nutzbares Gut aufzustellen. Das gilt besonders, wenn die Nutzungsrechte monetär bewertet werden. Es scheitert jedoch, wenn über die Verfahrensgerechtigkeit hinaus ein extern definiertes, nicht verhandelbares Schutzziel angenommen wird. Gerechtigkeit hängt dann nicht nur daran, Naturverbrauch zu verteilen, sondern auch zukunftsgerecht zu strukturieren und auf einem Niveau einzudämmen, das mit der langfristigen Selbstreproduktion der Natur verträglich ist (vgl. die Handlungsregeln für ökologische Nachhaltigkeit). Konkrete Regeln zum Umgang mit der natürlichen Umwelt sind somit aus der Gerechtigkeitstheorie von Rawls nicht zu gewinnen. Kritik an vertragstheoretischen Ansätzen: Verfahrensgerechtigkeit und Grundfreiheiten Eine systematische Schwäche vertragstheoretischer Ansätze besteht darin, dass sie nur auf die Fixierung einer reinen Verfahrensgerechtigkeit abstellen. Die Gesellschaft besteht dabei aus rational handelnden Individuen. Grenzen werden also sichtbar, wenn in einem System keine entsprechenden politischen, wirtschaftlichen und/oder juristischen Institutionen existieren, die die Verfahrensgerechtigkeit umsetzen (Vgl. hierzu die Diskussion zum Homo oeconomicus). Daher setzt Amartya Sen den Grundgütern nach Rawls sogenannte „Grundfreiheiten“ entgegen. Er begründet ausführlich, dass für seine Bewertung „…der angemessene Bereich weder der Nutzen ist, wie Wohlfahrtstheoretiker behaupten, noch die Grundgüter, wie Rawls es fordert, sondern die Grundrechte, die freiheitlichen Möglichkeiten, ein mit Gründen schätzenswertes Leben zu wählen. Wenn es das Ziel ist, sich primär mit den wirklichen Chancen zu beschäftigen, die ein Individuum hat, um die von ihm gewählten Zwecke zu verfolgen, wie Rawls ausdrücklich empfiehlt, dann wird man nicht nur die Grundgüter berücksichtigen, über

152

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

die jemand verfügt, man wird auch über die relevanten persönlichen Charakteristika nachdenken müssen, die eine Umwandlung von Grundgütern in die Fähigkeit der Menschen ermögliche, seine Zwecke zu verfolgen (Sen 2000, S. 94).“ Dies verdeut-licht er an einem Beispiel: Ein behinderter Mensch kann einen größeren Korb an Grund-gütern haben und hat dennoch eine geringere Chance, ein normales Leben zu führen als ein nicht behinderter Mensch mit einem kleineren Korb an Grundgütern. Nach Sen geben „Funktionen“ die verschiedenen Dinge wieder, die ein Mensch gerne tun würde oder der/die sie gerne sein mag. Erstrebenswerte Funktionen haben eine große Bandbreite. Dazu können gehören: eine ausreichende Ernährung, die Vermeidung von Krankheiten, vielschichtige bzw. anspruchsvolle Tätigkeiten bzw. persönliche Zustände oder auch der Wunsch am Gemeinschaftsleben teilzuhaben und Selbstachtung zu besitzen. Die Funktionen sollen jedoch nicht einzeln gesehen werden, sondern es geht um die Möglichkeit, diese Funktionen miteinander zu verbinden. Die Funktionen und die Zusammenführung der Funktionen unterscheiden sich jedoch zwischen den Menschen. Sie dürfen nicht statisch gesehen werden und sie müssen immer auch im Zusammenhang mit dem Zusammenleben von Gemeinschaften gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist daher – ganz im Sinne von Sen – festzustellen, dass der Mensch nicht nur nach materiellem Nutzen strebt und versucht diesen zu maximieren. Daraus leitet Amartya Sen den für ihn zentralen Ansatz der Verwirklichungschancen (Capability Ansatz) ab, den er erstmals 1980 mit dem Konzept der menschlichen Befähigungen beschreibt (Sen 1980). Für ihn sind Verwirklichungschancen Ausdrucksformen der Freiheit. Dabei geht es um Freiheit, die es ermöglicht, unterschiedliche Lebensstile zu realisieren. Unter Freiheit versteht er also die tatsächlichen Chancen, die es dem Menschen erlauben, das zu tun, was er mit einer entsprechenden Begründung schätzt bzw. wünscht (Sen 2010, S. 231). Die „capability perspective“ hat somit den zentralen Fokus auf die Ungleichheit bzw. Ungleichverteilung von Verwirklichungschancen. Erst die Analyse der Ungleichheit bzw. Ungleichverteilung ermöglicht es, Maßnahmen und Konzepte zur Verringerung zu entwickeln und umzusetzen. Ungerechtigkeit lässt sich dann aus der Einschränkung der ökonomischen, politischen und sozialen Freiheit des einzelnen Individuums ableiten. Sen gibt auch hierzu ein Beispiel: Ein wohlhabender Mensch, der fastet, unterschiedet sich von einem bedürftigen Menschen, der hungert. Der bedürftige Mensch ist gezwungen zu hungern, während der Wohlhabende eine andere „Menge an Verwirklichungschancen“ hat. Eine besondere Kategorie sind für ihn die „substanziellen Freiheiten“. Hierunter subsumiert er „die Möglichkeit, Hunger, Unterernährung, heilbare Krankheiten und vorzeitigen Tod zu vermeiden, wie auch jene Freiheiten, die darin bestehen, lesen und schreiben zu können, am politischen Geschehen zu partizipieren, seine Meinung unzensiert zu äußern usw. (Sen 2000, S. 191)“. Diese Freiheiten lassen sich auch als elementare und erlernbare Fähigkeiten klassifizieren. Bei dieser Sichtweise steht also nicht die Verteilung von Gütern im Vordergrund, sondern die Nutzung der Güter durch die Aktivierung bzw. Befähigung der Betroffenen und die Transformation der Güterverfügbarkeit in neue Lebenschancen. Möglichkeiten und Lebenschancen müssen nicht nur gerecht verteilt, sondern auch weiterentwickelt werden. Der Gerechtigkeits-

5.1 Theoretische Ansätze der Gerechtigkeit

153

begriff von Sen ergänzt somit die institutionelle Sichtweise von Rawls um den sozialen Kontext. In jüngerer Vergangenheit wendet sich Sen in diesem Kontext explizit auch der „Idee der Nachhaltigkeit“ zu. Er bezieht sich hierbei auf die im Brundtland-Bericht vorgenommene Abgrenzung von Gerechtigkeit, die stark auf die Bedürfnisbefriedigung der heutigen und zukünftigen Generationen abzielt. Dabei geht es ihm besonders um die interpersonale Gerechtigkeit. Er stellt fest, dass die Abgrenzung im Brundtland-Bericht inhaltlich nicht ausreicht. Im Sinne des Capability-Ansatzes kommt er zu der Schlussfolgerung: „There are important grounds for favouring a freedom-oriented view, focusing on crucial freedoms that people have reason to value. Human freedoms include the fulfillment of needs, but also the liberty to define and pursue our own goals, objectives and commitments, no matter how they link with our own particular needs. … A fuller concept of sustainability has to aim at sustaining human freedom, rather than only at our ability to fulfill our felt needs (Sen 2013, S. 6).” Für ihn besteht ein wesentlicher Gegensatz zwischen „freedom-based perspectives“ und „need-based perspectives“. Diesen Gegensatz verdeutlicht er besonders mit der in der Nachhaltigkeitsdiskussion zunehmend aufkommenden Forderung nach einem nachhaltigen Konsum. Daraus begründet er die Forderung, dass die „need-based perspectives“ nicht in dem Konsumverständnis westlicher Konsummuster verharren sollten, sondern sich an den Anforderungen nachhaltigen Konsums orientieren, die einen eindeutig ökologischen Bezug haben.

5.1.3

Liberaler Gerechtigkeitsansatz und Garantie von Rechten

Hiervon abzugrenzen ist der liberale Gerechtigkeitsansatz, der mit dem Wirtschaftswissenschaftler Friedrich von Hayek einen namhaften Vertreter aufweist (von Hayek 1972, S. 7–38). Der neoliberale Gerechtigkeitsansatz ist auf der mikroökonomischen Ebene angesiedelt und blendet somit die Gerechtigkeit als eigenständiges gesellschaftliches Ziel aus. Gerechtigkeit ist bei einem Maximum an individueller Freiheit realisiert. Nachhaltige Entwicklung als Konzept der Makroebene kann hier somit weder definiert noch überprüft werden. Durch die Garantie von Rechten ist nicht klar, ob diese ausreichen, der Bevölkerung ein menschenwürdiges Leben und damit soziale Nachhaltigkeit zu sichern. Weiterhin ist nicht geklärt, ob die Handlungsfreiheit der jetzigen Generation und zukünftiger Generationen als konstitutive Merkmale nachhaltiger Entwicklung gesichert sind (Merkel, Krück 2004, S. 37 ff.). Daher stellt Spangenberg die Frage, ob dieses Gerechtigkeitspostulat unabhängig von seinen Folgen und ohne soziale Verantwortung für das Ganze gelten kann. Die Gefahr einer darwinistischen Auslese ist hierbei unübersehbar (Spangenberg 2005, S. 35). Daraus begründet sich die Kritik, wonach der liberale Gerechtigkeitsansatz mit dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung nicht vereinbar ist. Für den liberalen Gerechtigkeitsansatz existiert im Gegensatz zum utilitaristischen und zum Rawlsschen Ansatz keine Operationalisierungsregel, in die sich die Forderung einfach fassen lässt.

154

5.2

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

Neuere theoretische Ansätze

Die oben aufgeführten Ansätze sind in der Vergangenheit ausführlich diskutiert worden und sind in wirtschaftstheoretische Diskussionen und Konzepte eingegangen. Es existieren aber auch neuere Ansätze, die gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen zur nachhaltigen Entwicklung entstanden sind. Vier Ansätze sollen vorgestellt werden. Es handelt sich erstens um Ausführungen zu „Bürgerrechten und Partnerschaftsprinzip“ und zweitens um den „Planetary Trust“. Der Dritte Ansatz einer „integrierten Nachhaltigkeit“ legt die Grundlagen für umfassende und auch konkrete Nachhaltigkeitsforderungen. Der vierte Ansatz, das Konzept der Weltbank, ist ein Beispiel mit einem hohen Konkretisierungsgrad von Gerechtigkeit.

5.2.1

Bürgerrechte und Partnerschaftsprinzip

Thomas Meyer und andere Autoren führen die gerechtigkeitstheoretische Diskussion von Amartya Sen weiter. Zunächst teilt er seine Position der Verwirklichungschancen, spitzt jedoch dessen Position weiter zu. Dabei betont Meyer die Bedeutung von Bürgerrechten als Rechte von Gleichen. Daraus leitet er die Notwendigkeit ab, die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen des Handelns so zu gestalten, dass auch eine Realisierung der sozialen und ökonomischen Rechte für den Einzelnen möglich wird. In diesem Zusammenhang geht es für ihn darum, dass die politischen und ökonomischen Grundrechte „die Risikostruktur der gesellschaftlichen Verhältnisse“ schließen (Meyer 2004, S. 7). Die Risikostrukturen sind für ihn der Marktkapitalismus, negative Effekte der Globalisierung, Geschlechterdiskriminierung, Diskriminierung anderer Kulturen und natur- und lebensweltgefährdender Industrialismus. John Peet und Hartmut Bossel fordern in diesem Kontext ein „Partnerschaftsprinzip“. Damit zielen sie auf die Bewältigung der Herausforderungen ab, die besonders bei Rawls ausgeblendet werden, bei Sen nur anklingen und bei Meyer herausgearbeitet werden. Peet und Bossel verstehen ihren Ansatz besonders als Abgrenzung von der als sozial und besonders ökologisch unzureichend empfundenen Gerechtigkeitstheorie der Fairness von Rawls. Dabei gehen sie von folgenden Fragen aus (Peet, Bossel 2000, S. 222):  „How can we live within the rules and boundaries of the biophysical environment?”  „How can we run our societies in such a way as to provide sufficiency, security, and good lives to all people?” Die Autoren formulieren drei Ziele und leiten hierzu entsprechende Indikatoren zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades ab:  Die natürliche Umwelt verlangt eine Anerkennung der eigenen Identität der biologischen Artenvielfalt und der Ökosysteme. Sie verfügen heute und in Zukunft über ein Existenzrecht. Dies steht der Auffassung, wonach die Natur die Funktion einer Quelle von Ressourcen hat, entgegen. Es handelt sich vielmehr um ein lebendes System, von dem die menschliche Existenz abhängt.  Das Recht auf gleichwertige Behandlung aller Menschen muss von allen Menschen respektiert werden unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, sozialer Zugehörigkeit und materieller Ausstattung.

5.2 Neuere theoretische Ansätze

155

 Für die Zukunft gilt, das Existenzrecht und das Recht auf langfristige Entwicklung zukünftiger Generationen und Ökosysteme zu respektieren. Sowohl Meyer und besonders Peet und Bossel werden im Verhältnis zu den relativ abstrakten Gerechtigkeitstheorien von Rawls und Sen in ihren Ansätzen zu einer intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit somit sehr viel anwendungsbezogener. Dieser Anwendungsbezug erfährt bei Edith Brown-Weiss eine Weiterführung, wie nachfolgend dargestellt wird.

5.2.2

Planetary Trust

Brown-Weiss geht in ihrem Ansatz ebenfalls von einer gleichrangigen Berücksichtigung des intra- und intergenerationellen Gerechtigkeitspostulats aus, in dem auch die ökologische Dimension explizit berücksichtigt wird (Brown-Weiss 1989). Sie setzt einen „Planetary Trust“, dem alle Menschen als Gattungswesen angehören und der sie zu Solidarität und verantwortlichem Handeln in räumlicher und zeitlicher Hinsicht verpflichtet, zum Ausgangspunkt ihrer Argumentation. Entsprechend ist jede Generation zugleich Nutznießer und Treuhänder des gemeinsamen Erbes. Jede Generation genießt kollektive Rechte und unterliegt kollektiven Pflichten. Die kollektiven Rechte und Pflichten werden durch drei Handlungsregeln analog zu den ökologischen Handlungsregeln nachhaltiger Entwicklung operationalisiert (Brown-Weiss 1989, S. 40 ff.):  Conservation of Options verlangt die natürliche und kulturelle Vielfalt so weit zu erhalten, dass die Wahlmöglichkeiten nachfolgender Generationen bei der Realisierung ihrer Präferenzen und Lösung ihrer Probleme nicht unangemessen eingeschränkt werden. „We cannot guarantee that they will be happy, but we can offer them a robust planet with which to try.”  Conservation of Quality, wonach jede Generation den übernommenen Bestand an natürlichen und kulturellen Ressourcen in keinem schlechteren Zustand weitergeben soll, als sie ihn empfangen hat. „The principle of conserving quality does not mean that the environment must remain unchanged. This would inconsistent with the principle of conserving access of the present generation to the benefits of the planetary legacy. Conservation of environmental quality and economic development must go together to ensure sustained benefits of the planet for both present and future generations.”  Conservation of Access verlangt, dass jede Generation ihren Mitgliedern einen gerechten Zugang zu dem gemeinsamen Erbe verschafft und diesen auch für zukünftige Generationen sichert. „This means they can use these resources to improve their own economic and social well-being provided that they respect their equitable duties to future generations and do not unreasonably interfere with the access to other members of their generation of these same resources. This offers a principle of justice between generations and between members of the same generation.” In dem Grundsatz der Zugangssicherung fließen viele Aspekte nachhaltiger Entwicklung zusammen (Chancen-, Verteilungs- und Ergebnisgerechtigkeit, Geschlechter- und Generationen-

156

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

gerechtigkeit etc.). Die Umwelt spielt eine wichtige Rolle, kann aber, wie in dem beschriebenen Nachhaltigkeitskonzept nicht getrennt von oder als a priori dominant gegenüber der sozialen und ökonomischen Dimension zur Lebensqualität betrachtet werden. Die bisher vorgestellten neueren Gerechtigkeitsansätze sind nicht vollständig, sondern stellen nur eine Auswahl dar. Sie zeichnen sich durch ihre allgemeine Begründungsstruktur für eine intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit aus. Darüber hinaus existieren weitere Ansätze, die sich auch mit einer Konkretisierung in der Politik beschäftigen. Von diesen werden zwei exemplarisch kurz vorgestellt.

5.2.3

Integriertes Nachhaltigkeitsverständnis der HelmholtzGemeinschaft Deutscher Forschungszentren

Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) beschäftigte sich mit der Erstellung eines integrativen Konzepts einer nachhaltigen Entwicklung mit „konstitutiven Elementen“ und Regeln. Dieses Konzept basiert auf einem disziplinenübergreifenden Ansatz und versucht damit eine umfassende Berücksichtigung unterschiedlicher Sichtweisen. Als Ergebnis der Untersuchung sollen drei generelle, aufeinander aufbauende Ziele die Grundlage einer gerechten Entwicklung bilden (Kopfmüller et al. 2001):  Die menschliche Existenz ist zu sichern. Dies beinhaltet die Sicherung der grundlegenden Aspekte menschlichen Daseins wie Gesundheit, Grundversorgung, selbstständiger Existenzsicherung sowie gerechter Verteilung der Umweltnutzungsmöglichkeiten und Ausgleich extremer Einkommens-/ Vermögensunterschiede.  Das gesellschaftliche Produktivpotenzial ist zu erhalten. Damit ist eine entsprechende Behandlung aller bekannten Kapitalarten (Natur- Sach-, Human- und Wissenskapital) gemeint, wofür beispielsweise die ökologischen Handlungsregeln heranzuziehen sind.  Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten sind zu bewahren. Hierzu sind Chancengleichheit (bezüglich Bildung, Beruf, Information), Partizipation, Kultur (u. a. Erbe und Vielfalt der Kultur, Kulturfunktion der Natur) sowie soziale Ressourcen zu beachten. Bereits die Forderung zur Sicherung der menschlichen Existenz ist vielfach defizitär, betrachtet man besonders die Lage in Entwicklungsländern. Auch die zweite Regel kann – so zeigt die Diskussion um starke versus schwache Nachhaltigkeit – noch nicht als erfüllt angesehen werden. Das dritte Oberziel erfährt erst mit den neueren Diskussionen um Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit (siehe die vorangegangenen Ansätze von Meyer, Peet und Bossel sowie BrownWeiss) eine zunehmende Beachtung. Die Oberziele bilden den Rahmen für eine Konkretisierung, die als „Nachhaltigkeitsdefizite“ für Deutschland erarbeitet wurden. Abschnitt 7.1.3 stellt konkrete Zielwerte zur Behebung der Defizite dar. Die Systematik der Regeln ist hierin nicht mehr dezidiert dargestellt, aber im Gesamtkontext der Zielvorschläge zu erkennen.

5.2 Neuere theoretische Ansätze

5.2.4

157

Konzepte der Weltbank für Chancengerechtigkeit und Entwicklung

Einen ebenfalls starken Konkretisierungsgrad von Gerechtigkeit bietet der Weltentwicklungsbericht aus dem Jahr 2006 (IBRD 2006). Ausgangspunkt des Gerechtigkeits-verständnisses dieses Berichtes ist die Chancengleichheit und die Verhinderung absoluter Deprivation, d. h. die „Abscheu vor extremer Armut“. Dabei wird an konkreten Beispielen aufgezeigt, wie es trotz Chancengleichheit zu Ungleichheitsfallen kommen kann. Somit wird deutlich, dass Chancengleichheit eine wichtige, aber nicht ausreichende Bedingung für mehr Gerechtigkeit ist (vgl. hierzu auch den Gerechtigkeitsansatz von Sen). So stellt schon der ehemalige amerikanische Präsident Franklin Roosevelt fest: „Wir wissen, dass es eine Gleichheit der individuellen Fähigkeiten nie gegeben hat und nie geben wird, aber wir sind fest davon überzeugt, dass die Gleichheit der Chancen angestrebt werden muss (zitiert nach IBRD 2006, S. 88).“ In dem Bericht werden sehr konkrete Bereiche für länderinterne Ungleichheiten und Ungleichheiten im globalen Kontext aufgezeigt, die sowohl in Industrie- als auch Entwicklungsländern existieren können:    

ungleiche Gesundheitsversorgung, ungleiche Bildungschancen, Ungleichheiten in den Einkommen und Ungleichverteilung von Einfluss und Macht.

Neben der Begründung von Ungleichheiten bietet der Bericht auch eine überzeugende Begründung warum der Abbau von Ungleichheiten sowohl auf nationaler Ebene als auch im globalen Kontext, d. h. mehr Gerechtigkeit zu mehr Wohlergehen der Menschheit insgesamt beitragen kann. Gerechtigkeit ist somit eine wichtige Bedingung bzw. Voraussetzung für Entwicklung. Das gilt auch für die wirtschaftliche Entwicklung einer Nation. Die Verringerung von Ungleichheiten bzw. die Förderung von mehr Gerechtigkeit erfordert jedoch zunächst die Schaffung ausgewogener wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen. Wichtig hierbei ist, Chancenungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern abzubauen. „Diese Ungleichheiten führen, wenn sie sich auf Dauer durch ineinander greifende wirtschaftliche, politische und soziokulturelle Mechanismen fortsetzen, in die Ungleichheitsfalle. Die Menschen der unterschiedlichsten Gruppen und Länder sehen sich sehr ungleichen Rahmenbedingungen gegenüber, sowohl was ihre Möglichkeiten betrifft, sich mit materiellen und immateriellen Gütern auszustatten und ein besseres Leben anzustreben, als auch im Hinblick auf ihre Chancen, mit diesen Gütern durch marktbezogene und nicht marktbezogene Prozesse einen Nutzen zu erzielen. Da die Unterschiede zwischen den Ländern oft größer sind als innerhalb der Länder, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die nationalen politischen Handlungskonzepte eine Angleichung der internationalen Unterschiede – vor allem durch den Wachstumsprozess – unterstützen oder mit diesem Ziel zumindest vereinbar sind (IBRD 2006, S. 153).“ Obwohl der Weltbankbericht eine klare und differenzierte Konkretisierung vornimmt, die gerade für die Entwicklungszusammenarbeit relevant ist, beschränken sich die Ausführungen auf

158

5 Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit

die intragenerationelle Gerechtigkeit und vernachlässigen somit die Gerechtigkeit zwischen der heutigen und zukünftigen Generationen. Weiterhin wird die ökologische Dimension von der Gerechtigkeit ausgenommen. Insofern fehlen wichtige Aspekte des Leitbildes nachhaltiger Entwicklung. Fazit zu diesem Kapitel: In den verschiedenen Gerechtigkeitstheorien bzw. -ansätzen, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, kommen die drei Nachhaltigkeitsdimensionen mit unterschiedlicher Ausprägung und Gewichtung nur teilweise zur Geltung. Eine zentrale Frage, die auch in diesem Kontext bisher unzureichend erläutert wurde, ist, wie die drei Dimensionen im Rahmen von Gerechtigkeit zusammengeführt werden können. Man kann feststellen, dass die intertemporale Gerechtigkeit im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung bisher noch unzureichend berücksichtigt bzw. diskutiert wurde. So stellen beispielsweise Golub u. a. fest, dass die intergenerationelle Gerechtigkeit explizit auf zukünftige Generationen ausgerichtet ist. „We content … that intergenerational equity can also reflect a concern for past generations (Golub u. a. 2013, S. 269ff.).” So gab es auch in der Vergangenheit Generationen, die unter Ungleichheit zu leiden hatten (restorative justice) und diese Ungleichheit in der Vergangenheit nicht endete. Sie kommen daher zu der Frage, welche Rolle die Ungleichheiten in der Vergangenheit in unserem Verständnis zur intergenerationellen Gerechtigkeit spielt und welche Rolle diese Erkenntnis in unserem Denken zu Nachhaltigkeit einnimmt.

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen Kapitel 2 zeigte die Begründungszusammenhänge nachhaltiger Entwicklung auf. Dabei konnten die Anforderungen an die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung dargestellt und begründet werden. Weiterhin konnte exemplarisch aufgezeigt werden, welche Beziehungen zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen bestehen. Vor dem Hintergrund der vorgestellten Ansätze stellt sich nun die Frage, wie sich die relevanten Handlungsfelder nachhaltiger Entwicklung konkret ableiten und im Rahmen eines Konzepts der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung systematisch zuordnen lassen. Die Differenzierung nach dem Drei-Säulen-Modell bietet einen ersten analytischen Ausgangspunkt, den es jedoch weiter auszuführen gilt. Die Kernfrage ist: Wie sind die drei Dimensionen schlüssig zusammenzuführen? Abschnitt 6.1 stellt rückblickend dar, welche Aufmerksamkeit das Drei-Säulen-Modell erfahren hat, und Abschnitt 6.2 stellt verschiedene Konzeptionen für die Zusammenstellung der drei Säulen bzw. Dimensionen dar. In Abschnitt 6.3 wird das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck als neue Methode eingeführt. Der konzeptionelle Fortschritt dieser Methode ist, dass die Nachhaltigkeitsdimensionen aus der früheren Isolation gelöst und in einen größeren Zusammenhang dargestellt werden. Der letzte Abschnitt befasst sich mit Anwendungsmöglichkeiten des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks für eine Systematisierung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung.

6.1

Verwendung der drei Säulen in Wissenschaft und Politik

Ökologie, Ökonomie und Soziales sind in der Literatur schon seit geraumer Zeit als drei wesentliche Dimensionen von umfassenden Entwicklungsprozessen bekannt. Mitte der 1980erJahre wurde deren Vereinbarkeit im Bereich der technologischen Entwicklung gefor-dert (Dierkes 1985, S. 41 f.). Auch für die nachhaltige Entwicklung galten die drei Dimensionen als Kategorien einer Analyse (Barbier 1987, S. 89 f.). Es wurde aber bald klar, dass die Einbindung verschiedener Disziplinen (Interdisziplinarität) erforderlich ist. Die Auflösung fachlicher Grenzen und die durchgreifende Beschäftigung mit einer nachhaltigen Entwicklung wird zunehmend als „Transdisziplinarität“ verstanden (Mittelstraß 1992). Hier hat die Gewinnung von Zielwissen durch partizipative Einbindung gesellschaftlicher Gruppen und Experten

160

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

eine zentrale Rolle, um subjektive Einflussnahme durch Wissenschaftler zu verhindern und die Erarbeitung von Handlungsoptionen für eine nachhaltige Entwicklung vielmehr auf eine solide Grundlage zu stellen (Burger 2005). Hierbei geht es also darum, die Lücke zwischen Forschung und Umsetzung zu schließen. Eine Integration der Disziplinen bedeutet aufgrund ihrer geringen Durchlässigkeit eine Herausforderung, da jede der drei Nachhaltigkeitssäulen auf unterschiedlichen Denkschulen, Sprachgebräuchen und Zielen basiert (Bleischwitz 1998, S. 89–94). Ebenso sind spezifische zeitliche, logische und verlaufsbezogene Eigenschaften sowie eigene Formen der Ein- und Auswirkungen zu berücksichtigen (Spangenberg 1998, S. 310–313). Dieses Charakteristikum der nachhaltigen Entwicklung als weitgefasstes Leitbild macht die Notwendigkeit geeigneter Konzepte deutlich, die dem Anspruch der nachhaltigen Entwicklung gerecht werden, ohne aber sich in der Vielfalt der Ansprüche zu verlieren. Bereits die Diskussion der Auswirkungen der Kohlendioxid-Emissionen macht die Komplexität deutlich. Der Indikator Kohlendioxid bildet wegen der Einwirkungen auf das globale Klima zunächst eine ökologische Problemstellung ab. Die langfristigen Umweltschäden haben aber auch ökonomische und soziale Auswirkungen, etwa auf das Gesundheitsniveau der heutigen und der nachfolgenden Generationen. Weiterhin kommt es durch die Klimaveränderungen zu einer Zunahme von Unwettern mit wirtschaftlichen Schäden, für deren Verminderung investitions- und produktionsrelevante Strukturveränderungen sowie geänderte Konsum- und Verhaltensmuster der Bürger erforderlich sind. So ist die Frage zu stellen: Wie kann das Umweltproblem der Kohlendioxid-Emissionen verdeutlicht werden, wenn es – wie fast alle nachhaltigkeitsrelevanten Themen – sowohl ökonomisch, ökologisch als auch sozial relevante Aspekte hat? Anwendung des Drei-Säulen-Modells Die Weltgemeinschaft bezog sich auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro noch nicht auf das DreiSäulen-Modell. Dennoch lässt die Gliederung der Agenda 21 (UNCED 1992) die Berücksichtigung aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen mit einer ökologischen Ausrichtung erkennen: Die Kapitel 2–8 befassen sich mit den sozialen und wirtschaftlichen Aspekten, die Kapitel 9– 22 zeigen den Zusammenhang von Umweltressourcen und deren Erhaltung und geeigneten Bewirtschaftungsformen auf. Anschließend werden die bedeutendsten gesellschaftlichen Gruppen (Kapitel 23–32) eingebunden sowie „Mittel zur Umsetzung“ nachhaltiger Entwicklung aufgezeigt (Kapitel 33–40). In der Diskussion nach der Konferenz von Rio setzte sich das Drei-Säulen-Modell dann durch (Kopfmüller et al. 2001, S. 47), sodass viele der zeitlich folgenden Arbeiten die drei Dimensionen aufgenommen haben:  Die Conference on Sustainable Development (CSD) erarbeitete auf der Grundlage der Agenda 21 ein Indikatorensystem, in dem zunächst 134 und später knapp 200 Indikatoren der Ökologie, der Ökonomie oder dem Sozialen zugeordnet waren (UNCSD 1996; UNCSD 2001).  Auch in weiteren wichtigen Katalogen von Indikatoren ist die Aufteilung nach den drei Säulen üblich (u. a. OECD 2000; Eurostat 2001; Teichert et al. 2002; Agenda-Transfer

6.1 Verwendung der drei Säulen in Wissenschaft und Politik







 

161

2003). Teilweise kam die institutionelle Dimension, welche die Umsetzung in Institutionen (Organisationen, Normen, Strukturen) betrachtet, als vierte Kategorie hinzu. Deutsche Industrieverbände, insbesondere der Chemischen Industrie, brachten ab Mitte der 1990er-Jahre das Konzept dreier gleichrangiger Säulen mit der nachhaltigen Entwicklung als „Dach“ in den deutschen Diskussionsprozess ein. Demnach gilt es, die Ziele der drei Säulen miteinander abzuwägen (Brand, Jochum 2000, S. 157 ff.). Die drei Dimensionen gingen in den politischen Beratungsprozess der Enquete-Kommissionen „Schutz des Menschen und der Umwelt ein“ (u. a. Enquete-Kommission 1994, S. 64–54; Enquete-Kommission 1998, S. 31–54). Die gleichberechtigte Berücksichtigung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen wird dort als ein partizipativer Prozess der Suche und des Abwägens zwischen den Nachhaltigkeitszielen verstanden (Voss 1997, S. 23–25). Grundlegende Zielsetzungen der Weltgemeinschaft und der Europäischen Union (EU) basieren ebenfalls ausdrücklich auf den drei Nachhaltigkeitsdimensionen (WSSD 2002, S. 2; Europäischer Rat 2001, S. 1; Europäische Kommission 2003, S. 2; Europäischer Vertrag von Maastricht, Art. B-1; Europäischer Vetrag von Amsterdam, Art. 2). Einige nationale Nachhaltigkeitsstrategien basieren bereits auf dem Drei-Säulen-Modell (Bregha et al. 2004, S. 8–10; Europäische Kommission 2004, S. 14). In Unternehmen ist das Drei-Säulen-Modell, erstmals durch Elkington 1994 als „Triple Bottom Line“ eingebracht, vermehrt konstitutiver Bestandteil eines Nachhaltigkeitsmanagements (gute Übersicht über betriebliche Instrumente: BMU et al. 2007) bzw. einer „Corporate Sustainability“ (siehe u. a. Schaltegger, Burritt 2005). Die Verknüpfung von bislang getrennten Managementsystemen geht verstärkt als Konzept eines „integrierten Managementsystems“ in die Diskussion ein (siehe u. a. Zink et al. 2008).

Das Drei-Säulen-Modell ist der am häufigsten verwendete Ansatz für die Politik und auch für viele Unternehmen. Es muss aber stets darauf geachtet werden, dass die drei Säulen alleine keine hinreichende analytische Definition begründen können (Tremmel 2003, S. 151). Folglich ist das Drei-Säulen-Modell in der Wissenschaft, insbesondere bei den Vertretern einer starken Nachhaltigkeit, umstritten. Werden die drei Säulen ohne theoretische Formulierung für eine Zielformulierung verwendet, so entstehen häufig „Wunschzettel“ mit beliebig zusammengestellten Anliegen für eine weitere Entwicklung. Das gilt es, hinsichtlich der Zusammenhänge und insbesondere der durch eine starke Nachhaltigkeit ausgelösten Diskussion um Mindestbedingungen weiter auszugestalten. Kritik am Drei-Säulen-Modell Zum Drei-Säulen-Modell ist kritisch anzumerken, dass mögliche Konflikte zwischen den Ansprüchen kaum aufgelöst werden. Bestehen beispielsweise Zielkonflikte zwischen dem Schutz der Umwelt und einer betrieblichen Produktionsausweitung, dann ist die Analyse von Tradeoffs erforderlich. Diese Problematik wird oftmals dadurch umgangen, dass sie rhetorisch oder definitorisch von vornherein ausgeschlossen wird. Daher ist häufig das Bekenntnis zu vernehmen, man wolle nur Lösungen zum Vorteil aller erreichen – das Konzept der Ökoeffizienz aus Kapitel 4 folgt bekanntlich der Idee von „Win-win-Situationen“. Bezüglich der drei Nachhaltigkeitssäulen wird ebenfalls häufig die „Vereinbarkeit von Ökologie, Ökonomie und Sozialem“ und die Erreichung von „Win-win-Situationen“ kommuniziert.

162

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

Kritiker sehen in dieser ungenügend ausdifferenzierten Vorstellung den Grund dafür, dass die drei Säulen zumeist unverbunden nebeneinander stehen und dass selbst Forschungsvorhaben in der zusammenhanglosen Auflistung von Zielen für jede Säule münden (SRU 2002, Tz. 2). Damit ist das Ziel einer Einheit, wie sie der Sachverständigenrat für Umweltfragen seit Langem fordert (SRU 1994, Tz. 2), bis heute kaum zu erkennen. Gerade ökologische Ziele, so die Position der starken Nachhaltigkeit, würden durch die praktizierte Konzeption dreier Säulen nivelliert und damit nicht in genügendem Maße verfolgt. Aus der essenziellen Bedeutung und Bedrohung natürlicher Lebensgrundlagen folgern die Kritiker, dass keine Gleichrangigkeit der drei Säulen bestehen dürfe (SRU 2002, Tz. 1–4; vgl. auch Winter 2007). Außerdem wird angeführt, der Agenda 21-Prozess würde durch eine allgemeine gesellschaftspolitische Formulierung aufgeweicht, was auch die intergenerationelle Gerechtigkeit vernachlässige (Tremmel 2003, S. 150 f.). Die Vertreter einer starken Nachhaltigkeit fordern stattdessen die Verankerung ökologischer Ziele auf der theoretischen und normativen Ebene. Die Leitstrategien der nachhaltigen Entwicklung sollen die Ziele dann in die Anwendungsebene hinein übersetzen. Allenfalls dort akzeptieren die Kritiker die drei Nachhaltigkeitsdimensionen als mögliche Handlungsfelder einer Umsetzung (Paech 2006; Ott, Döring 2007). Die „normativ funktionale Konzeption“ von Nachhaltigkeit ist ein weiterer Ansatz, der sich von den drei Nachhaltigkeitsdimensionen löst. Mithilfe einer sogenannten Cross-Impact-Analyse und Experteneinschätzungen werden die prioritären Stellhebel für Nachhaltigkeit im Wirkungsgeflecht gesucht. Konkret sind dies Bildung, Innovationsfähigkeit und Stabilität des demokratischen Systems. Diese Aspekte haben einen vergleichsweise gewichtigen Einfluss auf das Gesamtsystem und sind selber schwer von anderen zu beeinflussen (Renn et al. 2007, S. 136-167). Die Kritik hat bisher aber nicht dazu geführt, das Drei-Säulen-Modell in der breiten Anwendung aufzugeben und zu ökologisch dominierten Nachhaltigkeitsprozessen zurückzukehren, wie sie in Deutschland bis Anfang der 2000er-Jahre in Form von Umweltplänen oder -strategien üblich waren (Nordbeck 2001). Umweltorientierte regionale Ansätze waren in Deutschland beispielsweise die „Bayern-Agenda“ (StMLU 1997), der „Umweltplan Baden-Württemberg“ (MUV 2000) oder das „Ressort-Programm Umwelt“ (Ministerium für Umwelt Saarland 2004). Eine ökologische Durchdringung der verschiedenen Politikbereiche (in der EU durch den Cardiff-Prozess vorgegeben: Europäischer Rat 1998) ist vielmehr einer Erweiterung hin zu den drei Nachhaltigkeitsdimensionen gewichen. So galt die erste europäische Nachhaltigkeitsstrategie (Europäischer Rat 2001) noch als ökologisches Korrektiv der ökonomisch-sozial ausgerichteten „Lissabon-Strategie“, wonach Europa zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ werden sollte. Die fortgeschriebene europäische Nachhaltigkeitsstrategie sieht dagegen die „Förderung einer integrierten Betrachtung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Belange, so dass sie miteinander im Einklang stehen und sich gegenseitig verstärken …“ vor (Rat der Europäischen Union 2006b, Tz. 6.). Auch die deutsche Bundesregierung formuliert ihre Konzeption einer nachhaltigen Entwicklung nun im Sinne der drei Nachhaltigkeitsdimension aus: „Nachhaltigkeit [ist] konzeptionell weder ein von drei unverbunden nebeneinander stehenden Säulen getragenes ‚Dach’ noch die Schnittmenge abgrenzbarer Dimensionen,

6.2 Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen

163

etwa im Sinn eines ‚kleinsten gemeinsamen Nenners’. Nachhaltigkeit ist ein ganzheitlicher, integrativer Ansatz; Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen müssen ermittelt, dargestellt und beachtet werden, um langfristig tragfähige Lösungen für die bestehenden Probleme zu identifizieren. Umweltschutz, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und soziale Verantwortung sind so zusammenzuführen, dass Entscheidungen unter allen drei Gesichtspunkten dauerhaft tragfähig sind – in globaler Betrachtung. Die Erhaltung der Tragfähigkeit der Erde bildet die absolute äußere Grenze; in diesem Rahmen ist die Verwirklichung der verschiedenen politischen Ziele zu optimieren (Deutsche Bundesregierung 2008, S. 21).“

6.2

Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen

Eine grafische Konzeption des Drei-Säulen-Modells gibt gewissermaßen das zugrunde gelegte Verständnis von den möglichen Beziehungen zwischen den Dimensionen wieder. Diese Frage der Repräsentation ist für die weitere Diskussion des Drei-Säulen-Modells und einer möglichen Weiterentwicklung relevant, weshalb im Weiteren mehrere Darstellungsweisen und die jeweils mit ihnen verbundenen Vorstellungen vorgestellt werden. Zunächst werden das klassische drei Säulen-Modell und das ebenfalls verbreitete Schnittmengen-Modell erläutert. Darauf folgt das aktuell am ehesten verbreitete Nachhaltigkeitsdreieck. Auf dieser Konzeption basieren mehrere Weiterentwicklungen und die in Abschnitt 6.3 vorgestellte neue Methode des „Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks“. Klassisches Drei-Säulen-Model Gelegentlich wird noch das Modell mit parallel nebeneinanderstehenden Säulen und der nachhaltigen Entwicklung als deren Dach verwendet (siehe Abb. 6-1). Die drei Dimensionen sollen gleichrangig umgesetzt werden, sodass zwischen den Zielen der drei Säulen abzuwägen ist.

Ökonomie

Soziales

Entwicklung Ökologie

Die Unzulänglichkeit dieser Säulen-Konzeption erschließt sich intuitiv, wenn man das Konstrukt aus der Perspektive der Statik betrachtet: Die mittlere Säule oder ggf. eine der Säulen am Rand kann entfernt werden, ohne dass das Konstrukt einstürzt. Es wäre auch denkbar, die beiden Säulen am Rand zu entfernen, sodass das Dach nur noch von der mittleren Säule getragen wird.

Nachhaltige Entwicklung

Quelle: eigene Darstellung Abb. 6-1: Darstellung der nachhaltigen Entwicklung als nicht haltbares Säulen-Konzept

Dieses Problem gilt auch, wenn alle drei Säulen gleichrangig umgesetzt werden: Eine Säule trägt nicht mehr, wenn sie eine gewisse kritische Größe unterschreitet, also zu dünn wird. Die

164

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

Berücksichtigung einer solchen Säule – meistens der ökologischen – hat somit nur eine symbolische Bedeutung. Aus diesen grafischen Konstellationen ist zu folgern, dass keine klaren Austauschbeziehungen oder Abhängigkeiten zwischen den Säulen bestehen. Die Bezeichnung „Drei-Säulen-Modell“ wird synonym für viele andere Konzeptionen auf Basis der drei Nachhaltigkeitsdimensionen verwendet, obwohl diese keine Säulen mehr repräsentieren.

Ökonomie

Soz.

Ökologie

Sinnvoller ist daher eine räumlich versetzte Anordnung (siehe Abb. 6-2), die von oben gesehen einem Dreieck entspricht. Dadurch ist ein Zusammenhang zwischen den drei Säulen möglich. Wird eine Säule entfernt oder bricht unter der Last zusammen, so ist im engeren Sinne keine nachhaltige Entwicklung möglich. Das heißt jedoch nicht, dass alle Säulen stets exakt gleich erfüllt werden müssen. In früheren Nachhaltigkeitsdreiecken findet sich diese Forderung nach einer gleichberechtigten Berücksichtigung durch die drei gleich langen Seiten wieder. Dieses Verständnis einer prinzipiellen Gleichwertigkeit würde zu einer Relativierung (einem „Weichwaschen“) führen. Quelle: eigene Darstellung

Die gleichberechtigte Berücksichtigung beAbb. 6-2: Darstellung der nachhaltigen Entwicklung als deutet vielmehr, dass alle Anliegen zunächst haltbares Säulen-Konzept mit gleichem Recht eingebracht werden können. Im Verlauf des wissenschaftlichen, gesellschaftlichen oder auch politischen Diskurses können aber sehr wohl Prioritäten und besondere Schutzrechte, beispielsweise zur Erhaltung ökologisch bedeutsamer Lebensgrundlagen, festgelegt werden. Wichtig ist an dieser Stelle lediglich, dass sich diese Einsicht im gemeinsamen Such- und Erkenntnisprozess entwickeln muss und nicht von vornherein vorgegeben sein darf. Das Schnittmengen-Modell Das Schnittmengen-Modell geht u. a. auf Barbier 1987 zurück. Es legte mehrere Bereiche als Kombinationen von übereinander liegenden Kreisen fest (siehe Abb. 6-3): a: b: c: d:

ökologisch-ökonomisch sozial-ökologisch sozial-ökonomisch sozial-ökologisch-ökonomisch

Die Säulen werden also in mehrere Kombinationen unterschieden, was häufig auf die dreifache Schnittmenge in der Menge beschränkt bleibt (OECD 2000, S. 109 f.).

6.2 Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen Das Schnittmengen-Modell verdeutlicht, dass Mehrfachzuordnungen zwischen den Säulen bestehen können. Aber es begrenzt die nachhaltige Entwicklung thematisch stark auf die Schnittmengen, während die überschneidungsfreien Flächen in der Nachhaltigkeitsdiskussion zurückgestellt werden. Beispielsweise ordnet die OECD die wesentlichen Herausforderungen nur in die Schnittmenge zwischen jeweils zwei Säulen ein. Eine noch engere Fassung als ökologischökonomisch-soziale Schnittmenge ist für das zu Recht kritisierte „Wunschdenken“ charakteristisch, alles wäre problemlos miteinander vereinbar. Die ineinander übergehenden Kreise verdeutlichen aber, dass die Nachhaltigkeitsdimensionen nicht als starre Säulen isoliert voneinander bestehen, sondern aufeinander einwirkende Bereiche bzw. Dimensionen darstellen.

165

Soziales

b

c d

Ökologie

Ökonomie

a

Quelle: eigene Darstellung Abb. 6-3: Schnittmengen-Modell der drei Säulen einer nachhaltigen Entwicklung

Das Schnittmengen-Modell zeigt, dass der Begriff „Säule“ verkürzt ist und im engen Sinne nur auf das vorher dargestellte Säulen-Modell anzuwenden ist. Daher wird in diesem Lehrbuch in der Regel – wie schon erwähnt – nicht mehr von Säulen, sondern von Dimensionen gesprochen. Zwischen diesen lassen sich Elemente anordnen, was im Folgenden für das Nachhaltigkeitsdreieck in mehreren Varianten aufgezeigt wird. Soziales

Nachhaltigkeitsdreiecke Das Nachhaltigkeitsdreieck wird in Anlehnung an die Zielvereinbarung des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1967 auch als „Magisches Dreieck“ oder als „magic Triangle“ bezeichnet (Dierkes 1985, S. 44; Radke 1996, S. 2; Zukunftskommission der Friedrich-EbertStiftung 1998, S. 150–155; Simonis 1998, S. 467). Es ist gleichseitig angelegt, das heißt, alle Seiten des Dreiecks sind gleich lang. Diese geometrische Sonderform spiegelt die gleichberechtigte Bedeutung jeder Dimension wider.

Ökologie

Ökonomie Quelle: eigene Darstellung Abb. 6-4: Das Nachhaltigkeitsdreieck

166

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

Ein Nachhaltigkeitsdreieck ermöglicht die Beziehungen zwischen den drei Dimensionen (hier Ecken) darzustellen. Die Literatur bezieht sich hier in der Regel auf Unternehmen oder Handlungsfelder. In der Diskussion um eine angemessene Perspektive für die Wirtschaft fokussieren einige Autoren ausschließlich auf die Effizienz, während andere Autoren eine umfassendere Betrachtung aller drei Nachhaltigkeitsziele mit „effektiven“ Beiträgen zur nachhaltigen Entwicklung fordern. Beispielsweise ist aus ökologisch-ökonomischer Perspektive eine verbrauchsarme (effiziente) Klimaanlage zu bevorzugen, da sie sowohl ökologisch verträglicher als auch wirtschaftlich sparsamer als eine ältere ist. Allerdings trägt selbst der jetzige Technikstand der Anlage erheblich zur Umwelt- und Ressourcenbelastung bei, sodass die Klimaanlage weiterhin infrage zu stellen ist (ökologische Effektivität). Der erstere, effizienzorientierte Fall kann als „Business Case“ und letzterer Fall als umfassende Erweiterung um originär ökologische und soziale Ansprüche gelten.

Im Zusammenhang mit Zielen sind zwei unterschiedliche Kategorien zu unterscheiden (Czymmek 2003, S. 23–28):



Effizienz wird zumeist als operative Effizienz verstanden, „die Dinge richtig zu tun“. Das bedeutet, das Verhältnis von Nutzen zu Kosten zu erhöhen. Im Nachhaltigkeitsdreieck ist dies in der Regel als das Verhältnis zwischen zwei Ecken dargestellt.



Effektivität betrifft die Zielerreichung, d. h. „die richtigen Dinge zu tun“. So bestehen für jede Ecke des Dreiecks absolute Ziele, die unabhängig von den anderen Ecken anzustreben sind.

he sc mi no z ko l-ö ien zia Effiz so

Business Case Der „Business Case“ stellt die wirtschaftliche Tätigkeit in den Mittelpunkt der nachhaltigkeitsbezogenen Zielsetzung eines Unternehmens. Die ökonomische Nachhaltigkeit entspricht am ehesten dem herkömmlichen unternehmerischen Verständnis, weswegen nur für die ökonomische Dimension effektive Ziele akzeptiert werden. Die darüber hinausgehenden Ziele zur Entwicklung der sozialen und ökonomischen Dimension sollen vorrangig durch den effizienten Ressourceneinsatz erreicht werden. Es wird argumentiert, dass diese Perspektive der originär unternehmerischen Aufgabe und damit am ehesten der Realität entspricht (Schaltegger, Burritt 2005, S. 213). Kapitel 4 zeigte bereits auf, dass die Effizienzorientierung im Anschluss an die UNCED 1992 als wichtigster Beitrag der Wirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung galt.

Effizienz versus Effektivität

ökologisch-ökonomische Effizienz Quelle: in Anlehnung an BMU et al. 2007, S. 14. Abb. 6-5: Der Business Case einer nachhaltigen Entwicklung

6.2 Bisherige Ansätze zur Darstellung der drei Nachhaltigkeitssäulen

167

ien z Su ffiz

ÖkoEffektivität

ÖkoEffizienz

Quelle: in Anlehnung an Dyllick, Hockerts 2002, S. 138 Abb. 6-6: Umfassender Zielbezug einer nachhaltigen Entwicklung

1: Innovationsfähigkeit und Humankapital 1’: Innovationen 2: Beschäftigung Niedrigqualifizierter 3: Familie und Beruf 4: Umweltverträglichkeit: 4a: Entkoppelung des Wachstums von Stoffströmen 4b: Entkoppelung der Lebensqualität von Stoffströmen 4c: Internationalisierung der Umweltpolitik Zur Erläuterung: Das Handlungsfeld 1 „Innovationsfähigkeit und Humankapital“ ist als ökonomisch bedeutsam aufgeführt; es weist aber auch eine soziale Komponente auf. Auffällig ist die Mehrfachzuordnung des umfassenden Handlungsfeldes 4c „Internationalisierung der Umweltpolitik“, das nicht nur

z io So ienz iz Eff

Zuordnung auf den Seiten Die Zuordnung auf die Seiten des Dreiecks ermöglicht eine kontinuierliche Positionierung, geprägt durch jeweils zwei Nachhaltigkeitsdimensionen. In Abb. 6-7 sind folgende Handlungsfelder eingetragen:

zio t So tivitä ek Eff

In Abb. 6-6 sind die zusätzlich von der Wirtschaft zu berücksichtigenden Perspektiven dargestellt. Dazu zählen die Erfüllung originär ökologisch und sozial begründeter Anforderungen (Öko-Effektivität bzw. Sozio-Effektivität) an eine nachhaltige Entwicklung. Ebenso gehören die Forderungen nach Mäßigung und Neuausrichtung des Konsumverhaltens im Sinne der Suffizienz-Strategie oder nach einer gerechten Nutzung der ökologischen Ressourcen zu dieser Auffassung über eine nachhaltige Entwicklung (Dyllick, Hockerts 2002, S. 135–139; Huber 2001, S. 322–327; Linz 2002, S. 13).

Ök Ge olog rec isc hti he gk e it

Erweiterung um effektive Ziele für Ökologie und Soziales Eine erweiterte Auffassung über die Verantwortung von Unternehmen schließt die ökologische und die soziale Dimension stärker mit ein. Demnach gilt es analog der starken Varianten der Ökoeffizienz, auch diese Nachhaltigkeitsdimensionen effektiv und nicht nur durch einen Effizienzansatz zu erfüllen.

Soziales 3

4c

2

4b

1 4c

Ökologie

4a

1‘

Ökonomie

Quelle: in Anlehnung an Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung 1998, S. 152 Abb. 6-7: Zuordnung der Handlungsfelder auf den Seiten des Nachhaltigkeitsdreiecks

168

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

ökologisch-ökonomisch ausgerichtet ist, sondern auch als ein sozial relevantes Handlungsfeld mit ökologischem Anteil gilt (Zukunftskommis-sion der Friedrich-Ebert-Stiftung 1998, S. 150–155). Mit dieser Zuordnung ist eine schwerpunktmäßige Einordnung in Abhängigkeit zweier Dimensionen möglich. Die Berücksichtigung der dritten Dimension erfordert jedoch mehrfache Eintragungen, was als methodische Schwäche anzusehen ist. Das Fraktal-Diagramm William McDonough und Michael Braungart stellen eine Möglichkeit vor, auch das Innere des Dreiecks zu nutzen. In Anlehnung an die Arbeiten des Mathematikers Wacław Sierpinski zerlegen sie das Nachhaltigkeitsdreieck zwei Mal, wobei die Mitte des jeweils entstehenden kleineren Dreiecks frei bleibt (siehe Abb. 6-8). Die Felder des sogenannten „Fraktal-Dreiecks“ werden dann gemäß ihrer Nähe zu den drei Ecken bzw. Nachhaltigkeitsdimensionen benannt. So ergeben sich neun Felder: 1: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 8: 9:

Ökologie-Ökologie Ökonomie-Ökonomie Soziales-Soziales Ökologie-Soziales Ökologie-Ökonomie Ökonomie-Ökologie Ökonomie-Soziales Soziales-Ökonomie Soziales-Ökologie

Beispielsweise wird für Feld 1 (steht für Ökologie-Ökologie) abgefragt, ob ein funktionsfähiges Ökosystem geschaffen wird. In Feld 5 ist eine ökologisch effektive Ressourcennutzung eingetragen, Feld 6 hingegen steht für den wirtschaftlich effizienten Einsatz von Ressourcen.

Soziales

3 9

8

4 1 Ökologie

7 5

6

2 Ökonomie

Quelle: eigene Darstellung nach McDonough, Braungart 2002 Abb. 6-8: Fraktal-Diagramm

McDonough und Braungart zielen mit dem Fraktal-Dreieck darauf ab, alle Felder positiv zu beeinflussen. Einen Ausgleich von Ökologie, Ökonomie und Sozialem im Sinne einer substituierbaren Beziehung lehnen sie hingegen ab, da sie vom Paradigma einer starken Nachhaltigkeit ausgehen. Dies ist ein Grund dafür, warum sie das jeweils mittlere Dreieck leer lassen (McDonough, Braungart 2002, S. 150). Damit klammert der Ansatz die sozial-ökologischökonomische Beziehung per Definition aus, wodurch der Anschluss an bestehende Forderungen zur Berücksichtigung ebendieser Beziehung nicht gegeben ist.

6.3 Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

6.3

169

Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

Der vorige Abschnitt hat die methodische Relevanz des Drei-Säulen-Modells aufgezeigt. Die bisherigen Ansätze befriedigen aber nicht: Die Anordnung als drei isolierte Säulen kann – wie schon erwähnt - die Notwendigkeit einer Zusammenführung kaum erfüllen. Das Schnittmengen-Modell stellt die Kombination bzw. Überschneidung zwischen zwei oder drei Säulen besonders heraus, kennt aber keine tiefere Differenzierung als die überschnittenen Flächen und vernachlässigt die überschneidungsfreien Bereiche. Der Ansatz, die Seiten des Nachhaltigkeitsdreiecks zu verwenden, ermöglicht eine punktuelle Verortung zwischen zwei, aber nicht zwischen drei Dimensionen. Das Fraktal-Diagramm bezieht zwar alle drei Dimensionen gleichzeitig ein, schließt jedoch u. a. eine ökologisch-ökonomisch-sozial geprägte Kategorie aus. Der erste Abschnitt 6.3.1 stellt auf Grundlage des Nachhaltigkeitsdreiecks eine neue Methode für die Analyse und Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung vor. Der nächste Abschnitt 6.3.2 zeigt die Bedeutung und Zuordnung zu einzelnen Feldern auf, die sich aus der Systematik ergeben. Abschnitt 6.3.3 enthält schließlich Berechnungsverfahren für eine elektronische Umsetzung der Methodik.

6.3.1

Methode des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks

0% 10

10 0%

0%

30 %

y % 50

z

0%

Im Folgenden wird die Konzeption des „Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks“ eingeführt, die verschiedene Bestandteile der früheren Modelle und besonders der Varianten des Nachhaltigkeitsdreiecks berücksichtigt und weiterentZ wickelt. Mit der neuen Methode wird das Innere des Dreiecks als Kontinuum der drei Dimensionen vollständig ausfüllt. Es führt die drei Dimensionen zusammen, um der zunehmenden Anforderung nach Integration gerecht zu werden. Dabei soll die neue Methode die Betrachtung bestimmter „Mischungsverhältnisse“ ermöglichen, wonach die betrachteten Elemente einer nachhaltigen Entwicklung unterschiedlich stark den drei Dimensionen zugeordnet werden können. Es entstehen Felder, an denen sich die unter100% 20% 0% Y x schiedlichen Aspekte einer nachhaltigen Ent- X wicklung festmachen lassen. Die HerausfordeQuelle: eigene Darstellung rung besteht darin, eine formale Struktur zu finden, die weitergehende Operationalisierungen Abb. 6-9: Mischung von drei Komponenten im Gibbzulässt. Hierfür lohnt ein Blick in andere Wisschen Dreieck senschaftsdisziplinen, in denen ähnliche Frage-

170

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

stellungen aufkommen mögen. Beispielsweise befassen sich die Ingenieurswissenschaften oder die Bodenkunde mit der Frage: Wie kann ein Material, das aus mehreren Bestandteilen besteht, einfach beschrieben werden?

So zia les

Das „Gibbsche Dreieck“, auch unter den Bezeichnungen „Konzentrationsdreieck“ oder „Dreiecksdiagramm“ bekannt, ist hierfür eine gängige Darstellungsmethode. Dazu ist in Abb. 6-9 exemplarisch die Zusammenstellung XYZ – die zu 20 % aus X, zu 50 % aus Y und zu 30 % aus Z besteht – dargestellt. Zusammen ergeben die drei Komponenten 100 % und beschreiben somit ein Ganzes. Dies lässt sich weitestgehend auf die drei Nachhaltigkeitsdimensionen übertragen, was mit dem Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck deutlich wird (IND, Abb. 6-10).

stark sozial

vorwiegend sozial sozialökologisch

sozialökonomisch sozialökologischökonomisch

stark ökologisch

vorwiegend ökonomisch ökologischökonomisch

Ökologie Quelle: eigene Darstellung, erstmals veröffentlicht in von Hauff, Kleine 2005 Abb. 6-10: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

stark ökonomisch

ie om on Ök

vorwiegend ökologisch

6.3 Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

171

Die Überschneidungen verlaufen hier nicht kontinuierlich wie in den ursprünglich technischnaturwissenschaftlichen Fragestellungen eines Gibbschen Dreiecks, sondern sind abgestuft. Der gewählte Detaillierungsgrad ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen einer größtmöglichen Zusammenführung und einer analytischen Differenzierung nach den drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Die im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck entstehenden Felder lassen in besonderer Weise den Anschluss an die Diskussionen einer nachhaltigen Entwicklung aus Kapitel 2 und der Beziehungen im Nachhaltigkeitsdreieck zu. Beispielsweise kann die „Ökoeffizienz“ große Teile des ökologisch-ökonomischen Feldes abdecken, was die Kommunizierbarkeit und somit die Akzeptanz der Analyse verbessert.

6.3.2

Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks

Durch die Aufteilung des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks ergeben sich verschiedene Möglichkeiten. Daher erläutert dieser Abschnitt die Bedeutung der einzelnen Felder und wie diese Elemente zugeordnet werden sollen. Für Aggregationen weicht die Detaillierungstiefe später von der Feldebene ab. Interpretation der einzelnen Felder Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck bzw. dessen Felder lassen eine Interpretation in Anlehnung an die drei Nachhaltigkeitsdimensionen zu. Jede Ecke im Dreieck steht demnach für eines der ursprünglichen, spezifischen Ziele: ökologische, ökonomische oder soziale Nachhaltigkeit. Diese gilt es nun, mittels der Übergänge weiter abzustufen. Je weiter ein Feld von einem Eckpunkt entfernt ist, desto weniger ist es der jeweiligen Säule zuzuordnen. Die Entfernung bemisst sich parallel zur Seite, die einer Ecke gegenüberliegt. Drei Grade der Zuordnung lassen sich für jede der drei Dimensionen unterscheiden, hier in Bezug auf die Ökologie dargestellt:  In der starken Zuordnung wird das Feld überwiegend von einer einzigen Dimension bestimmt. Dies entspricht am meisten dem herkömmlichen Drei-Säulen-Modell mit isolierten Kategorien. Das Feld unten links ist stark ökologisch orientiert, die anderen beiden Dimensionen haben hier kaum eine Bedeutung.  Bei der teilweisen Zuordnung wird das Feld durch mehrere Säulen zu etwa gleich großen Teilen beeinflusst. Im abgebildeten Beispiel trifft dies auf das sozial-ökologische, das vorwiegend ökologische und das ökologischökonomische Feld gleichermaßen zu: Sie alle sind etwa zur Hälfte durch die ökologische Säule geprägt, der Rest ist sozial und/oder ökonomisch relevant.  Die geringste Beeinflussung durch eine Säule herrscht schließlich bei der schwachen Zuordnung. Alle hervorgehobenen Felder sind demnach hauptsächlich durch Ökonomie und/oder Soziales geprägt. Die betreffenden Felder sind im Fall der „schwach ökologischen“ Zuordnungen relativ weit von der Ecke „Ökologie“ entfernt.

172

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

In Anlehnung an das Schnittmengenmodell lassen sich weitere Muster erkennen. Diese repräsentieren unterschiedliche Zusammenhänge als Überschneidungen der Dimensionen:  Die Felder nahe einer Ecke stehen für eine weitgehend eigenständige Nachhaltigkeitsforderung der jeweiligen Nachhaltigkeitsdimension. Die EckFelder alleine entsprechen also eher der konventionellen Vorstellung dreier isolierter Säulen, für die ganz spezifische Ziele formuliert werden. Beispielsweise wäre die Einrichtung einer Naturschutzkernzone links unten einzutragen, da es sich um ein klar umweltbezogenes Ziel handelt.  Zwischen zwei Ecken stehen Felder, welche die Schnittstellen zwischen den Nachhaltigkeitssäulen und den jeweiligen Zielen besonders aufzeigen. Hierzu gehört beispielsweise die Ökoeffizienz als Verbindungsglied von Ökologie und Ökonomie.  Schließlich hängt das zentrale Feld mit allen Feldern zu etwa gleichen Anteilen zusammen. Das heißt, hier führen die Dimensionen zu einem Feld, in dem alle Dimensionen ähnlich stark einfließen. Anleitung zur Systematisierung Die Zuordnung von konkreten Inhalten in das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ist ein zentraler und gleichsam herausfordernder Schritt. Es besteht die Notwendigkeit einer genügend klaren Unterscheidung der Felder. Einen ersten Anhaltspunkt kann hierfür die Frage „Wer propagiert den Indikator?“ oder eine gängige Einordnung in einem Indikatorenkatalog geben. Für eine genauere Zuordnung ist dann das folgende zweistufige Vorgehen zu empfehlen:  Zuerst ist die primäre Zuordnung nach dem unmittelbaren Erklärungsbeitrag zu treffen. Beispielsweise bildet der Indikator „Kohlendioxid-Emissionen“ zunächst nur die rein ökologische Einwirkung ab, was an sich noch frei von ökonomischen und sozialen Bezügen ist.  Zweitens ist die sekundäre Zuordnung, die auf die indirekten und mittelbaren Effekte abzielt, festzulegen. So können etwa die Konsequenzen der steigenden Kohlendioxid-Konzentrationen sowie die damit einhergehenden Bewertungen und Begründungen mit ökonomischen und sozialen Fragestellungen verbunden sein. Ein Handlungsfeld „Klimaschutz“ mit umfassenden Maßnahmen in Gesellschaft und Wirtschaft wäre daher weiter in der Mitte einzuordnen. Der Indikator „Kohlendioxid-Emissionen“ sollte aber weiterhin bei der Ökologie verbleiben, da es sich per Definition immer noch um ökologisch wirksame Gase handelt. Werden hingegen die CO2-Emissionen der Industrie eingeordnet, so besteht auch eine gewisse Relevanz zur ökonomischen Dimension. Die beiden Zuordnungskriterien sollen zur Objektivierung beitragen, da eine Beschäftigung mit der nachhaltigen Entwicklung häufig zu vagen und subjektiven Einschätzungen führt. Es

6.3 Anwendung: Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck

173

ist also das Ziel, die Komplexität durch die Zuordnung auf eine überschaubare Struktur auf Grundlage des Drei-Säulen-Modells zurückzuführen.

6.3.3

Positionsberechnung für eine Darstellung

Im vorigen Abschnitt stand die Zuordnung in die voneinander abgegrenzten Felder im Vordergrund. Soll das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck darüber hinaus als ein elektronisch berechnetes und gezeichnetes Diagramm verwendet werden, so sind Berechnungsvorschriften für die Position nötig. Die Umsetzung in gängigen Anwendungsprogrammen (z. B. MicrosoftExcel) ist durch eine vergleichsweise einfache Programmierung möglich. Ausgangspunkt der nachfolgend vorgestellten Berechnungsschritte sind die Achsenabschnitte x*, y* und z*, die addiert 100 % ergeben. Der hier vorgeschlagene Berechnungsansatz für eine Übertragung in ein orthogonales x~ -y~ Koordinatensystem setzt am zentralen Feld an. Dort, wo das Verhältnis von Ökologie, Ökonomie und Sozialem mit jeweils 33,3 % gleich groß ist, sollen die Koordinaten x~ und y~ ihren Ursprung haben (x~ =0, y~ =0). Der horizontale Achsenwert x~ ermittelt sich dann aus dem Verhältnis der normierten Anteile von Ökologie zu Ökonomie, das noch mithilfe des Strahlensatzes proportional um den Beitrag des Sozialen vermindert oder erhöht ~ y wird: y-x ~ x = y+x × k/2 × (100%-z)

y* z

y

mit z = 100%-x-y folgt: y-x  ~ x = y+x × k/2 × (y+x) ~ x = (y-x) × k/2

~ x

z*

x*, y* und z* bilden die ökologische, ökonomische bzw. soziale Komponente als normierten Anteil. Der Parameter k steht für die Seitenlänge des Dreiecks. Durch die Ersetzung von z wird das Problem umgangen, dass x~ aufgrund einer Division durch null nicht berechenbar ist, falls an einer Stelle x=y ist.

x* x k

Quelle: eigene Darstellung Abb. 6-11: Orthogonales Koordinatensystem im IND

Der vertikale Achsenwert y~ ergibt sich aus dem Anteil von z, der über 33,3 % hinausgeht, bezogen auf die Höhe des Dreiecks. Die Höhe entspricht nach den Regeln der Geometrie 1/2 × k. Als Berechnungsvorschrift gilt dann für den vertikalen Achsenwert:

174

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen ~ y = (z-33,3%) ×

1/2 × k

mit z = 100%-x-y folgt:  ~ y = (66,7%-x-y) × 1/2 × k Für das Beispiel aus Abb. 6-9 ergeben sich somit bei einer Kantenlänge von k = 6 cm folgende Parameter aus x=20%, y=50% und z=30%:  ~ x = 0,9 cm

So zia les

 ~ y = -0,14 cm

x=0% y=0% z=100%

x=16,7% y=16,7% z=66,7% x=50% y=0% z=50%

x=0% y=50% z=50% X=33,3% y=33,3% z=33,3% x=16,7% y=66,7% z=16,7% x=50% y=50% z=0%

x=0% y=100% z=0%

Ökologie Quelle: eigene Darstellung Abb. 6-12: Idealtypische Koordinaten der Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks

ie om on Ök

x=100% y=0% z=0%

x=66,7% y=16,7% z=16,7%

6.4 Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

175

In einer vereinfachten Operationalisierung bildet jedes Feld des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks einen bestimmten Koordinatensatz ab. Die Koordinaten folgen hier nicht exakt der Berechnung gemäß Abb. 6-11 bzw. den oben stehenden Berechnungsvorschriften, sondern den in Abb. 6-12 festgelegten Werten. Dieses abweichende Vorgehen wird dann benötigt, wenn die Felder aggregiert werden, was u. a. Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts ist.

6.4

Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ist eine Methode zur systematischen Zusammenführung und Darstellung. Die berücksichtigten Elemente können beispielsweise Handlungsfelder und Indikatoren sein, mit deren Hilfe eine nach- Erfahrungen zur Systematisierung haltige Entwicklung realisiert werden soll. Die Methode des Integrierenden NachhaltigkeitsdreiNachfolgend sind mehrere Schritte aufgeführt, ecks wird von den meisten Rezipienten positiv aufgedie bei der Umsetzung einer nachhalti-gen Ent- nommen. Es besteht jedoch noch häufig ein intuitives wicklung auf Basis der neuen Systematisie- (Miss-)Verständnis, die Mitte des Dreiecks als Handlungsziel anzustreben. Manche betonen, das zentrale rungsmethode hilfreich sind. Dies führt bis zu Feld würde Beziehungen zu allen Nachhaltigkeitsdieinem Aggregationsansatz, mit dessen Hilfe mensionen aufzeigen und sei damit zu präferieren. sich Einzelbewertungen innerhalb des Integrie- Dahinter steht die Annahme, die Mitte sei stets als Ausgleich von Ökologie, Ökonomie und Sozialem renden Nachhaltigkeitsdreiecks bis zu einer Ge- die ideale Situation (win-win-win). Wahrscheinlich samtbewertung verdichten lassen. wird hier die Idee der gemeinsamen Schnittmenge doAblauf zur Erstellung einer Gesamtstrategie Nachhaltigkeitsstrategien sollen nachhaltige Entwicklung mittels Zielen, Indikatoren und Handlungsvorgaben umsetzen. Kennzeichnend für eine Nachhaltigkeitsstrategie ist der „weiche Ansatz“ über gemeinsame Zielfindungsprozesse, die als Richtlinie des Handelns in Politik und Gesellschaft dienen sollen, jedoch ohne die Verbindlichkeit üblicher Bestimmungen wie Gesetzen oder Vorschriften. Im Vordergrund befinden sich Prozesse des Lernens und der kontinuierlichen Verbesserung (Dalal-Clayton, Bass 2002, S. 74–77), wie in Abb. 6-13 dargestellt.

minant, wodurch die unterschiedlichen Erklärungsbeiträge der drei Nachhaltigkeitsdimensionen vernachlässigt werden. Ähnlich verhält es sich auch mit den Feldern zwischen zwei Dimensionen (v. a. Ökoeffizienz), um die Beziehung zwischen zwei Bereichen aufzuzeigen. Die Felder in den Ecken werden hingegen gemieden, obwohl diese ihre Berechtigung für effektive Ziele haben. Eine weitere spontane Kritik am Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck, oft von Vertretern einer starken Nachhaltigkeit vorgetragen, zielt auf die gleichberechtigte Berücksichtigung der drei Dimensionen ab. Die Kritik hierbei ist, die ökologische Dimension würde zu sehr vernachlässigt. Hierauf wird mit den Möglichkeiten einer Maximin-Regel sowie der Entwicklungsvorgaben bezüglich des ökologischen Kapitals und einer Mindestgröße kritischen Kapitals erwidert (von Hauff, Kleine 2009).

176

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

1. Führung Bewertung und Priorisierung Konsens zur Vision und den Leitzielen Kommunikation Partizipation Koordination Information Lernen Mechanismen der Strategie überwachen

Pläne und Investitionen

2. Planung

4. Überwachung, Lernen und Übernahme

Nachhaltigkeitsrelevante Ergebnisse überwachen

Befähigung

Generelle Integration, Kontrollen und Anreize 3. Implementierung Quelle: in Anlehnung an Dalal-Clayton, Bass 2002, S. 75 und Bregha et al. 2004, S. 5 Abb. 6-13: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess einer Nachhaltigkeitsstrategie

Bei der fortlaufenden Verbesserung stehen die Aspekte der Führung sowie des Planungs- und Implementierungsprozesses einer Nachhaltigkeitsstrategie im Mittelpunkt. Durch Kontrolle und Monitoring soll es schließlich zu Veränderungen kommen, die in den nächsten Zyklus einer Nachhaltigkeitsstrategie einfließen. Die Elemente in der Mitte des Schaubildes sollen diese Entwicklung stützen, was sowohl die besondere Bedeutung von einem Such- und Lernprozess herausstellt als auch die Notwendigkeit neuer Beteiligungs-, Kommunikations- und Führungsformen aufzeigt. Ein bedeutender Ausgangspunkt des gesamten Prozesses ist das Verständnis eines erweiterten Anthropozentrismus, wonach der Mensch im Zentrum steht, aber auch die lebensnotwendigen und -bereichernden Funktionen der Natur einbezogen werden. Der Prozess einer Nachhaltigkeitsstrategie wird durch eine systematische Vorgehensweise unter Verwendung des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks oder anderer Instrumente unterstützt. Dies betrifft v. a. die Zusammenstellung von relevanten Handlungsfeldern und Indikatoren oder auch die Analyse wichtiger Anspruchsgruppen. Eine analytisch getriebene Systematisierung geht von einer Vision, dem Leitbild nachhaltige Entwicklung, im entsprechenden Kontext aus. Diese Vorgehensweise kann in Anlehnung an den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (Dalal-Clayton, Bass 2002, S. 74–77) wie folgt ablaufen:

6.4 Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

177

 Zunächst ist die zugrunde liegende Rationalität klar zu benennen. In der politischen Nachhaltigkeitsdiskussion und in Nachhaltigkeitsstrategien dominiert bekanntlich der erweiterte Anthropozentrismus. Diese Sichtweise stellt den Menschen ins Zentrum und schließt in einer erweiterten Fassung die lebensnotwendigen und -bereichernden Funktionen der Natur mit ein (Kopfmüller et al. 2001, S. 159–163). Ist diese Grundlage geklärt, so ist eine Konkretisierung nötig.  Eine Vision stellt den übergreifenden Leitsatz dar. Bei der nachhaltigen Entwicklung umfasst dies das Bekenntnis zur intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit.  Dann ist die Vision in zusammenhängende Bereiche (Cluster) aufzuteilen, die eine verständliche und schlüssige Grobstruktur vorgeben. Beispielsweise kann die ökologische Dimension im Cluster „natürliche Lebensgrundlagen“ zusammengefasst werden.  Die Cluster sind daraufhin in die wesentlichen Handlungsfelder aufzugliedern, etwa nach den Umweltmedien Wasser, Luft und Boden. Dabei kann ein Handlungsfeld mehrere Problemstellungen integrieren, vorzugsweise mit bedürfnisorientierten Abgrenzungen wie „Mobilität“ oder „Siedlungsentwicklung“. Damit können die Forderungen zur integrierten Konzeption der nachhaltigen Entwicklung mit dem Drei-Säulen-Modell umgesetzt werden.  Indikatoren machen die Handlungsfelder schließlich plan-, kontrollier- und kommunizierbar (Renn et al. 2000, S. 9). Die Indikatoren sind deshalb essenzieller Bestandteil einer Strategie. Wegen des großen Spektrums möglicher Indikatoren ist die Auswahl signifikanter und verfügbarer Indikatoren wichtig. Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ist besonders für die Formulierung der Indikatoren hilfreich. Zum Beispiel kann der Index „Luftqualität“ die Entwicklung der lokal und regional bedeutsamen Schadstoffemissionen abbilden.  Schließlich geben Ziel- und Zeitvorgabe für Indikatoren einen konkreten Orientierungsrahmen vor. Sie sollen den Entwicklungspfad beeinflussen, wobei auch die relevanten Akteure ihren Beitrag zur Erfüllung des Ziels benennen können. Beispielsweise setzt das Vorhaben, die Luftemission von 1990 bis 2020 um 70 % zu verringern, einen Präferenz- und Kontrollrahmen für die Umweltgesetzgebung, für betriebliche Investitionen und für Produktgestaltung. Die Arbeit von Renn u. a. ist ein Beispiel für eine deduktive Ableitung von Indikatoren zur Bestimmung von Beziehungen. Die Indikatoren folgen hierbei einer anderen Systematik als bei den drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Es sind stattdessen die sogenannte „systemare Stabilität“ (ökologisch und sozial), Gerechtigkeit und Lebensqualität, welche eine nachhaltige Entwicklung bestimmen sollen (Renn et al. 2007, S. 73-136). Neben dem oben aufgezeigten, eher analytischen Vorgehen („top-down“) bietet sich auch der synthetische Ablauf („bottom-up“) zur Bestimmung relevanter Elemente einer Nachhaltigkeitsstrategie oder eine Kombination der beiden Ablaufrichtungen an. Die analytische Ableitung ermöglicht eine kohärente Struktur, die vom obersten Leitbild ausgeht. Das synthetische Vorgehen bindet den bestehenden Kontext ein, sodass die spezifische Situation berücksichtigt wird.

178

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

Auch die Auswahl und der Umfang der berücksichtigten Elemente, insbesondere der Indikatoren, hängt von der Zielsetzung ab (Callens, Tyteca 1999, S. 50). Je nach Darstellungsebene sind unterschiedliche Betrachtungen angemessen (siehe auch Abb. 6-14):

Aggregation

 Sollen wenige aussagekräftige Indikatoren (etwa für eine spätere Bewertung) zusammengestellt werden, so ist eine Indikatorenauswahl mit geringen Korrelationen zu empfehlen. Ein statistisches Verfahren wie eine Faktoren-Analyse könnte Kernöffentliche Kommunikation dieses Vorgehen unterstützen, um indikatoren das Messmodell auf weniger Faktoren (Schlüsselindikatoren) zu reduzieren. Für das Integrierende Verdichtete politische Empfehlungen Indikatoren Nachhaltigkeitsdreieck bedeutet dies, dass die Indikatoren untereinander abzustimmen sind und beifachliche Analysen Detailindikatoren spielsweise für jedes Feld nur ein Indikator zugelassen sein soll.  Soll eine Situation fachlich differenziert mit einem breiten Spektrum an Indikatoren beschrieben werden, so sind Überschneidungen unvermeidlich und durchaus gewollt.

Informationsumfang

Quelle: in Anlehnung an Braat 1991, S. 59 Abb. 6-14: Kontextabhängige Betrachtungs- und Aggregationsebenen

Beispielsweise können mehrere Indikatoren im ökologischen Bereich des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks die Zustandsentwicklung der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden beschreiben. Für Deutschland würden die Indikatoren eine wesentliche Verbesserung des Umweltzustandes gegenüber den 1960er-/1970er-Jahren aufzeigen. Bei der Darstellung im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck sind Überschneidungen zu erwarten, da beispielsweise die in die Luft emittierten Schadstoffe als Immissionen in Boden und Wasser eingehen.  Steht die Kommunikation im Vordergrund, so sind für die Indikatoren eventuell andere Kriterien relevant. So orientiert sich die Auswahl daran, was allgemein verständlich und zielführend ist. Demnach könnten die drei Schlüsselindikatoren CO2 – BIP – Bevölkerung für eine breite Kommunikation genügen. Die gewählte Betrachtungsebene wirkt sich auch auf die Darstellungsweise bzw. Aggregationstiefe im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck aus.

6.4 Anwendungsmöglichkeiten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

179

Darstellung von positiven und negativen Beziehungen

So zia les

Im Interessengeflecht der Anspruchsgruppen existieren vielfältige Vorstellungen zu den Prämissen, Vorgehensweisen und Zielsetzungen. Gerade hier besteht in vielen Diskussionen ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Infolgedessen kann jede Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes die Realität nur unvollständig abbilden. In der Vergangenheit waren zwei besonders unbefriedigende Situationen zu beachten: Ein einzelnes Interesse setzte sich als beherrschende Vorgabe durch. Beispielsweise stehen in vielen Diskussionen ökologische Argumente, Arbeitsplätze oder sonstige „Sachzwän-ge“ im VorderkbA grund. Ein anderes Extrem ist, dass alle StickstoffÖkoBIP Ansprüche ohne Berücksichtigung des überschuss effizienz Gesamtziels oder der Prioritäten aufgenommen werden, um keine Konflikte zu erzeugen. Ökologie

ie om on Ök

Mögliche Zielkonflikte dürfen aber nicht ausgeblendet werden, sondern müssen : harmonische Beziehung vielmehr eine zentrale Rolle im Such: konfligierende Beziehung und Lernprozess einer nachhaltigen Entwicklung haben. Ziel dieses Abschnitts Quelle: eigene Darstellung ist es daher, Möglichkeiten zur VisualiAbb. 6-15: Beziehungsstrukturen im IND sierung der Beziehungen im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck vorzustellen. Dies kann die grundsätzliche Problematik der unbekannten Zielbeziehungen zwar nicht lösen, aber entschärfen und in geordnete Bahnen lenken. Qualitativ sind drei grundlegende Beziehungsarten zu unterscheiden (siehe Abb. 6-15):  Die harmonische Beziehung ist durch eine wechselseitige Verstärkung gekennzeichnet. Damit können herausragende Schlüsselindikatoren wie auch Redundanzen identifiziert werden. Beispielsweise stellen Ökoeffizienz-Indikatoren Win-win-Situationen dar, da sie gleichzeitig auf wirtschaftliche Einsparungen sowie ökologische Ressourcenschonung abzielen. Gewissermaßen redundant wäre hingegen der ökologische Landbau zum StickstoffÜberschuss, da die Düngung bei kontrolliert biologischem Anbau (kbA) stark reglementiert ist.  Konfligierende Beziehungen sind in Diskussionen zur nachhaltigen Entwicklung unvermeidlich, oftmals stehen sich die Positionen der verschiedenen Anspruchsgruppen unversöhnlich gegenüber. Beispielsweise ist die Kritik an dem Indikator Bruttoinlandsprodukt, d.h. der sozial und ökologisch schädliche Effekte ungenügend berücksichtigt, bisher noch nicht aufgelöst worden.

180

6 Systematisierung der Nachhaltigkeitsdimensionen

 Es können auch weitgehend neutrale Beziehungen zwischen zwei Zielen bestehen. Diese Beziehungen werden wegen der erforderlichen Konzentration auf die positiven und negativen Beziehungsstrukturen und zur Wahrung der Übersicht nicht dargestellt.

7

Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Die vorangegangenen Ausführungen zeigten die Umsetzungsmöglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung bereits auf. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit Konzeptionen und Instrumenten. Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck verortet die verschiedenen Ansätze im Zusammenwirken der drei Nachhaltigkeitsdimensionen. In Abschnitt 7.1 werden Messkonzepte und Indikatoren vorgestellt, die für die Makroebene (für Volkswirtschaften) und für die Mikroebene (für Unternehmen) existieren. Manche der Messgrößen werden im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsstrategien diskutiert, welche idealerweise ein Kerndokument zur Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung sein sollen. Mit ihnen wird intendiert, dass sie den Ausgangspunkt der staatlichen Bemühungen und aller in der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik aktiven Akteure bilden. In Abschnitt 7.2 werden verschiedene konkrete Beispiele für Konzepte nachhaltiger Entwicklung bzw. Nachhaltigkeitsstrategien ex-empla- Unterscheidung von Kennzahlen und Indikatoren risch vorgestellt. Dabei geht es u.a. um die  Kennzahlen geben einen Sachverhalt in der ReNachhaltigkeitsstrategie der deutschen Bundesgel direkt wieder. Beispielsweise werden Wasregierung und die rheinland-pfälzische Nachserverbräuche oder Umweltschutzausgaben erfasst. Unternehmen und Managementsysteme haltigkeitsstrategie. Nachhaltigkeitsstrate-gien sprechen bevorzugt von Kennzahlen, da so ein können teilweise auf die Ebene von Un-ternehmöglichst objektives Abbild konstruiert wird. men und Organisationen übertragen wer-den,  Im politischen Kontext sind eher „Indikatoren“ wo sie beispielsweise in Form von „Nachhaltiggebräuchlich. Diese können aufgrund des hohen Aggregationsgrades (z. B. Schadstoffe von ganz keitsberichten“ (für eine Kommunikation nach Deutschland) oft nicht in dem Maße zurückveraußen) oder eines Nachhaltigkeitsmana-gement folgt werden, wie es bei Kennzahlen möglich ist. (für eine interne Steuerung und Kontrolle) vorAus diesem Grund haben Indikatoren eher eine liegen. multidimensionale und breite Bedeutung. Abschnitt 7.3 wendet sich schließlich den Hemmnissen für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung zu.

7.1 Messkonzepte für eine nachhaltige Entwicklung Messgrößen wie Indikatoren und Kennzahlen sind ein wesentlicher Bestandteil zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung auf der volkswirtschaftlichen oder der unternehmerischen Ebene. Auf der volkswirtschaftlichen Ebene gibt es bereits zahlreiche Indikatoren, die auch größere Zusammenhänge erfassen (siehe Abschnitt 7.1.1). Auf der Unternehmensebene in Abschnitt 7.1.2 herrschen hingegen eher einzelne Kennzahlen vor, teilweise bestehen auch höher

182

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

aggregierte Kennzahlen. Ein ausführliches Beispiel für ein Indikatorensystem im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck ist in Abschnitt 7.1.2 gegeben. Abschnitt 7.1.3 stellt schließlich Referenzwerte für eine Entwicklung der Indikatoren vor. Indikatoren sind auch in den nachfolgenden Umsetzungsbeispielen wichtig.

7.1.1

Volkswirtschaftliche Ebene (Makro)

Die Makroebene ist Grundlage bzw. Ebene für die Zusammenhänge, die sich aus dem Handeln aller Akteure ergeben. Die Volkswirtschaft bzw. die nationalen Grenzen sind hierbei ein gebräuchliches Abgrenzungskriterium. Das heißt, es wird die Entwicklung einer gesamten Volkswirtschaft betrachtet. Bei der Messung mit Indikatoren auf der Makroebene geht es meist um ein Zielbündel, das sich aus der gesellschaftlichen und politischen Diskussion ergibt und mit wissenschaftlicher Unterstützung in Indikatoren bzw. Indikatorensystemen abgebildet werden kann. Merkmal Indikator/ Kennzahl BIP HDI

Verfolgtes Ziel

Operative Ausrichtung

Einheit

Ebene

Wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand Menschliche Entwicklung

Geschaffener Mehrwert einer Volkswirtschaft Zielerreichung sozialer und ökonomischer Aspekte Technisch-naturwissenschaftlich gestützte Aggregation



staatlich

%

staatlich

ha

staatlich

EF

Lebensgrundlagen (starke Nachhaltigkeit)

GS

Schwache Nachhaltigkeit: Wohlfahrt durch Kapitalakkumulation Starke Nachhaltigkeit: Wohlfahrtsverluste Volkswirtschaft: je nach Ziel Unternehmen: tendenziell schwache Nachhaltigkeit

Ökonomie: BIP korrigiert



staatlich

Ökonomie kritisch betrachtet



staatlich

€ / p. E.

Ökoeffizienz: ökologischökonomische Bewertung Analog Finanzmanagement (erweiterte Effizienz)

Stoffstromanalysen (technischnaturwissenschaftlich) BWL (Umwelt und Finanzen)

staatlich bzw. Produkt, Prozess Produkte/ Prozesse Unternehmen

ISEW/GPI Ressourcenproduktivität, Ökoeffizienz ÖEA SVA

Effizienz:

Wertschöpfung Schadschöpfung

Relative Position €

p. E.:physikalische Einheit wie kWh, kg, m², m³ und andere (in Betrieben manchmal: pro Stück) Quelle: eigene Darstellung Tab. 7-1: Ausgewählte Indikatoren und Messkonzepte zur nachhaltigen Entwicklung

Viele Indikatorenkataloge, die im Anschluss an die Agenda 21 erstellt wurden, verwenden die Säulen dementsprechend als Gliederungskriterium; ein Indikator soll hinsichtlich der drei Nachhaltigkeitsdimensionen einzuordnen sein (vgl. Übersicht in Mathieu 2001). Einige Kataloge ergänzen die drei Säulen um das „Institutionelle“, was hier jedoch nicht weiter berück-

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

183

sichtigt wird. Das Bruttoinlandsprodukt bildet den Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen. Es ist der weltweit dominierende Indikator für einen materiell aufgefassten Wohlstand. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Bruttoinlandsprodukt führte dazu, dass neue Indikatoren entwickelt wurden, die den Indikator Bruttoinlandsprodukt ergänzen und korrigieren oder eine Alternative aufzeigen. Bruttoinlandsprodukt Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. das Bruttonationaleinkommen (BNE) ist die zentrale Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen (BIP, englisch: Gross Domestic Product GDP) ist also die zentrale Größe zur Beschreibung der gesamtwirtschaftlichen Produktion einer Volkswirtschaft. Dabei ist die Messung entweder über die Produktionsseite oder das Volkseinkommen möglich. Mit dem Bruttoinlandsprodukt wird der Gesamtwert aller in einem Zeitraum produzierten Güter und Dienstleistungen innerhalb einer Volkswirtschaft gemessen. Hierbei gilt das sogenannte Inlandsprinzip. Mit dem Indikator wird in der Regel die wirtschaftliche Entwicklung bzw. Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft assoziiert. In diesem Verständnis führt ein steigendes Inlandsprodukt zu einem höheren Wohlstandsniveau einer Gesellschaft. Der Indikator Bruttoinlandsprodukt eignet sich auch in besonderem Maße, um die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswirtschaften miteinander zu vergleichen. Das Bruttoinlandsprodukt ist aber auch Referenzgröße für zahlreiche statistische Berechnungen und andere Indikatoren. Durch die ausschließlich ökonomisch begründete Definition ist die Kennzahl grundsätzlich rechts unten im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck zu verorten. Es wird jedoch noch gezeigt, dass dieser Indikator mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung nicht kompatibel ist. Die Entwicklung der preisbereinigten Werte bildet die reale Steigerung der Wirtschaftsleistung, d. h. ohne Inflationseffekte ab. In Deutschland wie auch in fast allen anderen Industrieländern stieg das Bruttoinlandsprodukt in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an (Abb. 7-1).

Bruttoinlandsprodukt (Mrd Euro)

184

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

110 105 100 95 90 85 80

In Preisen von 2005 Quelle: eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt 2013 Abb. 7-1: Entwicklung des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes in Deutschland

In der Vergangenheit wurde das BIP bzw. das BSP oftmals zum Maß einer ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung stilisiert, was aufgrund der unzulänglichen Erfassung aller wohlfahrtsrelevanten Aspekte auf Kritik stößt. Majer stellte 2002 noch fest was sich nur langsam ändert: „… das BSP sollte nie Wohlfahrt messen, sondern lediglich ökonomische Aktivitäten erfassen. Letztlich erfasst es die Leistung der Wirtschaft, erweitert um die Ausgaben des Staates. Doch kaum ein Verfasser von Lehrbüchern hat die Unzulänglichkeiten des Sozialproduktes in seiner Eigenschaft als Wohlfahrtsmaß […] thematisiert. Die Studierenden verlassen die Hochschulen mit dem Ergebnis im Kopf, das BSP messe die Wohlfahrt (Majer 2001).“ Die aktuelle Diskussion zu dem Bruttoinlandsprodukt als einzigem Wachstums- oder Wohlstandsindikator wird besonders im Kontext mit den sich verschärfenden Krisensymptomen bzw. Ungleichgewichten geführt (ausführlicher hierzu vgl. v. Hauff, Jörg 2013, S. 16). Dazu zählen u. a. der durch Emissionen verursachte Klimawandel, die internationale Finanzkrise, die wachsenden Einkommensdisparitäten in vielen Ländern, aber auch die Tendenzen zur Entsolidarisierung von Gesellschaften. Die oft vertretene Auffassung, wonach ein steigendes Bruttoinlandsprodukt bzw. Volkseinkommen mehr ökonomische Wahlmöglichkeiten eröffnet, wird unter Berücksichtigung der aufgeführten Krisensymptome immer mehr in Frage gestellt. Die Erkenntnis, wonach ein steigendes BIP und somit wirtschaftliches Wachstum zu mehr Umweltbelastungen und Ungleichheit führen kann

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

185

und mit vielfältigen Folgekosten, besonders im Bereich der Umwelt einhergeht, findet auch international immer mehr Zuspruch. Daher wird in diesem Zusammenhang teilweise eine Verengung der Wahlmöglichkeiten und eine Verschlechterung der Lebensqualität beklagt. Die Kontroverse wird aber auch durch das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung, die sowohl in den Wirtschaftswissenschaften als auch in der Politik, zumindest in bescheidenem Umfang, Einzug findet, gefördert. So stellt beispielsweise Stiglitz fest: „Das BIP ist ein nützlicher Maßstab für das Wirtschaftswachstum, aber es ist nicht die bestimmende Kennzahl für den Entwicklungsstand. Wachstum muss nachhaltig sein. […] Und so kann man auch das BIP steigern, indem man die Umwelt zerstört, knappe Ressourcen ausbeutet oder Kredite im Ausland aufnimmt – aber diese Art von Wachstum ist nicht nachhaltig.“ (Stiglitz 2008, S. 225) Daraus begründet sich, warum es angebracht ist, anhand der Kritik an dem Indikator Bruttoinlandsprodukt Indikatoren zu entwickeln und aufzuzeigen, die dem Anspruch nachhaltiger Entwicklung gerecht werden. In den folgenden Ausführungen wird dies chronologisch vorgenommen und mit ersten ökologischen Indikatoren begonnen. Ökosozialprodukt Anfang der 1990er-Jahre initiierten die Vereinten Nationen die Diskussion über ein „System for Integrated Environmental and Economic Accounting“ (SEEA). Das Vorhaben mündete u. a. in einen Vorschlag für ein „Ökosozialprodukt“, das durch den Bericht an den Club of Rome „Mit der Natur rechnen“ (van Dieren 1995) bekannt wurde. Dem Ökosozialprodukt lag die Überlegung zugrunde, das Bruttosozialprodukt um weitere ökonomische und ökologische Effekte (externe Kosten) zu korrigieren. Die Kennzahl folgte also einer ökonomischen Argumentation, wonach weitere relevante Kosten zu bestimmen sind. Das Sozialprodukt wäre beispielsweise um die Kosten, die zur Vermeidung von Umweltdegradation oder zur Wiederherstellung eines wünschenswerten Umweltzustandes nötig wären, bereinigt. Hierbei sind jedoch nicht alle Umweltauswirkungen enthalten und die soziale Dimension wird gar nicht eingebunden. Das Vorhaben, das Ökosozialprodukt zu bestimmen, wurde Ende der 1990er-Jahre aufgegeben, da die Preise (als Gewichtungsfaktoren der Berechnung) nicht im gewünschten Maße erhoben werden konnten: Ohne Markt – etwa für den frei verfügbaren Sauerstoff der Umgebungsluft – kann kein Preis als Maß für die Knappheit entstehen. Wo aber doch ein Markt besteht, beispielsweise bei Abfällen, spiegeln die Preise nicht zwangsläufig die ökologische Knappheit wieder. Umweltökonomische Gesamtrechnung Die „Umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR)“ hat die Idee des „System of Integrated Environmental and Economic Accounting“, das von den Vereinten Nationen entwickelt wurde (2003), weiter geführt. Es sollen die Wechselwirkungen mit der Natur und ihr Zustand statistisch erfasst und ausgewertet werden. Hier ist keine derart schlüssige Zusammenstellung wie bei der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung möglich, da die ökologischen Aspekte größtenteils in physikalischen Einheiten und teilweise in monetären Größen erfasst sind (Schoer

186

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

2008, S. 251ff.). Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass eine Volkswirtschaft nicht nur die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen benötigt, sondern auch Naturkapital. Somit wird der Wirtschaftskreislauf, wie er auch der Umweltökonomischen Gesamtrechnung zugrunde liegt, um die Umwelt erweitert (Michaelis 2012, S. 21). Die existierenden Ansätze der Statistischen Ämter in Deutschland sind folglich als eine thematisch geordnete Sammlung von statistischen Daten zu Einwirkungen und daraus resultierenden Zuständen zu verstehen: Zahlreiche umweltbezogene Daten des Statistischen Bundesamtes sind unter der Adresse www.destatis.de und der Statistischen Landesämter unter www.ugrdl.de verfügbar. Das Umweltbundesamt stellt ebenfalls eine große Menge an Umweltdaten zur Verfügung und verarbeitet diese zu Kernindikatoren weiter – ein Beispiel ist der „Deutsche Umwelt Index“ (DUX). Dabei gehen in die Umweltökonomische Gesamtrechnung Material- und Energieflussrechnungen, Rohstoffverbrauch, Emittentenstruktur, Nutzung von Fläche und Raum, Kosten der Umweltnutzung und Umweltschutzmaßnahmen, aber auch Indikatoren für den Umweltzustand ein (Statistisches Umweltamt 2010, S. 11).

50 000 40 000 30 000 20 000 10 000 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Siedlungs- und Verkehrsfläche in km² Primärenergieverbrauch im Inland in PJ Siedlungsabfälle insgesamt in 1 000 t Quelle: eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt 2013 Abb. 7-2: Entwicklung ausgewählter Indikatoren aus der Umweltökonomischen Gesamtrechnung

In Abb. 7-2 ist die Entwicklung von ausgewählten Indikatoren aus der UGR ersichtlich. Hierzu werden einige ausgewählte Beispiele gegeben. Die Flächeninanspruchnahme steigt weiter. Die

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

187

tägliche Ausweitung von Siedlungs- und Verkehrsflächen lagt 2006 – wie schon in den Jahren zuvor – noch auf dem hohen Niveau von ca. 130 ha, umgerechnet etwa 180 Fußballfeldern täglich. Der jährliche Primärenergieverbrauch stagniert bei etwa 15.000 PJ – dies entspricht der Jahresleistung von ca. 600 großen Kohlekraftwerksblöcken mit jeweils 1.000 MW Leistung. Die deponierten Siedlungsabfälle gingen von umgerechnet knapp 190 kg pro Einwohner und Jahr auf fast null im Jahr 2012 zurück. Die Siedlungsabfälle werden aufgrund einer europäischen Richtlinie mittlerweile fast komplett der Hausmüllverbrennung zugeführt und große Teile der freigesetzten Energie u. a. in das Fernwärmenetz eingespeist. Die Wechselwirkungen der einzelnen ökologischen Daten untereinander oder gar ein kausaler Bezug zu volkswirtschaftlich relevanten Vorgängen sind kaum gegeben. Auch die verwendeten Intensitäten (Umweltnutzung pro Wirtschaftsleistung) bzw. Produktivitäten (Wirtschaftsleistung pro Umweltnutzung) gründen eher auf ökologischen Zielsetzungen. Daher ist die UGR hauptsächlich als ein ökologischer Ansatz anzusehen. Ein weiteres Ziel des Systems der Gesamtrechnungen wäre ein „Magisches Dreieck“, wonach eine monetäre Input-Output-Tabelle die ökonomische Dimension abbildet, eine physikalische Tabelle ökologische Aspekte wiedergibt und eine Tabelle mit Zeitwerten das Soziale darstellt (Überblick in Stahmer 2000). Mehrere Arbeiten befassen sich mit den Grundlagen und Möglichkeiten der Magischen Dreiecke: Hartard et al. 2000; Hartard, Stahmer 2001; Hartard, Stahmer 2002. Hiervon abzugrenzen ist die Sozioökonomische Gesamtrechnung (SGR), die aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung VGR und UGR ergänzt und durch Indikatoren gesellschaftlicher Entwicklung zusammenführen soll. Die Entwicklung der SGR ist bisher jedoch noch nicht abgeschlossen. Ecological Footprint Der „Ecological Footprint“ (EF, deutsch „ökologischer Fußabdruck“, im Original „Appropriated Carrying Capacity“) fasst die Nutzung natürlicher Ressourcen durch eine ausgiebige Berechnung zusammen und gibt sie als Äquivalenzmaß nachwachsend bewirtschafteter Fläche (m² oder Hektar) an (Wackernagel, Rees 1996). Der EF ist somit ein hypothetisches Maß für den Versorgungsgrad einer Wirtschaftsregion – üblicherweise von Nationen – mit erneuerbaren und nicht-erneuerbaren Ressourcen sowie mit dem Potenzial zur Aufnahme der ausgestoßenen Kohlendioxide. Das Ergebnis des Ecological Footprint wird in der Regel als Hektar pro Kopf ausgewiesen. Die Biokapazität bezeichnet analog die verfügbaren Potenziale regenerativer Naturressourcen in ihrer Funktion als Quelle und als Senke. Ein zentrales Ergebnis der Berechnungen ist, dass der ökologische Fußabdruck eines jeden Erdenbürgers im Durchschnitt eher zunimmt. Bei einer wachsenden Weltbevölkerung bedeutet dies eine Steigerung der gesamten Umweltbelastung. Im Gegenzug nimmt die individuell verfügbare Biokapazität wegen der steigenden Weltbevölkerung beständig ab. Spätestens seit 1985 übersteigt der ökologische Fußabdruck die Biokapazität, insbesondere die Menschen in Industrieländern leben „auf zu großem Fuß“. Der Ecological Footprint ist zu einem zentralen Indikator weltweiter Bestrebungen für den Ressourcenschutz geworden (siehe u. a. WWF 2008; www.footprintnetwork.org).

188

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Auch für Deutschland gilt, dass das Vermögen der Landfläche bei Weitem nicht für eine Versorgung mit den derzeit benötigten Quellen- und Senkenressourcen ausreicht. Lediglich dünn besiedelte und zugleich vegetationsreiche Länder wie Kanada oder Russland können ihr Konsumniveau durch die Landfläche kompensieren. Hier stellt sich jedoch aus der Perspektive der weltweiten ökologischen Gerechtigkeit die Frage, ob allein der hohe Bestand einer nationalen Biokapazität ein hohes Nutzungsniveau der Naturressourcen rechtfertigen kann. 7,0 6,0

Biokapazität Welt (PerCap)

5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0

Biokapazität Deutschland (PerCap) Fußabdruck Deutschland (Prod Per Cap) Fußabdruck Welt (Prod Per Cap)

Quelle: in Anlehnung an WWF 2008, Tab. 2 und Global Footprint Network 2013 Abb. 7-3: Entwicklung des ökologischen Fußabdrucks für Deutschland

Der ökologische Fußabdruck bedient sich bei der Berechnungsgrundlage, beim ausgewiesenen Äquivalenzmaß (ha/Kopf) und der Zielsetzung ökologischer Argumente. Daher ist der hochaggregierte Indikator auch in der Summe als ein ökologisch orientiertes Maß aufzufassen. Eine Ergänzung erfuhr das Konzept des ökologischen Fußabdrucks durch die Ergänzung mit dem Bruttoinlandsprodukt zu einer umfassenden Ressourcenproduktivität (Sturm et al. 1999). In diesem Falle wäre das Maß analog zur Ökoeffizienz zwischen Ökonomie und Ökologie darzustellen. Indizes der Vereinten Nationen als Spitzenindikatoren Die Vereinten Nationen und ihre Organisationen verwenden mehrere Indizes, die insbesondere die soziale und ökonomische Entwicklung abbilden. Jeder Index aggregiert mehrere Indikatoren zu einem Spitzenindikator. Allen den Berechnungsverfahren liegen Zielbeitragsrechnungen zugrunde, worin die aktuelle Zieldifferenz (aktueller Zustandswert minus den maximalen Sollwert) auf die höchstmögliche Zieldifferenz bezogen wird. Die verwendeten Referenzwerte Sollmin und Sollmax geben als Unter- bzw. Obergrenze des Zielintervalls eine Orientierung für die menschlicher Entwicklung vor.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

189

Ist - Sollmin Index = Soll - Soll max

min

Die einzelnen Spitzenindikatoren betreffen entweder einzelne Aspekte wie Armut (engl. „human Poverty“) und Geschlechtergerechtigkeit („Gender Empowerment“) oder aber die weiter gefasste menschliche Entwicklung („human Development“): Human Poverty Index (HPI) Der „Human Poverty Index“ soll den Armutsgrad eines Landes messen. Die Kennzahl wird aufgrund der strukturellen Unterschiede nach Entwicklungsländern (HPI1) und nach Industrieländern (HPI2) unterschiedlich operationalisiert. In Entwicklungsländern gehen die Sterblichkeitsrate von Erwachsenen bis 40 Jahre, die Zahl der primären Analphabeten, die Zugangsquote zu Wasser- und Sanitärversorgung sowie die Zahl der unterernährten Kinder als Rechengrößen ein. In Industrieländern werden hingegen die Sterblichkeit bis 60 Jahre und die funktionelle Analphabetenrate berücksichtigt und zusätzlich der Anteil der relativ Armen (unterhalb eines bestimmten Einkommensniveaus) und der Langzeiterwerbslosen betrachtet. An dieser Indikatorenauswahl wird deutlich, dass vorwiegend sozial relevante Aspekte wie die Existenzsicherung abgebildet sind. Gender Empowerment Measure (GEM) Der von den Vereinten Nationen ebenfalls verwendete Gender Empowerment Measure bildet recht spezifisch die Geschlechtergerechtigkeit ab. Dafür fließen Größen wie der Anteil der Frauen im Parlament, der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen in höheren und leitenden Funktionen sowie das Einkommen von Frauen in die Berechnung ein. Human Development Index (HDI) Der Human Development Index (HDI) wird als eine Alternative zum BIP, das eine Wohlfahrt nur unzulänglich repräsentiert, verstanden. Amartya Sen hat das Konzept menschlicher Entwicklung – basierend auf seinem in Abschnitt 5.1.2 erläuterten Verständnis zur Befähigung von Menschen – maßgeblich beeinflusst. Die Vereinten Nationen stellten die dimensionslose Kennzahl 1990 als Aggregat aus drei Größen wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanter Entwicklungen vor. In den Index fließen Zielbeitragsrechnungen für die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse (Indikator: Lebenserwartung bei Geburt), die Bildungssituation (Alphabetisierungsquote Erwachsener und Einschulungsquote) sowie der Lebensstandard (Bruttoinlandsprodukt) ein. Der Indikator Bruttoinlandsprodukt wird aufgrund von Sättigungseffekten bzw. sinkenden Grenznutzens allerdings nur in Höhe seines Logarithmus (wahlweise ln oder log) berücksichtigt. Für die Lesefähigkeit und den Schulbesuch gelten noch recht intuitive Werte: Der minimal mögliche Wert beträgt 0 % und der maximal mögliche und anzustrebende Wert 100 %. Beim Bruttoinlandsprodukt wurden hingegen 100 US-$ als Minimum und 40.000 US-$ als Höchstmaß festgelegt. Die Lebenserwartung muss mindestens 25 Jahre, braucht aber höchstens 85 Jahre betragen. Die Tabelle 7-2 gibt die Berechnung exemplarisch für Deutschland im Jahr 2007 wider.

190

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Index Existenz

Bildung

Indikator

Gewicht Ist 2005

Sollmin

Sollmax

Lebenserwartung bei Geburt [a]

1/3

25

85

2/3 (99)

0

100

99–0 100–0

1/3 88

0

100

88–0 100–0

100

40.000

log(29.461)–log(100) log(40.000)–log(100)

Alphabetisierungsquote Erwachsener [%]

1/3

Einschulungsquote [%] Lebensstandard

BIP [US-Dollar Kaufkraftparitäten]

79,1

1/3

29.461

Berechnung 79,1–25 85–25

0,935

Human Development Index

Das UNDP nahm die Alphabetisierungsquote in Höhe von 99 % für die BRD wie auch für viele andere Industrieländer an. Beim Lebensstandard-Index würde der natürliche Logarithmus (ln) zum gleichen Ergebnis führen. Quelle: in Anlehnung an UNDP 2007, S. 229 und 356 Tab. 7-2: Parameter und Berechnungen des Human Development Index für Deutschland

1

hohe

0,8

Entwicklungsstufe

0,6 mittlere

0,4

Entwicklungsstufe

0,2 0

geringe

1980 1985 1990 1995 2000 2005 2007 2010 2011 2012 Deutschland

Türkei

Entwicklungsstufe

Sudan

Quelle: in Anlehnung an UNDP 2013 Abb. 7-4: Entwicklung des Human Development Index (HDI) ausgewählter Länder

Abb. 7-4 stellt die Entwicklung für ausgewählte Länder mit einem hohen, einem mittleren und einem niedrigen HDI dar. Industrieländer einschließlich der Länder des ehemaligen Ostblocks führen den Bereich einer hohen Entwicklungsstufe an. Sie erfüllen zu einem beträchtlichen Teil aller gesetzten Entwicklungsziele und ändern über die Jahre kaum mehr ihren hohen HDIWert. Auch viele mittel- und südamerikanische Länder (u. a. Argentinien, Chile, Mexiko und Brasilien) sowie Erdöl exportierende Länder (u. a. Kuwait und Saudi-Arabien) gelten als hoch entwickelt. Der Verlauf des Human Development Index hat bei Ländern mittlerer und geringer Entwicklungsstufe eine viel größere Aussagekraft als bei den Indus-trieländern, da noch Verbesserungspotenzial besteht. Der Sudan hat es – trotz jahrzehntelangem Bürgerkrieg und Misswirtschaft – geschafft, in allen Teilentwicklungen (Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard) ein mittelhohes Niveau zu erreichen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

191

Wie oben deutlich wurde, eignen sich die von den Vereinten Nationen verwendeten Indizes für Vergleiche zwischen Ländern oder zur Darstellung einer Entwicklung im Zeitablauf. Sie ermöglichen eine erste Einordnung des Entwicklungsstandes. Die Indizes können aufgrund des Aggregationsgrades jedoch kein detailliertes Bild zeichnen. Aspekte wie eine gute Regierungsführung oder die Wahrung der Menschenrechte werden ohnehin nicht berücksichtigt. Die Zusammenführung verschiedener Rechengrößen zum HDI als Durchschnittsgröße lässt überdies niedrigere Teilergebnisse zu, ohne dass dies aus dem Endergebnis direkt ersichtlich ist. Ökologische Entwicklungen werden nicht berücksichtigt.

Ausgewählte Indikatoren nachhaltiger Entwicklung Die wachsende Beachtung des neuen Konzeptes nachhaltiger Entwicklung hat sowohl in der EU als auch weltweit zu einer Intensivierung der Diskussion um Nachhaltigkeitsindikatoren geführt. Bei der EU-Konferenz „Beyond GDP“ im Herbst 2007 haben sich wichtige internationale Gemeinschaften und Organisationen, wie die EU-Kommission und das Europäische Parlament, der Club of Rome, der WWF, die Weltbank, die OECD und die Vereinten Nationen an der Diskussion um nachhaltigkeitsorientierte Wohlfahrtsindices beteiligt. Der Widerspruch zwischen der weltweit steigenden Wirtschaftsleistung (Weltinlandsprodukt) und den bereits genannten Krisen wird zunehmend als Marktversagen deklariert. Es fördert die Skepsis gegenüber dem bisher dominierenden Wohlstandsmaß. In einer Reihe von Ländern haben sich bestimmte Krisensymptome verschärft. So zeigt beispielsweise die Weltbank für China auf, dass etwa 6 % des jährlichen BIP durch soziale und ökologische Verschlechterungen verloren gehen. Die chinesische Umweltbehörde SEPA kommt sogar zu der Erkenntnis, dass bis zu 10 % des BIPs als “ Leerlauf-Wachstum“ bzw. “defensives Wachstum“ deklariert werden können (Diefenbacher, Zieschank 2008, S. 12). In diesem Zusammenhang entstand in den letzten zwei Jahrzehnten eine Reihe von Nachhaltigkeitsindikatoren. Eine besondere Aufmerksamkeit bzw. Beachtung fand beispielsweise die Entwicklung des „Gross National Happiness Indicator“, mit dem sich das Land Bhutan ausdrücklich von dem GDP absetzte und einen eigenen Wohlfahrtsindikator entwickelte. Die folgenden Ausführungen beschränken sich nun auf einige ausgewählte Nachhaltigkeitsindikatoren. Index for Sustainable Economic Welfare (ISEW) Neben den oben aufgeführten Indizes, die spezifisch eine oder zwei Nachhaltigkeitsdimension(en) berühren, existieren weitere integrierte Indikatoren. Diese sollen eine Bewertung in sozialer, ökologischer und zugleich ökonomischer Hinsicht ermöglichen. Der „Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW)“ (Cobb 1989) oder der ähnlich aufgebaute „Genuine Progress Indicator(GPI)“ (Cobb et al. 1995) hat unter den integrierten Indikatoren eine besondere Bedeutung erlangt. Der Index basiert auf den Überlegungen von William Nordhaus und James Tobin, d. h. auf dem von ihnen entwickelten „Measure of Economic Welfare (MEW).“ (1973)

192

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Beim ISEW und dem GPI handelt es sich um eine Korrektur der bestehenden ökonomischen Wohlfahrtsmessung. Folglich weisen die Indikatoren das Ergebnis in Geldeinheiten aus. Der ISEW bzw. GPI ist aufgrund der kritischen Beschäftigung mit dem Wachstums- und Wohlstandsparadigma eher der Position einer starken Nachhaltigkeit zuzurechnen. Aspekte einer schwachen Nachhaltigkeit finden sich aber insofern wieder, als durch die Aggregation der einzelnen Rechengrößen, von denen jede alleine in unterschiedlichen Feldern des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks einzuordnen wäre, ein Gesamtwert berechnet wird. Dieser fasst viele – aber bei Weitem noch nicht alle – Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung (Einkommen und deren gerechte Verteilung, Schutz der natürlichen Umwelt und der Ressourcen, sozialer Ausgleich etc.) in einem hochaggregierten Wert zusammen. Es wird also aus pragmatischen Gründen der Berechenbarkeit eine Substituierbarkeit hingenommen. Der ISEW bzw. GPI geht von den privaten Konsumausgaben, die in Deutschland ca. 60 % des Bruttoinlandsprodukts betragen, aus. Der Konsum der privaten Haushalte wird durch das Einkommensverhältnis des ärmsten Fünftels zum restlichen 4/5 der Bevölkerung dividiert. Schon an dieser Stelle berücksichtigt der Index über die beiden Schlüsselgrößen (den Konsum und dessen Verteilung) sowohl die ökonomische als auch die soziale Situation eines Landes. Anschließend werden noch Korrekturgrößen für ökologische Auswirkungen sowie für soziale und ökonomische Einflüsse hinzugefügt oder abgezogen. Die Festlegung der eingehenden Korrekturgrößen berücksichtigt den jeweiligen Landeskontext, was als methodische Flexibilität und andererseits als problematisch für die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen anderer Länder zu werten ist. Die Berechnung für die Vereinigten Staaten von Amerika für das Jahr 1994 wird in Tab. 7-3 aufgezeigt. Neuere Daten stehen nicht zur Verfügung. Der persönliche Konsum betrug in diesem Jahr 2.950 Mrd. Dollar und die indizierte Einkommensverteilung lag bei 119 %. Der Verlauf des US-amerikanischen ISEW oder eben GPI seit 1950 ist wie folgt zu interpretieren: Für den anfangs positiven Trend der 1960er- und 1970er-Jahren waren die sinkende Einkommensungleichheit und nicht etwa die Entwicklung der Schadkosten verantwortlich. In den Jahren darauf sank der Index, da die Einkommensungleichheit wieder zunahm und da die Schadkosten ressourcenintensiver und umweltschädigender Produktions-/Konsummuster verhältnismäßig stark wuchsen. Im Jahr 1994 waren die berücksichtigten Kosten des Ressourcenverbrauchs und der langfristigen Umweltschäden schließlich die ausschlaggebenden Größen, wie die nachfolgende Tabelle zeigt.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Positive Korrektur Korrekturgröße Unbezahlte Hausarbeit Freiwilligenarbeit (Ehrenamt) Nutzen des Straßennetzes Nutzen langlebiger Konsumgüter Nettokapitalinvestitionen Netto-Auslandsverschuldung

Wert 1994 (Mrd. US-$) 1.234 49 41 431 22 -72

Negative Korrektur Korrekturgröße Kriminalität Familiäre Zerwürfnisse/Scheidungen Verlust an Freizeit Unterbeschäftigung Kosten langlebiger Konsumgüter Pendeln Reinhaltungsmaßnahmen der Haushalte Autounfälle Wasserverschmutzung Luftverschmutzung Lärm Verlust von Feuchtgebieten Verlust landwirtschaftlicher Flächen Verlust nicht-erneuerbarer Ressourcen Langfristige Umweltschäden Abbau der Ozonschicht Verlust alter Wälder

193

Wert 1994 (Mrd. US-$) 21 41 153 154 515 124 7 78 35 35 12 155 81 794 645 214 61

Quelle: in Anlehnung an Cobb et al. 1995, S. 40 f. Tab. 7-3: Korrekturgrößen des Genuine Progress Indicator

Auch für Deutschland liegen Ergebnisse vor (Diefenbacher 1991). Diese zeigen, dass der ISEW bzw. GPI anfangs analog zum BIP wuchs, sich dann abkoppelte und in den 1980erJahren sank (siehe Abb. 7-5). Dies wird vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung als Abnahme der Wohlfahrt durch Schadenskosten, die das Wirtschaftswachstum übersteigen, gedeutet, die das Bruttoinlandsprodukt überstiegen. Auch hier liegen keine neueren Daten vor. Verschiedene Veröffentlichungen zur amerikanischen Entwicklung führten zu dem weiter entwickelten Indikator „Genuine Progress Indicator(GPI) (Rowe, Alienski 1999, Cobb, Halstead, Rowe 1995).

ISEW, BSP in Euro pro Kopf

194

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

10.000

7.500

5.000

2.500

0 1950

1955

1960

1965

1970

1975

1980

1985

Bruttosozialprodukt (BSP) Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) Quelle: in Anlehnung an Diefenbacher 1991, S. 81 Abb. 7-5: Entwicklung des Index of Sustainable Economic Welfare für Deutschland

Genuine Savings Rate (Genuine Progress Indicator) Der Indikator „Genuine Savings“ wurde von dem Weltbankökonom Kirk Hamilton entwickelt und wurde auf dem UN Weltgipfel 2005 unter dem etwas provozierenden Titel „Where is the Wealth of Nations? – Measuring Capital for the 21st Century.“ vorgestellt (World Bank 2006). Er hat in der theoretischen und praktischen Diskussion eine hohe Bedeutung erlangt. Die Genuine Savings bilden – ähnlich wie das ISEW – eine monetär korrigierte volkswirtschaftliche Entwicklung ab. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Indikator Genuine Savings auf dem Paradigma einer schwachen Nachhaltigkeit beruht. Demnach müssen die Ersparnisse aller berücksichtigten Kapitalarten (hier: natürliches, künstliches und immaterielles Kapitel) insgesamt positiv sein. Es kann also die Hartwick-Regel angewandt werden, wonach der Verlust nicht-erneuerbarer Ressourcen durch den Aufbau künstlichen Kapitals gerechtfertigt ist. Hamilton und Atkinson unterscheiden drei unterschiedliche Fälle (Hamilton, Atkinson 2006, S. 11 und 173 f.):  Sind die Genuine Savings negativ, dann sinkt der Nutzen späterer Generationen,  sind die Genuine Savings positiv, dann steigt die Wohlfahrt,  sind die Genuine Savings positiv und deren Wachstumsrate liegt unter einem festgelegten Diskontsatz ρ, dann steigen sowohl Nutzen als auch Wohlfahrt mit der Zeit.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

195

Die Berechnung der Genuine Savings korrigieren die jährlichen Inlandsersparnisse als eine Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung: Die laufenden Bildungsausgaben werden als Investitionen hinzu addiert; Wertminderungen für Abschreibungen sowie die Kosten durch Schadstoffe (Feinstaub, CO2) und Abbau natürlicher Ressourcen (Bodenschätze, Wälder, landwirtschaftliche und geschützte Flächen) werden abgezogen. Die Genuine Savings liegen für eine Vielzahl von Ländern weltweit vor und ermöglichen daher eine vergleichende Betrachtung der Länder untereinander im Zeitablauf. Die Berechnungen zeigen, dass viele Regionen ihren Wohlstand mehren (siehe Abb. 7-6): Die ostasiatischen Länder, wie China, haben jährlich hohe Zuwachsraten, während andere Staaten (v. a. Erdöl fördernde Staaten in der Region Naher Osten und Nordafrika) ihren natürlichen Reichtum „verkauft“ haben, ohne die Einkünfte daraus in ausreichendem Umfang produktiv zu investieren. Deutschland hat – wie viele andere Industrieländer – stets positive Genuine Savings vorzuweisen. 7.750.000 6.750.000 5.750.000

Ostasien & Pazifik

4.750.000 3.750.000 2.750.000 1.750.000 750.000

Deutschland Mittlerer Osten & Nordafrika Weltweit

-250.000

Quelle: in Anlehnung an www.worldbank.org, Tab. „ANS time series by country“ohne Feinstaub und Tab. „ANS time series by region and income group” (beides Abruf: 04.02.2014) Abb. 7-6: Entwicklung der Genuine Savings

Die volkswirtschaftliche Basisgröße der Inlandsersparnisse hat, gefolgt von den Bildungsausgaben, den größten Einfluss auf das Ergebnis. Ein Großteil der Länder, auch gerade die stark ressourcenverbrauchenden, erfüllen die Bedingung positiver Gesamtersparnisse. Ein wichtiger Kritikpunkt ist also, dass die Bildungsinvestitionen die Genuine Savings zu einem großen Teil bestimmen und demgegenüber ökologische Schäden vergleichsweise gering eingehen

196

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

(Pillarisetti 2005). Für Deutschland betrugen die Bildungsinvestitionen (bezogen auf die Inlandsersparnisse) im Jahr 2006 beispielsweise 4,5 % und die ökologischen Schäden insgesamt nur 0,56 %. Der zugrunde liegende Marktpreis für den Abbau natürlicher Ressourcen ist ebenfalls problematisch. Der Marktpreis ist ein unzureichender Gewichtungsfaktor für die ökologische Bedeutung, da er nur die jeweilige Nachfrage widerspiegelt. Dies ist einmal an der hohen Volatilität der Genuine Savings von Nahost und Nordafrika während der Ölpreisschocks Ende der 1970er- und Ende der 1980er-Jahr erkennbar. Geir Asheim stellt darüber hinaus fest, dass die Preise erst dann für eine nachhaltige Entwicklung Aussagekraft haben, wenn ein nachhaltiger Konsumpfad schon beschritten wird (Asheim 1994). Es bleibt festzuhalten: Die Genuine Savings repräsentieren allenfalls die Untergrenze einer nachhaltigen Entwicklung. Betrachtet man die verschiedenen Ansätze bzw. Indikatoren im Zusammenhang nachhaltiger Entwicklung, so lässt sich feststellen, dass alle drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales mit einbezogen werden. Das wurde auch bei der Entwicklung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von Deutschland berücksichtigt. Dabei ist jedoch die Gewichtung der drei Dimensionen in den Nachhaltigkeitsindikatoren unterschiedlich. Im Jahr 2009 haben das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Pilotstudie in Auftrag gegeben. In diesem Kontext wurde der nationale Wohlfahrtsindex entwickelt (Diefenbacher, Zieschank 2011, S. 60). Alle einbezogenen Variablen werden als jährliche Stromgrößen monetär gemessen. Es geht darum, die Aktivitäten, die die gesellschaftliche Wohlfahrt steigern, hinzuzurechnen und jene, die die gesellschaftliche Wohlfahrt mindern, abzurechnen. Bei dem Nationalen Wohlfahrtsindex geht es um die Grundlagen ökologisch tragfähiger Wohlfahrtskonzepte. Die Basisgröße ist der „private Verbrauch“, da der Konsum von Gütern und Dienstleistungen durch die Haushalte – so die Annahme – einen positiven Nutzen stiftet und zur Wohlfahrt beiträgt. Der private Verbrauch wird mit der Einkommensverteilung gewichtet, da davon ausgegangen wird, dass eine Einkommenssteigung bei armen Haushalten einen höheren Nutzen stiftet als bei reicheren Haushalten. In dem Index werden weitere Indikatoren, wie die Wertschöpfung der Hausarbeit und des Ehrenamts, aber auch CO2-Emissionen mit einbezogen (zu einer Vertiefung vgl. Zieschank, Diefenbacher 2012, S. 51ff.). Der Nationale Wohlfahrtsindex soll jedoch das BIP nicht ablösen, sondern er soll ergänzend gegenübergestellt werden. Komplementarität von Indikatoren In der Diskussion um Nachhaltigkeitsindikatoren fand der „Report by the Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress“, der im Auftrag des ehemaligen französischen Ministerpräsidenten Nicolas Sarkozy entstand (in ausführlicher Form vgl. v. Hauff, Jörg 2013, S. 28ff.). Er wurde an die namhaften Ökonomen Joseph E. Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi und weitere Expertinnen und Experten vergeben. Hervorzuheben ist, dass in dem Report kein alternativer Indikator zum Bruttoinlandsprodukt gefordert wird. Es werden vielmehr verschiedene Ebenen voneinander abgegrenzt. So kommen die Verfasser zu einem Paradigmenwechsel, der ein Novum darstellt. Auf die Frage, was ihnen besonders wichtig ist, antworteten sie:

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

197

„Between the time that the Commission began working on this report and the completion of this Report, the economic context has radically changed. We are now living one of the worst financial, economic and social crises in post-war history. The reforms in measurement recommended by the Commission would be highly desirable, even if we had not had the crisis. But some members of the Commission believe that the crisis provides heightened urgency to these reforms. They believe that one of the reasons why the crises took many by surprise is that our measurement system failed us and/or market participants and government officials were not focusing on the right set of statistical indicators.” (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 8 f.). Daher fordern sie, von der Messung der wirtschaftlichen Produktion zur Messung des Wohlbefindens der Menschen zu kommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Messung der Produktion unter Berücksichtigung aller erwähnten Defizite methodisch weitgehend ausdifferenziert ist. Dagegen weist die Messung des Wohlbefindens der Menschen noch viele Unklarheiten und methodische Probleme auf. Die inhaltliche Vorgehensweise und Abgrenzung weist zu den bisherigen Konzepten bzw. Indikatoren einige Unterschiede auf, die kurz vorgestellt werden sollen. Towards better measures of economic performance in a complex economy: Eine Forderung ist, die bisherige Messung wirtschaftlicher Leistungen zu verbessern. Sie fordern besonders, den strukturellen Wandel des BIP (GDP) zu analysieren. „When the structure of production remains the same, GDP (Gross Domestic Product) and NDP (Net Domestic Product) move closely together. But in recent years, the structure of production has changed. Information technology (IT) assets have gained importance as capital goods. Computers and software have a shorter life expectancy than do steel mills. On those grounds, the discrepancy between GDP and NDP may be increasing, and by implication, volume NDP may be increasing less rapidly than GDP.” (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 24) Es stellt sich die Frage, weshalb in einigen Ländern die Qualität der Umwelt keine größere Beachtung fand bzw. findet. Ein Hemmnis ist die bis jetzt unbefriedigende Messung und Monetarisierung der Veränderung der Umweltqualität. In einer sich dynamisch entwickelnden Volkswirtschaft geht es entsprechend der Empfehlung von Stiglitz u.a. zu analysieren, welche Sektoren bzw. Branchen wachsen und welche Umweltrelevanz dieses Wachstum jeweils hat. So gibt es beispielsweise wachsende Branchen, wie den Verkehrssektor, die sich durch eine hohe Umweltbelastung auszeichnen. Dagegen ist der Bereich der Altenpflege bzw. Altenbetreuung eine Wachstumsbranche mit nur geringen Umweltbelastungen und positiver sozialer bzw. gesellschaftspolitischer Bedeutung. Eine Strukturanalyse des Wachstums, d. h. eine Analyse der Zusammensetzung des BIP und deren Veränderung, kann somit im Zusammenhang von nachhaltiger Entwicklung umwelt- und gesellschaftspolitische Handlungspotenziale aufzeigen. In diesem Zusammenhang liegen erste Analysen zur Struktur des Bruttoinlandsprodukts und der Umweltbelastung einzelner Branchen vor (Fujii, Managi 2013, v. Hauff, Parlow 2014). Daher müssen bei der Bewertung von wirtschaftlichem Wachstum die strukturellen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft berücksichtigt werden. Eine allgemeine

198

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Beurteilung des Wachstums einer Volkswirtschaft (BIP) ist in diesem Kontext wenig hilfreich. Nachhaltiges Wachstum muss entsprechend durch positive oder negative Anreize der Regierung gefördert werden. From production to well-being: Es wird von den Verfassern weiterhin ein Systemwandel der Messung gefordert, der sich von der ausschließlichen Messung der Produktion zur Mes-sung des Wohlbefindens zu orientieren hat. Sie kommen zu folgender Empfehlung: „Look at income and consumption rather than production.“ (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 39) Die Messung des Wohlbefindens wird nicht als Alternative zum Bruttoinlandsprodukt gesehen. Es geht vielmehr um Informationen, ob die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur zu einer Steigerung der produzierten Güter und Dienstleistungen führt (Steigerung des Wohlstandes), sondern auch zum Wohlbefinden der Menschen beiträgt. Das erfordert die Entwicklung eines Indikatorensystems, das komplementär zu den Marktaktivitäten das Wohlbefinden der Menschen aufzeigt. Dabei gilt es zu berücksichtigen: „Such a system should not just measure average levels of well-being within a given community, and how they change over time, but also document the diversity of people’s experiences and the linkages across various dimensions of people’s life.” (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 12) In diesem Zusammenhang geht es um Bereiche des Wohlbefindens, wie die materiellen Lebensbedingungen, die durch Einkommen und Konsum bestimmt werden, Gesundheit, Erziehung, Arbeitsmöglichkeiten, das Recht zu wählen, soziale Beziehungen, Umweltbedingungen und persönliche und wirtschaftliche Stabilität. Bei dem Bereich des Einkommens und des Konsums soll es jedoch nicht um Durchschnittsgrößen wie das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen einer Gesellschaft gehen. Es soll vielmehr um die konkrete Verteilung von Einkommen in der Bevölkerung gehen. Die Problemstellung lässt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Betritt beispielsweise Bill Gates einen Raum, in dem sich eine kleine Gruppe von Menschen aufhält, ist jede Person bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens Multimillionär (Michaelis 2009, S. 2). Daher geht es um die Frage, wie groß das Einkommen jedes einzelnen ist und was er sich unter Berücksichtigung sonstiger Rahmenbedingungen (zum Beispiel Ersparnissen oder Schulden) wirklich leisten kann, d. h. wie es um sein individuelles Wohlbefinden steht. Use a pragmatic approach towards measuring sustainability: Der abschließende Schritt zielt auf das Konzept der nachhaltigen Entwicklung ab. Die Messung und die Bewertung von Nachhaltigkeit spielt für die Kommission eine zentrale Rolle. Sie unterscheiden sich jedoch von der bisherigen Vorgehensweise: „Sustainability poses the challenge of determining whether we can hope to see the current level of well-being at least maintained for future periods or future generations, or whether the most likely scenario is that it will decline. It is no longer a question of

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

199

measuring the present, but of predicting the future, and this prospective dimension multiplies the difficulties already encountered in the first two chapters.” (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009, S. 61) Diese Aussage basiert auf der Definition von nachhaltiger Entwicklung des Brundtland-Berichtes. Es ist nach Auffassung der Verfasser notwendig, viele Probleme wie beispielsweise mögliche Konflikte zwischen der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozio-ökono-mischen Nachhaltigkeit, aber auch die unterschiedlichen Problemstellungen zwischen den Ländern zu lösen. In diesem Zusammenhang wird zwischen der Nachhaltigkeit und dem gegenwärtigen Wohlbefinden der Menschen eine komplementäre Beziehung angestrebt. Dies soll am folgenden Beispiel deutlich werden: „To take an analogy, when driving a car, a meter that added up in a one single number, the current speed of the vehicle and the remaining level of gasoline would not be of any help to the driver.” (Stiglitz, Sen, Fitoussi 2009,S. 76) Weiterhin gehen die Verfasser umfassend auf die bisherige Messung nachhaltiger Entwicklung ein und setzen sich dabei kritisch mit den bisher vorliegenden Indikatoren auseinander. Im Prinzip kommen sie zu einem ähnlichen Vorgehen, das die UNECE/OECD/Eurostat working group im Jahr 2008 in ihrem „Report on Measuring Sustainable Development“ bereits präsentierte (UNECE/OECD/Eurostat 2008). Abschließend lässt sich feststellen, dass es in dem Report nicht darum geht, den Indikator Bruttoinlandsprodukt grundsätzlich in Frage zu stellen oder durch andere Indikatoren auszutauschen. Es geht vielmehr darum, die Struktur und Strukturveränderungen des Indikators zu analysieren und mit dem Wohlbefinden der heute lebenden Generation und zukünftiger Generationen durch ein Indikatorensystem abzustimmen. Hierfür empfehlen sie, ein umfassendes System mit unterschiedlichen Ebenen von Indikatoren und Methoden der Messung zu entwickeln. In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Zusammenhänge noch einmal aufgezeigt.

Klassisches BIP reformieren • Nettonationaleinkommen, Haushaltseinkommen, Konsum • Einzelwirtschaftliche Perspektive • Blick in die Zukunft • Verteilung • Nicht durch den Markt bewertete Leistungen • Staatliche Leistungen müssen einbezogen werden

Lebensqualität messen • Abhängig von Tatbeständen und Möglichkeiten (capabilities) • Gesundheit, Ausbildung, individuelle Tätigkeiten, politische Mitbestimmungsrechte und governance, soziale Beziehungen, Zustand der Umwelt, Unsicherheit • Subjektive Einschätzungen

Quelle: Michaelis 2012, S. 32 Tab. 7-4: Synopse des Ansatzes von Stiglitz, Sen und Fitoussi

Nachhaltigkeit messen • Starkes Nachhaltigkeitsleitbild – genuine saving rate nur ein Indikator unter vielen • Zustandsindikatoren aller Kapitalarten (nicht nur monetär) • Indikatoren, die gefährliches Niveau von Umweltschäden anzeigen

200

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

In Deutschland wie auch in anderen Ländern gab es ähnliche Bemühungen wie in Frankreich. So hat im April 2010 das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Sachverständigenrat gebeten, in Kooperation mit dem französischen Conseil d´Analyse Économique (CAE) eine Expertise zur Messung von nachhaltigem Wachstum und gesellschaftlichem Fortschritt zu erstellen. Sie sollte an den Bericht der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission anknüpfen (Sachverständigenrat 2010). Es kam zu einer Reihe von grundsätzlichen Übereinstimmungen. „Die erste und wohl bedeutendste Schlussfolgerung unserer Expertise ist die Ablehnung jedes Ansatzes, der die Messung des menschlichen Fortschritts mit nur einem Indikator vornehmen will. Das Leben ist zu komplex und die Anforderungen an statistische Ausweise sind zu verschieden, um die Zusammenfassung des erreichten Zustands in einem einzigen umfassenden Indikator sinnvoll zu ermöglichen.“ (Sachverständigenrat 2010, S. III) Die Bewertung des Bruttoinlandsprodukts im Verhältnis zur Umwelt unterscheidet sich jedoch von jener des Stiglitz/Sen/Fitoussi-Reports. Die Verfasser des Berichtes kommen zu der Einschätzung: „Es ist eindeutig, dass die Schwächen des BIP als Messgröße für die Wirtschaftsleistung nicht so gravierend sind, um das BIP und die daraus abgeleiteten Maße insgesamt als ungeeignet zu qualifizieren. Deshalb sollte die erste Strategie darin bestehen, diese Maße beizubehalten und durch entsprechende Anpassungen zu verbessern. […] Zweitens dürfte deutlich geworden sein, dass die Messung von Veränderungen im materiellen Wohlstand ein breiteres Indikatorenset erfordert als nur das BIP allein, nämlich Indikatoren, die Diskrepanzen zwischen Konsum-, Einkommens- und Produktionsmaßen ebenso umfassen wie Verteilungsfragen.“ (Sachverständigenrat 2010, S. 38) Die durch Wachstum bedingte Umweltbelastung findet hierbei eine untergeordnete Bedeutung, indem sie nur kurz erwähnt wird. Bei den Empfehlungen „Wie das BIP ein besseres Maß für die Wirtschaftsleistung wird“ findet die Qualität der Umwelt ebenfalls keine Berücksichtigung. Indikatorenkataloge Die bisherigen Ausführungen sollen noch ergänzt werden, wonach neben den aggregierten Indikatoren (HDI, ISEW oder Genuine Savings) noch Indikatorenkataloge existieren, die einzeln zu verwenden sind. Viele der Indikatorenkataloge wurden in Folge der Agenda 21 ausgearbeitet. Die Ergebnisse der Conference on Sustainable Development (UNCSD 1996; UNCSD 2001) sind aufgrund der engen Bezüge zur Agenda 21 hierbei besonders bedeutend. Mehrere Nationen überprüften die Anwendbarkeit der CSD-Indikatoren, so auch das deutsche Umweltbundesamt 1997. Die Kataloge waren mit ca. 150 bzw. 200 Indikatoren jedoch sehr umfangreich, weshalb später die Auswahl von Kernindikatoren weiter verstärkt wurde. Die Indikatorenentwicklung und -diskussion wurden verschiedentlich genutzt. Sie gingen beispielsweise in die Nachhaltigkeitsindikatoren für die EU ein (Eurostat 2001; Eurostat 2007). Auch für die sogenannten „Lokale Agenda 21“ Prozesse zur kommunalen Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung, wurden viele Indikatorenkataloge entwickelt (in Deutschland u. a.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

201

Diefenbacher et al. 2004, Agenda-Transfer 2003 und Zukunftsrat Hamburg 2003). Weitere Indikatoren aufzulisten, würde den Rahmen des Buches sprengen. Stattdessen wird auf die Beispiele der bundesdeutschen und der rheinland-pfälzischen Nachhaltigkeitsstrategie verwiesen. Die Indikatorenkataloge stellen die ökonomische, die soziale und die ökologische Dimension zumeist isoliert dar. Die Indikatoren repräsentieren nur eine der drei Nachhaltigkeitsdimensionen, was sich häufig in entsprechenden Einheiten widerspiegelt. Demnach sind ökologisch relevante Indikatoren oft in physikalischen Einheiten (u. a. m², m³, kg, kWh) und ökonomisch bedeutende Indikatoren eher in monetären Einheiten (€, $) angegeben. Die Messung sozial orientierter Indikatoren ist schwieriger und weniger einheitlich, hier kommen eher absolute und relative Fallzahlen (Personen, % der Personen), spezifische Angaben (etwa € pro Kopf) oder schlicht dimensionslose Indizes zur Anwendung. Die Zuordnung einzelner Indikatoren zu einer bestimmten „Nachhaltigkeitssäule“ ist strittig, weshalb das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck hier hilfreich ist.

202

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Ökologie Atmosphere (9):  Emissions of Greenhouse Gases  Consumption of Ozone Depleting Substances  Ambient Concentration of Air Pollutants in Urban Areas Land (10 ,14, 11, 12):  Arable and Permanent Crop Land Area  Use of Fertilizers  Use of Agricultural Pesticides  Forest Area as a Percent of Land Area  Wood Harvesting Intensity  Land Affected by Desertification  Area of Urban Formal and Informal Settlements Oceans, Seas and Coasts (17):  Algae Concentration in Coastal Waters  Percent of Total Population Living in Coastal Areas  Annual Catch by Major Species

Ökonomie Economic Structure (2, 33):  GDP per Capita  Investment Share in GDP  Balance of Trade in Goods and Services  Debt to GNP Ratio  Total ODA Given or Received as a Percent of GNP Consumption and Production Patterns (4, 19–22):  Intensity of Material Use  Annual Energy Consumption per Capita  Share of Consumption of Renewable Energy Resources  Intensity of Energy Use  Generation of Industrial and Municipal Solid Waste  Generation of Hazardous Waste  Generation of Radioactive Waste  Waste Recycling and Reuse  Distance Traveled per Capita by Mode of Transport

Fresh Water (18):  Annual Withdrawal of Ground and Surface Water as a Percent of Total Available Water  BOD in Water Bodies  Concentration of Faecal Coliform in Freshwater Biodiversity (15):  Area of Selected Key Ecosystems  Protected Area as a % of Total Area  Abundance of Selected Key Species

Soziales Equity (3, 24):  Percent of Population Living below Poverty Line  Gini Index of Income Inequality  Unemployment Rate  Ratio of Average Female Wage to Male Wage Health (6):  Nutritional Status of Children  Mortality Rate Under 5 Years Old  Life Expectancy at Birth  Percent of Population with Adequate Sewage Disposal Facilities  Population with Access to Safe Drinking Water  Percent of Population with Access to Primary Health Care Facilities  Immunization Against Infectious Childhood Diseases  Contraceptive Prevalence Rate Education (36):  Children Reaching Grade 5 of Primary Education  Adult Secondary Education Achievement Level  Adult Literacy Rate Housing (7):  Floor Area per Person Security (36, 24):  Number of Recorded Crimes per 100.000 Population Population (5):  Population Growth Rate  Population of Urban Formal and Informal Settlements

Die in Klammern gesetzten Zahlen geben den Bezug zum Kapitel der Agenda 21 (UNCED 1992) an. Die hervorgehobenen Indikatoren bedeuten, dass die an dem Test beteiligten Länder sich besonders häufig für diese Indikatoren ausgesprochen haben. Nicht in der obigen Liste enthalten sind: Domestic per Capita Consumption of Water, Land Use Cange, Emissions of Sulphur Dioxides, Emissions of Nitrogen Dioxides. In der Originalquelle sind noch Indikatoren für das Institutionelle als vierte Rubrik enthalten Quelle: in Anlehnung an UNCSD 2001, S. 24 f. Tab. 7-5: CSD-Kernindikatoren einer nachhaltigen Entwicklung

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

7.1.2

203

Unternehmensebene (Mikro)

Die Ebene von Unternehmen unterscheidet sich von der Makroebene dadurch, dass einzelne Akteure wie Unternehmen betrachtet werden, bei denen andere Ziele zugrunde zu legen sind und auch methodische Unterschiede bei der Erfassung und Aggregation der Daten besteht. Entsprechend werden nachfolgend einige Möglichkeiten für die Operationalisierung der nachhaltigen Entwicklung auf der Mikroebene, d. h. für Unternehmen dargestellt. Hierbei sind die drei Nachhaltigkeitsdimensionen als Ordnungsstruktur wieder präsent. Das findet sich in vielen Nachhaltigkeitsberichten, Kennzahlen-Katalogen und möglichen Bewertungsverfahren (z. B. dem Fragebogen zum Dow Jones Sustainability Index: SAM 2004). Ausgehend von Katalogen mit Kennzahlen wird eine Auswahl weiterer Konzepte und Aggregationsverfahren vorgestellt, wofür der Ökoeffizienz-Ansatz eine wichtige Grundlage bildet. Weitere betriebliche Nachhaltigkeitsaktivitäten, die alle drei Dimensionen berücksichtigen sollen, greifen teilweise auf diese Daten- und Methodenbasis zurück. Solche Ansätze sind zunehmend unter dem Dach einer „Corporate Social Responsibility“ (CSR) und noch umfassender unter der „Corporate Sustainability“ (CS) oder dem „Nachhaltigkeitsmanagement“ zusammengefasst (siehe etwa Czymmek et al. 2008, Zink 2008; Kleine, von Hauff 2009). Kataloge betrieblicher Nachhaltigkeitskennzahlen Nachhaltigkeitskennzahlen sollen in Unternehmen mehrere Funktionen erfüllen, worunter die Berichterstattung, v. a. auf der Basis zunehmender Bemühungen um eine Standardisierung, eine wichtige Rolle einnimmt. Steuerungsund Kontrollfunktionen hinsichtlich der ökologischen und sozialen Dimension werden zunehmend bedeutend. Bei Umweltkennzahlen existieren hierbei die größten Erfahrungen und sie haben die weiteste Verbreitung (Funck, Pape 2008). Wegen der – im Allgemeinen – direkten Messbarkeit und deren Einsatz in betrieblichen Monitoring- und Controllingprozessen ist der Begriff „Kennzahlen“ üblich. Kennzahlen sind danach zu unterscheiden, ob sie für Großunternehmen oder für kleine und mittlere Unternehmen geeignet sind. Im Folgenden werden zwei Kennzahlenkataloge vorgestellt, die für jeweils eine der Unternehmensgrößen geeignet sind. Kennzahlen gemäß Richtlinie der Global Reporting Initiative Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde 1997 von der US-amerikanischen Organisation Coalition for Environmentally Responsible Economics (CERES) und der UNEP gegründet. Ziel war es, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen methodisch zu verbessern. Die Richtlinien haben sich als Standard etabliert. Gegenwärtig sind es mehr als 5000 Unternehmen, Verbände und Organisationen aus über 70 Ländern, die die Vorgaben nutzen. Ende Mai 2012 hat die Global Reporting Initiative die vierte Generation ihres Standards (G4) freigegeben. Branchenbezogene Kennzahlen ergänzen den umfassenden Leitfaden; in Zukunft sollen noch nationale Anhänge hinzukommen. Die vom GRI gemäß den drei Nachhaltigkeitsdimensionen gruppierten Kennzahlen werden nach Kern- und Zusatzkennzahlen unterschieden: Kernkennzahlen haben die Geltung, dass sie

204

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

für die meisten berichterstattenden Organisationen sowie für deren Anspruchsgruppen bedeutend und in der Regel messbar sind; Zusatzindikatoren können hinzugenommen werden, wenn sie als relevant erachtet werden und verfügbar sind. In Tab. 7-6 sind alle Kernindikatoren der GRI, nach Themenbereichen gruppiert, aufgeführt. Der umfangreiche Satz, der weit über die betrieblichen Grenzen hinausgeht, ist für große und für engagierte Unternehmen besonders geeignet. Ökonomische Leistung Wirtschaftliche Leistung:  Wertschöpfung (Einnahmen, Betriebskosten, Gehälter, Steuern)  Finanzielle Folgen des Klimawandels  Betriebliche soziale Zuwendungen  Öffentliche Finanzzuflüsse (Subventionen) Marktpräsenz:  Zulieferer vor Ort  Lokales Personal Mittelbare wirtschaftliche Auswirkungen:  Investitionen in Infrastruktur und Dienstleistungen

Ökologische Leistung Materialien:  Materialeinsatz  Recyclinganteil Energie:  Direkte Primärenergieverbräuche  Indirekte Primärenergieverbräuche Wasser:  Wasserentnahmen Biodiversität:  Grundstücke in oder nahe Schutzgebieten oder mit hohem Biodiversitätswert  Auswirkung auf die Biodiversität auf diesen Grundstücken Emissionen, Abwasser, Abfall:  Direkte und indirekte Treibhausgase  Andere relevante Treibhausgase  Ozonabbauende Stoffe  Stick-, Schwefeloxide und andere Luftschadstoffe  Abwassermengen  Abfallmengen  Wesentliche Freisetzungen Produkte und Dienstleistungen:  Initiativen zur Minimierung von Umweltauswirkungen  Zurückgenommene Verpackungsmaterialien  Einhaltung von Rechtsvorschriften  Bußgelder und Strafen

Gesellschaftliche Leistung Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung:  Gesamtbelegschaft  Mitarbeiterfluktuation  Mitarbeiter unter Kollektivvereinbarung  Mitteilungsfristen zu betrieblichen Veränderungen  Verletzungen, Berufskrankheiten, Abwesenheit etc.  Ernste Krankheiten in Belegschaft und Umfeld  Aus- oder Weiterbildung  Entlohnung von Männern gegenüber Frauen Menschenrechte:  Entsprechende Investitionsvereinbarungen  Geprüfte Zulieferer und Auftragnehmer  Diskriminierungsvorfälle  Gefährdungen von Vereinigungsfreiheit oder Kollektivverhandlungen  Risiko von Kinderarbeit  Risiko von Zwangs- oder Pflichtarbeit Gesellschaft:  Auswirkungen auf das Gemeinwesen  Korruptionsrisiken  Schulungen gegen Korruption  Maßnahmen gegen Korruption  Einflussnahmen auf Politik  Bußgelder wegen Verstößen gegen Rechtsvorschriften Produktverantwortung:  Untersuchungen zur Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit  Informationspflichten  Werbung  Bußgelder

Quelle: in Anlehnung an GRI 2006, S. 25–36 Tab. 7-6: Kernindikatoren für Unternehmen gemäß GRI-Version 3.0

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

205

Kennzahlen der VDI-Richtlinie 4070 für kleine und mittlere Unternehmen Im Gegensatz zum oben aufgeführten GRI-Indikatorensatz ist die Richtlinie 4070 „Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen“ des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI 2006) enger gefasst und bildet eher innerbetriebliche Anforderungen ab. Die Kennzahlen sind, wie auch schon beim GRI, nach den drei Nachhaltigkeitsdimensionen geordnet und umfassen neben Kernkennzahlen („empfohlene“ Kennzahlen wie in Tab. 7-7) auch „weiterführende“ und „ergänzende“ Kennzahlen.

Umwelt

Wirtschaft

Gesellschaft

     

     

    

Rohstoffeinsatz Energieverbrauch Wasserverbrauch Abwassermenge Emissionen in die Luft Emissionen ins Abwasser

Betriebsergebnis Eigenkapitalquote Eigenkapitalrendite Fremdkapitalrendite Return on Investment (ROI) Netto-Wertschöpfung

Mitarbeiteranzahl Anzahl an Auszubildenden Gesundheitsquote Unfallquote Fluktuationsquote

Quelle: in Anlehnung an VDI 2006, Tabellen A1, A2, A3 Tab. 7-7: Betriebliche Kennzahlen gemäß VDI 4070

Die stark betriebliche Orientierung ohne Einbindung externer Anspruchsgruppen wird in allen drei Säulen deutlich: Die Umwelt wird hinsichtlich der üblichen Kategorien – wie sie beispielsweise in Umweltberichten vorzufinden sind – erfasst. Bei den wirtschaftlichen Indikatoren handelt es sich um allgemein empfohlene Finanzkennzahlen und die Gesellschaft wird ausschließlich mit mitarbeiterbezogenen Kennzahlen abgebildet. Wie auch in den meisten anderen Indikatorenkatalogen wurde es hier bei den drei Nachhaltigkeitssäulen als einfache Systematisierung belassen – eine Anwendung des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks würde daher eine Weiterentwicklung bedeuten, um u. a. Ökoeffizienz-Kennzahlen zu unterstützen (Kleine, Petrovic 2006). Ökoeffizienz als Ausgangspunkt von Bewertungs- und Entscheidungsmethoden Die Ökoeffizienz beinhaltet – wie in Kapitel 4 dargestellt – eine besondere Sichtweise auf eine nachhaltige Entwicklung. Verschiedene Handbücher sollen an die Verwendung von (einfachen) Ökoeffizienz-Kennzahlen heranführen (UNCTAD 2004; Verfaillie, Bidwell 2000). Manche Kennzahlen-Kataloge versuchen ebenfalls auf die Bildung von Ökoeffizienz-Kennzahlen Bezug zu nehmen (GRI 2002, S. 41). Als Konsens kann gelten, dass nachfolgende Kennzahlen besonders für einen ÖkoeffizienzOperator geeignet sind:

206

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Schadschöpfung

Wertschöpfung

    

 Produkte- bzw. Dienstleistungseinheit  Netto-Umsatz

Energieverbrauch Materialverbrauch Treibhausgasemissionen Netto-Wasserverbrauch Emission ozonabbauender Substanzen

Quelle: in Anlehnung an Moll, Gee 1999, S. 7 Tab. 7-8: Vom WBCSD empfohlene Größen für die Ökoeffizienz

Als Beispiel für eine weitergehende Ökoeffizienz-Konzeption, welche eine Vielzahl einzelner Kennzahlen hoch aggregiert, steht im Folgenden die Ökoeffizienz-Analyse. Diese ist ein langjährig erprobtes und angewandtes Bewertungsinstrument, das Ergebnisse über verschiedene Ebenen zusammenfasst und darstellt. Die Ökoeffizienz-Analyse findet vor allem als Hilfe bei Entscheidungsprozessen über Verfahren, Produkte, Standorte etc. Anwendung. Die Forschung und Entwicklung ist ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet, um hier schon frühzeitig zu selektieren. Die Ökoeffizienz-Analyse wird in vielen Bereichen genutzt, um Produktportfolios unter ökologischen und ökonomischen Aspekten zu optimieren. Einige öffentlichkeitswirksame Untersuchungen lassen die Relevanz für die Vermittlung von nachhaltigkeitsrelevanten Fragestellungen erkennen. Es ging etwa um die Fragen: „Ist Mineralwasser in Glas- oder Plastikflaschen ökoeffizienter? Wann lohnt sich der Austausch eines alten gegen einen neuen Kühlschrank?“ Das Ökoeffizienz-Portfolio ist zentraler Bestandteil der Ökoeffizienz-Analyse, in der es die neue „ökologische Rationalität“ (Schaltegger, Sturm 1990) von Schad- zu Wertschöpfung widerspiegelt. Verschiedene Optionen (fachsprachlich „funktionelle Einheiten“) stehen sich im Portfolio gegenüber. Jede Option erfüllt unter Anlegung des Lebenszykluskonzeptes und der resultierenden „Ökobilanzen“ einen definierten Nutzen. Beispielsweise werden Kühlschränke unterschiedlichen Alters, die alle den gleichen Kühlraum und damit die gleiche Funktion erfüllen, hinsichtlich ihrer ökologischen und ökonomischen Aspekte gegenübergestellt. Nachfolgend wird aufgezeigt, wie sich Umwelt- und Kostenbelastung zusammensetzen. Umweltbelastung Die ökologische Dimension umfasst vier in Ökobilanzen gängige Kategorien, nämlich Ressourcen- und Energieverbrauch, Emissionen und Landnutzung. Die Emissionen setzen sich – weiter differenziert – aus Luft-, Wasser- und Bodenemissionen (Abfall) zusammen. Die Belastung der Luft ist noch weiter nach Treibhaus-, Versauerungs-, Ozonschädigungs- und photochemisches Ozonbildungspotenzial zu unterscheiden. Das Toxizitätspotenzial (Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Stoffe, siehe Landsiedel, Saling 2002) und das Risikopotenzial (weitergehende Risiken, die nicht in anderen Umweltkategorien erfasst sind) erweitern die vier oben genannten, eher klassischen Umweltkategorien. Abb. 7-7 stellt alle Kategorien mit den Unterkategorien zusammen. Bei der Erfassung der Stoff- und Energieströme und deren Einwirkungen kommen Kennzahlen zum Einsatz, die auch in Indikatorenkatalogen bzw. im betrieblichen Umweltmanagement gängig sind.

Umweltbelastung

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Emissionen

20 %

Stoffverbrauch

20 %

Flächenverbrauch

20 %

Toxizitätspotenzial

10 %

Risikopotenzial

10 %

Summe:

100 %

Luftemissionen

50 %

Wasseremissionen

35 %

Bodenemissionen

15 %

Summe:

100 %

207

GWP ODP POCP AP Summe:

50 % 20 % 20 % 10 % 100 %

Quelle: in Anlehnung an Saling et al. 2002,S. 12 mit aktuellen gesellschaftlichen Wichtungsfaktoren für Deutschland Abb. 7-7: Aggregation der einzelnen Umweltkategorien in der Ökoeffizienz-Analyse

Ein normierter Wert zwischen 0 und 100 % gibt schließlich für jede Option in allen einzelnen Kategorien das Verhältnis zur jeweils umweltschädlichsten Option an. Die Option mit der höchsten Umwelteinwirkung trägt also mit 100 % zur jeweiligen Kategorie bei, alle anderen proportional weniger. Die Ergebnisse einer Kategorie lassen sich durch Ermittlung der statistischen Relevanz in Verbindung mit gesellschaftlichen Gewichtungen (Werte wie in Abb. 7-8 angegeben) auf einer nächsthöheren Ebene zusammenfassen. In der Abbildung gehen die einzelnen Luftemissionen für die ökologischen Probleme der Klimaerwärmung (GWP: Global Warming Potential), des Ozonlochs (ODP: Ozone Depletion Potential), des bodennahen Ozons (POCP: Photochemical Ozone Creation Potential) und des sauren Regens (AP: Acidification Potential) nach links in die „Luftemissionen“ ein. Die Luftemissionen werden gesellschaftlich als genauso wichtig wie die Wasseremissionen und Bodenemissionen (Abfälle) zusammen betrachtet (50 % : 50 %). Alle Emissionen zusammen gehen weiter nach links auf die nächsthöhere Aggregationsebene ein, wo sie eine gesellschaftliche Gewichtung von 20 % erfahren. Die Ökoeffizienz-Analyse hebt sich durch dieses Aggregationsverfahren von üblichen Ökobilanzen ab, welche die Umwelteinwirkungen in der Regel auf der stark ausdifferenzierten Ebene mit einer Vielzahl von Werten belassen. Gerade durch die Aggregation, wenden manche Kritiker ein, verlasse die Ökoeffizienz-Analyse die fachliche Analyseebene und könne schlechte Teilergebnisse durch andere aufrechnen. An dieser Stelle soll die Feststellung genügen, dass je nach Kontext unterschiedliche Betrachtungsebenen sinnvoll sind und dass die Aggregation über die verschiedenen Ebenen in der Regel konsistent und nachvollziehbar dargestellt wird (vgl. beispielsweise Kleine, Weber 2007, S. 33–62).

208

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Kostenbelastung Die Kosten über den gesamten Lebensweg einer Option bilden die ökonomische Dimension ab. Die Option mit den höchsten Kosten wird auf 100 % normiert und die anderen Optionen erhalten einen Wert in Relation dazu, also zwischen 0 und 100 %. Die Kosten sind bislang das einzige Maß für die verschiedenen wirtschaftlichen Aspekte. Mögliche Ergänzungen können  planmäßige variable Kosten statt vergangenheitsbezogene volle Kosten,  Investitionsrechnungen unter Berücksichtigung von Abzinsungsfunktionen sowie  ökonomisch relevante Aspekte von Stakeholdern berücksichtigen (Czymmek 2003, S. 119– 130). Darstellung im Ökoeffizienz-Portfolio Die gesamten Umwelt- und Kostenbelastungen der verschiedenen Optionen werden mithilfe eines Portfolios relativ zueinander aufgezeigt. So wird sichtbar, welche der untersuchten Optionen die beste, die gleiche oder die geringste Ökoeffizienz aufweisen. Die ökonomische Vorteilhaftigkeit nimmt nach rechts zu, die ökologische nach oben; die Umweltbelastung nimmt dementsprechend nach unten zu, die Kostenbelastung nach links. Die einzelnen Optionen sind im exemplarischen Ökoeffizienz-Portfolio (siehe Abb. 7-8) wie folgt zu interpretieren:  Die Option mit der höchsten Ökoeffizienz befindet sich in diesem Portfolio rechts oben (hier Option A). In dem betreffenden Quadranten ist sowohl die Kosten- als auch die Umweltbelastung geringer als der Durchschnitt aller betrachteten Optionen.  Optionen auf einer Diagonalen (von links oben nach rechts unten) haben die gleiche Ökoeffizienz, hier die Optionen B und C. Die Entscheidung für oder gegen eine dieser beiden gleich ökoeffizienten Optionen auf der Diagonalen benötigt weitere Kriterien oder eine Priorisierung zugunsten der Ökologie oder der Ökonomie (Kleine et al. 2004, S. 90). Die Option B liegt im Quadranten mit einer höheren Umwelt-, aber niedrigeren Kostenbelastung als der Durchschnitt. Option C hat hingegen eine höhere Kosten-, aber geringere Umweltbelastung.  Die im Vergleich niedrigste Ökoeffizienz hat hier Option D; sowohl die Kosten als auch die Umweltbelastung sind am höchsten. Optionen im Quadranten unten links haben eine überdurchschnittlich hohe Kosten- und Umweltbelastung. Der Vorteil dieser Ergebnispräsentation liegt in ihrer einfachen und leicht verständlichen Darstellungsweise und in ihren aussagekräftigen Resultaten. Darüber hinaus beinhaltet die Ökoeffizienz-Analyse noch mehrere Vorteile, so z. B. die angemessene Bewertung von Ökologie und Ökonomie sowie die Abschätzung von Toxizitäts- und Risikopotenzialen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

209

0,0

Umweltbelastung (normiert)

A B

1,0

C D

2,0 2,0

1,0

0,0

Kosten (normiert) Quelle: in Anlehnung an Saling et al. 2002, S. 14 Abb. 7-8: Beispielhafte Darstellung eines Ökoeffizienz-Portfolios

Sustainable Value Added Der „Environmental Value Added“ (EVA) (Figge 2001) ist eine Weiterentwicklung von zweidimensionalen Ökoeffizienz-Kennzahlen hin zu einem einzigen monetären Mehrwert. Der Ansatz wurde über die soziale Dimension zum Der Social Footprint „Sustainable Value Added“ (SVA, Figge, Hahn Der Ansatz des „Social Footprint“ gibt den Grad der 2002; Figge, Hahn 2004) erweitert. Der Mehr- Zielerfüllung wider; ein Beitrag von 1,0 oder 100 % eine vollständige Übereinstimmung mit dem wert lässt sich über einen Vergleich mit einem bedeutet Nachhaltigkeitsziel, während Werte weit unter 1,0 als übergeordneten Nachhaltigkeitsziel, z. B. den “nicht nachhaltig” gelten (CSI 2006). CO2-Reduktionszielen gemäß Kyoto-Protokoll, Eine solche Zielabstandsrechnung geht recht intuitiv ermitteln (ähnlich dem Social Footprint, siehe vor, hängt jedoch stark von der normativ und politisch Infokasten). Demnach spiegelt der errechnete determinierten Zielfestlegung ab. Mehrwert den ökonomischen Zusatznutzen wi- Obwohl eine begriffliche Ähnlichkeit mit dem vorgestellten „Ecological Footprint“ besteht, spiegelt sich der, der sich nach Abzug der Opportunitätskos- dies in der Methode keinesfalls wider. ten für die ökologischen und sozialen Ressourcen ergibt. Das Berechnungsschema für den SVA wird in Abb. 7-9 dargestellt.

210

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Bewertungsobjekt Wertschöpfung

Referenz Wertschöpfung

/ Schadschöpfung

Ökoeffizienz

Schadschöpfung

*

/

Schadschöpfung

Ökoeffizienz

Wertschöpfungsdistanz

Mehrwert Quelle: in Anlehnung an Figge 2001, S. 192 Abb. 7-9: Berechnung des Sustainable Value Added

Ein Vorteil dieser Berechnung ist, dass sie der gängigen finanzwirtschaftlichen Praxis entlehnt ist und mit dem Wegfall der ökologischen Einheit direkt vergleichbare und aggregierbare Werte entstehen. Der in Geldeinheiten ausgedrückte Mehrwert stößt gerade in Unternehmen eher auf Akzeptanz als gemischte ökologisch-ökonomische Kennzahlen. So lässt sich die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen anschaulich bewerten und gegenüberstellen, wie Tabelle 7-8 aufzeigt (Hahn et al. 2007). Des Weiteren vermag der in Geldeinheiten ausgedrückte Mehrwert, nun als „Sustainable Value“ (SV), eher das Verständnis in einem Unternehmen anzusprechen als gemischte ökonomisch-ökologische Kennzahlen. Eine methodische Grenze erfährt der Sustainable Value Added durch die rein betriebliche Effizienzorientierung (Werkstorprinzip). Es gibt also keine weitergehende Bewertung, welche beispielsweise mithilfe von Ökobilanzen den gesamten Lebensweg der hergestellten Produkte berücksichtigt.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

7.1.3

211

Referenzwerte einer nachhaltigen Entwicklung

Indikatoren geben einen Orientierungsrahmen für die Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung vor. In diesem Sinne handelt es sich zunächst um einen weichen Steuerungsansatz. In Verbindung mit quantifizierten Zielen erhält Beispiel für die Schwierigkeiten von Nachhaltigeine Überwachung – häufig als „Monitoring“ keitsindikatoren: bezeichnet – eine verlässliche und faktenba- Der Indikator „Umweltbewusstsein“ wäre sicherlich für das sozial-ökologische Feld. Jedoch sierte, quasi „härtere“ Grundlage. Infolgedessen interessanter existieren hier kaum verlässliche Messreihen (Quankönnen Indikatoren mit Zielwerten eine ent- tifizierbarkeit), geschweige denn eine ausreichende scheidende Rolle im kontinuierlichen Ver-bes- Interpretation dieses recht subjektiven Indikators. Ist serungsprozess spielen. Ferner sind Mess- und die aktive Mitgliedschaft in einem Umweltverband aussagekräftiger? Oder gilt schon das Ausschalten Bewertungskonzepte oftmals auf solche Refe- nicht benötigter Lampen als Umweltbewusstsein? renzwerte angewiesen. Beispielsweise operie- Die Politik kann ferner nur begrenzt auf das Umweltren die Indizes der Vereinten Nationen auf der bewusstsein einwirken. Massenmedien haben eigene Grundlage von Zielintervallen einer Entwick- Vorstellungen und „Sachzwänge“. Außerdem bestehen oftmals konkurrierende Bemühungen von andelung und der Sustainable Value Added benötigt rer Seite (Bund, Länder, Kommunen, Verbände). Referenzwerte für das benchmarkorientierte Also ist die formale Relevanz letztlich nur gering ausgeprägt. Die inhaltliche Relevanz kann auch nur mäBerechnungsverfahren. Für die im nachfolgenden Abschnitt vorgestellten Nachhaltigkeitsstrategien sind Indikatoren sehr wichtig. Mit ihnen lassen sich die Anliegen einer nachhaltigen Entwicklung planen, kommunizieren und steuern. Dafür müssen sie mehrere Kriterien erfüllen (Renn et al. 2000, S. 9 und 14):

ßig sein, da das Umweltbewusstsein ein recht weit gefasstes Maß ist und wenig auf konkrete Handlungen bezogen werden kann. Eine Vergleichbarkeit ist schon aus fehlender Erfassbarkeit nicht möglich; die Verwendung des Indikators „Umweltbewusstsein“ in Nachhaltigkeitsstrategien ist nicht bekannt. Insgesamt erfüllt der Indikator kaum die drei Eignungskriterien. Nur die Kommunikationsfunktion spricht für den Indikator, da jeder Laie die Entwicklung des Umweltbewusstseins nachvollziehen kann. Andere Indikatoren erscheinen ebenfalls aus diesem Grund ungeeignet. Beispielsweise eignet sich die „Schadstoffbelastung der Muttermilch“ wegen der zu erwartenden negativen Assoziationen und Emotionen kaum für eine breitere Kommunikation.

 Das Kriterium der Relevanz ist dann erfüllt, wenn die mit dem Indikator abgebildeten Inhalte für den Bereich der Akteure (etwa eine Nation, ein Bundesland oder ein Unternehmen) bedeutend sind. Neben dieser „thematischen Relevanz“ müssen die Akteure die Entwicklung wesentlich beeinflussen können („formale Relevanz“).  Die Quantifizierbarkeit erfordert sowohl eine ausreichende Datenverfügbarkeit als auch die Möglichkeit einer konsistenten Zeitreihenbildung über mehrere Jahre.  Indikatoren sollen eine Vergleichbarkeit zu über- und untergeordneten politisch-geografischen Ebenen (vertikal) und zu anderen Dokumenten und Prozessen der gleichen Ebene ermöglichen (horizontal).

Die nachfolgend aufgeführten Indikatoren, die auch an anderen Stellen des Lehrbuchs relevant sind, berücksichtigen zum großen Teil die drei Kriterien. Über die einzelnen Zielwerte bestehen unterschiedliche Ansichten, worin sich auch die Auffassungen über die Schwerpunkte und die Stärke einer nachhaltigen Entwicklung widerspiegeln. Im Folgenden wird zunächst der umfassende Indikatorensatz der deutschen Bundesregierung aufgezeigt. Darauf folgt ein stär-

212

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

ker wissenschaftlich gestützter Vorschlag der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. Der ökologisch dominierte Zielkatalog des Wuppertal Instituts stellt abschließend das Beispiel einer starken Nachhaltigkeit für ein „zukunftsfähiges Deutschland“ dar. Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands Seit 2002 bildet eine indikatorengestützte nationale Nachhaltigkeitsstrategie eine wichtige Grundlage der deutschen Bundesregierung hin zur nachhaltigen Entwicklung. Die Indikatoren, die seit der ersten Fassung 2002 etwas überarbeitet und weiterentwickelt wurden, sind in vier „Koordinaten“ und 21 Handlungsfelder gegliedert (siehe Tab. 7-9). Die „Generationengerechtigkeit“ als erste Koordinate soll zur langfristigen Sicherung der natürlichen, ökonomischen und sozialen Ressourcen beitragen. Hier ist ein gewisser ökologischer Schwerpunkt erkennbar. Die „Lebensqualität“ beinhaltet Ziele für den materiellen Wohlstand, eine intakte Umwelt und wichtige gesellschaftliche Bedürfnisse. Diese Koordinate hat eher einen Bezug zu den gegenwärtig lebenden Generationen. Der „soziale Zusammenhang“ soll zur Behebung gesellschaftlicher Missstände bzw. Chancenungleichheit beitragen, wodurch die soziale Dimension weiter berücksichtigt wird. Mit der „internationalen Verantwortung“ kommt schließlich die NordSüd-Thematik als ein Hauptaugenmerk der Agenda 21 zusätzlich zur Geltung. Verschiedene dritte Institutionen haben die Entwicklung hinsichtlich der selbst vorgegebenen Ziele bewertet (siehe Rat für Nachhaltige Entwicklung 2008, Statistisches Bundesamt 2008; Diefenbacher et al. 2004). Demnach ist die ökonomische und soziale Situation – im internationalen Vergleich – als gut zu bewerten, während das Umweltbelastungsniveau durch Kohlendioxidemissionen und Flächeninanspruchnahme zu hoch ist (Kleine 2009, S. 155–172). Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren Die Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF) erarbeitete im Rahmen eines breit angelegten Verbundprojekts ein integriertes Nachhaltigkeitskonzept (siehe Abschnitt 5.2.3). Auf dieser Basis bestimmen die Wissenschaftler der HGF prioritäre Handlungsfelder, die sie als „Nachhaltigkeitsdefizite“ bezeichnen und mit Indikatoren unterlegen. Tab. 7-9 stellt ausgewählte Indikatoren und Zielwerte dar, die im Verbundprojekt weitaus detaillierter ausgeführt wurden. Bereits auf dieser Übersichtsebene wird deutlich, dass nach Ansicht der HGF ökologisch und sozial relevante Defizite überwiegen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Bereich („Koordinate“) Handlungsfeld Generationengerechtigkeit Ressourcenschonung Klimaschutz Erneuerbare Energien Flächeninanspruchnahme Artenvielfalt Staatsverschuldung Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge Innovation Bildung

Lebensqualität Wirtschaftlicher Wohlstand Mobilität

Landbewirtschaftung Luftqualität Gesundheit

Kriminalität Sozialer Zusammenhalt Beschäftigung Perspektiven für Familien Gleichberechtigung Integration Internationale Verantwortung Entwicklungszusammenarbeit Märkte öffnen

213

Indikatoren und Zielwerte Energieproduktivität  1990–2020: +200 % Rohstoffproduktivität  1994–2020: +200 % Treibhausgasemissionen  1990–2008/2012: –21 % Anteil am Primärenergieverbrauch  2010: 4,2 %  2020: 10 % Anteil am Stromverbrauch  2010: mind. 12,5 %  2020: mind. 30 % Siedlungs- und Verkehrsfläche  2020: 30 ha pro Tag Ausgewählte Vogelarten 2015: Indexwert 100 (ähnlich hoch wie 1975) Staatsdefizit  2011: 0 % Bruttoanlageinvestitionen pro BIP  „Steigerung des Anteils“ Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro BIP  2010: 3 % 18–24-Jährige ohne Abschluss  2010: 9 %  2020: 4,5 % 25-Jährige mit abgeschl. Hochschulausbildung  2010: 10 %  2020: 20 % Studienanfängerquote  2010: 40 %  „Wirtschaftliches Wachstum“  1999–2010: –2 %  1999–2020: –5 % Verkehrsleistung pro BIP im Personenverkehr  1990–2010: –10 %  1990–2020: –20 % Anteil des Schienenverkehrs im Güterverkehr  2015: 25 % Anteil Binnenschifffahrt im Güterverkehr  2015: 14 % Stickstoff-Überschuss  2010: 80 kg/ha Anteil Öko-Landbau  „in den nächsten Jahren“: 20 % Schadstoffbelastung  1990–2010: –70 % Vorzeitige Sterblichkeit  2015: 190/100.000 Männer pro Jahr  2015: 115/100.000 Frauen pro Jahr Raucherquote  2015 (Jugendliche): unter 12 %  2015 (Erwachsene): unter 22 % Erwachsene mit Adipositas  2020: „Rückgang“ Anzahl der Wohnungseinbruchdiebstähle  2015: unter 100.000/Jahr Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner Verkehrsleistung pro BIP im Güterverkehr

Erwerbstätigenquote insgesamt  2010: 73 %  2020: 75 % Erwerbstätigenquote älterer Menschen  2010: 55 %  2020: 57 % Ganztagsbetreuungsplätze für 0–2-Jährige  2010: 30 %  2020: 35 % Ganztagsbetreuungsplätze für 3–5-Jährige  2010: 30 %  2020: 60 % Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern  2010: 15 %  2020: 10 % Ausl. Schulabgänger mit mind. Hauptschulabschluss  2020: wie deutsche Öffentliche Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit pro BIP Einfuhren der EU aus Entwicklungsländern

 2010: 0,51 %  2015: 0,7 %  „weiterer Anstieg“

Quelle: in Anlehnung an Deutsche Bundesregierung 2008, S. 81–83 Tab. 7-9: Indikatoren und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland – Nationale Nachhaltigkeitsstrategie

214 Handlungsfeld Gesundheit

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Indikatoren und Zielwerte  Partikelbelastung (PM 10)  Lärmbelästigung

 2010: 20 μg/m3  max. 65 dB (A) tagsüber  max. 55 dB (A) nachts Armut Armutsquote (Personen mit Einkommen von weniger als 50 %  6,5 % bezogen auf den Durchschnitt der Gesamtbevölkerung) Globale Einkommensunter- Oberstes zu unterstem Einkommensquintil  2020: 35–40 schiede Arbeitslosigkeit Anteilige Langzeitarbeitslosigkeit  2020: 5–10 % Bildung Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss  2010: 4,5 %  2020: 0 % Chancengleichheit Lesefähigkeit (Gradient von Lesefähigkeit zum sozialen,  2020: 21 wirtschaftlichen und kulturellen Status) Fläche Zunahme Siedlungs- und Verkehrsfläche  2020: 30 ha/d Biodiversität Gefährdete Arten  2020: –50 % Waldschäden Relevante Luftschadstoffe  2010: SO2 –90 %  NOx –60 %, NH3 –28 % Ressourcenknappheit Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen 2010: –20 %  2020: – 40 % Klimawandel CO2-Emissionen  2010: –21 %  2020: –40 % Global: UmweltnutzungsCO2-Emissionen pro Kopf  2010: 8 t möglichkeiten  2020: 6 t Gewässer Gütezustand Fließgewässer > Klasse II  2010: 100 % Staatsverschuldung Defizitquote öffentlicher Haushalte  2010: 0,5 %  2020: 0 % Wahrnehmung globaler  Agrarexportsubventionen der EU  vollständiger Abbau Verantwortung  Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit pro BIP  2010: 0,4 %  2020: 0,7 % Quelle: in Anlehnung an Coenen, Grunwald 2003, S. 83–130 Tab. 7-10: Indikatoren und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland – Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren

Die Agenda 21 fordert – wie in Abschnitt 1.7 schon festgestellt wurde – die Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien, mit denen das Leitbild nachhaltiger Entwicklung langfristig in einen systematischen Umsetzungsprozess überführt werden soll. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen bekräftigte 1997 dieses Ziel und gab 2002 als Zieljahr vor. Bis dahin erarbeiteten mehrere Länder eine Nachhaltigkeitsstrategie und konnten diese anlässlich der RioNachfolgekonferenz in Johannesburg vorlegen. Deutschland gehörte zu den Staaten, die 2002 erstmals eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorlegte. Bei staatlichen Nachhaltigkeitsstrategien hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie keinen ökologischen Bias aufweisen sollen (OECD 2007, S. 9), wie er bis Anfang des neuen Jahrtausends (2000er) noch vorherrschte (etwa bei Nordbeck 2001, S. 2–4). Neuere Nachhaltigkeitsstrategien basieren stattdessen zumeist auf den drei Nachhaltigkeitsdimensionen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen merkt hierzu an, dass hiermit

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Ansatz

Prozess

Nationales Peer Review Internes Review Externes Audit Parlamentarisches Review Budget Review Monitoring durch Indikatoren Öffentliches Monitoring vor Ort Internationales Monitoring durch Berichte Internationales Monitoring durch europäische Nachhaltigkeitsstrategie Monitoring von Armutsbekämpfungsstrategien

215

+ -

Produkt (Inhalt) + + + + + + + +

Gestaltung + + + + o + + + +

Auswirkungen + o + o + + o o

-

+

+

+

Einschätzung von Dalal-Clayton: +: wird erfüllt o: wird selten oder kaum erfüllt -: wird nicht erfüllt Die Originalquelle führt auch Vor- und Nachteile der einzelnen Ansätze aus. Quelle: in Anlehnung an Dalal-Clayton, Bass 2007, S. 127–129 Tab. 7-11: Betrachtungsumfang von Monitoringansätzen für nationale Nachhaltigkeitsstrategien

„… zunächst häufig ein restriktives Verständnis von Umwelt verbunden [war], das inzwischen einer Sicht weicht, die nicht nachhaltige Entwicklungen in unterschiedlichen Handlungsfeldern thematisiert und dabei den Synergien von Umwelt und Wirtschaft besondere Bedeutung beimisst (SRU 2008, Tz. 1).“ Nachhaltigkeitsstrategien zeichnen sich durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus, wodurch politische Abläufe managementorientiert ausgestaltet werden (siehe hierzu auch Abschnitt 6.4). Mittlerweile existiert eine Vielzahl von Ansätzen, welche zu den nachfolgenden Schlüsselelementen einer Nachhaltigkeitsstrategie unterschiedlich beitragen können (Dalal-Clayton, Bass 2007, S. 121–129):  Überwachung von Nachhaltigkeitsstrategien bezüglich der Qualität des partizipativen Prozesses  Inhalte in Form von ökologischen, ökonomischen und sozialen Schlüsselaspekten  Wahrnehmung von Gestaltungsansätzen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft  Tatsächliche Auswirkungen auf die Entwicklung Tab. 7-11 gibt den Umfang einzelner Ansätze zur Prüfung und Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien wieder. Beispielsweise führt ein Monitoring mit Indikatoren und quantifizierten Zielen zu einer hohen Verbindlichkeit und ermöglicht bei entsprechenden Indikatoren eine langfristige Perspektive. Die Indikatoren können ihre Vorteile als essenzieller Bestandteil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozess entfalten und ermöglichen insbesondere die Festlegung von Prioritäten, Darstellung von Beziehungen und die Aufdeckung von Defiziten.

216

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Probleme ergeben sich jedoch durch den hohen Aufwand zur Festlegung und Ermittlung der benötigten Daten, die fehlende effektive Einbindung in die politische Arbeit sowie in der begrenzten Aussagekraft, Repräsentativität und Vergleichbarkeit der Indikatoren und Indizes (Dalal-Clayton, Bass 2007, S. 115, S. 128). Insofern tragen Nachhaltigkeitsindikatoren zur Gestaltung von Nachhaltigkeitsstrategien und zur Beeinflussung der gewünschten Auswirkungen bei. Barry Dalal-Clayton ist jedoch der Ansicht, dass Indikatoren nicht den von den Akteuren geführten Prozess an sich betrachten. Seine Einschätzung, indikatorenbasiertes Monitoring würde nicht zur Bestimmung der Schlüsselthemen beitragen, kann so interpretiert werden, dass Indikatoren vielmehr den inhaltlichen Festlegungen folgen sollen. Indikatoren sind bei vielen führenden europäischen Nachhaltigkeitsstrategien, so auch bei der Strategie der deutschen Bundesregierung und der Landesregierung Rheinland-Pfalz, üblich (siehe Abschnitt 7.2.2 und 7.2.3). Die anderen Ansätze sind hingegen weniger klar zu identifizieren, zumal die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategien dynamisch verläuft. Beispielsweise werden Peer-Reviews von nationalen Strategien erst seit etwa 2005 in einem nennenswerten Umfang durchgeführt. In den nachfolgenden Abschnitten werden mehrere Nachhaltigkeitsstrategien vorgestellt. Diese setzen die vorgestellten Monitoringansätze ganz unterschiedlich und eher vereinzelt ein. Es wird die Verwendung von Indikatoren im Vordergrund stehen, da dies der größte gemeinsame Nenner ist. Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie, die gewissermaßen einen Überbau zu den nationalen Strategien der Mitgliedsstaaten bildet, ist in 7.2.1 beschrieben. Die Grundzüge der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden in Abschnitt 7.2.2 vorgestellt. Die „Nachhaltigkeitsstrategie für Rheinland-Pfalz“ ist schließlich ein Beispiel für die Umsetzung in einem Bundesland wie auch für die systematische Anwendung des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks (Abschnitt 7.2.3).

7.2

Fallbeispiel: nachhaltigkeitsorientierte Förderentscheidungen

Die Abstimmung der Rahmenbedingungen und der Anreize mit den Erfordernissen einer nachhaltigen Entwicklung wurden bereits als Bestandteil eines tief greifenden strukturellen Wandels identifiziert. Förderentscheidungen sind hierbei ein wichtiges Gestaltungsmittel für Entwicklungsprozesse, da die Bewilligung an entsprechend ausgestaltete Kriterien geknüpft ist. Die EU hat für kommende Förderungen vorgegebenen, ihre Bemühungen zur strukturpolitischen Verankerung der Nachhaltigkeit verstärken zu wollen. So soll etwa der aktuelle Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), für die Förderperiode 2008–2013 mit ca. 22,4 Mrd. Euro ausgestattet, den regionalen Unterschieden entgegenwirken. Ansatzpunkt hierbei ist die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur; daneben existieren drei weitere Fonds für Arbeitskräfte, Landwirtschaft / ländlicher Raum sowie Fischerei. Nachfolgend wird eine nachhaltigkeitsorientierte Gestaltung der Vergabe von EFRE-Mitteln im Land Brandenburg vorgestellt.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

217

Notwendigkeit und Ziele einer Nachhaltigkeitsbewertung in Brandenburg Die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB), die mit der Bewilligung und Verwaltung von EFRE-Geldern betraut ist, hat eine Nachhaltigkeitsbewertung auf der Grundlage des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks konzipiert und umgesetzt. Gestärkt wurde die Motivation aus innerministeriellen Vorarbeiten für eine Nachhaltigkeitsstrategie (Lindig 2005, S. 56) sowie aus der Halbzeitbewertung für die EFRE-Förderperiode 2000–2006 in Brandenburg. Darin wurde deutlich dass  „Nachhaltigkeit“ sich noch weitgehend auf die ökologische Dimension beschränkt,  ein Messkonzept und Zielvorgaben fehlen sowie  die Wirkungen der Förderungen nicht kausal zu ermitteln sind (Ministerium der Finanzen Brandenburg 2003, S. 8). Eine in Brandenburg angewandte „Ex-ante-Evaluierung“ konnte anhand einer Heuristik von sechs betrachteten Entwicklungspfaden (mit verschiedenen Parametern für eine verbesserte Umwelt sowie Ökoeffizienz und ambitionierte Reduktionsziele) nur qualitative Aussagen über hypothetische Umweltwirkungen treffen. Ein kausaler, näher zu beziffernder Zusammenhang von Förderung und Wirkung war nicht möglich (Lindig 2005, S. 48). Die Nachhaltigkeitsbewertung verfolgt einen umfassenden Ansatz, der auf folgenden Anforderungen beruht (Lindig 2005, S. 83):  Die gesellschaftlichen Gruppen sind möglichst einzubinden, um einen gestaltenden Suchund Lernprozess zu etablieren.  Ziel ist die horizontale Integration von Ökologie, Ökonomie und Sozialem, was eines interdisziplinären und ressortübergreifenden Vorgehens bedarf.  Der Prozess soll ebenso über eine vertikale Integration die übergeordneten (Europa, Bund) und nachgeordneten Ebenen (Kommunen) berücksichtigen, wobei hier die Lokale Agenda 21 eine besondere Rolle spielt.  Geeignete Ziele sind während des Gestaltungsprozesses offen zu explorieren und Indikatoren anwendungsorientiert zu bestimmen. Ziel der Nachhaltigkeitsbewertung ist es, die Antragsteller in den Lernprozess einzubinden, die politische Zielformulierung zu präzisieren, die strukturpolitische Förderung der Region effizienter im Sinne einer integrierten Nachhaltigkeit zu fördern sowie ein nachvollziehbares und einheitliches Raster der Nachhaltigkeitsbewertung zu etablieren. Schließlich sollen die Durchführung und die Ergebnisse der geförderten Projekte kontrolliert sowie die Entscheidungsverfahren weiterentwickelt werden. Damit ist beabsichtigt, den Einsatz von EFRE-Fördergeldern für die nächste Förderperiode zu evaluieren (Lindig 2005, S. 84). Ablauf der Nachhaltigkeitsbewertung Die von der ILB entwickelte Nachhaltigkeitsbewertung teilt sich in zwei Verfahrensstränge auf (siehe auch Abb. 7-10). Der erste Strang befasst sich mit den internen Aspekten einer Projektgestaltung. Demnach soll das Projekt selbst möglichst Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, wobei ein „Nachhaltigkeitscheck“ förderlich ist. Ziel ist es, Stärken und Schwächen zu identifizieren, den Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu qualifizieren und schließlich das Projekt

218

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

an sich schwerpunktmäßig im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck einzuordnen. Die Bewertung der Projektgestaltung erfolgt aufgrund der fehlenden Datenlage bislang hauptsächlich qualitativ auf einer fünf-stufigen Skale (-2 bis +2).

Intern

Extern

Das Projekt nachhaltig gestalten:

Wirkung in der Regionalentwicklung

• baulich

Handlungsfelder für eine

• ausstattungstechnisch

nachhaltige Entwicklung definieren

• nutzenorganisatorisch • Umfeldanpassung bzw. -einwirkung

Systematisieren der Handlungsfelder

Indikatoren zur Bewertung definieren

Wirkungs-Indikatoren für die Handlungsfelder definieren

Ökologie, Ökonomie, Soziales

Nachhaltigkeits-Check:

Qualitative Bewertung der Wirkungsindikatoren:

• Stärken-Schwächen-Analyse • Qualifizierung des Beitrags zur Nachhaltigen Entwicklung

• Systematische Zuordnung der Projektwirkung

• Schwerpunktmäßige Einordnung im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

Quelle: in Anlehnung an Lindig 2005, S. 89 Abb. 7-10: Ablauf zur projektbezogenen Nachhaltigkeitsbewertung

Der zweite, extern orientierte Verfahrensstrang befasst sich mit den Wirkungen des Projekts. Hier sind Handlungsfelder zu identifizieren, diese im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck einzuordnen und entsprechende Indikatoren festzulegen. Sodann schätzt eine qualitative Bewertung der Indikatoren (vierstufige Skale von 0 bis 3) den Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung ab. Nach der Aggregation der vergebenen Bewertungen steht der Schwerpunkt der Auswirkungen für eine nachhaltige Entwicklung fest.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

219

Fallbeispiel: Nachhaltigkeitsbewertung des Radwegenetzes in der Prignitz Die Entwicklung der Nachhaltigkeitsbewertung der ILB beschränkte sich aus praktischen Erwägungen zunächst auf Infrastrukturmaßnahmen, um die Anwendbarkeit des Instruments zu testen. Die weitere Erschließung der kulturhistorisch und landschaftlich attraktiven Prignitz durch Radwege soll die Projektgestaltung und Projektwirkungen exemplarisch aufzeigen (vgl. als Grundlage des Beispiels: Lindig 2005, S. 132–138). Bewertung der Projektgestaltung Der Nachhaltigkeitscheck zur Projektgestaltung basiert auf einem abgestimmten Indikatorensatz. Die qualitative Bewertung des Radwege-Projekts lässt sich im Folgenden auf drei Ebenen interpretieren (Lindig 2005, S. 115–118 und S. 135).

So zia les

Auf der untersten Ebene wird die Bewertung einzelner Merkmale, deren Ausprägungen sich durch einen Indikator oder mehrere Indikatoren bestimmen lassen, in einem Spinnennetz-Diagramm zusammengestellt (siehe Abb. 7-12). Im konkreten Beispiel wird eine besonders positive Projektgestaltung im Bereich ökonomischer Handlungsfelder und auch eines sozialen Handlungsfeldes deutlich. Lediglich die Projektvernetzung mit Gewerbe und die „Ausgangsbasis“ – das meint eine umfassende und objektive Analyse und Bewertung im Vorfeld – sind stark verbesserungsfähig. Die wenigen sozialen Wertungen deuten allesamt auf eine ausgeglichene bis sehr gute Projektgestaltung hin. Bezogen auf die Ökologie sind die Indikatoren eher mäßig, d.h. weder sehr schlecht noch sehr gut. ie om on Ök

Ökologie

Die anschließende Aggregation auf die Ebene der drei NachhaltigkeitsdimensiDer Gesamtwert weicht aufgrund methodischer Unterschiede onen lässt in Abb. 7-11 erkennen, dass leicht von der ursprünglichen Einordnung (in der Quelle) ab. die zusammengefassten Bewertungen Quelle: in Anlehnung an Lindig 2005, S. 136 und S. 194–196 eher für die Ökonomie und das Soziale positiv sind. Das Projekt selbst ist also Abb. 7-11: Gesamtbewertung und Schwerpunkt der Projektgeim Sinne einer ökonomischen und sozistaltung des Radwege-Netzes in der Prignitz alen Nachhaltigkeit gestaltet. Die Ökologie trägt hingegen nur mittelmäßig zum Gesamtergebnis bei. In der Studie gilt folgende Bewertung: Insgesamt – auf der obersten Aggregationsebene – wird die Gestaltung des Projektes als „stark nachhaltig“ bezeichnet: Jede Dimension liefert im Saldo einen positiven oder zumindest gleichbleibenden Beitrag, der Durchschnitt aller Beiträge ist folglich ebenso positiv. Die Projektgestaltung liegt schwerpunktmäßig bei der ökonomischen

220

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

und der sozialen Dimension (siehe Abb. 7-11). Würde jedoch – bei immer noch positiver Gesamtbilanz – eine der Nachhaltigkeitsdimensionen negativ bewertet, so wäre die Projektgestaltung als „schwach nachhaltig“ einzuordnen. Ist die Bilanz insgesamt negativ, muss die Bewertung grundsätzlich „nicht nachhaltig“ lauten. Die hier vorgenommene Klassifizierung schwacher und starker Nachhaltigkeit sollte für eine engere Auslegung auch Mindestgrößen bzw. das absolute Niveau jeder Dimension betrachten. Insofern sind die oben getroffenen Urteile mit der entsprechenden Vorsicht zu interpretieren. Eine Beurteilung nach „zielförderlich“ und „zielhinderlich“ könnte diese Problematik umgehen. Soziales AngebotsSoziale verknüpfungen Zugang Gästezur Arbeit bedürfnisse 100 % 50 %

Mobilitätsangebote

Ausgangsbasis

0% Projektvernetzung Gewerbe

Verhaltensförderung -50 % -100 %

Projektvernetzung kommunal

Projektkosten

Entsorgungsmöglichkeiten

e gi lo ko Ö

Marketingqualität

Ressourcenverbrauch Flächeninanspruchnahme

Nutzungsvariabilität

Ök on om ie

Landschaftsauswirkungen

Quelle: in Anlehnung an Lindig 2005, S. 135 Abb. 7-12: Nachhaltigkeitscheck zur Projektgestaltung des Radwege-Projektes

Bewertung der Projektwirkungen Für die Bewertung von Projektwirkungen im Rahmen touristischer Infrastrukturprojekte in den Bereichen Radwege und Wassertourismus bestehen Handlungsfelder mit zugehörigen Indikatoren. Die Handlungsfelder decken fast alle Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks ab (siehe Abb. 7-13). Beim vorliegenden Beispiel lagen aufgrund der frühen Projektphase weder statistische Daten noch quantitative Ziele vor, weswegen eine qualitative Einschätzung und Bewertung vorgenommen wurde (Lindig 2005, S. 118 f.).

221

So zia

les

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Gesundheitsförderung Anzahl der Maßnahmen

Anbindung verknüpfen mit kulturellen Reichtümern Verknüpfung mit landschaftlichen Reichtümern

Anzahl Anbindungen

Qualifizierung

umweltgerechtes Verhalten

Angebotsqualität Informationssysteme

Mobilitätsangebote Wegenetze

lokale beschäftigungsfördernde Initiativen

Anzahl lokaler Initiativen

Besucherzahl/ Arbeitsplätze

Flächeninanspruchnahme

Emissionen

_

versiegelte Flächen Ausgleichsmaßnahmen

renaturierte Flächen Verlärmung Luftqualität

Charter, Vermietungen Anzahl Charter- und Mietstationen

Vernetzung, Marketing geschaffene Dienstleistungsflächen

ie om on Ök

erschlossene Flächen Landschaftsund Naturschutz

Anzahl Kooperationen und Existenzgründungen

Ökologie Quelle: in Anlehnung an Lindig 2005, S. 119 Abb. 7-13: Handlungsfelder für die Projektwirkungen im Bereich der Radwege und des Wassertourismus im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck

Die Bewertung der Wirkungen des Projektes zum Ausbau der Radwege in der Prignitz ist im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck dargestellt (siehe Abb. 7-14). Das Projekt liefert nur in wenigen Feldern einen nennenswerten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Das sozial-ökologische Feld (Verknüpfung mit landschaftlichen Reichtümern; umweltgerechtes Verhalten; Mobilitätsangebote) trägt als einziges sehr stark bei. Das stark ökonomische Feld (Vernetzung, Marketing) kann noch einen merklichen Beitrag liefern. Das stark soziale Feld (Gesundheitsförderung) und das zentrale Feld (allgemein: Lokale Agenda 21, ländliche Entwicklung) tragen kaum zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung bei. Die restlichen Felder leisten gar keinen positiven Beitrag.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

ie om on Ök

Die Bewertung erfüllt die Nachhaltigkeit etwa gleichmäßig bezüglich der drei Dimensionen. Das heißt, die drei Kreise in den Ecken wären etwa gleich klein (in Abb. 7-14 aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt). Die hohe Wertung im sozial-ökologischen Feld geht gleichermaßen in die soziale und die ökologische Dimension ein; der hohe Beitrag im ökonomischen Feld geht voll in die ökonomische Bewertung ein. Folglich liegt die Gesamtwertung des Projekts etwa in der Mitte des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks, da der Punkt hauptsächlich zwischen dem sozial-ökologischen und dem stark ökonomischen Feld eingespannt ist.

So zia les

222

Ökologie

Der Gesamtwert weicht aufgrund methodischer Unterschiede

Trotz der fast zentralen Lage kann nicht von der Einordnung in der Originalquelle ab. Dort war die Gevon umfassenden und gleichmä-ßigen samtbewertung stärker sozial-ökologisch orientiert, weil das Wirkungen im Sinne einer nachhaltigen größte Feldergebnis das Endergebnis bestimmt. Entwicklung gesprochen werden. Dies Quelle: in Anlehnung an Lindig 2005, S. 136 und S. 194–196 zeigt auch die kleine Kreisgröße, da sie kaum positive Beiträge auf sich versamAbb. 7-14: Gesamtbewertung und Schwerpunkt der eingemeln kann. Es sind eher partikuläre Wirschätzten Projektwirkungen des Radwege-Netzes in der Prigkungen, v. a. im sozial-ökologischen nitz Bereich und in vermindertem Maße auch im ökonomischen Bereich zu verzeichnen. Anwendbarkeit des Verfahrens für Förderentscheidungen Das Aggregationsverfahren im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck kann Förderentscheidungen durch systematischere Analysen, Bewertungsverfahren und Darstellungsformen unterstützen. Es ist allerdings stets eine kritische Begleitung und Interpretation sowie die Wahrung transparenter Strukturen nötig. Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck die Komplexität der Forderungen einer nachhaltigen Entwicklung sehr wohl reduzieren kann und damit zu einer Objektivierung und besseren Fundierung beiträgt. Ähnliche Auswertungen sind für viele andere Zwecke möglich, beispielsweise betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement (Kleine, von Hauff 2009).

7.2.1

Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie

Die EU verfolgt seit Längerem eine Entwicklung, die über das Paradigma eines Wirtschaftswachstums hinausgeht (z. B. im „Vertrag von Maastricht“: Europäische Union 1992 Art. B). Der darauf aufbauende „Vertrag von Amsterdam“ erklärte die Nachhaltigkeit schließlich zu einem politischen Oberziel zur

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

223

„… Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie die Herbeiführung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung, insbesondere durch Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion … (Europäische Union, Europäische Gemeinschaften 1997, Art. 2).“ Der Entwurf „A Sustainable Europe for a Better World“ (Europäische Kommission 2001) ging zu großen Teilen in die erste europäische Nachhaltigkeitsstrategie ein, beschlossen vom Europäischen Rat von Göteborg. Die vier Themenbereiche „Klimawandel“, „Umwelt und Gesundheit“, „Transport und Landnutzung“ sowie „Natur und Biodiversität“ bilden die Schwerpunkte der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie (Europäischer Rat 2001, Tz. 27–31). Hier wird das ökologisch orientierte Verständnis einer Nachhaltigkeitsstrategie deutlich, welches die bereits bestehende „Lissabon-Strategie“ ergänzen sollte. Der Europäische Rat hatte im Jahr 2000 bei einer Sondertagung in Lissabon lediglich Ziele für eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung vorgesehen, um „… die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen (Europäischer Rat 2000, Tz. 5).“ Es wurde jedoch zunehmend deutlich, dass alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen zusammenzuführen sind: „Die Herausforderung besteht darin, eine Dynamik aufrechtzuerhalten, in der sich wirtschaftliches Wachstum, soziale Sicherheit und Umweltschutz wechselseitig verstärken (Europäische Kommission 2005, S. 3).“ Vor diesem Hintergrund ist die zweite europäische Nachhaltigkeitsstrategie umfassender konzipiert, sodass die drei Dimensionen und die internationale Perspektive mit konkreten Zielen und Maßnahmen in den Handlungsfeldern deutlich werden (Rat der Europäischen Union 2006b, Tz. 6, 13):  Klimaänderung und saubere Energien  Nachhaltiger Verkehr  Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion  Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen  Gesundheit  Soziale Eingliederung  Globale Herausforderungen in Bezug auf Armut und nachhaltige Entwicklung

Umweltinnovationen als Wachstumsmotor Der Europäische Rat beschloss 2006 ökologische Handlungsfelder für die Lissabon-Strategie. Mit der umfassenderen Zielsetzung – u. a. in Handlungslinien für ein „umweltverträgliches Wachstum“ zusammengefasst – sollen Umweltinnovationen einen Beitrag für Beschäftigung und Wachstum leisten. (Rat der Europäischen Union 2006a, Tz. 4 und 75 f.). Es finden sich Umweltziele wie die Biodiversität sowie die Produktions- und Konsummuster. Schwerpunkte waren nun die umweltfreundliche Erzeugung und der effiziente Einsatz von Energie sowie die schnellere Diffussion der Neuerungen. Auch ging es um die Internalisierung externer Effekte, Entkopplung wirtschaftlichen Wachstums und Naturnutzung. Der Klimawandel erhielt besondere Aufmerksamkeit.

Ferner beschloss der Europäische Rat im zweijährigen Rhythmus einen indikatorengestützten Fortschrittsbericht zu erstellen (siehe: Rat der Europäischen Union 2006b, Tz. 33). Im darauffolgenden Jahr erschien erstmals ein Fortschrittsbericht (Europäische Kommission 2007).

224

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Thema Sozioökonomische Entwicklung Nachhaltiger Verbrauch und nachhaltige Produktion Soziale Eingliederung Demografische Veränderungen Öffentliche Gesundheit Klimawandel und Energie

Nachhaltiger Verkehr Natürliche Ressourcen

Globale Partnerschaft Gute Staatsführung

Leitindikator Reales Pro-Kopf-BIP Ressourcenproduktivität Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Menschen (*) Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer Lebenserwartung bei Geburt (**) Treibhausgasemissionen Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch(**) Primärenergieverbrauch Energieverbrauch des Verkehrs im Verhältnis zum BIP Index weit verbreiteter Vogelarten Fischfang aus Beständen außerhalb sicherer biologischer Grenzen Öffentliche Entwicklungshilfe (**) [kein Leitindikator]

(*) ab 2008, (**) ab 2004 Quelle: in Anlehnung an Eurostat 2013, S.8 (siehe auch http://ec.europa.eu/eurostat) Tab. 7-12: Nachhaltigkeitsindikatoren in der Europäischen Union

Das Statistische Amt der EU legte ebenfalls einen ausführlichen Indikatorenbericht vor (Eurostat 2007). In Tab. 7-12 sind die Indikatoren der beiden oberen Betrachtungsebenen aufgeführt. Die Systematik weicht von den Handlungsfeldern der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie 2006 ab, da Eurostat die Struktur in den Jahren zuvor bereits festgelegt hatte. Demnach wird jedes der zehn Themenfelder durch einen Leitindikator, in einem Fall durch zwei Leitindikatoren, operationalisiert. Die Indikatoren dieser Ebenen sollen die übergreifende Zielsetzung der Strategie überwachen und die breite Kommunikation unterstützen. Jedes Unterthema wird ebenfalls mit einem Leitindikator konkretisiert. Es gibt eine weitere Ebene mit 78 umsetzungsorientierten Indikatoren. Der von Eurostat vorgestellte Satz umfasst insgesamt 122 Indikatoren, weitere sind für den jeweiligen Kontext möglich (Eurostat 2007, S. 5 f.). Die Probleme bei der Umsetzung der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie liegen – wie bei den meisten Strategien – in der nach wie vor ungenügenden Verzahnung zwischen den einzelnen Fachpolitiken. Gerade bei der europäischen Strategie, die vor allem eine übergreifende Zielsetzungs- und Koordinationsfunktion für die Mitgliedsstaaten erfüllt, ist die institutionelle Basis (Arbeitsstrukturen, Gesetzesfolgenabschätzung, verbindliche Vorgaben) immer noch verbesserungswürdig. Bei der Nachhaltigkeitsstrategie wie auch der Lissabon-Strategie wurden Umweltziele additiv hinzugefügt, ohne sie mit ökonomischen Interessen und anderen Fachpolitiken abzustimmen (SRU 2008, Tz. 11, 15 und 38). Insgesamt ist die Region Europa bei der politischen Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung dennoch ein Vorreiter. Alle Mitgliedsstaaten der EU wie auch die Schweiz verfügen spätestens seit 2005 über eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Das European Sustainable Development Network (ESDN, www.sd-network.eu) unterstützt die nationalen Prozesse seit 2002 durch eine informelle Plattform u. a. mit jährlichen Konferenzen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

225

Zum gegenwärtigen Stand des Prozesses der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie kann man feststellen, dass die Lissabon Strategie, die vom Europäischen Rat im Jahr 2000 – wie schon erwähnt - mit dem Ziel initiiert bzw. beschlossen wurde, Europa zur wettbewerbsfähigsten und innovativsten Region weltweit zu machen, mit der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie parallel einherging. Etwas allgemein formuliert: es gab also eine Strategie für wirtschaftliche Entwicklung bzw. Wirtschaftswachstum und eine Strategie für Nachhaltigkeit, die nicht optimal zusammengeführt werden konnten. Die Lissabon Strategie lief im Jahr 2010 aus und wurde durch die Strategie Europa 2020 ersetzt. Sie soll Wachstum und Nachhaltigkeit fördern, d.h. sie soll nachhaltiges Wachstum generieren. Die Ziele der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie wie die Verringerung von Treibhausgasemissionen, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Erhöhung der Ausgaben für Innovationen und Armutsbekämpfung sind integraler Bestandteil der Strategie Europa 2020. In welchem Maße diese Zusammenführung in dieser Dekade gelingt, lässt sich gegenwärtig noch nicht klar erkennen, zumal diese Strategie noch durch die Auswirkungen der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise überlagert wird. Im Folgenden wird die Nachhaltigkeitsstrategie der deutschen Bundesregierung als ein Beispiel für eine umfassende Strategie vorgestellt.

7.2.2

Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands

Die Einrichtung eines Staatssekretärsausschusses als „Green Cabinet“ geht auf einen Beschluss der deutschen Bundesregierung im Jahr 2000 zurück. Der Ausschuss ist die zentrale Entscheidungs- und Koordinationsinstanz der deutschen Nachhaltigkeitspolitik. Im Jahr 2001 berief die Bundesregierung überdies den Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE, Nachhaltigkeitsrat) unter Vorsitz von Volker Hauff, der bereits in der Brundtland-Kommission mitwirkte. Dem Rat kam als unabhängige Institution die Aufgabe zu, den Nachhaltigkeitsprozess der Regierung durch Beratung und Projekte zu unterstützen sowie Dialoge mit der Öffentlichkeit zu führen. Der Nachhaltigkeitsrat ist zu einer der zentralen Institutionen für die Diskussion und Umsetzung von Nachhaltigkeit in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft geworden. Die Bundesregierung legte anlässlich der WSSD 2002 ihre erste nationale Nachhaltigkeitsstrategie unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ vor (Deutsche Bundesregierung 2002). Darin verpflichtet sich die heutige Generation dem Prinzip, selbst verschuldete Probleme heute zu lösen. Dabei wird die zentrale Bedeutung der gesellschaftlichen Akteure sowie des Wandels in den Produktions- und Konsumstrukturen betont. Weiterhin legt die Nachhaltigkeitsstrategie Leitregeln fest, die sich an die Aufteilung nach ökologischer, ökonomischer und sozialer Dimension anlehnen. Dabei werden u. a. die traditionellen ökologischen Managementregeln aufgeführt sowie weitere Regeln für Ökonomie und Soziales benannt (Deutsche Bundesregierung 2002, S. 50–52). Diese Grundlage zieht sich bis zur aktuellen Fassung der Nachhaltigkeitsstrategie durch. Die Systematik der Handlungsfelder und Indikatoren folgt nicht direkt den drei Nachhaltigkeitsdimensionen, sondern ist nach vier sogenannten „Koordinaten“ gruppiert. Dieses Vorgehen stieß auf Kritik, da es sich von der eingeführten Systematik der Nachhaltigkeitsdimensionen entfernte (Diefenbacher et al. 2004, S. 9 f.).

226

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Von den zahlreichen Beiträgen der Konsultation für eine Fortschreibung (vgl. z. B. in Landesregierung Rheinland-Pfalz 2005, S. 29 f.) gingen einige in den Fortschrittsbericht 2004 ein (Deutsche Bundesregierung 2004, S. 27 f.). Die gewählte Struktur der Handlungsfelder und Indikatoren blieb jedoch weitgehend erhalten. Im Jahr 2005 zog die scheidende Bundesregierung eine Bilanz ihrer politischen Arbeit mit dem „Wegweiser Nachhaltigkeit“ (Deutsche Bundesregierung 2005). Ein Jahr danach richtete der neu gewählte Bundestag den Parlamentarischen Beirat für Nachhaltige Entwicklung ein, der seitdem Anhörungen zu Themen wie Demografie und Infrastruktur, Generationenbilanz, Nachhaltigkeitsprüfung, Klimawandel sowie Generationengerechtigkeitsgesetz durchführte. Dann kam das Statistische Bundesamt als unabhängige Institution für das Monitoring hinzu und veröffentlichte zwei Indikatorenberichte (Statistisches Bundesamt 2007; Statistisches Bundesamt 2008). Diese Auswertungen bilden mittlerweile einen gesonderten Teil der Nachhaltigkeitsstrategie (Deutsche Bundesregierung 2008, Kapitel B). Die analysierten Indikatoren folgen noch der alten Systematik der vier Koordinaten. Darüber hinaus gründete die Bundesregierung ihr Nachhaltigkeitsverständnis erstmals auf die drei Nachhaltigkeitsdimensionen und erkannte in diesem Zusammenhang die besonderen ökologischen Erfordernisse an (Deutsche Bundesregierung 2008, S. 21): „… Umweltschutz, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und soziale Verantwortung sind so zusammenzuführen, dass Entscheidungen unter allen drei Gesichtspunkten dauerhaft tragfähig sind – in globaler Betrachtung. Die Erhaltung der Tragfähigkeit der Erde bildet die absolute äußere Grenze; in diesem Rahmen ist die Verwirklichung der verschiedenen politischen Ziele zu optimieren (Deutsche Bundesregierung 2008, S. 21).“ Eine nachhaltigkeitsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung, im Februar 2007 noch vom Parlamentarischen Beirat behandelt, ist ein zentrales Instrument zur Integration der Nachhaltigkeit in die politischen Abläufe (Deutsche Bundesregierung 2008, S. 33). Damit wird deutlich, dass die Abstimmung der einzelnen Fachpolitiken mit dem übergreifenden Nachhaltigkeitskonzept essenziell ist. Auch setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass viele Ziele nur zusammen mit den Bundesländern und Kommunen umsetzbar sind. Beispielsweise ist das Ziel einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme auf 30 Hektar täglich nur dann zu erreichen, wenn die Länder den entsprechenden raumplanerischen Rahmen setzen und die Kommunen die Baulandausweisung danach ausrichten. Die Fassung der Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2008 enthält dementsprechend eigens zwei Kapitel, die zusammen mit den Ländern bzw. den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet wurden (Deutsche Bundesregierung 2008, Kapitel G und H). Am 15. Oktober beschloss das Bundeskabinett den Fortschrittsbericht 2012. Ein wichtiger Bestandteil des Fortschrittsberichts 2012 ist wiederum der vom Statistischen Bundesamt seit 2008 im zweijährigen Rhythmus eigenständig erstellte Indikatorenbericht. In ihm werden die Entwicklungstrends der 21 Nachhaltigkeitsindikatoren und der Grad ihrer Zielerreichung dargestellt. Ein wesentlicher Bestandteil der Fortschrittberichte ist auch weiterhin der „gesellschaftliche Konsultationsprozess“ nach dem Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Organisationen die Möglichkeit haben sich einzubringen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

227

In den vergangenen Jahren gab es vielfältige Anregungen hinsichtlich der Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitsprozesses in Deutschland. So wurde beispielsweise festgestellt, dass trotz des mittlerweile umfassenden institutionellen Rahmens – in Abb.7-15 nochmals zusammengefasst – die Integration von Nachhaltigkeit in die gesamte Politik weiter zu forcieren ist (SRU 2008, Tz. 54). Dies ist nötig, um den strategischen Zusammenhang bezüglich der drei Nachhaltigkeitsdimensionen, Schwerpunkte, Ziele, Maßnahmen sowie der dazwischen liegenden Konflikte zu verbessern (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2004, S. 1 f.). Beispielsweise berücksichtigt die „Agenda 2010“ der deutschen Bundesregierung die Ökologie nicht – es besteht trotz der begrifflichen Ähnlichkeit kein Bezug zur Agenda 21 (Zahrnt 2003). Statistisches Bundesamt

Nachhaltigkeitsrat

Parlamentarischer Beirat

Länder

Kommunen

Teilnahme, Beiträge Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung

V or b er

g

hm e

Ressort

tu n

Arbeitsgruppe für Nachhaltige Entwicklung

a ln

Ressort

ng

i Te

Ressort

L ei

Entscheidungen

Be ric hte

Geschäftsstelle (im Bundeskanzleramt)

eitu

Ressort

Ressort

Nachhaltigkeitsprüfung

Gesetzesfolgenabschätzung

Quelle: in Anlehnung an Deutsche Bundesregierung 2008, S. 34 Abb. 7-15: Institutionen der deutschen Nachhaltigkeitspolitik

Gerade im Kontext eines umwelttechnischen Fortschritts und einer ökologischen Modernisierung wird die Frage, ob Wirtschaftswachstum und Umwelt miteinander zu vereinbaren sind bzw. ob die Effizienzorientierung ausreicht, nicht zufriedenstellend beantwortet. Die Bundesregierung umging die wichtige Kontroverse um die Stärke von Veränderungen lange Zeit mit der Aussage „[…] dass unser Vorschlag als Mittelweg zwischen zwei Maximalpositionen gut

228

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

vertretbar ist (Deutsche Bundesregierung 2004, S. 26).“ Somit ist hier kein Ansatz einer starken Nachhaltigkeit erkennbar. Eine solche Entwicklung würde ambitioniertere und auch langfristige Umweltentlastungsziele, die über die vielfach verfolgte Effizienz hinausgehen, notwendig machen (SRU 2008, Tz. 51). Es geht bei der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vielmehr um eine insgesamt positive Entwicklung im Sinne der schwachen Nachhaltigkeit. Im Jahr 2009 hat die Bundesregierung eine Gruppe internationaler Experten eingeladen, zu dem Fortschritt der Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland Stellung zu nehmen. Die Expertengruppe sollte weiterhin Empfehlungen zur Förderung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft formulieren. Der Bericht der Expertengruppe hatte den Titel „Sustainability-Made in Germany“. 2012 wurde die Expertengruppe erneut eingeladen um einen zweiten Fortschrittsbericht zu erstellen. Neben Empfehlungen zu den einzelnen Handlungsfeldern wie den sozialen Zusammenhalt, Wohlstand und Wohlergehen weiter zu fördern und Nachhaltigkeit wirkungsvoller in alle Bildungsstufen zu integrieren, kommen sie auch zu grundsätzlicheren Empfehlungen. So sollen die vorbereitenden Arbeiten für Fortschreibung der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 spätestens 2014 beginnen. „Die Fortschreibung der Strategie sollte nicht einfach nur als abspulen eines weiteren Routineprocederes betrachtet werden. Wir empfehlen beim Beginn des Überarbeitungsprozesses die durch den globalen Kontext und die europäische Politik für die nächsten Jahre vorgegebenen Meilensteine fest im Blick zu haben. Dazu zählen die Auswirkungen der fiskalischen Schuldenbremse, der Zeitplan der Energiewende und, auf globaler Ebene, insbesondere die bereits erwähnten zentralen Prozesse zur Nachhaltigkeit, die für 2015 geplant sind, wie beispielsweise das neue Abkommen im Kontext des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen …, die universellen Nachhaltigkeitsziele sowie die deutsche G8-Präsidentschaft im Jahr 2015 (Rat für Nachhaltige Entwicklung 2013, S. 70f).“

7.2.3

Die Nachhaltigkeitsstrategie von Rheinland-Pfalz

Die deutschen Bundesländer haben u. a. in den Bereichen Bildungspolitik, regionale Wirtschaftsförderung sowie Raumordnung und Umweltschutz besondere Gestaltungsmöglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung (Deutsche Bundesregierung 2002, S. 70). Die Länder trugen der Nachhaltigkeit anfangs mit Umweltberichten und -plänen Rechnung und der Austausch zwischen den Ländern konzentrierte sich auf die Erarbeitung gemeinsamer Umweltindikatoren. Der Nachhaltigkeitsrat forderte die Bundesländer schließlich im Juni 2005 zur Erstellung umfassender Nachhaltigkeitsstrategien auf und auch die Umweltverbände nahmen sich der Thematik verstärkt an (v. a. DNR et al. 2007). Nachhaltigkeitsstrategien in deutschen Bundesländern Schleswig-Holstein war das erste Flächenland mit einer Nachhaltigkeitsstrategie auf der Basis der drei Nachhaltigkeitsdimensionen (Landesregierung Schleswig-Holstein 2004). Die Strategie rückte nach dem Regierungswechsel 2005 zunächst in den Hintergrund. Erst 2009 wurde der Prozess wieder öffentlich geführt. In Nordrhein-Westfalen mündete der umfangreiche Pro-

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

229

zess (Dokumentation: Landesregierung Nordrhein-Westfalen, MUNLV 2003; Landesregierung Nordrhein-Westfalen, MUNLV 2004) nach dem Regierungswechsel 2005 erst gar nicht in eine Nachhaltigkeitsstrategie. Rheinland-Pfalz hingegen legte im gleichen Jahr erstmals eine umfassende indikatorenbasierte Nachhaltigkeitsstrategie vor (Landesregierung Rheinland-Pfalz 2005). Baden-Württemberg eröffnete im Jahr 2007 seinen projektorientierten Nachhaltigkeitsprozess „Jetzt das Morgen gestalten“. Das Land Hessen folgte 2008 mit einem ähnlichen Ansatz, der anfänglich ebenfalls ohne ein umfangreiches Strategiedokument auskam. In den letzten Jahren wurden die anfänglichen Bemühungen jedoch wieder vernachlässigt. Im Folgenden steht das Beispiel der rheinland-pfälzischen Nachhaltigkeitsstrategie im Fokus, da diese unter den deutschen Ländern als ein Vorreiter gilt. Sie wurde ganz wesentlich von dem Verfasser dieses Buches und Mitarbeitern entwickelt.5 Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ist zentraler Bestandteil der Systematik von Handlungsfeldern und Indikatoren. Die Methodik unterstützte auch den Analyse- und Erstellungsprozess. Beispiele für den Einsatz des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks Die Vorbereitung der Nachhaltigkeitsstrategie umfasste die Analyse bestehender Ziele der Landesregierung sowie die Sammlung und Prüfung von Handlungsfeldern und Indikatoren. Die Ordnung der Vielfalt führte im Jahr 2004 zur Entwicklung des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks. Deshalb wird in den nachfolgenden Abschnitten die Anwendung der Methodik im Nachhaltigkeitsprozess der Landesregierung Rheinland-Pfalz aufgezeigt. Prozess der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstratgie Das Ziel war von Beginn an, jedes Handlungsfeld in der zu erstellenden Nachhaltigkeitsstrategie mit Indikatoren zu unterlegen. Das erforderte eine umfassende Bestimmung möglicher Indikatoren, da bisher nur wenige entsprechende Vorarbeiten für die Landesebene in Rheinland-Pfalz existierten. Die Indikatorenanalyse beinhaltete daher die eingehende Untersuchung von lokalen, regionalen, nationalen und teils internationalen Indikatorenansätzen (Landesregierung Rheinland-Pfalz 2005, S. 45 f.). Die gesammelten und abgeglichenen Indikatoren konnten somit zu einer ersten Sammlung für die rheinland-pfälzische Nachhaltigkeitsstrategie verdichtet werden. Die Gesamtheit aller recherchierten Indikatoren ist kaum darstellbar. Von den knapp einhundert in einem Tabellenkalkulationsprogramm verwalteten und ausgewerteten Indikatoren galt die Hälfte als geeignet. Durch die aktuelle Fortschreibung des Nachhaltigkeitsberichts liegt das fünfte Agenda-21Programm vor. Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum 2009-2011. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Entwicklung eines Nachhaltigkeitsberichtes und der Fortschreibung dieses Berichts um einen Prozess handelt, bei dem es zu Anpassungen bzw. auch methodischen Weiterentwicklungen kommen kann. Das gilt auch für den vorliegenden Bericht, bei dem es einige Änderungen in den Bezeichnungen und auch einige inhaltliche Neuerungen gibt. Das

5

Ich danke meinem ehemaligen Mitarbeiter Alexandro Kleine und meiner ehemailigen Mitarbeiterin Helena Schiffer für die inspirierende Mitarbeit an der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie für Rheinland-Pfalz.

230

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Ziel der vorgenommenen Änderungen im Indikatorenbericht 2011 ist, die Belastbarkeit der Indikatoren und die Vergleichbarkeit mit dem Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes zu erhöhen. Damit soll der Erkenntniswert des Berichts für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verbessert werden (Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung 2011, S. 104 ff.) Der Indikatorenbericht 2011 ist in sieben Nachhaltigkeitsbereiche gegliedert, während es im dritten Bericht noch acht waren. Die Nachhaltigkeitsbereiche sind wiederum in 21 Handlungsfelder unterteilt, d. h. ein Handlungsfeld weniger als in dem Bericht von 2009. Das Grundkonzept des Nachhaltigkeitsdreiecks wurde jedoch beibehalten. In ihm lassen sich die Beziehungen der drei Dimensionen sehr gut aufzeigen. Ein Beispiel hierfür ist das Handlungsfeld „Ressourcenproduktivität“, dem die beiden Indikatoren „Rohstoffproduktivität“ und „Energieproduktivität“ zugeordnet sind. Die Nutzung von Rohstoffen und Energie ist nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft relevant. Steigende Rohstoff- und Energieproduktivität trägt zur Umweltentlastung und gleichzeitig zur Entlastung der Produktionskosten bei (Ökoeffizienz). Die folgenden Ausführungen zeigen exemplarisch vier Nachhaltigkeitsbereiche auf, die weiter nach Handlungsfeldern und Indikatoren differenziert werden. Dabei werden die Entwicklungen der einzelnen Indikatoren für Rheinland-Pfalz immer mit den Werten des Bundesdurchschnitts verglichen. Es beginnt mit dem stark ökologischen Nachhaltigkeitsbereich.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

231

Quelle: Abbildung nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz 2011, S.107 Abb. 7-16: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz

Der Nachhaltigkeitsbereich Natürliche Lebensgrundlagen wird in drei Handlungsfelder mit sieben Indikatoren untergliedert, wie aus der folgenden Tabelle zu entnehmen ist. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass Boden Luft und Wasser elementare natürliche Grundgüter des menschlichen Lebens sind. Handlungsfeld

Indikator

A.a Biodiversität

Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert Ökologischer Zustand der Fließgewässer Qualität des Grundwassers Luftqualität Waldzustand Treibhausgasenussionen Erneuerbare Energien

A.b Umwelt

A.c Klimaschutz und erneuerbare Energeien

Quelle: Tabelle nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz 2011, S.120 Tab. 7-13: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz: Natürliche Lebensgrundlagen

232

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Der Indikator „Waldfläche deutlich geschädigter Bäume in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1990-2011“ zeigt, wie sich der Indikator über einen bestimmten Zeitraum entwickelt hat. Hier – wie bei den folgenden Indikatoren - geht es nun um die politische Entscheidung, wie sich dieser Indikator in der Zukunft entwickeln soll und welche politischen Maßnahmen hierfür erforderlich sind. Dadurch bekommt Politik einen hohen Verbindlichkeitsgrad.

Anteil an der Waldfläche deutlich geschädigter Bäume in RheinlandPfalz und in Deutschland 1990-2010 40 35 30 25 20

Rheinland-Pfalz

15

Deutschland

10 5 90/93 91/94 92/95 93/96 94/97 95/98 96/99 97/00 98/01 99/02 00/03 01/04 02/05 03/06 04/07 05/08 06/09 07/10

0

Quelle: Abbildung nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz 2011, S.120 Abb. 7-17: Anteil der Waldfläche deutlich geschädigter Bäume in Rheinland-Pfalz und in Deutschland in %, 19902010

Der Nachhaltigkeitsbereich „Wirtschaftskraft“ wird in drei Handlungsfelder untergliedert, denen drei Indikatoren zugeordnet werden. Dabei wird deutlich, dass der übliche Indikator Bruttoinlandsprodukt nicht mit einbezogen wurde. Die für die Wirtschaftskraft relevanten Indikatoren sind die Arbeitsproduktivität, Bruttoanlageinvestitionen und die Ausgaben für Forschung und Bildung.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

233

Handlungsfeld

Indikator

C.a Wertschöpfung

Arbeitsproduktivität

C.b Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge

Bruttoanlageinvestitionen

C.c Innovation

Ausgaben für Forschung und Entwicklung

Quelle: Tabelle nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz 2011, S.157 Tab. 7-14: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz : Wirtschaftskraft

In der folgenden Abbildung wird der Indikator „Arbeitsproduktivität“ für Rheinland-Pfalz mit jenem für Deutschland verglichen. Im Anschluss daran geht es um die politisch relevante Frage, welches Ziel die Regierung von Rheinland-Pfalz für diesen Indikator für die Zukunft vorgibt. Daran anschließend müssen die Instrumente festgelegt werden, mit denen das Ziel erreicht werden soll. Arbeitsproduktivität in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1998-2010 115 110 105 100 95 90

Deutschland Rheinland-Pfalz

85

Quelle: nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz: Perspektiven für Rheinland-Pfalz - Nachhaltigkeitsstrategie: Fortschreibung 2011, S.158 Abb. 7-18: Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1998-2010

Der dritte Nachhaltigkeitsbereich, der vorgestellt werden soll, hat den Titel „Gesellschaftliche Verantwortung“. Dabei geht es um die drei Handlungsfelder Bürgerengagement, sicheres Zusammenleben und Entwicklungspolitik. Ihnen werden die Indikatoren freiwillig engagierte Menschen, gemeldete und aufgeklärte Straftaten und öffentliche Ausgaben für Entwicklungspolitik zugeordnet.

234

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Handlungsfeld

Indikator

E.a Bürgerengagement

Freiwillig engagierte Menschen

E.b Sicheres Zusammenleben

Gemeldete und aufgeklärte Straftaten

E.c Entwicklungspolitik

Öffentliche Ausgaben für Entwicklungspolitik

Quelle: nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz: Perspektiven für Rheinland-Pfalz - Nachhaltigkeitsstrategie: Fortschreibung 2011, S.209 Tab. 7-15: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz: Gesellschaftliche Verantwortung

Betrachtet man sich die Indikatoren gemeldete und aufgeklärte Straftaten, so wird aus den Schaubildern deutlich, dass es sich um zwei Indikatoren handelt, die getrennt zu betrachten sind. Es wird wieder ein Vergleich zwischen Rheinland-Pfalz und Deutschland vorgenommen. Auch hier stellt sich die Frage, welches politische Ziel vorgegeben wird und wie das Ziel erreicht werden soll. Hier ist natürlich weiter in die verschiedenen Gruppen von Straftaten zu differenzieren. Aufgeklärte Straftaten je 100 erfasste Straftaten

Gemeldete Straftaten je 100 000 Einwohner 9500

65

8500

60 55

7500

50

6500

45

5500 1990

1995

Deutschland

2000

2005

2010

Rheinland-Pfalz

40 1990

1995

2000

Deutschland

2005

2010

Rheinland-Pfalz

Quelle: nach Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz: Perspektiven für Rheinland-Pfalz - Nachhaltigkeitsstrategie: Fortschreibung 2011, S.214 Abb. 7-19: Gemeldete und aufgeklärte Straftaten in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1991-2010

Betrachtet bzw. bewertet man die Nachhaltigkeitsstrategie von Rheinland-Pfalz, so kann man Folgendes feststellen:

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

235

 Die Nachhaltigkeitsstrategie von Rheinland-Pfalz hat für die Regierung einen hohen Verbindlichkeitsgrad.  Bei der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie, aber auch bei der Fortschreibung, wurden die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen partizipativ mit einbezogen.  Da nicht alle Handlungsfelder immer in gleichem Maße angestrebt und umgesetzt werden können, hat man sich dafür entschieden, für bestimmte Phasen Leitplanken zu definieren, die dann für einen bestimmten Zeitraum einen Vorrang haben.  Die Nachhaltigkeitsstrategie ist keine statische, sondern eine dynamische Strategie, die schon bisher Anpassungen erfahren hat, aber auch in Zukunft Anpassungen erfordert. Ergebnis: Systematisierung der „Perspektiven für Rheinland-Pfalz“ Die inhaltliche Systematik der Nachhaltigkeitsstrategie folgt dem Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck. Damit war die Erfassung aller drei Dimensionen und deren Zusammenhänge möglich. Ziel des ökologisch-ökonomischen Bereiches ist es beispielsweise, mit dem unvermeidlichen Verbrauch natürlicher Ressourcen einen möglichst hohen wirtschaftlichen Mehrwert zu generieren. Hier findet sich das Verständnis einer Ökoeffizienz von Abschnitt 4.2. Der Landesregierung geht es auch um einen Strukturwandel als Vorbereitung auf zukünftig sinkende Ressourcenverfügbarkeiten. Dazu sollen moderne und kooperative Instrumente eingesetzt werden. In Rheinland-Pfalz, das über ausgeprägte ländliche Strukturen verfügt, tritt die Zielsetzung eines regionalen Wirtschaftens hinzu, um u. a. die Potenziale einer lokalen Wertschöpfung zu nutzen. Ausblick Die Nachhaltigkeitsstrategie für RheinlandPfalz verbindet die fachlichen Grundlagen einer nachhaltigen Entwicklung mit den politischen Zielen des Landes. Die angewandte Systematik erlaubt eine umfassende Zusammenstellung von Handlungsfeldern und Indikatoren und stellt den Bezug zur Nachhaltigkeitsdiskussion, wie sie in diesem Lehrbuch aufgezeigt wurde, her.

Herausforderungen einer Abstimmung mit nationalen Zielen Ein landesbezogener Zielwert zur Begrenzung der Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr wäre aus einer einfachen Umrechnung des bundesdeutschen Ziels möglich: Für Rheinland-Pfalz ergibt die bundesweite Zielsetzung von 30 Hektar pro Tag bis 2020 ca. 1,7 ha/d (bezogen auf die Fläche) oder knapp 1,5 ha/d (bezogen auf die Einwohner). Diese Rechnung wäre aber nur gültig, wenn alle Bun-

Die Indikatoren bilden eine wichtige Grundlage desländer den gleichen Bedingungen unterliegen. Da Rheinland-Pfalz eine andere Ausgangssituation der Nachhaltigkeitsstrategie. Für deren Weiter- für herrscht (u. a. ländliche Prägung und Bevölkerungsentwicklung ist – wie in Abschnitt 7.1.3 darge- entwicklung), können die obigen Werte lediglich eistellt – die Festlegung von Zielwerten empfeh- nen Impuls für eine Diskussion im Land geben. Die lenswert. Damit kann die Orientierung und die bundesweiten Ziele sollten also nicht unbedacht übernommen werden. Verbindlichkeit der Strategie erhöht werden. Die Diskussion um weitere Zielwerte kann zum Treiber einer breiten gesellschaftlichen Diskussion werden. In diesem Kontext ist beispielsweise die Zielsetzung positiv zu werten, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 auf 30 % zu steigern (Landesregierung Rheinland-Pfalz 2007, S. 71).

236 Nachhaltigkeitsbereich / Handlungsfeld A. Natürliche Lebensgrundlagen A.a Biodiversität

A.b Umwelt

A.c Klimaschutz und eneuerbare Energien

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Indikator

Datenquelle

1 Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert

Fortschreibung des Projektberichts vom März 2011 (BfN, MULEWF, LUWG)

1 Ökologischer Zustand der Fließgewässer 2 Qualität des Grundwassers 3 Luftqualität 4 Waldzustand 1 Treibhausgasemissionen

LUWG LUWG, LIKI MWKEL (TÜV Rheinland) MULEWF CO2-Bilanzen, UGRdL, UBA

2 Erneuerbare Energien

Energiebilanz

B. Ressourcennutzung B.a Flächeninanspruchnahme B.b Ökologisches Wirtschaften B.c Ressourcenproduktivität

1 Siedlungs- und Verkehrsfläche

Flächenerhebung

1 Anbaufläche des ökologischen Landbaus 1 Energieproduktivität

Argrarstrukturerhebung

2 Rohstoffproduktivität B.d Konsum und Produk- 1 Kohlendioxid-Emissionen privater Haushalte und Kleinverbraucher tion 2 Betriebliches Umweltmanagement und Zertifizierung C Wirtschaftskraft C.a Wertschöpfung C.b Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge C.c Innovation D Leistungsfähigkeit der Gesellschaft D.a Bildung und Qualifizierung

Energiebilanz, VGR UGRdL CO2-Bilanzen, UBA EMAS: LIKI, FSC: Gemeinde- und Städtebund

1 Arbeitsproduktivität 1 Bruttoanlageinvestitionen

VGRdL VGRdL

1 Ausgaben für Forschung und Entwicklung

StBA, Stifterverband/Wissenschaftsstatistik, BMBF, VGRdL

1 Schulabsolventinnen und -absolventen mit Migrationshintergrund 2 Studienanfängerinnen und -anfänger

Statistik der allgemeinbildenden Schulen

3 Frauen in technischen/naturwissenschaftlichen Studienfächern 4 Qualifikationsniveau der 25- bis 34-Jährigen 5 Öffentliche Ausgaben für Bildung

Fortschreibung des Bevölkerungsstands (StaLa RP, StaBu), Studentenstatistik (Studienanfänger) (StaLa RP, StaBu) Studentenstatistik (Studierende) (StaLa RP, StaBu) Mikrozensus (StaLa, StaBu) Bildungsfinanzbericht [Destatis], VGRdL

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen Nachhaltigkeitsbereich / Handlungsfeld D.b Perspektiven für Familien

D.c Erwerbstätigkeit und Einkommen

D.d Handlungsfähigkeit des Staates

E Gesellschaftliche Verantwortung E.a Bürgerengagement E.b Sicheres Zusammenleben E.c Entwicklungspolitik F Lebensumfeld F.a Mobilität

F. Erholung G. Bevölkerung G.a Gesundheit und Ernährung G.b Demografische Entwicklung

Indikator 1 Ganztagsbetreuung für Kinder im Vorschulalter

2 Arbeitgeber mit Zertifikat der berufundfamilie gGmbH 1 Erwerbstätige

1 Schuldenstand des öffentlichen Gesamthaushalts, 2 Finanzierungssaldo des Öffentlichen Gesamthaushalts

1 Freiwillig engagierte Menschen 1 Gemeldete und aufgeklärte Straftaten 1 Öffentliche Ausgaben für Entwicklungspolitik

237 Datenquelle

Stat. der Kinder und tätigen Personen in Tageseinrichtungen oder öff. geförderter Kindertagespflege, Fortschreibung des Bevölkerungsstandes berufundfamilie gGmbH Mikrozensus (für Erwerbstätigenquote) (StaLa RP, StaBu), Beschäftigungsstatistik BfA (sozialvers.pfl. & geringfügig Beschäftigte, Arbeitnehmerüberlassung), Fortschreibung Des Bevölkerungsstands (Beschäftigtenquote) (StaLa, StaBu) Schuldenstatistik, Rechnungsergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts

Freiwilligensurvey (TNS Infratest Sozialforschung) Polizeiliche Kriminalstatistik (BKA) BMZ

1 Kohlendioxid-Emissionen des Verkehrs 2 Beförderungsleistung des öffentlichen Personennahverkehrs

CO2-Bilanzen, UBA, Statistisches Bundesamt: Personenverkehr mit Bussen und Bahnen

1 Erholungsfläche in Kernstädten

Flächenerhebung, UGRdL

1 Vorzeitige Sterblichkeit

Statistik der Sterbefälle, Fortschreibung des Bevölkerungsstandes Mikrozensus, Schuleingangsuntersuchung Fortschreibung des Bevölkerungsstands (StaLa RP, StaBu), Bevölkerungsvorausberechnung (StaLa RP. StaBu) Fortschreibung des Bevölkerungsstands (StaLa RP, StaBu)

2 Übergewichtige Menschen 1 Bevölkerungsentwicklung

2 Altersstruktur der Bevölkerung

Quelle: in Anlehnung an Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz: Perspektiven für Rheinland-Pfalz - Nachhaltigkeitsstrategie: Fortschreibung 2011 Tab. 7-16: Nachhaltigkeitsbereiche, Handlungsfelder und Indikatoren der „Perspektiven für Rheinland-Pfalz 2011“

238

7.3

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Hemmnisse für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung

Die Gestaltung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien bzw. -konzepten erfolgt durch eine Vielzahl und Vielfalt von Akteuren bzw. Trägern. Dabei gibt es Akteure bzw. Träger, die einen offiziellen Auftrag bzw. eine politische bzw. gesellschaftspolitische Legitimität dafür haben und solche, die Einfluss nehmen, ohne dafür einen offiziellen bzw. legitimen Auftrag zu haben. Träger für die Gestaltung und Umsetzung nachhaltiger Entwicklung sind Personen und/oder Institutionen wie beispielsweise Ministerien oder Stadtparlamente, die auf der Grundlage gesetzlicher oder anderweitig legitimierter Befugnisse Einfluss auf die Rahmenbedingungen nehmen können. Dies ist eine Abgrenzung, die auch für andere Politikbereiche wie die Wirtschaftspolitik gilt (Neck, Schneider 2013, S. 51 ff.). Im engeren Sinne kann man davon ausgehen, dass staatliche, d. h. öffentlich-rechtliche Institutionen als Träger zu benennen und einzuordnen sind. In einem föderalistischen System wie der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet man drei Ebenen:  die Bundesebene (Bundesregierung, wozu auch das Parlament und der Bundesrat zählen),  die Landesebene (Landesregierung) und  die kommunale Ebene (Gemeinderat). Im Kontext nachhaltiger Entwicklung kommen noch Unternehmen und andere Organisationen wie kirchliche Einrichtungen, Schulen und Hochschulen, aber auch Verbände hinzu, die entsprechend der Agenda 21 aufgefordert sind, eigenverantwortlich Nachhaltigkeitskonzepte für ihre jeweilige Organisation zu entwickeln und umzusetzen. Dagegen sind Interessenverbände bzw. -organisationen nicht als Träger zu verstehen, da sie keinen offiziellen Auftrag bzw. Mandat hinsichtlich der Entwicklung einer nationalen, regionalen oder lokalen Nachhaltigkeitsstrategie haben. Dennoch gibt es vielfältige Formen der Einflussnahme durch Interessenorganisationen, was man häufig mit dem Begriff des Lobbyismus bezeichnet. Diese Form der Einflussnahme wird in der Literatur teilweise kontrovers diskutiert, wobei insgesamt eine kritische Position gegenüber dem Lobbyismus bzw. den Lobbyisten in der Literatur vorherrscht. So stellen beispielsweise Leif und Speth fest, dass Lobbying eine punktuelle Vertretung von Partikularinteressen ist, die keinen Bezug zum Gemeinwohl haben (Leif, Speth 2006, S. 10). Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass es Lobbyisten wie beispielsweise Umweltverbände gibt, die nachhaltige Entwicklung mit ihren Aktivitäten bzw. Programmen in der Regel fördern. Es gibt jedoch auch Lobbyisten, die eine nachhaltige Entwicklung eher hemmen bzw. verhindern. Insofern stehen sich hier konträre Vertreter von Lobbyorganisationen gegenüber: jene, die Nachhaltigkeit fördern und jene, die sie hemmen. Ob und in welchem Maße ein Ungleichgewicht besteht, lässt sich empirisch nicht erfassen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf jene Organisationen, die nachhaltige Entwicklung hemmen. Es stellt sich nun die Frage, wodurch das Handeln der Akteure bestimmt wird. Dabei geht es um die Analyse und Erklärung politischer Entscheidungsprozesse, die zunächst im Rahmen

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

239

der Politikwissenschaft, der Soziologie, aber auch der Psychologie vorgenommen wurden. In der Ökonomie wendet sich diesem Themenbereich die Neue Politische Ökonomie bzw. Ökonomische Theorie der Politik zu. Die Neue Politische Ökonomie wurde ganz wesentlich durch Arbeiten von Joseph Schumpeter (1942), Anthony Downs (1957) und James Buchanan und Gordon Tullock (1962) geprägt. Analog zu Märkten, auf denen Güter durch Angebot und Nachfrage gehandelt werden, geht es im Rahmen der Neuen Politischen Ökonomie um Märkte, auf denen politische Güter gehandelt werden. Unter politischen Gütern versteht man z. B. Steuerermäßigungen, Subventionen an Unternehmen oder Transferleistungen an Haushalte oder um Maßnahmen im Kontext nachhaltiger Entwicklung, die von Politikern angeboten und von Wählern nachgefragt werden. Die Ökonomische Theorie der Interessenverbände ist ein wichtiger Forschungsbereich der Neuen Politischen Ökonomie, der nun in Grundzügen vorgestellt wird. Ökonomische Theorie der Interessenverbände In der Literatur besteht heute ein breiter Konsens, dass Interessenverbände in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft einen erheblichen Einfluss haben. Der Einfluss wird teilweise sehr hoch eingeschätzt, weshalb auch von der Herrschaft der Verbände gesprochen wird. Dieser Zustand wird – wie schon erwähnt – vielfach kritisch bewertet. Interessenverbände bzw. -organisationen vertreten spezifische Interessenlagen gesellschaftlicher Gruppierungen. Hier kann man von eigennützigem Handeln der verschiedenen Interessenverbände für ihre Mitglieder bzw. ihr Klientel ausgehen. Nun könnte man annehmen, dass sich zumindest idealtypischerweise alle Interessenlagen in einer Gesellschaft in gleichem Maße organisieren und Einfluss nehmen. Wäre dies der Fall, so könnte man in einem weiteren Schritt von einer Machtbalance der Interessenverbände ausgehen, wonach sich der Einfluss der verschiedenen Interessenlagen durch die Lobbyisten ausgleicht bzw. neutralisiert. Diesen Zusammenhängen und Fragestellungen wendet sich Mancur Olson in seinem berühmten Standardwerk "Die Logik des kollektiven Handelns" (1968) zu. In den folgenden Ausführungen werden einige Erkenntnisse von Olson kurz vorgestellt. Er geht davon aus, dass nicht alle potenziellen Gruppen in einer Demokratie in gleichem Maße fähig sind, sich in Interessenverbänden zu organisieren. Insofern geht er von einem Ungleichgewicht der politischen Einflussnahme von Interessenorganisationen aus, was sich zumindest durch folgende Dreigliederung begründen lässt:  einige Interessenlagen werden sehr effizient vertreten,  einige Interessenlagen werden weniger effizient vertreten, und  einige Interessenlagen werden überhaupt nicht vertreten. Zunächst werden die beiden Ebenen näher betrachtet, bei denen Interessenlagen effizient bzw. weniger effizient vertreten werden. Dabei ordnet er bestimmte Leistungen von Interessenverbänden, wie die gezielte Beeinflussung der Regierung durch eine bestimmte Gruppe, als Kollektivgut ein. Hier stellt sich nun die Frage nach der Bedeutung des Kollektivgutes für die Organisationsfähigkeit eines Interessenverbands. Zunächst begründet sich die Mitgliedschaft in einem Interessenverband damit, dass der positive Nutzen aus der Mitgliedschaft die Mitgliedskosten übersteigt. Eine Minimalanforderung wäre, dass der Nutzen zumindest nicht geringer als die Mitgliedskosten ist. Kollektivgüter bzw. öffentliche Güter weisen häufig noch

240

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

die Besonderheit auf, dass nicht alle Individuen von dem Konsum des öffentlichen Gutes ausgeschlossen werden können, die sich nicht an den Kosten zur Erstellung des Kollektivgutes beteiligen. Daher spricht man auch von dem Trittbrettfahrerverhalten oder dem Prinzip des Free Rider. Setzt sich beispielsweise ein landwirtschaftlicher Verband gegenüber der Regierung für Agrarsubventionen ein, auch wenn diese die konventionelle Landwirtschaft fördern, was als nicht-nachhaltig einzuordnen ist, so profitieren von dieser Maßnahme gegebenenfalls auch Landwirte, die in dem Verband nicht Mitglied sind und sich mit dem Mitgliedsbeitrag an den Kosten für Personal und Organisation des Verbandes nicht beteiligen (Reef 2010, S. 300 ff.). Im Extremfall könnte es sein, dass kein Landwirt mehr Mitglied in dem Verband ist und der Verband sich daher auflöst, obwohl alle potenziellen Mitglieder von dem Nutzen profitieren würden. Daher kommt Olson zu der Erkenntnis, dass kleine und mittlere Gruppen, die sich durch sehr ähnliche Interessen auszeichnen, besser bzw. stabiler organisiert sind als große Interessenorganisationen mit einer heterogenen Interessenlage. Obwohl große Interessenorganisationen häufig ein breiteres Angebot an Dienstleistungen aufweisen und daher auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, ist die Stabilität kleiner und mittlerer Interessenorganisationen in der Regel größer. Für große Interessenorganisationen ist es daher besonders wichtig, dass sie auch Leistungen (private Güter) anbieten, die nur den Mitgliedern zugute kommen. Daher ist die Mitgliederzahl von Interessenorganisationen häufig kein ausreichender Indikator für ihre Effizienz. Dagegen gibt es auch potenzielle Interessenlagen wie jene von Kindern oder auch von alten Menschen, die sich bisher nur unzureichend organisieren ließen. Daher ist es zu unspezifisch, von der Macht bzw. Herrschaft der Interessenverbände zu sprechen. Diese Bewertung gilt nur für eine relativ kleine Gruppe von Interessenverbänden. Über den Einfluss der Interessenverbände gibt es eine Reihe von empirischen Untersuchungen. Dabei sind jedoch die Einflüsse, beispielsweise Änderungen der Zollgesetzgebung oder von Steuergesetzen, aber auch bei der Einführung von Subventionen, empirisch schwer nachzuweisen. Strukturelle Hemmnisse für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung Die folgenden Ausführungen werden sich auf einige ausgewählte Hemmnisse, die sich aus bestimmten Strukturen ableiten lassen, beschränken. Aus den Anforderungen an die nachhaltige Entwicklung, wie sie in Kapitel zwei ausführlich aufgezeigt wurden, lassen sich unmittelbar konkrete Bereiche von Hemmnissen ableiten. So stößt die Anforderung sowohl der intraals auch der intergenerationellen Gerechtigkeit bei einer Reihe von Verbänden grundsätzlich auf Widerstand, da Umverteilung nicht in ihrem Interesse liegt. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Verteilungsgerechtigkeit – wie schon einleitend in Kapitel 5 kurz aufgezeigt wurde - entwickelt hat. Wendet man sich zunächst der intragenerationellen Gerechtigkeit zu, so kann man feststellen, dass die Einkommensdisparitäten in vielen Ländern, so auch in Deutschland, besonders in den beiden letzten Dekaden zugenommen haben. Eine Ursache für die Einkommensungleichheit wird im Rahmen der Wettbewerbsverzerrung auf dem Arbeitsmarkt diskutiert. Dabei geht es um die Begründung bzw. Klärung unterschiedlicher Einkommen bei gleicher Arbeit zum Beispiel zwischen Männern und Frauen.

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

241

Die Einkommensdisparitäten können aber auch durch steigende Kapitaleinkommen der oberen Einkommensgruppen verstärkt werden. Die vereinten Nationen stellen beispielsweise in ihrem “ Bericht über die menschliche Entwicklung 2010“ fest, dass der Anteil der Kapitaleinkommen am Gesamteinkommen bei den oberen Einkommensgruppen stark ausgeprägt ist und zugenommen hat. Dieser Sachverhalt ist bei der Analyse der Einkommensdisparitäten von großer Bedeutung (UN 2010, S. 89). Es ist jedoch festzustellen, dass die wachsende nationale, aber auch globale Einkommensdisparität seit einigen Jahren von Experten, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen in zunehmendem Maße kritisch reflektiert wird. Diese kritische Reflektion findet jedoch bei vielen Wirtschaftsverbänden nicht statt sondern sie rechtfertigen vielfach noch die Verteilungssituation: Die Entwicklung wird oft mit dem Argument der Leistungsgerechtigkeit gerechtfertigt. Zur Bewertung dieser Entwicklungstendenzen kann festgestellt werden: Wachstum, das eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen fördert, ist nicht nachhaltig. In diesem Zusammenhang können z.B. auch die ungleiche Behandlung im Gesundheits- und Bildungssystem eingeordnet werden. Betrachtet man sich die intergenerationelle Gerechtigkeit, so kann auch hier festgestellt werden, dass sowohl der Klimawandel mit all seinen negativen Folgen als auch die hohe staatliche Verschuldung, besonders unter Berücksichtigung des demographischen Wandels, der nachhaltigen Entwicklung zuwider läuft. Die nächste bzw. die nächsten Generationen werden dadurch in starkem Maße belastet. Auch die sozialen Sicherungssysteme führen für die zukünftige Generation zu größeren Einschränkungen. Hier ist festzustellen, dass viele Interessenorganisationen keinen aktiven Beitrag zur Klimaschutzpolitik leisten bzw. ihm teilweise entgegenwirken. So wurde immer wieder von Umweltverbänden wie Greenpeace und auch von Corporate Europe Observatory (CEO) kritisiert, dass im Rahmen der EU Bemühungen um das Ziel „nachhaltiger Verkehr“ die Emissionswerte neu zu bestimmen bzw. zu verringern, Interessenvertretungen der Automobilindustrie Einfluss auf die EU-Kommission genommen haben (CEO 2007, Greenpeace 2008). Dieser Einfluss setzte sich in Deutschland auf nationaler Ebene fort, als es darum ging, die Durchsetzung von „zu geringen Abgasnormen“ der EU durch die Automobilindustrie zu vermeiden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie nicht zu gefährden. Insofern kam es hier zu einer doppelten Einflussnahme der Automobilindustrie. Daher erhalten Nachhaltigkeitskonzepte großer Automobilkonzerne in Hochglanzbroschüren ihren eigenen Charakter. Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass die ökonomischen Interessen über den Klimaschutz gestellt werden. Ein anderes Beispiel ist die „Atomlobby“ (Deutsches Atomforum e.V.), die in Deutschland erfolgreich zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken beitrug. In anderen Ländern betreiben die Atomverbände noch heute eine erfolgreiche Lobbypolitik, bei der die ökonomischen Interessen ebenfalls über den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung stehen. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Ein wichtiges Hemmnis ist das weiterhin bestehende Primat der Ökonomie gegenüber den beiden anderen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung, das von mächtigen Interessenverbänden in ihrem Sinne gefordert bzw. gefördert wird. So dominiert die schwache Nachhaltigkeit über die starke, aber auch über die ausgewogene Nachhaltigkeit. Sowohl die Politik als auch viele Verbände präferieren eindeutig die Stärkung des quantitativen Wachstums gegenüber einem nachhaltigen Wachstum. Die Diskussion über die

242

7 Umsetzung nachhaltiger Entwicklung an konkreten Beispielen

Beziehung von Wachstum und Lebensqualität bzw. Wohlfahrt, die auch im Rahmen einer Enquetekommission stattfand, hat bisher in die Politik höchstens partiell Einzug gefunden. Viele Politikbereiche wie die Verkehrspolitik, aber auch die Gesundheitspolitik und besonders die Landwirtschaftspolitik werden stark durch Lobbyisten beeinflusst und stehen zumindest teilweise den Anforderungen nachhaltiger Entwicklung entgegen. Dabei sollten jedoch nicht die Möglichkeiten der Einflussnahme durch Konsumenten vernachlässigt werden. Die Diskussion zu dem Thema „nachhaltiger Konsum“ zeigt vielmehr, dass die Konsumenten vielfältige Möglichkeiten und im Rahmen nachhaltiger Entwicklung auch die Verpflichtung haben, den Einfluss von Lobbyisten durch ihr Konsumverhalten einzuschränken und damit zu einer positiven Entwicklung zur Nachhaltigkeit beizutragen (vgl. u. a. Weller 2014).

– Anhang –

Abbildungen Abb. 1-1:

Weltweite Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien 2003 und 2010 .............17

Abb. 2-1:

Dilemmasituation .............................................................................................39

Abb. 2-2:

Interdependente Nutzenfunktion ......................................................................40

Abb. 2-3:

Handlungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung ........................................55

Abb. 2-4:

Strukturelle Darstellung der drei Paradigmen zur nachhaltigen Entwicklung .....................................................................................................60

Abb. 3-1:

Technologische Umweltinnovationen nach Industriesektoren.........................80

Abb. 3-2:

Additive und integrierte Umwelttechnik ..........................................................95

Abb. 3-3:

Bereich des stückkostensenkenden umwelttechnischen Fortschritts ............. 100

Abb. 3-4:

Bereich des stückkostengleichen umwelttechnischen Fortschritts ................. 100

Abb. 3-5:

Bereich des stückkostensteigernden umwelttechnischen Fortschritts ............ 101

Abb. 3-6:

Nutzenabwägung zwischen Produktionsmenge und Ressourceneinsatz ........ 102

Abb. 3-7:

Substitutionseffekt durch veränderte Produktionstechnik .............................. 103

Abb. 3-8:

Nutzenabwägung bei geringer Ressourcenwertigkeit .................................... 104

Abb. 3-9:

Nutzenabwägung bei hoher Ressourcenwertigkeit ........................................ 105

Abb. 4-1:

Verlauf der Ressourcenproduktivität in Deutschland .................................... 111

Abb. 4-2:

Prozess- und Produktorientierung während des Lebenszyklus ...................... 113

Abb. 4-3:

Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch beim Vorrang der Ökonomie ................................................................................................ 121

Abb. 4-4:

Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch beim Vorrang der Ökonomie und moderater Ressourcenproduktivität................................. 122

Abb. 4-5:

Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch bei einer Ökoeffizienz von Faktor 4 ............................................................................. 123

Abb. 4-6:

Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch in Industrieländern bei einer Ökoeffizienz von Faktor 10.................................. 124

Abb. 4-7:

Entwicklung von Wirtschaft und Ressourcenverbrauch in Industrieländern bei maximaler Ökoeffizienz ................................................ 125

246

Abbildungen

Abb. 4-8:

Wirtschaftliche Bedeutung und Versorgungsrisiko unterschiedlicher Rohstoffe für die EU...................................................................................... 133

Abb. 4-9:

Konsumpfade unterschiedlicher Nutzungsprofile.......................................... 136

Abb. 4-10:

Schematische Darstellung einer Wertstoffkette und deren Auswirkungen in Raum und Zeit ................................................................... 143

Abb. 5-1:

Utilitaristisches Optimum zweier Einzelnutzen ............................................. 147

Abb. 5-2:

Utilitaristisches Optimum zweier Einzelnutzen ............................................. 150

Abb. 6-1:

Darstellung der nachhaltigen Entwicklung als nicht haltbares SäulenKonzept.......................................................................................................... 163

Abb. 6-2:

Darstellung der nachhaltigen Entwicklung als haltbares SäulenKonzept.......................................................................................................... 164

Abb. 6-3:

Schnittmengen-Modell der drei Säulen einer nachhaltigen Entwicklung ...... 165

Abb. 6-4:

Das Nachhaltigkeitsdreieck ........................................................................... 165

Abb. 6-5:

Der Business Case einer nachhaltigen Entwicklung ...................................... 166

Abb. 6-6:

Umfassender Zielbezug einer nachhaltigen Entwicklung .............................. 167

Abb. 6-7:

Zuordnung der Handlungsfelder auf den Seiten des Nachhaltigkeitsdreiecks ................................................................................. 167

Abb. 6-8:

Fraktal-Diagramm ......................................................................................... 168

Abb. 6-9:

Mischung von drei Komponenten im Gibbschen Dreieck ............................. 169

Abb. 6-10:

Das Integrierende Nachhaltigkeitsdreieck ..................................................... 170

Abb. 6-11:

Orthogonales Koordinatensystem im IND..................................................... 173

Abb. 6-12:

Idealtypische Koordinaten der Felder des Integrierenden Nachhaltigkeitsdreiecks ................................................................................. 174

Abb. 6-13:

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess einer Nachhaltigkeitsstrategie ........ 176

Abb. 6-14:

Kontextabhängige Betrachtungs- und Aggregationsebenen .......................... 178

Abb. 6-15:

Beziehungsstrukturen im IND ....................................................................... 179

Abb. 7-1:

Entwicklung des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes in Deutschland ................................................................................................... 184

Abb. 7-2:

Entwicklung ausgewählter Indikatoren aus der Umweltökonomischen Gesamtrechnung ............................................................................................ 186

Abb. 7-3:

Entwicklung des ökologischen Fußabdrucks für Deutschland ...................... 188

Abb. 7-4:

Entwicklung des Human Development Index (HDI) ausgewählter Länder ............................................................................................................ 190

Abbildungen

247

Abb. 7-5:

Entwicklung des Index of Sustainable Economic Welfare für Deutschland .................................................................................................... 194

Abb. 7-6:

Entwicklung der Genuine Savings ................................................................. 195

Abb. 7-7:

Aggregation der einzelnen Umweltkategorien in der ÖkoeffizienzAnalyse .......................................................................................................... 207

Abb. 7-8:

Beispielhafte Darstellung eines Ökoeffizienz-Portfolios ............................... 209

Abb. 7-9:

Berechnung des Sustainable Value Added .................................................... 210

Abb. 7-10:

Ablauf zur projektbezogenen Nachhaltigkeitsbewertung .............................. 218

Abb. 7-11:

Gesamtbewertung und Schwerpunkt der Projektgestaltung des Radwege-Netzes in der Prignitz ..................................................................... 219

Abb. 7-12:

Nachhaltigkeitscheck zur Projektgestaltung des Radwege-Projektes ............ 220

Abb. 7-13:

Handlungsfelder für die Projektwirkungen im Bereich der Radwege und des Wassertourismus im Integrierenden Nachhaltigkeitsdreieck ............221

Abb. 7-14:

Gesamtbewertung und Schwerpunkt der eingeschätzten Projektwirkungen des Radwege-Netzes in der Prignitz ................................. 222

Abb. 7-15:

Institutionen der deutschen Nachhaltigkeitspolitik ........................................ 227

Abb. 7-16:

Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie RheinlandPfalz ............................................................................................................... 231

Abb. 7-17:

Anteil der Waldfläche deutlich geschädigter Bäume in Rheinland-Pfalz und in Deutschland in %, 1990-2010 ............................................................ 232

Abb. 7-18:

Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1998-2010 ................................................................................. 233

Abb. 7-19:

Gemeldete und aufgeklärte Straftaten in Rheinland-Pfalz und in Deutschland 1991-2010 ................................................................................. 234

Tabellen Tab. 2-1: Gegenüberstellung der Verhaltensmodelle Homo oeconomicus und Homo sustinens .......... 28 Tab. 2-2: Beispiele für die drei Leitstrategien einer nachhaltigen Entwicklung .............................. 65 Tab. 3-1: Problembereiche ökologischer Nachhaltigkeit ............................................................. 78 Tab. 3-2: Ansätze technologischer Umweltinnovationen nach Anwendungsbereich ....................... 79 Tab. 3-3: Handlungsfelder und Indikatoren für nachhaltige Gewerbegebiete ................................. 92 Tab. 4-1: Ausprägungen zur Systematisierung der Ökoeffizienz ................................................ 119 Tab. 4-2: Ökologische Wirksamkeit von Umweltinnovationen .................................................. 128 Tab. 4-3: Technische und soziale Innovationen für eine höhere Öko- und Ressourceneffizienz ........ 130 Tab. 4-4: Möglichkeiten zur Ressourceneffizienzsteigerung...................................................... 140 Tab. 7-1: Ausgewählte Indikatoren und Messkonzepte zur nachhaltigen Entwicklung ................. 182 Tab. 7-2: Parameter und Berechnungen des Human Development Index für Deutschland ............ 190 Tab. 7-3: Korrekturgrößen des Genuine Progress Indicator ....................................................... 193 Tab. 7-4: Synopse des Ansatzes von Stiglitz, Sen und Fitoussi .................................................. 199 Tab. 7-5: CSD-Kernindikatoren einer nachhaltigen Entwicklung ............................................... 202 Tab. 7-6: Kernindikatoren für Unternehmen gemäß GRI-Version 3.0......................................... 204 Tab. 7-7: Betriebliche Kennzahlen gemäß VDI 4070................................................................ 205 Tab. 7-8: Vom WBCSD empfohlene Größen für die Ökoeffizienz ............................................. 206 Tab. 7-9: Indikatoren und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland – Nationale Nachhaltigkeitsstrategie .......................................................................................... 213 Tab. 7-10: Indikatoren und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland – Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren ............................................. 214 Tab. 7-11: Betrachtungsumfang von Monitoringansätzen für nationale Nachhaltigkeitsstrategien ........................................................................................ 215 Tab. 7-12: Nachhaltigkeitsindikatoren in der Europäischen Union ............................................... 224 Tab. 7-13: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz: Natürliche Lebensgrundlagen .................................................................................. 231 Tab. 7-14: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz: Wirtschaftskraft .......................................................................................................................................... 233 Tab. 7-15: Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie Rheinland-Pfalz: Gesellschaftliche Verantwortung ................................................................................................................. 234 Tab. 7-16: Nachhaltigkeitsbereiche, Handlungsfelder und Indikatoren der „Perspektiven für RheinlandPfalz 2011“ ....................................................................................................................... 236

Literatur Achzet, B., Zepf, V., Meissner, S., Reller, A.: Strategie für einen verantwortlichen Umgang mit Metallen und deren Ressourcen, in: Chemieingenieurtechnik, 82 Nr. 11, 2010, S. 19131924. Acker-Widmaier, G.: Intertemporale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften. Zur normativen Begründung des Leitbildes, Marburg 1999. Acosta, S.: Waldschutz: Neue internationale Allianzen, in: Altner, G. u. a. (Hrsg.): Grüner Umbau – Neue Allianzen für die Umwelt, Jahrbuch Ökologie, Stuttgart 2011, S. 108-116. Adam, E., von Hauff, M., John, M.: Social Protection in Southeast and East Asia; Singapore 2002. Adebahr, C., Kefferpütz, R., Niemann, N., Viëtor, M.: Whitepaper Ressourcenstrategie: Rohstoffstrategien – Deutsche Rohstoffpolitik im internationalen Vergleich, Stiftung Neue Verantwortung e. V., Berlin 2011. Agenda-Transfer: Gemeinsam empfohlene Indikatoren zur kommunalen Nachhaltigkeit; Bonn 2003 Abruf 05.12.2003. Anderson, B., M’Gonigle, M.: Does Ecological Economics Have a Future? Contradiction and Reinvention in the Age of Climate Change, in: Ecological Economics 84, 2012, S. 37-48. Ascher, W.: Long-Term Strategy for Sustainable Development – Strategies to Promote Farsighted Action; in: Sustainability Science, 1. Jg. (2006) H. 1; S. 15–22. Asheim, G. B.: Net National Product as an Indicator of Sustainability; in: Scandinavian Journal of Economics, 96. Jg. (1994) H. 2; S. 257–265. Ayres, R. U.: Eco-thermodynamics – Economics and the Second Law; in: Ecological Economics, Bd. 26 (1998) H. 2; S. 189–209. Ayres, R. U., van Leynseele, T.: Eco-Efficiency, Double Dividends and the Sustainable Firm. Working Paper, Nr. 97/34/EPS; Fontainebleau 1997. Bals, C.: Rio 2012 – ein Gipfel mit Aussicht auf die Grenzen des Tuns, in: Leitschuh, H. u. a. (Hrsg.): Wende überall?, Jahrbuch Ökologiee, Stuttgart 2012, S. 11-15. Barbier, E. B.: The Concept of Sustainable Economic Development; in: Environmental Conservation, 15. Jg. (1987) Nr. 2; S. 101–110. Barro, R. J., Grilli, V., Ahrns, H.-J. Ü. Makroökonomie – europäische Perspektive; München, Wien 1996.

250

Literatur

Bartmann, H.: Substituierbarkeit von Naturkapital; in: Held, M., Nutzinger, H. G. (Hrsg.): Nachhaltiges Naturkapital – Ökonomik und zukunftsfähige Entwicklung; Frankfurt, New York 2001; S. 50–68. Baum, H.-G., Albrecht, T., Raffler, D.: Umwelt- und Ressourcenschutz als Unternehmensziel – Steigerung des Unternehmenswerts durch Ressourcenmanagement; Wiesbaden 2007. Baumgartner, R. H., Biermann, H.: Öko-Effizienz als Beitrag zur Nachhaltigkeit? Defizite der Öko-Effizienz und Möglichkeiten zu deren ganzheitlichen Beachtung, in: Baumgartner, R. H., Biedermann, H. (Hrsg.): Öko-Effizienz: Konzepte, Anwendungen und Best Practices, München 2009, S. 9-25. Becker, G. S.: Altruism, Egoism and Genetic Fitness: Economics and Sociobiology, in: Journal of Economic Literature 14/1976, S, 817-826. Belitz, H., Schrooten, M.: Innovationssysteme – Motor der Wirtschaft; in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 77. Jg. (2008) H. 2; S. 5–10. Bentham, J.: Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung; in: Höffe, O. (Hrsg.): Einführung in die utilitaristische Ethik; Tübingen 1992; S. 55–82. Bergson, A.: A Reformulation of Certain Aspects of Welfare Economics; in: The Quarterly Journal of Economics, 52. Jg. (1938) H. 2; S. 310–334. Berle, A., Means, G.: The Modern Corporation and Private Property; New York 1932. Birke, M.: Modernisierung, ökologische; in: Schulz, W. F., Burschel, C., Weigert, M., Liedtke, C. u. a. (Hrsg.): Lexikon Nachhaltiges Wirtschaften; München, Wien 2001, S. 249–252. Blasche, S.: Begründung des Sozialstaates aus philosophischer Sicht; in: Blasche, S., von Hauff, M. (Hrsg.): Leistungsfähigkeit von Sozialstaaten; Marburg 2003; S. 11–28. Bleischwitz, R.: Ressourcenproduktivität – Innovationen für Umwelt und Beschäftigung; Berlin u. a. 1998. Blewitt, J.: Understanding Sustainable Development, London 2012. BMU, Econsense, CSM (Hrsg.): Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen – von der Idee zur Praxis: Managementansätze zur Umsetzung von Corporate Social Responsibility und Corporate Sustainability; Berlin, Lüneburg 2007. Bourdieu, P.: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Kreckel, R. (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198. Boons, F., Montalvo, J. Q., Wagner, M.: Sustainable Innovation, Business Models and Economic Performance: an Overview, in Journal of Cleaner Production 45, 2013, S. 1-8. Bosshardt, F. W.: Ökoeffizienz – das Leitmotiv des World Business Council for Sustainable Development; in: von Weizsäcker, E.-U., Seiler-Hausmann, J.-D. (Hrsg.): Ökoeffizienz – Management der Zukunft; Berlin, Basel, Boston 1999; S. 21–29. Boulding, K. E.: Die Ökonomie als Moralwissenschaft; in: Boulding, K. E. (Hrsg.): Ökomie als Wissenschaft; München 1976; S. 123–143.

Literatur

251

Bourdieu, P.: Le capital social. Notes provisoires; in: Actes de la Recherche en Sciences Sociales, 1980 H. 31; S. 2–4. Bourdieu, P.: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital; Göttingen 1983; S. 183–198. Braat, L.: The Predictive Meaning of Sustainability Indicators; in: Kuik, O. (Hrsg.): In Search of Indicators of Sustainable Development; Dordrecht 1991; S. 57–70. Braczyk, H.-J., Cooke, P., Heidenreich, M.: Regional innovation systems – the role of governances in a globalized world; London 1998. Bradford, D., Gouldsen, A., Hemmelskamp, J., Kottmann, H., Marsanich, A.: The Impact of the EU Eco-Audit Regulation on Innovation in Europe; Sevilla 2000. Brand, K.-W., Jochum, G.: Der Deutsche Diskurs zu Nachhaltiger Entwicklung; München 2000 (MPS-Texte; Nr. 1/2000) Abruf 27.01.2009. Bregha, F., Jacob, K., Pintér, L., Swanson, D., Volkery, A.: National Strategies for Sustainable Development – Challenges, Approaches and Innovations in Strategic and Co-ordinated Action – Based on a 19-country Analysis; Winnipeg, Bonn 2004 Abruf 22.07.2004. Brown-Weiss, E.: In Fairness to Future Generations – International Law, Common Patrimony and Intergenerational Equity; New York 1989. Buchanan, J. M., Tullock, G.: The Calculus of Consent, Logical Foundations of Constitutional Democracy, an Arbor 1962. Buchholz, W.: Intergenerational Equity and Environmental Economics, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Regensburg, 1997. BUND, Brot für die Welt, EED (Hrsg.): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt – ein Anstoß zur gesellschaftlichen Debatte; Frankfurt 2009. BUND, Misereor (Hrsg.): Zukunftsfähiges Deutschland – ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung; Basel 1996. Bundesministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit (BMU): Auf dem Weg zu einer Nachhaltigen Entwicklung in Deutschland, Bericht der Bundesregierung anlässlich der UN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York, Bonn 1997. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Ökologische Industriepolitik – Memorandum für einen 'New Deal' von Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung; Berlin 2006 Abruf 20.04.2009. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): GreenTech made in Germany – Umwelttechnologie-Atlas für Deutschland; München 2007. Burger, P.: Die Crux mit dem Zielwissen – Erkenntnisziele in transdisziplinärer Nachhaltigkeitsforschung und deren methodologische Implikationen; in: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, 14. Jg. (2005) H. 2; S. 50–56. Callens, I., Tyteca, D.: Towards indicators of sustainable dvelopment for firms – A productive efficiency perspective; in: Ecological Economics, Bd. 28 (1999) H. 1; S. 41–53.

252

Literatur

Carlowitz, H. C. von: Sylvicultura oeconomica oder haußwirtschaftliche Nachricht und naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht; Leipzig 1713 (Reprint Freiberg 2000). CEO (ed.): Car Industry Flexes its Muscles, Commission Bows Down, http://archive.corporateeurope.org/carlobby.htm/#note03 2007, Abgerufen 1.Juli 2012. Cobb, C. W., Halstead, T., Rowe, J.: The Genuine Progress Indicator – Summary of Data an Methodology, San Francisco 1995. Christmann, S.: Die Ressourcenfrage – Imperialismus oder Intelligenz?, in: Jahrbuch der Ökologie, URL: http://www.jahrbuch-oekologie.de.christmann2008.pdf, Stand: 12.05.2012. Cobb, C. W.: The Index of Sustainable Economic Welfare; in: Daly, H. E., Cobb, J. B. (Hrsg.): For the Common Good – Redirecting the Economy toward Community, the Environment, and a Sustainable Future; Boston 1989; S. 401–457. Cobb, C. W., Halstead, T., Rowe, J.: The Genuine Progress Indicator – Summary of Data and Methodology; San Francisco 1995. Coenen, R., Grunwald, A. (Hrsg.): Nachhaltigkeitsprobleme in Deutschland – Analyse und Lösungsstrategien; Berlin 2003. Coleman, J. S.: Social Capital in the Creation of Human Capital; in: American Journal of Sociology, Bd. 94 (1988) Beilagenheft; S. 95–120. Common, M., Stagl, S.: Ecological Economics – an Introduction; Cambridge, New York, Melbourne 2005. Corsten, H., Gössinger, R., Schneider, H.: Grundlagen des Innovationsmanagements; München 2006. Corsten, H., Roth, S.: Nachhaltigkeit als integriertes Konzept, in: Corsten, H., Roth, S. (Hrsg.): Nachhaltigkeit-Unternehmerisches Handeln in globaler Verantwortung, Wiesbaden 2012, S. 1-13. Costanza, R., Cumberland, J., Daly, H. E., Goodland, R., Norgaard, R., Eser, T. W., Schwaab, J. A., Seidl, I., Stewen, M.: Einführung in die Ökologische Ökonomik; Stuttgart 2001. Costanza, R., Patten, B. C.: Defining and Predicting Sustainability; in: Ecological Economics, Bd. 15 (1995) H. 3; S. 193–196. CSI: The Social Footprint – Introduction and Proof of Concept; Draft 3.1 (2006) Abruf 23.08.2006. Cyert, R. M., March, J. G.: A behavioral theory of the firm; Englewood Cliff 1963. Czymmek, F.: Ökoeffizienz und unternehmerische Stakeholder; Köln 2003. Czymmek, F., Freier, I., Hesselbarth, C., Kleine, A.: Corporate Social Responsibility; in: Baumast, A., Pape, J. (Hrsg.): Betriebliches Umweltmangement – vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement, 3. Aufl.; Stuttgart 2008; S. 241–254. Dalal-Clayton, B., Bass, S.: Sustainable Development Strategies – a Resource Book; London 2002.

Literatur

253

Dalal-Clayton, B., Bass, S.: Monitoring and Reviewing National Sustainable Development Strategies; in: OECD (Hrsg.): Institutionalising Sustainable Development; Paris 2007; S. 95–129. Daly, H. E.: Toward Some Operational Principles of Sustainable Development; in: Ecological Economics, Bd. 2 (1990) H. 1; S. 1–6. Daly, H. E.: On Nicholas Georgescu-Roegen’s Contribution to Economics – an Obituary Essay; in: Ecological Economics, Bd. 13 (1995) H. 3; S. 149–154. Daly, H. E.: Wirtschaft jenseits vom Wachstum – die Volkswirtschaftslehre nachhaltiger Entwicklung; Salzburg, München 1999 (Original: Beyond Growth – The Economics of Sustainable Development; Boston 1996). Daly, H. E., Farley, J.: Ecological Economics – Principles and Applications, Second Edition, Washington 2011. Dasgupta, P., Heal, G.: The Optimal Depletion of Exhaustible Ressources; in: The Review of Economic Studies Symposium, 41. Jg. (1974); S. 3–28. Davies, G. R.: A Praising Week and Strong Sustainability: Searching for a Middle Ground, in: The Journal of Sustainable Development, Vol. 10, ISS.1, 2013, S. 111-124. Deutsche Bundesregierung: Perspektiven für Deutschland – Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung. Berlin 2003. Deutsche Bundesregierung: Fortschrittsbericht 2004 zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie – Endfassung. Berlin 2004. Deutsche Bundesregierung: Wegweiser Nachhaltigkeit – Bilanz und Perspektiven. Berlin 2005. Deutsche Bundesregierung: Für ein nachaltiges Deutschland – Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie; Berlin 2008. Deutsche Bundesregierung: Wie wollen wir morgen leben? – Stimmen der Öffentlichkeit aus den Konsultationen zum Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie Abruf 19.11.2008. Deutscher Bundestag: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung; Bundestagsdrucksache, Nr. 13/5050; Berlin 1996. Diefenbacher, H.: Der Index of Sustainable Economic Welfare – Eine Fallstudie über die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland; in: Diefenbacher, H., Habicht-Erenler; S. (Hrsg.): Wachstum und Wohlstand – neuere Konzepte zur Erfassung der Sozial- und Umweltverträglichkeit; Marburg 1991; S. 73–88. Diefenbacher, H., Karcher, H., Stahmer, C., Teichert, V.: Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung im regionalen Bereich – Ein System von ökologischen, ökonomischen und sozialen Indikatoren; Texte und Materialien, R. A, Nr. 42; Heidelberg 1997. Diefenbacher, H.: Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – Zum Verhältnis von Ethik und Ökonomie; Darmstadt 2001.

254

Literatur

Diefenbacher, H., Frank, A., Leipner, I., Teichert, V., Wilhelmy, S.: Indikatoren nachhaltiger Entwicklung in Deutschland – ein alternatives Indikatorensystem zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie; Texte und Materialien, R. B, Nr. 30; Heidelberg 2004. Diefenbacher, H., Zieschank, R.: Wohlfahrtsmessung in Deutschland – ein Vorschlag für einen neuen Wohlfahrtsindex, Heidelberg 2008. van Dieren, W. (Hrsg.): Mit der Natur rechnen – der neue Club-of-Rome-Bericht – vom Bruttosozialprodukt zum Ökosozialprodukt; Basel 1995. Dierkes, M.: Menschen, Gesellschaft, Technik – Auf dem Wege zu einem neuen gesellschaftlichen Umgang mit der Technik; in: Wildenmann, R. (Hrsg.): Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft – Wege zu einem neuen Grundverständnis; Stuttgart 1985; S. 41–59. Deutscher Naturschutzring (DNR), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Naturschutzbund (NABU) (Hrsg.): Strategien für Nachhaltigkeit – die Rolle der Bundesländer bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung – Dokumentation der Konferenz vom 5. Juli 2007 in Berlin; Bonn 2007. Downs, A.: An Economic Theory of Democracy, New York 1957 (deutsch: Politische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968). Dresner, S.: The Principles of Sustainability; London 2008. Dujmovits, R.: Ökonomik der ökologischen Nachhaltigkeit: Die Logik erschöpfbarer Ressourcen und die Fallstricke des technologischen Optimismus. Universität Graz - Institut für Finanzwissenschaft und Öffentliche Wirtschaft: Working Paper No. 2009-2; Graz 2009. Durth, R., Körner, H., Michaelowa, K.: Neue Entwicklungsökonomik; Stuttgart 2002. Dyllick, T., Hockerts, K.: Beyond the business case for corporate sustainability; in: Business Strategy and the Environment, 11. Jg. (2002) H. 2; S. 130–141. Ehrlich, P. R., Holdren, J. P.: Impact of population and growth; in: Science, Bd. 171 (1971); S. 1212–1217. Elbasha, E. H., Roe, T. L.: On Endogenous Growth – The Implications of Environmental Externalities; in: Journal of Environmental Economics and Management, Bd. 31 (1995); S. 240– 268. Elkington, J.: Towards the Sustainable Corporation – Win-Win-Win Business Strategies for Sustainable Development; in: California Management Review, Bd. 36 (1994) Nr. 2; S. 90–100. Empacher, C., Wehling, P.: Soziale Dimensionen der Nachhaltigkeit – Theoretische Grundlagen und Indikatoren; Studientexte des ISOE, Nr. 11; Frankfurt 2002. Endres, A.: Umweltökonomie, 4. Aufl.; Stuttgart 2013. Endres, A., Radke, V.: Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung; Berlin 1998. Endres, A., Querner, E.: Die Ökonomie natürlicher Ressourcen, Stuttgart 2000. Enquete-Kommission: Die Industriegesellschaft gestalten – Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen; Bundestagsdrucksache, Nr. 12/8260; Bonn 1994.

Literatur

255

Enquete-Kommission (Hrsg.): Konzept Nachhaltigkeit – vom Leitbild zur Umsetzung; Abschlußbericht der Enquête-Kommission ‚Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung’ des 13. Deutschen Bundestages; Zur Sache, Nr. 4/98; Bonn 1998. Epstein, M.J., Buhovac, A.R.: Making Sustainability Work, second edition, San Francisco 2014. Erlei, M., Leschke, M., Sauerland, D.: Neue Institutionenökonomik, 2. Aufl.; Stuttgart 2007. Europäische Kommission: A Sustainable Europe for a Better World – A European Union Strategy for Sustainable Development – Commission’s proposal to the Gotenburg European Council; Communication from the Commission, COM(2001)264final; Brüssel 2001. Europäische Kommission: Entscheidung für Wachstum – Wissen, Innovation und Arbeit in einer auf Zusammenhalt gegründeten Gesellschaft – Bericht für die Frühjahrstagung des europäischen Rates am 21. März 2003 über die Lisabonner Strategie zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung; Mitteilung der Kommission, KOM (2003) 5endgültig/2; Brüssel 2003. Europäische Kommission: National Sustainable Development Strategies in the European Union – a first analysis by the European Commission; Commission staff working document, 28.04.2004 Abruf 14.05.2004. Europäische Kommission: Überprüfung der Strategie für nachhaltige Entwicklung – ein Aktionsprogramm; Brüssel 2005; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Kom (2005) 658 endgültig. Europäische Kommission: Fortschrittsbericht 2007 zur Strategie für nachhaltige Entwicklung; Mitteilung der Kommission, KOM (2007) 642 endgültig; Brüssel 2007. Europäische Union: Vertrag über die Europäische Union – Vertrag von Maastricht; in: Europäisches Amtsblatt, Nr. C 191 (1992). Europäische Union, Europäische Gemeinschaften: Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte; in: Europäisches Amtsblatt, Nr. C 340 (1997). Europäischer Rat: Europäischer Rat am 15./16.06.1998 in Cardiff – Schlussfolgerungen des Vorsitzes; SN150/1/98Rev1-DE (1998) Abruf 18.04.2004). Europäischer Rat: Europäischer Rat am 23./24.04.2000 in Lissabon – Schlussfolgerungen des Vorsitzes; SN100/00 (2000) Abruf 07.09.2004. Europäischer Rat: Europäischer Rat am 15./16.06.2001 in Göteborg – Schlussfolgerungen des Vorsitzes; SN200/1/01Rev1-DE (2001) Abruf 06.09.2004. Eurostat: Die Messung der Fortschritte auf dem Wege zu einem nachhaltigen Europa – vorgeschlagene Indikatoren für die nachhaltige Entwicklung – Daten 1980–1999; Luxemburg 2001 Abruf 03.02.2004.

256

Literatur

Eurostat: Measuring progress towards a more sustainable Europe – 2007 monitoring report of the EU sustainable development strategy; Luxemburg 2007. Factor 10 Club: Carnoules Declaration 1994; o.O. 1994 Abruf 22.04.2009. Fehr, E., Schmidt, K. M.: A Theory of Fairness, Competition, and Cooperation, in: The Quaterly Journal of Economics, August 1999, S. 817-868. Feser, H.-D.: Nachhaltiger Wohlfahrtsstaat?; in: von Hauff, M., Lingnau, V., Zink, K. J. (Hrsg.): Nachhaltiges Wirtschaften; Baden-Baden 2008; S. 1–22. Figge, F.: Environmental Value Added – ein neues Maß zur Messung der Ökoeffizienz; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 14. Jg. (2001) H. 1–4; S. 184–197. Figge, F., Hahn, T.: Sustainable Value Added – Measuring Corporate Sustainable Performance beyond Eco-Efficiency; Lüneburg 2002. -Figge, F., Hahn, T.: Sustainable Value Added – ein neues Maß des Nachhaltigkeitsbeitrags von Unternehmen am Beispiel der Henkel KGaA; in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Bd. 73 (2004) H. 1; S. 126–141. Fischer-Kowalski, M.: Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung; Schriftenreihe Soziale Ökologie des Interuniversitären Instituts für Interdisziplinäre Forschung und Fort bildung Klagenfurt; Klagenfurt 1995. FIU – Forschungsverbund Innovative Wirkungen umweltpolitischer Instrumente (Joint Project on Innovation Impacts of Environmental Policy Instruments): Rundbrief September 1997, RWI, Essen 1997. Five Winds International: The Role of Eco-Efficiency – Global Challenges and Opportunities in the 21st Century; o. O. 2000 < http://www.fivewinds.com> Abruf 19.11.2002. Five Winds International: Eco-Efficiency and Material; Ottawa 2001 Abruf 19.11.2002. Foxon, T. J., Gross, R., Chase, A., Howes, J., Arnall, A., Anderson, D.: The UK Innovation Systems for New and Renewable Energy Technologies; in: Energy Policy, 33. Jg. (2005) H. 16; S. 2123-2137. Freeman, C.: Technology Policy and Economic Performance – Lessons from Japan; London 1987. Frenz, W., Unnerstall, H.: Nachhaltige Entwicklung im Europarecht, Baden-Baden 1999. Frey, B. S., Luechinger, S.: Concepts of Happiness and their Measurement; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Soziale Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2007; S. 219–237. Frondel, M., Horbach, J., Rennings, K.: End-of-pipe or Cleaner Production? An Empirical Comparison of Environmental Innovation Decisions across OECD Countries; in: Johnstone, N. (Hrsg.): Environmental Policy and Corporate Behaviour; Cheltenham 2007; S. 174–212. Fujii, H., Managi, S.: Which industry is greener? An empirical study of nine industries, in: Energy Policy 57 2013, S. 381-388.

Literatur

257

Funck, D., Pape, J.: Integrierte Managementsysteme; in: Baumast, A., Pape, J. (Hrsg.): Betriebliches Umweltmangement – vom Umwelt- zum Nachhaltigkeitsmanagement, 3. Aufl.; Stuttgart 2008; S. 93–102. Gege, M.: Kosten senken durch Umweltmanagement – 1000 Erfolgsbeispiele aus 100 Unternehmen; München 1997. Georgescu-Roegen, N.: The Entropy Law and Economic Process; Cambridge 1971. Giegrich, J., Möhler, S., Borken, J.: Entwicklung von Schlüsselindikatoren für eine nachhaltige Entwicklung; Bericht des Instituts für Energie- und Umweltforschung; Heidelberg 2003. Gillwald, K.: Konzepte sozialer Innovation; Paper der Querschnittsgruppe ‚Arbeit und Ökologie’ des Wissenschaftszentrums Berlin, Nr. 00-519; Berlin 2000. Glimcher, P. W., Fehr, E.: Introduction: A Brief History of Neuroeconomics, in: Glimcher, P. W., Camerer, C., Fehr, E., Poldrack, R. A. (eds.): Neuroeconomics 2009. Global Footprint Network: Footprint Analysen 2013 Abruf 22.01.2014. Göbel, E.: Neue Institutionenökonomik, Stuttgart 2002. Golub, A., Mahoney, M., Parlow, J.: Sustainability and Intergenerational Equity: Do Past Injustices Matter?, in: Sustainable Science, 8, 2013, S. 269-277. Gowdy, J. M., McDaniel, C. N.: The Physical Destruction of Nauru – an Example of Weak Sustainability; in: Land Economics, 75. Jg. (1999) H. 2; S. 333–338. Greenpeace: Klimaschutz unter den Rädern – Wie die Autoindustrie die Klimapolitik torpediert, http://www.greenpeace.de/themen/klima/nachrichten/artikel/mit_vollgas_richtung_klimawandel/ Abgerufen am 26. Juni 2012. GRI: Sustainability 23.08.2006.

Reporting

Guidelines

Abruf

GRI: Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung Abruf 18.08.2007. Grober, U.: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit – Kulturgeschichte eines sperrigen Begriffs; München 2010. Grossmann, G. M., Helpmann, E.: Endogenous Innovation in the Theory of Growth; in: The Journal of Economic Perspectives, 8. Jg. (1994) H. 1; S. 23–44. Grunwald, A., Kopfmüller, J.: Nachhaltigkeit; 2. Aufl., Frankfurt, New York 2012. Günther, E.: Öko-Effizienz – der Versuch einer Konsolidierung der Begriffsvielfalt; Dresdner Beiträge zur Betriebswirtschaftslehre, Nr. 103/05; Dresden 2005. Haeckel, E.: Prinzipien der generellen Morphologie der Organismen; Berlin 1866. Hahn, T., Liesen, A., Figge, F., Barkemeyer, F.: Nachhaltig erfolgreich Wirtschaften – eine Untersuchung der Nachhaltigkeitsleistung deutscher Unternehmen mit dem Sustainable-Value-Ansatz; o. O. 2007 Abruf 25.04.2008. Hamilton, K., Atkinson, G. D.: Wealth, Welfare and Sustainability – Advances in Measuring Sustainable Development; Cheltenham und Northampton 2006.

258

Literatur

Hartard, S., Stahmer, C. (Hrsg.): Bewertung von Nachhaltigkeitsstrategien; Magische Dreiecke – Berichte für eine nachhaltige Gesellschaft, Bd. 2; Marburg 2001. Hartard, S., Stahmer, C. (Hrsg.): Sozio-ökonomische Berichtssysteme; Magische Dreiecke – Berichte für eine nachhaltige Gesellschaft, Bd. 3; Marburg 2002. Hartard, S., Stahmer, C., Hinterberger, F. (Hrsg.): Stoffflussanalysen und Nachhaltigkeitsindikatoren; Magische Dreiecke – Berichte für eine nachhaltige Gesellschaft, Bd. 1; Marburg 2000. Hartwick, J. M.: Intergenerational Equity and the Investing of Rents from Exhaustible Ressources; in: American Economic Review, 67. Jg. (1977) H. 5; S. 972–974. Hasan, I., Tucci, C.: The Innovation-Economic Growth Nexus Global Evidence, in: Research Policy 2010, S. 1264-1276. Haslinger, F.: Zum Konzept der ‚nachhaltigen Entwicklung’; in: Feser, H.-D., von Hauff, M. (Hrsg.): Neuere Entwicklungen in der Umweltökonomie und -politik; Regensburg 1997; S. 3– 16. Hauff, M., von: Umrisse einer ökologisch orientierten Industriepolitik; in: Hauff, M., von, Schmid, U. (Hrsg.): Ökonomie und Ökologie; Stuttgart 1992; S. 81–97. Hauff, M., von: Faktor 4 – über den weiteren Fortschritt der Umwelttechnik; in: Simonis, U. E. (Hrsg.): Jahrbuch Ökologie; München 1997; S. 254–264. Hauff, M., von: Nachhaltiges Wirtschaften als Herausforderung für die Zukunft; in: von Hauff, M. von (Hrsg.): Zukunftsfähige Wirtschaft – Ökologie- und sozialverträgliche Konzepte; Regensburg 1998; S. 9–31. Hauff, M., von, Solbach, D.: Perspektiven integrierter Umweltschutztechnologie in der Bundesrepublik Deutschland; in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht (1999) H. 1; S. 67–85. Hauff, M., von: Umwelttechnischer Fortschritt aus der Sicht der neuen Wachstumstheorie; in: Seiter; S. (Hrsg.): Neuere Entwicklungen in der Wachstumstheorie und der Wachstumspolitik; Marburg 2005; S. 211–231. Hauff, M., von, Kleine, A.: Methodischer Ansatz zur Systematisierung von Handlungsfeldern und Indikatoren einer Nachhaltigkeitsstrategie – Das Integrierende Nachhaltigkeits-Dreieck; Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge an der Universität Kaiserslautern, Nr. 19-05; Kaiserslautern 2005. Hauff, M., von, Kleine, A., Jörg, A.: Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in Kleinunternehmen durch Ökoeffizienz; Sternenfels 2005. Hauff, M., von: Von der Sozialen zur Nachhaltigen Marktwirtschaft; in: Hauff, M., von (Hrsg.): Die Zukunftsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft; Marburg 2007; S. 349–392. Hauff, M., von, Wilderer, P. A.: Industrial Ecology – Engineered Representation of Sustainability; in: Sustainability Science, 3. Jg. (2008) Bd. 1; S. 103–115. Hauff, M., von, Kleine, A.: Nachhaltigkeit in 3D – Plädoyer für drei Nachhaltigkeitsdimensionen; in: Gaia, 18. Jg. (2009) H. 1; S. 29–31.

Literatur

259

Hauff, M., von, Schiffer, H.: Soziale Nachhaltigkeit im Kontext der neuen Institutionenökonomik, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge an der Technischen Universität Kaiserslautern, Nr. 30-10, Kaiserslautern 2010. Hauff, M., von, Seitz, N.: Begründung und Realisierung eines Wachstums nach dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung, in: Nachhaltige Ökonomie, Im Brennpunkt: Green Economy, Jahrbuch 2012/2013, Marburg 2012, S. 177-198. Hauff, M., von, Schiffer, H.: Anforderungen des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung, in: Hauff, M., von, Nguyen, T. (Hrsg.): Nachhaltige Wirtschaftspolitik, Baden-Baden 2013, S. 934. Hauff, M., von , Schiffer, H.: Anforderungen des Paradigmas nachhaltiger Entwicklung, in Hauff, M., von, Nguyen, T. (Hrsg.): Nachhaltige Wirtschaftspolitik, Baden-Baden 2013, S. 931. Hauff, M., von: Anforderungen an nachhaltige Gewerbegebiete, in: Hauff, M., von, Isenmann, R., Müller-Christ, G. (Hrsg.): Industrial Ecology Management – Nachhaltige Entwicklung durch Unternehmensverbünde, Wiesbaden 2012, S. 11-121. Hauff, M., von, Jörg, A.: Nachhaltiges Wachstum, München 2013. Hauff, M., von, Claus, K.: Fair Trade, 2. Aufl. , Stuttgart 2013. Hauff, M., von, Nguyen, T.: Nachhaltige Wirtschaftspolitik, Baden-Baden 2013. Hauff, M., von, Parlow, A.: C02-Emissions and Economic Growth – A bounds-testing cointegration analysis for German industries, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern 2014. Hauff, V. (Hrsg.): Unsere gemeinsame Zukunft – der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung; Greven 1987 (Original: WCED: Our Common Future; Oxford 1987). Haug, S.: Soziales Kapital – ein kritischer Überblick über den aktuellen Forschungsstand; Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, Nr. 15; Mannheim 1997. Haug, S., Gerlitz, J.-Y.: Messkonzepte sozialen Kapitals – eine Betrachtung vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdebatte; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Soziale Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2007; S. 189–218. Hayek, F. A. von: Die Theorie komplexer Phänomene; Tübingen 1972. Hediger, W.: Reconciling Weak and Strong Sustainability; in: International Journal of Social Economics, Bd. 26 (1999) Nr. 7/8/9; S. 1120–1143. Hediger, W.: Sustainable Development and Social Welfare; in: Ecological Economics, Bd. 32 (2000) H. 3; S. 481–492. Heins, B.: Soziale Nachhaltigkeit; Berlin 1998. Hemmelskamp, J.: Umweltpolitik und technischer Fortschritt; Heidelberg 1999. Hemmelskamp, J., Rennings, K., Leone, F.: Innovation-Oriented Environmental Regulation – Theoretical Approaches and Empirical Analysis; Heidelberg 2000.

260

Literatur

Hennicke, P., Kristof, K., Dorner, U.: Ressourcensicherheit und Ressourceneffizienz – Wege aus der Rohstoffkrise: URL: http://d-nb.info/996881921/34, Stand: 05.01.2013. Hicks, J. R.: Value and Capital – An Enquiry into some Fundamental Principals of Economic Theory, 2. Aufl.; Oxford 1946. Hillebrand, B., Löbbe, K., Clausen, H., Dehio, J., Halstrick-Schwenk, M., von Loeffelholz, H. D., Moos, W., Storchmann, K. H.: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – ausgewählte Problemfelder und Lösungsansätze; Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Nr. 36; Essen 2000. Hoffrén, J., Korhonen, J.: Eco-Efficiency is Important when it is Strategic; in: Progress in Industrial Ecology, Bd. 4 (2007) H. 1/2; S. 1–18. Hohmeyer, O., Koschel, H.: Umweltpolitische Instrumente zur Förderung des Einsatzes integrierter Umwelttechnik; Mannheim 1995. Holm, S.-O., Englund, G.: Increased Ecoefficiency and Gross Rebound Effect: Evidence from USA and six European Countries 1960–2002; in: Ecological Economics, Bd. 68 (2009) H. 3; S. 879–887. Holstein, L.: Nachhaltigkeit und neoklassische Ökonomik – der Homo oeconomicus und die Begründung intergenerationeller Gerechtigkeit; Marburg 2003. Horbach, J.: Methodological Aspects of an Indicator System for Sustainable Innovation; in: Horbach, J. (Hrsg.): Indicator Systems for Sustainable Innovation; Heidelberg 2005; S. 1–19. Horbach, J., Rammer, C., Rennings, K.: Determinents of Eco-innovations by Type of Environmental Impact – The role of Regulatory Push/Pull, Technology Push and Market Pull, Discussion Paper No. 11-027, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim 2011. Hotelling, H.: The Economics of Exhaustible Resources, in: Journal of Political Economy, 39, 331, S. 137-175. Huber, J.: Nachhaltige Entwicklung – Strategien für eine ökologische und soziale Erdpolitik; Berlin 1995. Huber, J.: Allgemeine UmweltSoziologie; Wiesbaden 2001. Huber, J.: Technological Environmental Innovations; Der Hallesche Graureiher, Nr. 2005-1; Halle 2005 Abruf 02.12.2008. Huber, J.: Technologische Umweltinnovationen; in: Isenmann, R., von Hauff, M. (Hrsg.): Industrial Ecology – mit Ökologie zukunftsorientiert Wirtschaften; München 2007; S. 153–165. Huber, J.: Konstistenz – schlüssig für Nachhaltigkeit, in: Jahrbuch Ökologie 2014, S. 55-63. Hübner, K., Nill, J.: Nachhaltigkeit als Innovationsmotor – Herausforderungen für das deutsche Innovationssystem; Berlin 2001. Hukkinen, J.: Eco-Efficiency as Abandonment of Nature; in: Ecological Economics, Bd. 38 (2001); S. 311–315.

Literatur

261

International Bank for Reconstruction and Development (IBRD): Nachhaltige Entwicklung in einer dynamischen Welt – Institutionen, Wachstum und Lebensqualität verbessern – Weltentwicklungsbericht 2003; Bonn 2003 (Original: IBRD: Sustainable Development in a Dynamic World – World Development Report 2003; Washington 2006). International Bank for Reconstruction and Development (IBRD): Chancengerechtigkeit und Entwicklung – Weltentwicklungsbericht 2006; Düsseldorf 2006 (Original: IBRD: Equity and Development – World Development Report 2006; Washington 2006). International Bank for Reconstruction and Development (IBRD): Where is the Wealth of Nations? – Measuring Capital for the 21st Century; Washington 2006. Illge, L., Schwarze, R.: Befragung von Wissenschaftler/innen zur Zukunft der Nachhaltigkeitsforschung in den Wirtschaftswissenschaften; Berlin 2004 Abruf 04.08.2004. Isenmann, R.: Natur als Vorbild; Marburg 2003. Isenmann, R., von Hauff, M. (Hrsg.): Industrial Ecology – mit Ökologie zukunftsorientiert Wirtschaften; Heidelberg 2007. Jäger, T. A., Wellhausen, M. B., Schwarz, M.: Umweltschutz, Umweltmanagement und Umweltberatung – Ergebnisse einer Befragung in kleinen und mittleren Unternehmen; Berichte des Instituts für Erforschung sozialer Chancen, Nr. 55; Köln 1998. Jänicke, M.: Innovation und Umweltschutz; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 12. Jg. (1999) H. 2; S. 162–165. Jänicke, M.: Ökologische Modernisierung als Innovation und Diffusion in Politik und Technik – Möglichkeiten und Grenzen eines Konzepts; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 13. Jg. (2000) H. 3/4; S. 281–297. Jänicke, M.: Megatrend Umweltinnovation – zur ökologischen Modernisierung von Wirtschaft und Staat; München 2008. John, K. D.: Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit aus wirtschaftsdynamischer Perspektive, in: v. Hauff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung – Aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen, Baden-Baden 2014 (erscheint im Sommer). Kapp, K. W.: Soziale Kosten der Marktwirtschaft; Frankfurt 1979 (Original: Social Costs of Business Enterprise; Bombay 1963). Kemp, R., Arundel, A., Smith, K.: Several Indicators for Environmental Innovation; Conference Paper‚Towards Environmental innovation Systems’; Garmisch-Partenkirchen 2001. Kemp, R., Pearson, P.: Final Report MEI Project About Measuring Eco-Innovation, Maastricht www.merit.unu.edu/MEI 2008. Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): KfW-Befragung zu den Hemmnissen und Erfolgsfaktoren von Energieeffizienz in Unternehmen; Frankfurt 2005. Kirchgässner, G.: Gibt es die ökologische und soziale Wirtschaft?; in: Außenwirtschaft, 57. Jg. (2002) H. 4; S. 391–406. Kirchgässner, G.: Homo Oeconomicus, 4. Auflage, Tübingen 2013.

262

Literatur

Kirsch, G: Neue Politische Ökonomie, 5. Aufl., Stuttgart 2004. Kleine, A.: Operationalisierung einer Nachhaltigkeitsstrategie – Ökologie, Ökonomie und Soziales integrieren; Wiesbaden 2009. Kleine, A., von Hauff, M.: Sustainability-Driven Corporate Social Responsibility – Application of the Integrative Sustainability Triangle; in: Journal of Business Ethics 2009. Kleine, A., Petrovic, T.: Einspruch zur VDI-Richtlinie 4070, Blatt 1 ‚Anleitung zum Nachhaltigen Wirtschaften’; in: Lin-Hi, N., Mahammadzadeh, M. (Hrsg.): Dimensionen und Herausforderungen der Nachhaltigkeit – Nachwuchsforschung zum Nachhaltigen Wirtschaften; Schriftenreihe des Doktoranden-Netzwerks Nachhaltiges Wirtschaften, Bd. 8; Leipzig, Köln 2006; S. 25–40. Kleine, A., Weber, V.: Ökoeffizienz-Analyse zu Entsorgungsoptionen von pech-/teerhaltigem Straßenaufbruch – Kaltrecyclingverfahren, Ablagerung und thermische Behandlung – im Gesamtkontext einer Straßensanierung überörtlicher Straßen; Mainz 2007 . Kleine, A.: Operationalisierung einer Nachhaltigkeitsstrategie, Wiesbaden 2009. Kölling, C.: Klimahüllen für 27 Waldbaumarten, AFZ-Der Wald 23, 2007, S. 1242-1245. KOM (363 endgültig): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance; Brüssel; 2011. Kondratieff, N. D.: Die langen Wellen der Konjunktur; in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 56 (1926); S. 573–609. Konrad, W., Nill, J.: Innovationen für Nachhaltigkeit; Schriftenreihe des IÖW, Nr. 157; Berlin 2001. Kopfmüller, J., Brandl, V., Jörissen, J., Paetau, M., Banse, G., Coenen, R., Grunwald, A.: Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet – Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren; Berlin 2001. Krüger, L., Bizer, K.: Innovationen im Kontext von Nachhaltigkeit, Diskussionsbeiträge, Volkswirtschaftliches Seminar Universität Göttingen, Nr. 144, 2009. Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (MUNLV): Leitbilder, Ziele und Indikatoren – Dokumentation der Ergebnisse aus Arbeitsgruppen; Düsseldorf 2003 Abruf 05.12.2003. Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (MUNLV): NRW 2015 – Bericht des Zukunftsrates NRW; Düsseldorf 2004 Abruf 02.04.2004. Landesregierung Rheinland-Pfalz: Drittes Agenda 21-Programm der Landesregierung 2005 – Nachhaltigkeitsstrategie – Perspektiven für Rheinland-Pfalz; Landtagsdrucksache, Nr. 14/4821; Mainz 2005. Landesregierung Rheinland-Pfalz: Viertes Agenda 21-Programm der Landesregierung 2007 – Perspektiven für Rheinland-Pfalz; Landtagsdrucksache, Nr. 15/1709; Mainz 2007.

Literatur

263

Landesregierung Schleswig-Holstein: Nachhaltigkeitsstrategie Zukunftsfähiges SchleswigHolstein; Kiel 2004. Landsiedel, R., Saling, P.: Assessment of Toxicological Risks for Life Cycle Assessment and Eco-efficiency Analysis; in: International Journal of Life Cycle Assessment, 7. Jg. (2002) H. 4; S. 261–268. Lawn, P. A.: Toward Sustainable Development – an Ecological Economics Approach; Boca Raton 2001. Layard, P. R. G.: Die glückliche Gesellschaft – Kurswechsel für Politik und Wirtschaft; Frankfurt 2005. Lehr, U., Löbbe, K.: Umweltinnovationen – ein neues Forschungsfeld?; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, Jg. 12 (1999) H. 2; S. 153–158. Leif, T., Speth, R.: Die fünfte Gewalt – Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006. Leisinger, K. M.: Unternehmensethik: globale Verantwortung und modernes Management; München 1997. Lerner, A.: The Economics of Consumer Souvereignty, in: American Econoimic Review62 (2) 1072, S. 258-266 Leschke, M.: Nachhaltigkeit und Institutionen – eine wirtschaftswissenschaftliche Sicht, in: Kahl, W. (Hrsg.): Nachhaltigkeit als Verbundbegriff, Tübingen 2008, S. 297-325. Lindig, D.: Nachhaltigkeitsbewertung in der Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Land Brandenburg; Hagen 2005 Abruf 09.01.2007. Lingnau, V.: Menschenfreundlichkeit ist keine ökonomische Kategorie - oder: Warum die Betriebswirtschaftslehre Probleme mit ethischen Aspekten hat, aber nicht haben sollte. In: Schmidt, M. et al. (Hrsg.): Führung und Verantwortung, München / Mering 2011, S. 33-45. Linz, M.: Warum Suffizienz unentbehrlich ist; in: Linz, M., Bartelmus, P., Hennicke, P., Jungkeit, R., Scherhorn, G., Wilke, G., von Winterfeld, U. (Hrsg.): Von nichts zu viel – Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit; Wuppertal Papers, Nr. 125; Wuppertal 2002; S. 7–14. Lomborg, B.: Global Crises, Global Solutions; Cambridge 2004. Lowe, E.: Regional Resource Recovery and Eco-Industrial Parks – an Integrated Strategy, in: Strebel, H., Schwarz, E. (Hrsg.): Kreislauforientierte Unternehmenskooperationen: Stoffstrommanagement durch innovative Verwertungsnetze, München, Wien, Oldenburg 1998, S. 27-58. Luidold, S., Antrekowitsch, H.: Gewinnung von Technologiemetallen aus alternativen Rohstoffquellen, in: Berg- und Hüttenmännische Monatsschrift, Vol. 157 (1) 2012, S. 32-37. Luks, F.: Innovationen, Wachstum und Nachhaltigkeit – eine ökologisch-ökonomische Betrachtung; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Innovationen und Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2005; S. 41–62.

264

Literatur

Luks, F., Nill, J.: Unausgeschöpfte Potenziale – Die Chancen nationaler Nachhaltigkeitsstrategien nutzen; in: Ökologisches Wirtschaften – Spezial ‚Perspektiven nationaler Nachhaltigkeitsstrategien’ (2003) H. 3–4; S. 2–3. Lundvall, B.-Å.: Product Innovation and User-Producer Interaction; Industrial Development Research Series, Nr. 31; Aalborg 1985. Lundvall, B.-Å.: National Systems of Innovation – Towards a Theory of Innovation and Interactive Learning; London 1992. Majer, H.: Buchbesprechung zu ‚Einführung in die Ökologische Ökonomik’; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 14. Jg. (2001) H. 1–4; S. 489–492. Majer, H.: Nachhaltige Entwicklung – Leitbild für Zukunftsfähigkeit; in: Volkswirtschaftslehre, 2003, Nr. 7; S. 935–943. Malaska, P. u. a.: Advanced Sustainability Analyses: Conceptualizing Information Age Sustainability, Work Package 14: Information Age Sustainability, International Report 2002. Manstetten, R., Faber, M.: Umweltökonomie, Nachhaltigkeitsökonomie und Ökologische Ökonomie, in: Jahrbuch Ökologische Ökonomik, Band 1, Marburg 1999. Marwell, G., & Ames, R. E.: Economists Free Ride, Does Anyone Else? Experiments on the Provision of Public Goods, IV. Journal of Public Economics, 15(3) 1981, 295-310. Mathieu, P.: Ist Nachhaltigkeit messbar? – Ausgewählte gesamtgesellschaftliche Indikatoren für Sustainable Development; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 14. Jg. (2001) H. 1–4; S. 226–235. McDonough, W., Braungart, M.: Cradle to Cradle – Remaking the Way we make Things; New York 2002. Meadows, D. L., Meadows, D. H., Zahn, E.: Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit; Stuttgart 1972 (Original: Meadows, D. L., Meadows, D. H., Randers, J., Behrens, W. W.: The Limits to Growth – a Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind; New York 1972). Meadows, D. L., Meadows, D. H., Randers, J.: Beyond the Limits, Chelsea Green Publishing Company 1992. Meadows, D. L., Meadows, D. H., Randers, J.: Limits to Growth – The 30-Year Update, Chelsea Green Publishing Company 2004. Merkel, W., Krück, M.: Social Justice and Democracy – Investing the Link; in: Internationale Politik und Gesellschaft, 2004, H. 1; S. 134–158. Meyer, T.: Eine Theorie der sozialen Demokratie; in: Zeitschrift für Gesellschaftsanalyse und Reformpolitik, 21. Jg. (2004) H. 1; S. 5–16. Michaelis, N. V.: Nachhaltige Entwicklung und programmgebundene Kreditvergabe der Weltbank, Regensburg 2003. Michaelis, N. V.: Wohlstandsmessung 2.0, in E+Z Jg. 50/2009, S. 470-471.

Literatur

265

Michaelis, N. V.: Reform der Wohlstandsmessung als Grundlage für eine nachhaltige Ökonomie – Bewertung alternativer Ansätze und Umsetzung, in: Sauer, T. (Hrsg.): Ökonomie der Nachhaltigkeit – Grundlagen, Indikatoren, Strategien, Marburg 2012, S. 15-40. Michaelis, N. V.: Nachhaltige Umweltpolitik, in: v. Hauff, M., Nguyen, T. (Hrsg.): Nachhaltige Wirtschaftspolitik, Baden-Baden 2013, S. 195-216. Ministerium der Finanzen Brandenburg (Hrsg.): Halbzeitbewertung des Operationellen Programms des Landes Brandenburg 2000–2006 Abruf 24.02.2009. Ministerium für Umwelt Saarland: Ressort-Programm Umwelt der Saarland-Agenda 21; Saarbrücken 2004. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (MUV): Umweltplan Baden-Württemberg; Stuttgart 2000. Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg (MUV, Hrsg.): Zwischen Optimismus und Apokalypse – die Zukunft der Umwelt; Leipzig 2004. Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung: Perspektiven für Rheinland-Pfalz – Nachhaltigkeitsstrategie des Landes: Fortschreibung 2011, Mainz 2011. Mittelstraß, J.: Auf dem Wege zur Transdisziplinarität; in: Gaia, 1. Jg. (1992) Nr. 5; S. 250. Morin, E.: La Voie, Paris 2011. Murphy, J., Gouldson, A.: Environmental Policy and Industrial Innovation – Integrating Environment and Economy Through Ecological Modernisation; in: Geoforum, 31. Jg. (2000) H. 1; S. 33–44. Mutlak, N., Schwarze, R.: Bausteine einer Theorie sozialer Nachhaltigkeit – eine Bestandsaufnahme sozialwissenschaftlicher Ansätze und das Beispiel der sozialökologischen Risikoforschung; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Soziale Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2007; S. 13–34. Myrdal, G.: Das politische Element der nationalökonomischen Doktrinbildung, 2. Aufl.; Bonn-Bad Godesberg 1976. Nash, J. F.: The Bargaining Problem; in: Econometrica, Bd. 18 (1950); S. 155–162. Nauta, C., Merten, T.: Nachhaltiges Wirtschaften – erfolgreiche Unternehmen betreiben CSR systematisch; in: Forum Marktforschung, Deutsche Gesellschaft für Qualität (Hrsg.): Excellence Barometer 2008 – Qualität bewegt; Mainz, Frankfurt 2008; S. 18–26. Neck, R.. Schneider, F.: Wirtschaftspolitik, München 2013. Nefiodow, L. A.: Der fünfte Kondratieff – Strategien zum Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft; Frankfurt 1990. Nefiodow, L. A.: Der sechste Kondratieff – Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information; Sankt Augustin 1996. Nelson, R. R.: National Innovation Systems – A Comparative Analysis; New York, Oxford 1993.

266

Literatur

Nelson, R. R., Winter; S. G.: An Evolutionary Theory of Economic Change; Cambridge, London 1982. Neumayer, E.: Global Warming – Discounting is not the Issue but Substitutability is; in: Energy Policy, Bd. 27 (1999) H. 1; S. 33–43. Neumayer, E.: Weak Versus Strong Sustainability: Exploring the Limits of two Opposing Paradigms, Elgar, London 2003. Neumayer, E.: Weak Versus Strong Sustainability, 3. Edition, Cheltenham 2010. Nordbeck, R.: Nachhaltigkeitsstrategien als politische Langfriststrategien: Innovationswirkungen und Restriktionen; FFU-Report, Nr. 01-02; Berlin 2001 Abruf 22.08.2003. Nordhaus, W. D., Tobin, J.: Is Growth Obsolete? In: Moss, M. (Hrsg.): The Measurement of Economic and Social Performance, New York 1973, S. 509-532. North, D. C.: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung; Tübingen 1992 (Original: North, D. C.: Institutions, institutional change and economic performance; Cambridge 1990). North, D. C., Wallis, J. J.: Integrating Institutional Change and Technical Change in Economic History. A Transaction Cost Approach, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics, Jg. 150, Heft 4 1994, S. 609-624. OECD – Organisation for Economic Cooperation and Development: Mehr Ungleichheit trotz Wachstum? Einkommensverteilung und Armut in OECD- Ländern, Paris 2008. OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development (2011): Divided we Stand: Why Inequality Keeps Rising, Paris. Olson, M.: Die Logik kollektiven Handelns, Tübingen 1968 (Original: The Logic of Collective Action: Public Goods and the Theory of Groups, Cambridge 1965). Ostrom, E.: Governing the Comments. The Evolution of Institutions for Collective Actions, Cambridge 1990. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD): Technologies for cleaner Production and Products – Towards technological Transformation of Sustainable Development; Paris 1995. Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD): Eco-Efficiency; Nr. 50093-1998; Paris 1998. Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD): Towards Sustainable Development – Indicators to Measure Progress; Proceedings of the OECD Rome Conference; o.O. 2000. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD): Institutionalising Sustainable Development; OECD Sustainable Development Studies; Paris 2007. Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Eurostat: Oslo Manual – Proposed Guidelines for Collecting and Interpreting Technological Innovation Data; Paris 1997.

Literatur

267

Ott, K., Döring, R.: Soziale Nachhaltigkeit – Suffizienz zwischen Lebensstilen und politischer Ökonomie; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Soziale Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2007; S. 35–71. Ott, K., Döring, R.: Theorie und Praxis starker Nachhaltigkeit, 2. Aufl.; Marburg 2008. Paech, N.: Nachhaltigkeitsprinzipien jenseits des Drei-Säulen-Paradigmas; in: Natur und Kultur, 7. Jg. (2006) H. 1; S. 42–62. Patel, P., Pavitt, K.: The Continuing, Widespread (and Neglected) Importance of Improvements in Mechanical Technologies; in: Research Policy, 23. Jg. (1994) H. 4; S. 533–545. Pearce, D. W., Atkinson, G. D.: Capital Theory and the Measurement of Sustainable Development – an Indicator of Weak Sustainability; in: Ecological Economics, Bd. 8 (1993) H. 2; S. 103–108. Pearce, D. W., Atkinson, G. D.: The Concept of Sustainable Development; in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 134. Jg. (1998) H. 3; S. 251–271. Pearce, D. W., Atkinson, G. D., Dubourg, W. R.: The Economics of Sustainable Development; in: Annual Review of Energy and the Environment, 19. Jg. (1994); S. 457–474. Pearce, D.: Foundations of Ecological Economics, in: Ecological Modelling 38, 1987, S. 9-18. Peet, J., Bossel, H.: An Ethics-Based Systems Approach to Indicators of Sustainable Development; in: International Jounal of Sustainable Development, 3. Jg. (2000) H. 3; S. 221–238. Perrings, C.: Ecological Economics of the Millennium Assessment, in: International Journal of Ecological Economics and Statitistics, 6, 2006, S. 8-22. Pfister, G.: Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung im Bereich ‚Wirtschaft’; Arbeitsbericht der TA-Akademie, Nr. 216; Stuttgart 2002 Abruf 04.02.2004. Pillarisetti, J. R.: The World Bank’s Genuine Savings Measure and Sustainability; in: Ecological Economics, Bd. 55 (2005) H. 4; S. 599–609. Pittel, K.: Nachhaltige Entwicklung und Wirtschaftswachstum; in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 33. Jg. (2004) H. 9; S. 537–544. Platon: 5. Buch der Nomoi (Die Gesetze), in: Platons Werke , vierte Gruppe, neuntes bis fünfzehntes Bändchen (nach der Übersetzung von Franz Susemihl), Stuttgart 1862. Porter, M. E., van der Linde, C.: Toward a New Conception of the Environment – Competitiveness Relationship; in: The Journal of Economic Perspectives, 9. Jg. (1995) H. 4; S. 97–118. Priewe, J.: Von Rom nach Wuppertal? Auf der Suche nach den ökologischen Grenzen des Wachstums – ökologische Leitplanken für nachhaltige Entwicklung; in: Helmedag, F., Reuter, N. (Hrsg.): Der Wohlstand der Personen – Festschrift zum 60. Geburtstag von Georg Zinn; Marburg 1999; S. 421–442. Priewe, J.: Ökologische Nachhaltigkeit – mehr Arbeit und weniger Ressourcenverbrauch? – Substitutionsbeziehungen zwischen Arbeit, Kapital und Naturressourcen; in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 14. Jg. (2001) H. 1–4; S. 166–183.

268

Literatur

Priewe, J.: Begrenzt ökologische Nachhaltigkeit das Wirtschaftswachstum?; in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, 25. Jg. (2002) H. 2; S. 153–172. Putnam, R. D.: The Prosperous Community – Social Capital and Public Life; in: The American Prospect; Ausgabe 30. November 1993; S. 35–42. Pufé, I.: Nachhaltigkeit, Konstanz, Müchen 2012. Radke, V.: Balancing Economic, Ecological and Social Assets for Sustainable Development; Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, Nr. 230; Hagen 1996. Rat der Europäischen Union: Europäischer Rat am 23./24.03.2006 in Brüssel – Schlussfolgerungen des Vorsitzes; Nr. 7775/1/06; Brüssel 2006a Abruf 20.04.2009. Rat der Europäischen Union: Überprüfung der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung – die erneuerte Strategie; Nr. 10917/06; Brüssel 2006b Abruf 21.05.2007. Rat für Nachhaltige Entwicklung: Schwerpunkte der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 2004 – Stellungnahme des Rates für Nachhaltige Entwicklung zum Konsultationspapier des Bundeskanzleramtes zum Fortschrittsbericht 2004; Berlin 2004 Abruf 09.03.2004. Rat für Nachhaltige Entwicklung: Welche Ampeln stehen auf Rot? Stand der 21 Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie – auf der Grundlage des Indikatorenberichts 2006 des Statistischen Bundesamtes; Texte, Nr. 22; Berlin 2008. Rat für Nachhaltige Entwicklung: Sustainability - Made in Germany, Second review, Berlin 2013. Rauschmayer, F., Omann, I., Frühmann, J. (eds.): Sustainable Development, London, New York 2012. Rawls, J.: A Theory of Justice; Cambridge 1971. Rawls, J.: Eine Theorie der Gerechtigkeit; Frankfurt 1979 (Original: Rawls, J.: A Theory of Justice; Cambridge 1971). Rawls, J.: Das Recht der Völker; Berlin, New York 2002 (Original: The law of peoples / The idea of public reason revisited, 4. Aufl.; Cambridge 2002). Rawls, J.: Gerechtigkeit als Fairness – ein Neuentwurf; Frankfurt 2003. Reef, B.: Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik – eine Einführung, Marburg 2010. Reich, U.-P.: Gibt es eine Enthropie in der Ökonomie? In: Hagemann, H., v. Hauff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung – das neue Paradigma in der Ökonomie, Marburg 2010, S. 33-62. Reijnders, L.: The Factor X Debate – Setting Targets for Eco-Efficiency; in: Journal of Industrial Ecology, 2. Jg (1998) H. 1; S. 13–22. Reich, A. u. a.: Waldbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels, in: Aktuell - Naturschutz und Landschaftsplanung 42 (9), 2010, S. 257-260.

Literatur

269

Reller, A., Dießenbacher, J: Reichen die Ressourcen für unseren Lebensstil? Wie Ressourcenstrategie vom Stoffverbrauch zum Stoffgebrauch führt, in: v. Hauff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung – Aus der Perspektive verschiedener Disziplinen, erscheint im Mai 2014, Baden-Baden 2014, S. 89-114. Renn, O., Deuschle, J., Jäger, A., Weimer-Jehle, W.: Leitbild Nachhaltigkeit – eine normativfunktionale Konzeption und ihre Umsetzung; Wiesbaden 2007. Renn, O., León, C., Clar, G.: Nachhaltige Entwicklung in Baden-Württemberg, Statusbericht 2000, Langfassung; Arbeitsbericht der TA-Akademie, Nr. 173; Stuttgart 2000 Abruf 18.02.2004. Rennings, K.: Innovationen aus Sicht der neoklassischen Umweltökonomik; in: Meyerhoff, J. (Hrsg.): Innovationen und Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2005; S. 15–39. Rennings, K., Ankele, K., Hoffmann, E., Nel, J., Ziegler, A.: Innovationen durch Umweltmanagement – Empirische Ergebnisse zum EG-Öko-Audit; Heidelberg 2005. Richter, R., Furuboton, E. G.: Neue Institutionenökonomik – eine Einführung und kritische Würdigung, 3. Aufl.; Tübingen 2003. Rogall, H.: Akteure der nachhaltigen Entwicklung – der ökologische Reformstau und seine Gründe; München 2003. Rogall, H.: Ökologische Ökonomie – Eine Einführung, 2. Aufl.; Wiesbaden 2008. Rogall, H.: Nachhaltige Ökonomie - Ökonomische Theorie und Praxis einer nachhaltigen Entwicklung, Marburg 2012. Rogers, P.P., Jalal, K.F., Boyd, J.A.: An Introduction to Sustainable Development, London 2008. Rosenberg, N.: Innovation and Economic Growth, OECD, Paris 2004. Roßteutscher, S., Westle, B., Kunz, V.: Das Konzept des Sozialkapitals und Beiträge zentraler Klassiker; in: Westle, B., Gabriel, O. W. (Hrsg.): Sozialkapital – Eine Einführung; BadenBaden 2008; S. 11–40. Rottländer, E.: Ein historisches Beispiel nachhaltigen Wirtschaftens – Siegerländer Haubergswirtschaft; in: Deutsches Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen (Hrsg.): Veränderung von Böden durch anthropogene Einflüsse; Berlin u. a. 1997; S. 475–500. Rowe, J., Anielski, M.: Genuine Progress Indicator 1998. Executive Summary, San Francisco1999. Ruta, G., Hamilton, K.: The Capital Approach to Sustainability; in: Atkinson, G. D., Dietz, S., Neumayer, E. (Hrsg.): Handbook of Sustainable Development; Cheltenham 2007; S. 45–62. Ruth, M.: A Quest for the Economics of Sustainability and the Sustainability of Economics; in: Ecological Economics, Bd. 56 (2006) H. 3; S. 332–342. Sachs, W.: Die zwei Gesichter der Ressourcenproduktivität; in: Linz, M., Bartelmus, P., Hennicke, P., Jungkeit, R., Scherhorn, G., Wilke, G., von Winterfeld, U. (Hrsg.): Von nichts zu viel – Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit; Wuppertal Papers, Nr. 125; Wuppertal 2002; S. 49–56.

270

Literatur

Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Umweltgutachten 1994 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen – Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung; Bundestagsdrucksache, Nr. 12/6995; Bonn 1994. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Umweltgutachten 1998 – Umweltschutz – Erreichtes sichern – Neue Wege gehen; Bundestagsdrucksache, Nr. 13/10195; Berlin 1998. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen – Für eine neue Vorreiterrolle; Bundestagsdrucksache, Nr. 14/8792; Berlin 2002. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU): Umweltgutachten 2008 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen – Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels; Bundestagsdrucksache, Nr. 16/9990; Berlin 2008. Sachverständigenrat: Wirtschaftsleistung, Lebensqualität und Nachhaltigkeit: Ein umfassendes Indikatorensystem – Expertise im Auftrag des Deutsch-Französichen Ministerrates, Wiesbaden 2010. Saling, P., Kicherer, A., Dittrich-Krämer, B., Wittlinger, R., Zombik, W., Schmidt, I., Schrott, W., Schmidt, S.: Eco-efficiency Analysis by BASF – The Method; in: International Journal of Life Cycle Assessment, 7. Jg. (2002) H. 4; S. 203–218. Samuelson, P. A.: Welfare Economics; in: Samuelson, P. A. (Hrsg.): Foundations of Economic Analysis; Cambridge 1947; S. 203–253. Schaich, H., Konold, W.: Honorierung ökologischer Leistungen der Forstwirtschaft, in: Aktuell – Natursachutz und Landschaftsplanung 44(1), 2012, S. 005-013. Schaltegger, S., Burritt, R.: Corporate Sustainability; in: Folmer, H., Tietenberg, T. (Hrsg.): The International Yearbook of Environmental and Ressource Economics – a Survey of Current Issues; Cheltenham, Northampton 2005; S. 185–222. Schaltegger, S., Sturm, A.: Ökologische Rationalität – Ansatzpunkte zur Ausgestaltung von ökologieorientierten Managementinstrumenten; in: Die Unternehmung, 44. Jg. (1990) Nr. 4; S. 273–290. Schaltegger, S. u. a.: Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen – Konzepte und Instrumente zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 2002. Schmidheiny, S.: Kurswechsel – Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt; München 1992. Schmidt-Bleek, F.: Das MIPS-Konzept – weniger Naturverbrauch – mehr Lebensqualität durch Faktor 10; München 1998. Schmookler, J.: Invention and Economic Growth; Cambridge 1966. Schoer, K: The German System of Environmental Economic Accounting: Concept, Current State and Applications, in: v. Hauff, M., Kundu, A. (eds.): Environmental Accounting – Explorations in Methodology, Delhi 2008, S. 251-278. Schumpeter, J. A.: Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942 (deutsch: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen 1993).

Literatur

271

Schwarz, M., Birke, M., Beerheide, E.: Die Bedeutung sozialer Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung, in: Howaldt, J., Jacobsen, H. (Hrsg.): Soziale Innovationen – auf dem Weg zu einem postindustriellen Innovationsparadigma, Wiesbaden 2010, S. 165-180. Sen, A. K.: Rational Fools: A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory, in: Philosophy & Public Affairs, Vol. 6, No. 4, 1977, S. 317-344. Sen, A. K.: Rational Fools: A Critique of the Behavioral Foundations of Economic Theory, in: Mansbrigde, J. J. (ed.): Beyond Self Interest, Chicago u. a. 1997, S. 25-43. Sener, S., Saridogan, E.: The Effects of Science-Technology-Innovation on Competitiveness and Economic Growth, in: Procedia-Social and Behaviorial Sciences 24, 2011, S. 815-828. Senge, K: Zum Begriff der Institution im Neo-Institutionalismus, in: Senge, K., Hellmann K.U. (Hrsg.): Einführung in den Neo-Institutionalismus, Wiesbaden 2006, S. 35-47. Simon, H. A.: A Behavioral Model of Rational Choice, in: Quarterly Journal of Economics 69, 1955, S. 99-118. Simon, H. A.: Models of Men, Social and Rational, New York/London 1957. Simon, H. A.: Behavioral Economics, in: Eatwell, J., Milgate, M., Newman, P. (eds): The New Palgrave. A Dictionary of Economics, Vol. 1, London 1987, S. 221-225. Schumpeter, J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung; Göttingen 1964. Sen, A. K.: Equality of What?; in: McMurrin; S. M. (Hrsg.): The Tanner Lecture on Human Values; Salt Lake City 1980; S. 195–220. Sen, A. K.: Ökonomie für den Menschen – Wiege zur Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft; München, Wien 2000. Sen, A.: The Idea of Justice, London 2010. Sen, A.: The Ends and Means of Sustainability, in: Journal of Human Development and Capabilities, Vol. 14, No.1, 2013, S. 6-20. Senge, P. M., Carstedt, G., Porter, P. L.: Innovating our way to the next industrial revolution; in: Sloan Management Review, 42. Jg. (2001) Bd. 2; S. 24–38. Siebenhüner, B.: Homo sustinens – Auf dem Weg zu einem Menschenbild der Nachhaltigkeit, Marburg 2001. Siebenhüner, B.: Homo sustinens – Neue Einsichten für nachhaltiges Handeln, in: Leitschuh, H. u. a. (Hrsg.): Mut zu Visionen – Brücken in die Zukunft, Jahrbuch Ökologie, Stuttgart 2014. Simonis, U. E.: Das magische Dreieck zukunftsfähiger Entwicklung; in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 49. Jg. (1998) H. 6/7; S. 466. Sohmen, E.: Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik; Tübingen 1976. Solbach, D.: Integrierter Umweltschutz, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität; Regensburg 1998. Solow, R. M.: The Economics of Resources or the Resources of Economics; in: American Economic Review, 64. Jg. (1974a) H. 2; S. 1–14.

272

Literatur

Solow, R. M.: Intergenerational Equity and Exhaustible Resources; in: Review of Economic Studies Symposium, 41. Jg. (1974b); S. 29–45. Solow, R. M.: Sustainability – An Economist’s Perspective; in: Dorfman, R., Dorfman, N. S. (Hrsg.): Economics of the Environment, 3. Aufl.; New York 1993; S. 179–197. Solow, R. M.: Sustainability – An Economist’s Perspective; in: Dorfman, R., Dorfman, N. S. (Hrsg.): Economics of the Environment, Selected Readings, New York, London 1993, S. 179-187. Solow, R. M.: Georgescu-Roegen versus Solow-Stiglitz – Reply, in: Ecological Economics, 22, 1997, S. 267-268. Spangenberg, J. H.: Towards Sustainable Europe – Sustainable Europe – Environmental Space; Wuppertal 1994. Spangenberg, J. H.: Ein zukunftsfähiges Europa – Towards Sustainable Europe – Zusammenfassung einer Studie aus dem Wuppertal Institut im Auftrag von Friends of the Earth Europe; Wuppertal Papers, Nr. 42; Wuppertal 1995. Spangenberg, J. H.: Prisma der Nachhaltigkeit; Archiv des Wuppertal Instituts, UM-631/97; Wuppertal 1997. Spangenberg, J. H.: Systeme zwischen Evolution, Trägheit und Beschleunigung; in: Renner, A., Hinterberger, F. (Hrsg.): Zukunftsfähigkeit und Neoliberalismus; Baden-Baden 1998; S. 299–319. Spangenberg, J. H.: Die ökonomische Nachhaltigkeit der Wirtschaft; Berlin 2005. Spash, C. L.: The Shallow or the Deep Ecological Economics Movement? In: Ecological Economics, 93, 2013, S. 351-362. Spash, C. L.: New Foundations for Ecological Economics, in: Ecological Economics, 77, 212, S. 36-47. Stahmer, C.: Das magische Dreieck der Input-Output-Rechnung; in: Hartard, S., Stahmer, C., Hinterberger, F. (Hrsg.): Stoffflussanalysen und Nachhaltigkeitsindikatoren; Magische Dreiecke – Berichte für eine nachhaltige Gesellschaft, Bd. 1; Marburg 2000; S. 43–91. Statistisches Bundesamt: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – Indikatorenbericht 2006; Wiesbaden 2007. Statistisches Bundesamt: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland – Indikatorenbericht 2008; Wiesbaden 2008. Statistisches Bundesamt: Umweltnutzung und Wirtschaft – Tabellen zu den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen; Wiesbaden 2013. Statistisches Bundesamt: Umweltnutzung und Wirtschaft – Bericht zu den umweltökonomischen Gesamtrechnungen, Wiesbaden 2010. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2013; Abruf 06.02.2014. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. R. 1, Bd. 1; o. O. 2007 < http://www.vgrdl.de> Abruf 03.05.2007.

Literatur

273

Steurer, R.: Paradigmen der Nachhaltigkeit; in: Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, 24. Jg. (2001) H. 4; S. 537–566. Stiglitz, J. E.: Growth with Exhaustible Natural Ressources – Efficient and Optimal Growth Paths; in: The Review of Economic Studies, 41. Jg. (1974); S. 123–137. Stiglitz, J. E.: Das Entwicklungsversprechen, in: Weber di Mauro, B. (Hrsg.): Chancen des Wachstums, Frankfurt 2008, S. 225-246. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen Bayern (StMLU): BayernAgenda 21 – für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung in Bayern; München 1997. Stiglitz, J.: Die Schatten der Globalisierung, Berlin 2002 Stiglitz, J. E., Sen, A., Fitoussi, J.-P. (2009): Report by the Comission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress, Paris. Stiglitz, J.: Freefall. America, Free Markets, and the Thinking of the World Economy, New York 2010. Ströbele, W.: Rohstoffökonomik; München 1987. Sturm, A., Wackernagel, M., Müller, K.: Die Gewinner und die Verlierer im globalen Wettbewerb – warum Öko-Effizienz die Wettbewerbsfähigkeit stärkt; Chur 1999. Sturn, R.: Die Krise und der Fortschritt in der Ökonomik, in: Held, M., Kubon-Gilke, G., Sturn, R. (Hrsg.): Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik, Jahrbuch 10, Marburg 2011, S. 7-30. Sustainable Asset Management (SAM): Corporate Sustainability Assessment Questionnaire; Stand 21.04.2004 Abruf 22.08.2006. Teichert, V., Diefenbacher, H., Dümig, D., Wilhelmy, S.: Indikatoren zur Lokalen Agenda 21 – ein Modellprojekt in sechzehn Kommunen; Opladen 2002. Thorenz, A.: Ressourcenmanagement aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Reller, A. u. a. (Hrsg.): Ressourcenstrategien – eine Einführung in den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, Darmstadt 2013, S. 123-131. World Bank: World Development Indicators Abruf: 04.02.2014 Toman, M. A.: Economics and Sustainability – Balancing Trade-offs and Imperatives; in: Land Economics, 70. Jg. (1994) H. 4; S. 399–413. Tremmel, J.: Nachhaltigkeit als politische und analytische Kategorie – der deutsche Diskurs um nachhaltige Entwicklung im Spiegel der Interessen der Akteure; München 2003. Turner, R. K.: Sustainability – Principals and Practice; in: Turner, R. K. (Hrsg.): Sustainable Environmental Economics and Management – Principals and Practice; Chichester 1993; S. 3– 36. Ulrich, P.: Das Großunternehmen als quasi-öffentliche Institution – eine politische Theorie der Unternehmnung; Stuttgart 1977. Umweltbundesamt (Hrsg.): Konzeptionelle Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren der UN-Commission on Sustainable Development; Berlin 1997.

274

Literatur

United Nations Conference on Environment and Development (UNCED): Agenda 21; New York 1992. United Nations Conference on Environment and Development (UNCSD, Hrsg.): Indicators of Sustainable Development – Framework and Methodologies; New York 1996. United Nations Conference on Environment and Development (UNCSD): Indicators of Sustainable Development – Guidelines and Methodologies; New York 2001 Abruf 29.09.2004. United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD): A Manual for the Preparers and Users of Eco-efficiency indicators, Version 1.1; UNCTAD/ITE/IPC/2003/7; New York, Genf 2004. United Nations Department of Economic and Social Information and Policy Analysis (UNDESIPA): Handbook of National Accounting – Integrated environmental and economic accounting, interim version; Studies in methods, R. F, Bd. 61; New York 1993. United Nations Department of Economic and Social Affairs (UNDESA): Assessment Report on National Sustainable Development Strategies – the Global Picture 2003; o. O. 2004 Abruf 09.09.2004. United Nations Department of Economic and Social Affairs (UNDESA): National Sustainable Development Strategies – the Global Picture 2003; Stand Juli 2004 Abruf 09.09.2004. United Nations Department of Economic and Social Affairs (UNDESA): National Sustainable Development Strategies – the Global Picture; Stand Juni 2006 Abruf 12.02.2007. United Nations Development Programme (UNDP): Human Development Report 2013 – Statistical Tables from the 2013 Human Development Report Abruf 22.01.2014. United Nation Environment Programme (UNEP): Towards a Green Economy: Pathways to Sustainable Development and Poverty Eradication; A Synthesis for Policy Makers; Internetlink 2011. United Nations General Assembly (UNGASS): What Now – Dag Hammarskjöld Report on Development and International Cooperation; New York 1975. Unruh, G. C.: Understanding carbon lock-in; in: Energy Policy; 28. Jg. (2000) H. 12; S. 817– 830. Verband Deutscher Ingenieure (VDI): Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittelständischen Unternehmen – Anleitung zum Nachhaltigen Wirtschaften; VDI-Richtlinie 4070, Blatt 1; Berlin 2006. Verfaillie, H. A., Bidwell, R.: Measuring eco-efficiency – A guide to reporting company performance; o.O. 2000 Abruf 18.11.2002. Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ), Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (VÖW): Heidelberger Erklärung zur Umsetzung und Weiterentwicklung der deutschen

Literatur

275

Nachhaltigkeitsstrategie; in: Ökologisches Wirtschaften – Spezial ‚Perspektiven nationaler Nachhaltigkeitsstrategien’ (2003) H. 3–4; S. 15–16. Vogt, M.: Nachhaltigkeit aus theologisch-ethischer Perspektive, in: v. Hauff, M. (Hrsg): Nachhaltige Entwicklung – Aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen, Baden-Baden 2014, Voigt, S.: Institutionenökonomik, Auflage Paderborn 2009. Vornholz, G.: Zum Spannungsverhältnis von Ökonomie und Sustainable Development; in: Feser, H.-D., von Hauff, M. (Hrsg.): Neuere Entwicklungen in der Umweltökonomie und -politik; Regensburg 1997; S. 39–56. Voss, G.: Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung – Darstellung und Kritik; Köln 1997. Wacker, H., Blank, J. E.: Ressourcenökonomik Band II: Einführung in die Theorie erschöpfbarer natürlicher Ressourcen; München 1999. Wackernagel, M., Rees, W. E.: Our Ecological Footprint – reducing human impact on earth; Gabriola Island 1996. Wägner, P., Lang, D.: Seltene Metalle, in: SATW, Schrift Nr. 41, Zürich 2010. Walz, R.: Der Beitrag von R. M. Solow zur Entwicklung des schwachen Nachhaltigkeitsbegriffs, Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe 1999. Weisz, H.: Metabolismus von Industriegesellschaften, in: Isenmann, R., v. Hauff, M. (Hrsg.): Industrial Ecology: Mit Ökologie zukunftsorientiert wirtschaften, München 2007, S. 209-224. Weizsäcker, E.-U., von, Lovins, A. B., Lovins, L. H.: Faktor Vier – Doppelter Wohlstand ~ halbierter Naturverbrauch – Der neue Bericht an den Club of Rome; München 1995. Weizsäcker, E.U., von, u.a.: Faktor fünf – Die Formel für nachhaltiges Wachstum, München 2010. Weizsäcker, E. U., von: Effizienz – erforderlich für Nachhaltigkeit, in: Jahrbuch Ökologie: Mit zu Visionen – Brücken in die Zukunft, Stuttgart 2014, S. 64-70. Weller, I.: Nachhaltiger Konsum in Zeiten des Klimawandels, in: v. Hauff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung aus verschiedener Perspektive, Baden-Baden 2014 (erscheint im Sommer 2014). Welsch, J.: Innovationspolitik – eine problemorientierte Einführung; Wiesbaden 2005. Wicke, L., Franke, W.: Umweltökonomie – eine praxisorientierte Einführung, 3. Aufl.; München 1991. Wiedmann, T., Minx, J.: A definition of ‚carbon footprint’; ISA Research Report, Nr. 07-01 (2007) Abruf 27.02.2009. Wilderer, M. Z.: Economic Growth, Environment and Development, Delhi 2002. Wilderer P. A., v. Hauff, M.: Industrial Ecology: engineered representation of sustainability, in: Sustainability Science, vol. 4, März 2008. Wilderer, P.A., v. Hauff, M.: Nachhaltige Entwicklung durch Resilienz-Steigerung, in: v. Hauff, M. (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung aus verschiedener Perspektive, Baden-Baden 2014 (erscheint im Sommer 2014).

276

Literatur

Winter, G.: Natur ist Fundament, nicht Säule – 20 Jahre nachhalige Entwicklung als rechtspolitisches Konzept; in: Gaia, 16. Jg. (2007) Bd. 4; S. 255–260. Witt, U.: Innovationsförderung als Königsweg zur Nachhaltigkeit?; in: Beckenbach, F., Hampicke, U., Leipert, C., Meran, G., Minsch, J., Nutzinger, H. G., Pfriem, R., Weimann, J., Wirl, F., Witt, U. (Hrsg.): Innovationen und Nachhaltigkeit; Jahrbuch Ökologische Ökonomik; Marburg 2005; S. 87–94. World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): Eco-efficient Leadership for Improved Economic and Environmental Performance; o. O. 1996 Abruf 18.11.2002. World Business Council for Sustainable Development (WBCSD): Eco-efficiency – Creating more value with less impact; Genf 2000 Abruf 18.11.2002. World Commission on Environment and Development (WCED): Our Common Future; Oxford 1987. World Bank: Where is the Wealth of Nations? – Measuring Capital for the 21st Century, Washington 2006. World Summit on Sustainable Development (WSSD): Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development; in: WSSD (Hrsg.): Report of the World Summit on Sustainable Development, A/Conf. 199/20; New York 2002; S. 6–72. World Wide Fund For Natur (WWF): Living Planet Report 2008; Gland 2008 Abruf 20.11.2008. Yezer, A. M., Goldfarb, R. S., & Poppen, P. J.: Does Studying Economics Discourage Cooperation? Watch what we do, not what we say or how we play. The Journal of Economic Perspectives, 10(1), 1996, 177-186. Zahrnt, A.: Drohender Relevanzverlust – Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Perspektiven der Umsetzung und Weiterentwicklung; in: Ökologisches Wirtschaften – Spezial ‚Perspektiven nationaler Nachhaltigkeitsstrategien’ (2003) H. 3–4; S. 8–9. Ziemann, S., Schebek, L. 2010, S. 1967. Zieschank, R., Diefenbacher, H.: Der nationale Wohlfahrtsindex als Beitrag zur Diskussion um eine nachhaltigere Ökonomie, in: Sauer, T. (Hrsg.): Ökonomie der Nachhaltigkeit – Grundlagen, Indikatoren, Strategien, Marburg 2012, S. 41-66. Ziesemer, T.: Wieviel Kuchen für wie lange? Eine ressourcenökonomische Perspektive auf den Abbau erschöpflicher Ressourcen, in: Reller, A. u. a. (Hrsg.): Ressourcenstrategien – eine Einführung in den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, Darmstadt 2013, S. 89-104. Zink, K. J.: Total Quality Management as a Holistic Management Concept; Berlin, Heidelberg, New York u. a. 1998. Zink, K. J. (Hrsg.): Corporate Sustainability as a Challenge for Comprehensive Management; in: Zink, K. J. (Hrsg.); Heidelberg 2008. Zink, K. J., Steimle, U., Fischer, K.: Human Factors, Business Excellence and Corporate Sustainability – Differing Perspectives, Joint Objectives; in: Zink, K. J. (Hrsg.): Corporate Sustainability as a Challenge for Comprehensive Management; Heidelberg 2008; S. 3–18.

Literatur

277

Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung: Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit – Drei Ziele – ein Weg; Bonn 1998. Zukunftsrat Hamburg: Hamburger Entwicklungs-Indikatoren Zukunftsfähigkeit – HEINZ; Hamburg 2003 Abruf 18.12.2003.

Biographien Prof. Dr. Michael von Hauff ist seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Technischen Universität Kaiserslautern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Umwelt- und Entwicklungsökonomie. Er hat eine Vielzahl von Arbeiten über den Zusammenhang von Ökologie und Ökonomie und zur Entwicklung bzw. zu Problemen von Entwicklungsländern wie Indien, Vietnam und Myanmar publiziert. In den letzten 20 Jahren hat er sich besonders dem Thema nachhaltige Entwicklung im Rahmen von Publikationen und Forschungsprojekten zugewandt. 1995 war er Gastprofessor an der University of Delhi, 2003 hielt er Gastvorlesungen an der Nanyang Technological University/Singapur und seit 2004 hält er Gastvorlesungen am Institute of Economics/Yangon, Myanmar. Er ist Mitglied des Herausgeberbeirats verschiedener internationaler Journals. Weiterhin ist er Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen, wie der European Academy of Sciences and Arts.

Index

A Agenda 21 212 Allmendegüter 38 Anthropozentrismus 146, 176 Artenvielfalt 4 Assimilationsfähigkei 121

B Backfire 62 Backstop Ressource 138 Technologie 138 Basisinnovation 69 Bildungskapital 57 politik 228 Biokapazität 187 BrundtlandBericht 8 Kommission 2 Bruttoinlandsprodukt 110, 183, 198 Bundesamt statistisches 81, 226, 230

C Cake-Eating-Problem 134 Capability Ansatz 35, 152 Chancenungleichheit 212

D Dematerialisierung 54 Deponierung 141 Diskontrate 137

Dissipation 141 Dreidimensionalität 13 Drei-Säulen-Modell 160 Drei-Sektoren-Hypothese 120

E Eco-Industrial Park 91 Ecological Footprint 187 Effektivität 166 Effizienz 166 Strategie 62, 115 Eigennutzaxiom 21 maximierung 147 prinzip 25 Einkommensdisparität 240 Elastizität 48 Emission 139 Energie konzept 88 produktivität 230 sektor 79 Entropiegesetz 53 Europäische(r) Gemeinschaften 223 Rat 223 Union 223 Eurostat 224 Externer Effekt 52, 77

F Fairer Handel 141 Fairness 148, 154 Forschung 160 Forstwirtschaft 2 Fortschritt

280

Index

technischer 7, 46, 67, 97, 138 umwelttechnischer 61, 68, 117, 227 Fortschrittsparadoxon 28 Fraktal-Diagramm 168 Free Rider 240

G Genuine Savings 49 Gerechtigkeit 41, 146 intergenerationelle 145 intragenerationelle 145 soziale 148 Gerechtigkeitstheorie 146 Gesamtrechnung Sozioökonomische 187 Umweltökonomische 185 Gewerbegebiet nachhaltiges 88 Gewinn 137 Gibbsche Dreieck 170 Glücksforschung 25, 41, 126 Green Cabinet 225 green economy 11 Grenzertrag 101 nutzen 135 Grenzen des Wachstums 1, 6 Gross National Happiness Indicator 191 Grundrechte 151

H Hartwick-Regel 49 Helmholtz-Gemeinschaft 156 Homo oeconomicus 20, 52 Hotelling-Regel 136 Human Development Index 189 Human Poverty Index 189

I Index for Sustainable Economic Welfare 191 Indifferenzkurve 101 Indikatoren-

bericht 226 system 75, 160 Individualismus methodischer 21 Industrial Ecology 52 Innovation 35, 67 Innovationssystem 68, 71 Institutionenökonomie 25 Interessenverband 238, 239 Internalisierungsstrategie 52 Irreversibilität 53

K Kapital natürliches 104 stock 47 Klima schutz 172 wandel 7, 54, 146, 241 Kohlendioxid 160 Komplementarität 54 Kondratieff-Zyklus 69 Konsistenz-Strategie 63, 115 Konsum 142 nachhaltiger 242 Kreislaufwirtschaft 80

L Lebensqualität 34, 44, 140, 156 zyklus 139 Leitplankenansatz 55 Leitstrategie 61 Lissabon-Strategie 223 Lobbyismus 238

M Managementregel ökologische 225 maximum sustainable yield 4 Measure of Economic Welfare 191 Mengen-Effekt 114

Index

281 Opportunitätskosten 134 Ozonloch 55

Menschenrecht 191 Monopolgewinn 67

N Nachhaltigkeit ausgewogene 20, 58 ökologische 33 ökonomische 34 schwache 48, 220 soziale 36 starke 220 Nachhaltigkeitsbewertung 217 Nachhaltigkeitsdimension 159 Nachhaltigkeitsdreieck 165 integrierende 171 integrierendes 169 Nachhaltigkeitsindikator 191 Nachhaltigkeitskonzept 9 Nachhaltigkeitsrat 225, 228 Nachhaltigkeitsregel zweistufige 57 Nachhaltigkeitsstrategie 11 europäische 222 nationale 15, 212, 225 Naturkapital 46 Netzwerk-Modell 72 Neue Institutionenökonomie 21, 38 Neuroökonomie 26 Nutzenmaximierung 52 individuelle 147

O Ökoeffizienz 88, 107, 171, 205, 230 schwache 118 starke 118 Ökoeffizienz-Portfolio 206, 208 Ökologie 4 ökologische Rationalität 108 Ökonomie neoklassische 52 ökologische 51 Ökosozialprodukt 185 Ökosystem 6, 55, 116, 141

P Patent 71 Produktionsfaktor 101 Produktionsfunktion 101

R Rationalität 37 Reboundeffekt 62 Rebound-Effekt 78, 114, 141 Recyclierbarkeit 137 Recycling 77, 139, 142 Resilienz 53 Ressource natürlich 7 Ressourceneffizienz 62, 85, 102, 110, 125, 139 produktivität 62, 110, 120, 126, 230 substitut 138 verbrauch 116 Ressourcenstrategie nachhaltige 107, 131, 139 Rio-Prozess 10 Rohstoffproduktivität 230

S Sachkapital 46 Safe minimum standard 57 Schadschöpfung 109 Schnittmengen-Modell 163 Seltene Erden 132 Seltene Metalle 132 Sicherungssystem soziales 241 Sozialkapital 36, 37 Stakeholder 87 Steady state economy 54 Substituierbarkeit 46, 54 Substitution 77 Suffizienz-Strategie 64, 116

282

Index

T Technikoptimismus 51, 62 Thermodynamik 53 Trade-off 57 Transaktionskosten 22, 41

U Umverteilung 240 Umwelt innovation 76, 128, 223 managementsystem 83 politik 14 problem 6 standard 89 Umwelttechnik additive 80, 94 integrierte 80, 94 Utilitarismus 147

V Vereinte Nationen 214 Verhaltensökonomik 23 Verteilungsgerechtigkeit 75, 141 Verwirklichungschance 152

W Wachstum 35, 44 nachhaltiges 35 Wachstumseffekt 114 grenze 59 optimist 57 pessimist 57 Wachstumstheorie endogene 61 Wertschöpfung 109, 196 Wertschöpfungskette 139 Wirtschaftsverband 241 wachstum 54, 227 Wirtschaftsförderung regionale 228 Wissens-Spillover 73 Wohlfahrt 196 Wohlfahrtsfunktion 45 soziale 45 Wohlfahrtsindex Nationaler 196 Wohlfahrtsökonomik 150 Wohlstand 34