Grundlagen Qualitätsmanagement: Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte [3.,überarb. und aktual. Aufl.] 9783486712025, 9783486597981

Der Autor legt die philosophischen, historischen und sprachlichen Entwicklungen des Qualitätsmanagements (QM) eindrucksv

273 45 23MB

German Pages 541 [542] Year 2011

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Grundlagen Qualitätsmanagement: Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte [3.,überarb. und aktual. Aufl.]
 9783486712025, 9783486597981

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Edition Management

Herausgegeben von Dipl.-Soz. Hans-Dieter Zollondz Lieferbare Titel: Zollondz (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. Handbuch des Modernen Managements auf der Basis des Qualitätsmanagements Zollondz: Grundlagen Qualitätsmanagement. Einführung in die Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte, 3. Auflage Geiger, Walter: Beschaffenheitsmanagement – Nature Management (Deutsch/Englisch)

Grundlagen Qualitätsmanagement Einführung in Geschichte, Begriffe, Systeme und Konzepte von

Hans-Dieter Zollondz 3., überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage

Oldenbourg Verlag München

Genormte Begriffe. Die internationale (ISO) und deutsche Terminologie (DIN) des QM wurde – wo notwendig und sinnvoll – verwendet. Die Begriffe der Begriffsnormen ISO 9000:2005-12 wurden eingearbeitet. Des Weiteren wurde die derzeit gültige QM-Norm ISO 9001:2008-12 beachtet. Ältere, zurückgezogene QM-Normen dienten zur Erläuterung. Für die Erlaubnis zum Abdruck wird dem Deutschen Institut für Normung e.V., Berlin, gedankt. Die Weiterverwendung und Vervielfältigung dieser genormten Begriffe bedarf der Genehmigung durch das DIN.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Einbandgestaltung: hauser lacour Titelbild/Satz: Hans-Dieter Zollondz (Autor) Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-59798-1 eISBN 978-3-486-71202-5

Splitter „Without theory, experience has no meaning. Without theory, one has no questions to ask. Hence without theory, there is no learning. Theory is a window into the world.“ (William Edwards Deming: The New Economics. For Industry, Government, Education. 2th edition, London (The MIT Press) 1994, page 103) ࢧࢦࢨ „Die theoretische Arbeit, überzeuge ich mich täglich mehr, bringt mehr zustande in der Welt als die praktische; ist erst das Reich der Vorstellung revolutioniert, so hält die Wirklichkeit nicht aus.“ (Georg Wilhelm Hegel 1808 (Hoffmeister, J. (ed.): Briefe von und an Hegel. Hamburg 1979, 233)

ࢧࢦࢨ „Behandelt die Menschen so, als ob sie schon so wären, wie ihr sie haben wollt –, es ist der einzige Weg, sie dazu zu machen.“ (Johann Wolfgang von Goethe) ࢧࢦࢨ „Die Wissenschaft ist eine wunderbare Sache, wenn man nicht seinen Lebensunterhalt damit verdienen muss. Man sollte seinen Lebensunterhalt mit einer Arbeit verdienen, von der man weiß, dass man sie durchführen kann. Nur wenn wir niemandem Rechenschaft schuldig sind, finden wir Freude am Betreiben von Wissenschaft.“ (Albert Einstein, Brief an eine kalifornische Studentin, 1951)

ࢧࢦࢨ „Wir leben in genau einer Welt, nicht in zwei oder drei oder siebzehn. Soweit wir gegenwärtig wissen, sind die grundlegenden Eigenschaften dieser Welt so, wie sie von Physik, Chemie und den anderen Naturwissenschaften beschrieben werden. Aber die Existenz von Phänomenen, die allem Anschein nach nicht physikalisch oder chemisch sind, gibt Anlass zur Verwunderung.“ (John R. Searle 1997, 7)

„Ich suche mich damit zu trösten, dass es nur eine vorläufige Arbeit ist. Wenn ich zurückkomme, der Friede wieder verschafft ist, werde ich alles endgültig verbessern, im Fluge wird sich das dann alles machen lassen.“ (Franz Kafka: Der Bau. In: Ders.: Sämtliche Erzählungen, Frankfurt am Main 1970, 207)

Vorwort zur dritten Auflage „Rettungsboote baut man nicht im Sturm.“ [ J. J. Cale: Tulsa Approach. 2009]

Die Idee zu diesem Buch kam mir etwa zwanzig Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dem Thema Qualität, als ich in Mainz in der Auslage einer Buchhandlung ein Buch mit dem Titel „Kaizen“ sah, das von einem japanischen Autor namens Imai stammte. Was verbarg sich hinter diesem Wort? Da mich Fremdartiges und Unbekanntes immer anzog, ging ich in die Buchhandlung und kaufte Kaizen. In München angekommen hatte ich es im Zug durchgearbeitet. In meiner damaligen Funktion als Leiter Training in einem Dienstleistungsunternehmen reizte es mich Kaizen in mein Trainingsprogramm aufzunehmen. Das schien jedoch unmöglich. Die Widerstände des obersten Managements und im Gefolge auch der nachfolgenden Managementebenen waren beträchtlich. Sie gipfelten in der Aussage, das sei was für die Industrie, da komme es ja her. Auf den Dienstleistungsbereich ließe sich so etwas überhaupt nicht übertragen. Mehr als zwanzig Jahre sind seitdem vergangen. Ich hatte nicht locker gelassen und habe mich immer mehr für Qualität und dessen Management neben meinem Stammberuf begeistert. Dabei ist es im engeren Sinn nicht geblieben, die Geschichte von Qualität ist ja mehrere Tausend Jahre alt. Was damals wie ein Spleen ausgesehen haben mag, hat sich durchgesetzt. Ja, das Qualitätsmanagement ist eine Bewegung, eine treibende Kraft, die sich in ihren Ansätzen derart differenziert hat, dass es schwer ist den Überblick zu gewinnen. Leider wird unter dem Etikett Qualitätsmanagement und seinen Spielarten auch viel Falsches und Ungereimtes veröffentlicht, schlimmer noch getan, indem nicht einmal die Grundzüge erkannt werden und es zu einem reinen Kostenmanagement degradiert wird. Doch es läßt sich prophezeien, dass die erste Hälfte dieses Jahrhunderts die Demidekade der Qualität sein wird, ja muss, denn allein die sich rapide weiterentwickelnde Informationstechnologie wird nicht weiterwachesen können, ohne ihr zentrales Qualitätsmerkmal „Sicherheit“ kontinuierlich zu verbessern. Innerhalb und um die IT herum wird sich Qualitätsmanagement etablieren, das hier sehr oft die Bezeichnung Risikomanagement trägt. Gut eingeführtes Qualitätsmanagement senkt die Risiken und die Kosten, wirkt langfristig. Offensichtlich wird gerade Grundlagenwissen sehr stark nachgefragt. Deshalb soll dieses erstmals im Jahr 2002 erschienene Grundlagenwerk zum Qualitätsmanagement eine weitere, die dritte Auflage, erhalten, die einerseits das bewährte Konzept der Wissensbreite und -tiefe beibehält, und so auch neue Entwicklungen auffängt und integriert. So hat sich die Gliederungsstruktur an einigen Punkten geändert, weil neue Themen integriert wurden. Zu danken habe ich in ganz besonderer Weise Herrn Prof. Dr.-Ing. Walter Geiger, der mit seinem grenzenloses Wissen besonders zum Gelingen des Werkes beigetragen hat. Hans-Dieter Zollondz Biozat (Vichy) im Mai 2011

Ein Gespräch aus der Praxis „Ich habe gehört, das Qualitätsmanagement sei eine Managementlehre. Worin besteht seine Methode? Wie sieht die tägliche Praxis aus?“ „Man arbeitet, telefoniert, verkauft, führt seine Mitarbeiter …“ „Was soll daran Besonderes sein? Jeder arbeitet, telefoniert, verkauft, führt seine Mitarbeiter …“ „Mein Herr, wenn wir arbeiten, achten wir auf die Qualität unserer Arbeit; wenn wir telefonieren, achten wir auf die Qualität des Telefonats; wenn wir verkaufen, achten wir auf die Verkaufsqualität; wenn wir unsere Mitarbeiter führen, achten wir auf die Führungsqualität … Wenn andere arbeiten, telefonieren, verkaufen, ihre Mitarbeiter führen, achten sie gewöhnlich nicht auf das, was sie tun.“ „Aha, ich verstehe. Und deshalb haben Sie ein Qualitätsmanagementsystem.“ „Ja, denn von selbst läuft eine Organisation nicht. Wir haben ein auf die Qualität bezogenes Managementsystem implementiert. Dazu gehört ein Qualitätsleitbild, an dem sich alle orientieren, angefangen beim Management, das dieses Leitbild täglich bei allen Handlungen vorlebt. Was getan wird darf den Werten des Leitbilds nicht widersprechen. Empowerment wird bei uns ganz groß geschrieben. ‚Quality is everybody‘s job!‘ Diesen Slogan kennt und lebt jeder. ‚Be your own charman!‘ Der aus der TZI

Technische Realisation Die Grundlagen QM wurden inklusive der Abbildungen mit Adobe InDesign CS3 auf dem Apple MacPro vom Autor direkt bis zur Druckvorstufe verfasst.

bekannte Slogan fordert dazu auf, sich seiner selbst bewußt zu werden (Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Gedanken, Wünsche, Absichten, etc.) und sich selbst so zu akzeptieren, in der Bewußtheit seiner selbst und der Situation Entscheidungen zu treffen und in diesem Rahmen die Verantwortung für die Arbeit und die Menschen um sich herum zu übernehmen. Jeder bezieht sein Handeln auf den PDCA-Circle und gleicht es mittels dieser Qualitätstechnik immer wieder ab. Genauso gilt für jeden der Grundsatz von Crosby ‚Do it right first time.‘ Also immer versuchen alles gleich richtig zu machen. Fehler und Probleme sind für uns alle immer wieder Herausforderungen, keinesfalls werden Schuldige gesucht. Um damit fertig zu werden nutzen wir alle möglichen Qualitätstechniken.“ „So habe ich das noch nicht in der ISO 9001 gelesen.“ „Die ISO 9001 ist ein Rahmenmodell, in dem das WAS erläutert wird. Offen ist das WIE, und wir machen das eben auf unsere Art und Weise und setzen sehr stark auf die Beziehung zwischen Mitarbeiter und Kunden. Dazwischen liegen die Prozesse, und die müssen eben gestaltet werden. Das kann man in einer so allgemeinen QM-Norm nicht finden und schon gar nicht ‚Benchmarken.‘ Die ISO 9001 setzt ein Minimum. Für uns war diese QM-Norm ein Anfang.“ …

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur dritten Auflage………………………………………………………………… VII Ein Gespräch aus der Praxis ………………..…………………………..…………………… VIII Inhaltsverzeichnis ………………………..…………………………..……………………

IX

Abkürzungsverzeichnis ………………………...…………………….…………………… Es lag am Management – Ein Plädoyer

XIV

Einführung 1

1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.4 1.5

2

2.1 2.2 2.3 2.4

2.5 2.6 2.7

Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement Im ersten Kapitel erfahren Sie – Fragen und Aufgaben zum Verständnis – Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 1 Worum geht es beim Qualitätsmanagement? Der philosophische Blick auf Qualität Qualitätswissenschaft – die Wissenschaft von der Qualität Das Phänomen Qualitätswissenschaft im deutschen Qualitätsmanagement Zu den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Qualitätswissenschaft Zentrale Wissenschaftskriterien Qualitätswissenschaft und qualitätsbezogene Normung Die Paradigma-Theorie von Th. S. Kuhn und ihre Bedeutung für die Qualitätswissenschaft Nicht Qualitätswissenschaft, sondern Qualitätswissenschaften Zur Rekonstruktion der Qualitätswissenschaft Aspekte zu einer kleinen Geschichte des Qualitätsmanagements Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement – Ausblick Mindmap Kapitel 1 Vorläufer, Vordenker und Pioniere des Qualitätsmanagements Im zweiten Kapitel erfahren Sie – Fragen und Aufgaben zum Verständnis – Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 2 Historische Entwicklungslinien: Zur Bestimmung der „Qualitätsdenker“ Frederick Winslow Taylor (1856*-1915†) Henry Ford (1863*-1947†) Walter Andrew Shewhart (1881*-1967†) Exkurs zur Beantwortung der Frage, warum das moderne Qualitätsmanagement Deutschland erst so spät erreichte William Edwards Deming (1900*-1993†) Joseph Moses Juran (1904*-2008†) Taiichi Ohno (1912*-1990†) (Shigeo Shingo [1909*-1990†]): Die Elemente des TPS

1 2 3 8 20 20 28 29 30 34 38 39 42 47 53 55 56 57 60 72 80 84 86 96 104 108

Inhaltsverzeichnis

X 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14

Armand Vallin Feigenbaum (1920*) Kaoru Ishikawa (1915*-1989†) Genichi Taguchi (1924*) Yoji Akao (1928*) Philip B. Crosby (1926*-2001†) Qualitätsexperten im deutschsprachigen Raum – QM als Bewegung Die Qualitätsexperten: Zwischenbilanz und Ausblick Mindmap Kapitel 2

111 115 121 128 138 144 153 156

3

Qualität, Qualitätsmodelle und Qualitätsprogramme Im dritten Kapitel erfahren Sie – Fragen und Aufgaben zum Verständnis – Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 3 Ein Blick aufs Grundsätzliche: Den Gegenstandsbereich erfassen Was ist Qualität? Versuch, Aussagen über Qualität zu erfassen Versuch, Qualität von der Sprache her zu verstehen Versuch einer Rekonstruktion von Qualität auf der Basis des sprachlichen Verständnisses Das partialanalytische Qualitätsverständnis von Garvin Die Qualitätsdimensionen nach Donabedian Der Qualitätsbegriff in der internationalen Fachsprache des Qualitätsmanagements Zum Begriff der Qualitätsforderung (quality requirement) Die Bestimmung von Qualitätsmerkmalen (quality characteristics) Zum Begriff der Einheit im Qualitätsmanagement Der Qualitätsbegriff im Total Quality Management (TQM) oder umfassenden Qualitätsmanagement Der Begriff der Dienstleistungsqualität Entwicklung eines organisationsbezogenen Qualitätsbegriffs Résumé Abschnitt 3.2 Qualitätsmodelle Was sind Qualitätsmodelle? Das Qualitätskreis-Modell Das Qualitätsregelkreis-Modell Der QTK-Kreis (Qualitäts-Termin-Kosten-Kreis) Die Wertschöpfungsanalyse Das Modell vom RCPA-Zyklus zur kontinuierlichen Operationalisierung der Qualitätsforderung Das Dienstleistungsqualitäts-Modell von Grönroos Das Dienstleistungsqualitäts-Modell von Meyer und Mattmüller Das Dienstleistungsqualitäts-Modell von Parasuraman et al. Abschließende Bemerkungen zu den Modellen der Dienstleistungsqualität Qualitätsprogramme Was sind Programme? Was sind Qualitätsprogramme? Résumé Mindmap Kapitel 3

157

3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.10 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5

158 159 161 162 163 166 168 170 171 178 179 184 186 187 191 193 194 194 195 198 201 204 205 211 213 214 218 219 219 222 228 229

Inhaltsverzeichnis

4

4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7

4.2.8

4.2.9 4.3 4.3.1

4.3.2

4.3.3

Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements Im vierten Kapitel erfahren Sie – Fragen und Aufgaben zum Verständnis – Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 4 Was ist Qualitätsmanagement? Prozessmanagement als Basis des Qualitätsmanagements Mit Prozessen Ziele von Organisationen erreichen Was ist Prozessmanagement / Was nicht? Prozessgestaltung Die Ausrichtung als Prozessorganisation Prozessorganisation – Ein Regelkreis Prozessmanagement – Wo beginnen? Prozessmanagement und IT-Einsatz  Informationen zu Prozessen erheben  Prozesse modellieren – Tabellenform  Prozesse modellieren und eine Notation dafür etablieren  Zur Geschäftsprozessmanagement-Notation BPMN Prozessmanagement als Teil des Qualitätsmanagements  Prozessmanagement im TQM  Prozessmanagement im Konzept der ISO 9000-family (ISO 9001:2008-12) Business-Process-Reengineering (BPR): Der radikale Weg zur Prozessorganisation Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements Mit dem Oxygene- und Kulturtypus Qualität erzeugen  Oxygenetypus (Elektrizitätstypus)  Kulturtypus Kontinuierliches Verbesserungsmanagement (KVM) als Basis des Qualitätsmanagements  Kontinuierliches Verbesserungsmanagement – Der Kaizen-Ansatz von Masaaki Imai  Kontinuierliches Verbesserungsmanagement (KVM) – Das westlich orientierte Verbesserungsmanagement 쪧 Auffassungen über Kaizen 쪨 Zur Entstehung von Kaizen 쪩 Ziele, Grundannahmen und Axiome von Kaizen 쪪 Demings Plan-Do-Check-Act-Circle 쪫 Implementierung von Kaizen 쪬 Résumé Qualitätsmanagementsysteme (QM-Systeme)  Der Normbegriff im Qualitätsmanagement  Historische Entwicklung der QM-Systeme  Aufbau der DIN EN ISO:2000-Normenreihe  Forderungen an QM-Systeme nach ISO 9001-2008-12  Exkurs: Warnung – Systeme sind komplex!  Weiße Flecken im Prozessmanagementansatz der ISO 9001:2008-12  Wenig Neues durch die Revision der ISO 9001:2008-12

XI 231 232 233 242 242 243 253 255 259 261 265 266 267 268 271 274 274 276 279 283 283 283 284 286

286 289 289 282 294 297 298 300 301 301 304 309 315 319 320 322

Inhaltsverzeichnis

XII 4.3.4

4.3.5

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3

4.4.4 4.5

5

5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

TQM-Modelle 323  Total Quality Management (TQM) – mehr als … 323  Deming Application Prize 327  Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) 332  EFQM-Modell als Basis des European Quality Award 343  Ludwig-Erhard-Preis (LEP) 361  Das Aachener Qualitätsmanagement Modell 364  Résumé: Was noch zu verfolgen ist! 368 Integriertes Qualitätsmanagement, die Metaebene 369  Wortfeldanalyse integrativ/integriert 370  Integriertes Management – Integrierende Ansätze in Managementmodellen 370  Integriertes Management – Der Ansatz von Knut Bleicher 372  Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) – Der Ansatz von Hans Dieter Seghezzi 375  Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) – Der Ansatz von Johannes Rüegg-Stürm in der Interpretation von Hans Dieter Seghezzi 377  Integrierte Managementsysteme (IMS) 380 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements 385 Branchenbezogene Ansätze des Qualitätsmanagements: Regelwerke mit direktem Bezug zur ISO 9001 385 Branchen-/Bereichsbezogene QM-Systeme ohne oder mit indirektem Bezug zur ISO 9001: Beispiele 390 Ausgewählte aktuelle QM-Ansätze 393  Six Sigma – Von der Qualitätstechnik zum System 394  Vom TPS zum Lean Management – Neue Souffleusen dirigieren 403 im Qualitätsmanagement das TPS 쪧 Vorbemerkungen 403 쪨 House des Lean Managements („TPS-Haus“) 405 쪩 Die kulturelle Ebene des Toyota Organization Systems 408 14 Managementprinzipien 쪪 Toyota Kata 411 쪫 Lean Six Sigma 416  Supply Chain Management 418  Beschwerdemanagement 422 QM-Kontextkonzepte 430 Qualitätstechniken 431 Mindmap Kapitel 4 436 „Anything goes!“ – Implementierung des Qualitätsmanagements Im fünften Kapitel erfahren Sie – Fragen und Aufgaben zum Verständnis – Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 5 Vorbemerkung Implementieren eine Qualitätsleitbildes Das Implementierungsproblem Projektmanagement – Essentials Implementierung im QM Das Implementierungskonzept von Malorny

437 438 439 440 441 443 446 449

Inhaltsverzeichnis

XIII

5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6

Nach der Implementierung die Zertifizierung Zur europäischen Akkreditierungs- und Zertifizierungspolitik Zur Zertifizierung von QM- und Umweltmanagement-Systemen Zertifizierung aus der Sicht des Lieferanten Der Prozess der Zertifizierung aus der Sicht der Zertifizierungsstelle Zertifizierungskosten (Bachthaler-Studie) Probleme und Fehler bei der Zertifizierung Mindmap Kapitel 5

452 453 455 456 460 461 463 464

6 6.1 6.2 6.3

Bestandsaufnahme und Schlussbetrachtung Was wurde gezeigt und erreicht? Bestandsaufnahme Schlussbetrachtung „Qualitas occulta“

465 467 467 471 476

Literatur Anmerkungen Verwendete und empfohlene Literatur

477 479 483

Anhang

501

Register Namenregister Sachregister

513 515 517

Bildnachweis

522

Abkürzungsverzeichnis

XIV

Abkürzungsverzeichnis A A+OArbeits- und OrganiPsycho- sations-Psychologie logie AIAG Automotive Industry Action Group (Verband der Automobilindustrie der USA, Michigan) ANFIA Associazione Nazionale Fra Industrie Automobilistiche (Verband der italienischen Automobilindustrie, Turin) AOQL Avarage Outgoing Quality level (Maximum des Durchschlupfs – Stichprobenanweisung) AQAP Allied Quality Assurance Programs (NATO) AQI Annual Quality Improvement AQL Acceptable Quality Level AQL avarage quality level (vorgegebene annehmbare Qualitätsgrenzlage) AQS Ausschuß für Qualitätssicherung und Angewandte Statistik (jetzt Ç NQSZ) ASI American Supplier Institute ASQ American Society for Quality ASQ Arbeitsgemeinschaft für Statistische Qualitätskontrolle (bis 1952, jetzt Æ DGQ) ASQC American Society for Quality Control (am. Gesellschaft für Qualitätslenkung) AVSQ Automotive Valutazione Systemi Qualita AWF Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung

B BDA

BDI BE BEModell

Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, Berlin Bundesverband der Deutschen Industrie Business Excellence

Business Excellence Modell BGA Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels BGB Bürgerliches Gesetzbuch BMBF Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie BPM Business Process Management BPMN Business Process Management Notation BPR ≈ BR BR Business Reengineering (≈ BPR) BS British Standards BSI British Standards Institution BUM Berliner UmsetzungsModell BVVW Betriebliches Verbesserungsvorschlagswesen BVW Betriebliches Vorauch: BV schlagswesen C CAD

CAE

CAQ

CAM

Computer aided design (Computergestütztes Konstruieren) Computer aided engineering (Computergestütztes Engineering) Computer aided Quality Management (Computer gestütztes Qualitätsmanagement) Computer aided Manufacturing (Com-

putergestützte Fertigung) CAS Computer aided Selling (Computergestützter Verkauf ) CASCO Committee on Conformity Assessment (= Komitee für Konformitätsbeurteilung) CASE Conformity Assessment Systems Evaluation CC Critical characteristic (besonderes Merkmal) CCA CENELEC-Zertifizierungsabkommen CCFA Comité des Constructeurs Français d’Automobiles (Verband der französischen Automobilindustrie, Paris) CE Communauté Européenne CEN Comité Européen de Normalisation CENELEC Comité Européen de Normalisation Electrotechnique CFM Continous Flow Manufacturing CIM Computer Integrated Manufacturing (Ç CAQ) CIP Continous Improvement (Ç KVP) CIP Computer Integrated Processing (Computerintegrierte Prozessfertigung) CMA Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft CQ Company Quality CQI Continous Quality Improvement (Kontinuierliche Qualitätsverbesserung) CSF Critical Success Factor

Abkürzungsverzeichnis

XV CSI

Customer Satisfaction Index C-S-Q-N -QM Conditio-Sine-Qua-Modell Non-QM-Modell CWQC Company Wide Quality Control (so wird international oft Ç TQM bezeichnet) CWQI Company Wide Quality Improvement D DAP

Deming Application Price DAR Deutscher Akkreditierungsrat DEC Deutsches EFQMCenter, Frankfurt/M. DGQ Deutsche Gesell(dgq) schaft für Qualität e.V., Frankfurt/Main DIHT Deutscher Industrieund Handelstag DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin DIS Draft International Standard DMAIC Define, Measure, Analyse, Improve, Check/Control DoE Design of Experiments (= Versuchsplanung) DQS Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von QMSystemen m.b.H. (heutige Bezeichnung: Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen mbH Qualitäts- und Umweltgutachter E EAC

European Accreditation of Certification EAQF Evaluation Aptitude Qualité Fournisseur EC European Commission / European Communities EFQM European Foundation

for Quality Management EMAS Environmental Management and Audit Scheme EN Europäische Norm EPK Ereignisgesteuerte Prozessketten EOQ European Organization for Quality EQ Europäische Qualität EQA European Quality Award EQNET European Network for Quality System Assessment and Certification F FBA

Fehlerbaumanalyse (Ç FTA) FMEA Failure Mode and Effect Analysis – nonconformity mode and effect analysis (Fehlermöglichkeitsund -einflussanalyse) FMECA Failure Mode, Effect and Criticality Analysis FQS Forschungsgemeinschaft für Qualität FRAP Frequenz Relevanz Analyse von Problemen FTA Fault Tree Analysis G GATT GLP GMP GQW

GS

General Agreement on Traffic and Trade Good Laboratory Practice Good Manufacturing Practice Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e.V., Berlin Geprüfte Sicherheit (Ç Generalsekretariat bei CENELEC)

H HACCP Hazard Analysis and Critical Control Point System

HdA HDE

HoQ

HRM

Humanisierung der Arbeit Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, Berlin House of Quality genau: House of Quality Requirements (= Haus der Qualitätsforderungen) Human-Ressourcen Management

I IAQ

International Academy of Quality IATF Internationale Automobil Task Force ICC International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) IEC International Electrotechnical Commission IMS Integrierte Managementsysteme IQM Integrated Quality Management (Integriertes Qualitätsmanagement) ISO International Organization for Standardization (Internationale Organisation für Normung) ISO/TS ISO-Dokument als Technische Spezifikation IT Informationstechnik J JIT JISC

JSQC

K KLB

Just-in-Time Japanese Industrial Standards Committee (= Japanische Normungsinstitution) Japanese Society of Quality Control

Kunden-LieferantenBeziehung (-en), interne/externe

Abkürzungsverzeichnis

XVI KMO

KMU

KTA KTQ

KVM

KVP

L LE LEP LP LQM

Kleine und mittlere Organisationen (normgerechte Abkürzung für KMU) (engl. Ç SMO) Kleine und mittlere Unternehmen (nicht normgerechte Abkürzung: Ç KMO) Kerntechnische Anlagen Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus Kontinuierliches Verbesserungsmanagement Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Ludwig-ErhardStiftung e.V., Bonn Ludwig-Erhard-Preis Lean Production Lexikon Qualitätsmanagement

MSR

PPL

Prüfplanung

PPM

Parts per Million (106) – Fehlerteile pro eine Million Produktionsplanung und -steuerung (Ç PPSS) Produktionsplanungs- und steuerungs-System (Ç PPS) Prozessorientierte QM-Systeme

N NADI

Normenausschuß der Deutschen Industrie (gegr. 1917; 1975 Umbenennung in: Ç DIN) NAGUS Normenausschuß Grundlagen des Umweltschutzes NIST National Institute of Standards and Technology (USA) NOAC Next Operation as Customer NQSZ Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen O OE OEG OEM

M MBA

Master of Business Administration MBNQA Malcolm Baldrige National Quality Award MILTFP Make it like the finished print – for once (Mach’ es gleich richtig) MILQuality Programm Q 9858 Requirement (USA), beinhaltet die Forderungen für militärische Qualitätssicherungssysteme MIT Massachusetts Institute of Technology MITI Jap. Ministerium für Aussenhandel und Industrie MNPQ Mess-, Normen-, Prüf- und Qualitätsmanagementwesen

Messen, Steuern, Regeln

OMG ON

ÖVQ

P PD PDCA PE PFMEA

PIMS PM PPB

Organisationsentwicklung Obere Eingriffsgrenze Original Equipment Manufacturer (Automobilhersteller) Object Management Group Österreichisches Normungsinstitut (nicht ÖN) Österreichische Vereinigung für Qualitätssicherung

Policy Deployment Plan-Do-Check-Act Prozesselement Potential Failure mode and effects analysis (wie Ç FMEA) Profit Impact of Market Strategie Prozessmitarbeiter Parts per Billion (= deutsch Milliarde) (109)

PPS

PPSS

PQMS

Q Q7

Q101 QA QC QE QFD

QIT QK QKZ QM

QMC

QME

QMH

QMS QMSystem

Sieben Qualitätstechniken (gehen auf Ishikawa zurück) Qualitätsnorm der Firma Ford (USA) Quality Assurance Quality Circle Qualitätselement (Quality Element) Quality Function Deployment (Kundenorientierte Produktentwicklung) Quality Improvement Team Qualitätsbezogene Kosten Qualitätskennzahl Qualitätsmanagement (Quality Management) Qualitätsmanagement Center (für Qualitätsmanagement zuständiges Referat beim Ç VDA, Frankfurt/Main) QM-Element (Quality Management Element) Qualitätsmanagement-Handbuch (Quality Management Manual) Qualitätsmanagementsystem

Abkürzungsverzeichnis

XVII QMV

Qualitätsmanagement-Vereinbarung QQN Quelle Qualitätsnorm QPD Quality Policy Deployment QRK Qualitätsregelkarte (Control Chart) QS Qualitätssicherung (= QM-Darlegung) QS-9000 Darlegungsnorm der US-amerikanischen Automobilindustrie QRK Qualitätsregelkarte QTK- Qualitäts-Termin Kreis Kosten-Kreis (geht zurück auf W. Geiger) QZ Qualitätszirkel (Quality Circle =QC) QZ Qualität und Zuverlässigkeit (Mitglieder- und Fachzeitschrift der Ç DGQ) R RADAR Results, Approach, Deployment, Assessment, Review RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V., Bonn S SAQ

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsförderung SCC Safety Certificat Contractor (Arbeitssicherheit) SCS Service Control System SE Simultaneous Engineering ServQual Service and Quality Sieben M 7 M (= 7 Störgrößen: Mensch, Maschine, Material, Management, Messbarkeit, Mitwelt, Methoden) SIMS Sicherheitsmanagementsystem SMED Single Minute Exchange of Die SMO Small and medium-

SMS SNV SPC

SPP

SQS

SS

sized Organizations (deutsch Ç KMO)

TÜV

Sicherheitsmanagementsysteme Schweizerische Normenvereinigung Statistical Process Control (Statistische Prozesslenkung/ -regelung) Strukturierter Planungsprozess (Hoshin Kanri) Schweizerische Vereinigung für Qualitätssicherungs-Zertifikate Schnittstelle

U UEG

UM UML UMS

V VAS VDA

VDI T TC

Technical Commitee der Ç ISO TC 176 Technical Commitee der ISO, das zuständig ist für die Normen zum Qualitätsmanagement TGA Trägergemeinschaft für Akkrediterung GmbH TL 9000 Telecommunications Leadership – QMNorm der internationalen Telekommunikationswirtschaft TNU Transnationale Unternehmen TPM Total Productive Maintenance TPM Third-party Maintenance TPS Toyota Production System TQ Total Quality TQC Total Quality Control (Ç TQM) TQM Total Quality Management (Umfassendes Qualitätsmanagement) TQU Steinbeis-Transferzentrum Qualität und Umwelt, Ulm

VE VOB VoC VU

W WA

WHO

X X

Z Z 299

ZDH

ZS

Technischer Überwachungsverein

Untere Eingriffsgrenze Umweltmanagement Unified Modeling Language Umweltmanagementsystem (auch: UM-System)

Value-added Services Verband der Automobilindustrie e.V., Frankfurt am Main Verein Deutscher Ingenieure, Düsseld. Value Engineering (Wertentwicklung) Verdingungsordnung für Bauleistungen Voice of Customer Virtuelle Unternehmung

Wertanalyse (Ç VA) – Analyse des Kosten-Nutzen-Verhältnisses von Funktionen Welthandelsorganisation

Stochastisches Qualitätsmerkmal

Quality Assurance Program Requirements (kanadische Norm, war Vorbild für viele nationale Normen) Zentralverband des Deutschen Handwerks, Berlin Zertifizierungsstelle

Inhaltsverzeichnis

XVIII

»Es lag am Management« „Die Qualitätswissenschaft ist eine junge Disziplin. Der Autor war von Anfang an dabei und hat ihre Erfolgsgeschichte maßgeblich geprägt. Von exponierter Stelle in der Industrie aus nahm er die Herausforderung zur Gründung von Lehre und Forschung an. Über rund fünfzig Jahre hinweg erlebte er den Bewusstseinswandel in Wissenschaft und Wirtschaft wie an sich selbst. In der Automobilindustrie bahnte sich ab den sechziger Jahren ein einschneidender Wandel an. Noch ahnte der Westen nichts davon, aber im fernen Japan began Ishikawa mit der Einführung von Qualitätszirkeln und Ohno mit der Entwicklung einer schlanken Produktion. Sie und viele andere Japaner waren gelehrige Schüler der Amerikaner Deming und Juran und zugleich pragmatische Macher. Steady improvement und constancy of purpose wurden fortan die Leitlinien für alle Aspekte des japanischen Wirtschaftslebens. Bleiben wir am Beispiel des Automobilbaus, so wird – wie von Juran prophezeit – der bis dato überlegene amerikanische und europäische Frahrzeugbau Mitte der siebziger Jahre qualitativ eingeholt. Der Westen horchte ungläubig auf und begann sich für japanische Vorgehensweisen zu interessieren. Die Informationen flossen spärlich. Die erste Neugier wurde mit der Nachricht gestillt, dass die Statistische Qualitätsregelung durchgehend eingeführt worden war. Nun gut, war uns nicht fremd, machen wir es eben noch konsequenter. Spätestens nach zwei Jahren wurde jedem klar, dass es diese allein nicht sein konnte. Nächstes Bonbon war die Nachricht, dass Mitarbeiter in Qualitätszirkeln zusammenarbeiten. Die verschiedensten Spielarten wurden bei uns ausprobiert mit phantasievollen Firmenbenennungen. Als Juran die teilweise verzweifelten Versuche beobachtete, wies er darauf hin, dass seines Erachtens Qualitätszirkel allenfalls zehn Prozent des Erfolgs der japanischen Unternehmen ausmachen. Der Marktanteil der Japaner wuchs und wuchs. Neben der Zuverlässigkeit der Autos waren es auch schon deren günstiger Preis und die kürzeren Modellzyklen, die dem Kunden imponierten. Dahinter standen der schnellere Werkzeugwechsel, just in time und Kaizen. Da wir das nicht hatten, musste es an der so ganz anderen Mentalität der Japaner liegen. Das war überhaupt die beste Entschuldigung für unsere Defizite: Wir haben eben keine japanischen Arbeiter in den Betrieben! Dieses Argument zog aber nur, bis General Motors und Toyota einen gewaltigen Industrieversuch unternahmen, das New United Motor Manufacturing Inc., kurz NUMMI. Amerikanische Arbeiter montierten Autos in einer amerikanischen Fabrik unter japanischem Management. Diese Fabrik erzielte fast die gleichen guten Werte bezüglich Qualität und Produktivität wie die Referenzfabrik in Japan. 1985 zerstob das angenehme Argument, es liege an den japanischen Arbeitern: Es lag am Management!

Welche Managementdetails so wirksam waren, erfuhren wir ab 1987 aufgrund der Ergebnisse der weltweit in der Automobilindustrie durchgeführten Studie unter Federführung des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Total Quality Management begann sich herauszuschälen. Der Autor machte in den achtziger Jahren eigene Erfahrungen in Gesprächen in Japan. Als Qualitätssicherungsleiter im Volkswagenwerk Wolfsburg hatte er ein vitales Interesse an der japanischen Denke. Besonders in Erinnerung ist ihm der damalige Leiter der Japanese Union of Scientists and Engineers ( JUSE) geblieben, der in seinem Empfangsraum mit zwei lebensgroßen Bildern von Deming und Juran, beide in Frack, seinem Gast sagte, er verstehe nicht die vielen Besucher aus dem Westen. Sie, die Japaner, hätten alles von Amerikanern gelernt (er zeigte auf die Bilder). Wir bräuchten es doch nur auch so zu machen. Als ihm, dem Autor, endlich auch ein Besuch bei Toyota gelang, hatte er im Nachgang dazu den geistigen Durchbruch zum umfassenden Qualitätsverständnis. Das kam so: Als Inhaber der Funktion Qualitätssicherungsleiter war er besonders an der Organisation der Qualitätssicherung von Toyota interessiert. Genau danach fragte er seine hochrangigen Gastgeber. Als sie die Frage – angeblich – nicht verstanden, wiederholte er sie. Sie löste eine intensive Diskussion aus, leider auf Japanisch. Schließlich wurde ein Assistent weggeschickt, der nach einer knappen halben Stunde mit einer Zeichnungsrolle zurückkam. Sie wurde ausgerollt und als Antwort auf die Frage übergeben. Sie mussten die Frage völlig falsch verstanden haben. Damit beide Seiten das Gesicht wahren konnten, wurde die Zeichnung mit Dank entgegengenommen. Es war schlicht das Organigramm von Toyota mit allen Werken. Zurück im Hotel begann das Grübeln, warum die japanischen Gastgeber die Frage falsch verstanden hatten. Oder hatten sie nicht? Auch beim Rückflug wurde nach einer Erklärung gesucht. Die Zeichnung, nun zusammengefaltet im persönlichen Reisegepäck, wurde herausgeholt und sinnend betrachtet, bis etwa um Mitternacht in der Höhe von Dubai der Groschen fiel. Über der geografischen Darstellung von Toyota in seinen vielen Funktionen stand die Überschrift: „The Toyota Quality Assurance Organisation“. Dies war phantastisch und die Erklärung für den bis heute anhaltenden Erfolg dieser Firma. Jeder, vom Präsident bis zum Pförtner, ist Mitglied der Qualitätssicherung. Schlagartig wurde klar, was unter dem in den neunziger Jahren dann im deutschsprachigen Raum bekannt gewordenen Total Quality Management (TQM) zu verstehen war: das alle Funktionen umfassende Führungsmodell.“ Quelle: G. F. Kamiske. Es lag am Management. In: QZ Jahrgang 50 (2005) 7

Einführung

„Mich erstaunen Menschen, die das Universum begreifen wollen, wo es doch schon schwierig genug ist, sich in Chinatown zurechtzufinden.“ (Woddy Allen)

Einführung Mit dem Qualitätsmanagement (QM) hat sich ein generisches Managementkonzept international durchgesetzt, das jedoch nicht einfach als ‘Anwenderkochbuch’ zur Verfügung steht. Der Komplexität des Gegenstandes Qualität entsprechend gibt es nicht nur ein Konzept, sondern eine Vielzahl an Ansätzen, die im Zeitverlauf (in der kurzen Geschichte des Qualitätsmanagements, die sich vor allem auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert) immer wieder aus einer anderen Perspektive heraus entwickelt wurden. Um ein besseres Verständnis seiner Ansätze zu gewinnen, ist das vorliegende Buch als Lehrbuch konzipiert worden. Dadurch hebt es sich ab von Handbüchern, Lexika, Einzelmonographien und solchen Werken, die als Beraterliteratur den Erfolg des QM propagieren. Dieser stellt sich allerdings nur auf der Basis einer intensiven kritisch betrachteten Kenntnis seines Gegenstandes ein, nämlich der Qualität, die es zu managen gilt. Erfolg ist nämlich nicht umstandslos gegeben, sondern bedarf der Anstrengung und Vergewisserung seines Gegenstandes. Dem Titel des Buches entsprechend wird die Einheit des Qualitätsmanagements betont, trotz unterschiedlicher Ansätze, Modelle und Systeme, die nicht divergent zu sehen sind, da die wesentlichen Annahmen geteilt werden. Darin liegt wohl auch eines der Geheimnisse des Qualitätsmanagements: Es schmiegt sich nicht nur an bestehende und voraussetzende Managementkonzeptionen an, es verbindet sich auch mit ihnen, besitzt eine hohe Anschlussfähigkeit. So sind Lernende Organisation und Knowledge Management Konzepte, auf die sich Qualitätsmanagement bezieht und aufbauen kann (QM-Kontextkonzepte). Oft wird zwanglos kombiniert und thematisch verschränkt. Dem Lehrbuchcharakter entsprechend werden am Anfang eines jeden Kapitels die zu behandelnden Themen mit Fragen und Aufgaben zur Selbstkontrolle und Vertiefung und die für das Kapitel empfohlene Literatur vorangestellt. Sie können so dem Leser einerseits als kapitelbezogene Leitfragen den Text als ›Organizer‹ erschließen und/oder nach dem Durcharbeiten der Kapitel zum Nachbereiten und Vorbereiten auf Prüfungen dienen. Da die Fragen eng auf den Text bezogen sind, lassen sich die Antworten direkt aus den Kapiteln ableiten. Zusätzlich ist am Schluss der fünf Hauptkapitel ein Mindmap erstellt worden, das ganz nach Gutdünken genutzt werden kann. Es verdeutlicht im Überblick den Kapitelinhalt. Der Anhang stellt weitere Materialien zu Verfügung, auf die im Text teilweise Bezug genommen wird. So ist das Buch für Lehrveranstaltungen bestens geeignet und dient dem Praktiker als Nachschlagewerk und Entscheidungshilfe.

„Begriffsbes mmungen sind nahezu für jedermann eine unsympathische Sache, auch in der Technik und Wirtscha . Ursache ist eine allgemeine menschliche Veranlagung: Pragma smus dominiert, das Systema sche blieb in der Menschheitsentwicklung zurück. Das unmi elbar Anschauliche beherrschte den Alltag und beherrscht ihn auch heute noch weithin.“ [Geiger 1988, 33]

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement „Stimmen die Namen und Begriffe nicht, so ist die Sprache konfus. Ist die Sprache konfus, so entstehen Unordnung und Mißerfolg. Gibt es Unordnung und Mißerfolg, so geraten Anstand und gute Sitten in Verfall. Sind Anstand und gute Sitten in Frage gestellt, so gibt es keine gerechten Strafen mehr. Gibt es keine gerechten Strafen mehr, so weiß das Volk nicht, was es tun und was es lassen soll. Darum muß der Edle die Begriffe und Namen korrekt benutzen und auch richtig danach handeln können. Er geht mit seinen Worten niemals leichtfertig um.“ (Konfuzius 485 v. Chr., publ. in Gespräche [Lun-yu], Kap. XIII)

Im ersten Kapitel erfahren Sie

2 × ×

× × × × × × × × × × × ×

Worum es beim Objektbereich des Qualitätsmanagements allgemein geht und inwiefern die Kategorie „Arbeit“ defizitär bes mmt ist: QTK-Dreieck. Einsichten von Philosophen in das Phänomen Qualität. Exemplarisch sind dies folgende Denker:  Lao-tse,  Heraklit,  Sokrates,  Platon,  Aristoteles,  Galileo,  Descartes,  Newton,  Locke,  Hume,  Berkeley,  Leipzig,  Kant; außerdem Denker der Moderne. Das Credo von Descartes zur Fundierung einer „Qualitätsmethodologie“ (vier Regeln). Posi onsbes mmung der Qualitätswissenscha in Deutschland. Kri k an dem Versuch Qualitätswissenscha als interdisziplinäres Fachgebiet zu bes mmen. Aufzeigen der Entwicklungsetappen des Qualitätsmanagements bis zur Gegenwart Darlegung der wissenscha stheore schen Grundlagen der Qualitätswissenscha . Einblick in die qualitätsbezogene Normung / Klärung des Begriffs der Normung Abbilden des Begriffsdiagramms zur ISO 9000:2000-family Die Paradigma-Theorie von Th. S. Kuhn und ihre Bedeutung für die Qualitätswissenscha . Qualitätswissenscha als vorparadigma sche „Qualitätslehre“. Entwicklung von Grundlagenfragen zur Rekonstruk on der Qualitätswissenscha . Aspekte zu einer kleinen Geschichte des Qualitätsmanagements Zusammenschau der Entwicklungsetappen des Qualitätsmanagements in zeitlicher Hinsicht.

Fragen und Aufgaben zum Verständnis 1

2 3 4 5 6 7 8

Erläutern Sie die drei klassischen We bewerbsfaktoren, die die Performance eines Unternehmens grundlegend bes mmen. Stellen Sie dabei die besondere Bedeutung des Faktors Qualität heraus. Problema sieren Sie den Zusammenhang zwischen Qualität und Arbeit. Charakterisieren Sie den Qualitätsbegriff des Taoismus am Beispiel des Textes aus dem „Tao-Te-King“ aus dem 4. Jh. v. Chr. Beschreiben Sie das Qualitätsverständnis der Vorsokra ker (v.a. von Heraklit). Welches Qualitätsverständnis herrschte bei Sokrates und Platon? In welcher Weise bes mmte Aristoteles Qualität? Erläutern Sie das Qualitätsverständnis von Galileo. Welches Qualitätsverständnis herrschte bei den Denkern im Ra onalismus (Descartes, Newton, Locke, Hume, Berkeley)?

9 Wie hat Leibniz Qualität bes mmt? 10 Beschreiben Sie den Versuch Immanuel Kants Qualität innerhalb seiner Transzendentalphilosophie zu bes mmen. 11 Versuchen Sie das Verständnis von Qualität bei Hegel herauszuarbeiten. 12 Erläutern sie die sog. „Qualitätsmethodologie“ auf der Basis der vier Regeln des Descartes. 13 Wie thema siert Kamiske Qualitätswissenscha im deutschen QM. 14 Wie lassen sich die Entwicklungsetappen des Qualitätsmanagements beschreiben? 15 Qualitätsbezogene Normung wird als Element von Qualitätswissenscha gesehen. Nehmen Sie zu dieser Aussage Stellung. 16 Setzen Sie sich mit dem Befund auseinander, dass die wissenscha liche Behandlung von Qualität von einzelnen Qualitätswissenschaften erfolgt. 17 Skizzieren Sie in einem kurzen Überblick die Geschichte des Qualitätsmanagements.

Wichtige Fachliteratur zu Kapitel 1 DIN EN ISO 9000:2005: Qualitätsmanagementsysteme. Grundlagen und Begriffe. Berlin 2005 Geiger, W. und W. Kotte: Handbuch Qualität. 5. Auflage. Wiesbaden 2008 Juran, J. M. (ed.): A History of Managing for Quality. The Evolution, Trends and Future Directions of Managing for Quality. Visconsin: Milwaukee 1995 Ketting M.: Geschichte des Qualitätsmanagements. In: Masing, W. (Hrsg.): Handbuch Qualitätsmanagement. 4. Aufl. Hanser: München-Wien 1999, 17-30 Kuhn, Th. S.: Die Struktur der wissenschaftlichen Revolution. Suhrkamp: Frankfurt am Main 1967 Zollondz, H.-D. (Hrsg.): Lexikon Qualitätsmanagement. München-Wien 2001

1.1 Worum geht es beim Qualitätsmanagement?

1.1

3

Worum geht es beim Qualitätsmanagement?

Diese klassischen Annahmen sind inzwischen widerlegt (1). Es gilt alle drei Faktoren so zu optimieren, damit Qualitätsverbesserungen nicht zu Kostenerhöhungen führen, eine Verkürzung der Durchlaufzeiten keine Kostensteigerungen bewirkt und Kosteneinsparungen

Q



T

◆ K

Performance

K

T

ÏOrganisa onen können zugleich besser, schneller und kostengüns ger produzierend sein. ÏAbb. 1.1: Qualität, Zeit und Kosten im flexiblen Zusammenspiel, nicht im Gegensatz denken! – Flexibilität als Erfolgsfaktor schlechthin

= Quality Qualität Å So gut wie möglich!

Flexibilität = Erfolg

nce ma for Per

× „Eine Qualitätsverbesserung führt häufig zu Kostenerhöhungen. × Eine Verkürzung der Durchlaufzeiten bewirkt häufig Kostensteigerungen × Beabsichtigte Kosteneinsparungen gehen nicht selten zu Lasten der Qualität und verlängern die Zykluszeiten.“

Per for ma nce

Im Zentrum der Frage nach den zentralen Wettbewerbsfaktoren haben Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften die klassisch zu nennenden drei Faktoren bestimmt und einer differenzierten Beurteilung offengelegt: Qualität, Zeit und Kosten. Aus diesen drei Faktoren wurden traditionell die folgenden Wirkungsbeziehungen abgeleitet ËQTK-Dreieck Q (Mehdorn/Töpfer 1996, 5):



= Time Zeit

Löste in der Tat eine Revolu on im organisatorischen Denken aus. Ë

Å So schnell wie möglich!

Å So günstig wie möglich! = costs Kosten

Zur Fähigkeit des TPS „Außerdem gesta ete Toyotas flexibles Produk onssystem und dessen Fähigkeit, die typgebundenen Entwicklungskosten zu senken, bei nur geringen zusätzlichen Kosten die Produktvielfalt zu bieten, die die Kunden verlangten. Toyota bietet 1990 den Kunden in der ganzen Welt so viele Produkte wie General Motors – obwohl Toyota nur halb so groß ist. Ein Modellwechsel in Massenproduk onsfirmen erfordert mehrere Jahre und kostet ein Vermögen. Ein herausragender schlanker Produzent wie Toyota benö gt für die Entwicklung eines neuen Modells halb soviel Zeit und Aufwand wie ein Massenproduzent wie GM.“ (Womack/Jones/Roos 1994, 70)

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

4

nicht zu Lasten von Qualität gehen und die Zykluszeiten verlängern. Die Quadratur des Kreises ist gelöst: Organisationen können – wenn sie genügend Intelligenz entwickeln – zugleich besser, schneller und kostengünstiger produzierend sein. Ein Qualitätsexperte meint: Gegenargumenta on

Mit Zeit ist die Durchlaufzeit bei Prozessen, aber auch die Zeit, wann ein Produkt am Markt erscheint ( me to market) gemeint.

Analyse des Arbeitsprozesses einer Kassiererin mit Hilfe der QTK-Faktoren

খ Ein „blinder Fleck“ im Begriffsverständnis des Qualitätsmanagements ist das Fehlen der zentralen Kategorie der Arbeit.

„Trotzdem wird immer wieder versucht, zu argumentieren, dass kürzere Zeiten eine schlechtere Qualität bedeuten, oder höhere Qualität auch höhere Kosten nach sich zieht.“ (Kühlechner 1994, 253) Qualitätsmanagement, so kann im ersten Zugriff gesagt werden, geht es vor allem darum, die Qualität zu verbessern. Es befasst sich folglich nicht explizit mit Zeit und Kosten. Diese beiden Faktoren sind Gegenstand von Zeit- und Kostenmanagement-Systemen. Natürlich tangiert das faktische Tun des Mitarbeiters (also das Arbeiten) gleichzeitig qualitäts-, zeit-, wie kostenbezogene Tätigkeiten. Sie sind ineinander verzahnt und bedingen sich gegenseitig. Nur bei den Ergebnissen kann man die qualitätsbezogenen Ergebnisse von zeitbezogenen, kostenbezogenen und anderen speziellen Ergebnisbestandteilen separieren. Die Trennung dieser drei Faktoren im Zuge der Verrichtung ist also analytisch zu sehen. Wir sehen das sehr schön auf dem Bild rechts (Abbildung 1.2 Ç), wo eine Kassiererin in einem Supermarkt „im Angesicht der Kundin“ die Waren in die digitale Kasse eingibt (scannt), indem sie diese mit der linken Hand ergreift und nach dem Einscannen mit der rechten Hand der Kundin übergibt. Dieser Arbeitsprozess kann nun unter den drei Fragestellungen des QTK-Dreiecks untersucht werden. Die Kassiererin selbst wird sich diese Fragen nicht dauernd stellen. Ihr Handeln ist Routine. Nur in kritischen Situationen, zum Beispiel wenn ein Produkt keine Codierung enthält, wird sie innehalten müssen. Qualitäts-, Zeit- und Kostenprobleme, die normalerweise im Arbeitsprozess verborgen sind, treten an die Oberfläche und unterbrechen das Routinehandeln. Die Kundin bekommt den Fehler der nicht vorhandenen Produktauszeichnung mit (Qualität), Warteschlangen entstehen (Zeit) und natürlich ist der Prozess gestört, weil die Produktivität sinkt (Kosten). Das Beispiel zeigt uns aber auch in unserem Analyseschema die Vernachlässigung der zentralen Kategorie der Arbeit, ohne die eine Problemanalyse – wie hier kurz beschrieben wurde – gar nicht möglich ist. Begriffe wie Arbeitsprozess, Routinehandeln, aber auch Mitarbeiterzufriedenheit, Interaktion mit der Kundin, Interaktionen mit anderen Mitarbeitern etc. signalisieren die fehlende Kategorie „Arbeit“ im QTK-Dreieck.

1.1 Worum geht es beim Qualitätsmanagement?

Q



5

= Quality Qualität Å So gut wie möglich!

T ARBEIT



= Time Zeit

Å So schnell wie möglich!

◆ K

Å So produktiv wie möglich!

Bildquelle: Wissenscha liches Fotoarchiv HDZ 12-2010

= costs Kosten

Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein weiteres Denkmodell für das Zusammenwirken der Tätigkeitskomponenten in der Organisation, der QTK-Kreis, der auf den Qualitätsexperten W. Geiger zurückgeht. In diesem Phasenmodell wird das Zusammenwirken der Tätigkeitskomponenten für Q (= Qualität), T (= Time) und K (= Kosten) dargestellt. Es unterscheidet drei Hauptphasen (Planung, Realisierung, Nutzung), die sich auf die Erstellung eines Angebotsproduktes beziehen. Im sachlich zutreffenden Kapitel 3 (Qualität, Qualitätsmodelle und Qualitätsprogramme) wird dieses Modell erläutert.

ÁAbb. 1.2: Arbeitsprozess einer Kassiererin in einem Supermarkt – QTKAnalyse

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

6

খ Wie alle Termini, sind diejenigen des Qualitätsmanagements immer auch geschichtliche Knotenpunkte des Gedankens, die übrig geblieben sind und an denen sich dann die Geschichte des Qualitätsmanagements sozusagen abspielt. Anders formuliert: Fast jeder Terminus des QM ist die verhärtete Narbe eines ungelösten Problems. Und so stecken in der skizzierten Dreiecksbeziehung nach wie vor ungelöste, komplexe, ökonomische und soziotechnische Probleme, weshalb auf diesem Abstrak onsniveau ein der Begriff ARBEIT erforderlich ist. Abb. 1.3: Um die Kategorie der Arbeit erweitertes Modell der begrifflichen Grundlegung Å

Übergeordnete Kategorien der theoreschen Fundierung des Qualitätsbegriffs: × Qualität × Zeit × Kosten × Arbeit

Die Reduktion auf drei Faktoren (von Betriebswirten und Ingenieuren manchmal sogar als magisches Dreieck bezeichnet) erscheint bei näherer Betrachtung nicht ausreichend, wie der Blick auf die Mikroebene (Kassiererin) zeigte. Vernachlässigt wird die Kategorie der Arbeit, die auf dieser Abstraktionsebene eingeführt werden muss. Auffallend ist, das der Begriff Arbeit im Qualitätsmanagement als Grundbegriff zu fehlen scheint. Dass gearbeitet wird, scheint voraussetzend angenommen zu werden. Angesprochen wird der Arbeitsbegriff umstandslos mit Verhalten (manchmal Handeln als zielgerichtetes Verhalten) und Tätigkeit. Hierbei handelt es sich jedoch um abgeleitete Begriffe. Eine Reformulierung erfolgt deshalb hierzu in der Skizze der Abbildung 1.3. Die darin aufgenommene Kurzdefinition von Arbeit ist als vorläufig anzusehen. Sie bedarf einer kritischen Auseinandersetzung innerhalb der Organisationswissenschaft, die sich noch immer schwertut sogar den Prozessbegriff zu assimilieren, mit dem der Arbeitsbegriff im engen Zusammenhang steht. Halten wir die in Abbildung 1.3 dargelegte Gedankenführung fest: Auf einer oberen Abstraktionsebene lassen sich vier zentrale Faktoren ausmachen, die den Gang des Qualitätsmanagements schon immer bestimmt haben: Qualität, Zeit, Kosten und Arbeit. In ihnen drückt sich die Komplexität wirtschaftlichen Handelns aus. Damit ist der immer wieder verwendete Begriff der Arbeitstätigkeit theoretisch verortet. Weitere Begriffe, wie Mitarbeiter, Team oder auch Prozess und Netzwerk u.a.m lassen sich in diesem Zusammenhang aufeinander beziehen. Qualität

Zeit

Komplexität Flexibilität Erfolg

Arbeit … unter wirtschaftlicher Zielsetzung verstanden als sinnvoll und zielgerichtet verrichtete Tätigkeit, die auf die Erstellung von Angebotsprodukten abzielt, wobei der Mensch mit anderen Menschen und technischen Hilfsmitteln (heute tendenziell prozesshaft unter Nutzung von IT-Systemen) in Interaktion tritt.

Kosten

1.1 Worum geht es beim Qualitätsmanagement?

Gerade moderne Organisationen gleichen eher Netzwerken als überschaubaren einfachen Prozessmodellen. Zeitgleich parallel zu den Kernprozessen ablaufende Teilprozesse können kreisförmig und in Abhängigkeit zu den jeweils betrachteten Prozessen bestehen. Arbeitstätigkeiten werden in Prozessen verrichtet. Es gilt also immer die Ganzheit und Komplexität der Organisation und der darin verrichteten Arbeit im Auge zu haben. Netzwerkmanagement muss somit in besonderer Weise eine conditio sine qua non jeglichen Qualitätsmanagements werden, wie uns der Begriff des strategischen Netzwerks nahelegt [Sydow 1993, 79]: „Ein Unternehmungsnetzwerk stellt eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende Organisationsform ökonomischer Aktivitäten dar, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperativ denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen Unternehmungen auszeichnet.“ Die eingangs in diesem Kapitel gestellte Frage „Worum geht es beim Qualitätsmanagement“ ist folglich nicht so einfach gleich am Anfang dieser Grundlegung zu beantworten. Die Antwort verlangt Abgrenzungen, Differenzierungen und Erweiterungen bezüglich angestammter Wissensgebiete, wie Betriebswirtschaftslehre, Organisationswissenschaft, Controlling, Managementlehre, Marketing und ein Einlassen auf die Ingenieurwissenschaft und Informatik. All das kann erst im Verlauf dieses Lehrbuchs erfolgen. Wir verfolgen hier somit die Entwicklungslinien und Strukturen des Qualitätsmanagements als offenes Projekt und beginnen mit den Grundlagen in der Philosophie im folgenden Abschnitt.

7 „Netzwerke bestehen aus autonomen Akteuren, die sich zusammenfinden, um ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen.“ [Powell 1990, nach Corsten 2001, 3]

Achtung: Aus Netzwerkbeziehungen können aber auch schnell direkte Konkurrenzbeziehungen werden. খ Rückkehr zur Fragestellung! ѣ Empfohlene Fachliteratur zum Thema ARBEIT: Böhle, F. u.a. (Hg.): Handbuch Arbeitssoziologie. Wiesbaden 2010. – Luczak, H. u.a. (Hg.): Handbuch Arbeitswissenscha . Stu gart 1995. – Schlick, Chr. u.a. (Hg.): Arbeitswissenscha . 3. Aufl., Berlin 2010.

Komplexität „Komplexität I: Der Begriff der Komplexität bezeichnet den Sachverhalt, dass nicht alle Elemente einer Einheit zugleich miteinander verbunden werden können. Komplexität bedeutet also, daß eine Selek on notwendig ist, um Rela onen zwischen Elementen zu aktualisieren. Grundlegend für die Defini on von Komplexität ist somit die Unterscheidung zwischen Element und Rela on, die es erlaubt, eine Situa on der selek ven Verknüp arkeit zu beobachten.“ [Baraldi/Corsi/Esposito 1997, 93] „Komplexität II: Die Zahl der abstrakt möglichen Rela onen zwischen den Elementen eines Systems nimmt exponen ell mit der Zunahme der Zahl der Elemente zu (zwei Elemente bilden vier Rela onen, drei Elemente neun Rela onen usw.). Wenn in einem System die Zahl der Elemente sehr groß wird, erreicht deshalb die Zahl der Rela onen Größenordnungen, die vom System selbst nicht unmi elbar kontrolliert werden können. Das impliziert, daß im System nicht alles aktualisiert und zugleich mit allem anderen verbunden werden kann; jede Opera on des Systems verweist auf einen Bereich weiterer Möglichkeiten.“ [Baraldi/Corsi/Esposito 1997, 93]

Komplexität – Hinweise der Systemtheorie

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

8 „Das Qualitätsthema kann wegen des notwendigen Ums egs vom quan ta ven zum qualita ven Wachstum gar nicht umfassend und ef genug behandelt werden.“ (Kürzl 1989, VIII)

ÁLao-tse Abb. 1.4: Qualitätsverständnis des Taoismus Å Tao: die Substanz aller Dinge oder die gesamte Bewegungsund Veränderungsregel aller Wesen Te: die von dem Tao herstammenden speziellen Regeln oder speziellen Eigenscha en der Dinge King: Klassikerwerk Tao Te King besteht aus zwei Haup eilen: Der erste Haup eil heißt das Klassikerwerk vom Tao, der zweite Haup eil heißt das Klassikerwerk vom Te. Daraus ergibt sich der Name Tao Te King, das Klassikerwerk von Tao und Te.

1.2

Der philosophische Blick auf Qualität

Um ein Verständnis davon zu erlangen, was der Begriff Qualität aussagt, haben sich die Menschen schon immer bemüht (Pfundtner 2001, 294): „Vorstellungen über das, was die Qualität eines Produkts ausmacht, sind deutlich älter als das, was unter Qualitätsmanagement heute verstanden wird. Über Qualität wird schon seit Jahrtausenden diskutiert, dagegen ist Qualitätsmanagement ein moderner Begriff, der noch keine fünzig Jahre alt ist.“ Der Begriff selbst taucht heute in vielen Wissenschaften auf. Aus der Praxis heraus kam das Verlangen, ihn zu „normen“, was sogar international gelang. Hier soll versucht werden, in der nötigen Kürze den begrifflichen Wandel aufzuzeigen, der an beispielhaft ausgewählten zentralen philosophischen Traditionen zu erkennen ist (2). Ausführlichere Analysen finden sich in den Arbeiten von Küpers (2001a und 2001b). Das Verständnis von Qualität im Taoismus: Der oft so genannte geistige Ergänzer zu Konfuzius, Lao-tse hat im Tao-Te-King in Kapitel VII einen situativ-ergebnisorientierten normativen Qualitätsbegriff vertreten. Diesem ordnet er die Aussage Qualität ist Güte unter, um dann in ausgewählten – wohl im universellen Sinn typischen – Situationen darzulegen, wie sie jeweils zu bewerten sind: Wohnen, Denken, Schenken, Reden, Walten, Wirken, Bewegen. Mögen uns heute die Qualität ist Güte (Lao-tse: Tao-Te-King, Kap. VII 4. Jh. v. Chr.)

zeigt sie sich am Platze

Beim Wohnen

Beim Denken

zeigt sie sich in der Tiefe

Beim Schenken

zeigt sie sich in der Liebe

Beim Reden

zeigt sie sich in der Wahrheit

Beim Walten

zeigt sie sich in der Ordnung

Beim Wirken

Beim Bewegen

zeigt sie sich in der Fähigkeit

zeigt sie sich in der rechten Zeit

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

Themen nicht erschöpfend kategorisiert zu sein, so ist der methodische Zugang doch klar, nämlich intuitiv am Phänomen anzusetzen und zu versuchen, den Kern (das Wesen) zu erfassen. Alle Dinge entstehen spontan, heisst es im Tao. Auf die Berechtigung, den Qualitätsbegriff bereits am Anfang der Philosophie zu verorten, weist neuerdings auch Wessel hin (2003, 5). Die Suche nach Qualität ist also nicht erst das Ergebnis unseres modernen Denkens. Zur Wortherkunft von Qualität: Qualis = Beschaffenheit; Qualitas = Verhältnis zu den Dingen. Bereits die Wortherkunft von Qualität zeigt die Ambivalenz des Begriffs. Der lateinische Wortstamm Qualis fragt nach der Art und Weise der Beschaffenheit, während Qualitas sich sowohl auf die Eigenschaftlichkeit als auch auf ein Verhältnis zu Dingen oder Prozessen bezieht. Daraus folgt, dass Qualität substantielle und prozessuale Dimensionen in sich trägt. Kapitel 3.1 führt weiter zur sprachlichen Begriffsanalyse. Zu beachten ist, dass sich Qualität im historischen Erkenntniszusammenhang jeweils anders rekonstruiert. Es gilt: der je historische Begriff von Qualität ist nur aus einem begrifflichen Kontext heraus zu verstehen, da die kulturspezifischen Bedingungen, unter denen das jeweilige Wissen von Qualität möglich war, Erkenntniszusammenhänge konstituierten, die dem alltäglichen Wissen von Qualität zugrundeliegenden. Exkurs: Die Diskussion in der gegenwärtigen Analytischen Philosophie des Geistes zeigt uns das am Begriff Qualia (auch Quale). Darunter versteht man phänomenale Eigenschaften von mentalen Zu-

9 Qualität aus der Sicht des Taoismus: Eine asia sche Kategorienlehre zum Qualitätsbegriff. „Alle Dinge entstehen spontan.“ Wortherkun von Qualität ×griech. ποιστης ×lat. qualitas ×engl. quality ×frz. qualité ×ital. qualitá ×türk. kalite ×dtsch. Qualität

Kulturspezifische Bedingungen von Qualität

„In der Philosophie wird, wenn man viele Abhandlungen zusammenfasst, zweierlei besonders hervorgehoben. Erstens wird unter Qualität die wesentliche Eigenscha eines Systems oder Dinges verstanden und zweitens genau in diesem Bezug die Tatsache, dass sich durch die Qualität die Dinge voneinander abgrenzen, und zwar ganz unberührt von allen nicht wesentlichen Eigenscha en, die ein Ding oder System darüber hinaus charakterisieren. Qualität ist also wesentliche Eigenscha , insofern sind Qualität und Wesen eines Dinges iden sch. Qualität ist genau und nur die Eigenscha , die das Wesen bes mmt.“ (Wessel 2003, 6)

Forschung zu Laotse In den letzten Jahrzehnten wurde Lao-tse oder auch Laozi – wie er in der Wissenscha genannt wird – und das Tao Te King (Daode jing) intensiver denn je erforscht. In dem Werk der Sinologin Mar na Darga findet sich ein aktueller allgemein verständlicher Überblick zum Stand der Forschung. (vgl. Darga 2003.)

„Sag es mir, und ich werde es vergessen. Zeig es mir, und ich werde mich erinnern. Beteilige mich, und ich werde es verstehen, lass es mich tun, und ich werde es können.“ (Diese Weisheit wird o Lao-tse zugeschrieben, was aber offensichtlich nicht s mmt. Sie stammt von dem anderen großen chinesischen Philosophen: Konfuzius [*551–†479]). Sie ist heute ein Credo der Organisa onsentwicklung und sollte bei der Umsetzung von QM-Systemen leitend sein.

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

10 Folgen Sie bi e meinen Gedanken: „Obwohl wir beide rote Gegenstände ‚rot‘ und grüne ‚grün‘ nennen und uns auch sonst in unseren Farburteilen und Diskrimina onsfähigkeiten nicht (wesentlich) unterscheiden, könnten mir rote Dinge so erscheinen wie Ihnen grüne erscheinen und umgekehrt. Anders ausgedrückt: Beim Anblick grüner Gegenstände habe ich die Qualia, die Sie beim Anblick roter Gegenstände haben. Entsprechend erscheinen mir blaue Dinge wie Ihnen gelbe usw.“ Die vorsokra sche areté als selbsterfüllende Bestheit

ÁHeraklit

ständen (Empfindungen, Wahrnehmungen etc.), die sich nicht vollständig aus der Perspektive des Subjekts ergeben. Dabei ist der Stellenwert der Qualia zur Erklärung des menschlichen Bewusstsein nicht nur für die Philosophie, sondern gerade für die Neurowissenschaften von erheblicher Forschungsstrategischer Bedeutung, wie sich aus der Konkretisierung des Phänomens erkennen lässt (Tye 2001): „In letzter Zeit wurde immer wieder argumentiert, es gebe Tatsachen über unsere sensorischen Erlebnisse, perzeptuelle wie somatosensorische, denen keine noch so große Menge an physikalischer oder funktionaler Information gerecht werden kann. Die angesprochenen Tatsachen kennt jeder von uns aus seinem eigenen alltäglichen bewußten Leben: Sie betreffen diejenigen subjektiven phänomenalen Qualitäten oder Qualia, wie sie manchmal auch genannt werden, die für unsere Schmerzen, unsere Juckreize, unsere Farbwahrnehmungen sowie für unsere Gefühle der Liebe, des Hasses und der Verzweiflung charakteristisch sind.“ Qualität bei den Vorsokratikern: Für die vorsokratische areté (Tugend, Tüchtigkeit, hier: Bestheit) ging es um zweckfreie Ereignisse im Zusammenhang mit der Aufgabe eines guten Lebens. Die seienden Dinge (onto) wurden im Sinne ihrer realen Vorhandenheit ein Ereignis. Die Bestheit (areté) fand sich in der bewahrenden Substanz, der gelingenden Funktion und dem erlebbaren Schönen. Diese nicht von Zwecken bedingte Schau findet sich nachweisbar in den Fragmenten des Heraklit, griech. Herakleitos, aus Ephesos (550*–480†). In Fragment 429 heisst es: „Die Menschen haben ihre Lust mehr an den Qualitäten als an der Substanz, das ist eine Grundtatsache unseres Lebens.“ Die heute sogenannte Anmutungsqualität, um die es in der Konsumentenforschung geht, findet im ursprünglichen Gewahrsam ihre Basis, geht also auf das Qualitätsdenken der Vorsokratiker zurück. – Weiter heißt es bei Heraklit noch: „alles fließt. (panta rhei)“ Unter dem Eindruck dieser Fragmente stilisierte ihn Platon zum Lehrer des Werdens im Gegensatz zu Parmenides als dem Lehrer des Seins. Wenn man so will kann Heraklit von Ephesus als Voraussetzender des in der modernen Managementlehre wieder neu belebten Denkens in Prozessen, wäre da nicht die asiatische Philosophie und Lebenspraxis, in der der Prozessgedanke schon seit je aufgehoben war. Sie reklamiert aus einsichtigen Gründen das „Erstrecht“.

Die Materie ist belebt Heraklit vertrat die Lehre vom Hylozoismus (Belebtheit der Materie). Im Mi elpunkt steht die Lehre vom Logos. Den durch den Logos geordneten Kosmos bezeichnet er auch als gö liches und vernün iges Feuer. Die von ihm entdeckte Gesetzmäßigkeit scheint v.a. mit einem Phänomen zu tun zu haben, das man später „Einheit der Gegensätze“ nannte. Danach erweist sich das vermeintlich Gegensätzliche bei näherer Betrachtung als Einheit oder Aspekte derselben Sache. „Der Weg hinauf und hinab ist ein und derselbe“ (Fragment 60). „Das Kalte erwärmt sich, Warmes kühlt sich, Feuchtes trocknet sich, Dürres netzt sich, (Fragment 126). „Die Einheit und Funk onsfähigkeit vieler Dinge wird erst durch gegenläufige Krä e zusammentreffend und aus dem Auseinandergehenden Harmonie“ (Fragment 8).

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

ÁSokrates

ÁPlaton

Raffael

Qualität bei Sokrates und Platon: Das sokratische Fragen wird zur besonderen Form der Wissensaneignung. Damit geht das ursprüngliche Gewahrsein des unmittelbar Qualitativen als Ereignis verloren. Qualität ereignet sich nicht mehr, sondern wird ereignet. Der Mensch verwirklicht seine Kräfte in sich selbst als tugendhaft. Qualität wird zur Aufgabe des guten Lebens. Bei Platon wird die areté Element der moralischen Ideenlehre. Mit Sokrates und Platon erhob sich die Frage nach der Lehrbarkeit der Bestheit. Somit ging das ursprüngliche Gewahrsein des unmittelbar Qualitativen als Ereignis verloren. Die areté wird in eine Dichotomie von Idee und Erscheinung in eine dialektische Wahrheitsbestimmung eingebunden. Das Qualitative wird kategorial aus den Ideen abgeleitet, es entsteht nicht aus der Verbindung zwischen Subjekt und Objekt. Die undefinierbare Qualität wird begrifflich und moralisch verortet. Die sokratische areté als begrifflich und moralisch gefasste Qualität, heisst das nicht: Das ursprüngliche Gewahrsein des unmittelbar Qualitativen als Ereignis geht verloren. Qualität bei Aristoteles: Es war Aristoteles von Stageira (*384322†), von dessen Selbstverständnis als großen Kategorisierer auch der Qualität ihr Fixpunkt im Kategorienschema (Abb. 1.5) zugewiesen wurde. Er unterscheidet zehn Kategorienformen, die Aussageklassen darstellen, die weder aufeinander noch auf höhere Klassen zurückführbar sind. Die Kategorien fassen die Einzeldinge und ihre Eigenschaften (Akzidenzien, symbebekos) und Arten und Gattungen wie Differenzen des Seinsranges auf. Die Graphik auf der vorherigen Seite lässt zehn Kategorien erkennen: Was, Wie groß, Wie beschaffen (Qualität), In Beziehung auf, Wo, Wann, Liegen, Haben, Wirken, Leiden. Innerhalb dieser Kategorien unterscheidet Aristoteles weiter. Er nennt sie Prädikabilien, die Weisen, von etwas ausgesagt zu werden, sind inhaltlich begründet. Der Kategorie Qualität weist er vier Prädikabilien ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne hinreichend scharfe Abgrenzung voneinander zu: I. Die Weisen des Verhaltens: die Anlagen des Geistes oder des Körpers, die durch wiederholte Akte angeeignet werden wie die Wissenschaften, die Tugenden, die Laster; die Geschicklichkeit zum Malen, zum Schreiben, zum Tanzen. II. Die natürlichen Vermögen, welche die Fakultäten der Seele oder des Körpers sind: der Verstand, der Wille, das Gedächtnis, die fünf Sinne, die Fähigkeit zu gehen. III. Die sinnlichen Qualitäten wie die Härte, die Weichheit, die Schwere, das Kalte, das Warme, die Farben, die Töne, die Gerüche, die verschiedenen Geschmacksrichtungen. IV. Die Form und Gestalt, die die äußere Bestimmtheit der Quantität ist; wie rund, viereckig, kugelförmig oder kubisch.

11

ÁAristoteles Müssen Studierende der Philosophie lernen! Die vier Prädikabilien, die Aristoteles der Qualität zuschreibt: ×Weisen des Verhaltens ×Natürliche Vermögen ×Sinnliche Qualitäten ×Form und Gestalt

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

12

IV. Die Form und Gestalt, die die äußere Bestimmtheit der Quantität ist; wie rund, viereckig, kugelförmig oder kubisch.

I. Die Weisen des Verhaltens: die Anlagen des Geistes oder des Körpers, die durch wiederholte Akte angeeignet werden wie die Wissenschaften, die Tugenden, die Laster; die Geschicklichkeit zum Malen, zum Schreiben, zum Tanzen. II. Die natürlichen Vermögen, welche die Fakultäten der Seele oder des Körpers sind: der Verstand, der Wille, das Gedächtnis, die fünf Sinne, die Fähigkeit zu gehen.

III. Die sinnlichen Qualitäten wie die Härte, die Weichheit, die Schwere, das Kalte, das Warme, die Farben, die Töne, die Gerüche, die verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Qualität Q ualit lität ät

Qualität Qualit Qua lität ät

Quantität

Wo

Leiden Haben Tun T un

Substanz Wann Verhältnis Lage

Abb. 1.5: Die zehn Kategorien des Aristoteles (v.a. die Kategorie Qualität) Wie beschaffen steht bei Aristoteles für Qualität – Hieran knüp der Qualitätsbegriff des modernen Qualitätsmanagements an (v.a.: Geiger, W.: Beschaffenheitsmanagement. München 2011)

Die zehn zehn Kategorien Katego Kat egorie rien n des Aristoteles

Aristoteles bestimmt mit diesen Prädikabilien Qualität als das, vermöge dessen man (etwas) so oder so beschaffen heißt. Das, was den Unterschied des Wesens ausmacht, sind Qualitäten. Unterschieden werden Wesensqualitäten (Qualitäten als Affektionen der bewegten Dinge) und Unterschiede der Bewegung. Qualität ist dasjenige, bei dessen Veränderung man sagt, dass die Körper anders würden (z.B. passive Qualitäten wie Wärme, Kälte, süss, sauer). Qualität ist somit als Teil der Veränderung (metabole) bzw. Bewegung (kinesis) zu verstehen. Jede Veränderung vollzieht sich zwischen einem Mangel und

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

einer Gestalt (morphe) und dem vorausgesetzten Substrat. Entelechie (engelechia) nennt er die Form, die sich im Stoff verwirklicht, das aktive Prinzip, welches das Mögliche erst zum Wirklichen macht und dies schließlich auch zur Vollendung seines Daseins bringt. In moderner Betrachtung wird die Entelechie (griech. entelecheia) heute auch Energie genannt. „Da nichts aus bloßem Nichtsein entsteht und sich verändert, wird die Grundstruktur des Seins (als Seiendem) durch die Grundkategorien der Möglichkeit oder Potentialität (dynamis) und der Verwirklichung und Aktualität (energeia) gefaßt. Die Potentialität ist an den Stoff (Materie, hyle), die Aktualität ist mit der Gestalt (Form) bzw. des Begriffs (eidos, logos) verbunden. Die Ursache der qualitätsrelevanten Bewegung wird von Aristoteles differenziert nach einem Stillstands- bzw. Bewegungsursprung insich-selbst, welcher über den defizienten Modus des Von-selbst-Geschehens (automatos) (re)agiert, und der Kunstfertigkeit (techne), die ihren Ursprung in einem anderen hat und durch den ebenso defizienten Modus des Zufalls (tyche) sich verwirklicht.“ (Küpers 2001a, 847) Auch begründet Aristoteles in der Lehre vom Hylemorphismus (hyle = Gestalt; morphe = Form), dass alle körperlichen Substanzen aus dem Stoff, der an sich nur Möglichkeit ist, und der Wirklichkeit verleihenden Form (morphe) bestehen. Zusammen mit dem Ziel des Werdeprozesses (causa finalis) stellt die Form den aktualisierenden, Wirklichkeit verleihenden Faktor (causa formalis) dar. Qualität in der Nachfolge von Aristoteles: Auch wenn sich in der Nachfolge des Aristoteles, ob bei Cicero oder den Scholastikern, durchaus einige interessante Aspekte zum Qualitätsbegriff finden, und damit rekonstruieren lassen, so würden uns diese Analysen – nach derzeitigem Erkenntnisstand – keinen wesentlichen Fortschritt bringen, handelt es sich doch eher um Fußnoten zu Aristoteles (3). Aus diesem Grund wird das Thema mit der Neuzeit bei Galileo fortgesetzt. Qualität bei Galileo: Galileo (1564*–1642†) unterscheidet zwischen objektiven und subjektiven Qualitäten. Objektiv sind Bewegung, Figur, Größe usw. der Dinge, subjektiv sind die in Bezug zur Natur der menschlichen Sinnlichkeit stehenden Farben, Töne usw. Qualität im Rationalismus und Empirismus bei Descartes, Newton, Locke, Hume und Berkeley: Descartes (1596*–1650†) und Newton (1642*–1727†) folgen der Unterscheidung Galileos in objektive und subjektive Qualitäten. Descartes bestimmte Qualität mit im Raum ausgedehnter Materie (res extensa) und der selbstgewissen Bestimmung des Geistes (res cogitans), über die wir nichts sicher wissen. Auch Newtons Denken wird durch den Materie-Geist-Dualismus bestimmt. Beide Auffassungen leiten den Rationalismus ein und stehen am Anfang der entstehenden modernen Naturwissenschaft.

13 Entelechie

Ein Denken, das sein Ziel im Gegenstand seiner selbst begründet, ist entelechisch zu nennen (Aristoteles, Metaphysik IX, 8). – Beispiel aus der Biologie: Beim Schme erling handelt es sich um die Entelechie der Raupe. Er hat die Vollendung erreicht und kann fliegen. In der organisatorischen Prozesstheorie ist genau dies das zu lösende Problem (Miebach 2009). Qualität in der Nachfolge von Aristoteles:

ÁGalileo

ÁDescartes s.a. Schluss von 1.2 Å

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

14

ÁLocke „Nihil est in intellectu, quod non fuerit prius in sensu.“ (Locke). Locke ging von ursprünglichen oder primären Qualitäten wie Fes gkeit, Ausdehnung, Gestalt, Bewegung, bzw. Ruhe und Zahl aus; aber auch Qualitäten, die nicht den Objekten selbst zukommen, sondern in den Sinnen begründet sind, sekundäre Qualitäten wie Farben, Töne, Geschmäcke. Die Form eines Gegenstandes war eine Eigenscha ‚an sich‘, seine Bräune jedoch nur eine Eigenscha für uns, präziser: für Lebewesen, die imstande sind, bes mmte Wellenlängen des Lichts als ‚braun‘ zu empfinden. খ Zu beachten: Exkurs Qualia am Anfang dieses Kapitels

Locke (1632*–1704†) definiert Qualität als die Fähigkeit eines Dinges, eine Empfindung im Bewußtsein zu erzeugen, wobei er die quantitativ fassbaren Entitäten bestimmt: objektive Qualitäten = primäre Qualitäten; subjektive Qualitäten = sekundäre Qualitäten. Locke, Hume (1711*–1776†) und Berkeley (1685*–1753†) reduzieren als Empiristen bzw. Sensualisten Denkvollzüge hinsichtlich ihrer Herkunft und Begründung auf psychische Gesetze und Funktionen des Vorstellens. Qualitäten sind dabei ebenso wie Quantitäten stets nur als bestimmte Größen vorstellbar. Hume bindet die primären und sekundären Qualitäten konsequent an die Sinne. Die Qualitäten können nicht in den Dingen selbst existieren. Unter Inanspruchnahme des Grundsatzes der Abtrennbarkeit, dass nämlich im Gedanken und in der Einbildung nur dasjenige abtrennbar ist, was unterschieden und verschieden ist, argumentiert Hume gegen die Annahme abstrakter Qualitäten. Qualitäten ebenso wie Quantitäten sind stets nur als bestimmte Größen vorstellbar. Ebenso kann eine Qualität zwar sinnvoll von anderen Qualitäten abgetrennt werden, es gibt aber keine Abtrennung von einer Substanz, weil Substanzen von Qualitäten in nichts unterschieden sind. Ihre in der Sprache vorgenommene Abtrennung ist die Folge der bloßen Fiktion, sich Substanzen als Träger von Akzidenzien vorzustellen. Die in der philosophischen Tradition vertretene Meinung, daß Sinnes-Qualitäten nur Eindrücke des Geistes aufgrund der Wirkungen äußerer Gegenstände seien, mit denen sie dann keine Ähnlichkeit haben, rührt nach Hume vom Faktum her, daß sich Eindrücke unter scheinbarer Beibehaltung der Identität von Gegenständen ändern. Für den Empirismus gilt generell: (a) Qualitäten sind quantifizierbare Vorstellungen des Geistes (Seele); (b) äußerliche formallogische bzw. quantitativ-empirische Distinktion; (c) Entwirklichung der Erfahrung. Zusammenfassend sind die rationalistischen und empiristischen Qualitätsauffassungen wie folgt zu bewerten: „Wird nur die klare und distinkte Perzeption zum Ausgangspunkt der Weltbetrachtung so führt dies zu einer entsprechenden zerreißenden Wirklichkeitsauffassung. Das definitorisch-analytische Denken, das zwischen der räumlichen Ausgedehntheit der Materie und der extensiven, selbstgewissen Bestimmung des Geistes unterscheidet, trennt das Denken von der „esse est percipi“ „esse est percipi“ – {„Sein ist Vorgestelltwerden“, „Sein ist Wahrgenommenwerden“) – „esse est percipi“ („Sein ist vorstellen“). Nach George Berkeley gibt es nichts Materielles. Materie oder die Dinge sind nur Schein. Sein radikaler Idealismus sagt aus, dass die Außenwelt einschließlich des eigenen Leibes die Imagina on des Subjekts sei. Daraus folgt für die Managementlehre: Das Sein der Dinge besteht in ihrer Wahrnehmbarkeit. Es exis ert (für den Kunden) nur das, was (von ihm) wahrgenommen wird. Was (ihm) nicht bewusst wird, gibt es (für ihn) nicht.

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

Materie, den Begriff von den Dingen, den Geist vom Leib. Wirklich ist demnach nur, was in rationalen Definitionen festlegbar erscheint. Da nur Zwecke streng definierbar, fixierbar und berechenbar sind, werden die qualitativen Phänomene des Wesens, des Sinnes und des Wertes auf diese reduziert. Werte, insofern sie über ihre Manifestationen und Konkretionen hinausgehen (Prinzip möglicher Verwirklichung) sind der Dimension des definierbar Faktischen und Präsenten enthoben. Nur das wird als wirklich gelten gelassen, was systematisierend festlegbar und in rationale Form gebracht werden kann. Unbezweifelbarkeit wird zum Kriterium des Mentalen.“ (Küpers 2001a, 848-849) Qualität bei Leibniz: Nach G. W. Leibniz (1646*–1716†) sind die den Körper definierenden Merkmale (Ausdehnung, Gestalt, Undurchdringlichkeit usw.) und die Bewegung zur Erklärung der undeutlich bleibenden Sinnes-Qualitäten heranzuziehen. Er nähert sich dem Qualitätsproblem in einer stärker kriteriumsorientierten Weise, indem er den Grad der Deutlichkeit von Eigenschaften als Definitionsmerkmal der primären bzw. sekundären Qualitäten heranzieht. Leibniz definiert Qualität als diejenige Beschaffenheit der Dinge, die sich auch in einer isolierten Gegebenheit erkennen läßt, während die Quantität auf eine unmittelbare Beziehung zu anderen Gegenständen angewiesen ist. Während dieselbe Quantität die Gleichheit von Gegenständen aussagt, bezeugt dieselbe Qualität Ähnlichkeit. Er hebt auf die qualitative Bestimmtheit als Bedingung der quantitativen Bestimmtheit ab. „Dabei geht Leibniz von einer bloß graduellen Verschiedenheit von Sinnlichkeit und Verstand aus. Die Anschauung ist für Leibniz ein unvollkommenes Denken, dem es an Deutlichkeit fehlt.“ resümiert Küpers (Küpers 2001a, 851) Qualität in der Transzendentalphilosophie Kants: Im Anschluß an Leibniz folgt Immanuel Kant (1724*–1804†) dessen Grenzbetrachtung von Qualität. Kant sah Lockes objektive Qualitäten als apriorisch an, die subjektiven als aposteriorisch (real). Von Aristoteles übernimmt Kant den Begriff der Kategorie, mit dem Aristoteles versucht hatte, eine Liste der Arten möglicher Eigenschaften der Individuen aufzustellen. Diesen Versuch empfand Kant jedoch hoffnungslos unsystematisch. Sein Vorschlag einer Kategorientafel beruht auf der Beziehung zwischen Begriff und Urteil. Ein Begriff ist faktisch nichts anderes als eine Möglichkeit, bestimmte Urteile zu fällen. Die möglichen Arten von Begriffen sind also anhand der möglichen Arten von Urteilen zu bestimmen. Kant unterscheidet die Realität, die Negation und die Limitation als Kategorien der Qualität. Kategorien sind reine Begriffe. Sie kommen jedoch nicht den Dingen selbst zu, sondern sind nach

15 Ѫ Der Empirismus macht die Erfahrung zum Prinzip!

ÁBerkeley

ÁLeibniz Leibniz nähert sich dem Qualitätsproblem in einer stärker kriteriumsorien erten Weise, indem er den Grad der Deutlichkeit von Eigenscha en als Defini onsmerkmal der primären bzw. sekundären Qualitäten heranzieht.

ÁKant

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

16

Kategorien

Urteile

Quantität

Einheit Vielheit Allheit

allgemeine besondere einzelne

Qualität

Realität Negation Limitation

bejahende verneinende unendliche

Relation

Substanz Ursache Wechselwirkung

kategorische hypothetische disjunktive

Modalität

Möglichkeit Dasein Notwendigkeit

problematische assertorische apodiktische

ÁAbb. 1.6: Die Kategorientafel Immanuel Kants mit Erweiterung seines Verständnisses von Qualität

Das folgt nach Kant: Mit der Bes mmung, was ein Ding ist, wird gleichzei g auch gesagt, was es nicht ist. Das gilt auch für die Qualität eines Dings.

Das Verständnis von Qualität nach Kant: Nach Kant ist demnach die Kategorie der Qualität ohne eine objek ve Erkenntnis von Qualitäten nicht möglich. Die als reine Vernun sidee aufgefasste Kategorie des Qualita ven steht somit als regula ves Prinzip im Dienst der Erkenntnis der Erfahrung von Qualität. Die Realität des Qualita ven ist für Kant nicht objek v gegeben, sondern das Setzen einer Bes mmtheit des Wesens durch den Verstand. Nicht mehr die qualitätsvermi elnden Sinne selbst, sondern, über die reinen Anschauungsformen vermi elt, sind es die reinen Verstandesbegriffe (Kategorien) und die Urteilskra der Vernun als transzendentale Schemata, welche die Erkenntnis auch von Qualität bes mmen. Diese Kategorien und Schemata treten mit höherer logischer Autorität dem Sinnlich-Qualita vem unvermi elt gegenüber.

Kant apriori gegebene Schemata unseres Verstandes mit deren Funktionsweise wir Ordnung in unsere qualitativen Erfahrungen bringen. Kants transzendentale Theorie der Erfahrung begründet eine neue Stellung des Subjekts zur Objektivität. Der Gegenstand (der Qualität) soll sich nach der menschlichen Erkenntnis richten. Die zur objektiven Erkenntnis von Qualität gehörende Notwendigkeit und Allgemeinheit stammen – nach Kant – nicht aus den Gegenständen (der Qualität), sondern verdanken sich dem erkennenden Subjekt und der in ihm innewohnenden apriorischen Kategorien. Die Kategorien stellen damit – als apriorische Voraussetzung – die Bedingung der Möglichkeit aller Objektivität und empirischer Naturgesetze dar. Die Gegenstände wie auch das ‘Ding an sich’ (damit der ‘Qualität an sich’) bleiben dem Menschen grundsätzlich unzugänglich. Für Kant und sein Programm einer transzendentalen Vernunftkritik liegt damit die letzte Grundlage der Erfahrung jenseits ihrer selbst und bedarf einer metaphysischen Erforschung. Weil die metaphysischen Prinzipien definitionsgemäß außerhalb aller Erfahrung liegen, können diese somit auch nicht Maßstab des Erkennens sein. Zurück zur Kategorientafel (Abb. 1.6): Der den Urteilsformen der Bejahung, der Verneinung und des Unendlichen zugeordneten Kategorien der Realität, der Negation und Limitation, gibt der Qualität eine bestimmte Zuordnung innerhalb der Kategorientafel. Realität

Kant zum Menschen Auch das stammt von Kant: Faulheit und Feigheit, die als Arschkriecherei und Kadavergehorsam auch heute noch massenha zu beobachten sind, sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

und Negation als gegensätzliche Bestimmungen werden in der Limitation als ihre Synthese vereinigt. Jede Qualität ist als besetzte Bestimmung zugleich eine Negation, indem mit der Bestimmung, was ein Ding ist, auch gesagt wird, was es nicht ist. Qualität ist also als Einheit von Bestimmtheit und Negation immer auch Grenzsetzung. Die Kategorie des Qualitativen kommt somit nach Kant nicht dem Phänomen selbst zu, sondern ist ein apriorisch gegebenes Schema des ordnenden Verstandes, welcher mit seiner erfahrungsordnenden Funktion die Erfahrung des Qualitativen erfaßt. Die Realität der Qualität ist so für Kant nicht objektiv gegeben, sondern das Setzen einer Bestimmtheit des Wesens durch den Verstand. Nicht mehr an die Qualitäten der Sinne selbst, sondern, über die reinen Anschauungsformen vermittelt, sind es die reinen, kategorialen Verstandesbegriffe und die Urteilskraft der Vernunft, welche als transzendentale Schemata auch ‘Qualität’ bestimmen. (Küpers 2001a, 851-852) Der philosophische Qualitätsbegriff der Moderne: Der Qualitätsbegriff hat in der Moderne eine deutlich phänomenologische Wende erfahren, die von Nietzsche (1844*–1900†) eingeleitet, bei Bergson (1859*–1941†), Husserl (1859*–1938†) und Merleau-Ponty (1908*– 1961†) nachzuvollziehen ist. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die bis Kant gewonnenen Erkenntnisse begrenzt sind. Erste Analysen finden sich in den Arbeiten von Küpers, der Qualität als phänomenales Ereignis begreift. Dieses Verständnis von Qualität ist erst ansatzweise in die Diskussion zum Qualitätsmanagement eingeflossen. (4) Der Artikel von Karl-Friedrich Wessel wäre noch zu erwähnen (Wessel 2005). Darin führt ihn ein Blick in die Philosophiegeschichte zu Georg Wilhelm Hegels Ding-an-sich-Problem und das sog. Gesetz des Umschlagens quantitativer Veränderungen in qualitative. Auch hier hätte Erkenntnisgewinnung zum Qualitätsbegriff anzusetzen, wie Wessel zeigt (Wessel 2005, 8): „Daran anknüpfend muss der Zusammenhang von Qualität und Quantität erwähnt werden. Eine Systemänderung durch quantitative Anhäufung kann zu einer anderen Qualität des Systems führen. Sowohl die Zunahme und die Abnahme von Elementen im System als auch die Veränderung der Stellung Elementen im System können einen Qualitätswandel hervorrufen oder ein neues Moment für die Bestimmung der Qualität in den Vordergrund rücken.“

17 Qualität ist als Einheit von Bes mmtheit und Nega on immer auch Grenzsetzung (Limita on). „Gedanken ohne Inhalte sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ (Kant, Kri k der reinen Vernun ) a priori (lat. vom früheren her) wird eine Einsicht genannt, deren Rich gkeit durch die Erfahrung weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Kant kennzeichnet damit Begriffe, die allein dem Verstande, der Vernun entstammen, allerdings erst dann in Erscheinung bzw. Tä gkeit treten, wenn mit ihrer Hilfe Wahrnehmungen zu Begriffen geformt werden. a posteriori [lat. vom späteren her] wird eine Erkenntnis genannt, die aus der Wahrnehmung, aus der Erfahrung stammt.

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

18 Nach der Qualität wird WIE und WAS gefragt! Im nächsten Schri wird weitergefragt!

Was ist Qualität – Zwischenschritt „Philosophie“: Der kurze Gang durch einige als zentral angenommene philosophische Positionen zum Qualitätsbegriff hat uns nicht nur die vielfältigen Möglichkeiten gezeigt, die den Zugang zum Phänomen Qualität eröffnen können, deutlich wurde auch, wie komplex das Thema Qualität ist. Es wäre an der Zeit, den Nachlass dieser Erkenntnisse aus der Philosophie zum Thema Qualität zu würdigen und zu sichten, um so auch ein Fundament für das Handeln und besonders das Sprechen über Qualität zu gewinnen. Wissenschaft ist ja nicht nur ein Aussagen-, sondern primär ein Handlungs- und Interaktionssystem, und wissenschaftliche Rationalität – egal in welcher Disziplin – betrifft gerade aus diesem Grund sowohl die Handlungen und Entscheidungen der Wissenschaftler, wie die Struktur und die Inhalte der Aussagenzusammenhänge. Eben weil es bisher – was das Thema Qualität betrifft – überhaupt keine Anknüpfung an Philosophie, speziell der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie gibt, ist es auch unmöglich die in der aufgezeigten groben Entwicklungslinie genannten Aussagenansätze einfach zu verwerfen. In welcher Weise der Bezug zur Philosophie erfolgen könnte lässt sich hier in einer Scenario-Skizze aufzeigen, die an Descartes „Discours de la Méthode“ angelehnt ist und „Auf dem Weg zu einer Qualitätsmethodologie“ genannt werden kann. Das „Credo“ findet sich auf der Folgeseite.

Descartes überzeitliches Credo kann auch im modernen Sinn als „Methodologisches Por olio“ gelesen werden! Å

Nichts auslassen!

Das Evidente als wahr annehmen!

× Die Untersuchung mit dem Einfachsten und Kleinstem beginnen!

Das Ganze in Teile zerlegen!

1.2 Der philosophische Blick auf Qualität

Credo zur Fundierung einer »Qualitätsmethodologie«: Die vier Regeln [Vorschriften] des Descartes Aus Descartes‘ Forderung, nur Evidentes und

Klares könne wahr sein, folgt: Wahr kann nur das logisch und rational erfasste sein [5].

1 Das Evidente als wahr annehmen: Die erste Vorschrift besagte, niemals irgendeine Sache als wahr zu akzeptieren, die ich nicht evidentermaßen* als solche erkenne; dies bedeutet, sorgfältig Übereilung und Voreingenommenheit zu vermeiden und in meinen Urteilen nicht mehr zu umfassen als das, was sich so klar und so deutlich** meinem Geist vorstellt, dass ich keine Möglichkeit hätte, daran zu zweifeln.

2 Das Ganze in Teile zerlegen: Die zweite besagte, jede der Schwierigkeiten, die ich untersuchen würde, in so viele Teile zu zerlegen, wie es möglich und wie es erforderlich ist, um sie leichter zu lösen.***

3

Die Untersuchung mit dem Einfachsten und Kleinsten beginnen: Die dritte besagte, meine Gedanken mit Ordnung zu führen, indem ich mit den am einfachsten und am leichtesten zu erkennenden Dingen beginne, um nach und nach, gleichsam stufenweise, bis zu der Erkenntnis der am meisten zusammengesetzten aufzusteigen, und indem ich selbst dort Ordnung unterstelle, wo nicht natürlicherweise das eine dem anderen vorausgeht.****

4 Nichts auslassen: Und die letzte besagte, überall so vollständig Aufzählungen und so allgemeine Übersichten herzustellen, dass ich versichert wäre, nichts wegzulassen.*****

__________ * Evident ist etwas, wenn keine weitere gedankliche Leistung mehr vonnöten ist, um es zu legitimieren. Dies impliziert die Einfachheit und Unmittelbarkeit der Einsicht. Evidenz ist das unmittelbare Erscheinen von Wahrheit. Zweifel stellt den Gegensatz zur Evidenz dar. Alles, was nicht evident ist, ist zweifelhaft. Mit dieser Vorschrift schliesst Descartes das bloss Wahrscheinliche, welches in der scholastischen Philosophie eine Rolle gespielt hatte, aus, denn im Wahrscheinlichen wird etwas Unsicheres mit einbezogen, d.h. etwas, das nicht klar und deutlich erfasst wird. – Die in dieser ersten Vorschrift formulierte Regel wird auch als ‚Regel der Evidenz’ bezeichnet. ** In den Principia Philosophiae führt Descartes aus: „Klar nenne ich die Erkenntnis, welche dem aufmerkenden Geiste gegenwärtig und offenkundig ist, wie man das klar sehen nennt, was dem schauenden Auge gegenwärtig ist und dasselbe hinreichend kräftig und offenkundig erregt. Deutlich nenne ich aber die Erkenntnis, welche, bei Voraussetzung der Klarheit, von allem Übrigen so getrennt und unterschieden ist, dass sie gar keine anderen als klare Merkmale in sich hält.“ *** Die zweite Vorschrift verhilft dazu, dass die erste Regel greifen kann. Die hier formulierte Regel der Problemzerlegung wird auch als ‚Regel der Analyse’ bezeichnet. **** Dies bedeutet, einer Ordnung gemäss vorzugehen, auch wenn die Sache selbst kein bestimmtes Vorgehen von sich aus anbietet, denn „die einzelnen Dinge sind in ihrer Ordnung hinsichtlich unserer Erkenntnis anders zu betrachten, als wenn wir über sie sprechen, wie sie tatsächlich sind.“ Diese Regel besagt, nicht der Ordnung der Dinge, sondern der Ordnung der Gründe zu folgen. Sie wird auch als ‚Regel der Deduktion’ bezeichnet. Unter Deduktion versteht Descartes „all das, was aus anderem, mit Gewissheit Erkanntem notwendigerweise geschlossen wird.“ Vom Einfachen ausgehend, das durch Analyse gewonnen wurde, kann man so schrittweise zum Komplexen gelangen. ***** Die in dieser Vorschrift enthaltene Regel wird auch als ‚Regel der Vollständigkeit‘ bezeichnet. Sie ist eine Ergänzung zu den beiden vorhergehenden Regeln, die nur dann erfolgreich angewandt werden können, wenn sie nicht dazu führen, dass etwas ausgelassen wird. Quelle: Descartes, René: Discours de la Méthode. Leiden 1637. Hier zit. nach RUB Nr. 18100. Stuttgart 2001, S. 39f

19

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

20

1.3 „Man muss etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen.“ (Georg Christoph Lichtenberg)

Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

In den vorhergehenden Darstellungen zum Qualitätsphänomen wurden auf der Folie philosophischer Fragestellungen und Erkenntnisweisen in Form einer historischen Längsschnittanalyse die zentralen Auffassungen zum Qualitätsbegriff dargestellt. Qualität wurde bei dieser Analyse als Kulturbegriff erkannt. In diesem Kapitel soll nun gefragt werden, ob und inwiefern sich korrespondierend zu einem wissenschaftlichen Begriffsverständnis von Qualität eine Disziplin Qualitätswissenschaft herausgebildet hat. Der Tatsache muss Rechnung getragen werden, dass es sich beim Objektbereich um eine aus der betrieblich-organisatorischen Praxis entwickelte Emergenz handelt. Ob und inwieweit lässt sich zu Recht von Qualitätswissenschaft sprechen? Zur Beantwortung dieser Frage wird neben Selbstverlautbarungen von Autoren, die sich in der Fachliteratur zum Qualitätsmanagement finden, auch allgemeine und spezielle wissenschaftstheoretische Literatur einbezogen. Berührt diese spezielle Fragestellung doch grundlegend auch die Frage nach den Kriterien von Wissenschaft, die im Zusammenhang mit der kuhnschen und post-kuhnschen Bestandsaufnahme zur Struktur gegenwärtiger Wissenschaft zu sehen ist.

1.3.1

Das Phänomen Qualitätswissenschaft im deutschen Qualitätsmanagement

Wer nach dem Begriff Qualitätswissenschaft Ausschau hält, findet diesen neuerdings in institutionellen und lexikalischen Zusammenhängen hervorgehoben. Darüberhinaus taucht der Begriff Forschung im Qualitätsmanagement und qualitätsrelevante Forschung auf, der auch institutionell und lexikalisch erwähnt wird (7). Die tabellarische Abbildung auf der Folgeseite zeigt die Gründungsdaten, Ziele und Aufgaben der beiden Gesellschaften (GQW und FQS), die sich vom Zweck her mit Qualitätswissenschaft bzw. qualitätsbezogener wissenschaftlicher Forschung befassen. Aufschlußreich für unsere Fragestellung, was Qualitätswissenschaft sei, sind die Ziele beider Gesellschaften: Mar n Luther – Ein Vergleich Es ist gut zu pflügen, wenn der Acker gereinigt ist; aber den Wald und die Stöcke ausro en und den Acker zurichten, das will niemand. (Mar n Luther, 1483*–1546†) Eher suchen die Menschen die Ablenkung und das schnelle Ergebnis, wie uns Jack Ve riano zeigen will, wenn er seine Akteure mit ihren Liegestühlen zum Strand gehen lässt (Ausschni aus Sweet Bird of Youth. 1995). Exis eren Interessenzusammenhänge, die sich darum bemühen eine Wissenscha von der Qualität zu fundieren, also das zu tun, was Mar n Luther in seinem Bild vom zu reinigenden und zuzurichtenden Acker anspricht? Wer verspricht sich davon einen Vorteil, die Qualitätswissenscha zu begründen?

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

GQW-Gesellschaft für Qualitätswissenschaft e.V.

FQS-Forschungsgemeinschaft Qualität e.V.

Gründung: 9.12.1994 Zielsetzung: Qualitätswissenschaft in Lehre und Forschung zu fördern und den Wissenstransfer in die industrielle Anwendung zu unterstützen. Geschehen soll dies u.a. durch

Gründung: 7.9.1989 Zielsetzung: Zweck des Vereins ist es, branchenübergreifende und branchenspezifische Problemstellungen im Bereich des Qualitätsmanagements sowie in angrenzenden Bereichen als Forschungs- und Entwicklungsvorhaben festzulegen, ihre Durchführung zu fördern und deren Ergebnisse umzusetzen. Dabei sollen die Ergebnisse vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht nur zu sichern, sondern auch zu verbessern. Dieser Zweck soll erreicht werden insbesondere durch

× Pflege des wissenschaftlichen Erfahrungsaustausches unter den auf diesem Gebiet tätigen Personen und Institutionen × Verbreitung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen (Veröffent lichungen, Vorträge, Veranstaltungen) × Informationen über aktuelle Forschungsund Entwicklungsschwerpunkte × Förderung der internationalen Zusammenarbeit × Erarbeitung von Vorschlägen für neue F & E-Programme × Abgabe von Empfehlungen für Ausbildungsinhalte (Studienpläne) im Fachbereich Qualitätswissenschaft an Universitäten und Technischen Hochschulen × Unterstützung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Praxis. Verständnis von Qualitätswissenschaft: Qualitätswissenschaft umfasst das Sammeln von Erfahrungen, das Systematisieren von Erkenntnissen sowie das Suchen von Gesetzmäßigkeiten und methodischen Vorgehensweisen sowie das Definieren von einheitlichen Begriffen auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements. (Quelle: www.gqw.de_Abruf: 26-12-2010)

× Ermittlung des Forschungsbedarfs und Initiierung neuer F&E-Projekte × Beratung bei der Ausarbeitung und Durchführung von F&E-Projekten × Stellen von Anträgen auf Bewilligung von Fördermitteln für Gemeinschaftsforschung oder andere Entwicklungsvorhaben × Einsetzen von industriellen Arbeitskreisen für die Weiterentwicklung und praktische Umsetzung der Projekte × Erarbeiten von Empfehlungen für neue F&E-Programme × Kooperation mit der Bundesregierung, Industrie und wissenschaftlichen Institutionen Kriterien die an die geförderten Projekte gestellt werden: × Erkennbarer Innovationscharakter × Erkennbarkeit des anvisierten Lösungsweges und die zu erwartenden Ergebnisse × Messbarkeit des Projekterfolgs × Hohe Praxisrelevanz / Dokumentation × Konformität zu den FQS-Forschungsschwerpunkten (Quelle: www.dgq.de/forschung/wir-ueberuns.htm_Abruf: 26-12-2010)

ÁAbb. 1.7: Organisa onen zur Qualitätswissenscha in Deutschland

21

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

22

Defini on Qualitätswissenscha der GQW

× GQW: „Qualitätswissenschaft in Lehre und Forschung zu fördern und den Wissenstransfer in die industrielle Anwendung zu unterstützen.“ × FQS: „Zweck des Vereins ist es, branchenübergreifende und branchenspezifische Problemstellungen im Bereich des Qualitätsmanagements sowie in angrenzenden Bereichen als Forschungs- und Entwicklungsvorhaben festzulegen, ihre Durchführung zu fördern und deren Ergebnisse umzusetzen. Dabei sollen die Ergebnisse vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht nur zu sichern, sondern auch zu verbessern.“ Offensichtlich geht es beiden Institutionen darum, indem sie den Verwertungsbezug von Ergebnissen einer solchen Wissenschaft ansprechen, um die Wirtschaft oder sogar noch spezifischer zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmungen beizutragen. Auch scheint ausgemacht zu sein, daß der Gegenstand oder Forschungsbezug in einem wie auch immer zu bestimmenden Qualitätsmanagement anzunehmen ist. Eine begriffliche Bestimmung der Qualitätswissenschaft wird neuerdings von der GQW geliefert (Abb. 1.7, linke Spalte): „Qualitätswissenschaft umfasst das Sammeln von Erfahrungen, das Systematisieren von Erkenntnissen sowie das Suchen von Gesetzmäßigkeiten und methodischen Vorgehensweisen sowie das Definieren von einheitlichen Begriffen auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements.“ Außerdem ist es bemerkenswert, daß im deutschsprachigen Raum einige wissenschaftliche Einrichtungen an Hochschulen existieren, die sich schon durch ihre Namensgebung einer Disziplin Qualitätswissenschaft zuordnen ließen (u.a. Aachen, Berlin, Erlangen-Nürnberg, Kaiserslautern), die einen Kernbereich Qualitätsmanagement zumindest in der Lehre kontinuierlich vertreten. Auch lassen sich universitätsnahe oder -ferne Forschungsinstitute ausfindig machen, die den Untersuchungsgegenstand Qualität/Qualitätsmanagement angegangen sind. Ob es sich hier um Organisationen/Institute handelt, die mit einer langfristig verfolgten Zielsetzung Qualitätswissenschaft betreiben, ist nicht auszumachen, wohl aber zu vermuten. Gerd F. Kamiske, ehem. Herausgeber der QZ, emeritierter Professor an einem der wenigen Lehrstühle in diesem Bereich an der Technischen Universität Berlin (Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb – Fachbereich Qualitätswissenschaft) und ehemaliger Leiter des Qualitätswesens eines weltweit führenden Automobilherstellers, expliziert wohl als einziger Fachautor im deutschsprachigen Raum den Begriff Qualitätswissenschaft, indem er sie als Quer-

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität ÏAbb. 1.8: Qualitätswissenscha als interdisziplinäres Fachgebiet nach Gerd F. Kamiske (9)

Ingenieurwissenschaft

Sozialwissenschaft bes. Arbeitswissenschaft

Qualitätswissenschaft

Wirtschaftswissenschaft

Umweltwissenschaft schnittsdisziplin „mit der Technik als ihren wesentlichen Bestandteil“ bestimmt, sie begrifflich also auf der Ebene von Fachdisziplinen ansiedelt (8): „…stellt die Qualitätswissenschaft eine Querschnittsverbindung zu weiteren industriellen Wissenschaftsdisziplinen dar: Die Ingenieurwissenschaften repräsentieren den technischen Anteil, die Defini on QualitätsSozialwissenschaften den humanen, die Umweltwissenschaften wissenscha Gerd. F. den ökologischen und die Wirtschaftswissenschaften den ökono- Kamiske mischen Aspekt.“ Die Abbildung 1.8 [Ã] symbolisiert das interdisziplinäre Fachgebiet der Qualitätswissenschaft als Querschnittsdisziplin. Weiter heißt es dann: „Verbindendes Element ist die Erforschung des Einflusses und der Auswirkung von Qualität in ihrer vielschichtigen Bedeutung.“ Folgt man diesem Definitionsvorschlag, so steht im Mittelpunkt der Begriff und ein Konzept von Qualität, das aus je spezifischen interdisziplinären Zusammenhängen heraus bestimmt wird. In diesem interdisziplinären Feld, das von der Zahl der Fachdisziplinen her nicht abgeschlossen sein kann (so zählen mit Sicherheit die Rechtswissenschaft wie die Informatik und wohl in jedem Fall auch die Statistik dazu), konstituiert sich dann wohl im zweiten Schritt in der prak-

23

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

24

Forschungsprogramm „Qualitätssicherung 1992 bis 1996“ des BMBF

tischen Umsetzung ein Managementkonzept, nämlich das Qualitätsmanagement sowohl als Praxisfeld, wie aber auch darauf bezogen als eigenständiger Forschungsgegenstand. Kamiske hat damit mögliche unterschiedliche Auffassungen darüber, was man unter Qualitätswissenschaft verstehen könnte, den einzelnen fachdisziplinären Ebenen zugeordnet. Er nimmt mit dieser Bestimmung auch keine (allgemein akzeptierte) fachsystematische Abgrenzung dessen vor, was ‘Qualitätswissenschaft’ ist. Die folgenden vier Perspektiven „zur Beschreibung einer Wissenschaft mit den Inhalten des Fachgebietes Qualität“ werden als Extrakt herausgestellt [10]: × „Es besteht das Bestreben, neue Erkenntnisse zu gewinnen und praktisch umzusetzen. Die Resultate werden im Rahmen der sich ständig erweiternden Inhalte der Qualitätswissenschaft deutlich. × Rund um das Erkenntnisobjekt Qualität werden bestimmte Erkenntnisziele verfolgt, die sich in Normen, Definitionen, Publikationen, Theorien, Problemlösungen und Entscheidungsmodellen ausdrücken. × Beim Erkenntnisstreben werden verschiedene Forschungsmethoden angewendet, beispielsweise die klassischen Methoden der Systematisierung, aber insbesondere auch mathematisch-statistische Methoden und Analysen. × Die gewonnenen Erkenntnisse werden in ihrer Wahrheit mittels theoretischer Nachweise sowie praktischer Versuche und Umsetzungen in Unternehmen gesichert. Dabei wird die systematische Ordnung des Qualitätswissens angestrebt, was z.B. in Form von Regelwerken, Fachliteratur oder auch Übersichten über das gesamte Spektrum von Qualitätserkenntnissen erfolgt.“ Das wissenschaftliche Forschungprojekt, das sich diesem Verständnis von Qualitätswissenschaft als interdisziplinärem Fachgebiet zuordnen lässt, ist unter der Bezeichnung ‘Qualitätssicherung 1992 bis 1996’ durchgeführt worden (Abb. 1.9). Aus den einzelnen Fragestellungen, die vom Projektförderer BMBF der Grundlagenforschung zugeordnet werden, erkennen wir nicht nur die auf wirtschaftliche Zusammenhänge zielende Stoßrichtung des Projekts, sondern auch die Interdisziplinarität, repräsentiert durch die bereits bei Kamiske genannten Fachgebiete. Die Qualitätswissenschaft verfügt auch nicht über ein genuin eigenes Methodeninventar, sondern bedient sich der in den genannten Kerndisziplinen verwendeten Methoden, die entsprechend dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand ausgewählt werden. Diese Untersuchungsgegenstände sind Themen und Fragestellungen

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

Forschungsprogramm ‘Qualitätssicherung 1992 bis 1996’

des BMBF-Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie Projektträger: Fertigungstechnik und Qualitätssicherung, Forschungszentrum Karlsruhe

Fragestellungen

1

Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Qualitätsmanagement und Organisation der Arbeit in den Betrieben? Wie sollten Betriebe organisiert werden, um Qualität zu gewährleisten?

2

Wie kann die Qualität logistischer Leistungen in einem Produktionsbetrieb gesichert werden? Wie verknüpft man logistisches und technisches Qualitätsmanagement?

3

Wie sollte das Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich gestaltet werden? Wie können die aus dem technischen Bereich bekannten QualitätsmanagementMethoden hier eingesetzt werden?

4

Welche Informationsflüsse müssen durch ein Qualitätsinformationssystem unterstützt werden? Wie integriert man ein Qualitätsinformationssystem in das vorhandene Informationssystem des Unternehmens?

5

Wie kommt man zu einer Null-Fehler-Produktion nicht nur bei Einzelprozessen, sondern auch in der Prozeßkette? Welche Möglichkeiten bestehen zur Fehlervermeidung und zur Fehlerkompensation?

6

Wie müssen Personalpolitik, Marketing, Kostenrechnung und Controlling verändert werden, um den Anforderungen eines umfassenden Qualitätsmanagements zu genügen? Wie kann Qualitätscontrolling die Unternehmensleitung bei Entscheidungen über Verbesserungsmaßnahmen unterstützen?

7

Wie kann Qualitätswissen in den Unternehmen besser verwertet und angewendet werden? Welche Schlüsselfaktoren und Erfahrungen bestimmen die innerbetriebliche und die überbetriebliche Umsetzung? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden acht interdisziplinäre und überregionale Forschergruppen mit Projektlaufzeiten von etwa drei Jahren gegründet. Insgesamt waren 47 verschiedene Arbeitsgruppen aus wissenschaftlichen Instituten beteiligt, wobei die verschiedensten Fachgebiete aus den Arbeits-, Sozial-, Ingenieur- und Rechtswissenschaften, aus Psychologie und Informatik vertreten waren.

aus dem Qualitätsmanagement. Sie könnten aus der Perspektive der Einzeldisziplinen thematisch auch anders bezogen worden sein. Der jeweiligen Fachdisziplin ist die sogenannte Qualitätswissenschaft nicht unbedingt inhärent, sondern ein Untersuchungsbereich wie jeder mögliche andere, der sich aus zu formulierenden Problemstellungen immer wieder neu ergibt. So findet sich eine Beschreibung von Qualitätswissenschaft in Abbildung 1.10, die dem Selbstverständnis des Fachbereichs Qualitätswissenschaft an der TU Berlin entspricht.

ÁAbb. 1.9: Forschungsprogramm „Qualitätssicherung 1992 bis 1996“ des BMBF

25

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

26 ÅAbb. 1.10: Profil des Fachgebiets Qualitätswissenscha (TU Berlin)

Die in Abbildung 1.11 grob skizzierten Etappen der Entwicklung des Qualitätssmanagements können wohl sehr viele akzep eren. Gleichwohl handelt es sich um eine idealtypische Darstellung, die aus einer anderen Perspek ve (zum Beispiel aus asia scher Sicht) anders akzentuiert würde.

Zusammenfassend lässt sich Das Fachgebiet Qualitätswissenschaft als Teil des Instituts somit als erstes für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb beschäftigt sich Zwischenergebnis mit der Forschung und Entwicklung von Ansätzen und Mefeststellen: Im Prothoden zur modellbasierten, ganzheitlichen Qualitätsbeschreibung und -bewertung sowie den Vorgehensweisen zur jekt QualitätswisAnwendung dieser entwickelten Methoden im Produktlesenschaft, wie es im benszyklus sowohl in Produktionsunternehmen als auch deutschsprachigen Dienstleistungsunternehmen. Ziel ist neben einer erhöhten Produkt- und Prozessqualität die verbesserte Effizienz der Raum vor allem Organisation in Unternehmen. Das Fachgebiet versteht sich von einer Scientials Kompetenzzentrum für die Erkennung, Abstellung und fic Community aus Prävention von Fehlern in allen Phasen des Produktlebensdem ingenieurwiszyklus von der Konzeption bis zur Außerbetriebnahme. Es entwickelt und gestaltet das qualitätsdenkende Unternehsenschaftlichen Bemen. Dabei werden alle qualitätsbezogen Aspekte, Beziereich offeriert wird, hungen und Wechselwirkungen mit anderen Fachbereichen konkretisiert sich im Unternehmen berücksichtigt und Qualitätsmanagementsysteme weiterentwickelt zu nachhaltigen, integrierten ein wissenschaftManagementsystemen.“ liches Verständnis, (Quelle: http://www.qw.tu-berlin.de/menue/ueber_uns/_ das aus praktischen Abruf: 28.12.2010) und ForschungsZusammenhängen heraus entstanden ist und deren allgemeines Erkenntnisinteresse ökonomisch-technischer Natur entstammt. Leitend ist die Vorstellung, fachspezifisches Wissen einzelner Disziplinen auf qualitätsbezogene Fragestellungen zu konzentrieren. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines von dieser Scientific Community geteilten ‘Paradigmas’ von Qualitätsmanagement, wie es in der Abbildung 1.11 skizziert ist: In dieser aus der Sicht der Produktion stammenden Darstellung des Qualitätsmanagements wird es als evolutionäres Konzept aufgefasst. Man könnte diese Darstellung, die sich so oder in ähnlicher Form in vielen Einführungen zum Qualitätsmanagement findet, auch als Ausfluss und Deskription der Vorstufe des präparadigmatischen Zustands der Qualitätswissenschaft interpretieren (status nascendi). Ohne Zweifel ist wissenschaftshistorisch und wirkungsgeschichtlich der praktisch gewordene Ansatz von Frederick Winslow Taylor auch auf den Beginn dieses Anfangsstadiums (Qualitätskontrolle) zu beziehen. Ob eine solche ‘Immer-Höher-Entwicklung’ des Qualitätsmanagements von allen geteilt wird, kann aber nicht umstandslos vorausgesetzt werden, zumal die Entwicklung des Qualitätsmanagements in Ländern wie Japan unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs völlig anders geprägt und verlaufen ist. Der in der Abbildung 1.10 skizzierte Verlauf passt eher zu den Erfahrungen der US-amerikanischen Industrie. Jedenfalls kann angenommen werden, dass sich die Wurzeln einer sich im status nascendi befindlichen Disziplin Qualitätswissenschaft im modernen Verständnis bis in die Zeit Das Fachgebiet im Profil

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

27

Exzellenz / Integration / Prozess × × × × × × ×

EFQM-Modell Lean Production (Toyota: TPS) Qualitätsprogramme (Six-Sigma …) Integrierte Managementsysteme Integrierte QM-Systeme Prozessorganisation Supply Chain Management

Total Quality

Management (TQM) × Kontinuierliche Verbesserung × Externe / Interne KundenLieferantenbeziehungen × Qualitätsbewusstsein × Präventives integriertes Qualitätsmanagement × Lernende Organisation × Orientierung am Produktlebenszyklus (Qualitätskreis)

Qualitäts-

management (QM) × Qualitätsplanung × QM-Systeme, QM-Handbücher × Qualitätstechniken (QFD, FMEA, DoE, SPC) × Kundenorientierung (VoC) × Ökoaudit × Qualitätskosten × Fehlervermeidung

Qualitäts-

Qualitäts-

Qualitäts-

sicherung (QS) Qualitätsplanung QS-Systeme QS-Handbücher Einzelne Qualitätstechniken (z.B. FMEA, SPC) × Beginnende Fehlervermeidung × × × ×

steuerung × × × ×

Selbstprüfung Produktprüfung beginnende Qualitätsplanung Fehlerkorrektur

kontrolle × × × ×

1920

Fehlerentdeckung Endkontrolle / Inspektion Ausschuss Sortieren

1940

1960

1980

2000

des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts zurückverfolgen lassen. Publikationswirksam kann man das Jahr 1931 als Zeitpunkt ansetzen, in dem W.A. Shewhart sein Standardwerk zur Industriestatistik veröffentlichte (Shewhart 1931/Masing 1978). Wichtig: Die Rahmenbedingungen, unter denen sich eine Qualitätswissenschaft entwickelt hat und später betrieben wird, sind keine konstanten Größen, sondern historisch-geografisch erklärungsbedürftig. Da völlig neue Sichtweisen ganz andere Erklärungsmuster liefern,

2010

20…

ÁAbb. 1.11: Entwicklungsetappen des Qualitätsmanagements als „präparadigma sche“ Vorstufe einer sich entwickelnden Qualitätswissenscha (Zollondz 2001, 674)

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

28

ist es immer möglich, Qualitätswissenschaft auch abweichend zu fundieren und zu betreiben. Neben der alternativen japanischen Sichtweise, bei der das Toyota-Produktionssystem (TPS) ein wichtiges Datum ist (Ohno 1993), könnten einen weiteren alternativen Zugang die aus betriebswirtschaftlicher Sicht zum Qualitätsphänomen entwickelnden Modelle der Dienstleistungsqualität bieten (s. hier Kapitel 3).

1.3.2

Lei ragen

Zu den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Qualitätswissenschaft

Wenn man die Formulierung einer Qualitätswissenschaft nicht als genialen Handstreich zur langfristigen Erlangung und Sicherung von Forschungsmitteln sehen will (‘Interventionsstrategie’), sondern als ernsthaftes Bemühen, einen Gegenstand wissenschaftlich zu erschließen, müssen die, die Basis jeder Wissenschaft bildenden wissenschaftstheoretischen Grundlagen, für die Qualitätswissenschaft entsprechend gefordert und dargelegt werden. Eine solche Darlegung hat jedoch übergreifend zu den Besonderheiten der beteiligten Fachdisziplinen zu erfolgen und muß sich aus einer allgemeinen wissenschaftstheoretischen Methodologie argumentativ ableiten. Da sich zu dieser wissenschaftstheoretischen und -historischen Herangehensweise bisher weder Qualitätswissenschaftler noch Wissenschaftstheoretiker geäußert haben, müssen hier eher Fragen und Probleme aufgeworfen denn beantwortet werden. Zunächst lassen sich die grundlegenden Probleme der Wissenschaftstheorie der Qualitätswissenschaft an zwei Leitfragen verdeutlichen: ×Verfügt die Qualitätswissenschaft über eine ihr eigene Methodologie, und gibt es eine für sie spezifische Erklärungsstrategie? ×Wodurch läßt sich das Forschungsprogramm der Qualitätswissenschaft auszeichnen? Zu beiden Fragen liegen keine Forschungen vor. Sie sind anzugehen, um die Qualitätswissenschaft wissenschaftstheoretisch zu fundieren. Sie lassen sich hier auch nicht in Kürze beantworten, sondern bilden einen ersten Problemaufriss. Die Antworten müssen im kommunikativen Zusammenhang der Scientific Community gegeben werden (s. Kap. 1.3.1). Will man zur Fundierung dieses Problemaufrisses einen ersten Zugang finden, lassen sich Anleihen zur Spezifizierung der Fragestellungen beim Wissenschaftstheoretiker Balzer finden, auf den das abgebildete Schema ‘Beschreibungsmerkmale der Qualitätswissenschaft’ (Abbildung 1.12) zurückgeht und auf dessen Forderungen die Qualitätswissenschaft Antworten liefern sollte (Balzer 1997, 11-39):

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität ÏAbb. 1.12: Beschreibungsmerkmale der (Qualitäts-) Wissenscha (entwickelt nach Balzer 1997)

Beschreibungsmerkmale der (Qualitäts-)Wissenschaft

Strukturelle Ebene des Wissens

Soziale Ebene des Wissenschaftssystems

× Darstellen des Wissens, wie sich Qualitätswissenschaft in materiell fixierter Weise in Büchern, Aufsätzen, Manuskripten u.a. Medien darstellt, sich im Laufe der Zeit geändert und entwickelt hat und welche Schulen sich gebildet haben.

× Personen, die einen Prozess der Ausbildung durchmachen, forschen, veröffentlichen, mit anderen diskutieren, Mittel für die eigene Forschung bekommen und auch die Mittel für rivalisierende Ansätze knapp halten. × Gruppen von Personen, die die gleichen Objekte oder Phänomene mit gleichen Mitteln und gleicher Wertung untersuchen.

Dimensionen und Faktoren der Wissenschaftsentwicklung × Theorien und Modelle × Beziehungen und Querverbindungen zwischen Theorien × Invarianzen und Symmetrien × Daten // Ergebnisse × Objekte und intendierte Systeme × Messmethoden × Probleme × Institutionen

×Strukturelle Ebene des Wissens ×Soziale Ebene des Wissenschaftssystems ×Dimensionen und Faktoren der Wissenschaftsentwicklung.

1.3.3

Zentrale Wissenschaftskriterien

Sprachliche Kommunikation ist ein notwendiges Element wissenschaftlichen Handelns. Nur so können Ergebnisse und Erkenntnisse mitteilbar werden. Denn nicht die Realität selbst bildet den Bestand der Wissenschaften, sondern Aussagen, die im sprachlichen Kontext über die Realität formuliert werden. An den jeweiligen Sprachgebrauch selbst sind damit Forderungen zu stellen, die wichtige Kriterien für Wissenschaftlichkeit abgeben. Das gilt auch für die Qualitätswissenschaft [12]: ×Qualitätswissenschaft kann nur dann als Wissenschaft bezeichnet werden, wenn sie aus einem System von Aussagen besteht, die den jeweiligen, innerhalb einer Disziplin entwickelten Regeln zur Bildung von Aussagen entsprechen.

29

30

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

×In die Qualitätswissenschaft müssen wissenschaftliche Begriffe über den Weg von Definitionen eingeführt sein. ×Die logische Verknüpfung von Aussagen hat den anerkannten Ableitungsregeln zu folgen. ×Das für die Qualitätswissenschaft konstitutive Aussagensystem darf keine Widersprüche in sich tragen. ×Alle im Aussagensystem der Qualitätswissenschaft existierenden faktischen Aussagen müssen intersubjektiv überprüfbar sein. Für wissenschaftliche Kommunikation ist es besonders wichtig, die Unschärfe der Kommunikation möglichst zu reduzieren. Insbesondere hat dies aus drei Gründen zu geschehen: ×Exaktheit: Moderne Wissenschaft setzt ganz exaktes Handeln praktisch und symbolisch voraus. Bei geringfügigen Mißverständnissen kann eine Intention oft lebensgefährlich sein. ×Optimierbarkeit: Die Übermittlung komplexer Information ist möglichst zu optimieren. Das bedeutet auch, dass der Reduktionsprozess möglichst weit fortgeschritten sein muß. ×Allgemeingültigkeit: Gerade für wissenschaftliche Aussagen kann ein räumlich-zeitlich fixierter interkultureller ‘common sense’ mit den jeweiligen Adressaten keinesfalls vorausgesetzt werden. Denn wissenschaftliche Aussagen haben den Anspruch, daß sie auch mit Mitgliedern anderer Kulturkreise austauschbar sein sollen, und somit das Gemeinte auch über den Wandel der Metapher-Interpretationen hinaus über einen hinreichend großen Zeitraum verständlich sein muß. Die notwendige Präzision kann erreicht werden, indem man bei der Kommunikation zwischen wissenschaftlichen Subjekten das System von empirischen Elementen und empirischen Beziehungen eben nicht als Metaphern übersetzt, sondern in eine Sprache, bei der man einen durch Definitionen oder Axiome erzwungene interkulturellen ‘common sense’ voraussetzen kann, wie es für die wissenschaftsspezifische Fachsprache gilt und anzustreben ist, und in noch höherem Maße bei der Mathematik der Fall ist. Das Bemühen, diese Kriterien zu erfüllen ist in den der Qualitätswissenschaft zugeordneten Disziplinen gegeben (s. Abbildung 1.8).

1.3.4

Qualitätswissenschaft und qualitätsbezogene Normung

Im Kontext auf eine möglichst exakte Koordination von Erfahrung und Handeln interaktiv sich verständigender Individuen haben sich im Qualitätsmanagement im Bereich der Normung von Begriffen und Systemen besondere Institutionen gebildet, die zwar nicht das Ziel verfolgen der Qualitätswissenschaft eine von allen geteilte definitorische

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität ÏAbb. 1.13: Eingang des DIN e.V. in der Burggrafenstraße 6, Berlin. Die Bronzestatuen stellen Chris an Peter Wilhelm Beuth (links), den „Vater der preußischen Gewerbeförderung“ und den „Bildungsreformer“ Wilhelm von Humboldt (rechts) dar. – Der DINeigene Verlag wurde nach Beuth benannt (gegründet 1924). Bildquelle: Wissenscha liches Fotoarchiv HDZ 12-2010

Grundlagen zur Verfügung zu stellen, sondern unabhängig von wissenschaftlichen Interessen die intersubjektive Vereinbarung bestimmter Handlungsregeln durch Reduktion der konstituierten Wirklichkeit zu erzeugen. Damit kann – so wird angenommen – aktuelles und zukünftiges Handeln aus den so komprimierten Erfahrungsstrukturen abgeleitet werden. Gemeint ist jedoch nicht das Austauschhandeln innerhalb der Scientific Community von Qualitätswissenschaftlern, sondern das der Practical Community des Qualitätsmanagements. Diese Community als Zielgruppe der qualitätsbezogenen Normung setzt sich v.a. aus betrieblichen Praktikern, Praktikern in anderen Organisationen, Trainern, Beratern und Auditoren in Zertifizierungsorganisationen zusammen, die vielfach Mitglied in der DGQ (Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V.) sind. Unter den Mitgliedern finden sich aber auch Wissenschaftler, v.a. aus ingenieurwissenschaftlichen Bereichen, die für die DGQ vielfach ehrenamtliche Funktionen ausüben. Die qualitätsbezogene Normung wird jedoch nicht bei der DGQ, sondern beim DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.) auf der Grundlage von Normungsrichtlinien in Deutschland geleistet. Diese Normungsrichtlinien gelten in der Regel international (ISOInternational Organization for Standardization). Normung ist gemäß DIN EN 45020 wie folgt definiert: „Tätigkeit zur Erstellung von Festlegungen für die allgemeine und wie- Normung – Defini on derkehrende Anwendung, die auf aktuelle oder absehbare Probleme Bezug haben und die Erzielung eines optimalen Ordnungsgrades in einem gegebenen Zusammenhang anstreben.“

31

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

32

Ergänzend wird hierzu in der DIN EN 45020 angemerkt: „Wichtige Vorteile der Normung sind die Verbesserung der Eignung von Einheiten (z.B. Produkten einschließlich Dienstleistungen; Tätigkeiten, Personen) für ihren geplanten Zweck, die Vermeidung von Handelshemmnissen und die Erleichterung der Zusammenarbeit.“ Immer jedoch gilt, dass Normen Empfehlungen sind und keine Normen sind EmpfehGesetze. Die Folgen für die Nichtanwendung einer Norm können aber lungen

Zielsetzung von Normungsorganisaonen

dann gravierend sein, wenn sie in Gesetzen verankert wurden und man mit wirtschaftlichen Folgen zu rechnen hat (z.B. bei der Serienfertigung von Haushaltsgeräten entgegen den VDE-Bestimmungen). Die Ergebnisse qualitätsbezogener Normung sind für die Qualitätswissenschaft – darauf weist bereits Kamiske hin (s. Kap. 1.3.1) – von besonderer Bedeutung. An ihnen orientieren sich sowohl technische wie auch soziale Praxen, wie auch die Wissenschaft. Die meisten Normen des Qualitätsmanagements sind nicht nur vielbeachtet, sondern bilden die Grundlage der Kommunikation. Ein gut ausgebildeter Qualitätsfachmann fragt sich idealerweise – bevor er Stellung nimmt – ist der Begriff, den ich jetzt verwende ‘genormt’? In der Regel weiß er es, weil er sein Handeln an den aktuell gültigen Normen ausrichtet. Zur Tätigkeit der Normungsorganisationen heißt es an markanter Stelle (13): „Die Normungsorganisationen haben das Ziel, Normen mit hoher Qualität zeitgerecht den Anwendern zur Verfügung zu stellen. Der Vorgang der Normenerstellung soll allen interessierten Kreisen eine gerechte Mitwirkungsmöglichkeit bieten und in nachvollziehbarer Weise ablaufen. Die Forderungen an Normen schließen Korrektheit, Widerspruchsfreiheit und Eindeutigkeit ein, und zwar sowohl auf eine einzelne Norm als auch auf das gesamte Normenwerk bezogen. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, bedarf es ausgefeilter, praxisgerechter Regeln für den Aufbau und die Abläufe der Normungsorganisationen einschließlich ihrer Untergliederungen. Diese Regeln haben die Normungsorganisationen unter Berücksichtigung langjähriger Erfahrung erstellt und aktualisieren sie laufend.“ Wir haben es beim Qualitätsmanagement mit einer einzigartigen – nirgendwo vergleichbaren – Praxis zu tun: Die ausgebildete und trainierte Practical Community orientiert sich idealerweise explizit an definierten Begriffen und Konzepten, die heute (seit den neuen Normen der ISO 9000er-family [2000-12]) in Begriffsdiagrammen publiziert worden sind und das System der Qualitätsnormen transparent machen. Ein Beispiel zeigt die Abbildung 1.13 – Diese Aussage sollte wohl für das Qualitätsmanagement allgemein ihre Berechtigung

&JOIFJU

4ZTUFN "VT[VTBNNFOHFIzSJ HFOPEFS[VTBNNFO XJSLFOEFO&MFNFOUFO CFTUFIFOEF &JOIFJU

'PSEFSVOH

'jIJHLFJU

UZQJTDIFSXFJTF WPSBVTHFTFU[UF /PUXFOEJHLFJUPEFS &SXBSUVOH

&JHOVOHFJOFS &JOIFJU FJO1SPEVLU [VSFBMJTJFSFO EBT EJF'PSEFSVOHBOEJF TFT1SPEVLUFSGMMFO XJSE

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität 'FTUHFMFHUFPEFS &UXBT 8BISOFINCBSFT PEFS 7PSTUFMMCBSFT

,POGJHVSBUJPO (FHFOTFJUJHF "OPSEOVOHEFS&MF NFOUFFJOFT4ZTUFNT .BOBHFNFOUTZTUFN 4ZTUFN[VS 'FTUMFHVOHWPO 1PMJUJLVOE;JFMFO TPXJF[VS&SSFJDIVOH EJFTFS;JFMF

0CFSTUF-FJUVOH

#FTDIBGGFOIFJU

1FSTPOFOHSVQQFPEFS &JO[FMQFSTPO EJF FJOF0SHBOJTBUJPOBVG PCFSTUFS&CFOFGISU VOECFSXBDIU

(FTBNUIFJUEFS .FSLNBMFVOE .FSLNBMTXFSUF EJF [VS&JOIFJUTFMCTU HFIzSFO

.BOBHFNFOU ,PPSEJOJFSUF 5jUJHLFJUFO[VS 'FTUMFHVOHWPO 1PMJUJLVOE;JFMFO TPXJF[VS&SSFJDIVOH EJFTFS;JFMF

2.4ZTUFN 2VBMJUjUTCF[PHFOFT .BOBHFNFOUTZTUFN

2VBMJUjU

2VBMJUjUTCF[PHFO %JF&SGMMVOH WPO 2VBMJUjUTGPSEFSVOHFO CFUSFGGFOE

.BOBHFNFOU CF[HMJDI 2VBMJUjUTGPSEFSVOH

&OUXJDLMVOH

1SP[FTT[VS 'FTUMFHVOHEFS #FTDIBGGFOIFJUFJOFS &JOIFJU

&SHFCOJTEFS &OUXJDLMVOH

'FTUHFMFHUF /PUXFOEJHLFJU PEFSGFTUHFMFHUF &SXBSUVOH

3FBMJTJFSUF #FTDIBGGFOIFJUFJOFS &JOIFJUCF[HMJDI 2VBMJUjUTGPSEFSVOH

2VBMJUjUT NBOBHFNFOU

&OUXJDLMVOH

'FTUHFMFHUF 'PSEFSVOH

"OTQSVDITLMBTTF

2VBMJUjUTGPSEFSVOH

2VBMJUjUTGjIJHLFJU

3BOHJOEJLBUPSGS VOUFSTDIJFEMJDIF 2VBMJUjUTGPSEFSVOHFO BO&JOIFJUFOGS EJFTFMCFGVOLUJPOBMF "OXFOEVOH

(FTBNUIFJUEFS &JO[FMGPSEFSVOHFOBO EJF#FTDIBGGFOIFJU FJOFS&JOIFJU

2VBMJUjUTCF[PHFOF 'jIJHLFJU

6NGBTTFOEFT2VB MJUjUTNBOBHFNFOU 2VBMJUjUTNBOBHF NFOU EBTEJF HFTBNUF0SHBOJTB UJPOVNGBTTU 52.

2VBMJUjUTQPMJUJL

2VBMJUjUT[JFM

6NGBTTFOEFRVB MJUjUTCF[PHFOF "CTJDIUFOVOE "OXFJTVOHFOFJOFS 0SHBOJTBUJPO XJFTJF EVSDIEJFPCFSTUF -FJUVOHGPSNFMMBVT HFESDLU XFSEFO

&UXBT RVBMJUjUTCF[PHFO "OHFTUSFCUFTPEFS[V &SSFJDIFOEFT

2VBMJUjUTQMBOVOH

2VBMJUjUTMFOLVOH

2.%BSMFHVOH

5FJMEFT2. HFSJDI UFUBVGEJF'FTU MFHVOHVOE&SLMjSVOH EFS2VBMJUjUTQPMJUJL  EFS2VBMJUjUT[JFMF VOEEFS2VBMJUjUTGPS EFSVOHFOTPXJFBVG EJF4QF[JGJ[JFSVOH  XJFEJFTF[VFSSFJ DIFOC[X[VFSGMMFO TJOE

5FJMEFT2.  HFSJDIUFUBVGEJF &SGMMVOHEFS 2VBMJUjUTGPSEFSVOHFO

5FJMEFT2. HFSJDI UFUBVGEJF4DIBGGVOH WPO7FSUSBVFO EB‡SFMFWBOUF 2VBMJUjUTGPSEFSVOHFO FSGMMUTFJOXFSEFO

2VBMJUjUT WFSCFTTFSVOH 5FJMEFT2.  HFSJDIUFUBVGEJF 4UFJHFSVOHWPO &GGFLUJWJUjUVOE &GGJ[JFO[

 2VBMJUjUTQMBOVOHJTUBMTPEJF&OUXJDLMVOHEFS 2VBMJUjUTGPSEFSVOHFOBO5jUJHLFJUFOVOE&SHFCOJTTFBVGBMMFO &CFOFOEFS0SHBOJTBUJPO

2VBMJUjUTQSGVOH 5FJMEFT2VBMJUjUT NBOBHFNFOUT  HFSJDIUFUBVGEJF 'FTUTUFMMVOH JOXJF XFJUFJOF&JOIFJUEJF BOTJFHFSJDIUFUF 2VBMJUjUTGPSEFSVOH FSGMMU

-FHFOEF

)JFSBSDIJTDIF #FHSJGGTCF[JFIVOHFO

1BSUJUJWF #FHSJGGTCF[JFIVOHFO

"TTP[JBUJWF #FHSJGGTCF[JFIVOHFO

ÁAbb. 1.13: Begriffsdiagramm zur ISO 9000:2000-family (Quelle: [14])

33

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

34

haben, denn die in der neuen Begriffsnorm DIN EN ISO 9000:200012 aufgenommenen Terms sind nicht eingegrenzt auf die neue Darlegungsnorm DIN EN ISO 9001, sondern auch bezogen auf die schon als TQM-Norm bezeichnete DIN EN ISO 9004, mit der man Business Excellence-Niveau erreichen kann (15). Resümee: Konsequenzen für die Qualitätswissenschaft aus wissenschaftstheoretischer Sicht: Alles, was bisher analysiert wurde, läßt sich als Grundgerüst für eine zu entwerfende Qualitätswissenschaft in wissenschaftstheoretischer Absicht verstehen. Die Qualitätswissenschaft tut gut daran, hieran angelehnt einen Gegenstands- und Aufgabenkatalog zu entwickeln.

1.3.5

ÁKuhn, Thomas S. (1922*-1996†)

Die Paradigma-Theorie von Th. S. Kuhn und ihre Bedeutung für die Qualitätswissenschaft

Seit Thomas S. (Samuel) Kuhn ([16] amer. Erstausgabe 1962) kennt man das Stichwort ‘Historisierung der Wissenschaftstheorie’. Kuhn definiert Paradigmata als Modelle, aus denen bestimmte festgefügte Traditionen wissenschaftlicher Forschung erwachsen. Ein Paradigma gibt einen Rahmen aus Hypothesen und Axiomen vor, in dem die Normale Wissenschaft arbeiten kann. Begriffe werden erklärt, wesentliche Zusammenhänge spezifiziert: Das Paradigma ist eine ‘Bodenkarte’ des wissenschaftlichen Terrains, das durch ein anderes Paradigma erforscht werden soll, das eine neue Gebietskarte bereithält – und zwar nicht nur eine neue Karte, sondern auch neue Richtlinien zur Erstellung solcher Karten. Kuhn bemerkt [17]: „Wenn der Wissenschaftler ein Paradigma erlernt, erwirbt er sich Theorie, Methoden und Normen, gewöhnlich in einer unentwirrbaren Mischung. Wenn Paradigmata wechseln, gibt es deshalb normalerweise bezeichnende Verschiebungen der Kriterien, welche die Gültigkeit von Problemen und den sich anbietenden Lösungen bestimmen.“ Konkurrierende Paradigmata (s. Informationsbox [Abb. 1.14]) sind in manchen Punkten einfach unvereinbar und die Differenzen zwischen ihnen lassen sich auch durch eine wissenschaftliche Beweisführung oder Argumentation nicht völlig ausräumen.

Aspekte wissenscha licher Disziplinen

Disziplin

Aspekt

Ingenieurwissenschaften

technisch

Sozialwissenschaften

human

Wirtschaftswissenschaften

ökonomisch

Umweltwissenschaften

ökologisch

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität Entsprechend Kuhns Theorie entwickeln sich wissenschaftliche Diziplinen in einer Abwechslung von zwei Phasen, einer normalwissenschaftlichen und einer revolutionären Phase. In der normalwissenschaftlichen Phase arbeiten die Mitglieder einer wissenschaftlichen Gemeinschaft, also die Vertreter einer bestimmten Forschungs- oder Fachrichtung, auf der Grundlage eines allseits akzeptierten, und im wesentlichen unhinterfragten, Paradigmas. Ein solches Paradigma enthält nicht nur die Kernaussagen der jeweils vetretenen Theorien, sondern auch methodologische Normen und Werteinstellungen, ja es bestimmt sogar, jedenfalls in der ‘radikalen’ Lesart Kuhns, die Beobachtungsdaten. Nur die gemeinsame Akzeptanz eines Paradigmas ermöglicht in der normalwissenschaftlichen Phase kontinuierlichen Wissensfortschritt. Falls gewisse Daten, sogenannte Anomalien, einer kohärenten Erklärung durch das Paradigma widerstehen, werden solche Konflikte durch mehr oder minder ad hoc vorgenommene Modifikation des Paradigmas bereinigt. Häufen sich jedoch solche Anomalien, so beginnen jüngere Gelehrte nach einem neuen Paradigma zu suchen. Sobald ein solches gefunden ist, tritt die Wissenschaftsentwicklung für eine gewisse Zeit in eine revolutionäre Phase ein, in der zwei Paradigmen um die Vorrherrschaft kämpfen. Mit einem Wechsel des Paradigmas sind jedoch, gemäß der ‘radikalen’ Lesart Kuhns, alle gemeinsamen Rationalitätsstandards weggefallen, alle bisherigen Erfahrungsdaten werden neu interpretiert – die beiden Paradigmen sind, gemäß Kuhns bekannter Inkommensurabilitätsthese, rational unvergleichbar, inkommensurabel. Typische Beispiele als Beleg für diese Theorie sind etwa der Übergang von der ptolemäischen zur kopernikanischen Astronomie, oder von der Newtonschen zur Einsteinschen Physik.

Die Qualitätswissenschaft ist als präparadigmatische Disziplin zu bezeichnen: Sie ist keine eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Sie wartet immer noch auf ihren Kopernikus und ihren Newton. Die Ansätze oder Perspektiven, die sie in diesem Stadium konstitutieren, sind im Sinne der Kuhn’schen Terminologie bestenfalls ‘primitive‘ PräParadigmata, die u.a. auf Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Disziplinen, wie Ingenieur- und Organisationswissenschaften gründen. Begründung und systematische Beschäftigung erfolgte seit Mitte der 1980er Jahre durch die Ingenieurwissenschaften. Sie sind auch heute noch die Teildisziplin, die die Entwicklung der Qualitätswissenschaft am stärksten geprägt und vorangetrieben haben. Die Qualitätswissenschaft läßt sich somit als interdisziplinäre präparadigmatische Disziplin begreifen, als Querschnittsdisziplin der genannten vier. Die Informationsbox (Abbildung 1.15) zeigt die vier Komponenten des Paradigmabegriffs, wie sie sich in der Post-Kuhnschen Diskussion herausgebildet haben. Die bisher herausgearbeiteten Ergebnisse legen nahe, dass alle vier Komponenten noch nicht von der Qualitätswissenschaft erfüllt werden können: Weder verfügt sie über einen Theoriekern, noch sind auf der empirischen Ebene erfolgreiche und allgemein anerkannte Erklärungsleistungen des Theoriekerns nachweisbar. Auch die methodologische Komponente ist defizitär und auf der Ebene der pragmatischen

ÏAbb. 1.14: Die Paradigma-Theorie von Thomas S. Kuhn – Grundzüge (18) Der Begriff Paradigma unterstreicht den poli schen Charakter der Wissenscha im Unterschied zur herkömmlichen Auffassung, die etwas Absolutes in ihr sah. Bezeichnend ist die Verwendung des Begriffs Revoluon (revolu onäre Phase), der von den Wissenscha en für die Umlau ewegungen der Planeten um die Sonne geprägt und später auf die Poli k angewandt wurde (im Sinne eines gesellscha lichen Umbruchs). Die Qualitätswissenscha befindet sich im präparadigma schen Zustand

35

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

36 ÅAbb. 1.15: Die vier Komponenten des Paradigmabegriffs

Theoretische Komponente

Sie enthält einen Theoriekern mit Gesetzeshypothesen und Modellvorstellungen.

Empirische Komponente

Sie besteht aus Musterbeispielen von erfolgreichen und allgemein anerkannten Erklärungsleistungen durch gewisse Ausprägungen des Theoriekerns. Es handelt sich um den exemplarischen Anwendungsbereich des Paradigmas.

Methodologische Komponente

Sie besteht aus methodischen, epistemologischen und normativen Elementen.

Pragmatische Komponente

Sie besteht in einem Forschungsprogramm. Die pragmatische Komponente wird aus der zweiten Komponente gewonnen. Komponente ist ein ausgewiesenes theoriegeleitetes Forschungsprogramm noch nicht erkennbar. Der vorparadigmatische Status der Qualitätswissenschaft: Angesichts der an der Paradigma-Theorie von Kuhn orientierten Annahme, daß sich die Qualitätswissenschaft im vorparadigmatischen Stadium befinde, stellt sich die Frage, wie sich der Status der Qualitätswissenschaft zutreffend beschreiben lässt. Fragt man Qualitätswissenschaftler, an welcher Schule sie sich orientieren, erhält man sicherlich keine konkret verwertbare Antworten. Man wird vielmehr feststellen, dass es keine Schulen innerhalb der Qualitätswissenschaft gibt, nach der man sein wissenschaftliches Tun ausrichten könnte. Wohl wird man Forschungsprojekte genannt bekommen, die als qualitätswissenschaftlich orientiert bezeichnet werden können, die jedoch nicht auf eine Schule verweisen, sondern sich an den Disziplinen orientieren, die die Qualitätswissenschaft bestimmen. Hier kann jedoch nicht von Schulenbildung innerhalb der Teildisziplin gesprochen werden, sondern davon, daß die spezifischen Ansätze und Methoden der jeweiligen Disziplin bezogen auf das Forschungsproblem zur Anwendung kommen. Bei der Frage nach dem Selbstverständnis der Disziplin steht der zentrale Begriff Qualitätsmanagement im Mittelpunkt. Die Bemühungen ihn und das Begriffssystem des Qualitätsmanagements zu begründen und zu definieren, erfolgen nicht üblicherweise – wie schon Kuhn für die Naturwissenschaften darlegt – innerhalb einer Scientific Community von Qualitätswissenschaftlern, sondern in internationa-

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

ler Gremienarbeit (Normungsverfahren), die nicht von wissenschaftlichen Kriterien geleitet wird. Auch wenn in diesem Prozess der eine oder andere Qualitätswissenschaftler involviert sein könnte, handelt es sich keineswegs um Gruppen von Wissenschaftlern, die ihren Gegenstand diskutieren und versuchen ihn im Hinblick auf die vorher genannten vier Komponenten zu konstituieren. Wir erkennen aus den bisherigen Ergebnissen: Im Sinne der Kuhnschen Paradigmatheorie ist es nicht gerechtfertigt den Begriff Qualitätswissenschaft zu verwenden. Es handelt sich um eine im Entstehen begriffene wissenschaftliche Gegenstandsorientierung, die einen eigenen Wissenschaftsstatus anstrebt, ihn aber offenbar noch nicht erlangt hat. Es macht somit Sinn von einer „Qualitätslehre“ zu sprechen. Der Zusammenhang des bisher gesagten und der gewonnen Erkenntnis wird in Abbildung 1.16 dargestellt.

Vorparadigmatische Phase

Qualitätslehre

Entstehung eines neuen Paradigmas

Qualitätswissenschaft

noch nicht erreicht!

?

„Normale Wissenschaft“

Wissenschaftliche Revolution

Häufung von Anomalien

Krise der „Normalen Wissenschaft“ „Multi pertransibunt et augebitur scientia.“ „Viele werden hindurchgehen, und das Wissen wird vermehrt werden.“ (Buch Daniel)

Erkenntnis: Vorparadigma scher Zustand der Qualitätswissenscha , die man in diesem Stadium „Qualitätslehre“ nennen sollte.

ÏAbb. 1.16: Die Phasenstruktur wissenscha licher Revolu onen und die Qualitätslehre als vorparadigmasche Phase, die den Sprung zur „Entstehung eines neuen Paradigmas“ noch nicht erreicht hat Qualitätswissenscha tri uns als Lehre, Forschung und regelgeleitete Praxis entgegen, nicht als wissenscha liche Disziplin!

„Es gibt kein Scheitern“. sagte er leise, „es gibt nur ein Fortschreiten … Wir sind immer auf dem Weg, hinter die Dinge zu kommen.“ (Botho Strauß: Der junge Mann)

37

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

38

1.3.6

Qualitätswissenscha en sind Wissenscha en, die qualitätsrelevante Fragestellungen entsprechend ihrer je eigenen theore schen und methodischen Ausrichtung bearbeiten. ÅAbb. 1.17: „Qualitätswissenscha en“ (= Mutterwissenscha en), die innerhalb ihrer angestammter Disziplinen Forschungen betreiben und sich idealiter auf Basis der allgemeinen Qualitätslehre entwickeln können

Nicht Qualitätswissenschaft, sondern Qualitätswissenschaften!

Begreift man den Prozess der Verwissenschaftlichung so, wie er konkret verläuft, lässt sich erkennen, daß bestimmte Problem- und Fragestellungen in ihrer Marginalität von etablierten Disziplinen nicht oder nur unzureichend bearbeitet werden. Ihnen wird aber irgendwann eine allgemeine gesellschaftliche Relevanz zugesprochen, durch die ihnen legitimerweise eine Eigenständigkeit zukommt. Dieser Prozess kann vorwärts- (aus Problemkonstellationen heraus zum disziplinären Status) und rückwärtsgerichtet (vom disziplinären Status zum Verlust dessen bis zum Auffangbecken für übergeordnete Fragestellungen) verlaufen. Als Musterbeispiel für den zweiten Fall trifft das heute vielfach für die Philosophie zu. Die Arbeitswissenschaften und Organisationswissenschaften u.a. sind gegenwärtig dabei, diesen Prozess vorwärtsgerichtet zu durchlaufen. Und nur so lässt sich gegenwärtig für die Qualitätswissenschaften (Abbildung 1.17) und nicht für eine oder die Qualitätswissenschaft ein Differenzierungsprozess erkennen, bei dem jeweils einzeln unabhängige Disziplinen bestimmte qualitätsrelevante Fragestellungen aufgreifen und diese auf der Basis ihres theoretischen und methodischen Fundus betrachten und autonom aus ihrer Disziplinsicht heraus bearbeiten. Den Schwerpunkt für die Qualitätswissenschaften erbringen gegenwärtig offensichtlich v.a. ingenieurwissenschaftliche Fragestel-

Qualitätswissenschaften

(idaliter auf der Basis der allgemeinen Qualitätslehre)

Ingenieurwissenschaften

Wirtschaftswissenschaften

Informatik

Arbeitswissenschaften

Sozialwissenschaften Umweltwissenschaft …

Rechtswissenschaft

Forschung

Sonstige Wissenschaften

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

lungen, die sich aus Problemen ergeben, die vom Qualitätsmanagement, also aus speziellen und allgemeinen wirtschaftlichen Zusammenhängen heraus relevant erschlossen werden. Das erklärt ja auch, warum das Thema Qualität bis heute vorwiegend ein ingenieurwissenschaftliches geworden ist und zwar langsam, aber stetig aus dem Blickwinkel anderer Bereiche und Organisationsformen auf Interesse stößt [19].

1.3.7

Zur Rekonstruktion der Qualitätswissenschaft

Es ist wichtig festzuhalten, dass der Versuch, Qualitätswissenschaft zu rekonstruieren schwerpunktmässig über die aus der Sicht der Ingenieure national und international vorgelegten Problemstellungen und Praxen zur Qualitätswissenschaft zu erfolgen hat. Das in 1.3.6 skizzierte Schema (Nicht Qualitätswissenschaft, sondern Qualitätswissenschaften) drückt also keine Gleichwertigkeit der zur Zeit beteiligten und erkennbaren Disziplinen aus. Eine andere sich daraus ergebende Frage ist die, ob sich nicht dadurch eine gravierende thematische Verkürzung der Reflexion ergeben wird, die dem Gegenstand Qualität nicht gerecht wird. Dieser These ist uneingeschränkt zuzustimmen, konnte doch durch die hier vorgelegten philosophischerkenntnistheoretischen Betrachtungen die Komplexität des Forschungsfeldes gezeigt werden. Insofern ist der Rückgriff auf die ingenieurwissenschaftliche Praxis als ein erster Schritt zur Rekonstruktion der Qualitätswissenschaft zu verstehen. Erforderlich ist die Rekonstruktion der Qualitätswissenschaft, um eine fundierte Einordnung in das Wissenschaftssystem zu erreichen. Diese Rekonstruktion hat auf zwei Ebenen zu erfolgen, auf der strukturellen Ebene des Wissens und auf der sozialen Ebene der handelnden Subjekte. Zur Rekonstruktion allgemein und wissenschaftlicher Praxis im Besonderen hat der sog. Methodische Kulturalismus Bemerkenswertes vorgelegt [20]. Diese Richtung der neueren Philosophie grenzt sich von naturalistischen Positionen in den Wissenschaften und der Philosophie explizit ab (Hartmann/Janich 1996a, 16ff ). Grundlegend geht es dem Methodischen Kulturalismus um die Einsicht, dass auch die Naturwissenschaften wie jede andere Wissenschaft und selbstverständlich wie die alltägliche Lebenswelt als gesellschaftliche Praxe Bestandteil unserer Kultur sind und in ihren Geltungsansprüchen Zum Naturalismus „Der Naturalismus behauptet, dass alles Geschehen, einschliesslich menschlichen Handelns, ein Naturgeschehen sei, d.h. durch naturwissenscha liche Theorien mit Hilfe von Verlaufsgesetzen (‘Naturgesetzen’) zu beschreiben und zu erklären ist. … Der Naturalismus tri gewöhnlich im Verbund mit anderen Posi onen auf, insbesondere mit dem Realismus, also der These, dass der erkennende Mensch einer unabhängig von ihm exis erenden und vorstrukturierten Welt gegenübersteht.“ [Hartmann 1998, 4]

„Der Aneignung der Welt durch den Menschen folgt die Aneignung des Menschen durch die angeeignete Welt.“ [J. Mi elstraß 1992]

„Eines der Grundpostulate des methodischen Kulturalismus ist, dass die Rekonstruk on der Fachsprache, sei es einer Formal- einer Natur- oder einer Kulturwissenscha , bei der jeweiligen lebensweltlichen Basis der jeweiligen Wissenscha ihren methodischen Anfang zu suchen hat.“ [21]

39

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

40 „Für den Methodischen Kulturalismus ist Wirklichkeit kommunika v und praxisbezogen und damit kulturell kons tuiert.“ [Hartmann 1998, 6] „Während die ausserwissenscha lichen Praxen von den Wissenscha en gestützt werden, ist die Stützung der Wissenscha en selbst Aufgabe der Wissenscha sphilosophie.“ [Hartmann 1998, 13]

kulturimmanenten Rationalitätsnormen unterworfen sind. In der Wissenschaftstheorie kann es folglich keine methodologische Gleichschaltung aller Wissenschaften nach dem Vorbild der Physik geben. Die durch Unterschiede in den erkenntnisleitenden Interessen begründeten methodologischen Unterschiede von Wissenschaften sind anzuerkennen [Hartmann/Janich 1998a, 21]. Die lebensweltliche Basis einer Wissenschaft ist zu bestimmen bzw. zu rekonstruieren. Hierzu sind Kriterien zu entwickeln, die an den jeweiligen Praxen ansetzen. Wissenschaft selbst ist eine Praxe, die andere Praxen stützt und selbst von anderen Praxen gestützt wird. Auf die Qualitätswissenschaft bezogen heisst das: die Praxis des Qualitätsmanagements in den Organisationen und in den Fachmedien stützt die Qualitätswissenschaft genauso wie die ehrenamtliche Tätigkeit von Mitgliedern der DGQ (Deutsche Gesellschaft für Qualität) außerhalb der Organisationen, in denen sie beschäftigt sind. „Das Auszeichnen einer lebensweltlichen Basis für diese Wissenschaft bedeutet also definitionsgemäß, die Auswahl derjenigen Praxen aus der gemeinsamen Lebenswelt (des übergeordneten Konsens-Kol-

Die naturalis sche Posi on „Das Welt- und Geschichtsbild des Naturalisten ist in einfacher Weise geknüpft. Alles war schon vor Erscheinen des Menschen da, seine Leistung besteht im Auffinden des für ihn Nützlichen, sein Scheitern im Nichterkennen des Schädlichen bzw. im Ignorieren der ihm von der Natur gesetzten Grenzen. Dass dieses nicht nur in der Chemie, sondern im ganzen Bereich der sogenannten Naturwissenschaften verbreitete Bild eine metaphysische Fata Morgana ist … Der Naturalist behauptet also nicht nur, dass alles Wissen und alle kulturelle Tätigkeit natürlichen Ursprungs sind, er meint auch, naturwissenschaftliche Betätigung im Sinne der systematischen und mehr oder weniger institutionell verankerten Bemühung zur Entdeckung empirischen Wissens über die Natur sei ebenfalls in allen Kulturstufen und -epochen anzutreffen, selbstverständlich in einer dem Niveau der jeweiligen Kultur angepassten Form. So wie sich die Maler und Dichter des ausgehenden Mittelalters die Antike als blosse Rückprojektion ihrer Zeit vorgestellt haben und in ihrer Darstellung historischer Ereignisse alte Griechen und Römer in Panzerrüstungen mit wappengeschmückten Schildern auftreten liessen, so sehen die naturalistisch gesinnten Naturwissenschaftler der Neuzeit in Demokrit, Epikur und Lukrez die Vordenker ihrer atomistischen Theorien. … Aber ist der lange Vortrag, den der Sophist Timaios im Kreis der Freunde und Schüler des enfant terrible Athens jener Zeiten, Sokrates – welchem auch Nikolaos in seiner Jugend angehörte –, über die Entstehung der Welt, die Götter, die Beschaffenheit der Körper und das Entstehen und Vergehen der Lebewesen hält, ein naturwissenschaftlicher Vortrag im heutigen Sinne? Betrachten unser athenischer Bürger und seine Zeitgenossen die ihnen noch zugänglichen Schriften eines Demokrit aus Abdera als eine konkurrierende naturwissenschaftliche Theorie, zu deren Überprüfung ein Experiment angesezt werden soll? Auch der eingefleischteste Naturalist wird diese Frage verneinen.““ [PSARROS 1996, 229f]

1.3 Qualitätswissenschaft – Die Wissenschaft von der Qualität

lektivs) vorzunehmen, die in manchen Aspekten (Gegenstände, Begriffe, Methoden, Werkzeuge usw.) mit der gegebenen Wissenschaft in Wechselwirkung treten.“ [Psarros 1998, 351] Diese Aspekte können weder räumlich noch zeitlich scharf abgegrenzt werden. Die lebensweltliche Basis einer Wissenschaft ist nicht auf das Hier und Jetzt ihres Konsens-Kollektivs beschränkt. Verwandte Praxen entfernter Regionen und Kulturkreise und vergangener Zeiten sind ebenso einbegriffen wie die Offenheit zu künftigen Praxen [Psarros 1998, 351]. Auf die Qualitätswissenschaft bezogen heisst das: Die sog. Vordenker des Qualitätsmanagements (Kap. 1.4 und 2), die teilweise in entfernten Kulturkreisen gewirkt haben, dürfen in Ihren Einflüssen ebensowenig vernachlässigt werden, wie die zukünftigen Modelle des Qualitätsmanagements, die noch in den Planungsschubladen der Promotoren liegen. Folgen wir dem Gedanken einer Proto-Qualitätswissenschaft – das wäre die Wissenschaftstheorie der Qualitätswissenschaft –, dann lassen sich in Anlehnung an Hartmann (1998,19) die folgenden Grundlagenfragen zur Rekonstruktion der Qualitätswissenschaft stellen: Grundlagenfragen

a) Welche erkenntnisleitenden Interessen (I) liegen der Qualitäts- zur Rekonstruk on wissenschaft (Q) zugrunde? der Qualitätswissenb) Welche Gliederung von Q in Unterdisziplinen Qu lässt sich über scha (Q) die gefundenen I begründen? c) Welche Forschungsmethoden lassen sich über I für die einzelnen Q‘s rechtfertigen? d) 1. Welche systematische Stellung kommt Q im Gesamtkorpus der Wissenschaften zu? 2. Wie ist insbesondere das systematische Verhältnis Q’s zu ihren Nachbardisziplinen zu beschreiben? e) 1. Wie ist eine adäquate rationale Rekonstruktion der Grundbegriffe Q’s zu leisten? 2. Wie hat eine entsprechende Rekonstruktion der Theorien Q’s auszusehen? Diese Grundlagenfragen sind von jeder Proto-Wissenschaft erst einmal auszuformulieren und dann zu beantworten. Für die Qualitätswissenschaft mit ihren vielfältigen Praxen innerhalb ihres KonsensKollektivs dem Qualitätsmanagement sollten Antworten auf diese Fragen jedenfalls ansatzweise möglich sein. Wir verlassen an dieser Stelle das Gebiet der Wissenschaft und betreten die Praxen, die sich in Beziehung zur Qualitätswissenschaft befinden und gesetzt werden. Die in 1.3 aufgeworfenen Problemkreise können im Zusammenhang mit diesem Grundlagenwerk derzeit nicht weiterverfolgt werden.

41

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

42

1.4

„Die Frage, ob eine Retrospek ve über das Verständnis, die Bedeutung und Handhabung von Qualität im menschlichen Entwicklungsprozess als eine Geschichte des ‘Qualitätsmanagements’, eine Geschichte der ‘Qualitätssicherung’ oder z.B. der ‘Qualitätskonzep onen’ bezeichnet werden sollte, ist eine Frage des wissenscha shistorischen Standpunktes sowie der Methodik der Geschichtsschreibung.“ [Ke ng 1999, 17]

Aspekte zu einer kleinen Geschichte des Qualitätsmanagements

Nach dem, was bisher expliziert wurde, muss davon ausgegangen werden, dass wir nicht von einer Qualitätswissenschaft sprechen können. Sehr wohl befassen sich aber grundständige Disziplinen (vor allem die Ingenieurwissenschaften) mit qualitätswissenschaftlichen Fragestellungen. Folgt man den in Kap. 1.3 durchgeführten Analysen, ist Qualitätswissenschaft wohl im Augenblick als ein Projekt zu verstehen, das der Beachtung bedarf. Was dagegen mit Sicherheit bestimmt werden kann, ist die die Qualitätswissenschaft stützende Praxe des Qualitätsmanagements. Diese soll auf der Basis eines kurzen historischen Abrisses und dann ausführlicher anhand ihrer Vorläufer, Vordenker und Pioniere in Abschnitt 2 rekonstruiert werden. In letzter Zeit ist ein zunehmendes Interesse an historischen Betrachtungen zur Entwicklung des Qualitätsmanagements festzustellen. Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (dgq) bemüht sich darum, Mitglieder für eine Arbeitsgruppe Geschichte des Qualitätsmanagements zu gewinnen. Auch ist in deren im Jahre 2002 erscheinenden Festschrift zum 50-jährigen Bestehen ein Artikel der Geschichte des Qualitätsbegriffs gewidmet. Des weiteren ist in der vierten Auflage des von W. Masing editierten Handbuchs Qualitätsmanagement der Handbuchartikel von M. Ketting völlig neu verfasst worden und auch im Lexikon Qualitätsmanagement fehlt es nicht an einem längeren Beitrag zu diesem Thema. Nach wie vor führt jedoch für den tiefer Interessierten kein Weg an Juran’s History of Managing for Quality vorbei (22). Interessant für zeitgeschichtliche Zusammenhänge zur Entstehung der DIN EN ISO 9000er Normenreihe ist in jedem Fall die von Peter Walgenbach vorgelegte Studie, in der als Analyserahmen die institutionalistische Organisationstheorie bemüht wird (Walgenbach 2000). Es gibt in der o.g. Literatur Versuche auf der Grundlage verschiedener Arten der Geschichtsschreibung (z.B. Handwerksgeschichte, Technikgeschichte, Geschichte der Industrialisierung, ja sogar der Menschheitsgeschichte) Anknüpfungspunkte und Interpretationsli-

Wissenscha en sind Praxen „Seit es Praxen gibt, hat es immer auch Versuche gegeben, diese hinsichtlich der Durchsetzung ihrer praxisleitenden Interessen zu verbessern. Um eine solche Verbesserung herbeizuführen, mussten für die Praxen neue, effizientere Handlungsregeln begründet werden. Das Interesse, auf diese Weise bes mmte Praxen zu verbessern, führte dabei schließlich zur Etablierung ganz neuer Praxen, den Wissenscha en nämlich. Nach kulturalis scher Auffassung dient Wissenscha nicht - wie der Realismus meint - der sprachlichen Abbildung der Welt, der Anfer gung eines ‘Weltbildes’. Auch erschöpfen sich Wissenscha en nicht in ihren Theorien. Sie sind weder bloße Satzsysteme noch Prädikate oder ‘n-Tupel’. Wissenscha en sind Praxen. Spezifisch für die Auszeichnung einer Praxis als ‘Wissenscha ’ ist, dass ihr praxisleitendes Interesse … in der theore schen Stützung anderer Praxen besteht. ‘Theore sche Stützung’ meint, dass die Handlungsregeln, die in einer Praxis zur Durchsetzung des praxisleitenden Interesses vorgesehen sind, unter Zuhilfenahme von Theorien begründet, aber auch kri siert und modifiziert werden.“ (Hartmann 1998, 10)

1.4 Aspekte zu einer kleinen Geschichte des Qualitätsmanagements

nien für eine Geschichte des Qualitätsmanagements auszumachen. Sieht man von den interessanten Entwicklungen eines wie auch immer zu definierenden ‘Qualitätsmanagements’ von der Steinzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ab (bereits Hammurapi [1792*1750†] und Hippokrates [460*-370†] haben qualitätsbezogen gedacht, und sowohl in der Antike wie im Mittelalter gab es ein prozessinhärentes Qualitätsdenken; s. Ketting 1999, 19, 20, 24]), so lässt sich von einer „zunehmenden Beherrschung der Qualität“ (ebenda, 24) erst dann sprechen, als damit begonnen wurde, „Fehler zu klassifizieren und statistisch auszuwerten“ (ebenda, 26). Es macht Sinn, zunächst einmal diesen Bezugspunkt aus der Perspektive der Qualitätstechniken zu wählen, weil die mit Hilfe der Statistik systematisch betriebene Fehlerbeherrschung erst durch die Zurverfügungstellung und Anwendung statistischer Methoden möglich war. Ohne die voraussetzenden Entwicklungen in der mathematischen Statistik ausbreiten zu können (Lerner 1994, 26ff ), die vor allem durch Poisson (1781*-1840†), Quetelet (1796*-1874†), de Moivre (1667*-1754†) und Gauss (1777*-1855†) eingeleitet wurden, ist hier die historische Schlüsselfigur der die Industriestatistik begründende Amerikaner W. (Walter) A. (Andrew) Shewhart zu nennen (Lerner 1994, 26): „Die von Shewhart 1924 entwickelte ‘Control Chart’ und seine Erfolge damit bei der Western Electric Co., die zu einer Verringerung des Prüfpersonals von zuvor 5000 auf 2000 Personen führten, ließen die Fachwelt aufhorchen.“ Diese Datierung ist um eine produktionstechnische und folgenschwere Sichtweise zu ergänzen, die sich mit den Namen Ford und Taylor verbindet. Henry Ford [1863*-1947†] hat – nachdem bereits 1869 im Großschlachthaus von Chicago eingeführt – 1911 die Fließfertigung (Fließbandsystem) in die beginnende Automobilindustrie eingeführt. Das System der Fließbandfertigung hat nicht nur zur Produktivitätssteigerung geführt, sondern auch den Kontrollaufwand reduziert, der durch Personal ausgeführt wurde. Dieser Kontrollaufwand war im System von Frederick Winslow Taylor [1841*-1925†] erforderlich. Taylor ging es darum, durch das von ihm entwickelte System (Scientific Management) einerseits alle Möglichkeiten der Massenproduktion auszuschöpfen (Optimierung der Produktionsmittel) und andererseits den Produktionsprozess konsequent in allen Einzelheiten neu zu durchdenken (Lerner 1994, 25): „Er zerlegte den Fabrikationsvorgang in viele Einzelabschnitte und wählte dafür die besten Methoden und die geeignetsten Arbeitskräfte aus; die Überwachung wurde auf ‘Funktionsmeister’ verlagert, die jeweils nur für begrenzte Aufgaben die Verantwortung der Kontrolle übernehmen mußten. Dafür ließ er durch Arbeits- und

Fehlerbeherrschung

Shewhart entwickelte bereits 1924 die Control Chart, die heute als Standardtechnik des QM gilt. Taylors Ansatz zur Arbeitsteilung (Scien fic Management) wurde einer der folgenreichsten Ansätze der Managementlehre. Er beeinflusste auch das Qualitätsmanagement. Der von ihm geschaffene Funk onsmeister sollte jedoch keineswegs Vorbild im QM sein. Das würde dazu führen, dass das Qualitätsproblem auf eine bes mmte Führungsruppe verlagert würde.

43

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

44

Charles Babbage, Computerpionier und Theore ker der Arbeitsteilung

Ford, Taylor und Shewhart prägten die Entwicklung des Qualitätsmanagements entscheidend

Zeitstudien die Bedingungen ermitteln. Eine straffe Organisation mit genau festgelegten Zeitvorgaben sowie die klare Trennung von planenden und ausführenden Aufgaben im Bereich der Betriebsleitung sorgten für einen bis in alle Einzelheiten durchdachten Produktionsprozess.“ Taylor erzielte 1898 bis 1901 bei der Bethlehem Steel Company eine 200- bis 300%ige Steigerung der Produktivität in den einzelnen Abteilungen des Unternehmens (Lerner 1994, 25). Vor Taylor hatte bereits Charles Babbage theoretische und praktische Studien zur Arbeitsteilung vorgelegt, in denen er den Computer (= „Rechenmaschine“) als Basis seiner Arbeiten miteinbezog. Babbage‘s Leistung ist weder in der Managementlehre noch in der Informatik ansatzweise gewürdigt worden. Er war eben damals seiner Zeit weit voraus (s. Informationskasten, Abb. 1.18 Å) So lassen sich in dieser Frühzeit des beginnenden Qualitätsmanagements (den Begriff gab es damals natürlich noch nicht) drei diese Managementdisziplin in Zukunft prägende Entwicklungen ausmachen: ×die Fließfertigung (Montageband) durch Henry Ford, mittels derer die menschliche Arbeitskraft durch technische Systeme ‘getaktet’ wurde; × die Neukonzeption der Arbeitsteilung nach F. W. Taylor, mittels derer die Handarbeit auf ihre Kernfunktion reduziert wurde, während die diese steuernden und kognitiven Elemente an das ‘Gehirn’ der Organisation (Arbeitsbüro/Funktionsmeister) delegiert wurden; ×die Entwicklung der Control Chart (Qualitätsregelkarte) durch W. A. Shewhart, mit der erstmals die Qualität des Produktionsprozesses auf der Grundlage statistischer Verfahren kontrolliert werden konnte. Wie Lerner (1994, 28) feststellt, hat die rasante Entwicklung im Bereich der Automation, die in gleichem Zuge durch die im Ausgang des 19. Jahrhunderts sich herausbildende Elektrotechnik forciert wurde, wesentlich zur technischen Fortentwicklung in der gesamten Arbeitswelt beigetragen und der aufgezeigten Entwicklung im Qualitätsmanagement weitere Impulse gegeben. Elektronik, Automation und Kybernetik (Norbert Wiener, 1894*-1964†) und schliesslich die rasanten Entwicklungen im Bereich der IT haben nachhaltig auch das Qualitätsmanagement geprägt. An diese Entwicklungen anknüpfend stellt Michael Ketting fest (Ketting 1999, 26): „Neben diesen ‘manuellen’ Techniken der Qualitätsprüfung entstand zunehmend eine maschinell-automatische Prüfung und Überwachung der Produkte und Prozesse. Dabei gab es im wesent-

1.4 Aspekte zu einer kleinen Geschichte des Qualitätsmanagements

Charles Babbage, Denker der Arbeitsteilung Wenig bekannt ist, dass der auch in der Geschichte der Informatik oft unterschlagene Computerpionier Charles Babbage (1791*-1871†) in seinem Standardwerk «The economy of machinery and manufactures» (engl. 1832) qualitätsbezogene Ansatzpunkte der industriellen Produktion formulierte. Sein Hauptthema war in der Ökonomie – wie später auch bei Taylor – die Arbeitsteilung, die Schaffung und der Einsatz von Maschinen, was ihn zur Entwicklung von mechanischen Rechenmaschinen, den konzeptionellen Vorläufern heutiger Computer, brachte. Bei seiner Theorie der Arbeitsteilung folgte er dem gleichen Denkansatz, welcher der Entwicklung der Rechenmaschine zugrunde lag: (a) Zunächst geht es um die Zerlegung – die Analyse – der einzelnen Elemente und (b) dann um deren synthetische Rekombination zu einem zweckmäßig funktionierenden Ganzen. Den Arbeitsprozess fasste er als kooperative Ganzheit auf. Der Preis der Arbeitskraft lässt sich dadurch bestimmen, dass die für die einzelnen, unterschiedlich schwierigen Verrichtungen benötigten Qualifikationen berücksichtigt werden. Je höher die notwendigen Qualifikationen sind, umso höher ist auch die Entlohnung, und umgekehrt. Dadurch können die Lohnkosten insgesamt gesenkt werden. Das ist das sogenannte Babbage-Prinzip, das darauf zielt zentrale Merkmale für den Arbeitsprozess zu bestimmen, wobei die Arbeitskraft selbst als der entscheidende Faktor angesehen wird, der die Prozessqualität bestimmt. Anthony Hyman, der späte Biograph von Babbage, bemerkt, dass er einer der letzten Universalgelehrten war, der auf vielen Gebieten der Wissenschaft und der Technik seiner Zeit weit voraus war. Babbage war Mathematiker, Philosoph, Techniker, Politiker, Ökonom, der u.a. Karl Marx beeinflusste. „Als einer der letzten Universalgelehrten musste er vergeblich gegen die Engstirnigkeit und Phantasielosigkeit seiner Zeitgenossen anrennen, weil er ihnen auf vielen Gebieten so weit voraus war.“ (Hyman 1987) Bibliografische Angaben Babbage, Charles: Die Ökonomie der Maschine. Erweiterte und redigierte Fassung auf Grundlage der Übersetzung von G. Friedenberg aus dem Jahr 1833. Berlin1999 Babbage, Charles: Passagen aus einem Philosophenleben. Berlin 1997 Hyman, A.: Charles Babbage, 1791-1871. Philosoph, Mathematiker, Computerpionier. Stuttgart 1987

lichen zwei Wege. Zum einen die Prüfung des fertigen Teiles durch eine Maschine und zum anderen die Prüfung des gerade zu bearbeitenden Teiles (später auch die Überwachung des Werkzeuges) in der Maschine. Nutzte man bereits in der Fließfertigung Prüf- und Sortiermaschinen zur ‘Gut-’ oder ‘Schlechtbefindung’ von Teilen, so erreichte die erstgenannte Entwicklung ihren vorläufigen Höhe-

ÏAbb. 1.18: Charles Babbage, Denker der Arbeitsteilung und Computerpionier: Das Babbage-Prinzip

Analyse und Synthese als zentrale Prinzipien

45

46

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

punkt mit den seit Mitte der 70er Jahre auf dem Markt befindlichen mikroprozessorgesteuerten Meßmaschinen. Diese ermöglichen es, unterschiedlichste Meßwerte am Bauteil zu erfassen, zu speichern sowie gleichzeitig statistisch auszuwerten. Hiermit gelang sozusagen die bisher umfassendste ‘Beherrschung’ der statistischen Prozessregelung. … Mit den seit Mitte der 70er Jahre entwickelten CNC-Steuerungen (Computer Numeric Control) kam es dann sogar zu einer direkten Prozeßregelung und damit zur Qualitätsüberwachung in der Maschine.“ Diese Entwicklungen sind durch die hohen Qualitätsforderungen Vorläufer militärische im militärischen Bereich und in der Luft- und Raumfahrt nicht nur Organisa onen nachhaltig gefördert, sondern auch initiert worden. Die Vorläufer der heute bekannten Qualitätsmanagementsysteme finden sich im militärischen Bereich (23). Die aus den Forderungen der militärischen Beschaffungsstellen entstandenen Systeme haben inzwischen auch im privatwirtschaftlichen Bereich Eingang gefunden (Ketting 1999, 25): „Als eine wesentliche Methode ist dabei das durch militärische Beschaffungsstellen während des Zweiten Weltkrieges erstmals 1942 in den USA definierte AQL-Stichprobensystem (Acceptable Quality Level/Annehmbare Qualitätsgrenzlage) anzusehen, welches in verbesserter Form allerdings erst 1963 mit MIL-STD-105 für verbindlich erklärt worden ist. Schließlich wurde das Verfahren schrittweise von weiteren nationalen Normen übernommen - so u.a. 1973 in Deutschland (DIN 40080) – und 1974 zum ISO-Standard (2859) erklärt.“ Die Wurzeln der späteren DIN EN ISO 9000-Normenfamilie sind also vor allem militärischen Ursprungs (Ketting 1999, 29): „Derartige Bemühungen begannen vor allem im militärischen Bereich und in der Automobilindustrie in den 70er Jahren und gipfeln in der vom ISO-Komitee TC 176 im Jahre 1987 vorgelegten ersten Fassung der ISO-9000-Normenfamilie. Die daraufhin einsetzende Zertifizierungswelle der Firmen, Unternehmen und Einrichtungen (Anfang 1994 z.B. weltweit über 40.000) führte dazu, dass ISO 9000 heute als ein in etwa 130 Ländern anerkanntes System für den Nachweis, ‘Qualität’ organisatorisch zu beherrschen, gilt.“ Die hier kurz aufgezeigten Entwicklungen laufen heute zusammen in Systemen des umfassenden Qualitätsmanagements, dessen Wurzeln allerdings im fernen Osten zu suchen sind und das interessanterweise – was die sog. Qualitätstechniken betrifft (Qualitätszirkel) – schon in den 70er Jahren in der damaligen Bundesrepublik Deutschland in den Projekten zur Humanisierung der Arbeit (HdA) bekannt war. Von Humanisierung der Japan aus begann bereits in den 50er Jahren eine eigenständige, beiArbeit (HdA) spiellose Entwicklung hin zum heute so genannten TQM (Total Qua-

1.5 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement – Ausblick

47

Entwicklungsetappen Militär/ISO 9000 ca. 1943

1987

Militär – Erste QM-Forderungssysteme (USA, Kanada, GB)

ISO 9004 = Leitfaden zur Verbesserung ISO 9001 = Darlegungsnorm ISO 9000-family International, branchenneutral Normung der QM-Terminologie

1994

2000



2005/2008

t

Exzellenz Integrierte Managementsysteme (IMS) …

Japan – Maßgebender Einfluss amerikanischer Berater (Deming/Juran) Deming-Preis

Total Quality Control (TQM) Qualitätspreise / Qualitätsprogramme Toyota Production System (TPS) Qualitätspreise: MBNQA (USA) EFQM-Modell (Europa)

ca. 1950

1988

Entwicklungsetappen Japan/USA/Europa:TQM

lity Management), die wiederum mit den in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzenden – von Ford, Taylor und Shewhart ausgehenden – Entwicklungen wirkungsgeschichtlich im Zusammenhang steht. Dabei ist besonders das Produktionssystem von Toyota (TPS) hervorzuheben, das sehr wohl in den Kontext der Betrachtung von Qualitätsmanagement zu verorten ist. Ihm ist in diesem Grundlagenwerk ein eigener Abschnitt gewidmet.

1.5

Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement – Ausblick

Jede Befassung mit Wissenschaft resp. wissenschaftlichen Gegenständen sieht sich von Anfang an mit einem Abgrenzungsproblem konfrontiert, so auch die Frage danach, wie Qualitätswissenschaft bestimmt werden kann: Was soll unter Qualitätswissenschaft verstanden werden, und welches ist ihr Objektbereich? Bei der Beantwortung dieser Frage wurde zunächst – unter Absehung der aktuellen praktischen Diskussion zum Qualitätsmanagement – versucht, sich des Qualitätsbegriffs zu versichern, wie er nun

2009



t

ÁAbb. 1.19: Entwicklungsetappen Qualitätsmanagement – Zusammenschau im zeitlichen Zusammenhang

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

48

Wissenscha en entwickeln sich

seit etwa zweitausend Jahren in der Philosophie diskutiert wurde. Dabei wurde deutlich, dass der Begriff in vielfältigen Zusammenhängen expliziert wurde. Maßgebliche Philosophen haben ihn an zentraler Stelle definiert und benutzt. In der fachwissenschaftlichen und praxisorientierten Diskussion wurde es bisher versäumt, an diese Diskussion anzuknüpfen. Die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Problematisierungen der Frage, ob und wie sich die Qualitätswissenschaft begründen ließe, zeigt ein ähnliches Bild. Die institutionellen Erscheinungsformen einer wissenschaftlichen Befassung mit dem Qualitätsphänomen waren auszumachen und leiteten sich v. a. aus der Perspektive der Ingenieurwissenschaften und dem dort festzumachenden praktischen Interesse am Qualitätsmanagement her. So ist die institutionelle Form einer Qualitätswissenschaft nachweisbar, ihr Status als Wissenschaft (Wissensform) jedoch ungeklärt, v. a. wenn man Kuhn’sche Kriterien zugrundelegt, nach denen eine Wissenschaft erst aus einem präparadigmatischen Stadium herausgetreten sein muss (siehe Kap. 1.3.5), um zutreffend Wissenschaft genannt werden zu können. Sowohl aus der Sicht der traditionellen Wissenschaftstheorie (Balzer 1997), wie auch in Anlehnung an neuere methodologische Ansätze (Hartmann/ Janich 1996/1998) zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung war es möglich, Gegenstandsbestimmungen zu markieren, die es ermöglichen eine eigene Rationalität der Qualitätswissenschaft zu bestimmen. In einem kleinen Abriss konnte die Herausbildung des Qualitätsmanagements im historischen Kontext seit der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gezeigt werden. Wenn es zutrifft, was die Wissenschaftsforschung am Beispiel der Physik, Chemie, Biologie u.a. aufzeigen kann ( Janich 1997, 22ff ), dass sich nämlich Wissenschaften – bevor die Menschen Wissenschaft betreiben – am Erkenntnisbedarf der Praxis ausbilden und ausrichten, dann ist es folgerichtig, anzunehmen, dass der Qualitätswissenschaft die Praxis des Qualitätsmanagements vorausgeht ( Janich 1997, 22): „Wissenschaften kommen nicht dadurch in die Welt, daß sich ein Genie dazu entschließt, eine solche zu erfinden und zu etablieren. Wissenschaften entwickeln sich vielmehr allmählich aus dem täglich Leben heraus – und zwar in Situationen, in denen es bereits ‘andere’ Wissenschaften gibt, aus einem täglichen Leben heraus, in das einerseits die ‘anderen’ Wissenschaften durch Popularisierung sprachlicher Unterscheidungen oder Anwendung und Umgestaltung der Lebensverhältnisse eingegangen sind und andererseits diese ‘anderen’ Wissenschaften schon zum täglichen Leben von Wissenschaftlern geworden sind.“

1.5 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement – Ausblick

Dieser lebensweltlich orientierten Emergenztheorie folgend wird der historische Kontext im folgenden Kapitel 2 derart erweitert, indem danach gefragt wird, welche Konzepte und Zugänge das heutige Qualitätsmanagement geprägt haben. Die Darstellung folgt einer personenbezogenen Einteilung, da es vorzugsweise Praktiker und Experten (einer je spezifischen wirtschaftlich-organisatorisch bestimmten Lebenswelt) waren, die zur Entwicklung und Praxis des Qualitätsmanagements beigetragen haben. Weitere Analysen sind in Zukunft erforderlich, um losgelöst von einer solchen personality show das Qualitätsmanagement zu fundieren. Zur Feststellung der ab 1.3 vorgebrachten Argumentation, dass keine Rede davon sein kann, dass es eine Qualitätswissenschaft im Sinne eines sich an wissenschaftstheoretischen Kriterien orientierenden Wissenschaftsverständnisses existiert, sind jedenfalls bis heute, wo die dritte Auflage dieses Grundlagenbuches erscheint (also zwischen 2002 und 2011) keine Gegenargumente vorgebracht worden. Entsprechend Popperscher Wissenschaftsauffassung ist das natürlich kein Nachweis für die Stimmigkeit und Gültigkeit der Argumentation und seines Ergebnisses. Es kann ja sein, dass irgendwo auf dem Globus eine anderslautende Qualitätswissenschaft ausgearbeit vorliegt. Die hier vorgebrachte These wäre damit falsifiziert. Zu diesem Falsifikationsversuch findet sich im angloamerikanischen Wissenschaftsbetrieb eine sehr interessante Publikation, die in Europa noch gar nicht zur Kenntnis genommen wurde, wohl weil ihr Titel nicht so vielversprechend zu sein scheint: Montgomery 2005: Montgomery D. C.: Introduction to Statistical Quality Control. Fifth Edition. Wiley: Hobokon NJ 2005 Wer meint, in dem Buch geht es nur um statistische Formeln, der irrt. Das Werk erscheint inzwischen in der fünten Auflage, in dem sich aus der Sicht der Statistik eine interessante Entwicklungsgeschichte des Qualitätsmanagements in tabellarischer Form findet, die uns nicht nur sehr ausführlich die Praxen des Qualitätsmanagements in den Organisationen zeigt, sondern auch einen Beleg dafür gibt, dass es eine Qualitätswissenschaft noch nicht gibt. Hinzu kommt, dass uns hier – eben aus angloamerikanischer Sicht ein Übergang auf das nächste Kapitel 2 (Vorläufer, Vordenker und Pioniere des Qualitätsmanagements) geboten wird. Konzepte und Namen der Protagonisten in dieser Übersicht bleiben also nicht im Verborgenen in der Tabelle, sondern werden in Kapitel 2 noch ausführlich erläutert.

49

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

50

Abb. 1.20: Zeitliche Entwicklung der sta s schen Methodenlehre aus der Sicht des Qualitätsmanagements im übergeordneten Zusammenhang ausgewählter Managementaspekte 1700-1900 1875

1900-1930 1901 1907-1908 1908 1915-1919 1919 1920

1922-1923 1924 1928 1931 1932 1932-1933 1933 1938 1940 1940-1943 1942 1942-1946

Quality is largely determined by the efforts of an individual cra sman. Eli Whitney introduces standardized, interchangeable parts to simplify assembly. Frederick Winslow Taylor introduces „Scien fic Management“ principles to divide work into smaller, more easily accomplished units – the first approach to dealing with more complex products and processes. The focus was on produc vity. Later con butors were Henry Gilbreth and Frank Gan . Henry Ford – the assembly line-further refinement of work methods to improve produc vity and quality; Ford developed mistake-proof assembly concepts, self-checking, and inprocess inspec on. First standards laboratories established in Great Britain. AT&T begins systema c inspec on and tes ng of products and materials. W.S. Gosset (wri ng as „Student“) introduces the t-distribu on–results from his work on quality control at Guinness Brewery. WWI – Bri sh government begins a supplier cer fica on program. Technical Inspec on Associa on is formed in England; this later becomes the Ins tute of Quality Assurance. AT&T Bell Laboratories forms a quality department – emphasizing quality, inspec on and test, and product reliability. – B. P. Dudding at General Electric in England uses sta s cal methods to control the quality of electric lamps. R. A. Fisher publishes series of fundamental papers on designed experiments and their applica on to the agricultural sciences. W.A. Shewart introduces the control chart concept in a Bell Laboratories technical memorandum. Acceptance sampling methodology ist developed and refined by H. F. Dodge and H. G. Romig at Bell Labs. W. A. Shewhart publishes Economic Control of Quality of Manufactured Product–outlining sta s cal methods for use in produc on and control chart methods. W. A. Shewhart gives lectures on sta s cal methods in produc on and control charts at the University of London. Bri sh tex le and woolen industry and German chemical industry begin use of designed experiments for product/process development. The Royal Sta s cal Society forms the Industrial and Agricultural Research Sec on. W. E. Deming invites Shewhart to present seminars on control charts at the U.S. Department of Agriculture Graduate School. The U.S. War Department publishes a guide for using control charts to analyze process data. Bells Labs develop the forerunners of the military standard sampling plans for the U.S. Army. In Great Britain, the Ministry of Supply Advising Service on Sta s cal Methods and Quality Control is formed. USA: Training courses on sta s cal quality control are given to industry; more than 15 quality socie es are formed in North America.

Å

1.5 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement – Ausblick 1944 1946 1946 1946 1946-1949 1948 1950 1950 1950 1951 1951 1951

1954

1957 1959

1960 1960 1961 1960 1969 1970

51

Industrial Quality Control begins publica on. The American Society for Quality Control (ASQC) is formed as the merger of various quality socie es. The Interna onal Organiza on for Standardiza on (ISO) is foundet. Deming is invited to Japan by the Economic and Scien fic Services Sec on of the U.S. War Department to help occupa on forces in rebuilding Japanese industry. The Japanese Union of Scien sts and Engineers (JUSE) is formed. Deming is invited to give sta s cal quality control seminars to Japanese industry. G. Taguchi begins study and applica on of experimental design. Deming begins educa on of Japanese industrial managers; sta s cal quality control methods begin to widely taught in Japan. K. Ishikawa introduces the cause-and-Effect diagram. Classic texts on sta scal quality control by Eugene Grant and A. J. Duncan appear. A. V. Feigenbaum publishes the first edi on of his book, Total Quality Control. JUSE establishes the „Deming Prize“ for significant achievement in quality control and quality methodology. G. E. P. Box and K. B. Wilson publish fundamental work on using designed experiments and response surface methodology for process op miza on; focus is on chemical industry. Applica ons of designed experiments in the chemical industry grow steadily a er this. Joseph M. Juran is invited by the Japanese to lecture on quality management and improvement. Bri sh sta s cian E. S. Page introduces the cumula ve sum (CUSUM) control chart. J. M. Juran and F. M. Gryna‘s Quality Control Handbook is first published. Technometrics (a journal of sta s cs for the physical, chemical, and engineering sciences) is established; J. Stuart Hunter is the founding editor. – S. Roberts introduces the exponen ally weighted moving average (EWMA) control chart. The U.S. manned spaceflight program makes industry aware of the need for reliable products; the field of reliability engineering grows from this star ng point. G. E. P. Box and J. S. Huner write fundamental papers on 2k-p factorial designs. The quality control circle concept ist introduced in Japan by K. Ishikawa. Na onal Council for Quality and Produc vity is formed in Great Britain as part of the Bri sh Produc vity Council. Courses in sta s cal quality control become widespread in Industrial Engineering academic programs. Industrial Quality Control ceases publica on, replaced by Quality Progress and the Journal of Quality Technology (Lloyd S. Nelson is the founding editor of JQT). In Great Britain the NCQP and the Ins tute of Quality Assurance merge to form the Bri sh Quality Associa on.

Å

1 Qualität, Qualitätswissenschaft, Qualitätsmanagement

52 1975-1978 1980 1980 1984 1986 1987 1988 1988 1989 1989 1990 1990 1995 1997 1998 2000 2000

Books on designed experiments oriented toward engineers and scien sts begin to appear. – Interest in quality circles begins in North America – this grows into the total quality management (TQM) movement. Experimental design methods are introduced to and adopted by a wider group of organiza ons, including electronics, aerospace, semiconductor, and the automo ve industries. The works of Taguchi on designed experiments first appear in the United States. The American Sta s cal Associa on (ASA) establishes the Ad Hoc Committee on Quality and Produc vity; this later becomes a full Sec on of the ASA. – The Journal Quality and Reliability Engineering Interna onal appears. Box and others visit Japan, no ng the extensive use of designed experiments and other sta s cal methods. ISO publishes the first quality systems standard (ISO 9000-family). The Malcolm Baldrige Na onal Quality Award (MBNQA) is established by the U.S.A. Congress. The European Founda on for Quality Management (EFQM) is founded; this organiza on administers the European Quality Award (EQA). The Journal Quality Engineering appears. Motorola‘s six-sigma ini a ve begins. ISO 9000 cer fica on ac vi es increase in U.S. industry. Applicants for the Baldrige award grow steadily; many states sponsor quality awards based on the Baldrige criteria. Many undergraduate engineering programs require formal courses in stas cal techniques, focusing on basic methods for process characteriza on and improvement. Motorola‘s six-sigma approach spreads to other industries. The American Society for Quality Control becomes the American Society for Quality (see www.asq.org), a emp ng to indicate the broader aspects of the quality improvement field. ISO 9000:2000-12 standard is issued. Supply-chain management and supplier quality become even more cri cal factors in business success. Quality improvement ac vi es expand beyond the tradi onal industrial se ng into many other areas including financial service, health care, insurance, and u li es.

______ Quelle: Table 1-1 A Time of Quality Methods. In: Montgomery 2005, 9f.

end

Abb. 1.21: Mindmap Kapitel 1 – Qualität, Qualitätswissenscha und Geschichte des Qualitätsmanagements

$('+-*1$.('* 1%#--+3#++'+"

1%#--+3#++'+" %+ ñ

Proliferation auf ISO 9000 aufbauend × QS-9000 (Automobil) × VDA 6.1/6.2 (Automobil) × ISO/TS 16949 (Automobil) × TL 9000 (Telekommunikation) ×… eigenständig × HACCP (Ernährung) × KTQ (Krankenhaus) × KTA (Kernkraftwerke) ×…

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

auf sie aufbauend/ergänzend und eigenständig QM-Systeme (Regelwerke) geschaffen wurden (starkes Brancheninteresse).

 Aufbau der DIN EN ISO 9000:2006-Normenreihe Die QM-Normen der ISO 9000-family sind inzwischen in über 150 Ländern der Erde institutionalisiert, d.h. sie sind nach Veröffentlichung durch die ISO bzw. gleichzeitig mit Ausgabe der englischen Fassung als nationale QM-Normen Grundlage für die Anwendung geworden. Organisationen aller Branchen und Länder können unter gegenseitiger internationaler Anerkennung QM-Systeme gem. der ISO 9000 family einführen. In Anlehnung an die Definition der ISO 9000-Begriffsnorm (2006-12) verstehen wir unter einem Qualitätsmanagementsystem in einer Kurzdefinition nach W. Geiger folgendes: Ein QM-System ist ein qualitätsbezogenes Managementsystem (1) Qualitätsbezogen bedeutet: Die Erfüllung von Qualitätsforderungen betreffend (2) Management bedeutet: Koordinierte Tätigkeiten zur Erreichung von Zielen (3) Tätigkeit bedeutet: Das, was den Zustand einer Einheit verändert (4) System bedeutet: Zusammengehörige oder zusammenwirkende Elemente, die als Ganzes eine Einheit bilden (5) Managementsystem bedeutet System für Management Å Also ist ein QM-System als ein qualitätsbezogenes, die Erfüllung von Qualitätsforderungen betreffendes Managmentsystem definiert. QM-Systeme in der aktuellen ISO 9000-Normenfamilie (2005; 2008; 2009), die für Deutschland, Österreich und die Schweiz wie folgt genannt werden, sind in folgender Weise beschrieben (siehe die Abbildung 4.37) So werden sie in den einzelnen Ländern korrekt genannt:  × DIN EN ISO 9000-Familie – Deutschland  × ÖN EN ISO 9000-12-Familie – Österreich  × SCN EN ISO 9000-12-Familie – Schweiz. In diesem Schema existieren zwei QM-Systeme, die ISO 9001 als QMS, bei dem es sich um das Qualitätsmanagementsystem zur externen Darlegung handelt (Auditierung/Zertifizierung im Blick auf die Konformität der Produkte) und die ISO 9004, die die ISO 9001 einschließt und darüberhinaus die Perspektive auf die Leistung der relevanten Prozesse legt, die es zu verbessern gilt. Damit ist die Perspektive der ISO 9004 eine andere – eine umfassendere – nämlich die der gesamten Organisation, genauer der relevanten Prozesse der Organi-

Defini onsmerkmale: qualitätsbezogen Management Tä gkeit System Managementsystem

309

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

310 Abbildung 4.37: ISO 9000-QM-Normenfamilie = Der ISO 9000-Diamant Å

Qualitätsmanagementsysteme: Grundlagen und Begriffe ISO 9000:2005

Forderungen an ein Qualitätsmanagementsystem ISO 9001:2008

Leitfaden für Audits von Managementsystemen ISO 19011:2011 UMS 14001:2009

ISO 9004:2009 Leitfaden zur Leistungsverbesserung (Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation)

sation. Die ISO 9004 schließt die ISO 9001 ein, d.h. sie setzt diese voraus. Man spricht auch von einem Paar konsistenter Normen. Formal erkennt man das an der Synchronizität der Gliederungspunkte. In die Normenfamilie einbezogen ist die Begriffsnorm ISO 9000, die schon in der 2. Revision 2000 die frühere ISO 8402 abgelöst hat. Entsprechend ihrem Charakter als Darlegungsnorm bedarf die ISO 9001 einer Art Gebrauchsanweisung für die Auditierung bzw. ZertifiAbbildung 4.38: Was versteht man unter einem Audit? Å

Audit Systematischer, unabhängiger und dokumentierter Prozess zur Erlangung von Auditnachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu ermitteln, inwieweit Auditkriterien erfüllt sind × Anmerkung: Interne Audits, manchmal auch ‘Erstparteien-Audits’ genannt, werden von oder im Namen der Organisation selbst für interne Zwecke durchgeführt und können die Grundlage für die eigene Konformitätserklärung der Organisation bilden. Externe Audits schließen ein, was allgemein ‘Zweit’ oder ‘Drittparteien-Audits’ genannt wird. Æ Zweiparteien-Audits werden von Parteien, die ein Interesse an der Organisation haben, wie z.B. Kunden, oder von Personen im Namen dieser Parteien durchgeführt. Æ Drittparteien-Audits werden von externen unabhängigen Organisationen durchgeführt. Solche Organisationen bieten die Zertifizierung oder Registrierung der Konformität mit (An)forderungen wie z.B. den der ISO 9001 und ISO 14001. Æ Wenn Qualitäts- und Umweltmanagementsystem zusammen auditiert werden, wird dies ‘kombiniertes Audit’ genannt. × Normquelle: DIN EN ISO 9000:2005-12 Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe · OrigZit

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements ÏAbbildung 4.39: Werbender Nachweis zum Zer fikat nach ISO 9001 und Umweltschutz (ISO 14001) in der Logis k an einem LKW. (Bildquelle: Wissencha liches Fotoarchiv hdz 2010) – Weltweit sind branchenübergreifend inzwischen über 1 Mio ISO 9001-Zer fikate ausgestellt (Stand: 2011).

zierung. Bei diesem Leitfaden handelt es sich um die ISO 19011:200212. Dieser Leitfaden wird im Jahr 2011 in der aktuellen Version vorliegen. Was man unter einem Audit versteht wurde in Abbildung 4.38 bestimmt. Das gesamte Systemgebäude mit seinen Bausteinen Terminologienorm, Forderungsnorm, Auditnorm und Empfehlungsnorm ist in der Abbildung 4.42 auf der Folgeseite ausführlicher im Zusammenhang zu sehen. Erkennbar ist, dass die Terminologienorm bereits in einer Interimsfassung vorliegt. Die gesamte Revision wirde in 2009 abgeschlossen. Die Forderungsnorm 9001:2005-12 enthält zudem ein Prozessmodell (Abbildung 4.40), in dem die Hauptprozesse skizziert sind, die in einem QM-System mindestens zu definieren sind. Die punktierten Linien bedeuten einen Informationsfluss, die vollen Linien das Erzeugen von Mehrwert. Das Modell ist in Abschnitt 4.2.6 (Teil 2) bereits eingeführt und ausführlich beschrieben worden. Seine Struktur richtet das gesamte Qualitätsmanagementsystem als Forderungssystem aus, das sich in den Prozessen realisiert. Um noch klarer den Unterschied und Zusammenhang zwischen der Darlegungsnorm ISO 9001 und der Empfehlungsnorm zur Leistungsverbesserung ISO 9004 zu verdeutlichen sei die folgende Kurzcharakteristik ausgeführt:

311

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

312 Abbildung 4.40: Das QM-Prozessmodell der Darlegungsnorm ISO 9001-2008 Å

Ständige Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems

Management von Ressourcen

Eingabe

Qualitätsfähigkeit quality capability

Produktrealisierung

Zufriedenheit

K U N D E N

Forderungen

Verantwortung der Leitung

Messung, Analyse und Verbesserung

Ergebnis

K U N D E N

Produkt

Legende Wertschöpfung (value-adding activities) Information (information flow)

Der Hauptunterschied liegt in der Ausrichtung an die Partner der Organisation (Stakeholderorientierung), wie sie in dem in diesem Punkt geänderten Prozessmodell der ISO 9004 (Abb. 4.41) zum Ausdruck kommt. Daraus ergeben sich bei den jeweiligen Hauptprozessen (Forderungsgruppen) Veränderungen, wie sie in der vorstehenden tabellarischen synoptischen Betrachtung erkennbar sind. Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass damit eine Entwicklung von einem Konformitätsmodell zu einem Verbesserungsmodell beschritten wurde. Die ISO 9004 Ständige Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems

Verantwortung der Leitung

Management von Ressourcen

Eingabe

umfassend TQM

Produktrealisierung

Legende Wertschöpfung (value-adding activities) Information (information flow)

Zufriedenheit

S T A K E H O L D E R

Forderungen

Abbildung 4.41: Das QM-Prozessmodell der Leistungsverbesserungsnorm ISO 9004-2009 Å

Messung, Analyse und Verbesserung

Ergebnis

Produkt

S T A K E H O L D E R

Terminologienorm

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

ISO 9000:2005-12 Grundlagen und Begriffe Eingeteilt in zehn Sachgruppen: 1 qualitätsbezogen 2 managementbezogen 3 organisationsbezogen, 4 prozess- und produktbezogen 5 merkmalsbezogen 6 forderungsbezogen 7 dokumentationsbezogen 8 untersuchungsbezogen 9 auditbezogen 10 auf Messprozesse bezogen

Verständigung Kommunikation QMSystem

Auditnorm

ISO 9001:2008-12 Forderungen an ein QMS 1 2 3 4 5

Eingeteilt in fünf Abschnitten: Allgemeine Forderungen Verantwortung der Leitung Management von Ressourcen Produktrealisierung Messung, Analyse und Verbesserung

ISO 19011:2011 Leitfaden für Audits von QM- und/ oder UM-Systemen Die Regeln gemäß Auditdurchführung, Qualifikationskriterien für Qualitätsauditoren und das Management von Auditprogrammen sind zu beachten. Unterschieden werden: × Qualitätsaudits (extern/intern) × Zertifizierungsaudits × Konformitätserklärungen

Umfassendes QM-Systems ÅTQM

Empfehlungsnorm

Forderungsnorm

Qualitätsfähigkeit des QM-Systems

ISO 9004:2009-12 Leitfaden zur Leistungsverbesserung (Leiten und Lenken für den nachhaltigen Erfolg einer Organisation) Es handelt sich um einen Leitfaden zum Übertreffen der Forderungen der ISO 9001 im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung. Er ist nicht für Zertifizierungs- und Vertragszwecke bestimmt. Zusammen mit der ISO 9001 handelt es sich um ein konsistentes Paar von Normen zum QMS. Die ISO 9004 erweitert den Zielbereich der ISO 9001. Sie stellt der obersten Leitung das hohe Ziel, mit der Absicht zur kontinuierlichen Verbesserung weiter als lediglich zum Führen der Realisierungsprozesse zu gehen, also Anregungen und Orientierungen zur Umsetzung eines umfassenden Prozessorientierten QMS in einer Organisation zu geben. – Wichtig: Die ISO 9004 darf in der Praxis nicht als Handlungsanweisung zur Umsetzung der ISO 9001 gesehen werden.

wird als das ideale, mit der ISO 9001:2000 kompatible Modell für eine Organisation gesehen, um sich nach der Zertifizierung direkt in Richtung auf TQM zu entwickeln und die Leistung der Organisation wesentlich zu verbessern. Ian Campbell benennt die entscheidenden Merkmale auf dem Weg zum TQM (Campbell 2000, 104): × „Es ist prozessorientiert; × Es ist umfassend, d.h. es spricht alle Tätigkeiten einer Organisation an; × Es zielt auf die Zufriedenheit aller Interessenpartner einer Organisation; × Es behandelt auch die Prozesse, die sich in ISO 9001:2000 auf die Konformität der Produkte bzw. Dienstleistungen beziehen, aber aus einem anderen, unternehmerischen Blickwinkel;

ÏAbbildung 4.42: Systembausteine der ISO 9000-family nach Abschluss der Phase 3-Revison 2009 und der Revision der Auditnorm 19011:2011

313

314

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

Das Erfolgskriterium ist die Organisationsleistung, gemessen an der Zufriedenheit aller interessierten Parteien; × Es bezieht sich nicht nur auf Effektivität, sondern auch auf Effizienz; × Verbesserungsmaßnahmen beziehen sich primär auf die Prozesse in Hinblick auf eine verbesserte Zufriedenheit aller interessierter Parteien; × Es entwickelt sich kontinuierlich vom einfachen Konformitätsmodell in Richtung TQM und trägt zum Erfolg der Organisation bei.“ Ein interessante Fleißaufgabe mag es sein, nun eine Synopse zu erstellen, in der die ISO 9001:2008 der ISO 9004:2009 gegenübergestellt wird. Das macht Sinn für studentische Bemühungen und liefert Vorarbeit für Organisationen, die die ISO 9004 anwenden wollen. Die Praxis zeigt aber, dass Organisationen eher dazu neigen das EFQMModell zu implementieren. Deshalb soll hier auf eine solche Übung verzichtet werden und in der Zukunft eher Sinn darin gesehen werden, die Synopse ISO 9001 versus EFQM-Modell zu erstellen. ×

Übungen zur ISO 9000 Übung I: Nehmen Sie bi e Stellung zur folgenden kri schen Anmerkung bezüglich der ISO 9001:2008: Insgesamt ist die ISO 9001 vor allem in der zeitlichen und sozialen Dimension blind. Es wird vornehmlich auf sachliche Aspekte fokussiert und dabei speziell auf den Bereich Produk on und Fer gung. Die Forderungen der ISO 9001 in den Hauptforderungsbereichen hinsichtlich weiterer funk onaler Bereiche des Unternehmens wie Marke ng, Finanzwesen, Controlling oder Personalwesen bleiben entweder sehr abstrakt oder weisen Leerstellen auf. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Planbarkeit, Einheitlichkeit, Eindeu gkeit und Nachvollziehbarkeit von Regelungen. Somit wird auf dras sche Komplexitätsreduk on und Redundanz zum Zwecke der Beherrschbarkeit organisatorischen Geschehens fokussiert. Außen vor bleiben situa ve Aspekte, die gerade in der Zeit des schnellen organisatorischen Wandels zunehmend eine Rolle spielen. Schwer vorstellbar ist auch, wie mit der ISO 9001 Innova onen hervorgebracht werden sollen. Übung II: Nehmen Sie bi e Stellung zu folgender kri schen Anmerkung zur ISO 9000-family: Es ist gewagt, die ISO 9000-family mit der Ausrichtung der ISO 9004 auf TQM zu posi onieren: Die Schni stellen zwischen unterschiedlichen Funk onsbereichen und ihr Zusammenhang mit der erzielbaren und zu erzielenden Qualität bleiben im dunkeln. Keineswegs wird der Beitrag, den das Marke ng zur Kundenorien erung/Kundenzufriedenheit oder das Controlling zur Effizienz des QM zu leisten vermag, thema siert. Was die Organisa on selbst betri , unterstellt die ISO 9000-family umstandslos vollständige Ra onalität, Plan- und Gestaltbarkeit organisa oneller Abläufe. Dagegen muss gehalten werden, dass Plan- und Machbarkeit manchmal eine Fik on ist. Über weite Bereiche erinnert die ISO 9000 an frühe, idealtypische Bürokra emodelle, die über Kondi onalprogrammierung das Zulässige und von der Organisa on zu Entscheidende definierten.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

 Forderungen an QM-Systeme nach ISO 9001:2008-12 Zunächst ist zu fragen, worauf sich die QM-Norm beziehen kann. Auf den Scope, wie er auch genannt wird, gibt es eine klare Antwort (Abbildung 4.40): Anwendungsbereich ISO 9000-Familie Scope (engl.) / Domaine d’application (frz.) Diese Internationale Norm beschreibt Grundlagen für Qualitätsmanagementsysteme, die den Gegenstand der ISO-9000-Familie bilden, und legt die zugehörige Terminologie fest. Diese Internationale Norm ist anwendbar auf: (a) Organisationen, die durch die Ver wirklichung eines Qualitätsmanagementsystems Vorteile suchen; (b) Organisationen, die Vertrauen zu ihren Lieferanten erwerben wollen, dass diese ihre (An)forderungen an das Produkt erfüllen werden; (c) die Nutzer der Produkte; (d) alle, die mit einem gemeinsamen Verständnis der im Qualitätsmanagement ver wendeten Begriffe zu tun haben (z. B. Lieferanten, Kunden, Behörden); (e) alle, innerhalb und außerhalb der Organisation, die das Qualitätsmanagementsystem bewerten oder im Hinblick auf die Einhaltung der (An)forderungen von ISO 9001 auditieren (z. B. Auditoren, Behörden, Zertifizierungs-/ Zulassungsstellen); (f) alle, innerhalb und außerhalb der Organisation, welche die Organisation bezüglich eines für sie geeigneten Qualitätsmanagementsystems beraten und schulen; (g) Entwickler in Bezug stehender Normen. Normquelle: DIN EN ISO 9000:2005-12 Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe · Originalzitat

Zweifelsfrei wird mit der DIN EN ISO 9001:2008 ein QM-System dargelegt. Die Forderungen, die an es gestellt werden, dürfen allerdings nicht mit den Forderungen an Produkte verwechselt werden (s. Kapitel 3). An die produzierende Einheit, die Organisation, wird vorausgehend deren Qualitätsfähigkeit gefordert, d.i. die Fähigkeit einer Einheit, ein Produkt zu realisieren, das die Forderung an dieses Produkt erfüllen wird. Die Forderungen an das QMS wurden überblickartig bereits genannt. Sie bilden die folgende Forderungsstruktur (s.a. das Tableau: Abbildung 4.44): (1) Allgemeine Forderungen an das QM-System (2) Verantwortung der Leitung (3) Management der Ressourcen (4) Produktrealisierung (5) Messung, Analyse und Verbesserung Diese Forderungen sind in der ISO 9001 beschrieben. Die Qualitätsfähigkeit einer Organisation ist dann gegeben, wenn das Qualitätsmanagementsystem entsprechend den genannten Forderungen realisiert wurde.

ÏAbbildung 4.43: Anwendungsbereich (Scope) der ISO 9000-family. Frage: Worauf beziehen sich die QM-Normen?

315

QM-System muß der Norm 9001:2008 entsprechen

Anwenden der acht Grundsätze

Prozesse festlegen und ausführen, die notwendig sind, dass das Produkt den Kundenforderungen entspricht

QM-Verfahren ausarbeiten, die die erforderlichen Tätigkeiten zur Einführung des QMS beschreiben und die Abfolge und Wechselwirkungen von Prozessen beschreiben, die zur Erreichung fehlerfreier Produkte erforderlich sind

×

×

×

×

Allgemeine Forderungen

QM-Bewertung

×

Acht Managementgrundsätze für die Anwendung durch die oberste Leitung einer Organisation

QM-System

= Prozess-Symbol

Arbeitsumgebung

Infrastruktur

Information

Personal

Management der Mittel

Legende

×

Planung

×

×

×

Qualitätspolitik

×

Gesetzliche Forderungen

×

×

×

Kundenforderungen

×

Verantwortung der Leitung

ISO 9001:2008-12

×

×

×

×

Prüfmittelüberwachung

Produktion und Dienstleistungserbringung

Beschaffung

Kundenbezogene Prozesse

Produktrealisierung

Qualitätsfähigkeit (Systembegriff): Forderungen an ein QM-System zu dessen Fähigkeit ständig fehlerfreie Produkte bereitzustellen und Kundenzufriedenheit zu erreichen

×

×

×

×

Verbesserung

Datenanalyse zur Verbesserung

Lenkung von Fehlern

Messung und Überwachung

Messung, Analyse und Verbesserung

316 4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

Abbildung 4.44: Forderungssystem der ISO 9001:200812

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Zusätzlich gibt die ISO 9004:2009 Hinweise, die es bei Beachtung und Umsetzung ermöglichen, die Leistungsverbesserung des QMSystems zu erreichen. Die Forderungen der ISO 9004 gehen über die der ISO 9001 hinaus. Sollte die Organisation den Aufbau eines umfassenden QM-Systems (TQM) anstreben, wäre in diesem Fall von Anfang an die ISO 9004 als Anleitung zur ISO 9001 zu nutzen. So ist der Aufbau eines effektiven, effizienten und offenbar umfassenden QM-Systems möglich. Branchenbezogene Leitfäden enthält die neue ISO 9000 aber nicht. Sie machen auch keinen Sinn, weil jede Organisation eigenständig ihr QMS entwickeln muss. Zur Planung des QMS: Da die QM-Normen weitgehend auf Prozesse abgestellt sind, gilt es prozessbezogen zu denken. Dabei handelt es sich nicht um eine persönliche Empfehlung, sondern um eine Forderung, die berücksichtigt werden muss: Die prozessorientierte Darstellung des QMS ist nachzuweisen. Die genannten fünf Forderungsgruppen können als Haupt- bzw. Makroprozesse angesehen werden. Innerhalb dieser Hauptprozesse existieren Teilprozesse und Mikroprozesse. Wegen der beliebigen Unterteilbarkeit und Zusammenstellbarkeit von Einheiten (Prozessen, hier bes. Mikroprozessen), sollten die Anwender organisationsbezogen denken und die Anregungen des Prozessmanagements beachten (s. hierzu Abschnitt 4.2). Die neue ISO 9001:2000-12 fordert jedoch keine Prozessorganisation. Dem neuen Qualitätsmanagementsystem der ISO 9001 liegen bestimmte Prinzipien zugrunde, von denen die eben genannte Prozessorientierung nur eines ist, wie die nebenstehende Abbildung 4.45 illustriert: Kundenorientierung, Leadership, Mitarbeiterorientierung, Prozessorientierung etc. Mit diesen acht Grundsätzen und deren Beachtung im QMS hat sich besonders die Oberste Leitung zu befassen. Zur Planung des QM-Systems empfiehlt es sich, sich an den fünf Forderungsbereichen auszurichten, d.h. Schritt für Schritt und/oder simultan an die folgenden Forderungsgruppen planungsbezogene Fragen, sog. W-Fragen zu stellen (Wie, Was, Welche etc.): (1) Allgemeine Forderungen an das QM-System (2) Verantwortung der Leitung (3) Management der Ressourcen (4) Produktrealisierung (5) Messung, Analyse und Verbesserung Bei diesen Punkten geht es um Fragen zu den Prozessen, die Aufgaben, den Umfang und die Mittel für jeden Prozess. Ein solcher Planungsprozess ist nicht normungsfähig, hängt insbesondere mit der Individualität und den speziellen Zielen der Organisation, ihrer Größe sowie von ihren Produkten und der – wiederum von diesen ab-

Acht Managementgrundsätze

Der erste Zweck der Anwendung der ISO 9000-family sollte die Systema sierung des eigenen QM sein, nicht ein Zer fikat zu besitzen.

317

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

318 Abbildung 4.45: Grundsätze für das QM gem. ISO 90002005:12 Ë

hängigen – Art der in den Subprozessen ablaufenden einzelnen Tätigkeiten ab. Doch es sollte eines beachtet werden (auch wenn die Praxis anderes suggerieren mag): Erster und wichtigster Zweck der Anwendung der DIN EN ISO 9000-family muss die Systematisierung des eigenen Qualitätsmanagements sein, nicht ein Zertifikat zu besitzen.

Acht Grundsätze des Qualitätsmanagements (ISO 9000:2005-12) Quality management principles (engl.) / Principes de management de la qualité (frz.)

Das erfolgreiche Führen und Betreiben einer Organisation erfordert, dass sie in systematischer und klarer Weise geleitet und gelenkt wird. Ein Weg zum Erfolg kann die Einführung und Aufrechterhaltung eines Managementsystems sein, das auf ständige Leistungsverbesserung ausgerichtet ist, indem es die Erfordernisse aller interessierten Parteien berücksichtigt. Eine Organisation zu leiten und zu lenken umfasst neben anderen Managementdisziplinen auch das Qualitätsmanagement. Es wurden acht Grundsätze des Qualitätsmanagements aufgestellt, die von der obersten Leitung benutzt werden können, um die Leistungsfähigkeit der Organisation zu verbessern. Diese acht Grundsätze des Qualitätsmanagements bilden die Grundlage für die Normen zu Qualitätsmanagementsystemen in der ISO-9000-Familie. (a) Kundenorientierung [Customer focus (engl.) / Orientation client (frz.)] Organisationen hängen von ihren Kunden ab und sollten daher gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse der Kunden verstehen, deren (An)forderungen erfüllen und danach streben, deren Er wartungen zu übertreffen. (b) Führung [Leadership (engl.) / Leadership client (frz.)] Führungskräfte schaffen die Übereinstimmung von Zweck und Ausrichtung der Organisation. Sie sollten das interne Umfeld schaffen und erhalten, in dem sich Personen voll und ganz für die Erreichung der Ziele der Organisation einsetzen können. (c) Einbeziehung der Personen [Involvement of people (engl.) / Implication du personnel (frz.)] Auf allen Ebenen machen Personen das Wesen einer Organisation aus, und ihre vollständige Einbeziehung ermöglicht, ihre Fähigkeiten zum Nutzen der Organisation einzusetzen. (d) Prozessorientierter Ansatz [Process approach (engl.) / Approche processus (frz.)] Ein erwünschtes Ergebnis läßt sich effizienter erreichen, wenn Tätigkeiten und dazugehörige Ressourcen als Prozess geleitet und gelenkt werden. (e) Systemorientierter Managementansatz [System approach to management (engl.) / Management par approche du système (frz.)] Erkennen, Verstehen, Leiten und Lenken von miteinander in Wechselbeziehung stehenden Prozessen als System tragen zur Wirksamkeit und Effizienz der Organisation beim Erreichen Ihrer Ziele bei. (f) Ständige Verbesserung [Continual improvement (engl.) / Amélioration continue (frz.)] Die ständige Verbesserung der Gesamtleistung der Organisation stellt ein permanentes Ziel der Organisation dar. (g) Sachbezogener Ansatz zur Entscheidungsfindung [Factual approach to decision making (engl.) / Approche factuelle pour la prise de décision (frz.)] Wirksame Entscheidungen beruhen auf der Analyse von Daten und Informationen. (h) Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen [Mutually beneficial supplier relationships (engl.) / Relations mutuellement bénéfiques avec les fournisseurs (frz.)] Eine Organisation und ihre Lieferanten sind voneinander abhängig. Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen erhöhen die Wertschöpfungsfähigkeit beider Seiten.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Résumé (Petrick 2001, 976): QM-System-Normen können QM- খ Was wird eigentlich Systeme von Organisationen in den unterschiedlichen Branchen genormt? und Wirtschaftszweigen nicht normen. Diese sind prozess- und produktbezogen viel zu verschieden, auch abhängig von Firmengröße, rechtlichem Firmenstatus und Firmenorganisation. Genormt worden ist deshalb auch keine einzige Forderung, die sich unmittelbar auf ein Angebotsprodukt beziehen würde. Genormt wurden vielmehr unter internationaler Abstimmung Darlegungsforderungen für – im QMSystem angewendete – Verfahren des Qualitätsmanagements. Deren Darlegung soll Vertrauen schaffen, dass mit diesen Verfahren Angebotsprodukte realisiert werden können, welche die an sie gestellten Qualitätsforderungen erfüllen werden, sofern diese Verfahren – wie dargelegt – auch tatsächlich angewendet werden.

 Exkurs: Warnung – Systeme sind komplex! Systeme stellen Wirkungsgefüge dar. Ein einziges Element, ein einziger Prozess aus dem Qualitätsmanagementsystem machen noch nicht das System als Ganzes aus. Erst die Relationen zwischen den Elementen, Objekten, Ereignissen etc. konstituieren das, was ein System genannt wird. Meistens geht es bei den Relationen nicht um Ursachen(-ketten) mit einseitiger (linearer) Wirkrichtung. Die Verhältnisse sind rekursiv, d.h. Rückkopplungen schaffen wechselseitige Abhängigkeiten. Ein Geflecht von aufeinander wirkenden Beziehungen steht im Hintergrund. Solche Beziehungen können in diesem Buch kaum sichtbar gemacht werden. Sie sind aber essentiell: Ob in einem QM-System wirklich »Qualität« produziert wird, hängt davon ab, welche konkreten Elemente und Relationen aufeinanderstoßen. Gerade im Bereich sozialer Systeme (darum geht es in der Tat vor allem auch beim Qualitätsmanagement) ist festzustellen, dass sie in ihrem Verhalten, ihren Eigenschaften und sogar in ihrer Existenz vom System abhängen, dessen Elemente sie sind. Das gilt zum Beispiel für das Team (z.B. ein Qualitätszirkel), bei dem sich bestimmte Regeln der Beziehungsgestaltung herausgebildet haben. Diese sind kaum direkt auf andere Gruppen übertragbar. Systeme sind komplex, ihre Prozesse lassen sich nicht vollständig modellieren, geschweige denn determinieren, sie reagieren (Modell des Qualitätsregelkreises). Gleichzeitig brauchen Systeme permanent Inputs aus der Umwelt, um zu existieren. Die Organisation benötigt Aufträge und Ressourcen, das sind Einflüsse genug, um das Systemgleichgewicht durcheinanderzubringen. Weiterentwicklung in Richtung TQM „Zur Weiterentwicklung des QM-Systems in Richtung TQM gibt es keine kurzfris ge Lösung. Es gilt die ständige Messung, Analyse und Verbesserung. Die ständige Verbesserung gemäß der ISO 9004:2000 bedeutet den ‚langen Marsch‘,“ (Campbell 2000, 104)

319

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

320

 Weiße Flecken im Prozessmanagementansatz der ISO 9001:2008-12 খ Kri sche Bemerkungen zum Prozessmanagementansatz der ISO 9001

খ Offenbar „funk oniert“ die Praxis des Qualitätsmanagements à la ISO 9001 anders!

Jenseits der ISO 9001 bleiben wichtige Fragen an die QM-Norm unbeantwortet!

Aus der Sicht des Prozessmanagements lassen sich auch in der neuen ISO 9001:2008-12 deutliche Schwachstellen ausmachen, die die Umsetzung erschweren und letztendlich es dem Anwender überlassen, wie er vorzugehen hat. Hier wird mehr Klarheit gefordert, indem zum Beispiel – wie in der VDA 6.2 (2004, 12) – Forderungen an Prozesse aufgenommen werden (Schmelzer/Sesselmann 2010, 35): × „Jeder die Qualität und Wirtschaftlichkeit beeinflussende Prozess muss festgelegt und von den Beteiligten verstanden werden. × Die Verantwortlichen sind festzulegen (Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung für Prozesseigner). × Die Risiken sind in den Prozessen zu identifizieren. × Eine angemessene und wirksame Dokumentation ist vorzulegen. × Für jeden Prozess sind Kennwerte festzulegen. × Die Wirksamkeit und Effizienz der Prozesse sind regelmäßig und systematisch zu bewerten. × Jeder Prozesse unterliegt einem geschlossenen Regelkreis (z.B. Plan, Do, Check, Act).“ Demnach wird die ISO 9001 der Prozessorientierung nur punktuell gerecht und die Zertifizierung bestätigt nicht, dass ein systematisch aufgebautes und wirksames Prozessmanagementsystem Grundlage für das QM-System ist. Unterstellt wird, dass die Praxis in den Organisationen anders „funktioniert“ (Schmelzer/Sesselmann 2010, 35): „Um den Forderungen der ISO 9001 zu genügen, wird häufig in der Praxis eine ‚Umdeklarierung‘ bestehender Funktionen in Prozesse zusammen mit einer Proforma-Ernennung von Funktionsträgern zu Prozessverantwortlichen vorgenommen. Mit diesen Namensänderungen und Umwidmungen sind in der Regel keine inhaltlichen Verbesserungen und Leistungssteigerungen verbunden. Sie sind vielmehr ein Anzeichen dafür, dass eine ernsthafte Umsetzung der Prozessorientieurng nich stattfindet.“ Was zu leisten wäre, um den Prozessmanagementansatz der ISO 9001 in Zukunft deutlich zu verbessern, wäre im Bereich der Organisationsentwicklung zu suchen. Es mag offen bleiben, ob die folgenden Fragen nach dem WIE der Prozessorientierung überhaupt jemals in einer QM-Norm beantwortet werden können, wie Schmelzer/Sesselmann fordern (2010, 37f): × „Wie ist bei der Konzeption und Implementierung des prozessorientierten Ansatzes vorzugehen? × Wie werden Geschäftsprozesse strategisch ausgerichtet?

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Wie werden Geschäftsprozesse identifiziert und dokumentiert? Wie werden Verantwortung und Rollen in Geschäftsprozessen festgelegt? × Wie werden die Geschäftsprozesse in die Organisation integriert? × Wie werden Geschäftsprozesse durchgeführt, analysiert, gemessen, überwacht und gesteuert (gelenkt, geleitet)? × Wie werden Geschäftsprozesse laufend verbessert und gegebenenfalls innoviert? × Wie wird die Reife von Geschäftsprozessen bewertet? × Wie wird die Kundenorientierung bzw. Stakeholder-Orientierung des Unternehmens durch Geschäftsprozesse gewährleistet“ × Wie wird gewährleistet, dass die Geschäftsprozesse das Erreichen der strategischen und operativen Geschäftsziele unterstüzten? × Wie wird das organisatorische Lernen durch Geschäftsprozesse gefördert? × Wie trägt das Geschäftsprozessmanagement dazu bei, die Managementsysteme im Unternehmen zu integrieren? × Wie werden Hindernisse bei der Einführung von Geschäftsprozessen überwunden?“ Da in der Praxis häufig der Anstoß zur Einführung eines Prozessmanagementsystems vom Qualitätsmanagement ausgeht, sind diese Fragen keineswegs als „Spielwiese“ für Akademiker zu sehen, sondern berühren höchst praktische Fragekreise, die mit der Einführung eines prozessbasierten QM-Systems einhergehen. Die Anzahl der zertifizierten QM-Systeme nach ISO 9001 wächst denn auch von Jahr zu Jahr und dürfte im Jahr 2011 die Millionengrenze überschritten haben. Hier eine Aussage zu den Zahlen aus 2007 (www.iso.org/iso/ pressrelease.htm?refid=Ref1178-Abruf am 10/03/2011): „ISO 9001:2000 (quality management) – Up to the end of December 2007, at least 951 486 ISO 9001:2000 certificates had been issued in 175 countries and economies. The 2007 total represents an increase of 54 557 (+ 6 %) over 2006, when the total was 896 929 in 170 countries and economies. Services again accounted for 32 % of all certificates issued.“ × ×

Mehr als 1 Million Zertifikate zur ISO 9001 bis Anfang 2011

321

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

322

 Wenig Neues durch die Revision der ISO 9001:2008-12 TC 176 = Technical Commitee (Quality management and quality assurance)

খ Obschon es nichts grundlegend Neues in der ISO 9001:2008-12 gibt, muss darauf hingewiesen werden, dass nur noch diese revidierte Fassung verwendet werden darf. Die ISO 9000:200012 ist zurückgezogen worden. Das gilt auch für noch ältere Fassungen. Offenbar ist dieses Faktum vielen Autoren nicht bewusst. Es werden immer wieder Bücher veröffentlicht, die sogar Texte aus den QM-Normen der 1980er und 1990er Jahre zum Besten geben.

Bekanntlich gilt das selbstgesetzte Ziel der ISO, die QM-Normen der 9000er-family alle fünf Jahre auf Aktualität zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren. Das TC 176 der ISO konnte dieses Ziel nicht erreichen. Deshalb wird es wohl in Zukunft wieder, wie erstmals 2005, Teilaktualisierungen geben. Im Jahr 2005 konnte die Begriffsnorm ISO 9000 revidert werden. Eine grundlegende Überarbeitung erfolgte jedoch nicht, sondern nur Anpassungen und einige ergänzende Formulierungen. Die anderen QM-Normen der Reihe folgten um Jahre später. Die Revision der ISO 19011 (Leitfaden für Audits …)erst im Jahr 2011. Die Verzögerungen ergaben sich, weil Uneinigkeit über den Inhalt und den Umfang der Änderungen bei den Mitgliedern des TC 176 herrschte. Die ISO 9004, die im Jahr 2009 veröffentlicht wurde, hat nun den Titel „Leiten und Lenken zu nachhaltigem Erfolg – Ein Qualitätsmanagementansatz“. Die ISO 9004 ist nach wie vor als Leitfaden gedacht. Ein solcher Leitfaden ist nicht für Vertragszwecke oder Zertifizierungszwecke vorgesehen. Allerdings herscht im TC 176 zu diesem Punkt keine Einigkeit. Möglicherweise wird die zukünftige ISO 9004 einer Zertifizierung nach zugänglich gemacht werden. Das Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN) hat die deutsche Übersetzung der Darlegungsnorm unter der Bezeichnung DIN EN ISO 9001 am 15. Dezember 2008 veröffentlicht. Von einer Revision der ISO 9001 kann nicht gesprochen werden. Es sind lediglich Textpassagen anders formuliert und Anmerkungen zugefügt worden. Ein Beispiel: Statt „Verpflichtung der Leitung“ heisst es nun in Kapitel 5.1 „Selbstverpflichtung der Leitung“. Damit ist wohl gemeint, dass die Führungskräfte mehr Eigenverantwortung haben sollen. Einen gerafften Überblick zu den Änderungen, die in der Revision der DIN EN ISO 9001:2008, vorgenommen wurden, gibt Günter Jobs (2009, 44 ff ).

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

4.3.4

TQM-Modelle

 Total Quality Management (TQM) – mehr als … Total Quality Management wurde bereits am Anfang von Kapitel 4 als ein umfassender (also auf alle Bereiche bezogener) Managementansatz verstanden, nach dem sich das gesamte Management verpflichtet, TQM vorzuleben. Einbezogen sind alle Mitarbeiter, die in der Organisation ›permanent‹ lernen und sie verbessern. Die Ausrichtung der Organisation erfolgt auf den Kunden, wobei die Tatsachen zählen, d.h. Maßnahmen sind mit Daten zu belegen (speak with data!), einfache Begründungen reichen nicht. Die Organisation ist ferner prozessorientiert zu gestalten. Die externen und internen Kunden-/ Lieferantenbeziehungen (KLB) sind Bestandteil von TQM (The next process is your customer!). Gleichzeitig wurde in Kapitel 4.3.3 hervorgehoben, dass die neue ISO 9004 nun als Modell zu verstehen ist, mit dem die Organisation im Anschluss an die Zertifizierung auf der Basis der ISO 9001:2005-12, einen nahtlosen Übergang in Richtung TQM entwickelt kann (Campbell 2000, 104). Die Merkmale wurden hervorgehoben. An einem Zielsystem für TQM fehlt es auch nicht (Abb. 4.46). Pfeifer (2001, 8-9) zeigt auf, dass innerhalb der organisationsinternen Wechselwirkungen und Kausalzusammenhänge eine intensive Abstimmung der Einzelziele erfolgen muss, will man die übergeordneten Ziele erreichen (Pfeifer 2001, 8): Sorgen für Gewinn

Zufriedene Geldgeber

Begeisterte Kunden

n er rd fo

ern

f lie

Organisation Fähige Prozesse reduzieren Kosten

Überlegene Produkte liefern fordern

Zufriedene Geldgeber sichern Arbeitsplätze

Fähige Prozesse liefern fordern Motivierte Mitarbeiter

Überlegene Produkte erfüllen Mitarbeiter mit Stolz

Begeisterte Kunden prägen das Image der Organisation

ÏAbbildung 4.46: Hypothe sches TQM-Zielsystem mit Kausal- und Kondi onalbeziehungen (in Anlehnung an Pfeifer 2001, 9)

323

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

324

überlegene Produkte fähige Prozesse motivierte Mitarbeiter. „Die Zusammenhänge zwischen den übergeordneten Zielen überlegene Produkte, fähige Prozesse und motivierte Mitarbeiter bestehen aus Forderungen einerseits und Leistungen andererseits. Beispielsweise kann nur ein fähiger Prozess überlegene Produkte liefern. Eine ähnliche Forderungs-Leistungs-Beziehung besteht auch an den Schnittstellen des Unternehmens zum Kunden und zu den Geldgebern. Ein ausgewogenes Zielsystem muss diese Wechselwirkungen und Kausalzusammenhänge angemessen berücksichtigen. Nur wenn die Ziele in ihrer Gesamtheit erreicht werden, führt dies zu den erwünschten Ergebnissen und damit zum Erfolg des Unternehmens.“ (Pfeifer 2001, 8) Manfred Bruhn verfolgt aus betriebswirtschaftlicher Sicht in seinem Werk „Qualitätsmanagement für Dienstleistungen“ die Entwicklungslinien des TQM und vertritt die Ansicht, dass die unter dem Oberbegriff TQM zusammengefassten zahlreichen Konzepte normativen Charakter haben, theoretisch wenig fundiert seien, aber wohl zur Verwendung als Rezeptwissen für die Unternehmenspraxis dienlich seien. In der Tat kann man sich dieses Eindrucks oft kaum erwehren. Und wenn Beispiele aus der Praxis vorführen, wie hervorragend sich TQM praktizieren lässt, fehlt diesen in der Regel die Aussagekraft der Expertise unabhängiger Dritter. Ein Zeichen dafür, diesem Vorwurf entgegenzutreten, wäre es, das von T. Pfeifer für die Praxis vorgelegte TQM-Zielsystem als hypothetischen Rahmen aufzufassen und es auf der Basis eines wissenschaftlichen Fundaments empirisch zu prüfen. Wer TQM auf den empirischen Prüfstand stellt, hat zu beachten, dass es sich um eine die gesamte Organisation umfassende Qualitätsphilosophie handelt und nicht einfach um ein Qualitätskonzept oder eine Qualitätstechnik. Dieses Verständnis speist sich aus der Traditionslinie der Vorläufer (Kapitel 2: bes. Ishikawa und Feigenbaum). Ohne konkreten Nachweis wird bei den Fachautoren eine historische Linie zwischen Japan (Ishikawa-CWQC), USA (Feigenbaum-TQC) und dem TQM unserer Tage gezogen (z.B. bei Kamiske 2001, 1163): „Etwa Mitte der 1980er Jahre tauchte der Begriff Total Quality Management zuerst in der fachlichen Diskussion auf.“ Wie erklärt sich dieses time lag von doch etwa zwanzig Jahren. Ein Blick in damalige Fachliteratur klärt auf: Sowohl in den USA wie auch in Europa war man von Unternehmens- wie von Beraterseite her spätestens im Anschluss an die Studie von Peters/Watermann (1982 amerik.) aufgewacht und im wahrsten Sinne auf der Suche nach den Erfolgsfaktoren von Spitzenleistungen. In der zweiten Auflage des Handbuchs der × × ×

Ansichten zu TQM

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Qualitätssicherung (ed. W. Masing 1988) findet sich der aufschlussreiche Aufsatz von H.-U. Frehr, damals Prokurist bei Philips Industrie, Hamburg, der seinen Beitrag „Unternehmensweite Qualitätsverbesserung“ titelte. Frehr reflektierte damals (Frehr 1988, 797) den Begriff: „Die umfassende Qualitätsstrategie erhielt verschiedene – inhaltlich aber weitgehend übereinstimmende – Begriffe wie Total Quality Control (TQC) oder Company wide Quality Control (CQC). Einen einheitlichen deutschen Begriff kennen wir bisher nicht, daher sei diese Strategie in den nachstehenden Ausführungen mit Unternehmensweite Qualitätsverbesserung bezeichnet und dem internationalen Sprachgebrauch folgend mit TQC abgekürzt.“ Beim Studium des Artikels zeigt sich ganz klar, dass das Phänomen TQM konzeptionell bereits 1988 eingefangen, die Sache jedoch noch nicht auf einen einigenden Begriff gebracht worden war. Der Begriff für die Umfassende Qualitätsverbesserung kam dann mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Folge nach 1988 über den großen Teich nach Deutschland. Diese Folgerung kann angestellt werden, weil in der QM-Terminologie Begründungen dafür gesucht wurden, wie man Total Quality Management aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzen könne. Die deutsche Fassung der Begriffsnorm ISO 8402:1994 verwendet denn auch in der ausgeschriebenen Form Umfassendes Qualitätsmanagement und in der Abkürzung TQM. Und H.-U. Frehr resümiert in der dritten Auflage des Handbuchs von W. Masing, das inzwischen in Handbuch Qualitätsmanagement umfirmiert wurde, (Frehr 1994, 31): „Selbst unter Fachleuten sind die Unterschiede zwischen diesen Begriffen (TQC, CWQC, CWQI, TQM etc.) umstritten. Der Autor schlägt vor, nur den Begriff Total-Quality-Management (TQM) zu verwenden, da dieser die unverzichtbare Führungsrolle des Managements anspricht, ohne die eine erfolgsversprechende Verbesserung der Qualität eines Unternehmens nicht möglich ist.“ Frehr fasst dann zusammen, dass in TQM keine „revolutionären oder bisher gänzlich unbekannten Elemente enthalten“ seien. Vielmehr handele es sich „um die systematische und konsequente Anwendung einiger Methoden innerhalb einer auf Qualität und Kundenzufriedenheit ausgerichteten Unternehmenskultur.“ (Frehr 1994, 31) Das zeigt denn auch ein Blick auf die besonders wichtigen Elemente (Kamiske 2001, 1163f):

In der zweiten Häl e der 1980er Jahre wurde in Deutschland nach einem treffenden Begriff für TQM gesucht

325

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

326 Zentrale Elemente des TQM-Ansatzes im Qualitätsmanagement

„Erfüllung der Kundenwünsche als Maßstab für Qualität (Kundenorientierung); × Aufbau eines Netzwerkes von partnerschaftlichen KundenLieferanten-Beziehungen, wobei jeder nachfolgende Prozess als Kunde zu betrachten ist; × Integration und Partizipation der Mitarbeiter aller Hierarchieebenen, z.B. durch Einführung von Qualitätszirkeln; × Arbeitsbedingungen, die Gruppenarbeit und Mitwirkung unterstützen; × Qualität als übergeordnetes Element in Unternehmenspolitik, Unternehmenskultur und als Aufgabe sämtlicher Mitarbeiter; × Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter; × Anerkennung guter Leistungen; × Berücksichtigung von Humanität und sozialen Komponenten; × Ständige Verbesserung sämtlicher Prozesse als wichtige Grundlage für das Erreichen der Unternehmensziele; × Konzentration auf die Wertschöpfungskette und Abbau nicht kundenrelevanter Tätigkeiten; × Quality Engineering – Anwendung moderner Methoden und Techniken des Qualitätsmanagements; × Betonung vorbeugender, fehlervermeidender Maßnahmen; × Qualitätsförderung und -verbesserung als ständiger Prozess; × Top-down-Ansatz mit missionarischer Einbringung der obersten Unternehmensleitung; × Partizipatives und zugleich straffes Management.“ Heute findet die Qualitätsbewegung im Total Quality Management weltweit ihren anspruchsvollsten Ausdruck. Das oberste Ziel, das mit TQM erreicht werden soll ist nicht gerade gering: Gute Geschäftsergebnisse, gemessen beispielweise in Finanzgrößen wie Gewinn, Umsatz, Aktienkurs. Die Sicherung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und damit verbunden der langfristige Erfolg der Organisation verbinden sich mit dieser Zielstellung. Die traditionellen Ziele des QM, wie Senkung der Fehlerquote im Fertigungsprozess oder das Insistieren auf die Qualität der Produkte treten in den Hintergrund, werden indirekt als Selbstverständlichkeit erwartet oder sind Sache des Qualitätsmanagements à la ISO 9000-family. Wir leiten mit dieser Vorbemerkung eine Weichenstellung zum neuen Qualitätsmanagement des TQM ein, das direkt nichts mehr mit den Regelwerken der ISO 9000 und deren Ergänzungen zu tun hat. Interessenmäßig und organisatorisch haben sich andere Partner ins Spiel gebracht, andere Vorstellungen, Konzepte und Modelle werden priorisiert. Teilweise wird eine Doppelstrategie verfolgt, hier ISO 9000, da TQM, oft werden aber auch Gegensätze pointiert, polemisch und fa×

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

cettenreich ausgetragen, verbal und schriftlich, in Ausbildungskonzepten und an der Front, in den Organisationen. Einigendes Band will in Deutschland die dgq (Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V., Frankfurt am Main – wird im Jahr 2002 50 Jahre alt) sein. Ihr vereinseigenes Publikationsorgan, die QZ ist Mitgliederjournal und Fachzeitschrift des QM in Deutschland geworden. Hier werden auch die Debatten zwischen den Protagonisten des TQM und der ISO 9000-family ausgetragen. Die folgende Darstellung orientiert sich im Überblick an einem historischen Aufriss der zentralen TQM-Modelle, die heute zum Allgemeinwissen des Qualitätsmanagements gehören, genauso wie das Wissen um die ISO 9000-family. Die TQM-Modelle stehen nicht einfach zur Anwendung bereit, sondern sind verknüpft mit dem Gedanken der Qualitätsauszeichnung (Award), um diejenigen besonders zu würdigen, die Spitzenleistungen auf der Basis der Bewertungskriterien dieser Modelle erreichen (Business Excellence).

Die QZ (Qualität und Zuverlässigkeit) als Pla orm der deutschen Qualitätsbewegung, die dgq als Sprachrohr.

 Deming Application Prize Es nimmt nicht Wunder, dass die Idee, Spitzenleistungen im Business besonders zu würdigen zuerst in Japan umgesetzt wurde. Den japanischen Promotoren ( JUSE-Japanese Union of Scientists and Engineers) war klar, dass sie zum Comeback ihrer Industrieprodukte auf dem Weltmarkt ein besonderes Anreizsystem schaffen müssten. So dient der japanische Qualitätspreis dazu, die besondere Zielstellung Qualität in breite Kreise zu kommunizieren. Der japanische Qualitätspreis wurde Deming Application Prize genannt, zu Ehren der Person, die in besonderer Weise die Qualitätsbemühungen der japanischen Wirtschaft unterstützt hat, benannt. Bereits Anfang der fünfziger Jahre entwickelte die JUSE mit Hilfe des amerikanischen Beraters W. E. Deming den modellhaften Ansatz der qualitätsorientierten Unternehmensführung. Dieses Modell diente der JUSE als Referenz für die erste japanische Qualitätsauszeichnung, den Deming Application Prize [2] (Malorny 1997, 121f): Erfolgsfaktoren Die Rede von Erfolgsfaktoren ist so alt wie die Geschichte der Industrie. Schumpeter sah vor allem den innova ven Unternehmertyp als ausschlaggebende Ursache für den Erfolg. Spätestens heute – angesichts globaler Verflechtungen – lässt sich nur noch mit ungebrochener Naivität annehmen, dass uns monokausale Erklärungsmodelle Erfolgsfaktoren benennen können. Dennoch, ausgehend von den USA, wird suggeriert, dass professionelles Management und Managemen echniken wesentlich für den Unternehmenserfolg seien. Festzustellen ist: Sie sind kein Garant für unternehmerischen Erfolg, jedenfalls nicht unbedingt der ausschlaggebende. Exis eren die universell vermuteten Erfolgsfaktoren vielleicht gar nicht? Peters & Waterman – mit denen das Thema seit den 80er Jahren eine Renaissance erfuhr – zeigen anhand eines Atommodells sieben Erfolgsfaktoren auf, die sehr anschaulich als Pendel interpre ert werden. Über die Zeit hinweg ergibt sich ein Muster des Wandels in der Unternehmensführung, der sich wie eine Pendelbewegung zwischen so und hard factors vollzieht. Mit Sicherheit zählen QM-Ansätze zu den Erfolgsfaktoren, mit denen man sich in den Organisa onen ja auch zunehmend befasst. Inwieweit man dann mit dem Erfolgsfaktor QM Erfolg hat, ist eine ganz andere Frage. (Zollondz 2001, 218-220)

327

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

328 Abbildung 4.47: Vergabekategorien des Deming Prize Å

Deming Prize Japan Control Medal

Deming Prize für Einzelpersonen

Deming Application Prize

Quality Control Award für Fabriken

Unternehmen Kleine und mittlere Unternehmen Divisionen (Organisationseinheiten) Ausländische Unternehmen – seit 1986

*1901-1989̄

Vom Prinz zum Tenno 1902

Der Japanische Tenno Hirohito war der erste Kaiser, der den Deming Applica on Prize 1951 verlieh. Er sollte die Verleihung ab diesem Jahr bis zu seinem Tod (1987) jährlich wiederholen. Bis heute wird der Preis jährlich vom japanischen Kaiser verliehen. In Deutschland findet sich zu dieser Praxis kein Äquivalent.

„Dieser sollte jenen Unternehmen verliehen werden, die das Modell des TQC mustergültig anwenden und beherrschen. (…) Die Verantwortlichen erhofften sich damals einen Schneeballeffekt. Von der JUSE ausgezeichnete Unternehmen sollten durch die Auszeichnung die Möglichkeit erhalten, ihre Reputation bei Kunden und Wettbewerbern stark zu verbessern, mit der Folge, dass weitere Betriebe angeregt werden sollten, sich mit den Inhalten des TQC zu beschäftigen, um die Auszeichnung letztlich ebenfalls anzustreben.“ Die Japaner strebten mit dieser ersten nationalen Qualitätsoffensive nicht nur an, die infolge des 2. Weltkriegs darniederliegende Wirtschaft zügig auf- und auszubauen, sondern auch den wirtschaftlichen Abstand zu den USA und Europa zu verringern. Mit der Namensgebung wollte die JUSE in ihrer Resolution von 1951 den Beitrag Demings für seine Verdienste um die japanische Wirtschaft anerkennen. Die Kriterien des Preises sind jedoch nicht gänzlich auf Deming’s Lehren zurückzuführen. Gleichwohl ist der Einfluss Demings auf die Entwicklung des japanischen Qualitätsverständnisses erheblich (Malorny 1997, 124f). Wie die Abbildung 4.47 zeigt verbergen sich hinter dem Oberbegriff Deming Prize unterschiedliche Vergabekategorien: Eine gewisse Bedeutung kommen den Auszeichnungen für Personen und auch Fabriken bzw. Werken zu (Malorny 1997, 128f). Im Zentrum des Interesses steht jedoch seit Beginn die Vergabekategorie Deming Application Prize für Unternehmen, die hier auch ausschließlich weiter behandelt wird. Sie stellt gewissermaßen das Fundament dar. Die seit 1970 von der JUSE verliehene sehr begehrte Japan Quality Control Medal ist die höchste Aufzeichnung des Qualitätsmanagements in Japan. Sehr wenige Unternehmen haben sie bisher erhalten. Das wird unmittelbar deutlich bei den hohen Forderungen. Die Bewerber müssen

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

bereits in einer der Vergabekategorien des Deming Application Price ausgezeichnet worden sein × den Preis über fünf Jahre zurückliegend erworben haben × nachweisen, dass das in ihrem Unternehmen implementierte TQC-Modell weiterhin erfolgreich Anwendung findet (Nachweis der Kausalbeziehung zu den ständigen Verbesserungen). Gerade der letzte Punkt als herausragendes Kriterium jeglichen Qualitätsmanagements dürfte in der Praxis langfristig schwer erfüllbar sein. Zum TQC-Modell: Das dem Deming Prize zugrundeliegende japanische TQC-Modell ist in Abgrenzung zu dem von Feigenbaum entwickelten TQC-Verständnis zu verstehen. Begrifflich verdeutlicht hat dies Ishikawa, indem er 1968 für das japanische TQC den Begriff CWQC (Company Wide Quality Control) prägte. Auf seine Schlüsselelemente nahmen die Autoren der JUSE bei der Konzipierung des Deming Prize Bezug, als sie das Modell anhand von sieben Grundannahmen fundierten. Abbildung 4.48 zeigt im Vergleich das auf Ishikawa zurückgehende Fundament des japanischen TQC-Modells. ×

Eine ausführliche Darstellung des QM-Ansatzes von Ishikawa findet sich in Kapitel 2.9. Abbildung 4.48: Vergleich der Schlüsselemente von CWQC und TQC Ë

Vergleich der Schlüsselelemente des japanischen TQC-Modells

CWQC (Ishikawa)

× Qualität kommt zuerst (Quality first) × Qualität bedeutet Erfüllung der Kundenforderungen × Einbeziehung aller wichtigen unternehmerischen Funktionsbereiche × Kontinuierliche Qualitätsverbesserung × Einbeziehung aller Ebenen × Berücksichtigung des sozialen Systems × Qualitätszirkel × Qualitätstechniken nutzen

TQC ( JUSE)

× Qualitätsverbesserungsaktivitäten, in die sämtliche Mitarbeiter aller Fachbereiche einbezogen sind × Policy Management (qualitätsorientierte Zielplanung und deren Umsetzung) × Feedback, Auditierung, Assessment × Qualitätssicherungsaktivitäten × Qualitätszirkel × Ausbildung und Training × Anwendung der modernen Techniken des Quality Engineering

329

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

330 Abbildung 4.49: Die zehn Hauptkriterien des Deming Prize Å

1 Unternehmenspolitik und -ziele 2 Organisation und ihre Wirkungsweise 3 Aus- und Weiterbildung 4 Informationssammlung, -verbreitung und -nutzung 5 Analysen

6 Standardisierung 7 Steuerung (Control / Kanri) 8 Quality Assurance 9 Ergebnisse

10 Zukunftspläne

In Japan herrscht ein völlig anderes Verständnis von Beratung in der Wirtscha

Kriterien des TQC-Modells: In knappen Statements (ausformulierten Unterkriterien zu zehn Hauptkriterien) wurden von der JUSE die Kriterien des TQC-Modells festgelegt. Die Abbildung 4.49 zeigt im Überblick die zehn Hauptkriterien. Die insgesamt 64 Unterkriterien, die von den zehn Hauptkriterien abgeleitet wurden, finden sich in einer differenzierten Übersicht (Zollondz 2001, 155-156). Eine tiefergehende Aufsplittung wird den Unternehmen, die sich mit der Implementierung befassen wollen, nicht an die Hand gegeben. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die Kriterien weitgehende Interpretationsspielräume zulassen. Die Praxis zeigt denn auch, dass die Implementierung nicht ohne Berater möglich ist. Diese haben vielfach sehr intensive Erfahrungen in der Anwendung des Modells und stehen in enger Beziehung zu den Gremien der JUSE. Malorny bemerkt dazu folgendes (Malorny 1997, 139): „Die enge Beziehung der Berater zu den Gremien der JUSE macht darüber hinaus deutlich, dass die Mitglieder des Deming Prize Committee, die selbst auch beratend tätig sind, offensichtlich klare Vorstellungen von den Inhalten des TQC-Modells haben müssen. Bei näherer Betrachtung kann von einem indirekten Prozess der Steuerung durch die JUSE hinsichtlich der Anwendung eines konsistenten TQC-Modells in jenen Unternehmen, die den Deming Prize anstreben oder schon erhalten haben, gesprochen werden. Die enge Verflechtung zwischen der JUSE und den Beratern ist in Japan kein Geheimnis und wird auch öffentlich diskutiert.“ Bewerbung um den Deming Application Prize: Nach Rücksprache mit der JUSE ist eine förmliche Bewerbung erforderlich, die in Form eines schriftlichen Berichts formuliert werden muss. Dabei ist das TCQ-Verständnis des Unternehmens offenzulegen, wobei auf die Kriterien des TQC-Modells Bezug zu nehmen ist. Die jährlich statt-

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

findenden Bewerbungen kommen alle zum Zuge, sofern sie die hohen Forderungen des Modells erfüllen (siehe im Gegensatz dazu den amerikanischen MBNQA im nächsten Abschnitt). Nachdem die eingereichten Bewerbungen bewertet wurden, kommt es bei den ausgewählten Unternehmen zur sogenannten VorOrt-Prüfung, die durchaus mehrere Tage dauern kann. Im einzelnen ist der Ablauf in der umfangreichen Monografie von Malorny umfassend beschrieben (Malorny 1997, 131-134). Interessant ist, dass die JUSE die Bewertungsmaßstäbe bisher nicht veröffentlicht hat. Der Kontakt zu den Beratern, die ja eng mit der JUSE zusammenarbeiten scheint jedoch dafür zu sorgen, dass den bewerbenden Unternehmen die impliziten Bewertungsmaßstäbe transparent werden, zumal in mancherlei Hinsicht schon aufgrund von dichotomen Ja/Nein-Prüfungen klar wird, ob das Unternehmen die Kriterien erfüllt. Darauf wird am Beispiel der Qualitätszirkel hingewiesen (Malorny 1997, 139): „Beispielsweise werden im zweiten Kriterium, Organisation und ihre Wirkungsweise, Qualitätszirkel ausdrücklich verlangt. Eine Analyse bei 20 Deming Prize-Trägern zeigt, dass sämtliche Unternehmen Qualitätszirkel als organisatorisches Instrument zur Qualitätsverbesserung gebildet haben. Unternehmen, die keine Qualitätszirkel nachweisen können, haben kaum eine Chance, eine Auszeichnung zu erhalten, so auch die Aussage des Direktors der JUSE, Noguchi. Allerdings ist die Vorgehensweise, wie Qualitätszirkel organisatorisch gehandhabt werden, in den Unternehmen recht unterschiedlich. So gesehen wird offensichtlich über die Gestaltung der inhaltlichen Kriterien des TQC-Modells auch Einfluss auf die Unternehmensführung und -organisation genommen.“ Bewertung des Deming Application Prize: Malorny hat die – vorwiegend amerikanischen – empirischen Untersuchungen zum Deming Preis kritisch aufgearbeitet und kommt zu folgendem Ergebnis (Malorny 1997, 151): „Ziel der Auszeichnung ist, Aktivitäten des TQC in den Unternehmen so einzuführen, dass sie möglichst effektiv und effizient durchgeführt werden. Insoweit stellt der Deming Prize letztlich nur ein Motivationsmittel im Sinne eines Katalysators für die Anwendung des TQC-Modells dar. Er bietet für das ausgezeichBusiness Exzellence Während in der Darlegungsnorm ISO 9001 gefragt wird, welche Forderungen (mindestens) erfüllt werden müssen, fragt man beim TQM danach, welche Konzepte umgesetzt werden sollten, um Spitzenleistungen erbringen zu können. Organisa onen, die diese Spitzenleistungen erbringen, zeichnen sich durch Business Excellence aus. Deshalb steht die Eigenscha Business Excellence auch im direkten Zusammenhang mit TQM. In TQM-Modellen wird das Ziel Business Excellence anvisiert.

331

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

332

nete Unternehmen zwar keinen direkten finanziellen Gewinn oder gar die Gewähr eines Erfolgs auf Dauer (das bietet nur die langjährige Anwendung des TQC-Modells), er bringt jedoch einen erheblichen Prestigewert. Dieser Wert alleine vermag Marktvorteile zu erbringen.“ Das originäre Verständnis des japanischen Qualitätsmanagements, das in Deutschland so schwer nachvollziehbar ist, wird an dieser Schlussfolgerung deutlich: Es geht darum, auf der Grundlage von Modellvorstellungen, an denen sich die Bewerber auszurichten haben, einen permanenten Qualitätsverbesserungsprozess und eine prozesshafte Sichtweise der Organisation wirksam zu vermitteln, wobei eine erhebliche Wirkung auf die Motivation der Mitarbeiter nachgewiesen werden kann.

 Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA)

Die Auszeichnungen des MBNQA: Medaille und Säule

In den 80er Jahren wurde ein attraktiver nationaler Qualitätspreis in den USA als ein wesentlicher Impulsgeber, der den erforderlichen Prozess eines unternehmenskulturellen Wandels in der amerikanischen Wirtschaft beschleunigen und damit die Kundenorientíerung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen fördern sollte, forciert. Per Gesetzgebung (Public Law 100-107) wurde am 20.8.1987 der nationale Qualitätspreis der USA nach dem im selben Jahr tödlich verunglückten amerikanischen Secretary of Commerce (Handelsminister) Malcolm Baldrige der Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA), geschaffen. In der kurzen Geschichte des Qualitätsmanagements ein beispielloses Ereignis, das auch in keinem europäischen Land bisher wiederholt werden konnte. Es hängt sehr stark mit der Kränkung der Vereinigten Staaten durch die Japaner zusammen. Die Ereignisse, die zum o.g. Improvement Act führten, sind inzwischen auch in der deutschen Forschung zum Qualitätsmanagement gut dokumentiert (Malorny 1997, 151ff ). Aus der umfangreichen Gesetzesvorlage (Abb. 4.50) lassen sich die folgenden Erkenntnisse zusammenfassen (Malorny 1997, 158f): × „Die Führungsrolle der Vereinigten Staaten von Amerika in der Qualität von Produkten und Prozessen ist durch den Wettbewerb mit ausländischen Anbietern stark und zuweilen erfolgreich herausgefordert worden. Das Produktivitätswachstum der U.S.-Wirtschaft fiel im Vergleich zu dem der Konkurrenten in den letzten 20 Jahren geringer aus. × Amerikanische Industrieunternehmen beginnen zu erkennen, dass unzureichende Qualität ein Unternehmen bis zu 20 Prozent der auf dem nationalen Markt zu erzielenden Umsatzerträge kosten kann und dass verbesserte Qualität von Produkten

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements ÏAbbildung 4.50: Originaldokument (Ausschni ) zur Gesetzgebung (Public Law 100-107) am 20. 08. 1987 in dem der na onale Qualitätspreis der USA kodifiziert wurde.

„… establish the Malcolm Baldrige Naonal Quality Award, with the objec ve of encouraging American business and other organiza ons to prac ce effec ve quality control in the provision of their goods and services …“

333

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

334

Abbildung 4.51: Bildergalerie zur Entstehung des naonalen Qualitätspreises der USA Ë

×

und Dienstleistungen mit verbesserter Produktivität, geringeren Kosten und höherem Gewinn einhergeht. Ein verbessertes Managementverständnis für die Belange der Mitarbeiter, die Einbeziehung der Mitarbeiter in Qualitätsaktivitäten und die stärkere Betonung der statistischen Prozesssteuerung können zu bedeutenden Verbesserungen im Kostenbereich führen.

Es könnte wie ein Märchen klingen: Der ehemalige Filmschauspieler und sein „Wirtscha sminister“. Führende Persönlichkeiten der Wirtscha der USA bedrängten den Präsidenten, dass er doch einen Qualitätspreis für die Organisa onen der USA ins Leben rufen möge, der jährlich vom Staatsoberhaupt (in Japan ist es der Kaiser) in einem öffentlichen Akt verliehen werden solle. Namensgeber wurde der zur Reagan-Administra on gehörende Secretary of Commerce, Howard Malcolm Baldrige, der 1987 mit mehreren sein engsten Mitarbeiter bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war. Der Quality Award wird entweder vom Präsidenten oder dem Vizepräsidenten feierlich überreicht. Beispiellos in der Geschichte des QM. Howard Malcolm Baldrige, U.S. Secretary of Commerce (20.1.1981-25.7.1987) Ë

Ronald Wilson Reagan, 40th U.S. President – 1981-1989 ËÅ

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

335

MBNQA

Produzierende Unternehmen / Zulieferer ing ktur a f u Man

Dienstleistungsunternehmen

ice Serv

Kleinunternehmen (bis 500 Beschäftigte)

ess usin B l l Sma

Qualitätsverbesserungsprogramme müssen vom Management ÁAbbildung 4.52: geführt und an Kundenforderungen ausgerichtet werden, damit Die Vergabekategosie Erfolg haben. Dies kann grundlegende Änderungen in der rien des MBNQA Arbeitsweise von Unternehmen und Behörden erfordern.” Zu den Gestaltungsmerkmalen des MBNQA | Die Vergabekategorien: Der Preis wird seit dem Jahr 1988 in drei Kategorien vergeben. Interessant ist, dass man eine besondere Kategorie für Dienstleistungsunternehmen reserviert hat, wie die Abbildung 4.52 zeigt. In jedem Jahr dürfen je Kategorie nur maximal zwei Preise vergeben werden. Durch diese Bestimmung treten die Bewerber während des Bewerbungsverfahrens untereinander in Konkurrenz. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (2011) ist der Preis ca. siebzigmal verliehen worden. Ausführliche Ergebnisse hierzu sind in Malorny (1999, 191f) dokumentiert. Das TQM-Modell: In dem dem MBNQA zugrundeliegende TQMModell wurden grundlegende Dimensionen, sog. Core Values and Concepts, auf die konkreten Kategorien – die sieben Hauptkategorien (siehe Abbildung 4.53) – bezogen. Die elf Grundüberzeugungen (siehe Abbildung 4.55) bilden gewissermaßen die integrative Klammer, sie sind die oberste Ebene des Modells. Auch wenn sie erst am Schluss der Ausführungen zum MBNQA aufgeführt und erläutert sind, sind sie keineswegs als Annex zu werten, sondern bilden im Sinne eines umfassenden Qualitätsmanagements (TQM) den Überbau, dadurch, dass mit ihnen in hohem Maße die Unternehmensumwelt miteinbezogen wird und sie die strategische Stoßrichtung der Organisation ansprechen. Wie in der Abbildung 4.53 demonstriert wird, besteht ein Plausibilitäszusammenhang zur zweiten Ebene, den Hauptkategorien des Modells. Ausführliche Explikationen der Core Values and Concepts finden sich in [3]. In Deutschland sind diese Grundprinzipien jüngst von Stauss erkannt und beschrieben worden [4], allerdings ohne einen systematischen Zusammenhang zur o.g. zweiten Ebene explizieren zu können. So markiert der Link in der Abbildung 4.53 ×

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

336 ÅAbbildung 4.53: Die drei Ebenen des MBNQA-Modells

Elf Grundüberzeugungen × Kundenbasiertes Qualitätsverständnis × Verantwortliche Unternehmensführung × Kontinuierliche Verbesserung und Lernprozesse × Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung × Schnelle Reaktion

× × × × × ×

Planungsqualität und Fehlerprävention Langfristige Perspektive Faktenorientiertes Management Bildung von Partnerschaften Soziale Verantwortung Ergebnisorientierung

Zwischen den Grundüberzeugungen und den sieben MBNQA-Kategorien wird ein Plausibilitätszusammenhang postuliert

Sieben MBNQA-Kategorien × × × ×

Unternehmensführung (110) Strategische Planung (80) Kunden- und Marktorientierung (80) Information und Analyse (80)

× Human Resource Management (100) × Prozessmanagement (100) × Geschäftsergebnisse (450)

Die Subkategorien sind aus den sieben Hauptkategorien abgeleitet. Sie bilden die Basis für die Punktbewertung, die dann in den jeweiligen Hauptkategorien zusammengefasst werden (Maximale Punktzahl: 1000 Punkte)

20 MBNQA-Subkategorien Jeder Subkategorie werden nach dem Bewertungssystem (Intervalle) Punkte zugeordnet

(3-Customer and Market Focused Strategy and Action Plans) auf den Zusammenhang zu den elf Grundüberzeugungen hin. Die in Abbildung 4.54 zusammengefassten Punkte zum Qualitätsverständnis im MBNQA illustrieren diesen Zusammenhang. Die sieben Hauptkategorien (Abb. 4.53) (Examination Categories) bilden nun im Zusammenhang mit den 20 Subkategorien (Items) das TQM-Modell für den MBNQA auf der strategisch-operativen Ebene. Bei den Subkategorien handelt es sich um die Produkte der Operationalisierung der sieben Hauptkategorien. Sie sind der konkrete Bezugspunkt der Bewertung und werden noch einmal detailliert beschrieben (Areas of Adress). Durch diese genaue Unterteilung erhält die Organisation genaue Angaben zu den Terms des Modells. 1997 wurde das TQM-Modell des MBNQA ohne Änderung der Hauptkategorien durch eine neue Gewichtung der Punkte und Ausrichtung der Zusammenhänge neu ausgerichtet, was eine veränderte

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements Abbildung 4.54: Qualitätsverständnis beim MBNQA-Modells Das folgende – in zehn Punkten zusammengefasste ganzheitliches – Qualitätsverständnis bildet die Basis des MBNQA.

Der Kunde bestimmt die Qualität: Im Sinne einer langfristigen Kundenbindung muss der Kunde mit seinen Bedürfnissen und Wünschen ernst genommen und in den Mittelpunkt aller Qualitäsbestrebungen gestellt werden. Die Produkterstellung muss daher konsequent auf den Kundennutzen und auf die Kundenzufriedenheit ausgerichtet sein. Verantwortung der Obersten Leitung: Die Qualitätsphilosophie und die Verbesserungsziele müssen von der Führung der Organisation vorgegeben und gelebt werden. Die konsequente Überprüfung der Ergebnisse und die Motivation aller Mitarbeiter ist dabei als entscheidende Führungsaufgabe zu verstehen. Kontinuierliche Verbesserung der Qualitätsforderungen: Sind QMNormen im Unternehmen etabliert, so sind diese kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung: Der einzelne Mitarbeiter ist von zentraler Bedeutung, da nur durch ihn das TQM realisiert und weiterentwickelt werden kann. Daher sind die Mitarbeiter kontinuierlich zu trainieren. Ein Instrument zur Motivation der Implementierung des Qualitätsmanagements stellen dabei besondere Anreizsysteme (monetärer und nicht-monetärer Art) dar.  Schnelle Reaktion auf Marktveränderungen: Die Flexibilität und Dynamik einer Organisation gegenüber Marktveränderungen sowie die direkte Reaktion der Mitarbeiter auf Kundenforderungen sind ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Daher sind erweiterte Verantwortungs- und Handlungsspielräume für die Mitarbeiter notwendig.  Planungsqualität und Fehlerprävention: Eine konsequente Fehlerver-

meidung ist stärker zu gewichten als eine Fehlerbehebung. Dafür ist eine dezidierte Planung der Prozesse notwendig, die zur Kostenreduzierung und zu dauerhaften Kundenbindung führt.  Langfristige Perspektive des Qualitätsmanagements: Sicherheit für Kunden, Mitarbeiter und Führungskräfte ist die Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Leistungserstellung. Hierzu ist eine langfristige Perspektive des Qualitätsmanagements notwendig.  Faktenorientiertes Management: Das Management hat sich vor allem an den Gegebenheiten der Märkte auszurichten und an den sich zeigenden Veränderungen. Die Bewertung der Märkte anhand fiktiver Grundlagen stellt eine erhebliche Gefahr für das Unternehmen dar. Daher sind aktuelle unternehmensinterne und -externe Informationen notwendig, die das Management bei ihren Entscheidungen unterstützen.  Partnerschaftsbildung zwischen Kunde und Dienstleister: Eine Festigung der externen und internen ›Kunden-Lieferanten-Beziehungen‹ wird im Rahmen des TQM angestrebt. Partnerschaftliche Beziehungen zu den Kunden einerseits sowie Teamgeist und interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen andererseits gewährleisten eine stetige Weiterentwicklung der Leistungen in Hinblick auf die Kundenbedürfnisse und sichern außerdem die konsequente Ausrichtung der Leistungen zur Qualitätsverbesserung. BA Soziale Verantwortung: Die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklung und ein Engagement zur positiven Gestaltung sind ein wesentliches Grundprinzip der Beurteilung des praktizierten Qualitätsmanagements für den MBNQA. •

337

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

338 Abbildung 4.55: Die elf Grundüberzeugungen des MBNQA: Core Values and Concepts

ts Concuenpgen d n a s e ore Valu Grundüberzeug

C

1

Customer-Driven Quality Kundenbasiertes Qualitätsverständnis

2

Leadership Verantwortliche Unternehmensführung

3

Continuous Improvement and Learning Kontinuierliche Verbesserung und Lernprozesse

4

Employee Participation and Development Mitarbeiterbeteiligung und -entwicklung

5

Fast Response Schnelle Reaktion

6

Design Quality and Prevention Planungsqualität und Fehlerprävention

7

Long-Range View of the Future Langfristige Perspektive

8

Management by Fact Faktenorientiertes Management

9

Partnership Development Bildung von Partnerschaften

10 Company Responsibility and Citizenship Soziale Verantwortung

11 Results Focus Ergebnisorientierung

Interpretation erfordert: Der konzeptionelle Rahmen des Modells wurde durch das Dach Customer and Market Focus/Strategy and Action Plans neu positioniert. Somit hat die Organisation, die dieses Modell anwendet, kunden- und marktorientierte Strategien und Aktionspläne transparent zu machen. Zu diesen besteht ein eindeutig gerichteter Zusammenhang aus der Sicht der Unternehmensführung

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements Abbildung 4.56: Der Baldrige Award Criteria Framework (Konzep oneller Rahmen des MBNQA)

Customer and Market Focused Strategy and Action Plans

5

2

Human Resource Development and Management

Strategic Planning

1

7

Leadership

Business Results

3

6

Customer and Market Focus

Process Management

4 Information and Analysis

(1–Leadership) und eine Wechselwirkung zur Hauptkategorie der Geschäftsergebnisse (7–Business Results). Wenn sich auch die Bezeichnungen der Kategorien nicht geändert haben, so fällt doch auf, dass sich die Systemperspektive fundamental gewandelt hat: Offenbar soll mehr betont werden, dass es sich um ein Modell für Business Excellence handelt, was wohl auch Stauss vermutet, wenn er ausführt (Stauss 1998, 492): „Dieses Bewertungsschema unterscheidet sich von dem des Vorjahres erheblich. Besonders auffallend ist die wesentlich stärkere Betonung der Ergebniskategorie, die mit 450 von 1.000 Punkten massiv aufgewertet wurde, der verstärkte Fokus auf Strategie und organisationalem Lernen sowie die Umbenennung, Aufteilung und geringere Betonung der früheren Hauptkategorie ‘Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit’. Darüber hinaus fällt auf, dass die erhöhte Ergebnisorientierung auch sprachlich zum Ausdruck kommt, indem zunehmend auf Qualität und Qualitätsmanagement bezogene Formulierungen durch allgemeine betriebswirtschaftliche Termini ersetzt werden.“ Bewerbung um den MBNQA (Abb. 4.57): Beim Verfassen des Bewerbungsschreibens hat sich die um den MBNQA bewerbende Organisation an den Guidelines des MBNQA zu orientieren. Sie hat zu allen

Exzellenz (engl. Excellence) Der Begriff ist aus der Diskussion um das TQM hervorgegangen. Er wird nicht auf das Produkt, sondern auf das System bezogen. Es muss also genau heißen ‚Excellence einer Organisa on‘. Organisa onen werden dann als exzellente Organisa onen angesehen, wenn überragende Prak ken in der Führung und beim Erzielen von Ergebnissen mit Hilfe bes mmter Grundkonzepte eingesetzt werden. Zu solchen Grundkonzepten zählt das Modell des MBNQA.

339

340

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

Qualifizierung/Klassifizierung

Verfassen des Bewerbungsschreibens orientiert an den Baldrige Award Guidelines

Erste Durchsicht (First Stage-Review) durch vier bis acht Prüfer (Examiners)

Auswahl der Berichte durch das Schiedsgericht

weiter Zweite Durchsicht (Consensu Review) durch vier bis acht Prüfer (Examiners/Senior Examiner)

Auswahl der Berichte durch das Schiedsgericht

weiter Vor-Ort-Prüfung im Unternehmen (Site Visit Review) durch fünf bis acht Prüfer (Examiners/Senior Examiner)

Schiedsgericht schlägt dem NIST Gewinner vor

weiter NIST reicht Vorschläge an das Handelsministerium weiter

Entscheidung über Auszeichnungsvergabe

U.S.-Präsident verleiht den MBNQA

20 Unterpunkten des MBNQA-Modells Aussagen zu formulieren. Die vollständigen Bewerbungsunterlagen sind dann beim NIST (National Institute for Standards and Technology) einzureichen. Der Ablauf des Verfahrens folgt dem Schema (Abb. 4.57). Die dort genannte Vor-Ort-Prüfung dauert in der Regel eine Woche. Damit ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen: Das Schiedsgericht inspiziert im abschließenden Judges Final Review noch einmal den Bericht der Prüfungskandidaten und die Ergebnisse der Vor-Ort-Prüfung. Außerdem interviewt es die Gutachter zu ihren persönlichen Eindrücken. Erst dann geben die Gutachter dem NIST gegenüber Empfehlungen zur Verleihung der Auszeichnung ab. Das Ergebnis dieser Einstufung der Kandidaten erfolgt auf der Grundlage einer besonderen Bewertungsmatrix (Green Card) (Zollondz Ausscheiden Feedback2001, 545). Diese Bericht Vorschläge werden vom NIST an den Secretary of Commerce weitergeleitet, der die endgültige Entscheidung über die Wahl der Preisträger trifft. Die Vergabe der Auszeichnung erfolgt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Diejenige Kandidaten, die ausgeschieden sind, erhalten jeweils Feedback-Berichte über die Gründe für den Nichterfolg. Die Ausscheiden Feedbackausgezeichneten Bericht Preisträger können einerseits die Auszeichnung für eigene Werbe- und PR-Maßnahmen nutzen, andererseits sind sie auch verpflichtet, Informationen über erfolgreiche Qualitätsanstrengungen anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Unternehmen, wie auch die hier in Deutschland bekannten Motorola, Ausscheiden FeedbackMilliken & Com., Bericht Xerox, Cadillac, IBM, Federal Express, AT&T, Texas Instruments Inc., Granite Rock & Comp., Ritz Carlton Hotel u.a., zählten bisher zu den Preisträgern des MBNQA. Zum Beispiel wurden im Jahr 2001 ff die folgenden Preisträger ausgezeichnet: × 2001: … Ö Clarke American Checks (Manufact./Production) Ö Pal’s Sudden Service (Small Bus./Quick Service) Ö Chugach School District (Education / Training) Ï Abbildung 4.57: Bewerbung um den MBNQA

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements MBNQA – 1997 AWARD CRITERIA – ITEM LISTING 1997 Categories/Items 1

Leadership 1.1 1.2

2

Customer and Market Knowledge Customer Satisfaction and Relationship Enhancement

80 40 40

Selection and Use of Information and Data Selection and Use of Comparative Information and Data Analysis and Review of Company Performance

80 25 15 40

Work Systems Employee Education, Training, and Development Employee Well-Being and Satisfaction

110 40 30 30

Process Management 6.1 6.2 6.3

7

80 40 40

Human Resource Development and Management 5.1 5.2 5.3

6

110

Information and Analysis 4.1 4.2 4.3

5

Strategy Development Process Company Strategy

Management of Product and Service Processes Management of Support Processes Management of Supplier and Partnering Processes

100 60 20 20

Business Results 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Customer Satisfaction Results Financial and Market Results Human Resource Results Supplier and Partner Results Company-Specific Results TOTAL POINTS

Values

80 30

Customer and Market Focus 3.1 3.2

4

Leadership System Company Responsibility and Citizenship

Strategic Planning 2.1 2.2

3

Point

450 130 130 35 25 130 1000

Ö Pearl River School District (Education) Ö University of Wisconsin-Stout (Education). × 2002-2004: … s. Link: http://www.nist.gov/ × 2005: … Ö Sunny Fresh Foods, Inc., Monticello, Minn. (manufacturing); Ö DynMcDermott Petroleum Operations, New Orleans, La. (service); Ö Park Place Lexus, Plano, Texas (small business); Ö Richland College, Dallas, Texas (education); Ö Jenks Public Schools, Jenks, Okla. (education); and Ö Bronson Methodist Hospital, Kalamazoo, Mich (healtcare).

Abbildung 4.58: Bewertungsschema des MBNQA – Sieben Haupt- und 20 Subkriterien

341

342

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

Résumé: Malorny fasst im Anschluss an seine Analysen zum Nutzen des MBNQA für Unternehmen drei Gesichtspunkte zusammen (Malorny 1999a, 214): × Feedbackprozess: Alle Teilnehmer erhalten einen Feedback-Report × Wirtschaftlicher Nutzen: Qualität, Kosten etc. × Nutzen für nicht ausgezeichnete Unternehmen: Partizipation an den Ergebnissen der Ausgezeichneten. Aus seinen zusammenfassenden Ergebnissen kann geschlossen werden, dass sich der Focus des MBNQA in der Partnerschaft von Wirtschaft und Regierung in den USA herauskristallisiert hat. Das Modell, dessen Umsetzung und Ergebnisse, bringt offenbar allen WinWin-Ergebnisse, sogar denjenigen, die es nur für eigene Zwecke nutzen, ohne damit den Preis gewinnen zu wollen – und das sind deutlich mehr als sich bewerben. MBNQA anerkanntes TQM-Konzept Unter der Regie von MENDELOWITZ, dem Leiter der Abteilung Interna onal Trade, Energy and Finance Issues des United States General Accoun ng Office (GAO), wurde 1990 die Untersuchung ›Management Prac ces - U. S. Companies Improve Performance Through Quality Efforts‹ durchgeführt. Das GAO ist dabei vergleichbar mit dem deutschen Bundesrechnungshof. In einem ersten Schri befragte das GAO Experten zum Einfluss des Total Quality Managements auf die amerikanische Wirtscha . Herausragendes Ergebnis dieser Befragung ist die Aussage, dass der Malcolm Baldrige Na onal Quality Award das anerkannteste TQM-Konzept in Praxis und Wissenscha sei. Mit dieser Studie zeigten die Forscher, dass das Total Quality Management-Modell unabhängig von der Unternehmensgröße und der Branche angewendet werden kann, und dass Unternehmen, die die Anwendung der Kriterien des Modells konsequent betreiben, durchschni lich nach zweieinhalb Jahren mit messbaren Qualitäts- und Produk vitätsverbesserungen rechnen können. Die untersuchten Dienstleistungsunternehmen konnten durchschni lich schon nach anderthalb Jahren messbare Verbesserungen erzielen. Darüber hinaus konnte ein direkter Zusammenhang zwischen den erfüllten Baldrige Award-Kriterien und der damit ges egenen Leistungs- bzw. Qualitätsfähigkeit der Unternehmen nachgewiesen werden.

MBNQA – Wie jedes Jahr … Wie jedes Jahr, so auch im Jahr 2005: Congratula ons to the 2005 recipients of the Malcolm Baldrige Na onal Quality Award November 22, 2005 America is a land of great opportunity because of the hard work, innova on, and entrepreneurial spirit of our ci zens. Since 1987, the Baldrige Award has recognized the achievements of American businesses, educa onal ins tu ons, and health care organiza ons that put quality and people first. This year’s recipients have demonstrated the principled leadership, strong character, and commitment to economic growth that are associated with this award’s namesake, and each serves as a model for other organiza ons in its field. I appreciate the honorees for their hard work and dedica on to excellence. Your efforts help advance prosperity across our Na on and make America stronger. Laura and I send our best wishes. George W. Bush --------Quelle: h p://www.nist.gov/public_affairs/releases/Baldrige05_PresidentStatement.htm

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

 EFQM-Modell als Basis des European Excellence Award Im Zentrum der folgenden Darstellung steht das EFQM-Modell (EFQM-Modell für Excellence der European Foundation of Quality Management), das die Leitlinie und Bewertungsbasis für den europäischen Qualitätspreis bildet, den European Excellence Award (EEA). Die ältere Bezeichnung (bis 2009) heisst „European Quality Award“ (EQA). Der EQA/EEA bildet die Basis für die Entwicklung einer Reihe nationaler Qualitätspreise. Die Kriterien des deutschen Qualitätspreises, des Ludwig Erhard Preises (LEP) sind quasi identisch mit denen des EEA. ¯ Zum EEA (European Excellence Award): Beim EEA handelt es sich um eine Exzellenz-Auszeichnung, deren Grundlage das EFQM-Modell bildet. Der EEA folgt der Tradition des japanischen und amerikanischen Qualitätspreises (Deming Application Prize, MBNQA). Er lehnt sich inhaltlich allerdings mehr an den MBNQA an. Die EFQM hat in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und der EOQ (European Organization for Quality) ein Referenzmodell, das sog. EFQM-Modell, entwickelt, das v.a. als Bewertungs- und Vergleichsmodell für den EEA dient. 1992 wurde auf der Basis dieses Modells erstmals der EQA verliehen. 1998 wurde der EQA erstmals neben der EQA-Vergabe an Großunternehmen auch in der Kategorie der KMU vergeben. Die Auszeichnung wurde bisher an folgende Unternehmen verliehen: × × × × × × ×

1992: Rank Xerox Limited 1993: Miliken European Division 1994: D2D (Design to Distribution) Ltd. 1995: Texas Instruments Europe 1996: Brisa 1997: SGS-Thomson 1998: Folgende Ö TNT United Kindom (Large Businesses) Ö Schindlerhof (Independent SMEs) Ö Beko Trading Co. (SMEs-subsidiaries)

×

1999: Folgende … Ö Yellow Pages (Large Businesses) Ö DiEU-Danish Int. Continuing Education (Independent SMEs) Ö Servitique Network Services (SMEs-subsidiaries)

×

2000: Folgende … Ö Nokia Mobile Phones (Large Business)

×

2001: Folgende …



Ö No Winner (Large Business and Business Unit) Ö DHL, Portugal, Westel GSM, Ungarn | Finalisten: u.a. Infineon (Operational Unit), SEB AG Ö Award: St Mary‘s College, Nord-Irland (Öffentliche Organisationen) Ö Award: Zahnarztpraxis, Niederdorf, Schweiz (uKMU)

Achtung: Es gab eine Namensänderung – Seit 2010 heisst der EQA EEA: European Excellence Award Der EEA bildet die Basis für die Entwicklung einer Reihe na onaler Qualitätspreise.

European Excellence Award (EEA) - 2010 erstmals verliehen, hier die EEA-Statue Adresse EEA European Excellence Awards Helios Media Square de Meeûs 37 B-1000 Brussels www.excellenceawards.eu

343

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

344

×

2002: Folgende … Ö Award: Springfarm Architectural Mouldings Ltd. (SAM), Nordirland (uKMU) Ö Ausgezeichnete: gUN & öVW: Dexia – Sofaxis, Frankreich | Bosch Sanayi ve Ticaret AS, Türkei | Customs and Tax Tegion Aarhus, Dänemark | KMU: Banc International d’Andorra – Banca Mora, Andorra | SLE, Workers Incorporated Companies Association, Spanien | Maxi SA Coco-Mat, Griechenland

×

2003: Folgende … Ö gUN & UNe: Gewinner: keiner | Preisträger: Siemens Nederland Ö UNe: Gewinner: Bosch Sanayi ve Ticaret AS, Türkei | Weitere Preisträger: Grundfos A/S, Dänemark; Solvay Martorell Site, Spanien; TNT Post Group Information Systems, UK Ö öVW: Gewinner: Runshaw College, UK | Weitere Preisträger: Kocaeli Chamber of Industry, Türkei Ö KMU: Gewinner: Maxi SA – „Coco-Mat“, Griechenland | Weitere Preisträger: Schindlerhof, Klaus Kobjoll GmbH, Deutschland; Robur SPA, Italien; Hunziker & Co. Haustechnik, Schweiz; Microdeco S.A., Spanien Ö uKMU: Gewinner: Edinburgh, International Conference Centre Limited, Schottland, UK

×

2004: Folgende … Ö gUN & UNe: Gewinner : Yell, United Kingdom | Preisträger: Siemens AG Power Transmission and Distribution, Germany Ö UNe: Preisträger: TNT Post Group Information Systems, United Kingdom, | T-Systems Development Centre South West GmbH, Germany, | T-Systems Multimedia Solutions GmbH, Germany Ö öVW: Gewinner : Kocaeli Chamber of Industry, Turkey | Preisträger: Colegio Ursulinas - Vitoria, Spain, Ö aKMU: Preisträger: EMAR Satis Sonrasi Musteri Hismetleri AS, Turkey | SKF Türk Sanayi ve Ticaret Ltd. STI, Turkey Ö uKMU: Preisträger: Fonderie del Montello SpA, Italy, | Hunziker and Co, Switzerland, | Schindlerhof Klaus Kobjoll GmbH, Germany

×

Ö gUN & UNe: Award Winner: nicht vergeben | Prize Winner: BMW Group Produktion Fahrwerk und Antriebskomponenten, Deutschland | Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge, Deutschland | Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge, Deutschland | Ö UNe: Award Winner: TNT Express Information and Communication Services, UK | Prize Winner: Siemens Automation, UK Ö öVW: Award Winner: nicht vergeben | Prize Winner: Euskalit, Spanien | Fundacion Novia Salcedo, Spanien | Hospital de Zummarraga, Spanien | Ö uKMU: Award Winner: nicht vergeben | Prize Winner: Fonderie del Montello S.p.A, Italien Ö aKMU: Award Winner: FirstPlus Financial Group plc, UK

Zu den Abkürzungen gUN = große Unternehmen, UNe = Unternehmenseinheiten,

×

öVW = öffentliche Verwaltung

2006: Folgende … Ö gUN & UNe: Award Winner: BMW Group Chassis and Driveline Systems Production, Germany | Grundfos A/S, Denmark | TNT Express GmbH, Germany | Knorr-Bremse Europe, Germany | Prize Winner: T-Systems Multimedia Solutions GmbH, Germany | General Motors Powertrain Hungary Ltd., Hungary Ö öVW & KMU: Award Winner: St Mary’s College, Northern Ireland | Prize Winner: Sociedad Cooperativa De Enseñanza Colegio Vizcaya, Spain | TNT Express Worldwide Eesti AS, Estonia | Villa Massa, Italy

uKMU = unabhängige KMU‘s, aKMU = abhängige KMU‘s,

2005: Folgende …

×

2007: Folgende …



Ö Large Scope, Private Sector: Trimo, Engineering and Production of Pre-fabricated Buildings, Slovenia, Prize Winner in Leadership Ö Small and Medium Scope, Private Sector: Villa Massa, Italy, Award Winner and

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements



Prize Winner in Partnership Development | Tobermore Concrete Products, Northern Ireland, Award Winner and Prize Winner in Results Orientation | TNT Express, Greece, Prize Winner in People Development and Involvement | OBI Baumarkt Franken, Germany, Prize Winner in Customer Focus | Siemens Standard Drives Congleton, United Kingdom, Prize Winner in People Development and Involvement Ö Small and Medium Scope, Public Sector and Not-for-Profit: The Cedar Foundation, Northern Ireland, Award Winner and Prize Winner in Customer Focus | Lauaxeta Ikastola Sociedad Cooperativa, Spain, Award Winner and Prize Winner in Management of Processes | Novia Salcedo Foundation, Spain, Prize Winner in Leadership

×

2008: Folgende …



Ö Excellence Award large scope, private industry: Bosch Sanayi ve Ticaret A.Ş. – Bursa Diesel Systems Plant, Turkey Ö Excellence Award of small & medium scope, public sector: Council for the Curriculum, Examinations and Assessment, Northern Ireland Ö Excellence Award small & medium scope, private industry: Bursagaz, Turkey

×

2009: Folgende … Ö Award Winner: 2009 wurden keine Award Winner nominiert Ö Prize Winner: Bradstow School, Großbritannien | EDF DCEL EST, Frankreich | EiTB, Spanien | NXP Sound Solutions, Österreich | Robert Bosch SAS Rodez Plant, Frankreich | St. Colmans College, Großbritannien | Volkswagen Motor Polska, Polen

×

2010: Folgende …



Ö Award Winner: 2010 wurden keine Award Winner nominiert Ö Prize Winner: VAMED-KMB, Austria | Bradstow School, UK | Eskişehir Maternity and Child Illnesses Hospital, Turkey | Stavropol State Agrarian University, Russia| Olabide Ikastola, Spain

¯ Zur Bewerbung um den EEA: Wenn sich Unternehmen für den EEA bewerben, ist zunächst ein Bewerbungsdokument von maximal 75 Seiten bei der EFQM einzureichen. Dieses Bewerbungsdokument wird von einem Prüferteam (Manager und Qualitätsspezialisten) binnen zwei Wochen einstimmig beurteilt und an ein Gremium von sieben herausragenden Persönlichkeiten als Assessoren weitergeleitet. Die Assessoren wählen aus allen Bewerbungen die Finalisten aus. Darauf folgt die Besichtigung der Betriebsstätten. Auf der Basis der dabei gewonnenen Eindrücke bestimmen die Assessoren in einem zweiten Treffen die Gewinner. Die Gewinner erhalten Qualitätsmedaillen (Quality Prizes). Mit diesen wird dokumentiert, dass sie Qualitätsmanagement als einen fundamentalen Prozess für kontinuierliche Verbesserungen in hervorragender Art und Weise praktizieren. Nun wird unter den Medaillengewinnern dem besten Unternehmen die EEAStatue (Excellence Award) dem erfolgreichstem Vertreter (Umsetzer) des TQM in Europa für ein Jahr verliehen. Die Abbildung 4.59 auf der Folgeseite zeigt den Ablauf der Vergabe des EEA. ¯ Zum EFQM Excellence Modell 2010 ÅÜberblick zum neu- EFQM-Excellence en Modell: Das erste EFQM-Modell (1989) mit der Unterbezeich- Modell 2010 nung Modell für Business Excellence wurde 1999 mit Erscheinen der neuen Version des EFQM-Modells zurückgezogen. Es wurde dann

345

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

346 Abbildung 4.59: Bewerbungsverfahren zum EEA

Unternehmen bestellen die Bewertungsbroschüre

× Potentielle Kandidaten prüfen die Zulassungskriterien für eine Bewertung

1 Prüfer 2

2

× Aufruf zu Kandidaturen der Prüfer (Persönlichkeiten aus ganz Europa) Die E.F.Q.M. wählt Prüfer zur Teilnahme an Schulungen aus

Einreichung der Dokumentation durch die Bewerber

× Bewerber schicken Bewerbungs-Dokumentation an die E.F.Q.M.

3 Bewertung durch Prüfer

4 Juroren

5 Betriebsbesuche

6 Juroren

7 E.F.Q.M-Forum

8 Feedback-Berichte

9

× Ernennung Prüferteams, Einzelprüfer nehmen Bewertung vor. Treffen des Teams zur Verständigung auf eine gemeinsame Bewertung. × Hervorragende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft werden als Juroren ernannt, die dann entscheiden, welche Bewerber besucht werden. × Ernennung des Prüferteams für die Besuche. Betriebsbesuche und Abfassung eines Endberichtes. × Juroren entscheiden über die Vergabe des European Quality Award und der Qualitätspreise

× Bekanntgabe und Überreichung des European Quality Award und der Europäischen Qualitätspreise. × Hauptprüfer erstellen Feedback-Berichte, die sämtlichen Bewerbern zugehen und ihre Stärken/ Verbesserungsbereiche identifizieren. Für jedes Kriterium werden zudem Angaben über die jeweils erzielte Bewertungsstufe gemacht.

wiederum durch eine neue Version mit der vollständigen Bezeichnung EFQM Excellence Modell für das Jahr 2003 ersetzt. Das neue EFQM 2003-Modell unterschied sich ein wenig vom Vorgängermodell. Wenn man sich mit den Details befasst, erkennt man jedoch, dass damals schon ein neues Modell entstanden ist. Es ist universell und nicht branchenspezifisch ausgeformt. Damit dokumentiert es seine Flexibilität. Wie die Abbildung 4.60 zeigt ist das heutige EFQM-Modell 2010 – bis auf begriffliche Variationen – äußerlich gleich geblieben, wurde allerdings etwas geändert, besonders was die Prozentzahlen angeht. Hinzugekommen sind die neuen Kategorien Lernen, Kreativität und Innovation, die im Regelkreiszusammenhang mit Befähiger und Ergebnisse zu sehen sind. Innovation, Kreativität und Lernen sind als Systembegriffe auf alle Kategorien des Modells anzuwenden. Im ge-

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

347

Abbildung 4.60: EFQM-ExcellenceModell 2010 Basisannahme: Prinzipieller interdependenter Zusammenhang

Prozesse

Mitarbeiter Befähiger [50%] Führung

10%

Ergebnisse Ergebnisse [50%]

Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter

Prozesse, Produkte & Dienstleistungen

Mitarbeiterbezogene Ergebnisse

Schlüsselergebnisse

10%

10%

Strategie

Kundenbezogene Ergebnisse

10%

15%

Partnerschaften & Ressourcen

Gesellschaftsbezogene Ergebnisse

10%

10%

10%

15%

Lernen, Kreativität und Innovation

Führung Führungskräfte entwickeln die Vision, Mission, Werte und moralischen Grundsätze und sind Vorbilder …

Mitarbeiter … Das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter werden entwickel. Mitarbeiter agieren abgestimmt, …

Strategie Strategie beruht auf dem Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Interessengruppen und dem externen Umfeld. …

Partnerschaften & Ressourcen Partnerschaften, Lieferanten und eigene Ressourcen werden für nachhaltigen Nutzen gemanagt. …

Prozesse, Produkte & Dienstleistungen Prozesse, Produkte & Dienstleistungen entwerfen, managen und verbessern, um Wertschöpfung für Kunden und andere Interessengruppen zu generieren …

Kundenbezogene Ergebnisse Basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden ein Set von Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen entwickeln …

Mitarbeiterbezogene Ergebnisse Basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen der Mitarbeiter ein Set von Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen entwickeln …

Gesellschaftsbezogene Ergebnisse Basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen aller relevanten internen und externen Interessengruppen ein Set von Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen entwickeln …

Schlüsselergebnisse Basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen der relevanten Interessengruppen ein Set von finanziellen und nicht-finanziellen Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen entwickeln …

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

348

Abbildung 4.61: EFQM-Modell 2010 verbalisiert

samten Modellzyklus sind damit innovative und kreative Lern-Prozesse anzuwenden. Damit steht die Organisation als Ganze in einem ständigen Innovations-, Neuschöpfungs- und Lernprozess, der als kontinuierlicher Verbesserungsprozess zu bewerten ist. Die Erweiterung der Kategorie Ressourcen um den Begriff Partnerschaft zu Partnerschaften und Ressourcen ist eine wesentliche Neuerung der Fassung aus dem Jahr 2003. Ergebnisse sind auf die Schlüsselleistungen Mitarbeiter, Kunden und Gesellschaft ausgerichtet. Die mittlere Kategorie Prozesse wurde im Modell 2010 erweitert um Produkte und Dienstleistungen. Wie bereits erläutert bildet das Modell mit seinen Unterkriterien die Bewertungsgrundlage für das Selbst-Assessment für den European Quality Award (EQA), neu seit 2010: European Excellence Award (EEA). Aufgrund dieser Funktion ist es hauptsächlich als Bewertungsmodell und weniger als allgemeines Managementmodell zu verstehen. Dabei ist das Modell in seinem Aufbau nicht direkt auf Total Quality Management bezogen, erst die Kombination mit den Subkriterien schafft die Verbindung dazu. Dazu ein Beispiel: Das Kriterium 1 bezieht sich allgemein auf die Führung, was nicht typisch für TQM ist. Erst der weiter erläuternde Text verbindet die Führung mit TQM: „Das Verhalten aller Manager, um das Unternehmen zu umfassender Exzellenz zu führen“ (EFQM 1999, 10). Die Grundstruktur des ersten EFQM-Modells (1989) ist – trotz der genannten Änderungen – auch in dieser 1999er-Fassung aufgehoben. Sie geht wohl auf den starken Einfluss des italienischen TQMExperten Tito Conti zurück, dessen Werk inzwischen in deutscher Übersetzung vorliegt (Conti 1982 und Conti 1999). Wie Abbildung 4.60 und ausformuliert verbalisiert Abbildung 4.61 zeigt, werden sog. Enablers oder Potentialfaktoren (Befähiger) und Ergebnisse (Results) unterschieden. Durch eine anhaltende Einbindung aller Mitarbeiter und die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse sollen bessere Ergebnisse erreicht werden. Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings,

Befähiger [50%] Die Führung wirkt, indem sie die Prinzipien des organisatorischen Lernens, kontinuierlichen Verbesserns und des Kreativitäts- & Innovationsmanagements gezielt verfolgt…

Ergebnisse [50%] … unter Einbeziehung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … … mit Hilfe einer qualitätsorientierten Strategie …

… sowie geeigneten Partnerschaften & Ressourcen…

… durch definierte und festgelegte Prozesse über wohldefinierte Produkte (materieller und immaterieller Art)…

… die Kompetenz und Zufriedenheit der Mitarbeiter …

… um langfristigen Geschäftserfolg zu erzielen.

… die Zufriedenheit der Kunden…

… und gesellschaftliche Verantwortungsbereiche ein, …

Lernen, Kreativität und Innovation

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

dass es sich hier um eine Struktur handelt, die sich in vielen anderen Ansätzen wiederfindet (z.B. im Kaizen). Originär ist die Ausdifferenzierung in insgesamt neun Faktoren, fünf Enablers und vier Results. Insgesamt kann man sagen: Führung, Mitarbeiterorientierung, Politik & Strategie und Ressourcen liefern den strukturellen und humanen Input, der über Prozesse transformiert wird, um so zu einem Ergebnis zu kommen, bei dem wesentliche Stakeholder einbezogen sind, hier in Form von Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit, Gesellschaftlicher Verantwortung/Image und Geschäftsergebnissen gewichtet. ¯ Änderungen in den Unterkriterien seit 1999: Gerade auf der Be- Was hat sich geänfähiger-Seite sind einige Änderungen vorgenommen worden (In An- dert seit 1999? lehnung an die folgende URL-Adresse: http://www.efqm.de/efqm/ modell2000-3.html): × Befähiger-Kriterien: Bei den Teilkriterien sind drei Gesichtspunkte erwähnenswert. Der erste wesentliche Punkt ist, dass es die Teilkriterien nach wie vor gibt, d.h. dass man auf die ursprüngliche Absicht, die Teilkriterien entfallen zu lassen, verzichtet hat. Die Teilkriterien sind jetzt jedoch als Sollte-Kriterien (should) angesprochen, d.h. sie müssen nicht zwingend behandelt werden. Bisher verlangten die Teilkriterien, dass „…ein Nachweis erbracht werden mußte bzw. aufgezeigt werden mußte, wie die Organisation …“. Aber es ist wohl davon auszugehen, dass die Nichtbehandlung eines Kriteriums eine entsprechende Erklärung und Begründung beinhalten muss, was auch bisher schon der Fall war. Die dritte Änderung beinhaltet die Ansprechgebiete, die als solche nicht mehr ausdrücklich bezeichnet werden, sondern ebenfalls in eine weniger vorschreibende Form gebracht wurden, indem zum jeweiligen Teilkriterium gesagt wird, dass folgendes angeführt werden könne (may). Damit wird eine offenere Anwendungsweise des Modells möglich, indem der Vorschriftencharakter nochmals zurückgenommen wurde und damit noch mehr eigene Entfaltungsmöglichkeit in der Darstellung und Behandlung der Unterkriterien zulässt. Der Aufbau von Kriterien und Teilkriterien ist im Prinzip erhalten geblieben, wobei bei der Bewertung jetzt das Radarprinzip (siehe hier später) als anders strukturierte Vorgehensweise einbezogen ist. × Ergebnis-Kriterien: Bei den Ergebniskriterien wird naturgemäß danach gefragt, was die Organisation erreicht hat, immer in bezug auf das entsprechende Befähiger-Kriterium. Die Änderungen in den Ergebniskriterien sind minimal; nach wie vor bleibt es bei durchgängig zwei Teilkriterien, die sich in Messung von Wahrnehmungen und Leistungsfähigkeits-Indikatoren auftei-

349

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

350

Exzellenz opera onalisieren – Wie fängt man das an?

len. Bei den angesprochenen Gebieten handelt es sich wieder um eine Auflistung von Beispielen, die angesprochen werden können. ¯ Zur Operationalisierung von Exzellenz im Europäischen Exzellenz-Modell (EFQM-Modell): In Abbildung 4.62 ist der Versuch unternommen worden das heute sogenannte EFQM-Exzellenz-Modell 2010 der EFQM zu rekonstruieren (Abbildung 4.60 und 4.61). Die Rekonstruktion erfolgte auf Basis sprachlicher Klarstellungen. Exzellenz wird als Systembegriff aufgefasst: Exzellenz der Organisation. Es stellt sich die Frage, wie die Befähigung zur Exzellenz (excellence capability) erreicht werden kann. Wann ist eine Organisation Exzellenzfähig? Hierzu sind Indikatoren, Kriterien, Dimensionen zu entwickeln, die von jeder Organisation verfolgt werden können. Dimensionen oder (wie die EFQM sagt) Grundkonzepte der Exzellenze lassen sich benennen, wenn man die Praxis von erfolgreichen Organisationen betrachtet. Von überragenden Praktiken in der Führung einer Organisation ist die Rede. Die Ausarbeitung und in einen systematischen Zusammenhang gestellten Elemente sind dann als das Sys-tem der Exzellenz der Organisation zu bezeichnen. Dieses System der Exzellenz kann als Modell beschrieben werden, das EFQMExzellenz-Modell, das die Basis für den Europäischen Exzellenzpreis bildet. Sicherlich wären auch andere Modellkonfigurationen möglich. Das Thema gehört in die Managementlehre zum strategischen Management. So könnten einem Experten die gewählten Dimensionen auffallen, die keinesfalls auf einer theoretischen Ebene angesiedelt sind. Doch wenn man ins Kalkül zieht, dass es sich ja um ein Bewertungsmodell handelt, macht die Kategorisierung Sinn. Das sich ein Modell immer wieder wandelt und gewandelt werden kann, zeigt die Praxis. Es gab bisher vier Modellrevisionen, von denen die letzte im Jahr 2010 durchgeführt wurde. Das EFQM-Exzellenz-Modell 2010 ist somit Gegenstand der folgenden Betrachtung. Ob die gewählten neun Dimensionen (Grundkonzepte) hinreichend bestimmt worden sind, wäre Gegenstand einer Prüfung, die ihrerseits Prüfkriterien entwickeln müsste.

Business-Exzellenz-Modell „Ein Business-Excellence-Modell stellt in erster Linie sicher, dass alle wesentlichen Input- und Output-Faktoren erfasst und zweckmäßig gemessen werden. Diese Indikatoren allein ergeben jedoch noch keine gute Unternehmensqualität: Erst der Wille, aufgrund dieser Indikatoren entsprechende Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen einzuführen und deren Wirkung sorgfäl g zu überwachen stellt sicher, dass sich für das Unternehmen ein Erfolg einstellen wird.“ ( Fahrni, F.: Unternehmensqualität als dauerha er Vorsprung. In: GDI Impuls, Winter 2007, 45)

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Exzellenz (engl. excellence)

Explikation des Begriffs als zu operationalisierendes Konzept im Qualitätsmanagement

Der Begriff Exzellenz (von lateinisch excellere = hervorragen/excellens = hervorragend, vorzüglich, vortrefflich, ausgezeichnet, herrlich) bezeichnet – neben der formalen Anrede einer besonderen Person gegenüber („Seine Exzellenz“) – eine herausragende Qualität. Ein Produkt kann folglich exzellent sein, sich durch besondere Qualitätsmerkmale und/oder deren Ausprägungen auszeichnen. Ein Essen in einem Restaurant mag man zutreffend als exzellent bezeichnen, ebenfalls eine Dienstleistung, die exzellent erbracht wurde. Doch die Produktebene – wie angemessen man den Begriff hier auch anzuwenden vermag – ist nicht im Visier. Exzellenz ist ein Systembegriff, dessen Bezugspunkt die Organisation ist. Es muss heißen „Exzellenz einer Organisation“. Organisationen werden immer dann als exzellente Organisationen angesehen, wenn überragende Praktiken in der Führung und beim Erzielen von Ergebnissen mit Hilfe bestimmter Grundkonzepte eingesetzt werden. Zu solchen Grundkonzepten zählen die Modelle, deren Anwendung Exzellenz erwarten lässt, also alle Elemente, die in den Award-Modellen, wie der amerikanische Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA), das dem Deming Prize zugrundeliegende Modell oder das sog. EFQM-Exzellenz-Modell, auf den sich der EEA bezieht, zum Tragen kommen. Die Definition von Exzellenz lautet in unserem Kontext folglich: Überragende Praktiken in der Führung einer Organisation und beim Erzielen von Ergebnissen, basierend auf den Grundkonzepten der Exzellenz. Grundkonzepte der Exzellenz sind die Elemente der zentralen und nachweislich bewährten Grundsätze, auf denen in diesem Fall das EFQM-Exzellenz-Modell beruht.

Operationalisierung: Im ersten Schritt Dimensionen bestimmen, im zweiten Schritt Modell entwickeln

Zur Operationalierung bedarf es der Bestimmung der Grundkonzepte, also der Dimensionen des Begriffs. Diese Dimensionen haben sich seit 1989 immer wieder geändert. Bis heute lässt die Schärfe der Definitionen sehr zu wünschen. Was das Problem aufwirft, dass die Organisationen, die ja auf dieser Basis bewertet wurden, wohl recht unterschiedliche Auffassungen umgesetzt haben. Erstmals im EFQM-Modell 2010 bemüht man sich um mehr begriffliche Schärfe und Modell-Stringenz. Neun Grundkonzepte werden bestimmt, die dann im zweiten Schritt im EFQM-Exzellenz-Modell zusammengeführt werden: (1) Führung (2) Strategie (3) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (4) Partnerschaften und Ressourcen (5) Prozesse, Produkte, Dienstleistungen (6) Kundenbezogene Ergebnisse (7) Mitarbeiterbezogene Ergebnisse (8) Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (9) Schlüsselergebnisse

Abbildung 4.62Á: Exzellenz – Opera onalisiert im EFQM-ExcellenceModell 2010

Leadership Strategy People Partnerships & Resources Processes, Products and Services Customer Results People Results Society Results Key Results

351

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

352 Abbildung 4.63 Å: Informa onen zur EFQM und zum EFQM-ExcellenceModell 2010

EFQM-European Foundation for Quality Management Die EFQM, eine europäische Stiftung namhafter Industrieunternehmen, wurde 1988 zur Förderung des umfassenden Qualitätsmanagements (TQM) gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe gestellt, das Management europäischer Unternehmen bei der Beschleunigung und Steigerung des Prozesses zu unterstützen, durch den Qualität zu einer entscheidenden Einflussgröße für das Erreichen eines weltweiten Wettbewerbsvorteils wird. Des weiteren verfolgt sie das Ziel alle Bereiche der Europäischen Gemeinschaft dazu zu ermuntern und dabei zu unterstützen, an Qualitätsverbesserungs-Maßnahmen mitzuwirken und eine qualitätsbezogene Organisationskultur zu fördern. Zur Erreichung dieser Zielsetzungen vergibt die EFQM jährlich Europäische Qualitätspreise (European Excellence Award – EEA). Sie zeichnet damit Organisationen aus, die den Nachweis erbringen, dass ihr Vorgehen zur Verwirklichung von TQM einen beträchtlichen Beitrag zur Erfüllung der Erwartungen von Anteilseignern, Kunden, Mitarbeitern und anderen Interessengruppen erbracht hat. Grundlage der Bewertung ist das Europäische Exzellenz-Modell. Adresse EFQM-European Foundation for Quality Management Brussels Representative Office Avenue des Olympiades 2 1140 Brussels BELGIUM Tel.: 0032/2/77535-11 Fax: 0032/2/77535-35 Email: [email protected] URL: http://www.efqm.org Das Deutsche EFQM Center (DEC) ist eine Interessenvereinigung deutscher Unternehmen und öffentlicher Einrichtungen, die Mitglied der EFQM (Brüssel) sind und deren Vertreter an der Förderung einer modernen Managementphilosophie in Deutschland als Mittel zur Stärkung im weltweiten Wettbewerb zusammenarbeiten wollen. Das Deutsche EFQM Center ist die von der EFQM (Brüssel) anerkannte Nationale Partnerorganisation (NPO) der EFQM und setzt deren Rahmenrichtlinien in Deutschland um. Leiter des DEC ist derzeit Adresse Deutsches EFQM Center (DEC) c/o DGQ e.V. August-Schanz-Str. 21a 60433 Frankfurt am Main Allemagne Telefon: 069/95424-114 Fax: 069/95424-222 Email: [email protected] URL: http://www.dgq.de/wid/excellence-center.htm

Levels of Excellence Neu im EFQM-Modell – Levels of Excellence: Basierend auf dem EFQM-Modell für Excellence vergibt die EFQM bereits für den ersten Schri zur Excellence eine Urkunde auf der untersten Stufe Commi ed to Excellence ihres Programms Levels of Excellence – Stufen der Excellence. Erfolgreiche Absolventen von Commi ed to Excellence müssen eine erste Selbstbewertung nach dem EFQM-Modell durchgeführt, daraus Stärken und Verbesserungspotenziale abgeleitet und für mindestens drei relevante Verbesserungspotenziale Maßnahmenpläne entwickelt und umgesetzt haben. Die Bewertung wird von einem sogenannten Validator, der von EFQM oder NPO eigens für diese Aufgabe nach EFQM-Vorgaben ausgebildet wurde, aufgrund der eingereichten Unterlagen und eines Vor-Ort-Besuchs vorgenommen. Kostenrahmen der Bewerbung über das Deutsche EFQM Center: EURO 4.000 + MWSt.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

¯ Die Kriterien (Grundkonzepte) des EFQM-Exzellenz-Modells Im folgenden werden die Kriterien und Unterkriterien des EFQMExzellenz-Modells inhaltlich beschrieben. Die Beschreibungen folgen größtenteils dem Wortlaut der aktuellen Schrift der EFQM zum Excellence-Modell 2010 (EFQM 2009, 16ff ) bis zu den Teilkriterien, um Fehlinterpretationen auszuschließen. Die den Teilkriterien zugeordneten sog. Ansatzpunkte müssen aus der genannten Schrift, die auch eine englische Version enthält, extrahiert werden:

„Die Teilkriterien ihrerseits werden näher erläutert durch die Ansatzpunkte. Diese sind in den meisten Fällen direkt mit den Grundkonzepten verknüp .“ (EFQM 2009, 15)

Die Befähiger-Kriterien beschä igen  Führung (Leadership) (10%) sich damit, was Exzellente Organisationen haben Führungskräfte, die die Zukunft eine Organisa on konsequent gestalten und verwirklichen. Sie agieren als Vorbilder für tut. Werte und Moral und schaffen kontinuierlich Vertrauen. Sie sind flexibel und ermöglichen der Organisation, vorausschauend zu agieren Führung und rechtzeitig zu reagieren, um anhaltenden Erfolg der Organisation zu gewährleisten. – Durch fünf Teilkriterien wird Führung stärker differenziert: a Führungskräfte entwickeln die Vision, Mission, Werte und ethischen Grundsätze und sind Vorbilder. b Führungskräfte definieren, überprüfen und verbessern das Managementsystem und die Leistung der Organisation. c Führungskräfte befassen sich persönlich mit externen Interessengruppen. d Führungskräfte stärken zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Organisation eine Kultur der Excellence. e Führungskräfte gewährleisten, dass die Organisation flexibel ist und Veränderungen effektiv gemanagt werden.

࣠ Enabler oder Befähiger (50%): fünf Befähiger-Kriterien

 Strategie (Strategy) (10%) Exzellente Organisationen verwirklichen ihre Mission und Vision, indem sie eine auf die Interessengruppen ausgerichtete Strategie entwickeln. Leitlinien, Pläne, Zielsetzungen und Prozesse werden entwickelt und umgesetzt, um diese Strategie zu realisieren. – Die EFQM differenziert fünf Teilkriterien: a Die Strategie beruht auf dem Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Interessengruppen und des externen Umfelds. b Die Strategie beruht auf dem Verständnis der eigenen Leistungen und Fertigkeiten. c Die Strategie und unterstützende Leitlinie werden entwickelt, überprüft und aktualisiert, um ökonomische, gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen.

Strategie Strategiebegriff der EFQM: Strategie wird definiert als Planungen der Unternehmensführung, die die Wege beschreiben, mit denen eine Organisa on ihre Mission und Vision zu erreichen beabsich gt.

353

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

354

d Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Partnerscha en und Ressourcen

Die Strategie und die unterstützende Leitlinien werden kommuniziert und durch Pläne, Prozesse und Zielsetzungen umgesetzt.

 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (People) (10%) Exzellente Organisationen achten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wertschätzen sie – und schaffen eine Kultur, die es erlaubt, wechselseitig nützliche Ziele für die Organisation und für die Menschen zu erreichen. Sie entwickeln die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und fördern Fairness und Gleichberechtigung. Sie kümmern sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie kommunizieren, belohnen und erkennen in einer Art an, die Menschen motiviert, Engagement fördert und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzt, ihr Können und ihr Wissen zum Wohl der Organisation einzusetzen. – Die EFQM differenziert nach fünf Teilkriterien: a Personalpläne unterstützen die Strategie der Organisation. b Das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entwickelt. c Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handeln abgestimmt, werden eingebunden und zu selbständigem Handeln ermächtigt. d Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunizieren wirkungsvoll in der gesamten Organisation. e Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden belohnt, anerkannt und betreut.  Partnerschaften und Ressourcen (Partnerships & Resources) (10 %) Exzellente Organisationen planen und steuern externe Partnerschaften, Lieferanten und eigene Ressourcen, um die Strategie und Leitlinien sowie die wirkungsvolle Durchführung von Prozessen zu unterstützen. Sie gewährleisten, dass sie ihren Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft wirksam steuern.. – Die EFQM differenziert nach fünf Teilkriterien: a Partner und Lieferanten werden zu nachhaltigem Nutzen gemanagt. b Finanzen werden zum nachhaltigen Erfolg gemanagt. c Gebäude, Sachmittel und Material werden zur Unterstützung der Strategie nachhaltig gemanagt. d Technologie wird gemanagt, um die Realisierung der Strategie zu unterstützen. e Informationen und Wissen werden gemanagt, um die effektive Entscheidungsfindung zu unterstützen und um die Fähigkeiten der Organisation aufzubauen.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

 Prozesse, Produkte & Dienstleistungen (Processes, Products and Services) (10%) Exzellente Organisationen entwerfen, managen und verbessern Prozesse, Produkte und Dienstleistungen um Wertschöpfung für Kunden und andere Interessengruppen zu generieren. – Die EFQM differenziert nach fünf Teilkriterien: a Prozesse werden entwickelt und gemanagt, um den Nutzen für die Interessengruppen zu optimieren. b Produkte und Dienstleistungen werden entwickelt ,um optimale Werte für Kunden zu schaffen. c Produkte und Dienstleistungen werden effektiv beworben und vermarktet. d Produkte werden erstellt, geliefert und gemanagt, um den laufenden Erfolg der Organisation zu sichern. e Kundenbeziehungen werden gemanagt und vertieft. ࣠ Results oder Ergebnisse (50 %): vier Ergebnis-Kriterien

Prozesse, Produkte & Dienstleistungen Prozessbegriff der EFQM: Prozess ist ein Satz zusammenhängender Ak vitäten, bei denen der Output einer Ak vität zum Input für eine andere Ak vität wird. Prozesse erbringen Wertschöpfung, indem sie aus definierten Inputs definierte Outputs erzeugen und dabei auf Ressourcen zurückgreifen.

Die Ergebnis-Kriterien beschäftigen  Kundenbezogene Ergebnisse (Customer Results) (15%) sich damit, welche Exzellente Organisationen: Ergebnisse eine Or࣠ Entwickeln und vereinbaren ein Set von Leistungsindikatoren ganisation erzielt. und damit verbundenen Ergebnismessgrößen, um die erfolgreiche Umsetzung ihrer Strategie und der unterstützenden Vorge- Kundenbezogene hensweisen zu bestimmen, basierend auf den Bedürfnissen und Ergebnisse Erwartungen ihrer Kunden. ࣠ Setzen klare Ziele für Schlüsselergebnisse sowohl basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Kunden als auch im Einklang mit ihrer gewählten Strategie. ࣠ Zeigen positive Trends oder anhaltend gute Kundenbezogene Ergebnisse über die letzten drei Jahre. ࣠ Verstehen die zugrunde liegenden Ursachen und Treiber der beobachteten Trends und die Auswirkung, die diese Ergebnisse auf andere Kennzahlen und verbundene Ergebnisse haben. ࣠ Antizipieren zukünftige Leistung und Ergebnisse. ࣠ Verstehen, wie die Schlüsselergebnisse, die sie erzielen, im Vergleich zu ähnlichen Organisationen liegen und verwenden diese Daten, falls relevant, um eigene Ziele zu setzen. ࣠ Segmentieren Ergebnisse, um die Erfahrungen, Bedürfnisse und Erwartungen spezifischer Kundengruppen zu verstehen.. Die EFQM differenziert nach zwei Teilkriterien: a Wahrnehmungen b Leistungsindikatoren.

355

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

356 Mitarbeiterbezogene Ergebnisse

Gesellscha sbezogene Ergebnisse

 Mitarbeiterbezogene Ergebnisse (People Results) (10%) Exzellente Organisationen: ࣠ Entwickeln und vereinbaren, basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein Set von Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen, um die erfolgreiche Umsetzung ihrer Strategie und der unterstützenden Vorgehensweisen zu bestimmen. ࣠ Setzen klare Ziele für Schlüsselergebnisse sowohl basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als auch im Einklang mit ihrer gewählten Strategie. ࣠ Zeigen positive Trends oder anhaltend gute Mitarbeiterbezogene Ergebnisse über die letzten drei Jahre. ࣠ Verstehen die zugrunde liegenden Ursachen und Treiber der beobachteten Trends und die Auswirkung, die diese Ergebnisse auf andere Kennzahlen und verbundene Ergebnisse haben. ࣠ Antizipieren zukünftige Leistung und Ergebnisse. ࣠ Verstehen, wie die Schlüsselergebnisse, die sie erzielen, im Vergleich zu ähnlichen Organisationen liegen und verwenden diese Daten, falls relevant, um eigene Ziele zu setzen. ࣠ Segmentieren Ergebnisse, um die Bedürfnisse und Erwartungen spezifischer Gruppen innerhalb der Organisation zu verstehen. Die EFQM differenziert nach zwei Teilkriterien: a Wahrnehmungen b Leistungsindikatoren.

Gesellschaftsbezogene Ergebnisse (Society Results) (10%) Exzellente Organisationen: ࣠ Entwickeln und vereinbaren ein Set von Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen, um die erfolgreiche Umsetzung ihrer umfeldbezogenen, gesellschaftlichen und ökologischen Strategie und der unterstützenden Leitlinien zu bestimmen, basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen aller weiteren relevanten externen Interessengruppen. ࣠ Setzen klare Ziele für Schlüsselergebnisse sowohl basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer weiteren externen Interessengruppen, als auch im Einklang mit ihrer gewählten Strategie. ࣠ Zeigen positive Trends oder anhaltend gute gesellschaftsbezogene Ergebnisse über die letzten drei Jahre. ࣠ Verstehen die zugrunde liegenden Ursachen und Treiber der beobachteten Trends und die Auswirkung, die diese Ergebnisse auf andere Kennzahlen und verbundene Ergebnisse haben. ࣠ Antizipieren zukünftige Leistung und Ergebnisse.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Verstehen, wie die Schlüsselergebnisse, die sie erzielen, im Vergleich zu ähnlichen Organisationen liegen und verwenden diese Daten, falls relevant, um eigene Ziele zu setzen. ࣠ Segmentieren Ergebnisse, um die Erfahrungen, Bedürfnisse und Erwartungen aller weiteren Interessengruppen aus dem Umfeld und der Gesellschaft zu verstehen. Die EFQM differenziert nach zwei Teilkriterien: a Wahrnehmungen b Leistungsindikatoren. ࣠

Schlüsselergebnisse (Key Results) (15%) Exzellente Organisationen: ࣠ Entwickeln und vereinbaren ein Set von finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren und damit verbundenen Ergebnismessgrößen um die erfoglreiche Umsetzung ihrer Strategie zu bestimmen, basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen der relevanten Interessengruppen. ࣠ Setzen klare Ziele für Schlüsselergebnisse sowohl basierend auf den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer relevanten Interessengruppen, als auch im Einklang mit ihrer gewählten Strategie. ࣠ Zeigen positive Trends oder anhaltend gute Schlüsselergebnisse über die letzten drei Jahre. ࣠ Verstehen die zugrunde liegenden Ursachen und Treiber der beobachteten Trends und die Auswirkung, die diese Ergebnisse auf andere Kennzahlen und verbundene Ergebnisse haben. ࣠ Antizipieren zukünftige Leistung und Ergebnisse. ࣠ Verstehen, wie die Schlüsselergebnisse, die sie erzielen, im Vergleich zu ähnlichen Organisationen liegen und verwenden diese Daten, falls relevant, um eigene Ziele zu setzen. ࣠ Segmentieren Ergebnisse, um die Leistungsniveaus und strategischen Ergebnisse, die innerhalb bestimmter Bereiche der Organisation erzielt werden, zu verstehen. Die EFQM differenziert nach zwei Teilkriterien: a Erfolgsmessgrößen b Schlüsselleistungsindikatoren. — Bewerten mit Radar: Neu ist die Einführung des RADAR-Prinzips nicht. Doch es hat sich die Vorgehensweise geändert: Das Wort RADAR ist eine Akronym für die englischen Bezeichnungen Results, Approach, Deployment sowie Assessment und Review, woraus sich die einprägsame Abkürzung ergibt. Wenn man versucht im Deutschen den RADAR-Begriff beizubehalten, wären am ehesten die folgenden Bezeichnungen zu verwenden:

Schlüsselergebnisse

Anmerkung: Die Schlüsselergebnisse für Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Gesellschaft werden in den Kriterien 6, 7 und 8 abgedeckt.

Das Radar-System des EFQM ist das Bewertungssystem, nach dem die Einzelbewertungskriterien in Punktzahlen umgerechnet werden. Maximal können 100%, in Promille also 1.000 Punkte erzielt werden. Erreichte Werte haben 750 Punkte bisher nicht überschri en.

357

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

358 Abbildung 4.64 Å: Die PDCA-Technik der Kon nuierlichen Verbesserung im Modell durch Einführung der RADARBewertung

Lege beabsichtigte Ergebnisse fest (Results)

R Bewerte Vorgehen und Umsetzung (Assessment and Review)

A

R

C

P D

A

Plane und entwickle Vorgehensweise (Approach)

D Setze Vorgehen um (Deployment)

R = Results A = Approach D = Deployment A = Assessment and R = Review

Abbildung 4.65: Die Bewertungsbasis von RADAR Ë

Resultate Results Annäherung Approach Durchführung Deployment Abschätzung und Assessment and Review Review Es wird sich zeigen welche Bezeichnungen sich durchsetzen. Gleichzeitig folgt die Bewertung einer internen PDCA-Logik (Deming Circle – s. Abb. 4.64 und 4.65). Diese Logik sei anhand des neuen Modells wie folgt erläutert. Sie beinhaltet, dass „eine Organisation: × die Ergebnisse (Results – R esultate) festlegt, die sie mit Hilfe ihrer Politik und Strategie erreichen will. Diese Ergebnisse decken die Leistung der Organisation sowohl finanziell als operativ ab und erfassen die Wahrnehmung der Interessengruppen; × ein Netz von Vorgehensweisen (Approach – A nnäherung) plant und entwickelt, um die erforderlichen Ergebnisse jetzt und in der Zukunft zu erreichen; × × × × ×

R

A

D

AR

(Results) Ergebnisse

(Approach) Vorgehen

(Deployment) Umsetzung

(Assessment & Review) Bewertung & Review

Maß für die Exzellenz der Organisation bei der Schaffung von Wert für die Interessengruppen

Bezieht sich auf die strategische Planungsphase der Organisation

Stellt die Umsetzung des Vorgehens in Fakten dar

Systematisches Bewerten, Lernen und Verbessern

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

die Umsetzung (Deployment – Durchführung) der Vorgehensweise systematisch vornimmt, um eine volle Einführung zu erreichen; × eine Beurteilung und Review (Assessment and Review - Abschätzung und Review) der Vorgehensweise anschließt, basierend auf Beobachtung und Analyse der erzielten Resultate und aufgrund fortwährender Lernvorgänge. Hierauf basierend werden Verbesserungen identifiziert, priorisiert, geplant und eingeführt.“ (Quelle: http://www.efqm.de/efqm/model20003-html-abgerufen am 11.05.2009) — Vorschläge und Einwände zum EFQM-Modell: Rolf Wunderer hat in der Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen des ersten Modells der EFQM ein alternatives EFQM-Modell 2001 vorgeschlagen (Wunderer 2001, 192-197). Der Vorschlag ist bei den Revisionen der EFQM unzureichend oder gar nicht berücksichtigt worden. Interessant sind die Kritikpunkte (Nachteile), die von Wunderer gegenüber dem ersten EFQM-Modell vorgebracht wurden (Wunderer 2001, 192-193): × „Da das Modell ein geschlossenes System darstellt, verleitet es den Benutzer zu einer unreflektierten Anwendung. Der Benutzer beschränkt daher möglicherweise seine Analyse auf die neun Komponenten und die 33 Subkriterien, die jeweils durch drei bis sieben Indikatoren gemessen werden. × Erstaunlicherweise wird die Unternehmenskultur (Organisationskultur) nur in den Unterkriterien der Komponenten Führung und Politik & Strategie erwähnt, anstatt ihr eine eigene Komponente zuzuweisen. × Der Faktor Organisation ist nur indirekt über die Prozesse eingeschlossen (Prozessorganisation). Ebenso kann ihm auch eine eigene Komponente zugewiesen werden. × Das Konzept vernachlässigt die langfristige Beurteilung der Ergebnisse, was besonders für qualitative Veränderungen wichtig wäre. Ihr Assessment könnte einfach in den einzelnen Komponenten ergänzt werden. Das gilt auch für die Beurteilung der Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens, auch wenn sie indirekt über Kundenzufriedenheit und Prozesse bewertet werden. ×

খ Kri k am EFQMModell

Einwände von Rolf Wunderer zum EFQM-Modell

RADAR-Modell: Funk onsweise So läu die Bewertung ab: Entsprechend dem RADAR-Modell entscheiden die Unternehmen selbst über Relevanz und Umfang der zu erhebenden Daten. Danach prüfen die Assessoren des EFQM-Modells die Integrität der Daten: Fragestellungen können sein, wie genau und sorgfäl g und wie häufig die Daten im Unternehmen erhoben wurden. Schließlich verifizieren die Assessoren, ob die Daten angemessen segmen ert wurden (z.B. bezüglich der Standorte, Abteilungen, der Führungskrä e und Mitarbeiter etc.). Erst im 2. Schri leiten die Assessoren daraus Aussagen über die Leistungsfähigkeit der Organisa on ab, indem sie die Daten nach Trends, Zielen (für Schlüsselkennzahlen), Vergleichen und Ursachen auswerten.

359

360

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

Das Punkteverteilungsmodell ist willkürlich und betont die Ergebnisse mit 50 % übergebührlich. Für die Verwendung innerhalb des EEA ist dies akzeptabel, allerdings nicht für eine allgemeines Managementmodell. × Die Prozessdimension sollte mehr systematisch ausgearbeitet werden, wenn man das zugrundeliegende Input-ThroughputOutput-Konzept berücksichtigt. Daher sollte es von dem Befähigerteil klar getrennt werden. × Die Größe des Assessments kann für kleine Geschäftseinheiten oder kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu komplex werden. Dies gilt auch für die neue Version des Europäischen Modells für KMU, da das KMU-Modell das bisherige Modell nur kondensiert, ohne das Modell selbst zu vereinfachen. × Während die Empfehlungen für die Bewertung sehr differenziert und detailliert sind, fehlen Vorschläge für die Implementation. Wegen der Wichtigkeit der Implementierungsfragen sollte jedoch ein umfassendes Konzept ausgearbeitet werden, um das organisationale Lernen und den Entwicklungsprozess zu unterstützen.“ Das sog. Wunderer-Modell (EFQM-Modell 2001) rüttelt denn auch an den Begriffssystematik und fragt, ob die Über- und Unterordnung der zentralen Begriffe nicht anders gelöst werden sollte. An der konstruktiven Kritik wird deutlich, dass sich die Diskrepanz zwischen einem Praktiker-Modell und dem von Rolf Wunderer priorisierten wissenschaftlich geleiteten Managementmodell wohl so kaum lösen lässt, es sei denn, man schafft auf der Folie eines nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelten Managementmodells ein abgeleitetes Modell für die Praxis, in dem auch die Implementierungsperspektive integriert ist. Das scheint im Augenblick kaum denkbar, da die Managementtheoretiker und die sog. Qualitätsingenieure zwei verschiedenen Kulturen angehören und ein Dialog nicht erkennbar ist. E. Göbel setzt bei ihrer Kritik am neuen EFQM-Modell bei den im Modell als zentral angesehenen Prozessen an (Göbel 2001, 227): „In dem europäischen TQM-Modell nehmen die Prozesse eine zentrale Stellung ein. Sie verbinden die Mitarbeiter und die Kunden. Mitarbeiterorientierung soll dazu beitragen, dass das Wollen und Können der Mitarbeiter in die Prozesse einfließt. Die Prozesse sollen dann als Output gute Ergebnisse für die Kunden und die Mitarbeiter sowie ein gutes Image in der Gesellschaft erzeugen. Durch die Qualität der Prozesse wird letztlich die Qualität der Unternehmensleistung determiniert. Prozessorientierung gilt daher auch neben der Mitarbeiter- und Kundenorientierung als dritte Säule des TQM. … Was bedeutet Prozessorientierung eigentlich?“ ×

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

In Anknüpfung an die ›Wertkette‹ Porters durchdenkt sie die Modellkonstruktion der EFQM. Sie folgert aus der zentralen Stellung der Prozesse im Modell, dass sich deutliche Ansatzpunkte des Prozessdenkens auch in den anderen acht Kriterien finden lassen müssten. Größtenteils ist das nachvollziehbar nicht der Fall, weshalb sie resümiert (Göbel 2001, 243): „Das Potential der Prozessorientierung für die Verbesserung der Qualität wird somit im EFQM-Modell nur teilweise ausgeschöpft. Vor allem kommt einem prozessorientierten Reengineering, einer fundamentalen Umstrukturierung zu wenig Bedeutung zu.“ Die Zahl der Beiträge, die sich kritisch mit dem EFQM-Modell befassen, ist begrenzt. Rolf Wunderer ist hier eine Ausnahme. Eigentlich sollte man von einer wissenschaftlich orientierte Managementlehre erwarten können, dass sie sich fundiert mit einem solchen Modell, das in der Praxis mehr und mehr diskutiert und auch aufgegriffen wird, auseinandersetzt. So findet man in der Fachliteratur zum Strategischen Management lediglich Existenznachweise, aber keine Auseinandersetzungen (zum Beispiel Müller-Stewens/Lechner 2005, 712). Trennschärfe der Begriffe, Grundkonzepte, Kriterien, Teilkriterien und Vermeidung von unzulässigen Vermischungen haben im EFQMExzellenz-Modell 2010 eher zu-, denn abgenommen. So ist das Vermischen von Ebenen unverständlich, wie es jetzt erfolgt ist: Gerade das im Zentrum stehende Grundkonzept Prozesse (Geschäftsprozesse) wird vermischt mit Produkten und Dienstleistungen (vgl. die Anmerkungen in Abschnitt 4.2.8: Prozessmanagement als Teil des Qualitätsmanagements). Schon der Praktiker wird erkennen müssen, dass es sich um verschiedene Dinge handelt, die nicht einfach umstandslos zu einer Gesamtkategorie zusammengefasst werden dürfen. Leider wird auch in den Teilkriterien nicht Klarheit geschaffen, also ein Prozessmodell innerhalb des EFQM-Exzellenz-Modells entwickelt, das auch Basis der Bewertung sein könnte. Allein an diesem Punkt wird deutlich, dass das EFQM-Exzellenz-Modell noch nicht State-of-theArt ist.

 Ludwig-Erhard-Preis (LEP) Seit 1997 gibt es auch in Deutschland, die Auszeichnung für Spitzenleistungen im Wettbewerb. Sie ist nach Ludwig Erhard, dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister (1949 bis 1963) und Bundeskanzler (1963 bis 1966) der Bundesrepublik Deutschland, benannt. Wenn man bedenkt, dass in Japan bereits seit 1951 der Deming-Preis verliehen wird, und man in den Vereinigten Staaten von Amerika den Malcolm Baldrige National Quality Award (MBNQA) schon seit

Das Poten al der Prozessorien erung für die Verbesserung der Qualität wird im EFQM-Modell nur teilweise ausgeschöp .

Die Managementlehre schweigt.

In eigener Sache: „Erhard hält, was er verspricht!“

361

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

362

h p://www.ilep.de/

1988 für Spitzenleistungen von Unternehmen und anderen Organisationen vergibt, so hat es erstaunlich lange gedauert, bis es in Deutschland zu einer solchen Auszeichnung kam. Die Etablierung dieser Auszeichnung ist denn auch eher ein Reflex auf die internationalen Bemühungen um Qualitätspreise. In gewisser Weise hängt man sich an den Europäischen Qualitätspreis dran. Er besitzt inhaltlich keinerlei Originalität und erreicht in keiner Weise die oberste Ebene der Politik, auch wenn der Bundeswirtschaftsminister die Schirmherrschaft übernommen hat. Die Sache wird (leider) jedes Jahr im November auf Staatssekretärsebene abgehandelt. Dem LEP liegt der European Quality Award (EQA), seit 2010 European Excellence Award (EEA) zugrunde, der seit 1992 dazu dient, die besten Organisationen beziehungsweise Unternehmen Europas auszuzeichnen. Die Grundstruktur des Bewertungsmodells des LEP entspricht dem im Abschnitt  vorher ausführlich dargestellten European Excellence Award, der sich auf das EFQM-Exzellenz-Modell bezieht. Auch die dort eingeführte prozentuale Gewichtung der Grundkonzepte wurde übernommen. Es erübrigt sich hier folglich eine Darstellung. Das Modell stellt die deutsche Auszeichnung für Spitzenleistungen im Wettbewerb, den LEP, für alle Organisationen dar, d.h. es bietet für Industrie- und Handwerksbetriebe, den Handel, das Gesundheitswesen, für Behörden, Schulen, Hochschulen, für Dienstleister u.a. eine außerordentlich gute Möglichkeit, die Aktivitäten auf die ständige Verbesserung der eigenen Leistungskraft zu konzentrieren und am EFQM-Modell zu spiegeln. Allerdings bedeutet nicht der Preis hierbei das ausschlaggebende Ziel. Die Orientierung daran aber hilft, das Ziel der ständigen Verbesserung (KVP) der eigenen Organisation nie aus den Augen zu verlieren. Der LEP wird als Auszeichnung und als Preis vergeben. Eine Auszeichnung erhalten Wettbewerbsteilnehmer, die eine bestimmte, von der Jury festzusetzende Punktzahl in allen Kriterien nachgewiesen haben. Der Teilnehmer mit der besten Bewertung bekommt dann den Ludwig-Erhard-Preis. Pro Bewerber nimmt ein Team ausgebildeter, unabhängiger Assessoren die Bewertung vor und erstellt einen sog. Feedback-Bericht als Ergebnis der Beurteilung. Bei den Assessoren handelt es sich um Führungskräfte und Experten (auf der URL der Initiative Ludwig Erhard Preis namentlich genannt). Der Preis wird durch das Komitee der Initiative Ludwig-ErhardPreis vergeben (Abb. 4.66), das sich aus Vertretern der Spitzenverbände der Wirtschaft zusammensetzt. Zur Initiative Ludwig-Erhard-Preis zählen neben diesem LEP-Komitee weitere Institutionen. vor allem gorße Wirtschaftsunternehmen. Die Kriterien zur Erlangung des Preises fordern den Nachweis der Langfristigkeit. Da sich die Organisationen in Deutschland noch

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements Abkürzung

Mitglied

BDI

Bundesverband der Deutschen Industrie, Berlin

BDA

Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, Berlin

DGQ

Deutsche Gesellschaft für Qualität durch das Deutsche EFQM-Center, Frankfurt am Main

DIHT

Deutscher Industrie- und Handelstag, Berlin

HDE

Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, Berlin

VDI

Verein Deutscher Ingenieure durch seine Gesellschaft Systementwicklung und Projektgestaltung (VDI-GSP), Düsseldorf

ZDH

Zentralverband des Deutschen Handwerks, Berlin

LE

Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., Bonn Der Ludwig-Erhard-Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie

nicht sehr lange mit der Materie befassen, konnte der Preis an keinen Bewerber der ersten Runde vergeben werden. Die Gewinner der Auszeichnung für Spitzenleistung im Wettbewerb werden auf der Website der Initiative genannt. Die Liste wird laufend aktualisiert. Die Bemühungen der Qualitätsbewegung, vor allem der dgq, dem LEP auf bundespolitischer Ebene mehr Bedeutung beizumessen, haben sich noch nicht ausgezahlt. Wünschenswert wäre eine Verleihung durch den Bundespräsidenten. Bekanntlich wird der gesetzlich verankerte amerikanische Qualitätspreis MBNQA jedes Jahr vom amerikanischen Präsidenten bzw. Vicepräsidenten in einem großen Festakt persönlich verliehen. Den japanischen Qualitätspreis überreicht jährlich ebenfalls in einem großen Festakt der Japanische Kaiser. Deutschland fehlt diese – zumindest symbolische – Wirkung. Die Öffentlichkeit merkt kaum etwas davon. Eine Notiz im Wirtschaftsteil der großen überregionalen Tageszeitungen ist der Regel das einzige öffentliche Signal. Daraus lässt sich schließen, dass die Qualitätsbewegung mit ihren Auszeichnungen über die Thematisierung der ISO 9001 hinaus bis dato eher ein Insiderthema geblieben ist.

ÏAbbildung 4.66: Mitglieder der Iniave Ludwig-ErhardPreis

363

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

364

 Das Aachener Qualitätsmanagement-Modell (AQM)

Die drei Perspek ven im AQM

Modelle kommen, Modelle gehen, keinesfalls deswegen, weil sie gut oder schlecht sind, sondern vor allem wegen ihrer machtpolitischen Durchsetzbarkeit. Insofern hat das Darlegungsmodell der ISO 9001 keineswegs deshalb seine Breitenwirkung und Popularität erreicht, weil es so durchdacht und sich durch hohe Qualität auszeichnet, sondern weil bedeutende Kunden von ihren Unterlieferanten eine solche Zertifizierung fordern. Auch hinter dem in  dargestellten Modell stehen bestimmte Interessengruppen, die langfristig versuchen den Erfolg zu programmieren. So gesehen haben es Qualitätsmanagement-Modelle einzelner Autoren immer schwer sich durchzusetzen, auch wenn diese von universitärer Seite vorgestellt und in Standardpublikationen, wie dem Handbuch Qualitätsmanagement (5. Auflage) ausführlich behandelt werden. Beim Aachener Qualitätsmanagement Modell handelt es sich um ein QM-Modell, das an RWTH Aachen (WZL-Werkzeugmaschinenlabor) Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement, der am ehemaligen Lehrstuhl Tilo Pfeifer (jetzt Robert Schmitt) entwickelt wurde und drei Betrachtungsperspektiven unterscheidet (Abb. 4.67): × Kundenperspektive Fokus: Produkt-/Leistungsqualität × Führungsperspektive Fokus: Systemqualität × Betriebsperspektive Fokus: Prozessqualität Alle drei Perspekiven sind einzunehmen, keine davon darf vernachlässigt werden (Schmitt u.a. 2007, 39): „Erst die Einnahme aller drei Perspektiven befähigt Unternehmen, das unternehmensspezifische Optimum des Deckungsgrades zwischen Forderungen und Eigenschaften für Produkte und Dienstleistungen zu erreichen. Die klassischen statischen Betrachtungsweisen werden durch die unternehmerischen Ansätze abgelöst, welche die Zielkonflikte im Unternehmen konkretisieren und so einen Abgleich systematisieren und vereinfachen. So wird unternehmerisches Denken im Qualitätsmanagement verankert; weg von der rein sichernden, bewahrenden und normativen Sicht, hin zu verantwortlichen Aufgaben, die aktiv und flexibel angegangen werden müssen.“ Schmitt u. a. begründen damit eine Modellsicht des Qualitätsmanagements, das sowohl den Führungs-, Prozess- und Organisationscharakter wie auch den Marktbezug des Qualitätsmanagements als ganzheitlichen Managementansatz berücksichtigt, aufgehoben im

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Die drei Perspektiven im Aachener QM-Modell ×Kundenperspektive Die Kundenperspektive wird eingenommen, um zwischen den Forderungen und den realisierten Eigenschaften eines Produktes oder einer Leistung abzugleichen. Diese Perspektive steht im Zentrum des unternehmerischen Handelns. Eine vollständige Überdeckung von Forderungen und Eigenschaften wird jedoch nie das Ziel eines Unternehmens sein können. Letztlich gilt es, auch den finanziellen Erfolg und die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens zu berücksichtigen. ×Führungsperspektive Aus der Führungsperspektive heraus werden die Unternehmensausrichtung („Wollen“) und die Unternehmensfähigkeiten („Können“) aus der Sicht der Unternehmensleitung abgeglichen. Jedem Unternehmen ist eine Unternehmensausrichtung mit Ausprägungen, wie z. B. Unternehmenszweck, -ziele, -strategie und -philosophie

zu Eigen. Mit der Führungsperspektive wird die Unternehmensausrichtung in den Bezug zu den Leistungsprozessen eines Unternehmens gesetzt. Die Führungsperspektive ist auf die Vorgabe von Zielen ausgerichtet und hat dabei das System „Unternehmen“ im Fokus der Betrachtungen.

ÏAbbildung 4.67: Die drei Perspek ven im Aachener QMModell (Originaltext Schmi u. a. 2007, 38f)

× Betriebsperspektive Die Betriebsperspektive fokussiert auf die Umsetzung der von der Führungsperspektive abgeleiteten Ziele und auf die Optimierung der dazu erforderlichen Prozesse. Es gilt, die Unternehmensfähigkeiten („Können“) an die Unternehmensausrichtung („Wollen“) anzupassen. Die Betriebsperspektive ist grundsätzlich Bottom-Up ausgerichtet. Es sind die erforderlichen Ressourcen und Voraussetzungen mit den operativen Erfordernissen, die aus der Führungs- und Kundenperspektive abgeleitet werden, in Einklang zu bringen.

Aachener QM-Modell (Abbildung 4.68), dessen drei Kernelemente (Management, Quality Stream und Ressourcen & Dienste) wie folgt beschrieben werden (nach Schmitt u. a. 2007, 40f): (1) Kernelement Management Zur Umsetzung der Führungsaufgaben bedarf es eines stetigen Veränderungsmanagements, das alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten zusammenfasst, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weit reichende Veränderung mit sich bringen. Somit kann bzw. darf kein Baustein des Kernelementes Management alleine betrachtet werden, da sie sich gegenseitig beeinflussen und bedingen. Die folgenden Teilelemente auf der Managementebene lassen sich unterscheiden: × Ziele und Strategien × Organisationsstrukturen × Managementsysteme × Veränderungsmanagement

Die drei Kernelemente Management, Quality Stream und Ressourcen & Dienste

365

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

366

Ziele und Strategien

Organisationsstrukturen Managementsysteme

Veränderungsmanagement

Management

Quality Backward Chain Technologien Betriebs- Information & Controlling & mittel & Kommuni- Mitarbeiter Methoden Infrastruktur kation

ÁAbbildung 4.68: Aachener Qualitätsmanagement Modell

Produkte

Markt

Quality Forward Chains

Kunden Lieferanten

Forderungen

Kunden Lieferanten

Markt

Quality Stream

Felddaten

Ressourcen & Dienste

(2) Kernelement Quality Stream Das zentrale Kernelemente des Modells bezieht sich auf die Prozesse und Abläufe in der Organisation und bildet den qualitätsorientierten Wertstrom (Quality Stream). Dieser Strom führt vom Kunden zum Kunden und dient der Steigerung der Qualität eines Produktes oder einer Leistung und seiner wertschöpfenden Prozesse. Die Aufgabe des Quality Stream ist die Transformation der Kundenforderungen in begeisternde und kundenbindende Produkte. Die zwei Strukturelemente des Quality Stream sind: Quality Forward Chain (Proaktive, präventive Aktionen) und Quality Backward Chain (Korrigierende, absichernde Aktionen) × Die Quality Forward Chain umfasst sämtliche Tätigkeiten, Werkzeuge und Methoden zur Schaffung und Absicherung der Qualität von Produkten, Leistungen und ihrer unmittelbar wertschöpfenden Prozesse. Die Bausteine der Quality Forward Chain sind durch die jeweiligen Lebenszyklen zeitlich und inhaltlich determiniert. Eingangsgrößen der Quality Forward Chain sind die Forderungen der Kunden, die in Produktmerkmale und -eigenschaften tansformiert werden. × Die Quality Backward Chain umfasst neben der produktübergreifenden, kontinuierlichen Nutzung externer und interner Daten die Ableitung korrektiver, absichernder Qualitätsmanagementaktionen für iMarkt und in der Entstehung befindliche Produkte und Leistungen sowie für die dazugehörigen wertschöpfenden Prozesse. Darunter sind zum einen die internen Verbesserungsprozesse zu subsumieren und zum anderen die essentiell wichtigen Felddateninformationen, die systematisch in das Unternehmen zurückgeholt werden müssen, um an richtigen Stelle im Unternehmen wirken zu kön-

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

nen. Sowohl kundengetriebene als auch technologiegetriebene Innovationen setzen dieses Wissen und seine Distribution über die beiden Quality Chains zwingend voraus, um Ideen in erfolgreiche Produkte umzusetzen. (3) Kernelement Ressourcen & Dienste Dieses dritte Kernelement ist zur Erreichung der Unternehmensziele unbedingt erforderlich. Es beinhaltet die folgenden Teilelemente: × Betriebsmittel & Infrastruktur × Information & Kommunikation × Mitarbeiter  × Technologien & Methoden  × Controlling Perspektiven/Kernelemente: Die eingangs eingeführten drei Perspektiven illustrieren nicht nur den Ansatz des AQM, sie bilden gleichzeitig Schnittpunkte zu den drei Kernelementen, derart dass × die Kundenperspektive … auf den Fokus Produkt-/Leistungsqualität setzt; die Kundenforderungen sollen in begeisternde Produkte transformiert werden; der Transformationsprozess ist ständig zu messen, die Ergebnisse müssen der kontinuierlichen Anpassung dienen; KVP ist fest zu integrieren, × die Führungsperspektive … auf den Fokus Systemqualität setzt; damit ist die Verantwortung der Managementebene angesprochen. der Quality Stream und die Ziele der Organisation sind hinsichtlich Wissenstransfer und Innovationsfähigkeit aufeinander auszurichten; die Prozesse sind aktiv und verantwortlich zu gestalten und zu koordinieren; Methodenwissen und organisationale Kompetenzen sind zu definieren und in die tägliche Arbeit einzubinden, × die Betriebsperspektive auf den Fokus Prozessqualität setzt; die Ressourcenpotentiale sind optimal und verschwendungsfrei zur Verfügung zu stellen, zu bewerten und weiterzuentwickeln; Ein Mix der ressourcen ist durch Prozessoptimierung und -performance kosten- und „kundenoptimal“ einzusetzen. Auffallend ist, dass alle drei Perspektiven einen gemeinsamen Schnittpunkt haben, die Orientierung an den Prozessen (in der Sprache des Modells, dem Quality Stream). Damit kann als conditio sine qua non die Prozessorientierung angenommen werden, ja, die Tendenz zur Prozessorganisation im AQM anvisiert ist. Zweifellos haben sich die Autoren des Modells darum bemüht ein TQM-Modell zu kreieren, das sowohl wissenschaftlichen wie auch praktischen Forde-

367

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

368

rungen genügt. So sind die drei Kernbereich Management, Quality Stream und Ressourcen begrifflich auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt und trennscharf voneinander unterschieden. Gleichzeitig besteht zwischen ihnen ein dynamischer, interaktiver Zusammenhang, der kybernetische und systemtheoretische Bezüge erkennen lässt. Die in der Tradition des Qualitätsmanagements entwickelten Ansätze und Konzepte sind im AQM aufgehoben. So ist der Qualitätsbegriff explizit integriert. Außerdem ist bemerkenswert die Öffnung zu anderen Querschnittsdisziplinen des Managements, wie Controlling und Marketing. Es handelt sich also um ein offenes System mit Wertschöpfungscharakter. Der in diesem Zusammenhang eingeführte Begriff Werstromanalyse ist der Lean Production entliefen. Das AQM ist damit zunächst im Überblick dargestellt. Weiter befassen sich die Autoren mit der Frage nach der Entwicklung qualitätsgerechter Organisationsstrukturen und Implementierungsfragen. Mit dem Aachener QM-Modell könnte es sowohl in der Praxis, wie auch in wissenschaftlichen Zusammenhängen gelingen fruchtbare Ergebnisse zu erzielen. „Grau teurer Freund ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldener Baum.“ J. W. Goethe: Faust I

 Résumé: Was noch zu verfolgen ist! In diesem umfangreichen Abschnitt zu den Modellen des Qualitätsmanagements, auf die sich die Awards des TQM stützen, konnte aufgezeigt werden, von welchem Verständnis des Qualitätsmanagements jeweils in Japan, den USA und Europa ausgegangen wird. Dem europäische Verständnis von TQM bzw. im erweiterten Sinne von Business Excellence liegt nun das revidierte EFQM-Modell zugrunde, an dem sich fast alle nationalen Awards in Europa orientieren (Deutschland ist da mit dem LEP keine Ausnahme) [ausführlich dazu: Zollondz 2001, 866-874]. Gewarnt werden muss vor der scheinbar zwingenden Annahme, dass es sich beim TQM um ein japanisches Managementkonzept handele. Richtig ist vielmehr, dass sich im TQMVerständnis japanisches Managementwissen widerspiegelt, das aus einem komplizierten Import-/Reimport zwischen japanischem und US-amerikanischem Know How stammt, aber nur indirekt über eine amerikanisch/europäische Interpretation zum heutigen westlichen TQM geführt hat. So wie die westlichen Modelle heute vorfindbar sind, beruhen sie doch sehr stark auf der amerikanischen Managementdenkweise, gepaart mit ›einem kräftigen Schuss europäischem praktischem Management und einer leichten Prise deutschem Sinn für kategorialem Denken‹. Die TQM-Modelle sind nicht nur geschaffen, um Gewinner zu küren, sie sollen jeglichem TQM-Handeln als Basis praktisch-systematischem Denken dienen. Insofern hat man sich in Europa auf ein

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

ungenormtes TQM-Modell geeinigt, an dem keiner vorbei kann, der von TQM redet. Offenbar haben das auch Experten im Kopf, die sich mit der Weiterentwicklung der QM-Systeme der ISO 9000er Reihe befassen, wie uns Ian Campbell demonstriert (2000, 104): „Die neue ISO 9004:2000 dient als nützlicher Trittstein zwischen der bloßen Erfüllung der Forderungen ISO 9001 und TQM.“ Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob die aus der praktischen Beschäftigung mit dem QM/TQM entstandenen Modelle wissenschaftlichen Kriterien genügen. Dieser Frage nachzugehen, sollten theoretisch-/empirisch-fundierte Forschungen vermehrt aufgreifen, zumal zu vermuten ist, dass beim TQM der Qualitätsbegriff eher Etikette, denn Substanz hat. Über die Award-bezogenen Systeme des TQM hinaus wurde auch der neuere Versuch gewürdigt, ein TQM-Modell zu entwickeln, das praktischen und theoretischen Interessen genügt. Im Aachener Qualitätsmanagement-Modell (AQM) wird ein fruchtbares Unterfangen gesehen, sowohl einen Ordnungsrahmen für unternehmerisches Qualitätsmanagement, als auch ein Gestaltungsmodell für organisatorische Exzellenz in Unternehmen zu sehen. Von seiner Stringenz übertrifft es andere bekannte Modelle deutlich und sollte gerade wegen seiner Anschlussfähigkeit zu anderen Managementsystemen positiv gewürdigt werden.

4.3.5

Integriertes Qualitätsmanagement, die Metaebene

Seit der Renaissance des Qualitätsdenkens in den 1980er Jahren, das sich auf das Bemühen von Ingenieuren stützt, hat es auch in der betriebswirtschaftlich orientierten Managementlehre Versuche gegeben die Entwicklungen im Qualitätsmanagement theoretisch zu verorten. Dieser Strang der Modellentwicklung wurde Integriertes Management genannt. Etwa zeitgleich forcierten besonders Ingenieure der Qualitätsbewegung ebenfalls ein Integriertes Managementsystem, dessen Wurzeln allerdings in den Systemen des Managements zu suchen sind, die von der International Organization for Standardization (ISO) als immaterielle Normen veröffentlicht wurden, aber einen völlig anderen konzeptionellen Zugang hatten. Da beide Stränge namensgleich, aber inhaltlich und argumentativ Grundverschiedenes verfolgten, kommt es für den Interessierten zu ständigen Verwirrungen, die er aufzulösen hat. Das gelingt ihm nur durch ein Studium der Fachliteratur, denn die jeweiligen Autoren der einen oder anderen Richtung waren in der Regel nicht bestrebt Transparenz zu schaffen. Beginnend mit einer Wortfeldanalyse soll hier der Versuch unternommen werden, Klarheit zu schaffen.

Integriertes Management ist nicht Integriertes Management, gemeint ist die Metaebene des Managements, auf der nicht nur das Qualitätsmanagement zu verorten ist, gewissermaßen das GPS* allen Managements. -----* Global Posi oning System

369

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

370

 Wortfeldanalyse integrativ/integriert

Integriert ist der allgemeinere Begriff.

Das Wort Integration (fem.), kommt vom Lateinischen integer (griechisch entagros). Es bedeutet unberührt, unversehrt, ganz; im deutschen Verständnis auch: Herstellung eines Ganzen, Wiedervereinigung des Getrennten, ein übergeordnetes Ganzes bilden und etwas zusammenfassen oder vereinheitlichen. Wenn jemand sich integriert, dann fügt er sich ein. Wenn Kosten integriert werden, dann ist damit gemeint, dass sie einbezogen werden. Der Begriff Integration spielt in vielen Wissenschaftsdisziplinen und Praxisfeldern eine Rolle. Beispiel Psychologie: In der Persönlichkeitspsychologie meint man mit integriert eine Person, die immer mehr zu einer inneren Einheit gelangt ist. Im Marketing meint man mit integrierter Produktentwicklung, dass der Kunde in die Entwicklung eines Produkts einbezogen wird. Was meint dann integrativ? Das Adjektiv integrativ bestimmt den Vorgang, die Möglichkeit oder die Fähigkeit zur Integration. Integrativ meint einen aktiven Prozess, der der Integration vorgelagert ist. Integriert ist dagegen passiv, meint einen erreichten Zustand (Perfekt im Sinne von erreicht, vollzogen, erledigt, abgeschlossen, etwas ist passiert.). Wenn etwas integriert worden ist, kann es gleichzeitig Abschluss, Vergangenheit, Ergebnis, aber auch ein damit sich ergebender neuer Zustand sein. In diesem Sinne ist integrativ in integriert aufgehoben. Ergebnis der Worfeldanalyse: Integriert ist der allgemeinere Begriff. – Beispiel Managementprozess Managementprozess unabgeschlossen integrativ

abgeschlossen integriert

 Integriertes Management – Integrierende Ansätze in Managementmodellen Beim Begriffspaar integriert/integrativ scheint man sich – was die Benennung von Managementsystemen betrifft – ganz nach Lust und Laune, mal für integriert, mal für integrativ zu entscheiden. Insofern scheint bei der Sprachverwendung kein großer Sinnzusammenhang mitgedacht worden sein. Hier wird der Benennung „Integrierte Managementsysteme“ der Vorzug gegeben. Bei Integrierten Managementsystemen werden beide Perspektiven betrachtet, sie sind existent, ihre Elemente sind benannt. Sie haben die Fähigkeit und Möglichkeit (integrativ) zur Integration. Würde man sie integrative Managementsysteme nennen, wäre nur ihre Prozesshaftigkeit, Fähigkeit und Möglichkeit zur Integ-

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

ration angesprochen. Deshalb ist es zweckmäßig von Integrierten Managementsystemen zu sprechen. In der Fachliteratur ist dieser wichtige sprachliche Unterschied oft nicht beachtet worden. In den meisten Fällen taucht der Begriff nach Gutdünken synonym auf, manchmal, da scheint sich dann der Autor nicht sicher zu sein, werden beide Begriffe mit beziehungsweise (bzw.) verbunden. Eher selten wird der Begriff Metamanagement verwendet, besonders im Bereich der „ISO-affinen Autoren“. Während die in Kapitel 4.3.4 dargestellten TQM-Entwürfe losgelöst von den Managementkonzepten der Betriebswirtschaft und deren Managementlehren entstanden sind, soll nun unter Rückgriff auf das Modell des ›Integrierten Managements‹ (Bleicher 1992) Versuche vorgestellt werden, die die Integrierte Managementkonzeptionen mit dem Qualitätsmanagement verknüpfen. Gerade an der HSG, der Hochschule St. Gallen hat sich dort eine Managementlehre entwickelt, die als die „St. Galler Schule“ bezeichnet wird. In Deutschland und Österreich hat dieser Denkansatz bisher nicht seinen durchschlagenden Erfolg gehabt, auch wenn zwei allgemeine Lehrbücher der Betriebstschaftslehre diese Managementlehre als Ausgangspunkt und Basis begreifen (Hopfenbeck, 14. Aufl. 2002 und Hugentobler et al. 3. Aufl. 2010 Schaufelbühl), wie Abb. 4.69 zeigt. Auf der rechten Seite von Abbildung 4.69 ist kurz der Ansatz des

Integrierende Ansätze in Managementmodellen

Prozess

Prozess Integrierte Managementmodelle („Metamodelle“) der Hochschule St. Gallen Ulrich Bleicher Seghezzi Rüegg-Sturm Weitere Integrierte Managementmodelle: Züricher Modell Grazer Modell für Industrielles Management

ÏBindegliedÅ Ë Prozessmanagement Prozessorganisation

Einzelne Managementmodelle, die als Basisbausteine für die Entwicklung eines Integrierten Managementsystems genutzt werden können, wie: Benchmarking Kaizen / KVP Balance Scorecard

Modelle des Qualitätsmanagements als Basis für die Gestaltung eines Integrierten Managementsystems ISO 9001 EFQM-Exzellenz-Modell Ergänzende Managementmodelle für die Gestaltung eines Integrierten Managementsystems ISO 14001 / Ökoaudit ISO 27001 OHSAS 18001

ÏAbbildung 4.69: Integrierende Ansätze in Managementmodellen Vergleicht man die beiden vom Ansatz her unterschiedlichen Integrierten Managemenmodelle, so findet man dennoch eine Gemeinsamkeit, die Prozessperspek ve.

371

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

372

Integrierten Managements skizziert, der von der genannten ISO-affinen Seite abgedeckt wird. Herzstück ist die ISO 9001, das Darlegungsmodell des Qualitätsmanagements und auch daran anschließend das EFQM-Exzellenz-Modell. Im mittleren Teil der Abb. 4.69 wird darauf hingewiesen, dass es natürlich möglich ist aus Einzelbausteinen von Teilmanagementmodellen ein Integriertes Managementmodell zu entwickeln oder auch diese Teilmanagementmodelle zur Ergänzung der genannten Modelle zu nutzen.

 Integriertes Management – Der Ansatz von Knut Bleicher

Basisannahmen des Integrierten Managements von Knut Bleicher Ë

Bleicher hat mit seinem St. Galler Modell Integriertes Management in den 1980er Jahren einen Paradigmenwechsel im Management eingeleitet. Er formulierte damals sein Modell als Antwort auf die geänderten Rahmenbedingungen (verschärfter internationaler Wettbewerbsdruck und deutlich zunehmende Umweltdynamik und -komplexität). Das Modell hat in vielfältiger Weise seinen Niederschlag in der Betriebswirtschaftslehre und Managementpraxis gefunden. Als deutlicher Hinweis auf den paradigmatische Wert dieses Konzepts mag das Werk von W. Hopfenbeck gelten, der auf die Bleichersche Konzeption aufbauend einen umfassenden Grundriss der Betriebswirtschaftslehre vorgelegt hat (Hopfenbeck 1997). Das Modell fühlt sich einer ganzheitlichen, systematischen Sichtweise verpflichtet. Es ist charakterisiert durch folgende Merkmale (Bleicher 1992, 34f): × Unternehmen sind offene Systeme, die in ihrer Verflechtung mit der Umwelt akzeptiert werden; × Analytisches und synthetisches Denken wird zugleich praktiziert, indem besonders von vernetzten Strukturen ausgegangen wird; × Zirkuläre Vorstellungen herrschen vor (Denken und Führen in Regelkreisen, z.B. nach dem Verbesserungskreis), die sich vom linearen Denken in Ursache-Wirkungsketten abheben × Interdisziplinarität im Denken wie in der Kooperation × Vorstellungen von Strukturen und Prozessen zur Erfassung der steigenden Bedeutung der Information für das Handeln von Menschen und sozialen Systemen gewinnen zentrale Bedeutung.



Systemdenken bedeutet, Gesamtzusammenhänge und die Interdependenz von Entscheidungen erkennen und beherrschen lernen.



Wechsel von der technokratischen Sicht des Managements zu einer human-, kultur- und systemisch orientierten Sicht.



Weg von der Lenkungs-, hin zur Gestaltungsund Entwicklungsfunktion.

Integriertes Management nach von Münchhausen „Ein anderes Mal wollte ich über einen Morast setzen, der mir anfänglich nicht so breit vorkam, als ich ihn fand, da ich mi em im Sprunge war. Schwebend in der Lu wendete ich daher wieder um, wo ich hergekommen war, um einen größeren Anlauf zu nehmen. Gleichwohl sprang ich auch zum zweitenmal zu kurz, und fiel nicht weit vom anderen Ufer bis an den Hals in den Morast. Hier hä e ich unfehlbar umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines eigenen Armes mich an meinem eigenen Haarzopfe, samt dem Pferd, welches ich fest zwischen meine Knie schloß, wieder herausgezogen hä e.“ Karl F. H. Freiherr von Münchhausen

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Von den Vorgaben einer Managementphilosophie ausgehend werden drei abgegrenzte Aufgabenfelder unterschieden. Diese Dimensionen des Managementhandelns bauen einerseits aufeinander auf und sind andererseits interdependent zueinander: × Normatives Management × Strategisches Management × Operatives Management Bei dieser Trennung der zentralen Funktionen nach Ebenen kommt den einzelnen Ebenen die folgende Funktion zu: × Normatives Management: Sinngebendes Management (Unternehmenspolitik, -philosophie, -grundsätze); × Strategisches Management: Umsetzung der Grundsätze in Programme; Ressourcen bereitstellendes Management; × Operatives Management: Konkrete Realisation der Unternehmensziele in seinen unterschiedlichen situativen Bedingungen; mit umfassender (operativer) Handlungsfreiheit ausgestattetes Management. Ausführliche Beschreibung des Bleicherschen Modells gemäß Abbildung 4.70 [5]: Wie die Abbildung verdeutlicht, bildet die integrierende Klammer in Bleichers Ansatz eine Managementphilosophie. Sie formuliert die Vision, also das Ziel der Reise, und schafft durch ein Leitbild die Möglichkeit der Identifikation für alle Beteiligten. Aus dieser Vision werden generelle Ziele normativer Art abgeleitet. In der strukturellen Dimension beinhalten sie die Unternehmensverfassung (z.B. die Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortung auf der Leitungsebene), die Einbindung von (internen und externen) Interessengruppen und die Art der Konfliktlösung. In der personellen Dimension spiegelt sich Normatives Management in der Unternehmenskultur wider. Die Operationalisierung findet im Rahmen der Unternehmenspolitik statt, die die Vision durch Missionen einer ersten Konkretisierung zuführt. Im Rahmen der normativen Vorgaben kann das Strategische Management durch Organisationsstrukturen und Managementsysteme den strukturellen Rahmen und durch ein geeignetes Führungskonzept die Verhaltensdimension konkretisieren. Strategisches Management wird über eine geeignete Unternehmensplanung instrumentalisiert. Operatives Management bedeutet Umsetzung von Normen und Strategien. Dazu sind organisatorische Prozesse erforderlich, die zu einem konkreten Leistungs- und Kooperationsverhalten führen. Aus der Dynamik der Umwelt resultiert die Notwendigkeit, den Managementprozess immer wieder an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Der ganzheitliche Charakter des Konzepts zeigt sich auch in der integrativen Kraft der gemeinsamen Vision sowie in der horizontalen und vertikalen Integration

373

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

374 Abbildung 4.70: Integriertes Managementmodell von Knut Bleicher Å

VORGABEN

NORMATIVES MANAGEMENT UNTERNEHMENSVERFASSUNG

UNTERNEHMENSPOLITIK/-ZIELE

UNTERNEHMENSKULTUR

MISSIONEN Vertikale Integration

Das Modell zeigt den Zusammenhang von norma vem, strategischem und opera vem Management in ver kaler Sicht (Bleicher 1992, 77)

MANAGEMENTPHILOSOPHIE

STRATEGISCHES MANAGEMENT ORGANISATIONSSTRUKTUREN

PROGRAMME

PROBLEM VERHALTEN

MANAGEMENTSYSTEME

OPERATIVES MANAGEMENT ORGANISATORISCHE PROZESSE

AUFTRÄGE LEISTUNGS- UND KOOPERATIONSVERHALTEN

DISPOSITIONS SYSTEME

STRUKTUREN

VERHALTEN AKTIVITÄTEN

UNTERNEHMENSENTWICKLUNG (UE) INNERE UE × ÄUSSERE UE × INNERE UND ÄUSSERE UE

der verschiedenen Elemente. Horizontale Integration heisst, dass alle Ansätze und Instrumente sowie die daraus resultierenden Aktivitäten eine strukturelle und aktivitäten- bzw. verhaltensbezogene Verankerung haben. So hängen z.B. die Unternehmenspolitik und -ziele von der Unternehmensverfassung und -kultur ab. Vertikale Integration beinhaltet die konsequente Transformation normativer in strategische und strategischer in operative Inhalte. Das Führungs- bzw. Kooperationsverhalten wird determiniert durch das strategisch ausgerichtete Führungskonzept; dieses wiederum lässt sich stringent aus normativen Vorgaben (Unternehmenskultur) ableiten. Bleicher spricht in diesem Zusammenhang von Harmonisation durch inter-dimensionalen Fit. Voraussetzung dafür sind eine konsistente Ausgestaltung einzelner Elemente (Basis-Fit) sowie die Abstimmung innerhalb der Dimensionen. Die Elemente müssen horizontal und vertikal aufeinander abgestimmt sein.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Die Umsetzung des Modells des Integrierten Managements von Knut Bleicher durch konsequenten Bezug auf das Qualitätsmanagement erfolgte durch Klaus J. Zink [5] und Hans Dieter Seghezzi. Auf den Übertragungsversuch von Seghezzi soll im nächsten Abschnitt näher eingegangen werden.

 Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) – Der Ansatz von Hans Dieter Seghezzi [6] Der Ansatz von Seghezzi hält sich von der Bezeichnung des Originalmodells eng an den Begriff integriert. Auch erscheinen die sehr allgemein gehaltenen Erläuterungen im Originalmodell konkreter, indem im Modell Integriertes QM selbst die einzelnen Ebenen und Unterebenen gezielt an die Begrifflichkeiten des Qualitätsmanagements angepasst werden. Seghezzi beschreibt sein Modell wie folgt (Seghezzi 2001, 370-372): „Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) ist diejenige Form des Qualitätsmanagements, bei welcher dieses in ein Konzept oder Modell des Integrierten Managements einbezogen ist. Als Konzepte und Modelle des Integrierten Managements eignen sich Ordnungsgerüste oder Rahmen, welche sämtliche Aspekte und Elemente der Führung von Organisationen (Unternehmen, öffentliche Verwaltung, Verbände etc.) enthalten und umschreiben können. Es ist gelungen, die Inhalte des Qualitätsmanagements (s. Abbildung 4.61) vollständig und inhaltlich widerspruchsfrei in die Struktur des St. Galler Konzepts Integriertes Management einzubauen. Das Ergebnis ist das St. Galler Konzept Integriertes Qualitätsmanagement (IQM).“ Durch das IQM tritt Qualitätsmanagement aus seiner traditionell isolierten, eigenständigen Stellung heraus und wird zur Teilaufgabe der allgemeinen Führung einer Organisation. Dabei wird die Qualitätsverantwortung sachgerecht und zweckmäßig allen Führungs- und Fachkräften der Organisation übertragen, welche diese nur übernehmen können, wenn sie über ausreichendes Wissen in Qualitätsmanagement verfügen. Diese Form der Qualitätsverantwortung erleichtert qualitätsbezogenes Entscheiden, Handeln, Kontrollieren und Verbessern durch die Führungs- und Fachkräfte und vereinfacht die Abstimmung zwischen Qualitäts-, Kosten-, Zeit- und Mengenzielen. Das QM-System ist beim IQM ein integrierter Bestandteil des allgemeinen Führungssystems der Organisation. Es weist inhaltlich keine Widersprüche zu den übrigen Teilen des Führungssystems auf. Es kann, falls zum Zwecke von Schulungen, Nachweisen, Zertifizierungen o.ä. von Vorteil, als dokumentiertes Teilführungssystem in einem QM-Handbuch beschrieben sein. Ebensogut kann man bei

375

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

376 Abbildung 4.71: Integriertes Qualitätsmanagementmodell (IQM) von Hans Dieter Shegezzi Å

MANAGEMENTPHILOSOPHIE

VORGABEN

NORMATIVES MANAGEMENT

Vertikale Integration

QUALITÄTSVERFASSUNG

QUALITÄTSKULTUR

QUALITÄTSPOLITIK

QUALITY POLICY DEPLOYMENT STRATEGISCHES MANAGEMENT QUALITÄTSSYSTEME UND -STRUKTUREN

QUALITÄTSSTRATEGIE

QUALITÄTSBEZOGENE VERHALTENSENTWICKLUNG

QUALITÄTSPLANUNG OPERATIVES MANAGEMENT QUALITÄTSSICHERUNG

QUALITÄTSLENKUNG

QUALITÄTSVERBESSERUNG

VERHALTEN

STRUKTUREN AKTIVITÄTEN

UNTERNEHMENSENTWICKLUNG (UE) ENTWICKLUNG DER QUALITÄTSFÄHIGKEIT

IQM auf ein QM-Handbuch verzichten und dafür das QM-System im allgemeinen Führungshandbuch der Organisation beschreiben. Allerdings ist es dann zweckmäßig, in einer Referenzmatrix die Beziehungen zur DIN EN ISO-Normenreihe 9000 aufzuzeigen, um Audits und Zertifizierungen des Qualitätsmanagements zu erleichtern. Bei separater Dokumentation in einem QM-Handbuch kann die Grundstruktur des allgemeinen Führungshandbuchs als Gliederung gewählt und dadurch der Einbezug des Qualitätsmanagements verdeutlicht werden. Das IQM schreibt jedoch nicht zwingend eine Strukturgleichheit zwischen dem QM-System und dem allgemeinen Führungssystem vor. Für das QM-System können im QM-Handbuch auch andere Gliederungen, beispielsweise diejenige nach DIN EN ISO 9001 oder eine Prozessstruktur gewählt werden. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, in einer Referenzmatrix die Beziehungen des Teilsystems zum allgemeinen Führungssystem sichtbar zu machen.

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

Durch das IQM ist Qualitätsmanagement in die Betriebswirtschaftslehre und in die Managementlehre einbezogen. Dies erleichtert die Vermittlung qualitätsrelevanter Lehrinhalte im Rahmen aller Ausund Weiterbildungslehrgänge, vor allem jenen der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. Dadurch wird der Wissensstand über Qualitätsmanagement bei Führungs- und Fachkräften erhöht, was eine Voraussetzung für wirkungsvolles Anwenden von IQM ist. Das IQM verändert auch die Rolle der Qualitätsspezialisten in den Organisationen und beschleunigt dadurch eine seit einigen Jahren ablaufende Entwicklung. Die Qualitätsspezialisten geben ihre Verantwortung für Leistungen (Produkte, Dienstleistungen, Informationen) zusehends an die betreffenden Funktionsbereiche der Organisation ab und werden selbst zum internen Berater, Trainer, Coach und Controller in qualitätsrelevanten Fragen und Aufgaben. Mittels IQM erhöht sich ihre Verknüpfung mit anderen Teilführungsaufgaben, z.B. mit Umweltmanagement, mit Arbeitssicherheit oder mit Risikomanagement. Vom fachlichen Berater des Teilsystems Qualitätsmanagement können sie sich sogar zum allgemeinen Systemberater weiterentwickeln.“

 Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) – Der Ansatz von Johannes Rüegg-Stürm in der Interpretation von Hans Dieter Seghezzi

Ohne den in  und  dargestellten Ansatz von Knut Bleicher aufzugeben stellt Seghezzi fest, dass ein solch abstraktes Managementkonzept zur Umsetzung in die Praxis nicht passend ist. Deshalb wird von ihm Erleichterung gesucht, die in dem neuen St. Galler Managementmodell von Rüegg-Stürm gesehen wird, dessen Ansatz auf das St. Galler Managementmodells von H. Ulrich (Ulrich/Krieg 1974) zurückgeht. Das neue St. Galler Managementmodell erscheint ihm als passenden Lösungsansatz, um das IQM praktischer werden zu lassen. Unterschieden werden sechs zentrale übergeordnete Begriffskategorien: Umweltsphären, Anspruchsgruppen, Interaktionsthemen, Ordnungsmomente, Prozesse, Entwicklungsmodi. Diese von Rüegg-Stürm (2003/2005, 21ff ) sogenannten Grundkategorien beziehen sich auf zentrale Dimensionen des Managements. Unter Management wird eine Funktion, d.h. ein System von Aufgaben zum Gestalten, Lenken(Steuern) und Weiterentwickeln zweckorientierter soziotechnischer Organisationen verstanden. Von RüeggStürm werden die Grundkategorien, wie sie in der folgenden Abbildung 4.72 verdichtet wurden, beschrieben (Rüegg-Stürm 203/2005, 23; von den äußeren Kreisen nach innen lesen!):

377

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

378

Umweltsphären

Gesellschaft Natur Technologie Wirtschaft

Entwicklungsmodi

Konkurrenz

ng ru ue

Managementprozesse

Lieferanten

Kapitalgeber

e g Ern un ier tim Op

n re ie r tu eg t k ltu u ra r u t t K S S

Anspruchsgruppen

Kunden

Geschäftsprozesse Unterstützungsprozesse Ressourcen Normen und Werte Anliegen g und Interessen

Staat

Ordnungsmomente Prozesse

ÁAbbildung 4.72: Integriertes Managementmodell von Johannes Rüegg-Stürm (Quelle: nachempfunden nach Rüegg-Stürm 2003/2005, 22)

×

×

×

×

Öffentlichkeit NGOs

Mitarbeitende

Interaktionsthemen

„Umweltsphären sind als zentrale Kontexte der unternehmerischen Tätigkeit zu verstehen. Je nach Branche und Tätigkeitsschwerpunkten sind diese Umweltsphären auf wichtige Veränderungstrends hin zu analysieren. Anspruchsgruppen (Stakeholders) sind als organisierte oder nicht organisierte Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen zu verstehen, die von den unternehmerischen Wertschöpfungs- und manchmal auch Schadschöpfungsaktivitäten betroffen sind. Mit Interaktionsthemen werden „Gegenstände“ der Austauschbeziehungen zwischen Anspruchsgruppen und Unternehmung bezeichnet, um die sich die Kommunikation der Unternehmung mit ihren Anspruchsgruppen dreht. Dabei unterscheiden wir einerseits personen- und kulturgebundene Elemente wie Anliegen, Interessen, Normen und Werte und andererseits objektgebundene Elemente, d.h. Ressourcen. Bei den Interaktionsthemen handelt es sich somit teils um thematische Felder (im Sinne von „issues“) der Auseinandersetzung, teils und handelbare Güter und Rechte. Zusammenfassend werden unter Interaktionsthemen verschiedene Typen von Inhalten kommunikativer Prozesse mit den Anspruchsgruppen verstanden. Die unternehmerischen Wertschöpfungsaktivitäten laufen nicht beliebig, sondern in mehr oder weniger geordneten Bahnen ab

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

– auch wenn die entsprechenden Kommunikations- und Handlungsmuster meistens nicht einfach zu erkennen (rekonstruieren) sind. Die Ordnungsmomente geben dem organisationalen Alltagsgeschehen eine kohärente Form, indem sie diesem eine gewisse Ordnung auferlegen und auf diese Weise das Alltagsgeschehen auf die Erzielung bestimmter Wirkungen und Ergebnisse ausrichten. × Alle Wertschöpfungsaktivitäten einer Unternehmung und die dazu notwendige Führungsarbeit werden in Prozessen erbracht, die sich durch eine bestimmte sachliche und zeitliche Logik beim Vollzug spezifischer Aufgabenfelder charakterisieren lassen. × Die hohe Umweltdynamik, an deren Erzeugung menschliche Neugierde und Kreativität im Allgemeinen und innovative Unternehmungen im Besonderen massgeblich beteiligt sind, bringt für jede Unternehmung das erfordernis einer kontinuierlichen Weiterentwicklung mit sich. Die Entwicklungsmodi beschreiben grundlegende Muster der unternehmerischen Weiterentwicklung.“ Der Versuch von Seghezzi besteht nun im ersten Schritt darin, den im Modell beschriebenen „inneren Bereich“ auf das QM hin zu spezifizieren. Er gelangt zu folgender Zuordnung (Seghezzi et al. 2007, 12f): aus wird Managementprozesse Q-Führung Geschäftsprozesse Q-Planung / Q-Lenkung Unterstützungsprozesse Q-Sicherung / Q-Verbesserung Strategie Q-Politik und -Strategie Strukturen Q-System und -Struktur Kultur Q-Kultur Dieser Umsetzungsschritt ist zwingend. Er wurde bereits bei der Transformation des Modells von Knut Bleicher vorexerziert. Würdigung: Der Versuch, auf der Basis der allgemeinen Managementlehre das Qualitätsmanagement neu zu formulieren, ist bisher weder in Fachkreisen des Qualitätsmanagements noch in der Betriebswirtschaftslehre auf besonders große Resonanz gestoßen. Sein IQM ist neuerdings in der Kombination Bleicher/Rüegg-Stürm nachvollziehbar grundlegend beschrieben (Seghezzi et al. 2007). K. Bleicher hat inzwischen die Weiterführung seines Ansatzes durch Seghezzi positiv gewürdigt und in der 4. Auflage seines Buches herausgestellt (Bleicher 1996, 399). Auch ist das Prozessmanagement von ihm berücksichtigt worden (ebenda, 382-389).

379

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

380

 Integrierte Managementsysteme (IMS)

Abbildung 4.73: Integrierte Managementsysteme mit angedeuteten Einsparungsbereichen Ë

Während es in diesem Kapitel (vgl. Abb. 4.69) bisher um eine Reformulierung des Qualitätsmanagements auf der Folie von Ansätzen der Managementlehre ging, wie sie vornehmlich an der Hochschule St. Gallen entwickelt wurden, soll nun der zweite Ansatz des Integrierten Managements beschrieben werden, der oft als Integrierte Managementsysteme (IMS) bezeichnet wird. Die Herleitung wird oft wie folgt begründet: Neben qualitätsbezogenen Forderungen haben sich die Organisationen noch mit weiteren Forderungen, und demnach ganzen Forderungssystemen, zu befassen. Hauptsächlich betrifft das die folgenden Bereiche: × Qualität × Umwelt × Arbeitsschutz × Gesundheitsschutz /Hygiene × Anlagensicherheit × Notfall × … Schon aus der Sicht der einzelnen Organisation ist klar, dass der isolierte Aufbau solcher Managementsysteme erhebliche verwaltungstechnische und ökonomische Kosten verursacht (siehe die Möglichkeiten der Einsparung durch Vermeidung von Doppelarbeit, vgl. Abbildung 4.73). Die Idee ist deshalb, die Integration von Managementsystemen voranzutreiben, um die Forderungen verschiedener Systeme bzw. Regelwerke gleichzeitig und effizient zu erfüllen.

Qualitätsmanagement ISO 9000ff

Umweltmanagement ISO 14000

Sicherheitsund GesundheitsManagement

Allgemeines Management

Qualitätsmanagement ISO 9000ff

Umweltmanagement ISO 14000

Sicherheitsund GesundheitsManagement

Möglichkeiten der Einsparung

?

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

QMS ISO 9001

UMS ISO 14001

QMS-spezifische Elemente

UMS-spezifische Elemente

identische Elemente

ÏAbbildung 4.74: Vergleich der Elemente zweier Managementsysteme (QMS/UMS) – Idee nach Seghezzi et al. 2007, 261)

Wie schwierig ein solches Unterfangen ist, mag am Beispiel von zwei schon recht weit entwickelten Managementsystemen demonstriert werden, dem Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen ISO 9001 und ISO 14001. Hier müssten zunächst in einer Synopse jeweils spezifische und gleiche Inhalte (Elemente) zusammengestellt werden, wie die Skizze der Abbildung 4.74. Die Bemühungen der entsprechenden Referate der ISO gehen bei der Revision diese Normen genau in diese Richtung. Die Bestrebungen sowohl auf der Seite der Ingenieurwissenschaft wie auch der Betriebswirtschaft und anderer Disziplinen (z.B. Arbeitswissenschaften und Medizin) sowie bestimmter Managementebenen in vielen Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene gehen eindeutig dahin, zunächst einmal die Organisation in überschaubare Teilsysteme zu gliedern, um dann diese zu Integrierten Führungs- und Managementsysteme zusammenzufügen. Diese Integrationsbemühungen setzen allerdings voraus, dass man sich auf der begrifflichen und konzeptionellen Ebene verständigt hat. Solche Verständigungsarbeit wird national und international derzeit vorangetrieben. Insbesondere geht es darum Systeme des Qualitätsmanagements, des Umweltmanagements, der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsmanagements mit einer theoretischen Klammer zu einem Integrierten Managementsystem zu verbinden. Systeme der Abs mmung - Vergleich „In einem banalen Vergleich lässt sich diese Situa on mit dem Straßenunterhalt in vielen unserer Städte vergleichen. Dort werden ohne Koordina on Straßen aufgerissen und wieder zugeschü et, einmal werden die Gasleitungen, beim nächsten Mal Elektrizitätsleitungen, danach die Telefonleitungen verlegt, etc. Die zuständigen Ämter arbeiten unabhängig voneinander, weil das System die Abs mmung nicht vorsieht. In kleinen Gemeinden lässt sich die Situaon durch Zusammenlegung der Ämter verbessern, in grossen Gemeinden müssen abges mmte Systeme eingeführt werden. Analog gilt dies für große und kleine Unternehmungen und ihre Führungssysteme.“ [Seghezzi 1997b, 12]

381

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

382 Zielstellungen, die mit einem IMS verfolgt werden

Für solche IMS gibt es bisher keine genormte oder andersweitig bestimmte Basis für einen solchen Systemaufbau. Klar ist aber, welche Zielstellungen mit ihnen verfolgt werden sollen (Linß 2002, 102): × „Steigerung der Effizienz der Unternehmensorganisation (transparente Ablauf- und Aufbauorganisation) × flexibles Managementsystem mit schlanker Prozessdokumentation × Kosten- und Zeiteinsparung durch Vermeidung von Doppelarbeit und Redundanz × umfassende Rechtssicherheit × Minimierung des Produkthaftungsrisikos × schnellere Akzeptanz und besseres Verständnis der Mitarbeiter für integrierte Managementsysteme × Förderung der Selbstverantwortung × Durchsetzung des hohen Qualitätsstandards in allen Bereichen des Unternehmens × reduzierter Aufwand der Dokumentenprüfung × ist Basis für kontinuierliche Verbesserung.“ Eine grundsätzliche Frage berührt die unterschiedliche Eignung der jeweiligen Managementsysteme für die Einbeziehung in ein IMS, eine weitere die des differierenden Komplexitätsniveaus. Die synoptischen Bemühen sind noch nicht weit fortgeschritten. Jedenfalls überzeugt die Stringenz der gefundenen Merkmalsebenen sehr oft nicht. Das betrifft auch die noch nicht ausgereiften Vorgehensmodelle (Linß 2002, 105-108). Einen ersten ausgearbeiteten konkreten Vorschlag zum IMS haben Pfeufer/Schreiber/Rau vorgelegt. In Form einer Loseblattsammlung (Pfeufer/Schreiber/Rau 2001) stellen sie die Grundlagen des Aufbaus eines modularen IMS-Regelwerkes dar, in das sich weitere Systeme integrieren lassen. Es stellt somit hohe Forderungen an Integrationsfähigkeit, Flexibilität und Offenheit. Den Autoren zufolge ließen sich die folgenden – als anschlussfähig anzusehenden – existierenden Modelle differenzieren (Pfeufer/Schreiber/Rau 2001, 2.4, 1-2): (1) „Qualitätsmanagementsysteme (QMS): Hierzu zählen neben der DIN EN ISO 9000ff und die darauf aufbauenden Systeme der Automobilindustrie wie die OS-9000 der Automotive Industry Action Group (AIAG) aus den USA, die ANFIA Valutazione Sistemi Qualita (AVSQ) der Associazione Nazionale Fra Industrie Automobilistiche (ANFIA) aus Italien, die Evaluation Aptitude Qualité Fournisseur (EAQF) der Comité des Constructeurs Français d’Automobiles (CCFA) und der Fédération des Industries des Équipements pour Véhicules (FIEV) aus Frankreich, das Systemaudit VDA 6.1 des Verbands der Auto-

4.3 Allgemeine Kernmodelle des Qualitätsmanagements

mobilindustrie (VDA) aus Deutschland und die ISO/TS 16949 als gemeinsames System der vorgenannten Organisationen. (2) Umweltmanagementsysteme (UMS): Die Vertreter der Umweltmanagementsysteme sind die DIN EN ISO 14000ff und die Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG-VO 1836/93, auch als Öko-Norm bzw. Environmental Management and Audit Scheme (EMAS) bekannt. Dabei ist zu beachten, dass die DIN EN ISO 14000ff weltweit und die EWGVO 1836/93 (EMAS) auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) beschränkt ist. (3) Sicherheitsmanagementsysteme (SIMS): Zu dieser Gruppe zählen Managementsysteme wie die Arbeitssicherheit (ASI), die Sicherheits Certifikat Contraktoren (SCC) sowie die Arbeitsschutzgesetze für Sicherheit, Gesundheit und Umwelt, wie z. B. die Bildschirmarbeitsplatzanalyse oder die Gefährdungsanalyse. (4) Total Quality Management (TQM): Die vierte Art der Modelle sind die umfassenden (totalen) Managementsysteme. Bekannt geworden sind der Malcom Baldrige National Quality Award (MBNQA) aus den USA und das Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM), der European Quality Award (EQA/EEA). Aus dem EQA-Modell haben sich auf nationaler und Länderebene weitere Modelle entwickelt, die auch zum Teil die gleichen Kriterien der Bewertung enthalten, so zum Beispiel der Ludwig-Erhard-Preis (LEP) in Deutschland, welcher die Kriterien des EQA verwendet.“ Die Systeme/Modelle in diesen vier Gruppen lassen sich in das IMS einfügen. Die Bausteine des IMS werden jedoch nicht sofort insgesamt für diese vier Bereiche vollständig ausgearbeitet, sondern folgen einem Schritt-für-Schritt-Konzept, dass zunächst auf die Erfüllungsaspekte der ISO 9000:2006ff, dem Umweltmanagementsystem ISO 14000ff, dem SIM Sicherheits-Certifikat Contraktoren (SCC) und dem EFQM-Modell, nach dem der EEA vergeben wird, konzentriert wird. Auf der Basis einer intensiven synoptischen Betrachtung extrahieren die Autoren die folgenden vier Bausteingruppen, nach denen sich die Modelle/Systeme strukturieren lassen (Pfeufer/Schreiber/ Rau 2001, 2.5, 3): (1) Unternehmensführung mit Unternehmenspolitik und -strategien, Geschäftsplanung Aufbau- und Ablauforganisation, Verantwortungsregelungen und Befugnisse, Personalentwicklung, Unternehmensergebnisse und -steuerung

383

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

384

Sechs Kriterien, die ein IMS erfüllen muss

(2) Geschäftsprozesse mit Planung, Beschaffung, Produktion (3) Unterstützende Prozesse mit Projektmanagement, Lenkung von Produkten und Prozessen, Lenkung von Dokumenten/Daten (4) Geschäftsprozesssteuerung mit Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen System-, Produktund Prozessaudits und Self-Assessments. Zweifellos steckt in dieser Checkliste nicht nur das Vocabular des Prozessmanagements, sondern es handelt sich bei diesem Versuch, einen IMS-Ansatz zu entwickeln, um ein prozessorientiertes Integriertes Managementsystem, das es ermöglicht die themenzentrierten Teilsysteme unter einem einheitlichen Konzept abzustimmen. Im Sinne Seghezzi’s kann m.E. durchaus davon gesprochen werden, dass das vorgelegte prozessorientiert IMS die Integrationskraft aufgrund der folgenden sechs Kriterien entfalten könnte (Seghezzi 1997b, 1718): 1) Modularität 2) Vollständigkeit 3) Neutralität 4) Komplexitätsbewältigungskapazität 5) Offenheit 6) Flexibilität. Damit wäre der Gang durch den Versuch Integriertes Management/ Integriertes Qualitätsmanagement und die in diesem Zusammenhang zu schaffenden Systeme erst einmal zu Ende geführt. Zu Ende wird er nie sein, denn Ganzheiten gaukeln immer Einheit und Eintracht vor. Das würde dem Wesen des Menschen, der die Organisationen schafft, widersprechen. Wesensmäßig ist er auf die Zukunft ausgerichtet und das sollten Organisationen auch sein. Unablässig muss deshalb daran gezweifelt werden, ob das Ziel der Integration, ein ganzheitliches „System“ denn überhaupt erreichbar ist. Das folgende Kapitel weist eher die entgegengesetzte Richtung, die Vielheit mit ein bißchen Einheit auf Sparflamme. Ausblick: Der momentane Stand der Integrierten Managementsysteme bei der ISO scheint zu sein, dass eine umfassende Norm mit einer Bezeichnung IMS nicht entwickelt wird. Zu groß sind offenbar die Zielkonflikte, die zwischen den Systemen gesehen werden. Dennoch gibt es Bestrebungen das Thema IMS weiterzuführen. Die Bestrebungen werden insbesondere von den großen Zertifizierungsgesellschaften unterstützt, die Zertifikate für ein integriertes Managementsystem mit den Systemteilen QM, UM und Arbeitssicherheit anbieten.

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

4.4

Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Bedingt durch die enorme Vielzahl an Perspektiven, die das Qualitätsmanagement zulässt und suggeriert sollen hier einerseits teilweise direkt an Kapitel 4.3 anschließende Ansätze behandelt werden, andererseits aber auch solche Ansätze, die einen besonderen Status erlangt haben, die also gar keinen Zusammenhang zu den QM-Systemen der ISO erkennen lassen. Schließlich sollen noch in einem gesonderten Kapitel die Qualitätstechniken gewürdigt werden,

4.4.1

Branchenbezogene Ansätze des Qualitätsmanagements: Regelwerke mit direktem Bezug zur ISO 9001

Vorbemerkung: Warum, so die durchaus legitime Frage, sollen wir uns auf so ein einheitliches, alle Branchen dienendes Qualitätsmanagement einlassen. Die Branchenwelten sind so vielfältig, jede Organisation unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der anderen. Das ist schon in ein und derselben Branche feststellbar, wo ein Unternehmen nicht wie das andere ist. Dennoch, es haben sich bestimmte Praxen durchgesetzt: Zusätzlich anwendend oder ergänzend zu den branchenunabhängigen Forderungen der DIN EN ISO 9000-Familie haben sich branchenspezifische Regelwerke etabliert. Dieser Trend wurde bereits in Kapitel 4.3.3 grundsätzlich diskutiert. Bei den zusätzlich anzuwendenden Forderungen handelt es sich um QM-Systeme, bei denen die Forderungen des Darlegungsumfangs der Darlegungsnorm der ISO 9001 erweitert werden (= verschärft). Diese speziellen Regelwerke setzen die Forderungen der ISO 9001 voraus, d.h. jeder Anwender muss die Darlegungsnorm ISO 9001 anwenden, also bereits in seiner Organisation implementiert haben. Die „Ergänzungsnorm“ ist gewissermaßen ein Aufsatz, ein „Turbo“. Die andere Gruppe von QM-Systemen haben eigenständigen Charakter und beziehen sich teilweise auf die ISO 9000-Familie, setzen diese aber nicht direkt voraus. Oft ist dieser Bezug äußerlich überhaupt nicht erkennbar. Diese Systeme sind historisch innerhalb einer Branche oder eines Bereiches gewachsen und haben sich nicht allzusehr geöffnet. Erkennbar ist das daran, dass die aktuelle QM-Terminologie der ISO nicht genutzt wird. Zu den erweiternden Regelwerken: Sehr oft wird ein eigenes branchenbezogenes Regelwerk damit begründet, dass ein – oft globaler – Qualitätsstandard geschaffen werden soll, der über den allgemeinen branchenübergreifenden Standard der ISO 9000-Familie hinausgeht. Die heute existierenden Systeme entstammen vor allem aus der sehr

385

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements Abbildung 4.75: Branchenspezifische QM-Regelwerke – Beziehungsstruktur Å

ergänzende Nutzung durch:

ISO 9001

VDA 6.1 QS-9000 ISO/TS 16949

TL 9000 …

n Bra

h p://www.vdaqmc.de

KTQ® HACCP GLP GMP …

h Pr n oli fer atio n

386

c

e

stark international ausgerichteten Automobilbranche. Die folgende – nicht vollständige – Auflistung der Regelwerke zeigt, dass es aber auch in anderen Branchen gezielte Bestrebungen der Etablierung eines eigenen Branchenstandards gibt: Automobilindustrie × VDA 6.1 – Verband der Deutschen Automobilindustrie × QS-9000 – Amerikanische Automobilindustrie × ISO/TS 16949 – Internationale Forderungen bei Anwendung der ISO 9001:1994 für Zulieferer der Automobilindustrie × Frankreich (EAQF), Italien (AVSQ) Telekommunikationsindustrie × TL 9000 – Telecommunications Leadership 9000 – branchenspezifische Ergänzungen zur ISO 9001 der führenden amerikanischen Telekommunikations-Unternehmen, dem sich inzwischen auch bekannte europäische und deutsch Unternehmen angeschlossen haben Luft- und Raumfahrt × QSF A, B, C, D – QM-Forderungen Luft- und Raumfahrt × AS 9000 – branchenspezifisches Regelwerk zur ISO 9001 Beispiel für ein ergänzendes QM-Regelwerk – die VDA 6.1 des Verbands der Deutschen Automobilindustrie: Im Rahmen dieses Buches kann nicht auf sämtliche o.g. branchenspezifischen QMRegelwerke eingegangen werden [7] [8]. Das deutsche Beispiel der VDA 6.1 mag zur Illustration ausreichen: Zunächst ist für die Zukunft wichtig, dass die ISO zugesagt hat die in der Automobilbranche bestehenden branchenspezifischen Forderungssysteme zusammenzuführen. Dieses Versprechen findet bereits in der ISO/TS 16949 seinen Ausdruck, die in den nächsten Jahren in eine eigene QM-Norm für die Automobildindustrie überführt wird. Mit Erscheinen dieser bran-

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

387

Qualitätsstandard der deutschen Automobilindustrie (VDA 6) VDA 6 Qualitätsaudit Allgemeine Grundlagen

VDA 6 Teil 1

QM-Systemaudit

VDA 6 Teil 3 VDA 6 Teil 5

VDA 6 Teil 2

QM-Systemaudit Dienstleistung

Prozessaudit Produktaudit

VDA 6 Teil 6

cheneigenen QM-Norm dürften die nationalen Systeme – so auch das folgende VDA 6.1-Darlegungs-Regelwerk – dann ihre Gültigkeit verlieren. Die Abbildung 4.76 zeigt den Aufbau des VDA 6 Qualitätsstandards des Verbands der Automobilindustrie e.V., der für materielle Produkte und Dienstleistungen erstellt wurde. Dieser Standard ist in der Schrift VDA 6 Teil 1, herausgegeben vom Verband der Automobilindustrie e.V., dokumentiert. An dem Qualitätsstandard haben alle großen deutschen Automobilhersteller sowie namhafte Unterlieferanten der Automobilindustrie mitgewirkt. Der Aufbau gliedert sich Die ergänzenden Forderungen bei der Zertifizierung nach VDA 6.1 liegen gegenüber der ISO-Zertifizierung insbesondere in der Markt- und Kundenorientierung von Prozessen und Produkten. Sie sind entscheidender Wettbewerbsfaktor mit Focus auf kontinuierlicher Verbesserung (KVP) zu allen Qualitätskriterien von der Produktidee über Produktund Prozessplanung, der Serienfertigung und Vermarktung bis hin zur Entsorgung. Einhaltung von Gesetzesforderungen und Sicherheitsaspekte sind im Rahmen der Produktsicherheit und möglicher Haftungsrisiken von besonderer Bedeutung. In die Mitarbeiterzufriedenheit sind spezielle Forderungen zu Trainings und Qualifikation aller Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen. Das Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter soll durch transparente Darstellung erreichter Qualität zu vorgegebenen Zielen gefördert werden. Darüber hinaus sollen durch wirtschaftliche Betrachtungen von Produkt- und Prozessfehlern Schwerpunkte für interne und externe Verluste erkannt werden. Die Zuordnung der Fehler auf die Verursacher im Unternehmen soll den kontinuierlichen Verbesserungsprozess in allen Bereichen nachhaltig unterstützen. Weitere spezifische Zusatzforderungen für die Automobilindustrie sind zu allen QM-Elementen der ISO 9001 in VDA 6.1 festgelegt.

Produktaudit Dienstleistung ÁAbbildung 4.76: Branchenspezifische QM-Regelwerke – Beziehungsstruktur

Zu den gängigsten Forderungen nach VDA 6.1

Zugang zu den QMInforma onen des VDA findet man hier: h p://www.freiwerkb.de/VDA-QMC/ Pla orm/module/ glossar/glossar.php

Vorbild Automobilbranche „Seit Erfindung der ‘selbs ahrenden Droschken’ gehörte die Automobilindustrie schon immer zu den Branchen, die zukun sweisenden Ideen entwickelte und verwirklichte. Die daraus gebildeten neuen Ansätze haben Vorbildcharakter auch über die Branche hinaus. Viele Methoden und Verfahren, die heute in Industrie und Wirtscha allgemein als Stand der Technik bezeichnet werden können, haben ihren Ursprung in der Automobilbranche.“ [Brakhahn 1998, 1]

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

388

ËAbbildung 4.77: Au au der VDA 6.1

in die abgebildeten 5 Teile (Stand 1997). Alle Teile (Auditarten) sind vom VDA veröffentlicht und dort erhältlich. Damit wird deutlich, dass neben der DIN EN ISO 9000 ff weitere wichtige Normen und Standards existieren. Die VDA 6.1 ist Teil des Qualitätsstandards der Deutschen Automobilindustrie (VDA 6, Teil 1 bis 6), sie ist Grundlage für eine 3rd Party Zertifizierung. Der umfassende Qualitätsstandard der deutschen Automobilindustrie wird erst erfüllt, wenn Produkte und Prozesse konform sind und die Kundenforderungen erfüllt werden. Hierzu sind im VDA neben dem QM-Systemaudit nach VDA 6.1 ergänzende Auditierungen von Prozessen und Produkten nach den Auditierungsschriften VDA 6 Teil 3 und VDA 6 Teil 5 festgelegt. Die Anwendung erfolgt vorrangig für interne Qualitätsaudits (first-party) oder als Kundenaudit durch Kfz-Hersteller und deren Unterlieferanten (second party). Die Abbildung 4.77 zeigt den Aufbau VDA 6.1 QM-Systemaudit mit den Blöcken Normenreihe DIN EN ISO 9001, 9004-1, ergänzende Forderungen aus dem EFQM-Modell, sowie mitgeltende Referenzschriften als spezifische Forderungen der Automobilindustrie mit Bezug auf besonders im VDA festgelegte Abläufe/ Verfahren, Q-Techniken (VDA-Bände 1 bis 7). In den einzelnen QMElementen nach VDA 6.1 wird Bezug genommen zu mitgeltenden Referenzschriften, die bei den Unternehmen der Automobilindustrie berücksichtigt werden müssen. Vergleichbare, alternative Anwendungen sind möglich. Sie sind gegebenenfalls mit dem Kunden abzustimmen. Dies ist Bestandteil der Zertifizierung. In gleicher Weise sind alle Forderungen in den einzelnen QM-Elementen und Fragen nach VDA 6.1 als Beispiele aufzufassen. Sie unterstützen die Unternehmen beim

VDA-Bände 1 bis 4, 6, 7 Automobilindustrie Spezifische Forderungen EQA/EFQM-Modell DIN EN ISO 9004:2000-12 DIN EN ISO 9001:2000-12

VDA-Bände 1 2 Mitgeltende ReferenzSchriften

3 4.1 4.2 4.3 6.3 6.5 7

Nachweisführung Sicherung der Qualität von Lieferungen Zuverlässigkeitssicherung Sicherung der Qualität vor Serieneinsatz System FMEA Projektplanung Prozeßaudit Produktaudit Grundlagen zum Austausch von Qualitätsdaten

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Aufbau eines praktikablen QM-Systems, das angepasst sein muss an Markt- und Kundenerfordernisse, Gesetze und Normen, Produktpalette und letztendlich die gesamte Qualitätspolitik. Kraftfahrzeughersteller und Unterlieferanten setzen hiermit gemeinsame Maßstäbe für die Zertifizierung von QM-Systemen in der Automobilindustrie. Die deutsche Automobilindustrie fordert die Anwendung eines QM-Systems nach VDA 6.1 von allen Unternehmen, die im Fahrzeugbau produzieren oder zuliefern. Eine Zertifizierung wird nach VDA 6.1 von den meisten KFZ-Herstellern gefordert. Die Zertifizierungsgesellschaft, die anerkannt werden, sind bei QMC-VDA zu erfragen. KTA 1401:1996-6 – Allgemeine Forderungen an die Qualitätssicherung von Kernkraftwerken. Die KTA 1401 ist ein Regelwerk im Qualitätsmanagement der Kernkraftwerke (hrsg. vom Kerntechnischen Ausschuss – KTA), die auf der ISO 9001 aufsetzt und zusätzlich für den KKW-Bereich spezifische Forderungen enthält. Eine KTA 1401-Zertifizierung umfasst in der Regel die Projektierung und Fertigung von Prozessanalysatoren im Kraftwerksbereich, sowie die Erbringung der Dienstleistungen für den Betrieb und den Unterhalt der gelieferten Prozessanalysensysteme. Die qualitätsbezogenen Mehrforderungen scheinen eher die Spezifizität von Kernkraftwerksanlagen zu betreffen, denn grundsätzlich Neues ins Spiel zu bringen. Insofern ist eine gelungene Zertifizierung nach ISO 9001 ein gutes Fundament und es dürfte leicht sein die zusätzlichen Forderungen der KTA 1401 zu erfüllen. Der KTA hat diesbezüglich weitere bindende Normen herausgegeben. Diese Einschätzung bezieht sich auf das Studium der KTA 1401:1996-6, die in 6/2001 inhaltlich überprüft und für weiterhin gültig erklärt wurde. Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang von Branchenkontexten sind die CMMI-Modelle (manchmal auch Reifegradmodelle genannt), mit denen im Softwareentwicklungsbereich als Referenzmodell der Zweck verfolgt wird mittels bewährter Praktiken die Organisation zu verbessern. Eines dieser Modelle, das terminologisch mit der ISO 9001 verknüpft ist, wird in der Norm ISO 15504:2004 abgebildet. Mit ihr wird ein Bezugsrahmen für die Verbesserung und das Assessment von Prozessen vorgegeben. Der oft genannte fünfte Teil der ISO 15504-Norm die heute gemeinsam von der der ISO/IEC getragen und veröffentlicht wird, wird SPICE genannt: Software Process Improvement and Capability Determination. Sehr lesenswert hierzu ist der folgende Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Capability_Maturity_Model_Integration (Abruf am 25. März 2011).

389 Link der Zer fzierungsgesellscha en, die von VDA-qmc empfohlen werden: h p://www.vda-qmc. de/zer fizierung/ ia /zer fizierungsgesellscha en/

KTA = Kerntechnischer Ausschuss

CMMI = Capability Maturity Model Integrated SPICE = So ware Process Improvement and Capability Determina on

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

390

4.4.2

Trend zum Branchenlei aden – Angebot der SQS

Branchen-/Bereichsbezogene QM-Systeme ohne oder mit indirektem Bezug zur ISO 9001: Beispiele

Während die in 4.4.1 genannten Systeme die Darlegungsnorm ISO 9001 bindend voraussetzen, ist in den folgenden Beispielen der Zusammenhang zur ISO 9000-Familie nur derart, dass bestimmte Sachverhalte geteilt werden oder gänzlich neu formuliert worden sind. Beispielhaft seien die folgenden Branchen-Systeme ohne Anspruch auf Vollzähligkeit genannt × GMP – Good Manufacturing Practice × GLP – Good Laboratory Practice × HACCP – Hazard Analysis Critical Control Points Krankenhäuser × ServiceQualität Deutschland × KTQ® – Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus Es ließen sich noch weitere Bereiche, Sektoren, Branchen, Bundesländer nennen, die eigenständige Entwicklungen initiert haben. Neue gesetzliche Vorgaben, wie im Bereich des Gesundheitswesens, treiben die Entwicklung oftmals an. Manchmal ist es auch die aufhorchende öffentliche Meinung, wie im Falle des Schulwesens (PISA). Es finden sich unter den entsprechenden Bezeichnungen Stichwörter im Lexikon Qualitätsmanagement (Zollondz 2001). Auffällig ist, dass die Verantwortlichen in diesen Bereichen wohl überwiegend annahmen, dass ihre Branchensituation so speziell ist, um auf das allgemeine Qualitätsmanagement verzichten zu können. Auffällig ist auch ein Trend zu Branchenleitfäden und die Berücksichtigung der Prozessperspektive. Illustrieren lässt sich dies an den Aktivitäten der Schweizer Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme, die folgende BranchenLeitfäden anbietet (http://www.sqs.ch/index/leitfaeden.htm): × Qualitätsmanagement im Gesundheits- und Sozialwesen × Dienstleistungs- und Qualitätsmanagement im Tourismus × Qualitätsmanagement in ärztlichen Einzel- und Gesundheitspraxen × QM für Soziale Dienste und Beratungsstellen × Qualitätsmanagement in Alterszentren Auf die Dienstleistungsbranche konzentriert sich seit 2002 die Initiative „ServiceQualität Deutschland“, die Dienstleistungsunternehmen bei der Verbesserung ihrer Servicequalität unterstützen möchte. Sie wird getragen von der deutschen Tourismuswirtschaft. Es wird ein Qualitätssiegel mit der Gültigkeit von drei Jahren verliehen. Die Initiative richtet sich an alle Unternehmen der „touristischen Leistungskette“. Die Umsetzung erfolgt in einem 10-Schritte-Ablauf. Die Zertifizierung selbst lässt sich wie folgt charakterisieren:

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Die bundesweite Initiative „ServiceQualität Deutschland“ bietet Unternehmen im Tourismus die Möglichkeit, im Rahmen des dreistufigen Aufbaues die Servicequalität im Unternehmen nachhaltig und kontinuierlich zu verbessern. Während eines Zweitage-Seminares werden mindestens einem Mitarbeiter die Grundlagen und die Instrumente des QualitätsmanagementSystems vermittelt. Im Anschluss an das Seminar wird die Zertifizierung des Unternehmens zusammen mit den Kollegen durchgeführt und umgesetzt. Transmissionsriemen ist der Mitarbeiter in der Organisation, der damit die Schlüsselperson für die Einführung dieses besonderen QMSystems ist. Er wirkt als Multiplikator im touristischen Betrieb. Würdigung: Der deutsche Tourismus hat es (bis auf Ausnahmen, die man an einer Hand abzählen kann) nicht vermocht die allgemeinen Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements aufzugreifen und umzusetzen. Folglich handelt es sich bei der Servicequalität Deutschland um einen scheinbar gelingenden Versuch die Kleinstrukturen der Tourismuswirtschaft zu erreichen, vom Reisebüro vor Ort, das noch nicht in einer Kette aufgegangen ist, über das Garnihotel in privater Hand, bis zum Campingplatz in der Parahotellerie, der schon immer seine Prozesse ordentlich organisieren wollte ( Jetzt weiß er das was und wie.). Die Großen im Tourismus (vom Reiseveranstalter über die Airlines bis zum Flughafen) wussten schon länger wie es zu machen ist. Die Verhältnisse sind dort anders als in der Automobilindustrie: Ein Reiseveranstalter kann seinen Unterlieferanten (Airline/Hotel) nicht so einfach eine Zertifizierung nach ISO 9001 abverlangen. Gerade im Bereich des Krankenhausmanagements sind in letzter Zeit mit Unterstützung des Ministeriums für Gesundheit sehr starke Bestrebungen im Gange, ein eigenständiges QM-Regelwerk zu etablieren, weshalb dieser Bereich kurz beleuchtet werden soll. Inzwischen befindet sich das Projekt KTQ (Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus) in der Expost-Pilotphase. Das KTQ-Manual wird als zentrales Instrument für ein krankenhausspezifisches Zertifizierungsverfahren angesehen. Damit kommt ihm wohl der Status eines branchenbezogenen QM-Darlegungsmodells gleich [6]. Das KTQ-Manual inkl. KTQ-Katalog liegt in der Version 5.0 vor. Das Manual gliedert sich wie folgt (mir liegt hier nur eine etwas ältere Fassung des KTQ-Manual, inkl. KTQ-Katalog - www.ktq.de), die wie folgt gegliedert ist: A Anleitung B Anhang zur Anleitung (Beschreibung eines virtuellen Krankenhauses, Beispiel für die Bearbeitung von Kriterien) C KTQ-Katalog Version 3.0 für den Einsatz in der Pilotphase: Strukturerhebungsbogen

391 h p://www. servicequalitaetdeutschland.de/

h p://www.ktq.de

392

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

KTQ-Katalog Version 3.0 für den Einsatz in der Pilotphase: Kriterien Die 70 Kriterien, auf die sich die Fragen der Zertifizierungsgesellschaft beziehen, werden sechs Oberkategorien zugeordnet: × Patientenorientierung × Mitarbeiterorientierung × Sicherheit im Krankenhaus × Informationswesen × Krankenhausführung × Qualitätsmanagement. Unter der Kategorie Qualitätsmanagement, die hier ein Sammelbecken an qualitätsrelevanten Begriffen enthält, befinden sich weitere zentrale Begriffe, die dem Conditio Sine Qua Non-Modell (Kap. 4.1) entsprechen, wie Prozesse und Verbesserung. Verdeutlicht werden diese beiden Punkte wie folgt (Kurzbeschreibung des Zertifizierungsverfahrens): „Im Zentrum aller Qualitätsbemühungen steht die Verbesserung der Patientenversorgung sowohl hinsichtlich der Prozesse als auch der Ergebnisse.“ Zudem wird klargemacht, dass es nicht möglich ist, Teilbereiche einer Organisation herauszuschneiden, sondern alle Krankenhausbereiche: „KTQ® macht die gesamten Leistungen Einrichtungen des Gesundheitswesens transparent.“ Es handelt sich in dem Sinn um ein umfassendes Qualitätsmanagement-System (TQM), für das die Krankenhausführung (Top Management) verantwortlich zu zeichnen hat. Die sog. KTQ-Bewertungssystematik beruht zudem klar auf dem Demingschen PDCA-Zyklus: Plan: Beschreiben Sie die Planung der Prozesse, auf die sich das Kriterium bezieht, sowie die geregelten Verantwortlichkeiten. Do: Beschreiben Sie den ‚Ist-Zustand‘ bzw. die Umsetzung der Prozesse, auf die sich das Kriterium bezieht. Check: Beschreiben Sie, wie die regelmäßige, nachvollziehbare Überprüfung und Bewertung der Zielerreichung der im Do dargestellten Prozesse erfolgt, ggf. gemessen an den Zielen des Plan (Kennzahlen, Messgrößen). Act: Beschreiben Sie die Verbesserungsmaßnahmen, die Sie aus den Ergebnissen des Check abgeleitet haben. – Nehmen Sie bitte Bezug auf alle Prozessbeschreibungen, die im Do und Check beschrieben sind. – Beschreiben Sie, wie diese Verbesserungsmaßnahmen ggf. in die erneute Prozessplanung einfließen. D

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

393

Die Zertifizierung erfolgt in drei Schritten: (1) Selbstbewertung (2) Fremdbewertung/Visitation (3) Zertifikatsvergabe/Veröffentlichung des KTQ-Qualitätsberichtes. Nur ausgewählte und empfohlene Zertifizierungsgesellschaften, die mit dem KTQ-System vertraut sind, dürfen zertifizieren. Würdigung: Auch wenn die Zu- und Unterordnungen der zentralen Begriffe nicht aus den in der Wirtschaft bekannten, besonders dem genormten Begriffssystem entsprechen, so lässt sich doch klar feststellen, dass es sich um ein Qualitätsmanagementsystem handelt, dass offenbar die praktischen Erfordernisse des Gesundheitswesens erfüllt. In jedem Fall muss von einem umfassenden QM-System, also einem TQM-System für den Gesundheitsbereich gesprochen werden. Gesagt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass Krankenhäuser bzw. medizinische Organisationen (dazu zählen auch Arztpraxen) sehr wohl abwägen, welches System sie anwenden. Sowohl die Zertifzierung nach ISO 9001 wie auch das EFQM-Modell werden genutzt. Das KTQ-System ist eine Alternative.

4.4.3

Ausgewählte aktuelle QM-Ansätze „Tous les chemins mènent à Rome.“ य „Le chemin est le but.“*)

Hunderte Facetten der unerschöpflichen Themenvielfalt von Qualität wurden bisher präsentiert. Immer wieder kommen neue Versuche ans Licht, um die Sphären neu auszuloten. Die meisten sind gar nicht so neu, wie sie scheinen. Welche Ansätze des Qualitätsmanagements lassen sich noch nennen, die bemerkenswert oft in Fachliteratur und organisatorischer Praxis in den letzten Jahren auftauchen? × In Six Sigma scheint sich ein Konzept der operativen Praxis zu etablieren. × Im Lean Management-Ansatz scheint sich ein Klassiker zu etablieren. × Im Supply Chain Management scheinen sich Denkweisen des Qualitätsmanagements etabliert zu haben. × Im Beschwerdemanagement hat sich ein Managementansatz etabliert, der uns zeigt, was im Dienstleistungsmanagement mindestens getan werden sollte. Einen Ansatz wie das Benchmarking könnte man ebenfalls hier einordnen. Es soll jedoch bei der lockeren Vierer-Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit bleiben. Schließlich gilt es zu bedenken, dass im Prinzip jede Qualitätstechnik (Kapitel 4.4.5) das Zeug zum QM-Ansatz in sich trägt (zum Beispiel Qualitätszirkel). *

) „Alle Wege führen nach Rom.“ य „Der Weg ist das Ziel.“

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

394

 Six Sigma – Von der Qualitätstechnik zum System

Motorola entwickelt Six Sigma

ËAbbildung 4.78: Empfohlene Fachliteratur zu Six Sigma

Viele Unternehmen entwickeln ihre eigenen QM-Systeme, doch nur wenigen gelingt es, eine zunächst aufs eigene Unternehmen bezogene Methodik so zu deduzieren, damit sie dann von jeder anderen Organisation adaptiert werden kann. So ist Toyota mit Taichi Ohno ein solcher Wurf mit seinem TPS gelungen (Kapitel 2.7). Die im Rahmen des TPS entwickelten Konzepte sind heute Bestandteil von Managementkonzeptionen vieler Organisationen. Man denke nur an Kanban oder JiT. Motorola ist das Unternehmen, auf das wir uns hier bei der Frage beziehen, ob es möglich ist, aus einem Unternehmenskonzept ein weltweit angewandtes QM-Modell zu entwickeln. Motorola hat im Jahr 1987 eine Qualitätstechnik entwickelt, die inzwischen als eigenständiges QM-Konzept gewertet werden muss, bei dem die ursprüngliche Qualitätstechnik Six Sigma den Kern bildet. Prüfstein für die Beurteilung ist das Condition Sine Qua Non(CSQN)-Modell. Ohne hier eine detaillierte Prüfung durchzuführen, ob die QM-Modellbildung gelungen ist, zeigt uns schon ein Blick in die vielfältige SixSigma-Literatur (Abbildung 4.78), dass alle CSQN-Elemente konzeptionell eingefangen wurden. Die von Motorola entwickelte Qualitätsverbesserungstechnik Six Sigma wurde lange Zeit (auch im Lexikon Qualitätsmanagement 2001, 1164) als Qualitätstechnik, was sie zunächst natürlich ist, interpretiert. Im Zusammenhang mit dem statistischen Modell der Gaußschen Normalverteilung geht es bei Six Sigma darum, Streuungen von Merkmalswerten zu reduzieren. Streuungen wurden über die statistische Varianz gemessen. Betrachten Sie die Funktion der nichtlinearen

Six Sigma – Fachliteratur [ຕ] = Beginners / [ų] = Advanced Cygi, C. et al. 2006: Six Sigma für Dummies. WileyVCH: Weinheim 2006 [ຕ] Gundlach, C.; Jochem, R. (Hrsg.): Praxishandbuch Six Sigma. Fehler vermeiden, Prozesse verbessern, Kosten senken. Symposion: Düsseldorf 2008 [ų] Harry, M.; Schroeder, R.: Six Sigma. Prozesse optimieren, Null-Fehler-Qualität schaffen, Rendite radikal steigern. Campus: Frankfurt-New York 2000 [ຕ] Lunau; St. (Hrsg.): Sic Sigma + Lean Toolset. Verbesserungsprojekte erfolgreich durchführen. Springer: Berlin-Heidelberg 2006 [ຕ`ų] Magnusson, K. et al. 2001: Six Sigma umsetzen. Die Qualitätsstrategie für Unternehmen. Hanser: München-Wien 2001 [ຕ]

Pande, P. S. et al.: Six Sigma erfolgreich einsetzen. Marktanteile gewinnen, Produktivität steigern. Kosten reduzieren.mi: Landsberg 2000 [ຕ] Pyzdek, Th.: The Six Sigma Handbook. A Complete Guide for Greenbelts, Blackbelts, and Managers at All Levels. McGraw-Hill: New York et al. 2001 [ų] Rath & Strong‘s 2004: Six Sigma Advanced Tools. Pocket Guide. McGraw-Hill: New York et al. 2004 [ų] Rath & Strong‘s 2005: Six Sigma Pocket Guide. 34 Werkzeuge zur Prozessverbesserung. TÜVVerlag: Köln 2005 [ų] Rehbehn, R. et al.: Mit Six Sigma zu Business Excellence. Strategien, Methoden, Praxisbeispiele. Publicis: Erlangen 2003 [ų] Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sigma. Konzeption und Erfolgsbeispiele. Springer: Berlin et al. 2003 [ų]

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Verteilung (Abbildung 4.79). Je kleiner die Streubreite im Verhältnis zur Breite des Toleranzfeldes ist, also je öfter Sigma (σ) in das Toleranzfeld passt, desto geringer ist die Fehlerhäufigkeit bzw. das Fehlerrisiko. Mit steigendem Sigma-Wert nimmt der Anteil der Toleranzüberschreitungen stark ab. Es geht also um die Steuerung des Maßes für die Streuung (um den Mittelwert), ausgedrückt mit der Maßzahl σ (sigma). Motorola hat das Maß für die Streuung benutzt, um die Standardabweichung (σ) bei den Fertigungsprozessen als Maßgröße zur Fehlermessung anzusehen (Kamiske/Brauer 1999, 265): „Da die Streuung als besonders wichtige Ursache für Fehler anzusehen ist, ist ihre Messung und Analyse unerläßlich. Maßgröße ist hier die Standardabweichung σ. Die als zulässig angesehene Streuung einer Normalverteilung wird in der Regel mit ± 3σ angegeben. Dies bedeutet, dass bei einem entsprechenden Prozess 99,73% aller Prozessergebnisse (z.B. gefertigte Teile) in diesen Bereich um den Mittelwert m fallen. Umgekehrt ergibt sich daraus eine Fehlerrate von 0,27% oder 27000 ppm (Parts per Million). Da jedoch die meisten Produkte aus diversen einzelnen Bauteilen bestehen und außerdem in mehreren Prozessen bzw. Prozessschritten gefertigt werden, reicht eine zulässige Streuung von ± 3σ nicht aus, um eine nahezu fehlerfreie Produktion si-

395

Da Streuung als besonders wich ge Ursache für Fehler anzusehen ist, ist ihre Messung und Analyse unerlässlich.

ÏAbbildung 4.79: Die nichtlineare Six Sigma-Verteilung

Á

Die hellgraue Verteilung stellt ein Merkmal dar, das um den Zielwert herum zentriert ist. Misst man mehrmals die kurzfris ge Leistung eines Merkmals, so stellt man fest, dass sich der Mi elwert im Zeitverlauf verändert. Man geht gewöhnlich von einer Veränderung von ± 1,5 σ (Standardabweichungen) aus, welche durch die dunkelgrauen Flächen dargestellt wird. Alle Langzeitmessungen in Six Sigma beinhalten diese Annahme, was auch die Erklärung dafür ist, dass technisch gesehen Six Sigma einer Rate von 3.4 Fehlern pro Million Möglichkeiten entspricht. (Quelle von Grafik und Erläuterung: Magnusson et al. 2001,15)

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

396 Abbildung 4.80: Quality Control Chart mit Six SigmaParabel Å

Defini on I Six Sigma als Qualitätstechnik

Defini on II Six Sigma als qualitätssbezogene Arbeitsphilosophie

cherzustellen. Es sind also Fertigungsprozesse zu entwickeln, die so robust gegenüber äußeren Einflüssen sind, daß sie eine deutlich größere Streuung zulassen (Robust Design).“ Der Streubereich von ± 6σ war für Motorola der anzustrebende Bereich, um die Fehlerrate deutlich zu senken: Fehlerrate von 0,0000034% oder 3,4 ppm. So wurde Sechs-Sigma-Qualität (six-sigma-quality) als Qualitätsziel formuliert. Um was es praktisch geht wird jedem einsichtig, der die Qualitätsregelkarte (QRK – Control Chart) in der Abbildung (entnommen Rath & Strong 2004, 89 [Abbildung 4.80]) betrachtet (s. zur QRK Kapitel 2.4), wo die Obere und Untere Eingriffsgrenze den Sigma-Bereich abgrenzen. Rechts zeigt die Parabel die grafische Verknüpfung zum Six Sigma-Ansatz. Qualitätsregelkarten gehören zu den Qualitätstechniken bei Six Sigma. Entsprechend der eben aufgezeigten statistischen Interpretation lässt sich die Qualitätstechnik Six Sigma wie folgt bestimmen: Qualitätstechnik mit dem Ziel entsprechend den festgelegten qualitätsbezogenen Parametern (Qualitätsmerkmalen) einen möglichst fehlerfreien Prozess zu erreichen (‚Nullfehler-Produktion‘). Geiger/Kotte weisen Six Sigma den Platz eines qualitätsbezogenen Werkzeuges zu (ein weiteres Werkzeug ist die BSC) und definieren Six Sigma wie folgt (2005, 490f): „Arbeitsphilosophie und geschäftliche Strategie auf der Basis eines kundenorientierten Ansatzes, eines effizienten Daten-Managements sowie robuster Methoden und Zielsetzungen, die es ermöglichen, die Veränderlichkeit von Prozessen zu beseitigen und ein Fehlerniveau von weniger als 3 ppm zu erreichen.“

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Ziel von Six Sigma ist es die Wertschöpfungskette vom Unterlieferanten bis zum Kunden so zu strukturieren, dass sich immer weniger Fehler einstellen können. Wird diese Zielsetzung erreicht, ist mit folgenden Vorteilen zu rechnen: × Kürzere Duchlaufzeiten × Reduzierter Prüfaufwand × Weniger Reparaturen und Reklamationen × Weniger unbeantwortete Kundenanrufe × Geringerer Ressourcenverbrauch Bei Zielsetzungen und erwarteten Ergebnissen dieser Art bedarf es eines breiter angelegten Managementansatzes. Die reine Anwendung einer Qualitätstechnik greift zu kurz. In Geiger/Kotte heisst es denn auch (2005, 493): „Mit Mittelpunkt steht der motivierte Mensch. Der kann ‚Berge versetzen‘. Six Sigma weist den Weg dazu.“ Der Weg, den Six Sigma weist, ist ein strategischer. Six Sigma verknüpft systematisch erprobte Qualitäts- und Qualitätsmanagementansätze zu einem strategisch ausgerichteten Qualitätsmanagementsystem, das wie folgt zu bestimmen ist: Der Six Sigma-QM-Ansatz beruht auf der konsequenten Weiterentwicklung der Qualitätstechnik Six Sigma, indem unter der obersten Zielsetzung (top down), dem Streben nach höchster Qualität nach dem Prinzip der Messbarkeit und des datengesteuerten Vorgehens auf der Basis von Statistik, sämtliche bekannten und erprobten Qualitätsansätze einbezogen werden, damit auf

397

Defini on III Six Sigma als Qualitätsmanagementansatz

Six Sigma – Historische Wurzeln Robert Galvin, der damalige Vorstandsvorsitzende bei Motorola, wollte Six Sigma nicht geheimhalten. Unternehmen, wie Texas Instruments, Asea Brown Boveri (ABB), Allied Signal, General Electric (GE) gelang es mit ihren Six SigmaProgrammen sogar, wie vormals Motorola (1988), den MBNQA, den begehrten Qualitätspreis der USA, zu gewinnen. Weitere Unternehmen folgten. Insbesondere seit 1995 haben eine exponen ell steigende Anzahl von renommierten Weltunternehmen Six Sigma implemen ert (Magnusson 2001, 5) Motorola konnte in der Folge drassch die Qualität seiner Produkte steigern, was auch vom Markt honoriert wurde.

Motorolas Bedeutung und seine Qualitätspoli k der damaligen Zeit: Motorola konzentrierte sich stark auf das Commi ment seiner Führungsspitze, um ihr Engagement für Six Sigma zu verstärken und dadurch die Mitarbeiter zu überzeugen. Mit einem solchen Top Down-Ansatz ist es möglich, dass Six Sigma auch von den Mitarbeitern ernst genommen wird. – Das ist natürlich nicht neu: Im QM hat diesen Ansatz bereits Ph. B. Crosby vertreten und erfolgreich durchgesetzt. Seine Bücher waren damals, als Galvin sein Management instruierte, bereits allseits bekannt. (vgl. Kap. 2.12)

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

398

der Basis von wohldefinierten Wertschöpfungsprozessen und der Beseitigung von Verschwendung (Muda) projektorientiert dem Kundennutzen entsprechend Produkte erzeugt werden. খ Wich g: Nicht durch Deduk on, sondern durch Induk on erfolgt die Weiterentwicklung des QM. Deduk on erfolgt im zweiten Schri mit einem deutlichen me-lag. Die Praxen dominieren die Theorie.

‚Black Belt‘ … wie eine Legende

Generalisierung: Am Beispiel von Six Sigma lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie aus Einzeltechniken Systeme entstehen (Dieser modus operandi durchzieht das gesamte Qualitätsmanagement!): Nicht die Theorie, nicht die Wissenschaft, nicht die deduktive Ableitung bestimmen die Praxen des QM, sondern umgekehrt: Induktives Vorgehen, praktisches Ausprobieren beherrschen das Geschehen … bis heute. Nicht anders ist es ja beim KVP, der auch als Qualitätstechnik in der betrieblichen Praxis erprobt wurde und heute als Basisbaustein von QM-Systemen konstitutiv ist. Auch das System der ISO 9000 genauso das EFQM-Modell sind Konglomerate, die aus Praxen entstanden sind. Der Six Sigma-QM-Ansatz wird – basierend auf Grundsätzen des Prozessmanagements – mit einem wohldefinierten Zyklusmodell (Regelkreis) projektorientiert verfolgt. Dieser spezielle Ansatz wurde erstmals aufgrund von Projekterfahrungen bei Motorola entwickelt, als es darum ging, das Wissen aus Projekterfahrungen zu verallgemeinern, um es zu transferieren. Bei Gygi et al. heisst es (2006, 77): „Anfang der 1990er Jahre half Motorola dem IT-Unternehmen Unisys bei der Lösung komplexer Probleme im Zusammenhang mit der Fertigung mehrschichtiger Leiterplatten für militärische Zwecke. Das Problem konnte mithilfe der statistischen Analysewerkzeuge von Six Sigma gelöst werden. Daraufhin wollten die Manager die in diesem Projekt gemachten Erfahrungen weitergeben. Nach einem arbeitsreichen Tag in Salt Lake City, dem Standort von Unisys, saßen die Manager in geselliger Runde zusammen und kamen spontan auf die Idee, denen am Six Sigma beteiligten Ingenieuren den Titel ‚Black Belt‘ zu verleihen – eine Anleihe aus den fernöstlichen Kampfsportarten, bei denen der Schwarze Gürtel Disziplin und Wissen verkörpert. ‚Unter diesem Namen lässt sich das Konzept verkaufen‘, prophezeite der Manager von Unisys.“ Was sich anhört wie eine Legende, sollte sich bald als umfassende QM-Konzeption, die all das einschließt, was ein CSQN-Modell verlangt, global ausbreiten. Heute existieren weit über 300 Fachbücher zu Six Sigma und ein Vielzahl an Softwaretools, die sich auf die folgenden Schwerpunkte konzentrieren:

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Prozessmodellierung und Prozesssimulation Statistische Analyse Prozessmanagement und Prozessausführung Programmportfolio und Projektmanagement. Zahlreiche Beratungsunternehmen haben sich auf Six Sigma als Beratungsschwerpunkt spezialisiert. Schließlich haben auch in Deutschland Fachhochschulen und Universität Six Sigma in ihr Lehrangebot aufgenommen. Ohne dass staatliche oder quasistaatliche Institutionen Empfehlungen ausgesprochen haben, haben sich die – auf der Basis der bereits dargestellten statistischen Annahmen – folgenden Kernelemente des Six Sigma-QMS etabliert: (1) Die Projektmanagement-Strategie auf Basis des DMAIC-Circle (2) Das spezielle Six-Sigma-Führungskonzept gekoppelt mit einem darauf bezogenen Ausbildungsprogramm (3) Der Initiations- und Umsetzungszyklus in fünf Phasen. Zu (1): Die Projektmanagementstrategie von Six Sigma – Die DMAIC-Methodik zeigt uns, dass hier direkt Anleihen bei Demings PDCA-Zyklus genommen wurden. Während Deming jedoch vier Phasen für seinen Verbesserungszyklus eingeführt hat, sieht DMAIC einen fünfphasigen Zyklus vor, wie die Abbildung zeigt (Abbildung 4.81): D = Define Definieren M = Measure Messen A = Analyze Analysieren I = Improvement Verbessern C = Check (control) Steuern, Lenken × × × ×

Define

D Definieren (Planende Festlegung) × Projektauswahl × Problembeschreibung × Zielbeschreibung

Measure

M

Analyse

A

Messung × Messen × Daten sammeln × Variationsgröße ermitteln × Sigmaniveau Prozess

Improve

I

Six Sigma-So ware

Kernelemente von Six Sigma

Six Sigma sollte Projekmanagementbasiert eingeführt werden und auf dem DMAIC-Zyklus beruhen

Abbildung 4.81: Der DMAIC-Zyklus von Six Sigma Ë

Check/Control

D C M I A

C

Verbesserung Maßnahmen zur Verbesserung des Prozesses Analyse Was sind … × die Symptome? × die Ursachen?

399

Überprüfung/ Evaluation Sicherstellen, dass der Prozess dauerhaft verbessert bleibt

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

400

Das besondere Führungskonzept von Six Sigma

Dieser standardisierten Methodik folgt jedes Six Sigma-Projekt, wobei jede Phase dieses Zirkel methodisch durchdacht ist, um eine praktische Lösung entwickeln zu können und einen Durchbruch zu erzielen (Breakthrough). In jeder Phase sind wiederum ‚passende‘ Qualitätstechniken einzusetzen. Hierüber gibt es inzwischen einen umfangreichen Werkzeugkasten [z. B. von Lunau (2006) und Rath & Strong‘s (2004, 2005)], der sich aus den Tools (Qualitätstechniken) des QM und des allgemeinen Managements speist. Differenzierungen im Zyklus ergeben sich, wenn es um neue Produkte geht. Immer aber gilt, dass die letzte Phase C = Check/Control die Standardisierung der Verbesserung und Einführung einer fortlaufenden Regelung mit der Maßgabe der Zirkularität festlegt. Ein Zyklus hat eben kein Ende, sondern verweist immer wieder auf den Beginn (hier D = Define). Zu (2): Das Führungskonzept von Six Sigma – Wenn Six Sigma in eine Organisation eingeführt werden soll, heisst es, eine strategische Entscheidung zu treffen. Dieser Top-Down-Ansatz ist von der Obersten Leitung zu vertreten und von allen Führungskräften zu tragen (Committment). Das Konzept beruht auf dem Zusammenspiel von allen Mitgliedern eines Six Sigma-Teams. In jedem Team übernimmt jeder eine spezifische Rolle, wobei im Mittelpunkt aller Aktivitäten das Six Sigma-Projekt steht. Durchgesetzt haben sich bestimmte Bezeichnungen und Funktionen, die von US-Managern bewusst dem japanischen Kampfsport entlehnt wurden. Einprägsam ist die folgende Hierarchie (Abbildung 4.82):

Abbildung 4.82: Die Six Sigma-GürtelPyramide Å

Führungsgruppe Champions Master Black Belts Black Belts Green Belts Yellow Belts / White Belts Projektmitarbeiter

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements Die klare Hierarchie Führungsgruppe der Rollenverteilung Champions bei Six Sigma Master Black Belts Black Belts Green Belts Yellow Belts/White Belts Projektmitarbeiter. Unklar ist, ob eine Differenzierung in dieser Tiefe auch praktikabel erscheint. Hier zeigen die Berichte aus der Praxis eher, dass die Stufe der Yellow/White Belts entfallen könnte. (1) Champions sind die Senior Führungskräfte, die die Six SigmaInitiative in Gang setzen und die Projekte definieren und steuern. Sie sorgen dafür, dass die Ressourcen bereitstehen und greifen in Konfliktfällen ein. Sie benötigen für die Aufgabe dieser Funktion eine etwa einwöchige Ausbildungszeit. (2) Master Black Belts (schwarzer Meistergürtel) stehen als Trainer zur Verfügung, haben sehr gute Analysefähigkeiten und hohe Führungs- und Trainerqualitäten. Ihre Ausbildung dauert etwa zwei Wochen. Ein Master Black Belt führt etwa zehn Black Belts. (3) Black Belts (schwarzer Gürtel) sind ausschließlich für das Six Sigma-Programm tätig. Sie sind die Treiber und Multiplikatoren, deshalb ist die Personalauswahl besonders sorgfältig zu betreiben. Neben einer guten Fachkompetenz, ist ebenso eine ausgeprägte Sozialkompetenz erforderlich. Ein Black Belt ist für etwa 100 Mitarbeiter tätig. Seine Ausbildung dauert vier Wochen und erstreckt sich auf vier Monate. (4) Green Belts (grüner Gürtel) sind diejenigen Mitarbeiter, die unter den Black Belts in Projekten mitarbeiten. Ca. 20 Green Belts arbeiten mit ca. 100 Mitarbeitern zusammen. Ihre Ausbildung dauert 6 Tage und bezieht sich auf drei Monate. (5) Yellow oder White Belts sind alle Mitarbeiter, die an einem eintägigen Seminar teilgenommen haben. (6) Projektmitarbeiter sind alle, die die operativen Tätigkeiten durchführen. Sie sind nicht extra trainiert, sondern eignen sich ihr Wissen on the job an. Um einen Einblick in das Qualifikationsprofil der Belts zu erhalten, ist ein Zertifikat für den Black Belt, wie es bei ABB erteilt wird auf der Folgeseite abgebildet (Abbildung 4.83). Zum Initations- und Umsetzungszyklus: Der Zyklus wird hier in fünf Phasen dargestellt. In der Praxis ist auch eine tiefere Phasengliederung zu beobachten. Hier das Fünf-Phasen-Schema nach Gygi et al. (2006, 81ff ):

× × × × × × ×

401

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

402 Abbildung 4.83: Black Belt-Zer fikat von ABB Å

Six Sigma-Umsetzung in fünf Phasen: Six Sigma-Umsetzung in fünf Phasen: × ini alisieren × implemen eren × umsetzen × kul vieren × nachhal g nutzen und neu ausrichten

(1) Six Sigma wird initialisiert, indem die Ziele festgelegt werden und die erforderlichen Ressourcen bzw. Infrastruktur eingerichtet werden. (2) Six Sigma implementieren, indem die Mitarbeiter ausgewählt, Trainings durchgeführt werden und dann die Ausstattung erfolgt. (3) Umsetzen der Projekte, optimieren der Leistungen. Hierbei ist die Auswahl der Projekte wichtig. Die ersten Projekte dürfen nicht zu umfangreich sein, damit sich der Erfolg einstellen kann. (4) Auf der Basis erfolgreich durchgeführter Six Sigma-Projekte Erweiterung des Programmumfangs und Integration weiterer Geschäftsbereiche in die Six-Sigma-Initative. Es entwickelt sich eine projektorientierte Six Sigma-Kultur, die Voraussetzung ist für die nächste Phase. (5) Stärkung der Six Sigma-Initiative durch nachhaltige Nutzung und Neuausrichtung, indem Trainings durchgeführt werden.

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Wir hatten gesehen, dass sich Six Sigma von der Breite der Normalverteilung eines Prozesses ableitet (plus und minus drei Standardabweichungen oder 3 σ als Eingriffsgrenzen). Wenn Toleranzgrenzen gesetzt werden können und die Prozessbreite so eingegrenzt werden kann, dass die Entfernung von der Prozessmitte bis zu der am nächsten liegenden Toleranzgrenze sechs Normalverteilungen beträgt, dann wird man einen sehr fähigen Prozess erhalten. Auch wenn der Prozess sich um 1,5 σ verschöbe, würde man nur 3,4 Teile pro eine Million Teile fehlerhaft herstellen (auch wenn weiterhin eine 1,5 Standardabweichung von den Toleranzgrenze läge – siehe hierzu Prozessfähigkeit). In diesem Sinne bedeutet eine Six Sigma Performance also eine nahezu perfekte Leistung. Das Entscheidende bei Six Sigma: Eigentlich geht es bei Six Sigma Darauf kommt es bei als Qualitätsmanagement-System aber gar nicht darum, ob ein Prozess Six Sigma eigentlich nun in die Lage versetzt wird, um bei einer Million nur 3,4 Fehler zu an! produzieren. Das Entscheidende ist das systematische Vorgehen, das angewandt wird, um dieses Ziel anzupeilen. Und dieses Vorgehen berücksichtigt zuvorderst den Mitarbeiter. Letztendlich ist es aufgrund der Rollenkonzeption ein sozialwissenschaftliches Handlungsmodell der Soziotechnik, dessen Grundzüge hier nur sehr kurz beschrieben werden konnten. Damit wäre das Rahmenkonzept von Six Sigma beschrieben. Es ist nutzlos Six Sigma-Konzepte zu entwickeln, wenn die hier aufgeführten Elemente nicht berücksichtigt wurden.



খ Beachte Kapitel 2.7, in dem das „Original“ von Lean Produc on, das Toyota Produc on  Vorbemerkungen Das Toyota Production System (TPS), wie es von Taiichi Ohno System (TPS) auf der Folie des gleichnamibeschrieben wurde (vgl. Kapitel 2.7), wurde lange Zeit einfach als gen Buches von Taiichi branchenspezifische Besonderheit eines Organisationssystems be- Ohno erläutert wird.

Vom TPS zum Lean Management – Neue Souffleusen dirigieren im Qualitätsmanagement das TPS

trachtet. Das Buch selbst war bereits 1978 in der japanischen Ausgabe erschienen, 1988 erschien die amerikanische Ausgabe, 1993 die erste deutsche Ausgabe, 2009 die zweite. In ihm werden die Prinzipien, wie sie Ohno zusammen mit Shingo entwickelt haben, dargestellt, auch in Abhebung zum System von Henry Ford, dem Ohno nach eigenen Angaben viel zu verdanken hat. Wir könnten die Sache auf sich beruhen lassen … aha ein interessantes System, wohl ein Managementansatz, wenn sich nicht in den letzten Jahren auffallend viele Bücher mit Toyota und dem Thema Lean Management befasst hätten (siehe Abbildung 4.84). Nebenbei fällt auf, dass die Fachbuchautoren des Qualitätsmanagements in

403

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

404

ËAbbildung 4.84: Empfohlene Fachliteratur zu TPS/Lean Produc on/Lean Management

Deutschland, die sehr oft der DGQ nahestehen (so beispielsweise in Masings Handbuch Qualitätsmanagement u.a. Standardwerken, die sich dem QM/TQM verpflichtet fühlen), wenn, dann nur am Rande das Thema TPS, Lean Management aufgreifen, geschweige denn intensiver darstellen. In der US-amerikanischen Fachliteratur sieht das ganz anders aus. Wie dem auch sei, Lean Management scheint in den etablierten Strukturen der QM-Bewegung nicht so richtig verankert und eingeordnet zu sein. Mit einem Lean-Ansatz kann nicht zertifiziert werden, auch einen Qualitätspreis kann man damit nicht gewinnen. Wir haben uns hier mit einem Konzept auseinanderzusetzen, das vom Begriff her eigentlich anders zu benennen und zu denken ist. Warum die Benennung eine andere geworden ist (Lean Management), ist schnell erklärt. Toyotas Erfolg, prototypisch für die japanische Autoindustrie, wartete darauf objektiv erklärt zu werden. Am MIT (Massachusetts Institute of Technology) in den USA führten Wissenschaftler eine Studie durch, die die Zielsetzung verfolgte weltweit die Marktführer im Automobilbau hinsichtlich ihrer Produktivität zu untersuchen. Das Ergebnis der Studie, die als Buch unter dem Titel „The Machine That Changed the World“ von den Autoren Womack/ Jones/Roos 1990 in den USA erschien, war niederschmetternd: Im

Lean Management – Literatur [ຕ] = Beginners / [ų] = Advanced Becker, H.: Phänomen Toyota. Erfolgsfaktor Ethik. Springer (Berlin, Heidelberg) 2006 [ų] Bösenberg, D./H. Metzen: Lean Management. Vorsprung durch schlanke Konzepte. 5. Aufl. Moderne Industrie (Landsberg) 2003 [ຕ߽ų] Dickmann, Ph.: Schlanker Produktionsfluss. … mit Lean Production Kanban und Innovationen. Springer (Berlin, Heidelberg) 2007 Corsten, H./Th. Will (Hrsg.): Lean Production. Schlanke Produktionsstrukturen als Erfolgsfaktor. Kohlhammer (Stuttgart) 1993 [ų] Drew J. et al.: Unternehmen Lean. Schritte zu einer neuen Organisation. Campus (Frankfurt/M, New York) 2005 [ų] Gorecki, P./P. Pautsch: Lean Management. Auf den Spuren des Erfolgs der Managementphilosophie von Toyota und Co. Hanser (München) 2010 [ຕ] Liker, J. K.: Der Toyota Weg. 14 Managementprinzipien des weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerns. FinanzBuch Verlag (München) 2006 [ຕ߽ų]

Liker, J. K./D. P. Meier: Praxisbuch Der Toyota Weg. Für jedes Unternehmen. FinanzBuch Verlag (München) 2007 [ຕ߽ų] Liker, J. K./D. P. Meier: Toyota Talent. Erfolgsfaktor Mitarbeiter. FinanzBuch Verlag (München) 2008 [ຕ߽ų] Majima, I.: JIT. Kostensenkung durch Just-in-TimeProduction. Ullstein TB (Frankfurt/M, Berlin) 1995 [ຕ] Ohno, T.: Das Toyota Prudktionssystem. Campus (Frankfurt/M) 1993 [ຕ߽ų] Rother, M.: Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. Campus (Frankfurt/M/New York) 2009 [ų] Sohn, K.-H.: Lean Management. Econ (Düsseldorf et al.) 1993 [ຕ] Womack, J. P./ D. T. Jones/ D. Ross: Die zweite Revolution in der Automobilindustrie. Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology, 2. Aufl. Campus (Frankfurt/M, New York) 1991 [ຕ߽ų] Womack, J. P./D. T. Jones: Auf dem Weg zum perfekten Unternehmen. Heyne (München) 1996 [ຕ߽ų]

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Gegensatz zu westlichen Montagewerken mit der Hälfte an Mitarbeitern erreichte Toyota eine dreimal höhere Produktivität und viermal kürzere Lieferzeiten. Gleichzeitig wurden doppelt so viele Modelle angeboten. Die Modellentwicklungszeiten waren um fünfzig Prozent kürzer. Hinzu kam, dass nur auf 20 Prozent der Zulieferbetriebe wie sie im Westen üblich sind, zurückgegriffen wurde. Außerdem fertigten die Montagewerke Toyotas auf einer um 50% geringerenen, also deutlich weniger Fläche (50%) ihre Teile. Diese und weitere Faktoren veranlasste einen der Initiatoren ( John F. Krafcik) in der Studie den Begriff Lean Production zu prägen (lean = schlank, fragil). Damit war ein Begriff geboren, der besonders in Europa in der Folge zu „Lean Management“ umformuliert wurde und oft missverständlich als Organisationskonzept der Rationalisierung hergenommen wurde. Der Begriff ist also vielfach in Verruf gekommen. In Kapitel 2.7 wurde bereits vermerkt, dass es zutreffender sei, nicht von Produktion, sondern von Organisation Toyota Organiza on zu sprechen, weil der Schwerpunkt des von System (TOS, oder TOTaiichi Ohno entwickelt Systems in der Or- System wäre der zutrefganisation liegt. Leider hat sich der Begriff fende Begriff gewesen) Toyota Organization System (TOS) nicht durchgesetzt.

 House des Lean Managements („TPS-Haus“) Wenn man der Komplexität eines Managementansatzes, wie dem Lean Management, das auf der Basis des Toyota Production Systems hier rekonstruiert werden soll, verstehen will, darf man nicht in den Fehler verfallen und die Vielzahl an sogen. „Lean-Techniken“ zu studieren, um diese dann in beliebiger Reihenfolge umzusetzen. Ein solches Vorgehen suggerieren viele Fachbücher zum Thema. Lean Management besteht also nicht darin, Lean-Tools umstandslos anzuwenden. Das richtige Verständnis sollte am Anfang stehen. Aus diesem Grund wird hier auf ein Modell Bezug genommen, das Taichi Ohno selbst nicht mehr entwickelt hat, sondern auf den späteren Präsidenten von Toyota Motor Corp., Fujio Cho, zurückgeht. Von Cho hat es dann Jeffrey K. Liker aufgegriffen und in seinem auch ins Deutsche übersetzten Buch „Der Toyota Weg“ als Leitfaden empfohlen. Likers Buch zeichnet sich dadurch aus, weil es auf der Basis von qualitativen Interviews entstanden ist. Zudem ist der Autor Insider. Er war selbst Mitarbeiter bei Toyota in den USA. Das von ihm verwendete Modell „TPS-Haus“ basiert auf seinem ganzheitlichen Verständnis, wobei die Metapher „Haus“ nicht nur symbolisch verstanden werden soll, sondern ganz konkret, also architektonisch. Das „TPS-Haus“ hat, wie jedes gut gebaute Haus, ein Dach, Räume, tragende Wände und

405

John F. Krafcik, damals MIT, später CEO von Hyundai Motor Amerika In diesem Ar kel von Krafcik taucht erstmals der Begriff lean auf: Krafcik, John F.: Triumph of the lean produc on system. In: Sloan Management Review 30 (1) 1988: 41–52.

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

406

J Beste Qualität – niedrigste Kosten – kürzestmögliche Durchlaufzeiten – größtmögliche Sicherheit – hohe Arbeitsmoral Verkürzung der Produktionszeit durch die Elimierung nicht werthaltiger Elemente

I

Just-In-Time die richtigen Teile in der richtigen Menge zur richtigen Zeit × Taktzeit × kontinuierlicher Fluss × Pull-System × Kurze Umrüstzeiten × Integrierte Logistik

Menschen & Teamwork × Selektion × Entscheidungsfindung nach dem Ringi-System

× gemeinsame Ziele × Crosstraining

4

Kontinuierliche Verbesserung Eliminierung nicht werthaltiger Elemente × genchi genbutsu × 5W-Technik (fünf

4× Bewusstsein für

maliges Fragen nach dem Warum zur Ursachenbestimmung)

G

Verschwendung × Problemlösung

I

Jidoka (Prozessimanente Qualität an jeder Arbeitsstation) macht Probleme deutlich × Automatischer Produktionsstopp × Andon × Teilung zwischen Mensch und Maschine × Selbstgesteuerte Fehlererkennung × Qualitätskontrolle an jeder Arbeitsstation × 5W-Technik

Produktionsnivellierung (heijunka) Stabile und standardisierte Prozesse Visuelles Management ‚Philosophie der Toyota-Methode‘

ÁAbbildung 4.85: Das TPS und seine Elemente (in Anlehnung an Liker 2006, 65, erstmals skizziert von Fujio Cho, Präsident (Chairman of the Board) der Toyota Motor Corp.

steht auf einem Fundament. Das erinnert im Prinzip etwas an das sog. „House of Quality“ des Japaners Akao (Kapitel 2.11). Abbildung 4.85 zeigt uns diese vier Basiselemente der Architektur, die wir nur mit etwas Managementterminologie unterfüttern müssen: Dach: Zielsetzung, Kundenorientierung

Tragende Wände: Basistechniken ( Just-In-Time/Jidoka)und daraus entwickelte und abgeleitete „LeanTechniken“ oder -Tools Zentrale Räume: Mitarbeiter/Teams, die sich darum be(Zentrum) mühen, Verschwendung (Muda) zu eliminieren und die Kontinuierliche Verbesserung bewusst leben; gezielte Anwendung entsprechender Techniken Fundament: Philosophie, Vision, Heijunka, Prozessorientierung, Führung, visuelles Management

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Jedes einzelne dieser vier Basiselemente ist natürlich wichtig, darf nicht vernachlässigt werden und unterliegt dem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung, was bedeutet, dass das System immer mehr anwächst (Komplexität) und auf der Basis des TPSHauses im Einzelnen verschiedene Wege gegangen werden können (Liker 2006, 66). Damit wird deutlich, dass das additive Aneinanderreihen von Techniken noch lange kein System ausmacht, sondern nur das Zusammenspiel und permanente Verändern der Elemente, wie am Beispiel von JIT gezeigt wird (Liker 2006, 65): „JIT bedeutet die größtmögliche Reduzierung von Lagerbeständen, die mögliche Produktionsengpässe abfedern sollen. In einem idealen One-Piece Flow wird immer nur jeweils eine Einheit hergestellt, und das in der Geschwindigkeit, die der Takt der Kundennachfrage vorgibt. Geringere Sicherheitsmengen als Puffer für Engpässe (die Beseitigung des „Sicherheitsnetzes“) bedeuten, dass sich Probleme wie Qualitätsmängel unmittelbar bemerkbar machen. Das wiederum stärkt das Jidoka, das den Produktionsprozess stoppt. In diesem Fall müssen die Montagearbeiter bzw. Maschinenbediener die Probleme unmittelbar und schnell lösen, um die Produktion wieder aufzunehmen. Das Fundament des Hauses ist die Stabilität.“ So scheint das System des TPS, des Lean Managements allgemein, weniger eine Baumstruktur aufzuweisen (Organigramm), sondern eher – im Sinne von Gilles Deleuze – ein Rhizom, ein Wurzelstock, ein Geflecht, ein Gewirr von Knollen und Knoten zu bilden. Das macht es auch so schwer Toyota zu immitieren, trotz vielfältiger Offenlegungen von Prinzipien durch Toyota selbst. Wenn das System ein Rhizom bildet, dann kann es keinen Abdruck, nicht einfach eine Kopie geben, sondern nur offene Karten bilden, die in all ihren Dimensionen mit etwas anderem verbunden werden können. Ein solches System ist kompliziert und seine Struktur änder sich in der Zeit. Wer sich auf die Dynamik eines Lean Organization Systems à la TPS einlässt, der macht eine offene Karte, die ständiger Veränderung ausgesetzt ist: Just-In-Time. Hierfür mag eine Fokussierungs-Checkliste bereitstehen, die Hauptwurzeln des Rhizom: QCDSM Q Quality = Qualität C Cost = Kosten D Delivery = Erfüllung S Safety = Sicherheit M Moral = Arbeitsmoral Gegen diese Begriffe, die als Grundsätze/Gebote aufzufassen sind, darf nicht verstoßen werden.

407

Fujio Cho, Chairman of the Board der Toyota Motor Corpora on, Vertrauter der Toyoda Familie und „Schüler“ von Taiichi Ohno, gilt heute als mäch gster Mann bei Toyota. Er war lange Zeit Werksleiter in den USA und setzt sich auch theore sch mit dem Toyota Produc on System auseinander. – Das in Abbildung 4.85 skizzierte TPSHaus stammt von ihm. Man kann ihn in der Fortsetzung von Taiichi Ohno als Weiterentwickler des TPS sehen.

Faustregel: QCDSM

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

408

Einschätzung von Lean Management durch einen Vertreter der deutschen Organisa onslehre

Die Beschreibung der Lean Organization erweist sich mehr und mehr als Unterfangen, eine Kultur zu beschreiben, in der eigene Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien herrschen, die wir uns erst erschließen müssen. In einem der wenigen Lehrbücher zur Organisation, die das Thema Lean Management ausführlicher aufgreifen, ist das versucht worden. „Als Grundprinzipen der Lean Production wurden vor allem eine integrative, ganzheitliche Wertschöpfungskette, die Verringerung der Komplexität, die Verbesserung der Kommunikationsbeziehungen und der Aufbau von langfristigen, vertrauensvollen Kunden-Lieferanten-Beziehungen identifiziert. Das Lean-Management überträgt diese Prinzipien auf die Führung des gesamten Unternehmens: Schlankes Management als Veränderungsmodell bedeutet demnach die ganzheitliche Ausrichtung der Unternehmensführung und -organisation an der Wertschöpfungskette. Die Zielsetzungen sind eine größere Marktnähe, eine erhöhte Kundenzufriedenheit, eine Optimierung des menschlichen Arbeitseinsatzes und eine laufende Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität.“ (Vahs 2009, 287) Bleibt noch hinzuzufügen, dass es sowohl um ein intra- wie auch interorganisatorisches Konzept geht, denn die gesamte Wertschöpfungskette einbeziehen, heisst ja insbesondere Einbezug der Unterlieferanten in den Strom, der sich bis zum Kunden und seinen Forderungen fortsetzt.

 Die kulturelle Ebene des Toyota Organization Systems: 14 Managementprinzipien „Beim Toyota-Weg sind es die Menschen, die das System mit Leben füllen, und zwar, indem sie arbeiten, kommunizieren, Probleme lösen und gemeinsam wachsen“ (Liker 2006, 70)

Ähnlich wie Deming, Crosby und andere Autoren und Praktiker, die sich um die Entwicklung von organisatorischen Leitbildern bemühen, hat Liker versucht diejenigen Prinzipien ausfindig zu machen, die für das Management einer leanorientierten Organisation zielführend sein können. Er hat 14 Prinzipien des Toyota-Weges für das Management zusammengestellt und diese den folgenden vier Kategorien untergeordnet (Liker 2006, 71ff ): Philosophie, Prozess, Mitarbeiter- und Partnerentwicklung und Problemlösung. Die Prinzipien sind normativ formuliert. In ihrer appellativen Form erscheinen sie zwingend, fast wie Gebote. Es darf nicht vergessen werden, dass sie aus der Beschäftigung mit dem TPS-Haus () stammen. Sie können sehr gut für die Umsetzung genutzt werden, etwa derart, dass das Management damit

Prinzipien 1 – 8

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Langfristige Philosophie entwickeln

409 ÏAbbildung 4.86: 14 Managementprinzipien – 1 bis 8 (in Anlehnung an Liker 2006, 71ff)

1. Prinzip Machen Sie eine langfristige Philosophie zur Grundlage ihrer Managemententscheidungen, selbst wenn dies zu Lasten kurzfristiger Gewinnziele geht.

Der richtige Prozess führt zu den richtigen Ergebnissen 2. Prinzip Sorgen Sie für kontinuierlich fließende Prozesse, um Probleme ans Licht zu bringen.

3. Prinzip Verwenden Sie Pull-Systeme, um Überproduktion zu vermeiden.

4. Prinzip Sorgen Sie für eine ausgeglichene Produktionsauslastung (heijunka)

5. Prinzip Schaffen Sie eine Kultur, die auf Anhieb Qualität erzeugt, statt einer Kultur der ewigen Nachbesserung.

6. Prinzip Standardisierte Arbeitsschritte sind die Grundlage für kontinuierliche Verbesserung und die Übertragung von Verantwortung auf die Mitarbeiter.

7. Prinzip Nutzen Sie visuelle Kontrollen, damit keine Probleme verborgen bleiben.

8. Prinzip Setzen Sie nur zuverlässige, gründlich getestete Technologien ein, die den Menschen und Prozessen dienen.

vertraut gemacht wird und versucht wird, sie auf die eigenen Organisationsbedürfnisse anzupassen. Die beiden Abbildungen (4.86 und 4.87) zeigen die Prinzipien in Kurzform. Umfassende Erläuterungen finden sich bei Liker (2006, 69 ff und dann in den Folgekapiteln). Im Zusammenhang mit dem eingeführten TPS-Haus und den 14 Prinzipien sollte klar sein, dass es das Ziel dieses Managementansatzes ist, zu erreichen, dass jeder einzelne Mitarbeiter in der Organisation als Einzelner und in der Gruppe seine Kreativität und seinen Ehrgeiz darauf richten soll, jede Art von Unwirtschaftlichkeit zu vermeiden. Das ist eine generelle Forderung: Nicht nur gelegentlich bei einer bestimmten Aktion in einem bestimmten Projekt, sondern permanent und mit hoher Konsequenz. Lean Management hat folglich einen hohen Anspruch an den Menschen. Es ließe sich sogar ein Axiom formulieren, das wie folgt lautet: Lean Management geht davon aus, dass jede Tätigkeit in der Or- Basisaxiom des Lean ganisation, egal auf welcher Ebene und in welchem Bereich sie Managements

Abbildung 4.87: Å 14 Managementprinzipien – 9 bis 14 (in Anlehnung an Liker 2006, 71ff)

9 – 14

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

410

Mitarbeiter- und Partner entwickeln, um so Mehrwert zu generieren 9. Prinzip Entwickeln Sie Führungskräfte, die alle Prozesse genau kennen und verstehen, die die Unternehmensphilosophie vorleben und sie anderen vermitteln

Prinzipien

10. Prinzip Entwickeln Sie herausragende Mitarbeiter und Teams, die der Unternehmensphilosophie folgen

Organisational Lernen durch kontinuierliche Lösung der Problemursachen 12. Prinzip Machen Sie sich selbst ein Bild von der Situation, um sie umfassend zu verstehen (genchi genbutsu).

13. Prinzip Treffen Sie Entscheidungen mit Bedacht und nach dem Konsensprinzip. Wägen Sie alle Alternativen sorgfältig ab, aber setzen Sie die getroffene Entscheidung zügig um.

Basisaxiom des Lean Managements

11. Prinzip Respektieren Sie ihr ausgedehntes Netz an Geschäftspartnern und Zulieferern, indem Sie sie fordern und dabei unterstützen, sich zu verbessern.

14. Prinzip Werden Sie durch unermüdliche Reflexion (hansei) und kontinuierliche Verbesserung (kaizen) zu einer wahrhaft lernenden Organisation.

realisiert wird, gleichzeitig unter zeitlichen, qualitäts- und kostenbezogenen Gesichtspunkten einzuschätzen ist. Stillschweigend oder offen ausgesprochen werden mit Lean Management die folgenden Zielsetzungen angenommen: × hohe Produktivität × schnelle Produktentwicklung × Null Fehler × geringer Raumbedarf × schnelle Durchlaufzeit × Ideenreichtum und Vorschlagsreichtum bei den Mitarbeitern × hohe Mitarbeitermotivation × geringer Krankenstand.

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

 Toyota Kata

„Ich war froh, prompt antworten zu können, und ich tat es. Ich sagte, ich wüsste es nicht.“ (Mark Twain)

Seit einigen Jahrzehnten sind die japanischen Unternehmen auf den Weltmärkten erfolgreich. Zu den Erfolgsfaktoren gibt es zahllose Erklärungsversuche. Ob es die Anwendung der japanischen Managementprinzipien (des QM/TQM) ist, die Erklärung durch die Samurei-Philosophie und -Kampftechnik, das Konsensprinzip, die Besonderheiten der Kultur (Mentalitätsunterschiede) oder ob es der relativ hohe Automatisierungsgrad ist, kann nicht schlüssig nachgewiesen werden. Im Anschluss an die Untersuchungen des MIT wird seit Anfang der 1990er Jahre versucht den Lean-Managementansatz zur Erklärung des Erfolgs zu bemühen. Auch hierzu gibt es eine Vielzahl an Einschätzungen und und die eigenen Versuche der Autoren der Studie „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“ bis zu den unzählbaren Beschreibungen der Epigonen. In Deutschland reiht sich das Thema in die Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensberaterbranche ein. Das Geheimnis der Japaner scheint heute genauso wenig erforscht zu sein wie vor Jahrzehnten. Veröffentlichungen hierzu sind nicht rar und gelegentlich meinen Autoren das Rad neu erfunden zu haben. So auch in unserem Fall zur Akzentuierung des Kata-Konzepts am Beispiel Toyotas. Aus der Vielzahl an Literatur zum Thema Lean Management und Toyota Production System ragt das Buch von Mike Rother besonders hervor (Die Kata des Weltmarktführers. Toyotas Erfolgsmethoden. 2009). Rother will in dem Buch – trotz zahlreicher Einblicke in die Arbeitsweise von Toyota durch die Fachliteratur – einen Blick „unter die Motorhaube werfen“. Ein Buch, dass sich weniger um die bekannten Konzepte und Teilkonzepte, wie JIT oder Heijunka befasst, sondern die übergreifend wirkenden Denk- und Handlungsmuster in den Vordergrund stellt. Ein Metamodell wird uns also präsentiert, das eher in den Bereich der Organisationspsychologie und -entwicklung gehört, und das auf folgenden Grundbegriffen aufbaut (http://www-personal.umich.edu/~mrother/Materials_to_Down- Grundbegriffe von KATA nach Rother load_files/Definitions.pdf): × Management: The systematic pursuit of desired conditions by utilizing human capabilities in a concerted way (= Systematisches Anstreben erwünschter Zustände durch den konzentrierten Einsatz menschlicher Fähigkeiten). × Capability or Skill: The ability to do something well. For example, the ability to work through problems to achieve a challenging objective. × Skill Development: Practicing of routines, often with coaching guidance.

411

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

412

Kata: A specific routine or method that is practiced to develop particular skills and mindset. A routine that is practiced and used time and again, whereby it becomes second nature. × The Improvement Kata: Toyotas fundamental routine for improving and evolving throughout the organization. × The Coaching Kata: The way the improvement kata is taught at Toyota. Die Terminologie entspricht demnach nicht dem gängigen Verständnis der Managementlehre. Wie Rother betont, handelt es sich um einen wissenschaftlichen Ansatz, den er bei Toyota realisiert sieht (Rother 2009, 170): „In Toyotas Verbesserungs-Kata geht es darum Menschen ein standardisiertes, bewusstes ‚Mittel‘ beizubringen, um das Wesentliche an Situationen erkennen und wissenschaftlich darauf reagieren zu können.“ Und weiter an anderer Stelle (Rother 2009, 33): „Bei näherer Betrachtung ist der Toyota-Weg weniger durch seine Werkzeuge oder Prinzipien charakterisiert, als durch Vorgehenssequenzen – Denk- und Verhaltensmuster –, die, wenn sie in der täglichen Arbeit beständig wiederholt werden, zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Muster sind der Kontext, in dem die Werkzeuge und Prinzipien von Toyota entwickelt werden und wirken. … In Japan werden solche Muster oder Routinen Kata genannt. Das Wort stammt von grundlegenden Bewegungsformen im Kampfsport ab, die über Generationen hinweg vom Meister an den Schüler weitergegeben werden. Einige übliche Übersetzungen oder Definitionen für das Wort „Kata“ sind: × Art und Weise, etwas zu tun; eine Methode oder Routine, × Muster × Standardform der Bewegung, × vorbestimmte oder choreografierte Sequenz von Bewegungen, × übliche Prozedur, × Trainingsmethode oder Übung. × ..... Art und Weise, zwei Dinge miteinander in Einklang zu bringen und zu halten.“ An diese Explikationen soll angeknüpft werden. Die Art und Weise, etwas zu tun, Techniken anzuwenden, Wissen weiterzugeben etc. ist nicht „sichtbar“. Techniken sind benannt und eingeführt, doch das WIE bleibt im Verborgenen: „Toyotas Praktiken sind auf unsichtbare Denk- und Handlungsroutinen im Management aufgebaut.“ (Rother 2009, 23) Kann dieses Unsichtbare im Denken ×

Die Kata von Toyota entspricht wissenscha licher Vorgehensweise

Defini on von Kata

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements Situation IST

Ziel SOLL

Wenn wir meinen, dass dieser Bereich klar sei, dann befinden wir uns im Irrtum. Es handelt sich um einen blinden Fleck!

Wir sind hier

P

413

Wir wollen hier sein

Unklares Terrain

D

C

A

und Handeln sichtbar gemacht werden. Rother zeigt am Beispiel des kontinuierlichen Verbesserns, dass es eine „Grauzone“ gibt (Unklares Terrain in Abbildung 4.88), wenn man einen Weg von A nach B geht. Auf diesem Weg gibt es vieles zu entdecken, aber auch Hindernisse und Probleme zu bewältigen (Rother 2009, 26): „Das ist gemeint, wenn in diesem Buch von kontinuierlicher Verbesserung und Adaption die Rede ist: Die Fähigkeit sich durch unklares und unvorhersehbares Terrain in Richtung eines gewünschten Zustands zu bewegen, indem man sensibel für aktuelle Verhältnisse am Ort des Geschehens ist, und entsprechend darauf reagiert.“ Wenn man diese Aussagen mit der im QM als Standard des Verbesserns eingeführten Qualitätstechnik des PDCA-Circle (Deming) konfrontiert, lässt sich sofort erkennen, welche Unterstellung Rother im Kontext des Qualitätsmanagements macht: Verbessern als Technik und Anwendung des PDCA reicht nicht für die Erklärung: Zwischen „Wir sind hier“ und „Wir wollen hier sein“ tut sich eine Kluft auf, die es zu überbrücken gilt. Es lässt sich unmöglich voraussagen, was sich auf dem Weg zum Ziel (SOLL) tut. Der KVP ist folglich ein riskantes Unterfangen. Was dabei herauskommt, was wir erreichen werden, ob wir die Zielstellung erfüllen werden, ist nicht bestimmbar. Es muss davon ausgegangen werden, dass es gerade wegen der Dynamik, in der sich Unternehmen befinden, versucht werden muss schon im operativen Bereich eine Balance zwischen der „Art und Weise, zwei Dinge

A C

P D

ÁAbbildung 4.88: Kata - Problemskizze (verändert und erweitert in Anlehnung an Rother 2009, 26) Kon nuierliches Verbessern ist …

Kata und der PDCACircle

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

414 Situation IST

A C

P D

Wir sind hier

Unklares Terrain

SOLL: Ziel der Vision von Toyota „True North“

Wir wollen hier sein × Null Fehler × 100 Prozent Wertschöpfung × One-Piece-Flow, in Abfolge und als Forderung × Sicherheit für Menschen

ÁAbbildung 4.89: Kata - Vision von Toyota als Ziel (In Anlehnung an Rother 2009, 29; ergänzt)

Unterschied zwischen Zielzustand und Ziel

Coaching-Kata

miteinander in Einklang zu bringen und zu halten“, erreicht werden muss. Zwischen P und A, um auf Deming Bezug zu nehmen, sind verschiedene Wege gangbar. Abbildung 4.89 zeigt dies am Beispiel der Vision von Toyota für den Produktionsbereich: Vier Zielbereiche und kein Ziel ist hundertprozentig zu erreichen, aber als Ziel, als ständige Aufgabe ist es eine perfekte Vision, die zwar scheinbar ein Dilemma darstellt, aber wenn man sie als Herausforderung erkennt, ist es genau das, was eine Vision sein soll, ein permanenter Auftrag, ohne dass man sich des Auftraggebers (eigentlich der Kunde) bewusst wird. Psychologen würden sagen, dass ein Zielzustand verinnerlicht wurde. „Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einem Ziel und einem Zielzustand zu kennen. Ein Ziel ist ein Ergebnis, während ein Zielzustand eine Beschreibung ist, wie und nach welchem Muster ein Prozess funktionieren soll, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.“ (Rother 2009, 113) Die „Haupt-Kata“ bei Toyota ist die soeben beschriebene Verbesserungskata, die zweite Kata ist die Coaching-Kata, bei der es darum geht die sich wiederholende Routine jedem Mitarbeiter der Organisation beizubringen. Das ist natürlich eine Kernaufgabe der Führungskräfte. Allgemein ist damit die Verbesserungsfähigkeit gemeint, aber nicht als Begriff auf die Person bezogen, sondern als organisatorischer Begriff, was meint Verbesserungsfähigkeit der Organisation = Improvement capability Genau wie der Begriff der „quality capability“, der ja auch ein Begriff der Organisation ist, geht es darum, diejenigen Dimensionen/ Merkmale zu bestimmen, die die „improvement capability“ ausmachen.

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Würdigung: An diesem Punkt angekommen heisst es zu überlegen, ob sich der von Rother beschriebene – speziell auf Toyota bezogene – Kata-Ansatz nicht in ein existierendes Managementkonzept integrieren lässt. Sicherlich wäre das durchaus möglich, fern jeglicher Aufladung durch einzuführende spezielle Begrifflichkeiten. Was Rother im Einzelnen darlegt sind wichtige Aspekte einer lernenden Organisation, wie sie klassischerweise Pete Senge und Chris Argyris beschrieben haben, etwa wenn Argyris/Schön erläutern: „Jedes Organisationsmitglied macht sich ein eigenes Bild von der handlungsleitenden Theorie des Ganzen, das jedoch immer unvollständig ist. Unablässig versucht der Betreffende, sein Bild dadurch zu vervollständigen, dass er sich mit Bezug auf andere in der Organisation neu beschreibt. Wenn die Bedingungen sich ändern, verfasst er seine Beschreibung neu; andere Personen handeln ähnlich. Es kommt zu einer ständigen mehr oder weniger abgestimmten Verknüpfung der Bilder der einzelnen von ihrer Aktivität im Rahmen ihrer gemeinsamen Wechselbeziehungen.“ (Argyris/Schön 1999, 30f) Die generalisierende Beschreibung einer Kata auf der Basis eines anderen Sprachspiels, nämlich der lernenden Organisation. Und die Ist-/Soll-Diskrepanz wird auch deutlich herausgearbeitet (31): „Organisationales Lernen findet statt, wenn einzelne in einer Organisation eine problematische Situation erleben und sie im Namen der Organisation untersuchen. Sie erleben eine überraschende Nichtübereinstimmung zwischen erwarteten und tatsächlichen Aktionsergebnissen und reagieren darauf mit einem Prozess von Gedanken und weiteren Handlungen; …“ Alter Wein in neue Schläuche gegossen, könnte geschlussfolgert werden, wenn man sich der Bedingungen vergewissert, wie sie für lernende Organisationen typisch sein sollen. Algedri/Frieling fassen das Bedingungsgefüge zusammen (Algedri/Frieling 2001, 33f): × „klare Visionen, gemeinsame Zielsetzungsprozesse, Orientierung am Nutzen der Kunden × Kooperations- und Konfliktlösungsfähigkeit, wechselseitiges Vertrauen und Teamgeist × Prozessorientierung und Selbstregulation in Gruppen × demokratischer und partizipativer Führungsstil, Unterstützung neuer Ideen (v. a. durch die Führung), Ideenmanagement, Integration von Personal- und Organisationsentwicklung × Belohnung von Engagement und Fehlertoleranz bei riskanten Vorhaben × Fähigkeit zur (Selbst-) Beobachtung und Prognose (gut funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme - ra-

415 Die lernende Organisa on als übergeordneter theore scher Bezugsrahmen für den Kata-Ansatz

Ausgewählte Merkmale von Lernenden Organisationen: × Klare Vision × Koopera ons-/ Konflik ähigkeit; Vertrauen/Teamgeist × Prozessorien erung/Selbstregulaon × Par zipa ver Führungss l …

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

416

scher und genauer Überblick über die Wirkung der wichtigsten Prozesse).“ All das sind typische Merkmale sowohl der Toyota Kata (wenn auch der Sprachductus bei Mike Rother ein anderer ist) wie auch von lernenden Organisationen entsprechend den zusammenfassenden Ausführungen, wie sie Jamal Algedri und Eckhard Frieling formuliert haben. Wir haben es also bei der Verbesserungskata mit dem speziellen Fallbeispiel der Lernenden Organisation zu tun. Somit entpuppt sich der scheinbar so besondere Ansatz der Toyota-Kata als spezieller Fall von Lernender Organisation. Dies wurde auch bereits hier erkannt (14. Prinzip im Toyota-Haus: Abbildung 4.87, dort Punkt 14). Des weiteren ist zu erkennen, dass das beklagte Fehlen des Arbeitsbegriffs (Kapitel 1.1) hier im Konzept der Lernenden Organisation wieder einzubinden ist, denn im Ansatz der Lernenden Organisation bedarf es eines Arbeitsbegriffs, der Arbeiten und Lernen im Zusammenhang thematisiert.

 Lean Six Sigma Im Unterschied zu Lean Management als umfassenden Ansatz ist Six Sigma ein Projekt, das sich mit den Werkzeugen des Projektmanagements einführen lässt. In Kapitel 4.4.3 () wurde es ausführlich behandelt. Der Verbesserungsprozess, der dem DMAIC-Zyklus folgt, ist auf fünf Phasen ausgelegt. Six-Sigma-Projekte sind in Teamstrukturen eingebettet. Lean Six Sigma, das seit dem Jahr 2000 etwa in den USA weiterentwickelte Lean Management, versteht sich als QM-Ansatz, zu dem es jedoch kein einheitliches Verständnis gibt. Es kann nicht umstandslos angenommen werden, dass hier zwei auf gleicher theoretischer Ebene gedachte Systeme zusammengefügt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Lean Management der übergeordnete Managementansatz ist. Eine kurze Synopse mage diese These bestätigen: Abbildung 4.90: Vergleich ausgewählter Merkmale Lean/Six Sigma Å

Merkmal

Lean

Zielsetzung

Prozessbeschleunigung Senkung Prozessfehler Verkürzung Prozesszeiten Kundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit Beseitigung von Muda Reduktion der Variation Wertschöpfung steigern strategisch operativ und operativ gesamte Organisation Mitarbeiter im Projekt gesamte Organisation Projektmitarbeiter ausgewählte Prozesse

Fokus Management Kultur Organisation

Six Sigma

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Wo beginnen? – Sehr viele Autoren schlagen vor zunächst eine Lean Organisation einzuführen und dann mit Projektmanagement à la Six Sigma zu beginnen. Denkbar ist aber auch ein umgekehrtes Vorgehen. Organisationen, die bisher Six Sigma-Projekte implementiert haben, erkennen, dass es nun darauf ankommen muss, Verschwendung zu vermeiden. Für sie ist Lean Management der zweite Schritt. Einen pragmatischen Zugang zu Lean Six Sigma wählen Organisationen, die die beiden Ansätze auf der operativen Ebene verorten und ensprechende Werkzeuge einsetzen. Dabei setzen sie auf das Standardwerkzeug von Six Sigma, den DMAIC-Circle und beim Lean Management ist das auf Womack/Jones fünfstufige Vorgehensmodell das entsprechende Werkzeug (2003, 16ff ): × „… genaue Spezifikationen des Wertes durch das spezifische Produkt, × Identifikation des Wertschöpfungsstroms für jedes Produkt, × Flow des Wertes ohne Unterbrechungen, × Pull des Wertes durch den Kunden beim Produzenten × und Streben nach Perfektion.“ Ausführlicher lässt sich die auf Womack/Jones basierende Vorgehensstruktur wie folgt beschreiben (Reißiger W. u.a. 2007, 269): × „In einem ersten Schritt (Value) wird zwischen wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Prozessen aus Sicht der Prozesskunden differenziert × Die wertschöpfenden Prozesse werden zu einer logischen Kette verknüpft (Value Stream). Hierbei wird analysiert, ob Prozesse eliminiert werden können, die aus Kundensicht keinen zusätzlichen Wert erzeugen. × Ziel des dritten Schrittes ist die Reduzierung von Durchlaufzeiten (Flow) in den Prozessketten durch Vermeidung von Wartezeiten und Lagerbeständen und damit die Minimierung der Kapitalbindung bzw. der Prozesskosten. × Es wird sichergestellt, dass nur Leistungen erbracht werden, für die ein Auftrag bzw. eine Bestellung existiert (Pull). × Durch die ständige Wiederholung dieser Verbesserungsmaßnahmen werden Prozesse überwacht und die Prozessketten kontinuierlich verbessert (Perfection).“ Lean Six Sigma zeichnet sich folglich durch zwei strukturierte Vorgehensweisen aus, die in Kombination miteinander zu sehen sind. Voraussetzung für das Gelingen dieses Lean Six Sigma-Ansatzes ist die Analyse der einzelnen Arten von Muda, was klassischerweise nach folgenden Kategorien erfolgt: Reduzieren von Stütz- Blind- und Fehlleistungen, fördern der Nutzleistung. Erst nachdem diese Analyse durchgeführt wurde können die beiden Werkzeuge von Lean Six

417

DMAIC-Circle Define Measure Analyse Improve Control

D M A I C

Value Value Stream Flow Pull Perfec on

V VS F P P

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

418

Sigma zur Anwendung kommen. Bei diesem kombinierten, oft simultanen Vorgehensweisen dürfen die grundlegenden Bestimmungen der beiden Ansätze nicht aus dem Visier kommen: × Variation reduzieren Å Six Sigma × Verschwendung eliminieren Å Lean Management.

 Supply Chain Management (SCM) „Einigkeit bringt Stärke.“ (Äsop)

Begriffsbes mmung SCM

Supply Chain (SC), also die Kette der Lieferungen, kurz die Lieferkette (auch Versorgungskette genannt), ist ein Begriff der Logistik, wie überhaupt dieses Thema im Kern aus der Logistik stammt. Supply Chain Management (abgekürzt SCM) ist demzufolge das Lieferkettenmanagement. Betrachtet werden also nicht mehr Einzelunternehmen, sondern in ganzheitlicher Manier insgesamt Lieferkettensysteme und deren Management. Der Wettbewerb – so wird behauptet (Pfohl 2000, 9) – spielt sich dann vor allem zwischen den oft komplex strukturierten Supply Chains ab. Ein aktuelles Beispiel liefert die Erdbeben-/ AKW-Katastrophe in Japan 2011, infolge deren Auswirkungen es den Kunden (vor allem im große Unternehmen der Telekommunikationund IT-Branche) darum gehen muss, die dort betroffenen Unterlieferanten, die teilweise eine Einzigartigkeit beanspruchen konnten, zu substituieren. Wem dies Substitution nicht in entsprechender Weise gelingt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit Wettbewerbsnachteile zu erwarten. Die eigentlich geforderte, allseits geteilte Begriffsbestimmung von SCM wird erschwert, wie Pfohl erklärt (Pfohl 2000, 6): „Bisher konnte sich noch keine einheitlich anerkannte Definition für Supply Chain Management durchsetzen. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, weil das Konzept von unterschiedlichen wissenschaftlichen Teildisziplinen diskutiert wird und sich unterschiedliche Denkschulen entwickelt haben.“ Dennoch, eine sehr eingängige Definition liefert Buscher (1999, in Pfohl 2000,5): „Beim Supply Chain Management handelt es sich um ein strategisches Unternehmensführungskonzept, das darauf abzielt, die Geschäftsprozesse, die entlang der Versorgungskette (Supply Chain) vom ersten Rohstofflieferanten bis zum Endverbraucher auftreten, zur Kundenzufriedenheit zu gestalten.“ Hieran anknüpfend können die folgenden Defintionsmerkmale als zentral angenommen werden, die hypothetisch ihren Zweck erfüllen mögen: × SCM bedarf gesamthaft der Koordination und Integration von Prozessen;

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

SCM bedarf der Harmonisierung von Prozessen; SCM verfolgt das Ziel der Endkundenorientierung (Point of Sale), woraus folgt, dass alle Wertschöpfungsprozesspartner kooperativ endkundenorientiert denken und handeln müssen; × SCM fordert inner- und interorganisatorische Mitarbeiterorientierung; × SCM stellt die Lieferantenorientierung ins Zentrum; × SCM benötigt einen Strategiebegriff und eine Einordnung ins Strategische Management; × SCM setzt konsequent auf Kundenorientierung Es ist unmittelbar einsichtig, dass das Logistikdenken – gemessen an den ins Spiel kommenden Kundenforderungen – eine neue Interpretation erfahren musste, was zum Überdenken der Logistikkonzeption führte. Pfohl bringt die Sache auf den Punkt (Pfohl 2000, 10f): „Der Integrationsgrad der Supply Chain steigt mit jeder Neuaufnahme und jeder Intensivierung struktureller Beziehungen, mit jeder Integration einer Aktivität, eines Prozesses oder einer Stratetegie sowie mit jeder Anbindung einer Wertschöpfungsstufe zu einer durchgängigen Supply Chain. Je höher der erreichte Integrationsgrad einer Supply Chain, um so stärker treten die die Schnittstellen überbrückenden – Nahtstellen bildenden – Aufgaben gegenüber den originären Logistikaufgaben in den Vordergrund. Ebenso sind die Managementkomponenten, vor allem Controllingsystem, Anreizsystem oder Kultur, in das Supply Chain Managementkonzept zu integrieren.“ Die auf Cooper et al. (1997, 10) zurückgehende Übersicht zeigt sehr deutlich die Problemstellungen und Themen (Abbildung 4.91),

419

× ×

Abbildung 4.91: „Durchgängige“ Geschä sprozesse in einer Supply Chain (nach Cooper et al. 1997,10) Ë

Material-, Waren- und Informationsfluss

Unterlieferant 1-n

Lieferant

Einkauf

Materialmanagement

Produktion Distribution Vertrieb

Prozesse

Beziehungsmanagement (CRM) Kundenbetreuung Bedarfsermittlung Auftragsabwicklung Kapazitätsbelegung Beschaffung Produktentwicklung Produktrückführung Informations- und Finanzmittelfluss

Kunde

Endkunde

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

420

Entwicklungsetappen des Supply Chain Managements

SCM kein ureigener Ansatz der Wirtscha sinforma k

Supply Chain Management und Qualitätsmanagement

die in dieser Totalität jedoch erst in jüngster Zeit in den Vordergrund geraten sind. Es lassen sich die folgenden Etappen der Entwicklung kennzeichnen (in Anlehnung an Pfohl 2000, 12f): × Bis etwa um 1980: Die Unternehmen betrachteten einzelne Glieder der Supply Chain zwischen Beschaffung und Produktion, um diese zu optimieren. × Seit etwa 1980: Durch den Einfluß des Lean Managements ( Just-In-Time) in der Automobilindustrie wurde mehr und mehr die „Lücke“ zwischen Lieferant und Produzent geschlossen, indem die Materiallogistik optimiert wurde. × Seit etwa 1990: Durch die im Handel eingeführten ECR(Efficient Consumer Response-)Systeme wurden die Schnittstellen zwischen Produktion und Distribution geschlossen und die Distributionslogistik optimiert. Neben ECR liegt der Fokus auf dem Category Management als Basis für das SCM (Liebmann/Zentes 2001, 608) × Seit etwa 2000: Konsequente und systematische Bestrebungen gehen seit Anfang des Jahrhunderts dahin den Endkunden ins Logistikkalkül einzubeziehen. Mit zunehmender Optimierung des Internets (Hard- und Software) und den seit einigen Jahren immer größer werdenden Speichermöglichkeiten, sind die Grenzen sehr hoch gesteckt worden. Damit haben sich die Bedingungen geändert und der Grundgedanke der systematischen Verbindung aller Wertschöpfungsprozesse über die Gesamtheit aller Unternehmen ist Realität geworden. Diese Entwicklungen sind in zunehmendem Maße durch Internetund IT-Prozesse beeinflusst. Gleichwohl handelt es sich beim SCM nicht um einen ureigenen Ansatz der Wirtschaftsinformatik. Als ein Gegenstandsbereich ist es jedoch von starkem Interesse. So können mit IT-unterstützten Prozessen hohe Verbesserungspotentiale erreicht werden, von denen die beteiligten Unternehmen ebenso wie die Kunden profitieren. Bevor jedoch die Gestaltung durch umfangreiche Kooperationsprojekte angegangen werden kann, müssen zuallererst die organisationseigenen Prozesse existent und transparent sein und reibungslos funktionieren. Also geht es zunächst um Prozesse, Prozessmanagement, Prozessorganisation, Kundenorientierung, also um Elemente, wie sie auch dem Qualitätsmanagement eigen sind, im engeren Sinne, zum Beispiel in der Art der ISO 9001. Genau wie beim Qualitätsmanagement die Kundenforderungen im Zentrum stehen, so ist es auch beim SCM: Ausgangspunkt des Managements einer SC bildet der Nachfrager und nicht der Lieferant. Deshalb trifft die Bezeichnung „Chain of the Customer“ den Sachverhalt sehr gut. Das Supply Chain

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Management vermag somit vom Qualitätsmanagement und seinen Ansätzen zu profitieren. Die Vielzahl von Kunden, die hohe Produktvielfalt und der Rückgriff auf eine hohe Anzahl von Lieferanten führt zu Schnittstellen, die als Nahtstellen begriffen ihre organisatorische Basis im Prozessmanagement haben. Um Qualitätsverlusten vorzubeugen ist Qualitätsmanagement als proaktiver Ansatz eine Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung eines Supply Chain Management-Systems. Im Einzelnen eignen sich neben den Systemen des TQM die Zertifizierung nach ISO 9001, aber auch QM-Kontextkonzepte wie × Beschwerdemanagement × Fehlervermeidungsmanagement wie Poka Yoke oder × Six Sigma × Qualitätstechniken wie das Ursache-Wirkungs-Diagramm × Qualitätszirkel, die unter Anwendung des PDCA-Circle als Teamstrukturen eingeführt werden Es verwundert folglich, wenn Hans Corsten die folgenden Konzepte nennt, auf die das Supply Chain Management zurückgreift, aber das Qualitätsmanagement nicht erwähnt: Integratives Logistikmanagement, gemeinsame Planung, Prozessmanagement, zwischenbetriebliche Kooperation, Sourcin-Konzepte sowie Just-In-Time (Corsten 2001, 208). Dabei ist das Qualitätsmanagement als Querschnittfunktion begriffen in jedem Fall über das Denken in Prozessen und die Absicherung der Wertschöpfungsprozesses Element des Supply Chain Managements, teilt sich also diese Schnittmengen. Zur Internationalisierung des Supply Chain Managements: In Sachen SCM gab es auf internationaler Ebene gemeinsame Interessen. Dies ist naheliegend, weil es handelsrechtlich um Gewährleistungsanspruche geht und im Rahmen der Produkthaftung Hersteller auch für die Fehler der Unterlieferanten haften (jüngstes Beispiel der Industriegeschichte das fehlerhafte Gaspedal bei einem Toyotamodell). Insofern liegt eine solche Interessenkonkordanz schon in der Natur der Sache, weil Unternehmenskooperationen grenzüberschreitend und global tätig sind. Im Jahr 1996 formierte sich das Supply Chain Council (SCC), gegründet von Pittiglio Rabin Todd & McGrath (PRTM) and AMR Research, zwei Unternehmensberatungen aus Boston. Die Mitgliederzahl ist inzwischen auf über 1.000 angewachsen. Vor allem geht es um praktische Fragen, wenn auch die wissenschaftliche Seite dort vertreten ist. Es wurde zuvorderst das Ziel verfolgt ein gemeinsames Referenzmodell zu entwickeln und dieses allen Mitgliedern und darüber hinaus zugänglich zu machen, das sog. Supply Chain Operations Reference Model (SCOR-Model). Das Modell (Abbildung 4.92) ist branchenunabhängig und wird als Standard, gewissermaßen als Norm, in diesem Bereich angesehen. Es soll die effiziente

421

Qualitätsmanagement als Bedingung für die Umsetzung von SCM

h p://supply-chain. org/

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

422

Planen

Planen

Liefern Beschaffen Herstellen

Lieferant des Lieferanten

Lieferant

Liefern

Beschaffen Herstellen

Planen

Liefern

Ihr Unternehmen

(intern/extern)

ÁAbbildung 4.92: Das SCOR-Modell des SCC (nach den Quellen des SCC entwickelt)

Beschaffen Herstellen

Kunde (intern/extern)

Liefern

Beschaffen

Kunde des Kunden

Anwendung des Supply Chain Managements unterstützen und basiert auf vier Kernprozessen: Planen, Beschaffen, Produzieren und Liefern. Das sind vier Hauptkategorien, die trennscharf gebildet wurden. Kritisch ist bei dieser Kategorisierung zu sagen, dass es schwerfällt die Prozessbereiche Entsorgung, Recycling und Reparatur unberücksichtigt bleiben. Durch die genannten vier abgrenzbaren Prozessbereiche lassen sich Stärken und Schwächen einer Organisation identifizieren. Indem aus den Kernprozessen Teilprozesse entwickelt werden (hierarchische Verfeinerung), bilden diese den operativen Bereich der Prozessorganisation ab, der sich inzwischen wiederum mit den Techniken von BPMN 2.0 gestalten ließe (Kap. 4.2.7 ). Die Anwendung von BPMN 2.0 bietet den Vorteil, dass gegebenenfalls die Wirkung von Prozessveränderungen untersucht oder quantifiziert werden kann, zum Beispiel mit dem Ziel der Verbesserung der Qualität oder zum Zweck der Zeitoptimierung. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das SCOR-Modell eine eingängige Zusammenschau betriebswirtschaftlichen Denkens liefert, indem in geschickter Kombination durchaus bekannte Zusammenhänge auf das Phänomen einer organisationsübergreifenden SC bezogen werden.

 Beschwerdemanagement „Wenn Fehler und Mängel nicht durch das QM aufgefangen werden können, kommt die Rettungsleine des Beschwerdemanagements auf den Plan.“ (hdz)

Von Beschwerde (engl.: complaint; frz.: doléance, plainte) zu sprechen, heisst immer etwas Negatives zu benennen. Dem Begriff haftet ja per se nichts Positives an. Doch der Begriff hat sich in der Management- und Marketinglehre durchgesetzt. Es hilft nichts hier besser von Feedbackmanagement zu sprechen, wie das eine oder andere Unternehmen es nennt. Es wäre der angemessenere (neutrale) Begriff, der auch allgemein etwas zum Ausdruck bringt, was sich als das Positive bezeichnen könnte. Ein Feedback kann positiv oder negativ sein.

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Wie ist das Beschwerdemanagement in der Systematik der Managementlehre zu verorten? Wenn es dem Marketing zugeordnet wird, sollte es sinnvollerweise dem Kundenbeziehungsmanagement zugeordnet werden. Sieht man den Sachverhalt der Beschwerde eher aus organisatorischer Sicht, so wäre die Zuordnung zum Qualitätsmanagement ebenfalls zu rechtfertigen. Beschwerden sind Artikulationen von Unzufriedenheit, die Or- Was sind Beschwerganisationen gegenüber vorgebracht werden, indem im subjek- den? tiven Empfinden auf ein Angebotsprodukt unzufrieden reagiert wird. Zweierlei ist entsprechend dieser Definition nicht gemeint: erstens die Reklamation (lat.: reclamatio: das Gegengeschrei), die eine rechtsrelevante Beschwerde darstellt und die Unzufriedenheit, die sich nicht auf ein zuvor gekauftes Produkt bezieht, sondern wo auf das gesellschaftspolitische Handeln des Unternehmens reagiert wird. Der definitorische Ausschluss macht analytisch Sinn, sollte aber in der Praxis, etwa wenn eine Abteilung für Beschwerdemanagement eingerichtet werden soll, nicht getrennt werden. Das geschieht nach dem Grundsatz „One Voice to the Customer“! Das betrifft selbstverständlich auch Beschwerden, die sich auf Unterlieferanten beziehen, die im Zuge der Zurverfügungstellung des Produkts benötigt werden. Beispiel: Wenn ein Onlinehändler einen Paketdienst unter Vertrag hat, der die Ware ausliefert, hat sich der Händler darum zu bemühen, dass der Kunde in den Besitz des Produkts kommt, das er gekauft hat. Die Anlieferung ist Teil des Produkts. Konkret: Verzögerungen oder irrtümliche Rücksendungen sind Gegenstand des Beschwerdemanagements des anbietenden Unternehmens. Jedenfalls verlangen diese Ansätze des Qualitätsmanagements, in denen sowohl die Prozess- wie auch die Kundenperspektive betont werden. Ausgangspunkt sind in der ISO 9001, dem Forderungssystem der ISO 9000-family, die Forderungen des Kunden, die auf Erfüllung und Realisierung durch ein Produkt bezogen sind. Bei Stauss/Seidel heisst es (2002, 41): „Das Produkt als Ergebnis des Wertschöpfungsprozesses ist vom Kunden zu bewerten, und die Daten über seine Kundenzufriedenheit sind zu ermitteln, zu analysieren und für Verbesserungsmaßnahmen zu nutzen. Sowohl für die Ermittlung von Kundenforderungen als auch für die Messung der Kundenzufriedenheit kommt dem Beschwerdemanagement eine zentrale Bedeutung zu.“ Was die Forderungen angeht, so sind aus den Beschwerden Informationen über die Erwartungen der Kunden festzustellen. Beschwerden bieten zudem sehr oft auch Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen. Sie ergänzen die Erhebungen, die zur Kundenzufriedenheitsmessung

423

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

424

durchzuführen sind. Andere QM-Modelle, wie das EFQM-ExzellenzeModell, das ebenfalls auf Prozessen basiert und auf Kundenzufriedenheit setzt, setzen auf die hohe Priorität des Beschwerdemanagements (Stauss/Seidel 2002, 43): „Fragt man sich nun, welche Bedeutung dem Beschwerdemanagement im Rahmen das EFQM-Modells zukommt, dann lässt sich zeigen, dass sein Stellenwert als sehr hoch einzuschätzen ist. Kundenprobleme, die zum Auftreten von Beschwerden führen, machen deutlich, dass das Ziel der Exzellenz noch nicht erreicht ist. Insofern muss ihnen als Qualitätsindikator und Kundeninput für Verbesserungsprozesse maßgebliche Bedeutung eingeräumt werden.“ Die folgende Übersicht (Abb. 4.93) zeigt die Bereiche, die bei der ISO 9001 und beim EFQM-Exzellenz-Modell das Beschwerdemanagement als relevant anzeigen: Abbildung 4.93: Elemente von ISO 9001 und EFQM mit Relevanz für das Beschwerdemanagement Å

Was ist Beschwerdemanagement?

ISO 9001 5.1: Verpflichtung der Leitung 5.2: Kundenorientierung 5.6.2: Eingaben Bewertung 7.2: Kundenbezogene Prozesse 7.2.3.: Kommunikation Kunde 8.2.1.: Kundenzufriedenheit 8.4.: Datenanalyse 8.5.2.: Korrekturmaßnahmen

EFQM Führung Politik & Strategie Partnerschaften Ressourcen Prozesse Kundenbezogene Ergebnisse

Beschwerdemanagement darf somit als QM-Ansatz bezeichnet werden, der sich in die QM-Systeme fügt, der aber auch beim Marketing Anleihen nimmt. Begriffe, die ihn konstituieren sind sowohl dem Qualitätsmanagement wie auch dem Marketing eigen. Es handelt sich somit um einen Ansatz, der sich als Schnittmenge von Qualitätsmanagement und Marketing konstituiert. Die folgende Explikation bezieht sich im Wesentliche auf Bruhn (2001, 173) Beschwerdemanagement greift auf Erkenntnisse und Ansätze des Qualitätsmanagements zurück und verfolgt Kundenbindungsmanagementziele. Es beinhaltet sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die eine Organisation im Zusammenhang mit Beschwerden von Kunden oder sonstigen Anspruchsgruppen ergreift, die sich aktuell an das Unternehmen wenden, weil sie unzufrieden sind. Beschwerdemanagement verfolgt als oberste Zielsetzung auf artikulierte Unzufriedenheit so zu reagieren, dass diese abgebaut beziehungsweise nach Abschluß des Beschwerdemanagementprozesses die Kundenzufriedenheit wiederhergestellt ist. Hieraus lassen sich die folgenden Unterziele ableiten (Bruhn 2001, 173):

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

Direkter Beschwerdemanagementprozess Beschwerdestimulierung

Beschwerdeannahme

Beschwerdebearbeitung

Beschwerdereaktion

Beschwerdeauswertung

BeschwerdemanagementControlling

Beschwerdereporting

Beschwerdeinformationsnutzung

Indirekter Beschwerdemanagementprozess

× Umsetzung und Verdeutlichung einer kundenorientierten Unternehmensstrategie; × Vermeidung alternativer Reaktionsformen unzufriedener Kunden × Schaffung zusätzlicher akquisitorischer Effekte × Informationsgewinnung über Leistungsdefizite. Beschwerdemanagement kann folglich als System von spezifischen Handlungsanweisungen verstanden werden, in dem versucht wird die definierten Ziele zu erreichen. Diese sind nur erreichbar, wenn die in Abbildung 4.94 genannten Aufgaben im Beschwerdemanagementprozess wahrgenommen und erfüllt werden. Abbildung 4.94 zeigt im oberen Teil die kundengerichteten Maßnahmen (Direkter Beschwerdemanagementprozess). Der Indirekte Beschwerdemanagementprozess ist eher im Sinne eines Blueprintingvorgehens zu verstehen. Er läuft im Hintergrund ab. Im reaktiven Beschwerdemanagement steht die unmittelbare Behebung eines Kundenproblems (Reparaturfunktion) zumeist im Vordergrund. Bei stärker aktiver Orientierung wird daneben das längerfristige Ziel der Verbesserung der Anbieterleistungen (Lernfunktion) wichtig. Schließlich tritt in neueren Ansätzen ein Controlling-orientierter Gedanke hinzu, die Findung von Meßmarken für die Vertriebssteuerung und für das Personalmanagement. Dabei sollen Meßzahlen der Kundenzufriedenheit als Maßstab und Anreiz für kundenorientiertes Verhalten und damit als Meßlatte des Marketing-Controllings dienen. Vom reaktiven zum aktiven Beschwerdemanagement: Grundlage für die Beschwerdebehandlung ist entweder die reaktive Aufnahme von Kundenanfragen und -beschwerden (Beschwerdeerfassung) oder die aktive Abfrage von Zufriedenheitsinformationen. In aller Regel wird die erste Vorgehensweise – die allerdings unabdingbar ist – nur begrenzte Informationen liefern. Statistisch gesehen sind sie sogar unbrauchbar, weil man davon ausgehen muss, dass es sich bei den aktiven Beschwerdeführern um eine ganz bestimmte Gruppe von Kunden handelt (Stichwort „Querulant“). Wie der „Beschwerdeeisberg“ zeigt

425 ÏAbbildung 4.94: Überblick Beschwerdemanagementprozess (nach Stauss/ Seidel 2002, 82) ÏDas ak ve Beschwerdemanagement (ABMS) beginnt bei der Beschwerdes mulierung



Beschwerdemanagement als System von spezifischen Handlungsanweisung ist ein norma ves Managementsystem

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

426 Abbildung 4.95: Der sog. Beschwerdeeisberg Å

Nur etwa 20 % der unzufriedenen Kunden beschweren sich!

De facto muss davon ausgegangen werden, dass eine hohe Anzahl von Kunden und das sind schätzungsweise 80 %, die nicht oder nicht ganz mit den erhaltenen Produkten zufrieden sind, sich nicht beschweren!

Warum beschweren sich unzufriedene Kunden nicht? × Die Kommunikationswege sind dem Kunden nicht bekannt. × Der Aufwand (auch der emotionale) erscheint dem Kunden zu hoch. × Die Erfolgsaussichten beurteilt der Kunde als zu gering. × Der Kunde hat negative Erfahrungen aus vorherigen Reklamationen. × Kunden haben Scheu, manchmal sogar Angst, ihren Unmut zu äußern. (Quelle: Diehsle, P.: Reklamationen – Geschenke der Kunden. In: Künzel, H. (Hrsg.): Handbuch Kundenzufriedenheit. Berlin-Heidelberg 2005, S. 174)

Feedback-Kanäle öffnen

sind es ca. 20% derjenigen Kunden, die mit dem Produkt unzufrieden sind (Abbildung 4.95). Ein vollständiger Überblick wird erst durch regelmäßige Untersuchungen, durch Außendienst-, Kundendienst- und Händler-informationen sowie durch besondere Maßnahmen des Kundenkontaktes erzielt, etwa Customer Call-Einrichtungen, User Groups oder Customer Care-Funktionen. Zielsetzung ist es – neben eigenen Erhebungen –, die Feedback-Kanäle zu öffnen und dabei Informationsverlust wie Versickern oder interessenbedingte Verzerrungen zu reduzieren. Ein solches Aktives Beschwerdemanagement-System, wie es von Günter (2001, 6ff ) vorgeschlagen wird, besteht aus 10 Elementen, die in Abbildung 4.96 genannt sind. Diese Elemente sind als aktiv zu handhabendes System konzipiert. Nach Günter lassen sie sich wie folgt beschreiben (2001, 7f – mit Anpassungen durch hdz):

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

(10) Außendarstellung zur Erzielung von Außenwirkungen

ÏAbbildung 4.96: Ak ves Beschwerdemanagementsystem (ABMS), nach Günter 2001, 7ff

(1) Systematische Kundenanalyse

(9) Aufstellen von Grundsätzen und Richtlinien für das ABMS

(2) Vorbeugende Qualitätspolitik

Aktives Beschwerdemanagementsystem (ABMS)

(8) Personelle Sicherung des ABMS

(7) Einsatz der Vertragspolitik als Marketinginstrument

(6) Total Quality Management/SCM

×

×

×

427

(3) Einrichtung eines Informationssystems

(4) Einrichtung eines Handlingsystems für Beschwerden

(5) Einrichtung eines Lernsystems

Das Element (1) umfaßt die systematische Analyse der Kundenforderungen. Um am Markt kundenorientiert Leistungen anbieten zu können, müssen zunächst die entscheidungs- und damit letztlich zufriedenheitsrelevanten Forderungen ermittelt werden. Hierzu können Qualitätstechniken wie das Kano-Modell und das House of Quality eingesetzt werden. Das Element (2) besteht im Rahmen der Qualitätspolitik aus eher prophylaktischen Instrumenten, um späteren Beschwerden vorzubeugen. Hierzu zählt eine Anzahl von Instrumenten des Total Quality Managements. Dabei spielen z.B. Zero-DefectMaßnahmen (Null-Fehler-Programm) und FMEA-Methoden (FMEA-Fehler-Möglichkeits- und -Einflußanalyse = Failure Mode and Effects Analysis) ebenso eine wichtige Rolle, wie umfassende, sorgfältige und aus Kundenperspektive entwickelte Verwenderinformationen und Technische Dokumentationen (Bedienungsanleitungen, Anlagen-Dokumentationen u.ä.). Das Element (3) enthält die Rückkopplung über Kunden(un) zufriedenheit. Im Vordergrund steht die Öffnung von verstopften Informationskanälen. Zum einen ist von besonderer Bedeutung, daß dem unzufriedenen Kunden ein Ansprechpartner bekannt ist und dass möglichst ständige Erreichbarkeit gewähr-

428

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

×

×

×

×

×

leistet ist. Zum anderen geht es um die regelmäßige Ermittlung der unvoiced complaints. Im Mittelpunkt von Element (4) steht die Behandlung der aktuell einlaufenden Anfragen und Beschwerden (Reparaturfunktion). Für ein systematisches kundenorientiertes Beschwerdemanagement (Handlingsystem) sind dabei folgende Aspekte zu beachten: Die unkomplizierte Aufnahme der Beschwerde, eine klare Systematisierung des Beschwerdeinhalts sowie Festlegung geeigneter, transparenter Spielregeln für die weitere Bearbeitung bis zur Behebung der Beschwerdeursache. Zudem haben Kunden einen Anspruch auf Information über den weiteren Ablauf der Beschwerdebehandlung sowie Zwischenbescheide über den Stand der Beschwerdebearbeitung. In diesem Sinne gewinnt das aktive telefonische und/oder E-mail-gestützte Beschwerdemanagement demzufolge an Bedeutung. Beim Element (5) geht es darum, Beschwerden auszuwerten. Dadurch können Weiterentwicklungen gefördert und Innovationen generiert werden. Die Bedeutung dieses Lernsystems wird insbesondere in Branchen deutlich, in denen mehr als die Hälfte der Innovationen abnehmerinduziert sind. Die Auswertung kritischer Kundenäußerungen stellt ein zentrales Instrument zur Findung markt- und kundenorientierter Neuproduktideen und Produktvariationen dar (lessons learnt). Das Element (6) konzentriert den Fokus auf ein unternehmensübergreifendes Qualitätsmanagement (TQM) bis hin zum Supply Chain Management (SCM). Dies deshalb, weil Lieferanten wie auch Absatzmittler in die Kanalisierung von Zufriedenheitsinformationen und in die Beschwerderegelungen einbezogen werden sollten. Ebenso erscheint es für ein Aktives Beschwerdemanagement zweckmäßig, Kooperationspartner (z.B. Prüf- und Zertifizierungsinstitutionen) zu berücksichtigen oder einzubeziehen. Das Element (7) betrifft ein im Beschwerdemanagement noch unzureichend berücksichtigtes Instrument: der Einsatz der Vertragspolitik (Kontrahierungspolitik) als Marketinginstrument. Beispielsweise läßt sich über die Abgabe von Garantien (z.B. Zufriedenheitsgarantien) Vertrauen erzeugen, Zufriedenheit erhöhen und im Falle von Unzufriedenheit dessen Artikulation gegenüber dem Lieferanten anregen. Im Mittelpunkt steht die Schaffung von commitment sowie die Transparenz der Ansprüche von Beschwerdeführern. Das Element (8) berücksichtigt die für das Beschwerdemanagement notwendigen personalpolitischen Maßnahmen. Hierbei

4.4 Weitere Ansätze des Qualitätsmanagements

geht es insbesondere darum, mit den Instrumenten des internen personalorientierten Marketing Anreizsysteme zu schaffen, die die aktive Entgegennahme und Bearbeitung von Beschwerden fördern. Die damit nicht selten notwendigen Verhaltensänderungen von Mitarbeitern lassen sich häufig nur mit konsequenter Aus- und Weiterbildung im Hinblick auf Kundenorientierung und den Umgang mit unzufriedenen Kunden erzielen. × Das Element (9) richtet den Fokus auf die notwendige Aufstellung von Grundsätzen und Richtlinien für ein Beschwerdemanagement. Die Formulierung und letztliche Kontrolle von internen wie externen Qualitäts-/Servicestandards (z.B. durch Testkunden/Mystery Customer) spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Bedeutsam ist auch die Einführung eines Qualitätsleitbildes, in dem die Rolle des Kunden und Mitarbeiters im Zusammenhang mit Beschwerden hervorgehoben wird. × (10) Angesichts der Funktionsweise von Beschwerdemanagement-Systemen dürften diese geeignet sein, das Image eines Unternehmens zu verbessern und Vertrauen zu schaffen bzw. zu erhöhen. Maßnahmen, wie z.B. die L.L. Bean 100%-Guarantee (Dienstleistungsgarantie), die Darstellung von Ergebnissen des Deutschen Kundenbarometers in der Werbung, Dokumentationen über erhaltene Qualitätsauszeichnungen (European Excellence Award [EEA] der European Foundation for Quality Management), auch Urteile der Stiftung Warentest sind geeignet, kundenorientiertes Engagement eines Unternehmens zu signalisieren. Besonders diese zehn Elemente eines ABMS verdeutlichen, dass Beschwerdemanagement eine Schnittmenge von Marketing und Qualitätsmanagement darstellt und aus beiden Disziplinen die dort entwickelten Konzepte und Werkzeuge nutzen sollte. Es gibt nicht das einzig richtige Beschwerdemanagement. Einen ersten Zugang gewinnt man über eine Checkliste, wie sie Diehsle entwickelt hat (2005, 182): × Welche Ziele soll das Beschwerdemanagement verfolgen? × Welchen Kundengruppen soll das Beschwerdemanagement zur Verfügung gestellt werden? × Welche Unternehmensbereiche sind zu involvieren? × Wie sieht die Kosten-Nutzen-Bilanz aus? × Verfolgt das Unternehmen einen zentralen oder dezentralen Ansatz bei der Gestaltung des Beschwerdemanagements? × Welche Qualifizierungsmaßnahmen bei Mitarbeitern und Führungskräften sind erforderlich? × Wer soll das (Projekt-)Beschwerdemanagement leiten? × Ist externe Unterstützung notwendig?

429

Checkliste für die Managemententscheidung zur Einführung eines Beschwerdemanagementsystems

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

430

Was sind die IT-seitigen Rahmenbedingungen? Soll das Beschwerdemanagement in ein ganzheitliche Qualitätsmanagement eingebunden werden? Es sollte deutlich geworden sein, dass ein Aktives Beschwerdemanagementsystem ein wertvolles Organisationskonzept ist, auf das keine Organisation verzichten kann. Leider verkennen viele Geschäftsleitungen die Bedeutung eines solchen Ansatzes und reagieren passiv und abwartend bis abwehrend auf Reaktionen von Kunden und Stakeholdern. Erfahrungen, die jeder bei sich selbst machen kann, zeigen denn auch: In der Mund-zu-Mund-Kommunikation geht es im Wesentlichen um das Negative, positive Erfahrungen mit Produkten werden in den meisten Fällen nicht kommuniziert. Erfolgreich eingeführtes systematisch betriebenes aktives Beschwerdemanagement reduziert die negative Mund-zu-Mund-Kommunikation deutlich. × ×

4.4.4

Qualitätsmanagement glänzt durch hohe Anschlussfähigkeit!

QM-Kontextkonzepte

Das Qualitätsmanagement wird seit jeher begleitet von es ergänzende, alternativen und/oder konkurrierenden Managementkonzepten. Dabei hat es allen modernistischen Managementtrends bislang widerstanden und stellte immer wieder seine hohe Anschlussfähigkeit unter Beweis: Viele solcher Managementansätze stehen dabei als eigenständige Systeme, wie zum Beispiel die folgenden [9]: × Benchmarking × Balanced Scorecard × Kernkompetenz-Management × Leadership × Qualitätszirkel × Reengineering × Organisationskultur × Wissensmanagement. Weiterhin ist der Einfluss des Controllings, des Marketings, des Dienstleistungsmanagements oder des Human Ressource Managements zu registrieren, die unter der Perspektive weitere „BindestrichQM-Konzepte“ generieren. In diesem Sinn sind solche Ansätze in der Tat entweder eine Ergänzung, Alternative oder ein Konkurrenzmodell. Wer solche Konzepte in Praxis oder Wissenschaft vertritt, ordnet seinem Ansatz das Qualitätsmanagement unter, fügt es gewissermaßen in seinen Bezugsrahmen ein. Interessant ist nun, dass in den Zirkeln der Experten des Qualitätsmanagements wohl ähnliches gedacht wird: Als gelte es, allen diese alten/neuen Managementkonzepten oder Teildisziplinen gegenüber sehr aufgeschlossen zu sein und die Teile, die sich integrieren lassen, in kreativer und systematischer Weise zu assimilieren.

4.5 Qualitätstechniken

Viele sehr praktisch denkende QM-Experten benutzen für diese Know How-Strategie eine Kategorie aus dem Qualitätsmanagement, unter der sich sehr vieles, auch heterogenes, subsumieren lässt, nämlich die Qualitätstechniken. Sie werden auch Qualitätswerkzeuge oder Qualitätstools genannt. Eher durchgesetzt hat sich jedoch der Begriff Qualitätstechniken, den wir im folgenden Kapitel 4.5 dafür verwenden werden. Um das Gemeinte an einem Beispiel zu illustrieren: Die Balanced Scorecard lässt sich als eigenständiger Managementansatz begreifen, dem man Elemente des QM unterordnen kann. Andersherum lässt sich aber auch aus der Sicht des Qualitätsmanagements mit derselben Berechtigung die Balanced Scorecard integrieren, als einem QM-Konzept unterordnen, was auch geschieht. Oft befassen sich Werke zum Qualitätsmanagement in erheblichem Umfang nur mit den Qualitätstechniken, die genuin praktische Seite des Qualitätsmanagements. Ohne konzeptionellen und ansatzweise formulierten theoretischen Oberbau sind solche Versuche für die organisatorische Praxis gedacht, denn dem sog. Praktiker muss man ja nicht so viel zusammenhängendes Denken abverlangen. Was aber, wenn der „Praktiker“ fragt oder gefragt wird und keine Antwort weiß.

4.5

431

Qualitätstechniken als Transmissionsriemen, um Ansätze zu generieren

Qualitätstechniken „Die Zeit vergeht und dreht das Rad des Lebens wie das Wasser das Mühlrad.“ (Marcel Pagnol [1895-1974]: Marcel. Kindheit in der Provence)

Eigentlich ein selbstverständlicher Satz: „Wer Qualitätsmanagement praktisch betreiben und umsetzen will, bedarf nicht nur der Kenntnis, sondern auch der Einübung gewisser Techniken, um dies wirkungsvoll tun zu können.“ Meistens wird einfach umstandslos mit dem Qualitätsmanagement angefangen, ohne sich zu vergewissern, welcher Erfahrungschatz von den früheren Generationen des Qualitätsmanagements zusammengetragen wurde. Dieser Erfahrungsschatz wird im folgenden Qualitätstechnik genannt. Dabei wird eine Struktur angeboten, wie sich die Vielzahl der Techniken sinnvoll ordnen lassen. Weder ist diese strukturierte Sammlung an Qualitätstechniken vollständig, noch berücksichtigt sie die Vielzahl an Managementtechniken, wie sie beispielsweise aus der Organisationspsychologie, der Mathematik und Statistik, der Kostenrechnung oder die Vielzahl an Führungstechniken. Auch diese

Wilhelm Busch (1832-1908) hat sich spezialisiert auf die Qualitätstechnik „Rückholak on“. Hier ein Beispiel seiner Kunst, gefragt wie eh und je.

Technik (griech. techne, ›Kunst, Kunstwerk‹): Die Art und Weise, etwas durchzusetzen, zu erreichen, zu bewerkstelligen; im allgemeinsten Sinn die menschliche Tä gkeit, insofern sie darauf gerichtet ist, das Vorgefundene, Gegebene menschlichen Bedürfnissen und Wünschen entsprechend zu ändern. Manuelle Ertüch gung, Gestaltungssinn, Naturerkenntnis, Wissen, Einsicht sind die Voraussetzungen der Technik, Sicherung, Erhöhung, Veredlung des menschlichen Daseins war ihr Ziel.

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

432

Was ist Technik? Technik I: „Mit Technik sind grundsätzlich die großen ingenieurmäßigen Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart gemeint, mit denen das ›Made in Germany‹ begründet wurde. Das Forschen, Entwickeln und Konstruieren, das Planen und Organisieren, das Fertigen und Montieren, das Ein- und Verkaufen seien hier genannt, unterstützt von der Versuchs- und Werkstofftechnik, der Mess- und Prüftechnik in Verbindung mit der Technischen Statistik.“ (Kamiske 2000b, 274)

į Technik II: Technik ist nach Max Weber ›Inbegriff der verwendeten Mittel‹, in der Regel als ›rationale‹ Technik der bewussten und planvollen Verwendung von Mitteln. Technik in diesem Sinne gibt es in allen Lebensbereichen (Kriegstechnik, Gebetstechnik, Erziehungstechnik, erotische Technik) und zeigt einen bestimmten Grad der Rationalisierung der entsprechenden Handlungsketten.

į Technik III: In einem engeren Sinne wird unter Technik die Verwendung sachlicher Mittel (Instrumente, Maschinen etc.) verstanden. Technisierung ist in diesem Sinne nach W. Rammert (1983) eine soziale Strategie, eine Form des Handelns, in der durch den Einbau von Sachen in menschliche Handlungsketten eine bestimmte Handlungsform im Vergleich zu anderen hervorgehoben, verstärkt, auf Dauer sozial institutionalisiert und fixiert wird. Verwissenschaftlichung ist somit auch als eine Form der Aneignung von Technik aufzufassen.

į Technik IV: In der Sozialphilosophie A. Gehlens (Technik als zweite Natur des Menschen) ist Technik als Organersatz, Organentlastung und Organüberbietung konzipiert, auf deren Sachgesetzlichkeiten Herrschaft beruhen soll.

PDCA-Zyklus als Zuordnungsmodell für die Qualitätstechniken

Techniken können für die Umsetzung des Qualitätsmanagements genutzt werden. Sie sind also auch Qualitätstechniken. In einem engeren Sinne sind Qualitätstechniken direkt auf die Planung, Realisierung (Lenkung), Analyse und Verbesserung der Qualität oder des Qualitätsmanagements bezogene Techniken. Nicht jede Qualitätstechnik lässt sich jedoch eindeutig nur einer dieser Phasen zuordnen. Zu beachten ist auch die Art des Produkts, die mitentscheidet, ob die- se oder jene Qualitätstechnik sinnvoll zum Einsatz kommen kann. In Literatur und Praxis wird der Einsatz der Techniken danach unterschieden, wenn es sich um Dienstleistungen handelt [10]. Für den Praktiker, der schnell wissen will, welche Technik er wofür nutzen soll, ist eine Vorsortierung der Qualitätstechniken hilfreich. Der Vorschlag von Linß (2002, 119ff ), die Qualitätstechniken auf die Phasen des Deming’schen PDCA-Zyklus zu beziehen, ist deshalb sowohl aus didaktischen wie auch aus Gründen der Zirkularität des Tätigseins im QM heraus zu begrüssen, wenngleich auch ihm die Zuordnung nicht vollständig gelingen kann. Die elementaren Qualitätstechniken beziehen sich eben auf den gesamten Prozess und können theoretisch in jeder Phase angewandt werden. Der Systematisierungsvorschlag der Qualitätstechniken von Gerhard Linß ist in der Abbildung 4.97 auf der nächsten Seite nachempfunden. Blickt man zurück auf die frühen achtziger Jahre oder noch weiter zurück auf die bewusste Entwicklung der ersten Qualitätstechniken

4.5 Qualitätstechniken Qualitätsverbesserung

433 Qualitätsplanung

² QFD-Quality Function Deployment [House of ² Audit; ² Benchmarking; ² FMEAElementare Feh ler mög lichkeitsund -einflussanalyse; Qualitätstechniken Quality]; ² Lastenheft/Pflichtenheft; ² APQPProdukt-Qualitätsvorausplanung und Control Plan; ² Ursache-Wir kungs-Diagramm [Ishikawa² Prüfplanung; ² Prüfmittelauswahl Diagramm]; ² DoE- Design of Experiments A-ACT [Statistische Versuchsplanung]; ² Six-SigmaMethode; ² Kaizen / KVP-Kontinuierliche Verbesserung; ² Qualitätszirkel; ² BVW² KreaBetriebliches Vorschlagswesen; ² Mitartivitätstechniken: beiterzufriedenheitsanalyse; ² Acht-D-Me² Affinitätsdiagramm thode ² Brainstorming m Brainwriting ² Methode 635 ² Metaplantechnik ² MindMapping ² Netzplantechnik; C-CHECK P-PLAN ² Visualisierungstechniken: ² Fehlersammelliste ² Histogramm ² BaumQualitätsrealisierung [-lenkung] Qualitätsprüfung [Analyse] diagramm ² Radarbild ² Paretodiagramm ² Korrelationsdiagramm ² MSA-Analyse von Messsystemen ² VDA 4-Sicherung der Qualität vor ² Flussdiagramm; ² Check[Pr üf mittel fähigkeitsuntersuchung]; Serieneinsatz; ² PPAP-Produktionsteilliste; ² Balanced ² Maschinen- und Prozessfähigkeitsuntersufreigabe nach QS-9000; ² Klassifizierung von Scorecard; chung; ² Lieferantenbewertung; ² ReklamaPrüfungen; ² Prüfmittelverwaltung und -übertionswesen ² Beschwerdemanagement wachung; ² SPC-Statistische Prozessregelung / Con trol Cards-Qualitätsregelkarten; D-DO ² Annahmestichprobenprüfung / AQL-Werte; ² Fehlermanagement; ² Poka Yoke; ² Jidoka; ² Andon; ² Drei Mu: Muda, Mura, Muri; ² Fünf S: Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu, Shitsuke

durch K. Ishikawa (s. Kap. 2.9), so ist festzustellen, dass es sichtbarer Ausdruck des betrieblichen Tätigseins war, durch Konstruktion, Entwicklung, Planung und betriebliche Organisation die Qualität sicherzustellen. „Diesen ‘klassischen’ Qualitätstechniken, die auch heute noch selbstverständlich sind, wurden neue Techniken zur Seite geWas sind Qualitätstechniken? Qualitätstechniken sind diejenigen Mittel und praktischen Anwendungen (know how), die auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Phasen der Produktentwicklung zum Lösen von spezifischen Problemen eingesetzt werden. Solche Techniken, bei denen im Deutschen am Wortende das Appendix -technik verwendet wird, sind in vielen Bereichen gebräuchlich: Organisationstechnik, Analysetechnik, Synthesetechnik, Problemlösungstechnik, Moderationstechnik, Präsentationstechnik etc. In diesen Wissenszweigen bezeichnet -technik jeweils ein bestimmtes, unter Mitteleinsatz, zielorientiertes Vorgehen zur Lösung von spezifischen Problemen. Genau dies ist auch das Ziel des Einsatzes von Qualitätstechniken, mittels derer Probleme aus dem Bereich des Qualitätsmanagements zu lösen sind. Qualitätstechniken zeichnen sich dabei durch strukturiertes, systematisches Vorgehen zur Verringerung der Komplexität aus und unterstützen das Qualitätsmanagement auf der operativen Ebene. Qualitätstechniken bedienen sich auch der Gerätetechnik (Beispiel PC-Technik) – Durchsetzen wird sich die Anwendung von Qualitätstechniken aber nur, wenn deren Ergebnisse Basis von Führungsentscheidungen werden. Hierzu ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen seine Produkte in Beziehung zu denen der Wettbewerber setzen will, wird es wirksam nur auf die Qualitätstechnik QFD [Quality Function Deployment] zurückgreifen können, wenn die Oberste Leitung diese Qualitätstechnik als Grundlage für das House of Quality, mit der die Transparenz zum Wettbewerb ausgedrückt werden soll, fordert. Nur der bewusste Einsatz der Qualitätstechniken innerhalb der sozialen Zusammenhänge auf allen Organisationsebenen sichert den erfolgreichen Einsatz der Qualitätstechniken. So verstanden entsteht Qualität in der Tat aus dem Einsatz von ‘Technik’ und ‘Geisteshaltung’, wie es Gerd F. Kamiske immer wieder betont.

ÁAbbildung 4.97: Systema k der Qualitätstechniken, gegliedert nach dem PDCA-Zyklus von Deming (nach Linß 2001, 119ff)

4 Ansätze und Systeme des Qualitätsmanagements

434

ÅAbbildung 4.98: Qualitätstechniken für Dienstleister: Auswahlmatrix für Qualitätstechniken im Dienstleistungsbereich auf der Basis der sog. D7-Qualitätstechniken

D7-Q-Techniken Vignetten-Technik Service-Blueprint Sequentelle Ereignismethode ServQual Beschwerdemanagement FRAP Service-FMEA Sehr gut geeignet Gut geeignet

De sig n Da rst el Qu lung me alitä rkm tsale Me ssu ng Be sch we rd e An aly se Ve rb ess eru ng

stellt, die als Qualitätstechniken bezeichnet wurden. Unter Qualitätstechniken im engeren Sinne werden aufgrund ihres direkten Bezuges zum QM folgende Techniken verstanden: × QFD: Qualitätsfunktionen-Darstellung / Quality Function Deployment × FMEA: Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse / Failure Mode and Effects Analysis × SPR/SPC: Statistische Prozessregelung / Statistical Process Control × DoE: Statistische Versuchsplanung / Design of Experiments × Q7: Sieben Qualitätswerkzeuge / Seven QC Tools × M7: Sieben Managementwerkzeuge / Seven New Tools. Neben diesen Qualitätstechniken im engeren Sinne werden Brainstorming, Delphi-Methode, Morphologischer Kasten, Synektik und viele andere Hilfstechniken als Qualitätstechnik im weiteren Sinne bezeichnet. Daneben gibt es eher als organisatorische Maßnahmen zu verstehende Einrichtungen wie Qualitätszirkel, Audit oder vorbeugende Instandhaltung etc.“ (Theden 2001, 1005) Theden empfiehlt damit, mit dem Begriff Qualitätstechnik vorsichtiger umzugehen, um ihn nicht zu entwerten. Sein Vorschlag einer Gliederung findet sich in: (Theden 2001, 1006). Die besonders entwickelten Qualitätstechniken aus dem Dienstleistungsbereich, zu denen auch die in der Abbildung 4.97 genannten elementaren Qualitätstechniken zählen, sind nicht aufgenommen. Die folgenden Qualitätstechniken für Dienstleister sind besonders bemerkenswert (Zollondz 2001, 133-142). Sie sind in Abb. 4.98 hinsichtlich ihrer Eignung im Dienstleistungsprozess dargestellt (ebenda, 133f): × D1-Vignetten-Technik (Design/Entwicklung/Prävention/ Qualitätsmerkmale) × D2-Service-Blueprinting (Prozessdarstellung)

4.5 Qualitätstechniken

D3-Sequentielle Ereignis Methode (Ermittlung der Qualitätsmerkmale) × D4-ServQual (Qualitätsmessung) × D5-Beschwerdemanagement (Beschwerden) × D6-FRAP-Frequenz Relevanz Analyse von Problemen (Analyse) × D7-Service-FMEA (Prävention und Verbesserung). Der hier vorgeschlagene Zugang zu den Qualitätstechniken war ein Überblick, der einen Strukturierungsvorschlag anbot. Die im Ingenieurbereich genutzten Qualitätstechniken standen dabei im Vordergrund. Hierzu liegt auch eine Fülle an Anwenderliteratur vor. Für den Einsteiger in jeder Hinsicht empfehlenswert ist – wegen seiner Ausführlichkeit und Fallbezogenheit – der Titel von Tilo Pfeifer (Pfeifer 1996). Qualitätstechniken im Dienstleistungsbereich sind noch nicht in Form eines solchen Kompendiums auf dem Markt [11]. ×

„Die qualitas occulta, die Leben heisst, ist uns unbekannt.“

435